Religion noch besser unterrichten: Qualität und Qualitätsentwicklung im RU [1 ed.] 9783666702969, 9783525702963


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Religion noch besser unterrichten: Qualität und Qualitätsentwicklung im RU [1 ed.]
 9783666702969, 9783525702963

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Friedrich Schweitzer

Religion noch besser unterrichten Qualität und Qualitätsentwicklung im RU

Friedrich Schweitzer

Religion noch besser unterrichten Qualität und Qualitätsentwicklung im RU

Vandenhoeck & Ruprecht

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek: Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über https://dnb.de abrufbar. © 2020, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Theaterstraße 13, D-37073 Göttingen Alle Rechte vorbehalten. Das Werk und seine Teile sind urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung in anderen als den gesetzlich zugelassenen Fällen bedarf der vorherigen schriftlichen Einwilligung des Verlages. Umschlagabbildung: © vegefox.com/Adobe Stock Satz: SchwabScantechnik, Göttingen Vandenhoeck & Ruprecht Verlage | www.vandenhoeck-ruprecht-verlage.com ISBN 978-3-666-70296-9

Inhalt

Was dieser Band leisten soll . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9 Einleitung: Motive – Hintergründe – Zielsetzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11 1. Motive für die Frage nach Qualität und Qualitätsentwicklung im Religionsunterricht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 12 2. Wege der Qualitätsentwicklung: Ausgang von der Praxis – Identifikation von Qualitätskriterien – Einbezug der empirischen Unterrichtsforschung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 18 3. Ein weiterer Hintergrund: Das Projekt QUIRU (Qualität und Qualitätsentwicklung im Religionsunterricht) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 21 4. Vorgehensweise in diesem Band . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 22

Teil 1

»Guter Religionsunterricht«: Welche Kriterien sollen gelten? 23 1. Was müssen Kriterien für Unterrichtsqualität leisten können? . . . . . . . . . . 24 2. Stand der religionspädagogischen Diskussion und Desiderate . . . . . . . . . . 27 2.1 »Guter Religionsunterricht« als Frage der richtigen Konzeption? Die herkömmliche religionsdidaktische Diskussion und die Notwendigkeit weiterführender Perspektiven . . . . . . . . . . . . . . . . . 27 2.2 »Religionsunterricht: Besser als sein Ruf?« und »Religionsunterricht zwischen Lernfach und Lebenshilfe« (Anton Bucher 1996, 2000): erste empirische Studien zur Qualität von Religionsunterricht . . . . . . 29 2.3 »Guter Religionsunterricht« 2006 (Jahrbuch der Religionspädagogik): ein Meilenstein? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 32 2.4 Zur weiteren Diskussion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 34 2.5 Desiderate . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 36

3. Der dreifache Bestimmungshorizont von Qualität im Religionsunterricht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 38 3.1 Religionsunterricht als »guter Unterricht« . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 39 3.2 Religionsunterricht als »guter Fachunterricht« . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 48 3.3 Unterrichtsqualität und das besondere Profil des Religionsunterrichts 52 4. Grenzen der Messbarkeit von Qualität im Religionsunterricht . . . . . . . . . . . 56 5. Vom Qualitätsdiskurs zur Unterrichtsforschung: zum Beispiel der »praxistheoretische« Ansatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 58

Teil 2

Qualität im Religionsunterricht wahrnehmen und beurteilen 61 1. Aufgaben der Wissenschaft – Möglichkeiten der Praxis . . . . . . . . . . . . . . . . 61 2. Fragen zwischen Empirie und Theorie, Sozialwissenschaften und Theologie: zum Beispiel konfessionelle Ausrichtung und interreligiöses Lernen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 65 3. Was soll wie erfasst werden? Von allgemeinen Qualitätsaussagen zu spezifischen indikatorengestützten Befunden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 74 4. Indikatorengestützte Untersuchungen zur Unterrichtsqualität als notwendige Weiterentwicklung von Religionsdidaktik . . . . . . . . . . . . . . . . . 106 5. Untersuchungen zum Religionsunterricht und ihre Reichweite . . . . . . . . . . 113 5.1 Intention der Darstellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 113 5.2 Anforderungen an religionspädagogische Unterrichtsforschung: Empirie – Glaube – Fachlichkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 114 5.3 Untersuchungen zum Religionsunterricht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 119 5.3.1 Allgemeine Umfragen zum Religionsunterricht . . . . . . . . . . . . 119 5.3.2 Befragung von Religionslehrkräften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 123 5.3.3 Schülerbefragungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 128 5.3.4 Untersuchungen zur Produktqualität von Religionsunterricht . 134 5.3.5 Untersuchungen zur Prozessqualität von Religionsunterricht . 144 6. Wie »gut« ist der Religionsunterricht? Begrenzte Aussagekraft der Untersuchungen – kritische Anfragen – neue Impulse . . . . . . . . . . . . . . 150 7. Von der Unterrichtsforschung zur Qualitätsentwicklung: zum Beispiel »religionsdidaktische Entwicklungsforschung« . . . . . . . . . . . . 154

Teil 3

Qualität im Religionsunterricht entwickeln . . . . . . . . . . . . . . . . . . 157 1. Die individuelle Ebene: Was befähigt zur Qualitätsentwicklung in der Praxis? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 158 1.1 Unterrichtsanalyse: Sich selbst über die Schulter schauen . . . . . . . . . 159 1.2 Befunde aus der Unterrichtsforschung nutzen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 168 1.3 Die Schülerinnen und Schüler (be-)fragen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 174 1.4 Etwas Neues ausprobieren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 178 2. Die kollegiale Ebene: Was kann man gemeinsam tun? . . . . . . . . . . . . . . . . . 180 2.1 Gemeinsam Unterricht entwickeln durch forschendes Lehren . . . . . . 181 2.2 Professionelle Lerngemeinschaften für den Religionsunterricht? . . . . 185 3. Die institutionelle Ebene: Aufgaben und Möglichkeiten der Aus- und Fortbildung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 188 3.1 Zum Stand der Diskussion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 189 3.2 Aufgaben und weitere Perspektiven . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 192 3.3 Exemplarische Möglichkeiten für die Weiterentwicklung der Ausund Fortbildung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 195 3.3.1 Die Frage nach »gutem (Religions-)Unterricht« als Standarddimension der Aus- und Fortbildung . . . . . . . . . . . . . . 195 3.3.2 Unterrichtsanalyse als Element religionsdidaktischer Lehrveranstaltungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 196 3.3.3 Entwicklung von Schülerfragebögen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 197 3.3.4 »Von der Unterrichtsforschung zur Unterrichtsgestaltung« – als Angebot in der Aus- und Fortbildung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 198 3.3.5 Professionelle Lerngemeinschaften als Träger fachdidaktischer Entwicklungsforschung: Anbahnung im Studium und Angebot der Fortbildung? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 200 3.3.6 Entwickeln – Erproben – Verbessern: Iterative Arbeitsformen als neue Grundstruktur für Qualitätsentwicklung und Fortbildung? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 202

Teil 4

Mehr als ein Buch – Ausblick auf eine neue Initiative . . . . . . . 204 1. Eine Initiative zwischen Kirche und Wissenschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 204 2. Das Projekt »Qualität und Qualitätsentwicklung im Religionsunterricht« (QUIRU) und seine Teilprojekte . . . . . . . . . . . . . . . . 205 3. Zusammenspiel von Wissenschaft und Praxis: eine Einladung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 208

Was dieser Band leisten soll

Der Band stellt sich der heute weithin als dringlich angesehenen Frage, wie die aktuelle Diskussion über Qualität und Qualitätsentwicklung in der Schule auch für den Religionsunterricht fruchtbar gemacht werden kann. Dabei ist er so angelegt, dass er nicht nur auf der Ebene von Ausbildungs- oder Fortbildungseinrichtungen genutzt werden kann, sondern auch von Religionslehrerinnen und -lehrern in der Praxis. In vieler Hinsicht sind sie die ersten, die sich mit der Weiterentwicklung von Religionsunterricht befassen und befassen sollen. Deshalb muss es immer auch um Möglichkeiten gehen, den eigenen Unterricht weiter zu verbessern. Auch wenn heute manchmal von einer »Krise des Religionsunterrichts« die Rede ist und dabei auch auf Probleme im Unterricht selbst verwiesen wird, soll hier nicht von einem Krisenszenario ausgegangen werden. Vielmehr geht es an erster Stelle um die Herausforderung, die sich bei allem Unterrichten ganz alltäglich stellt: Erfahrungen im Unterricht dafür zu nutzen, diesen weiter zu optimieren. Der Stand der religionspädagogischen Diskussion bringt es dabei mit sich, dass über die eigenen Erfahrungen hinaus zunehmend auch Befunde aus der empirischen Forschung für solche Optimierungen genutzt werden können. In gewisser Hinsicht ist dies sogar zwingend, sofern sich professionelles religionspädagogisches Handeln dadurch auszeichnet, dass es auf forschungsgestützter Expertise beruht. Dieser Expertise dient der in diesem Band unternommene Versuch, die Diskussion und Forschung zu Qualität und Qualitätsentwicklung im Religionsunterricht zusammenfassend in Buchform darzustellen. Damit wird auch die in fast allen Bundesländern derzeit aktuelle Umstellung von Qualitätsentwicklung sowie der Aus- und Fortbildung im Sinne empiriebasierter Verfahren aufgenommen und sollen die dafür erforderlichen wissenschaftlichen Grundlagen bereitgestellt werden. Solche Darstellungen sind bislang nur im Bereich der Pädagogischen Psychologie und der Empirischen Bildungsforschung verfügbar. Sie wenden sich damit an Unterrichtende in allen Fächern und können daher auch für den Religionsunterricht eingesetzt werden. Zugleich bleiben sie damit aber notwendig allgemein und sind nicht auf die spezifische Fachlichkeit des Religionsunterrichts eingestellt. So gesehen zielt der Band auf die notwendige, aber bislang nicht ausreichend geleistete Verbindung zwischen allgemeinen Modellen von Unterrichtsqualität aus der Erziehungswissenschaft sowie der Pädagogischen Psychologie

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Was dieser Band leisten soll

und Empirischer Bildungsforschung auf der einen und der Fachlichkeit und Fachdidaktik des Religionsunterrichts auf der anderen Seite. Zu diesem Zweck wird zugleich auf das in der Religionspädagogik verbreitete Modell der Elementarisierung zurückgegriffen, im Sinne einer exemplarischen Konkretion für die Religionsdidaktik. Allerdings wurde dieses Modell für die Vorbereitung und Gestaltung von Religionsunterricht konzipiert, also nicht im Blick auf Unterrichtsqualität, die nun ins Zentrum rücken soll. Deshalb wird das Elementarisierungsmodell hier im Blick auf Qualität im Religionsunterricht weiterentwickelt, so dass die in diesem Modell bislang eher implizit gebliebenen Qualitätskriterien fassbar werden. Es sind somit drei Fragen, auf die sich dieser Band bezieht: 1. Welche Kriterien sind für »guten Religionsunterricht« entscheidend? 2. Wie lässt sich Qualität im Religionsunterricht erfassen und beurteilen? 3. Wie ist Qualität im Religionsunterricht weiterzuentwickeln? Die Frage nach Qualität und Qualitätsentwicklung im Religionsunterricht stellt sich immer in bestimmten Kontexten, die heute nicht zuletzt von der Bildungspolitik bestimmt sind, aber auch von Entwicklungen in Schule und Religionsdidaktik. Die Einleitung nimmt solche Kontexte auf und gibt zugleich nähere Auskunft über die Motive, die für die Entstehung des Buches maßgeblich waren. Am Ende des Bandes steht noch ein Ausblick auf eine aktuelle Initiative – das Projekt QUIRU (Qualität und Qualitätsentwicklung im Religionsunterricht) –, durch die dieser Band auch eine praktische Einbindung erfährt. Der praktischen Nutzbarkeit dienen in diesem Buch zwei weitere Darstellungselemente: Zum einen werden durchweg knappe Zusammenfassungen geboten, die zugleich einer raschen Orientierung dienen sollen. Zum anderen werden immer wieder Beispiele eingefügt (grau unterlegt), die sich für eine vertiefende Bearbeitung eignen. Zahlreiche hilfreiche Hinweise verdankt der Band seinen ersten Leserinnen und Lesern am Tübinger Lehrstuhl: Sara Haen, Evelyn Krimmer, Eileen Märkle, Mirjam Rutkowski und Martin Losert, die das Gesamtmanuskript oder Teile davon durchgesehen haben. Zahlreiche Impulse kamen auch von Stefan Hermann, Direktor des Pädagogisch-Theologischen Zentrums in Stuttgart-Birkach, sowie von Religionslehrkräften bei Fortbildungsveranstaltungen und von Studierenden in mehreren Lehrveranstaltungen, bei denen Elemente aus dem Buch erprobt werden konnten. Als studentische Mitarbeiterinnen haben mich Rebecca Fuder und Lea Gund unermüdlich mit Recherchen und bei der Literaturbeschaffung unterstützt. Bei den Korrekturarbeiten kamen dazu noch Antonia Valesca Lehmann und Raffaela Petruzzelli. Ihnen allen bin ich dafür sehr verbunden!

Einleitung: Motive – Hintergründe – Zielsetzung

Die Frage nach der Qualität von Religionsunterricht stellt eine Grundfrage aller schulbezogenen Religionspädagogik dar, für die Praxis ebenso wie für die Wissenschaft. Und ganz automatisch stellt sich auch die Folgefrage ein, wie die Qualität des Unterrichts weiter verbessert werden kann. Zumindest in gewisser Hinsicht lässt sich sogar behaupten, dass es genau diese Fragen sind, aus denen Aufgabe und Berechtigung einer wissenschaftlichen Religionspädagogik allererst erwachsen. Aus der Sicht der Praxis entscheidet sich der Sinn von Religionspädagogik jedenfalls daran, ob diese etwas zur Unterstützung der eigenen Arbeit in der Praxis beizutragen vermag, und auch im Rahmen der Wissenschaft macht eine solche Disziplin nur Sinn, wenn sie eine Praxisrelevanz einschließt, die sich als Verbesserung von Religionsunterricht beschreiben lässt. Damit knüpft die vorliegende Darstellung an die in den letzten Jahren vermehrt zu beobachtenden Versuche an, ein genaueres Verständnis davon zu gewinnen, was »guten Religionsunterricht« ausmacht. Diese Feststellung muss allerdings sogleich präzisiert und dabei auch eingeschränkt werden. Als exemplarisch für den religionspädagogischen Qualitätsdiskurs kann zunächst der vielbeachtete Band des Jahrbuchs der Religionspädagogik aus dem Jahr 2006 genannt werden, der eine erste Zusammenfassung der religionsdidaktischen Qualitätsdiskussion bieten sollte.1 Seither wurde die Diskussion eher in kleineren Einzelbeiträgen weitergeführt, zunächst durchaus intensiv,2 aber inzwischen ist sie ein Stück weit versandet. Die Überzeugung, dass eine genauere Klärung von Qualitätsmerkmalen und Entwicklungsperspektiven für den Religionsunterricht an der Zeit sei, erwies sich zwar als weithin plausibel, aber offenbar waren die damals diskutierten Entwicklungsmöglichkeiten weder für die Praxis noch für die Theorie schon wirklich anschlussfähig. Stattdessen entwickelte sich vor allem ein inzwischen freilich ebenfalls dünner werdender Diskussionsstrang zu Kompetenzerwerb und Kompetenzorientierung im Religionsunterricht, der allerdings von vornherein 1 Was ist guter Religionsunterricht? Jahrbuch der Religionspädagogik 22, Neukirchen-Vluyn 2006. 2 Vgl. bspw. M. L. Pirner, Auf der Suche nach dem guten Religionsunterricht. Perspektiven religionsdidaktischer Lehr-Lern-Forschung. In: Religionspädagogische Beiträge 60/2008, 3–17; U. Riegel, Qualitätssicherung. In: WiReLex 2017, https://www.bibelwissenschaft.de/ stichwort/100323 (Zugriff 2.12.2019).

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Einleitung: Motive – Hintergründe – Zielsetzung

nicht das notwendig breite Spektrum der Aspekte, die bei der Frage nach »gutem Religionsunterricht« zu berücksichtigen sind, abdecken kann und der in der Regel auch nicht mit so weitreichenden Ansprüchen verbunden wird.3 Insofern ist die Frage nach Qualität und Qualitätsentwicklung im Religionsunterricht mehr oder weniger liegengeblieben. Sie bedarf aber – angesichts der aktuellen Entwicklung in Schule und Religionsunterricht sowie in der religionspädagogischen Aus- und Fortbildung – dringend einer weiterführenden Bearbeitung, womit ein zweiter Ausgangspunkt für die vorliegende Darstellung markiert ist. Gerade die inzwischen in den Bildungsplänen breit ausgebrachte Kompetenzorientierung, die auch in der Praxis von Unterricht ebenso wie in der Aus- und Fortbildung keineswegs ungeteilter Zustimmung begegnet, macht deutlich, dass die Motive für die jetzt neu zu stellende Frage nach Qualität und Qualitätsentwicklung im Religionsunterricht genauer geprüft werden müssen.

1. Motive für die Frage nach Qualität und Qualitätsentwicklung im Religionsunterricht Bei den Motiven für die Frage nach Qualität und Qualitätsentwicklung im Religionsunterricht lässt sich zwischen äußeren und inneren Motiven unterscheiden. Gemeint sind damit einerseits Anfragen und Diskussionszusammenhänge, die dem Fach Religion aus dem gesellschaftlichen Diskurs, aus der Erziehungs- bzw. Bildungswissenschaft sowie dem weiteren Kontext der Schule begegnen. Andererseits geht es um Zielsetzungen und Entwicklungstendenzen innerhalb des Faches selbst. Fragen und Anfragen von außerhalb des Faches Religion Den für die aktuelle Diskussion nicht nur im Blick auf den Religionsunterricht noch immer bestimmenden Horizont bilden insbesondere die in den letzten zwei Jahrzehnten regelmäßig vorgelegten PISA-Studien mit ihren grundlegenden Anfragen an die Leistungsfähigkeit von Schule und Unterricht.4 Parallel 3 Versuch einer Bilanzierung: Themenheft der Zeitschrift für Pädagogik und Theologie (4/2018) »Kompetenzorientierung im Religionsunterricht – Chancen und Grenzen«; vgl. als grundlegende Darstellung G. Obst, Kompetenzorientiertes Lehren und Lernen im Religionsunterricht, Göttingen 2008 (4. Aufl. aktualisiert von H. Lenhard 2015). 4 Vgl. den ersten grundlegenden Band Deutsches PISA-Konsortium (Hg.), PISA 2000. Basiskompetenzen von Schülerinnen und Schülern im internationalen Vergleich, Opladen 2001, an den die späteren Bände anschließen.

Motive für die Frage nach Qualität und Qualitätsentwicklung im Religionsunterricht

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dazu ist auf weitere Untersuchungen zu verweisen, die sich beispielsweise auf die Lesefähigkeit, auf bestimmte Fächer und fachbezogene Kompetenzen oder wie die Hattie-Studie auf Einflussfaktoren für die Unterrichtsqualität beziehen.5 Schon seit der ersten PISA-Studie aus dem Jahr 2000 liegt zutage, dass der Unterricht in Deutschland, aber auch in vielen anderen Ländern deutlich hinter seinen Zielen und Aufgaben zurückbleibt. Weder werden die weithin erhofften Spitzenleistungen erzielt, noch erfahren leistungsschwächere Kinder und Jugendliche die Förderung, die sie für eine erfolgreiche Lebensführung bräuchten. Doch gilt dies auch für den Religionsunterricht? Der Religionsunterricht wurde und wird bei solchen Studien, ähnlich wie auch die meisten anderen Fächer der Schule, nicht eigens untersucht. Die PISAStudien beziehen sich auf den sprachlichen sowie auf den mathematisch-naturwissenschaftlichen Bereich, aber die Annahme, die in den PISA-Studien identifizierten Probleme seien auf wenige (Haupt-)Fächer der Schule begrenzt, wäre natürlich wenig plausibel. Insofern leuchtet es ein, dass sich nunmehr alle Fächer unausweichlich mit der Frage konfrontiert sehen, wie es tatsächlich um ihre Qualität und Leistungsfähigkeit stehe. Werden die für das Fach ausgewiesenen Ziele tatsächlich erreicht? Was wird hier eigentlich gelernt? Und wie lässt sich dies belegen? Die Antwort auf solche kritischen Anfragen wird derzeit vielfach mit dem Nachweis eines entsprechenden Kompetenzerwerbs identifiziert. Wie sich im weiteren Verlauf der Darstellung zeigen wird, reicht diese Antwort für sich allein genommen aber nicht aus, auch wenn im Kompetenzerwerb ein gewichtiges Kriterium für die Leistungsfähigkeit von Unterricht zu sehen ist. Es ist insofern auch nicht angemessen, wenn mitunter behauptet wird, die Frage nach der realen Zielerreichung im Unterricht sei doch (allein) auf ein ökonomisch oder technologisch verkürztes Denken zurückzuführen, auch wenn der globale Wettbewerb häufig im Hintergrund eine pädagogisch zu problematisierende Rolle spielt.6 Vielmehr zielt diese Frage auch auf ein ureigenes (religions-)pädagogisches Anliegen: Religionsunterricht ist nur dann sinnvoll, wenn Kinder und Jugendliche durch diesen Unterricht gefördert werden. Diesem Verständnis sieht sich auch die vorliegende Darstellung verpflichtet. Die Diskussion über die Legitimität von Religionsunterricht als Fach der Schule ist ebenso anhaltend wie weit verzweigt.7 Heute wird dabei häufig nur an die 5 Vgl. als weit verbreitete Überblicksdarstellung A. Helmke, Unterrichtsqualität und Lehrerprofessionalität. Diagnose, Evaluation und Verbesserung des Unterrichts, Seelze-Velber 62015. 6 Vgl. etwa OECD (Hg.), Knowledge and Skills for Life. First Results from PISA 2000, Paris 2001. 7 Vgl. zuletzt etwa C. Gärtner, Religionsunterricht – ein Auslaufmodell? Begründungen und Grundlagen religiöser Bildung in der Schule, Paderborn 2015; B. Schröder (Hg.), Religionsunterricht – wohin? Modelle seiner Organisation und didaktischen Struktur, Neukirchen-Vluyn 2014.

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Einleitung: Motive – Hintergründe – Zielsetzung

Organisationsgestalt dieses Unterrichts gedacht und also daran, ob dieser Unterricht konfessionell oder religionsübergreifend, theologisch oder religionswissenschaftlich fundiert bzw., im Anschluss an das deutsche Grundgesetz (Art. 7,3), noch »in Übereinstimmung mit den Grundsätzen der Religionsgemeinschaften« oder umgekehrt gerade abgelöst von allen solchen Bezügen in »neutraler« Weise erteilt werden soll. Bei solchen Fragen wird häufig übergangen, dass mit der jeweiligen Organisationsgestalt noch keineswegs auch schon über die Qualität von Religionsunterricht entschieden ist. Denn guten oder schlechten Unterricht gibt es auch innerhalb jeder Organisationsgestalt, und für die Schülerinnen und Schüler kommt es am Ende vor allem darauf an, ob der Unterricht ihnen selbst »etwas bringt«. Solche Wahrnehmungen beeinflussen dann im Hintergrund auch wissenschaftliche Einschätzungen – sei es in der Erziehungswissenschaft oder beispielsweise im Recht –, wenn etwa Kolleginnen und Kollegen im persönlichen Gespräch auf »enttäuschende Unterrichtserfahrungen ihrer Kinder« verweisen. Die in der Religionspädagogik breit diskutierte Frage nach der Organisationsgestalt und entsprechenden Modellen für den Religionsunterricht soll in der vorliegenden Darstellung deshalb nicht erneut im Zentrum stehen, auch wenn sie natürlich immer wieder gestreift werden muss. Im Zentrum soll vielmehr die Qualität im Religionsunterricht selbst stehen – verbunden mit der Erwartung, dass klarere Einsichten in die Qualität dieses Unterrichts und in entsprechende Entwicklungsperspektiven auch seine Plausibilität zu stärken vermögen, in mancher Hinsicht sogar mehr als ein allgemeiner Legitimationsdiskurs im Blick auf Kontroversen über die institutionelle Gestalt des Faches. Berichte aus der Praxis, wie sie in systematischer Form in Gestalt von Umfragen verfügbar sind, machen seit längerem deutlich, dass die Stellung des Faches Religion in den Schulen selbst keineswegs so umstritten ist, wie häufig angenommen wird.8 Weitgehend übereinstimmend berichten die befragten Religionslehrkräfte, dass sie sich von Schulleitung und Kollegium akzeptiert wissen und auch nicht etwa über eine Benachteiligung im Vergleich zu anderen Fächern zu klagen haben.9 Diese Situation ist religionspädagogisch natürlich erfreulich. Sie darf 8 Vgl. bspw. F. Schweitzer/G. Wissner/A. Bohner/R. Nowack/M. Gronover/R. Boschki, Jugend – Glaube – Religion. Eine Repräsentativstudie zu Jugendlichen im Religions- und Ethikunterricht, Münster/New York 2018; M. L. Pirner (Hg.), Religionsunterricht in Bayern. Eine repräsentative Bevölkerungsumfrage. Ergebnisse und Diskussion, Erlangen 2019. 9 Vgl. u. a. A. Feige/W. Tzscheetzsch, Christlicher Religionsunterricht im religionsneutralen Staat? Unterrichtliche Zielvorstellungen und religiöses Selbstverständnis von ev. und kath. Religionslehrerinnen und -lehrern in Baden-Württemberg, Ostfildern/Stuttgart 2005.

Motive für die Frage nach Qualität und Qualitätsentwicklung im Religionsunterricht

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jedoch nicht zu Untätigkeit oder Selbstzufriedenheit verführen. Denn zugleich scheint auch eine zunehmende Unsicherheit darüber zu bestehen, worin der Beitrag des Religionsunterrichts zum Bildungs- und Erziehungsauftrag der Schule eigentlich besteht.10 Aussagen wie die, dass man im Leben doch auch »so etwas wie Religion und Glaube« brauche oder dass Wertebildung angesichts der aktuellen gesellschaftlichen Probleme immer wichtiger werde, erweisen sich dabei auf Dauer als unzureichend. Wie für jedes andere Fach muss auch für den Religionsunterricht präzise angegeben werden, was und wie in diesem Fach gelernt werden soll. Im wachsenden Bewusstsein, dass in dieser Hinsicht auch für den Religionsunterricht mehr Klarheit gewonnen werden muss, liegt ein wesentlicher Ertrag der religionspädagogischen Kompetenzdiskussion. Motive im Ausgang vom Religionsunterricht selbst Die Frage nach Qualität und Qualitätsentwicklung im Religionsunterricht begegnet diesem Unterricht nicht einfach von außen. Sie entspricht vielmehr zugleich inneren religionspädagogischen Motiven, die in wesentlicher Weise aus dem Selbstverständnis des Faches und der Religionslehrkräfte hervorgehen. Nach heutigem Verständnis sind erziehungs- oder bildungswissenschaftliche Erkenntnisse für die Religionsdidaktik konstitutiv. Schon seit dem epochalen Übergang von der traditionellen Katechetik zur Religionspädagogik, wie er sich – allerdings in diskontinuierlicher Weise – im 20. Jahrhundert vollzogen hat, gilt diese Auffassung als grundlegender Ausgangspunkt insbesondere für die Gestaltung von Religionsunterricht.11 Dabei geht es keineswegs bloß um wissenschaftliche Fragestellungen, die der Praxis dann vielleicht abstrakt gegenüberstehen, sondern im Kern geht es um die Kinder und Jugendlichen. Ihnen soll der Religionsunterricht gerecht werden. Er soll ihre Lebensorientierungen und Glaubensweisen wahrnehmen und sie darin unterstützen, sich in religiöser Hinsicht persönlich weiterzuentwickeln und eine Orientierung in der religiös-weltanschaulichen Vielfalt der Gegenwart zu gewinnen. In dieser Forderung liegt ein grundlegender Qualitätsanspruch: Nur ein Unterricht, der diese Ziele zumindest tendenziell erreicht, kann »guter Religionsunterricht« heißen, und er muss dabei immer auch den Ansprüchen eines jeden »guten Unterrichts« gerecht werden. 10 Das zeigt besonders eindrücklich die Studie J. C. Conroy u. a., Does Religious Education Work? A Multi-dimensional Investigation, London/New York 2013. 11 Darin stimmen die evangelische und katholische Religionspädagogik heute weithin überein, vgl. exemplarisch F. Schweitzer, Religionspädagogik, Gütersloh 22019; B. Schröder, Religionspädagogik, Tübingen 2012; R. Boschki, in Zus. mit S. Altmeyer u. a., Einführung in die Religionspädagogik, Darmstadt 32017.

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Einleitung: Motive – Hintergründe – Zielsetzung

Eine Identifikation pädagogischer Qualitätsansprüche allein mit den Entwicklungs- und Orientierungsbedürfnissen von Kindern und Jugendlichen bliebe allerdings einseitig. Von eigenem Gewicht ist auch in pädagogischer Hinsicht der gesellschaftliche Bezug, wie er sich für den Religionsunterricht heute vor allem als Befähigung zum Leben und Zusammenleben in einer zunehmend multireligiösen Gesellschaft konkretisiert. Dieser Bezug entspricht auch einem theologisch und religionspädagogisch begründeten Anliegen. Dabei spielen nicht zuletzt die mit unterschiedlichen Glaubensweisen verbundenen Wertorientierungen eine wichtige Rolle. So gesehen gehört es trotz der in dieser Hinsicht mitunter kritischen Stimmen zum Selbstverständnis des Religionsunterrichts, zur Wertebildung beizutragen, vor allem im Sinne von Frieden und Toleranz, Respekt und wechselseitiger Anerkennung.12 An diesem Punkt wird bereits erkennbar, dass die Frage nach Qualität und Qualitätsentwicklung im Religionsunterricht auch die Theologie als primäre Bezugswissenschaft dieses Unterrichts berührt. Denn ohne eine klar ausgewiesene Fachlichkeit und ohne substanzielle Inhalte kann der Unterricht weder den Bedürfnissen von Kindern und Jugendlichen noch den Erwartungen der Gesellschaft gerecht werden. In der (religions-)didaktischen Tradition wird dabei manchmal ein prinzipieller Gegensatz zwischen fachwissenschaftlichen und didaktischen Ansprüchen angenommen.13 Dabei stehen sich dann der Anspruch, fachliche Inhalte möglichst vollständig und in ihrer Eigenlogik vermitteln zu wollen, und die Forderung nach einer didaktischen Transformation aller Inhalte gegenüber. Im Falle der Theologie wurde ein solcher Gegensatz zwar mitunter ebenfalls wahrgenommen, aber recht verstanden ist dies jedenfalls nicht zwingend. Denn Theologie lässt sich, zumindest in bestimmten Hinsichten, angemessener so verstehen, dass sie gleichsam aus sich selbst heraus auf kommunikative Prozesse angelegt ist, indem sie die Verständigung und Selbstverständigung über Glaubensüberzeugungen unterstützen will. Insofern weist die Theologie als Fachwissenschaft bereits selbst eine didaktische Dimension auf, sodass die Religionsdidaktik sich als Aufnahme und Weiterführung eben dieser fachlichen Dimension verstehen lässt. Auch wenn dies hier im Einzelnen nicht entfaltet werden kann, ist die religionspädagogische Konsequenz einer solchen Sichtweise doch leicht zu 12 So meine Position: F. Schweitzer, Religiöse Bildung ohne Ethik? Zur ethischen Dimension des Religionsunterrichts. In: Ethisches Lernen, Jahrbuch der Religionspädagogik 31, NeukirchenVluyn 2014, 13–23; gegen B. Dressler, Religionsunterricht als Werterziehung? Eine Problemanzeige. In: Zeitschrift für Evangelische Ethik 46 (2002), 256–269. 13 Zur Diskussion der Hintergründe vgl. noch immer aufschlussreich K. E. Nipkow, Grundfragen der Religionspädagogik. Bd. 1: Gesellschaftliche Herausforderungen und theoretische Ausgangspunkte, Gütersloh 1975, 168 ff.

Motive für die Frage nach Qualität und Qualitätsentwicklung im Religionsunterricht

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erkennen: Die Frage nach Qualität und Qualitätsentwicklung im Religionsunterricht ist immer auch eine Frage der Theologie, die an der Qualität der didaktischen Transformation ihrer Inhalte interessiert ist und interessiert sein muss. Nur ein Religionsunterricht, dem es gelingt, theologische Inhalte so aufzunehmen, dass sie für Kinder und Jugendliche zugänglich werden und sich in einer lebensbedeutsamen Weise erschließen können, ist theologisch angemessen. Im religionsdidaktischen Modell der Elementarisierung beispielsweise kommt dies darin zum Ausdruck, dass die wechselseitige Erschließung zwischen Sache und Person im Zentrum steht.14 In der Begrifflichkeit des Elementarisierungsmodells, auf die noch genauer einzugehen sein wird, geht es dabei ebenso um die inhaltsbezogenen elementaren Strukturen auf der einen wie um die elementaren Erfahrungen, Zugänge und Wahrheiten auf der anderen Seite. Damit ist zugleich die für den Religionsunterricht wesentliche inhaltliche Seite angesprochen: Wie alle Schulfächer dient der Religionsunterricht der Erschließung einer bestimmten inhaltlichen Domäne, die zunächst einfach mit »Religion« bezeichnet werden kann – in Verbindung mit deren wissenschaftlicher Darstellung in Theologie sowie anderen religionsbezogenen Wissenschaften. Daraus erwächst zugleich ein weiteres wichtiges Motiv für die Frage nach Qualität und Qualitätsentwicklung im Religionsunterricht. Die von der Erziehungs- oder Bildungswissenschaft ausgehende Diskussion zur Unterrichtsqualität bleibt naturgemäß sehr allgemein.15 Sie fokussiert allgemeine Merkmale wie Klassenführung oder kognitive Aktivierung, kann aber nicht gleichermaßen aufzeigen, was solche Merkmale im Blick auf den Inhalt bestimmter Fächer bedeuten sollen. An dieser Stelle ist deshalb der Beitrag der Fachdidaktik unerlässlich. Anders ausgedrückt, muss die Religionsdidaktik eigene Perspektiven zur Unterrichtsqualität entwickeln. Die bislang dargestellten religionspädagogischen und theologischen Perspektiven zur Unterrichtsqualität betreffen nicht nur die wissenschaftliche Diskussion. Sie können vielmehr auch als von den einzelnen Lehrpersonen im Religionsunterricht vertretene Ansprüche an den eigenen Unterricht verstanden werden. Davon hängt es letztlich ab, dass Unterrichtsqualität wirklich zu einem Anliegen in der Praxis werden kann. Zugleich wird an dieser Stelle noch eine persönliche Perspektive sichtbar, die sich im Horizont von Berufsbiografie verstehen lässt. In allen pädagogischen Berufen und speziell im Lehrerberuf stellt sich die Aufgabe, gelingende Routinisierung und notwendige Inno14 Vgl. F. Schweitzer/S. Haen/E. Krimmer, Elementarisierung 2.0. Religionsunterricht vorbereiten nach dem Elementarisierungsmodell, Göttingen 2019. 15 Als hilfreiche Einführungen: Helmke, Unterrichtsqualität (s. Anm. 5); M. Kunter/U. Trautwein, Psychologie des Unterrichts, Paderborn u. a. 2013.

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Einleitung: Motive – Hintergründe – Zielsetzung

vation in ein förderliches Gleichgewicht zu bringen. Ohne Routinebildungen lässt sich der pädagogische Alltag nicht bewältigen, und ohne Innovationen drohen Motivationsverlust und Burnout. Die Frage nach Qualität und Qualitätsentwicklung im Religionsunterricht stellt insofern ein persönlich-berufsbiografisches Anliegen dar, indem sie zu neuen Versuchen im eigenen Unterricht einlädt und ermutigt. Ein letztes hier zu nennendes Motiv betrifft noch einmal den Religionsunterricht in seiner Stellung in der Schule und im Konzert der Schulfächer. Alle Fächer der Schule stehen derzeit vor der Herausforderung, wie sie die Qualität des eigenen Unterrichts zunehmend auf der Grundlage empirischer Befunde weiterentwickeln können. Wenn es dem Religionsunterricht gelingt, in dieser Richtung voranzukommen, läge darin eine Chance, das besondere Potenzial dieses Unterrichts im Sinne seiner Entwicklungsfähigkeit unter Beweis zu stellen. Immer wieder wird ja gerade auch in der Religionslehrerschaft erwartet, dass die inhaltliche Ausrichtung des Religionsunterrichts und seine spezielle Verfasstheit als ein Fach, das nicht im Zentrum schuladministrativer Vorgaben steht, auch eine besondere Beweglichkeit mit sich bringen.

2. Wege der Qualitätsentwicklung: Ausgang von der Praxis – Identifikation von Qualitätskriterien – Einbezug der empirischen Unterrichtsforschung Bislang ging es darum, warum nach Qualität im Religionsunterricht gefragt werden soll. Die Wahrnehmung von Unterrichtsqualität allein führt jedoch für sich genommen noch nicht weiter. Sie kann zwar auf Probleme aufmerksam machen oder auch Stärken des Unterrichts hervortreten lassen, aber am Ende stellt sich doch immer die Frage nach Möglichkeiten für die Weiterentwicklung der festgestellten Qualität. Die damit verbundene Aufgabe, so ist bereits deutlich geworden, ist für die (Religions-)Pädagogik in Praxis und Theorie konstitutiv, und sie stellt zugleich ein berufsbiografisch-persönliches Anliegen jeder Lehrkraft dar. Aus diesem Grund soll es in diesem Band nicht nur um das Ziel gehen, Qualität im Religionsunterricht zu erfassen und zu beurteilen, sondern eben immer auch um die Qualitätsentwicklung. Damit wiederum verbinden sich bestimmte Anforderungen, die schon an dieser Stelle kurz genannt werden sollen.

Wege der Qualitätsentwicklung

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Ausgang von der Praxis Schon seit langem ist bekannt, dass sogenannte Implementationsstrategien im Sinne eines Top-down-Verfahrens jedenfalls im pädagogischen Bereich von vornherein zum Scheitern verurteilt sind.16 Dies gilt ebenso für Versuche der Bildungspolitik oder -administration, die schulische Praxis durch die unvermittelte Setzung von Ansprüchen und Zielen verändern zu wollen, wie für den Versuch, Entwicklungsperspektiven allein aus der Wissenschaft abzuleiten. In beiden Fällen wird die Praxis häufig nicht erreicht oder werden sogar Widerstände ausgelöst, sofern Maßnahmen der Qualitätsentwicklung als Fremdbestimmung erscheinen. Darüber hinaus wird nicht beachtet, dass (Religions-) Lehrerinnen und -lehrer die ersten Expertinnen und Experten ihres Unterrichts sind – schon aufgrund ihrer alltäglichen Vertrautheit mit diesem Unterricht – und dass ihre Situation und Wahrnehmungen deshalb als eine unverzichtbare Voraussetzung für alle Formen der Qualitätsentwicklung ernst genommen werden müssen. Lehrerinnen und Lehrer verfügen über eine Expertise, die bei allen Perspektiven der Qualitätsentwicklung zum Tragen kommen muss. Qualitätsentwicklung hat die Professionalität von Religionslehrkräften zu achten und muss ihre Expertise nutzen. Aussicht auf Erfolg haben demnach nur solche Ansätze, bei denen die schulische Praxis den Ausgangspunkt darstellt, nicht nur im Sinne einer Problemwahrnehmung, sondern auch für weitere Entwicklungsperspektiven. Ein Verständnis, das allein auf die eigene Entwicklungsfähigkeit der Praxis setzt, bliebe allerdings ebenfalls einseitig. Dabei würde übersehen, dass die Entwicklung von Praxis auch entsprechende Rahmenbedingungen voraussetzt und dass gerade von der Praxis immer wieder Erwartungen an wissenschaftliche Unterstützung im Sinne von Unterrichtsforschung geäußert werden. Denn der Alltag führt in der Praxis nicht nur zu einer besonderen Vertrautheit mit dem eigenen Unterricht, sondern er bietet zugleich wenig Chancen zu einer weiterreichenden Reflexion, die auch die Erfahrungen jenseits des eigenen Unterrichts systematisch einbezieht. Insofern sollte Praxis nicht gegen Wissenschaft ausgespielt werden, ebenso wenig wie Theorie gegen Praxis. Beide sollten bei der Qualitätsentwicklung vielmehr ineinandergreifen, im Sinne einer Zusammenarbeit,

16 Vgl. den Überblick bei H. Altrichter/S. Wiesinger, Implementation von Schulinnovationen – aktuelle Hoffnungen und Forschungswissen. In: journal für schulentwicklung 9 (2005), 4, 28–36. Im Blick auf die Einführung von Kompetenzmodellen und Bildungsstandards vgl. BMBF (Hg.), Steuerung im Bildungssystem. Implementation und Wirkung neuer Steuerungsinstrumente im Schulwesen, Berlin 2016.

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die von gemeinsamen Zielen getragen wird. Dass dies auch etwa Seminar- und Fachleiterinnen und -leiter einschließen sollte, versteht sich von selbst. Identifikation transparenter Qualitätskriterien Unterricht ist ein komplexes Geschehen, und über seine Qualität kann unterschiedlich geurteilt werden. Auch in der Geschichte der Religionsdidaktik begegnen höchst vielfältige Auffassungen von »gutem Religionsunterricht«, beispielsweise mit einer Verkündigungsorientierung nach dem Vorbild gottesdienstlicher Predigt auf der einen und mit der möglichst aktiven Beteiligung der Schülerinnen und Schüler im Sinne selbständigen Erarbeitens auf der anderen Seite. Was »guter Religionsunterricht« ist oder sein soll, versteht sich offenbar auch religionspädagogisch nicht von selbst. Deshalb ist es wichtig, Klarheit im Blick auf Qualitätskriterien zu gewinnen. Die Identifikation solcher Qualitätskriterien dient der Transparenz, und sie muss auf einen möglichst weitreichenden Konsens sowohl zwischen Wissenschaft und Praxis als auch innerhalb der wissenschaftlichen Religionspädagogik selbst gerichtet sein. Denn solche Kriterien können nur wirksam werden, wenn sie nicht einfach am grünen Tisch festgelegt, sondern im Ausgang von der Praxis bestimmt werden. Und es wäre auch nicht hilfreich, wenn Qualitätskriterien nur von einer bestimmten religionspädagogischen Position her plausibel wären und entsprechend von Ort zu Ort schwanken. Einbezug empirischer Unterrichtsforschung Dass die Weiterentwicklung von Unterrichtsqualität heute nicht mehr unter Absehung von Befunden aus der empirischen Bildungsforschung geschehen kann, stellt eine weithin geteilte Überzeugung dar. Dies betrifft zunächst die Religionspädagogik selbst, die sich zunehmend für die empirische Unterrichtsforschung öffnet. Es gilt aber auch für Bildungspolitik und Bildungsadministration: In manchen Bundesländern wird inzwischen ein Reformprozess vorangetrieben, durch den ein empirisch gestütztes Qualitätsmonitoring zur Grundlage der Lehrerausbildung (in der zweiten und dritten Phase) sowie auch der Fortbildung gemacht werden soll.17 Dabei beschränken sich die entsprechenden Versuche allerdings zumeist auf wenige Fächer – die traditionellen Hauptfächer –, während andere Fächer wie der Religionsunterricht nicht eigens bedacht werden. 17 Ein plastisches Beispiel dafür bietet derzeit das Land Baden-Württemberg mit der Einrichtung eines Instituts für Bildungsanalysen, https://ibbw.kultus-bw.de/ (Zugriff 2.12.2019).

Ein weiterer Hintergrund: Das Projekt QUIRU

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Auch diese Fächer unterliegen jedoch prinzipiell den veränderten Erwartungen, auch wenn nicht deutlich ist, wie diese Erwartungen eingelöst werden sollen, sofern es hier kein entsprechendes Qualitätsmonitoring gibt. An dieser Stelle treffen sich solche Reformprozesse mit dem noch vergleichsweise neuen Versuch, die Religionsdidaktik verstärkt auch auf eine empirische Grundlage zu stellen. Die bislang verfügbaren Befunde aus der Forschung zum Religionsunterricht sind allerdings keineswegs flächendeckend und in vieler Hinsicht noch als fragmentarisch zu bezeichnen.18 Soweit sie jedoch verfügbar sind, spricht nach dem Gesagten alles dafür, sie auch für die Entwicklung von Qualität im Religionsunterricht fruchtbar zu machen. Solche Befunde bieten gerade auch für die Praxis die Chance, die eigenen Erfahrungen im Unterricht vor einem weiteren Horizont zu reflektieren und sich für neue Versuche der Qualitätsentwicklung inspirieren zu lassen.

3. Ein weiterer Hintergrund: Das Projekt QUIRU (Qualität und Qualitätsentwicklung im Religionsunterricht) Dieses Buch hat noch einen weiteren Hintergrund, der an dieser Stelle genannt werden soll: das Forschungs- und Entwicklungsprojekt QUIRU (Qualität und Qualitätsentwicklung im Religionsunterricht). Dieses Projekt ist am Lehrstuhl für Religionspädagogik/Evangelisch-Theologische Fakultät der Universität Tübingen angesiedelt und geht auf die Initiative verschiedener Landeskirchen zurück. Ziel des Projekts ist die verstärkte wissenschafts- und forschungsbasierte Wahrnehmung von Qualitätsfragen im evangelischen Religionsunterricht als Voraussetzung der weiteren Qualitätsentwicklung in Praxis, Ausbildung und Fortbildung – im Sinne einer von Praxis und Theorie gemeinsam getragenen Qualitätsinitiative – unter Berücksichtigung des besonderen Charakters des Religionsunterrichts (vgl. dazu unten S. 204 ff.). Dieser Band geht diesem Projekt voraus und bezieht sich ganz allgemein auf Fragen der Qualitätssicherung und Qualitätsentwicklung im Religionsunterricht. Damit kann er zugleich als wissenschaftlicher Rahmen des Projektes und der damit verbundenen Initiative verstanden werden.

18 Vgl. F. Schweitzer/R. Boschki (Hg.), Researching Religious Education. Classroom Processes and Outcomes, Münster/New York 2018; als Einführung: M. Schambeck/U. Riegel (Hg.), Was im Religionsunterricht so läuft. Wege und Ergebnisse religionspädagogischer Unterrichtsforschung, Freiburg 2018.

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Einleitung: Motive – Hintergründe – Zielsetzung

4. Vorgehensweise in diesem Band Im Vorwort wurden drei Leitfragen benannt, denen der Aufbau dieses Bandes mit seinen drei Schwerpunkten entspricht: Identifikation von Qualitätskriterien, Wahrnehmung von Qualität, Entwicklung von Qualität. Dies lässt sich nun weiter präzisieren. Die drei Teile des Bandes folgen einer leicht nachvollziehbaren Logik: Ȥ Am Anfang steht mit der Frage nach »gutem Religionsunterricht« die Aufgabe, transparente und möglichst konsensfähige Qualitätskriterien zu identifizieren und sie auf ihre doppelte Verankerung in der Erziehungs- bzw. Bildungswissenschaft einerseits und der Religionsdidaktik andererseits hin zu prüfen. Dass dies an erster Stelle geschehen soll, folgt dem Bestreben nach Transparenz, zugleich aber auch dem Anliegen, gleichsam im Gespräch mit Leserinnen und Lesern Qualitätsvorstellungen zu entwickeln, die ebenso theoretisch tragfähig wie praktisch überzeugend und handhabbar sind. Ȥ In einem zweiten Schritt soll nach Möglichkeiten gefragt werden, die Qualität von Religionsunterricht zu erfassen und zu beurteilen. Die damit verbundenen Aufgaben stellen sich auf verschiedenen Ebenen, zum einen in der wissenschaftlichen Unterrichtsforschung und zum anderen in der Praxis selbst. Die dafür heute in der Religionspädagogik angebotenen oder genutzten Möglichkeiten sollen anhand konkreter Beispiele aufgenommen und diskutiert werden, im Sinne methodischer Zugänge sowohl für die wissenschaftliche Forschung als auch der Nutzung für den eigenen Unterricht in der Praxis. Ȥ Aus der Erfassung und Beurteilung von Unterrichtsqualität erwächst noch nicht automatisch eine Verbesserung dieser Qualität. Vielmehr muss in einem dritten Schritt ausdrücklich nach Perspektiven der Qualitätsentwicklung gefragt werden. Auch dabei sind verschiedene Ebenen oder Zusammenhänge in den Blick zu nehmen: die individuelle Ebene für die einzelnen Lehrkräfte, die kollegiale Ebene für die Zusammenarbeit in Teams sowie die institutionelle Ebene der Ausbildung und der Fortbildung. In allen drei Fällen gibt es sowohl parallele als auch unterschiedliche Möglichkeiten, die Entwicklung von Qualität im Religionsunterricht zu unterstützen. Beschlossen wird der Band mit einem Ausblick auf das Forschungs- und Entwicklungsprojekt QUIRU und damit auf eine Initiative, die eine Brücke zwischen Theorie und Praxis, Unterrichtsforschung und Qualitätsentwicklung im Religionsunterricht schlagen soll.

Teil 1

»Guter Religionsunterricht«: Welche Kriterien sollen gelten?

Unter welchen Voraussetzungen Unterricht allgemein und speziell Religionsunterricht als »gut« bezeichnet werden kann, ist eine nur scheinbar leicht zu beantwortende Frage. Schon bei alltäglichen Wahrnehmungen von Unterricht durch die Schülerinnen und Schüler, aber auch durch die Lehrkräfte stellen sich mitunter sehr unterschiedliche Ergebnisse ein. Die Einschätzungen divergieren dabei ebenso in der Schüler- wie in der Lehrerschaft. Ähnlich verhält es sich aber auch mit stärker formalisierten Beurteilungen von Unterricht, sei es im Referendariat und Vikariat oder anlässlich anderer Beurteilungen, wie sie in der Schule üblich sind. Es gilt aber auch für wissenschaftliche Untersuchungen zum Religionsunterricht, die unterschiedlichen Kriterien folgen können. Die Qualität des Unterrichts wird immer wieder beurteilt, aber die Einschätzungen, die dabei wirksam sind, beruhen bislang in der Regel nicht auf klar ausgewiesenen und theoretisch oder wissenschaftlich konsentierten Kriterien. Wie lässt sich eine Beurteilung objektivieren? Anhand welcher Kriterien kann eine Lehrkraft den Erfolg des eigenen Unterrichts zuverlässig abschätzen? Wie lassen sich Einschätzungen auch den beurteilten Lehrkräften so kommunizieren, dass sie dem zustimmen – und noch wichtiger –, dass sie davon für ihre Arbeit profitieren können? Immer wieder stellt sich in der schulischen Praxis fast automatisch die Frage nach Kriterien, auf die sich eine Beurteilung von Unterrichtsqualität stützen kann. Dies gilt noch mehr im Bereich der wissenschaftlichen Religionspädagogik, wenn verallgemeinerbare Einschätzungen angestrebt werden, die nicht nur den Einzelfall betreffen. Worauf können sich solche Einschätzungen stützen? Und wie lassen sie sich mit der unterrichtlichen Praxis verknüpfen? Die Frage, welche Kriterien für »guten Religionsunterricht« ausschlaggebend sein sollen, ist also ebenso für die religionspädagogische Praxis wie für die Theorie von großer Bedeutung. Für die weitere Klärung von Fragen der Unterrichtsqualität ist sie unausweichlich. Aber wie genau müssen solche Kriterien eigentlich beschaffen sein?

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»Guter Religionsunterricht«: Welche Kriterien sollen gelten?

1. Was müssen Kriterien für Unterrichtsqualität leisten können? Wenn sich Beurteilungsmaßstäbe nicht einfach von selbst verstehen, muss zunächst gefragt werden, wie solche Maßstäbe oder Kriterien zu bestimmen oder zu wählen sind. Das kann am besten anhand der Frage geschehen, was sie leisten sollen. Eine erste Anforderung lässt sich beispielsweise anhand der Erfahrung verdeutlichen, dass der eigene Unterricht beurteilt wird. Ausgewiesene Beurteilungskriterien dienen dabei der Transparenz. Nur wenn die Kriterien bekannt sind und vielleicht sogar in schriftlicher Form niedergelegt werden, kann Erwartungssicherheit entstehen, was bei persönlichen Beurteilungen immer besonders wichtig ist. Darüber hinaus kann erst auf der Grundlage schriftlich niedergelegter Kriterien eine immer auch kontroverse Auseinandersetzung über deren Angemessenheit in Gang kommen. Die anzustrebende Transparenz ist eng mit einer zweiten Anforderung verbunden: mit der Konsensfähigkeit solcher Kriterien. Dabei sind wiederum mehrere Ebenen zu bedenken: Im schulischen Alltag der Beurteilung geht es um die Kommunikabilität von Beurteilungsergebnissen, die sich auf die ausgewiesenen Kriterien stützt. Die Kriterien müssen daher selbst kommunikabel, zugleich aber auch anschlussfähig sein für eine möglichst auch wissenschaftlich begründete Einschätzung von Unterricht. Plausible Kriterien können nicht einfach willkürlich gesetzt werden, sondern bedürfen der Verankerung in Fachwissenschaft und Fachdidaktik. Eben daraus kann ihre mögliche Konsensfähigkeit erwachsen. Darüber hinaus schließt die Konsensfähigkeit eine soziale Dimension ein – einerseits im Blick auf die Religionslehrerschaft, ohne deren prinzipielle Zustimmung Kriterien für Unterrichtsqualität keine Überzeugungskraft gewinnen und vor allem keine faktisch bindende Wirkung erzielen können; andererseits geht es um die Konsensfähigkeit in der wissenschaftlichen Religionspädagogik. Auch in der Wissenschaft spielen Formen der sozialen Validierung (durch die »scientific community«) eine Rolle, aber dies ist nur unter der Voraussetzung legitim, dass dabei die Standards wissenschaftlicher Erkenntnis nachweisbar beachtet werden. Wissenschaftliche Zustimmung zu bestimmten Kriterien impliziert die Bereitschaft und Möglichkeit, diese Zustimmung sachlich zu begründen und damit auch über den bloßen Verweis auf die in der entsprechenden wissenschaftlichen Disziplin allgemeine Verbreitung hinaus. Nicht zuletzt ist bei der Konsensfähigkeit auch an die Schülerinnen und Schüler zu denken, deren Einschätzungen in diesem Band eine wichtige Rolle spielen. Bei alldem muss die Plausibilität der Kriterien auch über die Grenzen des eigenen Fachs und der entsprechenden Fachdisziplin hinausreichen (fächer-

Was müssen Kriterien für Unterrichtsqualität leisten können?

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übergreifende Plausibilität). Religionsunterricht ist Teil der Schule und muss insofern auch Kolleginnen und Kollegen aus anderen Fachbereichen bzw. die Schulleitung von seiner Qualität überzeugen können. In wissenschaftlicher Hinsicht stellen sich analoge Fragen zwischen Religionspädagogik und Erziehungswissenschaft, traditionell durch den Bezug auf die Allgemeine Didaktik als übergeordnete erziehungswissenschaftliche Disziplin, heute vermehrt auch im Horizont der Kooperation verschiedener Fachdidaktiken im Sinne einer Allgemeinen Fachdidaktik19 sowie der Empirischen Bildungsforschung. Und nicht zuletzt geht es auch um das Bild von Religionsunterricht in der Öffentlichkeit, angefangen bei den Eltern und bis hin zu den Medien, die für das Image dieses Faches eine nicht unerhebliche Bedeutung besitzen. Beides, die kommunikative Ausrichtung wie die Verankerung in der Wissenschaft, bedingt, dass eine Verabsolutierung von Kriterien für Unterrichtsqualität von vornherein ausgeschlossen sein muss. Alle Kriterien sind vorläufig, so wie dies für alle wissenschaftliche Erkenntnis gilt, und sie sind insofern relativ, als sie immer nur im Horizont bestimmter Vorannahmen über Unterricht möglich sind. Dabei spielen unvermeidbar bildungstheoretische Grundentscheidungen im Blick auf die Ziele des Lehrens und Lernens eine Rolle – bis hin zu bestimmten Menschenbildern. Sollen Schule und Unterricht vor allem der Förderung von Kindern und Jugendlichen in ihrer individuellen Entfaltung dienen oder geht es vielmehr um eine Sicherung des »Standorts Deutschland« im globalen Wettbewerb? Hängt Bildung an der möglichst weitreichenden Vertrautheit mit fachlichen Kenntnissen oder ist sie eher als eine allgemeine Fähigkeit zur Lösung bestimmter Probleme zu verstehen? Unterschiedliche Positionen dieser Art führen auch zu unterschiedlichen Erwartungen an Unterricht und Unterrichtsqualität. Nicht nur, aber doch in besonderer Weise beim Religionsunterricht ist eine Selbstrelativierung von Kriterien darüber hinaus im Blick auf die niemals vollständige Erfassung von Unterricht zu fordern. Kriterien sind nur hilfreich, wenn sie nicht schwammig bleiben, sondern sich auf ganz bestimmte Aspekte beziehen (Spezifität). Genau diese Anforderung schränkt sie aber auch ein. Unterricht ist ein komplexes Geschehen, das sich immer auf verschiedenen Ebenen vollzieht – als inhaltsbezogene Auseinandersetzung mit Sachverhalten, die das Lernen ermöglichen soll, aber eben auch als Beziehungsgeschehen sowohl zwischen einzelnen Schülerinnen und Schülern und der Lehrperson als auch innerhalb der Lerngruppe. Was dabei gleichsam in den einzelnen beteiligten Menschen 19 Zu diesem noch neuen Begriff vgl. H. Bayrhuber/U. Abraham/V. Frederkring u. a., Auf dem Weg zu einer Allgemeinen Fachdidaktik. Allgemeine Fachdidaktik Bd. 1, Münster 2017.

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wirklich vor sich geht, kann von außen nur teilweise erfasst und manchmal nur erahnt werden. Ob Kinder und Jugendliche etwa auch in ihren Lebensüberzeugungen und also ihrem Glauben angesprochen werden, lässt sich ohnehin auch aus theologischen Gründen nicht wirklich feststellen, zumal sich Effekte dieser Art keineswegs im zeitlichen Rahmen einer Unterrichtsstunde einstellen müssen. Dabei zeigen gerade solche Beispiele, dass die Relativität aller Beurteilungen und deshalb ebenso der dabei eingesetzten Kriterien keineswegs als Argument für den Verzicht auf jede Form der Beurteilung missverstanden werden sollte. Andernfalls würde der Religionsunterricht schlichtweg zu einem geheimnisvollen Geschehen verklärt, bei dem irgendetwas passiert, von dem aber niemand sagen kann, wie und warum es geschieht. Mit Unterricht in einer staatlichen Schule lässt sich ein solches Verständnis nicht vereinbaren. Zugespitzt: Was im Blick auf den Unterricht beurteilt werden kann – sei es von den Lehrkräften selbst oder durch andere –, das soll auch beurteilt werden. Gegen eine grenzbewusste Beurteilung von Unterrichtsqualität lassen sich auch keine theologischen Gründe geltend machen. Anforderungen allgemeiner Art geben allerdings noch keine inhaltlichen Antworten auf die Frage, welche Kriterien denn nun für den Religionsunterricht gelten sollen. Deshalb muss nun genauer nach religionspädagogischen Bestimmungen gefragt werden. Anforderungen an Kriterien für Qualitätsbeurteilungen zum Religionsunterricht Ȥ Transparenz Ȥ Konsensfähigkeit Ȥ Verankerung in Fachwissenschaft und Fachdidaktik Ȥ soziale Validierung in Schule und Wissenschaft Ȥ fächerübergreifende Plausibilität Ȥ Spezifität Ȥ theologische und erziehungswissenschaftliche Begründung Ȥ keine Verabsolutierung von Kriterien

Stand der religionspädagogischen Diskussion und Desiderate

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2. Stand der religionspädagogischen Diskussion und Desiderate Die religionspädagogische Diskussion über »guten Religionsunterricht« lässt sich am besten nachvollziehen, wenn man sich ihre Entwicklung vor Augen führt. Deshalb ist es an dieser Stelle sinnvoll, sich den bisherigen Verlauf dieser Diskussion noch einmal schrittweise vor Augen zu führen. Dabei wird auch deutlich, warum heute nach weiterführenden Perspektiven gefragt werden muss. 2.1 »Guter Religionsunterricht« als Frage der richtigen Konzeption? Die herkömmliche religionsdidaktische Diskussion und die Notwendigkeit weiterführender Perspektiven Das Bestreben, den Religionsunterricht immer wieder und immer wieder neu zu verbessern, ist schon als Grundanliegen der Religionsdidaktik erkennbar geworden. So gesehen ist es eine Hauptaufgabe der Religionsdidaktik, die Praxis des Religionsunterrichts zu begleiten, sie kritisch wahrzunehmen und nach Möglichkeiten der Qualitätssicherung und der Qualitätsentwicklung zu fragen, um sie der Praxis zur Verfügung zu stellen. Diese Auffassung erscheint einerseits selbstverständlich, zumal aus heutiger Sicht, aber sie ist andererseits in der religionsdidaktischen Diskussion als eher neu zu bezeichnen. Die religionsdidaktische Diskussion seit der Mitte des 20. Jahrhunderts, die häufig als Referenzraum für religionsdidaktische Orientierungen genutzt wird, folgte weithin einem anderen Muster. Sie orientierte sich stark an den sogenannten Konzeptionen, wie sie dann durch lehrbuchmäßige Darstellungen gleichsam kanonisiert wurden.20 Dies führte zu der bekannten Abfolge von der Evangelischen Unterweisung über den Hermeneutischen Religionsunterricht zur Problemorientierung und von dort weiter über die Symboldidaktik bis hin zu den heute geläufigen Formen etwa einer performativen, konstruktivistischen, kinder- und jugendtheologischen Religionsdidaktik (wobei im vorliegenden Zusammenhang nicht auf weitere Ausdifferenzierungen eingegangen werden soll21). »Guter Religionsunterricht« war in dieser Sicht dadurch bestimmt, dass er den Erwartungen und Schwerpunktsetzungen einer bestimmten Konzeption gerecht wird. Er ist also »gut«, wenn 20 Als Beispiel aus einem weit verbreiteten Lehrbuch vgl. etwa W. Sturm, Religionspädagogische Konzeptionen des 20. Jahrhunderts. In: G. Adam/R. Lachmann (Hg.), Religionspädagogisches Kompendium. Ein Leitfaden für Lehramtsstudenten, Göttingen 1984, 30–65. 21 Einen guten Überblick erlaubt der Band B. Grümme/H. Lenhard/M. L. Pirner (Hg.), Religionsunterricht neu denken. Innovative Ansätze und Perspektiven der Religionsdidaktik, Stuttgart 2012.

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»Guter Religionsunterricht«: Welche Kriterien sollen gelten?

er performativ oder konstruktivistisch angelegt ist, wenn er den Ansprüchen der Kinder- und Jugendtheologie gerecht wird usw. Die verschiedenen Aspekte oder Ansprüche an den Unterricht, die aus solchen Konzeptionen resultieren, wurden dabei nicht etwa miteinander verbunden, sondern sie wurden als Alternativen verstanden, zwischen denen man sich entscheiden müsse. Verbesserung des Unterrichts bedeutete dann, dass eine andere, vielleicht auch zeitlich frühere Konzeption durch eine entsprechende Neuakzentuierung überholt wird. Betrachtet man diese Gestalt der religionsdidaktischen Diskussion und Entwicklung aus der Perspektive von Unterrichtsqualität, lassen sich mehrere Feststellungen treffen: Ȥ Die Religionsdidaktik hat sich in ihrer Entwicklung als durchaus innovationsorientiert und mitunter auch als innovationskräftig erwiesen, indem sie immer wieder neue, auch motivational für die Lehrkräfte bedeutsame Akzente gesetzt hat. Ȥ Weit weniger Beachtung hat jedoch die gerade von der Praxis her naheliegende Frage gefunden, wie es um gelungene und eben auch weniger gelungene Realisierungsformen innerhalb ein und derselben Konzeption steht. Was ist beispielsweise »guter« symboldidaktischer Unterricht und was wäre eine misslingende (»schlechte«) Form? Ist davon auszugehen, dass die Berufung auf eine bestimmte Konzeption auch schon deren qualitätsvolle Realisierung impliziert? Ȥ Die Frage nach Kriterien, die sich auf die handlungsbezogene (operative) Ebene der Unterrichtsgestaltung beziehen lassen, wurde in der Konzeptionsdebatte nur selten gestellt. Vorherrschend war und ist hier die Konzentration auf die grundsätzliche Ausrichtung des Religionsunterrichts, um deren Begründung und Bestimmung sich die jeweiligen konzeptionellen Darstellungen bemühen. Was dann im Alltag der schulischen Praxis tatsächlich geschieht, bleibt demgegenüber ein gleichsam blinder Fleck.22 Erst neuere Untersuchungen beispielsweise »praxistheoretischer« Ausrichtung fragen etwa nach genutzten oder nicht genutzten Chancen kindertheologischer Potenziale in der Praxis von Religionsunterricht und gelangen dabei zu durchaus skeptischen Einschätzungen.23 Der Weg von einer Konzeption zur Unterrichtspraxis stellt sich als schwieriger und komplexer dar, als offenbar lange Zeit angenommen wurde. 22 Vgl. mit ähnlich kritischer Intention M. Riegger, Handlungsorientierte Religionsdidaktik. Teil 1: Haltungen, Wirkungen, Kommunikation; Teil 2: Unterrichtsmethoden, 2 Bde., Stuttgart 2019. 23 Vgl. dazu H. Roose, Kindertheologie und schulische Alltagspraxis. Eine Studie zum Verhältnis von kindertheologischen Normen und eingeschliffenen Routinen im Religionsunterricht, Stuttgart 2019 (dazu noch unten S. 58 ff.).

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Zusammenfassend führen diese Beobachtungen zu der Folgerung, dass die Frage nach Qualität und Qualitätsentwicklung im Religionsunterricht einen veränderten Blickwinkel mit sich bringt, der sich als eine Art Querperspektive zu den lange Zeit in der Religionsdidaktik üblichen Sichtweisen beschreiben lässt. Die Qualitätsfrage markiert nicht etwa eine weitere religionsdidaktische Konzeption, die sich in die oben genannte Reihe von Konzeptionen einordnen ließe. Vielmehr nimmt sie alle Formen von Religionsunterricht, ob sich diese nun auf eine bestimmte Konzeption berufen oder nicht, unter dem Aspekt der Unterrichtsqualität in den Blick und fordert dazu auf, das reale Unterrichtsgeschehen gleichsam unterhalb der Zielebene wahrzunehmen und kritisch zu reflektieren. Diese Form der Betrachtung folgt der eigentlich selbstverständlichen Einsicht, dass »guter Religionsunterricht« ohne sinnvolle Ziele und eine plausible Ausrichtung nicht erreichbar ist, dass die Wahl sinnvoller Ziele aber noch keineswegs automatisch die Qualität der Realisierung im Unterricht garantieren kann. Noch einmal anders formuliert geht es darum, die Religionsdidaktik näher an die tatsächlichen Gestaltungsaufgaben und damit an die Realität des Religionsunterrichts heranzuführen. Eine solche Querperspektive steht der bisherigen religionsdidaktischen Diskussion allerdings nicht einfach fremd gegenüber und soll hier auch nicht als völlig neu ausgegeben werden. Vielmehr entspricht sie der Diskussion über »guten Religionsunterricht«, wie sie sich in den letzten 20 Jahren entwickelt hat, und führt diese weiter. 2.2 »Religionsunterricht: Besser als sein Ruf?« und »Religionsunterricht zwischen Lernfach und Lebenshilfe« (Anton Bucher 1996, 2000): erste empirische Studien zur Qualität von Religionsunterricht Zwei Veröffentlichungen von Anton Bucher, die erste zum Religionsunterricht in Österreich und die zweite zu Deutschland, können zumindest in gewisser Hinsicht als Ausgangspunkt der neueren Diskussion über »guten Religionsunterricht« bezeichnet werden.24 Sie stehen zugleich in der Tradition älterer Schülerbefragungen schon zu Beginn des 20. Jahrhunderts, vor allem aber der in den 1970er Jahren aufstörenden Untersuchungen zum Religionsunterricht 24 Vgl. A. A. Bucher, Religionsunterricht zwischen Lernfach und Lebenshilfe. Eine empirische Untersuchung zum katholischen Religionsunterricht in der Bundesrepublik Deutschland, Stuttgart u. a. 2000; zu Österreich ders., Religionsunterricht: besser als sein Ruf? Empirische Einblicke in ein umstrittenes Fach, Innsbruck u. a. 1996.

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in Schülersicht von Norbert Havers (»Der Religionsunterricht. Analyse eines unbeliebten Faches«25) und Werner Prawdzik (»Der Religionsunterricht im Urteil der Hauptschüler«26), deren kritische Einschätzung des Religionsunterrichts große religionspädagogische Aufmerksamkeit auf sich zogen. Buchers Untersuchung in Deutschland bezieht sich auf den katholischen Religionsunterricht. Sie ist mit »mehr als 7000 SchülerInnen von Grundschule bis Abitur« breit angelegt.27 Eine große Rolle spielt im dabei eingesetzten Fragebogen durchweg die Akzeptanz des Religionsunterrichts bei den Schülerinnen und Schülern, vor allem auch im Sinne der Beliebtheit des Faches.28 Gefragt wird darüber hinaus nach Faktoren, von denen Akzeptanz und Beliebtheit abhängig sind, beispielsweise von regionalen Voraussetzungen, von Wohnumgebung, Alter, Geschlecht und Konfession.29 Im vorliegenden Zusammenhang der Frage nach der Qualität von Religionsunterricht besonders wichtig ist aber Buchers Versuch, das »Binnengeschehen des Religionsunterrichts« mit zu erfassen – bis hin zum Einsatz unterschiedlicher Methoden und der Wahrnehmung der Lehrkraft.30 Geprüft werden sollte, was die jeweilige Gestalt dieses Geschehens für Akzeptanz und Beliebtheit bedeutet. Ebenso wurden die im Religionsunterricht aufgenommenen Themen erfragt und schließlich auch die generelle Situation in der Schule.31 Dabei ist aus heutiger Sicht kritisch anzumerken, dass die Befunde kein klares Bild ergeben: Es lässt sich auf dieser Grundlage beispielsweise nicht erkennen, welche Methoden denn nun besser funktionieren als andere. Sodann wurden unterschiedliche Wahrnehmungen von Religionsunterricht durch die Schülerinnen und Schüler als »abhängige Variablen« bestimmt, die bei Bucher in Frageform beschrieben werden: »1. Wie gerne wird Religionsunterricht besucht bzw. wie beliebt ist er, auch im Vergleich mit anderen Fächern? 2. Wird Religionsunterricht als spannend oder langweilig, als nützlich oder sinnlos eingeschätzt etc.? 3. Wird dem Religionsunterricht bescheinigt, Lebenshilfe zu sein, bildend zu wirken? 25 N. Havers, Der Religionsunterricht – Analyse eines unbeliebten Fachs. Eine empirische Untersuchung, München 1972. 26 W. Prawdzik, Der Religionsunterricht im Urteil der Hauptschüler. Eine empirische Untersuchung auf der 9. Klasse Hauptschule in München, Zürich u. a. 1973. 27 Bucher, Religionsunterricht zwischen Lernfach und Lebenshilfe (s. Anm. 24),13. 28 Ebd., 36. 29 Ebd., 38 f. 30 Ebd., 40, 42 f. 31 Ebd., 47 f.

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4. In welchem Ausmaß tendieren SchülerInnen dazu, sich abzumelden bzw. für seine Abschaffung einzutreten?«32 Obwohl sich Bucher bewusst ist, dass die von ihm erhobenen Einschätzungen nur eine von zahlreichen möglichen Perspektiven erfassen, versucht er doch eine zusammenfassende Antwort auf die Frage: »Was ist ›guter‹ Religionsunterricht?«33 Diese Antwort wird in der Gestalt von fünf Thesen präsentiert, die sich zugleich als Kriterien verstehen lassen: »1. Guter Religionsunterricht bereitet den SchülerInnen Freude«; »2. Guter Religionsunterricht ermöglicht die Selbsttätigkeit der SchülerInnen«; »3. Guter Religionsunterricht wird von den SchülerInnen als lebensrelevant empfunden«; »4. Guter Religionsunterricht bringt explizit religiöse Themen, insbesondere Gott, zur Sprache«; »5. Guter Religionsunterricht peilt die ihm vorgegebenen Ziele an und erreicht sie zumindest partiell«.34 Diese Thesen klingen plausibel, aber es ist natürlich nicht zu übersehen, dass die erhobenen Befunde bestenfalls als teilweise Validierung solcher allgemeiner Aussagen gelten können. Genauer betrachtet geht es bei diesen Befunden nicht allgemein um »guten Religionsunterricht«, sondern eben darum, welcher Unterricht den Schülerinnen und Schülern Freude macht und wovon es abhängt, ob sie diesen Unterricht gerne besuchen. Zumindest teilweise geben die Befunde aber, jedenfalls aus Schülersicht, auch Auskunft darüber, welche Arbeitsformen im Unterricht tatsächlich realisiert werden und welche Themen dabei eine Rolle spielen. Eine im engeren Sinne fachdidaktische Auswertung der Befunde zum »Binnengeschehen« im Religionsunterricht wird in dieser Studie aber noch nicht versucht. Ebenso wenig war damals schon die Frage nach der Wirksamkeit von Religionsunterricht im Sinne etwa des Kompetenzerwerbs im Blick. Hier liegen die Grenzen dieser Studie, die eng mit dem damaligen Diskussionsstand nicht nur in der Religionspädagogik, sondern auch in der empirischen Bildungsforschung zusammenhängen. Dass hier inzwischen ein neuer Stand erreicht wurde, zeigen symbolisch die sich mehrenden Versuche an, bilanzierende Einzeldarstellungen sowie Buchreihen zu erstellen.35 32 33 34 35

Ebd., 13. Ebd., 26. Ebd., 27–32. Vgl. etwa U. Steffens/T. Bargel (Hg.), Schulqualität – Bilanz und Perspektiven. Grundlagen der Qualität von Schule 1, Münster/New York 2016; J. Möller/M. Köhler/J. Riecke-Baulecke (Hg.),

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2.3 »Guter Religionsunterricht« 2006 (Jahrbuch der Religionspädagogik): ein Meilenstein? Der Band »Was ist guter Religionsunterricht?« des Jahrbuchs der Religionspädagogik aus dem Jahr 2006 ist noch immer interessant, weil es sich um die im engeren Sinne bislang einzige Buchveröffentlichung zu diesem Thema handelt.36 Zudem äußern sich hier sowohl evangelische als auch katholische Religionspädagoginnen und -pädagogen. Die Frage nach Kriterien wird dabei nicht in einem eigenen Beitrag behandelt, aber doch implizit diskutiert, sie wird aber in den meisten Beiträgen implizit oder explizit angesprochen. In seinem Einleitungsbeitrag plädiert etwa Norbert Mette für ein weites Verständnis religionsunterrichtlicher Qualität, für das ihm die Berücksichtigung unterschiedlicher Kontexte und Bezüge erforderlich scheint: der Kontext Schule und deren gesellschaftliche Einbettung, über die der Religionsunterricht Kinder und Jugendliche aufklären soll37; der Kontext gesellschaftlicher Pluralität, der Kinder und Jugendliche zu einer reflektierten »Auseinandersetzung und Entscheidung bezüglich ihrer eigenen religiösen bzw. weltanschaulichen Position« befähigen soll38; die Befähigung von Schülerinnen und Schülern zum »Verstehen von Religion«, was auch einen »Grundwissensstoff in diesem Bereich« einschließe39; Religionslehrkräfte, die über entsprechende Qualifikationen und andere Fähigkeiten verfügen40; ein kritisch geklärtes Verhältnis zur Kirche41. Mettes Argumentation macht deutlich, dass die Bestimmung von Qualität im Religionsunterricht nicht zu kurz greifen darf und verschiedenen Erwartungshorizonten gerecht werden muss. Seine Bestimmungen entsprechen damit dem, was oben als der bildungstheoretische Horizont bezeichnet wurde, in dem Qualitätskriterien jeweils festgelegt werden. Weitere grundlegende Beiträge von Friedrich Schweitzer und Rudolf Englert befassen sich in paralleler Weise mit der möglichen religionspädagogischen Bedeutung der damals neuen Schulleistungsvergleichsuntersuchungen zu

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Basiswissen Lehrerbildung: Schule und Unterricht, Lehren und Lernen, Seelze 2016 (jeweils mit Folgebänden). Was ist guter Religionsunterricht? Jahrbuch der Religionspädagogik 22, Neukirchen-Vluyn 2006. Vgl. N. Mette, Guter Religionsunterricht – ein zentrales religionspädagogisches Anliegen. In: Was ist guter Religionsunterricht? (s. Anm. 36), 11–19, 13. Ebd., 15. Ebd., 16. Ebd., 17. Ebd., 19.

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sprachlichen sowie mathematisch-naturwissenschaftlichen Kompetenzen.42 Gegen eine Verengung nur auf die sogenannten Outcomes von Unterricht (Ergebnis- oder Produktqualität), auf die sich etwa die PISA-Studien konzentrieren, wird ein breiteres Verständnis von »gutem Religionsunterricht« gefordert. Demnach sind für die Qualität von Religionsunterricht Ziele, Inhalte, Personen und Prozesse gleichermaßen zu beachten43 bzw. eine Balance von »Ziel- und Kompetenzorientierung«, »Schülerorientierung«, »Strukturiertheit«, »Lernkultur«, »Unterrichtsatmosphäre«, »Umgang mit Theologie« und »Gestaltcharakter« des Unterrichts.44 Beide Beiträge stimmen auch darin überein, dass der Religionsunterricht die neue Qualitätsforschung und -diskussion ernst nehmen sollte und sie als Anstoß zur Weiterentwicklung des Faches nutzen kann. Einigkeit besteht allerdings auch darüber, wie Manfred Pirner es beschreibt, dass ein unreflektierter Umgang mit Kompetenzmodellen und Bildungsstandards für den Religionsunterricht schädlich wäre.45 Die weiteren Beiträge des Bandes beziehen sich auf Erwartungen an die Religionslehrkräfte, auch hinsichtlich unterschiedlicher Bezugsgruppen. Ausführlich werden schließlich Beispiele für verschiedene Fragen der Unterrichtsgestaltung geboten. Als Resümee formuliert Helga Kohler-Spiegel, dass fortan die Kriterien »guten Religionsunterrichts« stärkere Beachtung verdienen, dabei aber auch die Vielfalt des religionsunterrichtlichen Geschehens im Blick bleiben müsse.46 Der Band »Was ist guter Religionsunterricht?« kann insofern als Meilenstein betrachtet werden, als er in der (damaligen) Diskussion große Beachtung gefunden hat. Doch zeigen Meilensteine bekanntlich auch an, dass inzwischen wieder eine Strecke zurückgelegt worden ist, wenn der entsprechende Meilenstein immer weiter zurückbleibt. Insofern lohnt es sich, im Rückblick auch kritische Fragen an den sich in diesem Jahrbuch spiegelnden Diskussionsstand zu stellen: Ȥ Am stärksten fällt bei einem solchen Rückblick auf, wie schwach die empirische Basis für diesen Band sich aus heutiger Sicht ausnimmt. Im Wesent42 Vgl. F. Schweitzer, »Guter Religionsunterricht« – aus der Sicht der Fachdidaktik. In: Was ist guter Religionsunterricht? (s. Anm. 36), 41–51, R. Englert, Die Diskussion über Unterrichtsqualität – und was die Religionsdidaktik daraus lerne könnte. In: ebd., 52–64. 43 Schweitzer, »Guter Religionsunterricht« (s. Anm. 42), 48. 44 Vgl. Englert, Die Diskussion (s. Anm. 42), 58–63. 45 Vgl. M. Pirner, Inwieweit lassen sich religiöse Bildungsprozesse standardisieren und evaluieren? Die Post-PISA-Diskussion und ihre Relevanz für den Religionsunterricht. In: Was ist guter Religionsunterricht? (s. Anm. 36), 93–109, bes. 100–109. 46 Vgl. H. Kohler-Spiegel, Was ist guter Religionsunterricht? Persönliche Beobachtungen und Rückblick. In: Was ist guter Religionsunterricht? (s. Anm. 36), 249–256, 250.

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lichen konnten sich die Beiträge nur auf die Befunde aus der oben beschriebenen Bucher-Studie stützen, auf deren Grenzen bereits hinzuweisen war. Untersuchungen zur Wirksamkeit von Religionsunterricht, der ja bei Studien wie PISA nicht berücksichtigt wird, standen ebenso wenig zur Verfügung wie weiterreichende Studien etwa zur Prozessqualität von Religionsunterricht. Auch wenn sich die Befundlage heute noch immer als stark verbesserungsfähig darstellt, ist die religionspädagogische Forschung in diesen Hinsichten doch ein klares Stück weitergekommen.47 Ȥ Die vielleicht am stärksten ausgeprägte Schwäche des Bandes kann im Rückblick darin gesehen werden, dass er keine Beiträge zu Forschungsaufgaben im Blick auf »guten Religionsunterricht« enthält. Dem entspricht es, dass auch die Kriterienfrage nicht eigens fokussiert wird. Ȥ Zwar enthält der Band zwei Beiträge zur Ausbildung in der ersten Phase (Studium) und in der zweiten Phase (Referendariat)48, aber diese Beiträge zielen eher auf allgemeine Impulse als auf die Entwicklung theoretisch oder empirisch begründeter Handlungsperspektiven, für die es wiederum weithin an entsprechenden Grundlagen fehlte. Solche Beobachtungen erklären wohl auch, warum sich an diesem Band in der Folgezeit keine kontinuierliche Diskussion im Sinne der Weiterarbeit angeschlossen hat. 2.4 Zur weiteren Diskussion Dass die Diskussion über »guten Religionsunterricht« nach der Jahrhundertwende durchaus einen gewissen Niederschlag und auch eine Fortsetzung gefunden hat, ist beispielsweise den religionspädagogischen Lehrbüchern aus dieser Zeit zu entnehmen. So werden nunmehr »evaluative Arbeitsweisen« als Grundaufgabe der Religionspädagogik beschrieben.49 Mitunter werden in den Lehrbüchern auch kurze Darstellungen zum »guten Religionsunterricht« geboten. Beispielsweise widmet Bernd Schröder dem Thema eine freilich sehr 47 Vgl. Schweitzer/Boschki, Researching Religious Education (s. Anm. 18) sowie Teil 2 des vorliegenden Bandes. 48 Vgl. S. Heil, Was ist und wie erlangen Lehrer/innen religionspädagogische Professionalität? Elemente einer Berufstheorie. In: Was ist guter Religionsunterricht? (s. Anm. 36), 79–94, P. Kliemann, Religionsunterricht kann gelingen. Überlegungen und Anfragen aus der Per­ spektive eines Staatlichen Seminars für Didaktik und Lehrerbildung. In: ebd., 163–173. 49 Vgl. F. Schweitzer, Religionspädagogik, Gütersloh 2006, 286; ähnlich Schröder, Religionspädagogik (s. Anm. 11), 272 f.

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knappe und eher formale Darstellung (zwei Seiten), wobei auch die Kriterienfrage in den Blick genommen wird: »In solchen Kriterien und Empfehlungen kommen heuristisch alle Reflexionsperspektiven der Religionspädagogik zum Tragen. Näherhin führen sie alle Theoriebereiche schulischer Religionspädagogik zusammen, indem sie konstruktiv verschiedene Dimensionen von Qualität aufeinander beziehen, darunter sowohl solche, die besonders der inneren Gestalt des Religionsunterrichts gelten, als auch solche, die seine äußeren Bezüge auf die Institution Schule, auf Schulleben und Schulentwicklung betreffen. Solche Kriterien bilden schließlich insofern ein Bindeglied zwischen Theorie und Praxis, als sie kritische Kraft entfalten«50. Im Anschluss daran werden verschiedene »Qualitätsdimensionen und Kriterien« benannt. »Guter Religionsunterricht« Ȥ »ist 1. ›ordentlich‹ erteilter Religionsunterricht in einfacher «vorbereiteter Umgebung» Ȥ ist 2. Unterricht von ›guten‹ Religionslehrern und ›guten‹ Schülern Ȥ entspricht 3. handwerklich den Regeln der Kunst des Unterrichtens Ȥ lässt sich 4. theologisch verantworten und erschließt das Elementare seines Gegenstands Ȥ bindet 5. die Aufmerksamkeit der Beteiligten, spiegelt die wechselseitige Wertschätzung von Religionslehrer und Schüler und lässt die Beteiligten zufrieden sein Ȥ führt 6. gezielt zu ausweisbaren Lernfortschritten möglichst aller Schüler und trägt – perspektivisch – zu ihrer Subjektwerdung bei Ȥ unterstützt 7. den Aufbau fachübergreifender Kompetenzen und trägt zu Schulleben und Schulprofil bei Ȥ lässt sich 8. in seiner Gestalt begründen und gezielt verbessern«51. Eine solche Auflistung lässt freilich ein Problem erkennen, das Kataloge dieser Art wohl unvermeidlich begleitet. Was soll man mit einer so weit ausgreifenden Aufzählung in der Praxis anfangen? Und welche Perspektiven für die Unterrichtsforschung, die immer nur bestimmte (Einzel-)Aspekte aufnehmen kann, ergeben sich daraus? Ein geschärftes Bewusstsein für die Vielfalt und Breite der Qualitätsdiskussion ist hilfreich, aber es führt noch nicht zu konkreten Konsequenzen. Etwas ausführlicher sind die Darstellungen in religionsdidaktischen Lehrbüchern, etwa in dem weitverbreiteten (evangelischen) »Religionspädagogischen 50 Schröder, Religionspädagogik (s. Anm. 11), 559. 51 Ebd., 560; vgl. auch B. Schröder, Fachdidaktik zwischen Gütekriterien und Kompetenzorientierung. In: A. Feindt/V. Elsenbast/P. Schreiner/A. Schöll (Hg.), Kompetenzorientierung im Religionsunterricht. Befunde und Perspektiven, Münster u. a. 2009, 39–56.

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Kompendium« oder der (katholischen) Darstellung »Religionsdidaktik«. Die entsprechenden Kapitel von Gottfried Adam/Martin Rothgangel bzw. Matthias Bahr bieten jeweils übersichtliche Zusammenfassungen der Diskussion und enthalten weitere Kriterienkataloge.52 Bezeichnend ist auch in diesem Fall der Versuch, allgemeine Kriterien aus der Lehr-Lern-Forschung mit fachdidaktischen bzw. fachlichen Aspekten zu verbinden, was im Rahmen solcher Lehrbücher allerdings nur heuristisch geleistet werden kann. 2.5 Desiderate Die Diskussion um »guten Religionsunterricht«, die mit den beschriebenen Untersuchungen und Beiträgen, vor allem dem Jahrbuch der Religionspädagogik von 2006, zunächst intensiv in Gang gekommen zu sein schien, ist in dieser Weise nicht weitergeführt worden. In der Folgezeit erschienen kaum mehr Beiträge, die versuchten, die Frage nach »gutem Religionsunterricht« systematisch weiter voranzutreiben, Forschungsbefunde aufzunehmen und für die weitere Qualitätsentwicklung fruchtbar zu machen. Insofern besteht ein erstes grundlegendes Desiderat heute darin, die liegengebliebenen Fragen wieder und neu aufzunehmen. Ein zweites Desiderat erwächst aus dem weiteren Verlauf der religionsdidaktischen Diskussion: Wie sich im Folgenden noch genauer zeigen wird, hat sich diese Diskussion im Blick auf die Qualität von Religionsunterricht zunehmend auf eine zwar gewichtige, aber eben doch keineswegs die gesamte Breite der Frage nach Qualität im Religionsunterricht abdeckende Thematik konzentriert, nämlich auf Kompetenzerwerb und Kompetenzorientierung.53 Die dabei gewonnenen Einsichten müssen und können nunmehr mit der Qualitätsdiskussion verbunden werden. Darin finden sie einen weiteren Horizont, während sie umgekehrt dazu beitragen, Qualitätsfragen zumindest in bestimmter Hinsicht zu vertiefen. Die empirische Grundlage der ersten Runde der religionspädagogischen Qualitätsdiskussion erwies sich insofern als dünn, als sie sich im Wesentlichen 52 Vgl. G. Adam/M. Rothgangel, Was ist guter Religionsunterricht? In: M. Rothgangel/G. Adam/ R. Lachmann (Hg.), Religionspädagogisches Kompendium, Göttingen 82014, 416–433, M. Bahr, Guten Religionsunterricht in den Blick nehmen. In: G. Hilger u. a., Religionsdidaktik. Ein Leitfaden für Studium, Ausbildung und Beruf – Neuausgabe –, überarb. 6. Aufl. München 2013, 487–497. 53 Vgl. dazu die Diskussionsbände M. Rothgangel/D. Fischer (Hg.), Standards für religiöse Bildung? Zur Reformdiskussion in Schule und Lehrerbildung, Münster 2004; Feindt u. a., Kompetenzorientierung (s. Anm. 51); C. P. Sajak (Hg.), Religionsunterricht kompetenzorientiert. Beiträge aus fachdidaktischer Forschung, Paderborn u. a. 2012.

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nur auf Befunde aus der Bucher-Studie mit deren Akzentuierung von Akzeptanz von Religionsunterricht und subjektiven Schülerwahrnehmungen bezog. Als drittes Desiderat ist deshalb das Erfordernis einer breiteren empirischen Grundlage festzuhalten. Da sich die religionspädagogische Unterrichtsforschung in den letzten Jahren deutlich weiterentwickelt hat, ist es sinnvoll zu prüfen, welche neuen Befunde hier herangezogen werden können. Dabei hat die religionspädagogische Diskussion allerdings auch deutlich gemacht, dass Qualitätsfragen in sehr unterschiedlichen Hinsichten – etwa im Blick auf Ziele, Inhalte, Personen und Prozesse – beachtet werden müssen und dass damit ein religionsdidaktisches Themenspektrum angezeigt ist, das sich in dieser Breite empirisch kaum einholen lässt. So ist von vornherein deutlich, dass es bei der geforderten Unterrichtsforschung nur darum gehen kann, der theoretischen Diskussion zumindest punktuell, wo immer dies möglich ist, eine empirische Grundierung zu geben. Ersetzen kann die Empirie die bildungstheoretische Klärung jedoch nicht. Eine genauere Klärung der Frage, wie theoretische und empirische sowie erziehungswissenschaftliche und theologische Kriterien hier genau ineinandergreifen sollen, kann daher als viertes Desiderat bezeichnet werden. Dies bedeutet nicht zuletzt, dass die Qualitätsdiskussion stärker mit der religionsdidaktischen Diskussion verzahnt werden muss. Schließlich ist noch eine nur scheinbar selbstverständliche Frage anzusprechen: Was »guter Religionsunterricht« ist, stand im Zentrum der Diskussion. Eher implizit behandelt wurde die Frage, wie sich der Religionsunterricht in seiner Qualität weiterentwickeln kann. In dieser Hinsicht besteht ein fünftes Desiderat, das sich auf die religionspädagogische Ausbildung und Fortbildung bezieht. Qualitätskriterien, so lässt sich in dieser Hinsicht formulieren, müssen auch Perspektiven für die Qualitätsentwicklung freisetzen, und zwar möglichst so, dass sie für die Praxis tatsächlich anschlussfähig sind. Der im nächsten Teilkapitel beschriebene Vorschlag zur Bestimmung von Qualität im Religionsunterricht versteht sich als Versuch, einen Teil dieser Desiderate durch eine transparente Systematik aufzunehmen. In Teil 2 soll es dann um empirische Grundlagen gehen, in Teil 3 schließlich stehen Entwicklungsperspektiven ganz im Vordergrund.

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Zur Entwicklung der religionspädagogischen Diskussion über Qualität im Religionsunterricht Ȥ Lange Zeit konzentrierte sich die religionsdidaktische Diskussion vor allem auf konzeptionelle Fragen (»Konzeptionen«), während die Qualität des im Rahmen einer solchen »Konzeption« durchgeführten Unterrichts nicht gleicher­ maßen im Blick war. Konzeptionelle Klärungen zur Ausrichtung des Religions­ unterrichts machen die Frage nach Unterrichtsqualität aber nicht überflüssig. Für jede Konzeption ist mit gelingenden und nicht gelingenden Realisierungs­ formen zu rechnen, und für eine entsprechende Einschätzung sind spezifische Kriterien erforderlich. Ȥ Die entsprechende Diskussion ist in der Religionspädagogik zwar in Gang gekommen, hat aber noch keinen befriedigenden Abschluss gefunden. Ȥ Fünf Desiderate sind zu konstatieren: • die weithin liegen gebliebene Qualitätsdiskussion unter aktuellen Aspekten neu aufnehmen. • die Frage nach Kompetenzerwerb und Kompetenzorientierung mit der weiterreichenden Qualitätsdiskussion verbinden. • die empirische Unterrichtsforschung als Grundlage für Qualitätsfragen nutzen. • die Verknüpfung theoretischer und empirischer sowie erziehungswissenschaftlicher und theologischer Kriterien klären. • Qualität im Religionsunterricht nicht nur wahrnehmen, sondern weiterentwickeln.

3. Der dreifache Bestimmungshorizont von Qualität im Religionsunterricht Nachdem zunächst Anforderungen an Kriterien von Qualität im Religionsunterricht zu klären waren und der entsprechende Diskussionsstand dargestellt wurde, soll nun versucht werden, einen eigenen Bestimmungsvorschlag zu entwickeln. Dieser Vorschlag zielt auf eine möglichst einfache und überschaubare, zugleich aber doch systematisch begründete Kriteriologie. Dazu werden drei Blickwinkel genutzt, die den Religionsunterricht jeweils in eine andere Perspektive rücken: »guter Unterricht«, »guter Fachunterricht« sowie das besondere Profil des Religionsunterrichts. Die drei unterschiedlichen Perspektiven sollen dabei jedoch von vornherein keine Auswahlalternativen darstellen, sondern sich wechselseitig ergänzen. »Guter Religionsunterricht« wird

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demnach dann erreicht, wenn seine Qualität in allen drei Hinsichten gege-­ ben ist. 3.1 Religionsunterricht als »guter Unterricht« In dieser Perspektive kommt zunächst zum Ausdruck, dass der Religionsunterricht als Fach der Schule keinen prinzipiell anderen Kriterien unterliegt als andere Fächer. Dass dies nicht alles ist, was sich über den Religionsunterricht sagen lässt, soll besonders mit den beiden weiteren Perspektiven auf Religionsunterricht als Fachunterricht und auf sein besonderes Profil gezeigt werden. Gleichzeitig bleibt durchweg der Anspruch bestehen, dass der Religionsunterricht nicht einfach aus den mit Schule und Unterricht insgesamt verbundenen Erwartungen herausfallen darf. Dieser Anspruch begegnet dem Religionsunterricht gleichsam von außen, vom schulischen, aber auch vom bildungspolitischen Horizont her. Er kann aber auch theologisch und damit gleichsam von innen her mit dem Hinweis begründet werden, dass pädagogisches Handeln gerade in evangelischer Sicht eine weltliche Angelegenheit bleibt und insofern der pädagogischen Vernunft untersteht.54 Es gibt so gesehen keinen theologisch plausiblen Grund, warum Einsichten und Erkenntnisse aus Erziehungswissenschaft oder Pädagogischer Psychologie nicht für den Religionsunterricht nutzbar gemacht werden sollten, so wie dies die Religionspädagogik in ihrer Geschichte ja auch immer wieder getan hat. Die – insgesamt selten gebliebenen – Versuche, hier etwa im Ausgang vom Evangelium, von einem Verkündigungsauftrag oder gar der Berufung auf den Heiligen Geist ganz eigene Wege zu gehen, haben sich als wenig zielführend erwiesen und am Ende häufig dazu geführt, dass sich eher konventionelle Vorstellungen von Unterricht durchsetzten.55 Anforderungen an »guten Unterricht« werden heute – und inzwischen am stärksten beachtet – von der Pädagogischen Psychologie bzw. Empirischen Bildungsforschung formuliert, daneben aber auch, so wie dies der gesamten Tradition entspricht, von der Allgemeinen Didaktik. Beides ist für die Qualität von Religionsunterricht als »gutem Unterricht« bedeutsam.

54 Dieses Verständnis geht auf die Reformation zurück sowie auf die Unterscheidung zwischen dem geistlichen und dem weltlichen Regiment; vgl. dazu bspw. F. Schweitzer, Das Bildungserbe der Reformation. Bleibender Gehalt, Herausforderungen, Zukunftsperspektiven, Gütersloh 2016. 55 Als berühmtes Beispiel vgl. T. Heckel, Zur Methodik des evangelischen Religionsunterrichtes, München 1928.

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Kompetenzerwerb, kognitive Aktivierung, Klassenführung und die Atmosphäre des Unterrichts: Qualitätskriterien aus der Empirischen Bildungsforschung

Erwartungen an Unterrichtsqualität aus der Empirischen Bildungsforschung beziehen sich in übergeordneter Weise auf den Erwerb von Kompetenzen.56 Die Frage, welche Kompetenzen im Unterricht tatsächlich erworben werden, geht dabei auf die großen internationalen Schulleistungsuntersuchungen wie PISA zurück.57 Sie hat vor allem zu einer Problematisierung der faktischen Wirksamkeit von Unterricht geführt. Wie der internationale Vergleich zeigt, wird der beabsichtigte Kompetenzerwerb in den verschiedenen Ländern in sehr unterschiedlichem Maße erreicht. Vielfach würde und wird das vergleichsweise schwache Abschneiden der Schülerinnen und Schüler in Deutschland als enttäuschend wahrgenommen. Zum Religionsunterricht wie auch zu vielen anderen Fächer der Schule liegen bislang keine Befunde aus internationalen Vergleichen zum Kompetenzerwerb vor. Es leuchtet jedoch unmittelbar ein, dass sich die für sprachliche und mathematisch-naturwissenschaftliche Kompetenzen erhobenen Befunde zumindest ein Stück weit auch auf andere Fächer übertragen lassen, im Sinne der damit unausweichlich gewordenen Frage, wie es mit dem Kompetenzerwerb in diesen Fächern steht. »Guter Unterricht«, so das weithin geteilte Verständnis, schließt ein, dass in diesem Unterricht bestimmte Fähigkeiten und Fertigkeiten erworben werden können und dass dieses Angebot von möglichst vielen Kindern und Jugendlichen auch wirklich genutzt wird. Dieser Anspruch wird auch für die vorliegende Darstellung übernommen: »Guter Religionsunterricht« ist demnach ein Unterricht, in dem tatsächlich Kompetenzen ausgebildet oder erworben werden. An diese Feststellung schließt sich naturgemäß eine breite Diskussion darüber an, um welche Kompetenzen es dabei im Religionsunterricht im Einzelnen gehen soll. Für eine Antwort auf diese Frage ist davon auszugehen, dass Kompetenzen Bildungsziele operationalisieren sollen, d. h., der angestrebte Kompetenzerwerb muss als Konkretion des jeweiligen Verständnisses religiöser Bildung plausibel sein.58 Da dieses Bildungsverständnis aber auch in der Wissen56 Als grundlegende Darstellung s. E. Klieme u. a., Zur Entwicklung nationaler Bildungsstandards. Eine Expertise, hg. v. Bundesministerium für Bildung und Forschung, Bonn 2003; zum pädagogisch-psychologischen Hintergrund vgl. Kunter/Trautwein, Psychologie (s. Anm. 15). 57 Vgl. schon den ersten Bericht Deutsches PISA-Konsortium (Hg.), PISA 2000 (s. Anm. 4) sowie den derzeit neuesten Bericht K. Reiss u. a. (Hg.), PISA 2018. Grundbildung im internationalen Vergleich, Münster/New York 2019. 58 Vgl. den Versuch einer Bilanz: Themenheft der Zeitschrift für Pädagogik und Theologie (4/2018) sowie die in Anm. 53 genannte Literatur.

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schaft nicht einfach in Gestalt einer festliegenden Definition verfügbar ist und die Auffassungen darüber, was religiöse Bildung ausmacht, stark divergieren können, lässt sich zwar auf einen breiten religionspädagogischen Diskurs zur Kompetenzbestimmung verweisen, aber eben nicht auf einen Konsens. Das entsprechende Qualitätskriterium lässt sich deshalb nur formal so fassen, dass der Unterricht an transparent ausgewiesenen und wissenschaftlich begründeten Kompetenzbeschreibungen ausgerichtet sein muss. Was die Schule betrifft, werden die Bildungsziele selbst aber in aller Regel nicht einfach aus der Wissenschaft übernommen, sondern maßgeblich sind hier die in politischen Prozessen in Gestalt von Bildungsplänen festgelegten Ziele. Im Falle des Religionsunterrichts kommen dabei, aufgrund der entsprechenden Vorgabe im Grundgesetz – Religionsunterricht »in Übereinstimmung mit den Grundsätzen der Religionsgemeinschaften« (Art. 7,3 GG) –, auch die Kirchen oder gegebenenfalls andere religiöse Instanzen ins Spiel. Insofern ist hier auf die Stellungnahmen der Kirchen zu verweisen. Die katholischen Bischöfe haben im Jahr 2004 »Richtlinien zu Bildungsstandards« für den Religionsunterricht in der Sekundarstufe I erlassen. Dort werden folgende Kompetenzen aufgezählt, die sich auf die »Auseinandersetzung mit Inhalten des christlichen Glaubens« beziehen: Ȥ »religiöse Phänomene wahrnehmen« Ȥ »religiöse Sprache verstehen und verwenden« Ȥ »religiöse Zeugnisse verstehen« Ȥ »religiöses Wissen darstellen« Ȥ »in religiösen Fragen begründet urteilen« Ȥ »sich über religiöse Fragen und Überzeugungen verständigen« Ȥ »aus religiöser Motivation handeln«.59 2010 hat der Rat der EKD einen Orientierungsrahmen »Kompetenzen und Standards für den Evangelischen Religionsunterricht in der Sekundarstufe I« verabschiedet, der acht Kompetenzformulierungen nennt: 1. »Den eigenen Glauben und die eigenen Erfahrungen wahrnehmen und zum Ausdruck bringen sowie vor dem Hintergrund christlicher und anderer religiöser Deutungen reflektieren. 2. Grundformen biblischer Überlieferung und religiöser Sprache verstehen. 3. Individuelle und kirchliche Formen der Praxis von Religion kennen und daran teilhaben können. 59 Die deutschen Bischöfe, Kirchliche Richtlinien zu Bildungsstandards für den Katholischen Religionsunterricht in den Jahrgangsstufen 5–10/Sekundarstufe I, Bonn 2004, 16.

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4. Über das evangelische Verständnis des Christentums Auskunft geben. 5. Ethische Entscheidungssituationen im individuellen und gesellschaftlichen Leben wahrnehmen, die christliche Grundlegung von Werten und Normen verstehen und begründet handeln können. 6. Sich mit anderen religiösen Glaubensweisen und nicht-religiösen Weltanschauungen begründet auseinandersetzen, mit Kritik an Religion umgehen sowie die Berechtigung von Glaube aufzeigen. 7. Mit Angehörigen anderer Religionen sowie mit Menschen mit anderen Weltanschauungen respektvoll kommunizieren und kooperieren. 8. Religiöse Motive und Elemente in der Kultur identifizieren, kritisch reflektieren sowie ihre Herkunft und Bedeutung erklären«.60 Diese sich inhaltlich überschneidenden Aufzählungen geben bewusst nur einen allgemeinen Rahmen vor. Was genau unter den einzelnen Kompetenzen verstanden werden soll und welche Kriterien sich daraus für die Wahrnehmung von Qualität im Religionsunterricht ergeben, muss dann jeweils genauer bestimmt werden. Als These lässt sich formulieren, dass »guter Religionsunterricht« nicht nur allgemein die Ausbildung von Kompetenzen unterstützt, sondern dass es dabei um bestimmte Kompetenzen gehen muss, die den beiden Rahmenbeschreibungen entsprechen. Damit ist allerdings erst der Anspruch auf Transparenz eingelöst. Wissenschaftliche Begründungen hingegen werden von den kirchlichen Stellungnahmen nicht beansprucht oder geboten. Wie in Teil 2 genauer dargelegt werden soll, besteht hier aber auch in der Religionspädagogik ein deutlicher Nachholbedarf, insbesondere im Blick auf die weithin noch fehlende empirische Validierung von Kompetenzmodellen für den Religionsunterricht, wie sie bei dieser Art der Qualitätserfassung eigentlich unabdingbar wäre. Die empirische Fundierung gehörte von Anfang an zu den Zielen und Ansprüchen des Versuchs, Unterricht vom Kompetenzerwerb her zu betrachten.61 Untersuchungen zu den von Kindern oder Jugendlichen erworbenen Kompetenzen, wie sie beispielsweise bei den PISA-Studien vorgelegt werden, geben noch keine Auskunft über die Art und Weise, wie sie im Unterricht erworben wurden. Sie zeigen lediglich auf, welche Kompetenzen vorhanden sind und welche nicht bzw. in welchen Ausprägungen. Die mitunter anzutreffende Auffassung, dass aus der Kompetenzforschung eine Kompetenzorientierung als didaktisches Unterrichtsprinzip folgen müsse,62 ist deshalb keineswegs zwingend. 60 Kompetenzen und Standards für den Evangelischen Religionsunterricht in der Sekundarstufe I. Ein Orientierungsrahmen, hg. v. Kirchenamt der EKD, Hannover 2010, 18. 61 Vgl. Klieme u. a., Zur Entwicklung (s. Anm. 56). 62 Vgl. dazu etwa Obst, Kompetenzorientiertes Lehren (s. Anm. 3).

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Richtig daran ist, dass die Frage nach den im Unterricht zu erwerbenden oder erworbenen Kompetenzen in dieser Perspektive unerlässlich ist. Auf welche Art und Weise der Kompetenzerwerb unterstützt werden kann, ist jedoch eine weitere Frage, die eigens empirisch untersucht werden muss. Die Pädagogische Psychologie bzw. Empirische Bildungsforschung gibt in dieser Hinsicht denn auch durchaus allgemeiner gefasste bzw. offenere Antworten als eine kompetenzorientierte Religionsdidaktik.63 Entscheidend ist für die Empirische Bildungsforschung zunächst die grundlegende Unterscheidung zwischen den Sichtstrukturen und den Tiefenstrukturen von Unterricht, wobei vor allem die Tiefenstrukturen als wirksam angesehen werden. Sichtstrukturen sind dabei das, was leicht zu beobachten ist, also beispielsweise die jeweils eingesetzten Formen des Lehrens (Lehrervortrag, Klassengespräch usw.), die Sozialformen (Plenum, Gruppenarbeit usw.) oder die zeitliche Strukturierung des Unterrichts (Einteilung in Phasen usw.). Die Tiefenstrukturen lassen sich hingegen erst mithilfe weiterreichender Analysen und also den Methoden der Unterrichtsforschung identifizieren. Mit inzwischen großer Übereinstimmung wird dabei auf die sogenannten drei »Cs« bzw., im Deutschen, die drei »Ks« verwiesen: kognitive Aktivierung (cognitive activation), Klassenführung (classroom management), konstruktive Unterstützung (classroom atmosphere).64 In der zusammenfassenden Darstellung von Doris Holzberger und Mareike Kunter heißt es dazu: »Unterricht, der hohe kognitive Aktivierung aufweist, regt die Lernenden zur vertieften Auseinandersetzung mit dem Lerngegenstand und zu mentaler Selbständigkeit an, um eine erfolgreiche Integration neuer Wissensinhalte in bestehendes Wissen zu erreichen«.65 Bei der »Klassenführung« geht es vor allem darum, die »zur Verfügung stehende Zeit (time on task) effizient und bestmöglich für Lernprozesse zu nutzen und Zeitverluste, die durch nicht lernbezogene Aktivitäten entstehen, zu minimieren«.66 Mit der »konstruktiven Unterstützung« schließlich ist die Strukturierung von Lernprozessen gemeint, also etwa geeignete Formen des Erklärens, des Umgangs mit Fehlern, Bestimmung des Tempos, aber auch die Beziehung zwischen der Lehrkraft und den Schülerinnen und Schülern.67 63 Vgl. Helmke, Unterrichtsqualität (s. Anm. 5); Kunter/Trautwein, Psychologie (s. Anm. 15). 64 Vgl. die in Anm. 15 genannte Literatur. 65 D. Holzberger/M. Kunter, Unterricht aus der Perspektive der Pädagogischen Psychologie und empirischen Unterrichtsforschung. In: Möller u. a., Basiswissen Lehrerbildung (s. Anm. 35), 39–52, 43. 66 Ebd., 44. 67 Ebd., 45.

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Alle drei Aspekte sind, wie leicht zu erkennen, auch für den Religionsunterricht einschlägig. Spezielle Untersuchungen liegen bislang aber nur im Blick auf die kognitive Aktivierung vor – mit dem Ergebnis, dass eine (kritische) Untersuchung des Religionsunterrichts unter diesem Aspekt sehr sinnvoll ist und dass es sich keineswegs von selbst versteht, dass eine solche Aktivierung im Religionsunterricht tatsächlich gelingt68 (s. dazu Teil 2). Zusammenfassend kann festgehalten werden, dass Religionsunterricht als »guter Unterricht« im Sinne der Empirischen Bildungsforschung nicht nur in den Horizont des Kompetenzerwerbs zu rücken ist, sondern dass auch nach kognitiver Aktivierung, Klassenführung und konstruktiver Unterstützung von Lernprozessen gefragt werden muss. Besonders im Blick auf kognitive Aktivierung und konstruktive Unterstützung ist weiterhin deutlich, dass damit immer auch fachliche Aspekte angesprochen sind. Anders gesagt lässt sich »guter Religionsunterricht« nicht allein aus der Perspektive der empirischen Bildungsforschung bestimmen, was von dieser auch nicht beansprucht wird.69 Die Zusammenarbeit mit den Fachdidaktiken gilt vielmehr als konstitutiv. Ehe darauf genauer eingegangen wird, soll zunächst eine zweite Perspektive zum »guten Unterricht« aufgenommen werden. Bildung und Lernen: »Guter Unterricht« in der Perspektive von Schulpädagogik und Allgemeiner Didaktik

Die Bestimmung von pädagogischen Anforderungen an Unterricht gehört zu den Grundaufgaben von Schulpädagogik und Allgemeiner Didaktik. Ausgehend von Bildungs- und Lerntheorien sowie weiteren Ansätzen etwa zu den gesellschaftlichen Funktionen von Schule beschreiben diese Disziplinen ein allgemeines normatives Verständnis von Unterricht, in das dann der Unterricht in den verschiedenen Schulfächern eingezeichnet werden kann. Eine große und nachhaltige Wirkung hat hier vor allem die von Wolfgang Klafki in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts ausgehende bildungstheoretische Didaktik entfaltet – mit der zentralen Anforderung, dass Unterricht immer der umfassenden Bildung des Menschen dienen muss und also nicht bloß der Vermittlung einzelner

68 Vgl. R. Englert/E. Hennecke/M. Kämmerling, Innenansichten des Religionsunterrichts. Fallbeispiele, Analysen, Konsequenzen, München 2014. 69 Vgl. als grundlegenden Beitrag dazu E. Klieme/K. Racoczy, Empirische Unterrichtsforschung und Fachdidaktik. Outcome-orientierte Messung und Prozessqualität des Unterrichts. In: Zeitschrift für Pädagogik 54(2008), 222–237; sowie die Diskussionen in M. A. Meyer/M. Prenzel/ S.  Hellekamps (Hg.), Perspektiven der Didaktik (Zeitschrift für Erziehungswissenschaft Sonderheft 9), Wiesbaden 2008.

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Fähigkeiten und Fertigkeiten.70 Später hat Klafki dies mit der dreifachen Verpflichtung auf Selbstbestimmung, Mitbestimmung und Solidarität als Bildungsziele zu aktualisieren und zu konkretisieren versucht.71 Im Bereich von Schulpädagogik und Allgemeiner Didaktik hat im Blick auf die neuere Qualitätsdiskussion vor allem die bewusst einfach gehaltene und deshalb besonders einprägsame Darstellung von Hilbert Meyer weite Verbreitung gefunden. Seine Bestimmung von »gutem Unterricht« anhand von fünf Merkmalen kann als Versuch gelesen werden, schulpädagogische und allgemeindidaktische Anforderungen an »guten Unterricht« auf den Punkt zu bringen. Sie soll deshalb auch an dieser Stelle aufgenommen werden: »Guter Unterricht ist ein Unterricht, in dem 1. im Rahmen einer demokratischen Unterrichtskultur 2. auf der Grundlage des Erziehungsauftrags 3. und mit dem Ziel eines gelingenden Arbeitsbündnisses 4. eine sinnstiftende Orientierung 5. und ein Beitrag zur nachhaltigen Kompetenzentwicklung aller Schülerinnen und Schüler geleistet wird«.72 Diese Merkmale machen vor allem deutlich, dass »guter Unterricht« immer in einem weiteren Horizont zu sehen ist – der Schule und letztlich der Gesellschaft – und dass es deshalb nicht nur um leicht zu erfassende oder zu beobachtende Vollzüge von Unterrichtspraxis gehen kann, wenn nach der Qualität von Unterricht gefragt wird. Mit dem Begriff der »Unterrichtskultur« beispielsweise wird angezeigt, dass einzelne Lehr-Lern-Sequenzen unterschiedlich einzuschätzen sind, je nachdem welche Formen des Lehrens und Lernens in einer Klasse oder einer Schule insgesamt praktiziert werden. Mit dem von Meyer genannten »Arbeitsbündnis« ist gemeint, dass es beim Unterricht auch nicht bloß um positiv empfundene Lehrer-Schüler-Beziehungen geht, sondern um ein dauerhaftes Verhältnis, das auch das gemeinsame, aber doch von der Lehrkraft angeleitete Arbeiten tragen kann. Darin gründet zugleich die erzieherische Wirkung von Unterricht, auf die mit dem Hinweis auf den »Erziehungsauftrag« verwiesen wird. Schulischer Unterricht muss immer mehr sein als die bloße Vermittlung von Fähigkeiten und Fertigkeiten, indem er auch beispielsweise die Persön-

70 Vgl. W. Klafki, Studien zur Bildungstheorie und Didaktik, Weinheim/Basel 1963. 71 Vgl. W. Klafki, Neue Studien zur Bildungstheorie und Didaktik. Beiträge zur kritisch-kons­ truktiven Didaktik, Weinheim/Basel 1985. 72 H. Meyer, Was ist guter Unterricht?, Berlin 2004, 13. In späteren Auflagen hat Meyer diese Definition weiter ausdifferenziert und verfeinert.

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lichkeits- und Wertebildung unterstützt. Dass all dies nur funktionieren kann, wenn und soweit Unterricht als ein sinnvolles Geschehen erfahren werden kann, wird mit der über den Unterricht selbst hinausweisenden Bezeichnung »sinnstiftende Orientierung« aufgenommen, die beim Religionsunterricht natürlich in weiterreichender Weise auch in religiöser Hinsicht verstanden werden kann: Als sinnvoll wird dieser Unterricht dann erfahren, wenn Kinder und Jugendliche Verbindungen zu ihren eigenen Sinnentwürfen und Lebensplänen wahrnehmen können. Auf solche Bezüge wird in der religionsdidaktischen Diskussion vielfach Bezug genommen. Schon die oben beschriebene Studie von Bucher berührt einige dieser Aspekte. Zugleich ist deutlich, dass auch die von der Allgemeinen Didaktik herkommenden Versuche zur Bestimmung von Unterrichtsqualität der fachdidaktischen und fachlichen Konkretion bedürfen, wenn sie nicht abstrakt und unbestimmt bleiben sollen. Unterricht lässt sich ohne Berücksichtigung der inhaltlichen Dimension weder angemessen erfassen noch in seiner Qualität beurteilen. Bestimmungen wie die von Meyer werfen in der Praxis aber auch Rückfragen auf. Die wichtigste davon lautet wohl: Gibt es »guten Unterricht« auch in der Realität? Von allgemeinen Qualitätsaussagen zu indikatorengestützten Untersuchungen

Für Versuche, »guten Unterricht« zu beschreiben, wie sie bislang vorgestellt wurden, gilt insgesamt, dass sie nicht nur notwendig allgemein bleiben, sondern eine spezifische Voraussetzung machen: »Guter Unterricht« lasse sich als ein Gesamtgeschehen darstellen, mit dem eine bestimmte Qualität erreicht wird. In der Realität von Schule liegt es aber weit näher, nach der Qualität einzelner Vollzüge im Unterricht zu fragen, die sich dann auch genauer erfassen lassen. Auch wenn es richtig bleibt, dass Unterricht als ein Gesamtgeschehen zu begreifen ist, gilt doch zugleich: Alles gelingt nie gleichermaßen. Insofern ist »guter Unterricht« ein abstraktes Ideal, an dem sich niemand messen und durch das man sich nicht entmutigen lassen sollte. Solche Ideale führen am Ende leicht zu Enttäuschungen und nicht zu einer Verbesserung von Unterricht. Deshalb ist es sinnvoll, bei der Qualitätsentwicklung nicht einfach den gesamten Unterricht in den Blick zu nehmen, sondern sich auf bestimmte Elemente oder Hinsichten zu konzentrieren. Eben dies ist mit »Indikatoren« gemeint, die es ermöglichen sollen, genauer nach den Kennzeichen beispielsweise des bei Meyer angesprochenen »Beitrags zur nachhaltigen Kompetenzentwicklung« zu fragen. Auf diese Weise bleibt von vornherein bewusst, dass nicht einfach die Qualität von Unterricht insgesamt im Blick ist, sondern eben

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ein bestimmter Aspekt. Ein solcher Aspekt lässt sich dann auch konkretisieren und bei der gewünschten Weiterentwicklung von Unterrichtsqualität gezielt aufnehmen. Für den Religionsunterricht folgt daraus, dass auch »guter Religionsunterricht« nicht einfach im Sinne eines allgemeinen Leitbilds oder Ideals verstanden werden sollte, sondern dass es darauf ankommt, für die Unterrichtsqualität bedeutsame Indikatoren zu identifizieren, wie dies im Folgenden exemplarisch geschehen soll. Das gilt analog auch für empirische Untersuchungen zum Religionsunterricht, die ebenfalls nicht einfach »guten Religionsunterricht« erfassen können, sondern sich jeweils an bestimmten Indikatoren orientieren müssen. Solche Indikatoren sind plausibel, wenn sie an die allgemeinen Kriterien »guten Unterrichts« aus der Schulpädagogik und aus der Allgemeinen Didaktik anknüpfen und wenn sie als Operationalisierung solcher Kriterien ausgewiesen werden können, auch wenn sie immer nur bestimmte Aspekte erfassen. Zudem bleiben schulpädagogisch und allgemeindidaktisch begründete Indikatoren im Blick auf die Fachlichkeit des Unterrichts ergänzungsbedürftig – fachwissenschaftlich ebenso wie fachdidaktisch. Religionsunterricht als »guter Unterricht« in der Perspektive der empirischen Bildungsforschung und der Schulpädagogik Religionsunterricht ist »guter Unterricht«, Ȥ wenn in diesem Unterricht tatsächlich Kompetenzen ausgebildet werden (können), Ȥ wenn der Unterricht an transparent ausgewiesenen und wissenschaftlich begründeten Kompetenzbeschreibungen ausgerichtet ist, Ȥ wenn die Unterscheidung zwischen Sichtstrukturen und Tiefenstrukturen von Unterricht beachtet und wenn die Wirksamkeit der Tiefenstrukturen konsequent berücksichtigt wird, Ȥ wenn die sogenannten drei »Cs« (oder im Deutschen: die drei »Ks«): kognitive Aktivierung (cognitive activation), Klassenführung (classroom management), konstruktive Unterstützung (classroom atmosphere) als Qualitätsanforderungen auch für den Religionsunterricht aufgenommen werden, Ȥ wenn beachtet wird, dass »guter Unterricht« immer in einem weiteren Horizont zu sehen ist – der Schule und letztlich der Gesellschaft – und wenn deshalb die Frage nach der übergreifenden »Unterrichtskultur« jenseits einzelner Stunden die Ausrichtung des Unterrichts mitbestimmt, Ȥ wenn die Gefahr, dass »guter Unterricht« ein abstraktes Ideal bleibt, das sich ohnehin nicht erreichen lässt, dadurch vermieden wird, dass nach Qualität

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und Qualitätsentwicklung im Blick auf bestimmte Vollzüge im Unterricht gefragt wird (indikatorengestützter Zugang), Ȥ wenn über die allgemeinen, schulpädagogischen und allgemeindidaktischen Kriterien hinaus fachliche bzw. fachdidaktische Aspekte leitend sind.

3.2 Religionsunterricht als »guter Fachunterricht« Zumindest in bestimmter Hinsicht lässt sich die Auffassung vertreten, dass »guter Fachunterricht« auch ganz allgemein »guter Unterricht« sein muss – und umgekehrt. Die im vorangehenden Abschnitt beschriebenen Kriterien sind bewusst so bestimmt, dass sie für jede Form von Unterricht gelten sollen. Eine unmittelbare Nähe zu fachlichen Bezügen weisen dabei allerdings bereits die Kriterien der kognitiven Aktivierung sowie des Kompetenzerwerbs auf, die im Unterschied etwa zur Klassenführung immer an inhaltliche Aspekte gebunden sind. Genauer gesagt lässt sich Unterricht ohne Berücksichtigung inhaltlicher Aspekte gar nicht beurteilen. Unterricht meint konkret immer Fachunterricht. Dass kognitive Aktivitäten hervorgerufen werden, ist daher noch kein sinnvolles Ziel von Unterricht, solange nicht auch gesagt wird, worauf sich diese Aktivierung genau beziehen soll. Neueren Untersuchungen zufolge besteht auch kein Automatismus der Art, dass ein Unterricht, der die allgemeinen Kriterien »guten Unterrichts« erfüllt, ganz selbstverständlich auch in fachlicher Hinsicht »gut« wäre.73 Empirisch gesehen können sich die verschiedenen Merkmale unabhängig voneinander ausprägen, sodass etwa trotz gelingender kognitiver Aktivierung fachliche Defizite bestehen bleiben. So gesehen bleibt es theoretisch und empirisch unerlässlich, die Qualität von Religionsunterricht auch in der Dimension von Fachunterricht eigens zu bestimmen. Dabei kommen zwei Betrachtungsweisen ins Spiel, die voneinander unterschieden, aber auch miteinander verbunden werden müssen: Ȥ Zunächst gilt für alle Schulfächer, dass sie sich durch den Bezug auf eine bestimmte Wissenschaft konstituieren. Dieser Fachbezug bleibt auch dann prinzipiell erhalten, wenn es heute Fächer in der Schule gibt, die mehrere Bezugswissenschaften einschließen und damit zu Lernbereichen werden wie etwa »Mensch und Umwelt«, »Wirtschaft–Arbeit–Gesundheit«. Denn in die73 Vgl. die aufschlussreichen Befunde bei F. Lipowsky u. a., Generische und fachdidaktische Dimensionen von Unterrichtsqualität – Zwei Seite einer Medaille? In: M. Martens u. a. (Hg.), Konstruktionen von Fachlichkeit. Ansätze, Erträge und Diskussionen in der empirischen Unterrichtsforschung, Bad Heilbrunn 2018, 183–202 sowie die weiteren Beiträge in diesem Band.

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sem Fall sind zwar verschiedene wissenschaftliche Disziplinen beteiligt, aber der grundsätzliche Bezug auf erkennbare Fachwissenschaften wird dadurch nicht aufgehoben. Auch beim Religionsunterricht sind solche multidisziplinären Bezüge insofern schon lange gegeben, als dieser Unterricht zwar für gewöhnlich die wissenschaftliche Theologie als seine primäre Bezugswissenschaft versteht, daneben aber auch andere wissenschaftliche Disziplinen wie etwa die Religionswissenschaft oder die Human-, Kultur- und Sozialwissenschaften als weitere Bezugswissenschaften ansieht und nutzt. Auf jeden Fall aber bedeutet der Fachbezug einen inhaltlichen Anspruch, der sich allerdings in seiner unterrichtlichen Bedeutung nicht leicht bestimmen lässt. Problematisch ist aus leicht erkennbaren Gründen zunächst jede Vorstellung von Vollständigkeit. Unter den zeitlich begrenzten Voraussetzungen von Schule lässt sich keine Wissenschaft in ihrem gesamten Umfang in den Unterricht hinein abbilden. Solche Vorstellungen werden denn auch in der Religionsdidaktik schon seit langem als bloße Abbilddidaktik abgelehnt.74 Dass der Versuch, Wissenschaften im Unterricht »abzubilden«, nicht sinnvoll ist, hat dabei nicht nur zeitliche Gründe, sondern beruht auch auf der didaktisch grundlegenden Einsicht, dass die Logik der wissenschaftlichen Forschung sich an anderen Anforderungen orientiert als Lernprozesse von Kindern und Jugendlichen. Manche Fragestellungen, die wissenschaftlich überaus spannend sind, erschließen sich beispielsweise aufgrund der damit verbundenen Spezialisierung oder ihres abstrakten Charakters den Schülerinnen und Schülern kaum oder gar nicht. Daher muss immer eine Auswahl getroffen werden, die nicht nur fachlich, sondern auch didaktisch bestimmt ist. Leichter umzusetzen ist die Forderung, dass der schulische Unterricht dem jeweiligen Stand der Forschung entsprechen muss. So ist es beispielsweise in der exegetischen Forschung zum Alten Testament in den letzten Jahren zu erheblichen Umbrüchen hinsichtlich der Datierung der Entstehung verschiedener biblischer Bücher gekommen, weshalb auch Schulbücher sich nicht mehr an der herkömmlichen, nunmehr sogenannten Frühdatierung orientieren können. Aus fachlicher Perspektive am wichtigsten ist aber, dass Inhalte in der Schule so aufgenommen werden, wie sie sich in wissenschaftlicher Sicht darstellen (sogenannte Wissenschaftsorientierung). So gehört etwa zur Behandlung neutestamentlicher Gleichnisse immer auch ein Vertrautwerden mit den 74 Vgl. im Anschluss an H. Blankertz etwa K. E. Nipkow, Grundfragen der Religionspädagogik. Bd. 1: Gesellschaftliche Herausforderungen und theoretische Ausgangspunkte, Gütersloh 1975, 180–182.

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Auslegungsweisen, die heute in der neutestamentlichen Exegese als tragfähig angesehen werden, immer freilich in einer dem Alter und Entwicklungsstand der Schülerinnen und Schüler angemessenen Form. Zumindest in exemplarischer Weise muss deutlich werden, wie biblische Texte wissenschaftlich erschlossen werden. Das schließt etwa die historisch-kritische Auslegung ein, aber auch andere Formen der Bibelauslegung. Ȥ Neben dem Bezug auf eine bestimmte Fachwissenschaft steht der auf eine spezielle Fachdidaktik, die sich mit der Frage befasst, wie bestimmte fachliche Inhalte in Prozesse des Lehrens und Lernens überführt werden können. Hier wird also davon ausgegangen, dass es ein gleichsam inneres Verhältnis zwischen Inhalten und ihnen angemessenen Lernformen gibt. Eine Naturwissenschaft verfährt anders mit ihren Inhalten als eine Geisteswissenschaft, was beispielsweise schon an der unterschiedlichen Bedeutung von Sprache und Text in den verschiedenen Wissenschaften sowie in den entsprechenden Schulfächern abzulesen ist. Für den Religionsunterricht kann fachdidaktisch beispielsweise das Elementarisierungsmodell, auf das in diesem Band exemplarisch zurückgegriffen wird, eine Orientierung bieten.75 Dieses Modell lässt die verschiedenen Dimensionen erkennen, in denen sich die fachunterrichtliche Qualität von Religionsunterricht ausprägen muss: • durch den Bezug auf fachliche Inhalte (»elementare Strukturen«), aber immer auch auf die • Erfahrungen junger Menschen heute (»elementare Erfahrungen«); • durch den Bezug auf die von Kindern und Jugendlichen mitgebrachten Verstehens- und Deutungsweisen (»elementare Zugänge«), aber auch auf • die existenziellen Fragen, die gerade im Religionsunterricht immer wieder aufbrechen können und aufbrechen sollen (»elementare Wahrheiten«); und nicht zuletzt stellt sich die Frage, • welche Lernformen im Sinne von Unterrichtsmethoden dem Religionsunterricht und seinen Inhalten angemessen sind (»elementare Lernformen«). So gesehen ist das religionsdidaktische Elementarisierungsmodell nicht nur als ein Modell für die Vorbereitung und Gestaltung von Religionsunterricht bedeutsam, wie es bislang verstanden wurde, sondern es impliziert auch Qualitätskriterien, mit deren Hilfe sich Unterricht analysieren und bewerten lässt. Dieses Verständnis leuchtet insofern unmittelbar ein, als sich ein Modell für die Vor75 Vgl. Schweitzer u. a., Elementarisierung 2.0 (s. Anm. 14).

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bereitung von Unterricht immer zumindest implizit an »gutem Unterricht« orientiert: Unterricht soll so vorbereitet und gestaltet werden, wie er am besten gelingt. Wie das Elementarisierungsmodell für die Analyse und Bewertung von Unterricht weiterentwickelt werden kann, soll noch genauer erörtert werden (s. u., S. 160 ff.). Schon an dieser Stelle soll festgehalten werden, dass die erforderlichen fachdidaktischen Qualitätskriterien auch über die verschiedenen Elemen­ tarisierungsdimensionen hinausreichen. Denn alle diese Aspekte übergreifend stellt sich fachdidaktisch auch die Frage nach den Zielen, die der Religionsunterricht insgesamt verfolgen soll. Dafür steht heute in der Regel der Begriff der religiösen Bildung, der allerdings weiter konkretisiert werden muss.76 Als eine solche Konkretion werden vielfach zu Recht – wie oben bereits diskutiert – die im Religionsunterricht zu erwerbenden Kompetenzen verstanden, aber dabei muss bewusst bleiben, dass eine Aufzählung einzelner Kompetenzen den Bildungsbegriff nicht ausschöpfen kann. Kompetenzen bewahren den Bildungsbegriff vor wirkungslosen Abstraktionen, während der Bildungsanspruch die Einzelkompetenzen vor einem verdinglichenden Gebrauch schützen kann. Der Bezug auf eine bestimmte (Fach-)Wissenschaft auf der einen und auf die entsprechende Fachdidaktik auf der anderen Seite bedingt also unterschiedliche Perspektiven und führt zu verschiedenen Kriterien. Am Ende kommt es jedoch darauf an, beide Betrachtungsweisen miteinander zu verschränken. So lässt sich schon die Frage nach der Auswahl von Inhalten, die im Unterricht bearbeitet werden sollen – letztlich ist dies die Aufgabe der Erstellung eines Bildungsplans – nur bei gleichzeitiger Berücksichtigung fachlicher und (fach-)didaktischer Kriterien sinnvoll beantworten. Religionsunterricht als »guter Fachunterricht« bedeutet insofern, dass dieser Unterricht sowohl den fachwissenschaftlichen (theologischen usw.) Ansprüchen gerecht wird als auch den Erfordernissen des Lehrens und Lernens im Sinne der Religionsdidaktik. Zu den fachdidaktischen Bestimmungen gehört darüber hinaus die fachdidaktisch zentrale Angemessenheit von Qualitätskriterien im Blick auf verschiedene Schulstufen und Schularten, die deshalb hier eigens hervorgehoben werden soll. Für die Grundschule sind andere Formen des gemeinsamen Lernens maßgeblich als für die Sekundarstufe, und das berufliche Bildungswesen ist anders geprägt als das allgemeinbildende Gymnasium. Qualitätskriterien müssen daher durchweg für unterschiedliche Schulkulturen offen und sensibel sein. 76 Zum Bildungsverständnis vgl. die unterschiedlich akzentuierten Darstellungen bei F. Schweitzer, Bildung, Neukirchen-Vlyun 2014; R. Preul, Evangelische Bildungstheorie, Leipzig 2013; B. Dressler, Religionsunterricht. Bildungstheoretische Grundlegungen, Leipzig 2018.

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Religionsunterricht als »guter Fachunterricht« in der Perspektive von Fachwissenschaft und Religionsdidaktik Religionsunterricht ist »guter Fachunterricht«, Ȥ wenn er sowohl fachwissenschaftlichen (theologischen) Ansprüchen gerecht wird als auch den Erfordernissen des Lehrens und Lernens im Sinne der Religionsdidaktik, Ȥ wenn der Bezug auf die für das Fach konstitutive Wissenschaft nicht zu einer bloßen Abbilddidaktik führt, sondern immer die Zugangsweisen und Lernprozesse von Kindern und Jugendlichen sowie eine in dieser Hinsicht angemessene Auswahl der Inhalte bestimmend bleiben, Ȥ wenn der Unterricht dem aktuellen Stand der Forschung entspricht, sodass die Inhalte in der Weise aufgenommen werden, wie sie sich in wissenschaftlicher Sicht jeweils darstellen (Wissenschaftsorientierung), Ȥ wenn der Unterricht auf fachdidaktischen Erkenntnissen dazu beruht, wie fachliche Inhalte – etwa mithilfe des Elementarisierungsmodells – in sinnvolle Prozesse des Lehrens und Lernens überführt werden können Ȥ wenn sich der Unterricht erkennbar am übergreifenden Ziel der religiösen Bildung ausrichtet.

3.3 Unterrichtsqualität und das besondere Profil des Religionsunterrichts In der Diskussion über den Religionsunterricht standen und stehen immer wieder zwei Auffassungen nebeneinander, die beide ein eigenes Recht besitzen: Der Religionsunterricht soll ein Fach sein wie alle anderen Fächer der Schule und möglichst in keiner Hinsicht hinter diesen zurückbleiben. Dies entspricht seinem Status als »ordentliches Lehrfach«, wie das Grundgesetz formuliert (Art. 7,3 GG). Zugleich aber soll der Religionsunterricht auch ein Fach mit einem besonderen Profil sein und insofern durchaus anders als alle anderen Fächer. Beides sollte jedoch nicht gegeneinander ausgespielt werden, insbesondere nicht im Blick auf Fragen von Qualität und Qualitätsentwicklung. Vor allem enthebt der Hinweis auf sein besonderes Profil den Religionsunterricht nicht von der Aufgabe, sich der Frage nach seiner Qualität aktiv und konstruktiv zu stellen. Aus dieser Spannung – ein Fach wie jedes andere und doch anders als alle anderen Fächer – ergeben sich weitere Fragen zur Unterrichtsqualität, die gleichsam quer zu den bislang beschriebenen Perspektiven allgemeiner und fachlicher Qualitätsbestimmungen stehen. Das besondere Profil des Religionsunter-

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richts ergibt sich zunächst, in diesem Fall ähnlich wie bei anderen Fächern, aus seinen Inhalten und kann insofern im Ausgang von diesen Inhalten weiter geklärt werden. In heutiger didaktischer Terminologie ausgedrückt bezieht sich der Religionsunterricht auf eine bestimmte Inhaltsdomäne. Aus diesem Bezug erwachsen jedoch noch weitere Merkmale, die auch für die Qualität im Religionsunterricht berücksichtigt werden müssen und die manchmal sogar als entscheidend angesehen werden. Drei solcher Merkmale verdienen besondere Beachtung: Ȥ Zu den Inhalten des christlichen Religionsunterrichts gehören in hervorgehobener Weise biblische Texte. Diese Texte können unterschiedlich behandelt werden, etwa als historische Dokumente, aber auch als religiöse Texte, deren Gehalt auch in der Gegenwart Relevanz beansprucht. Im Religionsunterricht kommt es darauf an, dass diese Gegenwartsrelevanz tatsächlich zum Zuge kommen kann. Die Auseinandersetzung mit biblischen Texten soll sich in diesem Unterricht mit heutigen Glaubensfragen junger Menschen verbinden können, was diesem Unterricht einen konstitutiven existenziellen Bezug verleiht. In dieser existenziellen Dimension, die im Elementarisierungsmodell in der Dimension der »elementaren Wahrheiten« aufgenommen wird, liegt daher ein zentrales Merkmal des besonderen Profils von Religionsunterricht, beispielsweise auch im Vergleich zu religionskundlich-neutralen Formen der Befassung mit religiösen Texten. Denn eine solche Neutralität erfordert persönliche Distanz, die umgekehrt im Religionsunterricht immer wieder überschritten werden kann und überschritten werden soll. Bei den »elementaren Wahrheiten« im Sinne des Elementarisierungsmodells geht es freilich nicht um ein wie auch immer verstandenes Austeilen festliegender Wahrheiten. Wahrheit kann ohnehin nicht vermittelt werden – sie kann einem nur »aufgehen«, wenn und weil sie zu einer Gewissheit wird. Insofern kann der Religionsunterricht nur Möglichkeiten dafür bereitstellen, dass Wahrheitsfragen auch in persönlicher Weise gestellt werden können – sicher nicht in jeder einzelnen Religionsstunde, aber doch immer wieder und auf jeden Fall so, dass den Schülerinnen und Schülern diese Möglichkeit bewusst ist.77 Wie gleich noch deutlich werden soll, bedingt dies auch eine besondere Rolle der Lehrperson. Ȥ Wenn Unterrichtsgespräche eine existenzielle Bedeutung gewinnen können und wenn dabei auch Fragen einer letzten (Lebens-)Orientierung Raum 77 Vgl. dazu G. Büttner, Elementarisierung im Religionsunterricht. Einführung in die Praxis, Stuttgart 2019, bes. 91 f.; sowie K. Meyer, Grundlagen interreligiösen Lernens, Göttingen 2019, 253, der im Kontext interreligiöser Lernprozesse besonders auf das »existenzielle Potenzial« solcher Fragen hinweist.

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haben sollen, dann bringt dies auch die Lehrperson in eine andere Rolle, als sie in der Schule sonst üblich ist. Denn solche Gespräche fordern nicht nur die Kinder und Jugendlichen in ihren persönlichen Überzeugungen heraus, sondern immer wieder auch die Lehrkräfte. Wie mitunter aus der Praxis berichtet wird, müssen die Lehrkräfte sich hier fragen lassen, »ob sie denn das selber glauben, was sie da sagen«. Auch hier ist nicht gemeint, dass sich die Lehrpersonen einfach mit allem, was in Kirche und Theologie gelehrt wird, in vollem Umfang und in jeder Hinsicht persönlich identifizieren müssten. In der evangelischen Tradition, inzwischen aber auch weithin in der katholischen Religionspädagogik wird vielmehr davon ausgegangen, dass in dieser Hinsicht die Gewissens­ freiheit von Lehrkräften gewahrt sein muss.78 Dies schließt allerdings ein, dass Religionslehrkräfte Auskunft darüber geben können müssen, wie sie zum christlichen Glauben und zur Kirche stehen und dass sie auch Kinder und Jugendliche daran teilhaben lassen, wie sie zu dieser Position gelangt sind oder wie sie sie begründen. In der neueren Diskussion über Rolle und Professionalität von Religionslehrkräften ist darüber hinaus darauf hingewiesen worden, dass sich vielfach auch jenseits des Unterrichts seelsorgerliche Erwartungen an diese Lehrkräfte richten.79 Von Religionslehrkräften wird ein persönliches Ethos erwartet, das sie zu einer ausgeprägten persönlichen Zuwendung zu Kindern und Jugendlichen und vielleicht auch zu den Kolleginnen und Kollegen in der Schule befähigt. Ȥ Ein für die Schule ungewöhnliches Merkmal des besonderen Profils von Religionsunterricht besteht im Verhältnis zur Kirche. Dass Religionsgemeinschaften, wie ebenfalls vom Grundgesetz gewollt (Art. 7,3 GG), bei einem Fach der Schule mitbestimmen, ist für den staatlichen Bereich erklärungsbedürftig. Dies kann heute sicher nicht mehr einfach mit einer hervorgehobenen gesellschaftlichen Bedeutung der Kirchen oder anderer Religionsgemeinschaften begründet werden, schon weil eine solche Bedeutung nicht mehr ohne Weiteres besteht oder anerkannt wird. Bleibend bedeutsam ist jedoch die auch geschichtlich und politisch ebenso wirksame wie umstrittene Forderung nach Gewissens- und Religionsfreiheit, die ebenfalls als Grundrecht garantiert ist (Art. 4 GG). Insofern ist der Staat im Blick auf religiöse 78 Vgl. als grundlegende Stellungnahme dazu EKD, Zu verfassungsrechtlichen Fragen des Religionsunterrichts. Stellungnahme der Kommission I der EKD (1971). In: EKD, Die Denkschriften der EKD Bd. 4/1: Bildung und Erziehung, Gütersloh 1987, 56–63. 79 Vgl. bspw. S. Leonhard, Religionspädagogische Professionalität. Eine empirisch-theologische Studie im Horizont des Pathischen, Göttingen 2018.

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Überzeugungen zur Neutralität verpflichtet, weshalb die staatliche Schule nur dann einen Religionsunterricht anbieten kann, wenn dessen Inhalte von einer entsprechenden Religionsgemeinschaft konsentiert sind.80 Über diese grundlegende rechtliche Ebene hinaus gibt es faktisch zahlreiche Beziehungen zwischen schulischem Religionsunterricht und den Kirchen, die sich insbesondere in der Fortbildung und Begleitung von Religionsunterricht engagieren. Auch solche Angebote, die Umfragen zufolge von den Lehrkräften sehr geschätzt werden,81 unterscheiden das Fach von anderen Fächern. Sie bedingen damit auch die Qualität von Religionsunterricht mit. Dabei zeigt die Geschichte, dass die heute von der Religionslehrerschaft weithin als problemlos empfundene Beziehung zur Kirche nicht immer spannungsfrei war. Insbesondere dort, wo sie im Sinne eines besonderen Aufsichtsrechts der Kirche ausgelegt wurde, führte sie in der Lehrerschaft zu entschiedenem Widerspruch und Widerstand. Mitunter wird in der Verpflichtung auf ein kirchliches Bekenntnis, wie sie in der kirchlichen Beauftragung für den Religionsunterricht (vocatio/missio) zum Ausdruck kommt, ein noch verbleibender Rest eines solchen Aufsichtsdenkens wahrgenommen.82 Für die Qualität des Religionsunterrichts kommt es deshalb darauf an, dass auch in dieser Frage der Aspekt der Kooperation und der kirchlichen Unterstützung für die Religionslehrkräfte zum Ausdruck gebracht wird. Ein umfassendes Modell zur Beschreibung der Qualität von Religionsunterricht wird also über die fachlichen und fachdidaktischen Kriterien hinaus auch diese drei Aspekte der existenziellen Dimension, der persönlichen Repräsentanz von Glaubensüberzeugungen sowie der Zusammenarbeit mit Kirchen oder Religionsgemeinschaften einschließen müssen. Dabei ist gerade bei den Merkmalen, die sich auf das besondere Profil von Religionsunterricht beziehen, zu beachten, dass es in aller Regel schwerfällt, dazu empirisch valide Aussagen zu machen. Zumindest teilweise sind hier Haltungen und Kommunikationsformen angesprochen, die sich auf Glaubensüberzeugungen beziehen, daher vor allem den inneren Menschen betreffen und die auch nicht immer verlässlich verbalisiert werden können.

80 Vgl. dazu grundlegend J. Listl/D. Pirson (Hg.), Handbuch des Staatskirchenrechts der Bundesrepublik Deutschland. Bd. 1, Berlin 21994. 81 Vgl. bspw. A. Feige/W. Tzscheetzsch, Christlicher Religionsunterricht im religionsneutralen Staat? (s. Anm. 9). 82 So schon etwa G. Otto, Schule, Religionsunterricht, Kirche. Stellung und Aufgabe des Religionsunterrichts in Volksschule, Gymnasium und Berufsschule, Göttingen 1961, 59 f.

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Das besondere Profil des Religionsunterrichts und seine Qualität Der Religionsunterricht steht in der Spannung zwischen den beiden Anforderungen, ein Fach wie alle anderen Fächer der Schule zu sein und zugleich anders als alle anderen Fächer. Diese Spannung tritt in drei Hinsichten besonders hervor und muss auch bei Qualitätsbestimmungen zum Religionsunterricht Berücksichtigung finden: Ȥ in der existenziellen Dimension des Religionsunterrichts, die beispielsweise im Elementarisierungsmodell in der Dimension der »elementaren Wahrheiten« aufgenommen wird, Ȥ im Blick auf die Lehrperson und deren besondere Rolle, die auch eine glaubensbezogene Positionierung einschließt, Ȥ durch das Verhältnis zur Kirche, das heute nicht mehr primär als Aufsichtsverhältnis auszugestalten ist, sondern in Form einer auch von den Religionslehrkräften geschätzten Kooperation und kirchlichen Unterstützung.

4. Grenzen der Messbarkeit von Qualität im Religionsunterricht Die Notwendigkeit, auch die Grenzen der Qualitätserfassung bewusst zu halten, ist bereits bei den allgemeinen Anforderungen an Qualitätskriterien für jeden Unterricht sichtbar geworden. Der Hinweis auf die Grenzen der Messbarkeit von Unterrichtsqualität liegt aber beim Religionsunterricht auch theologisch besonders nahe. Ein entsprechendes Grenzbewusstsein erwächst schon aus der grundlegenden theologischen Einsicht in die Grenzen menschlichen Vollkommenheitsstrebens, die insbesondere ein besonderes Bewusstsein für die Vorläufigkeit aller menschlichen Versuche der Perfektionierung bedingt. Es wäre jedoch wenig hilfreich, es bei einem solchen allgemein-abstrakten Hinweis zu belassen. Denn gerade weil ein solches Grenzbewusstsein immer und in allen Fällen angebracht ist, sagt es für den Einzelfall noch wenig aus. Deshalb muss genauer angegeben werden, warum und in welcher spezifischen Hinsicht ein solches Bewusstsein im Blick auf die Erfassung von Qualität im Religionsunterricht wichtig ist. Dafür lassen sich mindestens drei besondere Gründe benennen: Ȥ Jede Lehrkraft hat im Zuge ihrer Ausbildung oder auch bei anderer Gelegenheit Erfahrungen damit sammeln können, dass die Qualität des von ihr oder ihm erteilten Unterrichts beurteilt wird. Solche Erfahrungen können ermutigend sein und als Bestätigung empfunden werden, aber auch als

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ungerecht, unangemessen oder sogar anmaßend. In diesem negativen Fall wirken sie vielleicht sogar dauerhaft demotivierend und tragen jedenfalls nicht dazu bei, dass die Qualität von Unterricht verbessert werden kann. Eine wichtige Rolle spielen dabei stets auch die Maßstäbe oder Kriterien, die bei der Beurteilung zum Einsatz kommen, weshalb bereits auf die erforderliche Transparenz der Kriterien hinzuweisen war. Die Einsicht in die Grenzen der Messbarkeit oder auch Beurteilbarkeit von Unterricht kann weiter dazu beitragen, überzogene Ansprüche zu vermeiden und auch die Relativität aller Urteile bewusst zu halten. Ȥ Doch sind es nicht nur persönliche Empfindungen, die ein Bewusstsein für die Grenzen der Messbarkeit von Unterrichtsqualität begründen. Unterricht ist grundsätzlich ein überaus komplexes Geschehen, das sich auch im Blick auf seine Qualität kaum erschöpfend erfassen lässt. In aller Regel werden deshalb bei der Frage nach Unterrichtsqualität nur bestimmte Merkmale aufgenommen – wie im nächsten Teil des Buches erläutert werden soll, kann hier von Indikatoren gesprochen werden –, und die Messung oder Beurteilung orientiert sich an diesen ausgewählten Merkmalen. Dies impliziert aber, dass andere Merkmale oder Hinsichten von vornherein außer Betracht bleiben. Jede Beurteilung von Unterricht ist selektiv. Ȥ Auch empirische Untersuchungen können niemals erschöpfend sein. Wenn sie zu verlässlichen Befunden führen sollen, müssen sie einen klaren Schwerpunkt ausweisen und infolge dessen immer auswählen, was genau untersucht werden soll und was nicht. Insofern sprechen (forschungs-)praktische Gründe und Erfahrungen ebenfalls für ein Grenzbewusstsein, und zwar gerade dann, wenn der Anspruch valider Forschungsergebnisse erhoben werden soll. Wer alles zugleich erforschen oder erfassen will, erfasst am Ende nicht das Ganze, sondern eher gar nichts. Das gilt in hervorgehobener Weise auch für die Unterrichtsforschung. Insofern ist es angemessen, wenn an dieser Stelle – am Übergang von der Frage nach Kriterien für »guten Regionsunterricht« (Teil 1) zur Anwendung solcher Kriterien in der Unterrichtsforschung (Teil 2) – der Hinweis auf die Grenzen der Messbarkeit von Qualität im Religionsunterricht steht. Durch diesen Hinweis wird das Anliegen, Qualität im Religionsunterricht zu erfassen und weiterzuentwickeln, keineswegs konterkariert. Vielmehr stellt ein solches Grenzbewusstsein gerade eine Voraussetzung für die sinnvolle Umsetzung dieses Anliegens dar. Den Übergang vom Qualitätsdiskurs zur Unterrichtsforschung soll schließlich noch ein Beispiel aus der neueren religionspädagogischen Diskussion ver-

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anschaulichen, auch wenn dieses Beispiel nur bestimmte Aspekte betrifft. Im Vordergrund steht hier der Versuch, die alltägliche Praxis von Religionsunterricht von den in diesem Unterricht beobachtbaren Praktiken her kritisch in den Blick zu nehmen.

5. Vom Qualitätsdiskurs zur Unterrichtsforschung: zum Beispiel der »praxistheoretische« Ansatz Aus der Wahrnehmung heraus, dass die in der religionspädagogischen Diskussion formulierten Kriterien für »guten Religionsunterricht« allzu häufig praxisfern bleiben und auch in der Aus- und Fortbildung bislang (zu) wenig Wiederhall finden, hat Hanna Roose in Zusammenarbeit mit verschiedenen Erziehungswissenschaftlerinnen und -wissenschaftlern den Ansatz der praxistheoretischen oder praxeologischen Unterrichtsforschung auf den Religionsunterricht angewandt.83 Bei diesem erziehungswissenschaftlichen Ansatz steht die Praxis des Unterrichts im Sinne der dabei zu beobachtenden »Praktiken« im Vordergrund. Auf diese Weise soll ein besserer Zusammenhang zwischen Theorie und Praxis erreicht werden. Roose erläutert dies im Blick auf Erwartungen an den Unterricht bzw. entsprechende Normen, die aus der Kindertheologie erwachsen: »Das Ziel bestand letztlich darin, über Normen, die top-down als Kriterien ›guten‹ Religionsunterrichts an den Unterricht herangetragen werden, ins Gespräch zu kommen. Jenseits einer kritiklosen Annahme (›[nur] das ist guter Religionsunterricht‹) oder einer pauschalen Zurückweisung (›zu praxisfern‹) wollten wir die situierte Normativität der unterrichtlichen Praktiken und die kindertheologischen Normen in ein produktives Gespräch bringen.«84 Als Beispiel für ein Kriterium für Unterrichtsqualität werden hier also kindertheologische Erwartungen gewählt. Untersucht wird dann aber kein speziell kindertheologisch inspirierter und entsprechend angelegter Unterricht, sondern – so jedenfalls die Absicht – alltäglicher Religionsunterricht. Leitend ist dabei die Frage, »wieviel Kindertheologie in der schulischen Alltagspraxis ›steckt‹«.85 Die Befunde dieser Studie, die anhand mehrerer Unterrichtsreihen in der Grundschule gewonnen wurden, fallen insgesamt ernüchternd aus. Im alltäglichen Religionsunterricht »steckt« offenbar bislang eher wenig Kindertheologie. 83 Vgl. als Monografie Roose, Kindertheologie und schulische Alltagspraxis (s. Anm. 23). 84 Ebd.,16 f. 85 Ebd.,11.

Vom Qualitätsdiskurs zur Unterrichtsforschung

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»Große Fragen« der Kinder, so sie im Unterricht überhaupt aufbrechen (können), werden tendenziell übergangen oder jedenfalls nicht so aufgenommen, dass sie die kindertheologisch erwünschte Aufmerksamkeit erhalten. Wahrheitsfragen oder andere kritische Überlegungen (»War das mal in E-ECHT?«) werden – wenig plausibel – mit dem Hinweis auf frühere Zeiten beantwortet (»Das gab’s früher, ja. Das ist eine Geschichte aus der Bibel.«). Roose spricht hier zu Recht von einem »Einkapseln religiöser Geltungsansprüche in der biblischen Welt«.86 Die Studie bietet auch eine Deutung für die Gründe, die zu der geringen kindertheologischen Qualität des untersuchten Unterrichts führen. Insbesondere liegen diese Gründe demnach in den für schulischen Unterricht bezeichnenden Spannungsverhältnissen, die jeweils zwischen zwei Polen entstehen: »Selbsttätigkeit vs. Zielorientierung«, »Lerngemeinschaft vs. Leistungsorientierung«, »Nähe vs. Distanz«.87 Bessere Chancen habe Kindertheologie dort, wo sich der Unterricht vor allem an Selbsttätigkeit, Lerngemeinschaften und Nähe orientiert. In der Regel sei im Unterricht allerdings das Umgekehrte der Fall, was der kindertheologischen Qualitätsentwicklung abträglich sei. Der praxistheoretische Ansatz legt den Schwerpunkt auf die Analyse solcher Zusammenhänge, weshalb die Ergebnisse vor allem unterrichtskritisch ausfallen und insofern vielleicht demotivieren können. Um einer solchen Wirkung zu begegnen, formuliert Roose am Ende ihrer Darstellung eine Reihe von Fragen, die in ihrer Sicht weitere Entscheidungen erfordern – zum Beispiel: »Wie lassen sich im gemeinsamen Gespräch des klassenöffentlichen Unterrichts geschützte Formen etablieren, die die Thematisierung (samt Vertiefung) auch persönlicher (Glaubens-)Fragen erlauben?«88 Mit solchen, auf eine Weiterentwicklung des Unterrichts zielenden Fragen und Gestaltungsperspektiven wird der praxistheoretische Ansatz im engeren Sinne allerdings bereits überschritten – zugunsten konstruktiver religionsdidaktischer Überlegungen, die ihrerseits empirisch untersucht werden müssten. In dieser Hinsicht kann auch eine Schwäche des »praxistheoretischen« Ansatzes gesehen werden: Die kritische Analyse alltäglichen Religionsunterrichts bietet eine wichtige Grundlage für konstruktive Gestaltungsperspektiven, aber sie sagt eher etwas über den Verbesserungsbedarf aus als über Verbesserungsmöglichkeiten. Im vorliegenden Zusammenhang kommt es allerdings nicht primär auf die Reichweite einer praxistheoretischen (praxeologischen) religionspädagogischen Unterrichtsforschung an, sondern auf das Verhältnis zwischen Gütekriterien für 86 Ebd.,165. 87 Ebd.,171 f. 88 Ebd.,177.

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»Guter Religionsunterricht«: Welche Kriterien sollen gelten?

den Religionsunterricht auf der einen und der Entwicklung der religionsunterrichtlichen Praxis auf der anderen Seite. Die Studie von Roose ruft hier exemplarisch ins Bewusstsein, dass Gütekriterien nur dann die Qualitätsentwicklung im Religionsunterricht voranbringen, wenn sie für die Praxis anschlussfähig sind. Rein theoretische Ableitungen aus der wissenschaftlichen Religionspädagogik helfen nicht weiter. Konstitutive Voraussetzung für einen auch praktisch relevanten Qualitätsdiskurs ist nicht zuletzt die nur empirisch zu gewährleistende Verbindung zur bislang gegebenen – oder eben noch nicht gegebenen – Qualität im Religionsunterricht. Anders ausgedrückt: Abstrakte Normen führen nicht weiter. Gütekriterien müssen vielmehr mithilfe empirischer Zugangsweisen auf den Unterricht angewendet und gleichsam geerdet werden, sodass sichtbar werden kann, was sie für die Unterrichtsentwicklung austragen. Auf eine solche empirisch gestützte Erfassung von Qualität im Religionsunterricht zielen die nun im zweiten Teil des Buches vorzustellenden Möglichkeiten der religionspädagogischen Unterrichtsforschung.

Teil 2

Qualität im Religionsunterricht wahrnehmen und beurteilen

Nachdem in Teil 1 des Bandes die Kriterien erörtert wurden, anhand derer die Qualität von Religionsunterricht bestimmt werden kann, wendet sich dieser Teil der Realität des Unterrichts zu. Dabei sind zunächst weitere religionsdidaktische Fragen zu klären und sollen Möglichkeiten identifiziert werden, Qualität im Religionsunterricht in Theorie und Praxis wahrzunehmen. Diesem Ziel dient auch ein Überblick zu den bislang vorliegenden empirischen Untersuchungen zur Qualität von Religionsunterricht, der in die Frage mündet, welches zusammenfassende Urteil sich daraus im Blick auf den Religionsunterricht ergibt. Mit dem Modell der religionsdidaktischen Entwicklungsforschung steht am Ende dieses Teils die Frage nach der Verbindung zwischen Unterrichtsforschung und Unterrichtspraxis.

1. Aufgaben der Wissenschaft – Möglichkeiten der Praxis Mit dem Anliegen, die Qualität von Unterricht zu erfassen und zu beurteilen, wird heute in erster Linie die Wissenschaft assoziiert. Gedacht wird zumeist an die in den letzten 20 oder 30 Jahren durchgeführten, häufig sehr großen internationalen Studien, die sich teils auf bestimmte Unterrichtsfächer richten (vielfach Mathematik), teils allgemein den Kompetenzerwerb von Schülerinnen und Schülern in den Blick nehmen, so etwa die PISA-Studien.89 Es wäre jedoch verfehlt, das Erfassen und Bewerten von Unterrichtsqualität allein als Aufgabe der Wissenschaft anzusehen. Wie schon deutlich geworden ist, schließt vor allem die Lehrerausbildung in der zweiten Phase (Referendariat) regelmäßig Beurteilungen von Unterricht ein, die durch Prüfungs- und andere Ordnungen vorgeschrieben sind. Am wichtigsten für die Qualität und Qualitätsentwicklung von Unterricht bleibt aber die Aufgabe für jede einzelne Lehrkraft, den eigenen Unterricht nicht nur vorzubereiten und praktisch auszugestalten, sondern auch die Qualität der Realisierung sorgfältig wahrzunehmen, zu beurteilen und da­ raus Konsequenzen für mögliche Verbesserungen zu ziehen.

89 Vgl. zuletzt Reiss u. a., PISA 2018 (s. Anm. 57).

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Qualität im Religionsunterricht wahrnehmen und beurteilen

Diese Einschätzung gilt für jede Art von Unterricht in der Schule und darüber hinaus. Für den Religionsunterricht kann es sogar als noch wichtiger angesehen werden, eine solche Wahrnehmungs- und Beurteilungspraxis zu entwickeln. Denn der Religionsunterricht ist von seinen personenbezogenen Zielsetzungen und Voraussetzungen her bei Lehrkräften ebenso wie bei den Schülerinnen und Schülern in hohem Maße auf immer wieder neue, immer auch individuelle Gestaltungsformen angewiesen, und diese Formen verlangen nach einer ebenso individuellen Wahrnehmung und Beurteilung der eigenen Unterrichtspraxis, um sie weiterentwickeln zu können. Notwendig allgemeine Befunde zur Qualität im Religionsunterricht können dabei natürlich nicht auf den Einzelfall übertragen werden, was auch für andere Fächer gilt. Sie können jedoch den eigenen Blick schärfen und die Augen auf den eigenen Unterricht neu öffnen, indem sie Beobachtungs- und Aufmerksamkeitsrichtungen markieren, Fragen aufwerfen, mögliche Probleme identifizieren und im besten Fall auch Instrumente für die Wahrnehmung von Unterricht an die Hand geben, die nicht nur in der Wissenschaft, sondern auch in der Praxis einsetzbar sind. Das Ziel, Lehrkräfte selbst zu einer solchen Wahrnehmung von Unterricht zu befähigen, wird manchmal mit dem Begriff des »forschenden Lernens« verbunden, das schon im Studium eingeübt werden soll.90 Eine entsprechende forschende Haltung soll dann auch später in der Praxis beibehalten werden, wobei man dann eigentlich von »forschendem Unterrichten« sprechen müsste. Auch wenn es durchaus sinnvoll ist, den Begriff der Forschung in dieser Weise auszuweiten, bleibt doch klar, dass zwischen der wissenschaftlichen Erforschung von Unterricht auf der einen und einer forschenden Haltung gegenüber der eigenen Unterrichtspraxis auf der anderen Seite unterschieden werden muss. Die heute in der Wissenschaft eingesetzten Untersuchungsinstrumente sind, etwa im Blick auf die Auswertung der Befunde, in aller Regel so komplex, dass sie, ganz abgesehen vom zeitlichen Aufwand, ohne eine spezielle Ausbildung nicht sinnvoll eingesetzt werden können. Auch in dieser Hinsicht bleibt also das Verhältnis zwischen den Aufgaben der Wissenschaft und den Möglichkeiten der Praxis indirekt. Die Entwicklung von Instrumenten für eine Selbst-Evaluation, wie es manchmal genannt wird, stellt eine eigene Aufgabe zwischen Wissenschaft und Praxis dar. In der Religionspädagogik kann dafür als Beispiel bislang vor allem auf die Konfirmandenarbeit verwiesen werden, wo die empirischen Konfirmanden90 Vgl. für die Religionspädagogik u. a. M. L. Pirner/M. Rothgangel, Einführung. In: dies. (Hg.), Empirisch forschen in der Religionspädagogik. Ein Studienbuch für Studierende und Lehrkräfte, Stuttgart 2018, 7–20; als erziehungswissenschaftliche Darstellung mit großer Verbreitung s. H. Altrichter/P. Posch, Lehrerinnen und Lehrer erforschen ihren Unterricht. Unterrichtsentwicklung und Unterrichtsevaluation durch Aktionsforschung, Bad Heilbrunn 42007.

Aufgaben der Wissenschaft – Möglichkeiten der Praxis

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studien auch zu einem Tool zum Einsatz in der eigenen Praxis geführt haben,91 wie es für den Religionsunterricht bislang (noch) nicht zur Verfügung steht. Je stärker das Ziel hervorgehoben wird, Qualität im Religionsunterricht nicht nur zu erfassen und zu beurteilen, sondern auch weiterzuentwickeln, desto mehr kommt es auch darauf an, die in der Praxis tätigen Lehrkräfte zu einer entsprechenden Entwicklungsarbeit zu befähigen. Dies lässt sich nach zwei Seiten hin begreifen: Zum einen besteht die grundlegende Aufgabe darin, Befunde aus der Forschung zum Religionsunterricht in ihrer Bedeutung für die Weiterentwicklung von Unterrichtsqualität zu erschließen und dabei auch deutlich zu machen, was sie für die Unterrichtsgestaltung implizieren. Dies ist ein durchgängiges Ziel des vorliegenden Bandes. Zum anderen ist im Rahmen vor allem der Fortbildung nach praxisnahen Möglichkeiten für die Unterrichtsentwicklung zu suchen. Dazu werden im dritten Teil des Bandes Vorschläge vorgestellt, die teils auf bereits bewährte Arbeitsformen zurückgreifen können, teils aber auch in zukünftiger Praxis und Fortbildung erst zu realisieren wären. Zusammenfassend ist festzuhalten, dass die vorliegende Darstellung einer doppelten Zielsetzung dienen muss, sodass sowohl die Aufgaben und Möglichkeiten der wissenschaftlichen Unterrichtsforschung als auch die Möglichkeiten in der Praxis selbst geklärt werden. Qualitätsentwicklung im Religionsunterricht zwischen Wissenschaft und Praxis Ȥ Grundlegende Aufgabe der Wissenschaft ist die empiriegestützte Erfassung von Qualität im Religionsunterricht. Ȥ Die Beurteilung von Unterrichtsqualität ist zugleich eine alltäglich wiederkehrende Aufgabe der schulischen Praxis. Ȥ Weiterreichend kann ein »forschendes Unterrichten« als Ziel verstanden werden. Ȥ Wissenschaftliche Befunde müssen eigens für die Praxis erschlossen werden. Ȥ Fortbildung sollte zunehmend die Identifikation praxisnaher Möglichkeiten für die Unterrichtsentwicklung als Aufgabe verstehen.

91 Vgl. W. Ilg/H. Peters, Anleitung zur eigenständigen Evaluation der Konfirmandenarbeit. In: T. Böhme-Lischewski u. a. (Hg.), Konfirmandenarbeit gestalten. Perspektiven und Impulse für die Praxis aus der Bundesweiten Studie zur Konfirmandenarbeit in Deutschland, Gütersloh 2010, 260–270. Derzeit wird an einem neuen Tool gearbeitet. Zu ersten Anfängen zum Religionsunterricht vgl. unten, S. 174 ff.

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Qualität im Religionsunterricht wahrnehmen und beurteilen

Beispiel: Unterrichten mit Anforderungssituationen und Perspektiven­übernahme In einer Klasse 6 wird folgende Fallgeschichte eingesetzt:92 In einer Schule beginnt der letzte Schultag vor den Weihnachtsferien immer mit einem Gottesdienst in der evangelischen Kirche, zu dem alle Schülerinnen und Schüler eingeladen sind. Einige Mädchen und Jungen aus der 6a verabreden sich, um zusammen dort hinzugehen. In der Klasse gibt es auch ein muslimisches Mädchen, Dilara. Johannes und Lisa überlegen, ob sie Dilara auch fragen sollen und ob sie wohl mitkommen würde. Lisa meint, das sei für Dilara sicher kein Problem. Sie wolle doch auch zur Klasse gehören. Johannes ist sich unsicher, weil er auch an die unterschiedlichen Glaubensüberzeugungen in Christentum und Islam denkt. Daran anschließende Aufgabe: Beschreibt religiöse Gründe, warum Dilara nicht zu diesem Gottesdienst gehen möchte. Qualitätsfragen Ȥ Wie und in welcher Weise löst die Fallgeschichte bei den Schülerinnen und Schülern Verstehensprozesse aus? Woran ist das abzulesen? Ȥ Wirkt die Aufgabenstellung auf die Schülerinnen und Schüler motivierend? Ȥ Können die Schülerinnen und Schüler zuvor im Unterricht erworbenes Wissen abrufen und einsetzen – etwa zu muslimischen Glaubensüberzeugungen? Ȥ Wurde durch die Bearbeitung der Aufgabe die Fähigkeit zur Perspektivenübernahme gefördert? Welche Perspektiven werden in den von den Schülerinnen und Schülern erarbeiteten Ergebnissen beschrieben?

92 Nach F. Schweitzer/I. Bucher (Hg.), Judentum und Islam im Religionsunterricht. Theoretische Analysen und empirische Befunde im Horizont interreligiösen Lernens, Münster/New York 2020, 237.

Fragen zwischen Empirie und Theorie, Sozial­wissen­schaften und Theologie

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2. Fragen zwischen Empirie und Theorie, Sozial­wissen­ schaften und Theologie: zum Beispiel konfessionelle Ausrichtung und interreligiöses Lernen Der Versuch, im Bereich von Religionspädagogik und Praktischer Theologie empirisch mithilfe sozialwissenschaftlicher Methoden zu forschen, traf lange Zeit auf Widerspruch und ausgesprochene Widerstände. Es wurde befürchtet, dass dabei der religiöse Inhalt auch im Sinne von Glaubensüberzeugungen sowie die besondere Personbezogenheit der entsprechenden Handlungsfelder auf der Strecke bleiben würden. Darüber hinaus wurde immer wieder darauf verwiesen, dass es doch die Theologie sein müsse, die in Qualitätsfragen entscheidet, nicht einfach hingegen sozial- oder erziehungswissenschaftliche Perspektiven.93 Mitunter gingen die entsprechenden Befürchtungen sogar so weit, dass quantitative Zugangsweisen für die Religionspädagogik und Praktische Theologie überhaupt abgelehnt wurden.94 Denn religiöse Zusammenhänge und auf Religion bezogene Erfahrungen und Lernprozesse ließen sich bestenfalls mit qualitativen Methoden einfangen, die einer theologischen Hermeneutik weit näherstehen als quantitative Daten und Statistik. Solche grundsätzlichen Vorbehalte würden für den Religionsunterricht freilich bedeuten, dass er sich jedem Versuch einer empirischen Untersuchung seiner Realität im Sinne der in der Bildungsforschung üblichen Verfahren und Standards entzieht und damit im Verhältnis zu den anderen Schulfächern in eine isolierte Sonderrolle geraten müsste. Aus heutiger Sicht wäre dies gerade auch theologisch weder wünschenswert noch in der Sache begründet. Auf das Verhältnis qualitativer und quantitativer Zugangsweisen wird im nächsten Teilkapitel noch eigens einzugehen sein. An dieser Stelle soll lediglich gezeigt werden, dass eine möglichst verlässliche Wahrnehmung auch im Blick auf den Religionsunterricht theologischen und theoretischen Beurteilungen keineswegs entgegensteht, sondern gerade als deren Voraussetzung anzusehen ist. Nur was zuvor sorgfältig wahrgenommen wurde, was nach heutigem Verständnis eine Aufgabe immer auch der Empirie darstellt, kann sachgemäß bewertet werden. Es wäre allerdings zu einfach, hier von einer zeitlichen Abfolge auszugehen, so als ginge die Empirie der Theorie immer voraus. Auch umgekehrt trifft es nicht zu, dass die Theorie stets vorangeht und die Empirie nachfolgt. Vielmehr 93 Vgl. grundsätzlich (und kontrovers) J. Milbank, Theology and social theory. Beyond secular reason, Cambridge 1991. 94 Vgl. zu solchen Fragen etwa C. Bäumler u. a., Methoden der empirischen Sozialforschung in der Praktischen Theologie. Eine Einführung, München/Mainz 1976; s. auch J. Swinton/H. Mowat, Practical theology and qualitative research, London 2006.

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Qualität im Religionsunterricht wahrnehmen und beurteilen

ist von einem Ineinander empirischer und theoretischer Aspekte im Forschungsprozess auszugehen. Demnach ist die Aufgabe, Qualität im Religionsunterricht zu erfassen, von Anfang an ebenso als theoretische, u. a. theologische, wie als empirische Aufgabe zu verstehen, und auch bei der Bewertung von Unterrichtsqualität müssen empirische und theoretische, also auch theologische Einsichten beständig ineinandergreifen. Was dies konkret bedeutet, soll im Folgenden für zwei auf den Religionsunterricht bezogene Aspekte – konfessionelle Ausrichtung von Religionsunterricht und interreligiöses Lernen – exemplarisch entfaltet werden. Ausgangspunkte: Motivation für die wissenschaftliche Untersuchung

In beiden Fällen, bei der Frage nach der Konfessionalität von Religionsunterricht wie beim interreligiösen Lernen, liegen die Ausgangspunkte zunächst in der aktuellen Diskussion mit ihren Kontroversen. Der konfessionelle Religionsunterricht ist immer wieder neu umstritten, weil die konfessionelle Ausrichtung als nicht mehr zeitgemäß gilt.95 Umgekehrt gilt interreligiöses Lernen im Sinne einer interreligiösen Öffnung von Religionsunterricht als Zukunftsperspektive, die es erlaubt, den Religionsunterricht auf die veränderte Situation religiösweltanschaulicher Vielfalt einzustellen.96 In beiden Fällen stellen sich zahlreiche theoretische bzw. theologische Fragen: Was genau ist aus theologischer Sicht unter Konfessionalität zu verstehen? Was bedeutet Interreligiosität? Weitere Fragen sind im engeren Sinne (religions-)pädagogischer und didaktischer Art: Wie sollen die konfessionelle Bindung einerseits und die interreligiöse Öffnung andererseits pädagogisch praktisch im Unterricht zum Ausdruck kommen? Geht es dabei um bestimmte religionsdidaktische Gestaltungsformen oder ist eher die Organisationsgestalt von Religionsunterricht betroffen – beispielsweise im Sinne der Kooperation zwischen verschiedenen Arten von Religionsunterricht oder eines konfessionsübergreifenden Unterrichts »für alle«?97

95 Vgl. beispielsweise die Diskussionen in B. Schröder (Hg.), Religionsunterricht – wohin? Modelle seiner Organisation und didaktischen Struktur, Neukirchen-Vluyn 2014; C. Gärtner, Religionsunterricht – ein Auslaufmodell? Begründungen und Grundlagen religiöser Bildung in der Schule, Paderborn 2015. 96 Vgl. F. Schweitzer, Interreligiöse Bildung. Religiöse Vielfalt als Herausforderung und Chance, Gütersloh 2014; M. Schambeck, Interreligiöse Kompetenz. Basiswissen für Studium, Ausbildung und Beruf, Göttingen 2013; K. Meyer, Grundlagen interreligiösen Lernens (s. Anm. 77). 97 Zur aktuellen Diskussion vgl. K. Lindner u. a. (Hg.), Zukunftsfähiger Religionsunterricht. Konfessionell – kooperativ – kontextuell, Freiburg 2017.

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Doch lassen sich solche Fragen nach der Ausrichtung von Religionsunterricht nicht unabhängig davon beantworten, welche schulische und unterrichtliche Wirklichkeit ihnen entspricht. Nehmen die Schülerinnen und Schüler heute überhaupt noch wahr, welche Konfessions- oder Religionszugehörigkeit eine Lehrkraft im Religionsunterricht hat? Wird der Unterricht tatsächlich so gestaltet, dass er als evangelischer, katholischer oder anderer Unterricht erkennbar ist? Worin genau kommt die interreligiöse Offenheit zum Ausdruck? All dies sind empirische Fragen, deren Beantwortung deshalb als Voraussetzung auch für theoretische Klärungen anzusehen ist.98 Eine theologische Diskussion über Religionsunterricht ohne Rückbezug auf die nur empirisch erfassbare Praxis bliebe offensichtlich leer und ohne Folgen. Das Verhältnis zwischen Theorie und Empirie lässt sich dabei nicht einfach so bestimmen, dass die empirisch feststellbare Realität von Religionsunterricht schon alle Antworten enthält. Das Sein bestimmt nicht einfach über das Sollen. Die pädagogische Praxis ist immer auch offen für Impulse zur Veränderung, wie sie aus theoretischen oder theologischen Perspektiven erwachsen können. Auch dabei kommt es allerdings auf ein gut abgestimmtes Zusammenspiel zwischen Theorie und Empirie an. Nur solche Impulse führen weiter, die sich in der Praxis tatsächlich aufnehmen lassen. Praxisferne Vorstellungen hingegen stoßen auf Ablehnung. Insofern stellen auch die Entwicklungsmöglichkeiten von Unterricht, die über die bisherige Realität hinausführen, eine empirische Bestimmungsaufgabe dar. So kann es beispielsweise Aufgabe eines wissenschaftlichen Begleitprojektes sein, neu zu entwickelnde Unterrichtsformen zu untersuchen, um ihr Entwicklungspotenzial abschätzen zu können. Schon bei der Motivation für die wissenschaftliche Erfassung von Unterrichtsqualität spielen also theoretische oder theologische und empirische Aspekte eine Rolle. Ähnliches gilt auch für weitere Schritte im Forschungsprozess. Anlage und Konzeption einer wissenschaftlichen Untersuchung

Wie bereits deutlich geworden ist, gibt es zahlreiche Möglichkeiten, Unterrichtsqualität empirisch zu erfassen. Eine Auswahl ist also unvermeidlich. Auf welche Möglichkeiten und Aspekte sich eine Untersuchung konzentrieren soll, ist an erster Stelle eine theoretisch-theologische bzw. religionspädagogische Frage. Für die neuere Religionspädagogik bezeichnend ist etwa die hervorgehobene 98 Vgl. etwa die Befunde bei U. Pohl-Patalong u. a., Konfessioneller Religionsunterricht in religiöser Vielfalt II: Perspektiven von Schülerinnen und Schülern, Stuttgart 2017, die vielfach belegen, wie wenig die Konfessionalität von Religionsunterricht (in Schleswig-Holstein) auf Schülerseite wahrgenommen wird.

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Qualität im Religionsunterricht wahrnehmen und beurteilen

Berücksichtigung von Kindern und Jugendlichen, denen der Religionsunterricht ein lebensbedeutsames Lernangebot machen soll.99 Zugleich wird davon ausgegangen, dass Religionsunterricht ein auch vonseiten der Lehrkräfte persönlich verantwortetes Angebot sein muss, weshalb deren Erwartungen, Sichtweisen und Erfahrungen ebenso eine hervorgehobene Bedeutung zukommen muss.100 Daneben ist und bleibt die fachliche Qualität konstitutiv. Aus solchen theoretischen Erwägungen geht die Anlage einer Untersuchung jedoch noch nicht unmittelbar hervor. Nicht alles lässt sich auch empirisch erfassen, und manche Bestimmung von Unterrichtsqualität behält auch dann ihren Sinn, wenn sie sich nur als allgemeiner normativer Horizont verstehen lässt. So betreffen Fragen der konfessionellen Ausrichtung von Religionsunterricht beispielsweise immer auch die rechtlichen Voraussetzungen sowie politische Dimensionen, und auch die interreligiöse Offenheit von Religionsunterricht ist keineswegs allein eine Frage der Empirie. Wie sich diese Aspekte dann plausibel empirisch erfassen lassen, muss jedoch eigens bestimmt werden. Entwicklung von Untersuchungsinstrumenten

Schon die Entscheidung, was eher mit qualitativen und was mit quantitativen Zugangsweisen erfasst werden soll, bringt Theorie und Empirie auch auf dieser Ebene miteinander ins Gespräch. Aus theoretischen Erwägungen geht hervor, welche Befunde bedeutsam sein können. Die Entscheidung darüber, wie sich die entsprechenden Befunde dann tatsächlich gewinnen lassen, setzt aber eine Expertise in empirischer Methodologie voraus. Noch wichtiger ist der Zusammenhang zwischen theoretischen und empirischen Aspekten beispielsweise bei der Entwicklung eines Fragebogens, wie er in der Religionspädagogik wohl als am häufigsten eingesetztes Instrument bezeichnet werden kann.101 Ein Fragebogen ist immer begrenzt. Als Faustregel kann gelten, dass er umso kürzer sein muss, je jünger die befragten Schülerinnen und Schüler sind. Deshalb müssen viele interessante Items faktisch ausgeschlossen werden, weil sie auf dem knappen Raum keinen Platz finden. Umso mehr spiegeln sich in den wenigen im Fragebogen verbleibenden Items theologische und pädagogische Entscheidungen darüber, was für die zu erfassende 99 Vgl. als repräsentative Stellungnahme Evangelische Kirche in Deutschland, Identität und Verständigung. Standort und Perspektiven des Religionsunterrichts in der Pluralität. Eine Denkschrift der Evangelischen Kirche in Deutschland, Gütersloh 1994. 100 Vgl. aktuell etwa H.-G. Heimbrock (Hg.), Taking Position. Empirical studies and theoretical reflections on Religious Education and worldview. Teachers Views about their personal Commitment in RE Teaching. International contributions, Münster/New York 2017. 101 Vgl. Pirner/Rothgangel, Empirisch forschen (s. Anm. 90).

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Unterrichtsqualität als unerlässlich angesehen wird. Dabei können qualitative Vorstudien dazu beitragen, dass es nicht nur bei theoretischen Vorannahmen bleibt, und Entsprechendes gilt natürlich auch für die sorgfältige Beachtung früherer Untersuchungen (sogenannter Stand der Forschung). In allen diesen Hinsichten machen sich, um die beiden Beispiele erneut aufzunehmen, Vorstellungen von Konfessionalität oder interreligiöser Offenheit bemerkbar. Solche Vorannahmen, die oft zunächst eher einen intuitiven Charakter aufweisen können, müssen sorgfältig analysiert und mit vielleicht bereits vorhandenen oder in Vorstudien zu gewinnenden Befunden konfrontiert werden. Untersuchungen dazu, wie Lehrkräfte ihre konfessionelle Bindung zum Ausdruck bringen wollen, machen hier beispielsweise eine Differenz zu den traditionellen Formen kirchlicher Bekenntnisse deutlich.102 Ähnlich breit können auch die Einstellungen der Lehrkräfte zu interreligiösen Fragen gestreut sein.103 Wenn sie in einem Fragebogen für Lehrkräfte oder Schülerinnen und Schüler erfasst werden sollen, kommt es darauf an, empirische und theoretische Voraussetzungen gleichermaßen zu berücksichtigen. Durchführung von Untersuchungen

Die Durchführung einer empirischen Untersuchung muss sich in erster Linie nach dem Stand der Diskussion in den Sozialwissenschaften und der empirischen Bildungsforschung richten. Wo dies nicht der Fall ist, können keine verlässlichen Befunde erwartet werden. Häufig werden in der Religionspädagogik beispielsweise noch immer zu kleine oder nicht in kontrollierter Form erstellte Untersuchungssamples verwendet, ohne dass auf die Grenzen der auf dieser Grundlage zu gewinnenden Aussagen ausreichend geachtet wird. Ähnliche Probleme stellen sich ein, wenn subjektive Einschätzungen beispielsweise zur Wirksamkeit von Unterricht mit tatsächlichen Unterrichtseffekten gleichgesetzt werden.104 Beispielsweise aus den PISA-Studien ist bekannt, dass die Einschätzungen von Lehrkräften deutlich von den tatsächlich erzielten Lernerfolgen, wie sie sich bei einer direkten Erfassung bei den Schülerinnen und Schülern zeigen, abweichen können.105 Zugleich ist das Interesse an verlässlichen Befunden auch theologisch zu begründen. Verlässliche Befunde erlauben Transparenz und unterstützen die 102 Vgl. Heimbrock, Taking Position (s. Anm. 100). 103 Vgl. etwa Schweitzer/Bucher, Judentum und Islam (s. Anm. 92). 104 So etwa bei C. Gennerich/R. Mokrosch, Religionsunterricht kooperativ. Evaluation des konfessionell-kooperativen Religionsunterrichts in Niedersachsen und Perspektiven für einen religions-kooperativen Religionsunterricht, Stuttgart 2016. 105 Vgl. Deutsches PISA-Konsortium (Hg.), PISA 2000 (s. Anm. 4), bspw. 119.

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diskursive Auseinandersetzung auf verschiedenen Ebenen in Schule und Kirche. In beiden Fällen geht es insofern um Ziele, die auch theologisch bedeutsam sind. Ein weiterer Aspekt der Durchführung betrifft die kommunikativen Verhältnisse innerhalb des Untersuchungsbereichs. Werden Untersuchungen allein im Ausgang von der Wissenschaft oder auch der Schulverwaltung top-down durchgeführt? Oder werden Möglichkeiten vorgesehen, wie auch die im Untersuchungsbereich praktisch Tätigen sich beteiligen und ihre Sichtweisen wirksam einbringen können? Gerade bei einem Thema wie Konfessionalität kann sich in der Praxis mitunter der Eindruck einstellen, dass es sich hier um ein Anliegen allein von Kirchenleitungen handelt, das der Realität von Schule und Unterricht äußerlich bleibt. Anders gestaltet sich die Situation, wenn beispielsweise mithilfe einer Delphi-Studie Praktikerinnen und Praktiker als Expertinnen und Experten nach ihren Erwartungen und Erfahrungen gefragt werden, um daraus zu auch praxistauglichen Perspektiven zu gelangen.106 In diesem Fall wird bewusst auf die in der Praxis selbst vorhandene Expertise zurückgegriffen und ein Bottom-up-Verfahren gewählt. In anderer Weise stellen sich Beteiligungsfragen bei interreligiösen Themen. Lange Zeit war es nicht üblich, dabei auch auf die Expertise aus den entsprechenden anderen Religionen zurückzugreifen. Beispielsweise ist es noch immer nicht selbstverständlicher Standard bei christlichen Religionsbüchern, die Darstellungen etwa zum Islam von muslimischer Seite gegenlesen zu lassen. Mit der Einrichtung eines islamischen Religionsunterrichts sowie von hochschulischen Forschungs- und Ausbildungsmöglichkeiten für diesen Unterricht bieten sich nunmehr Möglichkeiten von Beteiligung und Kooperation, die ebenso aus empirisch-methodologischen wie theologischen Gründen genutzt werden sollten. Auch etwa ein Fragebogen zu interreligiösen Themen sollte vor seinem Einsatz nicht nur aus christlich-theologischer Sicht geprüft sein, sondern auch aus der Sicht anderer Theologien. Auswertung

Dass theoretische und theologische Perspektiven bei der Auswertung von Befunden eine besondere Rolle spielen und auch spielen müssen, liegt auf der Hand. Dabei handelt es sich nicht etwa um einen theologischen Anspruch, der sozialwissenschaftlich-empirisch nicht nachvollziehbar wäre. Vielmehr gilt ganz allgemein auch innerhalb der empirisch-methodologischen Diskussion, dass für die Auswertung erneut Auswahlentscheidungen eine wichtige Rolle spielen. 106 So der Ansatz einer noch laufenden Studie der drei Institute für berufsorientierte Religionspädagogik (EIBOR, KIBOR, bibor).

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Insofern machen sich hier auch in besonderer Weise die Ausgangspunkte und die Motivation bemerkbar, die hinter einer Untersuchung stehen und letztlich erst zu dieser geführt haben. Empirische Untersuchungen führen zu Daten, die in unterschiedlicher Weise ausgewertet werden können. Dafür gibt es immer mehr Möglichkeiten, als am Ende umgesetzt werden können. Insofern ist für die Auswertung stets entscheidend, welche Fragen jeweils beantwortet werden sollen. Die Fragen können dabei freilich nicht willkürlich sein, weil sie sonst in keinem plausiblen Verhältnis zu der Datenerhebung und zu den bei einer Untersuchung verfügbaren Daten stehen, aber auch der dadurch gezogene Rahmen bleibt noch weit. Zudem kommen bei der Auswertung zunehmend auch Wertungen ins Spiel. Um hier eine vorschnelle Vermischung zwischen Empirie und normativer Bewertung zu verhindern, wird bei empirischen Untersuchungen der abschließenden Interpretation eine möglichst noch nicht wertende Diskussion der Befunde vorgeschaltet. Am Ende geht es aber immer auch um eine Einschätzung der Befunde im Blick auf bestimmte Zielsetzungen. Die beiden für die vorliegende Darstellung herangezogenen Beispiele  – die konfessionelle Ausrichtung von Religionsunterricht auf der einen und interreligiöse Öffnung auf der anderen Seite – bezeichnen solche normativen Zielsetzungen. Aus ihnen ergeben sich bestimmte Fragehinsichten, die für die Auswertung eine hervorgehobene Rolle spielen sollen. Schon das oben angesprochene Beispiel macht das sichtbar: Ist es überhaupt religionspädagogisch von Interesse oder nicht, ob den Schülerinnen und Schülern die Konfessionszugehörigkeit der Religionslehrkraft bekannt ist? Soll bei der Auswertung speziell danach gefragt werden, wie sich entsprechende Schülerwahrnehmungen etwa auf ihre Einstellung zum Religionsunterricht auswirken, oder sollen eher andere Fragen im Vordergrund stehen? Es versteht sich nicht von selbst, welchen Merkmalen, die sich auf Konfessionalität oder auf interreligiöse Offenheit beziehen lassen, besondere Bedeutung zukommen soll. Allerdings ergeben sich bei empirischen Untersuchungen immer wieder auch unerwartete Befunde, und in gewisser Hinsicht sind gerade solche Befunde besonders wertvoll. Dass sie nicht erwartet wurden, macht deutlich, dass sie den bislang vorhandenen theoretischen Horizont überschreiten oder ihm widersprechen. Daraus ergeben sich nicht zuletzt auch Fragen an die Theorie, die für die weitere wissenschaftliche Entwicklung produktiv sind. Beispielsweise könnten sie zum Ausgangspunkt für neue theoretische Sichtweisen werden, aber auch für weitere empirische Untersuchungen.

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Rezeption und Implementation

Wissenschaftliche Befunde erreichen die Praxis, auf die sie zielen, keineswegs von selbst. Erkenntnisse zur Qualität von Unterricht können in der Praxis vielmehr auch weithin unbemerkt oder jedenfalls unbeachtet bleiben, weil die Kommunikationskanäle in Wissenschaft und Praxis unterschiedlich sind. Selbst wichtige Befunde können jedoch auch deshalb ohne Auswirkung bleiben, weil nicht erkennbar wird, in welcher Weise in der Praxis darauf überhaupt reagiert werden kann oder soll. Und schließlich gibt es mitunter auch direkte Abwehreffekte, wenn sich beispielsweise eine wissenschaftliche Darstellung nicht in Einklang mit den eigenen Vorstellungen und der Selbsteinschätzung der in der Praxis Tätigen bringen lässt. Aufgrund solcher Beobachtungen und Erfahrungen ist ein eigener Forschungszweig entstanden, der sich mit der Umsetzung oder Implementation von Befunden in der Praxis befasst.107 Der Begriff »Implementation« ist dabei nicht unproblematisch, weil er ein technologisches Top-down-­Denken anzeigen kann, für das die Praxis einfach umsetzen (»implementieren«) soll, was die Wissenschaft als richtig ansieht. Doch zeigen gerade die Befunde aus der Implementationsforschung, dass Top-down-Strategien im pädagogischen Bereich und nicht zuletzt in der Schule wenig fruchtbar sind. Als administrative Vorgaben erfahrene Innovationsversuche stoßen mitunter auf die größte Ablehnung bei den Lehrkräften. Ähnliches dürfte auch für kirchliche Vorgaben für den Religionsunterricht gelten, auch wenn es dazu bislang keine eigenen Untersuchungen gibt. Gerade Themen wie Konfessionalität und Interreligiosität, die immer wieder auch als besonders sensibel wahrgenommen werden, weil sie die persönliche religiöse Einstellung von Lehrkräften tangieren, sind hier besonders betroffen. In den letzten 100 Jahren stießen beispielsweise die kirchlichen Bemühungen um die Einführung einer ausdrücklichen kirchlichen Befähigung oder Bevollmächtigung zum Erteilen von Religionsunterricht (vocatio/missio) auf entschiedenen Widerstand bei den Lehrkräften, die sich – für den protestantischen Bereich gesprochen – auf ihre evangelische Freiheit und das evangelische Prinzip des Priestertums aller Gläubigen beriefen.108 Weitere Überlegungen zur Rezeption wissenschaftlicher Befunde sollten auch die unterschiedlichen Kulturen der Schulfächer berücksichtigen. Für den evangelischen Religionsunterricht gilt die Erwartung, dass die persönliche religiöse 107 Vgl. H. Altrichter/K. Maag Merki (Hg.), Handbuch Neue Steuerung im Schulsystem, Wiesbaden 22016; BMBF (Hg.), Steuerung im Bildungssystem. Implementation und Wirkung neuer Steuerungssysteme im Schulwesen, Berlin 2016. 108 Vgl. dazu etwa Otto, Schule (s. Anm. 82), 59 f.

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Autonomie durchweg zu achten ist, nicht nur bei Vokationsfragen, sondern auch in allen anderen Bereichen. Die Evangelische Kirche in Deutschland hat daher schon 1971 in einer gewichtigen Stellungnahme die persönliche Gewissensfreiheit der Lehrkräfte im Religionsunterricht hervorgehoben.109 Erfolgreiche Bemühungen um eine Rezeption von Forschungsergebnissen setzen deshalb dialogisch-kooperative Prozesse zwischen der Wissenschaft auf der einen und der religionspädagogischen Praxis auf der anderen Seite voraus. Zusammenhang zwischen Empirie und Theorie, Sozialwissenschaften und Theologie Ȥ Empirische und theologische Zugangsweisen widersprechen einander nicht, sondern können sinnvoll ineinandergreifen. Die empiriegestützte Wahrnehmung von Sachverhalten gehört auch zu den Aufgaben der Theologie. Ȥ Im Einzelnen betrifft das Zusammenspiel von Theorie und Empirie alle Phasen eines Forschungsprozesses – angefangen bei der Motivation für ein Forschungsprojekt und bis hin zur Auswertung der Befunde. Ȥ Durchweg müssen Vermischungen von Theorie und Empirie oder von theologischen und sozialwissenschaftlichen Erkenntnissen vermieden werden. Das gilt gerade in normativer Hinsicht: Weder bestimmt das Sein das Sollen noch das Sollen das Sein.

109 Vgl. EKD, Zu verfassungsrechtlichen Fragen des Religionsunterrichts. Stellungnahme der Kommission I der EKD (1971). In: EKD, Die Denkschriften der EKD Bd. 4/1: Bildung und Erziehung, Gütersloh 1987, 56–63.

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Qualität im Religionsunterricht wahrnehmen und beurteilen

Beispiel: Schülerbefragung: Wie wird die Lehrkraft im konfessionellen Religionsunterricht wahrgenommen? Bei einer Befragung von Schülerinnen und Schülern im Religionsunterricht in Schleswig-Holstein ergab sich bei der Frage »Wissen Sie, welcher Religion Ihre Lehrkraft angehört?«110: Ȥ 32,1 % »Nein, ich weiß es nicht.« Ȥ 17,2 % »Ja, ich merke es daran, was sie sagt.« Ȥ 50,7 % »Ja, sie hat es uns erzählt.« Qualitätsfragen Ȥ Wie ist dieser Befund zu deuten? Ist die Konfessionszugehörigkeit der Lehrkraft für die Schülerinnen und Schüler (nicht) von Interesse? Versucht ein Teil der Lehrkräfte, ihre Konfessionszugehörigkeit im Unterricht möglichst nicht ins Spiel kommen zu lassen? Ȥ Woran ist abzulesen, wie sich diese Fragen im Blick auf die Schülerinnen und Schüler auf der einen und die Lehrkräfte auf der anderen Seite beantworten lassen? Ȥ Welche Bedeutung hat dieser Befund im Blick auf die Unterrichtsqualität? Ȥ Wie sind die Befunde theologisch und pädagogisch zu bewerten? Ȥ In welchem Verhältnis stehen dabei theoretische Perspektiven und empirische Erkenntnisse?

3. Was soll wie erfasst werden? Von allgemeinen Qualitätsaussagen zu spezifischen indikatorengestützten Befunden Bei der ersten Runde der Diskussion über »guten Religionsunterricht«, wie sie vor 10 oder 15 Jahren geführt wurde, waren noch weithin Gesamtvorstellungen von Unterrichtsqualität leitend, die sich in der Folge jedoch als problematisch herausstellten und nicht wirklich weiterführten. Die Gründe dafür sollen im Folgenden genauer beschrieben und erörtert werden. An die Stelle allgemeiner Qualitätsaussagen sind inzwischen auch sonst in der empirischen Unterrichtsforschung eher spezifische Fragehinsichten und Befunde in den Vordergrund 110 Nach Pohl-Patalong u. a., Konfessioneller Religionsunterricht in religiöser Vielfalt II (s. Anm. 98), 108.

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getreten, die sich jeweils auf bestimmte Aspekte von Unterricht beziehen. Diese Aspekte sind dabei so ausgewählt, dass sie jeweils in einem plausiblen Zusammenhang mit der Verbesserung von Unterricht stehen, aber eben nicht mehr so, dass von ihrer Berücksichtigung im Resultat ein insgesamt »guter (Religions-)Unterricht« erwartet werden sollte. Das Problem allgemeiner Qualitätsaussagen

Zunächst wurde zu Recht darauf hingewiesen, dass es den »guten Religionsunterricht« nicht gibt und wohl auch nicht geben kann.111 Grund dafür ist die Vielzahl und Vielfalt unterschiedlicher, manchmal sogar divergenter Vorstellungen zum Religionsunterricht. Diese Feststellung betrifft nicht nur die Praxis, für die schon die große Anzahl der beteiligten Lehrkräfte einen Konsens unwahrscheinlich macht. Sie gilt auch für die Religionspädagogik als Wissenschaft, die beispielsweise in Gestalt der sogenannten Konzeptionen von Religionsunterricht sehr unterschiedliche und einander widersprechende Modellvorstellungen hervorgebracht hat. Ein vor allem performativ ausgerichteter Religionsunterricht beispielsweise geht mit anderen Zielen einher als die Kinder- und Jugendtheologie, was gerade in jüngerer Zeit sogar zu polemisch-verzeichnenden Darstellungen geführt hat.112 Unterschiede gibt es jedoch auch zwischen anderen Konzeptionen, beispielsweise einem biblischen Unterricht im Sinne Ingo Baldermanns und einer programmatisch kreativen Bibeldidaktik wie der von Horst Klaus Berg.113 Angesichts der vielfältigen Auffassungen kann es leicht als willkürlich erscheinen, wenn eine bestimmte Form von Religionsunterricht dann als das Maß aller Dinge und als einziges Muster für »guten Religionsunterricht« dargestellt wird. Ebenso plausibel ist auch der Einwand, dass allgemeine Qualitätsaussagen daran scheitern, dass kein Unterricht nur »gut« ist. Auch das Unterrichten ist und bleibt fehlbares menschliches Handeln, das in Entsprechung zu den daran Beteiligten – also nicht nur der Lehrperson allein – immer Stärken, aber auch Schwächen aufweist. So erscheint es angemessener und vor allem realistischer, für jede Form der unterrichtlichen Praxis von gut, aber auch weniger gut gelingenden Elementen auszugehen. Eine gleichzeitige Optimierung aller Elemente dürfte dabei von vornherein zum Scheitern verurteilt sein, weil ein solcher Versuch nur in der (Selbst-)Überforderung enden kann. 111 Vgl. Pirner, Auf der Suche (s. Anm. 2). 112 Als eindrückliches Beispiel polemischer Verzeichnung vgl. B. Dressler, Zur Kritik der »Kinder- und Jugendtheologie«. In: Zeitschrift für Theologie und Kirche 111 (2014), 332–356. 113 Vgl. I. Baldermann, Einführung in die biblische Didaktik, Darmstadt 1996; H. K. Berg, Grundriss der Bibeldidaktik. Konzepte – Modelle – Methoden, München/Stuttgart 1993.

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Zu Recht kann auch die Frage aufgeworfen werden, ob es überhaupt möglich ist, »guten (Religions-)Unterricht« als solchen zu erfassen. Empirische Untersuchungen jedenfalls sind aus den bereits genannten Gründen nie umfassend. Ihr Erkenntnispotenzial ergibt sich umgekehrt gerade daraus, dass sie bestimmte Aspekte möglichst exakt erfassen, um auf diese Weise zu verlässlichen Befunden zu gelangen. Andere Aspekte müssen dafür jeweils ausgeblendet werden. Die Erwartung, dass empirische Untersuchungen zum Religionsunterricht, die es bislang ohnehin erst in einer noch immer sehr überschaubaren Zahl gibt, eine erschöpfende Auskunft zum »guten Religionsunterricht« geben könnten, muss deshalb als problematisch zurückgewiesen werden. Der Einwand mangelnder Erfassbarkeit betrifft dabei aber nicht nur die Wissenschaft. Auch alltägliche Formen der Unterrichtsbeobachtung und -beurteilung in der schulischen Praxis sehen sich mit analogen Grenzen konfrontiert, auch wenn sie sich nicht an empirisch-wissenschaftlichen Zugangsweisen orientieren. Denn kein menschlicher Beobachter kann alles zugleich wahrnehmen und gar interpretativ verarbeiten. Eine Konsequenz aus dieser Einsicht kann etwa darin bestehen, sich bei Nachgesprächen zu Unterrichtsbesuchen gezielt auf bestimmte Aspekte zu konzentrieren und auf diese Weise auch letztlich kaum tragfähige Gesamtbeurteilungen zu vermeiden. Der letzte Hinweis führt bereits weiter zu einem ebenfalls nicht zu unterschätzenden Einwand, der auf die möglichen Effekte allgemeiner Qualitätsaussagen im Blick auf die Motivation oder Demotivation von Lehrkräften zielt. Vorstellungen von »gutem Unterricht« schließen häufig eine Tendenz zur Idealisierung ein, so als wäre es möglich, jederzeit – an jedem Tag und in jeder Stunde – den allerbesten Unterricht zu halten. Die Wahrnehmung der eigenen, immer auch begrenzten Erfolge bleibt dahinter dann zwangsläufig weit zurück, was leicht dazu führen kann, das Interesse an Qualitätsverbesserung überhaupt aufzugeben. Niemand setzt sich gerne permanenter Frustration aus! Dabei spielt auch eine Rolle, dass bei allgemeinen Qualitätsaussagen notwendig eine große Bandbreite unterschiedlicher Aspekte oder Elemente von Unterricht angesprochen werden muss. Unter dieser Voraussetzung lässt sich aber auch kaum mehr angeben, an welchem Punkt in welcher Weise in der Praxis angesetzt werden könnte. Konzentration auf ausgewählte Indikatoren

Eine Alternative zu den immer auch problematischen Vorstellungen von »gutem Religionsunterricht« kann in der Konzentration auf ausgewählte Indikatoren gesehen werden. Dabei werden bestimmte Merkmale von Unterricht benannt, auf die sich die Wahrnehmung von Unterrichtsqualität jeweils beziehen soll. Ein

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Beispiel könnte etwa sein, ob es dem Unterricht gelingt, den Wissenserwerb bei den Schülerinnen und Schülern wirksam zu unterstützen. Die Benennung solcher Indikatoren, die im Folgenden über das genannte Beispiel hinaus weiter konkretisiert werden müssen, bringt allerdings eine Begrenzung mit sich, die auch als ambivalent wahrgenommen werden kann. Einerseits sorgt die klare Benennung von Indikatoren für Transparenz und für die Möglichkeit, die entsprechenden Merkmale tatsächlich zu erfassen, andererseits können Indikatoren immer auch als zu eng, schlecht gewählt oder als prinzipiell fragwürdig kritisiert werden. Das zeigt schon das genannte Beispiel: Der Erwerb von Wissen wird in der (Religions-)Pädagogik vielfach als unzureichend angesehen, und gerade im Religionsunterricht komme es doch nicht auf »bloßes« Wissen an, sondern auf weiterreichende Ziele. Solche Einwände und Spannungen können jedoch ihrerseits durchaus produktiv sein: Sie halten die Diskussion offen und wirken der Suggestion entgegen, dass einzelne wissenschaftliche Untersuchungen zu abschließenden Urteilen über »guten (Religions-)Unterricht« führen könnten. Indikatoren dürfen natürlich nicht einfach willkürlich benannt werden. Grundlegend ist vielmehr ein plausibler Bezug der Indikatoren auf »guten Religionsunterricht«. Die mit dieser Idealvorstellung verbundenen Fragen werden also auch bei einem indikatorengestützten Ansatz nicht einfach zum Verschwinden gebracht. Vielmehr kehren sie in einer konkreteren Form wieder, verbunden mit der Hoffnung, dass sie auf einer solchen Ebene leichter geklärt und auch eher empirisch untersucht werden können. Letztlich verweisen die hier gemeinten Indikatoren auf das jeweils vorausgesetzte Verständnis religiöser Bildung insgesamt. Denn diesem Ziel, Möglichkeiten für religiöse Bildung zu eröffnen sowie Kinder und Jugendliche bei der Wahrnehmung dieser Möglichkeiten zu unterstützen, muss aller Religionsunterricht letztlich dienen und daran muss er sich messen lassen. Ein Verständnis religiöser Bildung ist allerdings nicht in der Gestalt eines allgemeinen religionspädagogischen Konsenses verfügbar. Vielmehr gibt es wiederum zahlreiche Bestimmungsversuche, die in der wissenschaftlichen Diskussion erörtert werden.114 Wenn sich das Anliegen der Wahrnehmung von Qualität im Religionsunterricht und deren Weiterentwicklung nicht in solchen Kontroversen verfangen und dadurch gelähmt werden soll, wird es darauf ankommen, zumindest möglichst konsensfähige Indikatoren zu benennen. Anders ausgedrückt kommt es darauf an, Indikatoren zu identifizieren, denen auch aus der Sicht unterschied114 Vgl. Schweitzer, Bildung (s. Anm. 76), Preul; Evangelische Bildungstheorie (s. Anm. 76); Dressler, Religionsunterricht (s. Anm. 76).

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licher Auffassungen religiöser Bildung zugestimmt werden kann. So gesehen bilden Indikatoren so etwas wie einen Minimalkonsens ab. Indikatoren können damit als Konkretionen der Ziele religiöser Bildung aufgefasst werden. In dieser Ausrichtung weisen sie deutliche Parallelen zu dem Kompetenzbegriff auf, wie er in der neueren Diskussion bestimmend geworden ist.115 Denn auch hier gilt, dass Kompetenzen Bildungsziele konkretisieren und operationalisieren sollen. Wenn hier der Begriff der Indikatoren dem der Kompetenzen vorgezogen wird, so geschieht dies vor allem deshalb, um zwei Missverständnisse zu vermeiden, die nach wie vor die religionsdidaktische Rezeption des Kompetenzbegriffs belasten: Ȥ Die Qualität von Religionsunterricht darf nicht einfach mit den sogenannten Outcomes gleichgesetzt werden, wie der Kompetenzbegriff annehmen lassen könnte. Der Begriff der Indikatoren soll solche Missverständnisse von vornherein ausschließen. Zwar sollen auch im Folgenden auf die Effekte von Unterricht bezogene Indikatoren eine besondere Rolle spielen, aber der Zugang über Indikatoren ist nicht prinzipiell auf Out­ comes beschränkt. Ȥ Darüber hinaus gehen mit dem Kompetenzbegriff immer wieder Vorstellungen kompetenzorientierten Unterrichtens einher, die zu einer weiteren Verengung in der religionsunterrichtlichen Praxis führen können.116 Beispielsweise werden in diesem Sinne sogenannte Anforderungssituationen empfohlen, auf die sich der Unterricht beziehen soll. Am Anfang einer Stunde oder einer Unterrichtseinheit soll eine möglichst auf den Alltag bezogene praktische Aufgabe stehen, in der das im Unterricht behandelte Thema dadurch einen Sinn gewinnt, dass bestimmte Kenntnisse und Fertigkeiten zur Lösung eines Problems erforderlich sind. Der Unterricht bezieht sich dann auf diese Kenntnisse und Fertigkeiten. Teilweise ist ein solches religionsdidaktisches Vorgehen sicher hilfreich, aber wenn der Unterricht immer von solchen Anforderungssituationen ausgehen soll, führt dies leicht zu didaktischer Monotonie. Zudem bleibt außer Acht, dass nicht alles, was im Religionsunterricht wichtig ist, zur Lösung von Problemen eingesetzt werden kann. Ein Psalm beispielsweise stellt eine poetische Ausdrucksform dar, die ganz unabhängig von allen vielleicht zu lösenden Problemen von eigener Bedeutung und eigenem Wert ist.

115 Vgl. grundlegend Klieme u. a., Zur Entwicklung nationaler Bildungsstandards (s. Anm. 56). 116 So besonders bei Obst, Kompetenzorientiertes Lehren und Lernen (s. Anm. 3).

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Die Entscheidung für den Indikatorenbegriff schließt als solche noch keine Antwort auf die Frage ein, welche Indikatoren tatsächlich gewählt werden sollen. Dazu soll nun ein exemplarischer Vorschlag entwickelt werden. Wissenserwerb, Verstehen, Fähigkeit zur Perspektivenübernahme, Toleranz: vier exemplarische Indikatoren

Die Auswahl von Indikatoren steht vor dem Problem, dass konsensfähige Bestimmungen religiöser Bildung nicht vorausgesetzt werden können. Indikatoren sollen deshalb so ausgewählt werden, dass sie möglichst unabhängig von solchen Kontroversen Plausibilität besitzen. In diesem Sinne sollen die vier hier vorgeschlagenen möglichen Indikatoren zunächst übergreifend betrachtet werden, ehe es dann um eine Näherbestimmung jedes einzelnen Indikators gehen soll. Ȥ Dass die Schule Wissen vermitteln soll, gehört zu den ältesten Erwartungen an diese Einrichtung. Und der Unterricht ist natürlich der Ort, an dem dies in erster Linie zu geschehen hat, im Unterschied beispielweise zum sonstigen Schulleben. Kritische Rückfragen beziehen sich dabei aber bereits auf die Vorstellung des Vermittelns, da Lernprozesse, dem heutigen Stand der Lernpsychologie gemäß, angemessen nicht als schlichte Einweg-Prozesse verstanden werden können. Immer geht es auch um die Aneignung durch die Lernenden, was in der Religionsdidaktik zu Recht besondere Beachtung gefunden hat.117 Eine weitere Rückfrage kann sich auf die allgemeine Verfügbarkeit von Wissen in einer zunehmend digitalisierten Gesellschaft beziehen und entsprechend darauf, wieviel Wissen von Kindern und Jugendlichen (oder auch Erwachsenen) eigentlich noch erworben werden muss. Wozu sich noch mit der Aneignung umfangreicher Wissensbestände plagen, wenn doch alle Informationen jederzeit per Knopfdruck abrufbar sind? Eine besondere Aufgabe und Chance von Schule und Unterricht besteht in dieser Hinsicht darin, strukturiertes Wissen zu ermöglichen, das auf Zusammenhänge und damit auf das Verstehen zielt. In der Psychologie wird auch zwischen einem deklarativen Wissen, was hier als Faktenwissen übersetzt werden kann, und einem prozeduralen Wissen unterschieden, das eine Einordnung und Nut-

117 Vgl. schon U. Becker/C. T. Scheilke (Hg.), Aneignung und Vermittlung. Beiträge zu Theorie und Praxis einer religionspädagogischen Hermeneutik. Für Klaus Goßmann zum 65. Geburtstag, Gütersloh 1995; in der neueren Diskussion spielen dabei konstruktivistische Perspektiven eine hervorgehobene Rolle, vgl. etwa die Jahrbücher für konstruktivistische Religionsdidaktik (2010 ff.).

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zung in Handlungszusammenhängen einschließt.118 Und nicht zuletzt kann für den Religionsunterricht auch auf die Bedeutung von Orientierungswissen verwiesen werden, das über das Verfügungswissen in einem technologischen Sinne hinausgeht.119 Ein solches Orientierungswissen schließt nicht zuletzt die Frage nach dem »Warum« und »Wozu« ein und damit immer auch ethische Dimensionen. Mitunter wird Orientierungswissen sogar als für den Religionsunterricht bezeichnende Domäne angesehen.120 Auch wenn immer wieder kritisch eingewendet wird, Unterricht ziele doch nicht einfach auf den »bloßen« Wissenserwerb, bleibt Wissen, das im Unterricht erworben werden kann, demnach doch wichtig. Allerdings darf dieses Wissen nicht isoliert sein oder, wie es in der Pädagogischen Psychologie heißt, bloß »träges Wissen« darstellen, auf das bei entsprechenden Aufgaben der Problemlösung dann nicht zurückgegriffen werden kann.121 Ȥ Insofern besteht ein innerer Zusammenhang zwischen dem Wissenserwerb als dem ersten und dem Verstehen als dem zweiten Indikator von Unterrichtsqualität. Mit Verstehen ist hier der Umgang mit Wissen gemeint. Wissen soll in größere Zusammenhänge eingeordnet werden können, dabei auch in seiner Bedeutung beurteilt und ggf. kritisch hinterfragt werden. Echtes Wissen muss von scheinbarem Wissen unterschieden werden, und auch weiterreichende Bedeutungen gehören konstitutiv zum Verstehen hinzu. Mitunter wird auch von Deutungsfähigkeit gesprochen. Da der Gegenstand des Religionsunterrichts – Religion und Religionen – nicht etwas ist, was man einfach beobachten oder anfassen könnte, kommt dem Verstehen für den Religionsunterricht besondere Bedeutung zu. Religiöse Zeichensysteme und Codes müssen bekannt sein und genutzt werden können, damit religiöse Phänomene verstanden werden können. Das Verstehen von Sprache ist dabei zentral, aber auch andere Ausdrucksformen, die wie Gestik und Mimik eine körperliche Dimension aufweisen, sind vielfach nicht weniger bedeutsam. Liturgische Vollzüge oder Rituale sind hier ebenfalls zu nennen. Und insgesamt beziehen sich Verstehensleistungen häufig auf Gefühle, innere Wahrnehmungen, Erwartungen, Erfah118 Vgl. die knappe Definition: Das Psychologie-Lexikon, Art. Prozedurales Wissen, http://www. psychology48.com/deu/d/prozedurales-wissen/prozedurales-wissen.htm (Zugriff 26.2.2020). 119 Vgl. bspw. EKD, Maße des Menschlichen. Evangelische Perspektiven zur Bildung in der Wissens- und Lerngesellschaft. Eine Denkschrift, Gütersloh 2003, etwa 69. 120 Vgl. ebd. 121 Vgl. zu dieser Diskussion etwa K. Reusser, Problemorientiertes Lernen. Tiefenstruktur, Gestaltungsformen, Wirkung. In: Beiträge zur Lehrerinnen- und Lehrerbildung 23 (2005), 159– 182.

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rungen und Intentionen, was bereits auf den dritten hier genannten Indikator verweist. Ȥ Die Fähigkeit zur Perspektivenübernahme und zum Perspektivenwechsel gilt heute als grundlegend für den Religionsunterricht. Am häufigsten wird dabei an interreligiöse Zusammenhänge gedacht, bei denen die andere Perspektive aus einem anderen religiösen Hintergrund erwächst.122 Dabei kommt es darauf an, sich der mit der jeweiligen Perspektive verbundenen Unterschiede bewusst zu werden und das eigene Handeln entsprechend gestalten zu können. Wie nehmen mich beispielsweise Muslimas und Muslime als Christin oder Christen wahr, wenn ich eine Moschee betrete? Wie würden sie es deuten, wenn ich mich zum Gebet auf den Boden knie, und mit welchen Reaktionen hätte ich zu rechnen? Was ist dabei für die Perspektive des anderen kennzeichnend und worauf beruht sie? Doch bezieht sich die Aufgabe des Perspektivenwechsels nicht nur auf das Verhältnis zwischen Angehörigen verschiedener Religionen, sondern in analoger Weise auch auf Konfessionslose. David Käbisch hat dafür sogar eine ausdrückliche »Didaktik des Perspektivenwechsels« entwickelt.123 In diesem Fall begegnen sich nicht zwei unterschiedliche religiös bestimmte Perspektiven, sondern die Perspektivenübernahme betrifft religiöse und nicht-religiöse Sichtweisen. Mitunter wird in der Diskussion dann von »interweltanschaulichem Lernen« gesprochen, aber da Konfessionslose nicht immer von einer bestimmten, beispielsweise materialistischen Weltanschauung geprägt sind, trifft diese Bezeichnung vielfach nicht zu.124 Noch einen Schritt weiter geht beispielsweise Bernhard Dressler, wenn er beim Perspektivenwechsel auf verschiedene Weltzugänge verweist.125 Für die Moderne ist es demnach insgesamt kennzeichnend, dass sich die verschiedenen Weltzugänge etwa von Naturwissenschaft und Religion, aber auch anderer Wissenschaften jeweils verselbstständigt haben. Unter dieser Voraussetzung kann auch Religion nicht nur aus einer religiösen Innenperspektive betrachtet werden, sondern ebenfalls aus einer nicht-religiösen oder säkularen, beispielsweise auch religionskritischen Außenperspektive. 122 Vgl. F. Schweitzer/M. Bräuer/R. Boschki (Hg.), Interreligiöses Lernen durch Perspektivenübernahme. Eine empirische Untersuchung religionsdidaktischer Ansätze, Münster/New York 2017; auch Meyer, Grundlagen interreligiösen Lernens (s. Anm. 77). 123 Vgl. D. Käbisch, Didaktik des Perspektivwechsels. Einheitsmoment religiöser Bildung in unterschiedlichen Schulformen? In: B. Schröder/M. Wermke (Hg.), Religionsdidaktik zwischen Schulformspezifik und Inklusion. Bestandsaufnahmen und Herausforderungen, Leipzig 2013, 351–372. 124 Eine ausführlichere Klärung des Begriffs findet sich bislang in der Literatur noch nicht. 125 Vgl. B. Dressler, Unterscheidungen. Religion und Bildung, Leipzig 2006.

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Zur Aufgabe des Religionsunterrichts gehört es deshalb, mit solchen grundlegenden Perspektivenunterschieden vertraut zu machen und den Umgang mit Innen- sowie Außenperspektiven einzuüben. Dabei ist freilich zu beachten, dass es sich in diesem Fall nicht um eine Person handelt oder handeln muss, deren Perspektive eingenommen werden soll, sondern eher um den Umgang mit unterschiedlichen Deutungssystemen etwa von Glaube und Naturwissenschaft. Nicht zuletzt geht es beim Perspektivenwechsel aber immer auch um eine grundlegende menschliche Fähigkeit, die das alltägliche Handeln durchzieht. In der Evolutionsforschung vertreten manche sogar die Auffassung, dass der Umgang mit unterschiedlichen Perspektiven zu den grundlegenden Fähigkeiten zählt, die das Menschsein selbst ausmachen.126 Das Zusammenleben mit anderen Menschen und besonders gemeinsame Handlungsvollzüge sind nicht denkbar ohne die Fähigkeit, das eigene Handeln mit dem der anderen zu koordinieren. Ein Kind kann einen gesuchten Gegenstand – beispielsweise eine Banane – finden, indem es den auf diesen Gegenstand gerichteten Blick der Mutter identifiziert und den eigenen Blick daran ausrichtet. Ȥ Die Bedeutung des vierten Indikators – Ausbildung von Toleranz als Ziel für Schule und Religionsunterricht – ist zum Teil umstritten. Einwände beziehen sich mitunter auf ein Toleranzverständnis, das durch ein einseitiges (Macht-)Gefälle charakterisiert sei (jemand oder etwas wird toleriert im Sinne von hingenommen, aber nicht wirklich wertgeschätzt).127 Deshalb werden andere Begriffe wie Respekt und wechselseitige Anerkennung vorgezogen, die allerdings nicht zwingend im Widerspruch zu Toleranzforderungen stehen müssen. Sie können auch als Präzisierungen aufgefasst werden, so wie dies auch im vorliegenden Zusammenhang verstanden wird. In diesem Verständnis impliziert eine dann als stark oder reflektiert zu bezeichnende Toleranz auch Respekt und Anerkennung.128 Unabhängig von der Wahl der Begriffe stellt sich für den Religionsunterricht immer auch die Aufgabe, nicht nur bestimmte Fähigkeiten und Fertigkeiten zu fördern, sondern auch die Ausbildung von Einstellungen zu unterstützen, 126 Vgl. M. Tomasello, Die Ursprünge der menschlichen Kommunikation, Frankfurt/M. 2010. 127 Vgl. etwa I. Diehm, Erziehung und Toleranz. Handlungstheoretische Implikationen Interkultureller Pädagogik. In: Zeitschrift für Pädagogik 46 (2000), 251–274, dies., Intoleranz als Problem der Pädagogik. In: Zeitschrift für Pädagogik 52 (2006), 687–698; zum weiteren Hintergrund s. R. Forst, Toleranz im Konflikt. Geschichte, Gehalt und Gegenwart eines umstrittenen Begriffs, Frankfurt/M. 2003. 128 Vgl. F. Schweitzer/C. Schwöbel (Hg.), Religion – Toleranz – Bildung, Neukirchen-Vluyn 2007; E. Krimmer, Evangelischer Religionsunterricht und reflektierte Toleranz. Aufgaben und Möglichkeiten religiöser Bildung im Pluralismus, Göttingen 2013.

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die beispielsweise zu interkultureller und interreligiöser Offenheit beitragen. Angesichts gesellschaftlicher Spannungen und politischer Konflikte wird der Beitrag des Religionsunterrichts zur schulischen Bildung vielfach gerade in dieser Hinsicht gesehen. Besonders leicht abzulesen ist dies etwa an der aktuellen Antisemitismusdebatte. Es kann kaum einleuchten, dass der Religionsunterricht – etwa aufgrund allgemeiner Vorbehalte gegenüber ethischen Erziehungsaufgaben, die im Religionsunterricht keinen Platz hätten – sich nicht an Initiativen gegen den neuen Antisemitismus beteiligen sollte. Ähnliches gilt analog im Blick auf islamophobe Haltungen und Vorurteile. Im Blick auf Einstellungen und deren Veränderungen durch den (Religions-) Unterricht muss allerdings bedacht werden, dass Einstellungsänderungen überhaupt als schwer erreichbar gelten. Einstellungen, auch etwa im Sinne von Antisemitismus oder Antiislamismus, sind in der Regel in weiteren Zusammenhängen verankert, in der Familie, der Gruppe der Gleichaltrigen oder einfach in den sozialen Zusammenhängen, in denen Menschen leben. Auch die bislang zum Religionsunterricht verfügbaren Befunde stimmen hinsichtlich der Veränderbarkeit von Einstellungen eher skeptisch.129 Ein Schulfach mit seinen wenigen Wochenstunden scheint in dieser Hinsicht nicht ausreichend wirksam werden zu können. Gleichwohl bleibt angesichts der gesellschaftlichen Herausforderungen die Forderung bestehen, dass auch der Religionsunterricht zur Toleranzbildung beitragen soll. Für alle vier genannten Indikatoren kann demnach zumindest eine allgemeine Plausibilität vorausgesetzt werden. Es dürfte heute kaum eine wissenschaftlich ausgewiesene Position in der Religionspädagogik geben, die zur Ablehnung der damit verbundenen Bildungsziele und -aufgaben führen würde. Eine andere Frage ist allerdings, welche weiteren Indikatoren vielleicht zusätzlich eingesetzt werden sollten. Häufig wird beispielsweise auch die Wahrnehmungsfähigkeit als religionspädagogisches Bildungsziel genannt, oder es werden emotionale Bildungsaufgaben beschrieben. Die Wahl solcher Indikatoren kann durchaus sinnvoll sein. Wie schon mehrfach zum Ausdruck gebracht, kann für die empiriegestützte Wahrnehmung von Qualität im Religionsunterricht keine Vollständigkeit in Anspruch genommen werden. Immerhin aber ist darauf aufmerksam zu machen, dass auch Aspekte der Wahrnehmungsfähigkeit und der emotionalen Bildung bei den vier hervorgehobenen Indikatoren zumindest mit angesprochen sind. 129 Vgl. etwa H.-G. Ziebertz (Hg.), Gender in Islam und Christentum. Theoretische und empirische Studien, Berlin 2010; Schweitzer u. a., Interreligiöses Lernen (s. Anm. 122).

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Eine andere Frage stellt die ebenfalls häufig genannte Handlungsfähigkeit dar. Auch hier ist von vornherein deutlich, dass die Fähigkeit, sich kompetent in religiösen und interreligiösen Zusammenhängen bewegen und sich konstruktiv beteiligen zu können, ein bedeutsames Bildungsziel darstellt. Der Bildungstheoretiker Dietrich Benner und seine Forschungsgruppe sprechen hier von »Partizipationskompetenz«.130 Doch lässt sich im Rahmen der Schule in der Regel kaum feststellen, ob eine solche Handlungsfähigkeit tatsächlich erworben wurde oder nicht, da die entsprechenden Handlungszusammenhänge naturgemäß weit über die Schule hinausreichen oder überhaupt jenseits der Schule liegen. Insofern ist es nicht überraschend, dass es auch der genannten Forschungsgruppe am Ende nicht gelungen ist, die entsprechende Kompetenz empirisch zu erfassen. Für das in der vorliegenden Darstellung vertretene Verständnis gehören Aspekte der Handlungsfähigkeit mit zu den vier genannten Indikatoren, da kompetentes Handeln von Wissen, Verstehen, Perspektivenübernahme sowie religiöser Offenheit abhängig ist. Die genannten Indikatoren betreffen zunächst Effekte von Religionsunterricht. Das macht noch einmal bewusst, dass sich der Indikatorenbegriff mit dem Kompetenzbegriff überschneidet. Zugleich ist der indikatorengestütze Zugang prinzipiell offen auch für andere, beispielsweise prozessbezogene Indikatoren wie etwa die kognitive Aktivierung, worauf noch einzugehen sein wird. Darüber hinaus soll im Folgenden deutlich werden, dass sich die hier ausgewählten Indikatoren selbst durchaus auch prozessbezogen auslegen lassen. Wie verhalten sich die vier exemplarisch ausgewählten Indikatoren zu der religiösen Bildung, an der sich – wie oben dargestellt – der Religionsunterricht insgesamt orientieren soll? So könnte beispielsweise gefragt werden, ob nicht auch die Entwicklung einer religiösen Identität oder das in der neueren Diskussion häufig genannte Bildungsziel der Pluralitätsfähigkeit131 als Indikator begriffen werden sollte. In dieser Hinsicht ist die Feststellung zu wiederholen, dass es sich dabei um übergeordnete Bildungsziele handelt, die auf einer anderen Ebene liegen als die beschriebenen Indikatoren. Solche Ziele müssen, wenn sie zur Qualitätswahrnehmung von Religionsunterricht eingesetzt werden sollen, immer im Sinne von Indikatoren konkretisiert werden. Umgekehrt muss 130 Vgl. D. Benner/R. Schieder/H. Schluß/J. Willems (Hg.), Religiöse Kompetenz als Teil öffentlicher Bildung. Versuch einer empirisch, bildungstheoretisch und religionspädagogisch ausgewiesenen Konstruktion religiöser Dimensionen und Anspruchsniveaus, Paderborn 2011, 31. 131 Vgl. dazu EKD, Religiöse Orientierung gewinnen. Evangelischer Religionsunterricht als Beitrag zu einer pluralitätsfähigen Schule. Eine Denkschrift des Rates der EKD, Gütersloh 2014.

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im Folgenden noch deutlicher werden, in welchem Verhältnis die ausgewählten Indikatoren zu solchen Bildungszielen stehen. Der indikatorengestütze Zugang zur Wahrnehmung von Unterrichtsqualität Ȥ Abstrakte Vorstellungen von »gutem (Religions-)Unterricht« tendieren weithin zu einer Idealisierung und lassen sich nicht umsetzen. Deshalb können sie leicht demotivierend wirken. Ȥ Ein indikatorengestützter Zugang konzentriert sich jeweils auf bestimmte Merkmale. Darin ist er begrenzter als umfassende Qualitätsvorstellungen, bietet aber gerade deshalb Ansätze zur Qualitätsentwicklung. Ȥ Der Indikatorenbegriff überschneidet sich mit dem Kompetenzbegriff, ist aber nicht auf Outcomes von Unterricht beschränkt und vermeidet auch die Implikation, Religionsunterricht müsse durchweg in einem bestimmten Sinne (etwa von »Anforderungssituationen«) gestaltet werden. Ȥ Als Beispiele für Indikatoren lassen sich Wissenserwerb, Verstehen, Fähigkeit zur Perspektivenübernahme, Toleranz nennen, aber der indikatoren­gestütze Zugang ist prinzipiell offen auch für andere, beispielsweise prozessbezogene Indikatoren wie etwa die kognitive Aktivierung.

Beispiel: Indikatoren und Unterricht zu einem biblischen Gleichnis In einer Klasse 5 wird das »Gleichnis vom verlorenen Sohn« (Lk 15,11–32) behandelt: Ein Mensch hatte zwei Söhne … Im Unterricht soll in Einzelarbeit die Aufgabe bearbeitet werden, das Gleichnis aus der Sicht des jüngeren oder des älteren Sohnes oder des Vaters nachzuerzählen. Qualitätsfragen Ȥ Welches Wissen kann im Unterricht erworben werden? Wodurch wird der Wissenserwerb unterstützt? Durch welche didaktischen Möglichkeiten könnte er optimiert werden? Ȥ Können die Schülerinnen und Schüler zuvor im Unterricht erworbenes Wissen einsetzen?

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Ȥ Welches Wissen ist für ein weiterreichendes Verstehen erforderlich? Wird es durch das Gleichnis selbst bereitgestellt oder sind Zusatzinformationen erforderlich? Wie werden Verstehensprozesse durch den Unterricht angeregt? Wie gewinnt die Lehrkraft Einblick in das tatsächlich erreichte Verstehen? Ȥ Welche Formen der Perspektivenübernahme werden gefordert und gefördert? Wie ließe sich der Arbeitsauftrag weiter präzisieren, um die Per­ spektivenübernahme zu erleichtern oder zu intensivieren? Ȥ Spielt im Unterricht auch das Ziel der Toleranzbildung eine Rolle? Welche anderen Einstellungen könnten im Unterricht gestärkt werden und auf welche Weise? Zur inhaltlichen Bestimmung der Indikatoren

In einem weiteren Schritt soll nun versucht werden, die vier genannten Indi­ katoren noch einmal genauer zu fassen. Dabei soll zugleich versucht werden, den religionspädagogischen Diskussionsstand im Blick auf jeden der vier Indikatoren darzustellen. Im Anschluss daran soll nach Folgerungen bezüglich der Qualitätsentwicklung im Religionsunterricht gefragt werden. Wissen Auskunft über das Wissen oder die Kenntnisse, die im Religionsunterricht erworben werden können, ist prinzipiell gesehen von einer Theorie der religiösen Bildung zu erwarten. Dazu sind auch neuere Darstellungen verfügbar, aber diese Darstellungen beziehen sich eher auf bildungstheoretische Grundlegungsfragen als auf konkrete Inhalte.132 Inhaltsbezogene bildungstheoretische Bestimmungen wurden in neuerer Zeit vor allem im Rahmen der sogenannten CurriculumTheorie der 1970er Jahre diskutiert, aber diese Ansätze liegen inzwischen zu weit zurück, um sich heute noch als direkte Anknüpfungsmöglichkeit anbieten zu können. Systematisch gesehen am weitesten reichen derzeit die von Benner angebotenen Strukturierungen, die u. a. auf früheren curriculumtheoretischen Versuchen basieren und diese weiterführen.133 Im Zentrum stehen dabei Aufgaben des Vertrautwerdens mit der gegebenenfalls eigenen Religion sowie anderen Religionen, aber auch mit nicht-religiösen Weltanschauungen. Daneben gilt das Prinzip der Stufung im Wissenserwerb, ausgehend von der Anschauung 132 Vgl. die oben (Anm. 76) genannten Darstellungen von Preul, Schweitzer und Dressler. 133 Vgl. D. Benner, Bildung und Religion. Nur einem bildsamen Wesen kann ein Gott sich offenbaren, Paderborn 2014, 114–126.

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im Nahbereich über systematische Zusammenhänge bis hin zu wissenschaftlichen und wissenschaftstheoretisch-kritischen Sichtweisen, wie sie vor allem in der Sekundarstufe II erreichbar werden.134 Wie sich eine mit diesen Prinzipien begründete Matrix religionskundlichen Wissens im Einzelnen ausfüllen ließe, wird aber auch bei Benner nur exemplarisch angedeutet. Insofern bleibt es bei der Feststellung, dass in der wissenschaftlichen Religionspädagogik derzeit keine systematische Bestimmung von Wissensbeständen, die im Unterricht angeeignet werden sollen, verfügbar ist. Die einzige Gestalt, in der solche Wissensbestände detailliert ausgebracht werden, stellen daher die Bildungspläne in den verschiedenen Bundesländern dar. Da es an einer wissenschaftlichen Grundlage für die Erstellung solcher Pläne mangelt, haben aber auch sie nur heuristischen Charakter: Sie beruhen auf allgemeinen Überlegungen, Traditionen sowie praktischen Erfahrungen und letztlich auf politischen Entscheidungen. Seit der Umstellung der Bildungspläne auf Kompetenzorientierung fallen aber auch hier die wissensbezogenen Vorgaben eher allgemein aus und bleibt im Einzelnen vieles offen. Die Beschreibungen von Kompetenzen und Standards werden bewusst knapp gefasst. Zudem basieren auch die kompetenzorientierten Bildungspläne nicht auf wissenschaftlich geprüften Begründungen, da ein in breiter Weise empirisch validiertes Kompetenzmodell fehlt.135 Insofern ist nicht immer leicht zu erkennen, wie sich die mit den Bildungsplänen politisch gesetzten, also durch den Staat rechtlich festgelegten inhaltlichen Anforderungen in allgemeiner Weise begründen ließen. Dies geht schon daraus hervor, dass sich die Bildungspläne in den Bundesländern auch in dieser Hinsicht deutlich voneinander unterscheiden können. Die Kompetenzkataloge in den neueren Bildungsplänen für den Religionsunterricht bieten allerdings nicht nur formale Kompetenzbeschreibungen, sondern es werden zumeist auch inhaltsbezogene Kompetenzen aufgeführt, die mitunter den größten Teil der Bildungspläne ausmachen. Dabei kehrt jedoch das beschriebene Problem wieder: Die Auswahl der inhaltsbezogenen Kompetenzen kann sich nicht auf ein konsensuelles, theoretisch begründetes Prinzip berufen, sondern folgt den auch sonst bei der Erstellung von Bildungsplänen üblichen Verfahrensweisen im Sinne einer pragmatischen Heuristik. Immerhin werden in der Regel aber die angezielten Inhaltsbereiche benannt, sodass die Auswahl zumindest nachvollziehbar ist. Das zu erwerbende Wissen bezieht

134 Vgl. ebd., 121, 124. 135 Ansätze dazu bietet das Forschungsprojekt Benner u. a., Religiöse Kompetenz (s. Anm. 130).

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sich demnach etwa auf die Bereiche Mensch, Gott, Jesus Christus, ethische Verantwortung, Bibel, Kirche, Religionen.136 Zusammenfassend ist festzuhalten, dass für den Religionsunterricht derzeit keine systematisch ausgeführte und begründete Auswahl des zu erwerbenden Wissens zur Verfügung steht. Insofern bleibt ein Desiderat, das hier nur markiert, aber nicht gleichsam nebenbei eingelöst werden kann. Eine Theorie der religiösen Bildung wäre dafür unerlässlich. Im Blick auf die inhaltliche Bestimmung des Indikators Wissen für die Wahrnehmung von Qualität im Religionsunterricht ergibt sich daraus, dass auch hier derzeit nur ein pragmatisches Verfahren möglich ist. Zum einen liegt es nahe, sich an die Bildungspläne anzulehnen, an deren Zielen Unterricht ja immer zu messen ist. Zum anderen kann von der Theologie als Fachwissenschaft her ein weiterer Horizont eröffnet werden, in dem Anforderungen in den Bildungsplänen interpretiert werden können. In beiden Fällen muss dazu noch eine didaktische Reflexion hinzutreten, die insbesondere von den Schülerinnen und Schülern her fragt: Was ist für sie anschlussfähig? Welches Wissen können sie überhaupt aufnehmen? Welches Wissen verspricht ihnen neue Einsichten? An dieser Stelle kommen also auch fachdidaktische Perspektiven zum Tragen, wie sie etwa das Elementarisierungsmodell bietet.137 Aus der Perspektive dieses Modells muss das Wissen, das im Religionsunterricht erworben werden soll, elementar sein, und zwar ebenso im Blick auf die Theologie als Bezugswissenschaft (elementare Strukturen) wie die lebensweltliche Relevanz für die Schülerinnen und Schüler (elementare Erfahrungen) und ihre Zugangsund Verstehensweisen (elementare Zugänge) sowie offen für eine auch existenzielle Auseinandersetzung mit den Inhalten (elementare Wahrheiten). Die Ausgestaltung des konkreten Unterrichts (elementare Lernformen) lässt sich dabei auf dieser allgemeinen Ebene nicht vorwegnehmen, aber auch sie muss immer mit im Blick sein.

136 Vgl. in dieser Hinsicht exemplarisch die Bildungspläne für Evangelische Religionslehre ­Baden-­­ Württemberg von 2016. 137 Vgl. Schweitzer u. a., Elementarisierung 2.0 (s. Anm. 14).

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Zur Bestimmung des Indikators Wissen Ȥ Derzeit stehen für den Religionsunterricht keine konsensuellen Bestimmungen zu dem zu erwerbenden Wissen zur Verfügung. Ȥ Am weitesten reichen in dieser Hinsicht die Bildungspläne, die sich jedoch von Bundesland zu Bundesland unterscheiden. Zudem besteht ihre Grundlage in einer lediglich pragmatischen Heuristik, auch wenn sie durchaus einer Systematik folgen (etwa der Inhaltsbereiche: Mensch, Gott, Jesus Christus, ethische Verantwortung, Bibel, Kirche, Religionen). Ȥ Das in den Bildungsplänen genannte Wissen erschließt sich in seiner Bedeutung erst im Horizont der Bezugswissenschaft(en) des Religionsunterrichts, die allerdings in didaktischer Transformation aufzunehmen sind. Ȥ Das zu erwerbende Wissen muss dazu in eine fachdidaktische Perspektive gerückt werden (etwa der Elementarisierung).

Beispiel: Der Indikator Wissen und der Bildungsplan Im niedersächsischen Bildungsplan für die Grundschule (Klasse 1/2) heißt es: Die Schülerinnen und Schüler »wissen, dass nach biblischer Aussage jeder Mensch in seiner Einmaligkeit ein von Gott geliebtes Geschöpf ist«. Als Inhalte werden dazu genannt: »Jesus segnet die Kinder (Mk 10,13–16); Ps 139 in Auswahl; Taufe«. Dazu kommen noch Überprüfungsmöglichkeiten zu dieser Kompetenz: »zu einem Bild, z. B. ›Jesus segnet die Kinder‹ (E. Nolde) erzählen; von einer Tauffeier erzählen«. Qualitätsfragen Ȥ Kann das im Bildungsplan genannte Wissen im Unterricht erworben werden? Wie wird die allgemeine Umschreibung des Wissens konkretisiert? Welche fachdidaktischen Kriterien sind dabei leitend? Ȥ Wodurch wird der Wissenserwerb unterstützt? Durch welche didaktischen Möglichkeiten könnte er optimiert werden? Ȥ Welches Wissen wurde im Unterricht tatsächlich erworben? Welche wissensbezogenen Einzelaspekte sind am Ende der Unterrichtseinheit greifbar?

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Ȥ Ist das Wissen auch im zeitlichen Abstand – etwa am Ende des Schuljahrs oder der Grundschule – noch vorhanden? Wie wird die Nachhaltigkeit des Wissenserwerbs unterstützt? Ȥ Wie werden dabei unterschiedliche Schülerinnen und Schüler – beispielsweise Mädchen und Jungen oder religiös Sozialisierte und NichtSozialisierte – berücksichtigt?

Verstehen Die Erwartung, dass Schülerinnen und Schüler namentlich im Religionsunterricht nicht nur Wissen erwerben sollen, wird weithin geteilt. Die Kinder und Jugendlichen sollen, der gesamten religionsdidaktischen Tradition folgend, zu einem wirklichen Verstehen geführt werden. Der für mehrere theologische Disziplinen bestimmende Begriff der Hermeneutik (Lehre vom Interpretieren) zeigt stellvertretend an, wie sehr es in diesem Bereich auf Prozesse des Verstehens ankommt. Hier kann denn auch tatsächlich von einem sehr weitreichenden religionspädagogischen Konsens gesprochen werden: Wissenserwerb allein ist kein ausreichendes Ziel für den Religionsunterricht – entscheidend ist die Befähigung zu einem verstehenden Umgang mit Wissen. Angesichts dieser Ausgangslage ist es aber erstaunlich, wie wenig Auskunft die religionsdidaktische Literatur darüber gibt, was genau mit einem solchen Verstehen gemeint sein soll. Es scheint gleichsam selbstverständlich, wann Verstehen erreicht wird, was bei genauerer Prüfung vor allem didaktisch allerdings nicht befriedigen kann. Solange die Merkmale des Verstehens offenbleiben, lässt sich auch nicht angeben, wann Religionsunterricht in dieser Hinsicht erfolgreich ist und wann er weniger erreicht als erhofft. Aus der Pädagogischen Psychologie kommt die kritische Einschätzung, dass vor allem ein beim schulischen Lernen verbreitetes »träges Wissen« problematisch ist.138 Damit ist gemeint, dass erworbenes Wissen ohne aktive Nutzung und vor allem ohne Nutzbarkeit bleibt. Soweit Unterricht zu einer kognitiven Aktivierung führt, schließe dies auch eine Vernetzung mit lebensweltlichen Erfahrungen ein, die ein solches »träges« Wissen vermeiden. Dies entspricht in der religionsdidaktischen Diskussion der Forderung nach erfahrungsbezogenem Lernen, wie es auch bei der Elementarisierungsdimension der »elementaren Erfahrungen« gemeint ist. Verstehen bedeutet demnach, Unterrichtsinhalte mit eigenen Erfahrungen in Verbindung bringen zu können oder wahrzunehmen, was diese Inhalte für die eigenen Lebenszusammenhänge bedeuten könnten. 138 S. o., Anm. 121.

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Auch die ältere didaktische Diskussion bietet noch immer wichtige Hinweise zum Verstehen. Dies gilt etwa für das Prinzip des genetischen Lernens, bei dem Sachverhalte aus ihrer Entstehung heraus verstanden werden sollen.139 Wie ist es beispielsweise zu einer Institution wie der Kirche gekommen? Warum hat sich eine bestimmte Glaubensüberzeugung oder ein ethisches Prinzip durchgesetzt? Die Identifikation von Strukturen, die einem Sachverhalt zugrunde liegen, bezeichnet ein weiteres didaktisches Prinzip.140 Hier ist dann beispielsweise an Gesetzmäßigkeiten zu denken, die bestimmte Sachverhalte erklären. Besonders leicht nachvollziehbar ist dies für den Bereich der Naturwissenschaften: Warum fließt Wasser von oben nach unten? Warum können Autos bremsen? Mit dem Anspruch des exemplarischen Lernens verbindet sich die Vorstellung, dass auf Verstehen zielender Unterricht das Bemühen um Verallgemeinerung und Verallgemeinerbarkeit einschließen muss: An einem einzelnen didaktisch geeigneten Inhalt wird immer mehr gelernt als nur dieser eine Inhalt selbst.141 An dem einen poetischen Text erschließt sich demnach, was poetische Texte überhaupt ausmacht. An einem Gleichnis kann sichtbar werden, was gleichnishafte Rede insgesamt bedeutet. Die Beschäftigung mit einem Ursprungsmythos wie beispielsweise dem der Landnahme durch die Israeliten im Alten Testament gibt Aufschluss über Ursprungsmythen generell. Diese Beispiele machen zugleich deutlich, dass exemplarisches Lernen im Sinne des Verstehens auch eine Reflexion über die Reichweite oder eben die Grenzen der Verallgemeinerung einschließen muss. Jedes Gleichnis ist anders, jeder Ursprungsmythos hat seinen eigenen Sinn usw. In neuerer Zeit hat sich, auch in Gestalt einer schulpädagogischen Praxisinitiative, der Ansatz des »verständnisintensiven Lernens« herausgebildet. Dabei geht es um einen Lernweg, der von Erfahrungen und Vorstellungen ausgeht und auf eigenes Begreifen zielt, einschließlich der Reflexion auf den eigenen Lernweg (Metakognition).142 Die didaktischen Ansätze und Bestimmungen zum Verstehen lassen sich zusammenfassend so charakterisieren, dass es beim Lehren und Lernen nie allein um Wissen im Sinne isolierter Information gehen soll, sondern um ein Wissen, das aktiv – im Sinne eigener Deutungskompetenz143 – genutzt und in größere Zusammenhänge eingeordnet werden kann, damit ein weiterreichendes Verstehen möglich wird. Als weiteres Element kommt hinzu, dass Wissen durch 139 Vgl. besonders M. Wagenschein, Kinder auf dem Wege zur Physik, Weinheim u. a. 2003. 140 Vgl. W. Klafki, Studien zur Bildungstheorie und Didaktik, Weinheim/Basel 1963. 141 Vgl. ebd. 142 Vgl. P. Fauser u. a. (Hg.), Verständnisintensives Lernen. Theorie, Erfahrungen, Training, Seelze 2015. 143 Vgl. Benner u. a., Religiöse Kompetenz (s. Anm. 130), 31.

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den Bezug auf solche Zusammenhänge auch kritisch beurteilt werden kann: Was ist wirklich bedeutsam? Wann handelt es sich um beliebiges Wissen? Welches Wissen ist verlässlich? Für die religionsdidaktische Diskussion ergeben sich weitere Kriterien aus dem notwendigen Bezug auf die sich verändernden Weltzugänge der Schülerinnen und Schüler.144 Kinder verstehen Sachverhalte anders als Jugendliche oder Erwachsene. Lernen als Verstehen kann nur erreicht werden, wenn diese unterschiedlichen Weltzugänge berücksichtigt werden. Im fachdidaktischen Modell der Elementarisierung entspricht dem die Dimension der »elementaren Zugänge«. In der philosophischen Hermeneutik wird manchmal ausdrücklich darauf hingewiesen, dass ein Verstehen erst erreicht sei, wenn auch eine persönliche Prüfung einer bestimmten Aussage vollzogen wurde.145 Dies wird auch als Moment der Applikation oder Anwendung bezeichnet: Kann ich dem zustimmen? Bin ich selbst davon überzeugt? In der Religionsdidaktik wird dieser Aspekt des Verstehens beispielsweise mit der Elementarisierungsdimension der »elementaren Wahrheiten« zum Ausdruck gebracht. Verstehen meint so gesehen immer auch, dass hier eine existenzielle Auseinandersetzung stattgefunden hat oder zumindest möglich war. Dabei geht es nicht zuletzt um Fragen des Glaubens und um die eigene Haltung von Schülerinnen und Schülern, aber auch der Lehrkräfte dazu. Als Folgerung für die inhaltliche Bestimmung des Indikators Verstehen lässt sich insgesamt festhalten, dass hier der Umgang mit Wissen im Vordergrund stehen muss, vor allem im Sinne des Einordnenkönnens in weitere Zusammenhänge. Diese Zusammenhänge können dabei unterschiedlich ausfallen, in einem Fall etwa stärker historisch, im anderen eher durch den Bezug auf Gesetzmäßigkeiten oder, offener ausgedrückt, Regelhaftigkeiten und Merkmale, die bei bestimmten Phänomenen zu erwarten sind. Der als Nächstes aufzunehmende Indikator der Perspektivenübernahme lässt sich insofern auch als eine weitere Konkretion des Verstehens auffassen. Denn gerade im religiösen Bereich ist ein Verstehen ohne die Fähigkeit, verschiedene Perspektiven einnehmen zu können, nicht erreichbar.

144 Vgl. F. Schweitzer, Lebensgeschichte und Religion. Religiöse Entwicklung und Erziehung im Kindes- und Jugendalter, Gütersloh 82016. 145 Vgl. H.-G. Gadamer, Wahrheit und Methode. Grundzüge einer philosophischen Hermeneutik, Tübingen 61990, 313.

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Zur Bestimmung des Indikators Verstehen Ȥ Dass es im Religionsunterricht nie allein um isoliertes (Fakten-)Wissen gehen soll, ist in der Religionspädagogik Konsens. Ȥ Bislang fehlt es weithin an Kriterien, mit deren Hilfe sich beurteilen lässt, wann das angestrebte Verstehen im Unterricht tatsächlich erreicht ist. Ȥ In der Pädagogischen Psychologie erfolgt die Abgrenzung gegenüber einem lediglich »trägen Wissen« durch Merkmale wie Erfahrungsbezug und Einsetzbarkeit in alltäglichen Zusammenhängen. Ȥ Aus der allgemeindidaktischen Diskussion erweisen sich Prinzipien wie das genetische Lernen, die Identifikation von Strukturen, exemplarisches Lernen, verständnisintensives Lernen in dieser Hinsicht als ebenfalls weiter­führend. Ȥ Religionsdidaktisch lassen sich Kriterien für das Verstehen auf das Elementarisierungsmodell abbilden: Verstehen kann im Religionsunterricht erreicht werden, wenn elementare Strukturen einsichtig werden, dabei elementare Erfahrungen und Zugänge berücksichtigt und wenn schließlich auch Fragen nach einer möglichen persönlichen (existenziellen) Relevanz aufgenommen werden.

Beispiel: Der Indikator Verstehen als Frage an den Unterricht Im hessischen Bildungsplan für das Gymnasium Jahrgangsstufe 8 heißt es zum Thema »Reformation« u. a.: Rechtfertigungslehre; Bedeutung der heiligen Schrift; Priestertum aller Gläubigen. Kritikpunkte: Ablassstreit: Bindung von Thron und Altar; religiöse Praktiken; »Gute Werke«; Ämterkauf. Als thematischer Zusammenhang wird genannt: »Kernstücke reformatorischer Lehre«. Qualitätsfragen Ȥ Welche Verstehensleistungen werden im Unterricht gefordert und gefördert? Welche Verknüpfungen zwischen den Einzelthemen werden konkret angebahnt? Ȥ Wodurch wird der Verstehensprozess unterstützt? Welche weiteren didaktischen Möglichkeiten können identifiziert werden?

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Ȥ Wie wird mit dem im Unterricht erworbenen Wissen umgegangen? Wodurch wird »träges Wissen« vermieden? Ȥ Wie wird die Nachhaltigkeit des Verstehens unterstützt? Welche Möglichkeiten exemplarischen, erfahrungsbezogenen, genetischen, meta­ kognitiven usw. Lernens werden genutzt? Ȥ Wie werden unterschiedliche Zugänge von Schülerinnen und Schülern – beispielsweise mit und ohne religiöse Sozialisation oder Mädchen und Jungen – berücksichtigt?

Perspektivenübernahme Die Bedeutung der Fähigkeit, unterschiedliche Perspektiven einnehmen zu können oder, wie mitunter ebenfalls formuliert wird, einen Perspektivenwechsel zu vollziehen, hat in der religionsdidaktischen Diskussion der Gegenwart große Beachtung gefunden. Weithin wird die Auffassung vertreten, dass gerade vom Religionsunterricht ein besonderer Beitrag zur Förderung dieser Fähigkeit erwartet werden könne.146 Insofern sind die Begriffe von Perspektivenübernahme und Perspektivenwechsel zu Zentralbegriffen für das Verständnis religiöser Bildung insgesamt avanciert. Zugleich findet die Perspektivenübernahmefähigkeit aber auch in anderen Zusammenhängen von Bildung und Bildungsforschung bzw. anderer Schulfächer hervorgehobene Beachtung, was die Aktualität dieses Indikators für Unterrichtsqualität weiter unterstreicht.147 Gleichsam unterhalb der weitreichenden Übereinstimmung hinsichtlich der religionspädagogischen Bedeutung und Aktualität von Perspektivenübernahmefähigkeit finden sich zugleich unterschiedliche Akzentuierungen, die dann zum Teil auch als Gegensätze wahrgenommen werden: Soll es beim Perspektivenwechsel vor allem um interreligiöse Perspektivenunterschiede gehen? Welche Rollen spielen die Unterschiede zwischen Menschen, die sich als religiös oder als nicht-religiös ansehen, und welche Rolle soll die zunehmende Konfessions146 Vgl. die in Anm. 77 und 122 angegebene Literatur. 147 Vgl. den Überblick bei E.-M. Kenngott, Perspektivenübernahme. Zwischen Moralphilosophie und Moralpädagogik, Wiesbaden 2012; s. auch U. Hartmann/M. Sauer/M. Hasselhorn, Perspektivenübernahme als Kompetenz für den Geschichtsunterricht. Theoretische und empirische Zusammenhänge zwischen fach-spezifischen und sozial-kognitiven Schülermerkmalen. In: Zeitschrift für Erziehungswissenschaft 12 (2009), 321–342. Aus der neueren psychologischen Forschung vgl. H. Gehlbach, A new perspective on perspective taking: A multidimensional approach to conceptualizing an aptitude. In: Educational Psychology Review 16 (2004), 207–234; sowie G. Steins, Perspektivenübernahme und Empathie. In: H.-W. Bierhoff/D. Frey (Hg.), Soziale Motive und soziale Einstellungen, Göttingen 2016, 795–815 (hier auch Hinweise zu den klassisch gewordenen Studien von J. H. Flavell, R. Selman u. a.).

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losigkeit spielen? Wie steht es um die Perspektivendifferenz, die sich aus dem neuzeitlichen Auseinandertreten unterschiedlicher Rationalitätsformen ergeben – etwa zwischen Glaube und Naturwissenschaft als unterschiedlichen Formen der Weltdeutung?148 Bei genauerer Betrachtung wird allerdings rasch deutlich, dass es wenig sinnvoll wäre, wollte sich der Religionsunterricht auf nur einen der damit benannten Zusammenhänge beschränken. An interreligiösen Fragen und den damit verbundenen Herausforderungen wird heute in der Religionspädagogik kaum mehr jemand vorbeigehen wollen, aber ebenso wenig steht zu erwarten, dass eine verstärkt interreligiöse Bildung automatisch auch einen kompetenten Umgang mit unterschiedlichen, beispielsweise religiösen und naturwissenschaftlichen Rationalitätsformen mit sich bringt. Deshalb wird an dieser Stelle für ein integratives Verständnis von Perspektivenübernahme plädiert. Anders ausgedrückt, soll unter Perspektivenübernahme eine allgemeine Fähigkeit verstanden werden, die sich auf sehr unterschiedliche Inhaltsbereiche und interpersonale Verhältnisse beziehen lässt: auf die Begegnung zwischen Menschen unterschiedlicher religiöser und nicht-religiöser, mitunter weltanschaulicher Prägung ebenso wie auf den Umgang mit unterschiedlichen Deutungen der Welt, etwa religiösen und naturwissenschaftlichen Sichtweisen der Weltentstehung (Schöpfungsglaube und Evolutionstheorie usw.). Klar ist damit, dass es sich bei der Fähigkeit zur Perspektivenübernahme um einen mehrschichtigen, in sich selbst komplexen Indikator handelt. Genauer gesagt, muss angesichts des Forschungsstandes offenbleiben, ob eher von mehreren, miteinander verwandten Fähigkeiten auszugehen ist (Teilkonstrukte) oder von einer einheitlichen Fähigkeit (Gesamtkonstrukt), die sich in Bezug auf verschiedene Situationen oder Themen zeigt.149 Es fehlt bislang vor allem an empirischen Untersuchungen, die dazu weiterreichende Aufschlüsse geben könnten. Zwischen der religionspädagogisch-theoretischen Bedeutung des Perspektivenwechsels und deren empirischer Erforschung besteht noch eine empfindliche Lücke. Insofern basiert auch das hier zugrunde gelegte integrative Verständnis von Perspektivenübernahmefähigkeit bislang vor allem auf theoretischen Argumenten, deren Tragfähigkeit in der weiteren Forschung empirisch auf die Probe gestellt werden muss. Nicht zuletzt sind auch in der religionspädagogischen Diskussion verschiedene Fragen noch als offen zu bezeichnen: 148 Vgl. etwa Käbisch, Didaktik des Perspektivwechsels (s. Anm. 123); Dressler, Unterscheidungen (s. Anm. 125). 149 Vgl. bspw. M. Losert/H. Merkt/F. Schweitzer, In Search of Interreligious Competence: An Empirical Study in the Context of Training Caregivers Through Religious Education. In: Journal of Empirical Theology 28 (2015), 90–112.

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Ȥ Welche auch empirisch erfassbaren Fähigkeiten sind für einen Perspektivenwechsel hinsichtlich unterschiedlicher Weltzugänge und Rationalitätsformen erforderlich? Bislang fehlt es dazu weithin an entsprechenden Untersuchungen. Lediglich für ein Denken in Komplementarität hinsichtlich des Verhältnisses religiöser und naturwissenschaftlicher Deutungsweisen liegen einschlägige Befunde vor.150 Ȥ Wie lässt sich die interreligiöse Perspektivenübernahme verlässlich erfassen? Die dazu verfügbaren empirischen Untersuchungen schließen in dieser Hinsicht verschiedene Bestimmungsmöglichkeiten ein, die sich zum Teil auch empirisch validieren ließen.151 Gleichwohl sind hier noch viele Fragen offen, die nicht nur die wissenschaftliche Forschung betreffen, sondern auch die Art und Weise, wie eine interreligiöse Perspektivenübernahme in der Praxis unterstützt werden kann. Ȥ Welche Aufgaben verbinden sich mit einer Perspektivenübernahme zwischen Menschen, die sich als religiös auf der einen und als nicht-religiös oder konfessionslos auf der anderen Seite verstehen? Soweit vor allem in Ostdeutschland in der Konfessionslosigkeit eine materialistische Weltanschauung nachwirkt, wie sie im sozialistischen Bildungswesen vermittelt wurde, geht es hier um eine Begegnung von Menschen, die sich auf unterschiedliche – religiöse und nicht-religiöse – Weltanschauungen berufen.152 Doch zeigen erste Untersuchungen zu konfessionslosen Schülerinnen und Schülern in Westdeutschland, dass eine solche weltanschauliche Bestimmtheit im Sinne eines Materialismus keineswegs allgemein vorausgesetzt werden kann.153 Auch dass konfessionslose Jugendliche durchweg nicht-religiös oder religiös wären, kann demnach nicht einfach pauschal vorausgesetzt werden. Was dies für die Perspektivenübernahme bedeutet, muss deshalb weiter geklärt werden. Als Folgerung kann festgehalten werden, dass ein integratives, verschiedene Aspekte einbeziehendes Verständnis von Perspektivenübernahme religionspädagogisch gut begründet ist, dass sich die Begründungen bislang aber vor allem auf theoretische Argumente stützen, während empirische Befunde dazu nur teilweise verfügbar sind. Zur Qualitätsentwicklung von Religionsunterricht 150 Vgl. R. L. Fetz/K. H. Reich/P. Valentin, Weltbildentwicklung und Schöpfungsverständnis. Eine strukturgenetische Untersuchung bei Kindern und Jugendlichen, Stuttgart u. a. 2001. 151 Vgl. Schweitzer u. a., Interreligiöses Lernen (s. Anm. 122). 152 Vgl. D. Käbisch, Religionsunterricht und Konfessionslosigkeit. Eine fachdidaktische Grundlegung, Tübingen 2014. 153 Vgl. Schweitzer u. a., Jugend – Glaube – Religion (s. Anm. 8), bes. 65–117.

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gehört deshalb vordringlich auch die Aufgabe, die empirische Forschung zur Perspektivenübernahme weiter voranzutreiben. Zur Bestimmung des Indikators Perspektivenübernahmefähigkeit Ȥ Die Fähigkeit zu Perspektivenübernahme und Perspektivenwechsel wird in der Religionspädagogik der Gegenwart als zentral angesehen. Gerade der Religionsunterricht soll und kann demnach einen Beitrag zur Ausbildung dieser Fähigkeit leisten. Bislang fehlt es weithin aber an Kriterien, mit deren Hilfe sich beurteilen lässt, wann das angestrebte Verstehen im Unterricht tatsächlich erreicht ist. Ȥ Der Perspektivenwechsel wird in der religionsdidaktischen Diskussion auf verschiedene Bereiche bezogen: unterschiedliche Rationalitätsformen, verschiedene Glaubensüberzeugungen, Konfessionslosigkeit. Ein integratives Verständnis von Perspektivenübernahme zielt darauf, diese verschiedenen Bereiche gleichermaßen zu berücksichtigen. Ȥ Trotz der hervorgehobenen religionspädagogischen Bedeutung der Fähigkeit zur Perspektivenübernahme fehlt es bislang noch an empirischen Untersuchungen dazu, wie diese Fähigkeit verlässlich erfasst und wie sie im Unterricht wirksam gefördert werden kann. Insofern handelt es sich noch um einen vor allem theoretisch gut begründeten Indikator, der empirisch weiter geklärt werden muss.

Beispiel: Perspektivenwechsel: »Hat Gott die Welt geschaffen?« Neuere repräsentative Befunde aus verschiedenen empirischen Untersuchungen mit Jugendlichen zeigen, dass nur eine Minderheit auch der evangelischen und katholischen Befragten der Aussage »Die Welt ist von Gott erschaffen« zustimmt. Und nur wenige sind der Meinung, dass beide, religiöse und nicht-religiöse Formen der Weltdeutung gleichzeitig wahr sein können.154 Bislang scheint auch der Religionsunterricht nur wenig zur Ausbildung eines komplementären Denkens im Sinne des Perspektivenwechsels im Blick auf unterschiedliche Rationalitätsformen beizutragen. Glaube und Naturwissenschaft stehen für die Schülerinnen und Schüler wohl weithin unverbunden 154 Vgl. u. a. ebd.

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nebeneinander – mit der Folge, dass zunehmend nur die Wahrheit naturwissenschaftlicher Erkenntnisse überzeugt. Qualitätsfragen Ȥ Wie wird der Perspektivenwechsel im Unterricht gefordert und gefördert? Wie wird das Verhältnis zwischen Glaube und Naturwissenschaft thematisiert? Ȥ Welche thematischen Zusammenhänge wie etwa »Schöpfung und Evolution« werden aufgenommen? Wie häufig geschieht dies? Ȥ Wird im Unterricht ein systematischer Aufbau von Einsichten in die Unterschiede zwischen Glaube und Naturwissenschaft angebahnt? Welche Elemente werden dazu über die Jahrgangsstufen hinweg bereit­ gestellt? Ȥ Wird die Nachhaltigkeit der erworbenen Fähigkeit zum Perspektivenwechsel unterstützt? Welche Lernmöglichkeiten werden dabei genutzt? Ȥ Wie kommen unterschiedliche religiöse und nicht-religiöse Deutungsweisen von Schülerinnen und Schülern zum Tragen?

Toleranz Es liegt auf der Hand, dass ein Fokus auf Wissen, Verstehen und Perspektivenübernahme allein für eine angemessene Qualitätswahrnehmung im Religionsunterricht nicht ausreichen kann. Es kommt immer auch darauf an, mit welchen Einstellungen sich entsprechende Kenntnisse und Fähigkeiten verbinden. In Politik und Öffentlichkeit wird vielfach sogar eher umgekehrt davon ausgegangen, dass gerade Einstellungen, die im Sinne von Werten für ein friedliches Zusammenleben in der Gesellschaft förderlich sind, in der gegenwärtigen gesellschaftlichen Situation an erster Stelle stehen müssen, nicht zuletzt im Religionsunterricht. Eine Beschränkung auf friedensförderliche Einstellungen könnte jedoch leicht vordergründig bleiben. Dies hat nicht zuletzt die Diskussion um das Verständnis von Toleranz gezeigt: Die bloße Bereitschaft, andere und anderes eben hinzunehmen, reicht nicht aus, wenn andere wirklich geachtet werden sollen (vgl. S. 82). Dazu ist vielmehr eine Vertrautheit gerade auch mit den Unterschieden erforderlich (Wissen und Verstehen) sowie die Fähigkeit, sich mit den Augen des anderen zu sehen (Perspektivenübernahme). Insofern gehören die vier Indikatoren von Wissenserwerb, Verstehen, Fähigkeit zur Perspektivenübernahme und Toleranz religionspädagogisch gesehen zusammen und greifen ineinander.

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Dabei ist auch für den Indikator der Toleranz von einem mehrschichtigen Verständnis auszugehen: Ȥ Religionsbezogene Toleranz ist bereits innerhalb der eigenen Religionsgemeinschaft gefragt. In diesem Fall betrifft sie die vielleicht besonders herausfordernde Frage, wie die gemeinsame Zugehörigkeit zu einer Kirche sich mit weitreichenden Unterschieden in den religiösen Überzeugungen verbinden lässt. Je stärker solche Unterschiede bewusst und ausdrücklich gemacht werden, wie es heute weithin der Fall ist, desto mehr kommt es auf eine reflektierte Toleranz an. Ȥ Die stärkste Beachtung hat jedoch das Erfordernis von Toleranz im Blick auf andere Kulturen und andere Religionen gefunden. Den Ausgangspunkt markieren hier die sich aufdrängenden Unterschiede, während die Frage nach Gemeinsamkeiten die entscheidende Herausforderung darstellt. Diese Frage kann sich auf verschiedene Aspekte oder Ebenen beziehen – das gemeinsame Leben in der Gesellschaft allgemein, den miteinander geteilten Alltag beispielsweise in der Schule, aber auch auf vielleicht hinter den Unterschieden bei den Glaubensüberzeugungen zu entdeckende Gemeinsamkeiten etwa zwischen monotheistischen, sich auf Abraham als Stammvater berufenden Religionen usw.155 Ȥ Schon seit der Aufklärungszeit begleitet die Frage nach Toleranz im Blick auf nicht-religiöse oder atheistisch eingestellte Menschen den philosophischen und politischen Diskurs. Lange Zeit herrschte die Überzeugung vor, dass vor allem atheistische Weltanschauungen nicht geduldet werden könnten, weil sie der Gesellschaft abträglich seien. Heute sind solche Sichtweisen selten geworden, während sich umso mehr die Frage stellt, welche religiösen oder nicht-religiösen Ausdrucksformen beispielsweise in der Schule toleriert werden müssen – angefangen beim Kruzifix oder Kopftuch im Klassenzimmer auf der einen und bei als antireligiös wahrgenommenen Karikaturen zu Jesus oder Mohammed auf der anderen Seite. Ȥ In der aktuellen Diskussion spielen besonders Herausforderungen des neuen Antisemitismus, aber auch eines Antiislamismus eine hervorgehobene Rolle. Daran ist die Bedeutung von Einstellungen ebenfalls abzulesen: Namentlich der Religionsunterricht kann an der Problematik der Xenophobie nicht vorbeigehen. Neuere Befunde aus der Forschung zu Jugend und Religion machen sichtbar, dass fremden- und religionsfeindliche Einstellungen auch 155 Vgl. dazu bspw. verschiedene Stellungnahmen der EKD, bes. EKD (Hg.), Christlicher Glaube und nicht-christliche Religionen. Theologische Leitlinien. Ein Beitrag der Kammer für Theologie, Hannover 2003; EKD, Christlicher Glaube und religiöse Vielfalt in evangelischer Per­ spektive. Ein Grundlagentext des Rates der EKD, Gütersloh 2015.

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bei den Schülerinnen und Schülern im Religionsunterricht verbreitet sind – ausgeprägter in Gestalt einer Ablehnung des Islam (»Es gibt zu viele Muslime in Deutschland«: 22 % Zustimmung) als des Judentums (»Es gibt zu viele Juden in Deutschland«: 5 % Zustimmung).156 In beiden Fällen stellt sich die analoge Frage, wie solche Einstellungen verändert werden können. So sehr die Forderung nach Veränderungen intoleranter Einstellungen auch religionspädagogisch zu bejahen ist, bleibt doch der in verschiedenen Untersuchungen bestätigte Befund, dass sich solche Änderungen im Rahmen von Schule und Unterricht kaum erzielen lassen (vgl. S. 83). Selbst gezielte Interventionen im Sinne speziell auf interreligiöses Lernen eingestellter Unterrichtseinheiten erbrachten keine Einstellungsänderungen.157 Ob es sich dabei um eine absolute Grenze auch für den (Religions-)Unterricht handelt, sodass nach alternativen pädagogischen Möglichkeiten in der Schule gesucht werden muss, lässt sich aufgrund der bislang verfügbaren Befunde allerdings noch nicht entscheiden. Als Folgerung kann festgehalten werden, dass Bildung zur Toleranz ein sinnvoller und in der Gegenwart immer wichtiger werdender Indikator für Unterrichtsqualität darstellt. Zugleich müssen die darauf bezogenen Erwartungen auf vielfach ausbleibende Effekte eingestellt sein. Insofern sind einerseits vermehrte eigene Versuche dazu gefragt, neue unterrichtliche Strategien zu entwickeln, und andererseits ein kritisches Bewusstsein für die Frage nach der Wirksamkeit solcher Strategien. Auch fächerverbindende Initiativen könnten hier eine wichtige Option sein, ebenso wie beispielsweise Projekte oder andere Aktionen. Zur Bestimmung des Indikators Toleranz Ȥ Toleranz meint mehr als ein bloßes Dulden oder Hinnehmen von Unterschieden oder Gegensätzen. Als Bildungsziel kann nur eine aktive und informierte Toleranz gelten, die auch eine Vertrautheit mit Gemeinsamkeiten und Unterschieden einschließt. Ȥ Toleranz erfordert ein mehrschichtiges Verständnis, da sie in unterschiedlichen Zusammenhängen eine je andere Ausrichtung gewinnt: • innerhalb der eigenen Religionsgemeinschaft als Umgang beispielsweise mit unterschiedlichen Auffassungen des christlichen Glaubens; 156 Schweitzer u. a., Jugend – Glaube – Religion (s. Anm. 8), 144. 157 Vgl. Schweitzer u. a., Interreligiöses Lernen (s. Anm. 122).

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• im Verhältnis zu anderen Kulturen und Religionen als kritische Offenheit für Glaubensüberzeugungen, die sich grundsätzlich von den eigenen unterscheiden; • in Bezug auf nicht-religiöse oder atheistisch eingestellte Menschen, deren Weltanschauung religiöse Überzeugungen ausschließt, als nicht-diskriminierende Dialogbereitschaft; • in der kritischen Auseinandersetzung mit Formen von Xenophobie (besonders Antisemitismus, Antiislamismus). Ȥ Gerade im Blick auf Einstellungen sind Veränderungen im herkömmlichen Rahmen von Schule und Unterricht nur schwer zu erreichen. Deshalb sollten hier auch verstärkt neue, fächerverbindende Initiativen, Projekte, Aktionen usw. in Angriff genommen werden.

Beispiel: Wie wirksam ist die Bildung zu Toleranz? Häufig wird angenommen, dass Intoleranz eher bei älteren Schülerinnen und Schülern anzutreffen sei. Ähnliches gilt auch für Vorurteile, die ebenfalls am wenigsten bei Kindern vermutet werden. Grundsätzlich mag das auch richtig sein, aber es sollte nicht darüber hinwegtäuschen, dass schon Kinder Vorurteile haben können. Empirische Befunde dazu sind allerdings selten. In einer neuen, allerdings nicht repräsentativen Studie zu Unterricht über Judentum und Islam in Klasse 5/6 reagierten die Schülerinnen und Schüler eher ablehnend auf die Aussage »Bei uns leben zu viele Ausländer«, aber die Mittelwerte lassen doch erkennen, dass die Aussage bei manchen der Befragten durchaus Zustimmung erhielt (3,5 bei einer fünfstufigen Skala).158 Bei dieser Untersuchung wurde den Schülerinnen und Schülern auch die Frage vorgelegt, welche Mitschülerinnen und -schüler ihnen am liebsten wären. Diese Frage wurde ihnen mehrfach gestellt – vor dem Unterricht zu Judentum und Islam (t1), unmittelbar danach (t2) sowie im zeitlichen Abstand einiger Wochen (t3). Die Tabelle zeigt die Befunde für alle drei Befragungszeitpunkte: »Fändest du es gut, wäre es dir egal oder fändest du es nicht so gut, wenn folgende Schüler neu in deine Klasse kämen?« 158 Nach Schweitzer/Bucher, Judentum und Islam (s. Anm. 92), 140 f.

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Qualität im Religionsunterricht wahrnehmen und beurteilen

  Ein russisches Kind mit evangelischem Glauben

Mt1

Mt2

Mt3

2.3

2.2

2.2

Ein Flüchtlingskind aus dem Irak

2.6

2.5

2.6

Ein Kind aus Afrika mit dunkler Hautfarbe

2.1

2.1

2.1

Ein jüdisches Kind aus Köln

2.3

2.3

2.4

Ein muslimisches Mädchen mit Kopftuch

2.8

2.7

2.8

Ein Kind, das zu keiner Religion gehört

2.4

2.3

2.3

N = 451–458. Mittelwerte einer 5-stufigen Likert-Skala (1 = fände ich gut, 3 = wäre mir egal, 5 = fände ich nicht so gut).

Schon auf den ersten Blick fällt auf, dass es zwischen den drei Befragungszeitpunkten kaum Veränderungen gibt. Am wenigsten beliebt sind das »muslimische Mädchen mit Kopftuch« sowie das »Flüchtlingskind aus dem Irak«. Allerdings verbleiben alle Werte dicht beim neutralen Bereich (»wäre mir egal«). Qualitätsfragen Ȥ Wie werden Einstellungen im Unterricht aufgenommen? In welcher Hinsicht wird eine Veränderung von Einstellungen im Sinne von Toleranz unterstützt? Ȥ Welche Rolle spielen Vorurteile bei der Vorbereitung von Religionsunterricht? Wodurch begegnet der Unterricht (möglichen) Vorurteilen beispielsweise gegen Jüdinnen und Juden oder Muslimas und Muslime? Ȥ Welche Arbeitsformen sind besonders geeignet, die Bildung zur Toleranz zu stärken? Wie häufig kommen sie im Unterricht vor? Ȥ Sind die Bildungspläne für den Religionsunterricht bei Themen wie Judentum oder Islam auf Vorurteile eingestellt? In welcher Form werden sie aufgenommen? Ȥ Welche über den Unterricht hinausreichenden Angebote könnten den Abbau von Vorurteilen unterstützen? Unterschiedliche Einsatzmöglichkeiten der Indikatoren: Produkt- und Prozessqualität

Bislang wurden die vier hier exemplarisch ausgewählten Indikatoren – Wissen, Verstehen, Perspektivenübernahme, Toleranz – als solche betrachtet. In welcher Weise sollen sie nun aber auf den Unterricht bezogen werden und welche Qualitätswahrnehmungen lassen sie dann zu?

Was soll wie erfasst werden?

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Die Antwort auf diese Fragen liegt durch die Auswahl der Indikatoren als solchen noch nicht fest. Vielmehr zeichnen sich diese Indikatoren gerade dadurch aus, dass sie unterschiedliche Einsatzmöglichkeiten bieten. Dies soll im Folgenden wiederum exemplarisch in zwei Hinsichten verdeutlicht werden, die sich aus den Überlegungen zum »guten Religionsunterricht« in Teil 1 des Buches ergeben. Dort ist u. a. deutlich geworden, dass es für »guten Religionsunterricht« sowohl auf die Produktqualität als auch auf die Prozessqualität ankommt. »Guter Religionsunterricht« unterstützt den Erwerb von Kompetenzen, aber die Art und Weise, in der dies geschieht, ist dabei keineswegs gleichgültig. Produktqualität Angesichts der hervorgehobenen Bedeutung von Kompetenzorientierung sowohl in der allgemeinen Unterrichts- und Bildungsforschung als auch in der Religionsdidaktik liegt es zunächst nahe, die Indikatoren als (Teil-)Kompetenzen zu verstehen. In diesem Sinne beschreiben sie, was im Unterricht im Sinne des Kompetenzerwerbs gelernt werden soll. Unterrichtsqualität bestimmt sich dann daraus, in welchem Maße der entsprechende Kompetenzerwerb tatsächlich gelungen ist oder nicht. Kompetenzerwerb ist dabei keine Frage, die sich einfach mit »Ja« oder »Nein« beantworten lässt. In aller Regel sind Aussagen darüber, ob eine Kompetenz erworben wurde oder nicht, kaum sinnvoll. Vielmehr sind unterschiedliche Ausprägungen von Kompetenzen zu erwarten und ist der Unterrichtserfolg umso größer, je stärker diese Ausprägung ausfällt. Wie sich unterschiedliche Ausprägungen beschreiben und erfassen lassen, stellt daher eine weitere Aufgabe dar, für die Forschung ebenso wie für die Unterrichtspraxis. Wie aus der Erfahrung mit der Bewertung von Tests oder Klassenarbeiten bekannt ist, fällt eine begründete und transparente Erfassung unterschiedlicher Ausprägungen beim Wissen besonders leicht, während sich anspruchsvollere Fähigkeiten wie Verstehen oder Perspektivenübernahme weit schwerer fassen lassen. In der Wissenschaft wird deshalb nach Möglichkeiten gesucht, auch für solche Fähigkeiten klar ausweisbare Skalierungen zu entwickeln. Für die Entwicklung der Fähigkeit zur Perspektivenübernahme beispielsweise werden schon seit langem einfachere und komplexere Formen des Perspektivenwechsels unterschieden und wird nach einer möglicherweise stufenartigen Abfolge dieser Formen im Kompetenzerwerb gefragt.159 Häufiger wird aber so verfahren, dass unterschiedliche Ausprägungen von Perspektivenübernahme anhand richtiger oder nicht richtiger Antworten bei der Lösung entsprechender Aufgaben abgelesen werden. 159 Vgl. die in Anm. 147 angegebene Literatur.

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Qualität im Religionsunterricht wahrnehmen und beurteilen

Bei Einstellungen, wie sie mit dem Toleranzbegriff angesprochen sind, kann ebenfalls nach Veränderungen gefragt werden. In diesem Fall gehen die wissenschaftlichen Untersuchungen allerdings über das hinaus, was in der Schule üblicherweise bewertet wird und bewertet werden kann. Einstellungen betreffen in aller Regel eine persönliche Dimension, die sich nicht im Sinne schulischer Leistung darstellen lässt. Zugleich ist am Beispiel von antisemitischen Einstellungen und Islamfeindlichkeit schon deutlich geworden, dass eine Veränderung solcher Haltungen durch schulische Bildungsangebote gleichwohl sehr wünschenswert ist. Daraus resultiert die Aufgabe, auch solche Einstellungsänderungen verlässlich erfassen zu können. Prozessqualität Werden die genannten Indikatoren bei der Wahrnehmung von Prozessqualität im Religionsunterricht herangezogen, ergeben sich naturgemäß andere Fragehinsichten als bei der Konzentration auf Produktqualität im Sinne des Kompetenzerwerbs. Zu fragen ist nun nach dem Umgang mit Wissen im Unterricht. Welches Wissen kommt vor, und wie ist die dabei unvermeidbare Auswahl zu beurteilen? Wie wird das Wissen präsentiert oder erarbeitet, und welche Rolle spielen dabei Bezüge auf die Fachwissenschaft einerseits und den bei Kindern und Jugendlichen angestrebten Wissenserwerb andererseits? Reicht das ausgewählte Wissen aus, um ein Thema wirklich erfassen zu können? Wie leicht zu erkennen ist, kommt hier wiederum die Fach- bzw. die Religionsdidaktik ins Spiel. Der Umgang mit Wissen im Unterricht ist immer auch eine Elementarisierungsaufgabe – angefangen bei der Identifikation elementaren Wissens (elementare Strukturen) über den erforderlichen Bezug auf Erfahrungen und Deutungsweisen der Kinder und Jugendlichen (elementare Erfahrungen und Zugangsweisen) bis hin zu der vielleicht angesprochenen existenziellen Dimension (elementare Wahrheiten). Weitere Fragen beziehen sich auf die Art und Weise, wie Verstehen unterstützt wird. An welchen Punkten und in welchen Hinsichten geht der Unterricht über die Aneignung von Wissen im Sinne eigener Verarbeitung durch die Schülerinnen und Schüler hinaus? Wie werden weiterreichende Verstehens­ prozesse angebahnt, und wodurch sollen sie ausgelöst werden? Welche Lernaufgaben werden dazu geboten? Zur Unterstützung der Entwicklung von Perspektivenübernahmefähigkeit gibt es keine andere Möglichkeit, als die Perspektivenübernahme einzuüben. Insofern stellt sich im Blick auf die entsprechende Qualität von Unterricht die Frage, welche Möglichkeiten zu einer solchen Einübung geboten werden.

Was soll wie erfasst werden?

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Wie häufig kommen solche Möglichkeiten im Unterricht überhaupt vor? Sind Lernaufgaben so ausgestaltet, dass sie zur Perspektivenübernahme auffordern? Welche unterschiedlichen kognitiven, emotionalen und handlungsbezogenen Lernformen werden praktiziert? Am schwersten fällt es, Toleranz als Indikator von Unterrichtsqualität prozessorientiert zu fassen. Das hängt mit der bereits mehrfach angesprochenen Schwierigkeit zusammen, dass Einstellungsänderungen allein durch Unterricht offenbar kaum erreicht werden können. Dennoch kann nach Aspekten und Elementen im Unterricht gefragt werden, die einer Bildung zur Toleranz förderlich sein könnten. Hier spielt dann erneut die Frage der Auswahl von Wissen sowie der Präsentation eine Rolle: Werden beispielsweise Unterrichtsinhalte so präsentiert, dass sie Stereotype hervorrufen oder bestätigen? Werden im Blick etwa auf Angehörige anderer Religionen weiterreichende Verstehensprozesse angeregt, auch unter Einbezug der Perspektivenübernahme, oder bleibt es bei eher äußerlichen Wahrnehmungen? Um solche Aspekte erfassen zu können, werden in der Empirischen Bildungsforschung entsprechende Schülerbefragungen durchgeführt, mit deren Hilfe sich die Wahrnehmung verschiedener Aspekte von Unterrichtsqualität erfassen lässt. Die auf diese Weise gewonnenen Befunde erweisen sich dabei als durchaus verlässlich, d. h., sie lassen sich auch durch mit anderen Verfahren gewonnene Einschätzungen bestätigen.160 Die dafür entwickelten Instrumente beziehen sich allerdings nicht auf den Religionsunterricht, sondern auf andere Fächer. Deshalb sind religionspädagogische Weiterentwicklungen solcher Befragungsinstrumente erforderlich.161

160 Vgl. R. Göllner u. a., Erfassung der Unterrichtsqualität mithilfe von Schülerurteilen: Chancen, Grenzen und Forschungsperspektiven. In: BMBF (Hg.), Forschungsvorhaben in Ankoppelung an Large-Scale-Assessments, Berlin 2016, 63–82. Vgl. auch J. Kloss, Grundschüler als Experten für Unterricht. Empirische Überprüfung der Validität von Unterrichtsbeurteilungen durch Schüler der dritten und vierten Jahrgangsstufe, Frankfurt/M. 2014. 161 Daran wird im Rahmen weiterer Tübinger Projekte derzeit gearbeitet. Zum Hintergrund vgl. auch S. Schwarz, SchülerInnenperspektiven und Religionsunterricht. Empirische Einblicke – Theoretische Überlegungen, Stuttgart 2019.

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Qualität im Religionsunterricht wahrnehmen und beurteilen

4. Indikatorengestützte Untersuchungen zur Unterrichts­ qualität als notwendige Weiterentwicklung von Religions­ didaktik Die Frage nach Qualität und Qualitätsentwicklung sowie nach »gutem Unterricht« kommt heute in erster Linie aus der empirischen Unterrichts- und Bildungsforschung sowie aus der Bildungspolitik. Insofern begegnet sie der Religionsdidaktik wie auch den anderen Fachdidaktiken zunächst gleichsam von außen. Der Eindruck, dass es hier vor allem um eine politische oder staatliche Vorgabe gehe, kann sich zudem vor allem dort einstellen, wo staatlicherseits eine Umstellung von Aus- und Fortbildung auf der Grundlage empirischer Qualitätsanalysen etabliert wird. Solche Umstellungsprozesse sind derzeit in verschiedenen Bundesländern im Gange, besonders markant etwa in Baden-Württemberg.162 In der Praxis kann dies leicht zu der Wahrnehmung führen, dass der eigene Unterricht zunehmend außengesteuert und damit fremdbestimmt sei – mit der Folge einer entsprechenden Abwehrhaltung. Deshalb ist es an dieser Stelle so wichtig, sich klarzumachen, was indikatorengestützte Untersuchungen zur Unterrichtsqualität für die Religionsdidaktik selbst bedeuten. Indikatorengestützte Unterrichtsforschung in religionsdidaktischer Perspektive

Die These, die im Folgenden begründet und weiter entfaltet werden soll, lautet, dass solche Untersuchungen gerade auch aus der Eigensicht der Religionsdidaktik sinnvoll sind und dass sie in wesentlicher Hinsicht zu einer Weiterentwicklung von Religionsdidaktik beitragen können. Sie betreffen nämlich Aspekte von Religionsunterricht, die in der bisherigen religionsdidaktischen Diskussion weithin wenig Beachtung gefunden haben. Um diese These zu begründen, muss noch einmal an bereits Ausgeführtes angeknüpft werden: Eine besondere Stärke der Religionsdidaktik kann darin gesehen werden, dass sie sich immer wieder neu mit der konzeptionellen Ausrichtung von Religionsunterricht befasst hat. In der Lehrbuchliteratur ist dies daran abzulesen, dass dort in aller Regel eine Abfolge unterschiedlicher sogenannter Konzeptionen dargestellt wird.163 Mit diesen Konzeptionen verschieben sich jeweils die grundlegenden Ziele für den Religionsunterricht, etwa im Sinne der Verkündigung, der Auslegung von Texten, der Auseinandersetzung 162 Hier wird ein Institut für Bildungsanalysen aufgebaut, das durch sogenanntes Bildungsmonitoring die dafür erforderlichen empirischen Grundlagen bereitstellen soll; vgl. https:// ibbw.kultus-bw.de (Zugriff 14.1.2020). 163 Vgl. etwa G. Lämmermann, Religionspädagogik im 20. Jahrhundert, Gütersloh 1994.

Indikatorengestützte Untersuchungen zur Unterrichts­qualität

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mit aktuellen gesellschaftlichen Problemen usw. Die Schwerpunktsetzung bei solchen Grundsatzfragen entspricht offenbar in besonderer Weise dem Fach Religion, das immer wieder nach innen und außen sein Selbstverständnis sowohl theologisch als auch bildungstheoretisch begründen und ausweisen muss. Gleichzeitig führt die Konzentration auf Konzeptionsfragen aber auch dazu, dass die alltägliche Realität von Unterricht weit weniger im Blick ist. Die konkrete Ausgestaltung von Religionsunterricht lässt sich jedoch nicht einfach deduktiv aus Grundsatzentscheidungen ableiten, sondern es müssen didaktischpraktische Strategien dafür entwickelt werden, wie der Unterricht im Rahmen einer sogenannten religionsdidaktischen Konzeption konkret durchgeführt werden soll.164 Bislang erscheint dies nicht ohne Weiteres gewährleistet. Der wissenschaftliche Anspruch betrifft häufig nur die konzeptionelle Ebene, nicht aber die praktische Unterrichtsgestaltung und deren Qualität. Das damit angesprochene Problem, dass sich die konkrete Unterrichtsgestaltung nicht einfach von selbst aus Grundsatzentscheidungen ergibt, wurde auch in der Vergangenheit in der religionsdidaktischen Diskussion durchaus wahrgenommen. In der Folge wurden deshalb häufig Vorschläge im Sinne von Konkretionen ausgearbeitet. In besonders eindrücklicher Weise gilt dies beispielsweise für die Symboldidaktik. Auf evangelischer Seite hat hier Peter Biehl in drei Bänden zunächst konzeptionelle Fragen bearbeitet und dann Praxisbeispiele entfaltet.165 Auf katholischer Seite liegen von Hubertus Halbfas sogar zahlreiche Schulbücher vor, die eine Unterrichtsgestaltung im Sinne seiner Konzeption ermöglichen sollen.166 Die konzeptionellen Fragen werden dabei theoretisch, didaktisch und theologisch ausgearbeitet, während die praktischen Teile sowohl bei Biehl als auch bei Halbfas eher der Veranschaulichung des theoretisch Gemeinten dienen sowie der Anregung eigener Unterrichtsgestaltung in der Praxis. Vor allem ist bei diesen Autoren der im Sinne der jeweiligen Konzeption ausgestaltete Unterricht nicht Gegenstand etwa einer empirischen Untersuchung. Auf diese Weise entsteht eine wenig sinnvolle Zweiteilung oder Zweigleisigkeit zwischen einer theoretisch-konzeptionellen Religionsdidaktik auf 164 Als neuen Versuch in dieser Hinsicht vgl. Riegger, Handlungsorientierte Religionsdidaktik (s. Anm. 22). Riegger teilt die Einschätzung, dass die Religionsdidaktik sich zu stark auf eine »Metaebene« konzentriert und »didaktisches Handeln und Reflektieren in der Umsetzung« im Unterricht vernachlässigt habe (Bd. 1, 33). 165 Vgl. P. Biehl, Symbole geben zu lernen. Einführung in die Symboldidaktik anhand der Symbole Hand, Haus und Weg, Neukirchen-Vluyn 1989; ders., Symbole geben zu lernen II. Zum Beispiel: Brot, Wasser und Kreuz. Beiträge zur Symbol- und Sakramentendidaktik, NeukirchenVluyn 1993; ders., Festsymbole. Zum Beispiel: Ostern. Kreative Wahrnehmung als Ort der Symboldidaktik, Neukirchen-Vluyn 1999. 166 Vgl. seine Schulbuchreihe »Religionsbuch«, Düsseldorf 1983 ff.

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Qualität im Religionsunterricht wahrnehmen und beurteilen

der einen und einer praktischen (operativen) Religionsdidaktik auf der anderen Seite, wobei sich die wissenschaftliche Auseinandersetzung deutlich mehr auf die konzeptionellen Fragen bezieht als auf die operative Ebene. Da sich Beispiele für religionsdidaktisch-wissenschaftliche Untersuchungen zur konkreten Umsetzung der jeweils empfohlenen Konzeption bislang nur sehr vereinzelt finden lassen, soll eines dieser Beispiele zumindest in kurzer Form etwas genauer betrachtet werden. Im Anschluss an ihre konzeptionellen Überlegungen zu einer Performativen Religionsdidaktik haben Bernhard Dressler, Thomas Klie und Martina Kumlehn »Fallstudien« vorgelegt.167 Dabei werden sieben Unterrichtsstunden dokumentiert und analysiert, auf der Grundlage von Transkripten zu jeder Stunde. Die Befunde dieser Studie machen deutlich, dass Performativer Religionsunterricht keineswegs in allen Fällen gelingt. Manche der dokumentierten und analysierten Unterrichtsstunden entsprechen den performativen Erwartungen mehr als andere. Mitunter werden auch im Unterricht verpasste Chancen identifiziert. Auf diese Weise unterstreichen diese Studien das beschriebene Desiderat, dass über die Grundlegungsfragen hinaus auch die operative Ebene des Unterrichtens eigene Beachtung verdient. Unterrichtsqualität folgt nicht automatisch aus konzeptionellen Entscheidungen. Vielmehr gibt es immer bessere und schlechtere Realisierungsformen. Solche Fallstudien bringen das Anliegen der Qualitätsentwicklung auch selbst voran, indem sie in Gestalt von Unterrichtsanalysen Möglichkeiten bzw. Materialien für die Aus- und Fortbildung bereitstellen. Allerdings machen die Autoren und die Autorin zugleich auf Grenzen ihrer Untersuchung aufmerksam. So bleibt hier die Rezeption des Unterrichts durch die Schülerinnen und Schüler »weitgehend abgeblendet«. »Ebenso müssen evaluative Fragen nach dem Lernerfolg zurücktreten.«168 Mit diesen nicht weiter begründeten Einschränkungen wird zumindest ein Bewusstsein dafür signalisiert, dass bei dieser Untersuchung wichtige Fragen offen bleiben, die insbesondere zur Beurteilung der Qualität der analysierten Beispiele eigentlich bearbeitet werden müssten. Ohne Berücksichtigung von Rezeption und Wirkung von Unterricht auf Schülerseite kann seine Qualität nicht beurteilt werden. Über diese von der Autorengruppe selbst hervorgehobenen Einschränkungen hinaus kann aber auch noch eine weitere Grenze identifiziert werden, die in der Studie selbst nicht angesprochen wird, aber aus deren Anlage resultiert. 167 Vgl. B. Dressler/T. Klie/M. Kumlehn, Unterrichtsdramaturgien. Fallstudien zur Performanz religiöser Bildung, Stuttgart 2012. 168 Ebd., 44.

Indikatorengestützte Untersuchungen zur Unterrichts­qualität

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Gefragt und analysiert wird gleichsam konzeptionsimmanent, indem ausschließlich nach Realisierungsformen des Performativen Ansatzes gefragt wird. Diese Fragestellung ist sinnvoll, eben um Einblick in die praktische Umsetzung im Unterricht zu gewinnen, lässt aber kaum Aussagen darüber zu, wie ein Performativer Ansatz im Vergleich zu anderen religionsdidaktischen Ansätzen einzuschätzen ist. Solche vergleichenden Befunde müssten sich etwa darauf beziehen, ob denn ein performativ ausgestalteter Religionsunterricht tatsächlich größere Lernerfolge verspricht als beispielsweise ein symboldidaktisches Vorgehen. Interessant wäre dabei auch die Nachhaltigkeit unterschiedlicher Formen von Religionsunterricht, die sich allerdings auf der Grundlage allein einer Analyse von Unterrichtsstunden kaum beurteilen lässt. Dafür wäre vielmehr ein anderes Vorgehen erforderlich, etwa in Gestalt von Schülerbefragungen im zeitlichen Abstand zum Unterricht.169 Der Vorteil der im vorliegenden Band gewählten indikatorengestützten Vorgehensweise liegt in dieser Hinsicht darin, dass Religionsunterricht nicht nur jeweils konzeptionsimmanent in den Blick genommen werden kann, sondern aus einer übergreifenden Perspektive, wie sie durch den Bezug auf die genannten Indikatoren ermöglicht wird. So kann beispielsweise vergleichend gefragt werden, wie es um den Wissenserwerb bei konzeptionell unterschiedlichen religionsdidaktischen Ansätzen oder Realisierungsformen steht, welche Verstehensprozesse jeweils angeregt werden und welche Förderung der Perspektivenübernahmefähigkeit sowie von Einstellungen im Sinne der Toleranz erreicht wird. Befunde dieser Art können die didaktische Problemwahrnehmung schärfen und auf diese Weise die Qualitätsentwicklung im Religionsunterricht voranbringen. Solche Überlegungen könnten nun allerdings die Annahme nahelegen, dass dabei die empirische Unterrichtsforschung zunehmend an die Stelle fachdidaktischer Bestimmungen treten soll. Warum dies nicht sinnvoll wäre, soll daher eigens erläutert werden. Zur fachdidaktischen Integration empirischer Unterrichtsforschung

Schon im ersten Teil des Buches ist deutlich geworden, wie das Verhältnis zwischen Fachdidaktik und empirischer Unterrichtsforschung in der vorliegenden Darstellung gesehen wird. Demnach gehört es zu den Aufgaben der Religions169 Befunde in dieser Hinsicht bietet mit einer empirischen Untersuchung unterschiedlicher didaktischer Ansätze die Studie von Schweitzer u. a., Interreligiöses Lernen (s. Anm. 122). Die Befunde sind auch insofern besonders interessant, als sie weit verbreiteten (religions-)didaktischen Erwartungen etwa im Blick auf Lebenswelt- und Subjektorientierung im Unterricht widersprechen.

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Qualität im Religionsunterricht wahrnehmen und beurteilen

didaktik als Fachdidaktik, Qualitätsdimensionen für den Religionsunterricht als Fachunterricht zu identifizieren, die sich dann auch empirisch untersuchen lassen. Dabei werden fachdidaktische Bestimmungen gleichsam auf die Probe gestellt, aber empirische Befunde können normative Bestimmungen nicht einfach ersetzen. Das folgt schon aus der allgemein bekannten Unterscheidung zwischen Sein und Sollen. Anders ausgedrückt: Aus der faktischen, empirisch erfassbaren Gestalt von Unterricht folgt nicht, wie der Unterricht eigentlich aussehen sollte. Anhand des religionsdidaktischen Modells der Elementarisierung lässt sich genauer erläutern, was mit der Forderung gemeint ist, Befunde aus der empirischen Unterrichtsforschung fachdidaktisch zu integrieren. Zum Elementa­ risierungsmodell gehören insbesondere die fünf Dimensionen der Elementarisierung, die in nachfolgender Tabelle knapp dargestellt werden: Dimensionen der Elementarisierung Elementare Strukturen

Identifikation der zentralen inhaltlichen Aspekte, Zusammen­hänge, Aussagen usw., die mithilfe der Fachwissenschaft (­besonders der Theo­logie) herausgearbeitet werden, jedoch immer bereits mit Bezug auf eine bestimmte Lerngruppe, für die nicht gleichermaßen alle inhaltlichen Aspekte infrage kommen.

Elementare Zugänge

Wahrnehmung und Beschreibung der besonderen Zugangs- und Deutungsweisen von Kindern, Jugendlichen und Erwachsenen je nach Zielgruppe, aber auch verschiedener Einzelpersonen, deren je besondere Lebenslagen auch in ihre Verstehensweisen eingehen; Grundlage dafür sind entwicklungspsychologische sowie konstruktivistische Theorien, empirische Untersuchungen u. Ä.

Elementare Erfahrungen

Wahrnehmung und Beschreibung von Erfahrungen und lebensweltlichen Zusammenhängen, von denen her Kinder, Jugendliche und Erwachsene einem Thema begegnen bzw. auf die hin ein Thema ausgelegt werden kann, z. B. mithilfe der Sozialisations­forschung, empirischer Unter­suchungen zur Religiosität u. Ä.

Elementare Wahrheiten

Identifikation der existenziellen Bezüge oder Gewissheiten, die bei einem Thema oder in einer biblischen Geschichte etwa als Glaubensfragen angesprochen oder enthalten sind; Prüfung von Möglichkeiten, diesen Wahrheitsanspruch dialogisch aufzunehmen; auch dafür bietet die Theologie wichtige Hinweise, daneben ist hier etwa an theologische Gespräche mit Kindern, Jugend­lichen und Erwachsenen (Kinderund Jugendtheologie) zu denken.

Elementare Lernformen

Suche nach Formen des Lehrens und Lernens, die der Besonderheit des Themas gerecht werden, unter Berücksichtigung unterschiedlicher Aspekte des Lernens (kognitiv, affektiv, handlungsorientiert) sowie kreativer Möglichkeiten der Gestaltung im Anschluss an die aktuelle pädagogisch-didaktische Methodik.

Indikatorengestützte Untersuchungen zur Unterrichts­qualität

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Die vier oben dargestellten Indikatoren lassen sich diesen Erschließungsdimensionen zumindest schwerpunktmäßig zuordnen: Ȥ Der Wissenserwerb betrifft primär die elementaren Strukturen. Ȥ Verstehen und Perspektivenübernahmefähigkeit beziehen sich auf die elementaren Zugänge, können aber auch mit Erfahrungsbezügen und Wahrheitsfragen in Verbindung gebracht werden. Ȥ Toleranz steht in einem engen Verhältnis zu elementaren Erfahrungen, sofern es nicht um ein theoretisches, auf die elementaren Strukturen und Wahrheiten bezogenes Verständnis von Toleranz geht (das im Unterricht etwa der Sekundarstufe II durchaus eine Rolle spielen kann), sondern zumindest immer auch um die Einstellungen der Schülerinnen und Schüler. Aus dieser Zuordnung wird noch einmal ersichtlich, dass die vier für die Bestimmung von Unterrichtsqualität ausgewählten Indikatoren die elementaren Lernformen nur indirekt einbeziehen, nämlich sofern diese den Wissenserwerb, das Verstehen und die Perspektivenübernahme sowie die Bildung zur Toleranz unterstützen. Daraus folgt, dass der Einsatz weiterer Indikatoren fachdidaktisch durchaus sinnvoll sein kann, beispielsweise wenn primär etwa nach der methodischen Qualität von Religionsunterricht gefragt werden soll. Auch an dieser Stelle wird noch einmal deutlich, dass der fachdidaktische Horizont weiter greift als einzelne empirische Zugangsweisen und Untersuchungen. Da­­ rüber hinaus wiederholt sich die Forderung, die Qualitätswahrnehmung anhand der vier Indikatoren etwa durch Schülerbefragungen zur Wahrnehmung des Unterrichts zu erweitern. In neuerer Zeit wurde das Elementarisierungsmodell so weiterentwickelt, dass deutlich wird, in welchem Sinne Elementarisierung auf empirische Unterrichtsforschung angewiesen ist und deren Befunde religionsdidaktisch integriert werden können.170 Schon von Anfang an zielte das Elementarisierungsmodell auf eine konsequente Berücksichtigung empirischer Befunde zu den Lernvoraussetzungen, namentlich in Gestalt der religiösen Entwicklung im Kindes- und Jugendalter.171 Nunmehr stehen darüber hinaus Befunde zur Wirksamkeit von Religionsunterricht zur Verfügung, auf die auch für die Gestaltung von Unterricht zurückgegriffen werden kann. Diese Forderung berührt sich besonders eng mit den genannten Indikatoren. Erkenntnisse zum gelingenden oder nicht gelingenden Erwerb von Wissen beispielsweise können zum Ausgangspunkt 170 Vgl. Schweitzer u. a., Elementarisierung 2.0 (s. Anm. 14). 171 Vgl. F. Schweitzer u. a., Religionsunterricht und Entwicklungspsychologie. Elementarisierung in der Praxis, Gütersloh ²1997.

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Qualität im Religionsunterricht wahrnehmen und beurteilen

für eine gezielte Neu- oder Umgestaltung des Unterrichts führen. Die Wahrnehmung, dass die Fähigkeit zur Perspektivenübernahme intensiver unterstützt werden sollte, lässt sich in entsprechende Planungsüberlegungen übersetzen usw. Insgesamt bleibt es aber bei der Erkenntnis, dass empirische Untersuchungen den Religionsunterricht niemals insgesamt, in einer erschöpfenden Weise ausleuchten können. Schon von ihrer Vorgehensweise her sind empirische Untersuchungen darauf angewiesen, jeweils eine klar eingegrenzte Frage zu verfolgen. Unterrichtsplanung im Sinne der Fachdidaktik hingegen muss immer das Gesamt von Unterricht im Auge haben, wie es beispielsweise durch das Elementarisierungsmodell repräsentiert wird. Was tragen indikatorengestützte Untersuchungen zur Weiterentwicklung der Religionsdidaktik bei? Ȥ Die Religionsdidaktik hat sich bislang häufig auf die Entwicklung von »Konzeptionen« des Religionsunterrichts konzentriert. Insofern besteht eine empfindliche Lücke zwischen konzeptionellen Entwürfen und deren unterrichtspraktischer Verwirklichung. • Innerhalb unterschiedlicher religionsdidaktischer Konzeptionen ist jeweils mit gelingenden und weniger gelungenen Realisierungsformen zu rechnen, die mithilfe empirischer Untersuchungen identifiziert werden können. Da­ raus können sich neue Impulse auch für die konzeptionelle Entwicklung von Religionsunterricht ergeben. • Langfristig anzustreben ist eine vergleichende Bewertung unterschiedlicher didaktischer Strategien, ebenfalls auf der Grundlage empirischer Befunde. Ȥ Entscheidend ist dabei das wechselseitige Zusammenspiel von Fach- bzw. Religionsdidaktik und empirischer Unterrichtsforschung: • Die Fachdidaktik muss der Unterrichtsforschung Klärungsaufgaben zuweisen, beispielsweise unter dem Aspekt fachlicher und fachdidaktischer Unterrichtsqualität. • Fachdidaktisch-konzeptionelle Entwürfe müssen empirisch auf die Probe gestellt werden, beispielsweise hinsichtlich ihrer Wirksamkeit im Blick auf das Lernen der Schülerinnen und Schüler.

Untersuchungen zum Religionsunterricht und ihre Reichweite

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5. Untersuchungen zum Religionsunterricht und ihre Reichweite 5.1 Intention der Darstellung Die Darstellung im Folgenden soll zunächst einen Überblick zum Stand religionspädagogischer Unterrichtsforschung geben. Insofern folgt sie einer einführenden Absicht, geht zugleich aber darüber hinaus. Denn Versuche einer systematisierenden Gesamtschau zur religionspädagogischen Unterrichtsforschung sind bislang in der Literatur noch kaum verfügbar, sodass der Darstellung auch eine weiterführende Bedeutung zukommen kann.172 Im Vordergrund soll jedoch eine Orientierung im Feld religionspädagogischer Unterrichtsforschung stehen, die dazu befähigt, in reflektierter Weise mit entsprechenden Befunden umzugehen und Möglichkeiten zu prüfen, daraus einen Gewinn für die eigene Unterrichtsgestaltung zu ziehen. Einer solchen Orientierung dient der im Folgenden unternommene Versuch, verschiedene Ansätze oder Typen von Untersuchungen zum Religionsunterricht zu identifizieren. Für eine solche Typologie gibt es prinzipiell verschiedene Möglichkeiten. Häufig wird etwa an unterschiedliche methodische Vorgehensweisen gedacht. Für die Praxis ergiebiger könnte die im Folgenden gewählte Darstellungsform insofern sein, als sie sich zum einen an die in Teil 1 des Bandes entwickelten Qualitätskriterien und zum anderen an das in der pädagogischen Psychologie weithin akzeptierte sogenannte Angebots-Nutzungs-Modell von Unterricht anlehnt. Auf diese Weise wird dieses allgemeine pädagogisch-psychologische Modell von Unterricht zugleich fachdidaktisch transformiert und weiterentwickelt (s. u., S. 118). In diesem Sinne wird zunächst zwischen Untersuchungen zum Religionsunterricht im engeren und im weiteren Sinne unterschieden – zwischen Studien, die sich direkt auf den Unterricht beziehen, und solchen, die eher die Voraussetzungen und Kontexte von Unterricht betreffen. Innerhalb dieser beiden Bereiche werden dann weitere Unterscheidungen getroffen, im Blick auf die am Unterricht beteiligten Personen, aber auch unterschiedlichen Aspekten von Unterricht oder, bei den im weiteren Sinne unterrichtsbezogenen Untersuchungen, den verschiedenen Voraussetzungen.

172 Vgl. Schweitzer/Boschki, Researching (s. Anm. 18), eher auf exemplarische Beispiele bezogen ist der Band von Schambeck/Riegel (s. Anm. 18); als Einführung in forschungsmethodische Fragen vgl. auch Pirner/Rothgangel, Empirisch forschen (s. Anm. 90).

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Qualität im Religionsunterricht wahrnehmen und beurteilen

Durchweg soll die Darstellung dazu befähigen, die Reichweite der entsprechenden Untersuchungen kritisch abzuschätzen. Keiner der Ansätze oder Typen kann einfach als Königsweg bezeichnet werden. In jedem Fall werden bestimmte Aspekte in den Vordergrund gerückt, während andere ausgeblendet bleiben. Dies ist nicht nur eine Folge der in dieser Hinsicht immer bedeutsamen Einzelentscheidungen oder Interessen von Forscherinnen und Forschern, sondern muss auch als Implikation der jeweils gewählten Zugangsweise transparent werden. Zur Fähigkeit, die Reichweite von Untersuchungen abschätzen zu können, gehören auch Einsichten in die Qualitätsmerkmale empirischer Unterrichtsforschung. Nicht alle Untersuchungen lösen tatsächlich ein, was sie versprechen. Ob Fragestellung und Anlage einer Studie wirklich zueinander passen, ist eine erste zentrale Qualitätsfrage. Weitere Fragen betreffen die Durchführung der Untersuchung (angemessene Größe und Zusammensetzung des Samples, eingesetzte Verfahren, Formen der Auswertung usw.) sowie, darauf aufbauend, die Validität und Verallgemeinerbarkeit der Befunde. Darauf soll deshalb bei der Darstellung ebenfalls geachtet werden. Einiges lässt sich aber auch durch eine weitere Vorüberlegung zu Anforderungen an religionspädagogische Unterrichtsforschung klären. Gleichsam selbstverständlich ist wohl die Einschränkung, dass der nachfolgende Überblick als exemplarisch zu verstehen ist. Nicht alle verfügbaren Untersuchungen konnten berücksichtigt werden. Bei der Auswahl spielten vor allem Aspekte wie die Aktualität und Aussagekraft der Befunde eine Rolle, darüber hinaus aber auch die Beachtung, welche die Studien in der Religionspädagogik gefunden haben (auch wenn sich dies nicht immer leicht beurteilen lässt). 5.2 Anforderungen an religionspädagogische Unterrichtsforschung: Empirie – Glaube – Fachlichkeit An dieser Stelle sollen zunächst drei bereits erreichte Klärungen in Erinnerung gerufen werden, die für die religionspädagogische Unterrichtsforschung insgesamt grundlegend sind. Weiterführend soll dann auf die Frage nach dem Fachbezug von Unterrichtsforschung eingegangen werden, im Sinne der Fachlichkeit von Religionsunterricht: Ȥ Legitimität und Bedeutung empirischer Untersuchungen zum Religionsunterricht: Angesichts des besonderen Charakters von Religionsunterricht kann es nicht erstaunen, wenn immer wieder prinzipielle Rückfragen an religionspädagogisch-empirische Unterrichtsforschung vorgebracht werden. Lassen sich die speziellen Anliegen dieses Faches überhaupt empirisch erfassen? Im Blick auf solche grundsätzlichen Bedenken hat sich in der vorliegenden Darstellung

Untersuchungen zum Religionsunterricht und ihre Reichweite

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gezeigt, dass eine prinzipielle Ablehnung empirischer Zugangsweisen theologisch nicht begründet werden kann. Denn gerade in theologischer Sicht ist menschliches Handeln stets kritisch zu prüfen. Das gilt dann selbstverständlich auch für den Religionsunterricht. Zudem wäre es alles andere als ratsam, für den Religionsunterricht als Fach der Schule einen generellen Ausnahmestatus zu beanspruchen, der ihn den sonst üblichen Verfahren der Wahrnehmung und Überprüfung entzieht. Dadurch geriete der Religionsunterricht leicht in ein Abseits, das ihn auch sonst vom übrigen Geschehen in Schule und Bildung ausschließt. An die Stelle einer generellen Ablehnung empirischer Forschung zum Religionsunterricht sollte deshalb eine kritisch-reflektierte Auseinandersetzung damit treten, was diese Forschung erfassen kann und soll und was nicht. Ȥ Quantitative und qualitative Vorgehensweisen: Religionspädagogische Bedenken beziehen oder bezogen sich hier vor allem auf quantitative Forschungs­ methoden, die mitunter als unangemessen wahrgenommen werden. Der Komplexität religiöser und religionsbezogener Zusammenhänge und deshalb auch Lernprozesse können in dieser Sicht von vornherein nur qualitative Zugangsweisen entsprechen. Tatsächlich ist eine solche Abgrenzung jedoch als überholt zu betrachten. In der heutigen Unterrichtsforschung werden auch im religionspädagogischen Bereich vielfach qualitative und quantitative Vorgehensweisen erfolgreich miteinander kombiniert. Entscheidend ist dabei die in jedem Einzelfall zu prüfende Frage, ob die jeweilige Vorgehensweise dem Untersuchungsziel und der zu klärenden Fragestellung gerecht wird oder nicht. Allgemeine Aussagen über Religionsunterricht lassen sich ohne Zuhilfenahme quantitativer Verfahren nicht gewinnen, während Einsichten in zum Teil inhaltlich komplexe Lernprozesse auf qualitative Zugänge angewiesen bleiben. Insofern ist vielfach eine Verbindung qualitativer und quantitativer Zugangsweisen anzustreben, wobei zu bedenken bleibt, dass die Verknüpfung der auf unterschiedliche Art und Weise gewonnenen Befunde eine eigene Herausforderung darstellt. Beispielsweise arbeiten quantitative und qualitative Untersuchungen in der Regel mit unterschiedlichen ­Samples, was von vornherein die Möglichkeit ausschließt, dass die jeweiligen Befunde einander wechselseitig erklären. Eher ist von unterschiedlichen Perspektiven auszugehen, die zusammengenommen tatsächlich zu einem vertieften Verständnis führen können.173 Ȥ Grenzbewusstsein: Die Notwendigkeit eines Grenzbewusstseins hat sich bereits bei der Frage nach Kriterien für »guten Religionsunterricht« gezeigt (vgl. 173 Bei der Verbindung qualitativer und quantitativer Zugänge wird auch von einem Mixed-Methods-Approach gesprochen sowie von einer Triangulation; vgl. etwa die entsprechenden Beiträge in U. Flick u. a. (Hg.), Qualitative Forschung. Ein Handbuch, Reinbek 2000.

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Qualität im Religionsunterricht wahrnehmen und beurteilen

S. 56). Ein solches Bewusstsein muss sich aber auch auf die Forschung zum Religionsunterricht beziehen. Empirische Untersuchungen haben es selbst dann, wenn es um qualitative Zugänge geht, zumindest in einem weiten Sinne immer mit Formen des Messens zu tun. Es werden quantitative und qualitative Daten erhoben und vergleichend ausgewertet. Der Glaube, auf den sich der Religionsunterricht als sein Thema bezieht und für den dieser Unterricht und seine Inhalte auch persönlich-existenziell bedeutsam werden können, entzieht sich von vornherein der Messbarkeit. Insofern steht empirische Forschung zum Religionsunterricht grundsätzlich vor der Aufgabe zu prüfen, wo und wie die sich daraus ergebenden Grenzen verlaufen. Nicht alles, was für den Religionsunterricht entscheidend ist, kann auch empirisch untersucht werden. Dem Anliegen, auch dem besonderen Charakter von Religionsunterricht gerecht zu werden, kommen neuere Entwicklungen in der empirischen Bildungsforschung durchaus entgegen. Ein hier verstärkt wahrgenommenes Anliegen bezieht sich gerade auf die Fachlichkeit von Unterricht und damit auf den je besonderen Charakter der verschiedenen Fächer, der aus der entsprechenden Inhaltsdomäne erwächst.174 Muss sich die religionspädagogische Unterrichtsforschung einerseits den allgemeinen Ansprüchen empirischer Unterrichtsforschung stellen und gegebenenfalls auch anpassen, so steht auf der anderen Seite der Anspruch, dass dies nur bei gleichzeitiger Entsprechung zur Fachlichkeit dieses Unterrichts geschehen kann. Die zur Untersuchung von Religionsunterricht eingesetzten Verfahren müssen insbesondere geeignet sein, auch inhaltsbestimmte Aspekte des Unterrichtsprozesses aufzunehmen. Am Beispiel der drei für die pädagogische Psychologie weithin als maßgeblich angesehenen Merkmale »guten Unterrichts« – kognitive Aktivierung, Klassenführung, Unterrichtsklima – wurde dies bereits deutlich: Diese Kriterien gelten auch für den Religionsunterricht, aber für sich allein sind sie noch wenig aussagekräftig. Erst wenn sie mit fachbezogenen Kriterien ergänzt und erweitert werden, können sie dem Religionsunterricht gerecht werden.175 Die damit verbundenen Fragen lassen sich beispielsweise an Modellvorstellungen von Unterricht gut illustrieren. In der empirischen Bildungs174 Vgl. M. Martens u. a. (Hg.), Konstruktionen von Fachlichkeit. Ansätze, Erträge und Diskussionen in der empirischen Unterrichtsforschung, Bad Heilbrunn 2018, mit anderen Aspekten s. auch M. Herr/U. Heinen (Hg.), Die Stimmen der Fächer hören. Fachprofil und Bildungsanspruch in der Lehrerbildung, Leiden u. a. 2020. 175 Vgl. dazu besonders die Untersuchung von Englert u. a., Innenansichten (s. Anm. 68). Als Überblick vgl. auch M. L. Pirner, Kognitive Aktivierung als Merkmal eines guten Religionsunterrichts. Anregungen aus der empirischen Unterrichtsforschung. In: Theo-Web 12 (2013), 228–245.

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Untersuchungen zum Religionsunterricht und ihre Reichweite

forschung hat das von Andreas Helmke entwickelte »Angebots-Nutzungs-Modell der Wirkungsweise des Unterrichts« breite Akzeptanz gefunden. Helmke hat es in verschiedenen Versionen vorgelegt. Folgende Abbildung lässt das Grundanliegen gut erkennen:176 »Angebots-Nutzungs-Modell der Wirkungsweise des Unterrichts« (Andreas Helmke) Lehrerpersönlichkeit

Unterricht (Angebot)

Individuelle Eingangsvoraussetzungen

Expertise in

Qualität des Unterrichts

Mediationsprozesse

Lernaktivitäten

Motivationale und emotionale Vermittlungsprozesse

aktive Lernzeit im Unterricht

Fachliche Effekte

Außerschulische Lernaktivitäten

Fachwissen Grundverständnis Lernstrategien Fertigkeiten

Fachwissenschaft Fachdidaktik Klassenführung Diagnostik Werte und Ziele Subjektive Theorien Bereitschaft zur Selbstreflexion und Selbstverbesserung Selbstwirksamkeit

Passung, Adaptivität Klarheit Angemessene Methodenvariation Individualisierung Motivierung

auf Schülerseite

Effizienz der Klassenführung Quantität des Unterrichts: Unterrichtszeit, Lerngelegenheiten Qualität des Lehrmaterials

Wahrnehmung und Interpretation des Unterrichts

Wirkungen (Ertrag)

der Schüler (Nutzung)

Überfachliche Effekte Schlüsselkompetenzen Sozialisationseffekte

Klassenkontext und fachlicher Kontext

Dieses Modell wird aufgrund der detailreich ausdifferenzierten Aspekte von Unterricht geschätzt, aber auch aufgrund der Grundauffassung von Unterricht und seiner Wirkungsweise. Es geht, wie die Begriffe »Angebot« und »Nutzung« zeigen, nicht von linearen Vermittlungsprozessen aus und folgt damit der Einsicht, dass Lernen nicht einfach als direkte Folge von Lehren anzusehen ist. Unterrichten heißt demnach, ein Angebot so zu gestalten, dass es von den Schülerinnen und Schülern möglichst gut in Gebrauch genommen werden kann, aber ob es dann auch tatsächlich genutzt und ob etwas bzw. wie viel tatsächlich gelernt wird, lässt sich durch das Unterrichten nicht einfach determinieren. Was das Modell nicht leistet und auch nicht leisten will, ist eine fachliche Spezifikation. Das Modell gilt für Unterricht allgemein und muss daher für jedes 176 Aus Helmke, Unterrichtsqualität (s. Anm. 5), 42.

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Qualität im Religionsunterricht wahrnehmen und beurteilen

einzelne Fach erst noch konkretisiert werden. Dabei kann sich durchaus zeigen, dass auch das Modell selbst verändert werden muss. Mit der Absicht einer solchen fachlichen Konkretion für den Religionsunterricht wurde ein Angebots-Nutzungs-Modell der Wirkungsweise des Religionsunterrichts erstellt: Angebots-Nutzungs-Modell der Wirkungsweise des Religionsunterrichts (eigene Weiterentwicklung im Anschluss an Andreas Helmke) Persönlichkeit der Religionslehrkraft

Religionsunterricht (Angebot)

Individuelle Eingangsvoraussetzungen

Expertise in

Qualität des RU

Mediationsprozesse

Lernaktivitäten

Religiöse Entwicklung und Sozialisation

im RU

– Theologie u . a . – Elemen– Religionsdidaktik tarisierung – Religionspädago- – Motivierung gische Diagnostik

Werte und Ziele – Persönliche Sicht des RU – Bereitschaft zur kritischen Reflexion und Verbesserung des RU Selbstwirksamkeit

Förderung von – Wissen – Verstehen – Perspektivenübernahme – Toleranz

auf Schülerseite

Wahrnehmung und Interpretation des Unterrichts

der Schüler (Nutzung)

außerschulisch

Klassenführung Lerngelegenheiten Lernmaterial

Wirkungen (Ertrag) Erwerb von/Ausbildung von – Wissen – Verstehen – Perspektivenübernahme – Toleranz Überfachliche Effekte Schlüsselkompetenzen – Umgang mit Texten – Deutung komplexer Sachverhalte Sozialisationseffekte – Wertorientierungen – Sinnfindung – Identitätsentwicklung

Kontext der Lerngruppe und fachlicher Kontext

Einige Hinweise zur Erläuterung: Ȥ Die Indikatoren (Wissen, Verstehen, Perspektivenübernahme, Toleranz) erscheinen an zwei Stellen, als Teil des unterrichtlichen Angebots (Förderung) und unter dem Aspekt der Wirkungen (Ertrag). Dies entspricht dem bereits dargestellten doppelten Bezug auf Prozess- und Produktqualität. Mit den drei Begriffen Klassenführung, Lerngelegenheiten und Lernmaterial sind weitere prozessbezogene Merkmale (kognitive Aktivierung, Motivierung usw.) angesprochen. Ȥ Fachdidaktische Aspekte (Elementarisierung) gehören im Modell ebenfalls auf die Seite des unterrichtlichen Angebots und dessen Ausgestaltung. Das schließt auch den konsequenten Bezug auf die religiöse Entwicklung und Sozialisation der Kinder und Jugendlichen ein (elementare Erfahrungen und Zugänge).

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Ȥ Das Modell hält bei den Mediationsprozessen zugleich die hohe Bedeutung der religiösen Entwicklung und Sozialisation für die Rezeption des Unterrichts bewusst, weshalb sie dort ausdrücklich ausgebracht ist. Ȥ Trotz des ausdrücklichen Bezugs speziell auf den Religionsunterricht werden in der Darstellung auch überfachliche Effekte zumindest exemplarisch konkretisiert, sowohl im Blick auf den Kompetenzerwerb wie auf Sozialisationseffekte des Unterrichts. An dieses religionspädagogische Modell lehnt sich die Darstellung von Untersuchungen im Folgenden an. Zugleich sollen jedoch auch die in Teil 1 des Bandes entwickelten Qualitätskriterien berücksichtigt werden, sodass keine Einszu-Eins-Übertragung des Modells auf nachfolgende Darstellung möglich ist. 5.3 Untersuchungen zum Religionsunterricht In diesem Teilkapitel werden verschiedene Formen von Untersuchungen zum Religionsunterricht vorgestellt, anhand exemplarischer Beispiele, die jeweils etwas genauer betrachtet werden. Im Vordergrund steht der Versuch, eine orientierende Typologie zu entwickeln. 5.3.1 Allgemeine Umfragen zum Religionsunterricht

Mit »allgemeinen Umfragen« sind hier Befragungen gemeint, die sich nicht speziell an die aktuell am Religionsunterricht Beteiligten – also die Schülerinnen und Schüler, Religionslehrkräfte oder Eltern – richten, sondern ganz allgemein an die Bevölkerung. Erfragt werden dabei Meinungen und Einstellungen zum Religionsunterricht, etwa für wie wichtig das Fach gehalten wird, wie man diesen Unterricht selbst erfahren hat und welche Erwartungen an dieses Fach bestehen. Solche Umfragen werden häufig aus einem bestimmten Anlass durchgeführt, etwa weil es Auseinandersetzungen über den Religionsunterricht gibt und von den Umfrageergebnissen Argumente für die Diskussion erwartet werden. Im Jahr 2016 hat beispielsweise eine Umfrage des Meinungsforschungsinstituts YouGov anlässlich der Abschaffung von Religionsunterricht in Luxemburg zugunsten eines allgemeinen Werteunterrichts großes Aufsehen erregt. YouGov titelte »Mehrheit für Abschaffung des Religionsunterrichts, auch bei Union-Wählern«.177 Den Befragten waren folgende Fragen vorgelegt worden: 177 https://yougov.de/news/2016/09/28/mehrheit-fur-abschaffung-des-religionsunterrichts-/ (­Zugriff 15.1.2020), dort auch die Angaben im Folgenden.

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Ȥ »Würden Sie einen gemeinsamen Werteunterricht anstatt des Religionsunterrichts für alle Schüler befürworten oder ablehnen?« In Westdeutschland sprachen sich 66 % entweder »voll und ganz« oder zumindest »eher« für diesen Vorschlag aus, in Ostdeutschland waren es sogar 81 %. Ȥ »Welche Bedeutung sollte Ihrer Meinung nach den folgenden Aspekten im Religionsunterricht zukommen?« 21 % votierten für die »eigene Religion bzw. Konfession«, während 60 % der Meinung waren, die größte Bedeutung komme »allgemeinen Werten und Normen« zu. Anders als bei den plakativen Schlagzeilen von YouGov bleibt hier allerdings zu beachten, dass immerhin weitere 58 % bzw. weitere 66 % der Auffassung waren, die »eigene Religion bzw. Konfession« oder »verschiedene Religionen bzw. Konfessionen« »sollten behandelt werden, aber nicht im Zentrum stehen«. Als Folgerung und Zusammenfassung heißt es dann bei YouGov: »Wie breit die Unterstützung für eine Abschaffung des Religionsunterrichts und für eine größere Rolle von allgemeiner Werte- und Normenerziehung im aktuell existierenden Religionsunterricht ist, zeigt auch, dass das auch Union-Wähler mehrheitlich fordern. Auch 64 % der CDU-CSU-Wähler fordern, dass Deutschland dem Beispiel Luxemburg folgt und den Religionsunterricht abschafft.« Wie sind solche Befunde einzuschätzen? Was implizieren sie im Blick auf die Qualität des Religionsunterrichts? Zunächst fällt auf, dass nach der »Abschaffung des Religionsunterrichts«, die in den Schlagzeilen hervorgehoben wird, gar nicht direkt gefragt war. Ob die Befragten die erste oben wiedergegebene Frage (gemeinsamer Werteunterricht anstatt des Religionsunterrichts) tatsächlich als Forderung nach einer Abschaffung von Religionsunterricht verstanden haben oder nicht, lässt sich daher nicht mit Sicherheit sagen. Auf die Frage »Sind Sie für die Abschaffung des Religionsunterrichts?« wäre möglicherweise anders geantwortet worden – diese Frage wurde aber nicht gestellt. Ähnlich schwierig ist eine genauere Interpretation der Antworten zur Bedeutung zu »allgemeinen Werten und Normen« im Religionsunterricht. Was genau unterscheidet die Antwortalternativen für die Befragten (eigene Religion/Konfession – verschiedene Religionen/Konfessionen – allgemeine Werte und Normen)? Woran wird jeweils gedacht? In welchem Verhältnis stehen hier Religion und Werte zueinander? Für eine verlässliche Interpretation wären qualitative Vorstudien erforderlich gewesen, die in diesem Fall offenbar nicht durchgeführt wurden. YouGov ist ein kommerzielles Unternehmen, das sich selbst damit bewirbt, Kunden die schnellste und kostengünstigste Lösung zu bieten, »um repräsenta-

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tive Antworten auf ihre Fragen zu erhalten«.178 »Repräsentative Ergebnisse nach 48 Stunden – oder 24 Stunden mit dem OmnibusExpress«.179 Dieses Schnellverfahren impliziert freilich, dass bestimmte Schritte, die für valide Befunde wesentlich sind, hier schon aus zeitlichen Gründen nicht gegangen werden können. Beispielsweise lässt es der knappe Zeitrahmen von vornherein nicht zu, durch kognitive Pretests vor der eigentlichen Umfrage zu prüfen, wie die Fragen von den Befragten tatsächlich verstanden werden und ob sie wirklich zu den gewünschten Ergebnissen führen können. YouGov beansprucht für seine Befunde Repräsentativität. Bei der Umfrage zum Religionsunterricht heißt es: »Auf Basis des YouGov Omnibus wurden in Deutschland 1048 Personen im Zeitraum vom 23. bis 27. September 2016 repräsentativ befragt.«180 Repräsentativität wird manchmal wie ein Zauberwort behandelt. Was repräsentativ ist, muss auch verlässlich sein. Tatsächlich gibt es Repräsentativität aber immer nur im Blick auf eine bestimmte Referenzgröße, über die Aussagen getroffen werden sollen. In der Angabe von YouGov fehlt beispielsweise die Angabe, ob Repräsentativität für alle Altersgruppen beansprucht wird (Wurden etwa Schülerinnen und Schüler in die Befragung einbezogen? Ggf. in welchem Maße und in welchem Alter?). Weiterhin lässt die Größe des Samples von vornherein nur wenig weitere Unterteilungen zu. Verwiesen wird auf Unterschiede zwischen Ost- und Westdeutschland, und die CDU/CSU-Wähler werden eigens genannt. Eine differenzierende Auswertung beispielsweise nach Bundesländern, die im vorliegenden Fall deshalb besonders interessant wäre, weil Schule und Unterricht in Deutschland in der Hoheit der Bundesländer stehen und daher gerade beim Religionsunterricht auch unterschiedlich ausgestaltet werden, ist kaum möglich. So gibt die Umfrage am Ende zwar durchaus einen gewissen Einblick in das allgemeine Ansehen von Religionsunterricht sowie in die Erwartungen, die sich in der Bevölkerung an ihn richten. Aber mithilfe von lediglich zwei Fragen, die bei einer allgemeinen, nicht speziell auf den Religionsunterricht gerichteten Befragung gleichsam mitliefen, lässt sich für die Befunde keine Tiefenschärfe gewinnen. Insofern geben die Befunde den Religionslehrkräften sowie der Religionspädagogik Anlass zum Nachdenken, aber auch zu kritischen Rückfragen hinsichtlich der Tragweite solcher Umfrageergebnisse. Im vorliegenden Fall war die YouGov-Studie Auslöser für eine repräsentative Bevölkerungsumfrage in Bayern, mit einer Stichprobengröße von 1000 Befragten 178 https://yougov.de/unternehmen/uber-yougov/ (Zugriff 15.1.2020). 179 https://yougov.de/loesungen/omnibus/omnibusdaily/ (Zugriff 15.1.2020). 180 https://yougov.de/news/2016/09/28/mehrheit-fur-abschaffung-des-religionsunterrichts-/ (­Zugriff 15.1.2020).

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aus der Grundgesamtheit »Deutschsprachige Bevölkerung in Privathaushalten ab 18 Jahren«.181 Die Umfrage wurde im Oktober/November 2017 durchgeführt. Es handelte es sich um eine spezielle Umfrage zum Religionsunterricht, was es auch zuließ, verschiedene Fragen zu diesem Unterricht zu stellen. Beauftragt wurde das renommierte Forschungsinstitut Kantar Emnid, das die Studie im Auftrag der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Bayern durchgeführt hat. Die Ergebnisse werden von Kantar Emnid so zusammengengefasst: »Die Mehrheit sieht Religionsunterricht als ordentliches Schulfach an öffentlichen Schulen an: Die Zustimmung liegt hier bei 65 Prozent. Ein Viertel findet es nicht richtig, dass Religionsunterricht ein ordentliches Schulfach ist.«182 Neben den für den Religionsunterricht erfreulichen Ergebnissen stehen aber auch andere Aussagen, aus denen eine vergleichsweise geringe Beliebtheit des Faches hervorgeht: »Über die Hälfte der Befragten gaben an, dass die Fächer Biologie (59 %), Geschichte (55 %), Deutsch (54 %), Sport (54 %) und Englisch (50 %) bei ihnen sehr bzw. eher beliebt waren. Die Fächer Musik (48 %), Kunst (42 %), Mathematik (42 %), Religion (38 %) und Physik (32 %) hingegen wurden weniger häufig als sehr bzw. eher beliebt bezeichnet.«183 Dabei war festzustellen, dass Religion »besonders bei Befragten zwischen 40 und 59 Jahren ein unbeliebtes Fach« war und dass die »eigene Religiosität […] bei der Bewertung eine große Rolle« spielte: »Je religiöser der einzelne Befragte ist, desto häufiger war der Religionsunterricht beliebt«.184 Vielleicht erwartbar waren es dann diese problematisierenden Befunde zur »geringen Beliebtheit von Religionsunterricht«, die von der Presse aufgenommen wurden. Wie sind Befunde dieser Art im vorliegenden Zusammenhang einzuschätzen? Was besagen Umfragen in der Bevölkerung im Blick auf die Qualität von Religionsunterricht? Aus der altersmäßigen Zusammensetzung der Befragten geht bereits hervor, dass sich die Wahrnehmungen nicht auf einen aktuell besuchten und erfahrenen Religionsunterricht beziehen. Denkbar wäre deshalb, dass die eher negativen Beliebtheitseinschätzungen in der bayerischen Studie sich auf einen in früherer Zeit unbeliebten Religionsunterricht beziehen und damit auf einen Unterricht, der damals vielleicht einfach schlechter war als heute. Ob dies tatsächlich zutrifft, kann den Befunden allerdings nicht entnommen werden. Plausibel – auch angesichts der YouGov-Umfrage – wäre aber auch die Deutung, dass in der Bevölkerungsumfrage weniger die reale Gestalt 181 Vgl. M. L. Pirner (Hg.), Religionsunterricht in Bayern. Eine repräsentative Bevölkerungsumfrage. Ergebnisse und Diskussion, Erlangen 2019, 15. 182 Ebd., 18. 183 Ebd., 17. 184 Ebd.

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des Religionsunterrichts erfasst wird als vielmehr ein allgemeines Ressentiment gegen diesen Unterricht als eher »unbeliebtes« Fach. Andere Befragungen von Schülerinnen und Schülern im Religionsunterricht sowie von Religionslehrkräften, die ebenfalls in den letzten Jahren durchgeführt wurden und auf die im Folgenden noch einzugehen sein wird, zeichnen jedenfalls ein weit positiveres Bild von Religionsunterricht, wie er aktuell erteilt wird.185 Allgemeine Umfragen zum Religionsunterricht und die Qualität von Religionsunterricht Allgemeine Umfragen zum Religionsunterricht sind wichtig, gerade auch weil sie mit ihren Befunden oft eine weitere Öffentlichkeit erreichen, nicht zuletzt durch die Medien. Sie geben aber keine verlässliche oder detaillierte Auskunft zur Qualität dieses Unterrichts, sondern spiegeln eher allgemeine Empfindungen und Einstellungen, die sich auf das Image von Religionsunterricht beziehen. Zudem mischen sich bei den Antworten Eindrücke und Erinnerungen aus unterschiedlichen (Schul-)Zeiten, je nach Alter der Befragten. Auf den aktuell erteilten Religionsunterricht lässt sich daraus nicht schließen. Dass solche Umfragen aber beispielsweise auch in Schulen und Kollegien sowie in der Elternschaft beachtet werden und zu Rückfragen an den Religionsunterricht führen können, begründet die Notwendigkeit, sich auch als in der Praxis tätige Lehrkraft kompetent und kritisch mit entsprechenden Befunden auseinandersetzen zu können. Die Frage nach Reichweite und Verlässlichkeit der Befunde ist nicht nur eine Frage für die Wissenschaft.

5.3.2 Befragung von Religionslehrkräften

Befragungen von Religionslehrkräften zum Religionsunterricht werden in Deutschland schon seit mehreren Jahrzehnten durchgeführt. Vermehrt finden sich Beispiele dafür seit den 1970er Jahren, was auf einen Zusammenhang mit der damaligen Krise des Religionsunterrichts verweist.186 Die Befragung von Religionslehrkräften verband und verbindet sich dabei häufig mit der Intention, den Unterricht zu verbessern. Darüber hinaus geht es um Möglichkeiten, über bloße Ressentiments gegen den Religionsunterricht, wie sie im vorangehenden Abschnitt beschrieben wurden, hinauszukommen und ein angemesseneres Bild 185 Vgl. Pohl-Patalong u. a., Konfessioneller Religionsunterricht in religiöser Vielfalt II (s. Anm. 98); Schweitzer u. a., Jugend – Glaube – Religion (s. Anm. 8). 186 Vgl. bspw. H. Zabel (Hg.), Religionslehrer 1970. Ergebnisse einer Umfrage, Dortmund 1971.

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von der Realität dieses Unterrichts zu gewinnen. Wenn dazu die Lehrkräfte befragt werden, entspricht dies der Einsicht, dass diese als die ersten und wichtigsten Expertinnen und Experten ihres Unterrichts anzusehen sind. Auch für mögliche Qualitätsentwicklung im Religionsunterricht spielen sie naturgemäß eine Schlüsselrolle. Wer wenn nicht sie sollte den Unterricht verbessern? Methodisch handelt es sich bei den Befragungen der Lehrkräfte zum Religionsunterricht sowohl um qualitative als auch um quantitative Studien. Die Auffassung, dass hier beide Zugangsweisen am besten miteinander kombiniert werden sollten, hat sich spätestens seit der Untersuchung von Andreas Feige und seinem Team aus dem Jahr 2000 weithin durchgesetzt.187 Die Zugangsweise wird dann in Entsprechung zum jeweiligen Untersuchungsgegenstand gewählt sowie zu den Fragestellungen, die bei der jeweiligen Studie im Vordergrund stehen sollen. So lassen sich beispielsweise biografische Erfahrungen der Lehrkräfte, die das eigene Unterrichten mitbestimmen, am besten durch eine offene qualitative Befragung eruieren.188 Demgegenüber verlangen allgemeine Einschätzungen, beispielsweise zur konfessionellen oder nicht-konfessionellen Organisation und Ausgestaltung von Religionsunterricht in einem bestimmten Bundesland, möglichst repräsentative Befunde, um zu verlässlichen Tendenzaussagen zu kommen. Für die neueren Untersuchungen dieser Art spielt in den meisten Fällen die Frage eine Rolle, wie die Religionslehrkräfte sich zur Konfessionalität von Religionsunterricht, zu möglichen Kooperationen mit anderen Formen von Religionsunterricht innerhalb und außerhalb des Christentums, aber auch mit einem Ethikunterricht positionieren.189 Dazu werden dann auch Wahrnehmungen und Einstellungen zur Kirche erfragt, insbesondere zu deren Verhältnis zum Religionsunterricht und den Erwartungen an diesen. Dabei geht es in der Regel um die theologische oder kirchliche Ausrichtung des Religionsunterrichts, die an den Einstellungen der Lehrkräfte abgelesen werden soll. 187 Vgl. A. Feige u. a., ›Religion‹ bei ReligionslehrerInnen. Religionspädagogische Zielvorstellungen und religiöses Selbstverständnis in empirisch-soziologischen Zugängen. Berufsbiographische Fallanalysen und eine repräsentative Meinungserhebung unter evangelischen ReligionslehrerInnen in Niedersachsen, Münster u. a. 2000. 188 Vgl. schon P. Biehl, Der biographische Ansatz in der Religionspädagogik. In: A. Grötzinger/ H. Luther (Hg.), Religion und Biographie. Perspektiven zur gelebten Religion, München 1987, 272–296. 189 Vgl. etwa U. Pohl-Patalong u. a., Konfessioneller Religionsunterricht in religiöser Vielfalt. Eine empirische Studie zum evangelischen Religionsunterricht in Schleswig-Holstein, Stuttgart 2016; M. Rothgangel/C. Lück/P. Klutz, Praxis Religionsunterricht. Einstellungen, Wahrnehmungen und Präferenzen von ReligionslehrerInnen, Stuttgart 2017; Heimbrock (Hg.), Tak­ing Position (s. Anm. 100).

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Fast durchweg liegt ein weiterer Schwerpunkt solcher Untersuchungen bei den Zielen, die von den Religionslehrkräften entweder bejaht oder kritisch wahrgenommen und abgelehnt werden, sowie bei Realisierungsmöglichkeiten für einen Unterricht, der ihren Zielen tatsächlich entspricht. Dazu gehört dann auch umgekehrt die Frage nach Hindernissen und Belastungsfaktoren, die sich einer solchen Realisierung in den Weg stellen. Die Konzentration auf allgemeine Orientierungsfragen sowie übergreifende Zielsetzungen bringt es mit sich, dass die Lehrkräfte nur am Rande danach gefragt werden, wie sie ihren Unterricht im Einzelnen gestalten. Anders ausgedrückt, ist aus den Befragungsergebnissen häufig nur wenig darüber zu erfahren, was im Unterricht tatsächlich geschieht. Dazu müsste genauer gefragt werden, wie die Lehrkräfte mit welchen Themen im Unterricht umgehen, wie sie Unterrichtseinheiten anlegen und ausgestalten, welche Lernaktivitäten sie für die Schülerinnen und Schüler vorsehen, wie sie dies unterrichtsmethodisch umsetzen usw. Es ist durchaus möglich, Lehrerbefragungen so anzulegen, geschieht bislang aber eher selten. Dem entspricht es weiterhin, dass auch Fragen von Qualität und Qualitätsentwicklung in den Befunden aus den Lehrerbefragungen nur indirekt aufscheinen. So wurde beispielsweise nach der Bereitschaft gefragt, im Rahmen des eigenen Deputats mehr Religion zu unterrichten.190 Aus der positiven Beantwortung dieser Frage wurde geschlossen, dass die Berufszufriedenheit bei den entsprechenden Lehrkräften entsprechend hoch sein müsse. Weiterhin werden Fortbildungswünsche erfragt, die sich in der Regel aber eher auf bestimmte Themen beziehen als auf die Unterrichtsqualität.191 Ein besonders interessantes Beispiel stellt die wiederum in Bayern durchgeführte Erhebung zur »Religiosität und Professionalität« in der Wahrnehmung von Religionslehrkräften dar.192 Auch hier stehen zunächst die oben angesprochenen Themen im Vordergrund: Ziele, Kooperationsformen, Konfessionalität von Religionsunterricht. Darüber hinaus wird aber auch nach »Berufszufriedenheit und Belastungserleben« gefragt. Im Ergebnis zeigen sich 91 % aller Befragten zufrieden mit der »Aufgabe des Religionsunterrichts«. Nur bei den in der Schule unterrichtenden Gemeindepfarrerinnen und -pfarrern liegt die Zufriedenheit mit 75 % deutlich darunter. Beim »Belastungserleben« stehen an der Spitze mangelnde Disziplin im Unterricht, geringe religiöse Sozialisation sowie mangeln190 Vgl. A. Feige/W. Tzscheetzsch, Christlicher Religionsunterricht im religionsneutralen Staat? (s. Anm. 9). 191 Vgl. bspw. Rothgangel u. a., Praxis Religionsunterricht (s. Anm. 189), bes. 104–108. 192 Vgl. M. L. Pirner, unter Mitarbeit von D. Kertes, Religionslehrende in Bayern. Eine empirischquantitative Studie, Stuttgart 2020 (i. Dr.).

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des Interesse am Religionsunterricht. Wichtig für das eigene Kompetenzerleben sind die eigene Auskunftsfähigkeit (»Auf theologische Fragen meiner Schüler/ innen weiß ich fast immer eine angemessene Antwort«, 58 %), die Bewältigung auch schwieriger Situationen (»Bis jetzt konnte ich noch fast jede schwierige Unterrichtssituation in meinem Religionsunterricht meistern«, 54 %) sowie und vor allem die Kongruenz zwischen Unterricht und eigenen Vorstellungen (»Mein Verhalten im Religionsunterricht entspricht eigentlich meistens meinen persönlichen Vorstellungen von einer guten Religionslehrkraft«, 63 %; »In der Regel kann ich meine eigenen Vorstellungen von einer christlichen Berufsethik im Religionsunterricht gut umsetzen«, 60 %). Das sind insgesamt sehr positive Resultate, auch wenn in der unterschiedlichen Zustimmung Hinweise auf Schwierigkeiten liegen könnten. Solche Aussagen verweisen allerdings zugleich auf eine prinzipielle Grenze von Lehrerbefragungen. Es handelt sich dabei naturgemäß um Selbstberichte und Selbsteinschätzungen zum Berufserfolg. Die beschriebenen Befunde sind erfreulich, weil sie für eine hohe Motivation der Religionslehrkräfte sprechen. Aber sind Menschen wirklich fähig, die Qualität des selbsterteilten Unterrichts verlässlich einzuschätzen? Müsste hier nicht immer neben die Selbsteinschätzung auch eine Fremdeinschätzung treten, beispielsweise durch die Schülerinnen und Schüler? Bei der qualitativ angelegten Studie »Glaubwürdig unterrichten«, die neben ausführlichen Lehrerinterviews auch die Beobachtung von Religionsunterricht einschloss, wurde sichtbar, dass die Einschätzungen der Lehrkräfte sich teils stark von der tatsächlichen Ausgestaltung ihres Unterrichts unterschieden.193 Während eine Lehrkraft beispielsweise die Auffassung vertreten konnte, ihre Konfessionszugehörigkeit spiele im Unterricht eigentlich keine Rolle, erwies sich der faktische Unterricht dieser Person als überaus katholisch geprägt (bis hin zum »Rosenkranz-Beten«). In anderer Weise, aber doch mit vergleichbaren Implikationen hat sich die Differenz zwischen Lehrerurteilen und faktischem Unterrichtserfolg auch bei den PISA-Studien gezeigt. Die Erwartungen der Lehrkräfte im Blick auf die im Unterricht erworbenen Kompetenzen wichen zum Teil stark von den durch psychologische Messung gewonnenen Ergebnissen ab (vgl. S. 69). Es ist deshalb als problematisch einzuschätzen, wenn etwa bei religionspädagogischen Untersuchungen zu Erfolg und Qualität des konfessionellkooperativen Religionsunterrichts nur die Lehrkräfte und nicht auch die Schü-

193 Vgl. A. Biesinger/J. Münch/F. Schweitzer, Glaubwürdig unterrichten. Biographie – Glaube – Unterricht, Freiburg u. a. 2008.

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lerinnen und Schüler befragt werden.194 Ähnlich wie auch bei anderen Berufen müssen Selbstberichte der Unterrichtenden sehr ernst genommen werden, aber allein erlauben sie noch keine zuverlässigen Qualitätseinschätzungen. Prinzipiell wäre es durchaus möglich und ist für die Zukunft auch zu empfehlen, die Lehrkräfte genauer nach Merkmalen ihres eigenen Unterrichts zu befragen, nicht nur im Sinne der dabei verfolgten Ziele, sondern der tatsächlich erreichten Realisierungsgestalt von Unterricht. Auch dann bleibt freilich der Einwand bestehen, dass die Selbstbeschreibung von Unterricht durch die Lehrkräfte immer eine besondere Perspektive bleibt, die durch andere ergänzt und erweitert werden muss. Darüber hinaus geben solche Befragungen eher Einblick in das Profil der Ausgestaltung von Religionsunterricht, was nicht einfach mit Aussagen zur Qualität gleichgesetzt werden kann. Wenn sich jemand beispielsweise für einen schüler- oder subjektorientierten Unterricht ausspricht, ist dem nicht zu entnehmen, in welchem Maße die praktische Ausgestaltung tatsächlich gelingt und ob der Unterricht dann auch von den Kindern oder Jugendlichen entsprechend wahrgenommen wird. Befragung von Religionslehrkräften und die Qualität von Religions­unterricht Ȥ Religionslehrkräfte sind die ersten Expertinnen und Experten für den Unterricht, den sie alltäglich in der Schule erteilen. Befragungen von Religionslehrkräften sind deshalb unerlässlich. Sie tragen auch dazu bei, ein Top-downGefälle zu vermeiden und die Lehrkräfte aktiv beispielsweise an Initiativen zur Qualitätsentwicklung zu beteiligen. Ȥ Die bislang verfügbaren Befragungen von Religionslehrkräften richten sich in der Regel nicht oder jedenfalls nur indirekt auf Fragen der Qualität im Religionsunterricht. Ihr Schwerpunkt liegt eher bei allgemeinen Zielsetzungen für diesen Unterricht, bei der theologischen Ausrichtung, der konzeptionellen Gestalt u. Ä. Insofern geben sie zwar wichtige Einblicke in Erfahrungen im Unterricht und die damit verbundenen Intentionen, jedoch weniger in die Realisierungsformen des Unterrichts im Sinne von dessen konkreter Gestaltung. Ȥ Prinzipiell ist zu beachten, dass bei solchen Befragungen immer nur Selbsteinschätzungen erhoben werden können. Solche Einschätzungen müssen hier wie in allen analogen Fällen auch außerhalb von Schule und Unterricht als Selbstberichte wahrgenommen werden, aus denen sich nicht auf Ein194 Dieser kritische Hinweis bezieht sich auf die Vorgehensweise bei Gennerich/Mokrosch, vgl. Anm. 104.

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schätzungen anderer – also vor allem der Schülerinnen und Schüler, aber auch etwa aus einer wissenschaftlichen Perspektive – schließen lässt. Darin liegt eine stets zu beachtende Grenze dieser Zugangsweise, die nicht immer beachtet wird. Ȥ Für Lehrerbefragungen ist schließlich noch auf einen weiteren, gleichsam indirekten Zusammenhang mit Qualitätsfragen hinzuweisen: Wenn Religionslehrkräfte in ihrer Professionalität anerkannt werden sollen, was der Unterrichtsqualität und vor allem auch der Motivation zugutekommen kann, dann müssen sie auch nach ihren Auffassungen und Erwartungen zum Unterricht gefragt werden.

5.3.3 Schülerbefragungen

Auch die Befragungen von Schülerinnen und Schülern zu ihren Einstellungen zum Religionsunterricht sowie zu ihren Erfahrungen mit diesem Unterricht spielen in der Religionspädagogik schon seit längerer Zeit eine wichtige Rolle. Frühe Beispiele finden sich bereits zu Beginn des 20. Jahrhunderts, und in Krisenzeiten des Religionsunterrichts etwa in den 1970er Jahren erschienen sie besonders wichtig bei der Identifikation von Ursachen für den damals mitunter schlechten Ruf des Religionsunterrichts.195 Für die neuere Diskussion hat die im Jahre 2000 erschienene, in Teil 1 bereits aufgenommene katholische Untersuchung von Anton Bucher »Religionsunterricht zwischen Lernfach und Lebenshilfe« eine besondere Bedeutung gewonnen, nicht zuletzt aufgrund einer sehr großen Stichprobe, die verallgemeinerbare Ergebnisse verspricht.196 Die seither publizierten Studien weisen häufig besondere Schwerpunktsetzungen auf, etwa beim kooperativen Religionsunterricht oder beim interreligiösen Lernen. Weitere Schwerpunkte lagen bei der Einführung von Religionsunterricht in Ostdeutschland sowie bei verschiedenen Schularten, besonders dem Berufsschulreligionsunterricht.197

195 Vgl. etwa W. Prawdzik, Der Religionsunterricht im Urteil der Hauptschüler. Eine empirische Untersuchung auf der 9. Klasse Hauptschule in München, Zürich u. a. 1973. 196 Vgl. Bucher, Religionsunterricht (s. Anm. 24), 33. Einbezogen waren insgesamt mehr als 7000 Schülerinnen und Schüler. 197 Vgl. u. a., zum Teil auch mit der Befragung der Lehrkräfte verbundene Studien: L. Kuld u. a., Im Religionsunterricht zusammenarbeiten. Evaluation des konfessionell-kooperativen Religionsunterrichts in Baden-Württemberg, Stuttgart 2009; K. Petzold, Religion und Ethik hoch im Kurs – repräsentative Befragung und innovative Didaktik, Leipzig 2003; S. Völker, Religionsunterricht an berufsbildenden Schulen in Sachsen-Anhalt und Thüringen – eine empirische Studie, Leipzig 2015; Schweitzer u. a., Jugend – Glaube – Religion (s. Anm. 8).

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An der Bucher-Studie wird auch ein grundsätzliches Problem von Schülerbefragungen zum Religionsunterricht sichtbar, weshalb an dieser Stelle noch einmal einige der Befunde aus dieser Studie aufgenommen werden müssen. Wie ein roter Faden durchzieht diese Studie die Frage nach der Beliebtheit oder Akzeptanz des Religionsunterrichts, wobei die Antworten für die Grundschule, die Sekundarstufe I und die Sekundarstufe II (Gymnasiale Oberstufe, Berufsschule) durchaus unterschiedlich ausfallen. Besonders beliebt ist das Fach in der Grundschule, während die Beliebtheit dann in der Sekundarstufe I geringer wird und das Fach erst in der Oberstufe wieder mehr Interesse auf sich zu ziehen vermag. Es ist wichtig für ein Fach der Schule, ob es beliebt ist und wie weit seine Akzeptanz reicht. Im Falle des Religionsunterrichts steht im Hintergrund dabei auch immer die Möglichkeit, aus diesem Unterricht auszutreten und sich gegebenenfalls für das Alternativfach Ethik o. Ä. zu entscheiden. Grundsätzlich meinen Beliebtheit und Unterrichtsqualität aber nicht dasselbe. Beispielsweise ist durchaus denkbar, dass der Unterricht Kindern oder Jugendlichen großen Spaß macht, aber inhaltlich doch wenig erreicht wird. Allerdings macht auch die Vorstellung, dass gerade ein wenig beliebter Religionsunterricht die größten Lernerfolge erzielen sollte, von vornherein nur wenig Sinn. Es mag solche Ausnahmen geben (etwa »der strenge und unbeliebte Lehrer, der einem aber doch etwas Bleibendes nahegebracht hat«), aber sie dürften insgesamt selten sein. Soweit die Bucher-Studie hingegen Aspekte im »Binnengeschehen des Religionsunterrichts« erfasst, kann sie auch als ein Schritt in Richtung der Untersuchung von Unterrichtsqualität angesehen werden. In diesem Sinne zeigte sich etwa, dass Disziplinstörungen für die positive oder negative Wahrnehmung von Religionsunterricht durch die Schülerinnen und Schüler eine wichtige Rolle spielen, was dem allgemeinen, aus der pädagogischen Psychologie stammenden Qualitätskriterium der Klassenführung entspricht.198 Daneben wirkt sich die Wahrnehmung, dass der Religionsunterricht mit »lebensnahen Inhalten« zu tun hat, besonders stark auf eine positive oder negative Wahrnehmung dieses Unterrichts aus.199 Bedeutsam ist dabei, dass im Unterricht über »wichtige Fragen« nachgedacht wird, »spannende Themen« behandelt und »unsere Probleme« thematisiert werden.200 Erfragt wurden auch die im Religionsunterricht eingesetzten Lernformen (»kreativ-expressiv« oder »traditionell«). Die entsprechende Einschätzung des 198 Vgl. Bucher, Religionsunterricht (s. Anm. 24), 72. 199 Ebd., 68 f. 200 Ebd., 69.

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Religionsunterrichts durch die Schülerinnen und Schüler erwies sich jedoch als von vergleichsweise geringer Bedeutung.201 Ein weiterer Maßstab für die Beurteilung von Religionsunterricht ist in der Bucher-Studie die wahrgenommene »Effizienz des Religionsunterrichts«.202 Diese wird an der Zustimmung zu zehn Items abgelesen, zu denen u. a. das Lernen über andere Religionen, das Nachdenken über den eigenen Glauben, das Wissen von Gott und Jesus sowie Antworten auf wichtige Fragen gehören. Durchweg spielt die vor- und außerschulische religiöse Sozialisation für die Einschätzung von Religionsunterricht eine große Rolle: »Religionsunterricht gibt jenen SchülerInnen mehr, die von Zuhause schon mehr religiös-kirchliche Prägung mitbringen. 40 % der religiös schwach Sozialisierten bejahten, Religionsunterricht sei in ihrem Leben zumindest zum Teil eine Hilfe gewesen, die religiös stark Sozialisierten hingegen fast um das doppelte häufiger. Die Abmeldungsbereitschaft liegt bei den religiös wenig Sozialisierten fast um das Vierfache höher.«203 Obwohl sich aus solchen Wahrnehmungen des Unterrichts durch die Schülerinnen und Schüler nicht einfach ein abschließendes Qualitätsurteil ableiten lässt, bleiben Schülereinschätzungen zum Religionsunterricht auf jeden Fall in hohem Maße bedeutsam. Ähnlich wie die Lehrkräfte sind auch die Schülerinnen und Schüler als Experten des Religionsunterrichts einzuschätzen, und ihre Wahrnehmungen gehen natürlich in ihr Handeln und Verhalten in diesem Unterricht und in ihr Verhältnis zu ihm ein. Das war besonders deutlich in der Situation der Einführung von Religionsunterricht in Ostdeutschland zu erkennen, da sich die Kinder und Jugendlichen (oder auch ihre Eltern) hier erstmals für oder gegen eine Teilnahme an diesem Unterricht entscheiden mussten. Wahrnehmungen zum Religionsunterricht gewinnen in solchen Situationen eine unmittelbar handlungsleitende Bedeutung: Entweder fällt die Entscheidung für den Religions- oder für den Ethikunterricht. Auch wenn in der Bucher-Studie die Beliebtheitsfrage weithin im Vordergrund steht, zeigt diese Studie in anderer Hinsicht also ansatzweise auch, wie die Schülerinnen und Schüler das Geschehen im Unterricht wahrnehmen und beschreiben. Das gilt noch mehr für spätere Schülerbefragungen, die damit zumindest teilweise auch Aufschluss über unmittelbar qualitätsrelevante Aspekte geben. Als Beispiel einer neueren Untersuchung kann hier auf die in Bayern mit 2.112 Schülerinnen und Schülern durchgeführte Befragung von Susanne 201 Ebd., 79 f. 202 Ebd., 61. 203 Ebd., 82 f.

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Schwarz und Adriane Dörnhöfer verwiesen werden.204 Hier wurde u. a. nach den Motiven für den Besuch von Religionsunterricht gefragt. 26,7 % gaben an, dass sie hier zum Nachdenken angeregt werden, 22,9 % sagten, dass im Religionsunterricht »auch eigene Probleme besprochen werden«, 21,6 % fanden die Religionslehrkraft »fachlich super«205 – für den Religionsunterricht erfreuliche Befunde, die zugleich aber anzeigen, dass hier durchaus noch Luft nach oben wäre. Denn einige dieser Aspekte betreffen Kernanliegen der Religionsdidaktik. Die Anforderungen des Faches werden von 42,9 % der Befragten als »leicht« und von 43 % als »genau richtig« wahrgenommen.206 Auch dies kann als Anlass dafür genommen werden, über die Frage nach dem Anforderungsniveau und nach einem möglichen Spielraum nach oben nachzudenken. Allerdings nehmen die Schülerinnen und Schüler bei sich selbst einen deutlichen Kompetenzerwerb im Religionsunterricht wahr, besonders im sozialen Bereich, aber auch im Blick auf das Christentum und andere Religionen, was für die Qualität des Unterrichtsangebots spricht.207 Wie solche Befunde einzuordnen sind, lässt sich freilich nur sagen, wenn auch Vergleichsmöglichkeiten etwa zu anderen Fächern bestehen, was in der Vergangenheit zumeist nicht der Fall war. Insofern ist die Tübinger Repräsentativstudie, die mit mehr als 6.000 Schülerinnen und Schülern im Religions- und im Ethikunterricht in Baden-Württemberg durchgeführt wurde, hier besonders interessant.208 Sie schließt einen systematischen Vergleich zwischen Schülerinnen und Schülern im Religions- und im Ethikunterricht sowie von deren Wahrnehmungen zum jeweils besuchten Fach ein. Die Befragten stellten dem Religionsunterricht ein positives Zeugnis aus, indem sie beispielsweise die Themen im Unterricht spannend fanden (52 %). Zugleich waren es aber 68 % der Befragten im Ethikunterricht, die dies bejahten.209 Dieser Befund ist sowohl inhaltlich als auch methodisch bedeutsam: Denn das beschriebene Antwortmuster zeigt sich auch bei anderen Items, was deutlich macht, dass auch eine positive Einschätzung von Religionsunterricht für sich allein genommen über mögliche Probleme hinwegtäuschen kann. Ähnlich wie in anderen Fällen ist es 204 Vgl. S. Schwarz/A. Dörnhöfer, SchülerInnenperspektiven auf den evangelischen Religionsunterricht in Bayern. Ausgewählte Ergebnisse. In: Theo-Web 15 (2016), 205–243 sowie die darauf basierende umfangreiche Darstellung Schwarz, SchülerInnenperspektiven (s. Anm. 161), die auch einen sehr instruktiven Überblick zu bislang vorliegenden Schülerbefragungen zum Religionsunterricht bietet. 205 Ebd., 208. 206 Ebd., 212. 207 Ebd., 213. 208 Vgl. Schweitzer u. a., Jugend – Glaube – Religion (s. Anm. 8). 209 Ebd., 110.

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erst die vergleichende Betrachtung, die weiterreichende Deutungen der Befunde zulässt. Quantitative Untersuchungen ergeben im Idealfall einen repräsentativen Einblick in die Situation von Religionsunterricht. Demgegenüber erweisen sich qualitative Untersuchungen insofern als unverzichtbar, als sie die Lernvoraussetzungen erhellen sowie die Rezeption von Religionsunterricht durch die Schülerinnen und Schüler detailliert beleuchten können, vor allem etwa im Blick auf individuelle, biografisch bedingte Voraussetzungen.210 Gerade bei religionspädagogischen Innovationen kann dies von großer Bedeutung sein. Bei der Einführung des konfessionell-kooperativen Religionsunterrichts in BadenWürttemberg beispielsweise war die Frage zu klären, wie Kinder und Jugendlich die christlichen Konfessionen verstehen. Besonders zu Beginn der Grundschulzeit traten dabei ganz eigene Deutungsweisen der Kinder zutage, für die die Konfessionszugehörigkeit ähnlich angeboren schien wie etwa Geschlecht oder Haarfarbe.211 Unterricht zu ökumenischen Themen kann nur erfolgreich sein, wenn er sich auf solche Deutungsweisen einzustellen vermag. Ähnliches gilt auch für interreligiöse Themen, für die sowohl im Kindes- als auch Jugendalter bestimmte Lernvoraussetzungen zu berücksichtigen sind.212 Auch im Blick auf qualitative Schülerbefragungen sind allerdings bestimmte Kriterien zu berücksichtigen. Anders als bei quantitativen Umfragen, bei denen die Samplegröße eine entscheidende Rolle spielt, arbeiten qualitative Untersuchungen in aller Regel mit einer kleinen Zahl von Befragten. Umso mehr hängt die Qualität solcher Untersuchungen davon ab, wie die wenigen Befragten ausgewählt, wie die Befragung durchgeführt und vor allem wie die Auswertung gestaltet wurden. In der qualitativen Sozialforschung haben sich dafür bestimmte Vorgehensweisen bewährt und durchaus hohe Qualitätsansprüche durchgesetzt.213 Im Bereich der Religionspädagogik sind solche Ansprüche bislang nicht ohne Weiteres erfüllt, wie vor allem das Beispiel der inhaltlich gleichwohl sehr anregenden Kinder- und Jungendtheologie zeigt.214 Hinter vielen Darstellungen stehen hier keine ausführlichen qualitativen Untersuchungen im Sinne einer transparenten Auswahl von Befragten und einer auf210 S. bspw. E. Hennecke, Was lernen Kinder im Religionsunterricht? Eine fallbezogene und thematische Analyse kindlicher Rezeptionen von Religionsunterricht, Bad Heilbrunn 2012. 211 Vgl. F. Schweitzer/A. Biesinger u. a., Gemeinsamkeiten stärken – Unterschieden gerecht werden. Erfahrungen und Perspektiven zum konfessionell-kooperativen Religionsunterricht. Freiburg/Gütersloh 2002, bes. 23–43. 212 Vgl. Schweitzer, Interreligiöse Bildung (s. Anm. 96). 213 Vgl. bspw. Flick u. a. (Hg.), Qualitative Forschung (s. Anm. 173). 214 Vgl. das Jahrbuch für Kindertheologie, Stuttgart 2002 ff.

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wändigen, in allen Analyseschritten kontrollierten Auswertung, sondern die Äußerungen von Kindern und Jugendlichen dienen häufig eher illustrativen und damit didaktischen Zwecken.215 Hinsichtlich der Qualitätsentwicklung von Unterricht bleibt es deshalb wichtig, nicht nur beispielsweise nach der Repräsentativität und Validität quantitativer Befunde zu fragen, sondern – ähnlich wie bei quantitativen Studien – auch nach der methodischen Qualität qualitativer Untersuchungen. Ein kritisch-prüfender Umgang mit Befunden sowie mit den Folgerungen, die daraus gezogen werden sollen, gehört heute zur religionspädagogischen Professionalität. Darüber hinaus stellen sich bei den Schülerbefragungen analog zu den Lehrerbefragungen grundsätzliche Fragen nach der Reichweite der auf diese Weise zu gewinnenden Befunde: Wie verlässlich sind die Wahrnehmungen der Schülerinnen und Schüler? Was besagen sie im Blick auf die tatsächliche Gestalt von Religionsunterricht? Inzwischen wurden zu solchen Fragen eigene Untersuchungen durchgeführt. Dabei wurde mithilfe von Vergleichen geprüft, wie verlässlich Schülerbeurteilungen zur Qualität von Unterricht tatsächlich sind.216 Beispielsweise wurde die Beurteilung von Unterricht durch Schülerinnen und Schüler mit anderen Befunden etwa aus Unterrichtsbeobachtung und Lehrerberichten verglichen. Insgesamt ist demnach den Schülerinnen und Schülern ein durchaus valides und differenziertes Urteil hinsichtlich des Unterrichts zuzutrauen. Abhängig ist die Validität der Einschätzungen allerdings von einer sorgfältigen Prüfung der eingesetzten Items in Voruntersuchungen, wie dies in der Religionspädagogik bislang eher selten anzutreffen ist. Darüber hinaus wird in allen entsprechenden Studien aber zugleich auf die Grenzen von Schülerbefragungen hingewiesen, weil es Kindern und Jugendlichen naturgemäß an einer professionellen didaktischen Kompetenz und Urteilsfähigkeit fehlt. Es wäre daher von vorherein nicht sinnvoll, ihnen Fragen zu solchen Zusammenhängen vorzulegen. Grundsätzlich gilt, dass Schülerbefragungen ähnlich wie Lehrerbefragungen immer perspektivisch sind. Sie bringen zum Ausdruck, was Kinder und Jugendliche wahrnehmen, was ihnen wichtig ist, welche Vorlieben sie haben und wie sie selbst ihren Lernerfolg einschätzen. Die Einschätzung des tatsächlichen Kompetenzerwerbs, wie er dann auch in die Notengebung Eingang findet, kann aber kaum vom selbst eingeschätzten Lernerfolg abhängig gemacht werden. 215 Zur kritischen Diskussion vgl. etwa M. Zimmermann, Kindertheologie als theologische Kompetenz von Kindern. Grundlagen, Methodik und Ziel kindertheologischer Forschung am Beispiel der Deutung des Todes Jesu, Neukirchen-Vluyn 2010. 216 Vgl. Göllner u. a., Erfassung der Unterrichtsqualität (s. o., Anm. 160); Kloss, Grundschüler als Experten (s. Anm. 160).

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Qualität im Religionsunterricht wahrnehmen und beurteilen

Ganz offenbar kommt es hier darauf an, was jemand kann – oder eben nicht kann – und nicht einfach darauf, wie sich jemand selbst bewertet. Dies unterstreicht die Notwendigkeit weiterer Zugangsmöglichkeiten zur Erfassung von Unterrichtsqualität. Schülerbefragungen und die Qualität von Religionsunterricht Ȥ Schülerbefragungen zum Religionsunterricht stellen eine wichtige Möglichkeit dar, um die Wahrnehmungen durch die für den Unterricht entscheidende Zielgruppe zu erfassen. Besonders plausibel sind solche Umfragen, wenn es um die Beliebtheit oder Akzeptanz des Faches geht, aber sie können durchaus auch Einblick in die Realität des Unterrichts geben. In dieser Hinsicht sind sie für die Untersuchung von Qualität im Religionsunterricht ebenfalls unmittelbar relevant und können Impulse für die weitere Qualitätsentwicklung enthalten. Ȥ Auch die Schülerinnen und Schüler sind in gewisser Hinsicht als Expertinnen und Experten für den Religionsunterricht anzusprechen: Neben den Lehrkräften sind sie die einzigen, die diesen Unterricht alltäglich erleben. Ȥ Soweit es um religionsdidaktische Orientierungen wie die Subjekt- und Schülerorientierung geht, kommt den Schülerwahrnehmungen naturgemäß eine hervorgehobene Bedeutung zu. Ȥ Insgesamt ist immer die besondere Perspektive der Befragungen mitzubedenken. Als Schülerinnen und Schüler bewegen sich Kinder und Jugendliche in einer bestimmten Rolle, die sich auch auf ihre Wahrnehmungen auswirkt. Und ein professionell-religionspädagogisches Wahrnehmungs- und Urteilsvermögen kann von den Schülerinnen und Schülern nicht erwartet werden. Ȥ Wie in Teil 3 dieses Bandes genauer dargestellt, können Schülerbefragungen auch eine demokratisierende Wirkung haben: Schülerinnen und Schüler gewinnen mitunter bei solchen Befragungen den – berechtigten – Eindruck, dass ihre Meinung gefragt ist.

5.3.4 Untersuchungen zur Produktqualität von Religionsunterricht

Allgemein gesprochen, also nicht speziell im Blick auf den Religionsunterricht, sondern auf Schule und Unterricht insgesamt bezogen, ist diese Perspektive heute sehr weit verbreitet. Sie liegt vor allem den großen internationalen Schulleistungsvergleichsuntersuchungen wie PISA zugrunde und hat insofern starke Beachtung gefunden. Dies erklärt sich nicht nur aus der (bildungs-)politischen Diskussion, die dadurch ausgelöst wurde, sondern entspricht auch einem pä­­da­ gogischen Grundanliegen der Schule: Dass Schülerinnen und Schüler in ihren

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Fähigkeiten und Fertigkeiten tatsächlich gestärkt werden, gehört fraglos zu den Aufgaben allen Unterrichts. Dies schließt selbstredend auch den Religionsunterricht ein, auch wenn die Frage nach der Förderung von Fähigkeiten und Fertigkeiten in der religionsdidaktischen Diskussion nicht immer die gebührende Aufmerksamkeit erfahren hat und der Sinn von Religionsunterricht sich nicht allein anhand messbarer Outcomes bestimmen lässt. Bei Studien zur Produktqualität von Unterricht wird heute in der Regel die Ausprägung bestimmter Kompetenzen auf einer Klassenstufe erfasst, bei PISA und ähnlichen Untersuchungen vor allem im sprachlichen und im mathematisch-naturwissenschaftlichen Bereich.217 Dabei zeigen sich deutliche Unterschiede im Kompetenzniveau, das von den Schülerinnen und Schülern jeweils erreicht wird. Diese Unterschiede werden in diesem Fall als Hinweis auf die unterschiedliche Leistungsfähigkeit der Schulen oder Bildungssysteme in verschiedenen Ländern oder, für Deutschland gesprochen, den verschiedenen Bundesländern verstanden. Schließich wird daraus dann besonders dort auf einen Reformbedarf geschlossen, wo die Ergebnisse unterdurchschnittlich oder jedenfalls schlechter als gewünscht ausfallen. Der Ansatz bei Kompetenzen unterscheidet sich dabei wesentlich von den sonst in der Schule üblichen Formen der Leistungsmessung, etwa Tests oder Klassenarbeiten. Die Kompetenzen sind bewusst so allgemein gehalten, dass sie weder den unmittelbar vorangehenden Unterricht noch die Erwartungen bestimmter Bildungspläne abbilden. Sie beschreiben vielmehr in übergreifender Weise Fähigkeiten und Fertigkeiten von Personen im Blick auf bestimmte Kompetenzbereiche. Bei PISA beispielsweise wird die Lesefähigkeit (»literacy«) im Umgang mit Texten im Allgemeinen untersucht, nicht jedoch die Vertrautheit mit bestimmten Werken aus der Literatur, wie sie in Bildungsplänen aufgeführt sind.218 Ebenfalls im Unterschied zu den in der Schule sonst üblichen Formen der Leistungsbewertung beruhen die Kompetenzbeschreibungen im wissenschaftlichen Bereich auf breit angelegten Validierungsstudien, die die empirische Tragfähigkeit und allgemeine Vergleichbarkeit der Befunde gewährleisten sollen. Trotz dieser prinzipiell plausiblen Vorgehensweise und den sehr differenzierten Untersuchungsinstrumenten, die dabei zum Einsatz kommen, hat sich an den entsprechenden Vergleichsuntersuchungen auch eine breite kritische Diskussion entzündet. Kritisch hinterfragt wird dabei etwa die Auswahl und Hervorhebung nur bestimmter Bereiche oder Schulfächer, was leicht zur Abwertung 217 Vgl. den Überblick bei Helmke, Unterrichtsqualität (s. Anm. 5). 218 Vgl. Deutsches PISA-Konsortium, PISA 2000 (s. Anm. 4).

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anderer Bereiche und Fächer führen kann. Hingewiesen wird auch auf die Bedeutung von Fähigkeiten und Fertigkeiten, die sich etwa im Bereich von Kunst oder Ethik, aber auch Religion weniger leicht erfassen lassen als in den genannten PISA-Fächern und die gleichwohl für eine umfassende Bildung nicht weniger unverzichtbar sind. Und nicht zuletzt wird vor einem globalen Konkurrenzdenken gewarnt, das Bildung auf einen Beitrag zur Sicherung des »Wirtschaftsstandorts Deutschland« reduziert. 219 Gerade wenn nach dem Kompetenzerwerb im Religionsunterricht gefragt wird, kann darin eine erste Antwort auf solche Kritikpunkte gesehen werden. Auf diese Weise kann gezeigt werden, dass auch in diesem Fach tatsächlich allgemein bedeutsame Fähigkeiten und Fertigkeiten erworben werden. Ein empiriegestützter Nachweis dieser Art ist schon für das Standing eines immer wieder umstrittenen Faches nicht geringzuschätzen. Allerdings sind bislang nur wenige Untersuchungen zur Produktqualität von Religionsunterricht im Sinne des Kompetenzerwerbs verfügbar. Dabei kann zwischen zwei Untersuchungsformen unterschieden werden: Auf der einen Seiten handelt es sich um Studien, die ganz allgemein nach den Effekten der Teilnahme am Religionsunterricht fragen, zum anderen kann aber auch gezielt nach der Wirksamkeit bestimmter Formen von Religionsunterricht gefragt werden, die dann als sogenannte Interventionen verstanden werden. Kompetenzerwerb durch Teilnahme am Religionsunterricht

Am bekanntesten ist hier die Berliner Untersuchung »Religiöse Kompetenz als Teil öffentlicher Bildung«, die von einer Forschungsgruppe um den Erziehungswissenschaftler Dietrich Benner durchgeführt wurde.220 Im Zentrum dieser Untersuchung stand allerdings nicht die Leistungsfähigkeit des Religionsunterrichts, sondern vor allem die Entwicklung eines geeigneten Untersuchungsinstruments, das auf der Grundlage eines Kompetenzmodells eine differenzielle Erfassung der Kompetenzausprägung bei den Schülerinnen und Schülern ermöglicht. Befunde, die mithilfe dieses Untersuchungsinstruments gewonnen werden, sollen dann auch einen Einblick in die Wirksamkeit von Religionsunterricht erlauben, aber dazu müssten repräsentative Erhebungen durchgeführt werden, die (noch) nicht Ziel dieser Studie waren. Auch wenn es bei der Berliner Studie deshalb im Kern nicht um die im Religionsunterricht realisierte Qualität geht, sondern um die Möglichkeit von deren Messung, geben die von Benner 219 Zur kritischen Diskussion in der Religionspädagogik vgl. etwa das Themenheft der Zeitschrift für Pädagogik und Theologie 4/2018: Kompetenzorientierung im Religionsunterricht – Chancen und Grenzen. 220 Vgl. Benner u. a., Religiöse Kompetenz (s. Anm. 130).

Untersuchungen zum Religionsunterricht und ihre Reichweite

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u. a. durchgeführten Untersuchungen doch einen ersten Aufschluss über die Wirksamkeit von Religionsunterricht. Vor allem in Berlin, wo der Religionsunterricht kein ordentliches Lehrfach im Sinne des Grundgesetzes (Art. 7,3) ist und es deshalb besonders viele Schülerinnen und Schüler gibt, die nicht am Religionsunterricht teilnehmen, sind entsprechende Vergleiche zwischen am Religionsunterricht teilnehmenden und nicht-teilnehmenden Kindern und Jugendlichen möglich. Darüber hinaus lassen sich in anderen Bundesländern auch Vergleiche zwischen den Effekten des Besuchs von Ethikunterricht auf der einen und von Religionsunterricht auf der anderen Seite anstellen.221 Allerdings wären hier für valide Befunde größere Studien erforderlich, wie sie bislang im Blick auf den jeweiligen Kompetenzerwerb nicht zur Verfügung stehen. Die erste Frage, die bei solchen Untersuchungen beantwortet werden muss, bezieht sich auf das Kompetenzverständnis, das einer Untersuchung zugrunde liegen soll. Benner u. a. unterscheiden zwischen drei Komponenten (wobei sie die erste Komponente selbst nicht als Kompetenz ansprechen, obwohl dies durchaus möglich ist): Ȥ religionskundliche Kenntnisse, Ȥ religiöse Deutungskompetenz, Ȥ religiöse Partizipationskompetenz.222 Die religionskundlichen Kenntnisse stellen dabei eine Voraussetzung für den weiterreichenden Kompetenzerwerb dar. Sie können – in der in diesem Band verwendeten Begrifflichkeit – auch als religionsbezogenes Wissen angesprochen werden. Religiöse Deutungskompetenz meint das weiterreichende Verstehen, das auch eine sachgemäße Anwendung der religionskundlichen Kenntnisse einschließt. Bei der religiösen Partizipationskompetenz schließlich geht es nicht einfach um eine Beteiligung an religiösen Vollzügen, also etwa an einem Gottesdienst oder gemeinsamen Gebeten, was sich auch schwerlich als Kompetenz fassen lässt. Es geht vielmehr um die Befähigung dazu, »unter Einbeziehung religiöser Aspekte am gesellschaftlichen und öffentlichen Leben teilzunehmen«.223 Allerdings konnte diese dritte Kompetenzkomponente, also die Partizipationsfähigkeit, bislang empirisch nicht zuverlässig erfasst werden. Insofern handelt es 221 Vgl. D. Benner/R. Nikolova (Hg.), Ethisch-moralische Kompetenz als Teil öffentlicher Bildung. Der Berliner Ansatz zur Konstruktion und Erhebung ethisch-moralischer Kompetenzniveaus im öffentlichen Erziehungs- und Bildungssystem mit einem Ausblick auf Projekte zu ETiKInternational, Paderborn 2016. 222 Vgl. Benner u. a., Religiöse Kompetenz (s. Anm. 130), 31. 223 Vgl. ebd., 36.

138

Qualität im Religionsunterricht wahrnehmen und beurteilen

sich hier um eine theoretisch gut begründete, empirisch aber nicht abgesicherte Teilkompetenz.224 Bei einer in Berlin und Brandenburg durchgeführten Pilotuntersuchung konnten 1.603 Schülerinnen und Schüler in 62 Schulen getestet werden. Die Gruppe der an der Studie beteiligten Jugendlichen in Klasse 10 war so zusammengesetzt, dass es möglich wurde, »religiöse Kompetenzen von Schülerinnen und Schülern, die kontinuierlich am Religionsunterricht teilgenommen haben, und solchen, die wenig bis gar nicht am Religionsunterricht teilnahmen, zu vergleichen«.225 Aus diesem Vergleich im Blick auf die unterschiedliche Kompetenzausprägung der beiden Schülergruppen ergab sich, »dass der Religionsunterricht in einem bedeutsamen Ausmaß zur Förderung und Vermittlung von religiösen Kenntnissen und religiöser Deutungskompetenz beiträgt«.226 Nicht zuletzt vor dem Hintergrund der internationalen Debatte über die Frage der Wirksamkeit von Religionsunterricht ist dieser Befund als bemerkenswert zu bezeichnen.227 Das Vorurteil, dass in diesem Unterricht am Ende nichts wirklich Fassbares gelernt werde, ist damit zumindest ein Stück weit widerlegt. Weiter unterstrichen wird dies durch erste Befunde zur Wirksamkeit von Ethikunterricht, bei denen auch der Religionsunterricht als Vergleich herangezogen wurde. Im Blick auf den Erwerb ethisch-moralischer Grundkenntnisse erwies sich hier der Besuch von Religionsunterricht als ähnlich wirksam wie der Besuch von Ethikunterricht bzw. des Faches »Praktische Philosophie in Nordrhein-Westfalen«.228 Eine weitere Studie dieser Art soll an dieser Stelle zumindest noch kurz erwähnt werden. In einer auf ein Schuljahr bezogenen Studie untersuchte Georg Ritzer den Religionsunterricht in Salzburg.229 Auch er konnte dabei einen vom Religionsunterricht bedingten Kompetenzerwerb feststellen, vor allem im Bereich des Wissenserwerbs. Einstellungen hingegen, die mitunter ebenfalls zu den Kompetenzen gezählt werden, hatten sich im Laufe des untersuchten Jahres nicht verändert.230 Hinzuweisen ist zugleich auf die Grenzen der Vorgehens224 Vgl. ebd., 37. 225 Ebd., 96. 226 Ebd., 116. 227 Vgl. insbes. die kritische Darstellung bei J. C. Conroy u. a., Does Religious Education Work? A Multi-dimensional Investigation, London/New York 2013; anders L. Francis, Does RE work and contribute to the common good in England? In: E. Arweck (Hg.), Young People’s Attitudes to Religious Diversity, Abingdon 2018, 153–169; Überblick bei Schweitzer/Boschki, Researching (s. Anm. 18). 228 Vgl. Benner/Nikolova, Ethisch-moralische Kompetenz (s. Anm. 221), 191. 229 Vgl. G. Ritzer, Interesse – Wissen – Toleranz – Sinn. Ausgewählte Kompetenzbereiche und deren Vermittlung im Religionsunterricht. Eine Längsschnittstudie, Wien/Berlin 2010. 230 Vgl. ebd., 17.

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weise bei dieser Studie, was auch im Blick auf andere Untersuchungen hilfreich ist. In der Studie wird nicht genauer erfasst, um welche Art von Unterricht es sich im Einzelnen denn gehandelt hat. Zwar wurde das sogenannte »Binnengeschehen« für den Unterricht erfragt, aber dies schließt beispielsweise keine weiteren Informationen über die Inhalte oder über deren Bearbeitung im Unterricht ein. So gibt die Studie etwa keinen Aufschluss darüber, ob nicht-christliche Religionen, die für die Studie eine zentrale Rolle spielen, im Einzelfall ausführlicher oder weniger ausführlich behandelt wurden, ob sie eher wissensorientiert oder begegnungsoffen aufgenommen wurden, historisch oder symboldidaktisch usw. Darüber hinaus wäre es interessant gewesen, konsequent zwischen Effekten auf der Individual- und auf der Gruppenebene zu unterscheiden, da Lernergebnisse bzw. Wirkungen ja immer innerhalb bestimmter (Schul-)Klassen oder Lerngruppen erzielt oder eben nicht erzielt werden (sogenannte nested data). Ähnliche Grenzen weisen auch die Untersuchungen von Benner u. a. auf. Denn die im Religionsunterricht tatsächlich realisierte Qualität oder auch unterschiedliche Strategien der Unterrichtsgestaltung wurden hier ebenfalls nicht berücksichtigt. Es wurde nur gefragt, ob Religionsunterricht besucht wurde oder nicht bzw. ein anderes Fach wie Ethik. Daraus ergeben sich aber noch keine Aufschlüsse dazu, in welcher Gestalt der Religionsunterricht mehr und unter welchen Voraussetzungen er weniger wirksam ist. Gerade für Religionslehrkräfte, die ihren Unterricht planen und verantworten müssen, ist dies aber eine entscheidende Frage. Insofern leuchtet es unmittelbar ein, dass weitere Untersuchungsformen zumindest ergänzend erforderlich sind. Interventionsstudien

Anders als bei den bislang beschriebenen Untersuchungen zur Produktqualität von Unterricht, die sich auf Vergleiche zwischen der Teilnahme und NichtTeilnahme am Religionsunterricht beschränken und nicht weiter nach der Ausgestaltung des Unterrichts fragen, stehen bei Interventionsstudien von vornherein bestimmte Gestaltungsformen von Unterricht im Zentrum. Entscheidend ist damit die Frage, welche Lernerfolge etwa im Sinne des Kompetenzerwerbs mithilfe einer bestimmten Gestaltungsform erreicht werden. Auf diese Weise werden dann auch Vergleiche möglich sowie Aussagen darüber, welche didaktische Strategie erfolgreicher ist als andere. Damit versprechen Studien dieser Art Aufschlüsse, die gerade auch für die praktische Gestaltung von Religionsunterricht hilfreich sind.231 Denn die Entscheidung zwischen unterschiedlichen 231 Vgl. F. Schweitzer, Interventionsstudien im Religionsunterricht: Begründung – Beispiele – Perspektiven. In: Schambeck/Riegel (Hg.), Was im Religionsunterricht so läuft (s. Anm. 18), 107–122.

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Qualität im Religionsunterricht wahrnehmen und beurteilen

didaktischen Vorgehensweisen, mit denen ein bestimmtes Thema aufgenommen werden soll, gehört zum Alltagsgeschäft jeder Unterrichtsvorbereitung. Deshalb wird bei der aktuellen Version des Elementarisierungsmodells auch immer gefragt, auf welche Erkenntnisse der Unterrichtsforschung zurückgegriffen werden kann.232 Allerdings sind Interventionsstudien auch besonders aufwändig, was zum Teil erklärt, weshalb es bislang zum Religionsunterricht nur eine sehr überschaubare Anzahl solcher Studien gibt. Bei Interventionsstudien handelt es sich um ein bestimmtes Untersuchungsdesign, das in verschiedenen wissenschaftlichen Disziplinen genutzt wird. Untersucht werden soll eine hypothetisch angenommene Ursache-Wirkungs-Beziehung, weshalb ein Vergleich zwischen einer Untersuchungsgruppe und einer Kontroll- bzw. Vergleichsgruppe durchgeführt wird. Im Bereich des (Religions-)Unterrichts nimmt die Untersuchungsgruppe dann an einer bestimmten Form von Unterricht teil, während dies bei der Kontrollgruppe nicht der Fall ist. Für beide Gruppen wird eine Messung oder Befragung vor dem Unterricht der Versuchsgruppe sowie danach durchgeführt. Um auch die Nachhaltigkeit von Lerneffekten zu erfassen, wird zudem eine dritte Messung in zeitlichem Abstand zum Unterricht durchgeführt. Da­ raus ergibt sich folgender Aufbau von Interventionsstudien: Anlage einer um einen Messzeitpunkt im zeitlichen Abstand zum Treatment erweiterten Interventionsstudie t1

Treatment

t2

t3

Experimentalgruppe

x

x

x

x

Kontrollgruppe

x

---

x

x

Als Beispiel soll hier auf eine eigene Tübinger Untersuchung zum interreligiösen Lernen zurückgegriffen werden.233 Diese Studie folgte dem beschriebenen Design. Eingesetzt wurden zwei verschiedene Treatments – in Gestalt von unterschiedlichen Unterrichtseinheiten. Eine weitere Besonderheit bestand darin, dass pro Experimentalgruppe zwei Sub-Samples eingesetzt wurden, die sich im Blick auf ihre Lernvoraussetzungen unterschieden: zum einen waren es angehende Bankkaufleute, im anderen Fall Industriekaufleute, die zwar ebenfalls eine kaufmännische Ausbildung durchlaufen, aber nicht für eine Tätigkeit bei einer Bank. Das Design der Studie zielte in dieser Hinsicht darauf, unter232 Schweitzer u. a., Elementarisierung 2.0 (s. Anm. 14). 233 Vgl. Schweitzer u. a., Interreligiöses Lernen (s. Anm. 122).

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Untersuchungen zum Religionsunterricht und ihre Reichweite

schiedliche Grade von Erfahrungsbezug und Schülerorientierung in ihrer Wirkung auf die Lerneffekte oder eben den Kompetenzzuwachs zu kontrollieren. Das Verständnis interreligiöser Kompetenz, das der Studie zugrunde liegt, geht von drei Komponenten dieser Kompetenz aus, wie sie oben bereits im Blick auf mögliche Indikatoren für Unterrichtsqualität erläutert wurden: Ȥ religionsbezogenes Wissen (hier Islam und Christentum), Ȥ religionsbezogene Perspektivenübernahme, Ȥ religionsbezogene Einstellungen. Die beiden Treatments bestanden aus zwei Unterrichtseinheiten, jeweils mit sechs Unterrichtsstunden. Beide Einheiten waren auf aktuelle Themen bezogen. Bei der ersten ging es um »Islamic Banking« und damit um Fragen wie das Zinsverbot, aber auch das Verbot von Spekulationsgeschäften. Thema der zweiten Unterrichtseinheit war »Religionen und Gewalt«. Hier wurden diverse Konflikte im Umkreis des Verhältnisses zwischen Religion und Gewalt aufgenommen, in einem bewusst interreligiösen Kontext. In beiden Unterrichtseinheiten wurden, zur Förderung der Perspektivenübernahme, u. a. Rollenspiele durchgeführt. Insgesamt wies die Studie damit folgendes Design auf: Design der Interventionsstudie »Interreligiöses Lernen durch Perspektivenübernahme« t1

Treatments

t2

t3

Experimentalgruppe 1 1a: Bankkaufleute 1b: Industriekaufleute

x

Treatment 1

x

x

Experimentalgruppe 2 2a: Bankkaufleute 2b: Industriekaufleute

x

Treatment 2

x

x

Kontrollgruppe

x

---

x

x

Die Ergebnisse der Untersuchung sind einigermaßen komplex, was hier nur angedeutet werden kann (ausführlicher in der Buchveröffentlichung234). Nur knapp also zu den drei genannten Komponenten interreligiöser Kompetenz: Ȥ Religionsbezogenes Wissen: In dieser Hinsicht waren die klarsten Zunahmen festzustellen, und diese waren auch über die Zeit hinweg stabil. Offenbar kann der Religionsunterricht im Blick auf ein entsprechendes Wissen, das in diesem Fall keineswegs auf bloßes Faktenwissen beschränkt war, erfolgreich sein. 234 Vgl. ebd.

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Qualität im Religionsunterricht wahrnehmen und beurteilen

Ȥ Religionsbezogene Perspektivenübernahme: Hier waren die Ergebnisse gemischt. Eine Zunahme der Fähigkeit zur Perspektivenübernahme war nur zum Teil zu beobachten, und auch diese Zunahme war nicht nachhaltig. Religionsdidaktisch herausfordernd ist zudem der Befund, dass die Wirksamkeit des Unterrichts dann höher war, wenn kein allzu stark ausgeprägter Bezug auf die (hier berufsbezogene) Lebenswelt der Schülerinnen und Schüler gegeben war. Auch hinsichtlich der Perspektivenübernahme kann von einer möglichen Wirksamkeit des Religionsunterrichts gesprochen werden, aber hier sind weitere Untersuchungen erforderlich. Ȥ Religionsbezogene Einstellungen: Hier ergaben sich keine feststellbaren Veränderungen, was einerseits in Übereinstimmung mit anderen Studien zum Religionsunterricht steht,235 andererseits aber insofern enttäuscht, als Einstellungsänderungen mitunter besonders dringlich erscheinen. Haltungen wie Antisemitismus und Fremdenfeindlichkeit sollen durch Schule und Unterricht abgebaut werden, so jedenfalls der breite Konsens. Auch in dieser Hinsicht sind deshalb weitere Untersuchungen dazu erforderlich, über welche Möglichkeiten Schule und Unterricht hier tatsächlich verfügen und auf welche Weise Einstellungsänderungen erreicht werden können. Interventionsstudien, so zeigt dieses Beispiel, eignen sich sehr gut zur Überprüfung der Wirksamkeit bestimmter Formen von Unterricht. Sie weisen jedoch wie alle Untersuchungsansätze spezielle Grenzen auf. Untersucht wird nicht der alltägliche Unterricht, sondern eine besondere Form, die den Unterrichtenden in der Regel vorgegeben wird. Damit Vergleiche möglich werden, müssen die Unterrichtseinheiten in den verschiedenen Lerngruppen möglichst in identischer Form durchgeführt werden (sogenannte Treatment-Integrität oder -Fidelity), was aber zugleich dem didaktischen Erfordernis, sich immer wieder neu auf eine Lerngruppe und den Unterrichtsprozess einzustellen, widerspricht. Interventionsstudien können gleichwohl zu aufschlussreichen Befunden führen, sofern die untersuchten didaktischen Strategien so gewählt werden, dass sie in einem zumindest plausiblen Verhältnis zum Alltag von Religionsunterricht stehen. Offene Fragen – bleibende Probleme

Ein bleibendes Problem der Interpretation von Befunden zur Produktqualität von Religionsunterricht liegt in der Frage sogenannter Benchmarks, also der Referenzpunkte oder -befunde für eine vergleichende Bewertung etwa von Kompetenzzuwächsen. Die PISA-Studien beispielsweise nutzen in diesem Sinne 235 Vgl. u. a. Ritzer, Interesse (s. Anm. 229); Ziebertz, Gender (s. Anm. 129).

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den internationalen Vergleich (Was können Kinder und Jugendliche in anderen Ländern? Wie weit vorn oder hinten liegt Deutschland im internationalen Vergleich? usw.). Darüber hinaus werden Vergleiche zwischen den Bundesländern angestellt. Für den Religionsunterricht liegen im internationalen Bereich bislang keine dafür einsetzbaren Befunde vor, und ein PISA-Wettbewerb zwischen dem Religionsunterricht in verschiedenen Bundesländern oder Landeskirchen im Blick auf den Religionsunterricht wäre auch fragwürdig. Hier spielen etwa unterschiedliche regionale Traditionen und Voraussetzungen eine große Rolle, die bei Vergleichen allein im Blick auf den jeweiligen Kompetenzerwerb nicht berücksichtigt würden. Immer wieder wird beispielsweise auf die beim Religionsunterricht und bei der religiösen Sozialisation nach wie vor erheblichen Unterschiede zwischen Ost- und Westdeutschland hingewiesen, die eine Vergleichbarkeit im Sinne eines Rankings von vornherein infrage stellen. Ähnliche Fragen können im Blick auf verschiedene Schularten gestellt werden, etwa für den Religionsunterricht im beruflichen Bildungswesen im Verhältnis zum Religionsunterricht im allgemeinbildenden Bereich. Plausibel bleibt gleichwohl das für Interventionsstudien bezeichnende Vorgehen, bei dem Kenntnisse und Fähigkeiten vor und nach dem Unterricht gemessen werden. Auf diese Weise lässt sich zumindest der Kompetenzerwerb einigermaßen verlässlich abschätzen und wird es beispielsweise möglich, unterschiedliche Formen der Unterrichtsgestaltung im Blick auf ihre Effektivität miteinander zu vergleichen. Untersuchungen zur Produktqualität von Religionsunterricht Ȥ Untersuchungen zur Produktqualität von Unterricht ziehen heute u. a. im Anschluss an die PISA-Untersuchungen große Aufmerksamkeit auf sich. Sie stellen eine auch in pädagogischer Sicht unerlässliche Möglichkeit dar, sich bei der Erfassung von Unterrichtsqualität nicht allein auf die Wahrnehmung der Lehrkräfte oder der Schülerinnen und Schüler verlassen zu müssen. Ȥ Im Zentrum dieses Ansatzes steht die Frage, was im (Religions-)Unterricht tatsächlich gelernt wurde. Zur Beantwortung dieser Frage werden Kompetenzmodelle entwickelt und validiert, die eine verlässliche Erfassung und Bewertung von Lernerfolgen ermöglichen sollen. Erste Beispiele dafür liegen auch für den Religionsunterricht vor, aber es fehlt noch immer ein breit akzeptiertes und empirisch geprüftes Kompetenzmodell. Ȥ Untersuchungen zur Produktqualität von Religionsunterricht wurden bislang entweder als Vergleichsstudien im Blick auf am Unterricht teilnehmende und nicht-teilnehmende Schülerinnen und Schüler durchgeführt oder als gezielte

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Interventionsstudien. Bei den teilnahmebezogenen Untersuchungen bleibt in der Regel die im Einzelfall variierende Ausgestaltung des Unterrichts außer Acht. Bei Interventionsstudien werden hingegen bestimmte (religions-)didaktische Strategien gezielt auf die Probe gestellt, was deren Befunde auch für die Praxis besonders interessant macht.

5.3.5 Untersuchungen zur Prozessqualität von Religionsunterricht

Schon bei der Frage nach Kriterien für »guten Religionsunterricht« ist deutlich geworden, dass eine Orientierung allein an den Produkten im Sinne von Kompetenzzuwächsen gerade im Religionsunterricht nicht ausreichen kann. Denn auch die Erfahrungen im Unterrichtsprozess selbst spielen hier eine wichtige Rolle. Der Weg ist zwar auch in diesem Fall nicht schon das Ziel, aber die Erfahrungen auf dem Weg müssen konstitutiv berücksichtigt werden. Untersuchungen zur Prozessqualität sind deshalb unerlässlich, wenn Qualität im Religionsunterricht erfasst werden soll. Zugleich ist leicht nachvollziehbar, dass es weit schwerer ist, die Prozessqualität von Religionsunterricht zu untersuchen, als beispielsweise die Einstellungen zum Religionsunterricht bei Schülerinnen und Schülern oder Religionslehrkräften zu erfragen. In besonderer Weise ist dabei auch zu beachten, dass sich der Unterricht vielfach anders darstellen kann, wenn er von externer Seite beobachtet und dokumentiert wird. Alltäglicher Religionsunterricht, wie ihn die Forschung gerne untersuchen möchte, ist nicht mehr alltäglich, wenn er beispielsweise auf Video aufgezeichnet wird. Denn alle Beteiligten werden sich bemühen, dass die dann auch für andere und vielleicht auf Dauer verfügbare Aufzeichnung sie nicht in einem schlechten Licht erscheinen lässt. Trotz dieses prinzipiellen Einwandes, der durchweg bewusst bleiben muss, zeigen die bislang zur Prozessqualität von Religionsunterricht verfügbaren Studien, dass auf diese Weise durchaus interessante Ergebnisse gewonnen werden können. Mitunter wird dabei auch deutlich, dass sich aus den Selbstauskünften der Lehrkräfte zu ihrem Unterricht ein anderes Bild ergeben kann als bei der Unterrichtsbeobachtung. Um noch einmal auf ein bereits erwähntes, besonders instruktives Beispiel zurückzukommen: Es ist durchaus möglich, dass eine Lehrkraft die Auffassung vertritt, die eigene Konfessionszugehörigkeit spiele beim Religionsunterricht keine Rolle, während die Unterrichtsbeobachtung ein ganz anderes Bild ergibt.236 Offenbar ist die konfessionelle Prägung des eigenen Unterrichts nicht immer bewusst. 236 Vgl. oben, S. 126.

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Auf ein weiteres Beispiel aus der praxistheoretisch-religionsdidaktischen Unterrichtsforschung wurde ebenfalls schon verwiesen.237 Bei dieser Studie wurde die Spannung zwischen kindertheologischen Qualitätserwartungen und der Realität des Religionsunterrichts herausgearbeitet. Im Anschluss daran wurden empiriebasiert Entscheidungsfragen für die weitere Qualitätsentwicklung formuliert. Methodisch gesehen kommen vor allem drei Vorgehensweisen zur Erfassung von Unterrichtsprozessen infrage, die jeweils spezifische Vor- und Nachteile aufweisen: Ȥ Teilnehmende Beobachtung, bei der Auffälligkeiten durch die beobachtende Person protokolliert werden, ist die am wenigsten aufwändige Verfahrensweise. Sie kann, wie die verfügbaren Studien dieser Art beispielsweise zum Hamburger Religionsunterricht zeigen,238 zu durchaus interessanten und mitunter auch herausfordernden Resultaten führen, wirft aber das Problem der Selektivität der Beobachtung auf. Nach einer beobachteten Stunde stehen nur persönliche Notizen und vielleicht Beobachtungsprotokolle zur Verfügung, über deren festzuhaltenden Inhalt im Prozess der Beobachtung selbst und also unter hohem Zeitdruck entschieden werden musste. Ȥ Demgegenüber bieten Audio-Aufzeichnungen, die im Anschluss sorgfältig transkribiert werden, den Vorteil, dass auch nach dem beobachteten Unterricht ein Dokument zur Verfügung steht, das unter verschiedenen Gesichtspunkten ausgewertet werden kann. Ein weiterer Vorteil besteht darin, dass die erforderlichen Mikrofone heute sehr klein sind und damit nicht ständig Aufmerksamkeit bei den Schülerinnen und Schülern auf sich ziehen. Der Nachteil von Audio-Aufzeichnungen kann im fehlenden Bildeindruck gesehen werden, was sich besonders im Blick auf Schülerinnen und Schüler negativ bemerkbar macht, die sich nicht hörbar am Unterrichtsgeschehen beteiligen. Ȥ Deshalb werden heute vielfach Video-Aufzeichnungen als die beste Möglichkeit angesehen, da diese die meisten Vorteile von Audio-Aufzeichnungen ebenfalls bieten und darüber hinaus den Unterricht auch im Bild einfangen.239 Mitunter werden dabei mehrere Kameras eingesetzt, was wiederum Vorteile, aber zugleich den Nachteil mit sich bringt, dass die Situation des BeobachtetWerdens den am Unterricht Beteiligten beständig vor Augen steht. 237 Vgl. oben, S. 58 ff. 238 Vgl. B. Asbrand, Zusammen Leben und Lernen im Religionsunterricht. Eine empirische Studie zur grundschulpädagogischen Konzeption eines interreligiösen Religionsunterrichts im Klassenverband der Grundschule, Frankfurt/M. 2000. 239 Vgl. die Darstellung bei U. Riegel, Video Analysis. Opening the Black Box of Teaching Religious Education. In: Schweitzer/Boschki, Researching (s. Anm. 18), 117–130.

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Qualität im Religionsunterricht wahrnehmen und beurteilen

Bewährt hat es sich, die Audio- oder Videoaufzeichnungen von Religionsunterricht durch gezielte Nachgespräche (sogenanntes nachträgliches lautes Denken) mit den Lehrkräften und/oder Schülerinnen und Schülern zu ergänzen.240 Auf diese Weise kann auch Einblick in die subjektiven Sichtweisen von Unterricht gewonnen werden, die weder bei einer Audio- noch bei einer Videoaufzeichnung zu erkennen sind. Andere Ansätze legen allerdings gerade keinen Wert auf subjektive Sichtweisen, weil sie den Unterricht als einen den Beteiligten nicht bewussten Handlungszusammenhang (sogenannte Praktiken) verstehen.241 Die bislang aufwändigste Untersuchung zum Religionsunterricht, die auf Videoaufzeichnungen beruht, stammt von der Forschungsgruppe um den katholischen Religionspädagogen Rudolf Englert.242 Herausgefunden werden sollte, wie Religionslehrkräfte die in der (katholischen) religionsdidaktischen Tradition weithin als Grundaufgabe des Religionsunterrichts angesehene Korrelation – die Verknüpfung zwischen der christlichen Überlieferung und heutigen Erfahrungen – in ihrer schulischen Praxis umzusetzen versuchen.243 Als Grundlage der Untersuchung wurden 13 Unterrichtsreihen bzw. 113 Stunden Religionsunterricht aufgezeichnet.244 Die Auswertung bzw. die Analyse dieser videografisch aufgezeichneten Stunden bezog sich auf verschiedene Aspekte. Als besonders aufschlussreich erwies sich die Frage, wie Religion im Religionsunterricht modelliert wird. Zentral ist hier die Unterscheidung von fünf Formen, in der ein wesentliches Ergebnis der Untersuchung gesehen werden kann: Ȥ »Religion ›erfinden‹«: Hier stehen die eigenen Sinnkonstruktionen der Schülerinnen und Schüler ganz im Vordergrund, während der Rückgriff auf religiöse Überlieferungen eine geringe oder im Extrem gar keine Rolle spielt. Ȥ »Religion entdecken«: Entscheidend ist bei dieser Form die Konzentration auf die Phänomene in der Lebenswelt von Schülerinnen und Schülern, anhand derer sie für religiöse Perspektiven sensibilisiert werden. Ausgehend von alltäglichen menschlichen Erfahrungen werden mögliche religiöse Dimensionen und Interpretationen solcher Erfahrungen erschlossen. Ȥ »Religion erläutern«: Damit ist eine vor allem sachkundlich ausgerichtete Arbeitsform gemeint, die überall dort ein Erfordernis darstellt, wo den Schülerinnen und Schülern etwas ihnen Fremdes begegnet. 240 Vgl. Schweitzer u. a., Religionsunterricht und Entwicklungspsychologie (s. Anm. 171). 241 Vgl. Roose, Kindertheologie (s. Anm. 23). 242 Vgl. Englert u. a., Innenansichten des Religionsunterrichts (s. Anm. 68). 243 Vgl. ebd., 17. 244 Vgl. ebd., 22.

Untersuchungen zum Religionsunterricht und ihre Reichweite

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Ȥ »Religion erörtern«: In diesem Fall gibt der Unterricht den Schülerinnen und Schülern ausdrücklich Raum zur eigenen Stellungnahme, was insbesondere auch auf kontroverse Auseinandersetzungen zielen kann. Ȥ »Religion erleben«: Dabei wird vor allem an den sogenannten »performativen Religionsunterricht« gedacht, bei dem entweder religiöse Riten selbst praktiziert werden oder Begegnungen mit solchen Riten an besonderen Orten möglich werden.245 Für die weitere Auswertung spielen zahlreiche Aspekte eine Rolle, insbesondere der Umgang mit der auf diese Weise im Unterricht präsentierten Religion hinsichtlich der »Aneignung religiöser Zeugnisse«, der »Aktualisierung religiöser Zeugnisse«, der »Übertragung von Erfahrungen« sowie der »Vertiefung von Erfahrungen«.246 Die Befunde dieser Studie stimmen in mehrfacher Hinsicht nachdenklich. Auf Geltungsansprüche der religiösen Tradition werde nur »sehr vorsichtig« eingegangen.247 Die Konfessionalität des Unterrichts werde nicht wirklich greifbar, weil über religiöse Traditionen »vielfach lediglich informiert« werde, fast wie bei einer »Fremdreligion«.248 Auch nehme die Religionslehrkraft nur selten eine eigene »theologische Expertise« im Unterricht für sich in Anspruch249– sie begrenze sich weithin auf eine bloße Moderatorenrolle mit der Folge, dass die unterschiedlichen Auffassungen der Schülerinnen und Schüler nebeneinander stehenbleiben. Und nicht zuletzt erscheine das von der empirischen Unterrichtsforschung stark eingeforderte Kriterium der »kognitiven Aktivierung« in den untersuchten Stunden nur selten einmal wirklich eingelöst.250 Repräsentativität wird für die Befunde aus dieser Studie zu Recht nicht beansprucht. Dafür ist die empirische Grundlage zu schmal. Gleichwohl hat diese Untersuchung mit den Thesen und Fragen, die sich damit verbinden, eine angeregte Diskussion zur Qualität im Religionsunterricht ausgelöst. Die hier beschriebene Praxis steht zumindest in manchen Hinsichten im Widerspruch zu den Erwartungen an »guten Religionsunterricht« sowie, was etwa die

245 Vgl. ebd., 58–61. 246 Ebd., 67. 247 Ebd., 109. 248 Ebd., 111. 249 Ebd., 115. 250 Ebd., 128.

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geringe oder sogar ganz ausfallende kognitive Aktivierung angeht, auch zu den Anforderungen an »guten Unterricht« insgesamt. Die Studie von Englert u. a. geht vor allem aufgrund der dabei eingesetzten Analyse- und Interpretationsverfahren, die dem Stand der bildungswissenschaftlichen Unterrichtsforschung entsprechen, sowie der auf dieser Grundlage entwickelten differenzierten Interpretationskategorien deutlich über frühere religionspädagogische Studien hinaus, die in dieser Hinsicht noch lediglich mit allgemeinen qualitativen Verfahren operieren.251 Dennoch werden auch bei dieser Studie Grenzen deutlich: Vor allem wurde der tatsächliche Kompetenzerwerb oder Nicht-Erwerb bei den Schülerinnen und Schülern nicht erfasst. Was diese im Unterricht tatsächlich gelernt oder nicht gelernt haben, bleibt offen. Darüber hinaus werden die Wahrnehmungen der Lehrkräfte sowie die tatsächliche Rezeption der Unterrichtsprozesse auf Schülerseite nicht erhoben. An diesem Punkt wird sichtbar, dass es durchaus sinnvoll sein könnte, verschiedene Zugangsweisen miteinander zu kombinieren. Allerdings würde dadurch der forschungspraktische Aufwand so stark zunehmen, dass er im Rahmen einer einzelnen Studie kaum mehr bewältigt werden kann. Grenzen einer Untersuchung zu benennen bedeutet nicht, diese Untersuchung abzuwerten – es erinnert lediglich an die bereits mehrfach angesprochene Einsicht, dass jede einzelne empirische Untersuchung nur bestimmte Aspekte oder Forschungsfragen bearbeiten kann, während andere nicht gleichzeitig aufgegriffen werden können. Insofern ist es ein für die Religionspädagogik insgesamt zentrales Anliegen, dass weitere Untersuchungen zur Prozessqualität von Religionsunterricht durchgeführt werden. Wie bei jeder Wissenschaft ist dabei die Hoffnung leitend, dass sich die Befunde in einem kumulativen Prozess aufeinander beziehen lassen und dass die Religionsdidaktik so nach und nach eine breitere empirische Grundlage für ihre Aussagen gewinnt. Das setzt allerdings voraus, dass sich die einzelnen religionspädagogischen Studien auch ausdrücklich auf den jeweils erreichten Erkenntnisstand beziehen und ihren eigenen Beitrag dazu ausweisen, was noch nicht immer mit ausreichender Konsequenz geschieht. Beispielsweise erschiene es interessant, die Befunde aus der praxistheoretischen Untersuchung von Hanna Roose in ein Verhältnis zu den Ergebnissen bei Englert u. a. zu setzen.252 Beide Studien gelangen auf unterschiedlichen 251 Vgl. etwa Dressler u. a., Unterrichtsdramaturgien (s. Anm. 167). Das gilt auch für frühere Arbeiten des Vf., vgl. etwa Schweitzer/Biesinger u. a., Gemeinsamkeiten stärken (s. Anm. 211). 252 Vgl. oben, S. 58 ff.

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Wegen zu ähnlich kritischen Beobachtungen zur Realität des Religionsunterrichts. Was bei Englert u. a. beispielsweise als geringe oder fehlende kognitive Aktivierung beschrieben wird, kann als Entsprechung zu der Beobachtung Rooses verstanden werden, dass die Wahrheitsfragen der Schülerinnen und Schüler im Unterricht eher nicht aufgenommen oder sogar stillgestellt werden. Auch die von Englert u. a. getroffene Feststellung, die fachliche Expertise der Religionslehrkräfte komme im Unterricht kaum zum Tragen, könnte darin eine weitere Bestätigung finden. Untersuchungen zur Prozessqualität von Religionsunterricht Ȥ Dass Untersuchungen zur Prozessqualität von Religionsunterricht unerlässlich sind, leuchtet unmittelbar ein, schon aufgrund der religionsdidaktischen Bedeutung dieses Qualitätsaspekts. Wenn es zugleich noch vergleichsweise wenige Studien dazu gibt, erklärt sich dies weniger aus einer Skepsis gegenüber solchen Untersuchungen als durch den besonderen Aufwand, den dieser Zugang zum Unterricht mit sich bringt. Es ist viel weniger aufwändig, eine Befragung von Lehrkräften durchzuführen als den Unterricht selbst zu erfassen. Dieses eher pragmatische Argument kann allerdings kein Einwand gegen den Wert solcher Untersuchungen sein. Ȥ Auch bei Untersuchungen zur Prozessqualität wiederholt sich, was zu Untersuchungen zur Produktqualität von Religionsunterricht zu sagen war: Sie stellen eine auch in pädagogischer Sicht unerlässliche Möglichkeit dar, sich bei der Erfassung von Unterrichtsqualität nicht allein auf die Wahrnehmung der Lehrkräfte oder der Schülerinnen und Schüler verlassen zu müssen. Ȥ Zentral ist bei Untersuchungen zur Prozessqualität die Frage, was im (Religions-)Unterricht tatsächlich geschieht. Wie wird der Unterricht gestaltet? Und wie wird er von den Schülerinnen und Schülern rezipiert? Zur Beantwortung dieser Fragen stehen heute unterschiedliche methodische Zugänge aus der bildungswissenschaftlichen Unterrichtsforschung zur Verfügung, die sich auch für eine Anwendung im Religionsunterricht eignen. Es ist zu wünschen, dass in Zukunft mehr Studien gerade zur Prozessqualität von Religionsunterricht durchgeführt werden, sodass ein besser fundiertes Bild des Unterrichtsgeschehens in diesem Fach verfügbar wird.

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Qualität im Religionsunterricht wahrnehmen und beurteilen

6. Wie »gut« ist der Religionsunterricht? Begrenzte Aussagekraft der Untersuchungen – kritische Anfragen – neue Impulse Auch nach dem Durchgang durch verschiedene Ansätze zur Wahrnehmung von Qualität im Religionsunterricht muss die Frage, wie »gut« der Religionsunterricht tatsächlich ist, in vielen Hinsichten offenbleiben. Das ergibt sich schon daraus, dass repräsentative Erhebungen fast gar nicht zur Verfügung stehen. Am weitesten reichen in dieser Hinsicht noch immer die inzwischen fast 20 Jahre alte Bucher-Studie auf der einen sowie neuere Untersuchungen wie die in BadenWürttemberg durchgeführt Repräsentativbefragung »Jugend – Glaube – Religion« auf der anderen Seite.253 Wie ebenfalls deutlich geworden ist, werden bei diesen Studien aber nur Schülerwahrnehmungen erfasst, die sich nicht einfach als objektivierbare Qualitätseinschätzungen verstehen lassen. Grenzen zeigten sich jedoch auch bei den anderen oben beschriebenen Untersuchungsformen. Alle Untersuchungen folgen einer bestimmten Perspektive, und keiner der dabei gewählten Zugänge kann einfach als Königsweg der Qualitätswahrnehmung im Religionsunterricht bezeichnet werden. Vielmehr kommt es bei der Entscheidung für eine bestimmte Zugangsweise immer darauf an, was man jeweils wissen möchte, und valide Ergebnisse erwachsen nicht aus Gesamteinschätzungen (»guter Religionsunterricht«), die sich empirisch kaum einholen lassen, sondern erst aus gezielten, also etwa indikatorengestützten Untersuchungen bestimmter Aspekte. Dabei ist es sinnvoll, auch verschiedene Ansätze miteinander zu kombinieren, methodisch gesprochen etwa qualitative und quantitative Zugangsweisen, sowie im Blick auf die Ausrichtung von Untersuchungen auch prozess- und produktorientierte Erhebungen. Weiterhin erscheint eine stärkere Bezugnahme der verschiedenen Studien aufeinander wünschenswert, weil sonst kein kumulativer Erkenntnisfortschritt erreicht werden kann. Auf jeden Fall ist es zu begrüßen, dass die empirische Forschung zum Religionsunterricht insgesamt deutlich zu wachsen scheint. Damit vergrößert sich auch die Chance – und zugleich die professionelle Verpflichtung –, bei der Unterrichtsplanung und Unterrichtsgestaltung, wo immer möglich, auf empirische Befunde zurückzugreifen. Sofern das Ideal einer evidenzbasierten Unterrichtsgestaltung überhaupt vertreten werden kann und soll – es gibt im pädagogischen Bereich nicht unerhebliche Einwände gegen ein solches Ideal –, liegt schon die Annäherung daran bislang nicht nur für den Religionsunterricht in weiter Ferne. Realistischer 253 Vgl. oben, S. 128 ff.

Wie »gut« ist der Religionsunterricht?

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erscheint wohl auch auf längere Zeit das Ziel, zumindest die insgesamt noch (zu) wenigen empiriegestützten religionsdidaktischen Erkenntnisse tatsächlich in der Praxis zu nutzen. Ein weiteres Problem betrifft den Vergleich und die Vergleichbarkeit unterschiedlicher Qualitätsausprägungen von Religionsunterricht. Vereinfacht ausgedrückt: Wo und in welchen Fällen gelingt der Religionsunterricht besser als anderswo? In welchen Fällen weist er eine höhere Qualität auf? Solche Fragen klingen in religionspädagogischen Ohren noch recht befremdlich, aber Vergleiche sind bei der Qualitätswahrnehmung unvermeidlich. Dass sie in der Schule auch alltäglich vorkommen – bei der unterrichtlichen Beurteilung in Referendariat und Vikariat, aber auch bei sogenannten Regelbeurteilungen in der Schule –, ist schon zu Beginn dieses Bandes dargestellt worden. Wissenschaftliche Qualitätsuntersuchungen schließen daran an und zielen darauf, Beurteilungen auf eine validere Basis zu stellen. Soll es aber weiterreichend auch für den Religionsunterricht das heute in der Bildungsforschung übliche Benchmarking geben? In diesem Fall werden allgemeine Zielkriterien festgelegt, sodass ein Ranking entsteht. Im Blick auf das Fach Religion erscheint dies, wie sich bereits gezeigt hat, aus verschiedenen Gründen fragwürdig.254 Ein Ranking beispielsweise zwischen dem Religionsunterricht in den verschiedenen Bundesländern und Landeskirchen würde wohl niemand helfen. Und was könnte man mit einem solchen Ranking in der Praxis anfangen? Religionsunterricht, so die weithin berichtete Erfahrung, ist immer höchst individuell, abhängig sowohl von den Religionslehrkräften wie von den jeweiligen Schülergruppen im Unterricht, aber auch von regionalen Voraussetzungen. So gesehen hängt die Qualität von Religionsunterricht entscheidend davon ab, den Unterricht angesichts der jeweiligen Voraussetzungen zu optimieren. Ein allgemeines Ranking wäre dafür kaum hilfreich. Insofern erscheint die Auffassung plausibel, dass die Vergleichbarkeit der Unterrichtsqualität in manchen Fächern größer ist als bei anderen, jeweils abhängig von der erforderlichen Nähe des Faches zu den beteiligten Subjekten, die im Religionsunterricht schon von dessen Inhalten her besonders ausgeprägt ist. Trotz aller Einschränkungen lässt sich auf der Grundlage der bislang verfügbaren Untersuchungen für den Religionsunterricht aber doch ein positives Gesamturteil ausstellen – der Religionsunterricht ist tatsächlich »besser als sein Ruf«255 –, wobei zugleich aber auch ein Optimierungsbedarf nicht zu übersehen ist: 254 Vgl. oben, S. 143. 255 So schon die bereits vor Jahren gewählte Formulierung von A. A. Bucher, Religionsunterricht: besser als sein Ruf? (s. Anm. 24), wobei sich diese Studie nur auf Österreich bezieht.

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Qualität im Religionsunterricht wahrnehmen und beurteilen

Ȥ Die Zustimmung, die der Religionsunterricht bei den Schülerinnen und Schülern genießt, ist breit und kann zwar nicht einfach als Qualitätsnachweis, wohl aber als Anzeichen weitreichender Akzeptanz verstanden werden. Die Religionslehrkräfte zeigen sich weithin sehr motiviert, was ebenfalls als Anzeichen für eine positive Gesamtsituation interpretiert werden kann. Insofern darf durchaus behauptet werden, dass der Religionsunterricht »gut« ist. Ein mitunter in der Öffentlichkeit oder auch in den Medien zutage tretendes Negativurteil scheint eher auf ein generelles Ressentiment gegen den Religionsunterricht zurückzugehen als auf tatsächliche Qualitätsprobleme. Allerdings verweisen solche Ressentiments auch dann, wenn sie in der Sache nicht begründet sind, auf ein ernst zu nehmendes Imageproblem des Religionsunterrichts, das seine Stellung in der Schule negativ beeinflussen kann. Arbeit am Image des Religionsunterrichts stellt daher eine bleibende Aufgabe etwa für die Kirchen und nicht weniger für die wissenschaftliche Religionspädagogik sowie für die Religionslehrerschaft dar. Ȥ Trotz des positiven Gesamturteils ist jenseits dieses Imageproblems zugleich ein Optimierungsbedarf zu konstatieren. Ein Teil der Schülerinnen und Schüler im Religionsunterricht wird von diesem Angebot offenbar nicht wirklich erreicht.256 Dies gilt insbesondere für religiös etwa in der Familie wenig sozialisierte Kinder und Jugendliche wie auch für diejenigen, die vom christlichen Glauben wenig oder auch gar nicht überzeugt sind und entsprechend vor allem kritische Fragen haben, die sie ihrer eigenen Einschätzung zufolge im Religionsunterricht aber nicht wirklich äußern dürfen. Von den Religionslehrkräften würde eine solche Einschätzung vermutlich weithin oder sogar unisono zurückgewiesen, weil ihr Unterricht doch für alle Fragen offen sein soll, aber damit ist das bei zumindest einem Teil der Schülerinnen und Schüler vorherrschende Bild von Religionsunterricht noch nicht überwunden. Dem entspricht es, dass sich die Austritte aus dem Religionsunterricht zwar insgesamt in Grenzen halten, dass aber auch im Ethikunterricht zahlreiche evangelische (und katholische) Schülerinnen und Schüler zu finden sind, die sich dort offenbar besser aufgehoben fühlen.257

256 Vgl. dazu G. Wissner/F. Schweitzer, Wen der Religionsunterricht nicht erreicht und wie er sich darum ändern müsste. Schülerwahrnehmungen zum Religions- und Ethikunterricht im Vergleich. In: Reli – keine Lust und keine Ahnung? Jahrbuch der Religionspädagogik 35 (2019), 46–61. 257 Vgl. ebd. sowie die allerdings nicht repräsentative Darstellung bei C. Gennerich/M. Zimmermann, Abmeldung vom Religionsunterricht. Statistiken, empirische Analysen, didaktische Perspektiven, Leipzig 2016.

Wie »gut« ist der Religionsunterricht?

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Auch hinsichtlich des Kompetenzerwerbs im Religionsunterricht sind noch viele Fragen offen. Am erfolgreichsten scheint der Religionsunterricht bei der Vermittlung von religionsbezogenem Wissen, was auch entsprechende Verstehensleistungen im Umgang mit diesem Wissen einschließt. Auch im Blick auf die religionsbezogene Perspektivenübernahme wurden zum Teil Kompetenzzuwächse identifiziert, aber hier sind zugleich noch weitere Untersuchungen erforderlich, beispielsweise im Blick auf die Nachhaltigkeit der Kompetenzzuwächse. Offene Fragen betreffen auch die Art und Weise, wie eine Zunahme bei der Fähigkeit zur Perspektivenübernahme erfasst und nachgewiesen werden kann – ein Problem, das ebenso die wissenschaftliche Forschung wie die Unterrichtspraxis betrifft. Wenn die Stärkung der Fähigkeit zur Perspektivenübernahme ein zentrales Ziel des Religionsunterrichts sein soll, dann müssen sich auch eindeutige Merkmale für das Erreichen dieses Ziels oder zumindest für Annäherungen daran angeben lassen. Beunruhigend ist schließlich, nicht nur für den Religionsunterricht, sondern für allen Unterricht sowie für die Schule insgesamt, der sich wiederholende Befund, dass die erwünschten Einstellungsänderungen durch diesen Unterricht wohl in aller Regel nicht erzielt werden. Gerade angesichts gesellschaftlich hoch brisanter Entwicklungen etwa im Blick auf xenophobe Einstellungen – vor allem Antisemitismus und Islamophobie, aber wohl auch etwa bei den Einstellungen von muslimischen oder konfessionslosen Jugendlichen gegenüber dem Christentum – wird ein dringender Bedarf dafür gesehen, solchen Haltungen entgegenzuwirken. Entsprechend nehmen die Erwartungen an Schule und Unterricht in dieser Hinsicht zu, nicht zuletzt im Falle des Religionsunterrichts. Was aber, wenn beispielsweise die bloße Thematisierung xenophober Phänomene kaum etwas bewirkt? Es wäre besonders dringlich, hier Untersuchungen zur Wirksamkeit von (Religions-)Unterricht durchzuführen.258 Aus der Perspektive der wissenschaftlichen Religionspädagogik einen Optimierungsbedarf zu konstatieren reicht allein natürlich nicht aus. Die in der Praxis des Religionsunterrichts Tätigen wollen dann zu Recht auch wissen, was die Wissenschaft im Blick auf Verbesserungsmöglichkeiten und also die Qualitätsentwicklung zu sagen weiß. Dieser Frage ist der dritte Teil des Buches gewidmet. Der im nächsten Abschnitt beschriebene Ansatz der 258 Es ist mehr als erstaunlich, dass es etwa zum Thema Judentum im Religionsunterricht bislang keine empirischen Untersuchungen gibt; als aktuellen Einstieg dazu vgl. Schweitzer/Bucher, Judentum und Islam (s. Anm. 92). Als Studie zur Bedeutung außerschulischer Lernorte in diesem Zusammenhang vgl. C. Gärtner/N. Bettin (Hg.), Interreligiöses Lernen an außerschulischen Lernorten. Empirische Erkundungen zu didaktisch inszenierten Begegnungen mit dem Judentum, Berlin 2015.

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Qualität im Religionsunterricht wahrnehmen und beurteilen

»religionspädagogischen Entwicklungsforschung« stellt einen geeigneten Übergang von der Erfassung von Qualität zur Qualitätsentwicklung im Religionsunterricht dar.

7. Von der Unterrichtsforschung zur Qualitätsentwicklung: zum Beispiel »religionsdidaktische Entwicklungsforschung« Am Ende dieses Teils soll – auch als Übergang zur Frage der Qualitätsentwicklung – noch ein in der Religionspädagogik vergleichsweise neuer Ansatz vorgestellt werden, der Unterrichtsforschung mit Qualitätsentwicklung verbindet. Gemeint ist die »religionsdidaktische Entwicklungsforschung«, die insbesondere von Claudia Gärtner aus der Bildungsforschung für die Religionspädagogik rezipiert wurde, im Rahmen einer verschiedene Fachdidaktiken übergreifenden Kooperation in Dortmund.259 Im Kern geht es hier darum, dass nach einem bestimmten Verfahren Unterrichtseinheiten für den Religionsunterricht entwickelt werden, diese sodann in der Praxis erprobt und evaluiert und schließlich, auf dieser Grundlage, für den erneuten Einsatz im Unterricht verbessert werden. Insofern kann von einem »zyklischen« Verfahren der Unterrichtsentwicklung gesprochen werden: Der jeweils entworfene Unterricht wird immer wieder neu erprobt und verbessert. Dabei beobachtet auch Gärtner kritisch die oben beschriebene Kluft zwischen den oft nur abstrakt-allgemeinen religionspädagogisch-konzeptionellen Überlegungen auf der einen und der Praxis von Religionsunterricht auf der anderen Seite.260 Aus den religionspädagogischen Konzeptionen werde nicht ersichtlich, wie der Unterricht konkret gestaltet werden soll. Darauf antwortet sie mit dem Modell der religionsdidaktischen Entwicklungsforschung, das sich direkt auf die praktische Unterrichtsgestaltung richtet. Besonderer Wert wird bei der religionsdidaktischen Entwicklungsforschung darauf gelegt, dass am Anfang die sorgfältige »Strukturierung und Konkretisierung des Lerngegenstandes« steht.261 Damit ist nicht einfach an den Lerninhalt gedacht, sondern mit der Frage nach der »Lernhandlung« wird gezielt danach 259 Vgl. C. Gärtner (Hg.), Religionsdidaktische Entwicklungsforschung. Lehr-Lernprozesse im Religionsunterricht initiieren und erforschen, Stuttgart 2018. 260 Vgl. C. Gärtner, Einführung in Fachdidaktische Entwicklungsforschung aus religionsdidaktischer Perspektive. In: ebd., 11–30, 11 f. 261 C. Gärtner, Auferstehungsvorstellungen in Auseinandersetzung mit einem Kunstwerk entwerfen. Fachdidaktische Entwicklungsforschung entfaltet an einem Forschungsprojekt. In: dies., Religionsdidaktische Entwicklungsforschung (s. Anm. 259), 31–81, 32.

Von der Unterrichtsforschung zur Qualitätsentwicklung

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gefragt, was Schülerinnen und Schüler hier im Sinne einer lernenden Aktivität tun sollen.262 Zugleich geht es aber auch um die fachwissenschaftliche Per­ spektive und eine möglichst genaue Rekonstruktion dessen, welche inhaltlichen Aspekte bei einem Thema von der Sache her angesprochen sind. Im Blick auf das Thema Auferstehung beispielsweise heißt es: »Für den religionsdidaktischen Umgang mit ›Auferstehung‹ ist somit zentral, dass es bereits innerchristlich unterschiedliche Denk- und Interpretationsmuster von Auferstehung gibt, in denen sich Heranwachsende orientieren lernen können, um verantwortet eine eigene Entscheidung dieser unentscheidbaren Frage nach Auferstehung zu fällen.« Und: »Um angemessen mit ›Auferstehung‹ in dieser Pluralität umgehen zu können, eigene Entscheidungen treffen und diese denkerisch verantworten zu können, bedarf es die Wahrnehmung von und die Auseinandersetzung mit unterschiedlichen Auferstehungsvorstellungen.«263 Damit sind die gemeinten »Lernhandlungen« angesprochen, die bei den Schülerinnen und Schülern wiederum bestimmte Fähigkeiten und Kenntnisse voraussetzen. Deshalb wird in einem weiteren Schritt nach den Vorstellungen gefragt, die Kinder und Jugendliche mitbringen, im vorliegenden Beispiel also nach ihren Auferstehungsvorstellungen. Als Quelle dazu können entsprechende empirische Untersuchungen dienen, wie sie beispielsweise vor dem Hintergrund der Entwicklungspsychologie oder auch der Kinder- und Jugendtheologie durchgeführt wurden.264 Vor diesem Hintergrund werden dann »gegenstandsspezifische Lernziele« formuliert. Dabei habe sich die »Modellierung der Handlung oder Tätigkeit« als besonders fruchtbar erwiesen, »und eben nicht ausschließlich die Auswahl der Lerninhalte«.265 So kann am Ende das Ziel formuliert werden: »Eigene Auferstehungsvorstellungen entwerfen«.266 Entscheidend ist nun, dass der so erarbeitete theoretische Unterrichtsentwurf in einen konkreten Plan für den Unterricht umgesetzt wird und dass auf dieser Grundlage eine Erprobung in der Praxis erfolgt – in Gestalt eines sogenannten »Designexperiments«.267 Da dies in dem von Gärtner beschriebenen Beispiel parallel in mehreren Schulklassen geschieht, wird es möglich, Erfahrungen aus dem Unterricht vergleichend auszuwerten und die daraus resultierenden 262 Vgl. ebd. 263 Ebd., 34. 264 Vgl. zuletzt P. Erdmann, Jugend und Jenseits. Eine empirische Untersuchung zu den Vorstellungen von Schülerinnen und Schülern, Münster 2017. 265 Gärtner, Auferstehungsvorstellungen (s. Anm. 261), 40. 266 Ebd., 43. 267 Ebd., 52.

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Qualität im Religionsunterricht wahrnehmen und beurteilen

Erkenntnisse jeweils in einer verbesserten Version der Unterrichtseinheit in die dann nächste Lerngruppe einzubringen. Besonders interessant ist im Zusammenhang der Unterrichtsforschung dabei die Frage, wie die jeweilige Realisierung von Unterricht in der Praxis ausgewertet wurde.268 Die Stunden wurden auf Video aufgezeichnet und, was die verbalen Prozesse betrifft, transkribiert. Auf diese Weise wurde es möglich, den Unterricht im Blick auf sich im Unterrichtsprozess zeigende Strukturen hin zu analysieren. Zusätzlich wurden zu Beginn und am Ende Lernstandserhebungen durchgeführt. Auf dieser Grundlage wurden schließlich für die einzelnen Schülerinnen und Schüler Fallanalysen erstellt – mit dem Ziel, »deren individuelle Lernprogression« sowie den »Lernprozess« zu erfassen.269 Die religionspädagogische Entwicklungsforschung weist also deutliche Parallelen zu den oben beschriebenen Interventionsstudien auf. Sie ist jedoch stärker praxisorientiert und verzichtet auf die Erfassung der tatsächlichen Wirksamkeit des Unterrichts. Die beschriebenen Lernstandserhebungen entsprechen eher der schulischen Praxis als den dafür einschlägigen wissenschaftlichen Standards. Wie Susanne Prediger es aus der Sicht der Bildungsforschung zutreffend beschreibt: »Der Nachweis von nachhaltiger Lernwirksamkeit lässt sich innerhalb des Forschungsformats des Design-Research nicht erbringen. Dafür sind zum Beispiel Interventionsstudien im klassischen Forschungsdesign der experimentellen Psychologie notwendig, d. h. im quasiexperimentellen Prä-PostKontrollgruppen-Design«270, wie es oben beschrieben wurde. Demgegenüber werden bei der religionspädagogischen Entwicklungsforschung Wirkungen des Unterrichts nur durch die »qualitative Rekonstruktion von Wirkungen innerhalb des Lernprozesses« erfasst, was eine Grenze dieses Ansatzes vor Augen führe.271 Diese Einschätzung kann allerdings die weiterführende Frage aufwerfen, ob sich die religionspädagogische Entwicklungsforschung nicht mit stärker formalisierten Erhebungen zum jeweiligen Lernerfolg kombinieren ließe. Die Plausibilität des Ansatzes würde sich dadurch noch weiter verstärken. Im vorliegenden Zusammenhang kann die religionspädagogische Entwicklungsforschung jedenfalls als Ermutigung dazu wahrgenommen werden, den Schritt von der empirischen Unterrichtsforschung hin zur Qualitätsentwicklung zu wagen. Diesem Schritt dient der sich anschließende Teil dieses Buches. 268 Vgl. ebd., 56. 269 Ebd., 58. 270 S. Prediger, Religionsdidaktische Entwicklungsforschung. Kommentar zu Chancen und Grenzen eines Forschungsformats. In: Gärtner, Religionsdidaktische Entwicklungsforschung (s. Anm. 259), 165–174, 172. 271 Ebd.

Teil 3

Qualität im Religionsunterricht entwickeln

Mit diesem Teil des Buches erreicht die Darstellung den Punkt, auf den es letztlich am meisten ankommt: die Qualitätsentwicklung im Religionsunterricht selbst. Denn am Ende bleibt entscheidend, ob es gelingt, die religionsunterrichtliche Praxis in ihrer Qualität tatsächlich weiterzuentwickeln. Insofern stellt dieser Teil des Buches die Probe aufs Exempel dar sowohl für die Bestimmung von Qualitätskriterien für »guten Religionsunterricht« (Teil 1) wie für den Gewinn, der sich – möglicherweise – aus der wissenschaftlichen Wahrnehmung der in diesem Unterricht realisierten Qualität ergeben kann (Teil 2). Auch an dieser Stelle sei noch einmal wiederholt: Wenn davon gesprochen wird, wie der Religionsunterricht noch besser werden kann, geht es nicht um eine Negativwahrnehmung oder um ein Krisenszenario. Vielmehr steht die alltägliche, allen Unterrichtenden (einschließlich des Autors dieses Bandes) aufgetragene Aufgabe, die Optimierung und Weiterentwicklung des eigenen Unterrichtens immer wieder neu voranzutreiben. Diese Aufgabe sollte auch nicht als eine – gar zusätzliche – Belastung erscheinen, sondern als eine spannende Einladung auch zu neuen Versuchen, die durchaus Spaß machen können und Spaß machen sollen. Der Impuls zur Qualitätsentwicklung im Religionsunterricht wendet sich also an jede Lehrkraft. Denn der Unterricht wird in aller Regel von einzelnen Lehrkräften geplant, gestaltet und verantwortet. Deshalb kommt es entscheidend darauf an, wie die einzelne Lehrkraft zur Qualitätsentwicklung befähigt werden kann. Die Darstellung im Folgenden setzt aus diesem Grund bewusst bei der individuellen Ebene ein. Untersuchungen zur Schul- und Unterrichtsentwicklung belegen aber schon lange, dass eine Kooperation in Gruppen von Lehrkräften eine besonders fruchtbare Voraussetzung für die Qualitätsentwicklung darstellt. Insbesondere sogenannte Professionelle Lerngemeinschaften, in denen eine solche Kooperation Gestalt gewinnen kann, scheinen ein großes Potenzial zu besitzen, etwa in Verbindung mit einer praxisorientierten Form der fachdidaktischen Entwicklungsforschung. Als zweites muss deshalb die kollegiale Zusammenarbeit und damit die kollegiale oder Gruppenebene in den Fokus gerückt werden. Mit dieser Ebene ist bereits die Frage nach Fortbildungsmöglichkeiten berührt, denn solche Lerngemeinschaften können auch als besonders wirksame Formen der Fortbildung gelten. Und natürlich ist auch

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Qualität im Religionsunterricht entwickeln

an die Lehrerausbildung zu denken, die ebenfalls zur Qualitätsentwicklung beitragen sollte. Weiterreichend muss bei der Frage nach Qualitätsentwicklung im Religionsunterricht also auch die institutionelle Ebene in den Blick genommen werden, in Gestalt der Anbieter und Träger entsprechender Angebote: Welche Aufgaben lassen sich hinsichtlich der Qualitätsentwicklung im Religionsunterricht für die Aus- und Fortbildung beschreiben? Diese drei Ebenen – individuelle Ebene, kollegiale Gruppenebene, institutionelle Ebene – sollen hier allerdings nicht gleichgewichtig aufgenommen werden. Besonders mit der institutionellen Ebene und speziell mit der Lehrerbildung verbindet sich eine teils sehr verzweigte Diskussion, auf die hier nur unter dem Aspekt der Qualitätsentwicklung eingegangen werden kann.272

1. Die individuelle Ebene: Was befähigt zur Qualitätsentwicklung in der Praxis? An dieser Stelle soll es nicht um die allgemeine Frage gehen, welche Kompetenzen Lehrkräfte brauchen, um die Qualität des eigenen Unterrichts weiterentwickeln zu können. Dazu gibt es eine eigene Diskussion über Lehrerkompetenzen, die heute zumeist im Anschluss an die entsprechenden Vorgaben der KMK geführt wird.273 Im Folgenden sollen vielmehr konkrete Möglichkeiten benannt werden, derer sich einzelne Lehrkräfte in ihrer Praxis bedienen können. Ein entscheidendes Problem besteht dabei darin, dass die abstrakt-allgemeine Erwartung, den Unterricht zu verbessern, fast zwangsläufig als Überforderung erfahren werden wird. Ähnlich wie bei den oben beschriebenen frühen wissenschaftlichen Untersuchungen, die einfach den »guten Religionsunterricht« erfassen wollten, gehen solche Versuche leicht ins Leere. Niemand kann alles auf einmal verändern! Umso wichtiger ist es, an bestimmten, aus der eigenen Sicht heraus besonders wichtigen Punkten zu beginnen, und am befriedigendsten wird es sein, dabei eine gleichsam spielerische Haltung einzunehmen: Was würde ich gerne mal ausprobieren? Was passiert, wenn ich das mal anders mache? Den klassischen Ausgangspunkt für die Weiterentwicklung des eigenen Unterrichts stellt in der Didaktik aber immer die Analyse des Unterrichts dar. Damit soll deshalb auch im Folgenden begonnen werden. 272 Vgl. dazu bspw. Kirchenamt der EKD (Hg.), Theologisch-religionspädagogische Kompetenz. Professionelle Kompetenzen und Standards für die Religionslehrerausbildung. Empfehlungen der Gemischten Kommission zur Reform des Theologiestudiums, Hannover 2008. 273 Vgl. ebd.

Die individuelle Ebene

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1.1 Unterrichtsanalyse: Sich selbst über die Schulter schauen Forschendes Unterrichten

Die Unterrichtsanalyse, als Analyse des eigenen und fremden Unterrichts, gehört zu den zentralen Bestandteilen didaktischer Kompetenz und figuriert deshalb auch prominent in den didaktischen Modellen, wie sie im letzten Drittel des 20. Jahrhunderts entwickelt wurden.274 Darin kommt zum Ausdruck, dass wissenschaftliche Untersuchungen zum Unterricht immer nur indirekt genutzt werden können. Sie beziehen sich auf den Unterricht im Allgemeinen, nicht auf den je eigenen Unterricht. Auch jede Form von Religionsunterricht besitzt eine individuelle Gestalt, weil die jeweiligen Voraussetzungen auf Schüler- und Lehrerseite gleichermaßen variieren und auch jede Schule als Kontext den Unterricht in bestimmter Weise beeinflusst. Deshalb müssen Lehrkräfte fähig sein, den eigenen Unterricht zu analysieren und sich damit gleichsam selbst über die Schulter zu schauen – im Sinne einer forschenden Grundhaltung im Verhältnis zur eigenen Praxis. Auch für Religionslehrkräfte wird heute auf die in dieser Hinsicht vom Wissenschaftsrat für die Lehrerbildung formulierten Empfehlungen verwiesen: »Hochschulausbildung soll die Haltung forschenden Lernens einüben und fördern, um die zukünftigen Lehrer zu befähigen, ihr Theoriewissen für die Analyse und Gestaltung des Berufsfeldes nutzbar zu machen und auf diese Weise ihre Lehrtätigkeit nicht wissenschaftsfern, sondern in einer forschenden Grundhaltung auszuüben.«275 Entscheidend ist der Hinweis auf »forschendes Lernen« – bei Lehrkräften müsste es eigentlich »forschendes Lehren« oder »forschendes Unterrichten« heißen – und auf die »forschende Grundhaltung«, die hier als Erwartung an alle Lehrkräfte zum Ausdruck gebracht wird. Nicht zuletzt wird damit auch deutlich gemacht, dass Lehrkräfte keineswegs nur in der Rolle des Umsetzens wissenschaftlicher Befunde zu sehen sind, sondern dass sie selbst als die ersten Expertinnen und Experten für ihren Unterricht ernst genommen werden sollen. Eine erste Konkretion kann die »forschende Grundhaltung« im Verhältnis zum eigenen Unterricht in der Unterrichtsanalyse finden. Für solche Analysen gibt es in der Literatur Vorschläge, die eine möglichst breite Erfassung ver-

274 Vgl. den Überblick bei H. Meyer, Plädoyer für eine Renaissance der Didaktik. In: J. Möller u. a., Basiswissen Lehrerbildung (s. Anm. 35), 206–227, der didaktische Traditionen und die empirische Bildungsforschung aufeinander bezieht. 275 Wissenschaftsrat, Empfehlungen zur künftigen Struktur des Lehrerbildung, Berlin 2001, 41; darauf beziehen sich religionspädagogisch auch Pirner/Rothgangel, Einführung (s. Anm. 90), 10.

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schiedener Aspekte von Unterricht intendieren.276 Dabei kommen Merkmale wie die Arbeitsformen, die Sozialformen (Plenum, Partnerarbeit, Gruppenarbeit, Einzelarbeit), die eingesetzten Medien, das Zeitmanagement, Umgang mit Heterogenität, Nutzung von Individualisierungsmöglichkeiten (verschiedene Anspruchsniveaus bei Aufgabenstellungen) und vieles mehr in den Blick.277 Im vorliegenden Zusammenhang soll jedoch eine andere Möglichkeit beschrieben werden, die sich stärker an fachdidaktische Erfordernisse anlehnt. Dafür kann wiederum das in der Religionspädagogik weit verbreitete Modell der Elementarisierung herangezogen werden. Unterrichtsanalyse in der Perspektive der Elementarisierung

Das Elementarisierungsmodell wurde in diesem Band bereits kurz vorgestellt, auch in Gestalt einer tabellarischen Übersicht. Wer mit den fünf Elementarisierungsdimensionen, die im Zentrum dieses Modells stehen, nicht ausreichend vertraut ist, sei auf diese Übersicht verwiesen (vgl. S. 110) oder auf die ausführlicheren Darstellungen in der Literatur.278 Ursprünglich wurde das Elementarisierungsmodell für die Vorbereitung von Religionsunterricht entwickelt. Nunmehr stellt sich die Frage, was dieses Modell im Blick auf die Analyse von Unterricht bedeuten kann. Wie muss es dann eingesetzt werden, und welche zusätzlichen Aspekte sind dabei zu beachten? Als Beispiel soll eine fiktive Religionsunterrichtsstunde zu den »Arbeitern im Weinberg« (Mt 20,1–15) dienen. Das Elementarisierungsmodell soll dabei als Ansatz für die Analyse von Unterricht beschrieben werden. Daraus resultieren folgende Fragen: Ȥ Welche elementaren Strukturen waren in der Stunde für die Schülerinnen und Schüler wahrnehmbar? Wurden den Schülerinnen und Schülern ausreichende Informationen präsentiert oder konnten diese Informationen durch sie selbst erarbeitet werden, um das Gleichnis und die damalige Arbeitswelt verstehen zu können? Wurde einsichtig, in welchem Sinne das Handeln des Weinbergbesitzers im Gleichnis alle üblichen Erwartungen durchbrach? Besonders mit der letzten Frage ist auch die exegetische Deutung von Gleichnissen berührt. Die Frage nach den elementaren Strukturen verweist immer auf beides zugleich, auf fachwissenschaftliche Erkenntnisse (Wissen) sowie 276 Mit unterschiedlichen Akzenten vgl. bspw. E. Kiel (Hg.), Unterricht sehen, analysieren, gestalten, Stuttgart 32018; M. Meyer/C. Jansen, Schulische Diagnostik. Ein Studien- und Arbeitsbuch, Bad Heilbrunn 2016. 277 Zum Religionsunterricht vgl. detailliert Riegger, Handlungsorientierte Religionsdidaktik (s. Anm. 22). 278 Vgl. Schweitzer u. a., Elementarisierung 2.0 (s. Anm. 14).

Die individuelle Ebene

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darauf, was davon im Unterricht aufgenommen werden konnte und aufgenommen werden sollte (Verstehen, kognitive Aktivierung). Ȥ Welche elementaren Erfahrungen wurden in dieser Unterrichtsstunde angesprochen? An welchen Punkten wird erkennbar, dass die Schülerinnen und Schüler sich tatsächlich auf eigene Erfahrungen in ihren Familien oder auf gesellschaftliche Verhältnisse beziehen? Wurden die Schülerinnen und Schüler ermutigt, von solchen Erfahrungen zu erzählen oder sich ihrer zumindest bewusst zu werden? Was bedeutet der Erfahrungsbezug für unterschiedliche Kinder oder Jugendliche in der Lerngruppe? In welchen Hinsichten kam es vielleicht zu direkten Resonanzen zwischen den im Gleichnis beschriebenen Erfahrungen der Arbeiter und den lebensweltlichen Erfahrungen der Schülerinnen und Schüler? Der doppelte Ansatz bei lebensweltlichen Erfahrungen der Schülerinnen und Schüler und bei Erfahrungen, die im Gleichnis selbst bereits enthalten sind, ist bezeichnend für den Elementarisierungsansatz. Qualität von Religionsunterricht realisiert sich hier, wenn Verbindungen auf der Erfahrungsebene zwischen damals und heute erreicht werden. Dies entspricht zugleich der pädagogisch-psychologischen Anforderung der kognitiven Aktivierung, die ebenfalls von einem entsprechenden Erfahrungsbezug abhängig ist. Ȥ Von den elementaren Erfahrungen unterscheiden sich die eng damit verbundenen elementaren Zugänge dadurch, dass nun die Deutungs- und Verstehensweisen der Schülerinnen und Schüler ganz in den Vordergrund treten sollen. Daher stellt sich die Frage, ob der Unterricht diesen Deutungsweisen genügend Raum gegeben hat. Gerade bei dem Gleichnis von den Arbeitern im Weinberg hat sich bei darauf bezogenen Untersuchungen gezeigt, dass die Deutungen der Schülerinnen und Schüler stark von den exegetischen Auffassungen abweichen können. Das gilt zunächst für das Verständnis von Gerechtigkeit, das beispielsweise in Klasse 5/6 ganz an der Vorstellung von Fairness ausgerichtet ist. Daher kann das Gleichnis im Extrem sogar als ein Negativ-Beispiel gelesen werden, aus dem man vor allem lernen kann, wie man es nicht machen sollte.279 Die manifest ungerechte oder unfaire Bemessung der Bezahlung, die keinerlei Rücksicht auf die erbrachten unterschiedlichen Leistungen zu nehmen scheint, ist in dieser Sicht nicht hinnehmbar. Auf jeden Fall würde Gott es anders machen, denn Gott ist fair! 279 Vgl. A. A. Bucher, Eine bloße Geschichte – Oder ein Gleichnis? Die Entwicklung des Gleichnisverständnisses als zentrale Komponente der Gleichnisdidaktik. In: Der Evangelische Erzieher 41 (1989), 429–439; vgl. auch F. Schweitzer u. a., Religionsunterricht und Entwicklungspsychologie (s. Anm. 171).

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Qualität im Religionsunterricht entwickeln

Bei solchen Deutungen ist auch der Umgang mit Gleichnissen als Gleichnissen zu bedenken. Obwohl die Befunde aus der Unterrichtsforschung und Entwicklungspsychologie in dieser Hinsicht nicht immer eindeutig sind, ist jedenfalls damit zu rechnen, dass zumindest ein Teil der Schülerinnen und Schüler in Klasse 5/6 das Gleichnis eher als eine Geschichte auffassen kann, die sich in dieser Form eben einmal zugetragen hat. Der metaphorische Charakter von Gleichnissen wird dann noch nicht bewusst. Entsprechend verstehen sich auch übertragene Bedeutungen – beispielsweise dass der Weinbergbesitzer etwas mit Gott zu tun haben könnte – keineswegs von selbst. Wie die Schülerinnen und Schüler in einer konkreten Klasse tatsächlich mit dem Gleichnis umgehen, lässt sich aber nur in Erfahrung bringen, wenn ausdrücklich auch Gelegenheit für die Schülerinnen und Schüler dazu besteht, ihre eigenen, von den theologisch informierten Deutungen der Religionslehrkraft abweichenden Verständnisweisen zum Ausdruck zu bringen. Ȥ Noch einen Schritt weiter geht es mit der Frage nach elementaren Wahrheiten. Denn nun kommt auch die Dimension der existenziellen Auseinandersetzung mit ins Spiel. Die Schülerinnen und Schüler sollen die Möglichkeit erhalten, sich selbst in ein Verhältnis zum Gleichnis zu setzen. Welche Bedeutung könnte das Gleichnis heute haben? Und sofern dort eine andere, neue Gerechtigkeit aufscheint: Will ich mich selbst an dieser anderen Gerechtigkeit orientieren – vielleicht sogar für den Sinn meines Lebens? Und was würde sich dann ändern? Was würde mir das persönlich bringen? Verschiedene neuere Studien zum Religionsunterricht haben deutlich gemacht, dass solche Fragen faktisch im Unterricht eher selten vorkommen, und noch mehr und beunruhigend, dass sie auch dort, wo sie der Sache nach hätten aufgenommen werden können und, religionsdidaktisch gesehen, hätten aufgenommen werden müssen, tatsächlich unbearbeitet oder sogar unbeachtet bleiben.280 Aus der Sicht des Elementarisierungsmodells bedeutet dies, dass hier »fruchtbare Momente« (Copei) ungenutzt geblieben sind. Angesichts solcher Befunde lohnt es sich umso mehr, den eigenen Unterricht noch einmal unter diesem Aspekt unter die Lupe zu nehmen. Ȥ Die Frage nach elementaren Lernformen schließlich meint nicht nur die häufig genannte Methodenvielfalt, die als solche nicht überschätzt werden sollte, und auch nicht nur die – ebenfalls wichtige – Forderung nach kreativer Unterrichtsgestaltung. Vielmehr geht es in spezifischer Weise um Entsprechungen zwischen dem Thema und den für den Unterricht gewählten 280 Vgl. etwa Roose, Kindertheologie (s. Anm. 23); auch G. Büttner, Elementarisierung im Religionsunterricht. Einführung in die Praxis, Stuttgart 2019, 90 ff.

Die individuelle Ebene

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Arbeitsformen. Wenn der metaphorische Charakter von Gleichnissen, durch den die alltägliche Wirklichkeit suspendiert wird, sich auch in den Arbeitsformen im Unterricht widerspiegeln soll, dann legt es sich nahe, beispielsweise fiktionale Zugänge zu nutzen. Wie würde die Welt aussehen, wenn es tatsächlich so wie im Gleichnis zuginge? Wie würde sich die Schule ändern müssen, und was wäre den Schülerinnen und Schülern dabei besonders wichtig? Solche Fragen lassen sich in Schülertexten bearbeiten, aber auch spielerische Zugänge sind denkbar: Die neue »andere« Welt lässt sich spielerisch darstellen und auf diese Weise erspielen. Im Blick auf das Elementarisierungsmodell bedeuten solche Fragen insofern eine veränderte Blickrichtung, als es jetzt um bereits gehaltenen Unterricht geht. Als Modell für die fachdidaktisch ausgerichtete Analyse von Unterricht stellt sich das Modell dann so dar: Analyse von Religionsunterricht im Horizont der Elementarisierung Fragen für forschendes Unterrichten Elementare Strukturen

– Welche elementaren Strukturen waren in der Stunde für die Schülerinnen und Schüler wahrnehmbar? – Woran war das abzulesen?

Elementare Zugänge

– Wie hat der Unterricht den eigenen Deutungsweisen der Schüle­ rinnen und Schüler Raum gegeben? Ist das als ausreichend zu beurteilen? – Welche besonderen Deutungsweisen zeigten sich dabei? – Wie lassen sich diese Deutungsweisen beschreiben? Wie sind sie einzuschätzen?

Elementare Erfahrungen

– Welche elementaren Erfahrungen wurden in dieser Unterrichts­ stunde angesprochen? – Welche Bedeutung hatten diese Erfahrungen für die Schülerinnen und Schüler? Woran war das zu erkennen? – Wie verhalten sich diese Erfahrungszusammenhänge zum Verständnis des Themas?

Elementare Wahrheiten

– Haben die Schülerinnen und Schüler die Möglichkeit erhalten, sich selbst in ein Verhältnis zum Thema zu setzen? – Kamen auch existenzielle Fragen zum Tragen?

Elementare Lernformen

– Gab es Entsprechungen zwischen dem Thema und den für den Unterricht gewählten Arbeitsformen? – Wie nahmen die Schülerinnen und Schüler die Arbeits­formen auf? – Haben die Arbeitsformen das Lernen unterstützt?

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Qualität im Religionsunterricht entwickeln

Analyse des eigenen Unterrichts anhand von Indikatoren

Die im engeren Sinne fachdidaktisch ausgerichtete Analyse des eigenen Unterrichts kann in einem weiteren Schritt mit einer übergreifenden Perspektive verbunden werden, die von den im ersten Teil dieses Bandes beschriebenen vier Indikatoren ausgeht. Auch diese Indikatoren eignen sich dazu, den eigenen Unterricht zu analysieren. Die Analyse wird dadurch notwendig abstrakter als bei einem elementarisierungsbezogenen Vorgehen, aber gerade darin kann eine besondere Chance liegen, weil der Unterricht in eine ungewohnte Perspektive rückt. Aus den vier vorgestellten Indikatoren – Wissenserwerb, Verstehen, Fähigkeit zur Perspektivenübernahme, Einstellungen im Sinne von Toleranz – ergeben sich wiederum vier Fragen, die auf den eigenen Unterricht bezogen werden können und die im Folgenden wieder anknüpfend an den als Beispiel herangezogenen Unterricht zu Gleichnissen beschrieben werden: Ȥ Auf den Wissenserwerb wurde bereits im Zusammenhang der elementaren Strukturen eingegangen. Dabei kam insbesondere das für das Verständnis des als Beispiel gewählten Gleichnisses erforderliche Wissen in den Blick. Übergreifend kann aber auch gefragt werden, welchen Wissenserwerb eine bestimmte Unterrichtsstunde oder Unterrichtseinheit erlaubt und unterstützt. Sich darüber präzise Rechenschaft zu geben ist noch ungewohnt, kann aber eine lohnende Aufgabe sein. Ȥ Gleichnisse stellen besondere Anforderungen an das Verstehen, und die dafür erforderlichen Fähigkeiten werden erst im Laufe der Schulzeit ausgebildet. Besonders das Verständnis metaphorischer Sprache, die über die bloße Beschreibung von Sachverhalten hinausweist und kreativ hinausdrängt, ist offenbar voraussetzungsreich. Dabei können verschiedene Ebenen voneinander unterschieden werden: das korrekte Verstehen von Gleichnissen als Erzählungen oder Texten, die Berücksichtigung des metaphorischen Charakters der Gleichnisse im Unterschied zu anderen Erzählungen, die Reflexion auf die Unterschiede zwischen übertragener und nicht übertragener Sprache und auf deren jeweils besonderen Sinn. Vor dem Hintergrund dieser Unterscheidung lässt sich dann auch fragen, auf welcher Ebene sich der eigene Unterricht bewegt hat. Die zweite und dritte Ebene des Verstehens stellen dabei Bildungsziele dar, die etwa in einer Klasse 5/6 nicht gleichermaßen im Vordergrund stehen. Die Reflexion auf unterschiedliche Sprachformen ist eher ein Ziel für die Sekundarstufe II, aber vielleicht lässt sie sich doch in bestimmter Hinsicht auch schon in der Sekundarstufe I anbahnen. Ȥ Gleichnisse bieten viele Möglichkeiten, speziell die Perspektivenübernahme einzuüben. Beim Gleichnis von den Arbeitern im Weinberg liegt dies auf

Die individuelle Ebene

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der Hand: Das Gleichnis selbst operiert zentral mit mehrfachen Perspektivendifferenzen und ihrem Verhältnis zueinander – zwischen den verschiedenen Gruppen von Arbeitern, dem Weinbergbesitzer und seinem Stellvertreter bei der Lohnauszahlung, implizit aber auch mit der Perspektive des Erzählenden sowie der Rezipienten des Gleichnisses. Weiterreichend geht es im Religionsunterricht nicht nur um die Perspektivenübernahmefähigkeit als solche, sondern um die religionsbezogene Perspektivenübernahme. Der Religionsbezug ergibt sich in diesem Fall schon daraus, dass die Per­ spektivenübernahme in einem Zusammenhang erfolgt, der religiös bestimmt ist (Reich Gottes). Im Gleichnis von den Arbeitern im Weinberg gilt dies weiterreichend für die Perspektive des Weinbergbesitzers, wenn sie als Perspektive der neuen göttlichen Gerechtigkeit dekodiert wird. Doch lassen sich auch die Erwartungen, die sich an der »alten« Gerechtigkeit dieser Welt orientieren, religiös deuten. Sie stehen dann für eine Sicht und Bewertung des eigenen Lebens, die ganz dem Leistungsprinzip unterstellt bleibt. Sie können ihren Ausdruck aber auch im Zweifel am Sinn der »neuen« Gerechtigkeit und deren Realisierbarkeit finden. Auf jeden Fall lohnt es sich, den eigenen Unterricht gezielt unter diesem Aspekt zu mustern: Wieviel Gelegenheit bestand an welchen Punkten zur Perspektivenübernahme? Welche Perspektiven konnten oder sollten eingeübt werden? Wie wurde die spezifische Aufgabe einer religionsbezogenen Perspektivenübernahme realisiert? Ȥ Bei den Einstellungen als einem weiteren Indikator für Unterrichtsqualität wurde in der vorliegenden Darstellung bislang vor allem auf Toleranz und Offenheit für andere, speziell auch andere Kulturen und Religionen sowie Menschen ohne Religionszugehörigkeit abgehoben. Beim Gleichnis von den Arbeitern im Weinberg zeigen sich jedoch noch andere Aspekte, um die es im Religionsunterricht bei Einstellungen gehen muss. Denn die »neue« Gerechtigkeit, die im Gleichnis metaphorisch zum Vorschein kommt, ist nicht nur eine Frage, die das Gerechtigkeitsverständnis im kognitiven Sinne betrifft. Es geht auch um den Umgang mit Menschen, die wenig oder keine Leistungen erbringen können, jedenfalls nicht in einem gesellschaftlich anerkannten Sinne. Insofern kann im Blick auf den eigenen Unterricht gefragt werden, welche Impulse zu veränderten Einstellungen gegeben wurden: Wurden Anlässe dafür im Unterricht präsentiert? Wurden entsprechende Motive unterstützt und verstärkt? Welche Anzeichen dafür waren zu erkennen, dass sich Einstellungsänderungen zumindest angebahnt haben könnten? Angesichts des Befundes in verschiedenen Studien, dass die vom Unterricht erwarteten Effekte im Blick auf Einstellungen ausbleiben, ist diese letzte Frage besonders bedeutsam. Zugleich kann sie aber auch vor über-

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Qualität im Religionsunterricht entwickeln

zogenen Erwartungen bewahren, sofern Einstellungsänderungen über die realen Möglichkeiten von Unterricht hinausgehen. Trägt man die vier Indikatoren – Wissenserwerb, Verstehen, Perspektivenübernahme, Einstellungen – in die Tabelle zur Unterrichtsanalyse ein (S. 167), wird unmittelbar deutlich, dass die Auswahl der Indikatoren selektiv ist: Sie können Unterricht abbilden, aber eben unter einem bestimmten Blickwinkel und deshalb nicht einfach den Unterricht insgesamt. Zudem lassen sich die Indikatoren nicht trennscharf den Elementarisierungsdimensionen zuordnen. Daran ist abzulesen, dass sie auf einer anderen Ebene liegen als die fachdidaktischen Dimensionen. Gleichwohl ist zu erkennen, dass sich die zunächst auf die Produktqualität des Unterrichts bezogenen Indikatoren auch auf die Prozessqualität beziehen lassen. Von der Unterrichtsanalyse zur Unterrichtsgestaltung

Sich selbst in der beschriebenen Weise über die Schulter zu schauen und den eigenen Unterricht zu analysieren kann manchmal eine frustrierende Erfahrung sein. Denn der Unterricht gelingt in der Hektik des Schulalltags selten so, wie es geplant war, zumindest nicht in jeder Hinsicht. Die Gründe dafür liegen nicht einfach bei den Lehrkräften, sondern sind multifaktoriell bestimmt, hinsichtlich der Lerngruppe ebenso wie im Blick auf die Lernumstände und Voraussetzungen in einer Schulklasse oder Schule. Daher sollten die Ergebnisse aus der Unterrichts­analyse nicht so aufgefasst werden, als sollte oder könnte der Unterricht nun in allen Hinsichten, die sich als verbesserungsbedürftig erweisen, auf einmal verändert werden. Das wäre von vornherein nicht zu schaffen! Eher zu empfehlen ist die Auswahl einzelner Aspekte, an denen Versuche im eigenen Unterricht realistisch anknüpfen können. Darüber hinaus kann weiterreichend auch versucht werden, Befunde aus der Unterrichtsforschung für den eigenen Unterricht fruchtbar zu machen. Dies entspricht dem beschriebenen Ansatz der religionsdidaktischen Entwicklungsforschung, auf den sich ein forschendes Unterrichten stützen könnte.

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Die individuelle Ebene

Analyse von Religionsunterricht Dimensionen der Elementarisierung und mögliche Indikatoren Dimensionen der Elementarisierung

Indikatoren

Elementare Strukturen

– Welche elementaren Strukturen waren in der von mir gehaltenen Stunde für die Schülerinnen und Schüler wahrnehmbar? – Woran war das abzulesen?

– Erwerb von Wissen

Elementare Zugänge

– Wie hat der Unterricht den eigenen Deutungsweisen der Schülerinnen und Schüler Raum gegeben? Ist das als ausreichend zu beurteilen? – Welche besonderen Deutungs­ weisen zeigten sich dabei? – Wie lassen sich diese Deutungsweisen beschreiben? Wie sind sie einzuschätzen? – In welchen Hinsichten kamen Aspekte der Perspektivenübernahme zum Tragen? – Welche Aufgaben oder Ü ­ bungen zur Perspektivenübernahme w ­ aren in der Unterrichtsstunde oder -einheit enthalten?

– Verstehen – Perspektiven­ übernahme

Elementare Erfahrungen

– Welche elementaren Erfahrungen wurden in dieser Unterrichtsstunde angesprochen? – Welche Bedeutung hatten diese Erfahrungen für die Schülerinnen und Schüler? Woran war das zu erkennen? – Wie verhalten sich diese Erfahrungszusammenhänge zum Verständnis des Themas?

– Einstellungen

Elementare Wahrheiten

– Haben die Schülerinnen und Schüler die Möglichkeit erhalten, sich selbst in ein Verhältnis zum Thema zu setzen? – Kamen auch existenzielle Fragen zum Tragen?

– Weitere mögliche Indikatoren

Elementare Lernformen

– Gab es Entsprechungen zwischen dem Thema und den für den Unterricht gewählten Arbeitsformen? – Wie nahmen die Schülerinnen und Schüler die Arbeitsformen auf? – Haben die Arbeitsformen das Lernen unterstützt?

– Weitere mögliche Indikatoren

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Qualität im Religionsunterricht entwickeln

Unterrichtsanalyse als Ausgangspunkt für die Qualitätsentwicklung Ȥ Versuche der Qualitätsentwicklung ohne eine vorausgehende Analyse des Unterrichts wären gleichsam blind. Das gilt nicht nur für die wissenschaftliche Diskussion, sondern auch auf der individuellen Ebene und im Blick auf den eigenen Unterricht. Ȥ Das Elementarisierungsmodell bietet, in einer weiterentwickelten Form, Möglichkeiten einer fachdidaktisch ausgerichteten Analyse des eigenen Unterrichts. Weiterreichend lässt es sich auch mit den in diesem Band beschriebenen Indikatoren (Wissen, Verstehen, Perspektivenübernahme, Einstellungen im Sinne von Toleranz) verbinden, um auf diese Weise eine allgemeinere Perspektive für die Unterrichtsanalyse zu gewinnen. Ȥ Der Weg von der Unterrichtsanalyse zur Unterrichts- oder Qualitätsentwicklung ergibt sich nicht automatisch aus der Analyse selbst, sondern muss eigens bedacht und gestaltet werden.

1.2 Befunde aus der Unterrichtsforschung nutzen Empirische Unterrichtsforschung dient zwar wie alle wissenschaftliche Forschung zunächst einem wissenschaftlichen Interesse, aber letztlich zielt sie auf eine Verbesserung von Unterricht. Dabei ist es eine eigene Frage, wie Befunde aus der Unterrichtsforschung für den eigenen Unterricht genutzt werden können. Wie dies gelingen kann, soll im Folgenden besonders am Beispiel des interreligiösen Lernens aufgezeigt werden, erneut zugleich im Rückgriff auf das Elementarisierungsmodell. Allgemeine Befunde und die Besonderheit des eigenen Unterrichts

Wissenschaftliche Erkenntnisse zielen ihrer Natur nach immer auf Verallgemeiner­ barkeit. Am Beispiel von Repräsentativstudien wird dies besonders manifest. Sie führen etwa zu Aussagen zu Einstellungen der Schülerinnen und Schüler im Blick auf andere Kulturen und Religionen, die mitunter erschrecken können. So zeigte etwa die Repräsentativstudie »Jugend – Glaube – Religion«, die in Baden-Württemberg durchgeführt wurde, dass ein Viertel der Befragten aus dem Religions- und dem Ethikunterricht der Auffassung war, dass in Deutschland »zu viele Muslime« leben.281 Ob sich dieser Befund auch auf die Lerngruppe im eigenen Unterricht übertragen lässt, muss trotz der repräsentativen Grundlage dieser Studie offen bleiben. Im Einzelfall können die Dinge immer 281 Vgl. Schweitzer u. a., Jugend – Glaube – Religion (s. Anm. 8), 114.

Die individuelle Ebene

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auch anders aussehen. Immerhin geben solche Befunde aber Anlass dazu, mit der Möglichkeit von Vorurteil und Xenophobie auch im eigenen Unterricht zu rechnen. Anders stellen sich die Dinge dar, wenn es um Erkenntnisse zu religionsbezogenen Lernprozessen und um Befunde zu didaktischen Strategien geht. Dabei können die jeweiligen Lerngruppen ebenfalls eine Rolle spielen, aber es geht auch aus der Sicht der Fachdidaktik um ein verallgemeinerbares Prinzip. Dazu ein Beispiel: Die Studie »Interreligiöses Lernen durch Perspektivenübernahme« hat gezeigt, dass Subjektorientierung im Sinne eines ausgeprägten Lebensweltbezugs des Unterrichts den intendierten Kompetenzerwerb bei Wissen und Perspektivenübernahmefähigkeit nicht unter allen Umständen stärkt.282 Bestimmte Formen des Bezugs auf die Lebenswelt von Schülerinnen und Schülern können demnach zu stark oder zu direkt ausfallen – und dann ein erfolgreiches Lernen behindern. Dieser religionsdidaktisch überraschende Befund muss allerdings noch weiter empirisch geprüft und didaktisch präzisiert werden. Er zeigt jedoch schon jetzt beispielhaft, wie eine Studie aus der empirischen Unterrichtsforschung auch für die eigene Unterrichtsgestaltung relevant sein kann. Der Befund könnte etwa Anlass dazu sein, den Lebensweltbezug des Unterrichts genauer zu überprüfen und verschiedene Ausprägungen und Intensitäten eines solchen Bezugs auszuprobieren. In der erziehungswissenschaftlichen Literatur werden solche Verbindungen zwischen Forschung und Unterrichtsgestaltung mitunter mit dem Prinzip der Evidenzbasierung begründet.283 Es stellt sich jedoch die Frage, ob ein solches Ideal, für das man sich häufig auf die evidenzbasierte Medizin beruft, dem Unterricht angemessen ist. Bekanntlich ist Unterrichten ein überaus komplexes Geschehen, das den Lehrkräften unter Zeitdruck zahlreiche Entscheidungen abverlangt. Zudem ist der Stand der empirischen Unterrichtsforschung weit davon entfernt, eine ausreichende Grundlage für evidenzbasierte Entscheidungen bereitstellen zu können. Soweit es um den Religionsunterricht geht, stehen überhaupt nur wenige Untersuchungen zur Verfügung, auf die in diesem Sinne zurückgegriffen werden kann. Umso wichtiger erscheint es dann aber, zumindest die verfügbaren Befunde wirklich zu nutzen. Im Einzelnen ergeben sich daraus drei Chancen: Ȥ Befunde aus der Unterrichtsforschung können mit eigenen Erfahrungen im Unterricht abgeglichen werden. Dies erlaubt eine präzisere Einschätzung eige282 Vgl. Schweitzer u. a., Interreligiöses Lernen (s. Anm. 122). 283 Vgl. zur Diskussion u. a. W. Böttcher u. a. (Hg.), Evidenzbasierte Bildung. Wirkungsevaluation in Bildungspolitik und pädagogischer Praxis, Münster u. a. 2009.

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Qualität im Religionsunterricht entwickeln

ner Erfolge, kann aber auch auf einen entsprechenden Optimierungsbedarf im Unterricht aufmerksam machen. Ȥ Befunde aus der Unterrichtsforschung können als Wahrnehmungs- oder als Sehschule verstanden werden. Sie machen auf bislang vielleicht kaum beachtete Aspekte aufmerksam und stellen Kategorien zur Verfügung, die für eigene Beobachtungen genutzt werden können. In der Religionspädagogik war und ist dies etwa bei den Untersuchungen zur religiösen Entwicklung im Kindes- und Jugendalter der Fall.284 Durch die entwicklungspsychologische Forschung, die sich in der Religionspädagogik inzwischen unter dem Einfluss des Konstruktivismus und der Kinder- und Jugendtheologie weiter ausdifferenziert hat, ist eine neue Aufmerksamkeit auf die sich zwischen Kindheit, Jugend- und Erwachsenenalter stark unterscheidenden Lernvoraussetzungen möglich geworden, was eine präzisere Unterrichtsplanung vor allem im Sinne der elementaren Zugänge erlaubt. Im Blick auf das hier als Beispiel gewählte interreligiöse Lernen wurde so etwa bewusst, dass auch der religiös Andere aus der Perspektive von Kindern und Jugendlichen sehr unterschiedlich wahrgenommen werden kann. Wenn es sich bei der Konfessions- oder Religionszugehörigkeit in der Sicht von Kindern etwa, wie in einer empirischen Studie zum konfessionell-kooperativen Unterricht festgestellt,285 um ein angeborenes Merkmal handelt, das mit Geschlecht, Haar- oder Hautfarbe vergleichbar ist, kann dies nicht ohne Folgen für die Ausgestaltung von Lernprozessen sein. Ȥ Letztlich stellt die Planung des eigenen Unterrichts immer vor die Frage nach der Wahl der am besten geeigneten didaktischen Strategie. Im schulischen Alltag erfolgt diese Auswahlentscheidung auf der Grundlage von Erfahrungen, die in der Vergangenheit in dieser Hinsicht gemacht wurden. Insofern unterliegt bereits der alltäglichen Planungs- und Gestaltungspraxis eine nicht immer bewusste Antwort auf die Frage, welche didaktische Strategie als die bewährteste gelten kann. Auf eben diese Frage zielen aber auch wissenschaftliche Untersuchungen, sodass ein Abgleich zwischen eigenen Erfahrungen und wissenschaftlichen Befunden naheliegt. Eingeschränkt wird diese Möglichkeit allerdings dadurch, dass in der Religionsdidaktik noch kaum vergleichende Untersuchungen zum Einsatz verschiedener didaktischer Strategien durchgeführt wurden. Ist ein auf interreligiöse Themen bezogener Unterricht erfolgreicher, wenn er sich beispielsweise 284 S. etwa Schweitzer, Lebensgeschichte und Religion (s. Anm. 144); ders. u. a., Religionsunterricht und Entwicklungspsychologie (s. Anm. 171). 285 Vgl. F. Schweitzer u. a., Gemeinsamkeiten stärken (s. Anm. 211).

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auf die religiösen Symbole in den verschiedenen Religionen bezieht, also im Sinne der Symboldidaktik, oder fällt der Kompetenzerwerb stärker aus, wenn der Unterricht sich besonders auf die verschiedenen Formen konzentriert, in denen die Religionen in Deutschland tatsächlich gelebt werden? Führt der »doppelte Individuenrekurs«, wie er neuerdings auf theoretischer Grundlage vorgeschlagen wurde,286 tatsächlich zu den gewünschten Lernergebnissen? Es wäre sehr wünschenswert, wenn sich die religionspädagogische Unterrichtsforschung sowie die religionsdidaktische Diskussion insgesamt in Zukunft verstärkt solchen Fragen zuwenden würden. Unterrichtsforschung und die Planung von Religionsunterricht nach dem Elementarisierungsmodell

Das religionspädagogische Elementarisierungsmodell stand, besonders in der in der Tübinger Religionspädagogik entwickelten Gestalt, von Anfang an stark im Zeichen einer auch empirischen Fundierung.287 Vor allem für die Elemen­ tarisierungsdimensionen der elementaren Erfahrungen und Zugänge, bei denen der Erfahrungsbezug des Unterrichts sowie die von den Kindern und Jugendlichen ausgehenden Deutungsweisen im Vordergrund stehen, wurde auf empirische Untersuchungen aus der Kinder- und Jugendforschung, aus der Entwicklungspsychologie, der Kinder- und Jugendtheologie u. a. zurückgegriffen. In seiner aktuellen Gestalt (»Elementarisierung 2.0«288) wurde das Bemühen um den Einbezug von Befunden aus der empirischen Unterrichtsforschung noch weiter vorangetrieben. Nunmehr sind solche Bezüge systematisch in den zehn für die Planung von Unterricht vorgesehenen Schritten einbezogen (S. 172). Zudem geht es dabei nicht mehr nur um Lernvoraussetzungen, sondern auch um eine Gestaltung von Unterrichtsprozessen, in die darauf bezogene empirische Befunde eingehen, sowie um mögliche Effekte des Unterrichts. Die Frage nach Befunden aus der Unterrichtsforschung tritt hier zwischen die Ausarbeitung der »klassischen« fünf Elementarisierungsdimensionen auf der einen und die zu treffenden Planungsentscheidungen auf der anderen Seite ein. Dies ist allerdings nicht so zu verstehen, dass auf solche Befunde nicht auch innerhalb der Elementarisierungsdimensionen im engeren Sinne zurückgegriffen werden könnte oder sollte. Spätestens im Übergang von der elemen­ tarisierenden Erschließung zur konkreten Planung wird dies jedoch unumgänglich. 286 So Meyer, Grundlage interreligiösen Lernens (s. Anm. 77), 359. 287 Vgl. Schweitzer u. a., Religionsunterricht und Entwicklungspsychologie (s. Anm. 171). 288 Vgl. Schweitzer u. a., Elementarisierung 2.0 (s. Anm. 14).

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Qualität im Religionsunterricht entwickeln

Zehn Schritte der Unterrichtsvorbereitung nach dem Elementarisierungsmodell     1. Ausgangspunkte – Orientierungen     2. Inhaltsbezogene fachwissenschaftliche Klärung: Elementare Strukturen     3. Lebensweltliche Bezüge wahrnehmen: Elementare Erfahrungen     4. Wie konstruieren Schülerinnen und Schüler das Thema? Elementare Zugänge     5. Welche Überzeugungen stehen auf dem Spiel? Elementare Wahrheiten     6. Unterrichtsprozesse gestalten: Elementare Lernformen     7. Welche Konsequenzen ergeben sich aus der Unterrichtsforschung?     8. Welche Kompetenzen sollen besonders gefördert werden?     9. Stundenlernziel(e) beschreiben 10. Übertragung in ein Planungsschema

Um dies an dem in diesem Teilkapitel als Beispiel herangezogenen interreligiösen Lernen zu illustrieren: Ȥ Bei den elementaren Strukturen geht es zwar noch nicht um Unterrichtsforschung, aber zum Teil doch um empirische Befunde. Die fachwissenschaftliche Klärung schließt bei interreligiösen Themen notwendig nicht nur theologische Fragen ein, sondern auch religionswissenschaftliche, religionssoziologische und -psychologische Erkenntnisse empirischer Art, etwa zu den in Deutschland anzutreffenden Formen gelebter Religion. Solche Befunde können den Anschluss an die empirische Unterrichtsforschung erleichtern. Ȥ Auch nach den elementaren Erfahrungen muss gerade unabhängig vom Unterricht gefragt werden, eben weil es hier um den Bezug auf alltägliche, lebensweltlich verankerte Erfahrungen gehen soll. Gleichwohl können Studien zum Religionsunterricht in dieser Hinsicht aufschlussreich sein, etwa wenn sie zeigen, wie genau sich unterschiedliche Erfahrungshintergründe im Unterricht bemerkbar machen und wie sie aufgenommen werden können. Ȥ Die elementaren Zugänge werden grundsätzlich, wie bereits deutlich geworden ist, auf der Grundlage empirischer Befunde eruiert. Ähnlich wie bei den elementaren Erfahrungen können sie aber zusätzlich auch durch Studien zum Religionsunterricht erhellt werden, sofern solche Studien eine entsprechende Aufmerksamkeitsrichtung einschließen: Wie genau zeigen sich solche Zugänge im Unterricht? Wo werden sie aufgenommen, wo gehen sie eher unter? Ȥ Hinsichtlich der elementaren Wahrheiten können Analysen von Unterricht, bei denen Zweifel und kritische Fragen vonseiten der Schülerinnen und

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Schüler oder, beim interreligiösen Lernen, der Umgang mit konfligierenden Glaubensüberzeugungen etwa im Blick auf Jesus Christus aufschlussreich sein. Als Beispiel kann hier auf eine kleine Studie aus der Praxis des Religionsunterrichts in Frankfurt am Main verwiesen werden, bei der Schülertexte zur Frage nach der »wahren Religion« gesammelt wurden.289 Diese Texte können im Übrigen auch im Unterricht eingesetzt werden, dann als Ausgangspunkt für eine Diskussion existenziell bedeutsamer Fragen. Ȥ Vielleicht am leichtesten können Befunde aus der empirischen Unterrichtsforschung für die Bestimmung geeigneter Lernformen herangezogen werden. Mitunter sind hier Aufschlüsse über die Wirksamkeit bestimmter Methoden zu gewinnen. Insgesamt aber spielen dafür die allgemeinen Prinzipien aus der pädagogischen Psychologie – also kognitive Aktivierung beispielsweise durch entdeckendes Lernen – eine hervorgehobene Rolle, zumal die Forschung zum Religionsunterricht noch wenig Auskunft über die Fruchtbarkeit unterschiedlicher Lernarrangements zu geben vermag. Wie hilfreich entsprechende Studien sein können, zeigen erste empirische Untersuchungen zur religionsdidaktischen Bedeutung von Besuchen in Kirchen und Synagogen.290 So gesehen ist es also sinnvoll, wenn die Frage nach einschlägigen Befunden aus der empirischen Unterrichtsforschung den gesamten Prozess der Elementarisierung in seinen verschiedenen Dimensionen begleitet. Insofern gehört es inzwischen zur religionspädagogischen Professionalität, sich im Blick auf entsprechende Befunde aus der Unterrichtsforschung kundig zu machen und sich mit der Frage zu befassen, welche Konsequenzen sich daraus ergeben. Zum interreligiösen Lernen beispielsweise gibt es inzwischen eine zwar überschaubare Anzahl von Untersuchungen, die aber doch gerade für die Unterrichtsplanung und -gestaltung sehr anregend sein können. Auf Fragen von Subjektorientierung und Lebensweltbezug wurde bereits verwiesen. Neue Impulse für den Unterricht bietet auch eine Untersuchung zu den Einflüssen sozialer Ungleichheit und besonders der religiösen Sozialisation im Blick auf das Gelingen interreligiösen Lernens.291 289 R. Mugerauer, Gibt es eine wahre Religion? Eine systematisch-theologische und philosophische Einführung samt Wettbewerbsbeiträgen von Oberstufenschülern, Baden-Baden 2018. 290 Vgl. Gärtner/Bettin, Interreligiöses Lernen (s. Anm. 258); U. Riegel/K. Kindermann, Field trips to the church. Theoretical framework, empirical findings, didactic perspectives, M ­ ünster/ New York 2017. 291 A. Unser, Social Inequality and interreligious learning. An empirical analysis of students’ a­ gency to cope with interreligious learning tasks, Wien 2019.

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Qualität im Religionsunterricht entwickeln

1.3 Die Schülerinnen und Schüler (be-)fragen Wahrnehmungen der Schülerinnen und Schüler als Ausgangspunkt

An dieser Stelle geht es nicht um die in der wissenschaftlichen Religionspädagogik oder in den Sozialwissenschaften verfügbaren Schülerbefragungen, auf die in Teil 2 bereits eingegangen wurde. Gemeint sind vielmehr Möglichkeiten, die Schülerinnen und Schüler im eigenen Religionsunterricht zu befragen. Dazu gibt es im Blick auf den Religionsunterricht zwar praktische Erfahrungen, aber – anders als zum Teil in anderen Fächern und Bereichen der Schule – noch wenig systematisch ausgebildete Modelle. Deshalb muss es auch im Folgenden vor allem um die Entwicklung von Perspektiven gehen, die in Zukunft – nicht zuletzt durch die Praxis selbst – weiter konkretisiert werden könnten. Teilweise können dabei auch Impulse und Erfahrungen aus anderen Bereichen von Schule oder Pädagogik für den Religionsunterricht fruchtbar gemacht werden. Zunächst kann zwischen Fragen und Befragen unterschieden werden. Beim Fragen geht es um Kinder und Jugendliche als Subjekte, die ihre eigene Wahrnehmung und Einschätzung von Unterricht haben. Was fanden die Schülerinnen und Schüler gut? Was fanden sie gelungen oder weniger gelungen? Wo ist ihnen etwas wirklich klar geworden und wo nicht? Und natürlich kann auch gefragt werden, welche Verbesserungsvorschläge sie haben. Die neuere Unterrichtsforschung hat gezeigt, dass solche Einschätzungen jedenfalls in bestimmter Hinsicht als durchaus valide anzusehen sind.292 Die wissenschaftlichen Befunde konvergierten bei diesen Untersuchungen mit den Schülerurteilen. Es lohnt sich also, sie ernst zu nehmen. Darüber hinaus ist auch noch ein kommunikativer Effekt zu bedenken: Es kann zu einer deutlichen Verbesserung der Unterrichtskultur und des Unterrichtsklimas führen, wenn Schülerinnen und Schüler merken, dass ihr Urteil gefragt ist und ihre Meinung ernst genommen wird. Die Übergänge zum Befragen, wie es hier verstanden wird, sind naturgemäß fließend. Das Ziel eines solchen Befragens liegt nicht in der Erhebung von Schülermeinungen zum Unterricht. Vielmehr geht es hier darum, dass Lehrkräfte sich ein Urteil im Blick auf Lernvoraussetzungen und Lernerfolge bilden können. Von Interesse sind deshalb Vorwissen oder auch Einstellungen zu bestimmten Themen sowie bereits vorhandene Fähigkeiten und Fertigkeiten, die auch als Kompetenzen bezeichnet werden können. Leitperspektive ist dabei, den eigenen Unterricht möglichst erfolgreich zu gestalten. Dazu gehört auch die 292 Vgl. die in Anm. 160 genannte Literatur sowie, für den Religionsunterricht, die Diskussion bei Schwarz, SchülerInnenperspektiven (s. Anm. 161), 543–606.

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Identifikation von Aspekten, bei denen die Ziele des Unterrichts bislang nicht oder nicht in befriedigendem Maße erreicht werden. Hier wird deshalb nicht einfach nach der Wahrnehmung von Religionsunterricht gefragt, sondern es werden unterschiedliche Aufgabenstellungen eingesetzt, deren Bearbeitung über die Voraussetzung oder den Erfolg von Unterricht Auskünfte geben kann. Diese Form des Befragens berührt sich mit den in der Schule üblichen Lernstands­ erhebungen, auf die deshalb noch genauer einzugehen sein wird. Entscheidend für die Unterrichtskultur ist es, dass auch für die Schülerinnen und Schüler klar ist, dass es bei solchen Befragungen nicht um eine Klassenarbeit oder einen Test als Grundlage für die Leistungsbewertung und Notengebung geht, sondern um die Verbesserung des Unterrichtsangebots. Deshalb sollte die Auswertung solcher Befragungen in dem Sinne anonym sein, dass für die Lehrkraft jedenfalls nicht unmittelbar erkennbar ist, wer was und wie geantwortet oder bei einer Aufgabe erreicht hat. Da in einer vertrauten Schulklasse oder Lerngruppe vollständige Anonymität kaum erreicht werden kann, ist es umso wichtiger, dass die nicht personenbezogene Form der Auswertung der Befragungsergebnisse immer wieder transparent gemacht wird. Die derzeit verfügbaren oder diskutierten Möglichkeiten, wie Schülerinnen und Schüler gefragt und befragt werden können, lassen sich den drei Qualitätsperspektiven zuordnen, die in Teil 1 des Buches beschrieben wurden: Religionsunterricht als »guter Unterricht«, als »guter Fachunterricht« sowie als Unterricht mit besonderem Profil. Daran orientiert sich die Darstellung im Folgenden. Religionsunterricht als »guter Unterricht«: Möglichkeiten qualifizierten Schülerfeedbacks

Die Bedeutung von Schülerfeedback zum Unterricht findet derzeit in der erziehungswissenschaftlichen und besonders in der schulpädagogischen Diskussion großes Interesse. So wurde eine ganze Ausgabe der Friedrich-Jahreshefte dem »Feedback« gewidmet, vor allem im Anschluss an John Hattie, der nicht nur durch seine Analysen zu erfolgreichem Unterricht, sondern auch durch seine Studien zum Feedback im Unterricht international bekannt geworden ist.293 Im Anschluss an Hattie haben in Deutschland insbesondere der Erziehungswissenschaftler Klaus Zierer und sein Team diverse Angebote entwickelt, die auch ein online-gestütztes Einholen von Feedback ermöglichen.294 Darüber hinaus wer293 Vgl. Friedrich Jahresheft 37/2019. 294 Vgl. K. Zierer im Interview mit John Hattie, Erfolgreiches Feedback ist nicht einfach, aber es ist wirkmächtig. In: ebd., 6–9, B. Wisniewski, Feedback digital. Möglichkeiten für eine Verbesserung der Lehrer-Schüler-Beziehung. In: ebd., 58–60. S. auch die Beilage zu diesem Jahresheft: Praxis »Feedback«. Eine Gebrauchsanleitung für Schule und Unterricht, zusammengestellt

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den Fragebögen mit validierten Items angeboten, die beispielsweise über eine App in einer Schulklasse oder Lerngruppe eingesetzt werden können. Daneben bleibt aber immer auch die Möglichkeit, Papierfragebögen einzusetzen. Als qualifiziertes Feedback lassen sich die hier entwickelten neuen Möglichkeiten deshalb bezeichnen, weil sich die dafür angebotenen Fragebögen auf die pädagogisch-psychologische Unterrichtsforschung stützen. Dadurch ist es möglich, in dieser Forschung bewährte Fragestellungen einzusetzen, und die Befunde aus der eigenen Befragung lassen sich auf diese Weise mit anderen Befunden vergleichen. Die hier angebotenen Fragen beziehen sich etwa auf Fürsorge, Herausforderung, Klarheit, Klassenführung, Motivierung, Sicherung des Lernerfolgs, Zusammenarbeit und Rückmeldung. Es handelt sich also um Fragen, die sich mit den oben aus der Pädagogischen Psychologie aufgenommenen Begriffen kognitive Aktivierung, Klassenführung und Klassenklima umschreiben lassen (vgl. S. 40 ff.). Die Antworten auf solche Fragen erlauben deshalb eine Einschätzung von Religionsunterricht als Unterricht, also gleichsam unabhängig von seinen bestimmten Inhalten, da der Religionsunterricht mit seiner speziellen Fachlichkeit bei den angebotenen Fragebögen bislang keine Rolle spielt. Insofern geht es um »guten Unterricht« im Allgemeinen, was für den Religionsunterricht aber durchaus von Interesse sein kann, da die vorliegenden Befunde zum Religionsunterricht deutlich machen, dass die allgemeine Qualität als Unterricht durchaus als eine notwendige Voraussetzung für erfolgreichen Religionsunterricht anzusehen ist. Gleichwohl bleibt es auch in dieser Hinsicht notwendig, den Religionsunterricht als »guten Fachunterricht« in den Blick zu nehmen. Religionsunterricht als »guter Fachunterricht«: Fragen zur inhaltlichen Dimension des Unterrichts

Bislang verfügbare Ansätze in diesem Bereich beziehen sich vor allem auf die sogenannte Lernstandsanalyse, die Lehrkräften die Möglichkeit geben sollen, sich ein genaueres Bild über bereits bei den Schülerinnen und Schülern vorhandene Kenntnisse, Fähigkeiten und Fertigkeiten zu machen. Die dazu etwa auf den Landesbildungsservern angebotenen Möglichkeiten zeigen derzeit noch eher eine grobe Richtung an, wie eine solche Analyse aussehen könnte. Über die Validität der auf diese Weise zu gewinnenden Befunde ist noch nichts bekannt. von Stephan Wernke. Weitere Informationen und Angebote unter http://wp.feedbackschule. de/; B. Wisniewski/K. Zierer, Visible Feedback. Ein Leitfaden für erfolgreiches Unterrichtsfeedback, Hohengehren 22018.

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In anderen Fächern sind solche Erhebungen zum Teil zentral organisiert und sollen Vergleiche beispielsweise mit den durchschnittlichen Leistungen auf einer bestimmten Klassenstufe ermöglichen. Soweit solche Erhebungen auch im Religionsunterricht eingesetzt werden, beziehen sie sich hingegen auf die eigene Religionsklasse und dienen dem Ziel, den eigenen Unterricht passgenauer zu gestalten.295 Weiterreichend können sich Fragen zu den Lernvoraussetzungen auch auf die religiöse Sozialisation beziehen, im Anschluss an Untersuchungen zu Religion im Kindes- und Jugendalter, wie sie in der Literatur zu finden sind.296 Hinsichtlich der fachlichen Inhalte des Religionsunterrichts können solche allgemeinen Befragungen durch spezifische Items zur Vertrautheit mit bestimmten religiösen Themen oder Vollzügen ergänzt werden. Noch wenig im Blick sind die genauso wichtigen Formen der Rezeption des Unterrichts durch die Schülerinnen und Schüler. Was genau ist inhaltlich bei den Schülerinnen und Schülern angekommen? Welches Verständnis eines Themas haben sie tatsächlich gewonnen? Auch an dieser Stelle kann, nun auf Schülerebene, noch einmal auf die Dimensionen des Elementarisierungsmodells zurückgegriffen werden. Entsprechend müssen sich Fragen darauf beziehen, welche elementaren Strukturen einsichtig geworden sind, ob es zu Verbindungen mit eigenen Erfahrungen gekommen ist, ob Deutungsweisen der Schülerinnen und Schüler aktiviert wurden und wie die methodische Ausgestaltung (Lernformen) wahrgenommen wurden. Verfeinern lässt sich eine solche Befragung dadurch, dass sie etwa im Anschluss an eine bestimmte Unterrichtsstunde zwischen verschiedenen Phasen des Unterrichts unterscheidet und gezielt zu einzelnen Phasen Fragen gestellt werden. Zur Rezeption des Unterrichts kann auch der Kompetenzerwerb gezählt werden, der in einer Unterrichtsstunde oder Unterrichtseinheit beabsichtigt war. Auch dazu liegen Vorschläge für Aufgaben vor, mit deren Hilfe sich der Kompetenzerwerb abschätzen lässt.297

295 Vgl. z. B. Lernstandserhebung Janine, https://lehrerfortbildung-bw.de/u_gewi/religion-ev/ gym/bp2004/fb2/9_bspl/2_lern/ (Zugriff 2.9.2019); mit weiteren Hinweisen: Schlagwort: Lernstandserhebung, https://material.rpi-virtuell.de/schlagwort/lernstandserhebung/ (Zugriff 2.9.2019). 296 Vgl. etwa Schweitzer, Lebensgeschichte und Religion (s. Anm. 144); G. Büttner/V.-J. Dieterich, Entwicklungspsychologie in der Religionspädagogik, Göttingen 22016; Schweitzer u. a., Jugend – Glaube – Religion (s. Anm. 8). 297 Einen wichtigen Ausgangspunkt dafür stellten die Beispiele dar in D. Fischer/V. Elsenbast (Red.), Grundlegende Kompetenzen religiöser Bildung. Zur Entwicklung des evangelischen Religionsunterrichts durch Bildungsstandards für den Abschluss der Sekundarstufe I, Münster 2006.

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Am schwersten bleibt es, die Dimension der elementaren Wahrheiten bei einer solchen Befragung aufzunehmen. Da gerade diese Dimension auf das besondere Profil von Religionsunterricht verweist, soll sie in einem eigenen Abschnitt aufgenommen werden. Das besondere Profil von Religionsunterricht: der existenzielle Bezug

Bei den elementaren Wahrheiten kann zwischen zwei Aspekten unterschieden werden: dem existenziellen Bezug von Unterricht hinsichtlich der eigenen Person und letztlich des eigenen Glaubens auf der einen Seite und dem Umgang mit konfligierenden Wahrheitsansprüchen und einander widersprechenden Glaubensüberzeugungen auf der anderen Seite. Der existenzielle Bezug auf den eigenen Glauben entzieht sich weitestgehend jeder Form der objektivierenden Befragung, auch wenn er in einem Gespräch durchaus wahrnehmbar sein kann. Anders stellen sich die Dinge im Blick auf die Fähigkeit und Bereitschaft dar, mit einander widersprechenden Glaubensüberzeugungen umzugehen. Im Blick auf den christlichen Glauben kann es dabei um religionskritisch-säkulare Überzeugungen gehen, etwa im Sinne einer materialistischen Weltanschauung, aber auch um die Glaubensüberzeugungen nicht-christlicher Religionen. Ein instruktives, oben bereits erwähntes Beispiel dazu stammt von einem Religionslehrer in Frankfurt. Im Unterricht wurde die Frage nach Wahrheit und nach der wahren Religion behandelt.298 Im Anschluss daran verfassten die Schülerinnen und Schüler literarische Texte zu fiktiven Situationen, bei denen in der Familie oder in anderen alltäglichen Situationen über die »wahre Religion« gestritten wird. Diese Texte sind nicht nur spannend zu lesen, sondern sie verraten auch viel darüber, welche Erkenntnisse, Fähigkeiten und Fertigkeiten die Schülerinnen und Schüler in diesem Fall erworben haben. 1.4 Etwas Neues ausprobieren Aus den drei beschriebenen Möglichkeiten – Einsatz von Modellen der Unterrichtsanalyse, Nutzung von Befunden aus der Unterrichtsforschung, die Schülerinnen und Schüler (be-)fragen – ist noch nicht direkt abzuleiten, was daraus für den eigenen Unterricht folgen soll. Zu erwarten sind zwar vielfältige Beobachtungen und mögliche Ansatzpunkte zur Qualitätsentwicklung, aber das kann wiederum überfordernd wirken. Um dies zu verhindern, ist an dieser Stelle ein bewusster Zwischenschritt erforderlich.

298 Vgl. Mugerauer, Gibt es eine wahre Religion? (s. Anm. 289).

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Dieser Schritt besteht sinnvollerweise in einer gezielten Auswahl von ein oder zwei Aspekten, die aufgrund der Wahrnehmungen zum eigenen Unterricht auf den drei beschriebenen Wegen besonders wichtig oder interessant erscheint. Das könnte beispielsweise der Erfahrungsbezug des Unterrichts sein, der sich in den Rückmeldungen der Schülerinnen und Schüler als deutlich weniger ausgeprägt darstellt als beabsichtigt und erwartet. Dieser Ausgangspunkt legt es dann nahe, genau in dieser Hinsicht etwas Neues zu probieren, etwa durch den Einbau zusätzlicher inhaltlicher Elemente oder den Einsatz veränderter Lernstrategien, bei denen dieser Aspekt in den Vordergrund tritt. Wichtig ist es dabei, von Anfang an mit zu bedenken, wie die Effekte solcher Innovationen wiederum in ihrer Wirksamkeit überprüft werden können. Hat sich – im Beispiel gesprochen – der von den Schülerinnen und Schülern realisierte Erfahrungsbezug tatsächlich verstärkt? Wenn ja, in welcher Hinsicht? Und wenn nein, woran könnte dies liegen? Auch hier kann noch einmal auf den Ansatz der »religionsdidaktischen Entwicklungsforschung« verwiesen werden, bei dem solche sich mitunter mehrfach wiederholenden Schritte zur Qualitätsentwicklung im Religionsunterricht eine entscheidende Rolle spielen.299 Allerdings geschieht dies bei diesem Ansatz in Arbeitsgruppen, was schon den nächsten Schritt im Folgenden betrifft: die kollegiale Ebene. Qualitätsentwicklung in der Praxis: Handlungsmöglichkeiten auf der individuellen Ebene der einzelnen Lehrkraft Ȥ Qualitätsentwicklung ist eine Aufgabe für jede einzelne Lehrkraft. Das ist besonders wichtig, weil die alltägliche Praxis in der Schule in erster Linie eine Gestaltungsaufgabe für jede Lehrkraft darstellt. Ȥ Am Anfang muss die Analyse des eigenen Unterrichts stehen. Ohne eine solche Analyse bleiben alle Bemühungen um Qualitätsentwicklung im Unterricht blind und ziellos. Ȥ Eine besondere Möglichkeit, bei der fach- bzw. religionsdidaktische Perspektiven ins Zentrum rücken, stellt eine Analyse mithilfe des Elementarisierungsmodells dar. Deshalb wurde dieses Modell, das sich zunächst auf die Unterrichtsplanung und -gestaltung bezieht, im Blick auf die Unterrichtsanalyse weiterentwickelt. Ȥ Eine weitere Aufgabe der Qualitätsentwicklung besteht darin, konsequent Befunde aus der auf den Religionsunterricht bezogenen Unterrichtsforschung 299 Vgl. S. 154 ff.

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zu nutzen, beispielsweise bei der Unterrichtsvorbereitung. Auch dafür bietet das weiterentwickelte Elementarisierungsmodell praxisbezogene Ansatzpunkte. Ȥ In der Praxis des Religionsunterrichts werden die Schülerinnen und Schüler zwar immer wieder beispielsweise nach ihren Interessen gefragt, aber die Potenziale solcher Befragungen wurden bislang nur selten systematisch ausgewertet oder durch entsprechende Tools unterstützt. Die neue Aufmerksamkeit auf Formen des Feedbacks in der Schulpädagogik könnte auch der Religionsdidaktik Impulse zur Integration von Erkenntnissen aus der Unterrichtsforschung geben. Ȥ Die Lust, etwas Neues ausprobieren, bleibt bei alledem eine wesentliche Voraussetzung.

2. Die kollegiale Ebene: Was kann man gemeinsam tun? Aus der Forschung zur Schul- und Unterrichtsentwicklung ist seit langem bekannt, wie wichtig die kollegiale Ebene dabei sein kann. Wo sich Kolleginnen und Kollegen an einer Schule zusammentun, um neue Entwicklungen anzustoßen, so wird immer wieder berichtet, kommen die Dinge weit besser voran, als wenn es beim Einsatz sogenannter Einzelkämpfer bleibt. Häufig geht diese kollegiale Zusammenarbeit von einem gemeinsamen Fach aus, für das die entsprechenden Lehrkräfte zuständig sind. Genau an diesem Punkt liegen im Blick auf den Religionsunterricht allerdings Grenzen. In vielen Fällen ist die Anzahl der Religionslehrkräfte an einer Schule eher überschaubar. Zieht man zusätzlich in Rechnung, dass freiwillige Formen der Kooperation in vieler Hinsicht davon abhängig sind, ob die hier zufällig zusammengekommenen Menschen persönlich gut »miteinander können«, sowie von der situativ bedingten Voraussetzung, ob andere ebenfalls Lust, Zeit und Kraft für neues Engagement aufbringen können, dann erweisen sich die Möglichkeiten für eine kollegiale Kooperation im Blick auf den Religionsunterricht als recht begrenzt. Ähnliches gilt aber auch für viele andere Fächer, sodass der theoretisch gut begründete Hinweis auf die Bedeutung und Wirksamkeit kollegialer Kooperation in vielen Fällen, bei denen es um die Unterrichtsentwicklung geht, bislang eine eher theoretische Möglichkeit bleibt. Doch sollte dieser notwendige Realismus niemand davon abhalten, immer mal wieder oder wenigstens einmal etwas Neues auszuprobieren. Vielfach gibt es doch befreundete oder jedenfalls freundliche Kolleginnen und Kollegen im Fach, vielleicht auch an einer Nachbarschule oder in der Region. Die Überlegungen in

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diesem Teilkapitel sollen dazu ermutigen, die damit gegebenen Möglichkeiten für die Unterrichtsentwicklung zu nutzen. Darüber hinaus gäbe es zumindest in manchen Fällen auch die Möglichkeit, entsprechende Arbeitsgruppen an den religionspädagogischen Instituten der Landeskirchen anzusiedeln oder auch auf Fortbildungsebenen, die stärker regional institutionalisiert sind. Im Folgenden werden zwei Möglichkeiten beschrieben, die sich zum einen auf den Ansatz der fachdidaktischen Entwicklungsforschung stützen, der zunehmend auch in der Religionsdidaktik rezipiert wird, zum anderen auf das Modell Professioneller Lerngemeinschaften, das etwa in der religionspädagogischen Diskussion zur Lehrerfortbildung seit langem eine Rolle spielt. Thematisch wird als Beispiel in diesem Teilkapitel das Thema »Schöpfung und Naturwissenschaft« gewählt, mit besonderem Bezug auf die Klassenstufe 5/6. 2.1 Gemeinsam Unterricht entwickeln durch forschendes Lehren Das Modell der fachdidaktischen Entwicklungsforschung wurde oben bereits in seinen Grundzügen beschrieben.300 An dieser Stelle sollen einige weitere Aspekte aufgenommen werden, die für die Qualitätsentwicklung im Religionsunterricht auf der kollegialen Ebene besonders wichtig sind. Dabei wird dieses Modell auch ein Stück weit modifiziert, sodass es kollegial gehandhabt werden kann Die Grundstruktur dieses Ansatzes besteht vereinfacht ausgedrückt darin, dass gemeinsam eine Unterrichtsstunde oder eine Unterrichtseinheit konzipiert wird, die dann in der Praxis erprobt und danach wiederum gemeinsam ausgewertet wird. Die Ergebnisse dieser Auswertung stellen zugleich den Ausgangspunkt für eine verbesserte Konzeption der Stunde oder Einheit dar, die dann erneut praktisch erprobt werden soll. Es handelt sich also um einen spiralförmig wiederholenden (»iterativen«) Prozess. Dieser Prozess könnte natürlich auch von einzelnen Lehrpersonen durchlaufen werden, aber die Erfahrungen der fachdidaktischen Entwicklungsforschung sprechen stark dafür, dass die Kooperation in einer Gruppe dafür bessere Voraussetzungen bietet. Insofern empfiehlt sich dieser Ansatz für Formen der kollegialen Kooperation in Arbeitsgruppen (in der Literatur zu diesem Ansatz wird darüber hinaus auch von einer Beteiligung der Wissenschaft ausgegangen, aber das kann in der Praxis nicht einfach vorausgesetzt werden).

300 Vgl. S. 154 ff.

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Das Vorgehen erinnert zugleich an die Interventionsstudien, wie sie auch im vorliegenden Band beschrieben wurden.301 Entscheidend ist aber, dass der Ansatz der Entwicklungsforschung deutlich prozessorientiert vorgeht, indem anders als bei klassischen Interventionsstudien im Verlauf der Durchführung selbst gelernt werden soll und also nicht nur beispielsweise aus den am Ende erzielten oder nicht erzielten Kompetenzzuwächsen. Großer Wert wird weiterhin auf die »Lerngegenstandsorientierung« gelegt. Entsprechend kommt es auf eine besonders sorgfältige inhaltliche Erschließung von Themen an. Wie Claudia Gärtner formuliert: »In diesen Prozess fließen allgemeine und fachspezifische Bildungsziele, entsprechende Lehr-Lerntheorien sowie die Lernendenperspektive ebenso ein, wie die fachliche Struktur des Lerngegenstandes«.302 Dem Ansatz des vorliegenden Bandes entsprechend wäre dies der Ort, an dem die Elementarisierung eines Themas zu leisten ist. Soweit die fachdidaktische Entwicklungsforschung von der Hochschule ausgeht, kommt dazu noch die »Vernetzung« zwischen Theorie und Praxis. Da es im vorliegenden Zusammenhang aber um die kollegiale Ebene geht und nicht um eine Beteiligung der Hochschule (auch wenn eine solche im Einzelfall immer denkbar bleibt), tritt dieser Aspekt hier zurück. Die Aufgabe für das forschende Lehren im Horizont der Unterrichtsentwicklung lässt sich am Beispiel der Konzeption einer Unterrichtsstunde oder Unterrichtseinheit zum Thema »Schöpfung und Naturwissenschaft« für Klasse 5/6 gut illustrieren. Dazu liegen diverse Vorarbeiten vor, auf die sich eine solche Ausarbeitung stützen kann. An erster Stelle ist hier auf die Untersuchungen zum Schöpfungsverständnis zu verweisen, die aus der Entwicklungspsychologie oder etwa aus der Kinder- und Jugendtheologie kommen.303 Auch aus dem Bereich der Biologiedidaktik gibt es inzwischen Studien, die sich auf das Verständnis von Evolution bei Kindern und Jugendlichen beziehen.304 Diese Untersuchungen machen eindrücklich deutlich, dass bei einer solchen Unterrichtseinheit an die spezifischen Deutungsweisen der Kinder und Jugendlichen angeknüpft werden muss, wenn der Unterricht nicht an ihren Verstehensmöglichkeiten 301 Vgl. S. 139 ff. 302 C. Gärtner, Fachdidaktische Entwicklungsforschung – Ein Forschungsprogramm zur Verknüpfung von religionsdidaktischer Theoriebildung und Religionsunterricht. In: Schambeck/ Riegel, Was im Religionsunterricht (s. Anm. 18),140–157,146. 303 Vgl. bes. Fetz u. a., Weltbildentwicklung und Schöpfungsverständnis (s. Anm. 150); s. auch F. Schweitzer, Schöpfungsglaube – nur für Kinder? Zum Streit zwischen Schöpfungsglaube, Evolutionstheorie und Kreationismus, Neukirchen-Vluyn 2012; ders., Kindertheologie und Elementarisierung. Wie religiöses Lernen mit Kindern gelingen kann, Gütersloh 2011. 304 Vgl. M. Hamman/R. Asshoff, Schülervorstellungen im Biologieunterricht. Ursachen von Lernschwierigkeiten, Seelze 2014.

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vorbeigehen soll. Beispielsweise kann keineswegs davon ausgegangen werden, dass die Unterscheidung zwischen einem religiösen Glauben auf der einen und wissenschaftlichen Erklärungen und Theorien auf der anderen Seite bereits verfügbar ist. Vielfach scheinen sich für die Kinder oder Jugendlichen unterschiedliche Glaubensüberzeugungen gegenüberzustehen: der Glaube an Gott als den Schöpfer oder der Glaube an die Abstammung des Menschen vom Affen. Die entsprechenden wissenschaftlichen Untersuchungen ergeben allerdings nur ein allgemeines Bild. Erst eine Befragung in der eigenen Schülergruppe kann Aufschluss darüber geben, wie sich die Lernvoraussetzungen und Zugangsweisen in diesem konkreten Fall tatsächlich darstellen. Aus theologischer bzw. religionspädagogischer Perspektive besteht das Ziel von Religionsunterricht zum Thema »Glaube und Naturwissenschaft« allgemein oder speziell zu »Schöpfung und Evolution« darin, dass der komplementäre Charakter religiöser und naturwissenschaftlicher Sichtweisen einsichtig wird.305 Demnach gibt es zwischen solchen Sichtweisen zwar eine bleibende Spannung oder kann sogar von einem direkten Widerspruch zwischen beiden Sichtweisen gesprochen werden, aber gleichwohl haben doch beide einen bleibenden Sinn. Die Erfahrung, die sich im Schöpfungsglauben Ausdruck verschafft – dass ich ein von Gott gewolltes, mit einer unverlierbaren Würde ausgestattetes Wesen bin und dass die Welt, in der ich lebe und leben darf, ein sinnvolles Ganzes ist –, diese Erfahrung lässt sich weder einfach in naturwissenschaftliche Aussagen übersetzen, noch wird sie durch naturwissenschaftliche Erkenntnisse überholt. Dies ist auch gar nicht die Absicht beispielsweise einer sich selbst als Wissenschaft verstehenden Biologie, die von vornherein nicht auf Aussagen etwa über den Sinn des menschlichen Lebens zielen kann.306 Populäre Darstellungen wie die von Richard Dawkins vermischen immer wieder die verschiedenen religiösen und naturwissenschaftlichen Sichtweisen, leisten damit aber weder dem Glauben noch der Naturwissenschaft wirklich einen Dienst.307 Soll komplementäres Denken erreicht oder zumindest angebahnt werden, wird bei der Konzeption der Unterrichtsstunde oder der Unterrichtseinheit besonders darauf zu achten sein, wie dies durch bestimmte Elemente im Unterricht unterstützt werden kann. Dazu gibt es in der religionsdidaktischen Forschung bislang noch wenig Erkenntnisse, sodass viel Raum für eigene Ideen bleibt. Umso wichtiger wird es sein, die Wirksamkeit des so konzipierten 305 Vgl. Fetz u. a., Weltbildentwicklung (s. o., Anm. 150). 306 Vgl. S. Gemballa/F. Schweitzer, Was können Biologieunterricht und Religionsunterricht voneinander erwarten? In: B. Janowski u. a. (Hg.), Schöpfungsglaube vor der Herausforderung des Kreationismus, Neukirchen-Vluyn 2010, 172–191. 307 Vgl. R. Dawkins, Der Gotteswahn, Berlin 42018.

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Unterrichts zu überprüfen. Wurden die Ziele erreicht? Im vorliegenden Beispiel gesprochen: Zeigen die Schülerinnen und Schüler am Ende verstärkt die Fähigkeit zu einem komplementären Denken? Welche Deutungen im Sinne der Komplementarität nutzen sie oder können sie nutzen? Wie unterstützt sie der Unterricht in dieser Hinsicht? Damit der gemeinsam vorbereitete und dann in mindestens einer Lerngruppe gehaltene Unterricht ausgewertet werden kann, muss er auf irgendeine Art und Weise dokumentiert werden. Dazu gibt es verschiedene Möglichkeiten. Am besten geeignet sind natürlich Audio- oder Videomitschnitte, weil sich dann beispielsweise ausgewählte Phasen gegebenenfalls auch mehrfach gemeinsam betrachten und analysieren lassen. Soweit solche Mitschnitte zu aufwändig erscheinen, können auch schriftliche Aufzeichnungen etwa zu vorab festgelegten Fragen unmittelbar nach einer Unterrichtsstunde einen gewissen Ersatz bieten. Wichtig ist, dass die schriftliche Aufzeichnung zeitnah geschieht, damit sich nicht spätere Wahrnehmungen verfälschend einmischen. Hinsichtlich des angestrebten Kompetenzerwerbs bei den Schülerinnen und Schülern kann wie oben beschrieben an einen Fragebogen gedacht werden. Eine weitere Möglichkeit besteht in der Entwicklung von Aufgaben, bei denen entsprechende Fähigkeiten gefragt sind. Zum Thema »Schöpfung und Evolution« könnten im Sinne solcher Aufgaben etwa Äußerungen von Kindern und Jugendlichen bearbeitet werden, in denen beispielsweise Zweifel an Gottes Schöpfungshandeln zum Ausdruck kommen. Erfragt werden sollte dann aber nicht lediglich die jeweils eigene Glaubensüberzeugung der Schülerinnen und Schüler, sondern die Aufgabe könnte beispielsweise darin bestehen, Argumente zu entwickeln, die auf diesen Zweifel antworten können: Was könntest du zu einer Freundin oder einem Freund sagen, wenn sie oder er meint: »Das mit Adam und Eva kann ich einfach nicht glauben!« Arbeitsauftrag: Entwickeln Sie verschiedene Fragen und Argumente, die für ein solches Gespräch wichtig sein könnten. Die Pointe der fachdidaktischen Entwicklungsforschung besteht nun darin, dass die Ergebnisse der Auswertung des gehaltenen Unterrichts als Ausgangspunkt für eine Verbesserung der ersten Planung genutzt werden. Die Auswertung muss deshalb gezielt so angelegt sein, dass sie Verbesserungsmöglichkeiten identifizieren kann. Die gehaltene Unterrichtsstunde oder -einheit wird damit zum Prototyp, an dem weiter gefeilt werden soll – unter konsequentem Ein-

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bezug der Auswertungsergebnisse. Beispielsweise könnte sichtbar geworden sein, dass bei der Thematisierung von Schöpfungsglaube und Evolution am Ende doch nur unterschiedliche Meinungen oder Einstellungen nebeneinander stehengeblieben sind. Daran könnte sich nun die Überlegung knüpfen, welche zusätzlichen Elemente oder Unterrichtsschritte über ein solches bloßes Nebeneinander hinausführen könnten. Eine weitere didaktische Aufgabe könnte darin bestehen, erkennbar zu machen, dass es hier nicht einfach um eine Frage unterschiedlicher Einstellungen geht, sondern tatsächlich nachvollziehbare Erkenntnisse angesprochen sind. Komplementarität ist keine Frage des individuellen Geschmacks, sondern eine erkenntnistheoretisch ausweisbare Deutungsweise. Eine Grenze der fachdidaktischen Entwicklungsforschung im Blick auf den Religionsunterricht besteht in der Praxis allerdings darin, dass es nicht ohne Weiteres möglich ist, die neu konzipierte, also verbesserte Unterrichtseinheit sogleich in die Praxis umzusetzen, jedenfalls nicht in derselben Klasse, in der das entsprechende Thema dann ja bereits behandelt wurde. Vielleicht bieten Parallelklassen bei entsprechender Jahresplanung oder Klassen in einer anderen Schule, in der eine Lehrkraft in der entsprechenden Arbeitsgruppe unterrichtet, dafür eine Möglichkeit. Auch in dieser Hinsicht bietet die Kooperation auf kollegialer Ebene zusätzliche Chancen. 2.2 Professionelle Lerngemeinschaften für den Religionsunterricht? Schon seit langem wird auch im Bereich der Religionspädagogik auf die mögliche Bedeutung Professioneller Lerngemeinschaften für die Qualitätsentwicklung in der Fortbildung verwiesen. Dietlind Fischer empfiehlt Professionelle Lerngemeinschaften als Möglichkeit für »mittelfristige Prozesse der Qualitätsentwicklung« in Schulen.308 Als besonders empfehlenswert werden solche Lerngemeinschaften in der erziehungswissenschaftlichen Diskussion deshalb angesehen, weil sie die kollegiale Zusammenarbeit mit selbstorganisierter längerfristiger Fortbildungsarbeit kombinieren.309 Gleichwohl haben solche Professionellen Lerngemeinschaften in der Religionspädagogik bislang noch keine allzu große Aufmerksamkeit erfahren, was wiederum mit der beschriebenen Situation von Religionslehrkräften in den Schulen zusammenhängen könnte. Die 308 Vgl. D. Fischer, Verbesserung der pädagogischen Arbeit durch professionelle Lerngemeinschaften und Schulkultur. In: dies. (Hg.), Qualität der Lehrerfortbildung. Kriterien und Umgang mit Differenzen, Berlin 2007, 137–144,138. 309 Überblick F. Lipowsky, Theoretische Perspektiven und empirische Befunde zur Wirksamkeit von Lehrerfort- und -weiterbildung. In: E. Terhart u. a. (Hg.), Handbuch der Forschung zum Lehrerberuf, Münster/New York 22014, 511–541.

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Einrichtung einer fachbezogenen Lerngemeinschaft an einer einzelnen Schule fällt unter diesen Voraussetzungen nicht leicht. Darauf muss daher im Folgenden noch genauer eingegangen werden. Worum geht es bei Professionellen Lerngemeinschaften? Im Zentrum stehen frei vereinbarte, dann jedoch kollegial verbindliche Arbeitszusammenhänge zwischen mehreren Lehrkräften. Einer zusammenfassenden Charakteristik von Lipowsky zufolge zeichnet sich die Arbeit Professioneller Lerngemeinschaften idealtypisch durch folgende Merkmale oder Komponenten aus: »Die Lehrpersonen teilen einen Grundkonsens in Fragen des Lehrens und Lernens, sind motiviert an der eigenen Weiterentwicklung, fokussieren auf das Lernen der Schüler, erkennen die eigene Verantwortung hierfür an, tauschen sich kontinuierlich über den Unterricht, das Curriculum und die Lernprozesse der Schüler aus, betrachten ihren Unterricht nicht als Privatsache und pflegen intensive, unterrichtsbezogene Formen der Zusammenarbeit«.310 Obwohl sich die Wirksamkeit Professioneller Lerngemeinschaften auf die Qualitätsentwicklung im Unterricht aufgrund der Komplexität der möglichen Einflussfaktoren empirisch nur schwer erfassen lässt, gibt es doch Hinweise auf positive Wirkungen. Wünschenswerte und als ermutigend erfahrene Effekte beziehen sich dabei auf die Möglichkeit, die bekannte Problematik von Lehrkräften als Einzelkämpfern aufzubrechen zugunsten kooperativer Arbeitsstrukturen, die durch wechselseitige Unterstützung und eine geteilte Motivation hinsichtlich der Verbesserung von Unterricht gekennzeichnet sind. Wenn es zutrifft, dass die Einrichtung Professioneller Lerngemeinschaften an einer Schule eine größere Anzahl von Fachlehrerinnen und -lehrern in einem Fach voraussetzt – schon weil Lerngemeinschaften nur entstehen und funktionieren können, wenn die beteiligten Personen sich einigermaßen gut miteinander verstehen, was bei einer größeren Anzahl von Lehrkräften für ein Fach eher wahrscheinlich ist –, könnte dies auch die bislang geringe Verbreitung im religionspädagogischen Bereich erklären. Häufig sind die Religionsfachschaften an einer Schule dafür zu klein. Wie aber könnte es dann zu religionspädagogischen Lerngemeinschaften kommen? Zunächst stellen sich die Voraussetzungen für eine solche Arbeitsform zumindest in manchen Fällen günstiger dar, wenn nicht nur die eigene Schule im Blick ist: Anders als in der Literatur bei diesem Thema vorausgesetzt, könnten Lerngemeinschaften beim Religionsunterricht aus Kolleginnen und Kollegen aus verschiedenen, vielleicht unmittelbar benachbarten Schulen zusammengesetzt sein. 310 Ebd., 529.

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Darüber hinaus liegen in den spezifischen Voraussetzungen beim Religionsunterricht aber auch besondere Chancen: Kennzeichnend für die Fortbildung im Bereich des Religionsunterrichts ist eine vergleichsweise starke Unterstützungsstruktur, die nicht zuletzt dem Engagement der Kirchen in diesem Bereich zu verdanken ist. So gibt es sowohl evangelische als auch katholische, zum Teil miteinander kooperierende regionale Strukturen, sowohl im Sinne kleinerer Regionen als auch größerer, landes- oder landeskirchenweiter bzw. auf eine Diözese bezogene Einrichtungen wie etwa religionspädagogische Institute. Es erscheint zumindest denkbar, Professionelle Lerngemeinschaften nicht auf der Ebene einer einzelnen Schule anzusiedeln, sondern an die regionale Fortbildung anzukoppeln. Die Aufgabe der Fortbildung bestünde dann darin, die Einrichtung Professioneller Lerngemeinschaften zu empfehlen und zu ermutigen und diese bei ihrer Arbeit zu begleiten und zu unterstützen. Professionelle Lerngemeinschaften könnten damit zu einer Arbeitsform werden, die als Plattform oder Träger für die oben beschriebene Möglichkeit dient, Unterrichtsqualität gemeinsam durch forschendes Lehren weiterzuentwickeln, oder auch für die verschiedenen Perspektiven, die für die einzelnen Lehrkräfte beschrieben wurden. Dass diese Vorstellung nicht rein utopisch bleiben muss, zeigt in der jüngeren Geschichte der Religionspädagogik die allerdings weithin vergessene sogenannte religionspädagogische Projektforschung, die in den 1970er Jahren an verschiedenen religionspädagogischen Instituten angesiedelt war.311 Hier ging es vor allem um die Entwicklung und Erprobung des damals neuen problemorientierten Religionsunterrichts. Es spricht jedoch nichts dagegen, die in dieser Zeit entwickelten Arbeitsformen, also vor allem das gemeinsame Entwickeln von Unterrichtseinheiten und deren Erprobung, an die veränderte Gegenwartssituation anzupassen und sie auf den Religionsunterricht insgesamt auszudehnen. Sie sind inhaltlich nicht an einen bestimmten religionsdidaktischen Ansatz gebunden. So gesehen nimmt die heute empfohlene religionsdidaktische Entwicklungsforschung eine religionsunterrichtliche Tradition auf, auch wenn dies vielfach nicht bewusst ist. An dieser Stelle wird deutlich, wie die kollegiale auf die institutionelle Ebene übergehen kann. Professionelle Lerngemeinschaften lassen sich auch als Teil eines institutionalisierten Fortbildungsangebots verstehen, und sie sollten, wenn sie in der Schulpraxis funktionieren sollen, bereits bei der Lehrersausbildung angebahnt werden.

311 Vgl. K. Dessecker u. a., Religionspädagogische Projektforschung, Stuttgart/München 1970.

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Qualitätsentwicklung in der Praxis: Handlungsmöglichkeiten auf der kollegialen Ebene Ȥ Qualitätsentwicklung von (Religions-)Unterricht kann eher gelingen, wenn sie als kollegiale Aufgabe und Möglichkeit wahrgenommen wird. Diese Sicht kann sich ganz allgemein auf Modelle der Unterrichts- und Schulentwicklung berufen, aber auch auf spezielle Modelle, die in der Religionspädagogik erst zum Teil rezipiert sind. Ȥ Besonders gilt dies für die Möglichkeit, gemeinsam Unterricht durch forschendes Lehren weiterzuentwickeln. Dabei liegt eine Verbindung zur religionsdidaktischen Entwicklungsforschung nahe (vgl. S. 154 ff.), sodass Unterrichtsentwicklung die gemeinsam auch mehrfach zu durchlaufenden Schritte – Entwickeln – Erproben – Evaluieren – Optimieren – einschließt. Ȥ Eine weitere Möglichkeit stellen Professionelle Lerngemeinschaften dar, für die sich mehrere Lehrkräfte für eine bestimmte Zeit oder auch längerfristig zusammenfinden. Solche Lerngemeinschaften gelten als besonders effektive Form der Fortbildung, werden im Bereich des Religionsunterrichts aber noch selten praktiziert. Auch in diesem Fall liegt eine Koppelung mit anderen Modellen wie der religionsdidaktischen Entwicklungsforschung nahe.

3. Die institutionelle Ebene: Aufgaben und Möglichkeiten der Aus- und Fortbildung Es liegt auf der Hand, dass der Aus- und Fortbildung eine Schlüsselbedeutung für die Qualitätsentwicklung im Religionsunterricht zukommen kann. Schon bei der individuellen und kollegialen Ebene wurden immer wieder Fragen der Fortbildung berührt, doch muss natürlich auch die Ausbildung in ihrer möglichen Funktion hinsichtlich der Qualitätsentwicklung in den Blick genommen werden. Wie sich im Folgenden zeigen wird, scheint der Aspekt der Qualitätsentwicklung wohl in der Ausbildung als auch in der Fortbildung zwar implizit mitzulaufen, aber zugleich fehlt es an expliziten Bezugnahmen.

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3.1 Zum Stand der Diskussion Um sich über den Stand der Diskussion zu informieren, bilden die von der Kultusministerkonferenz (KMK) 2004 verabschiedeten »Standards für die Lehrerbildung« noch immer einen guten Ausgangspunkt.312 Sie stellen nach wie vor den Rahmen dar, in dem sich die bildungswissenschaftliche Lehrerbildung bewegen soll. Diese Standards beeindrucken zudem durch die Weite des Horizonts, der mit der Aufzählung von »Schwerpunkten der Ausbildung« eröffnet wird. Ausgehend von grundlegenden Klärungen des Verständnisses von Bildung und Erziehung sowie von »Beruf und Rolle des Lehrers« werden »Didaktik und Methodik«, »Lernen, Entwicklung und Sozialisation«, »Leistungs- und Lernmotivation«, »Differenzierung, Integration und Förderung«, »Diagnostik, Beurteilung und Beratung« und »Medienbildung«, aber auch »Schulentwicklung« sowie »Bildungsforschung« genannt. Besonders der zuletzt genannte Schwerpunkt ist im vorliegenden Zusammenhang von Interesse. Er wird mit »Ziele und Methoden der Bildungsforschung; Interpretation und Anwendung ihrer Ergebnisse« näher umschrieben.313 Auf die verschiedenen Schwerpunkte bezogen sind dann diverse konkrete Kompetenzanforderungen, beispielsweise »Lehrerinnen und Lehrer fördern die Fähigkeiten von Schülerinnen und Schülern zum selbstbestimmten Lernen und Arbeiten« (Kompetenz 3) oder »Lehrerinnen und Lehrer kennen die sozialen und kulturellen Lebensbedingungen von Schülerinnen und Schülern und nehmen im Rahmen der Schule Einfluss auf ihre individuelle Entwicklung« (Kompetenz 4). Direkter auf den Unterricht bezogen ist die Kompetenz 6: »Lehrerinnen und Lehrer finden Lösungsansätze für Schwierigkeiten und Konflikte in Schule und Unterricht«, wobei hier allerdings vor allem die Beziehungsebene im Blick ist. Ein eigener Kompetenzbereich ist mit »Innovieren« überschrieben.314 Hier heißt es – ganz im Sinne der vorliegenden Darstellung: »Lehrerinnen und Lehrer verstehen ihren Beruf als ständige Lernaufgabe«. Unter eben diesem Aspekt kommt dabei die Bedeutung der Bildungsforschung in den Blick: Lehrerinnen und Lehrer »rezipieren die bewährten Ergebnisse der Bildungsforschung«, nutzen sie »für die eigene Tätigkeit«, »geben Rückmeldungen und nutzen die Rückmeldungen anderer dazu, ihre pädagogische Arbeit zu optimieren«.315 Die 312 Vgl. Sekretariat der ständigen Konferenz der Kultusminister der Länder in der Bundesrepublik Deutschland, Standards für die Lehrerbildung: Bildungswissenschaften, ­Beschluss vom 16.12.2004, https://www.kmk.org/fileadmin/veroeffentlichungen_beschluesse/2004/ 2004_12_16-Standards-Lehrerbildung.pdf (Zugriff 10.3.2020). 313 Ebd., 4 f. 314 Ebd., 12. 315 Ebd.

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Qualitätsentwicklung im Unterricht bleibt dabei jedoch eher am Rande. Immerhin heißt es: Die Lehrerinnen und Lehrer »kennen Verfahren für die Beurteilung von Lehrleistung und Unterrichtsqualität« sowie »überprüfen die Qualität des eigenen Lehrens«.316 Und ganz allgemein wird festgehalten: »Die berufliche Qualität von Lehrkräften entscheidet sich an der Qualität ihres Unterrichts«.317 Ausdrücklich genannt wird die »Schulentwicklung«, während die »Unterrichtsentwicklung« nur als Aufgabe für die »praktischen Ausbildungsabschnitte« erwähnt wird,318 was aus heutiger Sicht nicht mehr überzeugen kann. Die Frage der Unterrichts- oder Qualitätsentwicklung muss auch in der ersten Ausbildungsphase verankert und zumindest als Arbeitsperspektive angebahnt werden. Zusammenfassend kann im Blick auf die Rahmenbestimmungen der KMK festgehalten werden, dass der Gedanke einer auf die empirische Bildungsforschung aufbauenden Unterrichtsentwicklung im Horizont lernenden Unterrichtens bzw. wie oben vorgeschlagen: forschenden Unterrichtens oder Lehrens hier durchaus im Blick ist, aber in ihrer Eigenbedeutung noch nicht ausreichend wahrgenommen wird. Hinsichtlich der verschiedenen Schulfächer hat die KMK 2008 »Ländergemeinsame inhaltliche Anforderungen für die Fachwissenschaften und Fachdidaktiken in der Lehrerbildung« verabschiedet.319 Für den evangelischen Religionsunterricht und die darauf bezogene Lehrerbildung heißt es hier u. a.: Die Lehrerinnen und Lehrer »können in kontinuierlicher Aufnahme theologisch-religionspädagogischer Forschungsergebnisse die eigenen Kompetenzen ausdifferenzieren, den Religionsunterricht mit seinen spezifischen Lehr- und Lernprozessen weiterentwickeln […]«.320 Bei den konkreten »Studieninhalten« findet sich jedoch kein direkter Bezug auf die Unterrichtsentwicklung. Die Weiterentwicklung von Unterricht wird hier also vor allem als Rezeption neuer Befunde aus der religionspädagogisch-wissenschaftlichen Diskussion und Forschung verstanden, während die oben für die individuelle sowie für die kollegiale Ebene beschriebenen Aufgaben und Möglichkeiten weniger im Blick sind. Als eigene Veröffentlichung aus dem kirchlichen Raum ist auf die Schrift »Theologisch-religionspädagogische Kompetenz. Professionelle Kompetenzen und Stan316 Ebd., 7. 317 Ebd., 3. 318 Ebd.,12 f. 319 Vgl. Sekretariat der Kultusministerkonferenz, Ländergemeinsame inhaltliche Anforderungen für die Fachwissenschaften und Fachdidaktiken in der Lehrerbildung. Beschluss vom 16.10.2008 i. f. F. vom 16.5.2019, https://www.kmk.org/fileadmin/Dateien/veroeffentlichungen_beschluesse/2008/2008_10_16-Fachprofile-Lehrerbildung.pdf (Zugriff 10.3.2020). 320 Ebd., 52.

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dards für die Religionslehrerausbildung« zu verweisen, die von der Gemischten Kommission zur Reform des Theologiestudiums 2008 vorgelegt wurde.321 Diese Empfehlungen schließen bewusst an den von der Kultusministerkonferenz vorgegebenen Rahmen an. Insgesamt werden in dieser Darstellung Fragen von Qualität und Qualitätsentwicklung im Blick auf den Religionsunterricht vielfach berührt, aber doch vergleichsweise wenig differenziert behandelt. Unmittelbar einschlägig ist vor allem der Kompetenzbereich IV: »Religionspädagogische Entwicklungskompetenz«: »In kontinuierlicher Aufnahme innovativer fachlicher und fachdidaktischer Forschungsergebnisse den Religionsunterricht und die religiöse Dimension des Schullebens weiterentwickeln und verantwortlich mitgestalten«.322 Auch in diesem Fall wird Unterrichtsentwicklung primär unter dem Aspekt der Anforderung, jeweils den »Stand der didaktischen Forschung« zu rezipieren und ihn »auf Umsetzbarkeit in praktische Bezüge hin« zu prüfen, wahrgenommen, was die bereits genannte Vernachlässigung der Aufgabe eines direkt mit der eigenen Praxis verbundenen forschenden Unterrichtens mit sich bringt. In den Lehrbüchern der Religionspädagogik und -didaktik gibt es traditionell keine eigenen Kapitel zu Qualität und Qualitätsentwicklung im Religionsunterricht. Erst in neueren Darstellungen wird zumindest knapp darauf verwiesen323 oder wird dem Thema – das ist noch immer die Ausnahme – sogar ein eigenes Kapitel gewidmet.324 Zusammenfassend kann festgehalten werden, dass die mit der Qualitätsentwicklung im Religionsunterricht verbundenen Aufgaben inzwischen zwar zunehmend wahrgenommen werden, es aber gleichwohl – soweit die Rahmenordnungen und Lehrbücher dies erkennen lassen – noch immer an einer klaren Verankerung darauf bezogener Aufgaben in der Aus- und Fortbildung zu fehlen scheint. Jedenfalls wären weitere Schritte in dieser Richtung sinnvoll, wenn die Frage der Qualitätsentwicklung im Religionsunterricht dauerhaft und wirksam verankert werden soll. Im Anschluss daran stellen sich noch weitere Fragen: Wie weit werden in der religionspädagogischen Ausbildung (Studium für Lehramt und Studium für Pfarramt) sowie in der Fortbildung die Aneignung der zur selbstständigen Qualitätsentwicklung erforderlichen Fähigkeiten und Fertigkeiten unterstützt sowie die Ver321 EKD, Theologisch-religionspädagogische Kompetenz. Professionelle Kompetenzen und Standards für die Religionslehrerausbildung. Empfehlungen der Gemischten Kommission zur Reform des Theologiestudiums, Hannover 2009, https://www.ekd.de/ekdtext_96.htm (Zugriff 3.2.2020). 322 Ebd., 36. 323 Vgl. etwa Schröder, Religionspädagogik (s. Anm. 11), 559 f. 324 Vgl. M. Bahr, Guten Religionsunterricht in den Blick nehmen. In: G. Hilger u. a. (Hg.), Religionsdidaktik. Ein Leitfaden für Studium, Ausbildung und Beruf, München 32013, 487–497.

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trautheit mit der religionspädagogischen Unterrichtsforschung gewährleistet? Um diese Frage fundiert beantworten zu können, müssten allerdings Lehrprogramme und Angebote in Aus- und Fortbildung im Einzelnen analysiert werden, was bislang auch in der wissenschaftlichen Religionspädagogik nicht geschehen ist. Insofern kann an dieser Stelle nur eine Aufgabe für die Zukunft markiert werden. 3.2 Aufgaben und weitere Perspektiven Aus dem beschriebenen Stand der Diskussion ergeben sich Aufgaben und Möglichkeiten für die Weiterentwicklung auf institutioneller Ebene, die sich unter vier Aspekten bündeln lassen: Weiterentwicklung der Kompetenzen und Standards für die Religionslehrerausbildung, Erweiterung des Themenbestands der Religionsdidaktik, Ausbau der explizit auf Unterrichtsqualität bezogenen Angebote in Aus- und Fortbildung, Entwicklung von Modellen für die Praxis von Aus- und Fortbildung. 1. Weiterentwicklung der Kompetenzen und Standards für die Religionslehrerausbildung: Als Anknüpfungsmöglichkeit hat sich oben die »religionspädagogische Entwicklungskompetenz«, wie sie in den Empfehlungen der Gemischten Kommission genannt wird, erwiesen. Die dabei gebotene Beschreibung dieser Kompetenz zielt zu Recht auf die Rezeption innovativer Entwicklungen in der wissenschaftlichen Religionsdidaktik, bleibt aber im Blick auf die Weiterentwicklung von Unterrichtsqualität in der eigenen Unterrichtspraxis ergänzungsbedürftig. Diese Lücke ließe sich durch die Aufnahme des zur individuellen und kollegialen Ebene Gesagten füllen. Entsprechend zu nennen wäre dann die Fähigkeit, Ȥ den eigenen Unterricht im Blick auf die realisierte Qualität zu analysieren sowie Möglichkeiten der weiteren Qualitätsentwicklung zu identifizieren, Ȥ gezielt Befunde aus der Unterrichtsforschung für die Qualitätsentwicklung zu nutzen, Ȥ eigene Schülerbefragungen durchzuführen und sie im Blick auf Unterrichtsqualität auszuwerten sowie sich daraus ergebende Impulse in gezielte Strategien der Qualitätsentwicklung zu transformieren, Ȥ gemeinsam mit Kolleginnen und Kollegen Unterricht im Sinne forschenden Unterrichtens zu verbessern, Ȥ in Professionellen Lerngemeinschaften zu kooperieren. 2. Erweiterung des Themenbestands der Religionsdidaktik: Im Blick auf den religionsdidaktischen Themenbestand könnte insofern eine Erweiterung erforderlich sein, als Fragen von Qualität und Qualitätsentwicklung im Religions-

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unterricht hier noch keinen festen Ort gewonnen zu haben scheinen (soweit sich dies angesichts noch fehlender systematischer Erhebungen zur religionspädagogischen Aus- und Fortbildung und entsprechender Analysen beurteilen lässt). Anknüpfungspunkte gibt es jedoch in vielen Hinsichten: Ȥ Beispielsweise wenn die methodische Unterrichtsgestaltung mit dem Kriterium des »guten Religionsunterrichts« verbunden wird.325 Ȥ Auch dort, wo – wie in den Lehrbüchern seit langer Zeit standardmäßig üblich – erörtert wird, wie bestimmte religionsunterrichtliche Inhalte aufgenommen werden sollen, sind implizit immer Qualitätsfragen im Blick. Doch sollten solche Fragen in Zukunft deutlicher explizit gemacht werden, indem beispielsweise bestimmte religionsdidaktische Ansätze ausdrücklich unter dem Aspekt reflektiert werden, wie es hier jeweils um gelingende oder misslingende Realisierungsformen steht und welche empirischen Befunde dazu verfügbar sind. Es genügt dann beispielweise nicht, verschiedene Ansätze oder »Konzeptionen« – von problemorientiert über symboldidaktisch und semiotisch bis hin zu konstruktivistisch und performativ – einfach vorzustellen. Darüber hinaus sollte jeweils auch herausgearbeitet werden, welche Qualitätskriterien für Religionsunterricht sich damit verbinden. Ȥ Wie sich in der vorliegenden Darstellung gezeigt hat, liegt eine wesentliche Herausforderung für die Religionsdidaktik wie auch für die anderen Fachdidaktiken heute darin, die allgemeinen, aber deshalb auch nicht fachspezifischen Qualitätsanforderungen aus der Pädagogischen Psychologie und Empirischen Bildungsforschung bzw. der Bildungswissenschaft mit fachlichen Ansprüchen zu verknüpfen. Auch wenn die Frage nach »gutem (Religions-)Unterricht« breiter ist als das psychologisch-empirisch markierte Merkmalsspektrum, liegt hier doch zumindest eine günstige Möglichkeit, die in der Aus- und Fortbildung genutzt werden sollte. Ȥ Im vorliegenden Band wurde dazu vorgeschlagen, das Elementarisierungsmodell deutlicher im Sinne der Qualitätsentwicklung im Religionsunterricht zu profilieren. Dieses Modell bietet nicht nur den Vorteil, dass es sowohl in der evangelischen als auch in der katholischen Religionsdidaktik breite Akzeptanz gefunden hat, sondern es beruht auch auf ausgewiesenen fachdidaktischen und fachlichen Bezügen. 3. Ausbau der explizit auf Unterrichtsqualität bezogenen Angebote in Aus- und Fortbildung: Die Situation in der religionspädagogischen Aus- und Fortbildung 325 Vgl. G. Hilger, Wie Religionsunterricht gestalten? Methodenfragen und ihre Implikationen. In: Hilger u. a., Religionsdidaktik (s. Anm. 324), 227–241.

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hat in der religionspädagogischen Diskussion und vor allem in der Forschung bislang nur wenig Aufmerksamkeit gefunden. Dazu liegen bislang nur vereinzelte Studien vor, und empirische Untersuchungen sind Mangelware.326 Es gibt zwar die beschriebenen Empfehlungen der Gemischten Kommission sowie die knappen Kompetenzkataloge der KMK, aber aus solchen Vorgaben lässt sich nicht einfach auf die Realität von Aus- und Fortbildung schließen. Auch die allgemeine bildungswissenschaftliche Forschung, wie sie vor allem zur Fort- und Weiterbildung von Lehrerinnen und Lehrern vorliegt, geht kaum auf fachspezifische Aspekte ein.327 Es wäre also eine eigene und lohnende Zukunftsaufgabe, die reale Ausgestaltung der religionspädagogischen Aus- und Fortbildung empirisch genauer zu untersuchen. Dabei müsste ebenso nach den Inhalten oder Themen gefragt werden, die dabei aufgenommen werden, wie nach der Art und Weise, wie entsprechende Angebote durchgeführt und von den Teilnehmenden rezipiert werden.328 Im vorliegenden Zusammenhang ist dabei die Frage hervorzuheben, welche Rolle Qualität und Qualitätsentwicklung im Religionsunterricht hier tatsächlich spielen. Beispielhaft formuliert müssten dabei folgende Fragen geklärt werden: Ȥ Wird der Stand der Diskussion zum »guten (Religions-)Unterricht« standardmäßig erschlossen? Ȥ Welche Gelegenheiten zur Verknüpfung pädagogisch-psychologischer Qualitätsstandards mit fachlichen bzw. fachwissenschaftlichen Erwartungen werden gezielt angeboten? Ȥ Gibt es Möglichkeiten zum eigenen Ausprobieren im Blick auf die Qualitätsentwicklung? Wie werden diese gegebenenfalls ausgewertet? Ȥ Wird in der Ausbildung oder in der Fortbildung die kollegiale Ebene genutzt? Wird das Arbeiten in Gruppen eingeübt, und sind dabei die Potenziale Professioneller Lerngemeinschaften im Blick? Ȥ In welcher Weise wird der mögliche Beitrag der empirischen Forschung zum Religionsunterricht zur Qualitätsentwicklung aufgenommen? Ȥ Werden Möglichkeiten, die Schülerinnen und Schüler zu (be-)fragen, und die dabei gewonnenen Befunde auszuwerten, eingeführt und eingeübt? 326 Als Ausnahme s. bes. R. Englert u. a., Innenansichten des Referendariats. Wie erleben angehende Religionslehrer/innen an Grundschulen ihren Vorbereitungsdienst? Eine empirische Untersuchung zur Entwicklung (religions-)pädagogischer Handlungskompetenz, Berlin/ Münster 2006; zur Fortbildung s. Rothgangel u. a., Praxis Religionsunterricht (s. Anm. 189). 327 Vgl. bspw. C. Cramer u. a. (Hg.), Fortbildungen von Lehrerinnen und Lehrern in Baden-Württemberg, Stuttgart 2019. 328 Eine entsprechende Studie wird derzeit vorbereitet, vgl. unten, S. 204 ff.

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4. Entwicklung von Modellen für die Praxis von Aus- und Fortbildung: Die zuletzt genannten Fragen, die im Blick auf die religionspädagogische Aus- und Fortbildung zu beantworten wären, lassen bereits Grundlinien für die Entwicklung von möglichen Modellen für die Aus- und Fortbildung erkennen. Natürlich kann es aber auch in dieser Hinsicht kein religionspädagogisches Einheitsmodell geben, sondern nur – möglichst – anregende Beispiele, von denen neue Impulse ausgehen können. Sinnvoll erscheinen dafür sowohl Erfahrungsberichte als auch neue Entwürfe. 3.3 Exemplarische Möglichkeiten für die Weiterentwicklung der Aus- und Fortbildung Im Folgenden werden einige Möglichkeiten skizziert, wie die Frage nach Qualität und Qualitätsentwicklung im Religionsunterricht verstärkt in der Aus- und Fortbildung aufgenommen werden könnte. Grundlage sind dabei eigene Lehrerfahrungen in der Ausbildung von Religionslehrkräften sowie eine langjährige Tätigkeit in der Fortbildung. Ein weiterer Hintergrund ergibt sich daraus, dass im Rahmen eines Lehramts- oder Pfarramtsstudiums bislang keine Ausbildung im Blick auf die Methoden der empirischen Sozial- und Bildungsforschung vorgesehen ist, im Unterschied zum Studium etwa der Psychologie, Soziologie und Erziehungswissenschaft. Im Rahmen des erziehungswissenschaftlichen Studienanteils bei der Ausbildung für das Lehramt kommen zwar auch zukünftige Religionslehrkräfte mit Fragen der empirischen Forschung in Berührung, aber in aller Regel scheint dies nicht zu einer weiterreichenden Expertise in diesem Bereich zu führen. 3.3.1 Die Frage nach »gutem (Religions-)Unterricht« als Standarddimension der Aus- und Fortbildung

Wie in diesem Band an zahlreichen Stellen deutlich geworden ist, gehört die Frage nach Unterrichtsqualität und Qualitätsentwicklung mehr oder weniger selbstverständlich zur Praxis von Lehrkräften, wenn sie Unterricht planen und gestalten. In gewisser Weise lässt sich auch die gesamte Religionsdidaktik so verstehen, dass sie der Qualität von Religionsunterricht dienen soll. Insofern ist die Ausrichtung am »guten (Religions-)Unterricht« immer schon präsent. Von dieser gleichsam selbstverständlichen Präsenz zu unterscheiden ist eine bewusste und gezielte Wahrnehmung dieser Ausrichtung der eigenen Arbeit. Konkret bedeutet dies, dass die mit der Qualitätsentwicklung verbundenen Fragen stärker bewusstgemacht und explizit bearbeitet werden müssen. Dazu gehört an erster Stelle die gemeinsame Identifikation von Kriterien oder Standards für

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den Religionsunterricht, die für Religionslehrkräfte als Profession als verbindlich anzusehen sind. Im ersten Teil dieses Bandes wurden dazu verschiedene Vorschläge erörtert, auf die dabei aufgebaut werden kann. Ebenso wichtig ist der beständige Blick auf Möglichkeiten der Qualitätsentwicklung. Fast unvermeidlich legt die Anwendung solcher Kriterien oder Standards Probleme offen, die zur Weiterentwicklung auch des eigenen Unterrichts herausfordern und im besten Fall auch motivieren. Diese Wahrnehmung oder Einsicht kann allerdings leicht zu lähmender Überforderung führen, wenn nicht auch Möglichkeiten erkennbar sind, wie Verbesserungen realistisch in Angriff genommen werden können. Zu dem damit geforderten Realismus gehört beispielsweise die Regel, dass niemals der Versuch unternommen werden sollte, sämtliche Probleme gleichzeitig anzugehen. Eben dies ist die problematische und kontraproduktive Illusion, welche die Rede von »gutem Religionsunterricht« nahelegen kann. Weder gibt es einen idealen Religionsunterricht, noch wäre eine Lehrkraft in der Lage, ein solches Ideal jemals zu erreichen. Deshalb ist es weit sinnvoller, einzelne Aspekte auszuwählen, die einen selbst besonders interessieren oder speziell am Herzen liegen. Wie später noch anzusprechen, sollte die kollegiale Ebene dabei durchweg eine wichtige Rolle spielen, auch schon in der Ausbildung. Arbeit am Unterricht im Sinne der Qualitätsentwicklung gelingt leichter, wenn dies im Austausch mit anderen geschehen kann. 3.3.2 Unterrichtsanalyse als Element religionsdidaktischer Lehrveranstaltungen

Dass zur (religions-)didaktischen Kompetenz nicht nur die Fähigkeit zur Unterrichtsplanung und -gestaltung gehört, sondern auch die Vertrautheit mit Modellen der Unterrichtsanalyse, steht schon seit den Entwicklungen in der (Fach-) Didaktik im letzten Drittel des 20. Jahrhunderts fest. Planungsmodelle für den Unterricht sind seither häufig so gestaltet, dass sie sich zugleich auch für Zwecke der Unterrichtsanalyse einsetzen lassen, so wie dies im vorliegenden Band für das Elementarisierungsmodell ebenfalls gezeigt wurde. Im Zentrum steht dabei nicht die wissenschaftliche Erforschung von Unterricht, sondern die Analyse des eigenen Unterrichts in der alltäglichen Praxis. Ohne Zweifel ist die Unterrichtsanalyse eine unerlässliche Voraussetzung für Qualitätsentwicklung, auf der individuellen als auch auf der kollegialen Ebene. Den Ausgangspunkt muss immer die sorgfältige Auseinandersetzung mit der bisherigen Praxis bilden. Ob und in welchem Maße Modelle der Unterrichts­analyse ein in religionsdidaktischen Lehrveranstaltungen verlässlich anzutreffendes Element darstellen oder nicht, lässt sich derzeit kaum mit Sicherheit sagen. An die-

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ser Stelle macht sich erneut bemerkbar, dass es bislang kaum wissenschaftliche Erkenntnisse zur religionsdidaktischen Ausbildung und Fortbildung gibt. Auch auf Absprachen in der Community der in der universitären Religionslehrer­ausbildung Tätigen kann in solchen Hinsichten (noch) nicht zurückgegriffen werden. 3.3.3 Entwicklung von Schülerfragebögen

Die Erstellung von Fragebögen, mit deren Hilfe sich die jeweils gewünschten Erkenntnisse tatsächlich gewinnen lassen, stellt heute ein eigenes Feld der wissenschaftlichen Forschung dar. Die erforderliche Expertise betrifft sowohl die Formulierung der Fragen (Items) als auch das wünschenswerte Gefüge von Einzelfragen. Einzelitems müssen so formuliert sein, dass sie verlässlichen Aufschluss zu bestimmten Fragen erlauben, und ein Sachverhalt, der eruiert werden soll, muss von mehreren Perspektiven her beleuchtet und also auch mithilfe mehrerer Items aufgenommen werden. Auch in der Religionspädagogik gibt es dazu eine erste Forschungsliteratur mit entsprechenden auf den Religionsunterricht bezogenen Hinweisen.329 Wo immer möglich, sollten Items eingesetzt werden, die sich bereits bei wissenschaftlichen Untersuchungen – im besten Fall auch vor dem Hintergrund einschlägiger Theorien – bewährt haben, so wie dies beim Thema Feedback deutlich geworden ist. Für den Religionsunterricht stehen bislang allerdings nur wenige bewährte Items zur Verfügung, und es fehlt auch noch an entsprechenden Theorien, aber die allmählich anwachsende Literatur zu empirischen Untersuchungen im Religionsunterricht ist zumindest eine mögliche Quelle, aus der man sich bedienen kann.330 Ein entscheidender Vorteil ist es, wenn der Rückgriff auf bereits bewährte Items Vergleiche mit Befunden aus anderen Untersuchungen zulässt, was durch den Bezug auf einen bestimmten Theoriehorizont unterstützt wird. Häufig lassen sich solitäre Befunde nur schwer interpretieren. Ist es beispielsweise ein gutes Zeichen, wenn 52 % der befragten Schülerinnen und Schüler sagen, im Religionsunterricht habe es »spannende Themen« gegeben, oder ist dies eher ein Alarmzeichen, weil 48 % dies nicht so wahrnehmen?331 Welche Erwartungen sind hier realistischerweise angemessen? Zur Arbeit mit Fragebögen gehört selbstverständlich auch die Vertrautheit mit Auswertungsmöglichkeiten. Wie lassen sich die verschiedenen Befunde aufeinander beziehen? Wo ergibt sich ein zusammenhängendes Bild und wann ist eher von Einzelbefunden zu sprechen, die vielleicht wenig aussagekräftig sind? 329 Vgl. M. L. Pirner, Fragebogen. In: Pirner/Rothgangel, Empirisch forschen (s. Anm. 90), 95–107. 330 Vgl. als Überblick Schwarz, SchülerInnenperspektiven (s. Anm. 161). 331 Schweitzer u. a., Jugend – Glaube – Religion (s. o., Anm. 8), 119.

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Weiterreichende statistische Analysen bleiben in aller Regel der Wissenschaft vorbehalten, aber die Vertrautheit mit einigen Grundregeln ist auch für die Arbeit in der Praxis hilfreich. Nicht zuletzt sollte hier auch an die kritische Urteilsfähigkeit im Blick auf die heute zahlreich angebotenen Befunde aus sozialwissenschaftlichen Untersuchungen etwa zu Religion im Kindes- und Jugendalter gedacht werden. Vielfach müssen die Validität und Verallgemeinerbarkeit solcher Befunde kritisch hinterfragt werden, und dies auch dann, wenn sie von angesehenen Instituten wie dem SINUS-Institut stammen oder im Rahmen breit rezipierter Studien wie den Kirchenmitgliedschaftsuntersuchungen stehen.332 Das SINUS-Institut arbeitet vielfach mit einer sehr kleinen Anzahl von Befragten, zieht daraus dann aber sehr weitreichende Folgerungen, wie sie nur bei Repräsentativstudien legitim sind. Und die Kirchenmitgliedschaftsuntersuchungen sind in ihren Aussagen zu Kindern und Jugendlichen schon deshalb wenig verlässlich, weil sie sich etwa nur auf rückblickende Erinnerungen von Erwachsenen beziehen. Kritische Urteilsfähigkeit im Blick auf sozialwissenschaftliche Untersuchungen sollte ein Standardziel der religionsdidaktischen Aus- und Fortbildung sein. 3.3.4 »Von der Unterrichtsforschung zur Unterrichtsgestaltung« – als Angebot in der Aus- und Fortbildung

Lehrveranstaltungen oder Fortbildungsangebote zum Thema »Von der Unterrichtsforschung zur Unterrichtsgestaltung« haben im Bereich von Religionsdidaktik oder Religionsunterricht, soweit religionsdidaktische Veröffentlichungen dies erkennen lassen, noch keine Tradition. Zudem mag diese Themenformulierung für die Zielgruppe entsprechender Veranstaltungen auch zu abstrakt oder technisch klingen, weshalb sie gegebenenfalls inhaltlich angereichert werden sollte, zum Beispiel: »Unterricht über Gleichnisse – Empirische Untersuchungen und mögliche Konsequenzen für die Unterrichtsgestaltung«. Wie auch immer eine entsprechende Ankündigung formuliert wird: Die Grundstruktur des Angebots sollte erkennbar auf die inzwischen weithin als dringlich wahrgenommene Aufgabe bezogen sein, die Aus- und Fortbildung stärker mit der Unterrichtsforschung zu verzahnen und deren Befunde für die 332 Kritisch dazu vgl. W. Ilg, Sinus-Milieu-Studien: Viel genutzt, kaum hinterfragt. Anfragen an die Wissenschaftlichkeit am Beispiel von »Brücken und Barrieren«. In: Zeitschrift für Päda­ gogik und Theologie 66 (2014), 68–84; ders., Notwendige Horizonterweiterungen für die Kirchenmitgliedschaftsuntersuchungen. Möglichkeiten und Grenzen der empirischen Annäherung an gemeindepädagogische Arbeitsfelder am Beispiel der Kirchenmitgliedschaftsuntersuchungen und der Studien zu Konfirmandenarbeit. In: Zeitschrift für Pädagogik und Theologie 69 (2017), 317–329.

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Unterrichtsgestaltung fruchtbar zu machen. Eine solche Verbindung ist jedoch voraussetzungsreich und funktioniert deshalb keineswegs einfach von selbst. Schon die sorgfältige Rezeption von Befunden aus der Unterrichtsforschung bringt viele Fragen mit sich: Was genau wurde auf welche Art und Weise untersucht? Wie verhalten sich die Anlage einer Untersuchung und die auf diese Weise gewonnen Befunde zur Realsituation von Religionsunterricht? Welche Themenbereiche des Religionsunterrichts sind berührt? Solche Fragen lassen sich leichter gemeinsam klären als allein durch individuelle Lektüre von Forschungsberichten, die im Falle sozialwissenschaftlicher Untersuchungen zudem häufig eine gewisse Vertrautheit mit empirisch-statistischen Verfahren voraussetzt. Eine weitere Aufgabe besteht in der Beurteilung der Güte und Reichweite von Untersuchungen zum Unterricht. In der Religionspädagogik gibt es bislang vor allem explorative Studien, die aber doch eine zumindest exemplarische Bedeutung beanspruchen. Wofür aber kann eine bestimmte Studie wirklich exemplarisch sein? Lassen sich Befunde, die nicht auf einer repräsentativen Grundlage stehen, über den Einzelfall hinaus verallgemeinern? Was bedeutet die Anlage der entsprechenden Studie für ihre Aussagekraft im Blick auf den Religionsunterricht? Wie ist das Verhältnis zwischen allgemeinen Aussagen zum Religionsunterricht und dem eigenen Unterricht einzuschätzen? Auch bei solchen Beurteilungsfragen spielt eine gewisse Vertrautheit mit den Grundregeln der empirischen Sozialforschung eine Rolle. Solche Regeln betreffen etwa das bei einer Untersuchung realisierte Sample, also die Größe, aber vor allem auch die genaue Zusammensetzung einer Untersuchungsgruppe. Darüber hinaus spielt die Passung zwischen der Fragestellung einer Untersuchung und der für die Durchführung gewählten methodischen Anlage eine entscheidende Rolle. Im Bereich der Religionspädagogik interessieren am Ende insbesondere die möglichen praktischen Konsequenzen, die sich aus einer Untersuchung ergeben können. Dabei stellt bereits die Rede von Konsequenzen vor wichtige inhaltliche Fragen, da aus der empirischen Beschreibung als solcher keinerlei normative Anforderungen hervorgehen. Aus dem Sein folgt kein Sollen, dieser Grundsatz gilt auch in diesem Fall. Es bedarf also einer eigenen Analyse und Diskussion, welche Implikationen bestimmte Untersuchungsergebnisse einschließen und wie sich diese auf die Unterrichtsgestaltung beziehen lassen. In der Fortbildung kann dies noch weiter konkretisiert werden, indem immer auch die Frage gestellt wird, was entsprechende Befunde für den eigenen Unterricht mit seinen je besonderen Voraussetzungen bedeuten können. Angebote dieses Typs, die auf Verbindungsmöglichkeiten zwischen Unterrichtsforschung und Unterrichtsgestaltung zielen, sollten auch dann, wenn sie sich vielleicht auf eine einzelne Untersuchung oder einen bestimmten the-

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matischen Bereich beziehen, so angelegt sein, dass sie exemplarische Lerngelegenheiten bieten. Damit ist gemeint, dass bestimmte Verfahrensschritte in der Rezeption und Auseinandersetzung mit Befunden aus der empirischen Unterrichtsforschung identifiziert werden, die sich dann auch auf andere Untersuchungen oder Themenbereiche übertragen lassen. Eine Grundstruktur dafür bietet der Dreischritt von Rezeption, Beurteilung und Prüfung praktischer Konsequenzen.333 3.3.5 Professionelle Lerngemeinschaften als Träger fachdidaktischer Entwicklungsforschung: Anbahnung im Studium und Angebot der Fortbildung?

Die Empfehlung, Professionelle Lerngemeinschaften auch für Religionspädagogik und Religionsunterricht zu nutzen, liegt schon seit längerer Zeit vor.334 In der Praxis scheinen solche Lerngemeinschaften in diesem Bereich aber noch kaum eingeführt. Deshalb sollen an dieser Stelle einige Überlegungen dazu angestellt werden, wie die Arbeit in Professionellen Lerngemeinschaften besser funktionieren könnte. Ein erster Ansatzpunkt könnten die im Studium weithin üblichen Arbeitsgruppen sein, die beispielsweise die Vorbereitung für eine Seminarsitzung übernehmen. Der Versuch, dieses bewährte Setting als Anbahnung Professioneller Lerngemeinschaften zu nutzen, bietet sich an. Die Anbahnung könnte dabei mehrere Elemente einschließen: Ȥ Prinzipien, die für die Ausgestaltung solcher Lerngemeinschaften entwickelt wurden, könnten den Arbeitsgruppen beispielsweise in Gestalt einer entsprechenden Anleitung mit auf den Weg gegeben werden. Ȥ Eine theoretische Vertiefung könnte in der (gemeinsamen) Lektüre von Beschreibungen Professioneller Lerngemeinschaften und ihrer Potenziale bestehen. Ȥ Am Ende der Arbeit in einer Arbeitsgruppe könnte ein Reflexionselement stehen, das die Erfahrungen in der Gruppe mit dem Modell Professioneller Lerngemeinschaften in Verbindung setzt. Ȥ Ein Ausblick könnte die Möglichkeiten zur Einrichtung Professioneller Lerngemeinschaften in der zweiten Ausbildungsphase sowie darüber hinaus identifizieren und damit stärker bewusstmachen.

333 Vgl. dazu als Versuch G. Wissner u. a. (Hg.), Jugend – Glaube – Religion II. Neue Befunde – vertiefende Analysen – didaktische Konsequenzen, Münster/New York 2020. 334 Vgl. Fischer, Verbesserung der pädagogischen Arbeit (s. Anm. 308).

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Im Bereich der Fortbildung bietet sich die Einrichtung Professioneller Lerngemeinschaften im Rahmen des jeweiligen Fortbildungsprogramms an: Ȥ Lerngemeinschaften könnten aus Fortbildungsveranstaltungen hervorgehen und deren Thematik in einer Gruppe weiterführen. Ȥ Dazu könnte während der Fortbildung auf die Potenziale Professioneller Lerngemeinschaften verwiesen und könnten Räume und Zeiten dafür eingeplant werden, in denen über die Einrichtung eigener Lerngemeinschaften nachgedacht wird. Auch in diesem Fall könnte das Einspeisen entsprechender Literatur zur Bedeutung von Lerngemeinschaften sinnvoll sein, am besten ergänzt durch konkrete Hinweise, die der jeweiligen Situation vor Ort entsprechen. Ȥ Thematisch ausgerichtete Professionelle Lerngemeinschaften könnten im Fortbildungsprogramm beispielsweise eines Religionspädagogischen Instituts auch öffentlich ausgebracht werden. Soweit es sich um eine bereits »geschlossene« Gruppe handelt, läge darin zumindest ein Anreiz für andere, selbst eine Lerngemeinschaft zu gründen, und soweit noch weitere Beteiligte gesucht werden, könnte dies entsprechend angekündigt werden. Ȥ Sinnvoll könnte auch die von einem Religionspädagogischen Institut ausgehende Begleitung und Unterstützung Professioneller Lerngemeinschaften sein. Im Zusammenhang der Frage nach Qualität und Qualitätsentwicklung im Religionsunterricht liegt es nahe, die Einrichtung Professioneller Lerngemeinschaften direkt auf die Qualitätsentwicklung zu beziehen. Einen Rahmen dafür könnte das oben vorgestellte Modell der fachdidaktischen Entwicklungsforschung bieten,335 allerdings in einer für solche Lerngemeinschaften gezielt adaptierten Form. In seiner ursprünglichen Gestalt zielt dieses Modell auf Verbindungsmöglichkeiten zwischen Wissenschaft und Praxis auch in einem personellen Sinne, d. h., es ist beabsichtigt, dass Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler mit Religionslehrerinnen und -lehrern kooperieren. Von der Sache her entscheidend ist aber die spezifische Arbeitsstruktur, bei der gemeinsam Unterrichtsstunden oder -einheiten entwickelt und sodann im Unterricht selbst durchgeführt werden. Unverzichtbar ist sodann eine sorgfältige Auswertung des Unterrichts, die gezielt von den vorab bei der Planung festgelegten Kriterien oder Indikatoren ausgehen sollte. Die Ergebnisse der Auswertung können dann wiederum Grundlage für eine verbesserte Planung werden. Der so entstehende Zyklus von Entwickeln – Erproben – Verbessern kann dabei mehrfach durchlaufen werden, aber auch bereits der einmalige vollständige Durchlauf könnte ein sinnvolles Ziel für ein realistisches Vorgehen in einer Professionellen Lerngemeinschaft sein. 335 Vgl. oben, S. 154 ff.

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Häufig scheitern Vorschläge wie der zur Einrichtung Professioneller Lerngemeinschaften nicht zuletzt an den zeitlichen Engpässen, unter denen die Allermeisten in der Schule Tätigen zu leiden haben. Deshalb ist es wichtig, sich von vornherein klarzumachen, dass solche Lerngemeinschaften keineswegs auf Dauer angelegt sein müssen und dass dies allen Beteiligten auch deutlich signalisiert werden soll. Eine klar begrenzte und deshalb auch überschaubare Aufgabe kann unter der Voraussetzung mangelnder Zeit eher in Angriff genommen werden als eine weitere diffuse Daueraufgabe. Sollte sich eine Lerngemeinschaft am Ende als so attraktiv erweisen, dass sie fortgesetzt werden soll, steht einer entsprechenden Entscheidung der Beteiligten trotzdem nichts im Wege. 3.3.6 Entwickeln – Erproben – Verbessern: Iterative Arbeitsformen als neue Grundstruktur für Qualitätsentwicklung und Fortbildung?

Im Blick auf neuere Formen der Lehrerfortbildung, wie sie in der Literatur für verschiedene Fächer und thematische Zusammenhänge als besonders erfolgreich beschrieben werden, lässt sich ein gemeinsames Muster identifizieren, das mit den drei Begriffen Entwickeln – Erproben – Verbessern beschrieben werden kann. Dieses Muster findet sich ebenso in der Diskussion zu Professionellen Lerngemeinschaften wie auch in der religionsdidaktischen Entwicklungsforschung. Das Muster leuchtet insofern unmittelbar ein, als es gleichsam die alltägliche Tätigkeit des Vorbereitens, Ausgestaltens und nachträglichen Reflektierens von Unterricht auf einer theoretischen Ebene abbildet. Es handelt sich also nicht um einen einfach am grünen Tisch entwickelten Vorschlag, sondern um die Bewusstmachung einer in aller Lehrtätigkeit eingelagerten Struktur. Die drei Schritte dieser Struktur können immer wieder neu durchlaufen werden. An die kritische Reflexion und Evaluation des Unterrichts schließen sich verbesserte Entwürfe an, die dann erprobt werden usw. Eben dies ist gemeint, wenn hier von einem iterativen (sich wiederholenden) Verlauf gesprochen wird. Erhofft wird in der Literatur von dieser Anlage ein inkrementeller, also auf allmähliche Optimierung zielender Effekt, sodass spätere Entwürfe immer besser sind als frühere. Münden kann ein solcher Prozess in der Darstellung etwa einer Unterrichtseinheit, die, sofern sich dies anbietet, auch Kolleginnen und Kollegen zur Verfügung gestellt werden kann. Die Aufgaben des Entwickelns – Erprobens – Verbesserns können auf der individuellen Ebene wahrgenommen werden. Es ist aber mehrfach deutlich geworden, dass sich der Einbezug der kollegialen oder auch der institutionellen Ebene besonders empfehlen kann, weil verschiedene Teilaufgaben in diesem Prozess leichter in Gemeinschaft oder auch arbeitsteilig wahrgenommen werden können. Dabei kann es zu Entlastungseffekten kommen, und es fällt leichter, die

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Motivation aufrechtzuerhalten. Soweit die institutionelle Ebene der Fortbildung einbezogen wird, eröffnen sich noch weitere Möglichkeiten – etwa in Gestalt von Beratung und Begleitung oder auch von spezialisierten Referentinnen und Referenten aus der Wissenschaft. Dies stellt aber nur eine Möglichkeit dar und keine zwingende Voraussetzung für die erfolgreiche Qualitätsentwicklung. Auch am Ende dieses Teils sei noch einmal betont, dass eine spielerische Haltung mit der Lust, etwas Neues auszuprobieren, verschiedene Strategien zu erproben und auf diese Weise Erfahrungen zu sammeln, die empfehlenswerte Grundhaltung für die Qualitätsentwicklung im Religionsunterricht darstellt. Wer etwas Neues ausprobiert, kann sich vielleicht selbst dann noch freuen, wenn es schiefgegangen ist. Denn auch daraus ist oft etwas zu lernen – und beim nächsten Mal wird sicher alles besser! Qualitätsentwicklung unterstützen: Handlungsmöglichkeiten auf der institutionellen Ebene Ȥ Die Qualitätsentwicklung in der Praxis von (Religions-)Unterricht braucht institutionelle Unterstützung und Verankerung. Das betrifft vor allem die Fortbildung, aber auch die Ausbildung sollte zunehmend auf Aufgaben der Qualitätssicherung und -entwicklung eingestellt sein. Ȥ Der Diskussionsstand zur Religionslehreraus- und -fortbildung gibt dazu bereits wichtige Anstöße, aber er erweist sich auch selbst als entwicklungsbedürftig. Die Verknüpfung forschenden Unterrichtens mit der Qualitätsentwicklung sollte dabei stärker in den Vordergrund treten. Dies schließt eine gezielte Weiterentwicklung der Kompetenzen und Standards für die Religionslehrerausbildung ein. Ȥ Auch die wissenschaftliche Religionsdidaktik sieht sich im Blick auf die unterrichtsbezogene Qualitätsentwicklung mit der Forderung nach einer Erweiterung ihres Themenbestands konfrontiert. Bislang spielen die unterhalb konzeptioneller Fragen angesiedelten Realisierungsformen (wann gelingt der Unterricht? wann nicht?) noch eine zu geringe Rolle. Ȥ Entsprechend ist ein Ausbau der explizit auf Unterrichtsqualität bezogenen Angebote in Aus- und Fortbildung anzustreben. Die im vorliegenden Band beschriebenen Modelle (Professionelle Lerngemeinschafften, religionsdidaktische Entwicklungsforschung usw.) geben dazu ebenso Möglichkeiten an die Hand wie konkrete, in der Aus- und Fortbildung zu erwerbende Fähigkeiten (Unterricht analysieren, einen Schülerfragebogen entwickeln usw.).

Teil 4

Mehr als ein Buch – Ausblick auf eine neue Initiative

Immer wieder ist in diesem Band deutlich geworden, dass Qualität und Qualitätsentwicklung im Religionsunterricht nicht einfach eine Frage für die Wissenschaft sein können. Vielmehr kommt alles darauf an, dass in der religionsunterrichtlichen Praxis selbst neue Impulse aufgenommen werden. Qualitätsentwicklung ist so gesehen in erster Linie eine Frage der Praxis. Jedoch darf die Praxis dabei Unterstützung erwarten  – nicht zuletzt von Seiten der wissenschaftlichen Religionspädagogik, aber auch von anderen Unterstützungssystemen wie den religionspädagogischen Instituten der Landeskirchen. Insofern kann es als ein Glücksfall bezeichnet werden, dass sich während der Arbeit an diesem Buch eine Initiative verschiedener kirchlicher Partner gebildet hat, die die mit der Qualitätsentwicklung im Religionsunterricht verbundenen Herausforderungen aufnehmen möchte. Diese mit dem Tübinger Lehrstuhl für Religionspädagogik verbundene Initiative soll in diesem letzten Teil soweit beschrieben werden, wie dies zu Beginn einer solchen Initiative möglich ist. Nachfolgende Darstellung lehnt sich eng an die Projektbeschreibung an. An vielen Stellen berührt sich diese Beschreibung mit dem vorliegenden Band.

1. Eine Initiative zwischen Kirche und Wissenschaft Den Hintergrund der neuen Initiative stellen Veränderungen in der Bildungslandschaft dar. Besonders seit den PISA-Studien ist die Frage nach der Qualität von Unterricht und nach Möglichkeiten der Qualitätsentwicklung ein zentrales Thema auch in der Religionspädagogik. Der Religionsunterricht wird allerdings in der Regel an entsprechenden staatlichen oder wissenschaftlichen Entwicklungen nicht beteiligt und droht in dieser Hinsicht – ähnlich wie andere bei diesen Entwicklungen nicht einbezogene Fächer – in ein gewisses Abseits zu geraten. Darüber hinaus gibt es mitunter Hinweise auf religionsunterrichtliche Qualitätsprobleme aus der Praxis von Schule sowie entsprechende Wahrnehmungen in Kirche, Politik und Öffentlichkeit. Projekte zur Qualitätsentwicklung im Bildungsbereich haben heute weithin nur eine Chance auf Gehör und Nachhaltigkeit, wenn sie so angelegt sind, dass sie den inzwischen als Standard angesehenen wissenschaftlichen Maßstäben gerecht

Das Projekt »Qualität und Qualitätsentwicklung im Religionsunterricht«

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werden. Das schließt insbesondere empirische Untersuchungen sowie Befunde ein, die sich als realistische Grundlage für entsprechende Programme nutzen lassen. Weiterhin wird mehr und mehr der Grundsatz bestimmend, dass eine enge Verbindung zwischen Unterrichtsforschung und Unterrichtsgestaltung anzustreben ist. Fortbildung wird dabei als Chance wahrgenommen, diese Verbindung zu unterstützen bzw. allererst herzustellen. Bei alldem muss immer auch der besondere Charakter des Religionsunterrichts im Blick bleiben. Hilfreich wäre weder ein qualitätsbezogenes Ranking von Religionsunterricht in den verschiedenen Bundesländern noch eine großangelegte Top-down-Strategie. Sinnvoll ist vielmehr eine Vorgehensweise, bei der die Religionslehrerschaft von Anfang an konsequent einbezogen ist. Ziel muss eine von Praxis und Theorie gemeinsam getragene Qualitätsinitiative sein. Vor diesem Hintergrund haben sich sechs kirchliche Partner für ein am Lehrstuhl für Religionspädagogik der Evangelisch-Theologischen Fakultät der Universität Tübingen inzwischen eingerichtetes Forschungs- und Entwicklungsprojekt als Grundlage einer entsprechenden Initiative zusammengetan – fünf Landeskirchen: Evangelische Landeskirche in Baden, Evangelisch-Lutherische Kirche in Bayern, Evangelische Kirche in Hessen und Nassau, Evangelisch-Lutherische Kirche in Norddeutschland, Evangelische Landeskirche in Württemberg sowie die Konföderation evangelischer Kirchen in Niedersachsen. Durch wissenschaftliche Untersuchungen im Religionsunterricht sollen die Grundlagen für Qualität und Qualitätsentwicklung im Religionsunterricht verbessert werden. Darüber hinaus sollen Erhebungen zur Fortbildung für den Religionsunterricht durchgeführt und, mithilfe der Ergebnisse, neue Fortbildungsformate entwickelt werden. Auch die Auswirkungen unterschiedlicher Ausbildungsvoraussetzungen sollen in den Blick genommen werden. Dass all dies nur in Zusammenarbeit mit den religionspädagogischen Instituten der Landeskirchen gelingen kann, versteht sich von selbst.

2. Das Projekt »Qualität und Qualitätsentwicklung im Religionsunterricht« (QUIRU) und seine Teilprojekte Im Blick auf das Ziel der Qualitätssicherung und Qualitätsentwicklung im evangelischen Religionsunterricht sollen verschiedene Teilprojekte durchgeführt werden: 1. Entwicklung von Qualitätskriterien sowie eines indikatorengestützten Instruments, das sich bundesweit zur Qualitätserfassung eignet. Als Indikatoren werden

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Mehr als ein Buch – Ausblick auf eine neue Initiative

bestimmt: Wissenserwerb – Deutungsfähigkeit – Perspektivenübernahme. Dazu kommen stärker prozessorientierte Fragen zur Unterrichtsqualität in Schülersicht. Die Indikatoren lassen sich auch als (Teil-)Kompetenzen begreifen (sogenannte Komponenten), wobei allerdings bislang für den Religionsunterricht kein validiertes oder sonst konsensuelles Modell jenseits der jeweiligen Bildungspläne verfügbar ist. Die drei genannten Teilkompetenzen werden jedoch in fast allen Vorschlägen für ein solches Modell genannt und sind insofern in hohem Maße konsensfähig und auch für die Öffentlichkeit plausibel. Zur prozessbezogenen Erfassung der Unterrichtsqualität wird ein Instrument entwickelt, das an die entsprechende Diskussion bzw. entsprechende Untersuchungen in der Empirischen Bildungsforschung anschließt. Da dort andere Fächer wie beispielsweise der Mathematikunterricht im Zentrum stehen, ist eine inhaltliche Anpassung des Instruments an den Religionsunterricht erforderlich, für die auf andere Tübinger religionspädagogische Projekte zurückgegriffen werden kann. 2. Validierung des Instruments für exemplarische Stichproben in den beteiligten Bundesländern bzw. Landeskirchen. Die Validierung des Instruments erfolgt in mehreren Schritten bzw. Pilotierungen, die jeweils in verschiedenen Bundesländern durchgeführt werden. Dabei wird ein iterativer Prozess durchlaufen, bei dem die Befragungsergebnisse der Validierung des Instruments bzw. seiner mehrfachen Verbesserung dienen. Das validierte Instrument soll abschließend an ausgewählten Standorten in einem Design mit zwei Befragungszeitpunkten eingesetzt werden, um Kompetenzzuwächse im Sinne der genannten Indikatoren erfassen zu können. Zugleich wird die Prozessqualität des Unterrichts aus Schülersicht erfasst. Die Studie ist auch in diesem Teil nicht auf repräsentative Ergebnisse angelegt, soll aber zu aussagekräftigen Befunden führen. Im Rahmen der abschließenden Validierungsuntersuchung ist es auch möglich, durch kriterienbezogene Festlegung von Teilsamples zumindest explorativ bestimmte Fragestellungen aufzunehmen (beispielsweise regionale Unterschiede innerhalb der Landeskirchen, unterschiedliche Zusammensetzung der Schülerschaft im Religionsunterricht o. Ä.). 3. Erhebung des von den Religionslehrkräften wahrgenommenen Fortbildungsbedarfs sowie Prüfung von Einflussmöglichkeiten durch Fortbildung im Blick auf die Qualität von Unterricht. Geplant ist eine Online-Umfrage, die sich an alle Religionslehrkräfte in den beteiligten Bundesländern bzw. Landeskirchen richtet. Dabei werden auch

Das Projekt »Qualität und Qualitätsentwicklung im Religionsunterricht«

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Erfahrungen mit verschiedenen Formen und Anbietern von Fortbildung sowie unterschiedlichen regionalen und überregionalen Fortbildungsformen erfragt, insbesondere aber der Fortbildungsbedarf. Weitere Fragen beziehen sich auf die wahrgenommene Wirksamkeit der religionspädagogischen Fortbildung. Den Hintergrund stellen hier verschiedene auf den Religionsunterricht bezogene allgemeine, d. h. nicht speziell auf die Fortbildung bezogene Befragungen dar sowie aktuelle bildungswissenschaftliche Untersuchungen zur Lehrerfortbildung. Es wird geprüft, welche Items ggf. aus bereits vorliegenden Studien übernommen werden können, wodurch auch Vergleiche möglich werden, wobei jedoch die für die geplante Untersuchung maßgebliche Schwerpunktsetzung (Fortbildungsbedarf, Identifikation von Entwicklungspotenzialen, Entwicklung innovativer Formen der Fortbildung) bestimmend bleiben soll. Die speziell für den Religionsunterricht bezeichnenden Strukturen mit Angeboten auf verschiedenen Ebenen (regionale und überregionale Angebote, staatliche und kirchliche Angebote usw.) sollen besondere Berücksichtigung finden. 4. Untersuchung der Abhängigkeit von Unterrichtsqualität von Ausbildungsvoraussetzungen. Dieses Projekt soll nur in einer der beteiligten Landeskirchen durchgeführt werden. Die komplexe Fragestellung lässt vor allem explorative Erkenntnisse erwarten. Bei der Validierung des unterrichtsbezogenen Befragungsinstruments soll die Stichprobe der befragten Schülerinnen und Schüler für die betreffende Landeskirche so angelegt werden, dass gegebenenfalls Unterschiede zwischen dem von staatlichen Lehrkräften erteilten Religionsunterricht auf der einen Seite und dem von Pfarrerinnen und Pfarrern erteilten Unterricht auf der anderen Seite erfasst werden können. Darüber hinaus soll im Anschluss an Teilprojekt 3 (Fortbildung) eine Be­­ fragung der Zielgruppe »Anwärterinnen/Anwärter« im Pfarrdienst (d. h. in der Zeit nach dem Vikariat) durchgeführt werden, bei der nach Einschätzungen zur eigenen religionspädagogischen Ausbildung und Qualifikation gefragt wird. Dabei geht es nicht nur bzw. nicht in erster Linie um Gesamteinschätzungen, die als solche wohl wenig aufschlussreich oder anschlussfähig wären, sondern um Fähigkeiten zur Wahrnehmung einzelner religionspädagogischer Aufgaben, also etwa die Fähigkeit zum Elementarisieren. Schließlich soll darauf aufbauend eine Reihe von Interviews mit Personen aus dieser Zielgruppe durchgeführt werden, um einzelne Aspekte weiter zu explorieren und zu klären. Diese Interviews könnten über den Einzelfall hinaus

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Aufschluss über zielgruppenspezifische (Selbst-)Wahrnehmungen erlauben, aber auch Erkenntnisse beispielsweise zu einem spezifischen Fortbildungsbedarf und einer – gegebenen oder nicht gegebenen – Bereitschaft, sich an entsprechenden Angeboten zu beteiligen.

3. Zusammenspiel von Wissenschaft und Praxis: eine Einladung Um es am Ende dieses Buches noch einmal festzuhalten: Jede Initiative zu Qualität und Qualitätsentwicklung im Religionsunterricht lebt von einem gelingenden Zusammenwirken zwischen Wissenschaft und Praxis. Sie lebt davon, dass Religionslehrkräfte dazu Lust haben oder bekommen, etwas Neues auszuprobieren – in einer durchaus spielerischen Haltung und mit der Neugier, was gelingt, aber was vielleicht auch nicht gelingt. Qualitätsentwicklung ist für alle Beteiligten ein Lernprozess, der auch dadurch vorankommen kann, dass – erwartbar – niemals alles gelingt und gelingen kann. Die Einladung, die an dieser Stelle ausgesprochen wird, bezieht sich in erster Linie darauf, sich aktiv an der Initiative von QUIRU zu beteiligen. Um diese Einladung konkreter zu machen, wurden verschiedene Möglichkeiten eingerichtet: Ȥ Eine eigene Website (www.uni-tuebingen.de/quiru) gibt weitere Informationen zu QUIRU. Ȥ Anregungen und Vorschläge zum Projekt können an das Projekt geschickt werden ([email protected]). Ȥ Angedacht sind auch besondere Diskussions- und Fortbildungsveranstaltungen, bei denen ein persönlicher Kontakt mit dem Projekt möglich sein soll. Es wäre schön, wenn möglichst viele Kolleginnen und Kollegen in Religionsunterricht und Religionspädagogik – auch durch die Lektüre dieses Bandes – Interesse daran entwickeln, sich an dieser Initiative zu beteiligen.