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German Pages 178 [196] Year 1933
Reihenentwicklungen in der mathematischen Physik
Von
Dr. Josef Lense o. 0 . Professor der Technischen Hochschule Manchen
Mit 30 Abbildungen
W a l t e r de G r u y t e r & Co. v o r m a l s O. J . O ö s c b e n ' s c h e V e r l a g s h a n d l u n g J . Guttentag, V e r l a g s b u c h h a n d l u n g — Oeorg B e l m e r — K a r l J . T r ü b n e r — V e i t & Comp.
B e r l i n W 10 u n d 1933
Leipzig.
Alle
Rechte,
setzung
in
insbesondere
fremde
d a s der
Sprachen,
Über-
vorbehalten
ArchivNr. 1 9 0 7 3 3 Druck von Walter de Gruyter & Co., Berlin W so
Vorwort. Ziel dieses Buches ist, die bei dea wichtigsten Reihenentwicklungen der mathematischen Physik verwendeten Funktionen eingehender in ihren wesentlichen Eigenschaften zu behandeln, soweit die betreffenden Reihen nicht Potenz- oder Fouriersche Reihen sind. Es kommen also in erster Linie Bessel-, Kugel- und Lamésche Funktionen in Betracht, daneben auch wegen ihrer Anwendungen in der Wellenmechanik Laguerresche und Hermitesche Funktionen. Alle schließen sich wegen ihrer Orthogonalitätseigenschaften unmittelbar an die Fourierschen Reihen an. Es gibt gewiß viele ausgezeichnete Darstellungen über jede einzelne dieser Funktionsklassen, doch sind sie gewöhnlich so umfangreich, daß sich der Leser nur mit großen Schwierigkeiten über die wesentlichen Eigenschaften der betreffenden Funktion ein Bild machen kann. Diese werden daher in den ersten vier Abschnitten des vorliegenden Buches ausführlich behandelt. Dabei habe ich mich mit Rücksicht auf die physikalischen Anwendungen immer auf das reelle Gebiet beschränkt, ausgenommen die Besseischen Funktionen. Während nämlich alle erwähnten Funktionen, die in der Physik verwendet werden, im wesentlichen Polynome, also in ihrem funktionentheoretischen Verhalten leicht zu übersehen sind, ist dies bei den Besseischen Funktionen nicht der Fall. Hier sind schon die einfachsten dieser Funktionen ganze transzendente Funktionen. Sie werden daher in vollster Allgemeinheit für komplexe Veränderliche und Zeiger behandelt, wodurch man gleich einen allgemeinen Überblick über ihr funktionentheoretisches Verhalten gewinnt. Die für die Anwendungen wichtigen Fälle ergeben sich dann durch Aussonderung. Die Darstellung schließt sich hauptsächlich an W a t s o n (vgl. S. 35), im ersten Abschnitt an C o u r a n t (vgl. S. 12) an. Warum nicht auch die Kugelfunktionen in ähnlicher Weise behandelt werden, hat darin seinen Grund, daß sie im wesentlichen hypergeometrische Funktionen sind und die Theorie dieser Funktionen nicht vorausgesetzt wird, während sich die für physikalische Anwendungen wichtigen Fälle reeller Veränderlicher und ganzzahliger positiver Zeiger leicht ohne eine derartige Theorie entwickeln lassen. Es wird daher auch nicht auf die Legendreschen Kugelfunktionen zweiter Art eingegangen. Ähnlich liegen die Verhältnisse bei den Laméschen Funktionen. Hier ist die Behandlung im Anschluß an H o b s o n (vgl. S. 98) und im Gegensatz zu P o i n c a r é (vgl. S. 133) so gehalten, daß die Kenntnis der elliptischen Funktionen entbehrt werden kann, doch mußte die Darstellung bei H o b s o n und P o i n c a r é in einigen Punkten vervollständigt werden, um volle Strenge zu erzielen. 1*
4
Vorwort.
Der fünfte Abschnitt bringt das Wichtigste über asymptotische Reihen im Anschluß an K n o p p (vgl. S. 152), der sechste die wesentlichen Eigenschaften der Gammafunktion mit Rücksicht darauf, daß im zweiten Abschnitt verschiedene Eigenschaften dieser Funktion gebraucht werden, die in den gewöhnlichen Lehrbüchern der Differential- und Integralrechnung und Funktionentheorie meistens nicht behandelt werden, und die Theorie der Gammafunktion nicht vorausgesetzt werden soll. Am nächsten kommt dem Buch wohl das erwähnte Werk von C o u r a n t , doch da dieses infolge seiner ganz anderen Zielrichtung über die in den Abschnitten 4—6 behandelten Dinge fast gar nichts bringt, dürfte auch das vorliegende Buch daneben in Ehren bestehen. An mathematischen Kenntnissen setzt es Vertrautheit mit den Grundlehren der Funktionentheorie und Differentialgleichungen voraus. Von besonderen Funktionen ist nur eine genaue Kenntnis der sogenannten elementaren Transzendenten, d. h. also im wesentlichen des Logarithmus im komplexen Gebiet erforderlich. Häufig verwendet wird die Integration im Komplexen. Um dem hierin ungeübten Leser die Sache zu erleichtern, sind immer die einzelnen Schritte möglichst ausführlich angegeben. Gelegentlich wird einmal der sogenannte Sturmsche Satz aus der Lehre von den Gleichungen verwendet. Um die Integraleigenschaften der Kugel- und Laméschen Funktionen abzuleiten und die Randwertaufgaben für Kugel und Ellipsoid zu lösen, werden die grundlegenden Sätze der Potentialtheorie benützt. Das Buch ist in sechs Abschnitte, jeder Abschnitt in Ziffern eingeteilt. Von den Formeln sind nur jene mit Nummern bezeichnet, auf die im Text verwiesen wird. Ihre Bezifferung beginnt in jeder Ziffer von neuem. Bei Verweisen auf Formeln anderer Ziffern werden diese angegeben. So bedeutet z. B. (3) Gleichung (3) derselben Ziffer, (2, 3) Gleichung (3) der Ziffer 2 desselben Abschnittes, (I, 2, 3) Gleichung (3) der Ziffer 2 des ersten Abschnittes, (I, 2) Ziffer 2 des ersten Abschnittes. Definitionen und Lehrsätze sind durch gesperrten Druck hervorgehoben. Es war meine Absicht und auch der Wunsch des Verlages, das Buch auf einen mäßigen Umfang zu beschränken und ihm damit vielleicht leichter eine weitere Verbreitung zu sichern. Zu diesem Zweck mußte der Text kurz und straff gefaßt und auf frühere Formeln soviel als möglich verwiesen werden. Letzteres trägt gewiß nicht dazu bei, das Lesen des Buches zu erleichtern, doch mußte dieser übelstand aus dem angegebenen Grund in Kauf genommen werden. Die Niederschrift des Manuskriptes hat meine Frau besorgt, die Abbildungen Herr Dr. Nikol gezeichnet. Bei der Durchsicht des Manuskriptes stand mir Herr Dr. W i n k l e r mit wertvollen Ratschlägen zur Seite. Die Korrekturen haben die Herren Prof. Dr. S a u e r , Privatdozent Dr. D u s c h e k , Dr. B a i e r , Dr. L e h r , Dr. Nikol und meine Frau mitgelesen. Ihnen allen sei hier mein herzlicher Dank für ihre treue Hilfe ausgesprochen. München, im Juli 1933. J. L e n s e .
Inhaltsverzeichnis. Einleitung 1. Reihenentwicklung. Annäherung durch Polynome 2. Fouriersche Reihen. Orthogonalfunktionen 1. 2. 3. 4. 5. 6. 7.
I. Abschnitt. Orthogonalfunktionen. Definitionen. Normierung Orthogonalisierung Besseische Ungleichung. Vollständigkeitsbeziehung. Konvergenz im Mittel. Laguerresche Funktionen Eigenschaften der Laguerreschen Funktionen Hermitesche Funktionen Eigenschaften der Hermiteschen Funktionen
Seite
8 8 9
12 13 14 17 19 20 21
II. Abschnitt. Beaselfunktionen. a) G a n z z a h l i g e Z e i g e r . 1. 2. 3. 4. 5. 6.
Geschichte Definition. Erzeugende Funktion Rekursionsformeln. Differentialgleichung Jacobische Reihenentwicklungen Besseische Integraldarstellung. Additionstheorem Neumannsche Reihenentwicklungen
23 25 26 27 28 29
7. 8. 9. 10. 11. 12.
b) B e l i e b i g e Z e i g e r . Differentialgleichung Hauptsystem von Lösungen Rekursionsformeln Besselfunktionen erster und zweiter Art Rekursionsformeln für die Besselfunktionen zweiter Art Zylinderfunktionen
30 32 34 35 38 38
13. 14. 15. 16. 17. 18. 19. 20. 21. 22. 23.
c) I n t e g r a l d a r s t e l l u n g e n . Laplacesche Umformung Erste Hankeische Integraldarstellung Poissonsche Integraldarstellung Rationale Darstellung von 7„ + j(z) durch e« und (/z Ähnliche Darstellung von / ^ „ . ^ ( i ) Zweite Hankeische Integraldarstellung Hankeische Funktionen Erweiterung der Voraussetzungen Asymptotische Darstellung der ersten Hankeischen Funktion Abschätzung des Restgliedes Asymptotische Darstellung der zweiten Hankeischen Funktion
39 40 43 44 45 46 48 51 54 55 57
6 24. 25. 26. 27. 28. 29. 30.
Inhaltsverzeichnis. d) N u l l s t e l l e n . Lommelsche Umformung der Besseischen Differentialgleichung Nullstellen der Zylinderfunktionen Nullstellen der Besselfunktionen erster Art Nullstellen der Ableitung Reelle Nullstellen der Besselfunktionen Nullstellen mit großem absoluten Betrag Imaginäre Nullstellen
e) R e i h e n e n t w i c k l u n g e n . 31. Fourier-Bessel-Entwicklungen 32. Kepler-Bessel-Entwicklungen 33. 34. 35. 36.
f) K o n f o r m e A b b i l d u n g . Allgemeine Eigenschaften Konvergenzwerte Besselfunktionen mit ganzzahligem Zeiger Besselfunktionen mit reellem Zeiger I I I . Abschnitt.
8elte
59 61 62 63 64 65 66 67 68 70 71 72 74
Kugelfnnktionen.
a) R ä u m l i c h e K u g e l f u n k t i o n e n . Potentialfunktionen. Laplacesche Differentialgleichung. Randwertaufgaben Dreifach orthogonale Flächensysteme Räumliche Polarkoordinaten Räumliche Kugelfunktionen Ganze rationale räumliche Kugelfunktionen Kugelflächenfunktionen
76 76 79 79 81 82
7. 8. 9. 10. 11. 12. 13.
b) Zonale K u g e l f u n k t i o n e n . Zonale Kugelfunktionen Legendresche Polynome Rekursionsformel Entwicklung in eine Fouriersche Reihe Integraldarstellung Nullstellen Zugeordnete Legendresche Funktionen
83 84 86 88 88 90 91
14. 15. 16. 17. 18.
c) K u g e l f l ä c h e n f u n k t i o n e n . Laplacesche Kugelfunktionen Integraleigenschaften Reihenentwicklungen Entwicklung von f " nach Legendreschen Polynomen Additionstheorem
93 95 97 99 101
19. 20. 21. 22. 23. 24.
d) Anwendungen. Erste Randwertaufgabe für die Kugel Zweite Randwertaufgabe für die Kugel Dritte Randwertaufgabe für die Kugel Näherungsweise Berechnung bestimmter Integrale Fehlerabschätzung Konvergenzbeweis
103 105 106 107 109 112
1. 2. 3. 4. 5. 6.
Inhaltsverzeichnis. IV. Abschnitt. 1. 2. 3. 4. 5. 6. 7. 8. 9. 10. 11. 12. 13. 14. 15. 16. 17. 18. 19. 1. 2. 3. 4. 5. 6. 7. 8. 9. 1. 2. 3. 4. 5. 6. 7. 8. 9.
Lamlsehe Funktionen.
7 Seite
Elliptische Koordinaten Konfokale Mittelpunktsflächen zweiter Ordnung Lam6sche Funktionen Lam6sche Funktionen erster Art Lamische Funktionen zweiter Art Lam&che Funktionen dritter Art Lamische Funktionen vierter Art Lam&che Differentialgleichung Lam&che Funktionen zweiter Gattung Zusammenhang mit den Kugelfunktionen Abgeplattetes Drehellipsoid Verlängertes Drehellipsoid Anzahl der linear unabhängigen Lam6schen Funktionen Einfachheit der Nullstellen Realität der Nullstellen Integraleigenschaften Reihenentwicklungen Erste Randwertaufgabe für das Ellipsoid Potential des Ellipsoids
114 115 116 118 120 121 122 123 124 125 127 130 132 133 135 137 139 140 141
V. Abschnitt. Asymptotische Reihen. Asymptotische Reihen Die vier Grundrechnungsarten mit asymptotischen Reihen Differenzieren und Integrieren asymptotischer Reihen Bernoullische Polynome Nullstellen der Bernoullischen Polynome Berechnung der Bernoullischen Polynome Eulersche Summenformel Abschätzung des Restgliedes Eulersche Konstante
145 147 150 152 156 157 159 160 161
VI. Abschnitt. Definition Produktdarstellungen Funktionalgleichungen Integraldarstellungen Asymptotische Entwicklung Konvergenzwerte Nullstellen der Ableitung Konforme Abbildung Betafunktion Namen- und Sachverzeichnis
163 163 165 168 169 172 173 174 176 177
Gammafnnktion.
Einleitung. 1. Reihenentwicklung. Annäherung durch Polynome. Die Reihenentwicklung einer Funktion einer reellen Veränderlichen /(x) in einem bestimmten Intervall führt zu folgender Frage: Gegeben sei eine Folge v o n Funktionen der Veränderlichen x (x, t) =
21
e-f+a* [ife-C-*)'' 2 "
rff"
tn t=o
( — 1)» dxn
t"
indem wir ¿n g—x' //„(*) = ( - l ) » ^ - ^ - ,
(2)
=
l
setzen. Ähnlich wie in Ziffer 4 werden wir zeigen, daß die so definierten Funktionen Hn(x) tatsächlich die Hermiteschen Polynome sind, indem wir ihre Orthogonalitätseigenschaft nachweisen. E s ist nämlich Hn(x) nach (2) ein Polynom re-ten Grades, ferner wegen (1) ^
= 2t f[X, t) ,
somit (3)
(n^l),
H'n(x)=2n/in_1(x)
daher für n > m, wenn wir teilweise integrieren, /
Hm(x)Hn(x)e-*'dx=(=
1)"
f
dxn
+™ ¿»-lp-i" ( - l ) " - 1 • 2m / / / m - i ( x ) dx
+" = ( - 1 ) « - " ' • 2 - m ! / H0(x) —Q O
(Jn-me-x> dx = 0. dxti_m
Damit ist die Behauptung bewiesen. Für n — m ist -f- OD +00 / H^xfe-1' dx = 2nn\ f H0(x)e~z' dx = OB
.
00
Die Funktionen des normierten Orthogonalsystems sind daher _ x> //„_ i ( x ) e 2 ?..(*) = - 7 = = = = = : (« = 1, 2, 3 , . . .) K2 (n - l ) ! / j r 7 . Eigenschaften der Hermiteschen F u n k t i o n e n . Aus ( 6 , 1 ) folgt
dy>(x, ) = 2^ (— l ) " / 2 n + i ( z ) c o s (2« + !)?>• n=0
Die erste der Gleichungen (1) liefert für = 0 das besondere Ergebnis 00 (3) 1 =/0(z) + 2 2 t / 2b ( Z ). »=1 Setzen wir in den Gleichungen (2) (—1) (l) >i = .ri -^ ^ az [z v{z)] az 2 m! 1 (v + m + 1) OD
y
I
v
dz1
m
z
2 » — l +
_
2 m
2'-1+2mm\r(v+m)
Äi =
H \
i(z),
dz^Q
2v+2mmir(v cfW+im—1 2'+£m~l(m~
+ m + 1) !)!/>
+ m + 1)
Besselfunktionen erster and zweiter Art.
o'"1 2,+2m+1rnir(v z~'Ir+1(z)
2 Ä4 = —
+ m +
35
2)
und daraus zK(z)
+ vlr(z)
zl't(z)-vl,{z)
=
zl,_!(z),
=
-zlr+l(z)
oder
/,_i(z) -
/,+i(z) =
21',(z).
(1) läßt sich auch schreiben zaz zaz
[z'I,(z)]
=
[Z~'I,(Z)]
z'-il^z), = -
S-'-l/r+1(2)
oder bei fc-maliger Wiederholung (k = 1, 2, 3 , . . .) V/,(Z)] (2)
=
z'-*I,-h{z),
k
yk)l[z~'Ir(z)]
=
1 0 . Besselfunktionen erster und zweiter A r t . Wir suchen jetzt neben ln(z) eine zweite davon linear unabhängige Lösung unserer Differentialgleichung ( 7 , 1 ) . Wir setzen zuerst v =|= n voraus. Da die Differentialgleichung t I,(z) — ( - 1 )nI-,(z) homogen linear ist, genügt ihr auch ^—— . Lassen wir v gegen n (n nichtnegative, ganze Zahl) konvergieren, so ist f-*n v— n eine Lösung der Differentialgleichung für v = n. Y„ '+ 1
+(
l2-'+ 2 m m !T(— i> + m + 1)
2 ln-^ 2
dv J^ln.T(— v + m + 1)J J 0/
.
Schon in dieser Darstellung kann man aus dem Auftreten des logarithmischen Gliedes schließen, daß die gefundene Funktion Y„(z) von / „ ( z ) nicht linear
Bcsselfunktionen erster und zweiter Art.
37
a b h ä n g t u n d daher zusammen mit I n (z) ein H a u p t s y s t e m darstellt. E i n ganz einfacher Beweis wird sich d a f ü r s p ä t e r aus der B e r e c h n u n g der Wronskischen Determinante ergeben. Wir setzen n u n /,.(;) cos V7i — / _ , ( ; ) sin viz
(2)
Y,(z) ist als Linearkombination von Ir(z) u n d I_r(z) m i t k o n s t a n t e n Koeffizienten ebenfalls eine Lösung der Besseischen Differentialgleichung. W i r n e n n e n Iv(z) d i e z u m Z e i g e r v g e h ö r i g e B e s s e i s c h e Funktion e r s t e r A r t , Yv ( z ) d i e z u g e o r d n e t e B e s s e i s c h e F u n k t i o n z w e i t e r Art. Die F u n k t i o n Yv(z) wurde von H. W e b e r 1 ) e i n g e f ü h r t , allerdings auf einem ganz anderen Weg, den wir s p ä t e r k e n n e n lernen werden. A n Stelle von Iv(z) und / _ , ( - ) kann m a n a u c h /„(z) u n d Yr{z) als H a u p t system wählen. Denn auch diese beiden F u n k t i o n e n sind linear u n a b h ä n g i g . I h r e Wronskische D e t e r m i n a n t e ist j a n a c h (2) u n d (8, 2) (3)
W(IV,
Yv)
Iy(z) K(z)
Y,(z) i = Y'r(z) |
1 _ | /r(z) /_v(z) sin vn | I',{z) IL,(z)
=
2_ nz '
also von Null verschieden. Doch n u n h a b e n wir m e h r gewonnen. W(I¥, Yv) h ä n g t v o n v nicht a b , d. h. die beiden F u n k t i o n e n Ir(z) u n d Yv(z) bilden a u c h ein H a u p t s y s t e m , wenn v eine ganze Zahl ist. Sehen wir n a c h , w a s in diesem Fall aus Yv(z) wird. Die Definition (2) ist j e t z t wegen ( 2 , 3 ) sinnlos. D a aber Yv(z) in v analytisch ist, k ö n n e n wir schreiben /„(;) cos V7i — r„(z) = lim: sin vn
I—r(z)
dh(z) . . . . —x-— cos vn — nl.{z) sin vn dv lim 7t COS V71 dl,(z) ( - iy dv dv . 1 = - Y„(;). 71
dl_r(z x— dv
Als geschichtliche Tatsache sei noch e r w ä h n t , d a ß C. N e u m a n n 1 ) nicht Y n (z) als zweites von In(z) linear unabhängiges I n t e g r a l der Besseischen Differentialgleichung neben In(z) b e t r a c h t e t h a t , sondern die V e r b i n d u n g |Y„(z) + (In 2 — C)In(z), wo C die sogenannte Eulersche K o n s t a n t e ist (vgl. hierzu V, 9). E r n a n n t e diese F u n k t i o n die k o m p l e m e n t ä r e Besselfunktion, während er als F u n k t i o n zweiter Art eine a n d e r e F u n k t i o n bezeichnete, die jedoch nicht der Besseischen Differentialgleichung g e n ü g t . 1
) H. W e b e r , J. f. M. 76 (1873), S. 9; Math. Ann. 6 (1873), S. 148. ) Vgl. das auf S. 29, Anmerkung 1 angegebene Buch von C. N e u m a n n , S. 42—44. 2
38
II. Abschnitt.
11.
Rekursionsformeln
Besselfunktionen.
für die Besselfunktionen
zweiter
Art.
Nach ( 9 , 1 ) gelten die Formeln ~
(1)
[z'/,(z)] =
z'l^z),
. lz[z>l_,(z))
= -C'/-,
+
1(z).
Wir multiplizieren die erste Formel mit ctg vn, die zweite mit subtrahieren sie.
1 sin vn
und
Dann ergibt sich
(2)
jz[z>Y,(z)]=z>Y,-1(z).
Ersetzen wir in den Formeln (1) v durch — v, so folgt Jz
[z-'lr(z)]
= -
z-"I,+1(z),
^
[z-/_,(z)] = z - » l
j(z) .
Wir multiplizieren wieder die erste dieser Formeln mit ctg vn, die zweite mit 1 — und subtrahieren sie. Dann erhalten wir sin vn (3)
~[z-'Yr(z)]
=
j- [z*Y_Az)) dz
=
-zr>Y,+1(i)
oder -i'y_,+1(2).
E s ergeben sich somit dieselben Rekursionsformeln wie für die Funktionen erster Art. Da die Besselfunktionen samt ihren Ableitungen stetige Funktionen von v sind, gelten die Formeln durch Grenzübergang auch für ganzzahlige Werte von v. Behandelt man die Formeln (2) und (3) wie in Ziffer 9, so folgen die dort angegebenen Rekursionsformeln auch für die Funktionen zweiter Art. 12. Zylinderfunktionen. N. S o n i n e und N. N i e l s e n 1 ) definieren als Zylinderfunktion die allgemeinste analytische Funktion C r (z), welche den beiden Rekursionsformeln der Besselfunktionen genügt: C,_!(z) + C,+1(z) (1)
=
2vc,(z), Z
I n ähnlicher Art und Weise wie in Ziffer 3 ergibt sich (wir brauchen nur v an Stelle von n und C,(z) an Stelle von l,{z) zu schreiben) für C,(z) die !) N . S o n i n e , Math. Ann. 16 (1880), S. 1 — 8 0 ; N . N i e l s e n , der Theorie der Zylinderfunktionen, Leipzig 1904, S. 1, 42 ff.
Handbuch
Laplacesche Umformung.
39
Differentialgleichung (2)
Da I,{z)
z*C'r'(z)
u n d Yv(z)
+ zC'r(z)
+ (z« -
f»)C,(z)
=
0.
f ü r alle v ein H a u p t s y s t e m bilden, m u ß C,(z)
= a,I,(z)
+
b,Y,(z)
sein. Dabei b e d e u t e n a„ b, von z unabhängige K o n s t a n t e n . dieses E r g e b n i s in die aus (1) folgende Formel zC'r(z)
einsetzen
und
hierauf
+ vCr(z)
=
W e n n wir
z C ^ z )
noch einmal diese Formel
f ü r Cr(z) = I,(z)
und
CT(z) = r„(z) verwenden, e r h a l t e n wir oder, weil 7 r _ t ( z ) u n d F . ^ f z ) linear u n a b h ä n g i g sind, a, = a , _ j , b, = d. h . a , u n d ¿>, sind periodische F u n k t i o n e n von v m i t der Periode 1. U m gekehrt g e n ü g t jede analytische F u n k t i o n Cr(z), in der a, u n d br diese Eigens c h a f t e n h a b e n , den beiden Rekursionsformeln, wie sich d u r c h Einsetzen ergibt. D i e a l l g e m e i n e L ö s u n g v o n (1) l a u t e t d a h e r Cy{z)
= A{v)Iy(z)
+
B(v)Y,(z),
w o A{v) u n d B(v) b e l i e b i g e p e r i o d i s c h e F u n k t i o n e n m i t Periode 1 sind. W i r beweisen noch einen Satz, den wir später b r a u c h e n werden. b e t r a c h t e n die reelle F u n k t i o n
der Wir
Es ist g e m ä ß (2) f ü r x > 0 T ( )
(*»-*»)•'
d . h . f(x) n i m m t f o r t w ä h r e n d ab, wenn x von \v | an wächst. D i e j e n i g e n W e r t e v o n C,(x), f ü r w e l c h e C't(x) = 0 i s t , n e h m e n a l s o i h r e m absoluten Betrage nach mit wachsendem x f o r t w ä h r e n d ab, wenn X ^ M ist1).
c) Integraldarstellungen. 13. Laplacesche Umformung. Nach Ziffer 7 ist z~"Jr(z) eine ganze t r a n s z e n d e n t e F u n k t i o n . Wir wollen versuchen, diese F u n k t i o n nach L a p l a c e d u r c h ein b e s t i m m t e s Integral darzustellen, nämlich in der F o r m b
f e^fi^dt, a
wo f(t) passend zu bestimmen ist.
D a die F u n k t i o n
b F(z)
f eia
f(t)dt
!) G. N. W a t s o n , Proc. London Math. Soc. (2) 16 (1917), S. 170—171.
40
II. Abschnitt. Besselfnnktionen.
der Besseischen Differentialgleichung genügen muß, haben wir zu bilden il^L
=
(t z
d 2
f[ dzi
z )
Vzv-i
Je*f{t)dt _ a
= v(v-l)2'-2 + 2ivz'—1
/
+ iz> f „ a
e*tf(t)dt,
e^f(t)dt
0 f e + *) = r [ i - ( i - v)] = - T -
s i n (i -
v)*r(\ -
V)'
so erhalten wir (3)
/>(/2
/,+j)fl
+1
cos (zt) (1 -
+ i
1 c o s (zt)
j
sin (zt)
(1
-
—l (1 -
t^'-ldt,
denn der Integrand des ersten Integrales ist eine gerade, der des zweiten eine ungerade Funktion von t. Wir führen nun t — cos
" ( \nl V
dtr
n\
"
2
(In —
/•)!
'
solange r ^ 11 ist. Für r < n wird die betrachtete r-te Ableitung an beiden Grenzen Null. Wir erhalten somit 2n t.r+l22„-rH .n+i (1) Ä (2» — r)l I
l f + V " n
1 n
y
nz
-r—n—1
i
¿To
&
r!
( -
¿)r+122"
,
.
zr+1(r -
r\ (n
—
(n
r)\
-
*r\
n)\ (2n -
r)!
, ,
(n+r)! r)l
(2z)T
(2z)'
Es ergibt sich z. B. (2)
/j(z) =
-
t t
(eiz
2
=
e~i!)
.
71Z
hM)
—
]/2 71 z
]/2jiz
sin z, (eil
L
2 /sinz 7 7. \
Z
+
e~
cos
u
)
z
(eu
—
e ~
ü
)
z
17. Ähnliche Darstellung von
Um einen ähnlichen Aus-
druck für / _ ( B + j j ( z ) zu erhalten, verwenden wir die zweite der Rekursionsformeln (9, 2).
Für v = \ und k = n ergibt sich
also
somit nach (16,1) und (16, 2) 0. Der Integrationsweg C2 soll aus in der Richtung der positiven imaginären Achse kommen,
daß die Funktion Teil von z positiv dem Unendlichen die beiden Punkte
Zweite Hankeische Integraldarstellnng.
47
— 1 und + 1 im positiven Sinne umkreisen und längs der positiven imaginären Achse wieder in das Unendliche zurückkehren (siehe Abb. 2). Genau wie früher in Ziffer 14 sollen die Winkel von t — 1 und / + 1 auf der reellen Achse rechts vom P u n k t + 1 gleich Null gewählt werden. Damit ist der Zweig der vieldeutigen Funktion (Z2 — 1 ) r + i bestimmt. Selbstverständlich müssen wir aus denselben Gründen wie in Ziffer 14 wieder voraussetzen, daß v 4= •$•, f , -§, • • • ist. Wir nehmen noch an, daß C 2 vollständig außerhalb des Einheitskreises liegt. Dann erhalten wir nach (VI, 3, 1) die gleichmäßig konvergente Entwicklung (¡2 _ l ) ' - i = i 2 ' _ 1 ( l - i - 2 ) " - * =
i 2v-l
Jr* ( _ ! ) « . ( " TO" 0
Abb. 2.
t-2m
2m —1\ ,2»—1—2m —
=
r
-
r
V T ^ U — v + m) 2>-i-2m ¿o mir(i-v)
Wir können nun gliedweise integrieren. Denn wenn e eine beliebige positive Zahl ist, so gilt (
wenn n>
'
¿ m i r a - v )
1
n0 ist, wo n0 bloß von e und nicht von t abhängt (die Reihe kon-
vergiert ja gleichmäßig). Ferner konvergiert f eMdt absolut und gleichmäßig c, für SR(z) ^ ö > 0, weil C 2 längs der positiven imaginären Achse ins Unendliche läuft, also das Integral für den längs der imaginären Achse ins Unendliche reichenden Teil von C2 dem absoluten Betrage nach unterhalb
bleibt. Es ist somit, weil auch der übrige Teil des Integrals als analytische Funktion von z beschränkt ist, - I F - ~ m r z . f i ^ ^ m= 0 ^ ") Ct < e f \eMdt \ < e K (K = const.). c, Die linke Seite kann daher durch passende Wahl von e beliebig klein gemacht werden, d. h. es gilt / " c C,
2
-
i H
II. Abschnitt. BesseUnnktionen.
48
71
Wir setzen z — \ z | e"*. Dann ist | 0 (1)
/,(*) =
r g
- v ) z *
J
eizl(t2
-
1
dt
+
f
eizt{t2
>-l
-
1)'
dt\
Dabei ist der Winkel von t — 1 nach der in Ziffer 14 getroffenen Übereinkunft im Punkte P (siehe Abb. 4) 0, im Punkte Q daher 71, wie man erkennt, wenn man den Weg von P nach Q durchläuft. Ähnlich behandeln wir Formel (18, 3). Wir geben dem Integrationsweg C2 die Gestalt der Abb. 6, wodurch das Integral nicht geändert wird. Aus ähnlichen Gründen wie früher streben die Bestandteile des Integrals, die von den zur reellen Achse parallelen Wegstücken und von der imaginären Achse herrühren, gegen Null, wenn rj über alle Schranken wächst. Es bleiben auch hier nur die Teile des Weges übrig, die in Abb. 5 gezeichnet sind, doch wird Weg B entgegengesetzt durchlaufen. Wir erhalten sonach /_,(z) =
r ( \ -
-
v)e"i:
J e « ( t
ä
_
l ) - * d t - f
^
(
i
^
i
r
^
i
A
Gemäß der Übereinkunft hat hier t — 1 im Punkte P (siehe Abb. 6) den Winkel 0, somit in Q den Winkel — n, wie sich leicht ergibt, wenn man den Weg von P nach Q zurückverfolgt. Wenn wir uns entschließen, auch hier im zweiten Integral den Winkel von t — 1 im Punkte Q gleich n zu wählen, Leiae, Reihenentwicklungec. 4
II. Abschnitt.
50
Besselfunktionen.
wie im früheren Fall, so müssen wir das zweite Integral noch mit dem Faktor e—2(v—Ihn multiplizieren, erhalten daher ( 2 )
/ _ ( , )
_
2
7111 (£)
1 y - l d t
+
e
-
^
Ji
f
j
-
'
^
-
i
y
-
i
d
t
]
.
B
Die Formeln (1) und (2) veranlassen uns, folgende Bezeichnungen einzuführen: f
2 tu r ( i ) H ? \ z )
e
=
f 2
'
n
i
^
-
i
y
-
i
d
t
,
U
t
/
m
"
e
(
i
a
-
1
y
-
.
J
Dabei ist nach dem obigen der Winkel von t — 1 am Beginn des Weges A 2t
, am Ende -¿r, der von t + 1 am Beginn des Weges B —, am Ende 2t
2t
3 n
1
¡T-. Man nennt diese beiden Funktionen nach N. N i e l s e n ) d i e H a n k e l 2*
sehen F u n k t i o n e n oder Besseische F u n k t i o n e n d r i t t e r Art. Formeln (1) und (2) schreiben sich jetzt so: h ( z )
=
\
=
i
[//»>(=)
— w + a / > + l) ^ ' " Ä2' " » ! r ( v + m + l) ist. S wächst somit fortwährend von Null über alle Schranken, wenn tx von Null ins Unendliche strebt, und wird daher für einen bestimmten positiven Wert 2-'l v I von — l keine i m a g i n ä r e n N u l l s t e l l e n . Setzt man nämlich für z eine rein imaginäre Zahl ein, so ergeben sich in der Entwicklung der Besseischen Funktionen lauter positive Glieder. Hätte dagegen 7„(z) eine komplexe Nullstelle «, deren reeller und imaginärer Teil von Null verschieden sind, so wäre auch « eine Nullstelle, daher ergibt sich nach Formel (27,1) der Widerspruch (27,2).
65
Nullstellen m i t g r o ß e m a b s o l u t e n B e t r a g .
Die k l e i n s t e n p o s i t i v e n N u l l s t e l l e n v o n I , ( x ) u n d I'v(x) für > 0 s i n d > v. Denn I , ( x ) und I'v(x) sind positiv für alle genügend kleinen positiven Werte von x, wie aus den betreffenden Reihenentwicklungen folgt. Ferner folgt aus der Besseischen Differentialgleichung, wenn sie in der Form v
d_ dx
x
dl,(x) dx
- (V2 — z*)
I,(x)
geschrieben wird, daß xl'v(x) wächst und daher positiv ist, solange x < r und I y { x ) > 0 ist. Dann ist aber auch I'v(x) > 0 und daher wächst auch I v ( x ) in diesem Intervall. l , ( x ) und I'v(x) sind also positiv und wachsen fortwährend, solange 0 < x iS v, d. h. ihre kleinste Nullstelle ist > v. Daraus folgt nach Ziffer 12: Die a b s o l u t e n B e t r ä g e d e r E x t r e m w e r t e v o n I„(x) (v ^ 0) n e h m e n f o r t w ä h r e n d a b , w e n n | x | w ä c h s t . Nach der Differentialgleichung und dem eben Erwähnten ist = - / »
1 und genügend kleine positive x I'y'(x) > 0 ist, m u ß die k l e i n s t e p o s i t i v e N u l l s t e l l e v o n I " ( x ) f ü r v > 1 k l e i n e r als v sein. 71
Weil in (15,1) der Integrand für reelle positive x < -r- und v > 0 positiv Ji
ist, m u ß die k l e i n s t e p o s i t i v e N u l l s t e l l e v o n I„{x) g r ö ß e r als
7t
71
sein, daher kann zwischen 0 und h ö c h s t e n s eine r e e l l e N u l l s t e l l e v o n /_„(£) l i e g e n , w e n n v k e i n e g a n z e Z a h l i s t , sonst müßte nämlich in diesem Intervall nach Ziffer 25 auch eine Nullstelle von Iv(x) liegen, weil I v ( x ) und I - y { x ) linear unabhängig sind. W e g e n d e r s p i e g e l b i l d l i c h e n Lage der N u l l s t e l l e n gilt dasselbe auch f ü r das Intervall
H
4
29. Nullstellen mit großem absoluten Betrag. Aus (21,3), (23,1) und (23, 2) erkennt man, daß die Nullstellen der analytischen Funktion I„(z) für genügend große \z \ in beliebiger Nähe der Nullstellen der analytischen
( z
V7Z
2
7t \
¡j- j liegen, d. h. bei reellem v liegt in einer be7t
V7t
liebig kleinen Umgebung von kn — ~ + ~
(k positive ganze Zahl, | k |
genügend groß) gerade eine Nullstelle von I , ( x ) . Sie ist reell. Denn wäre sie imaginär, so müßte wegen der spiegelbildlichen Lage der Nullstellen zu den Koordinatenachsen auch die konjugiert imaginäre in dieser Umgebung liegen entgegen der eben festgestellten Tatsache, daß dort nur eine Nullstelle vorhanden sein kann. W e n n a l s o Ir{z) f ü r n e g a t i v e v i m a g i n ä r e N u l l s t e l l e n h a t , was tatsächlich der Fall ist, wie wir in der nächsten L e n b e , Reihenentwicklungen.
5
66
II. Abschnitt. Besselfunktionen.
Ziffer sehen werden, s o l i e g e n d i e s e b e i b e s c h r ä n k t e m | r | d e m a b s o l u t e n Betrage nach u n t e r h a l b einer f e s t e n Zahl. Aus diesen Erörterungen folgt weiter: 7,(z) h a t f ü r j e d e s r e e l l e v u n e n d l i c h v i e l e r e e l l e N u l l s t e l l e n . Da zwischen zwei solchen Nullstellen immer mindestens eine Nullstelle der Ableitung liegen muß, g i l t d a s s e l b e f ü r I'v(z). Weil ferner Funktion und Ableitung nach Ziffer 26, vom Faktor z" bzw. z'~l abgesehen, durch beständig konvergente Potenzreihen dargestellt werden, haben sie außer der Verzweigung im Nullpunkt nur oo zur wesentlich singulären Stelle. D i e e r w ä h n t e n N u l l s t e l l e n k ö n n e n sich also nur im U n e n d l i c h e n häufen.
30. Imaginäre Nullstellen. Für v < — 1 hat Iv(z) auch imaginäre
Nullstellen. Die betreffenden Sätze wurden von A. H u r w i t z 1 ) bewiesen. Wir schließen uns im folgenden dem Gedankengang von E. H i l b 2 ) an, der den Beweis von H u r w i t z durch Stetigkeitsbetrachtungen bedeutend vereinfachte. v bedeutet in dieser Ziffer immer eine positive Zahl. V7li VJl% Weil e ± T Iv(z) und e T 7_ v (z) für rein imaginäre z nach (7, 5) reell sind, kann /_„(z), wenn v keine ganze Zahl ist, höchstens zwei rein imaginäre Nullstellen haben. Denn nach Ziffer 26 müssen die Nullstellen konjugiert sein. Wären nun zwei die Null nicht einschließende rein imaginäre Kl1 Nullstellen von 7_„(z), daher auch von e T / _ v ( z ) vorhanden, so müßte vm zwischen ihnen nach Ziffer 25 einerein imaginäre Nullstelle von e±Y /„ (z), somit auch von Iv(z) liegen, was gemäß Ziffer 28 ausgeschlossen ist. z"/_ v (z) hat für v = n (n positive ganze Zahl) lauter reelle Nullstellen nach Ziffer 28, wobei der Punkt z = 0 nach (7, 5) und (8, 3) eine 2n-fache Nullstelle ist, während alle übrigen einfach sind. Wenn v von n aus stetig wächst, kann z'/_„(z) imaginäre Nullstellen, weil sie nach Ziffer 28 konjugiert sein müssen, aus Stetigkeitsgründen nur durch Auflösen mehrfacher reeller Nullstellen oder aus dem Unendlichen erhalten. Letzteres ist nach Ziffer 29 unmöglich. Mehrfache Nullstellen können aber nach Ziffer 25 nur im Nullpunkt auftreten und nach (7, 5) und (8, 3) nur dann, wenn v eine ganze Zahl ist. Es kann sich also nur die 2n-fache Nullstelle im Punkte z = 0 in imaginäre Nullstellen auflösen. Mindestens In — 2 davon müssen imaginär sein, weil in der Umgebung des Nullpunktes I_,(z) nach Ziffer 28 höchstens zwei reelle Nullstellen haben kann. Da aber für v = n + 1 im Nullpunkt 2 / 1 + 2 Nullstellen zusammenfallen, v o n denen nach Ziffer 28 ebenfalls nur zwei vorher reell sein konnten, muß sich die 2n-fache Nullstelle genau in In imaginäre Nullstellen spalten. Diese rücken in den Nullpunkt, wenn v schließlich n + 1 erreicht; da aber z = 0 jetzt eine (2n + 2)-fache Nullstelle von z " / _ r ( z ) ist, müssen gleichzeitig zwei der reellen Nullstellen gegen Null streben. Da von den imaginären Nullstellen höchstens zwei rein imaginär sein können, ') A. H u r w i t z , Math. Ann. 33 (1889), S. 246—266. >) E. H i l b , M. Z. 15 (1922), S. 274—279.
67
Fourier-Bessel-Entwicklungen.
ist dies wegen der spiegelbildlichen Lage der Nullstellen zu den beiden Koordinatenachsen dann und nur dann der Fall, wenn n ungerade ist. / _ , ( z ) h a t also f ü r n < v < n + 1 genau 2n i m a g i n ä r e N u l l s t e l l e n , v o n d e n e n zwei f ü r u n g e r a d e n rein i m a g i n ä r sind.
e) Reihenentwicklungen. 31. Fourier-Bessel-Entwicklongen. Hauptsächlich werden die Besselfunktionen in der mathematischen Physik verwendet, wenn es sich darum handelt, für eine Funktion eine Entwicklung von der Gestalt 00
/(») =
£
m=l
anzugeben. Dabei bedeuten die Zahlen km (m = 1, 2, 3 , . . . ) die nach ihrer Größe geordneten positiven Nullstellen von /„(x), v wird > — 1 vorausgesetzt. Wenn diese Reihe im Intervall 0 ^ x ^ 1 gleichmäßig konvergiert, erhält man durch Multiplikation mit £/„(&„£) und Integration zwischen 0 und 1 i
Cm = TTTTTTi / JvlAm) J 0 Denn aus Formel (24, 5) ergibt sich
X
f ( X ) I,{kmX)dx.
i
(1)
o/ xlv(kmx)lv(knx)dx
= 0
für m ^ n
und aus Formel (24, 6) i
(2)
f xi.(kmx)»dx = irr(kmr. o Die Voraussetzung v > — 1 bewirkt, daß die Integrale auf der linken Seite vorhanden und endlich sind. Die linken Seiten der Formeln (24, 5) und (24, 6) geben für x = 0 tatsächlich Null, weil die Glieder niedrigster Ordnung, die einen von Null verschiedenen Koeffizienten haben, diejenigen sind, deren Ordnung 2v + 2 beträgt. Z u f o l g e G l e i c h u n g (1) b i l d e n also d i e F u n k t i o n e n j/a: Ir(kmx) (m — 1, 2, 3, . . . ) ein o r t h o g o n a l e s F u n k t i o n e n s y s t e m in b e z u g auf d a s I n t e r v a l l (0, 1). Mit H i l f e d e r G l e i c h u n g (2) k a n n es n o r m i e r t w e r d e n . Ohne Beweis sei erwähnt, daß die Sätze, die in der Einleitung (Ziff. 2) für die Entwicklung einer Funktion in Fouriersche Reihen angegeben sind, auch für die eben erwähnte Entwicklung nach Besselfunktionen gelten, und zwar in folgender Form: W e n n die a n g e g e b e n e n B e d i n g u n g e n i m I n t e r v a l l 0 < x < 1 e r f ü l l t s i n d u n d a u ß e r d e m n o c h )/a- f(x) f ü r O ^ r r f S 1 a b s o l u t i n t e g r i e r b a r i s t , d a n n g e l t e n die b e t r e f f e n d e n F o l g e r u n g e n im I n t e r v a l l 0 < x < l . Genaueres siehe in dem in Ziff. 10 angegebenen Buch von W a t s o n , Kap. 18. 5*
68
II. Abschnitt.
Besselfunktionen.
32. Kepler-Bessel-Entwieklungen. Wir wollen jetzt etwas genauer die astronomische Fragestellung betrachten, bei der L a g r a n g e auf Besselfunktionen gestoßen ist. Es handelt sich um die elliptische Bewegung eines Planeten um die Sonne. Der Planet P (siehe Abb. 9) möge sich in einer Ellipse um die Sonne S bewegen, die sich in einem Brennpunkt der Ellipse befindet. 0 sei der Mittelpunkt der Ellipse, A der der Sonne zunächst gelegene Endpunkt der großen Achse (das P e r i h e l ) . Wir zeichnen um 0 einen Kreis mit dem Halbmesser OA und fällen das Lot von P auf OA, das A den Kreis in Q schneiden möge. Man nennt OA = a die g r o ß e H a l b a c h s e , SP = r d e n R a d i u s v e k t o r , >--Uv + 2 fj,vr"- Ut = fi(/i+2v + i)r'-*U„
somit
2v—1
A 2
f/J = 0;
1
da außerdem £/_ v _ 1 = r- *- Uv homogen vom Grade — v — 1 ist, haben wir damit eine räumliche Kugelfunktion dieses Grades erhalten. 1 Wie oben erwähnt, ist jede der ra-ten partiellen Ableitungen von — r (n ist natürlich eine ganze positive Zahl) eine räumliche Kugelfunktion vom Grade — n — 1. Eine solche Ableitung hat aber, wie sich leicht durch Rechnung %n (^ y ) ergibt, die Gestalt - " - ¿ p i — , wo gn(x,y,z) ein homogenes Polynom w-ten Grades ist. Da sich nun, wie oben gezeigt wurde, a u s j e d e r r ä u m l i c h e n K u g e l f u n k t i o n re-ten G r a d e s w i e d e r eine r ä u m l i c h e K u g e l f u n k t i o n h e r l e i t e n l ä ß t , w e n n man sie m i t / - - 2 " - 1 m u l t i p l i z i e r t , so i s t
s e l b s t eine r ä u m l i c h e K u g e l f u n k t i o n w-ten Grades. 5. Ganze rationale räumliche Kugelfunktionen. Eine homogene ganze rationale Funktion w-ten Grades von x, y, z, hat die Gestalt
V« = 2J
a
tx+ß + Y = n
aßy^yßzV-
Nach dem Taylorschen Satz kann jeder Koeffizient aaj9„ bis auf einen Zahlenfaktor als n-te Ableitung in der Form Kda'dyOczvl z=0, y=o, z-=o dargestellt werden. Zufolge der Beziehung _ _ c2 Un c- Un 2 cx* ~ dy dz2 lassen sich aber sämtliche dieser Ableitungen, in denen mehr als einmal nach x differenziert wird, linear homogen durch die übrigen darstellen, d. h. sämtliche Koeffizienten von Un sind homogene lineare Funktionen der 2n + 1 Koeffizienten a
O,n,Oi
a
a
\,n—1,0)
a
0,n—1,
Ii • • • aO, 0,11 i
\,n — 2, l l • • • al,0,
n—1 l
in denen , r sin & sin tp, r cos 0) = r'S,(&, abhängige Funktion Sv(&, q>) nennt man die zu Uv g e h ö r i g e K u g e l f l ä c h e n f u n k t i o n . Nach (4, 1) ist 3 ( 2du,\ d = v(Vy + vUr) = v(v + l )UV. Sv genügt daher der Differentialgleichung
„(!)*".
n =0 Fassen wir « als komplexe Veränderliche auf, so ist die linke Seite eine analytische Funktion von « , deren singulare Stellen die Lösungen e±i9 der Gleichung 1 — 2„(— 1) = ( - l ) n nach Formel (9, 5), i>„(+ 1) = 1 nach (9, 4), d. h. die Zahlenreihe Pn(— 1) (re = 0, 1, 2 , . . ., m) hat m Zeichenwechsel, die Zahlenreihe Pn(-\~ 1) gar keinen. Nach dem Sturmschen Satz h a t also Pm(£) im I n t e r v a l l — gerade m einfache N u l l s t e l l e n . D a m i t sind aber s ä m t l i c h e N u l l s t e l l e n von Pm(!-) g e f u n d e n , da es als P o l y n o m /ra-ten Grades n i c h t mehr h a b e n kann. Weil aber zwischen zwei aufeinanderfolgenden Nullstellen von Pm($) mindestens eine Nullstelle von Pm_x(|) liegen muß und Pm_i(i) gerade m — 1 einfache Nullstellen hat, l i e g t zwischen zwei a u f e i n a n d e r f o l g e n d e n N u l l s t e l l e n eines L e g e n d r e s c h e n P o l y n o m s g e r a d e eine Nulls t e l l e des L e g e n d r e s c h e n P o l y n o m s mit dem n ä c h s t n i e d r i g e r e n Zeiger. 13. Zugeordnete Legendresche Funktionen. P„($) genügt, wie wir gesehen haben, der Differentialgleichung (7, 1)
Für die erste Ableitung P'n(£) erhalten wir daher, wenn wir diese Gleichung nach | differenzieren,
III. Abschnitt.
92 (1-P)
B).
setzen
n,ro = sin m 0i ) £ n ) (cos
(2)
u n d n e n n e n P n > m e i n e z u g e¡oorr d n e t e LL e g e n d r e s c h e F u n k t i o n m - t e r O r d n u n g . E s ist also ein Polynom (n /ra)-ten Grades in multipliziert m 2 mit (1 —1 )2". Da P „ ( i ) n verschiedene zwischen — 1 und + 1 gelegene Nullstellen hat und zwischen zwei solchen Nullstellen immer mindestens eine Nulistelle der Ableitung liegen muß, so h a t a u c h -P(„m)(f) u n d d a h e r a u c h P„, m (£) g e r a d e n — m v e r s c h i e d e n e z w i s c h e n — 1 u n d + 1 gelegene N u l l s t e l l e n . Sie liegen s p i e g e l b i l d l i c h zum N u l l p u n k t , wie aus P(nm)(— i) = (— l ) m + n P'nm)(i) folgt. Es ist * « . o ( f ) = PnG), Pn.»G)
= o für m > n.
Um die Differentialgleichung abzuleiten, der Pn,m(£) (3)
genügt, bilden wir
K5 (mm>) = P sin' ,(m)
1
dPl
sin
dPn, d&
~>
m cos & •_
r 9 n
n,Tn
sin 1 d*P„,m (2ms i+n m1) sin m + 2 $ d& 2 + 3cosd # dP m[ 1 + (m + 1) cos 2 •»] + Pn; sin™+4 d daher ist gemäß (1)
•
m +-&
dP„,
d*P, n, m
COS dPn r + n(n + 1) sin2 •& Pn.m = 0. sin & d& Diese Differentialgleichung läßt sich in der Gestalt
sin
( • « dPn,n\ \am * i w - l
+
n(n + 1)
m sin2
Pn.,
93
Laplacesche Kugelfunktionen.
dS oder wegen J T = — sin # auch in der Form dv m' d_ dP , , (1 - f i ) n r = 0 + n(n + 1) 1 - f J df ds oder u,r d n,m P m' d*Pn, (1 - f«) = 0 + n(n + 1) 1 - P 4 df schreiben. Wir wollen diese Gleichung etwas näher betrachten. Wie wir gesehen haben, geht sie durch die Formel (3) in die Differentialgleichung (1) über. Wir können also auch diese der Untersuchung zugrunde legen. Wir wollen dabei m und n als beliebige komplexe Konstante ansehen und an Stelle von £ die Veränderliche z durch die Beziehung f = 1 — 2z einführen. P^ ist natürlich dann nicht mehr als m-te Ableitung von Pn aufzufassen, sondern als Funktion der komplexen Veränderlichen z und der komplexen Parameter m und n. Setzen wir schließlich noch x = m — n, ß — m n + 1, y = m + 1, so verwandelt sich (1) in die hypergeometrische Differentialgleichung -z)
dzw dz 2
[y ~ (