Reichsgesetz über den Verkehr mit Kraftfahrzeugen vom 3. Mai 1909: Nebst den Vollzugsvorschriften des Bundesrates von Preussen und Bayern, sowie dem Internationalen Abkommen [Reprint 2021 ed.] 9783112456941, 9783112456934


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German Pages 248 [260] Year 1911

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Reichsgesetz über den Verkehr mit Kraftfahrzeugen vom 3. Mai 1909: Nebst den Vollzugsvorschriften des Bundesrates von Preussen und Bayern, sowie dem Internationalen Abkommen [Reprint 2021 ed.]
 9783112456941, 9783112456934

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über den

Verkehr mit Kraftfahrzeugen vom 3. Mai 1909

nebst -en Vollzugrvorfchriften -er vun-errates, von prentzen un- Sayern, sowie -em Internationalen Abkommen. Textausgabe mit Anmerkungen

Philipp Seuflert, Rechtsanwalt Syndikus des Bayerischen Automobilklubs in INünchen.

1910.

München und Berlin. 3. Schweitzer Verlag (Arthur Lellier).

Vorwort. Das vorliegende Buch will lediglich eine Text­ ausgabe mit Anmerkungen sein. Der Berfasser hat es danach als seine Aufgabe betrachtet, das gesamte Gesetzes-Material zusammenzustellen und auf die Zusammenhänge hinzuweisen. Ausführliche Er­ örterungen lagen nicht im Plane des Buches. Biele Bearbeitungen des Gesetzes sind bereits erschienen. Im Einverständnis mit dem Verlage wurde mit der Herausgabe gewartet, bis das Gesetz­ gebungswerk, abgesehen von lokalen Vorschriften, vollständig abgeschlossen war. München, 10. Juli 1910.

Der Verfasser.

Inhaltsübersicht. Seite

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Einleitung

Gesetz »der de« Verkehr mit Kraftfahr­ zeuge«. Bom 3 Mai 1909 .... I. Verkehr-vorschriften II. Haftpflicht III. Strasvo^schriften

1—6 7—20 21—26

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Anhang. 1. vekanntrnachnng, detr. die Negelnng M Verkehr- mit Krastfahrzeage«. Bom 3. Februar 1910 Verordnung über den Verkehr mit Kraftfahrzeugen .... A. Allgemeine Vorschriften .... B. Das Kraftfahrzeug C. Der Führer deS Kraftfahrzeug- . D. Die Benutzung öffentlicher Wege und Plätze E. Das Mitführen von Anhänge­ wagen F. Untersagung des Betriebs . . . G. Ausnahmen H. Verkehr über die Reichsgren-e und im Zollgrenzbezirte J. Schluß- und Uebergangsbestimmungen Anlage A z u § 5 Abs. 4. An­ weisung über die Prüfung von Kraftfahrzeugen . . . Anlage B zu 8 14 Abs. 4. An­ weisung über die Prüfung der Führer von Kraftfahr­ zeugen Plan für die Kennzeichnung der Kraftfahrzeuge ....

73—118 1—40 1—2 3—13 14—21

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VI

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§§

Seite

II. gttmmtimto Abkommen «der den verkehr mit Kraftfahrzeugen. Bom 11. Oktober 1909 mit Anlagen A—D . 119—136 III. Bekanntmachung betr. die Ratifikation de- nm 11. Oktober 1909 in Paris unter zeichneten Internationalen Abkommenüber den Verkehr mit Kraftfahrzeugen und die Regelung de- Internationalen Verkehr- mit Kraftfahrzeugen. Vom 21. April 1910 ....... 137-118 Verordnung über den inter­ nationalen Verkehr mit Kraft­ fahrzeugen 1—16 138 A. Allgemeine Vorschriften . . . 1—2 138 B. Deutsche Kraftfahrzeuge im inter­ nationalen Verkehr 3—4 138 C. Außerdeutsche Kraftfahrzeuge mit einem internationalenFahrausweis 5—9 140 D. Außerdeutsche Kraftfahrzeuge ohne einen internationalen Fahrausweis 10—12 143 E. Besondere Vorschriften .... 13—14 146 F. Schlußbestimmungen 15—16 147 Anlage zu tz 5 Abs. 3. Verzeich­ nis der dem internationalen Abkommen beigetretenen Staaten ... 148 IV. Bekanntmachung de- K Bayer. StaatSminifterium- de- Innern, den Vollzug der VO. über den Verkehr mit Kraft­ fahrzeugen vom 3. Februar 1910 betr. Bom 17. März 1910 ..... 149-174 I. Allgemeine Bestimmungen .... 149 II. Besondere Bestimmungen 152 HI. Schlußbestimmungen ..... 167 Anlage 1: Antrag auf Zu­ lassung von Kraftfahrzeugen . 169 Anlage2:Bedingungenfürdie Zuteilung von Kennzeichen für Kraftfahrzeuge zu Probe­ fahrten 171

vn

Inhaltsübersicht.

Sette

V. Bekanntmachung der K. Bayer. Staats­ ministerien deS Innern und der Finanzen, den Vollzug der Verordnung über den iuternatioualen Verkehr mit Kraftfahr­ zeuge» betr. Bom 28. April 1910 . . VI. Verfügung der K. Preust. Minister der öffeutl. Arbeite« und deS Inner« vom 25. Februar 1910, nebst Anweisung betr. den Verkehr mit Kraftfahrzeuge» . Anlage^. Anweisung zurAus­ führung der BO. über den Verkehr mit Kraftfahrzeugen VII. UnSzug auS dem ReichSstempelgesetz 8. Iunt 1906

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VIII UnSzug auS der vekauutmachnug des Reichskanzlers vom 15. Jnli 1906, dieAnSführuugSdorschristeu deS Bundes, rat- zn« ReichSstempelgefetz betr. . . 103—118 IX. Reichsgesetz betr. die Stempelabgabe von ErlanbrnSkarteir für Kraftfahrzeuge ausländischer Besitzer. Bom 18. Mai 1908 1—2 X. AnSführnng-vorfchristeu deS BundeSrats dazu. Dom 29. Mai 1908 . . XI. OesterreichifcheS Automobilhastpflicht. gefetz vom 9. August 1908 .... 1—15 XII. HastpflichtverficherungSbedingnngen deS Kaiserlichen und des Bayerischen Automobilklubs ................................ XIII. Alphabetische- Sachregister . . .

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215 220 232

Abkürzungen. a. a. O. = am angeführten Orte Anm. = Anmerkung BayerMB. = Bayerische Bekanntmachung deS StaatSministeriumS des Innern vom 17. März 1910, den Vollzug der Verordnung über den Ver­ kehr mit Kraftfahrzeugen vom 3.Februar 1910 betr. (Ministerial-AmtSblatt Nr. 12 S. 195) BGB. — Bürgerliches Gesetzbuch BB. = BundeSratSverordnung über den Verkehr mit Kraftfahrzeugen vom 3. Februar 1910 (RGBl. Seite 389) BBJ. = BundeSratSverordnung über den Internatio­ nalen Verkehr mit Kraftfahrzeugen vom 21. April 1910 (RGBl. S. 640) SG. = Einführungsgesetz GBG. — GerichtSverfaffungSgesetz JA. — JnternationaleSAbkommenüberdenBerkebr mit Kraftfahrzeugen vom 11. Oktober 1909 (RGBl. 6. 603) IW. = Juristische Wochenschrift PBB. — Verfügung der Preußischen Minister der öffentlichen Arbeiten und deS Inneren vom 25. Februar 1910 nebst Anweisung betr. den Verkehr mit Kraftfahrzeugen (Mini­ sterialblatt für die preußische innere Ver­ waltung S. 62) RG. — Reichsgericht RGBl. — Reichsgesetzblatt RStSB. — Reichsstrafgesetzbuch S. = Seite StBer. — Stenografische Berichte d. Deutsch. Reichstags Vgl. — zu vergleichen ZPO. — Zivilprozeßordnung.

Einleitung. Um die Wende des Jahrhunderts hatte die Technik beit Explosions-Motor einerseits, die Gummibereifung andrerseits bis zu einem solchen Grade der Gebrauchs­ fähigkeit entwickelt, daß das auf der Vereinigung beider beruhende Kraftfahrzeug — das „Automobil" nach all­ gemeinem Sprachgebrauch — eine erhebliche Verbreitung im Verkehrsleben gewann. Nach einer Mitteilung des Abgeordneten von Maltzahn im Reichstage im Jahre 1904 wurde die Zahl der Kraftfahrzeuge in Deutschland für das Jahr 1902 auf etwa 2000 berechnet. Für den 1. Januar 1907 fand einer Auf­ forderung des Reichstages gemäß die erste amtliche Zählung statt. Damals bereits war die Zahl der Kraft­ fahrzeuge (Kraftwagen und Krafträder) auf 27026 ge­ stiegen, darunter 1211 Lastfahrzeuge. Die zweite Zäh­ lung ergab für den 1. Januar 1908 34254 Personenund 1778 Last-Kraftfahrzeuge. Am 1. Januar 1909 waren 41727 Kraftfahrzeuge, unter diesen 2252 Last­ fahrzeuge im Betriebe. Das neue Fahrzeug rief sofort, sobald es in größerer Anzahl im Verkehre auftrat, lebhaften Widerstand in der Bevölkerung hervor. Man klagte über Belästigung durch Geräusch, üble Gerüche und Staubentwicklung. Der Widerstand steigerte sich zur Feindschaft, als ver­ schiedene durch das Fahrzeug angerichtete schwere Un­ fälle bekannt wurden. Insbesondere erregten die öffent­ liche Meinung in der Presse erschienene Mitteilungen, wonach in einigen besonders schweren Fällen der Übel­ täter sich seiner Feststellung durch die Flucht entzogen Geuffert, verkehr mit Kraftfahrzeugen.

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und dadurch dem Geschädigten die Möglichkeit, Schaden­ ersatz zu erlangen, geraubt habe. Außerdem wurden Berichte veröffentlicht, wonach die Gerichte Schadens­ ersatzansprüche Verletzter abgewiesen hätten, da die rechtliche Grundlage nach dem bestehende Rechte fehle. Die Tagespresse vertrat demgemäß als Forderun­ gen der öffentlichen Meinung: Einschränkung der Automobile durch eine erhebliche Luxussteuer, poli­ zeiliche Verordnungen zur Regelung der Geschwindig­ keit, polizeiliche Untersagung der Benutzung bestimmter Straßen, Abhängigmachung des Betriebes von einerpolizeilichen Prüfung des Fahrzeuges und des Fahrers, Möglichkeit polizeilicher Entziehung der Fahrerlaubnis, scharfe Strafbestimmungen gegen fahrlässige Schädigun­ gen durch Automobile und Einführung erheblicher Stra­ fen wegen Zuwiderhandlungen gegen die Polizeiverord­ nungen, endlich Ausdehnung der zivilrechtlichen Haf­ tung des Automobilbesitzers auf alle Schadensfälle ohne Rücksicht auf Verschulden. Auch in der juristischen Lite­ ratur wurde ein rechtliches Bedürfnis der Regelung des Verkehrs mit Kraftfahrzeugen anerkannt und die gesetzgeberische Ausgestaltung besprochen. Der 26. Deutsche Juristentag beschäftigte sich eingehend mit dieser Frage. Von erschöpfenden Darstellungen sind: Meili,Rechtliche Stellung der Automobile, Zürich 1902, und insbeson­ dere Isaac, Das Recht des Automobils 1. Aufl. 1905, 2. Aufl. 1907 zu nennen. Die Zuständigkeit zur Erlassung der geforderten Maßregeln war eine verschiedene. Zur Besteuerung waren sowohl das Reich als die Bundesstaaten berech­ tigt. Der Reichsgesetzgebung ausschließlich vorbehaltene Steuerobjekte sind nur die in Art. 35 der Reichsver­ fassung genannten. Die Erhebung von Stempelabgaben, von der das Reich ausgiebigen Gebrauch gemacht hat, steht auch den Bundesstaaten zu. Zur polizeilichen Regelung des Kraftverkehrs waren die Bundesstaaten als Träger der Polizeigewalt allein befugt. Der Bundesrat ist gemäß Art. 7 der Reichs­ verfassung nur dann zur Erlassung von allgemeinen Verwaltungsvorschriften (Polizeivorschriften) berechtigt,

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wenn sie in den Rahmen von Ausführungsvor­ schriften zu Reichsgesetzen fallen. Vor Erlassung des gegenwärtigen Reichsgesetzes fehlte also dem Bundes­ rat jegliche Befugnis zur Regelung des Kraftwagen­ verkehres. Der Reichsgesetzgebung ist die Ordnung des allgemeinen Verkehres durch die Reichsverfassung nicht überwiesen. Sie kann aber jederzeit ihre Zuständigkeit erweitern, soferne nur die Vorschriften des Art. 78 der Reichsverfassung über Änderungen der Verfassung be­ obachtet werden. Damit war die rechtliche Möglichkeit, durch Reichsgesetz Polizeivorschriften für den Kraftwagenverkehr zu erlassen, gegeben. Für das öffentliche Fuhrwerk in den Städten war bereits durch § 37 GewO, den Ortspolizeibehörden eine selbständige Befugnis zur Einführung von Polizeivor­ schriften erteilt. Die polizeiliche Ordnung umfaßt insbesondere auch die Einführung einer Prüfung und einer Erlaubnis­ karte für den Fahrer. Die Entziehung der Fahrerlaubnis konnte, abgesehen vom öffentlichen Fuhrwerk innerhalb der Orte, aus dem von Isaac a. a. O. erwähnten zutreffenden Grunde nach dem bisherigen Stande der Gesetzgebung durch Landesgesetz oder Landespolizeiver­ ordnung nicht eingeführt werden, da sie sich als im Reichsstrafgesetzbuch nicht vorgesehene Strafe darstellt. Es bedurfte einer reichsgesetzlichen Einführung. Die Befugnis zur Sicherung der Befolgung der erlassenen landespolizeilichen Anordnungen durch Straf­ androhungen beruhte auf § 366 Ziff. 10 RStGB. Der Strafrahmen von 60 Mark Geldstrafe oder 14 Tage Haft konnte nur durch Reichsgeseh erweitert werden. Ebenso konnten umfassende Strafbestimmungen gegen fahrlässige Vergehen im Automobilbetriebe nur durch Reichsgesetz zur Geltung gelangen. Die Ausdehnung der zivilrechtlichen Haftung für Automobilschäden konnte nach Art. 105 mit Art. 218 EGzBGB. auch durch Landesgesetz erfolgen. Von den Behörden stellten zuerst (vgl. Isaac, Das Recht des Automobils) städtische Polizeiverwal­ tungen, fußend auf der in den allgemeinen Polizei-

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gesehen erteilten Ermächtigung, Vorschriften zur Re­ gelung des Automobilverkehres auf. Die Regierungen der Einzelstaaten folgten nach. In Preußen trafen fast durchweg die Oberpräsidenten der einzelnen Provinzen allgemeine Bestimmungen, nachdem der Polizeipräsi­ dent von Berlin mit einer Verordnung vom 15. April 1901 den Anfang gemacht hatte. (Vgl. die umfassende Darstellung und Übersicht bei Isaac, Das Recht des Automobils, 1. Aufl. S. 1 ff., 2. Ausl. S. 21 ff.) Die Bayerische Staatsregierung erließ auf Grund des § 366 Nr. 10 des Strafgesetzbuchs für das Deutsche Reich und gemäß Art. 2 Zisf. 6 des Polizeistrafgesetzbuchs für das Königreich Bayern am 7. Mai 1902 Oberpolizeiliche Vorschriften über den Verkehr mit Motorfahrzeugen auf öffentlichen Wegen, Straßen und Plätzen, die am 1. Juni 1902 in Kraft getreten sind. Sie enthielten allgemeine Anordnungen über die Beschaffenheit der Wagen, die notwendigen Sicherheitsvorrichtungen, über Anzeige­ pflicht für Inbetriebsetzung, Eigenschaften des Fahrers und Fahrvorschriften. Die zivilrechtliche Haftung auf ohne Verschulden angerichteten Schaden auszudehnen, zögerten die Lan­ desregierungen. Im Gegenteil vertrat die bayerische Regierung im Bundesrat die Anschauung, daß sich nur die Regelung durch Reichsgesetz empfehle. Im Jahre 1902 wurde die Frage zum erstenmal im Reichstage erörtert. In der Sitzung vom 11. Fe­ bruar 1902 (StenB. 00/02 Bd. 5) verlangte bei der Etatsberatung der konservative Abgeordnete von Malt­ zahn ausgiebigeren Schutz des Publikums gegen die Gefahren des Automobilverkehres und regte die Aus­ dehnung der Haftpflicht auf den Umfang der Haftung der Eisenbahnen an. Der Staatssekretär des Reichs­ justizamts Nieberding betonte in seiner Antwort, daß für die Erlassung allgemeiner Verkehrsbestimmun­ gen noch nicht genügendes Material vorliege, das die Landesregierungen beschaffen müßten. Die Einführung einer höheren Haftpflicht wolle er im Hinblick auf Art. 105 EGzBGB. der Erwägung der Landesregierun­ gen überlassen.

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In der Sitzung vom 18. Februar 1903 (StenB. Bd. 9 S. 8017 D) erklärte der freisinnige Abgeordnete Pachnicke die Erlassung einer einheitlichen Verkehrs­ ordnung für Kraftfahrzeuge für wünschenswert unter Hinweis darauf, daß zurzeit etwa 30 verschiedene Ver­ kehrsordnungen im Deutschen Reich bestünden. Der Staatssekretär des Innern Graf von Posadowsky konnte erwidern, daß ein Entwurf für einheitliche Grundzüge gerade der Begutachtung der preußischen Ressorts unterlägen. In der Sitzung des Reichstags vom 16. März 1903 kam eine Petition des Verbandes Deutscher Lohnfuhr­ unternehmer in Frankfurt zur Verhandlung. Sie ver­ langte den Erlaß eines Reichsgesetzes über Ausdehnung der Haftpflicht der Besitzer von Kraftwagen für Schäden an Personen und Sachen. Die Petitions-Kommission, in der der Regierungsvertreter das Festhalten an der landesgesetzlichen Zuständigkeit in Aussicht gestellt hatte, hatte beschlossen, die Petition dem Reichskanzler als Material zu überweisen (StenB. 00/03 Anl. Bd. 6 S. 529). Das Plenum des Reichstages beschloß jedoch, einem sozialdemokratischen Antrag Meister entspre­ chend, die Überweisung zur Berücksichtigung (StenB. 00/03 Bd. 10 S. 8679 D). Im folgenden Jahre brachten drei große Parteien des Reichstages, Nationalliberale, Zentrum, Konserva­ tive zum Etat des Reichsamts des Innern und des Neichsjustizamts Resolutionen ein, um eine erschöpfende Erörterung aller einschlägigen Fragen herbeizuführen. Prinz zu Schoenaich-Carolath beantragte am 29. Januar 1904 unter Unterstützung der National­ liberalen, Freikonservativen, Freisinnigen und Deutschen Volkspartei, auf einheitliche landesgesetzliche Bestim­ mungen hinzuwirken, welche Leben und Eigentum der Reickseingesessenen gegenüber Schädigungen durch Automobne in verstärktem Maße schützen (StenB. 03/04 Anl. Bd. 2 Nr. 203). Ferner verlangte die Resolution die Herstellung einer Automobilunfall-Statistik für das Reich. Die vom Abgeordneten Groeber mit Unterstützung des Zentrums eingebrachte Resolution vom 6. Februar

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1904 (StenB. 03/04 Anl. Bd. 2 Nr. 213) forderte von den verbündeten Regierungen die Einbringung eines Gesetzentwurfs, wodurch die Automobilbetriebs-Unter­ nehmer für angerichteten Schaden für haftbar erklärt werden, falls sie nicht beweisen, daß der Unfall durch höhere Gewalt oder eigenes Verschulden des Verletzten verursacht ist. In ähnlicher Weise ersuchte eine weitere Resolution Prinz zuSchoenaich-Carolath - Dr. Bärwinkel (StenB. 03/04 Anl. Bd. 2 Nr. 214) um eine dem Reichs-Haftpflichtgesetze vom 7. Mai 1871 analoge Regelung der Verbindlichkeit zum Schadensersatz für durch die Automobile herbeigeführten Tötungen, Körper­ verletzungen und Sachbeschädigungen. Endlich verlangte die von den Konservativen unterstützte Resolution von Maltzahn (StenB. 03/04 Anl. Bd. 2 Nr. 227) für den Fall der Annahme der Resolution Groeber die Einbringung eines Gesetzentwurfs, wonach die Betriebs­ unternehmer der Kraftfahrzeuge zu einer Genossenschaft vereinigt werden und diese Genossenschaft dem Verun­ glückten für ersatzpflichtig erklärt werde. Sämtliche Resolutionen kamen in der Sitzung des Reichstages vom 26. Februar 1904 (StenB. 03/04 Bd. 2 S. 1287 D ff.) zur Beratung. Der Ruf nach Beschrän­ kung und Eindämmung des Automobilverkehres über­ haupt, wie er in den Automobilsteuerbestimmungen ge­ setzgeberische Gestalt angenommen hatte, wurde nicht mehr erhoben. Es wurde vielmehr das Automobil als ein für die Volkswirtschaft und die Wehrkraft wert­ volles und entwicklungsfähiges Verkehrsmittel aner­ kannt. Der vielfach insbesondere aus automobilistischen Kreisen erhobene Einwand, durch die geplanten Maß­ regeln würden die deutsche Industrie und der deutsche Handel geschädigt, wurde als nicht stichhaltig erklärt. Einheitliche polizeiliche Vorschriften für das ganze Reichs­ gebiet seien im Interesse der Automobilisten erforder­ lich, da der Verkehr ständig die Landesgrenzen über­ schritte. Das Hauptaugenmerk sei auf eine sorgfältige Auswahl und gründliche Ausbildung der Führer zu richten. Die Einführung einer Zwangsgenossenschaft als Trägerin der Haftpflicht empfehle sich, da auch viele

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kleine, nicht kapitalkräftige Betriebsunternehmer be­ teiligt seien. Regierungsseitig wurde der Genossenschaftshaftung gegenüber geltend gemacht, daß die statistischen Unter­ lagen für die Bemessung der Beiträge und die Bildung von Gefahrenklassen noch ermangelten. Der Abgeordnete Müller-Meiningen forderte die Regelung der ganzen Materie des Automobilverkehres, nach der öffentlichrechtlichen, polizeilichen, strafrechtlichen sowie der zivilrechtlichen Seite in einem Reichsgesetz. Sämt­ liche Resolutionen wurden angenommen. Damit waren der Reichsrcgierung die einzuschlagcnden Wege gewiesen: Erlassung einheitlicher Verkehrsnormen, Einführung erhöhter Strafbestimmungen, Übertragung der Haftpflichtbestimmungcn der Eisenbahn auf das Automobil unter Einbeziehung der Sachschäden. Im Jahre 1905 wurden die verbündeten Regierungen von mehreren Seiten im Reichstage an die gefaßten Resolutionen er­ innert. Staatssekretär Nieberding konnte demgegen­ über darauf Hinweisen, daß die Vorbereitungen in vollem Gange seien. Den Anfang des Vorgehens im Wege der Gesetz­ gebung bildete die Vorlage zur Ergänzung des Reichs­ stempelgesetzes durch Einführung einer Stempelpslicht der Erlaubniskarten für Automob ilsührcr. Dadurch wurde gleichzeitig den Einzelstaaten zur Pflicht gemacht, solche Erlaubniskarten polizeilich einzuführen. Die Re­ gelung der Vorbedingungen für die Erlangung ergab sich daraus von selbst. Die Bestimmungen des Entwurfs wurden angenommen. Sie sind enthalten in dem Gesetz betreffend die Ordnung des Reichshaushaltes und die Tilgung der Reichsschuld und Abänderung des Reichs­ stempelgesetzes vom 3. Juni 1906 (RGBl. S. 620 inso. S. 649 ff.). In der neuen Veröffentlichung des Textes trägt das Reichsstempelgesetz das Datum vonl 15. Juli 1909 (RGBl. S. 833). "Einschlägig sind die §§ 56—65 und Tarif Nr. 8. Eine sachliche Änderung ist nicht ein­ getreten. Später wurden diese Bestimmungen ergänzt durch das Gesetz, betreffend die Stempelabgabe von Erlaubniskarten für Kraftfahrzeuge ausländischer Be-

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sitzer vom 18. Mai 1908 (RGBl. S. 210). Zu beiden Gesetzen hat der Bundesrat Ausführungsbestimmungen erlassen (siehe Anhang). Am 1. März 1906 legte der Reichskanzler dem Reichstag den Entwurf eines Gesetzes über die Haft­ pflicht für den bei dem Betriebe von Kraftfahrzeugen entstehenden Schaden vor (StenB. Anl. Bd. 4 Nr. 264). Der Entwurf umfaßte nur 8 Paragraphen und wollte lediglich die zivilrechtliche Seite der Frage neu ordnen. Er beabsichtigte die Haftung für Beschädigungen durch Automobile nach denselben Grundsätzen einzuführen wie sie das Reichshaftpflichtgesetz vom 7. Juni 1871 für die Eisenbahnen aufstellt, jedoch unter Ausdehnung auch auf die Sachschäden. Verpflichteter sollte sein der Be­ triebsunternehmer, das ist derjenige, „für dessen Rech­ nung und Gefahr" der Betrieb erfolgte. Ansprüche aus diesem Gesetze sollten nicht hergeleitet werden können, erstens für die Personen, die bei dem Betriebe des Fahr­ zeugs beteiligt waren oder im Fahrzeug befördert wur­ den, zweitens aus dem Betriebe von Fahrzeugen, die nach amtlicher Marke nicht mehr als 15 km Höchst­ geschwindigkeit erreichen. Am 28. April 1906 kam der Entwurf zur ein­ gehenden Beratung im Plenum (StenB. Bd. 4 S. 2731 D ff.). Der Grundgedanke, die reine GesährdehafLung, fand fast einstimmige Billigung seitens der Redner aller Parteien. Nur die Abgeordneten von Bockelmann von der Reichspartei und Mommsen von der Freisinnigen Vereinigung äußerten Bedenken. Die allzu strenge Haftung werde der Entwicklung des Verkehrsmittels hinderlich sein. Der Eisenbahnunter­ nehmer sei freier Herr auf seiner in seinem Besitz stehenden Bahn. Eben mildere man die strenge Gefährde­ haftung des Tierhalters nach § 833 BGB., da sie zu Härten und Unbilligkeiten geführt habe. Die Mehr­ heit verlangte dagegen Wegfall der im Entwurf vor­ gesehenen Haftungsbeschränkungen. Eine Zwangsgenossenschast, der die Haftung an Stelle der einzelnen überbürdet werden sollte, wurde einerseits zur Sicher­ stellung der Ansprüche der Verletzten, andrerseits zur

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Entlastung der kleinen Betriebsunternehmer gefordert. Die Vorlage wurde an eine Kommission von 14 Mit­ gliedern verwiesen. Schon sofort nach Veröffentlichung des Entwurfs hatte eine umfassende Gegenbewegung eingesetzt. Die Automobilindustrie, wie auch die Automobilklubs ver­ suchten durch Gegenschriften und öffentliche Vorträge auf Abgeordnete und Regierung im Sinne einer Milderung der Haftungsbestimmungen einzuwirken. Auf Veran­ lassung des Kaiserlichen Automobilklubs stellte Rechts­ anwalt Isaac in Berlin einen Gegenentwurf mit ein­ gehender Begründung auf. Dieser Entwurf wurde der Regierung und sämtlichen Abgeordneten übersendet. Die Automobilindustrie veranstaltete Fahrten für die Kom­ missionsmitglieder, damit diese sich selbst durch Augen­ schein von der Betriebsweise des Fahrzeugs überzeugen könnten. Der Kampf kam nicht zur Entscheidung. Der Reichstag verfiel im Dezember 1906 der Auflösung. Damit wurde der Entwurf gegenstandslos. Unterdessen hatten die verbündeten Regierungen ihr Versprechen der einheitlichen polizeilichen Regelung des Kraftwagenverkehrs eingelöst. Ein Beschluß des Bun­ desrats vom 3. Mai 1906, betreffend die Regelung des Verkehrs mit Kraftfahrzeugen sowie des allgemeinen Fährverkehrs hinsichtlich des Ausweichens der Fuhr­ werke, ersuchte die Bundesregierungen, den Verkehr mit Kraftfahrzeugen in ihren Gebieten nach Maßgabe der vorgelegten Grundzüge zu regeln, den Ausführungs­ vorschriften die beigegebenen Erläuterungen tunlichst auch dem Wortlaute nach zugrunde zu legen und die Kenn­ zeichnung der Kraftfahrzeuge nach einem beigegebenen Plane durchzuführen. Die Grundzüge betreffend den Verkehr mit Kraftfahrzeugen vom3.Mai 1906 sind im Reichsanzeiger vom 28. Mai 1906 ver­ öffentlicht. Sie erweitern gegenüber den bisherigen landesgesetzlichen Vorschriften die Anordnungen über Beschaffenheit und Ausrüstung der Fahrzeuge, führen polizeiliche einheitliche Erkennungsnummern ein. Sie treffen Bestimmungen über die polizeiliche Kennzeich­ nung der ausländischen Fahrzeuge. Hinsichtlich der

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Fahrregeln ändern sie die bestehenden Vorschriften hauptsächlich dahin, daß sie in Ortschaften 15 km Ge­ schwindigkeit gegenüber bisher 12 km zulassen. Auf dem Boden dieser Grundzüge haben sämtliche Bundes­ regierungen im wesentlichen gleichlautende oberpolizei­ liche Vorschriften erlassen. (Vgl. die Zusammenstellung bei Isaac a. a. O. 2. Ausl. S. 27ff.) In Bayern waren maßgebend die Oberpolizeilichen Vorschriften über den Verkehr mit Kraftfahrzeugen vom 17. September 1906 (GVBt. S. 729) mit den Vollzugsbestimmungen. MBek. vom gleichen Tage (GVBl. S. 748). In Preußen, haben die Oberpräsidenten und der Polizeipräsident von Berlin in der Zeit vom 30. Aug. 1906 bis 29. September 1906 die ausführenden Verordnungen erlassen. Die Vorschriften übernehmen fast wörtlich den Text der Grundzüge. Im Sommer 1908 wurde das Gesejrgebungswerk wieder ausgenommen, nachdem inzwischen umfassende statistische Aufnahmen über Zahl und Art der Kraft­ fahrzeuge, Zahl, Art unb Ursache der durch sie üerursachten schädigenden Ereignisse veranstaltet worden waren. Im Neichsanzeiger vom 19. Juni 1908 wurde der neue Entwurf für den Verkehr mit Kraftfahrzeugen veröffentlicht, wie er dem Bundesrat vorgetegt war. Der Entwurf unterschied sich wesentlich von dem des Jahres 1906. Er umfaßte nicht itur zivilrechtliche son­ dern auch polizeiliche (Fahrerlaubnis) und strafrechtliche Bestimmungen. Bei der zivilrechtlichen Haftung war der strenge Gefährdungsgcdanke des Eisenbahnhaftpflichtgesetzes nahezu aufgegeben. Der Verschuldensgedanke unter Abschwächung durch eine Verschuldensvermutung bildete die Grundlage der neuen Bestimmungen. Im großen und ganzen entsprach der Entwurf hinsichtlich der Haftpflichtbestimmungen dem von Isaac ausgearbeiteten Gegenentwurf des Kartells der Automobilklubs. Dem Reichstage ging die Vorlage nach einer kleinen Abänderung durch den Bundesrat am 28. Oktober 1908 zu (StenB. 1. Session 07/09 Nr. 988 der Drucksachen). Bereits am 5. November 1908 trat der Reichstag in die erste Beratung im Plenum ein, die Staatssekretär

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Nieb erding mit einer eindringlichen Empfehlung des Gesetzes unter Hinweis auf die neueste zum 1. Januar 1908 erstellte Statistik einleitete (StenB. 07/09). Die Meinungen unter den Rednern der Parteien, ob der Gesetzentwurf das richtige treffe, waren geteilt. Die Mehrzahl hielt an der früheren Anschauung fest, daß die Haftpflicht an die Gefährdung geknüpft werden müsse. Die Vorlage wurde schließlich an die 29. Kommission verwiesen. Die Kommission trat am 6. Dezember 1908 zu­ sammen und behandelte den Entwurf in zwei Lesungen. In erster Lesung wurde zunächst allerdings mit nur einer Stimme Mehrheit ein Antrag angenommen, der das 'Gefährdungsprinzip wieder zur Geltung brachte und die Haftung nur bei eigenem Verschulden des Ver­ letzten und bei einem „unabwendbaren äußeren Ereig­ nis" ausschloß. Ebenso strich die Kommission in erster Lesung die Haftpflichtbefreiung der Automobile mit ge­ ringer Geschwindigkeit und führte die Haftpflicht für dem Fahrzeuglenker (Chauffeur) widerfahrenen Schaden ein. Angesichts des Widerstandes des Reichsjustizamtes wurde aber in zweiter Lesung der Grundgedanke des Entwurfs, wenn auch in anderer und nicht gerade glück­ licher Fassung wieder angenommen. Ebenso wurde der Ausschluß der Haftung gegenüber dem Chauffeur wieder hergestellt. Der Ausschluß der Haftung bei Fahrzeugen mit geringer begrenzter Höchstgeschwindigkeit wurde auf Lastautomobile beschränkt Die Begrenzung der Haf­ tung der Summe nach mit 50000 Mark Kapital bzw. 3000 Mark Rente für den Schaden einer Person und 150000 Mark bzw. 9000 Mark Rente für den Schaden mehrerer Personen (§ 6 der Vorlage, § 12 des Gesetzes) wurde in erster Lesung gestrichen, auf eindringliche Vor­ stellungen von der Negierungsseite aber in ziveiter Le­ sung wieder hergestellt. Die Regierung verfocht mit Entschiedenheit die Auffassung, daß bei unbegrenzter Haftung die Versicherungsprämien für die meisten Fahrzeughalter unerschwinglich würden und damit die Sicherstellung des Schadens für den Beschädigten tat­ sächlich in Frage gestellt würde. Die Kommission nahm

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aber eine aus ihrer Mitte beantragte Resolution an, die verbündeten Regierungen um einen Gesetzentwurf zu ersuchen, der eine Zwangsgenossenschaft der Auto­ mobilhalter als Trägerin der Haftpflicht schaffe. Im übrigen ist aus den Kommissionsbeschlüssen hervorzu­ heben, daß Teil II des Entwurfs, der von der Fahr­ erlaubnis handelt, als Teil I an die Spitze gestellt wurde. Man ging hiebei von der Erwägung aus, daß dieser Teil die wichtigsten Bestimmungen des Gesetzes, Unfallverhütungsvorschristen, enthalte. Eine allgemeine Bestimmung, daß Kraftfahrzeuge der polizeilichen Zu­ lassung bedürfen und eine Begriffsbestimmung des Wortes Kraftfahrzeug wurde als Einleitung voraus­ geschickt. Der von dem Abgeordneten Dr. Bärwinkel erstattete umfangreiche Bericht vom 10. März 1909 ist enthalten in den StenB. 07/09 Drucksachen Nr. 1250. Die zweite Beratung im Plenum am 26. März 1909 (StenB. 07/09 S. 7751 C ff.) brachte nur unwesentliche redaktionelle Änderungen. Anträge auf Streichung der Hastpflichtausnahmen des § 2 des Entwurfs wurden abgelehnt, ebenso Anträge auf Beseitigung der Scha­ densbegrenzung. In dritter Lesung am 27. Juli 1909 (StenB. 07/09 S. 7792 B ff.) wurde nach kurzer Be­ sprechung der Gesetzentwurf in der Fassung der Be­ schlüsse zweiter Lesung einstimmig angenommen. Am 22. April 1909 erteilte der Bundesrat seine Zustim­ mung zu der vom Reichstag beschlossenen Fassung. Das Gesetz wurde am 3. Mai 1909 vom Kaiser vollzogen und im RGBl. Nr. 26 vom 12. Mai 1909 veröffentlicht. Gemäß § 26 des Gesetzes traten die Haftpflicht­ bestimmungen am 1. Juni 1909, die übrigen am 1. April 1910 in Kraft. Die nach § 6 des Gesetzes vorgesehenen Ausfüh­ rungsbestimmungen sind vom Bundesrat durch die Be­ kanntmachung betreffend die Regelung des Verkehrs mit Kraftfahrzeugen vom 3. Februar 1910 erlassen und im RGBl. S. 389, ausgegeben am 10. Februar 1910, veröffentlicht (abgedruckt im Anhang). Die Bundes­ ratsverordnung ist gemäß § 38 am 1. April 1910 in Kraft getreten. Die Bestimmung, welche Behörden unter

Einleitung.

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der Bezeichnung „Polizeibehörden" und „höhere Ver­ waltungsbehörden" zu verstehen sind, ist nach § 37 den Landeszentralbehörden überlassen. Ebenso ist den ein­ zelstaatlichen Polizeibehörden nach § 23 das Recht Vor­ behalten, mit Rücksicht auf den Zustand der Wege oder die Eigenart des Verkehrs oder mit Rücksicht auf be­ sondere Verhältnisse innerhalb eines bestimmten Rah­ mens den Verkehr mit Kraftfahrzeugen zu verbieten oder zu beschränken. Bemerkenswert ist, daß Fahrtbe­ schränkungen für Durchgangsverkehrsstrecken grundsätz­ lich nur von den Landeszentralbehörden erlassen wer­ den können. § 36 BV. vom 3. Februar 1910, der für die aus­ ländischen Kraftfahrzeuge die bisherigen landesrecht­ lichen Vorschriften aufrecht erhielt, ist durch die Ver­ ordnung über den internationalen Verkehr mit Kraft­ fahrzeugen vom 21. April 1910, § 15, mit Wirkung ab I. Mai 1910 aufgehoben worden. Gleichzeitig mit letzte­ rer von ihm auf Grund des Gesetzes erlassenen Ver­ ordnung machte der Bundesrat das Internationale Wkommen über den Verkehr mit Kraftfahrzeugen vom II. Oktober 1909 bekannt. Das Abkommen und die Verordnung sind im RGBl. S. 603, ausgegeben am 23. April 1910, abgedruckt (siehe Anhang). Gemäß der den Einzelstaaten erteilten Vollmacht hat Bayern eine Vollzugsbekanntmachung des Mini­ steriums des Innern vom 17. März 1910 (MinAmtsblatt S. 195) erlassen. Darin sind vor allem die Zu­ ständigkeiten geregelt. Außerdem ist die Aufhebung sämtlicher auch ortspolizeilicher Vorschriften über den Kraftwagenverkehr verfügt. Ferner haben die baye­ rischen Staatsministerien des Innern und der Finanzen in einer Bekanntmachung, den Vollzug der Verordnung über den internationalen Verkehr mit Kraftfahrzeugen betr., vom 28. April 1910 (MinAmtsblatt S. 334) Er­ läuterungen zu dieser Verordnung gegeben (siehe Anhang). Die preußischen Minister der öffentlichen Arbeiten und des Innern haben mit Verfügung vom 25. Februar 1910 eine Ausführungsanweisung den Oberpräsidenten übersandt (MinBl. für die preußische innere Verwaltung S. 62) (siehe Anhang).

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Gesetz über den Verkehr mit Kraftfahrzeugen.

Mit der Erlassung der Bundesratsverordnung zur Ausführung des Abkommens über den Internationalen Kraftwagenverkehr ist die Gesetzgebung über die Ma­ terie, soweit es sich nicht um nur lokale Normen han­ delt, abgeschlossen. Es ist im Interesse aller Beteiligten zu hoffen, daß nicht sobald wieder eine Rechtsänderung eingeleitet werden wird. Durch geschickte Vermittlung des Bayerischen und des Kaiserlichen Automobilklubs ist eine Einigung zwischen Versicherern und Versicherten auf vernünftiger Grundlage herbeigeführt. Die einzig offen gelassene Frage der Gründung einer Berufsge­ nossenschaft als Trägerin der zivilrechtlichen Haftung ist danach nicht brennend. Das Gesetz wollte einen Ausgleich der scharfen Interessengegensätze schaffen. So­ weit es im Gesetze nicht geschehen, wird die bewährte deutsche Rechtsprechuug den Ausgleich zu finden suchen und finden. Zur Regelung der Haftpflichtfrage, die den Haupt­ streitpunkt bildete, sei folgendes bemerkt: Man kann 5 Gruppen von schädigenden Ereig­ nissen nach ihren Ursachen unterscheiden (vgl. Isaac, Begründung zum Gegenentwurf zum Entwurf eines Automobilhaftpflichtgesetzes 1906): 1. Schadenfälle, die auf ein Verschulden des Fahr­ zeuglenkers oder des Fahrzeughalters zurückzu­ führen sind. Hierunter fallen insbesondere auch alle Übertretungen der Polizeivorschriften und son­ stiger Schutzgesetze. 2. Schadenfälle, die aus inneren Betriebsge­ fahren hervorgehen. Hiezu gehören alle unver­ schuldeten zufälligen Betriebsstörungen und Be­ triebsfehler, wie Platzen der Pneumatiks, Versagen der Bremsen, Gleiten der Räder, Explosionen, Brände. 3. Schadenfälle, die aus äußeren Betriebs­ gefahren erwachsen, das heißt den Gefahren, die die besondere Eigenart des Betriebes, ohne daß Betriebsfehler vorliegen, trotz größtmöglicher Vor­ sicht des Lenkers mit einer gewissen Häufigkeit

Einleitung.

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mit sich bringt. Solche Schadenfälle können z. B. zurückzusühren sein auf die Geräuschlosigkeit des Ganges, aber ebenso auf die besonderen ungewohn­ ter: Geräusche, wie Fehlzündungen, Hupensignale, ferner auf das plötzliche Auftauchen des großen Fahrzeugs von auffallender Farbe. Die Schadenfälle durch Scheuen von Tieren, Erschrecken von Menschen, insbesondere Hineinlaufen von Kindern sind hierher zu rechnen. 1. Schadenfälle, die auf äußeren unabwend­ baren Zufällen beruhen, der höheren Gewalt im Sinne des Reichshaftpflichtgesetzes. Zu diesen wird zu rechnen fein z. B. das Hineingestoßenwerden eines Menschen in die Fahrbahn, plötzliche Geistes­ störung des Verletzten. 5. Schadenfälle, die durch eigenes Verschulden des Verletzten verursacht sind. Das bisher geltende Recht des BGB. kannte theo­ retisch nur eine Haftung des Automobilhalters für die Gruppe 1. Es entfiel für ihn überdies die Haftung für Verschulden seines angestellten Chauffeurs, wenn ihm der Entlastungsbeweis nach § 831 BGB. gelang. Prak­ tisch hat aber die Rechtsprechung des Reichsgerichts auch in den Fällen der Gruppen 2 und 3 die Haftpflicht eintreten lassen. Denn es hat bei Automobilunfällen den Begriff der Fahrlässigkeit derartig ausgedehnt, das Maß der anzuwendenden Sorgfalt so gesteigert, daß in allen Fällen der Gruppen 2 und 3 ein Verschulden fest­ gestellt werden kann. (Vgl. z. B. die im Kommissions­ bericht des Reichstages erwähnte Entscheidung des Reichs­ gerichts in einer Münchner Sache vom 20. September 1906, IW. 06 S. 681). Freunde und Gegner einer Er­ weiterung der Haftpflicht waren einig, daß der Ent­ lastungsbeweis nach § 831 BGB. ausgeschlossen werden nnb die Gruppe 2 einbezogen werden müsse. Streit bestand nur über Gruppe 3. Der Entwurf vom 1. März 1906 bezog die Gruppe 3 entsprechend den vom Reichs­ tag im Jahre 1904 angenommenen Resolutionen in die Haftung ein. Der Jsaacsche Gegenentwurf der kartel-

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Gesetz über dm Verkehr mit Kraftfahrzeugen.

lierten Automobilklubs wie der letzte Entwurf vom 28. Oktober 1908 schlossen die Haftung für die Gruppe 3 aus. Wie oben geschildert, wollte die Reichstags­ kommission zunächst an ihrem bisherigen Standpunkt festhalten, gab aber schließlich dem Drängen der ver­ bündeten Regierungen nach. Die Gesetzesfassung des einschlägigen § 7 des Gesetzes beruht auf einem in der zweiten Lesung der Kommission angenommenen Kompromißvorschlag. Dessen Tragweite ist nicht ohne weite­ res feststellbar, da 3 verschiedene Fassungen zur Aus­ legung in Betracht zu ziehen sind: Die Gesetzesfassung, die Fassung des Entwurfes an den Reichstag vom 28. Oktober 1908 und die Fassung des Entwurfes an den Bundesrat vom 19. Juni 1908. In meinem Auf­ satz in der Zeitschrift für Rechtspflege in Bayern, Jahr­ gang 1909 Nr. 12 bin ich zu dem Ergebnis gekommen, daß die Gesetzesfassung lediglich den Sinn des Reichs­ tagsentwurfs in anderem Wortlaute wiedergibt, daß also die obige Gruppe 3 der Schadenfälle der Haftung des Gesetzes nicht unterliegt. Die Haftpflichtbestimmungen des Deutschen Gesetzes entsprechen damit dem Sinne nach den Vorschriften des am 1. November 1908 in Kraft getretenen Österreichischen Gesetzes (siehe Anhang).

Gesetz über den Verkehr mit Urastsahrzeugen, vom 5. Mai 1909. (RGBl. S. 437.)

Wir Wilhelm, von Gottes Gnaden Deutscher Kaiser, König von Preußen re., verordnen im Namen

des Reichs, nach erfolgter Zustimmung des Bundes­ rats und des Reichstags, was folgt:

I. Verkehrsvorschrifteu. Vorbemerkung: Der I. Abschnitt des Gesetzes war der II. Abschnitt des Entwurfs und trug die Überschrift „Fahrerlaubnis". Die Kommission beschloß diesen Ab­ schnitt als wichtigsten an die Spitze zu stellen und ihm die jetzige Überschrift zu geben. Diese reichsgesetzlichen Vorschriften enthalten eine Änderung der Neichsverfassung. Denn in deren Art. 4 ist die gesetzliche Rege­ lung der Verkehrspolizei dem Reiche nicht zugewiesen. Die rechtliche Gültigkeit ist nicht zu bezweifeln. Das in Art. 78 Abs. 1 NV. für eine Verfassungsänderung anfgestellte Erfordernis, daß sich nicht 14 Bundesrats­ stimmen gegen das Gesetz ausgesprochen haben, ist jeden­ falls erfüllt. Sonst würde das Gesetz vom Kaiser nicht vollzogen worden sein. Die Verkehrsvorschriften sind gemäß § 26 des Ge­ setzes erst am 1. April 1910 in Kraft getreten. Seuffert, Verkehr mit Kraftfahrzeugen.

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Gesetz über Len Verkehr mit Kraftfahrzeugen.

§1i rKraftfahrzeuge, die auf öffentlichen? Wegen oder Plätzen in Betrieb gesetzt werden sollen, müssen von der zuständigen3 Behörde zum Verkehr zugelaffen^ sein, u Als Kraftfahrzeuge5 im Sinne diesesGesetzes gelten Wagen6 oder Fahrräder, welche durch Maschinenkraft7 bewegt werden, ohne an Bahngleise gebunden zu sein.

1. Ms. 1 ist als Einleitung dem Gesetze von der Kom­ mission eingefügt worden. Bisher bestand landesgesetz­ lich in allen Bundesstaaten die gleiche Bestimmung. Sonstige Privatfahrzeuge dürfen beliebig auf öffent­ lichen Wegen in Betrieb gesetzt werden. 2. Die Erprobung eines Fahrzeugs auf Privatwegen, Fabrikhöfen, Fahrschulen bedarf keiner polizeilichen Ge­ nehmigung. 3. Die zuständige Behörde wird gemäß § 6 Ms. 1 Zisf. 2 durch den Bundesrat oder sofern dieser Bestimmungen nicht erlassen hat, die Landeszentralbehörden (Ministe­ rien) bestimmt. Nach BV. § 5 ist zuständig die höhere Verwaltungsbehörde des Wohnorts des Eigentümers. In Preußen ist die Zuständigkeit durch die Ver­ fügung vom 25. Februar 1910 nebst Anweisung betr. den Verkehr mit Kraftfahrzeugen des Ministers der öffentlichen Arbeiten und deS Ministers des Innern (Ministerialbl. f. d. preußische innere Verwaltung S. 62) geregelt. Nach den Bemerkungen zu § 37 BV. ist „Höhere Verwaltungsbehörde" im allgemeinen im Sinne der Bundesratsverordnung der Regierungspräsident, für den Landespolizeibezirk Berlin der Polizeipräsident in Berlin. Gemäß der Bayerischen Bekanntmachung des Mini­ steriums des Innern vom 17. März 1910, den Voll­ zug der Verordnung über den Verkehr mit Kraftfahr­ zeugen vom 3. Februar 1910 betr. Ziff. I, 1 sind die „Höheren Verwaltungsbehörden" regelmäßig die Di­ striktsverwaltungsbehörden (Bezirksämter, Magistrate der

l. VerlehrSvorschrlften.

§ 1.

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unmittelbaren Städte), in München die Kgl. Polizei­ direktion. Aus der Berechtigung der Polizeibehörden zur Zu­ lassung eines Kraftfahrzeugs folgt ohne weiteres die Berechtigung, die Zulassung wieder zurückzunehmen. Vgl. BV. § 26. Örtlich zuständig ist, wie aus BB. § 5 zu folgern ist, die für den derzeitigen Wohnort des Eigentümers zuständige höhere Verwaltungsbehörde (Preußischer Regierungspräsident usw., Bayerisches Be­ zirksamt usw.). Für aus dem Ausland in den deutschen Verkehr vorübergehend übertretende Kraftfahrzeuge ist durch BVJ. § 6 lediglich eine Prüfung der ausländischen Aus­ weispapiere durch das nächste Grenzzollamt vorgeschrie­ ben und für genügend erklärt, über die Ausschließung ausländischer Fahrzeuge vom Verkehr vgl. Anm. 4. 4. Die Bedingungen und die Form der Zulassung sind in BV. §§ 3—6 geregelt. Erforderlich ist vor allem die Begutachtung durch einen durch die höheren Verwal­ tungsbehörden amtlich anerkannten Sachverständigen. Vgl. die Anweisung über die Prüfung von Kraftfahr­ zeugen BV. Anlage B und BayerMB. I Zisf. 2 und 4. Für die Anerkennung der Sachverständigen sind in Bayern die Kreisregierungen, Kammern des Innern, die zuständigen höheren Verwaltungsbehörden (nicht die Bezirksämter usw.). Für Preußen vgl. Anm. 3. Um die Zulassung und Kennzeichnung eines aus­ ländischen Fahrzeugs zum vorübergehenden inner­ deutschen Verkehr zu erlangen, muß dem Eingangszoll­ amt entweder nach § 5 BVJ. ein internationaler Fahrt­ ausweis im Sinne des Art. 3 des Abkommens vom 11. Oktober 1909 eines der Vertragsstaaten vorgelegt werden. Vertragsstaaten sind bis jetzt: Deutschland, Bel­ gien, Bulgarien, Frankreich, Großbritannien, Italien, Monaco, Österreich, Ungarn, Rußland, Spanien. Oder der Mastwagenbesitzer hat durch eine Bescheinigung der zu­ ständigen Behörde oder einer hiezu behördlich ermäch­ tigten Stelle des Auslandes dem Grenzzollamt nach­ zuweisen, daß das Fahrzeug den an dem betreffenden 2*

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Gesetz über Len Verkehr mit Kraftfahrzeugen.

Orte gültigen polizeilichen Vorschriften entspricht. Während aber der Internationale Fahrtausweis ohne weiteres genügt, muß die „Bescheinigung" mit dem An­ erkennungsvermerk des zuständigen deutschen Konsuls versehen sein. (Näheres siehe a. a. O. im Anhang.) In den in der BVJ. § 8 bestimmten Fällen kann die höhere Verwaltungsbehörde (Bayerisches Bezirks­ amt usw., Preußischer Regierungspräsident usw.) die Anerkennung des internationalen Fahrtausweises ver­ sagen, die Zulassung zum Verkehr also verweigern oder die durch das Grenzzollamt erfolgte Zulassung zurück­ nehmen. Zur Untersagung des Betriebes eines aus­ ländischen Fahrzeuges ist diejenige höhere Verwaltungs­ behörde berufen, in deren Bezirk das Bedürfnis nach dieser Maßregel hervortritt. Nach BVJ. § 2 haben im Zollgrenzbezirke die Be­ amten der Grenzzollverwaltung hinsichtlich der Kraft­ fahrzeuge die gleichen Befugnisse wie die Polizeibe­ amten. Durch die BayerMB. vom 28. April 1910 (Amts­ blatt des Staatsministeriums des Innern 'S. 334) ist das von den Grenzzollbeamten zu beobachtende Ver­ fahren geregelt. Bei der Zulassung muß gleichzeitig der Steuer­ pflicht genügt werden. Maßgebend hiefür sind: Reichsstempelgcsetz vom (RGBl. S. 833) VI. Abschnitt §§ 56—65 und Tarif Nr. 8, die Ausführungs­ bestimmungen des Bundesrats hiezu, Bekanntmachung des Reichskanzlers vom 15. Juli 1906, das Gesetz betreffend die Stempelabgabe von Erlaubniskarten für Kraftfahr­ zeuge ausländischer Besitzer vom 18. Mai 1908 (RGBl. S. 210), die Ausführungsbestimmungen des Bundesrats hiezu vom 29. Mai 1908 (sämtlich im Anhang abge­ druckt). Nr. 15 der letztgenannten Bestimmungen ist durch § 15 BVJ. aufgehoben; die statt dieser Nr. 15 geltenden Bestimmungen finden sich in BVJ. § 10 b. 5. „Kraftfahrzeug" ist danach der allgemeine Begriff und umfaßt Kraftwagen und Krafträder. Diese Unter­ scheidung kommt hauptsächlich in steuerrechtlicher Hin­ sicht in Betracht. Besondere polizeiliche Bestimmungen

I. DerkehrSvorschriften.

§§ 1, 2.

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für Krafträder enthalten BV. § 4 Ms. 2: Krafträder bedürfen keiner Bergstütze, die Huppe muß hochtönend sein, für Kraftzweiräder genügt eine Laterne. Das Befahren von Radfahrwegen und Fußwegen, die für Fahrräder freigegeben sind, mit Kraftzweirädern be­ darf besonderer polizeilicher Genehmigung, BV. § 22 (vgl. auch JA. vom 11. Oktober 1909 Art. 6). 6. Nicht unter das Gesetz fallen Maschinen ohne Raum für den Transport von Lasten oder Personen. Z. B. Straßenlokomotiven, selbstfahrende Arbeitsmaschinen. Der Begriff „Wagen" setzt die Bestimmung zum Trans­ port voraus. Vgl. BV. § 2 Abs. 3. Nach diesem .Para­ graph erstreckt sich die BV. auch nicht auf Lastkraft­ wagen mit über 9 Tonnen Gesamtgewicht. Die Hast­ pflichtbestimmungen des Gesetzes finden auf diese Fahr­ zeuge an und für sich Anwendung, soweit nicht § 8 Abs. 2 des Gesetzes entgegensteht, also soweit die Höchst­ geschwindigkeit 20 km in der Stunde überschreitet. Dies wird allerdings bei Fahrzeugen von diesem Gewicht kaum der Fall sein. 7. Maschinenkraft ist im Gegensatz erstens zu „elemen­ tarer Triebkraft" (so der erste Entwurf), zweitens zu menschlicher oder tierischer Kraft gebraucht. Es fällt also nicht unter das Gesetz z. B. ein Segelschlitten. Maschinenkraft ist die Leistung einer von Menschen unter Benützung cheinischer und physikalischer Erfahrungen geschaffenen Kraftquelle. Daß die Maschinenkraft dem Fahrzeug innewohnen muß, ist im Gesetze nicht gesagt. Es unterliegen danach auch Omnibusse, die ihren An­ trieb von einer oberirdischen elektrischen Leitung emp­ fangen, dem Gesetze.

l Wer auf öffentlichen Wegen oder Plätzen ein Kraft­ fahrzeug führen will, bedarf der Erlaubnis1 der zuständigen2 Behörde. Die Erlaubnis gilt für das ganze Reicü; sie ist zu erteilen, wenn der Nachsuchende seine Befähigung^ durch eine Prüfung dargetan hat und

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Gesetz über den Verkehr mit Kraftfahrzeugen.

nicht Tatsachen vorliegen, die die Annahme recht­ fertigen, daß er zum Führen von Kraftfahrzeugen un­ geeignet^ ist. ii Den Nachweis der Erlaubnis fyit6 der Führer durch eine Bescheinigung (Führerschein)7 zu erbringen, in Die Befugnis der Ortspolizeibehörde, auf Grund des § 37 der Reichsgewerbeordnung 8 weitergehende Anordnungen zu treffen, bleibt unberührt.

1. Es genügt danach nicht, daß ein alten Erforder­ nissen entsprechender Antrag um Genehmigung bei der zuständigen Behörde eingereicht ist. Die Erlaubnis muß bereits erteilt sein. 2. Zuständig ist nach BV. § 14 die höhere Verwaltungs­ behörde; vgl. § 1 Anm. 3. Für die Fahrer ausländischer in den deutschen Verkehr tretenden Kraftfahrzeuge ist nach §§ 6 und 10 Abs. 3 BVJ. das Grenzzollamt die Erlaubnis erteilende Behörde. 3. Die Befähigung besitzt, „wer mit den Einrichtungen und der Bedienung des Kraftfahrzeuges vollständig ver­ traut ist". Vgl. BV. § 14 Abs. 4 und Anlage B. 4. Die Prüfung erfolgt durch einen „amtlich aner­ kannten Sachverständigen". Vgl. BV. Anlage B und BayerMB. I Ziff. 2, 3 und 4. Zur Anerkennung der Sachverständigen sind in Bayern nur die Kreisregie­ rungen Kammern des Innern (nicht die Bezirksämter usw.) zuständig. 5. Ungeeignet ist trotz Befähigung, wer nicht „die zur Bewältigung der durch einen starken Verkehr verursachten Schwierigkeiten und zur Vermeidung der dadurch ent­ stehenden Gefahren erforderlichen geistigen und mora­ lischen Eigenschaften — Besonnenheit, Umsicht, Geistes­ gegenwart, sowie ein reges Pflicht- und Verantwort­ lichkeitsgefühl" besitzt. (Vgl. Urteil d. RG. vom 15. Juni 08, abgedruckt in Drucksachen des Reichstags 07/09 Nr. 1250.)

Ungeeignet ist auch, wer bei der Führung des Fahrzeugs in Betracht kommende körperliche Fehler hat, z. B. wer taub, kurzsichtig oder epileptisch ist. Vgl. BayerMB. II zu § 14. Der Minderjährige ist danach an sich nicht unge­ eignet. Nach BV. § 14 Ms. 2 ist aber die Erteilung des Führerscheins an Personen unter 18 Jahren nur aus­ nahmsweise gestattet. Es muß dann die Zustimmung des gesetzlichen Vertreters nachgewicsen werden. Bei dem Polizeipräsidium in Berlin ist eine Sammelstelle für Nachrichten über Führer von Kraftfahr­ zeugen eingerichtet, der von allen Behörden des Reiches zu berichten ist, die ihrerseits den Behörden Auskunft gibt. Vgl. BV. Anlage B. 6. Die mündliche Mitteilung der Behörde an den Füh­ rer, daß die Erlaubnis erteilt sei, berechtigt noch nicht zur tatsächlichen Führung des Fahrzeugs. 7. Die Form des Führerscheins ist durch BV. Muster G vorgeschrieben. Gemäß BV. § 40 behalten die vor dem 1. April 1910 auf Grund landesrechtlicher Vorschriften erteil­ ten Führerscheine bis zum 1. April 1911 Gültigkeit. Vgl. auch BV. Anlage B Zisf. VII. Doch hat der Führer bis zum 1. Oktober 1910 die Erteilung eines neuen Führerscheins zu beantragen. Das Verfahren hiebei richtet sich nach BV. Anlage B Ziff. VII. Bei den Führern aus dem Auslande in den deutschen Verkehr eintretender Fahrzeuge ersetzt in jeder Hinsicht der Internationale Fahrtausweis nach BVJ. § 5 Abs. 2, ebenso nach BVJ. § 10 e ein entsprechendes ausländisches mit Anerkennungsvermerk eines deutschen Konsuls ver­ sehenes Zeugnis den Führerschein. 8* § 37 GewO, weist die Regelung des öffentlichen Fuhrwerksbetriebs innerhalb der Orte (Droschken, Omnibusse usw.) den Ortspolizeibchörden 511.

§ 3. 1 Wer zum Zwecke der Ablegung* der Prüfung (§ 2 Abs. 1 Satz 2) sich in der Führung von Kraftfahr-

zeugen übt, muß dabei auf öffentlichen Wegen oder Plätzen von einer mit dem Führerschein versehenen, durch die zuständige2 Behörde zur Ausbildung von Führern ermächtigten Person begleitet und beaufsichtigt sein. Das gleiche gilt für die Fahrten, die bei Ab­ legung der Prüfung vorgenommen werden, n Bei den Übungs- und Probefahrten, die gemäß der Vorschrift des Abs. 1 stattfinden, gilt im Sinne dieses Gesetzes2 der Begleiter als Führer des Kraft­ fahrzeugs.

1. Diese Bestimmung wurde von der Neichstagskommission eingefügt, um bcm Prüfling die Übung im öffentlichen Verkehr zu ermöglichen, ohne ihn der Be­ strafung nach § 24 des Gesetzes auszusetzen. 2. Die BV. Anlage B I Ziff. 4 erklärt die höheren Verwaltungsbehörden für zuständig. Vgl. § 1 Anm. 3. Die BayerMB. I Ziff. 3 benennt als zuständige Be­ hörden, die Personen zur Ausbildung von Führern ermächtigen dürfen, hier die Kreisregicrungen, Kammern des Innern (nicht die Bezirksämter usw.). Vgl. PVV. zu § 14 Ms. 3. 3. Für die strafrechtliche und zivilrechtliche Verantwort­ lichkeit. Der Prüfling haftet für von ihm bei der Übung oder Probefahrt verursachte Unfälle nur nach den allgemeinen Vorschriften des BGB., nicht nach den Bestimmungen des II. Abschnittes dieses Gesetzes.

§4. i Werden Tatsachen festgestellt, welche die Annahme rechtfertigen, daß eine Person zum Führen von Kraft­ fahrzeugen ungeeignet1 ist, so kann ihr die Fahr­ erlaubnis dauernd oder für bestimmte Zeit2 durch die zuständige2 Verwaltungsbehörde entzogen werden;

I. Berkehrsvorschrtften.

§§ 3, 4.

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nach der Entziehung ist der Führerschein der Behörde abzuliefern? n Die Entziehung der Fahrerlaubnis ist für das ganze Reich wirksam?

1. Vgl. § 2 Anm. 5. 2. Weder die Begründung noch die Kommissionsver­ handlungen geben über die Tragweite dieser Worte Auf­ schluß. Entziehung auf Dauer z. B. wird bei Äußerun­ gen gewalttätiger, roher Gesinnung am Platze sein, auf bestimmte Zeit z. B. bei Minderjährigen oder vor­ übergehend Erkrankten. Auch bei Entziehung auf be­ stimmte Zeit ist nach dem letzten Satze der Führerschein abzuliefern. Nach Ablauf der Zeit muß der Führer um Wiedcrgewährung nachsuchen. Diese muß aber nicht ohne weitere Prüfung erfolgen. Die Behörde wird viel­ mehr genau erwägen, ob sie nicht den Schein versagt und die Erlaubnis dauernd verweigert. Andrerseits ist nirgends bestimmt, daß jemand, dem die Fahrerlaubnis dauernd entzogen ist, nicht wieder zugelassen werden darf. Die gegenteilige ausdehnende Auslegung würde denl Begriffe „dauernder Verlust" im NStrGB. § 33 widersprechen, auch dem im § 1 GewO, ausgesprochenen Grundsatz der Gewerbefreiheit zuwiderlaufen. Wer als Jüngling gefehlt, kann als gereifter Mann geeignet sein. Im Ergebnisse ist also zwischen beiden Entziehungen kein rechtlicher Unterschied. Die Unterscheidung wäre besser weggebliebcn. Das pflichtgemäße Ermessen der Verwaltungsbehörden läßt sich nie ausschalten. 3. Vgl. 8 1 Anm. 3. Örtlich ist nach BV. § 27 die höhere Verwaltungsbehörde des derzeitigen Wohnortes zuständig. 4» Nur die Verwaltungsbehörde ist zur Entziehung der Fahrerlaubnis befugt, nicht das Gericht, welches einen Führer zur Strafe verurteilt. Nach jeder Verurteilung eines Kraftwagenführers wird die Verwaltungsbehörde die Einleitung des Entziehungsverfahrens zu erwägen haben.

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Gesetz über den Verkehr mH Kraftfahrzeugen.

ö. Liefert der Verpflichtete den Führerschein nicht ab, so macht er sich nach § 24 Ziff. 3 strafbar. Das Straf­ gericht erkennt nach § 40 RStrGB. gleichzeitig auf Ein­ ziehung des Scheins. Schon vorher kann die zuständige Polizeibehörde (vgl. § 1 Anm. 3) z. B. nach Art. 20 Abs. 2 BayerPStrGB. den Führerschein vorläufig weg­ nehmen. 6. Nach BV. § 27 Ws. 2 kann Führern aus dem Aus­ land in den deutschen Verkehr eingetrctener Kraftfahr­ zeuge aus denselben Gründen, aus denen bei inländischen Führern die Entziehung der Fahrerlaubnis statthaft ist, die Führung des Kraftfahrzeugs mit Wirkung für das ganze Reich durch die höhere Verwaltungsbehörde untersagt werden. Zuständig ist jede höhere Verwal­ tungsbehörde, bei der das Bedürfnis hervortritt. Über höhere Verwaltungsbehörde vgl. § 1 Anm. 3.

§ 5. i Gegen die Versagung der Fahrerlaubnis ist, wenn sie aus anderen Gründen als wegen ungenügenden Ergebnisses der Befähigungsprüstmg1 2erfolgt, der Rekurs zulässig. Das gleiche gilt von der Entziehung der Fahrerlaubnis; der Rekurs hat keine auflchiebende Wirkung?

ii Die Zuständigkeit der Behörden und das Ver­ fahren bestimmen sich nach den Landesgesetzen und, soweit landesgesetzliche Vorschriften nicht vorhanden sind, nach den §§20, 21 der Reichsgewerbeordnung.

1. Also nur, wenn der Nachsuchende als „ungeeignet" erklärt ist. 2. Nach § 6 Abs. 3 haben Personen, die der Militär­ oder Postverwaltung unterstellt sind, kein Rekursrecht im Sinne dieses Paragraphen. Ihnen bleibt nur die Dienstaussichtsbeschwerde an die höheren Vorgesetzten.

I. VerkehrStwrschrlften. §§ 4, 5.

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3. In Bayern entscheiden in zweiter Instanz gemäß BayerMB. Ziff. 1 Ws. 2 und §§ 2 u. 53 BaherBollzVO. zur GewO, vom 29. März 1892 die Kreisregierungen, Kammern des Innern, in der Form der Senate. Weitere Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof ist nicht zulässig. Nach Art. 8 Ziff. 8 des Bayerischen Ge­ setzes betreffend die Errichtung eines Verwaltungsge­ richtshofes vom 8. August 1878 ist die Beschwerde nur zulässig, wenn die Befugnis zum Gewerbebetrieb auf Grund der Gewerbeordnung streitig ist. Damit schei­ den von vorneherein alle Privatchauffeure und Be­ sitzer von Luxusfahrzeugen aus der Betrachtung aus. Aber auch die Lenker der öffentlichen Fuhrwerke, die aus § 37 GewO, ihre Fahrerlaubnis ableiten (vgl. § 2 Abs. 3), haben kein Beschwerderecht. Denn die Ent­ ziehung ist ein Akt der Verkehrs-, nicht der Gewerbe­ polizei. Es ist nur, wie überall, die Anrufung der Ober­ aufsichtsbehörde, des Ministeriums des Innern, eröffnet. In Preußen ist gemäß dem Gesetz über die Allge­ meine Landesverwaltung vom 30. Juli 1883 §§ 127 ff. nach der Beschwerde an den Oberpräsidenten, binnen 2 Wochen die Klage zum Oberverwaltungsgericht zu­ lässig. §§ 20 und 21 RGewO. bestimmen als Hauptgrund­ sätze des Rekursverfahrens: Beschwerde an die nächst­ höhere Verwaltungsbehörde binnen 14 Tagen, Entschei­ dung durch eine kollegiale Behörde mindestens in einer Instanz mit dem Recht der Beweiserhebung durch Augen­ schein, Zeugen und Sachverständige nach Verhandlung in öffentlicher Sitzung. 4. Gegen die nach BV. § 27 gegen einen Führer eines ausländischen Kraftwagens verfügte Untersagung der Führung findet ein verwaltungsrechtliches Streitver­ fahren auch in den unteren Instanzen mangels aus­ drücklicher gesetzlicher Vorschrift in Bayern nicht statt. Dem Führer ist lediglich der Weg der Aufsichtsbe­ schwerde an die nächsthöhere Verwaltungsbehörde offen.

8 6. Der Bundesrat1 erläßt: 1. die zur Ausführung der §§ 1 bis 5 erforder­ lichen Anordnungen sowie die Bestimmungen für die Zulassung der Führer ausländischer Kraftfahrzeuge;* 2. die sonstigen zur Erhaltung der Ordnung und Sicherheit auf den öffentlichen Wegen oder Plätzen er­ forderlichen Anordnungen über den Verkehr mit Kraft­ fahrzeugen, insbesondere über die Prüfung und Kenn­ zeichnung der Fahrzeuge und über das Verhalten der Führer? ii Soweit auf Grund der Anordnungen des Bundes­ rats die Militär-4 und Postverwaltung Personen, die sie als Führer von Kraftfahrzeugen verwenden, die Fahrerlaubnis versagt oder entzogen haben, finden die Vorschriften des § 5 keine Anwendung? in Soweit der Bundesrat Anordnungen gemäß Abs. 1 nicht erlassen hat, können solche durch die Landes­ zentralbehörden erlassen werden? iv Die Anordnungen des Bundesrats sind durch das Reichsgesetzblatt zu veröffentlichen. Sie kommen in Bayern nach näherer Bestimmung des Bündnisver­ trags vom 23. November 1870 (Bundesgesetzblatt 1871 S. 9) unter III §§ 4, 5,7 in Württemberg nach näherer Bestimmung des Bündnisvertrags vom 25. November 1870 (Bundesgesetzblatt 1870 S. 654) unter Artikel 2 Nr. 4 zur Anwendung. I

1. Der Entwurf hatte die Landcszcntralbehörden für zuständig erklären wollen. Die Kommission verwies die Aufgabe an den BundeSrat. 2. Die Ausführungsanordnungen des Bundesrats sind in der mehrfach genannten BV. vom 3. Februar 1910

I. Berke-rSvorschristen. § 6.

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enthalten. Hinsichtlich der Führer ausländischer Kraft­ fahrzeuge galteu gemäß BB. § 36 bis 1. Mai 1910 die bisherigen landesrechtlichen Vorschriften. Ab 1. Mai 1910 ist § 36 BV. durch BVJ. § 15 aufgehoben. Die Vorschriften dieser Verordnung sind an die Stelle der einzelstaatlichen getreten. 3. BV. vom 3. Februar 1910 §§ 15 ff. § 23 BV. regelt die Zuständigkeit der einzelstaattichen .Polizeibehörden zur Erlassung von Vorschriften über die Erhaltung der Ordnung und Sicherheit auf den öffentlichen Wegen. Alle Polizeibehörden sind grundsätzlich zuständig. Als Ausnahmen kommen folgende in Betracht: a) Für Wegestrecken, die dem Durchgangsverkehr dienen, sind die Landeszentralbehörden (Ministerien) zu­ ständig. Diese können die höheren Verwaltungsbe­ hörden (nicht Gemeindebehörden) mit Erlassung der Vorschriften betrauen. Nach der BayerMB. II zu § 23 Zisf. 5 sind in Bayern nur die Kreisregierungen, Kammern des Innern, nicht die Distrikts­ verwaltungsbehörden (Bezirksämter usw.) berufen. b) Eine Anordnung einer Höchstgeschwindigkeit von unter 15 km in der Stunde ist nur für Fahr­ zeuge von mehr als 5,5 Tonnen Gesamtgewicht zulässig. Zuständig sind nur die höheren Verwal­ tungsbehörden (nicht die Gemeindebehörden). Vgl. § 1 Sinnt. 3. c) Die höheren Verwaltungsbehörden sind allein zu­ ständig zur Anordnung von Verkehrsbeschränkungen, die ihren Grund nicht in dem Zustand der Wege oder der Eigenart des Verkehres, sondern in „an­ deren besonderen Verhältnissen" (z. B. Nähe von Kirchen, Schulen, Behörden, im Interesse der Ruhe) haben. Diese Vorbehalte zugunsten der höheren Verwal­ tungsbehörden sollen den Verkehr vor unnötigen Er­ schwerungen schützen. Dem gleichen Gedanken ent­ springt die Anordnung der zum Vollzüge der BV. er-

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Gesetz über den Verkehr mit Kraftfahrzeugen.

lassenen MB. in Bayern, daß die höheren Verwaltungs­ behörden vor Erlassung der Vorschriften die Vertretung der Automobilinteressenten, insbesondere den Bayerischen Automobilklub zu hören haben. Hervorzuheben ist, daß nach BV. § 18 Abs. 2 inner­ halb geschlossener Ortsteile die Fahrgeschwindigkeit von 15 km in der Stunde nicht überschritten werden darf. Die höhere Verwaltungsbehörde (vgl. § 1 Anm. 3) kann höhere Fahrgeschwindigkeiten zulassen. Im Landespoli­ zeibezirk Berlin sind z. B. nach Bekanntmachung des Polizeipräsidenten vom 31. März 1910 Nr. 4 25 km in der Stunde zugelassen. Die PVK. zu § 23 und die BayerMB. zu § 23 Nr. 7 ordnen die Kenntlichmachung der gesperrten oder im Verkehr beschränkten Wegestrecken durch am Anfang und Ende aufzustellende Tafeln an. Ist eine solche Kennzeichnung unterblieben, so wird der Automobil­ führer sich unter Umständen hierauf zu seiner Ent­ lastung berufen können. Er macht nicht Rechtsirrtum, Unkenntnis einer bestehenden Vorschrift, geltend, son­ dern entschuldbaren Irrtum über die Grenzen der Strecke, für die die Polizeivorschrift erlassen ist. 4. Die Erteilung der Fahrerlaubnis an Militärperso­ nen richtet sich nach BV. Anlage B Zisf. 8. 8. Kein Rekurs. Die Versagung und Entziehung be­ ruht auf der Kommando- und Dienstgewalt. 6. Den Landeszentralbehörden ist dadurch das Recht gewahrt, die Zuständigkeit in ihrem Gebiet unter Ein­ haltung der durch den Bundesrat aufgestellten Grund­ sätze und Beschränkungen (vgl. Ziff. 3) anders zu regeln, insbesondere höhere Instanzen mit der Erlassung von Vorschriften zu betrauen. In Bayern sind durch MB. vom 20. März 1910 II zu § 23 Ziff. 9 mit Rücksicht auf die neue rechtliche Grundlage auf Grund des Art. 13 BayerPolStGB, alle bisher erlassenen, ober-, distriktsund ortspolizeilichen Vorschriften, wonach die Benützung von Wegen, Plätzen und Brücken für Kraftfahrzeuge verboten oder beschränkt ist, vom 1. Mai 1910 ab außer Kraft gesetzt. Wollen die Polizeibehörden die Bor-

§ 6. II. Haftpflicht.

Vorbemerkung.

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schriften materiell aufrecht erhalten, so müssen sie sie von neuem erlassen. Für Preußen ist die Aufhebung durch die PVK. vom 25. Februar 1910 mit Wirkung für 1. April 1910 ver­ fügt, soweit die bisherigen Vorschriften der BV. ent­ gegen stehen. 7. In Bayern z. B. gelten die Anordnungen des Bun­ desrats für Post- und Militärautomobile nicht un­ mittelbar, sondern erst auf Grund der vorbehaltenen Anordnung des Königs von Bayern.

II. Haftpflicht. Vorbemerkung: Die Vorschriften dieses Gesetzes über die Haftpflicht des Automobilhalters und Automobil­ lenkers sind nicht die einzigen gesetzlichen Vorschriften, aus denen Ansprüche aus einem durch ein Automobil verursachten Unfall hergeleitet werden können. Wie in der Begründung und in den Verhandlungen wieder­ holt hervorgehoben wurde, bezweckt dieses Gesetz und bezwecken seine Haftpflichtbestimmungen lediglich einen kräftigeren Schutz des Publikums gegen die Automo­ bilfahrer. Mithin will das Gesetz den bisherigen Anspruch gewährenden Tatbeständen neue hinzufügen, nicht also das spätere Gesetz die ältere Vorschrift aufheben. Wäre diese Wirkung gewollt gewesen, so hätte es einer aus­ drücklichen Bestimmung im Gesetze bedurft. Zum Über­ fluß ist das Fortbestehen der älteren Vorschriften noch im § 16 ausdrücklich ausgesprochen. Die Bedeutung der neuen Vorschriften beruht in der Günstigerstellung des Verletzten in der Beweislast. Zur Begründung der Ansprüche aus dem Gesetz braucht ein Verletzter nur den ursächlichen Zusammenhang seiner Verletzung und seines Schadens mit einem Automobil­ unfall zu behaupten und zu beweisen. Sache des Be­ klagten ist, die vom Gesetze zugelassenen Entlastungs­ behauptungen auszustellen und zu beweisen.

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Gesetz über den Verkehr mit Kraftfahrzeugen.

Der Verletzte wird sich danach dann auf die Vor­ schriften des allgemeinen Bürgerlichen Rechts stützen, wenn sie ihm in irgend einer Hinsicht günstiger sind und er den zu ihrer Anwendung erforderlichen Tat­ bestand beweisen kann. Das Herrschaftsgebiet des Gesetzes ist beschränkt 1. hinsichtlich der verletzten Personen: Im Fahrzeug beförderte und bei dem Betriebe des Fahrzeugs tätige Personen können nicht auf das Gesetz sich stützen, 2. hinsichtlich der verpflichteten Personen: Nur der Automobilhalter und Führer, nicht ein dritter Verursacher, z. B. ein Fahrgast, kann auf Grund des Gesetzes in Anspruch genommen werden, 3. hinsichtlich der . Kraftfahrzeuge: Bei dem Betriebe von Lastkraftfahrzeugen mit nicht mehr als 20 km Höchstgeschwindigkeit in der Stunde findet das Gesetz keine Anwendung, 4. hinsichtlich der Höhe des Schadensersatz-An­ spruches: Der 50000 Mark für einen Verletzten, 150000 Mark für mehrere Verletzte, 10000 Mark für Sachbeschädigung übersteigende .Schadensbetrag kann auf Grund dieses Gesetzes nicht gefordert werden, 5. hinsichtlich des Umfanges des Schadens­ ersatz-Anspruches: a) es kann unter Berufung auf das Gesetz kein Schmerzensgeld, Ersatz des Schadens, der nicht Vermögensschadet: ist, verlangt werden, b) es kann nicht der Vermögensschaden verlangt werden, der abgesehen von der Beschränkung der Erwerbsunfähigkeit und der Vermehrung der Be­ dürfnisse, für das Fortkommen entstanden ist, z. B. durch Verkürzung der Aussicht zu heiraten für eine weibliche Person. Ter § 11 des Gesetzes ist enger als § 842 BGB. c) Es kann nicht der Dienstberechtigte wegen Entgang der Dienste des Verletzten Schadensersatz fordern. Im einzelnen grenzen §§ 7, 8 und 9 den Tatbestand des haftpflichtbegründenden schädigenden Ereignisses ab.

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IL Haftpflicht. § 7.

§ 9 insbesondere anerkennt durch gesetzliche Vorschrift die Anwendbarkeit des § 254 BGB. über das mitwir­ kende Verschulden des Verletzten, das die Praxis auch bisher schon gegenüber der Gefährde-Haftung eingeführt hat. Die §§ 10—13 regeln den Umfang der zu leistenden Entschädigung. §§ 14 und 15 entscheiden die Verjäh­ rungsfrage. In § 16 ist, wie erwähnt, der Fortbestand der bestehenden Gesetze ausgesprochen. § 17 behandelt daS Zusammentreffen mehrerer Gefährdehaftungen, näm­ lich von Kraftfahrzeug mit .Kraftfahrzeug, Tier oder Eisenbahn. § 18 bestimmt über die Mithaftung des Führers. Die §§ 19 und 20 enthalten zivilprozessuale Vorschriften. Vgl. auch Einleitung S. 10 ff.

§ 7. i Wird bei dem Betrieb1 eines Kraftfahrzeugs8 ein Mensch getötet, der Körper oder die Gesundheit' eines Menschen verletzt oder eine Sache4 beschädigt, so ist der Halter5 des Fahrzeugs verpflichtet, dem Verletzten den daraus entstehenden Schaden" zu ersetzen. ii Die Ersatzpflicht ist ausgeschloffen', wenn der Un­ fall 3 durch ein unabwendbares Ereignis9 verursacht wird, das weder auf einem Fehler in der Beschaffen­ heit des Fahrzeugs noch auf einem Versagen seiner Verrichtungen'9 beruht. Als unabwendbar gilt ein Ereignis insbesondere dann", wenn es auf das Verhalten18 des Verletzten oder eines nicht bei dem Be­ triebe beschäftigten Dritten oder13 eines Tieres zurück­ zuführen ist und14 sowohl der Halter als der Führer15 des Fahrzeugs jede nach den Umständen des Falles gebotene Sorgfalt beobachtet hat?" in Wird das Fahrzeug ohne Wissen imb Willen des Seirffert, Verkehr mir Kraftfahrzeugen.

3

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Gesetz über den Verkehr mit Kraftfahrzeugen.

Fahrzeughalters von einem anderen in Betrieb gesetzt, so ist dieser an Stelle des Halters zum Ersätze des Schadens verpflichtet."

1. An Stelle der Worte „bei dem Betrieb" eines Kraft­ fahrzeuges stand im Entwurf durch ein im Betrieb befindliches Kraftfahrzeug. Die jetzige Fassung soll nach der unwidersprochenen Erklärung des Antragstellers zum Ausdruck bringen, daß sowohl unmittelbarer, als auch mittelbarer Schaden zu ersetzen sei. Körperliche Be­ rührung durch das Automobil ist nicht notwendig. Es genügt z. B. Einwirkung durch das Geräusch, durch das plötzliche Auftauchen und den dadurch hervorge­ rufenen Schrecken. Das Kraftfahrzeug ist im Betrieb nicht nur dann, „wenn es durch die Kraft des Motors getrieben wird, sondern auch, wenn es — z. B. auf geneigter Fläche — unter Ausschaltung des Motors mit Hilfe des durch ihn gewonnenen Antriebs sich weiterbewegt, oder wenn es — z. B. bei Fahrtunter­ brechungen — ohne völlige Abstellung des Motors zur Fahrt bereit steht". 2. über den Begriff „Kraftfahrzeug" siehe § 1. 3. Die Nebeneinanderstellung, „Körper oder Gesund­ heit" ist aus dem Wortlaut des BGB., und von diesem aus dem Strafgesetzbuch § 223 übernommen. Mit Planck wird unter Verletzung des Körpers eine Zer­ störung eines Teiles des Körpers in seiner äußeren Erscheinung, unter Verletzung der Gesundheit eine Stö­ rung der Funktionen des Körpers zu verstehen sein. Selbstverständlich fallen auch Störungen der psychischen Gesundheit darunter. 4. Die Haftung des Automobilhalters ist entgegen den Vorschriften des Reichshaftpslichtgesetzes auch auf Haf­ tung für Sachschaden ausgedehnt. Vgl. Anm. 6. 5. Der Begriff „Halter" des Automobils entspricht dem des Halters eines Tieres nach dem BGB. Die Begrün­ dung des Entwurfs verweist ausdrücklich auf § 833 BGB. und dessen Auslegung durch die Rechtsprechung. Als „Halter" ist anzusehen, wer das Kraftfahrzeug auf

II. Haftpflicht.

§ 7.

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eigene Rechnung im Gebrauche hat, insbesondere den Führer anstellt, die Betriebsmittel beschafft und die Reparaturen vornehmen läßt, ohne daß es dabei einen Unterschied begründet, ob er Eigentümer des Fahrzeugs ist oder als Nießbraucher, Pächter, Mieter, Entleiher usw. das Fahrzeug verwendet. Nicht als Halter des Fahrzeugs hat dagegen derjenige zu gelten, dem ledig­ lich die Benützung des Fahrzeugs, sei es entgeltlich, sei es unentgeltlich überlassen wird, während der über­ lassende nach wie vor die Kosten trägt, die durch die Aufbewahrung, Unterhaltung und Benützung des Fahr­ zeugs verursacht werden. Durch eine solche Überlassung des Gebrauchs wird die Rechtsstellung des Fahrzeug­ halters nicht berührt; dieser haftet daher auch für die Schäden, die bei der Benützung des Fahrzeugs durch den andern verursacht werden. Der Arzt z. B., der für seine Praxis ein Automobil mit Chauffeur zu täg­ lichen Fahrten mietet, ist nicht „Halter" des Kraft­ fahrzeugs. 6. über den Umfang der Schadenshaftung enthalten die §§ 10—12 besondere Vorschriften. Über Umfang des Sachschadens findet sich im Ge­ setze nur die Bestimmung in § 12 Ziff. 3, daß die Höchst­ entschädigung im Falte der Sachbeschädigung 10000Mk. beträgt. Ersatzberechtigt ist der Eigentümer und der Eigenbesitzer nach § 872 BGB. Es verbleibt aber bei der Anwendbarkeit des § 851 BGB., wonach die Scha­ densersatzzahlung an den augenblicklichen Besitzer be­ freit, wenn der Zahlende hinsichtlich der Berechtigung in gutem Glauben ist. Fraglich ist, ob bei der Be­ schädigung einer Sache durch ein Kraftfahrzeug aus Grund des § 7 der Fahrzeughalter auch den Schaden zu ersetzen hat, der mittelbar dem Eigentümer oder einem Dritten aus der Beschädigung erwächst. Z. B. eine Droschke wird angefahren, Pferd und Wagen wer­ den beschädigt. Der Eigentümer hat infolgedessen einige Tage Verdienstentgang. Die Materialien, insbesondere der Bericht über die Verhandlungen der Reichstagskommiision enthalten nichts über diese Frage. Offenbar hat man daran nicht gedacht. Nach dem Kommissions-

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Gesetz über den Verkehr mit Kraftfahrzeugen.

bericht hat zwar der Antragsteller, der die Ersetzung der Worte „durch ein im Betriebe" durch die Worte „bei dem Betriebe" verlangte, zur Begründung erklärt, eS müsse zweifelsfrei auch der „mittelbare" Schaden fürersetzbar erklärt werden. Allein der Antragsteller dachte hiebei, wie in Anmerkung 1 erörtert, nur an den Gegen­ satz von körperlicher Berührung und Einwirkung ohne diese. Der Wortlaut des § 7 „den daraus ent­ stehenden Schaden" spricht für die Erweiterung des Schadensumfanges. Das BGB. hat den gleichen Wort­ laut. Hier besteht darüber, daß auch der Entgang der Nutzungen der beschädigten Sache zu ersetzen ist, kein Zweifel. (Vgl. Staudinger, BGB. zu § 849.) Es muß angesichts des gleichen Wortlauts auch für die Auslegung des § 7 die gleiche Folgerung gezogen wer­ den. Es empfiehlt sich jedenfalls, die Versicherungs­ bedingungen der Versicherungsgesellschaften in dieser Richtung einer genauen Prüfung zu unterziehen. (Bei den im Anhang abgedruckten ist die Ausdehnung zu bejahen.)

7. Durch die Fassung „ist verpflichtet zu ersetzen" und Verweisung der Ausnahmen in einen besonderen Ab­ satz wird die Regelung der Beweislast zum Ausdruck gebracht: Der Verletzte braucht nur zu beweisen: die Verletzung, den ursächlichen Zusammenhang mit dein Betrieb eines Kraftfahrzeuges und das Vorhandensein eines Schadens infolge der Verletzung. Sache des be­ klagten Halters oder Führers ist es, die Tatsachen zu behaupten und zu beweisen, auf Grund deren nach Absatz 2 die Haftung ausgeschlossen ist. 8. „Unfall" ist die schädigende Verletzung im Sinne des ersten Halbsatzes des ersten Absatzes.

9.

„Unabwendbares" Ereignis ist nicht höhere Gewalt in: Sinne des Reichshaftpslichtgesetzes. In der ersten Lesung der Kommission wurde betont, man habe die Worte unabwendbares äußeres Ereignis gewählt, weil die Judikatur des Reichsgerichts über den Begriff „höhere Gewalt" abwegig sei. Unabwendbares äußeres Ereignis sei: höhere Gewalt im Sinne der herrschenden

n. Haftpflicht.

§ 7.

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Theorie und Judikatur und ferner ein sonstiges äußeres unabwendbares Ereignis, der Begriff sei also weiter. Der Staatssekretär bekämpfte diese Auffassung mit dem Hinweis, daß weder Theorie noch Rechtspre­ chung ausreichende Klarheit über die Begriffe gewähre. In der zweiten Lesung wurde zur Begründung des Vermittlungsantrages, der jetzigen Gesehesfassung, aus­ geführt: Der Beschluß in erster Lesung, die Haftung nur auszuschließen bei „unabwendbaren äußeren Er­ eignissen oder eigenem Verschulden des Verletzten" bringe die Gefahr mit sich, daß die Judikatur des Reichsgerichts, die in Anwendung des Begriffs „höhere Gewalt" in einzelnen Fällen bedenklich weit (!) ge­ gangen sei, dennoch, obgleich dies die Absicht der Kom­ mission nicht sei, übernommen werden könnte. Hier tritt also offensichtlich eine ganz andere Auffassung über die beiden streitigen Begriffe als in der ersten Lesung zutage. Mit Recht erklärte der Staatssekretär sein Bedauern, daß die Kommission nicht zur Regierungs­ vorlage zurückgckehrt sei. Trotz ernster Bedenken könne man der jetzigen Fassung zustimmen, weil „sie zwar einen bisher viel bestrittenen und in seiner Bedeutung nicht feststehenden Ausdruck verwende, aber bestimmte Anhaltspunkte für die Auslegung des Begriffs gebe. Dieser Erklärung wurde nicht widersprochen und der Antrag angenommen. Aus dieser Entstehungsgeschichte ergibt sich folgendes für die Auslegung: 1. Die bisherige Rechtsprechung über den Begriff „höhere Gewalt" kann nicht ohne weiteres übernom­ men werden. 2. Das Bestreben der Kommission ging dahin, die Anwendungsfälle des Gesetzes gegenüber der ur­ sprünglichen Vorlage zu vermehren. Diese lautete: „Die Ersatzpflicht ist ausgeschlossen, wenn der Schaden weder durch ein Verschulden des Fahrzeughalters oder einer von ihm zur Sü^iing des Fahrzeugs bestellten oder ermächtigten Person noch durch fehlerhafte Be­ schaffenheit des Fahrzeugs oder Versagen seiner Ver­ richtungen verursacht worden ist." Die Ausdehnung durch die Beschlüsse 1. Lesung: „Ausschluß der Haf-

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Gesetz über den Verkehr mit Kraftfahrzeugen.

Lung nur bei unabwendbarem äußeren Ereignis oder eigenem Verschulden des Verletzten" sollte durch die Gesetzesfassung wieder gemildert werden. Eine be­ stimmte ttare Msicht ist also nicht feststellbar. 3. Einzig und allein in dem Wortlaut des Ge­ setzes sind die Anhaltspunkte zur Auslegung zu suchen. Unabwendbar ist das Unfall verursachende Er­ eignis, wenn weder es selbst noch seine Folgen ab­ gewendet werden konnten. Die Fragen, die sich erheben, sind folgende: a) Macht die Art des schädigenden Ereignisses einen Unterschied? b) Aus die abwendende Tätigkeit welcher Personen kommt es an? c) Nach welchem Maßstab bemißt sich das Abwcndenkönnen? Auf alle diese Fragen ist im Gesetze selbst in demselben Absatz die Antwort gegeben. a) Die Ereignisse können sein „innere", das sind aus der Maschine, dem Automobil und seinen Teilen herrührende und äußere, das 'sind von außen an das Automobil herantretende. Für die inneren Ereignisse gibt der in Anm. 9 behandelte Nebensatz des Satzes 1 die besondere Norm, daß sie nie als unabwendbar gelten sollen. Nur auf die „äußeren Ereignisse" bezieht sich der weitere Inhalt des Absatzes. Satz 2 behandelt besondere, und zwar die wichtigsten Fälle der äußeren Ereignisse. Die dort für diese ausgestellten Normen gelten all­ gemein für den Begriff. b) Die Tätigkeit des Halters und des Führers muß geprüft werden. Hat einer das Ereignis ab­ wenden können, so verbleibt es bei der Haftung. c) Das Ereignis konnte abgewendet werden, wenn nicht „jede nach den Umständen des Falles gebotene Sorgfalt" beobachtet ist. Hierüber siehe Anm. 16. 10. Ist der Unfall auf die „innere Betriebsgefahr" zurückzuführen, so ist jeder Entlastungsbeweis versagt. Auch wenn Halter oder Führer den Fehler nicht er-

n. Haftpflicht.

§ 7.

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kennen, die Betriebsstörung nicht abwenden konnten, haften sie. Unter Beschaffenheitsfehlcrn sind Fehler in der Kon­ struktion, Mängel im Material zu verstehe«, unter Ver­ sagen der Verrichtungen: Ordnungswidrigkeiten, die bei dem Zusammenwirken der Bestandteile des Fahrzeugs infolge des Betriebs eintreten. Die beiden Begriffe werden sich nicht scharf scheiden lassen. Es fallen darunter z. B. Versagen der Steuerung, Bruch oder Versagen der Bremse, Bruch von anderen Maschinen­ teilen, überhaupt Versagen einer der in BB. § 4 und BayerMB. zu § 4 Nr. 3 genannten Vorrichtungen, Gleiten und Schleudern des Fahrzeugs infolge Nässe, Platzen der Luftreifen, Explosion, Selbstentzündung. 11. Der zweite Satz bespricht, wie erwähnt, besondere Fälle von „unabwendbaren äußeren Ereignissen", und zwar die wichtigsten: Die meisten Unfälle, besonders in den ersten Jahren des Antomobilverkehrs, ereigneten sich infolge des Scheuens von Pferden. Deshalb wurde nach Vorschlag in der Kommission die Haftpflicht in diesen Fällen im Gesetze ausdrücklich geregelt. Mitver­ arbeitet wurden dabei Gedanken über das „eigene Ver­ schulden" des Verletzten und eines Dritten. Eine Ver­ ursachung durch das Verhalten des Verletzten odereines nicht beim Betriebe beschäftigten Dritten oder durch ein Tier ist nicht an sich schon ein „unabwendbares Er­ eignis". Es genügt nicht zur Entlastung, daß der Automobilhalter den Beweis dieser Verursachung führt. Er muß vielmehr außerdem noch beweisen, daß er jede nach den Umstünden des Falles gebotene Sorgfalt beobachtet hat. Man kann danach die Regelung der Haftpflicht im Gesetze dahin umschreiben: Der Halter haftet auf Grund der Rechtsvermutung, daß der Un­ fall auf einem Betriebsfehler oder einer Betriebs­ störung oder einem Verschulden des Lenkers oder des Halters beruhe. Er kann sich mir befreien, wenn er­ den Beweis führt, daß keine der vier Vermutungen zutrifft. 12. Dem Verletzten braucht keine Fahrlässigkeit nach­ gewiesen zu sein. Es genügt sein objektives „Ver-

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Gesetz über den Verkehr mit Kraftfahrzeugen.

halten" ohne subjektives Verschulden. Also auch die Handlungen von Kindern und Geisteskranken fallen darunter. 13. Bei dem Betriebe beschäftigt ist auch ein zu Hilfe­ leistungen mitfahrender Monteur, der das Fahrzeug nicht selbst lenkt. 14. Siehe Anm. 11. 18. Es ist zu beachten, daß gerechtfertigt werden muß, a) das Verhalten des Führers und b) das Verhalten des Halters. ES genügt nicht für den Wegfall der Haftung, daß der Führer die Beobachtung der erforderlichen Sorgfalt bei der Lenkung dargetan hat. Freilich wird praktisch in den meisten Fällen mit dem Entlastungsbeweis des Führers auch der für den Halter erbracht sein. Doch kann, wenn der Halter mitgcfahren ist, sich die Frage erheben, ob er eingreifen konnte und mußte. 16. „Jede nach den Umständen des Falles gebotene Sorgfalt." Durch die Verwendung des stark betonenden Wortes „jede" statt „die" will das Gesetz offensicht­ lich dem von der bisherigen Rechtsprechung ausgestellten Grundsatz, daß ein sehr hoher Grad von Sorgfalt auf­ zuwenden sei, Gesetzeskraft verleihen. Die Hervorhebung „der Umstände des Falls" soll — Veranlassung bot eine in der Kommission viel erörterte Reichsgerichts­ entscheidung — darauf Hinweisen, daß sich die Sorg­ falt in der Beobachtung der polizeilichen Vorschriften nicht erschöpft. Die Verweisung auf die Umstände des Falles enthält gleichzeitig eine Anweisung an die Ge­ richte, das Recht über das Maß der erforderlichen Sorg­ falt zu finden. Das gefundene Recht kann sich und wird sich ändern mit der Art des öffentlichen Verkehrs und den Anschauungen über die im öffentlichen Verkehre von allen Beteiligten zu beobachtende und zu er­ wartende Vorsicht. Die bisherige Rechtsprechung auf Grund des BGB. kann danach znm Teil auch in Zu­ kunft verwertet werden. Jedoch bedarf es steter Prü­ fung, ob nicht die Verhältnisse — die Umstände des Falles — sich geändert haben. Es verdient ferner her-

n. Haftpflicht.

§ 7.

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vorgehoben zu werden, daß keine einzige bisher er­ gangene reichsgerichtliche Entscheidung in der amt­ lichen Sammlung veröffentlicht 'ist. Das Reichsgericht betrachtete also seine Rechtsprechung als noch im Werbctt begriffen und seine Anschauungen nicht als so ge­ klärt, daß es sie als von ihm gefundenen Rechtssatz und Richtschnur für die Zukunft gewissermaßen amt­ lich verkünden wollte. Eine große Zahl der vorliegendeu Entscheidungen kommt nicht mehr in Betracht, da sie die Frage behandeln, ob auch den Halter ein Ver­ schulden trifft in Fällen, wo zweifellos der Führer schuldhaft gehandelt hat. Heute kann sich der Halter in diesen Fällen überhaupt nicht von der Haftung be­ freien. Die noch verwendbar erscheinenden Entscheidun­ gen sind im folgenden aufgeführt. Zur Feststellung des Maßes der aufzuwendenden Sorgfalt dürften folgende Gesichtspunkte maßgebend sein: 1. Die Sorgfalt verlangt die Beobachtung a) der besonderen Polizeivorschriften über den Kraft­ wagenverkehr, b) der allgemeinen polizeilichen Verkehrsvorschriften überhaupt. Jede Übertretung dieser Vorschriften (der Schutz­ gesetze im Sinne des § 823 BGB.), der darin ent­ haltenen Gebote und Verbote enthält zugleich eine Verletzung der gebotenen Sorgfalt. Zu den Vorschriften unter a gehört die vom Bundesrat auf Grund des § 6 erlassene Verordnung vom 3. Februar 1910 (BV.), ferner alle von den Landesregiernngen, Provinzial- oder Kreisregierun­ gen, Bezirksämtern, Landräten, Amtsvorstehern, Ge­ meinden erlassenen Vorschriften für Kraftfahrzeuge. Vgl. die Anmerkungen zu § 6. Zu den Vorschriften unter b sind zu rechnen die Polizeivorschristen über den allgemeinen Fuhrwerks­ verkehr, z. B. über Rechtsfahren, Vorfahren, Sper­ rung von Straßen u. dgl. Auf diese allgemeinen Vorschriften ist in BV. § 2 Ms. 1 besonders hingewiesen. Ferner aber gehören auch hierher die bahn-

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Gesetz über den Verkehr mlt Kraftfahrzeugen.

polizeilichen Vorschriften, die Vorschriften über den Trambahnverkehr in den Städten, die Verkehrsvorschriften für besondere Gelegenheiten. 2. Die Polizeivorschristen setzen bei Geschwindig­ keitsbegrenzungen die zulässige Höchstgeschwindigkeit fest und bezeichnen das Mindestmaß der Rücksicht, das im Verkehr zu beobachten ist. (Vgl. RG. 20. Sevtember 1906 IW. 1906, 681 und RG. vom 23. April 1908 IW. 1908, 405.) Daraus, daß die Vorschriften eingehalten sind, ergibt sich noch nicht, daß ein Verschulden ausge­ schlossen ist. 3. Die große Geschwindigkeit, die große bewegte Masse des Kraftfahrzeugs, sein überraschendes Auf­ treten, seine auffallende Farbe, erschreckendes Ge­ räusch bedingen eine größere, höhere Sorgfalt in der Lenkung als bei gewöhnlichem Fuhrwerk. So­ fern nur die Möglichkeit einer Gefahr — es braucht keine besonders große oder dringliche Gefahr erkennbar zu sein — besteht, sind Vorsichtsmaßregeln zu treffen. Die Vorsicht hat bereits auf geraume Entfernungen von dem gefährdeten Objekt einzusetzen (scheuendes Pferd, RG. 20. November 1906 IW. 1906, 681). Bei Passieren mehrerer Fuhrwerke ist, trotzdem diese richtig ausweichen, die Geschwindigkeit erheb­ lich zu ermäßigen (Radfahrer, RG. 23. April IW. 1908, 405). Bei Fahren dicht entlang einem Fußpfad ist langsam und vorsichtig zu fahren wegen der Gefahr, daß ein Fußgänger plötzlich heruntertritt (Fußgänger, RG. vom 9. März 05, Rep. VI. 227, 1904). Der Führer, der erkennen muß, daß Warnungszeichen nicht durchdringen, hat langsam zu fahren oder anzuhalten (RG. vom 4. Januar 1908 IW. 1908, 106). 4. Die aufzuwendende Sorgfalt steigert oder min­ dert sich nach „den Umständen des Falles". Das Automobil ist nicht mehr in allen Gegenden eine un­ gewohnte Erscheinung, wie im Jahre 1904. In Groß­ städten und auf viel befahrenen Landstraßen muß jeder mit dem plötzlichen Erscheinen eines Automo-

n. Haftpflicht. 88 7, 8.

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bils rechnen. In abseits des Verkehrs gelegenen Orten liegt die Sache anders. Dort kann der Führer nicht mit der Vertrautheit der Bevölkerung mit dem Fahrzeug, nicht mit einer gewissen Erfahrung und Vorsicht der Bevölkerung rechnen. Hier muß er daran denken, daß sich Menschen und Tiere möglichst unge­ schickt benehmen. Er muß danach eine höhere Vor­ sicht aufwendcn, im Zweifel anhalten, statt bloß lang­ sam zu fahren. Zu den Umständen des Falles ge­ hören weiter: Enge, Schlüpfrigkeit des Weges, Dun­ kelheit, Nebel, frühe Morgenstunde, Blendung durch dell Stand der Sonne, starker Verkehr, ungeordneter Verkehr, allgemein angeordnete Schnelligkeit der Tram­ bahnwagen it. dgl. 17* Doch kann hier eine Haftung des Halters nach dem BGB. bestehen. Z. B. wenn er einem Chauffeur, der schon früher eigenmächtig Fahrten gemacht hat, die Verwahrung des Fahrzeugs beläßt (vgl. NG. vom 12. Juni 1906, Rep. III, 149, 1905).

§8. Die Vorschriften des § 7 finden keine Anwendung: 1. wenn zur Zeit des Unfalls1 der Verletzte oder die beschädigte Sache durch das Fahrzeug befördert2 wurde oder der Verletzte bei dem Betriebe des Fahr­ zeugs tätig3 war; ii 2. wenn der Unfall durch ein Fahrzeug verursacht wurde, das nur zur Beförderung von Lasten4 dient und auf ebener Bahn eine auf 20 Kilometer begrenzte Geschwindigkeit in der Stunde nicht übersteigen kann? i

I. Es kommt auf den Zeitpunkt des Unfalles an. Ist der Fahrgast vorübergehend ausgestiegcn und wird er durch das manövrierende (z. B. umkehrende) Automobil verletzt, so ist er nicht Fahrgast, sondern Dritter, der Ansprüche nach § 7 erheben kann. DaS gleiche gilt für die im Betriebe Beschäftigten.

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Gesetz über den Verkehr mit Kraftfahrzeugen.

2. Gleichgültig ist, ob es sich um eine gewerbsmäßige oder gelegentliche Beförderung, ob gegen Entgelt oder um eine unentgeltliche handelt. Die Fahrgäste der Post­ automobile können also bei Unfällen aus diesem Ge­ setz keine Ansprüche herleiten. Für sie ist § 11 des Postgesetzes maßgebend. 3. Bei dem Betriebe tätig ist auch ein Hilfsmonteur, der nicht selbst lenkt, sondern nur Hilfsdienste leistet. 4. Die Beschränkung der Ausnahme auf Lastautomo­ bile wurde entgegen dem Regierungsentwurf in der Kommission beschlossen. 5. Weitere Voraussetzung der Haftungsbefreiung außer der Bestimmung zur Lastenbeförderung ist eine Geschwin­ digkeitsgrenze. Der Entwurf wollte die Geschwindig­ keitsgrenze durch den Bundesrat bestimmen lassen. Die 20 km Höchstgeschwindigkeit setzte die Kommission fest. Der Entwurf verlangte ferner, daß das Fahrzeug, um haftfrei zu sein, mit einer amtlichen Marke über die Höchstgeschwindigkeit versehen sei. Der Antragsteller der neuen Fassung erklärte, dies als selbstverständlich weg­ gelassen zu haben. Eine amtliche Marke ist aber nach dem jetzigen maßgebenden Wortlaut keineswegs die selbstverständliche Voraussetzung für die Haftbefreiung. Der Beweis kann vielmehr im Einzelsall durch jedes Beweismittel geführt werden. Beweispflichtig erscheint der Automobilhalter für die Unmöglichkeit, 20 km Ge­ schwindigkeit überschreiten zu können. Denn § 8 gibt eine Ausnahme von § 7.

§ 9. Hat bei der Entstehung des Schadens ein Ver­ schulden 1 des Verletzten mitgewirkt, so finden die Vor­ schriften des § 2542 des Bürgerlichen Gesetzbuchs mit der Maßgabe Anwendung, daß im Falle der Beschädi­ gung einer Sache das Verschulden desjenigen, welcher die tatsächliche Gewalt über die Sache ausübt3, dem Verschulden des Verletzten gleichsteht/

H. Haftpflicht. 88 8-10.

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1. Hier ist „Verschulden" gefordert. Es genügt nicht „Verhalten" wie im § 7. § 9 kann also nicht ange­ wendet werden, wenn der Verletzte ein Kind unter 7 Jahren (§ 828 BGB.) oder ein Geistesgestörter ist (§ 827 BGB.). 2. § 254 BGB. Abs. 1 lautet: „Hat bei der Entstehung des Schadens ein Ver­ schulden des Beschädigten mitgewirkt, so hängt die Verpflichtung zum Ersätze, sowie der Umfang des zu leistenden Ersatzes von den Umständen, insbesondere davon ab, inwieweit der Schaden vorwiegend von dem einen oder dem anderen Teile verursacht worden ist." Danach kann, wenn das Verschulden des Verletzten überwiegende Ursache des Schadens war (z. B. Fahren mit unbeleuchtetem Wagen auf falscher Straßenseite und Schlafen des Lenkers), der Automobilhalter über­ haupt von der Haftung frei erklärt werden. 3. Derjenige, der im Augenblicke des Unfalls die Sache trägt, führt, bei sich hat usw. 4. Diese Gleichstellung nimmt die Praxis bereits für den § 254 wohl übereinstimmend an. Der Entwurf hielt es noch für bestritten und sprach es deswegen ausdrücklich aus.

§ 10.1 i Im Falle der Tötung ist der Schadensersatz durch Ersatz der Kosten einer versuchten Heilung8 sowie des Bermögensnachteils3 zu leisten, den der Getötete da­ durch erlitten hat, daß während der Krankheit seine Erwerbsfähigkeit aufgehoben oder gemindert oder eine Vermehrung seiner Bedürfnisse eingetreten war. Der Ersatzpflichtige hat außerdem die Kosten der Beerdi­ gung demjenigen zu ersetzen, dem die Verpflichtung obliegt, diese Kosten zu tragen? ii ° Stand der Getötete zur Zeit der Verletzung ’ zu einem Dritten8 in einem Verhältnisse, vermöge dessen

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er diesem gegenüber kraft Gesetzes9 unterhaltspflichtig war oder unterhaltspflichtig werden konnte10 und ist dem Dritten infolge der Tötung das Recht auf Unter­ halt" entzogen, so hat der Ersatzpflichtige dem Dritten insoweit Schadensersatz zu leisten, als der Getötete während der mutmaßlichen Dauer seines Lebens zur Gewährung des Unterhalts verpflichtet gewesen sein würdet9 Die Ersatzpflicht tritt auch dann ein, wenn der Dritte zur Zeit der Verletzung erzeugt, aber noch nicht geboren war?9' 14 1. Vorbemerkung zu §§ 10 uud 11. Der Umfang der Haftung für Personenschäden ist in den §§ 10 und 11, die unverändert nach dem Entwürfe angenommen wurden, ebenso wie im Reichshaftpflichtgesetze vom 7. Juni 1871 bestimmt. Die §§ 3 unb 3 a dieses Gesetzes sind in der Fassung des Art. 42 EGzBGB. nur mit einer kleinen redaktionellen Änderung als §§ 10 und 11 übernommen. Der jetzige § 3 des Reichshaftpflicht­ gesetzes ist seinerseits dem § 844 BGB. fast wörtlich nachgebildet. Die Auslegung dieses Gesetzes ist also für das gegenwärtige Gesetz verwertbar. Im Reichshaftpflichtgesetz ist noch in § 4 eine besondere Vorschrift erlassen, wonach die Leistungen, die der Verletzte in­ folge des Unfalls von einer Versicherungsanstalt, Knapp­ schafts-, Unterstützungs-, Kranken- und ähnlichen Kasse bezieht, auf die ihm zu gewährenden Entschädigungen anzurechnen sind. Wie die Begründung darlegt, kommt der Zweck dieser Vorschrift, die Arbeitgeber zur Ver­ sicherung ihrer Arbeiter zu veranlassen, in diesem Ge­ setze, das den Schutz des Publikums beabsichtigt, nicht in Betracht. Außerdem ist in den Unsallversicherungsund Krankenversicherungsgesetzen der Übergang des An­ spruchs des Verletzten auf die zahlende Kasse nach Maßgabe der Zahlung kraft Gesetzes vorgesehen. Eine besondere Bestimmung war danach nicht veranlaßt. Man­ gels einer Sonderbestimmung verbleibt es bei den all­ gemeinen Grundsätzen des BGB. über die Vorteilsausglei-

IL Haftpflicht.

§ 10.

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chung. (Vgl. Staudinger, Kommentar z. BGB. 3./4. Auft. II. Bd. S. 44). Zu beachten ist, daß ein dem Grunde nach den Anspruch feststellendes Urteil ausdrücklich erklären muß, daß die aus öffentlichen Versicherungskassen geleisteten Zahlungen an dem zu leistenden Schadensersatz in Abzug kommen. Sonst wäre der Ersatzpflichtige der Gefahr der Doppelzahlung ausgesetzt. 2. Das sind Kosten für Arzt, Heilmittel einschließlich schmerzlindernder Mittel, künstliche Gliedmassen, Unter­ stützungsmaschinen, besondere Nahrung, Transport zum Krankenhaus, Pflege. I. Der Verdienstentgang ist zu ersetzen. Es muß nicht nur die Aufhebung oder Minderung der Erwerbsfähig­ keit, sondern auch der dadurch entstandene tatsächliche Bermögensnachteil erwiesen sein. Freilich wird letzterer mit der ersteren meistens gegeben sein. 4. Z. B. durch besondere ständige Pflege, dauernde kräftige Nahrung. 5. Nach § 1968 BGB. ist der Erbe des Getöteten, oder wenn von dem Erben die Bezahlung der Beerdigungs­ kosten nicht zu erlangen war, nach § 1615 Ms. 2 des BGB. derjenige, der nach Buch 4 II. Abschnitt 3. Titel des BGB. zum Unterhalt des Getöteten verpflichtet war, verpflichtet, die Kosten der Beerdigung zu tragen. Ein Grund, für die öffentlich-rechtlich Verpflichteten eine Ausnahme zu machen, ist nicht ersichtlich. Es können also auch die Gemeinden Ersatz ihrer Beerdigungskosten aus Grund des Gesetzes verlangen. 6. Abs. 2 entspricht nahezu wörtlich dem § 844 BGB. 7. Im Zeitpunkt der Verletzung, also des Unfalles, nicht im Zeitpunkt des Todes muß das familienrechtliche Verhältnis vorgelegen haben, das nach dem BGB. die Unterhaltungspflicht des Getöteten begründet. Eine Ehe­ frau z. B., die sich mit dem infolge eines Unfalles Ver­ storbenen noch während des Krankenlagers hat trauen lassen, kann keine Ansprüche erheben. 8. Es kommen als Berechtigte insbesondere die im III. Titel des 2. Mschnittes des 4. Buches des BGB. ge­ nannten Personen in Betracht: Verwandte in gerader

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Linie, Eltern, Großeltern, Abkömmlinge und der Ehe­ gatte. Die einschlägigen Gesetzesstellen sind: §§ 1345, 1351, 1360, 1578 ff., 1601 ff-, 1708, 1715, 1736 ff., 1739, 1757, 1762 ff., 1766 BGB. S. Wer aus Vertrag oder einer unerlaubten Handlung gegen den Getöteten einen Unterhaltsanspruch ableitet, hat gegen den nach diesem Gesetze Pflichtigen feine Ansprüche. 10. Das familienrechtliche Verhältnis, das die Unter­ haltspflicht begründen kann, muß, wie oben erwähnt, im Zeitpunkt der Verletzung bestanden haben, nicht aber bereits eine Unterhaltspflicht. Diese kann noch nicht gegeben gewesen sein: 1. aus persönlichen Gründen, weil z. B. früher Ver­ pflichtete nach dem erwähnten Titel vorhanden waren, 2. aus sachlichen Gründen, weil der Berechtigte nicht unterhaltsbedürftig war. In dem Zeitpunkt, in dem die noch fehlenden Be­ dingungen der Unterhaltspflicht eintreten, entsteht für den Unterhaltsberechtigten der Anspruch nach dem Auto­ mobilgesetz. Von diesem Zeitpunkt laufen für den Be­ rechtigten die Fristen der §§ 14 und 15. 11. Das Recht auf Unterhalt ist entzogen, auch wenn an Stelle des Getöteten andere Personen gesetzlich zur Unterhaltsleistung verpflichtet sind, z. B. der Großvaterstatt des getöteten Vaters (vgl. § 13 des Gesetzes in Verbindung mit § 843 Abs. 4 BGB). 12. Es sind alle Umstände in Rechnung zu setzen, die auf Beginn, Beendigung, Minderung, Erhöhung der Unterhaltspflicht nach Maßgabe der allgemeinen Be­ stimmungen des BGB. von Einfluß sind, nicht nur die nach Erlebenstabellen ermittelte mutmaßliche Le­ bensdauer des Getöteten. 13. § 254 BGB. (s. § 9 Anm. 2) findet auf den An­ spruch des dritten Ersatzberechtigten in dem Sinne An­ wendung, daß bei einem mitwirkenden Verschulden des Getöteten die Verpflichtung und der Umfang des Scha-

-ensersatzes von den Umständen des Falles abhängt (zu folgern aus § 9). 14. Gemäß § 13 Abs. 2 in Verbindung mit § 850 Abs. 1 Nr. 2 ZPO. ist die dem ersatzberechtigten Drit­ ten zustehende Rente nicht pfändbar.

§ 11.1 Im Falle der Verletzung des Körpers oder der Gesundheit3 ist der Schadensersatz durch Ersatz der Kosten der Heilung3 sowie des Vermögensnachteils zu leisten, den der Verletzte dadurch erleidet, daß infolge der Verletzung zeitweise oder dauernd seine Erwerbs­ fähigkeit"' aufgehoben oder gemindert oder eine Ver­ mehrung seiner Bedürfnisse3 eingetreten ist. 1. Vgl. Shim. 1 zu § 10. 2. Vgl. Sinnt. 3 zu § 7. ll. Vgl. Sinnt. 2 zu 8 10. 4. Vgl. Sinnt. 3 zu § 10. K. Vgl. Sinnt. 4 zu 8 10.

§ 12.1 Der Ersatzpflichtige haftet: 1. im Falle der Tötung oder Verletzung eines Menschen nur bis zu einem Kapitalbetrage3 von fünfzigtausend Mark oder bis zu einem Rentenbctrage von jährlich dreitausend Mark, 2. im Falle der Tötung oder Verletzung mehrerer Menschen durch dasselbe Ereignis, unbeschadet der in Nr. 1 bestimmten Grenze,3 nur bis zu einem Kapital­ betrage von insgesamt einhundertfünfzigtausend Mark, oder bis zu einem Rentenbetrage von insgesamt neun­ tausend Mark,

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Seuffert, Verkehr mit Kraftfahrzeugen.

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3. im Falle der Sachbeschädigung, auch wenn durch dasselbe Ereignis mehrere Sachen beschädigt werden, nur bis zum Betrage von zehntausend Mark.* ii Uebersteigen die Entschädigungen, die mehreren auf Grund desselben Ereignisses nach Abs. 1 Nr. 1, 3 zu leisten sind, insgesamt die in Nr. 2, 3 bezeichneten Höchstbeträge, so verringern sich die einzelnen Entschädigungen in dem Verhältnis, in welchem ihr Gesamtbetrag zu dem Höchstbetrage steht.-'' 1. Vorbemerkung. Die Beschränkung der Ansprüche der Summe nach, die auf Grund dieses Gesetzes erhoben werden, beruht auf einem Antrag, der in der Reichs­ tagskommission bei Beratung des früheren Entwurfs gestellt war. Als Grund für die Beschränkung wurde vorgebracht, ohne diese würden die Versicherungs­ Prämien unerschwinglich werden. Verlangt wurde fer­ ner die Einführung eines Versicherungszwangs in der Richtung, daß keiner ohne vorherigen Nachweis der Versicherung gegen Haftpflicht einen polizeilichen Fahr­ schein erhalten solle. Oder es sollte eine Zwangsgcnossenschaft gegründet werden, die an Stelle des Fahr­ zeughalters dem Beschädigten hafte und ihrerseits Rück­ griff gegen den Halter nehmen könne. Die Reichsregierung lehnte den Versicherungszwang ab, da dadurch die Automobilisten einem Trust der Versicherungsgesell­ schaften ausgeliefert würden. Die Bildung einer Zwangs­ genossenschaft erklärte sie zurzeit mangels genügender tatsächlicher Unterlagen für unmöglich. Der Reichstag beschränkte sich demgemäß darauf, eine Resolution anzu­ nehmen, die den Reichskanzler zur Vorlage eines Ge­ setzentwurfs über die Bildung einer Zwangsgenossenschaft aufforderte. Daß angesichts dieser Resolution eine Ände­ rung der Gesetzgebung in absehbarer Zeit zu erwarten ist, ist nicht anzunehmen. Auf Grund der bisherigen Er­ gebnisse der Statistik hat sich für die Versicherung eine Abtrennung der Fahrzeughalter, die gewerbsmäßig Per­ sonenbeförderung betreiben, von den übrigen ergeben.

II. Haftpflicht. § 12.

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Für die gewerbsmäßige Personenbeförderung sind die Sätze infolge der größeren Häufigkeit der Unfälle höhere geblieben. Dagegen konnten für die sonstigen Fahrzeug­ halter, die hauptsächlich in den Automobilklubs zusammen geschlossen sind, Versicherungen im Rahmen der im § 12 enthaltenen Höchstziffern zu günstigen Bedingungen und annehmbaren Prämiensützen erreicht werden. (Die der­ zeit geltenden Versicherungsbedingungen der Preußischen National-Versicherungsgesellschaft zu Stettin für die Mit­ glieder des Kaiserlichen und der dem Kartell der Auto­ mobilklubs angehörenden Klubs, und die besonderen Bedingungen der Providentia, Allgemeine Versicherungs­ gesellschaft in Wien, für die Mitglieder des Bayerischen Automobilklubs sind im Anhang abgedruckt. Schaden­ fälle, die die Höchstsummen des § 12 überschreiten, sind nur Ausnahmen. Ein höheres Arbeitseinkommen ist in der Regel bedingt durch ein höheres Maß von Besonnen­ heit, Einsicht und Gewandtheit. Solche Personen sind Verkehrs-Unfällen weniger ausgesetzt. Es erscheint danach ein dringendes Bedürfnis nach einer allgemeinen Zwangsgenossenschaft nicht gegeben, und dagegen gerechtfertigt, die Erfahrungen mit der jetzigen Regelung abzuwarten. 2. Sind Heilungs- und Beerdigungskosten zu ersetzen, so sind diese zunächst von der Höchstsumme von 50 000 Mark abzuziehen. Der Restbetrag ist für die Kapitals­ abfindung verfügbar. Nach § 13 Abs. 2 in Verbindung mit § 843 Abs. 3 BGB. kann statt der Rente eine Abfindung in Kapital verlangt werden, wenn ein wich­ tiger Grund vorliegt (vgl. § 13 Anm. 2). Zu deren Berechnung ist Betrag und Dauer der Rente festzustellen und dann deren Kapitalswert zum gesetzlichen Zinsfuß von 4o/o (§ 246 BGB.) zu ermitteln. Der Richter kann aber auch auf anderer Grundlage die Kapitalsabfindung bestimmen. Das Gesetz spricht nicht von einem Kapital­ wert der Rente. 3. Der einzelne Ersatzberechtigte kann nie mehr als 50000 Mk. Kapital oder 3000 Mk. Rente zugesprochen erhalten, auch wenn die Ansprüche der anderen zusammen

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Gesetz über den Verkehr mit Kraftfahrzeugen.

100000 Mk. Kapitalabfindung oder 6000 Mk. Rente nicht erreichen. 4. Sind Personen und Sachen beschädigt, so werden die Höchstsummen für Personen und Sachen zusammen­ gerechnet. Im Falle der Ziffer 1 und 3 geht also die Haftung bis zu 60000 Mk., im Falle der Ziff. 2 und 3 bis zu 160000 Mk. 6. Diese Bestimmung gilt sowohl für den Fall der Be­ schädigung mehrerer Personen als auch für den Fall der Beschädigung der Sachen mehrerer Eigentümer. Der Absatz regelt die Verteilung der verfügbaren Höchstsumme auf die Beteiligten, wenn die Summe der Ansprüche höher ist. Es hat z. B. Anspruch auf einen Kapitalbetrag: A von 30000 Mk. B von 48 000 Mk. C von 42000 Mk. D von 12000 Mk. E von 48000 Mk. zusammen 180000 Mk. so erhalten: A 25 000 Mk. B 40000 Mk. C 35 000 Mk. D 10000 Mk. E 40 000 Mk. zusammen: 150000 Mk.

Die Ansprüche werden im Verhältnis von 18:15 = 6:5 herabgesetzt. Hat ein Einzelner z. B. 60000 Mk. zu beanspruchen, so wird sein Anteil bei Berechnung der Gesamtsumme gemäß Ziffer 2 gleichwohl nur mit 50000 Mk. in An­ satz gebracht.

§ 13. i Der Schadensersatz wegen Aufhebung oder Min­ derung der Erwerbsfähigkeit und wegen Vermehrung der Bedürfnisse des Verletzten sowie der nach § 10

II. Haftpflicht. 88 12, 13.

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Abs. 2 einem Dritten zu gewährende Schadensersatz ist für die Zukunft durch Entrichtung einer Geldrente zu leisten? ii Die Vorschriften des § 843 Abs. 2 bis 4 des Bürgerlichen Gesetzbuchs3 und des § 708 Nr. 6 der Zivilprozeßordnung3 finden entsprechende Anwendung. Das Gleiche gilt für die dem Verletzten zu entrichtende Geldrente von der Vorschrift des § 850 Abs. 3 4 und für die dem Dritten zu entrichtende Geldrente von der Vorschrift des § 850 Abs. 1 Nr. 2 der Zivil­ prozeßordnung? in Ist bei der Verurteilung des Verpflichteten zur Entrichtung einer Geldrente nicht auf Sicherheits­ leistung erkannt worden, so kann der Berechtigte gleich­ wohl Sicherheitsleistung verlangen, wenn die Ver­ mögensverhältnisse des Verpflichteten sich erheblich verschlechtert haben; unter der gleichen Voraussetzung kann er eine Erhöhung der in dem Urteil bestimmten Sicherheit verlangen?-7 1. Abs. 1 stellt den Grundsatz auf, das; der Schadenersatz durch eine Geldrente 511 leisten ist. Der Verletzte kann z. B. nicht die Stellung des notwendigen Pflegers oder die Lieferung der notwendigen besonderen Nahrungs­ mittel verlangen. Der Verpflichtete kann durch diese Leistungen ohne Einwilligung des Verletzten seine Ver­ pflichtung nicht erfüllen. 2. § 843 Abs. 2—4 BGB. lauten: „Auf die Rente finden die Vorschriften des § 760 Anwendung. Ob, in welcher Art unb für welchen Betrag der Ersatzpflichtige Sicherheit zu leisten hat, bestimmt sich nach den Nnlständen. Statt der Rente kann der Verletzte eine Abfin­ dung in Kapital verlangen, wenn ein wichtiger Grund vorliegt.

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Gesetz über den Verkehr mit Kraftfahrzeugen.

Der Anspruch wird nicht dadurch ausgeschlossen, daß ein anderer dem Verletzten Unterhalt zu gewähren hat." § 760 BGB. lautet unter Weglassung des 2. Satzes des 2. Absatzes, da er sich nicht auf Geldrenten bezieht: „Die Leibrente ist im voraus zu entrichten. Eine Geldrente ist für drei Monate voraus zu bezahlen. Hat der Gläubiger den Beginn des Zeitabschnittes erlebt, für den die Rente im voraus zu entrichten ist, so gebührt ihm der volle auf den Zeitabschnitt ent­ fallende Betrag." Über die Tragweite dieser Vorschriften, vgl. die Be­ merkungen zu beideil Gesetzesstellcn in I. v. Standingers Kommentar zum BGB. Hervorgehobcn sei, daß die Bestimmungen über die Entrichtung der Geld­ rente durch Vereinbarung der Beteiligten abgeändert werden können. Umstände, auf Grund deren Sicherheitsleistung aus­ erlegt werden kann, sind solche in der Person des Schuldners vorhandene, nach denen zu besorgen ist, daß der Berechtigte die Rente bei Fälligkeit nicht oder nicht rechtzeitig oder nur nach großen Schwierigkeitell er­ langen wird. Dies ist z. B. angenommen toorbcn, weiln der Schuldner seinen Wohnsitz ins Ausland verlegt hat, wenn er einen gefahrvollen Beruf hat, wenn er sein Ver­ mögen in gewagten Unternehmungen angelegt hat, bei schikanöser Prozeßführung. Das Maß und die Art der Sicherheit bestimmt der Richter nach freiem Ermessen. Als wichtige Gründe, die statt der Geldrente die Kapital­ abfindung rechtfertigen können, kommen neben den die Auferlegung einer Sicherheit gestattenden in der Person des Schuldners liegenden Umstünden auch solche in Betracht, die in der Person des Gläubigers gegeben sind. Staudingers Kommentar 3./4. Aust, er­ wähnt folgende Beispiele: wenn der Ersatzpflichtige mit Hinterlassung zahlreicher Erben verstorben ist (nach den Motiven zum BGB.), wenn der Kläger im Auslalid lebt (die dahingehende in Seufferts Archiv Balld 62 Nr. 108 mitgeteilte Entscheidung des OLG. München vom 21. Nov.

II. Haftpflicht.

§ 13.

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1905 erregt Bedenken. Die Bevorzugung des Ausländers, weil er Ausländer ist, ist dem Deutschen Rechte fremd. Bgl. Art. 12 EGzBGB.), wenn der Verletzte seinen Wohn­ sitz verlegt und die Erhebung der Rente infolge dieses Umstandes für ihn mit erheblichen Mehrkosten verbunden sein würde, wenn der Ersatzpflichtige keinerlei Sicherheit für die Zahlung der Rente zu leisten vermag. Zur Kapitalabfindung vgl. auch noch § 12 Anm. 2.

3. 8 708- Ziff. 6 ZPO. lautet: „Auch ohne Antrag sind für vorläufig vollstreckbar zu erklären: 6. Urteile, welche die Verpflichtung zur Entrichtung von Alimenten oder zur Entrichtung einer nach §§ 843, 844 BGB. geschuldeten Geldrente aussprechen, soweit die Entrichtung für die Zeit nach der Erhebung der Klage und für das der Erhebung der Klage voraus­ gehende letzte Vierteljahr zu erfolgen hat."

4. 8 850 Abs. 3 ZPO. lautet: „Die nach 8 843 BGB. wegen einer Verletzung des Körpers oder der Gesundheit zu entrichtende Geld­ rente ist nur soweit der Pfändung unterworfen, als der Gesamtbetrag die Summe von fünfzehnhundert Mark für das Jahr übersteigt."

5. 8 850 Abs. 1 Nr. 2 ZPO. lautet: „Der Pfändung sind nicht unterworfen die auf gesetzlicher Vorschrift beruhenden Alimentenforderungen und die nach § 844 BGB. wegen der Entziehung einer solchen Forderung zu entrichtende Geldrente."

6. Absatz 3 entspricht dem 8 324 ZPO.

Warum hier nicht gleichfalls die entsprechende Anwendung dieser Ge­ setzesstelle verfügt, sondern der Wortlaut wiederholt wurde, ist nicht ersichtlich. 7. 8 9a des Gerichtskostengesetzes ist nicht für entspre­ chend nnweudbar erklärt. Der Streitwert der Klagen auf Grund des Gesetzes bemißt sich danach nach 8 9 GKG. auf den 12i/2fachen Jahresbetrag der verlangten Geldrente.

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Gesetz über den Verkehr mit Kraftfahrzeugen.

§ 14. i Die in den §§ 7 bis 13 bestimmten Ansprüche ans Schadensersatz verjähren in zwei Sauren1 von dem Zeitpunkt2 an, in welchem der Ersatzberechtigte von dem Schaden und von der Person des Ersatzpflichtigen Kenntnis3 erlangt, ohne Rücksicht auf diese Kenntnis in dreißig Jahren von dem Unfall an. n Schweben zwischen dem Ersatzpflichtigen und dem Ersatzberechtigten Verhandlungen über den zu leisten­ den Schadensersatz, so ist die Verjährung gehemmt bis der eine oder der andere Teil die Fortsetzung der Verhandlungen verweigert? in Im übrigen finden die Vorschriften des Bürger­ lichen Gesetzbuchs über die Verjährung Anwendung^.

1.

Die Verjährungsfrist für Ansprüche aus unerlaubten Handlungen nach dem BGB. beträgt gemäß § 852 BGB. 3 Jahre, die für Ansprüche aus dem Neichshaftpslichtgesetz gemäß § 8 letzteren Gesetzes 2 Jahre.

2. Der Beginn der Frist ist entsprechend dem § 852 BGB. bestimmt, während nach dem Reichshaftpflichtgesetz der Zeitpunkt des Unfalls maßgebend ist. 3.

Unter Kenntnis ist nicht die genaue Kenntnis aller Einzelheiten des Schadens und aller Merkmale der Person zu verstehen. Kenntnis der Person liegt vor, wenn der Ersatzberechtigte den Pflichtigen so zu bezeichnen vermag, daß dieser ohne Schwierigkeit ermittelt und benach­ richtigt werden kann. Kenntnis der Polizeinummer des Fahrzeugs z. B. muß hier genügen. Kenntnis des Scha­ dens ist gegeben, wenn er in seinen Umrissen bekannt ist. Die Verjährung läuft nicht etwa erst von dem Augenblick, in dem der Schaden ziffermäßig seststeht. Tritt eine Erweiterung des Schadens erst später ein, so beginnt die Verjährung des Mehranspruchs mit diesen: Zeitpunkt.

II. Haftpflicht.

88 14, 15.

57

4. Hier wird ein neuer Fall den Hemmungstatbe­ ständen der §§ 202 und 203 BGB. hinzugefügt. Die Zeit der VergleichSunterhandlungen wird in die Ver­ jährungszeit nicht eingerechnet. Nach Beendigung der Unterhandlungen läuft die vorher begonnene Verjäh­ rungsfrist weiter. 6. Die Verweigerung kann auch durch stillschweigende Erklärung erfolgen. Z. B. Nichtbeantwortung eines Briefes binnen angemessener Frist. 6. Siehe 1. Buch V. Abschnitt des BGB.

§ 15.1 Der Ersatzberechtigte verliert die ihm auf Grund der Vorschriften dieses Gesetzes2 zustehenden Rechte, wenn er nicht spätestens innerhalb zweier Monate3, nachdem er von dem Schaden unö4 der Person des Ersatzpflichtigen Kenntnis5 erhalten hat, dem Ersatz­ pflichtigen den Unfall" anzeigt? Der Rechtsverlust tritt nicht ein, wenn die Anzeige infolge eines von dem Ersatzberechtigten nicht zu vertretenden Umstandes3 unterblieben ist oder der Ersatzpflichtige innerhalb der bezeichneten Frist auf andere Weise von dem Schaden9 Kenntnis erhalten hat.

1. Der Paragraph ist im Interesse des Ersatzpflichtigen eingeführt. Er hat — nach der Begründung — „ein berechtigtes Interesse an der schleunigen Feststellung des Sachverhalts, da ihm die Beweispflicht in Bezug auf die Ursachen des Unfalls obliegt. Er darf deshalb ver­ langen, daß er so rasch als möglich von dem Schaden, für den er verantwortlich gemacht werden soll, Kenntnis erhält." Dieser Grundgedanke ist für die Auslegung maßgebeud. Das österreichische Gesetz vom 9. August 1908 enthält in seinem § 6 Abs. 2 eine entsprechende Bestimmung: „Der Schadensersatzanspruch erlischt auch

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Gesetz über den Verkehr mit Kraftfahrzeugen.

vor Ablauf der Verjährungsfrist, wenn der Ersatzberech­ tigte aus Verschulden unterlassen hat, innerhalb vier Wochen nach dem Tage, an dem er von der Person des Ersatzpflichtigen Kenntnis erhalten hat, ihm von dem Unfälle Mitteilung zu machen, es wäre denn, daß er beweisen kann, daß der Ersatzpflichtige innerhalb jener Frist von vier Wochen auf anderem Wege von dem Unfall Kenntnis erlangt habe." 2. Die Bestimmung gilt nur für die Ansprüche aus diesem Gesetz. Für die daneben noch auf Grund des BGB. bestehenden "Ansprüche ist eine Anzeige nicht notwendig. 3. Die Frist ist nach § 187 Abs. 1 und 188, 193 BGB. zu berechnen. Der Tag der Erlangung der Kenntnis wird nicht mitgerechnet. Die Frist endigt mit dem Ablauf desjenigen Tages des zweiten Monats, welcher burd) seine Zahl dem Tage der Erlangung der Kenntnis entspricht. Fehlt der der Zahl nach entsprechende Tag im zweiten Monat, so endigt die Frist mit Ablauf des letzten Tages dieses Monats. Ist der letzte Tag der Frist ein Sonntag oder staatlich anerkannter allgemeiner Feiertag, so endigt die Frist mit Ablauf des nächstfolgenden Werktages. 4. Fällt die Kenntnisnahme von der Person des Ersatz­ pflichtigen und des Schadens auf verschiedene Tage, so ist der spätere für den Beginn der Frist entscheidend. 5. Auf die Kenntnis von dein Unfall, z. B. dem Zu­ sammenstoß kommt es nicht an (vgl. dagegen Anm. 6), sondern auf die Kenntnis von dem durch den Unfall verursachten Schaden. Es kann sich der Schaden erst später zeigen. Darauf, das; er noch nicht den Volten Umfang des Schadens gekannt hat, kann sich der Ersatz­ berechtigte nicht berufen. Dagegen wird auch die Kenntnis von einein geringfügigen Schaden, für den der Ersatz­ berechtigte Ersatz nicht verlangen will, nicht die Frist in Lauf setzen, wenn er später von einem erheblicheil Schaden Kenntnis erhält. Kenntnis der Person liegt dann vor, wenn sie so gekennzeichnet werdeir kann, daß eine Nachricht mit den üblichen Verkehrsmitteln sie erreichen kann. Eine sichere auf tatsächliche Anhaltspunkte gestützte Vermutung steht der Kenntnis gleich. Vgl. § 14 Anm. 3.

II. Haftpflicht. 88 15, 16.

59

6.

Nur der Unfall, d. i. die Tatsache des Zusammen­ stoßes und der Schadenszufügung braucht angezeigt zu werden. Mitteilung des Schadens ist nicht erforderlich. Es genügt die einfache Anzeige ohne Ankündigung von Ansprüchen. 7. Die Anzeige muß dem Verpflichteten innerhalb der Frist zugehen. Es fehlt hier die ausdrückliche Bestim­ mung, daß die Absendung genüge, wie nach § 377 Abs. 4 HGB. und § 485 BGB. Selbstverständlich gilt die Anzeige als zugegangen, wenn sich der Angeschriebene der In­ empfangnahme entzieht (z. B. den Brief nicht annimmt). Vgl. § 130 ff. BGB. 8. Der Ersatzberechtigte hat Vorsatz und Fahrlässigkeit (§ 276 BGB.) bei der Unterlassung der Anzeige zu ver­ treten. Lange Krankheit gegen Schluß der Frist kann il)tt entschuldigen. Unkenntnis der gesetzlichen Anzeige­ pflicht entschuldigt selbstverständlich nicht. 9. Zu beachten ist, daß hier Kenntnis vom Schaden, nicht schon vom Unfall die Voraussetzung ist. Allerdings muß Kenntnis auch von geringfügigem Schaden genügen. Denn dann muß der Ersatzpflichtige damit rechnen, daß er in Anspruch genommen wird und kann seine Ermittlungen anstellen. Kenntnis des Ersatzpflichtigen nach Ablauf der Anzeigefrist hebt den eingetretenen Rechtsverlust nicht wieder auf.

§ 16.1 Unberührt bleiben die reichsgesetzlichen Vor­ schriften, nach welchen der Fahrzeughalter für den durch das Fahrzeug verursachten Schaden in weiterem Umfangt als nach den Vorschriften dieses Gesetzes haftet oder nach welchen ein anderer für den Schaden verantwortlich ist.

1. Der Paragraph regelt das Verhältnis der Hastpflicht­ bestimmungen des Gesetzes zu den bisher bestehenden Vor­ schriften. Dieses Gesetz trifft besondere Bestimmungen,

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Gesetz über den Verkehr mit Kraftfahrzeugen.

Wie oben erwähnt, nur hinsichtlich des Verhältnisses des Fahrzeughalters zum Publikum. Deshalb bezieht sich dieser Paragraph auch nur auf diese Materie. Daß die bisherigen Bestimmungen über die Haftung des Fahr­ zeughalters und anderer Personen (z. B. Berufsgenossen­ schaften gegenüber anderen Personen, z. B. dem Chauf­ feur, den Fahrgästen) — mögen sie auf Reichs- oder Landesrecht beruhen — durch dieses Gesetz nicht geändert sind, versteht sich von selbst. Es bedurfte keiner besonderen Hervorhebung. Wohl aber war eine Erklärung zweck­ mäßig hinsichtlich der bisherigen Vorschriften über die­ selbe Materie. Sonst hätte man zu dem Schlüsse kommen können, daß das jetzige Gesetz als das spätere die früheren Vorschriften aufhebt. Der Paragraph erklärt, daß diese nach wie vor daneben Geltung behalten. Der Ersatz­ berechtigte kann also die ihm günstigere Vorschrift wählen.

2. Landesgesehlich war die Materie bisher nicht geregelt, was nach Art. 105 EGzBGB. zulässig gewesen wäre. Durch die gegenwärtige Vorschrift wären alle etwa be­ stehenden landesgesetztichen Vorschriften außer Kraft ge­ setzt. Aus Art. 218 EGzBGB. ist zu folgern, daß auch in Zukunft jede landesgesetzliche Regelung der zivilrecht­ lichen Haftung aus Automobilunfällen ausgeschlossen ist.

3. Aufrechterhalten sind also die Vorschriften des BGB., wonach der Fahrzeughalter aus einer unerlaubten Hand­ lung haftet. Verntag der Ersatzberechtigte ein Verschulden des Halters nachznweisen oder besteht dessen Haftung nach § 831 BGB., so haftet er auch im Umfang der allge­ meinen Vorschriften: a) Diese Haftung ist nicht an die Höchstsätze des § 12 dieses Gesetzes gebunden. b) Die Haftung erstreckt sich auch auf Beeinträchtigung des Fortkommens, z. B. Einbüßen der Erwerbs­ stellung oder Verlust der Aussicht, eine solche zu er­ langen (§ 842 BGB.). c) Wegen des Schadens, der nicht Vermögens-Schaden ist, muß billige (Entschädigung in Geld geleistet werden (§ 847 BGB.). d) Ein dritter gegenüber dem Verletzten Dienstberech-

II. Haftpflicht. 88 16, 17.

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tigter ist für Entgang der Dienste zu entschädigen (8 845 BGB.). 4. Z. B. der zur Führung der Aufsicht Verpflichtete nach 8 832 BGB.

§ 17. i Wird ein Schaden durch mehrerere Kraftfahrzeuge verursacht und sind die beteiligten Fahrzeughalter einem Dritten1 kraft Gesetzes zum Ersätze des Schadens verpflichtet, so hängt im Verhältnisse der FahrzeugHalter zueinander" die Verpflichtung zum Ersätze sowie der Umfang des zu leistenden Ersatzes von den Um­ ständen, insbesondere davon ab, inwieweit der Schaden vorwiegend von dem einen oder dem anderen Teile verursacht worden ist? Das Gleiche gilt, wenn der Schaden einem der beteiligten Fahrzeughalter ent­ standen ist, von der Haftpflicht, die für einen anderen von ihnen eintritt? ii Die Vorschriften des Abs. 1 finden entsprechende Anwendung, wenn der Schaden durch ein Kraftfahr­ zeug und ein Tier oder durch ein Kraftfahrzeug und eine Eisenbahn verursacht wird.'- c

1. Dem Dritten gegenüber haften alle Fahrzeughalter samtverbindlich. (Vgl. § 840 BGB. und RGE. Bd. 60 5. 300 ff.). 2. Ohne besondere Vorschrift würden gemäß § 426 BGB. die beteiligten Automobilhalter im Verhältnis zu einan­ der den Schaden zu gleichen Teilen zu tragen haben. 3. Der für mitwirkendes Verschulden des Verletzten in § 254 BGB. und § 9 dieses Gesetzes eingeführte Grund­ satz der Abwägung der Gefährdungsurfachen und dem­ entsprechender Schadenverteilung ist hier auf das innere Verhältnis mehrerer haftpflichtiger Kraftwagenhalter übertragen.

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4.

Gesetz über den Verkehr mit Kraftfahrzeugen.

Satz 2 gehört systematisch nicht hierher. Er betrifft nicht das Verhältnis mehrerer Gesamtschuldner eines Dritten nach innen. Er gehört zu § 9 des Gesetzes. Dort ist vorgcschrieben, daß ein Verschulden des Verletzten bei der Schadensverteilung berücksichtigt werden soll. Hier wird die Abwägung der auf Grund des gegen­ wärtigen Gesetzes haftungbegründenden Gefährlichkeir mehrerer Kraftfahrzeuge gegeneinander vorgeschrieben. Dem geschädigten Kraftwagenhalter kann danach nicht nur wenn ihn oder den Lenker seines Fahrzeugs ein Verschulden trifft, sondern auch ohne Verschulden ein Teil des Schadens überbürdet werden. 5. Die Gefährlichkeitsabwägung im Verhältnis nach innen hat auch einzutreten, wenn ein Kraftwagenhalter und ein Tierhalter oder ein Kraftwagenhalter und ein Eisen­ bahnunternehmer einem Dritten als Gesamtschuldner haften. Z. B. vor einem Kraftwagen scheut ein Pferd. Es wird ein Fußgänger durch das scheuende Pferd vor das Automobil gedrängt und verletzt. Die Eigentümer des Kraftwagens und des Tieres haften dem Fußgänger als Gesamtschuldner. Die Verteilung der Schadenslast zwischen den beiden Eigentümern richtet sich nach den Umständen des Falles im Sinne des Abs. 1. 6. Der ganze Abs. 1 soll entsprechende Anwendung finden, also auch Satz 2 des Abs. 1. Folglich kann bei Beschädigung eines Tieres durch einen Kraftwagen der Schaden, je nachdem er mehr auf die Gefährlichkeit des Tieres oder des Kraftwagens zurückzuführen ist, dem Tierhalter ganz oder teilweise, oder ganz dem Automobilhalter überbürdet werden. Dasselbe gilt entspre­ chend für den Eiscnbahnunternehmer. Ist ein Kraft­ wagen durch eine Eisenbahn beschädigt worden, so ist in gleicher Weise zu untersuchen, wo die alleinige oder überwiegende Ursache (ohne Rücksicht auf Verschulden) zu suchen ist. Selbstverständlich kann einem Eisenbahnunter­ nehmer nie eine Haftung für Sachschaden überbürdet werden, die er nach den maßgebenden gesetzlichen Vor­ schriften überhaupt nicht hat.

II. Haftpflicht.

88 17, 18.

63

§ 18. i In den Fällen des § 7 Abs. 1 ist auch der Führer des Kraftfahrzeugs zum Ersätze des Schadens nach den Vorschriften der §§ 8 bis 15 verpflichtet. Die Ersatzpflicht ist ausgeschlossen, wenn der Schaden nicht durch ein Verschulden des Führers verursacht ist1 n Die Vorschrift des § 16 findet entsprechende An­ wendung? in Ist in den Fällen be§ § 17 auch der Führer eines Fahrzeugs zum Ersätze des Schadens verpflichtet, so finden auf diese Verpflichtung in seinem Verhältnisse zu den Haltern und Führern der anderen beteiligten Fahrzeuge, zu dem Tierhalter oder Eisenbahnunter, nehmer die Vorschriften des § 17 entsprechende An­ wendung?

1. Auch für den Führer stellt das Gesetz eine Rechts­ vermutung auf, auf Grund deren seine Haftung neben dem Halter verfügt wird. Hier gibt es aber nur eine Rechtsvermutung des Verschuldens (nicht des Betriebs­ fehlers). Vermag der Führer, dem die Beweislast obliegt, darzutun, daß ihn kein, auch nicht das leiseste Verschulden trifft, so ist er von der Haftung frei. Das Befolgen von Anordnungen des Dienstherrn vermag den Führer natürlich nicht ohne weiteres zu entlasten. 2. Der Führer hastet nach den Vorschriften des BGB. über den Rahmen des Gesetzes hinaus, wenn ihm ein Verschulden nachgewiescn ist. Für solche weitergehenden Ansprüche verbleibt es natürlich bei der Beweislast des Verletzten. Es kann nach dem Gesagten vorkommen, daß der Halter nur innerhalb der Grenzen dieses Gesetzes haftet, der Führer darüber hinaus. 3. Der Führer zählt als weiterer Regreßverpflichteter und Berechtigter bei der Frage der Schadensverteilung mit, es sei denn, daß der Mangel eines Verschuldens nachgewiesen ist.

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Gesetz Uber den Verkehr mit Kraftfahrzeugen.

§ IS. In bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten, in welchen durch Klage oder Widerklage ein Anspruch auf Grund der Vorschriften dieses Gesetzes geltend gemacht ist, wird die Verhandlung und Entscheidung letzter Instanz im Sinne des § 8 des Einführungsgesetzes zum Gerichtsverfassungsgesetze dem Reichsgerichte zugewiesen? 1. Alle Revisionen wegen Ansprüchen ans diesem (be­ setze sind daher ausschließlich vom Reichsgericht zu ent­ scheiden. Für die Rechtsprechung des Bayerischen Obersten Landesgerichts ist kein Raum.

§ 20.1 Für Klagen, die auf Grund dieses Gesetzes 2 er­ hoben werden, ist auch2 das Gericht zuständig, in dessen Bezirke das schädigende Ereignis stattgefunden hat?

1. Der Paragraph ist durch die Reichstagskommission eingefügt. 2. Nicht nur die Ansprüche des Verletzten gegen den Automobilhalter und Führer, sondern auch die Aus­ gleichungsansprüche nach §§ 17 und 18 des Gesetzes fallen darunter. Dies gilt auch von den Ausgleichungs­ ansprüchen gegen den Fiskus als Eisenbahnunternehmer. 3. Daneben ist zuständig das Gericht des allgemeinen Gerichtsstandes nach §§ 12 ff. ZPO. 4. Die Vorschrift ist eine analoge Anwendung des § 32 ZPO. auf die Haftung aus einer Gefährdungshaftung ohne Verschulden.

III. Strafoorschrifteu. Vorbemerkung. Der allgemeine Teil des RStGB. gilt auch für den Abschnitt III dieses Gesetzes. Dem­ gemäß sind die Zuwiderhandlungen im Sinne des § 21

65

88 19, 20. III. Strafvorschrlften. 8 21.

des Gesetzes Übertretungen (§ 1 RStGB.), dagegen diejenigen im Sinne der §§ 22 mit 25 Vergeben mit den aus dieser Verschiedenheit sich ergebenden Folgen: Hin­ sichtlich der Verjährungsfristen (§ 67 RStGB.), der Höhe der Mindeststrafen, der Umwandlung der Geldstrafen (§ 27 ff. RStGB.), der Zulassung des Verweises bei Jugendlichen (§ 57 RStGB.), des Versuches (§ 43 RStGB.), endlich hinsichtlich der Zuständigkeit.

§ 21? Wer den zur Erhaltung der Ordnung und Sicher­ heit auf den öffentlichen Wegen oder Plätzen erlassenen polizeilichen Anordnungen? über den Verkehr mit Kraftfahrzeugen zuwiderhandelt, wird mit Geldstrafe bis zu einhundertfünfzig Mark oder mit Haft bestraft?

1. übertret u n g.

Zuständig ist das Schöffengericht gemäß § 27 Ziff. 1 GVG.

2. Vgl. hierüber § 6 9(0f. 1 Ziff. 2 des Gesetzes mit Anmerkungen und die BB. vom 3. Februar 1910, ins­ besondere §§ 15—21.

3. Gemäß § 18 RStGB. ist Hast von 1 Tag bis 6 Wochen zulässig. Bisher konnte auf Grund des § 366 Ziff. 10 RStGB. auf Hast nur bis zu 14 Tagen erkannt werden. Nach der gleichen Bestimmung war bisher Geld­ strafe nur bis zu 60 M. zulässig. Der Mindestbetrag ist nach § 27 RStGB. 1 Mk. Die Geldstrafe ist für den Falt, daß sie nicht beigetrieben werden kann, nach §§ 27, 28 RStGB. in Haft umzuwandeln, wobei 1—15 Mk. einem Tage Haft gleichgeachtet werden können.

4. Die Entziehung der Fahrerlaubnis kann nicht durch den Strafrichter, sondern nur durch die Verwaltungs­ behörde nach § 4 ausgesprochen werden. Mehrfache Be­ strafungen können den betreffenden Führer als unge­ eignet im Sinne des § 4 erscheinen lassen. Seuffert, Verkehr mit Kraftfahrzeugen.

5

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Gesetz Über den Verkehr mit Kraftfahrzeugen.

§ 22? i Der Führer2 eines Kraftfahrzeugs, der nach einem Unfälle (§ 7) es unternimmt3, sich der Feststellung des Fahrzeugs und seiner Person durch die Flucht zu entziehens wird mit Geldstrafe bis zu dreihundert Mark oder mit Gefängnis bis zu zwei MonatenG be­ straft 7. Er bleibt jedoch straflos8, wenn er spätestens am nächstfolgenden Tage9 nach dem Unfall Anzeige bei einer inländischen Polizeibehörde10 erstattet und die Feststellung des Fahrzeugs und seiner Person" bewirkt.

Verläßt der Führer des Kraftfahrzeugs eine bei dem Unfälle verletzte Person vorsätzlich 12 in hilf­ loser " Lage, so wird er mit Gefängnis bis zu 6 Monaten bestraft. Sind mildernde Umstände vor­ handen, so kann auf Geldstrafe bis zu dreihundert Mark" erkannt werden. h

1.

Vergehen. Zuständig ist für die Vergehen nach Abs. 1 gemäß 27 GVG. das Schöffengericht, die Ver­ gehen nach Abs. 2 gemäß § 73 GVG. die Strafkammer. Doch kann sie nach § 75 Ziff. 14 GVG. die Verhandlung und Entscheidung dem Schösse»igericht überweisen, wenn anzunehmen ist, daß nur auf eine Gefängnisstrafe von höchstens drei Monaten erkannt werden wird.

2. Täter ist nur der Führer, das ist derjenige, der selbst das Steuer lenkt. Ergreift ein anderer nach dem Unfall schnell das Steuer und fährt fort, so ist dieser der Führer. Der Halter oder ein Dritter kann neben dem Führer nur als Anstifter oder Teilnehmer in Be­ tracht kommen.

3. Als Unternehmen ist der aus dem § 82 RStGB. zu entnehmenden allgemeinen Regel entsprechend jede Hand­ lung anzusehen, durch welche das Vorhaben der Ent­ ziehung unmittelbar zur Ausführung gebracht wer­ den soll. Das Ankurbeln, Offnen der Gaszufuhr, Lösen

III. Straft?imdhlften.

§ 22.

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der Bremse würde genügen. Es braucht noch nicht das Fahrzeug in Bewegung gekommen zu sein. 4. Das Unternehmen des Führers muß darauf gerichtet sein, sowohl das Fahrzeug als auch seine Person der Feststellung zu entziehen. Läßt der Führer das Fahrzeug stehen und flüchtet, so ist der Tatbestand des § 22 nicht erfüllt. Veranlaßt er einen andern, mit dem Fahrzeug davon zu fahren, bleibt aber selbst da, so könnte er nur als Anstifter nicht als Täter in Betracht kommen. 5. Das Vergehen ist nur gegeben, wenn Vorsatz auf Entziehung vorliegt. Eine fahrlässige Begehung ist aus­ geschlossen. War der Führer z. B. der Meinung, daß die Nummer des Fahrzeugs bereits festgestellt sei, so fehlt es an dem erforderlichen Vorsatz. 6. Nach §§ 27 und 16 NStGB. ist eine Mindeststrase von 3 Mk. oder 1 Tag Gefängnis zulässig. 7. Eiu Versuch dieses Vergehens ist begrifflich ausge­ schlossen. Auch für diejenigen, die die Möglichkeit eines Versuchs eines Unternehmens grundsätzlich bejahen, ist dies praktisch bedeutungslos, da der Versuch nicht aus­ drücklich unter Strafe gestellt ist. (§ 43 Abs. 2 StGB.). 8. 8 46 NStGB. über die „Tätige Reue" ist nicht anlvendbar, da nach dem oben gesagten das Vergehen nicht als „Versuch" charakterisiert werden kann. Deswegen glaubte man für den Fall, daß ein Führer z. B. aus Furcht vor Mißhandlungen sich zunächst der Feststellung entzieht, dann aber meldet, eine besondere Bestimmung treffen zu müssen. 0. Eine spätere Anzeige befreit nicht ohne weiteres von der Strafe; doch kann unter Umständen daraus auf ein Fehlen des Vorsatzes der Entziehung geschlossen werden. 10. Es genügt Anzeige bei jeder Polizeibehörde, auch ver OrLspolizeibehörde (in Bayern dem Bürgermeister). Auch die Anzeige bei jedem inländischen Gendarm befreit von der Strafe. Denn dieser ist ein zur Entgegennahme von Anzeigen beauftragtes Organ der Polizeibehörde. 11. Beide Feststellungen werden verlangt. Die Feststel­ lung des Fahrzeugs allein ist ungenügend, weil unter ö*

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Gesetz über den Vermehr mit Kraftfahrzeugen.

Umständen nur den Führer die Verantwortlichkeit trifft (§ 7 Abs. 3). Die Feststellung des Führers allein ist ebenso ungenügend, weil die Haftung des Halters we­ sentlich ist. 12. Fahrlässiges Verlassen (der Führer merkt nicht, daß eine Person verletzt oder in hilfloser Lage ist) macht nicht straffällig. 13. Hilflosigkeit wird entsprechend dem § 221 RStGB. anzunehmen sein, wenn die Person ohne Hilfe sich nicht in Sicherheit bringen kann. Daß die betreffende Person durch Rufen Hilfe herbeiführcn kann, hebt die Hilfelosigkeit nicht auf. (Die Bestimmung wurde erst auf Antrag aus der Mitte der Reichstagskonnnission eingefügt.) 14. Vgl. Anm. 6.

§ 23? i Mit Geldstrafe bis zu dreihundert Mark oder mit Gefängnis bis zu zwei Monaten2 wird bestraft, wer auf öffentlichen Wegen oder Plätzen ein Kraft­ fahrzeug führt, das nicht von der zuständigen Be­ hörde zum Verkehre zugelassen2 ist. n Die gleiche Strafe trifft den Halter eines nicht zum Verkehre zugelassenen Kraftfahrzeugs, wenn er vorsätzlich oder fahrlässig dessen Gebrauch auf öffent­ lichen Wegen oder Plätzen gestattet.

1. Vergehen. Zuständig ist das Schöffengericht gemäß § 27 Ziff. 2 GVG. 2. Nach §§ 27 und 16 RStGB. ist eine Mindeststrafe von 3 Mk. oder 1 Tag Gefängnis zulässig. 3. Siehe § 1 des Gesetzes, BV. vom 3. Februar 1910 88 5 ff., BVJ. 88 5 ff. (siehe Anhang). 4. über den Begriff „Halter" siehe 8 7 Anm. 5.

III. Strafvorschriften. §8 22-24.

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§ 24/ i Mit Geldstrafe bis zu dreihundert Mark oder mit Gefängnis bis zu zwei Monaten2 wird bestraft: 1. wer ein Kraftfahrzeug führte ohne einen Führerschein zu besitzen/ 2. wer ein Kraftfahrzeug führt, obwohl ihm die Fahrerlaubnis entzogen ist/ 3. wer nicht seinen Führerschein der Behörde, die ihm die Fahrerlaubnis entzogen hat, auf ihr Verlangen abliefert?'8 ii Die gleiche Strafe trifft den Halter9 des Kraft­ fahrzeugs, wenn er vorsätzlich oder fahrlässig eine Person zur Führung des Fahrzeugs bestellt10 oder ermächtigt," die sich nicht durch einen Führerschein auStoeifen12 kann oder der die Fahrerlaubnis ent­ zogen ist.

1. Vergehen. Zuständig ist das Schöffengericht gemäß 8 27 Zifs. 2 GVG.

2. Die Mindestgeldstrafe betrügt 3 Mk., die MindestGefüngnisstrafe einen Tag. (§§ 27 u. 16 RStGB.)

3. Vgl. für Übungsfahrten § 3 Abs. 2. 4. Siehe § 2 Abs. 2. Dem Führerschein stehen nach BVJ. 88 7 und 10 c der „Internationale Fahrtausweis" und „das entsprechende ausländische Führerzeugnis" gleich. 5. Besitzen bedeutet hier nicht „bei sich führen". In der Vorlage hieß es „durch einen Führerschein sich aus­ weisen zu können". In der ersten Lesung der Kommission wurde die Fassung „zu haben" angenommen. In zweiter Lesung wurde statt dessen das jetzige „besitzen" eingesetzt. Der Kommissionsbericht bezeichnet die letzte Änderung als redaktioneller Natur. Nach der unwidersprochenen Begründung des Antragstellers ist „besitzen" — „er­ halten zu haben". — Wer den rechtmäßig erworbenen Führerschein verloren hat, macht sich danach nicht nach

70

Gesetz über den Verkehr mit Kraftfahrzeugen.

§ 24 straffällig, wenn er vor Ausstellung eines Doppels fährt. Das „nicht bei sich führen" ist als Übertretung nach § 21 strafbar. 6. Siehe § 4. 7. Siehe § 4. Die Verpflichtung zur Ablieferung besteht schon auf Grund des Entzichungsbeschlusses. Die Be­ strafung kann erst dann eintreten, wenn ein ausdrück­ liches Verlangen der Ablieferung dem Führer zugegangen ist. 8. In sämtlichen Fällen ist nach allgemeinen Rechts­ grundsätzen Vorsatz oder Fahrlässigkeit Voraussetzung der Bestrafung. Daß im Abs. 2 diese Voraussetzung aus­ drücklich hervorgehoben ist, beruht lediglich auf der Entstehungsgeschichte. In der Regierungsvorlage hatte in Absatz 2 „wissentlich" gestanden. Die Kommission wollte zum Ausdruck bringen, dast auch fahrlässige Zu­ widerhandlung den Halter straffällig mache. 9. Vgl. § 7 Anm. 4. 10. Das Vergehen ist schon mit der Bestellung (Ab­ schluß eines Dienstvertrages) oder der Ermächtigung (Gestattung an einen Dritten) vollendet. Der Bestellte oder Ermächtigte braucht die Fahrt noch nicht angetrcteu zu haben. 11. Der Halter macht sich danach im Gegensatz zum Führer auch dann straffällig, wenn der Führer feinen Führerschein verloren hat. Versehentlich ist hier offen­ bar eine Änderung der Fassung entsprechend der neuen des Absatz 1 unterblieben.

§ 25? i

Wer in rechtswidriger Absicht? 1. ein Kraftfahrzeug, für welches von der Polizeibehörde ein Kennzeichen nicht ausgegeben oder zugelassen worden ist, mit einem Zeichen versieht, welches geeignet ist, den Anschein der polizeilich angeordneten oder zugelassenen Kennzeichnung hervorzurufen,

III. Strafvorschrtften. §§ 24, 25.

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2, ein Kraftfahrzeug mit einer anderen als der polizeilich für das Fahrzeug ausgegebenen oder zugelassenen Kennzeichnung versieht/ 3. das an einem Kraftfahrzeuge gemäß polizeilicher Anordnung angebrachte Kennzeichen verändert/ beseitigt/ verdeckt? oder sonst in seiner Erkenn­ barkeit beeinträchtigt/ wird, sofern nicht nach den Vorschriften des Straf­ gesetzbuchs eine höhere Strafe verwirkt ist/ mit Geldstrafe bis zu fünfhundert Mark oder mit ®e* füngnis bis zu drei Monaten bestraft? n Die gleiche Strafe trifft Personen, welche auf öffentlichen Wegen oder Plätzen von einem Kraft­ fahrzeuge Gebrauch machen/" von dem sie wissen,11 daß die Kennzeichnung in der im Abs. 1 unter Nr. 1 bis 3 bezeichneten Art gefälscht, verfälscht oder unter­ drückt worden ist.

1. Vergehen. Zuständig sind nach § 27 Ziff. 2 die Schöffengerichte. 2. Weder die Begründung noch die Kommissionsver­ handlungen erläutern den Begriff „in rechtswidriger Absicht". Es erhellt ohne weiteres, daß stets Vorsatz als Tatbestandsmerkmal gefordert ist. Es gibt also keine fahrlässige Begehung der Vergehen nach § 25. Der Vorsatz muß sich auf alle Tatbestandsmerkmale erstrecken. Die rechtswidrige Absicht, die Absicht das Erkanntwerden des Fahrzeugs zu verhindern, wird in allen Fällen, in denen der Vorsatz vorhanden ist, auch gegeben sein. Diese Absicht muß aber angesichts des Wortlautes jedesmal im Urteil besonders festgestellt werden. 3. Vgl. § 1, ferner BB. vom 3. Februar 1910 §§ 5 ffund BVJ. vom 21. Avril 1910 §§ 5 ff. 4. Hierunter fällt sowohl das Fahren mit fremdem echtein Kennzeichen, als auch das Fahren mit falschem Kennzeichen.

5. Z. B. Änderung des Buchstabens oder der Nummer. 6. Z. B. Wegnahme der Hinteren Erkennungsnummer. 7. Z. B. durch Gepäck, durch Straßenstaub, Unterlassung der Beleuchtung. 8. Die Vorschrift kann in Gesetzeskonkurrenz mit der Urkundenfälschung des § 267 StGB, stehen, der Gefäng­ nis bis zu fünf Jahren androht oder mit Betrug des § 263 NStGB., der die gleiche Höchststrafe vorsieht. In diesen Füllen kann eine Verurteilung nur nach den Vor­ schriften des Strafgesetzbuchs erfolgen. 9. Nach §§ 27 und 16 NStGB. ist eine Mindeststrafe von 3 Mk. oder 1 Tag Gefängnis zulässig. 10. Das Gebrauchmachen ist vollendet schon mit den Vorbereitungen zum Fahren, z. B. dem Ankurbetn. 11. Auch die Vergehen nach Abs. 2 können nur vorsätz­ lich begangen werden.

§ 26. Dieses Gesetz tritt hinsichtlich der Vorschriften über die Haftpflicht — Teil II — mit dem 1. Juni 1909, im übrigen mit dem 1. April 1910 in Kraft. Die Hinausschiebung bcS Inkrafttretens des Teiles I. „Verkehrsvorschriften" und des von ihm abhängigen Teiles III „Strafvorschristen" geschah in der Absicht, den zuständigen Stellen, Bundesrat und Landcsregierungen, Zeit zur Aus- und Umarbeitung der Vollzugs­ vorschriften zu lassen.

Urkundlich unter Unserer Höchsteigenhändigen Unterschrift und beigedrucktem Kaiserlichen Jnsiegcl.

Gegeben Achilleion, Corfu, den 3. Mai 1909. (L. S.)

Wilhelm. Fürst von Bülolv.

Anhang

1. Bekanntmachung, betreffend die Regelung des Verkehrs mit Kraftfahrzeugen. Vom 3. Februar 1910. (RGBl. 1910 Nr. ö S. 389.)

Der BundeSrat hat auf Grund deS § 6 deS Gesetzes über den Verkehr mit Kraftfahrzeugen vom 3. Mai 1909 (RGBl. S. 437) für den Verkehr mit Kraftfahr­ zeugen auf öffentlichen Wegen oder Plätzen die nach­ stehende Verordnung erlassen.

Berlin, den 3. Februar 1910.

Der Reichskanzler. In Vertretung: Delbrück.

Verordnung über den Verkehr mit Kraftfahrzeugen. A. Allgemeine Vorschriften. § 1. Als Kraftfahrzeuge im Sinne dieser Vorschriften gelten Wagen oder Fahrräder, die durch Maschinenkraft bewegt werden, ohne an Bahngteise gebunden zu sein; als Krafträder gelten Fahrzeuge, die vorn Sattel aus gefahren werden und auf nicht mehr als drei Rädern laufen, wenn ihr Eigengewicht ohne Betriebsstoffe (bei elektrischem Antrieb ohne Akkumulatoren) 150 Kilogramm nicht übersteigt.

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Anhang. 1. Verordnung des Bundesrats

§ 2. Für den Verkehr mit Kraftfahrzeugen gelten sinn­ gemäß die den Verkehr von Fuhrwerken oder von Fahr­ rädern auf öffentlichen Wegen und Plätzen allgemein regelnden Vorschriften, sofern nicht nachfolgend oder gemäß § 6 Ms. 3 des Gesetzes von den Landeszentral­ behörden andere Bestimmungen getroffen werden. Auf Kraftfahrzeuge, die für den öffentlichen Fuhrbetrieb verwendet werden, sowie auf die Führer dieser Fahrzeuge finden neben den nachstehenden Vorschriften die allgemeinen Bestimmungen über den Betrieb der Droschken, Omnibusse und sonstigen dem öffentlichen Transportgewerbe dienenden Fuhrwerke Anwendung. Die nachstehenden Vorschriften finden keine Anwen­ dung auf Straßenlokomotiven, Straßenwalzen, Zug­ maschinen ohne Güterladeraum, deren betriebsfertiges Eigengewicht, und Lastkraftwagen, deren Gesamtgewicht (einschließlich Ladung) 9 Tonnen übersteigt, sowie auf selbstfahrende Arbeits- und Werkzeugmaschinen zu landwirtschaftlichen oder gewerblichen Zwecken (z. B. Dampf-, Motorpflüge, Motorsägen). B. Das Kraftfahrzeug. a) Beschaffenheit und Ausrüstung. § 3. Die Kraftfahrzeuge müssen verkehrssicher und ins­ besondere so gebaut, eingerichtet und ausgerüstet sein, daß Feuers- und Explosionsgefahr sowie jede vermeid­ bare Belästigung von Personen und Gefährdung von Fuhrwerken durch Geräusch, Rauch, Dampf oder üblen Geruch ausgeschlossen ist. Die Radkränze dürfen keine Unebenheiten besitzen, die geeignet sind, die Fahrbahn zu beschädigen. § 4. Jedes Fahrzeug muß versehen sein: 1. mit einer zuverlässigen Lenkvorrichtung, die gestattet, sicher und rasch auszuweichen; die zur Lenkung benutzten Wagenräder sollen nach beiden Seiten möglichst weit einschlagen, um kurz wenden zu können; 2. mit zwei voneinander unabhängigen Bremseinrich­ tungen, von denen jede auf die Wagenräder der

über den Verkehr mit Kraftfahrzeugen. 88 2—4.

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gebremsten Achse gleichmäßig einwirkt; mindestens eine Bremseinrichtung muß unmittelbar auf die Hinterräder oder aus Bestandteile, die mit diesen Nädern fest verbunden sind, wirken; diese Bremse muß feststellbar sein. Jede Bremseinrichtung muß für sich geeignet sein, den Lauf des Fahrzeugs so­ fort zu hemmen und es auf die kürzeste Entfernung zum Stehen zu bringen; 3. mit einer zuverlässigen Vorrichtung, die beim Be­ fahren von Steigungen die unbeabsichtigte Nückwärtsbewegung verhindert, sofern nicht eine der Bremsen diese Forderung erfüllt; 4. mit einer tieftönenden Hupe zum Abgeben von Warnu.ngszeichen; falls die Hupe mehrtonig ist, müssen die verschiedenen Töne gleichzeitig anklingen; 5. nach eingetretener Dunkelheit und bei starkem Nebel mit mindestens zwei in gleicher Höhe ange­ brachten, die seitliche Begrenzung des Fahrzeugs anzeigenden, hellbrennenden Laternen mit farblosem Glase, die den Lichtschein derart auf die Fahrbahn werfen, daß diese auf mindestens 20 Meter vor dem Fahrzeug von dem Führer übersehen werden kann, übermäßig stark wirkende Scheinwerfer dürfen nicht verwendet werden; 6. mit einer Vorrichtung, die verhindert, daß das Fahrzeug von Unbefugten in Betrieb gesetzt werden kann. Auf Krafträder findet Nr. 3 keine Anwendung; Nr. 4 gilt mit der Maßgabe, daß die Hupe hochtönend sein muß. Für Krastzweiräder gilt außerdem Nr. 5 mit der Einschränkung, daß eine Laterne der bezeichneten Art genügt. Jeder Kraftwagen, dessen Eigengewicht 350 Kilo­ gramm übersteigt, muß so eingerichtet sein, daß er mittels der Maschine oder des Motors vom Führersitz aus in Nückwärtsgang gebracht werden kann. Die Griffe zur Bedienung der Maschine oder des Motors und der im Ms. 1—3 angeführten Einrich­ tungen müssen so angebracht sein, daß der Führer sie, ohne sein Augenmerk von der Fahrtrichtung abzulenken,

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Anhang. 1. Verordnung des Bundesrats

leicht und auch im Dunkeln ohne Verwechselungsgefahr handhaben kann. Jedes Kraftfahrzeug muß mit einem an einer sicht­ baren Stelle des Fahrgestells angebrachten Schilde ver­ sehen sein, das die Firma, die das Fahrgestell hergestellt hat, die Fabriknummer des Fahrgestells, die Anzahl der Pferdestärken der Maschine oder des Motors (bei steuer­ pflichtigen Fahrzeugen auch die nach der Steuersormel berechnete Nutzleistung des Fahrzeugs) und das Eigen­ gewicht des betriebsfertigen Fahrzeugs ergibt.

b) Antrag auf Zulassung eines Fahrzeugs.

§ 5. Wenn ein Kraftfahrzeug in Betrieb genommen werden soll, hat der Eigentümer bei der für seinen Wohnort zuständigen höheren Verwaltungsbehörde die Zulassung des Fahrzeugs schriftlich zu beantragen. Der Antrag muß enthalten: 1. Name und Wohnort des Eigentümers, 2. die Firma, die das Fahrgestell hergestcltt hat, sowie die Fabriknummer des Fahrgestells, 3. die Bestimmung des Fahrzeugs (Personen- oder Lastfahrzeug), 4. die Art der Kraftquelle (Verbrennungsmaschine, Dampfmaschine, Elektromotor), 5. die Anzahl der Pferdestärken der Maschine oder des Motors (bei steuerpflichtigen Fahrzeugen auch die nach der Steuerformel berechnete Nutzleistung des Fahrzeugs), 6. das Eigengewicht des betriebsfertigen Fahrzeugs, 7. die zulässige Belastung (in Kilogramm oder Per­ sonen einschließlich Führer), 8. bei Fahrzeugen, deren Gesamtgewicht (einschließlich Ladung) 5 Tonnen übersteigt, die Achsdrucke im beladenen Zustand. Dem Antrag ist das Gutachten eines von der höheren Verwaltungsbehörde eines Bundesstaats anerkannten Sachverständigen beizufügen, das die Nichtigkeit der An­ gaben unter Nr. 4—8 sowie ferner bestätigt, daß das Fahrzeug den nach dieser Verordnung zu stellenden An-

forderungen genügt. Hinsichtlich der Nr. 5 kann das (Gutachten des Sachverständigen durch eine Bescheinigung der Firma ersetzt werden, die die Maschine oder den Motor hergestellt hat. Das Gutachten hat der Antrag­ steller auf seine Kosten zu beschaffen. Die höhere Verwaltungsbehörde ist befugt, auf An­ trag einer Firma, deren Sitz sich im Bezirke der Behörde befindet, nach einer auf Kosten der Firma vorgenommenen Prüfung eine Bescheinigung darüber zu erteilen, daß eine fabrikmäßig gefertigte Gattung eines Kraftfahr­ zeugs den nach Maßgabe dieser Verordnung zu stellenden Anforderungen genügt (Typenprüfung). Die Typenbeschcinigung gilt für das ganze Reich. Bei der Veräuße­ rung eines Kraftfahrzeugs, das einer derart zugelassenen Gattung angehört, kann die Firma dem Abnehmer eine mit laufender Nummer versehene Ausfertigung der Be­ scheinigung, die auch die Nichtigkeit der im Ms. 1 unter Nr. 4—8 vorgeschricbencn Angaben bestätigen muß, mit der Wirkung verabfolgen, daß sie das im Abs. 2 geforderte Gutachten ersetzt; die Übereinstimmung der Ausfertigung mit der Originalbescheinigung muß amtlich beglaubigt sein, über die solchergestalt in den Verkehr gebrachten Fahrzeuge hat die Firma ein Verzeichnis zu führen. Für die nach Abs. 2 und 3 vorznnehmenden Prü­ fungen gelten die Vorschriften der als Anlage A bei- l?lnla^ A. gefügten „Anweisung über die Prüfung von Kraftfahrzeugen".

c) Zulassung zum Verkehr nung.

und

Kennzeich­

§ 6. Die höhere Verwaltungsbehörde (§ 5 Abs. 1) ent­ scheidet über den Antrag auf Zulassung des Kraftfahr­ zeugs zum Verkehr auf öffentlichen Wegen und Plätzen. Die Zulassung gilt für das ganze Reich. Im Falle der Zulassung hat die höhere Verwaltungs­ behörde das Kraftfahrzeug in eine Liste nach beiliegendem Muster 1 einzutragen, dem Fahrzeug ein polizeiliches Muster i. Kennzeichen (§ 8) zuzuteilen und hiervon dem Antrag­ steller Mitteilung zu machen, sowie über die Zulassung

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Anhang. 1. Verordnung des Bundesrats

und die Eintragung des Kraftfahrzeugs und die Zu­ teilung des Kennzeichens eine Bescheinigung nach beiMuster 2. liegendem Muster 2 auSznsertigen. Die Aushändigung der Bescheinigung erfolgt durch die für den Ort, wo das Kraftfahrzeug in Betrieb gesetzt werden soll, zu­ ständige Polizeibehörde. Treten bei einem zum Verkehr auf öffentlichen Wegen und Plätzen bereits zugelassenen Kraftfahrzeug Ände­ rungen ein, die eine Berichtigung der Liste und der Zulassungsbescheinigung erforderlich machen, so hat der Eigentümer unter Vorlegung der Zulassungsbescheinignng die Berichtigungen innerhalb zwei Wochen bei der zu­ ständigen höheren Verwaltungsbehörde zu beantragen. Bei Änderung der Art der Kraftquelle, bei Einbau einer stärkeren Maschine oder eines stärkeren Motors, einer in ihrer Bauart oder Übersetzung veränderten Bremse oder Lenkvorrichtung bedarf es einer erneuten Zulassung, die der Eigentümer sofort unter Beifügung eines Gut­ achtens (§ 5 Ms. 2) bei der zuständigen höheren Ver­ waltungsbehörde zu beantragen hat. Verlegt der Eigentümer eines Kraftfahrzeugs seinen Wohnort in den Bezirk einer anderen höheren Ver­ waltungsbehörde, so hat er bei dieser die erneute Zu­ lassung des Fahrzeugs §n beantragen; der Beifügung des Gutachtens eines sachverständigen (§ 5 Abs. 2, 3) bedarf es in diesem Falle nicht, wenn die bisherige Zu­ lassungsbescheinigung vorgelcgt wird. Bei Ausfertigung der neuen Zulassungsbescheinignng ist die bisherige ein­ zuziehen. Soll ein Kraftfahrzeug zum Verkehr auf öffentlichen Wegen und Plätzen nicht mehr verwendet werden, so hat der Eigentümer der zuständigen höheren Ver­ waltungsbehörde hiervon Mitteilung zu machen und ihr die Zulassungsbescheinigung sowie das Kennzeichen ab­ zuliefern. Das Kennzeichen ist, sofern es nicht amtlich ausgegeben ist, nach Vernichtung des Dienststempels zu­ rückzugeben. Unterbleibt die Ablieferung, so hat die höhere Verwaltungsbehörde die Zulassungsbescheinigung und das Kennzeichen einzuziehen oder, soweit die Ein­ ziehung des Kennzeichens nicht zulässig ist, den Dienst-

über den Verkehr mit Kraftfahrzeugen. §§ 6—8.

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stempel auf diesem augenfällig zu vernichten. In gleicher Weise ist auf Antrag der Steuerbehörde zu verfahren, wenn die Steuerkarte nicht rechtzeitig erneuert wird. Geht ein zum Verkehr auf öffentlichen Wegen und Plätzen bereits zugelassenes Kraftfahrzeug auf einen anderen Eigentümer über, so hat dieser bei der für seinen Wohnort zuständigen höheren Verwaltungsbehörde die erneute Zulassung des Fahrzeugs zu beantragen: der Beifügung des Gutachtens eines Sachverständigen (§ 5 Abs. 2, 3) bedarf es in diesem Falle nicht, wenn die bisherige Zulassungsbescheinigung vorgclegt wird. Bei Ausfertigung der neuen Zulassungsbescheinigung ist die bisherige einzuziehen.

8 7. Vorbehaltlich der Vorschriften in §§ 29, 35 muß jedes auf öffentlichen Wegen und Plätzen verkehrende Kraftfahrzeug das polizeiliche Kennzeichen (§ 8) tragen. § 8. Das von der höheren Verwaltungsbehörde zuzu­ teilende Kennzeichen besteht aus einem (oder mehreren) Buchstaben (oder römischen Ziffern') zur Bezeichnung des Bundesstaats (oder engeren Verwaltungsbezirkes) und aus der Erkennungsnummer, unter der das Fahr­ zeug in die polizeiliche Liste (§ 6 Abs. 2) eingetragen ist. Die Verteilung der Kennzeichen innerhalb des Reichsgebiets erfolgt nach dem beiliegenden „Plan für die Plan für d Kennzeichnung der Kraftfahrzeuge". Das Kennzeichen Kennzeich ist an der Vorderseite und an der Rückseite des Fahrnm,°zeugs nach außen hin an leicht sichtbarer Stelle anzu­ bringen. Das vordere Kennzeichen ist in schwarzer Balken­ schrift auf weißem, schwarzgerandetem Grunde auf die Wandung des Fahrzeugs oder auf eine rechteckige Tafel aufzumalen, die mit dem Fahrzeug durch Schrauben, Nieten oder Nägel fest zu verbinden ist. Die Buchstaben (oder die römischen Ziffern) und die Nummern müssen in eine Reihe gestellt und durch einen wagerechten Strich voneinander getrennt werden. Die Abmessungen be­ tragen: Randbreite mindestens 10 Millimeter, Schrift­ höhe 75 Millimeter bei einer Strichstärke von 12 Milli­ meter, Abstand zwischen den einzelnen Zeichen und vom

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Anhang. 1. Verordnung des Bundesrats

Rande 20 Millimeter, Stärke des Trennungsstrichs 12 Millimeter, Länge des Trennungsstrichs 25 Milli­ meter, Höhe der Tafel ausschließlich des Randes Muster 3. 115 Millimeter (Muster 3). Bei dem an der Rückseite des Fahrzeugs mittels Schrauben, Nieten oder Nägel fest auzubringeudeu Kenn­ zeichen sind die Buchstaben (römischen Ziffern) und die Nummer auf einer viereckigen weißen, schwarzgerandeten Tafel in schwarzer Balkenschrift auszuführen. Tie Tafel kann Bestandteil einer Laterne sein (vergleiche § 11). Die Buchstaben (römischen Ziffern) müssen über der Nummer stehen. Die Abmessungen betragen: Randbreite mindestens 10 Millimeter, Schrifthöhe 100 Millimeter bei einer Strichstärke von 15 Millimeter, Ab st and zwischen den einzelnen Zeichen und vom Rande 20 Millimeter, Höhe der Tafel ausschließlich des Randes 260 MilliMuster 4. nieter (Muster 4). Das hintere Kennzeichen kann auch auf die Wandung des Fahrzeugs aufgemalt werden. Kraftzweiräder sind von der Führung des hinteren Kennzeichens befreit. Bei ihnen genügt ein beiderseitig beschriebenes Kennzeichen, das an der Vorderseite in der Fahrtrichtung an leicht sichtbarer Stelle anzubringen ist. Tas Kennzeichen ist in schwarzer Balkenschrift auf weißem, schwarzgerandetem Grunde auf eine rechteckige, an den Vorderecken leicht ab­ gerundete Tafel aufzumalen, die mit dem Fahrzeug durch Schrauben, Meten oder Nägel fest zu ver­ binden ist. Die Buchstaben (oder die römischen Ziffern) und die Nummer müssen in einer Reihe stehen und durch einen wagerechten Strich voneinander getrennt sein. Die Mmessungen betragen: Randbreite mindestens 8 Millimeter, Schrifthöhe 60 Millimeter bei einer Strich­ stärke von 10 Millimeter, Ab stand zwischen den einzelnen Zeichen und vom Rande 12 Millimeter, Stärke des Trennungsstrichs 10 Millimeter, Länge des Trennungsstrichs 18 Millimeter, Höhe der Tafel ausschließlich des Muster 5. Randes 80 Millimeter (Muster a).

8 9.

Die Kennzeichen müssen mit dem Dienststempel der Polizeibehörde (§ 6 Abs. 2 Satz 2) versehen sein. Zum

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über den Verkehr mit Kraftfahrzeugen. §§ 9—13.

Zwecke der Abstempelung des Kennzeichens hat die Poli­ zeibehörde die Vorführung des Kraftfahrzeugs anzu­ ordnen. Bevor sie die Abstempelung vornimmt, hat sie sich durch sorgfältige Prüfung davon zu überzeugen, daß das Fahrzeug insbesondere auch den Vorschriften der §§ 8, 10 und 11 entspricht.

§ 1v. Die Kennzeichen dürfen nicht zum Umklappen ein­ gerichtet sein; sie dürfen niemals verdeckt sein und müssen stets in lesbarem Zustand erhalten werden. Der untere Rand des vorderen Kennzeichens darf nicht we­ niger als 20 Zentimeter, der des Hinteren nicht weniger als 45 Zentimeter vom Erdboden entfernt sein.

§ 11. Während der Dunkelheit und bei starkem Nebel ist das Hintere Kennzeichen so zu beleuchten, daß es deutlich erkennbar ist. Die Beleuchtungsvorrichtung muß so eingerichtet sein, daß sie das Kennzeichen von keiner Seite verdeckt und weder vom Sitze des Führers noch vom Innern des Wagens aus abgestellt werden kann. Bei Kraftzweirädern ist das an der Vorderseite angebrachte Kennzeichen während der Dunkelheit und bei starkem Nebel so zu beleuchten, daß es von beiden Seiten deutlich erkennbar ist.

§ 12. Muß ein mit dem Dienststempel der Polizei­ behörde versehenes Kennzeichen erneuert werden, so ist das Kraftfahrzeug wiederum entsprechend der Vorschrift in § 9 der Polizeibehörde vorzuführen; tritt die Not­ wendigkeit der Erneuerung an einem Orte ein, von dem aus die Polizeibehörde, die die erste Stempelung des Kennzeichens vorgenommen hatte, ohne Zeitverlust nicht erreicht werden kann, so ist das Fahrzeug der nächsten Polizeibehörde vorzuführen, die alsdann das erneuerte Kennzeichen mit dem Dienststempel zu ver­ sehen und, daß dies geschehen, in der Zulassungsbe­ scheinigung (§ 6 Ms. 2) ersichtlich zu machen hat.

8 13. Die Anbringung mehrerer verschiedener Kenn­ zeichen ist unzulässig. Seuffert, Verkehr mit Kraftfahrzeugen.

6

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Anhang. 1. Verordnung des Bundesrats

C. Der Führer des Kraftfahrzeugs.

a) Die Zulassu n g 511 in Führeu.

8 14. Wer auf öffentlichen Wegen und Plätzen ein Kraftfahrzeug führen will, bedarf der Erlaubnis der zuständigen höheren Verwaltungsbehörde. Die Erlaubnis gilt für das ganze Reich; sie ist zu erteilen, wenn der Nachsuchende seine Besähigung durch eine Prüfung dar-" getan hat und nicht Tatsachen vorliegen, die die An­ nahme rechtfertigen, das; er zum Führen von Kraft­ fahrzeugen ungeeignet ist. Personen unter 18 Jahren ist das Führen von Kraftfahrzeugen, insbesondere auch von Krafträdern, nicht gestattet. Ausnahmen können von der höheren Ver­ waltungsbehörde mit Zustimmung des gesetzlichen Ver­ treters zugelassen werden. Den Nachweis der Erlaubnis hat der Führer durch eine Bescheinigung (Führerschein) nach beiliegendem Muster e. Muster 6 zu erbringen. Für die vorzunehmenden Prüfungen gelten die VorArnlaqe L. schriften unter Ziffer I—VI der als Anlage 13 beige­ fügten „Anweisung über die Prüfung der Führer von Kraftfahrzeugen". b) Besondere Pflichten des Führers.

§ 15. Der Führer hat den Führerschein (§ 14 Abs. 3) sowie die Bescheinigung über die Zulassung des Kraftfahr­ zeugs (§ 6 Abs. 2) bei der Benutzung des Fahrzeugs auf öffentlichen Wegen und Plätzen bei sich zu führen und auf Verlangen den zuständigen Beamten vorzu­ zeigen.

8 16. Der Führer ist dafür verantwortlich, das; das Kraftfahrzeug mit den nach dieser Verordnung vorge­ schriebenen Vermerken und polizeilichen Kennzeichen ver­ sehen ist, daß das Kennzeichen in vorgeschriebener Weise beleuchtet ist, das; die zulässige Belastung nicht über­ schritten wird und daß das Fahrzeug sich in verkehrs­ sicherem Zustand (§§ 3, 4) befindet; er hat sich vor

über den Verkehr mit Kraftfahrzeugen. §§ 14—18.

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der Fahrt von dem Zustand des Fahrzeugs zu über­ zeugen.

§ 17, Der Führer ist zu besonderer Vorsicht in Leitung und Bedienung seines Fahrzeugs verpflichtet. Er darf von dem Fahrzeug nicht absteigen, so lange es in Be­ wegung ist, und darf sich von ihm nicht entfernen, so lange die Maschine oder der Motor läuft; auch muß er, falls er sich von dem Fahrzeug entfernt, die Vor­ richtung (§ 4 Abs. 1 Nr. 6) in Wirksamkeit setzen, die verhindern soll, daß ein Unbefugter das Fahrzeug in Betrieb setzt. Der Führer ist insbesondere verpflichtet, dafür Sorge zu tragen, daß eine nach der Beschaffenheit des Kraft­ fahrzeugs (§ 3 Abs. 1) vermeidbare Entwicklung von Geräusch, Rauch, Dampf oder üblem Geruch in keinem Falle cintritt. Das Offnen etwa vorhandener Auspuffklappen ist verboten.

8 18. Die Fahrgeschwindigkeit ist jederzeit so einzu­ richten, das; Unfälle und Verkehrsstörungen vermieden werden und daß der Führer in der Lage bleibt, unter allen Umständen seinen Verpflichtungen Genüge zu leisten. Innerhalb geschlossener Ortsteile darf die Fahr­ geschwindigkeit von 15 Kilometer in der Stunde nicht überschritten werden. Bei Kraftfahrzeugen von mehr als 5,5 Tonnen Gesamtgewicht beträgt die überhaupt zulässige Höchstgeschwindigkeit 12 Kilometer in der Stunde; sie kann — vorbehaltlich der Vorschrift in Satz 1 — bis auf 16 Kilometer gesteigert werden, wenn wenigstens die Triebräder mit Gummi bereift sind. Die höhere Verwaltungsbehörde kann höhere Fahrgeschwin­ digkeiten zulassen. Auf unübersichtlichen Wegen, insbesondere nach Ein­ tritt der Dunkelheit oder bei starkem Nebel, beim Ein­ biegen aus einer Straße in die andere, bei Straßen­ kreuzungen, bei Straßeneinmündungen, bei scharfen Straßenkrümmungen, bei der Ausfahrt aus Grundstücken, die an öffentlichen Wegen liegen, und bei der Einfahrt

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Anhang. 1. Verordnung des Bundesrats

in solche Grundstücke, bei der Annäherung an Eisen­ bahnübergänge in Schienenhöhe, ferner beim Passieren enger Brücken und Tore sowie schmaler oder abschüssiger Wege sowie da, wo die Wirksamkeit der Bremsen durch die Schlüpfrigkeit des Weges in Frage gestellt ist, endlich überall da, wo ein lebhafter Verkehr herrscht, muß lang­ sam und so vorsichtig gefahren werden, daß das Fahr­ zeug sofort zum Halten gebracht werden kann.

§ 19, Der Führer hat entgegenkommende, zu über­ holende, in der Fahrtrichtung stehende oder die Fahrt­ richtung kreuzende Menschen sowie die Führer von Fuhr­ werken, Reiter, Radfahrer, Viehtreiber usw. durch deut­ lich hörbares Warnungszeicheu rechtzeitig auf das Nahen des Kraftfahrzeugs aufmerksam zu machen; auf die Notwendigkeit, das Warnungszeichen abzugeben, ist in besonderem Maße an unübersichtlichen Stellen (§ 18 Abs. 3) zu achten. Das Abgeben von Warnungszeichen ist sofort einzu­ stellen, wenn Pferde oder andere Tiere dadurch unruhig oder scheu werden. Innerhalb geschlossener Ortsteile sind Warnungs­ zeichen mit der im § 4 Abs. 1 Nr. 4 vorgeschriebenen Hupe abzugeben. Außerhalb geschlossener Ortsteile kann das Warnungszeichen auch mit einer Fanfarentrompete abgegeben werden; dies Signalinstrument darf auch lose im Kraftfahrzeuge mitgeführt und unter Verantwortung des Führers auch durch eine andere im Fahrzeug be­ förderte Person angcwendet werden. Das Abgeben langgezogener Warnungssignale, die Ähnlichkeit mit Feuersignalen haben, sowie die Verwen­ dung anderer Signalinstrumente ist nicht statthaft.

8 20, Merkt der Führer, daß ein Pferd oder ein an­ deres Tier vor dem Kraftfahrzeuge scheut, oder daß sonst durch das Vorbeifahren mit dem Kraftfahrzeuge Menschen oder Tiere in Gefahr gebracht werden, so hat er langsam zu fahren sowie erforderlichenfalls anzu­ halten und die Maschine oder den Motor außer Tätig­ keit zu setzen. Auf den Haltrnf oder das Haltzeichen eines als

über den Verkehr mit Kraftfahrzeugen. §§ 19—23.

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solcher kenntlichen Polizeibeamten hat der Führer sofort anzuhalten. Zur Kenntlichmachung eines Polizeibeamten ist auch das Tragen einer Dienstmütze ausreichend.

§ 21. Beim Einbiegen in eine andere Straße ist nach rechts in kurzer Wendung, nach links in weitem Bogen zu fahren. Diese Vorschrift gilt entsprechend für das Durchfahren von scharfes! oder unübersichtlichen Wege­ krümmungen. Der Führer hat entgegenkommenden Kraftfahrzeu­ gen, Fuhrwerken, Reitern, Radfahrern, Viehtransporten oder dergleichen rechtzeitig und genügend nach rechts auszuwcichen oder, falls dies die Umstände oder die Ört­ lichkeit nicht gestatten, so lange anzuhalten, bis die Bahn frei ist. Das Vorbeifahren an eingeholten Kraftfahrzeugen, Fuhrwerken, Reitern, Radfahrern, Viehtransporten oder dergleichen hat auf der linken Seite zu erfolgen. D. Tie Benutzung öffentlicher Wege und Plätze. § 22. Das Fahren mit Kraftfahrzeugen ist nur auf Fahrwegen gestattet. Auf Radfahrwegen und auf Fuß­ wegen, die für Radfahrer freigcgeben sind, ist der Ver­ kehr mit Kraftzweirädern mit besonderer polizeilicher Genehmigung zulässig.

§ 23. Die Polizeibehörden können durch allgemeine polizeiliche Vorschriften oder durch besondere für den einzelnen Fall getroffene polizeiliche Anordnungen, so­ weit der Zustand der Wege oder die Eigenart des Ver­ kehrs es erfordert, den Verkehr mit Kraftfahrzeugen überhaupt oder mit einzelnen Arten auf bestimmten Wegen, Plätzen und Brücken verbieten oder beschränken. Für Wegestrecken, die dem Durchgangsverkehre dienen, steht diese Befugnis den Landeszentralbehörden zu; sie können die Befugnis auf die höheren Verwaltungsbe­ hörden übertragen. Polizeiliche Vorschriften oder Anordnungen für den Verkehr mit Kraftfahrzeugen, durch die wegen des Zu­ standes der Wege oder der Eigenart des Verkehrs eine

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Anhang. 1. Verordnung des Bundesrats

Höchstgeschwindigkeit von weniger als 15 Kilometer in der Stunde festgesetzt wird, dürfen nur für solche Kraft­ fahrzeuge erlassen werden, deren Gesamtgewicht ö,5 Ton­ nen übersteigt. Zuständig sind die höheren Verwaltungsbehörden. Diese können auch Vorschrijten oder Auordnungen erlassen, durch die, abgesehen von dem Falle des Abs. 1, der Verkehr mit Kraftfahrzeugen für bestimmte Ört­ lichkeiten mit Rücksicht auf deren besondere Verhältnisse verboten oder beschränkt wird.

8 24. Das Wettfahren und die Veranstaltung von Wett­ fahrten auf öffentlichen Wegen und Plätzen sind verboten. Für Zuvcrlässigkcitsfahrten und ähnliche Veranstal­ tungen zu Prüfungszwecken ist die Genehmigung der zuständigen Behörde erforderlich; soweit mit ihnen Geschwindigkeitsprüsungen verbunden sind, ist die Ge­ nehmigung der Landeszentralbehörde erforderlich, die im Einzelfalle die Bedingungen festsctzt. E. Tas Mitführen von Anhängewagen.

§ 25. Soll von einem polizeilich zugetassenen Kraft­ fahrzeug ein Anhängewagen mitgesührt werden, so ge­ nügt die Anzeige bei der höheren Verwaltungsbehörde (§ 5), sofern den nachstehenden Bedingungen ent­ sprochen wird: 1. der Anhängewagen mus; versehen sein: a) mit einer sicher wirkenden Bremse; b) mit einer zuverlässigen, auf die Fahrbahn wir­ kenden Vorrichtung, die beim Befahren von Steigungen die unbeabsichtigte Rnckwärtsbewegung verhindert (Bergstützc): 2. die Radkränze des Anhängewagens dürfen keine Unebenheiten besitzen, die geeignet sind, die Fahrbahn zu beschädigen; 3. die Verbindung der Lenkvorrichtung des Anhänge­ wagens mit dem Kraftfahrzeuge nun; so beschaffen sein, das; die Räder des Anhängewagens auch in Krümmungen möglichst auf den Spuren der Räder des lausen;

über den Verkehr mit Kraftfahrzeugen. §§ 24—26.

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4. zwischen dem Anhängewagen und dem Kraftfahr­ zeuge muß außer der Hauptkuppelung noch eine Sicherheitskuppelung (Notkuppelung) vorhanden sein. Der Anzeige hat der Eigentümer die Zulassungsbescheinigung für das Kraftfahrzeug sowie das Gutachten eines amtlich anerkannten Sachverständigen darüber beizufügen, daß den Vorschriften des Abs. 1 genügt ist; ein Vermerk über die Anzeige ist von der höheren Ver­ waltungsbehörde in die Liste und in die Zulassungsbe­ scheinigung (§ 6 Abs. 2) anfzunehmen. Der Führer ist dafür verantwortlich, daß der An­ hängewagen sich in verkehrssicherem Zustand befindet und daß das Gesamtgewicht des Anhängewagens mit Nutzlast das jeweilige Gesamtgewicht des Kraftfahrzeugs mit Nutzlast nicht überschreitet. Falls die Bremse des Anhängewagens nicht vom Führersitze des Kraftfahrzeugs aus bedient werden kann, muß auf dem Anhängewagen ein Bremser mitfahren; in diesem Falle muß eine Ver­ ständigung zwischen Führer und Bremser möglich sein. Das Mitführen von mehr als einem Anhängewagen ist nur auf Grund polizeilicher Erlaubnis zulässig; das gleiche gilt bezüglich des Mitsührens von einem Anhänge­ wagen, sofern bcu Bedingungen im Abs. 1 Nr. 1 bis 4 nicht genügt ist. In diesen Fällen ist der Erlaubnis­ schein bei der Fahrt mitzuführen und den Polizeibeamten auf Verlangen vorzuzeigen. Werden Anhangewagen mitgcfnhrt, so muß das dem Kraftfahrzeuge zugeteilte polizeiliche Kennzeichen (§ 8 Abs. 3) an der Rückseite des Schlußwagens ange­ bracht sein.

F. Untersagung des Betriebs.

§ 26. Die Polizeibehörde kann jederzeit auf Kosten des Eigentümers eine Untersuchung darüber veranlassen, ob ein Kraftfahrzeug den und) Maßgabe dieser Verordnung zu stellenden Anforderungen entspricht. Genügt ein Kraftfahrzeug diesen Anforderungen nicht, so kann seine Ausschließung vom Befahren der

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Anhang. 1. Verordnung des Bundesrats

öffentlichen Wege und Plätze durch die höhere Verwal­ tungsbehörde verfügt werden.

§ 27. Werden Tatsachen festgestellt, die die Annahme rechtfertigen, daß eine Person zum Führen von Krastfahrzeugen ungeeignet ist, so kann ihr die Fahrerlaubnis dauernd oder für bestimmte Zeit durch die für ihren Wohnort zuständige höhere Verwaltungsbehörde entzogen werden; nach der Entziehung ist der Führerschein der Behörde abzuliefern. Die Entziehung der Fahrerlaubnis ist für das ganze Reich wirksam. Im Falle der Entziehung der Fahrerlaubnis für bestimmte Zeit kaun deren Wiedererteilung von der nochmaligen Ablegung einer Prüfung oder der Erfüllung sonstiger Bedingungen abhängig gemacht werden. Personen, die nur während eines vorübergehenden Aufenthalts in dem Gebiete des Deutschen Reichs ein Kraftfahrzeug führen, kann aus Gründen, die nach Abs. 1 die Entziehung der Fahrerlaubnis rechtfertigen, die Führung des Kraftfahrzeugs durch Verfügung der zuständigen höheren Verwaltungsbehörde jederzeit unter­ sagt werden. Die Untersagung ist für das ganze Reich wirksam. G. Ausnahmen.

§ 28. Als vorläufig zum Verkehr auf öffentlichen We­ gen und Plätzen zngelassen gelten Kraftfahrzeuge wäh­ rend der durch den amtlich anerkannten Sachverstän­ digen vorzunehmenden technischen Prüfung (s)?r. XI der Anweisung über die Prüfung von Kraftfahrzeugen — Anlage A —). Die Vorschrift im § 15 über die Mit­ führung der Zulassungsbescheinigung findet in diesen Fällen keine Anwendung. Während der Prüfungsfahrten haben die Kraft­ fahrzeuge ein besonderes Kennzeichen (Probefahrtkenn­ zeichen) zu führen, auf das die Bestimmungen im § 8 mit der Maßgabe Anlvendung finden, daß die Erkennungsnunnner aus einer Rull (0) mit einer oder mehreren nachfolgenden Ziffern besteht, daß das Kenn­ zeichen in roter Balkenschrift auf weißem, rotgerandetem

über den Verkehr mit Kraftfahrzeugen. §§ 27—31.

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Grunde herzustellen ist und daß von der festen An­ bringung der Kennzeichen abgesehen werden kann. Der­ artige, mit dem Dienststempel der höheren Verwal­ tungsbehörde versehene Kennzeichen sind den amtlich allerkannten Sachverständigen (§ 5) zur Verwendung bei diesen Prüfungsfahrten zur Verfügung zu stellen.

8 29* Von der Verpflichtung zur Führung des Kenn­ zeichens 7) sind befreit: 1. die Kraftfahrzeuge der Feuerwehren im Dienst, 2. die zu Zwecken der öffentlichen Straßenreinigung dienenden Kraftfahrzeuge. S 39. Von der Verpflichtung zur Führung eines ge­ stempelten Kennzeichens find befreit Kraftfahrzeuge, die auf der Fahrt zllr Polizeibehörde zwecks Vorführung des Fahrzeugs und Abstempelung des Kennzeichens (§§ 6 und 9) öffentliche Wege und Plätze benutzen müssen. Als Ersatz für die fehlende Zutassungsbescheinigung und gleichzeitig als Ausweis für diese Fahrt dient die schrift­ liche Auffordcrllng der Polizeibehörde, das Fahrzeug vorzuführen.

§ 31. Zuverlässige Fabriken oder Händler, die mit den zum Verkaufe gestellten Fahrzeugen Probefahrten auf öffelitlichen Wegen iiitb Plätzen veranstalten wollen, er­ halten, sofern sie bei der für den Sitz der Firmen zuständigen höherell Verwaltnligsbehörde die Zulassung der Kraftfahrzeuge im Sinne der 5, 6 bewirkt haben, auf Antrag widerruflich an Stelle der Zulassungs­ bescheinigung nach Muster 2 besondere Bescheinigungen nach Muster 7 uud zu wiederkehrender Verwendung bei Muster 7. den einzelnen Kraftfahrzeugen Kennzeichen der im § 28 Abs. 2 bezeichneten Art. Eine Mitwirkung der Polizei­ behörde (§ 6 Abs. 2 Satz 2, § 9) findet in diesen Fällen nicht statt. Soll eine Probefahrt über die Grenzen des Reichsgebiets ausgedehnt werden, so sind Kennzeichen und Bescheinigung vor dem Verlassen des Reichs auf dem bciitfdjcn Grenzzollamt abznliefern. Beim Verkauf eines jeden Fahrzeugs ist die Aus­ fertigung der Zulassungsbescheinigung und die Zuteilung

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Anhang. 1. Verordnung des Bundesrats

des nunmehr endgültig zu führenden Kennzeichens ohne Verzug, jedenfalls aber innerhalb vierzehn Tagen bei der zuständigen höheren Verwaltungsbehörde f§ 5 Ms. 1) zu beantragen; die bisher geführte Bescheinigung ist ab­ zuliefern.

g 32. Auf die Kraftfahrzeuge der Militärverwaltung und der Postverwaltung finden die Bestimmungen dieser Verordnung mit der Maßgabe Anwendung, daß die Fahrzeuge Warnungszeichen auch mit anderen als den im § 19 Ms. 3 genannten Signalinstrumenten abgeben dürfen und daß eine jederzeitige Untersuchung der Fahr­ zeuge und ihre Ausschließung durch die höhere Ver­ waltungsbehörde (§ 26) nicht zulässig ist. Die Kraftfahrzeuge der Postverwaltung brauchen außerdem nicht mit einer Lupe zum Abgeben von War­ nungszeichen (§ 4 Abs. 1 Nr. 4) versehen zu sein. Die für die Fuhrwerke der Postverwaltung nach Reichs- oder Landesgesehen bestehenden Sonderrechte gelten auch für die Kraftfahrzeuge der Postverwaltung.

§ 33. Für die Erteilung der Erlaubnis zum Führen von Kraftfahrzeugen der Militärverwaltung und für die Entziehung dieser Erlaubnis gelten die besonderen Vorschriften unter Ziffer VIII der im § 14 Abs. 4 näher bezeichneten Anweisung (Anlage B). § 34. Für die Kraftfahrzeuge der Feuerwehren im Dienste gelten außer der im § 29 unter Nr. 1 bestimm­ ten Ausnahme folgende Sonderbestimmungen: Diese Fahrzeuge brauchen nicht mit einer Hupe zum Mgcben von Warnungszeichen versehen zu fein (§ 4 Abs. 1 Nr. 4), dürfen Warnungszeichen auch mit anderen als den im § 19 Abs. 3 genannten Sigualinstrumenten abgeben, unterliegen nicht den Vorschriften über die innezuhaltende Fahrgeschwindigkeit (§ 18) und sind befreit von den Vorschriften über das Ausweichen, An­ halten und Vorbeifahren in ben im £ 21 Abs. 2 und 3 genannten Fällen.

§ 35. Alls die Kraftfahrzeuge der Landesherren und der Mitglieder der landesherrlichen Familien sowie der

über den Verkehr mit Kraftfahrzeugen. §§ 32—39.

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Mitglieder der Fürstlichen Familie Hohenzollcrn finden die Vorschriften im § 4 Abs. 1 Nr. 4, § 7 und § 19 Abs. 3 Satz 1 keine Anwendung. II. Verkehr über die Reichsgrenze u. im Zollgrenzbczirke?) 8 36. Für die Zulassung und Kennzeichnung der zu vorübergehendem Aufenthalt in das Gebiet des Teutschen Reichs aus dem Ausland gelangenden austcrdeutschen Kraftfahrzeuge und für die Zulassung der Führer solcher Fahrzeuge gelten bis auf weiteres die bisherigen landes­ rechtlichen Vorschriften mit der Mastgabe, das; im Zollgreuzbezirkc die Beamten der Grenzzollverwaltung hin­ sichtlich der Kraftfahrzeuge die gleichen Befugnisse wie die Polizeibeamten haben.

J. Schlnsz- und Übergangsbestimmungen.

8 37. Welche Behörden unter der Bezeichnung „Polizei­ behörde" mib „höhere Verwaltungsbehörde" zu verstehen sind, bestimmt die Laudeszentralbehörde. 8 38. Diese Verordnung tritt am 1. April 1910 in Kraft. 8 39. Tie für die Zulassung der Kraftfahrzeuge vor­ dem 1. April 1910 auf Grund landesrcchtlicher Vor­ schriften erteilten Bescheinigungen behalten bis auf wei­ teres Gültigkeit.-) Die Inhaber solcher Zulassungsbeschei­ nigungen haben das Recht, bei der zuständigen höheren Verwaltungsbehörde die Ausstellung einer Zulassungs­ bescheinigung nach Muster 2 zu beantragen. Bei Aus­ stellung der neuen Bescheinigung hat die höhere Ver­ waltungsbehörde zu vermerken, das; es sich um ein bereits vor dem 1. April 1910 zugelassenes Kraftfahr­ zeug handelt. l) Aufgehoben durch Z 15 der BimdeSratSverordnung über den iutcrikitiüHdlcn Verkehr mit Kraftfahrzeugen (siebe unten §. 147). tycmäfe Veichlust deS BundeSratS vum 3. Juni 1910 CNGBl. S. 858) gelten die vor Dem 1. April 1910 ausgestellten landesrechtlichen Typenbereinigungen bis 1. April 1911.

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Anhang. 1. Bundesrats-VO. üb. b. Verkehr in. Krastfahrz.

Die von Kraftzweirädern aus Grund landesrecht­ licher Vorschriften vor dem 1. April 1910 geführten Kennzeichen von größerer Abmessung, als im § 8 Abs. 1 vorgesehen, können bis zum 1. April 1911 beibehalten werden.

§ 40. Die vor dem 1. April 1910 auf Grund lan­ desrechtlicher Vorschriften erteilten Zeugnisse zum füh­ ren von Kraftfahrzeugen behalten bis zum 1. April 1911 Gültigkeit. Die Inhaber solcher Zeugnisse haben jedoch bis zum 1. Oktober 1910 die Erteilung eines neuen Führerscheins bei der zuständigen höheren Ver­ waltungsbehörde gemäß § 14 zu beantragen. Für das Verfahren hinsichtlich der Zuteilung des neuen Führer­ scheins gelten die Vorschriften unter Ziffer VII der im § 14 Abs. 4 näher bezeichneten Anweisung (Anlage B).

Muster 1 2 3 1 5 6 7

(au 8 6 Abs. 2) ist abgcdruckt im RGBl. 1910 S. 401/5. „ 407/9. („ 8 6 „ 2) „ „ 445. („ 8 « » 2) „ ( „ 8 s „ 3) „ m 447. ( „ 8 ü . 4) „ „ 445. „ 411/4. („ 8 14 „ 3) „ „ 415/6. („ 8 31 1) «

Anlage A. (zu § 5 Abs. 4).

Anweisung über die Prüfung von Krastsahrzeugeu. I. Allgemeine Bestimmungen. 1. Bei der Beurteilung der Verkehrssicherheit eines Kraftfahrzeugs kommen nur die Teile in Betracht, deren Versagen an dem in Bewegung befindlichen Fahrzeug eine Gefahr für den öffentlichen Verkehr in sich schließt, nämlich Einrichtungen für Lenken, Bremsen, Verhinde­ rung unbeabsichtigter Rückwärtsbewegung, Rückwärts­ gang und Radkonstruktion. Diese Einrichtungen müssen unter allen Umständen so beschaffen sein, daß ihr Ver­ sagen bei sachgemäßer Unterhaltung und Bedienung nicht zu befürchten ist. Einrichtungen, deren Versagen nur den Antrieb des Fahrzeugs stört oder unmöglich macht (Störungen an der Maschine oder am Motor, an der Kuppelung und dergleichen), kommen für die Prüfung nicht in Betracht. 2. Die Wahl der Materialien bleibt dem Fabri­ kanten unter eigener Verantwortlichkeit überlassen, je­ doch müssen Vorderachsen, Lenkhebel und Lenkgestänge aus gezogenem oder geschmiedetem Material hergestellt loerden. Die gewählten Abmessungen sind nur dann zu beanstanden, wenn sich bei der Prüfung bleibende Form­ veränderungen bemerkbar machen.

II. Feuers- und Explosionsgefahr. 1. Zur Vermeidung von Feuers- und Explosions­ gefahr bei Fahrzeugen mit elektrischem Antrieb sind die unter Nr. XII besonders angegebenen Vorschriften für elektrisch betriebene Fahrzeuge zu beachten. 2. Bei Dampffahrzeugen muß die Kesselanlage, so­ weit dafür nicht von der zuständigen Behörde Aus-

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Anhang. 1. Bundesrats-VO. üb. d. Verkehr m. Kraftfahrz.

nahmen zugelassen sind, den allgemeinen polizeilichen Bestimmungen über die Anordnung von Landdampf­ kesseln entsprechen. Ferner ist bei Verwendung fester Brennstoffe darauf zu achteu, daß der Funkenauswnrf verhindert wird. Endlich muß die Feuerstelle von allen brennbaren Teilen des Fahrzeugs genügend isoliert liiib der Aschenkasten so gebaut und angeordnet sein, daß keine glühenden Aschenteite herausfallen können. 3. Bei Fahrzeugen mit Verbrennungsmaschine sind zur Vermeidung von Feuers- uitb Explosionsgefahr fol­ gende Vorschriften zu befolgen: a) Behälter, die zur Aufnahme flüssigen Brennstoffs dienen, sind aus zähem, gegen Rost geschützten Material herzustellen; Nähte müssen, sofern sie nicht durch Nietung und Lötung, Hartlötung oder Schweißung hergestellt sind, doppelt gefalzt und gelötet sein. Die Behälter sind mit einem hydraulischen Überdruck von 0,3 Atmosphären auf Dichthalten zu prüfen; ihr Einbau in die Fahrzeuge ist so auszu­ führen, daß sie möglichst gegen Stoß geschützt sind; der tiefste Punkt der Behälter und ihrer Armatur muß auch bei voll belastetem Fahrzeug mindestens In Zentimeter über dem Boden liegen. Das Füll­ rohr ist durch ein auswechselbares feinmaschiges Drahtnetz gegen das Hindurchschlagen von Flammen zu sichern. Geschweißte Behälter müssen mit min­ destens einem Schmelzpfropfen oder Sicherheits­ ventile versehen sein. Alle Armaturteile müssen mit dem Behälter außer durch Lötung noch durch Nieten oder Schrauben verbunden sein. An dem tiefsten Punkte des Behälters ist eine Ablaßvorrich­ tung anzubringen, so daß eine völlige Entleerung erfolgen kann. An Vorrichtungen zur Anzeige des Flüssigkeitsstandes muß mindestens der untere An­ schluß an den Behälter absperrbar sein. Erfolgt die Zuführung des Brennstoffs durch den Druck der Auspuffgase, so ist ein Reduzierventil mit vorge­ schaltetem Siebe in die Druckgasleitung einzubauen. b) Die Zuflußrohrleitung zur Maschine ist sorgfältig zu befestigen und so zu verlegen, daß ein Ausgleich

Anlage A. Prüfung von Kraftfahrzeugen.

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von Längenändcrungeu möglich ist. Die Verbindung einzelner Rohrstücke ist durch eine über beide Rohr­ enden geschraubte uud verlötete Muffe oder durch eine Verschraubungsart mit metallischen Dichtungs­ flächen (Kegelnippel, Kugelnippet, gestauchte Rohr­ enden) herzustellen. In gleicher Weise ist die Be­ festigung der Rohre mit den Absperrvorrichtungen und Armaturteilen auszuführen, falls sie nicht hart eingelötet sind. Flanschverbindungen mit Stoff­ packung sind unzulässig. Alle mit der Benzinleitung verlöteten Nippel müssen hart gelötet sein, während an den Brennstoffbehältern und ihren Armatur­ teilen, wenn die Lötung nur den Zweck hat, abzu­ dichten, Weichlötung zulässig ist. In der Zuflußrohr­ leitung zur Maschine ist in der Nähe des Brennstosfbehälters eine Absperrvorrichtung einzuschalten; dieselbe must von außen leicht zugänglich sein; bei Brennstofförderung durch Druckgase und Steigrohr­ genügt eine Einrichtung zum schnellen Ablassen des Druckes. Brcnustoffleitung, Vergaser und Schwim­ mergehäuse sind so anzuordnen, daß etwa aus­ tretender Brennstoff nicht auf das Auspuffrohr, den Stromverteiler oder Magnetapparat tropfen kann; der aus dem Schwimmergehäuse und Vergaser etwa austretende Brennstoff ist unmittelbar ins Freie zu leiten. c) Werden unterhalb des Wagens Schutzbleche ange­ bracht, so muß die Beseitigung der sich in ihnen ansammelnden brennbaren Stoffe leicht möglich sein. d) Die elektrischen Zündleitungen sind zu isolieren und so zu verlegen, daß Kurzschluß ausgeschlossen ist. Hochspannungsleitungen sind besonders sorgfältig zu verlegen. Glührohrzündung ist verboten.

IIL Vermeidung von üblem Geruch, Rauch und Geräusch. Die Verbrennung der Gase in der Maschine muß so vollkommen und die Olzufuhr so eingerichtet sein, daß, abgesehen vom Anfahren nach längerem Stillstand, ein

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Anhang. 1. Bundesrats-VO. üb. d. Verkehr m. Kraftfahrz.

belästigender Rauch nicht entwickelt wird. Tauchschmie­ rung ist zulässig, wenn eine Einrichtung zur Regelung des Ölstandcs im Kurbelgehäuse vorhanden ist. Die Abführung der Verbrcnnungsgase bei Explosionsmaschi­ nen und des Dampfes bei Dampfmaschinen hat unter Anwendung ausreichender schalldämpfender Mittel zu geschehen; Auspuffklappen oder andere Einrichtungen, die es ermöglichen, die Schalldämpfer in ihrer Wirkung abzuschwächen oder ganz auszuschalten, sind unstatthaft. Dampfkessel, die nicht mit Brennstoffen geheizt werden, die rauchlos verbrennen, sind mit ausreichenden, Rauch verhütenden Feuerungseinrichtungen 51t versehen.

IV. Lenkvorrichtung. 1. Der Drehungswinkel der Lenkspindel soll der Geschwindigkeit des Fahrzeugs entsprechend möglichst ge­ ring sein. 2. Die Lenkvorrichtung muß so beschaffen sein, das; zn ihrer Bewegung und Festhaltung ein möglichst ge­ ringer Kraftaufwand ausreicht. Einfache Hebellenkvorrichtungen (auch Zahnstangenlenker unb unmittelbar an einer Lenkspindel befestigte Hebel) sind nur bis zu einem Gewichte des betriebsfertigen Wagens von 350 Kilo­ gramm zuzulassen. Bei Fahrzeugen mit höherem Ge­ wichte müssen Lenkvorrichtungen mit Zwischcnübcrsepung (Schnecke, Schraube oder dergleichen) verwendet werden, die keinesfalls erheblich unter der Grenze der Selbst­ hemmung liegen. Das Gehäuse der Lenkvorrichtung mus; fest gelagert sein. Die Anordnung und Lage der von dem Lenkhebel zu den Lenkschenkeln führenden Schub­ stange muß derart sein, daß bei Durchfederung des Wa­ gens kein unzulässiges Flattern der Vorderräder eintritt. Bei Schubstangen mit Stoßfängern müssen ausreichende Sicherungen dagegen vorhanden sein, das; ein Kugel­ zapfen aus der Stange herausspringt. Bei Verwendung von Kugelzapfen, insbesondere wenn sie hängend ange­ bracht sind, muß dafür gesorgt werden, daß die Schub­ stange bei Verschleiß der Kugelpfannen oder Kugelzapfen nicht zu Boden fällt. Alle Bolzen des Lenkgestänges

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Anlage A. Prüfung von Kraftfahrzeugen.

sind mit Kronenmutter und Splint oder gleichwertig gesicherten Muttern £ii versehen. Außerhalb der Dreh­ achse des Achsschenkels müssen alle Lenkungsteile, auch etwa mit denselben verbundene andere Organe (Elektro­ motoren), sofern sie nicht unmittelbar in das Rad ein­ gebaut sind, mit ihrem tiefsten Punkte mindestens 15 Zentimeter über der Standfläche liegen und leicht zugänglich sein. Es darf also das Hintere Gelenk der Schubstange nicht etwa durch ein vom Rahmen zum Trittbrett geführtes festes Blech oder dergleichen der Beobachtung entzogen werden; Lederkappen oder der­ gleichen zum Schutze der Gelenke sind zulässig.

V. Bremseinrichtungen.

1. Die Beurteilung der Bremswirkung muß dem sachverständigen Urteil des Prüfers überlassen bleiben.*) 2. Drahtseile für den Bremsausgleich müssen an den Biegungen über einen Radius von mindestens zehn­ fachem Seildurchmesser geführt werden. Bremse oder Gestänge müssen nachstellbar eingerichtet sein. Die Nach­ stellvorrichtung muß leicht zugänglich sein. Bremsvor­ richtungen sind nur dann als voneinander unabhängig zu betrachten, wenn sie nicht von einem Gestänge ab­ hängen. Bremsen sind durch Hand- oder Fußhebel zu betätigen; bei Fahrzeugen mit einem Eigengewichte von mehr als 6 Tonnen und bei Anhängewagen sind Spindel­ bremsen zulässig. Getriebebremsen müssen an einer sol­ chen Stelle angebracht sein, daß sie auch bei Ausschaltung des Vorgeleges nicht unwirksam werden: bei Wagen von mehr als 2000 Kilogramm Eigengewicht sind sie mit Wasserkühlvorrichtung zu versehen. Elektrische Bremsen entsprechen nur dann den Vorschriften des § 4 Abs. 1 Nr. 2, wenn sie auf die Hinterräder wirken. *) Die Angabe eines bestimmten Bremswegs für eine bestimmte Fahrgeschwindigkeit empfiehlt sich nicht wegen der Schwierigkeit der genauen Bestimmung der Fahrgeschwindigkeit, ferner wegen der Ab­ hängigkeit von der Bodenbeschaffenbelt, von der Art der Radberelfung, der Belastung und Gewichtsverteilung der Fahrzeuge. Seuffert, Verkehr mit Kraftfahrzeugen.

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Anhang. 1. Bnndcsrats-VO. üb. b. Verkehr m. Krastsahr?,.

VI. Bergstützen usw. Bergstützen müssen Dom Führersitz aus bedient wer­ den. Bergstützen sind in der Längsachse des Fahrzeugs oder synnnetrisch zu ihr anzubringen und gegen über­ klettern zu sichern. VII. Supen. Als vorschristsmästige Hupen sind Signalinstrumente zu betrachten, bei denen der Ton durch Schwingungen von Metallznngen oder Platten (Membranen') jederzeit erzeugt werden kann.

VIII. Stcuerformeln. 1. Bei Angabe der Steuerleistung ist die Nutzleistung des Fahrzeugs maßgebend. Tie Berechnung erfolgt bei Viertakt-Verbrennnngsmaschinen normaler Bauart nach der Formel N 0,3* i • d2- s, worin N bic Leistung in Pferdestärken, i die Zahl der Zylinder, d den Durch­ messer der Zylinder in cm, s den Kolbenhub in m be­ deutet. 2. Für Elektromobile ist die Nutzleistung neuer Fahrzeuge durch eine zweistündige Dauerbelastung des Motors im Versuchsraum zu ermitteln, wobei die nach den „Normalien für die Bewertung mrd Prüfung von elektrischen Maschinen und Transformatoren" des Ver­ bandes deutscher Elektrotechniker ermittelte Temperaturzunahme der Wickelungen die im § 19 daselbst ange­ gebenen Grenzen weder überschreiten noch um mehr als V3 unterschreiten darf. Von der hiernach ermittelten, dem Motor in Watt zugeführten Leistung sind bei Nadnabenmotoren 10 Prozent, bei Motoren mit Vorgelege 30 Prozent in Abzug zu bringen, so das; sich die anzu­ gebende Nutzleistung des Wagens berechnet: zu N in Leistung in Watt . .. . = n • ?; •* . , worin n die Zahl der

Motoren, den den obigen Abzügen entsprechenden Wir­ kungsgrad bedeuten, also 0,9 bzw. 0,7. 3. Bei bereits im Gebrauche befindlichen Elektro­ mobilen sind in der Regel die bisherigen Angaben, bei

Anlage A. Prüfung von Kraftfahrzeugen.

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ausländischen Fahrzeugen die des Heimatszertifikats maß­ gebend. Im Zweifelssall ist die Nutzleistung jedes Mo­ tors zu 2,5 PS anzunehmcn. 4. Für Dampfmaschinen wird mit Rücksicht auf die große Verschiedenheit der Konstruktionen und Dampf­ spannungen davon Abstand genommen, eine Formel an­ zugeben, desgleichen für Zweitakt-Berbrennungsmaschinen nnd für Viertakt-Verbrennungsmaschinen anormaler Bauart, z. B. solche mit gegenläufigen Kolben (System Gobron-Brilliö). Der Prüfer hat bei solchen Fahr­ zeugen nach sachverständigem Ermessen die Leistung zu bestimmen. Falls ein Bremszeugnis über die Normal­ leistung des Motors vorliegt, sind für Getriebeverluste 25 Prozent in Abzug zu bringen; der so berechnete Wert ist als Nutzleistung des Fahrzeugs zu bezeichnen. IX. Eigengewicht. Bei der Nachprüfung des Eigengewichts des Fahr­ zeugs sind Abweichungen von den Angaben auf dem Schilde des Fahrzeugs insoweit zulässig, als sie durch die Mitführung der Vorräte an Betriebsstoffen (Benzin, Öl, Karbid, Kühlwasser usw.) bedingt werden. Die Nach­ prüfung hat durch Wägung des ganzen Fahrzeugs zu erfolgen.

X. Typenprüfung.

1. Für die Typenprüfung kommen nicht die Auf­ bauten (Karosserie), sondern nur das Fahrgestell in Be­ tracht. Die Prüfung der Hupe und der Laternen fällt fort. 2. Bei Anträgen auf Typenprüfung ist dem zu­ ständigen amtlich anerkannten Sachverständigen von dem Fabrikanten oder Händler in je dreifacher Ausfertigung eine Beschreibung, eine schematische Zeichnung des Fahr­ gestells mit dem in Betracht kommenden Motor und Triebwerk, Bremsen und Lenkvorrichtung vorzulegcn. In der Beschreibung sind anzugeben: a) Firma, die das Fahrgestell herstellt, b) Art des Fahrzeugs (Kraftwagen oder Kraftrad),

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Anhang. 1. BundeSrats-VO. üb. d. Verkehr m. Kraftfahrz.

Bestimmung des Fahrzeugs und Kennwort oder Unterscheidungszeichen für den Typ, c) Art der Kraftquelle, d) Bauart der Maschine oder des Motors (Viertakt oder Zweitakt, Verbundwirkung oder einfache Wirkung, Hauptschluß oder Nebenschluß usw.), e) Angaben für die Berechnung der Maschinen­ oder Motorleistung (Zylinderzahl, Bohrung, Kolbenhub, Volt, Ampere), f) Angaben über Bauart und Größe des Dampf­ erzeugers, Kesseldruck, Akkumulatorenbatterie, g) Art der Kraftübertragung (Gelenkwelle, Kette, Reibradgetriebe usw.), h) Bauart und Übersetzung der Lenkvorrichtung, i) Art und Zahl der Bremsen, Hauptabmessungen und Übersetzungsverhältnis, k) Einrichtungen zur Verhinderung der unbeabsich­ tigten Rückwärtsbewegung auf Steigungen, l) betriebsfertiges Eigengewicht des Fahrgestells, m) Tragfähigkeit des Fahrgestells in Kilogramm, n) Leistung der Maschine oder des Motors, o) für steuerpflichtige Fahrzeuge außerdem Leistung des Fahrzeugs an den Triebrädern, berechnet nach der Steuerformel. 3. Der Sachverständige hat zu prüfen, ob die Be­ schreibung und die Zeichnungen, soweit sie Eigenschaften des Typs betreffen (vgl. 2 b bis k), mit der Ausführung übereinstimmen*), und nach praktischer Erprobung eines Fahrzeugs des Typs die mit Prüsungsvermerk versehene Zeichnung und Beschreibung der zuständigen höheren Verwaltungsbehörde mit einer Bescheinigung darüber vorzulegen, daß der Typ den polizeilichen Anforderungen entspricht. Wird dem Antrag auf Erteilung einer Typen­ bescheinigung entsprochen, so erlangt die Fabrik oder der Händler auf Grund dieser Bescheinigung die Ge­ nehmigung, Fahrzeuge, die mit diesem Typ überein­ stimmen, mit eigener Bescheinigung in den Verkehr zu ♦) Bohrung und Kolbenhub gemessen werden.

müssen bei

Typcnprüfungen nach­

Anlage A. Prüfung von Kraftfahrzeugen.

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bringen. Mit der Bescheinigung der höheren Verwal­ tungsbehörde wird ein Stück der geprüften Zeichnung und Beschreibung durch Schnur und Siegel verbunden. Eine Abschrift der Bescheinigung ist mit einem Stücke der Beschreibung und Zeichnung dem zuständigen Sach­ verständigen von der genehmigenden Behörde zu über­ senden. 4. In den von den höheren Verwaltungsbehörden zu erteilenden Typenbescheinigungen sind die oben er­ wähnten Angaben der Beschreibung und eine schematische Zeichnung des Fahrgestells als für den Typ maßgebend sestzulegen. 5. Änderungen der vorstehenden, für die Typen­ bescheinigung maßgebenden Verhältnisse (vgl. 2 b bis k) bedingen eine erneute Anzeige bei dem Sachverständigen und Prüfung. Der Sachverständige hat entweder eine Ergänzung der Typenbescheinigung zu bewirken oder den Antragsteller zur Einreichung der für die neue Typenprüfung erforderlichen Unterlagen zu veranlassen. G. Wünscht ein Fabrikant oder Händler in ein Fahrgestell bestimmter Bauart Maschinen verschiedener Stärke einzubauen, so muß bei der Typenprüfung das Fahrgestell mit der stärksten vorkommenden Maschine vorgesührt werden. Auf Grund dieser Prüfung ist als­ dann der Sachverständige berechtigt, auch für das gleiche Fahrgestell mit schwächeren Maschinen Typenzeugnisse auszustellen. 7. Bei Meinungsverschiedenheiten zwischen den Fa­ briken und Händlern und den Sachverständigen über die Einwirkung von Wanderungen auf die Typen­ genehmigung entscheidet die zuständige höhere Verwal­ tungsbehörde.

XI. Ausführung Der technischen Prüfung Der Fahrzeuge.

1. Der Sachverständige hat sich zunächst am still­ stehenden Fahrzeug davon zu überzeugen, ob cs den vor­ stehenden Ausführnngsbestimmungen entspricht. Bei Typtnprüfungen hat der Sachverständige das Recht, in der Fabrik die für die Beurteilung der Verkehrssicher-

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Anhang. 1. Bundesrats-VO. üb. d. Verkehr in. Krastfahrz.

heit des Fahrzeugs wichtigen Teile auseinandernehmen zu lassen und zu untersuchen, sofern nicht gleiche Teile vorgelegt werden können; er hat festzustellen, ob die Ausführung des Fahrzeugs, soweit die unter Nr. X 2b bis k angegebenen Eigenschaften des Typs in Frage kommen, mit den Zeichnungen und Beschreibungen über­ einstimmt. Bei den Prüfungen am stehenden Fahrzeug ist zum Beispiel festzustellen, ob die Steuersäule fest gelagert ist, ob in den Ausgleichgelenken des Steuer­ gestänges nicht zuviel Spiel ist, ob die Räder unbehindert ausschlagen, ob die Bremshebel genügend leicht gehen, ob in allen kraftschlüssigen Verbindungen des Brems­ gestänges nicht zuviel Spiel vorhanden ist, ob die Bremse richtig eingestellt ist und gleichmäßig anliegt, ob die Nachstellvorrichtungen leicht zugänglich sind, ob die Griffe zur Bedienung der Maschine usw. so angebracht sind, daß der Führer sie leicht und ohne Verwechselungsgefahr handhaben kann, ob Benzinbehälter und Rohrleitung den Vorschriften entsprechen, usw. 2. Bei allen Prüfungen muß eine Probefahrt statt­ finden; für die Erprobung der Bremsen ist es von größter Wichtigkeit, daß das Fahrzeug bei der Probefahrt mög­ lichst voll beladen ist; Typenprüfungen sind stets mit voller Nutzlast oder einer dem größten Karosseriegewicht einschließlich der höchstzulässigen Personenzahl entspre­ chenden Belastung vorzunehmen. Die Prüfung hat so lange zu dauern, bis der Sachverständige die volle Über­ zeugung von der Verkehrssicherheit des Fahrzeugs bei verschiedenen Geschwindigkeiten gewinnt. Die Versuche werden sich im wesentlichen auf die Lenkung, die Wirk­ samkeit der Bremsen, die Verhinderung der unbeabsich­ tigten Rückwärtsbewegung in Steigungen und die Fähig­ keit der Rückwärtsbewegung des Fahrzeugs erstrecken; außerdem ist die Geräusch- und Geruchlosigkeit festzu­ stellen. Vorrichtungen zur Verhinderung unbeabsichtigter Rückwärtsbewegung auf Steigungen müssen sowohl bei beladenem wie bei unbeladenem Fahrzeug erprobt wer­ den. Es sind geeignete, möglichst wenig verkehrsreiche Straßen und Wege, die Gelegenheit bieten, das Fahrzeug auch in Steigungen und Gefällstrecken sowie in Kurven

zu erproben, für die Probefahrt auszuwählen. Bei den Versuchen ist die erforderliche Vorsicht zur Vermeidung von Unfällen und Beschädigungen des Fahrzeugs an­ zuwenden. Die Prüfung von Krafträdern ist in der Weise vorzunehmen, daß der Fahrer mit dem Rade nach Anweisung des Sachverständigen bei verschiedenen Geschwindigkeiten diejenigen Übungen ausführt, die ge­ eignet erscheinen, die Lenkbarkeit und Bremssicherheit darzutun. 3. Bei Kraftwagen hat der Sachverständige, nach­ dem er durch einige Vorversuche die überzeuguug von der Verkehrssicherheit des Fahrzeugs erlangt hat, der Prüfung auf dem Fahrzeug selbst beizuwohnen*) und dem Führer, der die Berechtigung zum Fahren besitzen und sich bei schnellfahrenden Wagen über längere Fahr­ praxis ausweisen muß, die erforderlichen Anweisungen zu geben. Nach der Probefahrt hat sich der Sachver­ ständige davon zu überzeugen, daß keine dauernden Formveränderungen oder andere Veränderungen an Konstruktionsteilen eingetreten sind, die die Verkehrs­ sicherheit gefährden könnten. 4. Bei Typenprüfungen sind nach befriedigendem Verlauf aller Prüfungen die dem Sachverständigen über­ gebenen Zeichnungen und Beschreibungen mit Prüfungs­ vermerk zu versehen.

XII. Vorschriften für elektrisch betriebene Kraftfahrzeuge. 1. Elektrische Maschinen.

Die elektrischen Maschinen sind so anzuordnen, daß etwaige im Betrieb auftretende Feuererscheinungen keine Entzündung von brennbaren Stoffen Hervorrufen können. In unmittelbarer Nähe der elektrischen Maschinen dürfen keine Rohrleitungen für brennbare Flüssigkeiten liegen. *) Bet Kraftfahrzeugen, die keinen geeigneten Platz bieten, darf von der Befolgung dieser Borschrift abgesehen werden, sofern der Sach­ verständige sich auf andere Weise die Überzeugung von der Verkehrs­ sicherheit des Fahrzeugs verschaffen kann.

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2. Akkumulatoren.

Akkumulatorenzellen elektrischer Fahrzeuge können auf Holz aufgestellt werden, wobei eine einmalige Iso­ lierung durch nicht Feuchtigkeit anziehende Zwischen­ lagen ausreicht. Soweit nur unterwiesenes Personal in Betracht kommt, braucht die Möglichkeit, daß eine Person Teile verschiedener Spannungen gleichzeitig be­ rührt, nicht ausgeschlossen zu sein. Die Akkumulatoren dürfen den Fahrgästen nicht zugänglich sein. Es ist für ausreichende Lüftung zu sorgen. Für nicht Feuch­ tigkeit anziehende Zwischenlagen gilt auch ein zwei­ maliger Lackanstrich des Holzes mit einem säurebestän­ digen Lack. Zelluloid ist zur Verwendung als Mästen und außer­ halb des Elektrolyten unzulässig.

3. Leitungen. Der Querschnitt aller Leitungen zwischen Strom­ quelle und Antriebsmotor ist nach der Normalstürke der vorgeschalteten Sicherung laut folgender Tabelle oder stärker zu bemessen: Querschnitt in qmm 4 6 10 16 25 35 50 70 95 120

Avrnmlnürke der ■eicbentnci in 'Jlmperc: 30 40 60 80 100 130 165 200 235 275

Drähte für Bremsstrom sind mindestens üon gleicher Stärke wie die Fahrstromleitnngcn zu wählen. Alle übrigen Leitungen dürfen im allgemeinen mit den in nachstehender Tabelle verzeichneten Stromstärken dauernd belastet werden:

Anlage A. Prüfung von Kraftfahrzeugen.

Querschnitt in qmm:

0,75 1 2,5

4 6 10 16 25 35 50 70 95 120 150

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Stromstärke In Ampere:

6 6 10 15 20 25 35 60 80 100 125 160 190 225 260

Blanke Leitungen sind zulässig, wenn sie sicher isoliert verlegt und gegen Berührung geschützt sind. Isolierte Leitungen in Fahrzeugen müssen so ge­ führt werden, daß ihre Isolierung nicht durch die Wärme benachbarter Widerstände oder Heizvorrichtungen gefähr­ det werden kann. Die Verbindung der Fahr- und Bremsstromleitungen mit den Apparaten ist mittels Schrauben oder durch Lötung auszuführen. Nebeneinander laufende isolierte Fahrstromleitungen müssen entweder 511 Mehrfachleitungen mit einer ge­ meinsamen wasserdichten Schutzhülle zusammengefaßt werden derart, daß ein Verschieben und Reiben der Einzelleitungen vermieden wird (dabei ist die Isolier­ hülle an den Austrittsstellen von Leitungen gegen Wasser abzudichten), oder die Leitungen sind getrennt zu ver­ legen und, wo sie Platten, Wände oder Fußböden durchsetzen, durch Jsoliermittel so zu schützen, daß sie sich an diesen Stellen nicht durchscheuern können. In den Wagen dürfen isolierte Leitungen unmittel­ bar auf Holz verlegt und Holzleisten zu ihrer Verkleidung benutzt werden. Leitungen, die einer Verbiegung oder Verdrehung

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ausgesetzt sind, müssen aus leicht biegsamen Teilen her­ gestellt und, soweit sic isoliert sind, wetterbeständig hcrgerichtet sein.

4. Sicherungen. Jeder Motorwagen muß eine Hauptabschmelzsicheruug oder einen selbsttätigen Ausschalter haben. Jede Leitung, die keinen Fahrstrom führt, must besonders gesichert sein. Bei solchen beuzinelektrischeu Fahrzeugen, die ohne Betriebsbatterie arbeiten (Fahrzeuge mit elek­ trischer Kraftübertragung), sind jedoch in den .Haupt­ leitungen keine Sicherungen erforderlich. Vom Fahrstrom unabhängige Bremsleitungen dür­ fen seine Sicherungen enthalten. 5. A usschalte r. Es muß ein vom Führersitz aus bedienbarer Haupt(Rot-) Ausschalter vorhanden sein, der daS Altsschalten des Fahrstromkreises unabhängig vont Fahrschalter ge­ stattet. Ter NotauSschalter tarnt mit dem selbsttätigen Ausschalter (vgl. unter 4) verbunden sein. Vom Fahrstrom unabhängige BremSstromkrcise dür­ fen nur im Fahrschalter abschaltbar sein. 6. Lampen. Lampenlertungen, die aus der Betriebsstromquelle gespeist werden, müssen mit einer wasserdichten Isolier­ hülle (Gummiaderleitung) versehen sein. 7. Freileitungen. Für Freileitungen gelten die vom Verbände deutscher Elektrotechniker herausgegebenen Sicherheitsvorschristcn für die Freileitungen von elektrischen Straßenbahnen.

XIII. Muster. Bei Ausführung der Bestimmungett im § 5 Abs. 2, 3 der Verordnung sind folgende Muster zu verwenden: Muster a. — Gutachten des Sachverständigen über die amtliche Prüfung eines einzelnen Kraftfahrzeugs;

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Anlage A. Prüfung von Kraftfahrzeugen.

Muster b. — Gutachten des Sachverständigen über die amtliche Prüfung einer Gattung von Kraftfahrzeugen (Typenprüfung); Muster c. — Bescheinigung der höheren Verwal­ tungsbehörde über die Zulassung einer Gattung von Kraftfahrzeugen (Typenbescheinigung); Muster d. — Bescheinigung der Firma bei Ver­ äußerung eines Kraftfahrzeugs, das einer von der höheren Verwaltungsbehörde zugelassenen Gattung an­ gehört; Muster c. — Das von der Firma zu führende Verzeichnis über die auf Grund einer Typengenehmi­ gung in den Verkehr gebrachten Kraftfahrzeuge.

XIV. Gebühren. Für die Prüfung von Kraftfahrzeugen stehen den amtlich anerkannten Sachverständigen Gebühren nach folgender Gebührenordnung zu:

Nr.

I.

II.

'Angabe des PrüfungsgeschäftS

Für die Tvpenprüfung a) eines Kraftwagens......................................... b) eines Kraftrads.............................................

Für die Prüfung einzelner Kraftfahrzeuge: 1. am Wohnsitz des Sachverständigen a) für einen Kraftwagen........................... b) für ein Kraftrad................................ 2. außerhalb des Wohnsitzes des Sachverständigen a) für einen Kraftwagen........................... b) für ein Kraftrad.................................... 3. für weitere an dem gleichen Tage geprüfte Kraftfahrzeuge desselben Eigentümers in dem nämlichen Gemeinde- oder GntSdezirke a) für jeden Kraftwagen........................... * b) für jedes Kraftrad...........................

Gebühren­ satz

100 50

20 15

25 20

10 7 50

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Im übrigen gelten folgende allgemeine Bestimmungen: 1. Reisekosten oder andere Entschädigungen stehen den Sachverständigen nicht zu. 2. Bei Typenprüsungen — Nr. I der Gebührenord­ nung — ist es gleichgültig, ob die Prüfung am Wohnsitz oder außerhalb des Wohnsitzes des Sach­ verständigen stattfindet, oder ob sie in einem oder mehreren Prüfungsterminen erledigt wird. 3. Kann die Prüfung eines einzelnen Kraftfahrzeugs ohne Verschulden des Sachverständigen an dem festgesetzten Tage nicht beendet werden, so sind die unter Nr. II 1 oder 2 der Gebührenordnung angegebenen Beträge fällig; für die Fortsetzung einer derart unterbrochenen Prüfung stehen dem Sachverständigen die Gebührensätze nach Nr. II 3 der Gebührenordnung mit der Maßgabe zu, daß bei einer Prüfung außerhalb des Wohnsitzes des Sachverständigen ein Zuschlag von 5 J6 zur Er­ hebung gelangt. 4. Ist die Prüfung mehrerer Kraftfahrzeuge des­ selben Eigentümers für enteil Tag vereinbart und kann diese Prüfung ohne Verschulden des Sachverständigen an dem vereinbarten Tage nicht beendet werden, so finden für die Berechnung der Gebühren die Vorschriften unter Nr. 3 der allgemeinen Bestimmungen entsprechende An­ wendung. 5. Kann an einem vereinbarten Tage ohne Ver­ schulden des Sachverständigen die Prüfung über­ haupt nicht begonnen werden, so sind die unter Nr. II 1 oder 2 der Gebührenordnung für ein Kraftfahrzeug angegebenen Beträge fällig. Allster a ist «('gedruckt im NGBl. 1910 1910 „ b 1910 1910 „ d 1910 „ e

S. „ „ „ „

429 430 431 432 433/

Anlage B (§ 14 Stof. 4).

Anweisung über die Prüfung der Führer von Kraftfahrzeugen. I. Die Erlaubnis zum Führen eines Kraftfahrzeugs erteilt die für den Wohnort der betreffenden Person oder für den Ort, wo sie den Fahrdienst erlernt hat, zuständige höhere Verwaltungsbehörde. Der Antrag auf Erteilung der Erlaubnis ist an die zuständige Orts­ polizeibehörde zu richten. Dein Antrag ist beizufügen: 1. ein Geburtsschein, 2. eine Photographie (Brustbild in Visitsormat, un­ aufgezogen), 3. ein Zeugnis eines beamteten Arztes darüber, daß der Antragsteller keine körperlichen Mängel hat, die seine Fähigkeit, ein Kraftfahrzeug sicher zu führen, beeinträchtigen können, insbesondere Mängel hinsichtlich des Seh- und Hörvermögens, 4. ein Nachweis darüber, daß er den Fahrdienst bei einer durch die zuständige höhere Verwaltungs­ behörde zur Ausbildung von Führern ermäch­ tigten Person oder Stelle (Fahrschule, Kraft­ fahrzeugfabrik) erlernt hat. Aus dem Nachweis muß die Dauer der praktischen Ausbildung im Fahren ersichtlich sein. Die Ortspolizeibehörde hat zu prüfen, ob gegen den Antragsteller Tatsachen vorliegen (z. B. schwere Eigen­ tumsvergehen, Neigung zum Trünke oder zu Ausschrei­ tungen, insbesondere zu Noheitsvergehen), die ihn als ungeeignet zum Führen eines Kraftfahrzeugs erscheinen lassen; nach Vornahme der Prüfung legt sie unter Mit­ teilung des Ergebnisses den Antrag mit seinen Anlagen der höheren Verwaltungsbehörde vor. Diese stellt zu­ nächst durch Anfrage bei der für das Deutsche Reich

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Anhang. 1. Bundesrats-VO. üb. d. Verkehr m. Kraftfahrz.

bestehenden Sammelstelte für Nachrichten über Führer von Kraftfahrzeugen (Polizeipräsidium in Berlin) fest, was etwa über den Antragsteller dort bekannt ist. Er­ geben die Feststellungen, datz er ungeeignet 511111 Führen eines Kraftfahrzeugs ist, so ist ihm die Erlaubnis zu versagen. Andernfalls übersendet die höhere Verwal­ tungsbehörde den Antrag nebst Anlagen dem amtlich anerkannten Sachverständigen (Ziffer II) zur Vornahme der Prüfung des Antragstellers über seine Befähigung zum Führen eines Kraftfahrzeugs. Der Antragsteller ist hiervon in Kenntnis zu setzen. Für Reichs- oder Staatsbeamte, die als Führer von Kraftfahrzeugen verwendet werden sollen, kann der Antrag aus Erteilung der Erlaubnis zum Führen eines Kraftfahrzeugs von der vorgesetzten Behörde bei der Ortspolizeibehördc gestellt werden. Ter Antrag must die erforderlichen Angaben über den Personenstand des Prüflings enthalten und von den unter Nr. 2 bis 1 bezeichneten Anlagen begleitet sein. Von einer Fest stellung, ob gegen den Prüfling Tatsachen vorliegen, die ihn als ungeeignet zum Führen eines Kraftfahrzeugs erscheinen lassen, hat die Ortspolizeibehörde in solchen Füllen abzusehen.

II. Die Prüfungen erfolgen bei den durch die höheren Verwaltungsbehörden amtlich anerkannten Sach verständigen. Die Sachverständigen bestimmen den Zeitpunkt für die Prüfung. Der Prüfling hat ein Kraftfahrzeug der Betriebs­ art und Klasse, für dessen Führung er den Nachweis der Befähigung erbringen will, für die Prüfung bereitzustclten. Das Fahrzeug mutz, wenn die Witteruugsund Wegeverhältnisse dies notwendig erscheinen lassen, mit einem oder mehreren Gleitschutzreifen versehen sein.

III. Die Prüfung ist auf den Nachweis der Befähigung zum Führen bestimmter Betriebsarten und Klassen von Kraftfahrzeugen zu richten. Sie kann ab­ gelegt werden für Kraftfahrzeuge mit Antrieb:

Anlage B. Prüfung der Führer.

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durch Elektromotoren, durch Verbrennungsmaschinen, durch Dampfmaschinen, durch sonstige Motoren, und zwar: 1. für Krafträder, 2. für Kraftwagen mit einem betriebsfertigen Eigen­ gewichte von mehr als 2,5 Tonnen, 3. für Kraftwagen mit einem betriebsfertigen Eigen­ gewichte bis zu 2,5 Tonneu a) bis zu 10 PS (Leistung der Maschine oder des Motors), b) über 10 PS (Leistung der Maschine oder des Motors). Personen, die für eine Betriebsart und Klasse von Fahrzeugen den Nachweis der Befähigung erbracht haben, können die Erlaubnis zum Führen von Fahr­ zeugen einer anderen Betriebsart oder Klasse nur auf Grund einer besonderen Prüfung für diese Betriebsart und Klasse erhalten; jedoch schließt der Nachweis der Befähigung zum Führen eines Fahrzeugs der Klasse 3 b den der Befähigung für die gleiche Betriebsart der Klasse 3a ein. IV. Die Prüfung zerfällt in einen mündlichen und einen praktischen Teil. 1. Die mündliche Prüfung erstreckt sich auf: a) allgemeine Kenntnis der Hauptteile des vor­ geführten Fahrzeugs, genaue Kenntnis der für die Beurteilung seiner Verkehrssicherheit in Betracht kommenden Teile (Lenkvorrich­ tung, Bremsen, Geschwindigkeitswechsel, Rück­ lauf und Radbereifung); b) Verhalten in besonderen Fällen (z. B. bei Schleudern des Wagens, bei Feuersgefahr am Fahrzeug, Wassermangel bei Dampferzeugern); c) Beurteilung der Verkehrssicherheit des Fahr­ zeugs vor Antritt der Fahrt; d) Kenntnis der für den Führer eines Kraft­ fahrzeugs maßgebenden gesetzlichen und poli­ zeilichen Vorschriften.

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Anhang. 1. Bundesrats-VO. üb. d. Verkehr m. Kraftsahrz.

2. Die praktische Prüfung umfaßt: a) Feststellung der Wirksamkeit der Bremsen und Lenkvorrichtungen, Ingangsetzen des Motors nach vorheriger Prüfung der Zündvorrichtun­ gen und einfache Fahrübuugen auf kurzer Strecke (z. B. Einhaltung einer gegebenen Fahrtrichtung, Ausweichen vor angedeuteteu Hindernissen, schnelles Halten mit Benutzung der verschiedenen Bremsen, Rückwärtsfahren, Wenden mit und ohne Benutzung der Rück­ wärtsfahrt) ; b) Probefahrt auf freier Strecke in mäßigem Ver­ kehre mit Begegnen und überholen von Fuhr­ werk, Ausfahrt aus einem Grundstück, Ein­ biegen in Straßen, Anwendung des War­ nungszeichens, Wechsel der Geschwindigkeit (wenn möglich auch ui Steigungen und im Gefälle) unter Benutzung der verschiedenen zu Gebote stehenden Hilfsmittel, Handhabung der Bremsen unter verschiedenen Verhältnissen; c) abschließende Prüfung in freier Fahrt, auch durch belebtere Verkehrsstraßen, in mindestens einstündiger Dauerfahrt unter Benutzung aller am Prüfungsort und in seiner näheren Umgebung zu Gebote stehenden Geländeverhält­ nisse. Für die Führung von Krafträdern ist die Prüfung der Bauart des Fahrzeugs entsprechend zu gestalten. Rach dem Ermessen des Sachverständigen kann dabei die Dauer der unter 2 c vorgeschriebencn freien Fahrt ein­ geschränkt werden. Zur mündlichen Prüfung können mehrere Prüflinge gleichzeitig zugelassen werden. Der praktischen Prüfung für Kraftwagen ist jeder Prüfling einzeln 511 unterziehen. Die praktische Prüfung ist erst vorzunchmen, iucitii der Prüfling die mündliche Prüfung bestanden hat. Zu der Prüfung gemäß 2c darf der Prüfling nur zugclassen werden, wenn er bei der Prüfung nach 2 b volle Sicher­ heit, Ruhe und Gewandtheit gezeigt hat.

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Anlage B. Prüfung der Führer.

Bei den Fahrprüfungen für Kraftwagen (vgl. 2 b und