Regelungstechnik 1: Lineare und Nichtlineare Regelung, Rechnergestützter Reglerentwurf 9783486594027

Das Lehrbuch zur Regelungstechnik - anschaulich durch viele Beispiele und Übungsaufgaben. Regelungstechnik 1 behandelt

238 43 4MB

German Pages [446] Year 2009

Report DMCA / Copyright

DOWNLOAD PDF FILE

Recommend Papers

Regelungstechnik 1: Lineare und Nichtlineare Regelung, Rechnergestützter Reglerentwurf
 9783486594027

  • 0 0 0
  • Like this paper and download? You can publish your own PDF file online for free in a few minutes! Sign Up
File loading please wait...
Citation preview

Regelungstechnik 1 Lineare und Nichtlineare Regelung, Rechnergestützter Reglerentwurf von Prof. Dr. Gerd Schulz 3., überarbeitete und erweiterte Auflage

Oldenbourg Verlag München Wien

Prof. Dr. Gerd Schulz studierte Regelungstechnik an der TH Darmstadt und an der Stanford University in Kalifornien. Danach arbeitete er vierzehn Jahre in der Luft- und Raumfahrtforschung in der DFVLR Oberpfaffenhofen im Institut für Dynamik der Flugsysteme u. a. auf den Gebieten Parameteridentifizierung, Hubschrauber-Schwingungsisolation und Lageregelung von Satelliten. Mit einem Thema zur Parameteridentifizierung promovierte er an der TH Darmstadt bei Prof. Hänsler. Zuletzt leitete er in der DFVLR eine ESA-Studie zur Regelung großer Raumflugstrukturen. Dann ging er für drei Jahre als Projektleiter für ein Navigationsgerät des Eurofighter-Vorläufers zur Firma Litef in Freiburg bevor er einem Ruf an die Fachhochschule folgte. Er lehrte zunächst an der FH Landshut, und seit 1989 hält er an der FH München Vorlesungen auf dem Gebiet der Regelungstechnik. MATLAB®, Simulink® und Real-Time Workshop® sind eingetragene Warenzeichen von The MathWorks, Inc., 3 Apple Hill Drive, Natick, MA 01760-2098

Das Titelbild zeigt einen Airbus A380 im Flug (copyright: Airbus / Ognier)

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über abrufbar.

© 2007 Oldenbourg Wissenschaftsverlag GmbH Rosenheimer Straße 145, D-81671 München Telefon: (089) 45051-0 oldenbourg.de Das Werk einschließlich aller Abbildungen ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlages unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Bearbeitung in elektronischen Systemen. Lektorat: Anton Schmid Herstellung: Anna Grosser Coverentwurf: Kochan & Partner, München Gedruckt auf säure- und chlorfreiem Papier Druck: Grafik + Druck, München Bindung: Thomas Buchbinderei GmbH, Augsburg ISBN 978-3-486-58317-5

Vorwort zur 3. Auflage In der vorliegenden dritten Auflage wurden die bekannt gewordenen Unstimmigkeiten korrigiert und beseitigt. Die Histogramme wurden zur besseren Lesbarkeit erneut ¨ aufbereitet und es wurden weitere Ubungsaufgaben zum Selbststudium erg¨anzt. Die Reihenfolge der Abschnitte wurde aus didaktischen Gr¨ unden insofern ge¨andert, als nun die Kapitel u ¨ ber die Entwurfsverfahren mit dem Bode-Diagramm und mit der Wurzelortskurve direkt nach dem Kapitel 5 u ¨ ber die Stabilit¨at folgen. Das Kapitel u ¨ber Reglersynthese mit klassischen und modernen Verfahren wurde u ¨ berarbeitet und erweitert. Das Kapitel u ugt. ¨ ber Zweigr¨oßenregelung wurde neu eingef¨

M¨ unchen, im Juli 2007

Gerd Schulz

Vorwort zur 2. Auflage Die vorliegende zweite Auflage wurde vollst¨andig u ¨ berarbeitet. Es wurden Abschnitte erg¨ anzt und weitere Aufgaben zum Selbststudium hinzugef¨ ugt, die Histogramme wur¨ den zur besseren Lesbarkeit aufbereitet. Aus Gr¨ unden der Ubersichtlichkeit wurde eine Strukturierung in drei Teile vorgenommen.

Teil I: Lineare Regelung In den ersten f¨ unf Kapiteln werden die elementaren Grundlagen der Regelungstechnik erl¨ autert. Nach einf¨ uhrenden Beispielen zur Regelung und Steuerung werden in Kapitel 1 regelungstechnische Grundbegriffe vorgestellt. Die wesentlichen Elemente des Regelkreises werden veranschaulicht und die Eigenschaften Linearit¨at und R¨ uckwirkungsfreiheit definiert. Die mathematische Behandlung der Elemente im Regelkreis ist Thema von Kapitel 2. Um den Einstieg in die Methoden der Regelungstechnik zu erleichtern, wird ausf¨ uhrlich auf die Behandlung von Regelkreisgliedern durch die Differentialgleichung eingegangen, ¨ bevor auf ihre Beschreibung durch Ubertragungsfunktion und Frequenzgang u ¨ bergegangen wird. Die grafischen Darstellungen des Frequenzgangs durch Ortskurve und BodeDiagramm werden vorgestellt. Das Rechnen mit Regelkreisgliedern im Blockschaltbild, eine unverzichtbare Methode f¨ ur die Analyse und Synthese von Reglern, ihre Verschaltung durch Reihen-, Parallel- und Kreisschaltung werden erl¨autert und am Beispiel eines Gleichstrommotors untersucht.

VI

Vorwort

In Kapitel 3 werden die Grundformen von Regelstrecken, wie proportionale, integrierende und spezielle Formen von Strecken, vorgestellt und jeweils durch mehrere praktische Beispiele veranschaulicht. Die im vorhergehenden Kapitel behandelten mathematischen Methoden werden angewendet und einge¨ ubt. F¨ ur alle untersuchten Regelstrecken ¨ werden ihre Differentialgleichungen, Ubertragungsfunktionen, Frequenzg¨ange, Sprungantworten sowie Ortskurven angegeben. Ausf¨ uhrlich wird auf die Linearisierung und Modellbildung von Regelstrecken eingegangen. Das Thema von Kapitel 4 ist das Verhalten linearer Regelkreise. Zun¨achst werden die grundlegenden Anforderungen an den Regelkreis aufgef¨ uhrt, bevor die Realisierung analoger und digitaler elektrischer Regler untersucht wird. Die Wirkung der Grundbestandteile eines Reglers, des proportionalen, integrierenden und differenzierenden Anteils, wird ausf¨ uhrlich bei der Regelung proportionaler und integrierender Regelstrecken demonstriert. Die Stabilit¨ at von Regelkreisen ist Ziel der Untersuchungen in Kapitel 5. Es wird die Unterscheidung zwischen interner und externer Stabilit¨at vorgestellt. Die Untersuchung des Hurwitz-Kriteriums schließt sich an, bevor zum Abschluss das Nyquist-Verfahren als grafische Methode der Stabilit¨ atsanalyse behandelt wird. Die folgenden drei Kapitel besch¨ aftigen sich mit der Synthese von Reglern. In Kapitel 6 werden klassische und moderne Entwurfsverfahren untersucht. Zun¨achst werden analytische Methoden der Reglerbestimmung mittels Pol-/Nullstellenkompensation, Parameteroptimierung, Betragsoptimum und der Kompensationsregler vorgestellt. Empirische Entwurfsverfahren nach Ziegler/Nichols, Chien/Hrones und Reswick sowie Latzel schließen sich an. Dann folgen Erweiterungen der Reglerstruktur wie Vorfilter, Regler mit zwei Freiheitsgraden, Vorsteuerung, Regler zur Vermeidung des Differenziersprungs und des Regler¨ uberlaufs sowie die Regelung von Totzeitstrecken. Die Verwendung zus¨atzlicher R¨ uckf¨ uhrsignale f¨ uhrt dann zu den Entwurfsmethoden der Kaskadenregelung, der St¨ orgr¨ oßenaufschaltung sowie der Hilfsstell- und Hilfsregelgr¨oßenaufschaltung. Um eine Vorstellung von den erzielbaren Ergebnissen zu gewinnen, werden die Methoden an einer Beispielregelstrecke verglichen. In Kapitel 7 folgt die Reglersynthese mit dem Bode-Diagramm. Nach der Vorstellung der Grundlagen des Arbeitens mit dem Bode-Diagramm werden die Bode-Diagramme einfacher Regelstrecken und Regler behandelt. Die im vorangehenden Kapitel aufgef¨ uhrten Entwurfsanforderungen f¨ ur Regler im Zeitbereich werden dann auf den Frequenzbereich u ¨ bertragen. Abschließend wird die Reglerauslegung mit dem Bode-Diagramm f¨ ur proportionale und integrierende Strecken beispielhaft untersucht, und es wird die Verwendung phasenkorrigierender Netzwerke erl¨autert. Im abschließenden Kapitel 8 wird der Reglerentwurf mit Hilfe der Wurzelortskurve behandelt. Nach der Definition der Wurzelortskurve und der Vorstellung einiger Regeln f¨ ur den Verlauf der Wurzelortskurve, werden zun¨achst wieder die Reglerentwurfsanforderungen vom Zeitbereich auf den Entwurf mit der Wurzelortskurve u ¨bertragen und formuliert. Die Wirkung der Einf¨ ugung und Verschiebung von Reglerpolen und -nullstellen

Vorwort

VII

auf den Verlauf der Wurzelortskurve wird ausf¨ uhrlich untersucht. Den Abschluss bildet die Demonstration des Entwurfs f¨ ur einige typische Beispiele. Teil II: Nichtlineare Regelung Im nun folgenden Teil der nichtlinearen Regelung werden zun¨achst in Kapitel 9 einige nichtlineare Regelkreisglieder vorgestellt. Dann wird in die Analyse von Regelkreisen mit Hilfe der harmonischen Balance eingef¨ uhrt und die Beschreibungsfunktion definiert. F¨ ur verschiedene einfache Regelkreisglieder werden die Beschreibungsfunktionen berechnet. Nach der Erl¨ auterung des Zweiortskurvenverfahrens zur Stabilit¨atsuntersuchung wird es auf Regelkreise mit nichtlinearen Elementen angewendet. In Kapitel 10 wird nach der praktischen Realisierung einfacher nichtlinearer Regler die Regelung von Verz¨ ogerungs- und integrierenden Strecken mit Zwei- und Dreipunktreglern behandelt. Ziel der Untersuchung ist vorrangig die Ermittlung von Kenngr¨oßen des Regelkreises wie z. B. Periodendauer, mittlere Regeldifferenz, Schwankungsbreite der Dauerschwingung und Ein-/Ausschaltverh¨ altnis. Als Anwendungsbeispiele linearer und nichtlinearer Regelungen werden in Kapitel 11 die Kaskadenregelung eines Gleichstrommotors und die Stabilisierung eines instabilen Pendels untersucht. Beide Beispiele sind in den vorangehenden Kapiteln h¨aufig als Beispiele f¨ ur die vorgestellten Verfahren betrachtet worden. Ihre Regelung rundet damit die Betrachtung ab. Teil III: Rechnergest¨ utzter Reglerentwurf In diesem Teil wird die Verwendung eines Rechners beim Reglerentwurf n¨aher analysiert. In Kapitel 12 werden Grundlagen der nummerischen Systemanalyse gestreift. Zum einen ist dies die Ermittlung der Nullstellen von Polynomen, die in der Regelungstechnik oft gebraucht wird, und zum anderen wird die Simulation linearer und nichtlinearer Systeme betrachtet. Hierbei wird eine kurze Einf¨ uhrung in die Systembeschreibung durch die Zustandsdarstellung gegeben, und es werden nummerische Integrationsalgorithmen vorgestellt. Zum Schluss werden in Kapitel 13 spezielle regelungstechnische Analyse- und Entwurfsprogramme vorgestellt, die im Wesentlichen auf dem MATLAB/Simulink-Entwurfspaket und dSPACE-Soft- und Hardware beruhen. Diese Werkzeuge erm¨oglichen einen komfortablen Reglerentwurf und -test unter Anwendung vieler in diesem Buch behandelter Verfahren. Anhang Im Anhang wird eine komprimierte Darstellung der Laplace-Transformation zur Wiederholung und zum Nachschlagen angeboten. Das sichere Beherrschen der LaplaceTransformation ist notwendig zum Verstehen des in diesem Buch vermittelten regelungstechnischen Fachwissens.

VIII

Vorwort

Allgemeine Bemerkungen Dieses Buch wendet sich an den Studenten der Elektrotechnik und des Maschinenbaus in praktisch orientierten Studieng¨ angen an Hochschulen sowie an den in der Praxis t¨atigen Ingenieur. Es wurde konzipiert als Textbuch f¨ ur die Vorlesungen Regelungstechnik 1 und 2 an der Fachhochschule M¨ unchen im Fachbereich f¨ ur Elektrotechnik und Informationstechnik und wird dort seit vielen Jahren eingesetzt. Auf Grund der vielen durchgerechneten Beispiele und der zahlreichen Aufgaben mit L¨osungen, ist das Buch zum Selbststudium sehr geeignet. Auf der Homepage des Oldenbourg Wissenschaftsverlages http:\\www.oldenbourgwissenschaftsverlag.de sind unter dem Buchtitel die MATLAB-Programme einiger gerechneter Beispiele sowie weitere Informationen zum Buch zu finden. Dies soll insbesondere das Selbststudium und die ersten Schritte der Anwendung der Verfahren erleichtern. Dabei ist allerdings vorausgesetzt, dass der Leser leistungsf¨ahige Programmsysteme wie z. B. MATLAB, DORA, MATRIXX ... zur Verf¨ ugung hat. Zur Unterscheidung vom normalen Text werden Beispiele und Aufgaben mit dem Zeichen  abgeschlossen. Dank Der besondere Dank geht an den Oldenbourg Verlag, bei dem ich jederzeit ein offenes Ohr f¨ ur Probleme und W¨ unsche fand. Dies gilt auch f¨ ur Herrn Thomas Schmidt, der bei Fragen zur Textverarbeitung und Layoutgestaltung hilfreich zur Verf¨ ugung stand. M¨ unchen, im Juli 2004

Gerd Schulz

Inhaltsverzeichnis I

Lineare Regelung

1

Einf¨ uhrung in die Regelung und Steuerung

3

1.1

Regelungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

3

1.2

Steuerungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

7

1.3

Signalflussplan (Blockschaltbild) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

8

2

3

1

Mathematische Behandlung von Regelkreisgliedern

13

2.1 2.1.1 2.1.2 2.1.3 2.1.4 2.1.5

Die Beschreibung durch Differentialgleichungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Die lineare Differentialgleichung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Aufstellen der Differentialgleichung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . L¨ osung der Differentialgleichung durch einen geeigneten Ansatz . . . Spezielle Eingangssignale in der Regelungstechnik . . . . . . . . . . . . . . . ¨ Die Ubergangsfunktion (Sprungantwort) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

13 13 14 18 21 23

2.2 2.2.1 2.2.2 2.2.3

¨ Darstellung von Regelkreisgliedern durch Ubertragungsfunktion und Frequenzgang . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ¨ Die Ubertragungsfunktion ....................................... Der Frequenzgang . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Grafische Darstellungen des Frequenzgangs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

25 25 27 30

2.3 2.3.1 2.3.2 2.3.3 2.3.4

Das Rechnen mit Regelkreisgliedern im Blockschaltbild . . . . . . . . . . . Aufstellen von Blockschaltbildern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Reihen-, Parallel- und Kreisschaltung von Regelkreisgliedern . . . . . . Verlegen von Summations- und Verzweigungsstellen . . . . . . . . . . . . . . Anwendung der Regeln f¨ ur das Rechnen mit Blockschaltbildern . . .

35 35 37 39 40

Regelstrecken

43

3.1 3.1.1 3.1.2 3.1.3 3.1.4

45 45 46 49 55

Proportionale Regelstrecken . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Proportionale Strecken ohne Verz¨ogerung (P-Glied) . . . . . . . . . . . . . . Proportionale Strecken mit Verz¨ogerung 1. Ordnung (PT1 -Glied) Reihenschaltung von Strecken mit Verz¨ogerung 1. Ordnung . . . . . . . Schwingungsf¨ ahige PT2 -Strecken . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

X

4

Inhaltsverzeichnis 3.2 3.2.1 3.2.2

Integrierende Regelstrecken . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 63 Integrierende Strecken ohne Verz¨ogerung (I-Glied) . . . . . . . . . . . . . . . . 63 Integrierende Strecken mit Verz¨ogerungen (ITn -Glied) . . . . . . . . . . . 65

3.3 3.3.1 3.3.2 3.3.3

Spezielle Formen von Regelstrecken . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Strecken mit Totzeit (Tt -Glied) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Strecken mit differenzierendem Verhalten (DTn -Glied) . . . . . . . . . . . Strecken mit Allpassverhalten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

3.4 3.4.1 3.4.2

Regelstrecken h¨ oherer Ordnung und instabile Regelstrecken . . . . . . 74 Regelstrecken h¨ oherer Ordnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 74 Instabile Regelstrecken . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 77

3.5

Linearisierung einer nichtlinearen Regelstrecke . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 80

3.6 3.6.1 3.6.2 3.6.3 3.6.4

Modellbildung realer Regelstrecken . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Analytische Berechnung der Parameter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Parameterbestimmung aus der Sprungantwort . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Parameterbestimmung aus der Ortskurve . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Parameteridentifizierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

Das Verhalten linearer Regelkreise

67 67 70 72

83 83 83 84 85 87

4.1

Grundstruktur des einschleifigen Regelkreises . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 87

4.2 4.2.1 4.2.2 4.2.3 4.2.4

Grundlegende Anforderungen an den Regelkreis . . . . . . . . . . . . . . . . . . Stabilit¨ at . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . F¨ uhrungsverhalten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . St¨ orverhalten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Robustheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

4.3 4.3.1 4.3.2

Realisierung elektrischer Regler . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 93 Analoger Regler . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 94 Digitaler Regler . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 97

4.4 4.4.1 4.4.2 4.4.3

Regelung einer PT1 -Strecke . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . P-Regler . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I-Regler . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . PI-Regler . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

101 101 107 110

4.5 4.5.1 4.5.2 4.5.3

Regelung einer PT2 -Strecke . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . PI-Regler . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . PDTD -Regler . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . PIDTD -Regler . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

113 114 117 122

4.6 4.6.1 4.6.2 4.6.3

Regelung einer IT1 -Strecke . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . P-Regler . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I-Regler . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . PI-Regler . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

127 128 129 131

88 89 89 91 93

Inhaltsverzeichnis 5

6

7

Stabilit¨ at von Regelkreisen

XI 135

5.1 5.1.1 5.1.2

Stabilit¨ atsdefinitionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 136 Interne Stabilit¨ at . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 136 Externe Stabilit¨ at . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 139

5.2

Das Hurwitz-Kriterium . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 143

5.3 5.3.1 5.3.2 5.3.3

Das Nyquist-Kriterium . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Das vereinfachte Nyquist-Kriterium . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Amplitudenrand und Phasenrand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Das verallgemeinerte Nyquist-Stabilit¨atskriterium . . . . . . . . . . . . . . . .

Reglersynthese mit dem Bode-Diagramm

147 149 154 157 163

6.1 6.1.1 6.1.2

Grundlagen von Bode-Diagrammen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 163 Approximation von Amplituden- und Phasengang . . . . . . . . . . . . . . . . 164 Reihenschaltung von Regelkreisgliedern im Bode-Diagramm . . . . . . 165

6.2 6.2.1 6.2.2 6.2.3 6.2.4

Bode-Diagramme einfacher Regelkreisglieder . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Bode-Diagramme von Verz¨ ogerungsgliedern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Bode-Diagramme von integrierenden Regelkreisgliedern . . . . . . . . . . . Bode-Diagramme anderer Strecken . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Bode-Diagramme einfacher Regler . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

168 168 173 175 176

6.3 6.3.1 6.3.2 6.3.3

Entwurfsanforderungen im Bode-Diagramm . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Stabilit¨ at, Amplituden- und Phasenrand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . F¨ uhrungsverhalten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . St¨ orverhalten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

182 183 184 188

6.4 6.4.1 6.4.2 6.4.3 6.4.4

Reglerentwurf mit dem Bode-Diagramm. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Nicht schwingungsf¨ ahige Proportionalstrecken . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Schwingungsf¨ ahige Proportionalstrecken . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Integrierende Regelstrecken (Das symmetrische Optimum) . . . . . . . . Phasenkorrigierende Netzwerke . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

189 189 192 194 200

Reglersynthese mit der Wurzelortskurve

203

7.1

Definition der Wurzelortskurve (WOK) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 203

7.2 7.2.1 7.2.2 7.2.3

Entwurfsanforderungen in der s-Ebene . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Stabilit¨ at . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . F¨ uhrungsverhalten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . St¨ orverhalten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

210 210 210 216

7.3 7.3.1 7.3.2 7.3.3

Reglerentwurf mit der Wurzelortskurve . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Einfluss der Pole und Nullstellen des Reglers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Regelung einer PT3 -Strecke . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Regelung einer instabilen Regelstrecke . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

217 217 224 225

XII 8

9

Inhaltsverzeichnis Reglersynthese mit klassischen und neueren Methoden

229

8.1 8.1.1 8.1.2 8.1.3 8.1.4

Grundlegende Entwurfsverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Pol-/Nullstellenkompensation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Reglereinstellung durch Parameteroptimierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . Das Betragsoptimum . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Vermeidung des Regler¨ uberlaufs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

229 229 234 238 240

8.2 8.2.1 8.2.2 8.2.3

Empirische Einstellregeln . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Reglereinstellung nach Ziegler und Nichols . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Reglereinstellung nach Chien, Hrones und Reswick . . . . . . . . . . . . . . Reglereinstellung nach Latzel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

242 242 244 245

8.3 8.3.1 8.3.2 8.3.3 8.3.4

Entkopplung“ von F¨ uhrungs- und St¨orverhalten . . . . . . . . . . . . . . . . . ” Verwendung eines Vorfilters . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Regler mit zwei Freiheitsgraden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Verwendung einer Vorsteuerung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Vermeidung des Differenziersprungs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

248 248 251 253 255

8.4 8.4.1 8.4.2 8.4.3

Modellgest¨ utzte Entwurfsverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Der Kompensationsregler . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Smith-Regler und Pr¨ adiktor zur Regelung von Totzeitstrecken . . . . Modellbasierter Regler . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

257 257 260 262

8.5 8.5.1 8.5.2 8.5.3 8.5.4 8.5.5

Verwendung zus¨ atzlicher R¨ uckf¨ uhrsignale . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Kaskadenregelung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . St¨ orgr¨ oßenaufschaltung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Hilfsregelgr¨ oßenaufschaltung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Hilfsstellgr¨ oßenaufschaltung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Verh¨ altnisregelung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

264 264 267 269 271 273

Zweigr¨ oßenregelung

277

9.1

Zweigr¨ oßenregelstrecken . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 277

9.2 9.2.1 9.2.2 9.2.3

Systementkopplung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Vollst¨ andige Entkopplung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Angen¨ aherte Entkopplung durch Vereinfachung ¨ der Ubertragungsfunktion FK (s) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Station¨ are Entkopplung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

9.3

Spezialform von Zweigr¨ oßenregelstrecken . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 286

II

Nichtlineare Regelung

10

¨ Regelkreise mit nichtlinearen Ubertragungsgliedern

281 281 283 284

289 291

10.1

¨ Nichtlineare Ubertragungsglieder . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 291

10.2

Die harmonische Balance als Analysemethode . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 294

Inhaltsverzeichnis

11

XIII

10.3 10.3.1 10.3.2 10.3.3 10.3.4 10.3.5

Berechnung von Beschreibungsfunktionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Vorlast . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Idealer Zweipunktregler . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Zweipunktregler mit Hysterese . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Dreipunktregler . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Magnetisierungskennlinie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

10.4

Stabilit¨ atsuntersuchung mit dem Zweiortskurvenverfahren . . . . . . . . 308

10.5

Nichtlineare Regler . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 315

Entwurf nichtlinearer Regler

300 300 301 302 305 306

319

11.1

Realisierung nichtlinearer Regler . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 319

11.2 11.2.1 11.2.2 11.2.3 11.2.4 11.2.5

Regelung von Verz¨ ogerungsstrecken . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Idealer Zweipunktregler . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Zweipunktregler mit Hysterese f¨ ur eine PTn -Strecke . . . . . . . . . . . . . . Zweipunktregler mit Hysterese f¨ ur eine PT1 -Strecke ohne Totzeit Zweipunktregler mit Hysterese und R¨ uckf¨ uhrung . . . . . . . . . . . . . . . . . Dreipunktregler mit Hysterese . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

323 324 329 331 333 338

11.3 Regelung von integrierenden Regelstrecken . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 341 11.3.1 Zweipunktregler mit Hysterese . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 341 11.3.2 Dreipunktregler mit Hysterese . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 342 12

Anwendungsbeispiele linearer und nichtlinearer Regelungen

345

12.1

Drehzahlregelung einer Gleichstrommaschine mit einer Kaskadenregelung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 12.1.1 Struktur der Regelstrecke Gleichstromantrieb . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 12.1.2 Auslegung des Stromregelkreises . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 12.1.3 Auslegung des Drehzahlregelkreises . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

345 345 347 350

12.2 12.2.1 12.2.2 12.2.3

354 354 356 359

Stabilisierung eines instabilen Pendels . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Dynamikgleichungen von Stellmotor und Getriebe . . . . . . . . . . . . . . . . Analyse des Regelkreises . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Auslegung des Regelkreises . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

III Rechnergestu ¨ tzter Reglerentwurf 13

Nummerische Grundlagen

361 363

13.1 Nullstellenberechnung von Polynomen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 364 13.1.1 Laguerre’s Methode . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 364 13.2 Simulation linearer Systeme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 366 13.2.1 Darstellung linearer Systeme im Zustandsraum . . . . . . . . . . . . . . . . . . 366 13.2.2 Simulation des zeitdiskreten Systems . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 371

XIV

Inhaltsverzeichnis 13.3 Simulation nichtlinearer Systeme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 376 13.3.1 Formulierung der Vektordifferentialgleichung... . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 376 13.3.2 Integration von Differentialgleichungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 378

14

Spezielle Reglerentwurfsverfahren und -werkzeuge 14.1

383

SISO Design Tool von MATLAB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 383

14.2 Reglerentwurf mittels nummerischer Optimierung . . . . . . . . . . . . . . . . 385 14.2.1 Optimierung vektorwertiger G¨ utekriterien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 385

A

B

14.3

Das Nonlinear Control Design Blockset von MATLAB . . . . . . . . . . . . 388

14.4 14.4.1 14.4.2 14.4.3

Regelsystem-Prototypenentwurf, Produktion und Test . . . . . . . . . . . . Entwicklungsprozess . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Rapid Control Prototyping (RCP) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Hardware-in-the-Loop-Simulation (HIL) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

Die Laplace-Transformation

390 390 391 393 395

A.1

Definition der Laplace-Transformation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 395

A.2 A.2.1 A.2.2 A.2.3 A.2.4 A.2.5 A.2.6 A.2.7

Rechenregeln der Laplace-Transformation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ¨ Uberlagerungss¨ atze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ¨ Ahnlichkeitssatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Verschiebungssatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Differentiation und Integration . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . D¨ ampfungssatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Faltungssatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Grenzwerts¨ atze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

A.3

Die inverse Laplace-Transformation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 401

A.4 A.4.1 A.4.2 A.4.3

Anwendungen der Laplace-Transformation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . L¨ osung von Differentialgleichungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ¨ Die Ubertragungsfunktion ....................................... Die Gewichtsfunktion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

Tabelle h¨ aufig vorkommender Regelkreisglieder

397 397 397 398 398 399 400 400

401 401 403 404 409

Literaturverzeichnis

415

Namens- und Sachverzeichnis

421

Glossar

427

Teil I

Lineare Regelung

1

Einfu¨ hrung in die Regelung und Steuerung

Regelungen findet man heute auf vielen technischen und nichttechnischen Gebieten, angefangen von Regelungen in Haushaltsger¨ aten (Temperaturregelung in B¨ ugeleisen, Heizkissen, . . . ) u ¨ ber die Regelung in Fahrzeugen (Motor-Kennfeldregelung, Geschwindigkeitsregelung, . . . ) bis hin zu Prozessregelungen in industriellen Großanlagen, automatisch gesteuerten Produktionsabl¨ aufen, Energier¨ uckgewinnungsanlagen, Positions- und Lageregelung von Flugzeugen und Satelliten. Auch die Konstanthaltung der menschlichen K¨ orpertemperatur oder die Beeinflussung des Wirtschaftswachstums durch politische Korrekturmaßnahmen sind Beispiele f¨ ur Regelungsvorg¨ange in nichttechnischen Bereichen.

1.1

Regelungen

Temperatur-Regelung. Es sollen zur Einf¨ uhrung zun¨achst einige technische Regelvorg¨ ange betrachtet werden, die das Grunds¨atzliche einer Regelung erkennen lassen. Als erstes Beispiel sei ein langsamer Regelvorgang, die Regelung der Raumtemperatur in einem Wohnhaus, betrachtet (siehe Abb. 1.1). In einem im Keller befindlichen Heiz¨ kessel wird z. B. mit einem Olbrenner eine Spezialheizfl¨ache aufgeheizt, die dann ihre W¨ armeenergie an das durchstr¨ omende Wasser abgibt. In einem motorgetriebenen Mischer wird vor- und r¨ ucklaufendes Wasser gemischt und u ¨ber eine Umlaufpumpe und Rohrleitungen dem Heizk¨ orper im Raum zugef¨ uhrt. Die W¨armeabgabe an den Wohnraum geschieht mittels Konvektion durch Heizk¨orper im Raum. Bei der einschleifigen Regelung wird nur die Innentemperatur ϑi des Raumes gemessen und mit einem eingestellten Sollwert verglichen. Aus diesem Vergleichssignal bildet der Regler sein Steuersignal, mit dem der Stellmotor des Mischers angetrieben wird. Die mittlere Temperatur des Heizkessels wird dabei u ¨ ber einen Vorwahlschalter fest von Hand“ eingestellt. Die zus¨ atzliche Verwendung von Thermostatventilen an jedem ” Heizk¨ orper ist außer Acht gelassen. Eine mehrschleifige Regelung enth¨ alt zus¨ atzlich eine Messung der Außentemperatur ϑa . Die Außentemperatur steuert den Sollwert der Kesseltemperatur, die nun ihrerseits geregelt wird (gestrichelt gezeichnet). Die Einstellung der Kesseltemperatur von Hand entf¨ allt. Es liegen zwei mehr oder weniger voneinander abh¨angige Regelkreisl¨aufe vor, die zu untersuchen sind.

4

1 Einf¨ uhrung in die Regelung und Steuerung

Dieses Beispiel enth¨ alt bereits alle Merkmale einer selbstt¨atigen Regelung, n¨amlich das fortlaufende Vergleichen des Istwerts der Regelgr¨oße mit dem Sollwert, wobei aus der Differenz der beiden ein Signal gebildet wird, das den Istwert stets in Richtung des Sollwerts f¨ uhrt. W¨ urde die obige Regelung von Hand erfolgen (Steuerung), so m¨ usste der Mensch an einem Thermometer die jeweilige Raumtemperatur ablesen und dann aufgrund des Messergebnisses entscheiden, in welche Richtung das Mischventil zu bet¨atigen ist. HH HH





  ϑa c

HH

HH

ϑi c

HH

   H

s

 R Sk B

s K

6 Mk Mi

?

B H K M Mi R S ϑi ϑa

Brenner Heizk¨orper Kessel Stellmotor Mischventil Regeleinrichtung Sollwerteinstellung Innentemperatur Außentemperatur

Abbildung 1.1: Aufbau einer Temperaturregelung F¨ ullstandsregelung. Das zweite Beispiel einer F¨ ullstandsregelung (siehe Abb. 1.2) kommt ohne externe Stellenergie f¨ ur den Regelvorgang aus und ist im Zeitverhalten Hebel   Zufluss   Ventil

  Schwimmer 

Z  Z Abfluss ? Abbildung 1.2: F¨ ullstandsregelung eines Beh¨alters schneller als die vorangehende Temperaturregelung. Ein u ¨ber dem Beh¨alter drehbar gelagerter Hebel wird infolge der Auftriebskraft eines Schwimmers nach oben bzw. unten

1.1 Regelungen

5

bewegt. Der Hebelarm wird so eingestellt, dass bei Erreichen der gew¨ unschten F¨ ullstandsh¨ ohe der Zufluss im Ventil geschlossen wird. Auch bei dieser F¨ ullstandsregelung sind alle Merkmale einer Regelung vorhanden: Istwert und Sollwert der Regelgr¨oße, Messung der gew¨ unschten F¨ ullstandsh¨ ohe, integrierte Regel- und Stelleinrichtung (Hebel). W¨ ahrend die Raumtemperaturregelung typische Reaktionszeiten von ca. 15 bis 30 Minuten aufweist, l¨ auft die F¨ ullstandsregelung in ein paar Minuten ab. Drehzahlregelung. Die nachfolgend betrachtete Drehzahlregelung eines Gleichstrommotors ist dagegen im Zeitraum von Sekunden abgeschlossen. Sie stellt somit eine schnelle Regelung dar. Das Erregerfeld des in Abb. 1.3 gezeigten fremderregten Gleichstrommotors wird u ¨ ber die Gleichrichterschaltung GR gespeist. Die mit einem Tachogenerator TG gemessene Drehzahl wird mit dem geforderten Sollwert der Drehzahl verglichen, und daraus wird im Regler das Stellsignal gebildet. Dieses Stellsignal wird im anschließenden Pulsgeber in einen Z¨ undimpuls f¨ ur die Thyristoren der nachfolgenden Gleichrichterschaltung, hier eine B6-Br¨ uckenschaltung, umgeformt. Die gegl¨attete Ausgangsspannung UA der Br¨ uckenschaltung ist dann die Ankerspannung des Gleichstrommotors. Die Drehzahl des Motors stellt sich proportional zur angelegten Ankerspannung ein. t

t @ @ GR @ @

t

t

GM GR S TG mW

 m W

GM  n TG

t



UA

 - 

?

Gleichstrommotor Gleichrichter Sollwert Tachogenerator Lastmoment Regler  

Sn

Abbildung 1.3: Drehzahlregelung eines Gleichstrommotors

Regelung des Thyroxingehalts. Als ein Beispiel f¨ ur biologische Regelvorg¨ange zeigt Abb. 1.4 die Regelung des stoffwechselregulierenden Thyroxingehaltes des Blutes. Der Thyroxingehalt des Blutes wird durch die Beta-Zellen des Hypophysen-Vorderlappens (Hirnanhangdr¨ use) erfasst. Diese Beta-Zellen sch¨ utten bei einem zu geringen Thyroxingehalt des Blutes das Hormon Thyreotropin aus. Dieses Hormon gelangt u ¨ber den Blutkreislauf zur Schilddr¨ use und regt wiederum die Schilddr¨ use zur Aussch¨ uttung des Thyroxins an. Die Beta-Zellen sind sozusagen Messf¨ uhler und Regler in einer Funktion. Das Regelsignal Thyreotropin wiederum regt das Stellglied“ Schilddr¨ use zur Abgabe ” des Stellsignals“ Thyroxin an. Der Blutkreislauf mit seinem Thyroxingehalt stellt die ” Regelstrecke dar.

6

1 Einf¨ uhrung in die Regelung und Steuerung

Großhirn Kleinhirn

j

Hypophyse

J ^ Thyreotropin J Blutkreislauf  Thyroxin

     use   Schilddr¨

Abbildung 1.4: Regelung des Thyroxingehalts im Blut des Menschen

¨ Okonomische Regelvorg¨ ange. Auch die Maßnahmen der Regierungen, Parlamente . . . zur Lenkung der Volkswirtschaft der Bundesrepublik Deutschland sind Teil eines Regelprozesses. Durch Steuers¨ atze, Subventionen, F¨ordermaßnahmen, Investitionen . . . wird die Lenkung der Volkswirtschaft durchgef¨ uhrt. Ziele sind dabei die Erhaltung der Geldwertstabilit¨ at, die Erreichung eines Wirtschaftswachstums, eine niedrige Arbeits¨ losenquote sowie ein Außenhandelsgleichgewicht. Durch Ministerien, Amter, Beh¨orden und Institute werden die aktuellen Zahlen der Inflationsrate, des Wirtschaftswachstums, der Arbeitslosenquote sowie des Außenhandels in regelm¨aßigen Abst¨anden ermittelt und entsprechende Gegenmaßnahmen eingeleitet. Dieses Eingreifen entspricht der Funktion eines Reglers. Die Volkswirtschaft als Regelstrecke reagiert nach einer gewissen Zeit auf die Maßnahmen (oder auch nicht) und erfordert dann weitere Eingriffe. Definitionen. Regelvorg¨ ange werden in die folgenden Klassen eingeteilt: • Die oben betrachteten technischen Regelungen sind in erster Linie so genannte Festwertregelungen. Bei einer solchen Regelung bleibt der Sollwert der Regelgr¨oße u angere Zeit konstant. ¨ ber l¨ • Im Gegensatz dazu spricht man von einer Folgeregelung, wenn die Regelgr¨oße einem (zeitlich) ver¨ anderlichen Sollwert folgen soll. Dieser zeitlich ver¨anderliche Sollwert wird durch einen Zeitplan oder ein Programm vorgegeben. Beispiele derartiger Folgeregelungen sind der Drehzahlhochlauf eines Motors entlang einer Rampe“, die Bahnverfolgung eines Satelliten durch eine Nachrichtenantenne ” oder ein Fr¨ asvorgang nach Vorlage eines skalierten Modells. • Bei einer Verh¨altnisregelung wird z. B. das Mischungsverh¨altnis zweier Medien auf einen Wert geregelt. Die Regelung des Benzin/Luftgemisches bei einem Kfz mit Katalysator ist ein typisches Beispiel.

1.2 Steuerungen

7

Alle bisherigen Beispiele beinhalten das Charakteristische eines Regelvorgangs, das in DIN 19226 definiert ist: Das Regeln,die Regelung, ist ein Vorgang, bei dem fortlaufend eine Gr¨oße, die Regelgr¨oße (die zu regelnde Gr¨oße) erfasst, mit einer anderen Gr¨oße, der F¨ uhrungsgr¨oße, verglichen und im Sinne einer Angleichung an die F¨ uhrungsgr¨oße beeinflusst wird. Kennzeichen f¨ ur das Regeln ist der geschlossenene Wirkungsablauf, bei dem die Regelgr¨oße im Wirkungskreis des (geschlossenen) Regelkreises fortlaufend sich selbst beeinflusst. L¨ asst man nichttechnische Regelvorg¨ ange außer Acht, so k¨onnen sich die technischen Regelungen unter Zuhilfenahme unterschiedlicher Medien abspielen: • Mechanische Regelungen sind im Allgemeinen robust, temperaturunanf¨allig und h¨ aufig ohne Hilfsenergie. Beispiele sind die Regelung des Benzinstands im Vergaser, die F¨ ullstandsregelung, . . . • Die hervorragende Eigenschaft pneumatischer Regelungen ist ihre Explosionssicherheit. Beispiele sind die vielen chemischen und verfahrenstechnischen Regelungen in der Industrie. ¨ • Hydraulische Regelungen eignen sich besonders gut zur schnellen Ubertragung und Aus¨ ubung großer Kr¨ afte und Momente. Beispiele sind die Klappenverstellung bei Flugzeugen, die Regelung von Bau- und Werkzeugmaschinen, . . . • Elektrische Regelungen zeichnen sich durch die problemlose Signal¨ ubertragung, ihre Schnelligkeit und gute Miniaturisierbarkeit aus. Beispiele sind die Drehzahlregelung von Antrieben und alle Arten der Regelung unter Verwendung von Analog- und Digitalrechnern (Mikroprozessoren).

1.2

Steuerungen

Definition. Das Wesen der Steuerung im Unterschied zur Regelung wird in der englischen Sprache pr¨ azise erfasst durch das Wort open loop control“ im Unterschied zu ” closed loop control“ als Kennzeichnung f¨ ur die Regelung. Es muss also der geschlosse” ne Wirkungskreislauf fehlen, damit man von einer Steuerung sprechen kann. Betrachtet man unter diesem Aspekt die drei technischen Beispiele von Abschnitt 1.1, so sind f¨ ur die Umwandlung dieser Anlagen in eine Steuerung die folgenden Maßnahmen erforderlich: 1. Bei der Raumheizung kann jegliche R¨ uckf¨ uhrung der Temperatursensoren entfallen, sowohl f¨ ur die Innen- als auch f¨ ur die Außentemperatur. Ebenso sind Stellmotor und Regler u ussig, da von Hand der Mischer auf eine Marke eingestellt ¨ berfl¨ wird. Findet man die richtige Stellung, so arbeitet die Raumheizung einwandfrei,

8

1 Einf¨ uhrung in die Regelung und Steuerung solange Fenster und T¨ ur nicht ge¨ offnet werden. Beim Auftreten einer derartigen St¨orung sinkt die Raumtemperatur, denn es findet ja keine fortlaufende R¨ uck” meldung und kein Vergleich mit einem Sollwert“ statt. 2. Nach Fortfall des Schwimmers (Sensor) und/oder des Hebelarms bei der F¨ ullstandsregelung ist kein sinnvoller Betrieb mehr m¨oglich. Die einmal am Ventil ¨ eingestellte Zuflussmenge wird permanent zufliessen und den Beh¨alter zum Uberlaufen bringen. 3. Bei der Drehzahlregelung entf¨ allt mit dem Tachogenerator (Sensor) auch die R¨ uck¨ meldung. Der Regler wird u ussig. Uber den Impulsgeber f¨ ur den Gleich¨ berfl¨ richter kann man einen geeigneten Steuerwinkel α so einstellen, dass der Mo¨ tor mit der gew¨ unschten Drehzahl l¨auft. Andert sich jedoch das Belastungsmoment (St¨ orung), so bleibt wie bei der Raumheizung die Regelgr¨oße nicht auf dem gew¨ unschten Wert.

Durch den Wegfall des geschlossenen Wirkungskreislaufes kann die Anlage bei Auftreten von Last¨ anderungen (St¨ orungen) den Sollwert bei einer Steuerung nicht mehr halten. Das Charakteristische einer Steuerung ist somit: Das Steuern, die Steuerung ist der Vorgang in einem System, bei dem ein oder mehrere Gr¨oßen als Eingangsgr¨oßen andere Gr¨oßen als Ausgangsgr¨oßen aufgrund der dem System eigent¨ umlichen Gesetzm¨aßigkeiten beeinflussen. Kennzeichen f¨ ur das Steuern ist der offene Wirkungsablauf, bei dem die durch die Eingangsgr¨oßen beeinflussten Ausgangsgr¨oßen nicht wieder ¨ uber dieselben Eingangsgr¨oßen auf sich selbst wirken.

1.3

Signalflussplan (Blockschaltbild)

Regelung. Betrachtet man noch einmal die Abb. 1.1 und 1.3, so erkennt man in ihrer Funktion abgegrenzte Bauelemente oder Baugruppen. Bei der Raumheizung sind dies die Baugruppen(Einheiten): (1) Sollwertgeber (4) Mischer (7) Temperaturf¨ uhler

(2) Regler (3) Stellmotor (5) Heizk¨orper (6) Wohnraum sowie Leitungen, Rohre . . .

Bei der Drehzahlregelung sind die folgenden Baugruppen erkennbar: Motor Pulsgeber

Tachogenerator Gleichrichter

Regler ...

Sollwertgeber

Diese Baugruppen besitzen unterschiedliche physikalische Eing¨ange und Ausg¨ange und sind u ¨ber elektrische Leitungen, Rohrleitungen, Luftstr¨omungen (Wohnraum) . . . miteinander verbunden.

1.3 Signalflussplan (Blockschaltbild)

9

In der Regelungstechnik werden diese Baugruppen durch rechteckige Bl¨ocke dargestellt, die durch Verbindungslinien (Wirkungsrichtungen) miteinander verbunden sind. Die Darstellung einer Anlage durch derartige Bl¨ocke bezeichnet man als Blockschaltbild oder Signalflussplan.

1

ϑiS - i− 6

2

uS -

3

α ϑiM

4

7

QW -

QF QL ? − - i-

5

ϑi 6

-



Abbildung 1.5: Blockschaltbild der Temperaturregelung mit den oben aufgef¨ uhrten Baugruppen; Bezeichnungen: ϑis - Solltemperatur, us - Steuerspannung, α - Winkel Mischventil, QW - W¨armemenge (Zulauf ), QL - W¨armemenge des Raumes, QF W¨armeverlust (Fenster), ϑi - Raumtemperatur, ϑiM - Messwert der Raumtemperatur Die Bl¨ ocke sind mit den Nummern der obigen Auflistung bezeichnet. Jeder Block weist unterschiedliche physikalische Eingangsgr¨ oßen und Ausgangsgr¨oßen auf. Das Charakteristische einer Regelung, der geschlossene Wirkungsablauf, kommt durch die Kreisstruktur von Abb. 1.5 gut zur Geltung. Steuerung. W¨ urde man auf jegliche R¨ uckf¨ uhrung der Raumheizung verzichten, so w¨ urde die Temperatureinstellung direkt am Mischer erfolgen. Dann erg¨abe sich gem¨aß Abb. 1.6 eine Steuerung der Raumtemperatur. Kennzeichnend f¨ ur die Steuerung ist der offene Wirkungsablauf. QF α

-

4

QW -

QL 5

− ? - j-

ϑi 6

-

Abbildung 1.6: Blockschaltbild der Steuerung der Raumtemperatur

Deutlich erkennbar ist in beiden Blockschaltbildern 1.5 und 1.6 der Einfluss der St¨orgr¨oße ¨ QF , die dem Offnen des Fensters entspricht. Die W¨armemenge QF entweicht durch das Fenster (Minusvorzeichen). W¨ ahrend die Regelung durch den geschlossenen Wirkungsablauf den Einfluss der St¨ orgr¨ oße erfassen kann, unterbleibt dies bei der Steuerung. Regelkreis. Wie die vorangehenden Betrachtungen der Regelung und der Steuerung zeigen, k¨ onnen die physikalischen Gr¨ oßen (Signale) auf unterschiedliche Art und Weise aufeinander einwirken. Es treten z. B. Additions- bzw. Mischstellen und Verzweigungsstellen dieser Signale auf, deren Wirkung Abb. 1.7 verdeutlicht.

10

1 Einf¨ uhrung in die Regelung und Steuerung Additions-, Subtraktionsstelle: x2 ? x3 x1- j -

x2 − x1- ? 3 j x-

x3 = x1 + x2

x3 = x1 − x2

Verzweigungsstellen: x2 6

x2 6

x1 - u x3

x1 - u x3

x1 = x2 = x3

x1 = x2 = x3 = x4

x4 ?

Abbildung 1.7: Signalleitungsverbindungen Entscheidend f¨ ur die Wirkung einer Regelung ist die Vorzeichenumkehr im Regelkreis, die in Abb. 1.5 an der Subtraktionsstelle Sollwert ϑiS minus Istwert ϑiM “ auftritt. ” Bei einer positiven Regelabweichung (ϑiM > ϑiS ) wirkt die Stellgr¨oße α so auf die Regelstrecke ein, dass die Regelgr¨ oße wieder auf ihren Sollwert (ϑi = ϑiS ) zur¨ uckgeht. Umgekehrt gilt das auch bei einer negativen Regelabweichung. Ausgehend von der Darstellung eines Regelkreises in der Form von Abb. 1.5 ist man in der Regelungstechnik zu einer genormten Darstellung u ¨ bergegangen. Die Normierung kommt sowohl durch Kennzeichnung der Bl¨ocke als auch durch die Bezeichnung der Signale zum Ausdruck. Die nachfolgende Abb. 1.8 zeigt eine allgemeine Regelkreisstruktur mit den normierten Bezeichungen. w

- i- R − 6

Regler y1 - St1

y2 - St2 xM

y

Regelstrecke z x1 − ? - S1 - i- S2

M 

Abbildung 1.8: Allgemeine Regelkreisstruktur Es gelten die folgenden Definitionen. R Regler St2 Stellglied 2 (Mischer) S2 Teilstrecke 2 (Wohnraum) x Regelgr¨ oße z St¨ orgr¨ oße xM Messwert (Regelgr¨ oße) xw = x − w Regelabweichung yi Hilfsgr¨ oßen

St1 Stellglied 1 (Motor) S1 Teilstrecke 1 (Heizk¨orper) M Temperaturf¨ uhler y Stellgr¨oße w F¨ uhrungsgr¨oße (Sollwert) xi Hilfsgr¨oße xd = w − x Regeldifferenz

x

-

1.3 Signalflussplan (Blockschaltbild)

11

Wie in Abb. 1.8 gestrichelt dargestellt, bezeichnet man oftmals Regler und Stellglied zusammen als Regler. F¨ ur Regler, Vergleicher und Messf¨ uhler wird auch der Begriff Regeleinrichtung gebraucht. Die Teilstrecken 1 und 2 ergeben die gesamte Regelstrecke (S). Mit diesen Zusammenfassungen ergibt sich damit die folgende Struktur eines einschleifigen Regelkreises (Abb. 1.9a): a) w- h R − 6

zL zV ? − y ? x- h- S

b) w- hxdR − 6

zV zL ? − y ? x- h- S

M

Abbildung 1.9: Standardformen des Regelkreises Es gelten dabei die Bezeichnungen R – Regler, S – Regelstrecke und M – Messelement. Ist das Messelement (Sensor) hinreichend“ schnell und hinreichend“ genau, ” ” dann kann man auf seine Ber¨ ucksichtigung verzichten und eine Einheitsr¨ uckf¨ uhrung vorsehen (Abb. 1.9b). Neu eingef¨ uhrt wurde die Gr¨oße zV , auch als Versorgungsst¨orgr¨oße (z. B. ein Loch in der Leitung) bezeichnet. Die St¨orgr¨oße z (=Q  F ) (von Abb. 1.5) wird im Unterschied zu zV dann als Lastst¨orgr¨oße zL (z. B. Fenster AUF) bezeichnet. R¨ uckwirkungsfreiheit. Die einzelnen Einheiten (Regelkreisglieder) im Regelkreis werden als r¨ uckwirkungsfrei angenommen. R¨ uckwirkungsfreiheit bedeutet, dass die Ausgangsgr¨ oße eines Regelkreisgliedes nicht auf die Eingangsgr¨oße zur¨ uckwirkt. Z.B. wirkt die Temperatur des Raumes nicht zur¨ uck auf die Temperatur des Heizk¨orpers oder die Winkelstellung des Mischers nicht auf die Steuerspannung des Motors. Linearit¨ at. Außerdem sind die Regelkreisglieder als linear angenommen. Unter Linearit¨at versteht man, dass alle Beschreibungen eines Regelkreisgliedes linear sind, d. h. es liegen lineare Kennlinien, lineare Gleichungen, lineare Differentialgleichungen . . . vor. Diese Systemeigenschaft ist h¨ aufig nicht gegeben, da oft Nichtlinearit¨aten auftreten. Z. B. besteht bei jeder Ventilkennlinie ein nichtlinearer Zusammenhang zwischen der Winkelstellung α und dem Str¨ omungsvolumen Q. Ebenso ist das Isolationsverhalten eines Raumes bei 0◦ C anders als bei 20◦ C. Hier kommt einem die Tatsache entgegen, dass die meisten (durchaus nichtlinearen) Regelanlagen an einem Arbeitspunkt (Betriebspunkt) betrieben werden. Bei der Raumheizung liegt dieser Arbeitspunkt z. B. bei ca. 20◦ C. Das W¨ armeverhalten des Raumes in der Umgebung von 20◦ C ist aber nun weitgehend zu der Temperatur¨ anderung direkt proportional, ebenso wie das Str¨omungsvolumen am Mischventil in der N¨ ahe der Winkelstellung α, die f¨ ur 20◦ C Raumtemperatur erforderlich ist, zu der Winkel¨ anderung ∆α direkt proportional ist. Damit kann man davon ausgehen, dass alle Regelparameter in der N¨ahe des Arbeitspunktes linear voneinander abh¨ angen; der Regelkreis ist in der N¨ahe des Arbeitspunktes linear. Der Arbeitspunkt selber wird z. B. durch eine getrennte Steuerung (Stellsignal y0 ; oft direkt am Regler vorgebbar) eingestellt, wie Abb. 1.10 zeigt.

12

1 Einf¨ uhrung in die Regelung und Steuerung y0

-

zV x w - i d− 6

R

− y ? - i -

x0

S zL ? S

+ x ? - i -

Abbildung 1.10: Linearisierter Regelkreis mit Einstellung des Arbeitspunktes; x Regelgr¨oße (Temperatur¨anderung am Arbeitspunkt), x0 Arbeitspunkt

Die Untersuchung des Regelkreises wird nur f¨ ur den linearisierten Teil durchgef¨ uhrt, die Arbeitspunkteinstellung ist davon unabh¨angig. Bei der Raumtemperaturregelung erfolgt die Einstellung des Arbeitspunktes des nichtlinearen Mischventils beispielsweise durch Einstellung der Kesseltemperatur auf 60◦ C oder 70◦ C. Die Linearisierung eines nichtlinearen Regelkreisgliedes erfolgt mathematisch durch Bildung der Ableitung am Arbeitspunkt (Betriebspunkt). Dies zeigt die folgende Abb. am Beispiel der nichtlinearen Ventilkennlinie. 6 Q = xa

Kennlinie Linearisierung

B t

Q0 

aα0

α = xe

-

Abbildung 1.11: Linearisierung einer Ventilkennlinie; B - Arbeitspunkt, a - linearer Arbeitsbereich, α0 - Arbeitspunkt des Ventils (Winkelstellung)

Mit dem Winkel α = xe als Eingangsgr¨ oße und dem W¨armestrom  Q = xa als Ausgangs∂Q  gr¨ oße des betrachteten Mischventils wird Q = f (α) ≈ Q0 +  · ∆α . Der Wert α0 ∂α  α0 legt den Arbeitspunkt fest (station¨ares Verhalten, oberer Bildteil von Abb. 1.10) und die Linearisierung am Arbeitspunkt B wird durch die partielle Ableitung und den linearen Regelkreis beschrieben (dynamisches Verhalten, unterer Bildteil von Abb. 1.10). Anstelle von ∆α verwendet man im Regelkreis jedoch zur Vereinfachung der Schreibweise nur α. (Bei der Raumtemperaturregelung m¨ usste z. B. die Kesseltemperatur so eingestellt werden, dass der Arbeitspunkt des Ventils in B liegt.) Die ausf¨ uhrliche Linearisierung einer nichtlinearen Regelstrecke wird in Abschnitt 3.5 behandelt. R¨ uckwirkungsfreiheit und Linearit¨ at sind wichtige Eigenschaften bei der Untersuchung von Regelkreisen und sie werden f¨ ur die weiteren Untersuchungen als gegeben vorausgesetzt.

2

Mathematische Behandlung von Regelkreisgliedern

Regelkreisglieder sind alle Einheiten und Baugruppen in einem Regelkreis. Das Ziel der mathematischen Behandlung von Regelkreisgliedern besteht darin, das Ein-/Ausgangsverhalten dieser Einheiten und Baugruppen mathematisch in allgemeing¨ ultiger Form zu erfassen.

2.1

Die Beschreibung von Regelkreisgliedern durch Differentialgleichungen

2.1.1

Die lineare Differentialgleichung

Definition. Um das Verhalten von Regelkreisgliedern beschreiben zu k¨onnen, ben¨otigt man eine Gleichung, in der die Abh¨ angigkeit der Ausgangsgr¨oße xa von der Eingangsgr¨oße xe dargestellt ist. Solche Gleichungen lassen sich f¨ ur die einzelnen Glieder technischer Systeme aus den physikalischen Grundgleichungen entwickeln. Dazu dienen bei mechanischen Systemen z. B. das Newtonsche Gesetz oder das Hookesche Gesetz, bei elektrischen Systemen z. B. das Ohmsche Gesetz oder die Kirchhoffschen S¨atze. Bei thermischen oder anderen Systemen existieren ¨ahnliche Grundgesetze. In diesen so angewendeten Gleichungen spielen nicht nur die Augenblickswerte (Momentanwerte) xa (t) und xe (t) eine Rolle, sondern auch deren zeitliche Ableitungen wie Geschwindigkeiten x˙ a (t) und x˙ e (t), Beschleunigungen x ¨a (t) und x ¨e (t) usw. Auf diese Weise erh¨alt man eine Differentialgleichung, die den Zusammenhang zwischen der Ausgangsgr¨oße xa (t) und der Eingangsgr¨ oße xe (t) zu jedem Zeitpunkt beschreibt. In allgemeiner Form lautet eine derartige lineare Differentialgleichung mit konstanten Koeffizienten wie folgt: ... . . . a3 · x a (t) + a2 · x ¨a (t) + a1 · x˙ a (t) + a0 · xa (t) = b0 · xe (t) + b1 · x˙ e (t) + b2 · x¨e (t) + . . .

(2.1)

Die willk¨ urlich verwendeten Variablen xa und xe k¨onnen beliebige physikalische Gr¨oßen sein, wie z. B. Kraft, Weg, Spannung, Strom, Druck, Temperatur usw. Die Parameter a0 , a1 , a2 . . . b0 , b1 . . . sind konstante Beiwerte (Koeffizienten), in denen sich die Kenngr¨oßen des untersuchten Regelkreisgliedes niederschlagen.

14

2 Mathematische Behandlung von Regelkreisgliedern

2.1.2

Aufstellen der Differentialgleichung

Vorgehensweise. Bei der Aufstellung der Differentialgleichungen technischer Systeme geht man meist von physikalischen Grundgesetzen aus. Durch Verkn¨ upfung der Grundgesetze wird die Differentialgleichung zur Beschreibung des Ein-/Ausgangsverhaltens des Systems entwickelt. Dies soll an mehreren Beispielen gezeigt werden. Elektrisches System. Als erstes werde ein einfaches RL-Netzwerk untersucht, das z. B. der Erregerwicklung eines Gleichstrommotors entspricht. Beispiel 2.1 (RL-Netzwerk): uR e

ia -

R

ue

L ? e

uL ?

Abbildung 2.1: Elektrisches Schaltbild

Mit den Grundgesetzen uL uR ue

= = =

L · dia dt R · ia uR + uL

Spulengleichung Ohmsches Gesetz 2. Kirchhoffsches Gesetz

l¨ asst sich durch Einsetzen eine Differentialgleichung ableiten, die den Zusammenhang zwischen der angelegten Spannung ue (Eingangsspannung) und dem sich einstellenden Strom ia (Ausgangsgr¨ oße) wiedergibt: L dia (t) 1 · + ia (t) = · ue (t) . R dt R

(2.2)

In dieser Differentialgleichung erster Ordnung ist die Eingangsgr¨oße xe = ue , die Ausgangsgr¨ oße xa = ia , und die Koeffizienten der Differentialgleichung lauten a1 = L/R, a0 = 1 und b0 = 1/R.  Mechanisches System. Im zweiten Beispiel wird ein Feder-Masse-Schwinger untersucht. Eingangsgr¨ oße bei diesem schwingungsf¨ahigen Gebilde ist der Druck pe der u ¨ber die Kolbenfl¨ ache A eines Zylinders eine Kraft FM auf die Masse M aus¨ ubt. Die Masse wird dann um die Wegstrecke xa ausgelenkt. Die dieser Auslenkung entgegenwirkenden Kr¨ afte sind zum einen die Federkraft Fc , die der Auslenkung xa proportional ist (Federkonstante c) sowie zum anderen die geschwindigkeitsproportionale D¨ampferkraft Fd (D¨ ampfungsbeiwert d). Ausgangsgr¨ oße der Anordnung ist die Auslenkung xa .

2.1 Die Beschreibung durch Differentialgleichungen Beispiel 2.2 (Feder-Masse-Schwinger) # pe -

15

d

M "!

A

c

Abbildung 2.2: Technologieschema

?xa -

Die Differentialgleichung f¨ ur einen derartigen Feder-Masse-Schwinger wird mittels Frei” schneiden“ der Einzelelemente und Aufstellen der Grundgleichungen ermittelt. # FM  -

pe -

M A



Fd

-



Fc

-

"!

d

c

?xa Abbildung 2.3: Freigeschnittener Feder-Masse-Schwinger Mit den Grundgleichungen FM Fc Fd M ·x ¨a

= = = =

A · pe c · xa d · x˙ a FM − Fc − Fd

Druckkraft-Gleichung Federkraft-Gleichung D¨ ampfer-Kraft-Gleichung Impulssatz, Newtonsches Gesetz

erh¨ alt man durch Einsetzen die folgende Differentialgleichung 2. Ordnung f¨ ur dieses mechanische System: M ·x ¨a + d · x˙ a + c · xa = A · pe .

(2.3)

Eingangsgr¨ oße ist der Druck pe und Ausgangsgr¨oße der Weg xa der Masse M . Koeffizienten dieser Differentialgleichung sind die Masse M , die Federkraft c, der D¨ampfungsbeiwert d und die Kolbenfl¨ ache A des Zylinders.  Gleichstrommotor. Als drittes einf¨ uhrendes Beispiel wird die Aufstellung der Bewegungsgleichungen eines Gleichstrommotors mit Permanentmagnetfeld untersucht. Beispiel 2.3 (Gleichstrommotor): Im elektro-mechanischen Ersatzschaltbild des Ankerstromkreises sind Ankerkreiswiderstand bzw. -induktivit¨at mit RA bzw. LA bezeichnet.

16

2 Mathematische Behandlung von Regelkreisgliedern

Die Pole des Permanentmagneten sind Nordpol N und S¨ udpol S. In den Ankerwicklungen wird infolge des Induktionsgesetzes die mit eA bezeichnete Spannung induziert. Die Gr¨ oßen mA und mW bilden Antriebs- und Widerstandsmoment des Antriebs. Tr¨agheitsmoment J, Drehzahl n, magnetischer Fluss Ψf , Stromst¨arke iA sowie die Motorkonstante c sind die weiteren Bezeichnungen. e

uA

iA -

RA

LA

 mA , n   mW   e'$ A     S

N

J

? e

&% ?

Abbildung 2.4: Gleichstrommotor mit Permanenterregung Die Grundgleichungen f¨ ur die Beschreibung des Gleichstrommotors lauten: RA iA + LA diA + eA Maschengleichung dt 2π cΨf · n Induktionsgesetz cΨf · iA Momentengleichung dn Impulssatz (Bewegungsgl.). 2πJ · dt Zun¨ achst ersetzt man eA in der Maschengleichung gem¨aß dem Induktionsgesetz. Dann wird im Impulssatz mA durch die Momentengleichung ersetzt. Die dann resultierende Gleichung wird nach iA (t) aufgel¨ ost und in die Maschengleichung eingesetzt. Mit dieser Vorgehensweise erh¨ alt man als resultierende Differentialgleichung f¨ ur die Beschreibung des dynamischen Verhaltens eines Gleichstrommotors uA eA mA mA − m W

= = = =

2πJLA 2πJRA RA LA ·n ¨+ · n˙ + 2πcΨf · n = uA − · mW − ·m ˙W . cΨf cΨf cΨf cΨf

(2.4)

Ausgangsgr¨ oße des Motors ist die Drehzahl1 n. Der Motor besitzt zwei Eingangsgr¨oßen, zum einen die Ankerspannung uA und zum anderen das Lastmoment mW . Die Ankerspannung uA ist die Stellgr¨ oße des Motors und das Lastmoment mW ist die St¨orgr¨oße. Die Differentialgleichung ist von der Ordnung 2. Nun ist jedoch eine der Eingangsgr¨oßen (mW ), auf der rechten Seite der Differentialgleichung, abgeleitet. Betrachtet man den station¨ aren Anteil von Gleichung 2.4 (Nullsetzen aller Ableitungen), so erkennt man, dass die Drehzahl n der Ankerspannung uA direkt proportional ist. Aufgrund des negativen Vorzeichens f¨ uhrt ein Lastmoment mW zu einem Drehzahlabfall.  1

gemessen in U/s, auch bezeichnet als Umlauffrequenz.

2.1 Die Beschreibung durch Differentialgleichungen

17

Aufgabe 2.1: Stellen Sie die Differentialgleichung f¨ ur das folgende RLC-Netzwerk, mit ue als Eingangsspannung und ua als Ausgangsspannung auf. d

d L

ue

C R

? d

ua Abbildung 2.5: Ersatzschaltbild

? d

L¨ osung: LC·

d2 ua L dua +ua = ue . + · dt2 R dt



Aufgabe 2.2: Stellen Sie die Differentialgleichung f¨ ur das folgende RLC-Netzwerk, mit ue als Eingangsspannung und ia als Ausgangsstrom auf. L

e

R C

ue

ia ?

? e

Abbildung schaltbild

2.6:

Ersatz-

L¨ osung: LRC ·

d2 i a dia 2 + L · dt + R ia (t) = ue (t) . dt



Aufgabe 2.3: Gegeben ist das technologische Ersatzschaltbild (Abb. 2.7) einer pneumatisch angesteuerten D¨ ampfereinrichtung zweier Massen: c2 c1

pe -

M1 A

x1

M2 xa

d2

-

Abbildung 2.7: Technologieschema des Systems Eingangsgr¨ oße ist der Druck pe (t) und Ausgangsgr¨oße ist der Weg xa (t) der Masse M2 . Die Systemparameter sind:

18

2 Mathematische Behandlung von Regelkreisgliedern – Federsteifigkeiten c1 , c2 , – D¨ ampfungskonstante d2 , – Fl¨ ache der Druckeinheit A. 1. Zeichnen Sie zun¨ achst das freigeschnittene Feder-Masse-D¨ampfer-System mit allen Schnittkr¨ aften. 2. Stellen Sie nun die Grundgleichungen des Systems auf. 3. Formen Sie aus den Grundgleichungen anschließend die Differentialgleichung des Gesamtsystems.

L¨ osung: Die resultierende Differentialgleichung lautet:   M1 M2 IV c2 M1 d2 III x¨a (t)+ xa (t) + xa (t) + M1 + M2 + M1 c1 c1 c1 +d2 x˙ a (t)+c2 xa (t) = A pe .

2.1.3



Lo¨sung der Differentialgleichung durch einen geeigneten Ansatz

eλt -Ansatz. Nach dem Aufstellen einer Differentialgleichung ist deren L¨osung zu bestimmen. Obwohl in der Regelungstechnik die L¨osung meist mit Hilfe der LaplaceTransformation (siehe Anhang A) berechnet wird, soll hier zun¨achst der mathemati” sche Standardansatz“, der eλt -Ansatz, verwendet werden. Dadurch wird, besonders am Anfang derartiger Untersuchungen, der Einblick in die Grundstrukturen von Differentialgleichungen gef¨ ordert. Dieser Einblick kann bei der schematischen Anwendung der Laplace-Transformation leicht verloren gehen. Außerdem lassen sich auf diese Weise leicht die Grundforderungen der Stabilit¨at ableiten. In sp¨ateren Kapiteln wird dann jedoch meist die Laplace-Transformation angewendet. Die L¨ osung von linearen Differentialgleichungen mit konstanten Koeffizienten mit dem eλt -Ansatz erfolgt in drei Schritten. Im ersten Schritt wird die L¨osung der homogenen Differentialgleichung bestimmt. Die homogene Differentialgleichung erh¨alt man, wenn man die rechte Seite der Differentialgleichung gleich Null setzt. Dann wird f¨ ur die spezielle Anregungsfunktion eine spezielle (partikul¨are) L¨osung ermittelt. Zuletzt werden die Anfangsbedingungen eingearbeitet. Diese Vorgehensweise wird beispielhaft an einer Differentialgleichung 1. Ordnung erl¨ autert. Gegeben sei die Differentialgleichung 2.2 des schon zuvor untersuchten RL-Gliedes, welches die Erregerwicklung eines Gleichstrommotors darstellen soll: L dia (t) 1 · + ia (t) = · ue (t) . R dt R

(2.5)

2.1 Die Beschreibung durch Differentialgleichungen

19

L¨ osung der homogenen Differentialgleichung. Die homogene Differentialgleichung erh¨ alt man durch Nullsetzen der rechten Seite der Differentialgleichung zu: L dia (t) · + ia (t) = 0 . R dt

(2.6)

alt man eingesetzt: Mit dem eλt -Ansatz, d. h. mit iah = eλt erh¨ L · λ · eλt + eλt = 0 R L ⇒ eλt · ( · λ + 1) = 0 . R Die Differentialgleichung 2.6 wird f¨ ur alle Zeiten durch die L¨osung iah (t) erf¨ ullt, wenn der Wert λ eine Wurzel (Nullstelle) der so genannten charakteristischen Gleichung L λ+1=0 R

(2.7)

der Differentialgleichung ist. Die Wurzel der charakteristischen Gleichung lautet in diesem Fall λ1 = −R/L = −1/T1

(2.8) 2

mit T1 = L/R als Zeitkonstante ([T1 ] = Sekunde (s)) des Netzwerks . Somit lautet die L¨ osung der homogenen Differentialgleichung iah = c1 · e−t/T1 ,

(2.9)

mit c1 als Konstante, die durch die Anfangsbedingungen festgelegt wird. Bestimmung der partikul¨ aren L¨ osung. Nun wird f¨ ur die inhomogene Differentialgleichung, 1 L dia (t) · + ia = · ue , R dt R

(2.10)

die partikul¨ are L¨ osung durch einen Ansatz vom Typ der St¨orfunktion“ ermittelt. Es ” sei angenommen, dass auf das RL-Netzwerk zum Zeitpunkt Null die Gleichspannung ˆe aufgeschaltet wird. Dann lautet der Ansatz f¨ ue (t) = U ur die partikul¨are L¨osung der ˆe . Eingesetzt folgt Differentialgleichung iap = k · U L diap (t) 1 · + iap = · ue R dt R L ˆe = 1 · U ˆe ·0+k·U R R 1 . ⇒k = R 2

Auf die Angabe der Einheit der Zeitkonstanten wird nachfolgend in der Regel verzichtet.

20

2 Mathematische Behandlung von Regelkreisgliedern

ˆe Die partikul¨are L¨ osung lautet damit iap = U R . Ist die Anregungsfunktion anstelle einer konstanten Spannung z. B. eine sinusf¨ormige ˆe · sin ωt, dann w¨ ahlt man f¨ ur die Bestimmung der partikul¨aren Spannung ue (t) = U L¨ osung als Ansatz vom Typ der St¨ orfunktion uap (t) = k0 · sin ωt + k1 · cos ωt. Fehlt auf der linken Seite der Differentialgleichung die Gr¨oße xa und treten nur deren Ableitungen auf, so ist bei einer konstanten Anregung xe = K als Ansatzfunktion zu w¨ ahlen xap = k1 · t · K. Einarbeitung der Anfangsbedingungen. In die bisherige L¨osung ia = iah + iap = e /R wird nun die Anfangsbedingung3 ia (0+ ) = Ia0 eingearbeitet und man c1 e−t/T1 + U erh¨ alt: ia (0+ ) = c1 · e0 +

ˆe U = Iˆa0 R

ˆe U → c1 = Iˆa0 − . R

(2.11)

Damit lautet dann die vollst¨ andige L¨ osung der Differentialgleichung  ˆe  U · 1 − e−t/T1 . ia (t) = iah + iap = Iˆa0 · e−t/T1 + R

(2.12)

Aufgabe 2.4: Bestimmen Sie die vollst¨ andige L¨osung der Differentialgleichung des RLˆe · sin ωt f¨ Gliedes mit der Anregung ue (t) = U ur t > 0 und der Anfangsbedingung ia (0) = 0. (u(t) in V und ia (t) in A) L¨ osung: ia (t) =

  −t/T

ˆe U 1 − cos ωt . 2 · R · sin ωt + (ωL) · e R + (ωL) 2



Aufgabe 2.5: Bestimmen Sie die vollst¨ andige L¨osung der Differentialgleichung des FederMasse-Schwingers von Gleichung 2.3 mit den Zahlenwerten x¨a + 4 · x˙ a + 20 · xa = 2 pe

(2.13)

und den Anfangsbedingungen xa (0) = 0 und x˙ a (0) = 0 f¨ ur die Anregungsfunktion pe (t) = 2 f¨ ur t > 0. Die Einheiten von xa und pe sind cm bzw. N/cm2 . L¨ osung: xa (t) = 0,2 − e−2t · (0,2 · cos 4t + 0,1 · sin 4t) .



3 Mit x(0+ ) ist der rechtsseitige Grenzwert der Funktion x(t) zum Zeitpunkt t = 0 bezeichnet. Es gilt x(0+ ) = lim→0 x(0+). Der linksseitige Grenzwert einer Funktion ist entsprechend bezeichnet mit x(0− ) = lim→0 x(0 − ). Ist x(0+ ) = x(0− ) dann ist die Funktion nicht stetig zum Zeitpunkt t = 0. Ist der Index “+“ oder “–“ nicht explizit angegeben, dann gilt x(0+ ) = x(0− ) = x(0).

2.1 Die Beschreibung durch Differentialgleichungen

21

Aufgabe 2.6: Bestimmen Sie die vollst¨ andige L¨osung der Differentialgleichung 2.4 des Gleichstrommotors 2·n ¨ + 10 · n˙ + 12 · n = uA

(2.14)

ur mit den Anfangswerten n(0) = 0 und n(0) ˙ = 0 f¨ ur eine Ankerspannung UA = 240 V f¨ t > 0 (n(t) in U/s und uA (t) in V).

  L¨ osung: n(t) = 20 · 1 + 2e−3t − 3e−2t .

2.1.4

Spezielle Eingangssignale in der Regelungstechnik

Erl¨ auterung. Regelkreisglieder werden in der Regelungstechnik nach ihrem dynamischen Verhalten beurteilt. Dabei spielt weniger das Schwingungsverhalten, ausgehend von einem bestimmten Anfangszustand eine Rolle, als vielmehr die Antwort des Regelkreisgliedes auf ein bestimmtes Eingangssignal (Anregungssignal). Bei der Analyse des Zeitverhaltens werden dabei nicht beliebige Eingangssignale herangezogen, sondern man beschr¨ ankt sich auf einige Grundtypen von Signalen. Diese Signale werden dann auch f¨ ur die Bestimmung der partikul¨ aren L¨osung der inhomogenen Differentialgleichung verwendet. Sprungfunktion. Das am h¨ aufigsten verwendete Eingangssignal ist die mit σ(t) bezeichnete Sprungfunktion (Abb. 2.8). Sie entspricht einer großen Zahl von in der Praxis vorkommenden Schaltvorg¨ angen: • In einem elektrischen Netzwerk wird ein Schalter geschlossen und dadurch eine Spannung angelegt. • Ein Lastmoment wird an einen Motor angekuppelt. • Der Brenner einer Heizung wird eingeschaltet. • Der Sollwert eines Regelkreises wird aufgeschaltet. xe (t) 6 1

a)

xe (t) 6 x e t -

b)

t -

Abbildung 2.8: Einheitssprungfunktion (Abb. a) und allgemeine Sprungfunktion (Abb. b) Die Einheitssprungfunktion wird beschrieben durch die Gleichung xe = 0 f¨ ur t 1 tritt kein Uberschwingen auf und es zeigt sich dann der von der Reihenschaltung von Verz¨ ogerungsstrecken 1. Ordnung her bekannte Verlauf.

3.1 Proportionale Regelstrecken

61

¨ Abbildung 3.15: Ubergangsfunktionen eines PT2 -Systems mit verschiedenen D¨ampfungen D = 0, 0,1, 0,2, . . . 1, 2, 4 und KS = 1 , Verlauf mit D = 0,7 fett“ hervor” gehoben Die Ortskurve einer schwingungsf¨ ahigen Regelstrecke 2. Ordnung wird aus Gleichung 3.30 ermittelt. Mit dem daraus berechneten Real- und Imagin¨arteil des Frequenzgangs KS · (1 − ω 2 T22 ) (1 − ω 2 T22 )2 + ω 2 T12 −KS · ωT1 Im{F (jω)} = (1 − ω 2 T22 )2 + ω 2 T12 Re{F (jω)} =

(3.48) (3.49)

erh¨ alt man nach dem Einsetzen von Zahlenwerten den in Abb. 3.16 gezeigten typischen Ortskurvenverlauf. Die Ortskurve ¨ ahnelt dem Verlauf der Ortskurve von Abb. 3.12. Bei D¨ampfungen im Bereich 0 < D < 1 kann beim schwingungsf¨ahigen PT2 -Glied der Betrag von F gr¨oßer als KS werden, es tritt also eine Amplituden¨ uberh¨ohung auf. Die Werte f¨ ur ω0 und a k¨ onnen aus den Gleichungen 3.48 und 3.49 berechnet werden. Aus Re{F (jω)} = 0 erh¨ alt man die Frequenz ω0 , die dann in Im{F (jω)} eingesetzt wird und a ergibt: ω0 =

1 T2

und

a = KS ·

T2 KS . = T1 2D

(3.50)

62

3 Regelstrecken 6Im(F )

Re(F ) -

KS ω=∞

ω0

J 6 J J aJ

ω=0

J |F | J J ? J ^ J

ω

Abbildung 3.16: PT2 -Gliedes

Ortskurve eines

Blocksymbol und Ortskurve. Auch hier wird die Sprungantwort zur Kennzeichung von PT2 -Gliedern im Blockschaltbild (Abb. 3.17) verwendet. KS Xe (s)

T1 , T2

-

Xa (s) -

Abbildung 3.17: Blocksymbol des PT2 -Gliedes

Aufgabe 3.9: Der Feder-Masse-D¨ ampfer-Schwinger von Aufgabe 2.2.3 werde durch die Differentialgleichung 8¨ xa (t) + 6x˙ a (t) + 2xa (t) = 3xe (t) beschrieben. 1. Berechnen Sie die Kenngr¨ oßen KS , T1 und T2 . 2. Wie groß sind ω0 , D und δ? L¨ osung: 1. KS = 1,5; T1 = 3 s und T2 = 2 s. 2. ω0 = 0,5 s−1 ;

D = 0,75 und δ = 0,375.



Aufgabe 3.10: Die D¨ ampfung des Feder-Masse-D¨ampfer-Schwingers von Aufgabe 3.9 werde erh¨ oht, so dass das Schwingungsverhalten durch die Differentialgleichung 8¨ xa (t)+ 10x˙ a (t) + 2xa (t) = 3xe (t) beschrieben wird. 1. Berechnen Sie die Kenngr¨ oßen KS , T1 und T2 . 2. Wie groß sind ω0 , D und δ? 3. Stellen Sie nun das System durch eine Reihenschaltung von zwei PT1 -Gliedern ¨ dar. Wie lauten die Ubertragungsfunktionen der PT1 -Glieder?

3.2 Integrierende Regelstrecken

63

L¨ osung: 1. KS = 1,5; T1 = 5 s und T2 = 2 s. 2. ω0 = 0,5 s−1 ; D = 1,25 und δ = 0,6125. 3. F1 (s) =

1,5 1 und F2 (s) = 1+s 1 + 4s



3.2

Integrierende Regelstrecken

3.2.1

Integrierende Strecken ohne Verz¨ogerung (I-Glied)

Technische Beispiele. Bei integrierenden Regelstrecken strebt die Ausgangsgr¨oße keinem station¨ aren Endwert zu, sie steigt aufgrund der Integratorwirkung st¨andig an. Bei derartigen Strecken ist ein regelnder Eingriff erforderlich, da sonst das Ausgangssignal (Druck, Temperatur, Drehzahl) u ¨ ber alle Grenzen wachsen und zur Zerst¨orung der Anlage f¨ uhren w¨ urde. Drei Beispiele derartiger Strecken zeigt Abb. 3.18. Qzu -

Wasserbeh¨alter 6

h Qab ?

? Hydraulischer Stellzylinder

Satellit

¨ Olzufuhr/-abfluss

6

?

6 @@ @@

x e

ω j

 r ) F 

xa -



  Steuerd¨ usen

Abbildung 3.18: Beispiele integrierender Regelstrecken Mathematische Beschreibung. Die Ausgangsgr¨oße xa (t) der drei Beispiele ist das Integral der Eingangsgr¨ oße xe (t). F¨ ur die Beispiele gelten die folgenden Gleichungen:

64

3 Regelstrecken

1 · (Q (τ ) − Q (τ ))dτ h(t) = A zu ab xa (t) = KI · xe (τ )dτ ω(t) = Jr · F (τ )dτ

Wasserbeh¨alter Stellzylinder Satellit.

Darin sind A die Querschnittsfl¨ ache des Beh¨alters sowie Qzu und Qab die Zu- und Abflussmengen pro Zeiteinheit. KI ist der Integrierbeiwert des Stellzylinders und r, J bedeuten Radius und Tr¨ agheitsmoment des Satelliten. F ist die Stellkraft der Steuerd¨ use. Die diesen Strecken zu Grunde liegende Differentialgleichung lautet: a1 · x˙ a (t) = b0 · xe (t) .

(3.51)

Es fehlt auf der linken Seite der Differentialgleichung der Term mit xa (t). Durch Integration und Normierung gelangt man zur folgenden Form: xa (t) =

b0 · a1





t

xe (τ )dτ = KIS · 0

t

xe (τ )dτ .

(3.52)

0

Darin ist KIS der so genannte Integrierbeiwert. Die L¨osung xa (t) der Differentialgleichung 3.52 auf einen Sprungeingang xe (t) lautet: ˆe KIS · t . xa (t) = x

(3.53)

Sprungantwort und Blocksymbol sind in Abb. 3.19 dargestellt. xa (t) 6 xˆe KIS

xa (t)

KIS Xe (s) -

1

t -







Xa (s) -



Abbildung 3.19: Sprungantwort und Blocksymbol des I-Gliedes ¨ Aus Gleichung 3.52 folgen Ubertragungsfunktion und Frequenzgang zu

ω

Im(F ) 6 ω=∞ Re(F ) 6

KIS KIS KIS bzw. F (jω) = = −j · . s jω ω Die Ortskurve des Frequenzgangs zeigt Abb. 3.20. Die Ortskurve verl¨auft auf der negativ imagin¨aren Achse von - ∞ bis in den Ursprung. F (s) =

ω=0

?

Abbildung 3.20: Ortskurve des I-Gliedes

3.2 Integrierende Regelstrecken

3.2.2

65

Integrierende Strecken mit Verz¨ogerungen (ITn -Glied)

Technische Beispiele. Werden integrierende Strecken mit Verz¨ogerungsstrecken in ¨ Reihe geschaltet, ergibt sich das Ubertragungsverhalten verz¨ogerter integrierender Regelstrecken. Je nach der Ordnung der Verz¨ ogerungsglieder entstehen IT1 , IT2 . . . ITn Glieder. Abb. 3.21 zeigt Beispiele derartiger Strecken. ¨ Olzufuhr/-abfluss

6

?

6 @@ @@

d

iA -

RA

B B CC B B

x e

c 

d

xa -

LA

N ? d

Hydraulischer Stellzylinder mit FederD¨ampfer-Ansteuerung

ma , ϕ e# A

uA

pe

?

S "! J ?

Gleichstrommotor mit Drehwinkel als Ausgangsgr¨oße

Abbildung 3.21: Beispiele von integrierenden Strecken mit Verz¨ogerung Mathematische Beschreibung. Die Differentialgleichungen der Anordnungen sind weitgehend schon aus den vorangehenden Beispielen bekannt. Bei der Stellzylinderanordnung sind n¨ aherungsweise die Massen des Steuerzylinders sowie des D¨ampfertopfes vernachl¨ assigt. Dann ergibt sich eine integrierende Strecke mit Verz¨ogerung 1. Ordnung. Der Gleichstrommotor mit der Ankerspannung uA als Eingangsgr¨oße und der Drehzahl n als Ausgangsgr¨ oße ist ein reines Verz¨ ogerungsglied 2. Ordnung. Da aber wegen der Beziehung ϕ˙ = 2πn der Drehwinkel ϕ das Integral der Drehzahl n darstellt, ist der Motor mit dem Drehwinkel als Ausgangsgr¨ oße eine integrierende Strecke mit Verz¨ogerung 2. Ordnung. Die Differentialgleichungen der beiden Beispiele lauten Ks d · x ¨a + Ks c · x˙ a = A · pe J LA · ... ϕ + J RA · ϕ¨ + cΨf · ϕ˙ = uA cΨf cΨf

Hydraulischer Zylinder, Gleichstrommotor.

Die Grundform dieser Differentialgleichungen ist ... ¨a + a1 · x˙ a = b0 · xe . . . . + a3 · x a +a2 · x

(3.54)

66

3 Regelstrecken

Man kann die verschiedenen normierten Darstellungen der Verz¨ogerungsglieder auch hier verwenden und erh¨ alt z. B. f¨ ur die beiden obigen Beispiele in normierter Form (KIS Integrierbeiwert, T1 , T2 Zeitkonstanten):  T1 · x˙ a + xa = KIS ·

xe (τ )dτ

und

(3.55)



¨a + T1 · x˙ a + xa = KIS · T22 · x

xe (τ )dτ .

(3.56)

Gleichung 3.55 ist die Integro-Differentialgleichung eines IT1 -Gliedes und Gleichung ¨ 3.56 die eines IT2 -Gliedes. Daraus folgen dann die Ubertragungsfunktionen und Frequenzg¨ ange zu KIS bzw. s · (1 + T1 · s) KIS F (s) = s · (1 + T1 · s + T22 · s2 ) KIS F (jω) = . 2 −T1 ω + j(ω − ω 3 T22 ) F (s) =

F (jω) =

KIS jω − T1 ω 2

(3.57)

bzw. (3.58)

Die Sprungantwort des IT1 -Gliedes lautet:   ˆe KIS · t − T1 · (1 − e−t/T1 ) . xa (t) = x

(3.59)

Der Zeitverlauf von xa (t) und das Blocksymbol des IT1 -Gliedes ergeben sich dann gem¨aß Abb. 3.22. 6 xa (t)









   xa     @ @     T1 -



Xe (s)

T1

KIS -

Xa (s) -

KIS x ˆe 1

oder t -

Xe (s)

KIS -

1





-

T1

Xa (s) -

Abbildung 3.22: Sprungantwort xa (t) und Blocksymbole des IT1 -Gliedes

Aufgabe 3.11: Berechnen Sie f¨ ur ein schwingungsf¨ahiges IT2 -Glied (0 < D < 1) nach Gleichung 3.56 die Sprungantwort.

3.3 Spezielle Formen von Regelstrecken L¨ osung:

 xa (t) = KIS x ˆe · t −

67

  2  δ − ωe2 2δ −δt · 1−e · 2ω δ sin ωe t + cos ωe t e δ 2 + ωe2 

Die Ortskurve des IT1 -Gliedes wird aus Gleichung 3.57 berechnet. Mit KIS · T1 1 + (ωT1 )2 KIS Im{F (jω)} = − ω · [1 + (ωT1 )2 ] Re{F (jω)} = −

erh¨ alt man nach dem Einsetzen von Zahlenwerten f¨ ur ω den in Abb. 3.23 gezeigten Verlauf. 6Im(F ) − 12 KIS T1

ω1

− 12 KIS T1



-

Re(F ) ω=∞

ω1 = 1/T1 ω

KIS T1

 Abbildung 3.23: Ortskurve IT1 -Glied

ω=0 ?

3.3

Spezielle Formen von Regelstrecken

3.3.1

Strecken mit Totzeit (Tt -Glied)

Technische Beispiele. Regelstrecken mit Totzeit unterscheiden sich von den bisher betrachteten Regelstrecken in ihrem Zeitverhalten darin, dass bei Anregung des Systems mit Totzeit der Systemausgang f¨ ur eine gewisse Zeit unver¨andert bleibt, bis eine Reaktion erfolgt. Dies tritt bei allen Regelstrecken auf, bei denen Transportvorg¨ange von Massen oder Laufzeiten von Signalen stattfinden. Bei einer Rohrleitung vergeht eine gewisse Zeit bis, abh¨angig von der Str¨omungsge¨ schwindigkeit, ein Wasserstrom am Rohrende ankommt. Ahnlich baut sich bei einer

68

3 Regelstrecken

Gasleitung erst nach einer Zeitdauer ein Gasdruck am Rohrende auf. Bei einem F¨orderband vergeht eine gewisse Transportzeit bis das F¨ordergut das F¨orderband verl¨asst, und bei einer Regelung mit Datenfern¨ ubertragung betr¨agt die Laufzeit der Messsignale einige Millisekunden oder Sekunden. Die Zeit f¨ ur den Massentransport bzw. die Signal¨ ubertragung nennt man Totzeit Tt . Beispiele f¨ ur derartige Regelstrecken mit Totzeit zeigt Abb. 3.24. Heizk¨orper  > Q1a      -

Leitungen

Q 2e Q1e 6

p1

Q ?2a Druckkessel  pe

Rohrleitung

 S  S Me k

F¨ orderband

      Z ~ Z

Druckkessel  p2 pa

 Ma  k

Abbildung 3.24: Beispiele von Totzeitgliedern Mathematische Beschreibung. Mit l als Leitungs- bzw. Bandl¨ange und v als Str¨omungs- bzw. Transportgeschwindigkeit betragen die jeweiligen Laufzeiten (Totzeiten) Tt = l/v und damit lauten die Differentialgleichungen f¨ ur die obigen Regelstrecken Q1a (t)

=

Q1e (t − Tt )

und Q2a (t) = Q2e (t − Tt )

pa (t)

=

pe (t − Tt )

Rohrleitung

Ma (t)

=

Me (t − Tt )

F¨orderband.

Leitungen der Heizung

Die Ein- und Ausgangssignale eines Totzeitgliedes sind einander gleich, aber das Eingangssignal xe (t) erscheint erst nach der Totzeit Tt am Ausgang. Bis auf die Zeitverschiebung gleicht das Totzeitglied somit dem reinen P-Glied mit der Verst¨arkung Eins. ¨ Aus diesen Uberlegungen ergibt sich die Antwort des Totzeitgliedes auf einen Eingangssprung wie in Abb. 3.25 gezeigt. Die Laplace-Transformation beschreibt die Zeitverschiebung von Signalen durch einen Exponentialterm mit −sTt im Exponenten. Dies ergibt sich aufgrund der Definition der

3.3 Spezielle Formen von Regelstrecken xa (t) x ˆe 6 -

Tt

69 Tt Xe (s)

-

Xa (s) -

t-



Abbildung 3.25: Sprungantwort und Blocksymbol des Totzeitgliedes ¨ Laplace-Transformation. Damit lauten Ubertragungsfunktion bzw. Frequenzgang des Totzeitgliedes F (s) = e−sTt

F (jω) = e−jωTt .

bzw.

(3.60)

Die Ortskurve des Totzeitgliedes ist ein Kreis in der komplexen Ebene mit dem Radius r = |F (jω)| = 1 und dem Phasenwinkel ϕ = −ωTt . Mit wachsender Frequenz ω nimmt der Phasenwinkel linear ab, siehe Abb. 3.26. Im(F ) ω = 3π/(2Tt ) 6 > 1  

  ω = π/Tt

ω ω = π/(2Tt )

Re(F ) ω = 0; 2π/Tt Abbildung 3.26: Ortskurve des Totzeitgliedes

Totzeitglieder treten oft zusammen mit Verz¨ogerungsgliedern auf, Heizk¨orper mit Rohrleitung, Druckkessel mit Rohrleitung, usw. Die entsprechende Darstellung im Blockschaltbild ist dann z. B. eine Reihenschaltung von Totzeitglied und Verz¨ogerungsgliedern 1. oder 2. Ordnung. Der Frequenzgang des Totzeitgliedes ist aufgrund des e−sTt -Terms keine gebrochenrationale Funktion. Will man das Totzeitglied durch eine gebrochenrationale Funktion approximieren, so wird hierzu in der Regel die Pad´e-Approximation verwendet: n  Tt 1 − s 2n −sTt F (s) = e ≈ (3.61) Tt 1 + s 2n mit n als w¨ ahlbarer Konstante. Je gr¨ oßer n, umso genauer wird die Pad´e-Approximation der Totzeit.

70

3 Regelstrecken

¨ Aufgabe 3.12: Wie lautet die Ubertragungsfunktion der Druckkesselanordnung von Abb. 3.24, wenn identische Druckkessel vorliegen und die Eingangsgr¨oße der Druck p1 und die Ausgangsgr¨ oße der Druck p2 ist? L¨ osung: F (s) =

3.3.2

KS2 P2 (s) · e−sTt . = P1 (s) (1 + T1 s)2



Strecken mit differenzierendem Verhalten (DTn -Glied)

Technische Beispiele. Eine ideale Differentiation (Ableitung) eines Signals tritt bei technischen Systemen nicht auf. Die Ableitung der Eingangsgr¨oße kann nur mit einer Verz¨ ogerung erfolgen. Beispiele f¨ ur ein derartiges Verhalten sind elektrische Netzwerke und Feder-D¨ ampfer-Anordnungen (Abb. 3.27). e

e

xe (t) -

R ue (t)

L ? e

c B B LL    LL BB BB

d

ua (t) ? e

xa (t)

Abbildung 3.27: Beispiele f¨ ur differenzierende Strecken mit Verz¨ogerung 1. Ordnung Mathematische Beschreibung. Die Differentialgleichungen dieser Beispiele lauten L · u˙ a + R · ua = L · u˙ e

RL-Glied

d · x˙ a + c · xa = d · x˙ e

Feder-D¨ampfer-Anordnung.

Die allgemeine Form eines derartigen Differenziergliedes mit Verz¨ogerung 1. Ordnung lautet a1 · x˙ a + a0 · xa = b1 · x˙ e ,

(3.62)

bzw. nach Division durch a0 in normierter Darstellung, mit KDS als Differenzierbeiwert und T1 als Zeitkonstante: T1 · x˙ a + xa = KDS · x˙ e .

(3.63)

¨ Daraus folgen dann Ubertragungsfunktion und Frequenzgang des DT1 -Gliedes zu F (s) =

KDS · s 1 + T1 · s

und

F (jω) =

KDS · jω . 1 + T1 · jω

(3.64)

Beim idealen D-Glied entf¨ allt die Zeitkonstante, d. h. es ist T1 = 0 und f¨ ur ein DT2 -Glied ¨ lauten Ubertragungsfunktion und Frequenzgang dann entsprechend F (s) =

KDS · s . 1 + T1 s + T22 s2

und F (jω) =

KDS · jω . 1 + T1 jω + T22 (jω)2

(3.65)

3.3 Spezielle Formen von Regelstrecken

71

¨ Die Sprungantwort des DT1 -Gliedes erh¨ alt man am einfachsten, wenn man die Ubertragungsfunktion wie folgt aufspaltet: K

F (s) =

DS KDS KDS · s T1 = . − 1 + T1 · s T1 1 + T1 · s

Damit kann man die Sprungantwort des DT1 -Gliedes als Differenz der Sprungantworten einen idealen P-Gliedes mit K = KDS /T1 und eines PT1 -Gliedes mit K = KDS /T1 erhalten zu:  KDS KDS  KDS −t/T1 1 − e−t/T1 = xˆe · − xˆe · e . xa (t) = xˆe · T1 T1 T1 Sprungantwort und Blocksymbol dieses DT1 -Gliedes zeigt Abb. 3.28. xa (t) x ˆe KTDS 6 KDS 1 @ xa Xe (s) @ ! ! @ t @ - T1 

T1 Xa(s)

Abbildung 3.28: Sprungantwort xa (t) und Blocksymbol des DT1 -Gliedes Die Ortskurve des DT1 -Gliedes wird aus Gleichung 3.64 berechnet. Mit KDS · ω 2 T1 1 + (ωT1 )2 KDS · ω Im{F (jω)} = 1 + (ωT1 )2 Re{F (jω)} =

erh¨ alt man nach dem Einsetzen von Zahlenwerten f¨ ur ω den in Abb. 3.29 gezeigten Verlauf. Die differenzierenden Regelkreisglieder sind phasenvoreilende Regelkreisglieder.

Im(F ) KDS /(2T1 )

6 D ω*

ω6 ω=0 aa

ω1 = 1/T1 " " " DT1 # # ω=∞  - Re(F ) KDS /T1

Abbildung 3.29: Ortskurve des D- und DT1 −Regelkreisgliedes

Die Ortskurve z. B. des DT1 -Gliedes beginnt f¨ ur ω = 0 mit einem Phasenwinkel von +90◦ und endet f¨ ur ω → ∞ beim Phasenwinkel 0◦ . Diese Eigenschaft der Phasenvoreilung kann, wie sp¨ ater gezeigt wird, zur Verbesserung der Stabilit¨at von Regelkreisen eingesetzt werden.

72

3 Regelstrecken

3.3.3

Strecken mit Allpassverhalten

Technische Beispiele. Unter dem Allpassverhalten einer Regelstrecke versteht man eine spezielle Reaktion des Systems auf ein Eingangssignal. Bei allen bisher untersuchten Regelstrecken antwortet die Strecke auf einen positiven Eingang mit einem positiven Ausgangssignal. Dies ist bei einer Strecke mit Allpassverhalten nicht der Fall. Das Ausgangssignal beginnt mit einem negativen Wert bzw. schl¨agt nach einem positiven Ausschlag in die negative Richtung aus. Diese Reaktion tritt bei speziellen Feder-D¨ampfer-Anordnungen auf, bei Dampferzeugern, bei speziellen RLC-Netzwerken und auch unter besonderen Bedingungen bei der Steuerung der Drehzahl einer Gleichstrommaschine durch das Erregerfeld. Die Ruderwirkung von Flugzeugen und Schiffen zeigt ebenfalls diese Reaktion. Abb. 3.30 zeigt die Beispiele einer Br¨ uckenschaltung und einer mechanischen Struktur mit Allpassverhalten. d R

R ua d d

ue

Z 1     2

1

d ?

R

L

d

xa

1

-

c C C C A C C C

 xe

    

Abbildung 3.30: Br¨ uckenschaltung und mechanische Struktur mit Allpassverhalten Mathematische Beschreibung. Die Differentialgleichungen dieser Beispiele von Regelstrecken mit Allpassverhalten lassen sich ableiten zu: 2L · u˙ a + 2R · ua = R · ue − L · u˙ e

RL-Br¨ uckenschaltung

4d · x˙ a + 4c · xa = c · xe − d · x˙ e

Feder-D¨ampfer-Hebel-Anordnung

Die allgemeine Form eines Allpasses 1. Ordnung lautet a1 · x˙ a + a0 · xa = K · (a0 · xe − a1 · x˙ e ) ,

(3.66)

bzw. nach Division durch a0 in normierter Form T1 · x˙ a + xa = K · (xe − T1 · x˙ e ) .

(3.67)

¨ Daraus folgen Ubertragungsfunktion und Frequenzgang des Allpasses 1. Ordnung2 zu F (s) = K · 2

1 − T1 · s 1 + T1 · s

und

F (jω) = K ·

1 − T1 · jω . 1 + T1 · jω

¨ Die Ubertragungsfunktion des Allpasses 2. Ordnung lautet: F (s) = K ·

(3.68)

1−T1 s+T22 s2 1+T1 s+T22 s2

3.3 Spezielle Formen von Regelstrecken

73

¨ Zur Ermittlung der Sprungantwort wird die Ubertragungsfunktion aufgespalten in ein PT1 -Glied und ein DT1 -Glied: F (s) = K ·

K KT1 · s 1 − T1 · s = − . 1 + T1 · s 1 + T1 · s 1 + T1 · s

Damit gewinnt man dann die Sprungantwort des Allpasses zu     xa (t) = K 1 − e−t/T1 · xˆe − Ke−t/T1 · x ˆe = K 1 − 2e−t/T1 · xˆe

(3.69)

die in Abb. 3.31 dargestellt ist. xa (t) Kx ˆe 6 t-

0 −K x ˆe

TT xa

Abbildung 3.31: Sprungantwort eines Allpassgliedes

Die Ausgangsgr¨ oße xa (t) beginnt nach einer Sprunganregung beim negativen Wert −K x ˆe und n¨ ahert sich dann mit einem exponentiellen Verlauf dem positiven Endwert +K x ˆe . Der Nulldurchgang findet zum Zeitpunkt t = 0,6931T1 statt. Die Ortskurve des Allpassgliedes wird aus Gleichung 3.68 berechnet. Mit 1 − (ωT1 )2 1 + (ωT1 )2 −2ωT1 Im{F (jω)} = K · 1 + (ωT1 )2 Re{F (jω)} = K ·

erh¨ alt man nach dem Einsetzen von Zahlenwerten f¨ ur ω den in Abb. 3.32 gezeigten ¨ halbkreisf¨ ormigen Verlauf. Die Ortskurve des Allpassgliedes hat somit eine gewisse Ahnlichkeit mit dem Totzeitglied, bei dem ebenso der Betrag der Ortskurve konstant ist und der Phasenwinkel mit steigender Frequenz abnimmt. −K ! ! ! ω=∞

6Im(F )

K Re(F ) aaω=0

ω ` ` ω = 1/T1

Abbildung 3.32: Ortskurve eines Allpasses

74

3 Regelstrecken

3.4

Regelstrecken h¨oherer Ordnung und instabile Regelstrecken

3.4.1

Regelstrecken h¨oherer Ordnung

Bewegungsvorg¨ ange von Fahrzeugen. Bei der Untersuchung von Bewegungsvorg¨ angen von Fahrzeugen ist es oft erforderlich, Translations- und/oder Rotationsbewegungen einer oder mehrerer Massen zu beschreiben. Die Ordnung der diese Vorg¨ange beschreibenden Differentialgleichungen steigt mit der Anzahl der Freiheitsgrade (Achsen der Translation, Achsen der Rotation) dieser Massen an. Typische Beispiele derartiger Anwendungen sind • die Regelung der Lage und Geschwindigkeit eines Flugzeugs (Vertikal- und Drehbewegung eines K¨ orpers), • die Regelung des Schwebevorgangs einer Magnetschwebebahn (Vertikalbewegung zweier“ K¨ orper: Schwebegestell und Fahrzeugzelle) oder ” • die aktive D¨ ampfung von Kraftfahrzeugen (Vertikalbewegung von Rad und Fahrzeug). Will man den kompletten Bewegungsvorgang derartiger Fahrzeuge in allen Achsen beschreiben, so f¨ uhrt dies zu Differentialgleichungen sehr hoher Ordnung (≥ 6. Ordnung). Aktive D¨ ampfung eines Fahrzeugs. F¨ ur vereinfachte Untersuchungen reicht es oft aus, die Bewegungsvorg¨ ange z. B. nur in der Ebene oder als reine Translationsbewegung zu beschreiben. Dies soll am Beispiel der aktiven D¨ampfung eines Kraftfahrzeugs gezeigt werden. M dA

 



M # m

@ @

cA

xR

"!

?

xe ?

Q k Q

Q Hydraulischer Steuerkolben

m

dR

cR



A  A A

x ?K



Abbildung 3.33: Ebenes Modell einer aktiven Fahrzeugd¨ampfung

3.4 Regelstrecken h¨ oherer Ordnung und instabile Regelstrecken

75

Die in Abb. 3.33 eingezeichneten Parameter c und d bezeichnen die Federsteifigkeiten und D¨ ampfungsbeiwerte von Reifen (R) und Aufh¨angung (A). M bzw. m sind die Massen von Karosserieteil und Rad mit Aufh¨ angung. Die steuernde Kraft des hydraulischen Stellgliedes sei FH ; xe ist die Tiefe des Schlaglochs im Straßenbelag; xK und xR stellen die Auslenkungen von Karosserie und Aufh¨ angung dar. Nach dem Freischneiden der Massen von Rad und Karosserieteil lassen sich die folgenden Gleichungen ansetzen: Impulssatz des Rades

m·x ¨R = FcA + FdA + FH − FcR − FdR

Impulssatz der Karosserie

M ·x ¨K = −FcA − FdA − FH

Federkraft des Reifens

FcR = cR · (xR − xe )

Federkraft der Aufh¨ angung

FcA = cA · (xK − xR )

D¨ ampfungskraft des Reifens

FdR = dR · (x˙ R − x˙ e )

D¨ ampfungskraft der Aufh¨ angung

FdA = dA · (x˙ K − x˙ R ) .

Die Gravitationskr¨ afte fallen aus den Ansatzgleichungen heraus, wenn man xK und xR als Auslenkungen aus der Gleichgewichtslage annimmt. Nach l¨angerer Rechnung erh¨alt man unter Zuhilfenahme der Laplace-Transformation aus den obigen Ansatzgleichungen die Differentialgleichung der Auslenkung xK der Karosserie aus der Ruhelage. IV ... M m xK +(dA m + M [dA + dR ]) xK +(M (cA + cR ) + mcA + dA dR )¨ xK + +(dA cR + dR cA )x˙ K + cA cR xK = dA dR x¨e + (cA dR + dA cR )x˙ e + cA cR xe − mF¨H − dR F˙H − cR FH .

(3.70)

Zun¨ achst sollen die station¨aren Bedingungen des Systems untersucht werden. Hierzu werden alle Ableitungen zu Null gesetzt. Damit erh¨alt man cA xK = cA xe − FH .

(3.71)

Mit FH = 0 erkennt man aus der Bedingung xK = xe , dass die Karosserie dem Weg“ ” des Schlaglochs folgt. Die Absenkung ist unabh¨angig von anderen Parametern. F¨ ur xe = 0 (kein Schlagloch) und FH > 0 ist die Auslenkung der Karosserie xK = −FH /cA , d. h. die Karosserie wird angehoben. ¨ Aus der Differentialgleichung folgen die Ubertragungsfunktionen und Frequenzg¨ange zu cA cR + (cA dR + dA cR )s + dA dR s2 XK (s) = Xe (s) N (s) cR + dR s + ms2 XK (s) =− F2 (s) = FH (s) N (s) F1 (s) =

N (s) = cA cR + (dA cR + dR cA )s + (M [cA + cR ] + mcA + dA dR )s2 +(dA m + M [dA + dR ])s3 + M ms4

(3.72) (3.73)

76

3 Regelstrecken cA cR + (cA dR + dA cR )jω + dA dR (jω)2 XK (jω) = Xe (jω) N (jω) cR + dR jω + m(jω)2 XK (jω) =− F2 (jω) = FH (jω) N (jω) F1 (jω) =

(3.74) (3.75)

N (jω) = cA cR + (dA cR + dR cA )jω + (M [cA + cR ] + mcA + dA dR )(jω)2 +(dA m + M [dA + dR ])(jω)3 + M m(jω)4 . ¨ Karosserieauslenkung xK infolge eines SchlagMit F1 wird die Ubertragungsfunktion ” lochs xe“ erfasst. Dagegen beschreibt F2 die Reaktion der Karosseriebewegung auf die Stellkraft FH . Die Z¨ ahlerpolynome von F1 und F2 enthalten Terme bis zur Ordnung ¨ s2 , d. h. die Ubertragungsfunktionen weisen differenzierendes Verhalten auf. Die jeweiligen Nenner enthalten Terme bis zur Ordnung s4 , d. h. sie stellen Verz¨ogerungen 4. ¨ Ordnung dar. Die Gesamtstrecke ist somit eine Uberlagerung von proportionalen und differenzierenden Anteilen mit einer Verz¨ ogerung 4. Ordnung. ¨ Strecken h¨ oherer Ordnung stellen oft eine Uberlagerung von proportionalen, integrierenden und differenzierenden Streckenanteilen mit einer Verz¨ogerung dar. Die analytische Ermittlung der Sprungantwort scheidet im Allgemeinen wegen der hohen Systemordnung aus. Mit den Zahlenwerten M = 250 kg, m = 30 kg, cA = 19000 N/m, cR = 20000 N/m, dA = 2500 Ns/m und dR = 1000 Ns/m ergeben sich die in Abb. 3.34 gezeigten Sprungantworten f¨ ur a) xe = 10 cm und FH = 0 und b) xe = 0 und FH = -450 N. 0.16

0.14

0.12

xK m 0.1

Abbildung 3.34: Reaktion der Karosserie auf ein Schlagloch (ob. Kurve) sowie auf eine sprungf¨ormige Verstellung der Stellkraft (untere Kurve)

60.08 0.06

0.04

0.02

0

0

0.5

1

1.5

2

2.5

-

3

3.5

4

t/s

Nach ca. 3 s hat sich die Karosserie nach einem Schlagloch von 10 cm auch um 10 cm abgesenkt. Bei Anlegen einer Stellkraft des hydraulischen Stellzylinders von -450 N hebt

3.4 Regelstrecken h¨ oherer Ordnung und instabile Regelstrecken

77

sich die Karosserie nach ca 3 s um 2 cm. Die Sprungantworten ¨ahneln der Sprungantwort eines Verz¨ ogerungsgliedes 2. Ordnung. Die bestimmenden Gr¨oßen sind die Werte der Aufh¨ angung und nicht die des Reifens, sie dominieren den Bewegungsverlauf. Bevor man an eine aktive Regelung der Fahrzeugd¨ampfung herangeht, ist zun¨achst eine Abstimmung der Federn und D¨ ampfungseigenschaften der Aufh¨angung vorzunehmen (passive D¨ ampfung). Erst danach kann mit weiteren Maßnahmen durch aktive Methoden (Regelung) die Fahrzeugd¨ ampfung verbessert werden.

Aufgabe 3.13: Berechnen Sie aus den Ansatzgleichungen der aktiven Fahrzeugfederung die Differentialgleichung der Schwingung der Fahrzeugkarosserie nach Gleichung 3.70. 

3.4.2

Instabile Regelstrecken

Technisches Beispiel. Ohne auf die Definitionen und Kriterien der Stabilit¨at an dieser Stelle eingehen zu wollen, dies geschieht ausf¨ uhrlich in Kapitel 5, soll hier ein Beispiel einer instabilen Regelstrecke, d. h. einer Strecke, deren Ausgangssignal u ¨ ber alle Grenzen w¨ achst, betrachtet werden. Instabile Strecken sind keine eigene Klasse von Strecken. Es k¨ onnen Strecken mit proportionalem, integrierendem oder auch differenzierendem Verhalten instabil werden. Als Beispiel soll der Transport einer aufrecht stehenden Rakete von ihrem Montageplatz zur Startrampe dienen (Abb. 3.35). Diese Anordnung kann in grober Vereinfachung durch ein senkrecht stehendes Pendel dargestellt werden. Ohne eine Stabilisierung des Pendels (mittels Verfahren des Wagens) kippt das Pendel um, es ist instabil. Daher r¨ uhrt auch die Bezeichnung instabiles Pendel [46]. Bewegungsgleichungen. Zur Ermittlung der Bewegungsgleichungen dieser Anordnung sind Wagen (Masse M ) und Pendel (Masse m, L¨ange 2 l, Tr¨agheitsmoment J = ml2 /3) freigeschnitten. Der Wagen kann horizontal (Koordinatenrichtung xw ) bewegt werden. Das Pendel kann sich um den Montagepunkt drehen (Winkel ϕ) und sein Schwerpunkt kann sich bewegen (Koordinatenrichtungen xs und ys ). Fx ist die Antriebskraft des Wagens, und G bzw. m · g sind Gravitationskr¨afte. Die Kr¨afte H und V sind die Reaktionskr¨ afte am Befestigungspunkt des Stabes. Die Ansatzgleichungen f¨ ur die Linearbewegung des Wagens sowie f¨ ur Linear- und Drehbewegungen des Stabes lauten: M ·x ¨w m · x¨s m · y¨s J · ϕ¨ xs ys

= = = = = =

Fx − H H V −m·g V l · sin ϕ + Hl · cos ϕ xw − l · sin ϕ l · cos ϕ

Impulssatz Wagen (horizontal) Impulssatz Stab (horizontal) Impulssatz Stab (vertikal) Impulssatz um Stabschwerpunkt x-Koordinate Stabschwerpunkt y-Koordinate Stabschwerpunkt.

(3.76) (3.77) (3.78) (3.79) (3.80) (3.81)

78

3 Regelstrecken ϕ

)

ys

6

y

xs

-

?

m·g

O m l 6 W t t Mt t t

Fx -

H 

V H -

M t i ? V i G?

Fx -

xw

-

Abbildung 3.35: Instabiles Pendel

Die Koordinaten des Stabschwerpunkts, Gleichung 3.80 und 3.81, werden in Gleichung 3.77 und 3.78 eingesetzt und ausdifferenziert. Diese Rechnungen f¨ uhren zu einem nichtlinearen Gleichungssystem f¨ ur die Bewegungen von Stab und Wagen. Das Gleichungssystem wird nun um den Arbeitspunkt ϕ = 0 linearisiert, indem f¨ ur kleine Winkel sin ϕ ≈ ϕ sowie cos ϕ ≈ 1 eingef¨ uhrt werden. F¨ ur kleine Winkel ϕ ≈ 0 k¨onnen dann alle Glieder h¨ oherer Ordnung wie z. B. ϕ˙ 2 , ϕ¨2 ϕ . . . vernachl¨assigt werden, da sie klein gegen¨ uber den anderen Termen sind. Dann ergibt sich das linearisierte Gleichungssystem:

M ·x ¨w m·x ¨w − ml · ϕ¨ m·g J · ϕ¨

= = = =

Fx − H H V V l · ϕ + Hl .

(3.82) (3.83) (3.84) (3.85)

Die Elimination der Schnittkr¨ afte (Reaktionskr¨afte) H und V am Befestigungspunkt des Stabes f¨ uhrt dann zu dem folgenden Gleichungssystem

ϕ¨ − a0 · ϕ = b0 · Fx x¨w = bf · Fx + bϕ · ϕ ,

(3.86) (3.87)

3.4 Regelstrecken h¨ oherer Ordnung und instabile Regelstrecken

79

mit den Koeffizienten: 3g M + m · l 4M + m 3 b0 = l · (4M + m) 3mg bϕ = 4M + m 4 . bf = 4M + m a0 =

(3.88)

Gleichung 3.86 beschreibt die linearisierte Drehbewegung des Stabes und Gleichung 3.87 ¨ die Wagenbewegung infolge Vorschubkraft Fx und Stabbewegung ϕ. Die Ubertragungsfunktion der Drehbewegung mit Kraft Fx als Eingangsgr¨oße und dem Drehwinkel ϕ als Ausgangsgr¨ oße (also der Regelstrecke) lautet dann: Fϕ (s) =

b0 φ(s) = 2 . Fx (s) s − a0

(3.89)

Aufgabe 3.14: Ermitteln Sie ausgehend von den Gleichungen 3.76 bis 3.81 die linearisierten Bewegungsgleichungen 3.82 bis 3.85.  Aufgabe 3.15: Berechnen Sie aus den linearisierten Bewegungsgleichungen 3.82 bis 3.85 das resultierende Gleichungssystem 3.86 und 3.87 des instabilen Pendels.  Aufgabe 3.16: Es soll der Bewegungsverlauf des Stabes f¨ ur die folgenden Zahlenwerte untersucht werden: M/m = 10 und l = 1 m. 1. Berechnen Sie f¨ ur eine Anfangsauslenkung des Stabes von ϕ(0) = ϕ0 = 1◦ und ϕ(0) ˙ = 0 den Verlauf von ϕ(t) ohne Einwirkung einer Vorschubkraft Fx . 2. Was geschieht mit dem Stab? L¨ osung:   ϕ 1. ϕ(t) = 20 · e−2,81t + e2,81t 2. Der Stab kippt infolge der Gravitation um, er ist instabil!



Wie Aufgabe 3.15 zeigt, wird ohne eine Regelung der Antriebskraft Fx der Stab umkippen, also instabil sein. Es ist hier zwingend erforderlich, dass eine Regelung der Vorschubkraft vorgenommen wird, damit der Stab sicher im Stand gehalten werden kann.

80

3 Regelstrecken

3.5

Linearisierung einer nichtlinearen Regelstrecke

Vorgehensweise. In der Praxis auftretende Regelstrecken enthalten h¨aufig lineare und nichtlineare Systemanteile. Derartige Regelstrecken sind f¨ ur den nachfolgenden Reglerentwurf im Allgemeinen erst zu linearisieren. Die Linearisierung einer derartigen Regelstrecke, bestehend aus linearen und nichtlinearen Streckenanteilen wird an einem ¨ Beispiel dargestellt. Das Ziel der Untersuchung ist die Ermittlung der Ubertragungsfunktion der Regelstrecke am station¨ aren Betriebspunkt. Die nichtlineare Regelstrecke wird durch das Blockschaltbild in Abb. 3.36 beschrieben. Die nichtlinearen Streckenanteile sind im untersuchten Fall eine nichtlineare Funktion c(t) = b3 (t)/4 sowie die Multiplikation der Variablen xa (t) mit c(t). Derartige nichtlineare Zusammenh¨ ange werden in der Regelungstechnik durch doppelt umrahmte Bl¨ocke gekennzeichnet (siehe Kap. 10). Weiterhin treten zwei lineare Streckenanteile auf. Um die gleichzeitige Verwendung von Variablen im Zeit- und Bildbereich (z. B. c(t) und Xa (s)) in einem Blockdiagramm zu vermeiden, wird f¨ ur die Ableitung anstelle der Laplace-Variablen s der Operator D = d . . . /dt verwendet. Somit entspricht dem Block 0,5/(1 + 1,38D) dann die Differentialgleichung 0,5b(t) = xa (t) + 1,38x˙ a (t). a(t) xe (t) - i - 3,45 D 6 –

d(t)

b(t)

-

? 1 (. . .)3 4 c(t) ? ×



0,5 1 + 1,38D

xa (t) -

Abbildung 3.36: Nichtlineare Regelstrecke

Im Allgemeinen legt man den station¨ aren Arbeitspunkt (Betriebspunkt a(t) → A0 , b(t) → B0 ) einer nichtlinearen Regelstrecke so, dass bei Erreichen des Sollwertes der Regelgr¨ oße x(t) die internen Gr¨ oßen der Strecke sich im Arbeitspunkt befinden. In diesem Beispiel soll die Ausgangsgr¨ oße xa (t) um den Betriebspunkt Xa0 = 1 geregelt werden. Wegen des Integrators im Netzwerk muss f¨ ur dessen Eingang am station¨aren Betriebspunkt gelten A0 = 0. Es werden dann die station¨aren Werte der anderen Variablen der Strecke berechnet. ¨ Wegen Xa0 = 1 folgt aus der Ubertragungsfunktion des PT1 -Gliedes dann B0 = 2, und somit C0 = (B0 )3 /4 = 2. Damit resultiert dann D0 = C0 · Xa0 = 2. Wegen A0 = 0 gilt dann ebenso Xe0 = D0 = 2. Nachdem die station¨ aren Werte der Variablen bekannt sind, werden die nichtlinearen Terme um den Betriebspunkt durch Bildung der partiellen Ableitung am Betriebspunkt

3.5 Linearisierung einer nichtlinearen Regelstrecke

81

linearisiert. Aus c(t) = f (b(t)) = b3 (t)/4 resultiert dann    ∂f (b)  1 3 B0 + c(t) = C0 + ∆c =  4 ∂b 

· ∆b

B0

c(t) =

1 3 3 2 B + B · ∆b = 2 + 3 · ∆b . 4 0 4 0

Die Linearisierung der Funktion f (b(t)) f¨ uhrt somit zu ∆c =

3 2 B · ∆b = 3 · ∆b . 4 0

und die Linearisierung der Multiplikationsstelle f¨ uhrt zu  ∂(c · xa )  ∆d =  ∂xa 

Xa0 ,C0

 ∂(c · xa )  · ∆xa +  ∂c 

· ∆c Xa0 ,C0

= C0 · ∆xa + Xa0 · ∆c = 2 · ∆xa + 1 · ∆c .

Mit diesen Zwischenergebnissen resultiert das Blockschaltbild von Abb. 3.37. Dabei wurden die Abweichungen vom Betriebspunkt ∆a, ∆b, . . . u uhrt in die Laplace¨ berf¨ Variablen A(s), B(s), . . .. Xe (s) A(s) - i - 3,45 s 6 –

B(s) ? 3 2 4 B0

-

0,5 1 + 1,38s

Xa (s) -

=3 C(s) ?

Xa0 = 1 D(s)

? i 

C0 = 2 

Abbildung 3.37: Um einen Betriebspunkt linearisierte Regelstrecke

Mit den Rechenregeln f¨ ur Blockschaltbilder (Abschnitt 2.3) wird dieses Blockschaltbild nach Abb. 3.37 dann umgeformt. Als Ergebnis resultiert f¨ ur die um den Betriebspunkt Xa0 = 1 linearisierte Regelstrecke ein PT2 -Verhalten zu FLin (s) =

0,125 Xa (s) = . Xe (s) 1 + 1,1075s + 0,1s2

(3.90)

82

3 Regelstrecken

In der Umgebung des Arbeitspunktes verh¨alt sich die nichtlineare Regelstrecke wie ein PT2 -Glied mit der Parametern KS = 0,125, T1 = 1,1075 s und T22 = 0,1 s2 . Aufgabe 3.17 (Linearisierung einer Regelstrecke): Es soll die Regelstrecke des obigen Beispiels untersucht werden. Als station¨ arer Betriebspunkt soll nun gelten Xa0 = 2. 1. Wie lauten die Werte A0 , B0 , C0 , D0 . . . im station¨aren Betriebspunkt? ¨ 2. Wie lautet die Ubertragungsfunktion des linearisierten Systems in diesem Betriebspunkt? L¨ osung: 1.) A0 = 0; B0 = 4; C0 = 16; D0 = 32; Xe0 = 32 0,0357 2.) FLin (s) = 1 + 0,6121s + 0,0286s2



Aufgabe 3.18 (Linearisierung einer Regelstrecke): Gegeben ist das nachfolgende Blockschaltbild einer Regelstrecke mit nichtlinearen Elementen. Der Operator D steht f¨ ur d.../dt. xe (t)- ja(t) 6 −

3 1+D

b(t)

-

1/3 1 + 2D

xa (t)-

? √ 2· b c(t) ? e(t)

c/d



d(t)

Die Regelstrecke soll an dem station¨ aren Arbeitspunkt Xa0 = 3 betrieben werden. 1. Berechnen Sie die station¨ aren Werte der anderen Variablen a, b, c, d, e und xe . 2. Linearisieren Sie die nichtlinearen Elemente der Strecke um den jeweiligen Arbeitspunkt. 3. Zeichnen Sie nun das Blockschaltbild der Strecke mit den linearisierten Elementen. ¨ 4. Berechnen Sie die Ubertragungsfunktion der linearisierten Regelstrecke. Stellen ¨ Sie die Ubertragungsfunktion in normierter Form dar. L¨ osung: 1.) A0 = 3; B0 = 9; C0 = 6; D0 = 3; E0 = 2; Xe0 = 5 1,5 4.) FLin (s) = 1 + 5,5s + 3s2



3.6 Modellbildung realer Regelstrecken

3.6

83

Modellbildung realer Regelstrecken

In den vorangehenden Abschnitten werden die verschiedenen Grundformen von Regelstrecken hinsichtlich ihres dynamischen Verhaltens und ihrer mathematischen Beschreibung untersucht. F¨ ur den Entwurf von Reglern, der in den nachfolgenden Kapiteln behandelt wird, ist die genaue Kenntnis der Parameter der Regelstrecke von großer Bedeutung. Daher sollen in diesem Abschnitt die verschiedenen M¨oglichkeiten der Ermittlung dieser Parameter der Regelstrecke kurz behandelt werden.

3.6.1

Analytische Berechnung der Parameter

Methode. Es werden bei der Bestimmung der Parameter, wie in den vorangehenden Abschnitten gezeigt, die Ansatzgleichungen f¨ ur die Strecke aufgestellt. Je nach der Art der Regelstrecke sind diese Ansatzgleichungen elektrische, mechanische, thermodynamische, pneumatische, chemische . . . Grundgleichungen. In diese Gleichungen gehen die bestimmenden Gr¨ oßen wie Widerstand R, Induktivit¨at L, Kapazit¨at C, Masse M, Federsteifigkeit c . . . ein, die zuvor zu ermitteln sind. Aus diesen Grundgleichungen wird dann durch Umformung und Normierung die Differentialgleichung der Regelstrecke mit den Parametern KS , KIS , T1 , T2 . . . berechnet. Je genauer die physikalischen Werte R, L, C . . . bekannt sind, umso genauer ergeben sich auch die regelungstechnischen ¨ Parameter KS , KIS , T1 , T2 . . ., die man als Ubertragungsbeiwerte und Zeitkonstanten bezeichnet. Diese Vorgehensweise ist bei mechanischen und elektrischen Regelstrecken meist m¨oglich. Die Ermittlung der physikalischen Parameter ist jedoch nicht immer problemlos, wenn man z. B. an eine Raumheizung denkt. Hier gehen die W¨arme¨ ubergangszahlen der beheizten R¨ aume, D¨ ammwerte von Mauerwerk und Fenstern, . . . ein, die nur ungenau bekannt sind. Bei derartigen Regelstrecken kann es g¨ unstiger sein, die nachfolgende Methode anzuwenden.

3.6.2

Parameterbestimmung aus der Sprungantwort

PT1 -Regelstrecke. Bei Regelstrecken niedriger Ordnung wie z. B. einer P-, PT1 -, I-, IT1 - und einer schwingungsf¨ ahigen PT2 -Strecke kann man die Parameter der Regelstrecke aus der Sprungantwort ermitteln. Abb. 3.38 zeigt die Sprungantwort einer derartigen PT1 -Strecke. Man kann direkt aus der Sprungantwort f¨ ur die bekannte Sprungh¨ohe ¨ des Eingangssignals x ˆe den Ubertragungsbeiwert KS und die Zeitkonstante T1 ablesen.  TS KS xˆe 6 c c xa (t) t-

Abbildung 3.38: Sprungantwort eines PT1 -Regelkreisgliedes

84

3 Regelstrecken

PT2 -Regelstrecke. Die gleiche Vorgehensweise kann auf eine schwingungsf¨ahige PT2 Strecke angewendet werden. Aus der Sprungantwort dieser PT2 -Strecke nach Gleichung 3.29, kann man z. B. gem¨ aß Abb. 3.39 den Verst¨arkungsfaktor KS , die verschiedenen ¨ Uberschwingwerte u ¨i sowie die Zeit Te ablesen. Mit den Abk¨ urzungen Λ1 = ln(¨ ui /¨ ui+2 ) bzw. Λ2 = ln(¨ ui /¨ ui+1 ) k¨ onnen dann die D¨ampfung D und die Kreisfrequenz ω0 mit Hilfe der nachfolgenden Gleichungen berechnet werden. xa (t) 6

6 u ¨1

KS xˆe

u ¨3 6 u ¨ ?2

 Te /2 -

t-

Abbildung 3.39: Sprungantwort eines PT2 -Gliedes

Es gelten die folgenden Beziehungen: Λ1 D=  4π 2 + Λ21 sowie ωe = 2π/Te

bzw.

bzw.

Λ2 D= . 2 π + Λ22

 ω0 = ωe / 1 − D 2 .

(3.91)

(3.92)

Aufgabe 3.19: Berechnen Sie die Formeln von Gleichung 3.91 und 3.92 aus der Sprungantwort von Gleichung 3.41 bzw. 3.42. 

3.6.3

Parameterbestimmung aus der Ortskurve

Vorgehensweise. Bei manchen technischen Anwendungen kann man die zu untersuchende Regelstrecke mit sinusf¨ ormigen Eingangssignalen von sehr niedrigen bis zu sehr hohen Frequenzen anregen. Aus der gemessenen Ausgangsamplitude und der Phasenverschiebung des Ausgangssignals im eingeschwungenen Zustand l¨asst sich die Ortskurve der Regelstrecke darstellen. Aus ausgezeichneten Werten dieser Ortskurve k¨onnen dann die gesuchten Parameter der Regelstrecke ermittelt werden. Dies soll zun¨ achst f¨ ur ein PT1 -Glied mit der nachfolgend in Abb. 3.40 gezeichneten Ortskurve gezeigt werden. F¨ ur die Anregung mit der Frequenz ω = 0 (konstanter Eingang) resultiert im eingeschwungenen Zustand das Ausgangssignal zu KS xˆe . Die bei der Frequenz ωE = 1/T1 auftretende Phasenverschiebung von 45◦ zwischen Ein- und Ausgangsschwingung f¨ uhrt zur Festlegung der Zeitkonstanten T1 . ¨ Ahnliche Beziehungen existieren f¨ ur das PT2 -Glied, welches mit sinusf¨ormigen Signalen angeregt wird. Die Ortskurve des PT2 -Gliedes wird in Abb. 3.41 gezeigt.

3.6 Modellbildung realer Regelstrecken Im(F ) 6

85 Re(F ) KS ω=0

KS 2

ω = ∞ @ 450 @ @ @ R @ − K2S ωE = 1/T1

ω

Abbildung 3.40: Ortskurve des PT1 Gliedes

6Im(F )

Re(F ) -

KS ω=∞

J 6 J J aJ

ω0

ω=0

J |F | J J ? J ^ J

ω

Abbildung 3.41: Ortskurve des PT2 Gliedes

Bei Anregung mit einem Signal der Frequenz ω = 0 (konstanter Eingang) liefert der ¨ konstante Endwert des Ausgangssignals den Ubertragungsbeiwert KS . Dann wird die Frequenz des Eingangssignals solange erh¨ oht, bis das Ausgangssignal dem Eingang um 90◦ nacheilt. Bei dieser Frequenz ω0 wird die Amplitude a des Ausgangssignals abgelesen. Mit diesen beiden Werten werden die Zeitkonstanten T1 und T2 des PT2 -Gliedes mithilfe der folgenden Gleichungen berechnet zu: T2 = 1/ω0

und

T1 = KS · T2 /a .

(3.93)

¨ Auch f¨ ur andere Ubertragungsglieder gibt es ¨ahnliche Beziehungen. Die Genauigkeit der berechneten Regelstreckenparameter h¨ angt von der Genauigkeit der Amplitudenund Phasenmessung ab.

3.6.4

Parameteridentifizierung

Vorgehensweise. Bei vielen Anwendungen versagen die oben behandelten Verfahren zur Ermittlung der Parameter der Regelstrecke. Es besteht dann jedoch immer noch die M¨ oglichkeit, die Regelstrecke mit einem Sprungeingang oder einem anderen Eingangssignal xe (t) anzuregen und die Systemantwort xa (t) aufzuzeichnen. Mit den Methoden der Parameteridentifizierung kann man dann aus den aufgezeichneten Messsignalen durch Minimierung eines Fehlerkriteriums die Parameter der Regelstrecke ermitteln. Die gesuchten Parameter der Regelstrecke werden dabei solange durch einen nummerischen Optimierungsalgorithmus ver¨ andert, bis der Fehler zwischen gemessenem Streckenausgang und berechnetem Modellausgang minimal ist. Je genauer die Messungen der Eingangs- und Ausgangssignale sind, umso besser werden die Streckenparameter berechnet.

86

3 Regelstrecken

Dies wird f¨ ur eine PDT3 -Regelstrecke gezeigt, die mit einem Sprungeingang x ˆe = 1 ¨ angeregt wird. Die Messdaten werden mit einem System mit der Ubertragungsfunktion FS (s) =

4+s , 1 + 4s + 2s2 + 3s3

(3.94)

erzeugt. Anschließend wird die Messung durch Signalrauschen verf¨alscht und ergibt dann die Messdaten xa (t) der Regelstrecke. ur den Eingangssprung x ˆe = 1 mit eiDie verrauschten Messdaten xa (t) werden f¨ nem Parameteridentifizierungsverfahren verarbeitet. Nach einigen Iterationsschritten hat das Verfahren die Modellparameter soweit modifiziert, dass der gemessene Ausgang xa (t) und der Ausgang des identifizierten Modells xm (t) sehr gut u ¨ bereinstimmen, wie Abb. 3.42 zeigt. 4.5

4

3.5

xa , xm

3

62.5 2

1.5

1

0.5

0

−0.5

0

5

10

15

20

- t/s

25

30

Abbildung 3.42: Ausgang der Regelstrecke xa (t) und des Modells xm (t) ¨ Das Identifizierungsprogramm hat im Rahmen der Modellanpassung eine Ubertragungsfunktion mit den folgenden Parametern berechnet:

FM (s) =

3,9970 + 1,2649s . 1 + 4,0019s + 2,0565s2 + 3,0016s3

(3.95)

Die Koeffizienten a0 , a1 . . . b0 , b1 des Modells stimmen nicht exakt, aber doch recht gut mit den Koeffizienten der echten“ Regelstrecke u ur diese Modelldaten ¨ berein. F¨ ” ist nun ein geeigneter Regler zu entwerfen. Der entworfene Regler wird dann an der echten Regelstrecke u uft und gegebenenfalls modifiziert. Die dabei anzuwendenden ¨ berpr¨ Methoden sind Themen der folgenden Kapitel.

4

Das Verhalten linearer Regelkreise

In diesem Kapitel wird das Verhalten linearer Regelkreise bestehend aus Regelstrecke und Regler untersucht. Nach der Erl¨ auterung der Grundstruktur des einschleifigen Regelkreises werden die Anforderungen an den Regelkreis formuliert. Es folgt die Darstellung der Realisierung der Grundformen der analogen und digitalen Regler. Diese Regler werden anschließend an verschiedenen einfachen Regelstrecken erprobt, und es werden die grunds¨ atzlichen Wirkungen der verschiedenen Reglertypen im Regelkreis analysiert.

4.1

Grundstruktur des einschleifigen Regelkreises

Definition. Die einf¨ uhrenden Untersuchungen in diesem Kapitel beschr¨anken sich auf die Analyse des einschleifigen Regelkreises. Ein derartiger Regelkreis besteht aus Regelstrecke, Regler, Messelement und einer R¨ uckf¨ uhrung (siehe Abb. 4.1). z2 ?

z1 w- j 6 6 −

FR (s)

− ? y - j

-

Regler

FS (s)

z3 − ? - j

x-

Regelstrecke

FM (s)



Sensor

Abbildung 4.1: Struktur des einschleifigen Regelkreises Auf den Regelkreis k¨ onnen St¨ orgr¨ oßen zi , wie in Abb. 4.1 gezeigt, an unterschiedlichen Stellen angreifen. Bei diesen einf¨ uhrenden Betrachtungen wird angenommen, dass nur die St¨ orgr¨ oße z1 einwirken soll. Diese St¨ orgr¨oße z1 wird dann nachfolgend als St¨orgr¨oße z bezeichnet. Weiterhin wird angenommen, dass der Sensor FM (s) der Regelgr¨oße hin” ¨ reichend“ genau und hinreichend“ schnell ist, so dass seine Ubertragungsfunktion zu ” FM (s) = 1 angenommen werden kann. Es liegt dann eine Einheitsr¨ uckf¨ uhrung vor. Diese Sensoranforderungen werden meist erf¨ ullt, ansonsten muss FM (s) in der R¨ uckf¨ uhrung ber¨ ucksichtigt werden. Somit wird f¨ ur die weiteren Untersuchungen in diesem Kapitel

88

4 Das Verhalten linearer Regelkreise

die folgende Grundstruktur des einschleifigen Regelkreises (Standardregelkreis) angenommen: z xd w - j - FR (s) − 6

− y ? - j - FS (s)

x Abbildung 4.2: dardregelkreis

Stan-

Die Verwendung zus¨ atzlicher R¨ uckf¨ uhrungen zur Verbesserung der Regelung der Regelgr¨ oße x(t), d. h. der so genannte mehrschleifige Regelkreis, wird in Abschnitt 8.5 behandelt. Die gleichzeitige Regelung mehrerer Regelgr¨oßen xi (t) ist Thema der Mehrgr¨oßenregelung [48].

4.2

Grundlegende Anforderungen an den Regelkreis

Grundforderungen. Die Entwurfsanforderungen an einen Regelkreis werden nachfolgend f¨ ur einen Standardregelkreis in der Struktur von Abb. 4.2 formuliert. Sie gelten in dieser Form auch f¨ ur andere Regelkreise mit beliebiger Struktur. Die Anforderungen lauten: 1. Der Regelkreis soll stabil sein. Ohne diese Hauptforderung ist die Erf¨ ullung weiterer Anforderungen nicht m¨ oglich, bzw. hinf¨allig. 2. Der Regelkreis soll ein gutes“ F¨ uhrungsverhalten aufweisen. D. h., nach Vor” gabe einer F¨ uhrungsgr¨ oße w(t) soll die Regelgr¨oße x(t) auf die F¨ uhrungsgr¨oße einschwingen. Dieser Einschwingvorgang ist n¨aher zu spezifizieren. Falls die F¨ uhrungsgr¨ oße zeitver¨ anderlich ist, soll die Regelgr¨oße der F¨ uhrungsgr¨oße folgen. 3. Der Regelkreis soll ein gutes“ St¨orverhalten aufweisen. D. h., der Einfluss ei” ner St¨ orung z(t) auf die Regelgr¨ oße x(t) soll gering sein. Dieser Einfluss wird beschrieben durch Gr¨ oßen eines Einschwingvorgangs. 4. Der Regelkreis soll robust sein. D. h., das dynamische Verhalten des Regelkreises soll m¨ oglichst unempfindlich gegen¨ uber Schwankungen von Parametern der Regelstrecke sein. Die obigen Forderungen werden anschließend n¨aher untersucht und quantifiziert.

4.2 Grundlegende Anforderungen an den Regelkreis

4.2.1

89

Stabilit¨at

Formulierung. Die Hauptforderung der Stabilit¨at des geschlossenen Regelkreises wird ausf¨ uhrlich in Kapitel 5 untersucht werden. Sie m¨ undet in Forderungen an die Lage der Pole des geschlossenen Regelkreises bzw. an den Verlauf der Nyquist-Ortskurve des aufgeschnittenen Regelkreises. F¨ ur einen Kreis ohne Totzeitglied m¨ ussen die Pole der charakteristischen Gleichung negativen Realteil aufweisen, damit der Regelkreis stabil ist. F¨ ur einen Kreis mit Totzeitglied muss der an die Nyquist-Ortskurve gezogene Fahrstrahl eine vorgeschriebene Winkel¨ anderung durchlaufen.

4.2.2

Fu ¨ hrungsverhalten

Station¨ are Genauigkeit. Die Forderung nach einem guten F¨ uhrungsverhalten kann man in einzelne Teilforderungen aufspalten. Die erste Teilforderung betrifft die station¨ are Genauigkeit der Regelgr¨ oße: Die Regelgr¨oße x(t) soll eine vorgegebene station¨are Genauigkeit aufweisen. Wird ein sprungf¨ ormiger Sollwert w  vorgegeben, so soll die Regelgr¨oße x(t) m¨oglichst genau auf den Sollwert w  einschwingen. Die Genauigkeit wird spezifiziert als Breite 2 · w  eines Fehlerbandes1 um den Sollwert w,  welches die Regelgr¨oße im eingeschwungenen Zustand erreichen soll (siehe Abb. 4.3). Dynamische Forderungen. Die weiteren Teilforderungen betreffen das dynamische Verhalten des Einschwingvorgangs. Dieses dynamische Verhalten wird durch Gr¨oßen der Sprungantwort f¨ ur eine sprungf¨ ormige F¨ uhrungsgr¨oße w  beschrieben, die in Abb. 4.3 dargestellt ist. In dieser Abbildung wird der Verlauf der Regelgr¨oße x(t) nach einem Sprung der F¨ uhrungsgr¨ oße w(t) durch die Gr¨oßen u ¨, TAn und TAus charakterisiert. x(t) 6

¨  u ) 6

w 

Fehlerband 2 · w  6 ?

 TAn TAus

t -

Abbildung 4.3: Sprungantwort der Regelgr¨oße nach einem F¨ uhrungssprung

−x(∞) ¨ Dabei bedeutet u ¨ = xM ax · 100% die maximale prozentuale Uberschwingweite x(∞) ¨ oder das maximale Uberschwingen (bezogen auf w).  Es ist TAn die Anregelzeit bis zum 1

Ein 5%-Fehlerband“ hat die Breite 2 · w, b also 10% von w. b ”

90

4 Das Verhalten linearer Regelkreise

erstmaligen Erreichen des Sollwertes w  und TAus die Ausregelzeit bis zum letztmaligen Erreichen des Fehlerbandes ± um den Sollwert w.  F¨ ur t > TAus verbleibt die Regelgr¨oße innerhalb des Fehlerbandes, wobei z. B. = 2 %, 5% oder 10 % betr¨agt. Als Forderung f¨ ur diese Gr¨ oßen gilt: ¨ Die Uberschwingweite der Regelgr¨oße, ihre An- und Ausregelzeit sollen innerhalb vorgegebener Schranken liegen. Diese Kenngr¨ oßen beschreiben die Schnelligkeit des Einschwingvorgangs und sein D¨amp¨ fungsverhalten (Uberschwingweite). Im Allgemeinen soll der Regelkreis m¨oglichst schnell sein und m¨ oglichst wenig u ¨ berschwingen. F¨ uhrungs¨ ubertragungsfunktion. Die Untersuchung des F¨ uhrungsverhaltens des geschlossenen Regelkreises nach Abb. 4.2 und die Analyse der obigen Entwurfsanforderungen geschieht unter Verwendung der so genannten F¨ uhrungs¨ ubertragungsfunktion FW (s) = X(s)/W (s). Darin sind W (s) die Laplace-transformierte F¨ uhrungsgr¨oße2 w(t) und X(s) die Laplace-transformierte Regelgr¨oße x(t), wobei z(t) ≡ 0 ist. Zur Berechnung dieser F¨ uhrungs¨ ubertragungsfunktion wird Gleichung 2.52 der Kreis¨ ubertragungsfunktion herangezogen:

F (s) =

Fv (s) 1 + Fv (s) · Fr (s)

(4.1)

¨ mit Fv und Fr als Ubertragungsfunktionen des Vorw¨artszweiges und R¨ uckw¨artszweiges. In Abb. 4.2 ist das Vorw¨ artsglied Fv (s) = FR (s) · FS (s) und das R¨ uckw¨artsglied ist gleich 1. Somit lautet die F¨ uhrungs¨ ubertragungsfunktion des geschlossenen Regelkreises von Abb. 4.2

FW (s) =

FR (s) · FS (s) X(s) = . W (s) 1 + FR (s) · FS (s)

(4.2)

Rampenf¨ ormige F¨ uhrungsgr¨ oße . Die bisher aufgestellten Entwurfsforderungen f¨ ur ein gutes F¨ uhrungsverhalten gelten f¨ ur eine sprungf¨ormige F¨ uhrungsgr¨oße w, d. h. f¨ ur die so genannte Festwertregelung. Soll die Regelgr¨oße x(t) einer ver¨anderlichen F¨ uhrungsgr¨ oße w(t) folgen, so spricht man von einer Folgeregelung. Die Zeitverl¨aufe der F¨ uhrungsgr¨ oße w(t) sind anwendungsspezifisch. In der Regelungstechnik w¨ ahlt man als Bezugsgr¨oße zur Reglerauslegung f¨ ur die F¨ uhrungsgr¨ oße h¨ aufig ein rampenf¨ ormiges Signal w(t) = c · t mit c als Integrierbeiwert. Ist w(t) der Verlauf der Sollposition, so ist c gleich der Sollgeschwindigkeit V . Kann die Regelgr¨ oße x(t) dem Sollwert w(t) nach Abklingen eines Einschwingvorgangs nicht exakt folgen, so tritt ein Folgefehler (oder Schleppfehler) µ auf (siehe Abb. 4.4). 2

Es gilt somit W (s) = L{w(t)} und X(s) = L{x(t)}.

4.2 Grundlegende Anforderungen an den Regelkreis

91

25

20

15

x,w(t) 6

µ

Abbildung 4.4: F¨ uhrungsgr¨oße w(t) und Rampenantwort der Regelgr¨oße x(t)

10

5

0

0

2

4

6

8

10

-

12

14

16

18

20

t

Bei einer Positionsregelung wird der Schleppfehler µ bezogen auf die Geschwindigkeit V des F¨ uhrungssignals w(t) und durch den KV -Wert beschrieben. Man definiert KV =

V µ

bzw.

µ=

V . KV

(4.3)

F¨ ur Folgeregelungen formuliert man dann als Entwurfsanforderung einen Maximalwert des Schleppfehlers bzw. einen Mindestwert von KV : F¨ ur eine Folgeregelung soll der Schleppfehler einen gegebenen Maximalwert nicht ¨ uberschreiten, bzw. der KV -Wert soll einen Mindestwert aufweisen. ¨ Die dynamischen Anforderungen f¨ ur den Ubergangsvorgang k¨onnen ¨ahnlich wie bei den Festwertregelungen erfolgen.

4.2.3

St¨orverhalten

Station¨ are Genauigkeit. Wie beim F¨ uhrungsverhalten unterscheidet man zwischen den station¨ aren und den dynamischen Anforderungen an das St¨orverhalten eines Regelkreises. Bez¨ uglich der station¨aren Genauigkeit gilt: Die Regelgr¨oße soll eine vorgegebene station¨are Genauigkeit aufweisen. Diese Forderung bezieht sich beim St¨ orverhalten auf die Einwirkung der St¨orgr¨oße z(t). Nach Einwirkung einer konstanten St¨ orgr¨ oße der Amplitude z, soll die Regelgr¨oße x(∞) im eingeschwungenen Zustand m¨ oglichst wenig vom Sollwert w  abweichen. Die zul¨assige Abweichung wird wieder durch ein Fehlerband beschrieben (siehe Abb. 4.5).

92

4 Das Verhalten linearer Regelkreise

x(t) 6

Fehlerband 2 · w  6

w 

? u ¨ ? t -

TAus-

Abbildung 4.5: Einschwingvorgang der Regelgr¨oße x(t) nach einem Sprung der St¨orgr¨oße z(t)

Dynamische Anforderungen. Die dynamischen Anforderungen an das St¨orverhalten werden ebenfalls anhand des Einschwingvorgangs der Regelgr¨oße nach einer sprungf¨ormig einwirkenden St¨ orgr¨ oße z(t) = z σ(t) beschrieben. Die obige Abb. 4.5 zeigt das Einschwingverhalten der Regelgr¨ oße, oder besser R¨ uckschwingen“ der Regelgr¨oße x(t) ” auf den Sollwert w, ˆ nach dem Einwirken der sprungf¨ormigen St¨orgr¨oße. ¨ ¨ Das Uberschwingen wird wieder durch die maximale prozentuale Uberschwingweite w−x b 3 M in u¨ = · 100% gekennzeichnet . Die Zeit bis zum letztmaligen Eintreten in das w b Fehlerband bezeichnet man als Ausregelzeit TAus . Eine Anregelzeit ist beim St¨orverhalten nicht definiert. Zur Unterscheidung dieser Gr¨oßen von denen des F¨ uhrungsverhaltens kann eine Indizierung mit W“ f¨ ur F¨ uhrung und Z“ f¨ ur St¨orung erfolgen. ” ” Die dynamischen Anforderungen an die Regelgr¨oße beim St¨orverhalten lauten: ¨ Die Uberschwingweite der Regelgr¨oße und ihre Ausregelzeit sollen innerhalb vorgegebener Schranken liegen. St¨ or¨ ubertragungsfunktion. Die Untersuchung des St¨orverhaltens des geschlossenen Regelkreises nach Abb. 4.2 und die Analyse der obigen Entwurfsanforderungen geschieht unter Verwendung der St¨or¨ ubertragungsfunktion FZ (s) = X(s)/Z(s) mit Z(s) als Laplace-transformierter St¨ orgr¨ oße4 wobei w(t) ≡ 0 ist. Zur Berechnung dieser St¨oru ubertragungsfunktion her¨bertragungsfunktion wird wieder Gleichung 2.52 der Kreis¨ angezogen:

F (s) =

Fv (s) 1 + Fv (s) · Fr (s)

(4.4)

¨ mit Fv und Fr als Ubertragungsfunktionen des Vorw¨artszweiges und R¨ uckw¨artszweiges. Aus Abb. 4.2 entnimmt man f¨ ur die Berechnung der St¨or¨ ubertragungsfunktion das 3 ¨ Korrekterweise m¨ usste man dieses Uberschwingen eigentlich als Unterschwingen bezeichnen, da die St¨ orgr¨ oße negativ auf den Regelkreis einwirkt. Bei positiv einwirkender St¨ orgr¨ oße −w b · 100%. zb gilt die Definition u ¨ = xM ax w b 4 Es gilt somit Z(s) = L{z(t)}.

4.3 Realisierung elektrischer Regler

93

Vorw¨ artsglied zu Fv (s) = FS (s) und das R¨ uckw¨artsglied zu FR (s). Da die St¨orgr¨oße negativ einwirkt, lautet die St¨or¨ ubertragungsfunktion des geschlossenen Regelkreises von Abb. 4.2

FZ (s) =

4.2.4

−FS (s) X(s) = . Z(s) 1 + FR (s) · FS (s)

(4.5)

Robustheit

Definition. Regelstrecken besitzen h¨ aufig die unangenehme Eigenschaft, dass sich im Laufe des Betriebs ihre Parameter a ur sind die Erw¨armung des ¨ndern. Beispiele hierf¨ Ankerwiderstandes eines Gleichstrommotors im Betrieb, die Drift eines elektronischen Verst¨ arkers, die Abnahme der Transportmasse eines Fahrzeugs infolge Treibstoffverbrennung, die Zunahme des Tr¨ agheitsmoments eines Mediums in einer Zentrifuge usw. Ein Ziel der Regelung ist die Reduzierung dieses Einflusses von Parameter¨anderungen auf das F¨ uhrungs- und/oder St¨ orverhalten m¨oglichst ohne eine messtechnische Erfas¨ sung dieser Anderungen. Die Formulierung der Entwurfsanforderungen bez¨ uglich der Robustheit kann somit lauten: Die Auswirkung von Parameter¨anderungen auf die Entwurfsanforderungen ¨ z. B. bez¨ uglich Uberschwingen, Anregelzeit oder Ausregelzeit soll m¨oglichst gering sein. F¨ ur den Reglerentwurf zur Erf¨ ullung dieser Entwurfsanforderungen sind die Methode von Abschnitt 8.4.3 sowie die in Kapitel 13 vorgestellten nummerischen Entwurfswerkzeuge sehr gut geeignet. Ausf¨ uhrlich behandelt wird der Entwurf robuster Regler in [1], [16], [37] und [34]. Auch die Verfahren zum Entwurf Selbsteinstellender Regler“ (Self ” Tuning Regulator) sind hier einsetzbar [12].

4.3

Realisierung elektrischer Regler

Klassifizierung. Die Realisierung eines Reglers kann durch elektrische, pneumatische, hydraulische . . . Komponenten geschehen. Hier soll allein die Realisierung elektrischer Regler untersucht werden, da derartige Regler am meisten verbreitet sind. ¨ Ahnlich wie die Regelstrecken klassifiziert man die Regler nach ihrem dynamischen Verhalten. Damit unterscheidet man Regler mit proportionalem, integrierendem und differenzierendem Verhalten. Weitere Streckeneigenschaften wie Totzeit- und Allpassverhalten sind, wie sp¨ ater gezeigt wird, aufgrund ihrer destabilisierenden Wirkung f¨ ur das dynamische Verhalten eines Reglers ungeeignet. Diese drei Eigenschaften, proportionales, integrierendes und differenzierendes Verhalten sind wie bei den Regelstrecken auch bei den Reglern h¨ aufig gemeinsam anzutreffen. W¨ahrend die Regelstrecke das jeweilige Verhalten als systemimmanentes Verhalten aufweist, wird dem Regler aufgrund ¨ regelungstechnischer Uberlegungen das jeweilige Verhalten gezielt gegeben.

94

4 Das Verhalten linearer Regelkreise

4.3.1

Analoger Regler

Operationsverst¨ arker. Der zentrale Baustein in der modernen analogen Schaltungstechnik ist der Operationsverst¨ arker. Er verst¨arkt mit einem Verst¨arkungsfaktor V > 104 die Differenz zwischen der angelegten positiven und negativen Eingangsspannung. Abb. 4.6 zeigt die Prinzipschaltung und die Ein-/Ausgangskennlinie eines derartigen Operationsverst¨ arkers, der oft als Differenzverst¨arker aufgebaut ist. Zur Erzielung hoher Differenzverst¨ arkungen V werden die Operationsverst¨arker als mehrstufige Verst¨ arker (wie z. B. der µA 741 Operationsverst¨arker) mit Eingangsdifferenzverst¨ arker, Darlington-Transistor und zwei Transistoren in Emitterschaltung als Ausgangsstufe betrieben.

10V

ua 6

S¨attigung

UB

d ue1

d ue2 ?d?

? Q −15V −Q Q uD ?+ V  +15V  UB ?

d 0,1mV

ua

uD -

d?

Abbildung 4.6: Prinzipschaltbild und Kennlinie eines Operationsverst¨arkers Die universelle Verwendungsm¨ oglichkeit des Operationsverst¨arkers beruht auf der Beschaltung des Verst¨ arkers durch ausgesuchte Ein- und Ausgangsnetzwerke. Dabei wird der positive Eingang des Verst¨ arkers auf Masse gelegt. Abb. 4.7 zeigt einen beschalteten Operationsverst¨ arker mit einem beliebigen Eingangsnetzwerk Ze und einem beliebigen Ausgangsnetzwerk Zr . Mit Z wird dabei der komplexe Scheinwiderstand (Impedanz) eines Netzwerks bezeichnet. I r Ie d Ue ? d

Ze

IB HH -− H H UD  ? +   t

Zr

d Ua ? d

Abbildung 4.7: R¨ uckgekoppelter Operationsverst¨arker (U , I Wechselstromzeiger)

4.3 Realisierung elektrischer Regler

95

Die Anwendung der Kirchhoffschen S¨ atze liefert f¨ ur dieses Netzwerk mit U und I als Wechselstromzeiger Ue Ua Ua IB

= = = =

Ie · Ze + UD Ir · Zr + UD −V · UD Ie + Ir .

Da der Basisstrom IB ≈ 0 ist, gilt Ie ≈ −Ir . Mit Ue − UD Ua − UD = Ie = −Ir = − Ze Zr ¨ resultiert dann f¨ ur das Ubertragungsverhalten Ua Zr . =− Ue Ze + (Ze + Zr )/V Da der Operationsverst¨ arker einen großen Verst¨arkungsfaktor V (≥ 104 ) aufweist, ver¨ einfacht sich das Ubertragungsverhalten des r¨ uckgekoppelten Verst¨arkers zu: F (jω) =

Ua (jω) Zr (jω) ≈− . Ue (jω) Ze (jω)

¨ Durch Ersetzen des Terms jω durch die Laplace-Variable s ergibt sich dann die Ubertragungsfunktion des Ein-/Ausgangsverhaltens des Operationsverst¨arkers mit Ue (s) als Laplace-transformierter Eingangsspannung und Ua (s) als Laplace-transformierter Ausgangsspannung zu F (s) =

Zr (s) Ua (s) =− . Ue (s) Ze (s)

Dabei ist die Vorzeichenumkehr des Eingangssignals zu beachten. Regler mit proportionalem Verhalten (P-Regler). W¨ahlt man als Ein- und Ausgangsnetzwerk Ohmsche Widerst¨ ande Ze = Re und Zr = Rr , dann weist der r¨ uck¨ gekoppelte Operationsverst¨ arker ein proportionales Ubertragungsverhalten auf: FP (s) =

Rr Ua (s) =− = −KP . Ue (s) Re

Der Verst¨arkungsfaktor (Proportionalbeiwert) betr¨agt damit KP = Rr /Re .

96

4 Das Verhalten linearer Regelkreise

Regler mit integrierendem Verhalten (I-Regler). W¨ahlt man als Eingangsnetzwerk einen Ohmschen Widerstand Re und als Ausgangsnetzwerk einen Kondensator Zr (jω) = 1/(jωCr ) (d. h. Zr (s) = 1/(sCr )), dann weist der r¨ uckgekoppelte Operationsverst¨ arker ein integrierendes Verhalten auf: FI (s) =

1 1 Ua (s) KI =− =− . =− Ue (s) s · Re Cr s TI · s

Der Integrierbeiwert KI wird u ¨ ber die Wahl von Widerstand und Kondensator festgelegt zu KI = 1/(Re · Cr ). Die Gr¨ oße TI = 1/KI = Re · Cr wird auch als Integrierzeit bezeichnet. Regler mit differenzierendem Verhalten (DTD -Regler). Wie bei den Regelstrecken ist ein ideales differenzierendes Verhalten nicht realisierbar; die Ableitung eines Eingangssignals erfolgt immer mit einer Verz¨ogerung TD“. Diese verz¨ogerte Differen” tiation wird erreicht durch eine RC-Reihenschaltung als Eingangsnetzwerk und einen Ohmschen Widerstand als Ausgangsnetzwerk. Mit Ze (jω) = Re +1/(jωCe ) und Zr = Rr ¨ resultiert dann als Ubertragungsverhalten: FD (s) =

Rr Ce · s Ua (s) KD · s =− . =− Ue (s) 1 + s · Re Ce 1 + TD · s

(KD = Differenzierbeiwert)

¨ ¨ ¨ ein SumUberlagerung der Ubertragungseigenschaften (PIDTD -Regler). Uber mationsnetzwerk werden die Ausgangssignale der obigen drei Regler aufsummiert und ergeben die in Abb. 4.8 gezeigte Gesamtschaltung eines Reglers mit proportionalem, integrierendem und differenzierendem Verhalten (PIDTD -Regler). Rr1 d

Re1

d

Re2

Z −Z + 

d Cr2

d ue ? d

Z −Z + 

d d

d

Rr3 d

Re3 Ce3

Z −Z + 

d

R R R

R Z −Z + 

d u ?a d

d

Abbildung 4.8: Regler mit proportionalem, integrierendem und differenzierendem Verhalten - PIDTD -Regler ¨ Die Ubertragungsfunktion des Reglers von Abb. 4.8 lautet: F (s) =

KD · s KI Ua (s) = KP + + . Ue (s) s 1 + TD · s

(4.6)

4.3 Realisierung elektrischer Regler

97

Aufgabe 4.1: Ein PIDTD -Regler soll durch r¨ uckgekoppelte Operationsverst¨arker realisiert werden. Bauelemente mit den folgenden Werten sind gegeben: Re1 = Re2 = Rr3 = 100 kΩ; Cr2 = 5 µF; Ce3 = 1 µF;

Re3 = 10 kΩ; R = 100 kΩ;

Rr1 = 1 MΩ;

Berechnen Sie KP , KI , KD sowie TD . L¨ osung: KP = 10; KI = 2 s−1 ; KD = 0,1 s; TD = 0,01 s



Sprungantwort. F¨ ur eine sprungf¨ ormige Eingangsspannung der Amplitude u ˆe resultiert f¨ ur den PIDTD -Regler die in Abb. 4.9 gezeigte Sprungantwort. Zum Zeitpunkt Null springt“ die Ausgangsspannung infolge der Differentiation auf den Maximalwert. Sie ” klingt dann nach der Zeit t > TD auf ihren Minimalwert ab, bevor sie dann infolge der Integrationswirkung monoton weiter ansteigt. Die obere Grenze der Ausgangsspannung ist durch die Versorgungsspannung des Operationsverst¨arkers von ca. 15 V vorgegeben. Der Linearit¨ atsbereich endet bei ca. 10 bis 12 V Ausgangsspannung.  

ua (t) 6 6 K u ˆe (KP + T D D

C C )



 

ua (t)





C



 

C   - TD   0  ? - KP /KI 

4.3.2

6 K

ˆe Pu

?

t -

Abbildung 4.9: Sprungantwort des PIDTD -Reglers

Digitaler Regler

Mikrocontroller. Der zentrale Baustein der digitalen Signalverarbeitung ist der Mikrocontroller, in ihm werden Signale digital verarbeitet. Da die in einem Regelkreis auftretenden Signale jedoch analoge Signale sind, ist zuvor eine Wandlung des Eingangssignals xe (t) erforderlich. Die Eingangssignale eines Mikrocontrollers werden somit einer Analog/Digital-Wandlung unterworfen. Die digitalen Signale (Zahlen) werden dann im Prozessor verarbeitet, d. h. miteinander multipliziert, addiert, dividiert . . . Der Regler ist somit als Gleichung im Mikroprozessor programmiert. Die Verarbeitungsgeschwindigkeit der Signale h¨ angt von der Taktzeit des Prozessors ab. Nach der Berechnung des Ausgangssignals xa (t) (Stellgr¨ oße) wird dieses dann wieder in ein analoges Signal gewandelt (D/A-Wandlung) und bis zur Berechnung des n¨achsten Ausgangssignals als konstantes Ausgangssignal ausgegeben5 . Die Ausgangssignale des Mikrocontrollers weisen somit einen treppenf¨ ormigen Verlauf auf, die Eingangssignale sind jedoch stetige 5

Oft wird anstelle eines konstanten Ausgangssignals eine pulsbreiten-modulierte Spannung vom Mikrocontroller ausgegeben.

98

4 Das Verhalten linearer Regelkreise

analoge Signale. Abb. 4.10 verdeutlich schematisch die Signalverarbeitung in einem Mikrocontroller. xa (kT )

Regelalgorithmus: - xa (kT )=a0 ·xa (kT −T )+ + a1 ·xa (kT −2T ) + b0 ·xe (kT )+...

..

6 6 6 6 6 6 6kT 6     Speicher - D/A -

Wandler

x ¯a (t) 6 -

t

? x¯a (t) -

- Halteglied

Mikrocontroller xe (kT )

   xe (kT )  6 6 kT 6 6 6 6 6 6 -

A/D Wandler

ωT ? b db d

 xe (kT )







6 6 kT 6 6 6 6 6 6 -

xe (t)

xe (t)

6



 

-

t

Abbildung 4.10: Mikrocontroller als Regler In Abb. 4.10 treten Signale xe und xa auf, die durch Impulse (Pfeile) gekennzeichnet sind. Sie stellen Signale dar, die nur zu den Abtastzeitpunkten definiert sind. Die Abtastzeit ist das Zeitintervall, in dem der Prozessor einen neuen Ausgabewert xa berechnet. In diesem Zeitabstand wird ein neuer Wert des Eingangssignals xe eingegeben. Diese Eingabe wird durch den Abtaster, gekennzeichnet durch einen Schalter mit der Frequenzangabe ωT , gesteuert. Auch das Ausgangssignal xa wird f¨ ur diese Zeitdauer durch ein Halteglied konstant gehalten und ergibt die gezeigte Treppenkurve (siehe auch Abb. 4.11 mit der Sprungantwort eines PIDTD -Reglers). Die Abtastzeit T bzw. Abtastfrequenz ωT hat in der digitalen Regelung einen bestimmenden Einfluss. Die mit xe (kT ) und xa (kT ) gekennzeichneten Signale sind Signale, die nur zu diesen Abtastzeitpunkten kT definiert sind. Der Regelalgorithmus (Gleichung des Reglers) verarbeitet diese Signale zu den Abtastzeitpunkten, da er nur eine endliche Rechengeschwindigkeit besitzt. Die Festlegung dieser Abtastzeit T h¨ angt von dem zu regelnden Prozess ab. So reicht es z. B. bei der Temperaturregelung eines Raumes aus, dem Regler alle paar Sekunden eine neue gemessene Temperatur mitzuteilen, die dann zur Berechnung eines neuen Stellsignals verwendet wird. Bei der Drehzahlregelung eines Motors muss jedoch ungef¨ ahr im Millisekundenabstand eine Drehzahlmessung f¨ ur die Berechnung eines neuen Stellsignals (Ankerspannung) vorliegen. Die Abtastzeit des Mikrocontrollers muss somit deutlich schneller als die dominierenden Zeitkonstanten des Regelkreises sein. Im

4.3 Realisierung elektrischer Regler

99

35

30

xa (kT ) 25 6 20

15

Abbildung 4.11: Sprungantwort eines digitalen PIDTD Reglers

10

5

0

0

1

2

3

-

4

5

6

t=k·T

Allgemeinen wird verlangt, dass die Abtastfrequenz ωT ca. 6- bis 10-mal gr¨oßer als die h¨ ochste im System vorkommende Frequenz sein soll. Speicherprogrammierbare Steuerungen (SPS). W¨ahrend in einem Mikrocontroller u ¨ber den Interrupt-Timer die Abtastfrequenz nahezu beliebig eingestellt werden kann, ist sie bei den speicherprogrammierbaren Steuerungen (SPS), dem zweiten großen Einsatzbereich digitaler Regelungen, meist fest vorgegeben. Speicherprogrammierbare Steuerungen werden in erster Linie zur Steuerung von dynamischen Prozessen in der Automatisierungstechnik verwendet. Da eng verbunden mit der Steuerung von Prozessen oft auch eine Regelung notwendig ist, enth¨alt eine SPS meist auch ein Reglermodul, bestehend wiederum aus einem Mikrocontroller mit Wandlern. Die Abtastzeit einer SPS ist oft fest vorgegeben mit z. B. 10 ms oder 40 ms. Ermittlung der Reglergleichung. In einem Mikrocontroller werden die zur Regelung eines Prozesses ben¨ otigten Signale in der Reglergleichung mittels Addition, Multiplikation . . . verarbeitet. Eine einfache Methode zur Ermittlung dieser Reglergleichung besteht in der Anwendung des R¨ uckw¨ artsdifferenzenquotienten der Differentialrechnung. Dies soll nachfolgend am Beispiel eines Reglers mit einem P- und einem I-Anteil, also einem PI-Regler gezeigt werden. ¨ Die Ubertragungsfunktion eines PI-Reglers enth¨alt nur einen proportionalen und einen integrierenden Anteil. Nach Weglassen des differenzierenden Anteils in Gleichung 4.6 ¨ lautet die Ubertragungsfunktion eines PI-Reglers somit F (s) =

Xa (s) KI = KP + . Xe (s) s

Hieraus erh¨ alt man die folgende Gleichung im Laplace-Bereich: Xa (s) = KP Xe (s) +

KI Xe (s) s

100

4 Das Verhalten linearer Regelkreise

bzw. nach Multiplikation mit s: sXa (s) = KP sXe (s) + KI Xe (s) . Die R¨ ucktransformation dieser Gleichung vom Laplace-Bereich in den Zeitbereich ergibt die Differentialgleichung x˙ a (t) = KP x˙ e (t) + KI xe (t) .

(4.7)

Ersetzt man die Differentiation eines Signals durch seinen linksseitigen Grenzwert, den so genannten R¨ uckw¨artsdifferenzenquotienten und ersetzt weiterhin die Zeit t durch kT und ∆t durch T , so resultiert: dx(t) x(t) − x(t − ∆t) x(kT ) − x(kT − T ) = lim ≈ . ∆t→0 dt ∆t T

(4.8)

Dieser Differenzenquotient wird nun in Gleichung 4.7 verwendet: xe (kT ) − xe (kT − T ) xa (kT ) − xa (kT − T ) = KP + KI xe (kT ) . T T Nach kurzer Zwischenrechnung erh¨ alt man hieraus die Reglergleichung des PI-Reglers zu: xa (kT ) = xa (kT − T ) + KP · [xe (kT ) − xe (kT − T )] + KI T · xe (kT ) . Die Verarbeitung dieser Reglergleichung im Mikroprozessor und Ausgabe der Signale xa (kT ) zu den Abtastzeitpunkten, ergibt die Antwort eines PI-Reglers auf die Eingangssignale xe (kT ). F¨ ur viele praktische Anwendungen reichen diese groben Richtlinien f¨ ur die Verwendung digitaler Regler aus, ohne weiter in die Theorie der digitalen Regelung einsteigen zu m¨ ussen. Bei Einhaltung der Empfehlungen hinsichtlich der Abtastfrequenz ωT ist es weitgehend belanglos, ob der eingesetzte Regler ein analoger oder digitaler Regler ist. Ausf¨ uhrlich behandelt wird die digitale Regelung in [48]. Die nebenstehende Abbildung zeigt einen typischen industriellen Kompaktegler in Einschubbauweise mit analoger Anzeige des Soll- und Istwertes. Die Anschl¨ usse der Verkabelung befinden sich auf der R¨ uckseite.

Abbildung 4.12: Typischer industrieller Regler c Bildquelle: Siemens AG 2007

4.4 Regelung einer PT1 -Strecke

4.4

101

Regelung einer PT1-Strecke

Modell der Regelstrecke. Als Beispiele f¨ ur proportionale Strecken mit einer Verz¨ogerung 1. Ordnung werden in Abschnitt 3.1.2 Druck- und einfache Temperaturregelstrecken aufgef¨ uhrt. Die Beschreibung derartiger Strecken durch ein PT1 -Glied stellt meist nur eine N¨ aherung dar, die aber f¨ ur prinzipielle Betrachtungen durchaus ausreichend ist. Eine derartige Strecke soll mit verschiedenen Reglern geregelt werden um die grunds¨atzliche Wirkung dieser Regler kennen zu lernen. Der betrachtete Temperaturregelkreis soll das in Abb. 4.13 gezeigte Aussehen haben. Sollwert    S  Verst¨ arker y(t)

Regler

x(t) 2j

1j

 HH

Heizkessel ' 

Temperatursignal

Verst¨ arker

 Bimetall LL LL LLLLLL &

$

ϑa

%

HH 

Abbildung 4.13: Temperaturregelkreis Ein (isoliertes) Thermoelement dient als Messelement f¨ ur die Temperatur ϑa . Aufgrund der geringen Ausgangsspannung muss diese in einem Verst¨arker auf einen Normsignalbereich (z. B. 0 . . . 10 V) verst¨ arkt werden. Der anschließende analoge oder digitale Regler verarbeitet entsprechend seiner Charakteristik die Differenz zwischen Sollwert und Messsignal und liefert das Stellsignal y(t). Der Soll-/Istwertvergleich wird beim analogen Regler als Signaldifferenz u ¨ ber einen Operationsverst¨arker oder beim digitalen Regler als Subtraktion einer Zahl durchgef¨ uhrt. Das Stellsignal (hier Ausgangsspannung) wird u arker zur Ansteuerung der Heizspirale verwendet. ¨ ber einen Leistungsverst¨ Aus der Sprungantwort der Regelstrecke (einschließlich Thermoelement und den beiden Verst¨ arkern), die von Punkt 1 nach Punkt 2 gemessen wird und die (stark vereinfacht) ¨ den Verlauf von Abb. 3.7 aufweisen soll, kann man den Ubertragungsbeiwert KS und die Zeitkonstante T1 der Strecke ablesen.

4.4.1

P-Regler

Regelkreis. F¨ ur die regelungstechnische Untersuchung dieser Regelanlage werden die ¨ einzelnen Baugruppen dann als Bl¨ ocke in einem Regelkreis dargestellt. Im Ubertragungsbeiwert KS der Regelstrecke sind die Umrechnungsfaktoren von Temperatur auf

102

4 Das Verhalten linearer Regelkreise

Spannung, eventuelle Verst¨ arkungen und Pegelumsetzungen enthalten. T1 ist die aus der Sprungantwort ausgemessene Zeitkonstante des Aufheizvorgangs. KP xd w - j − 6

z

KS − y ? - j -

T1 x -

Abbildung 4.14: Regelkreis mit P-Regler und PT1 -Strecke

Der eingesetzte P-Regler ist ein reiner proportionaler Verst¨arker mit dem Verst¨arkungsahlbar ist. Ein derartiger P-Regler, aufgebaut als Operationsverfaktor KP , der frei w¨ st¨ arkerschaltung oder als digitaler Regler soll f¨ ur die Temperaturregelung des Heizkes¨ sels eingesetzt werden. F¨ ur dieses proportionale Ubertragungsverhalten vereinfachen sich die Schaltungen bzw. Gleichungen des Reglers von Abb. 4.8 bzw. Gleichung 4.6 auf den reinen proportionalen Signalkanal. F¨ uhrungsverhalten des Regelkreises. Als erstes wird das F¨ uhrungsverhalten des ¨ Regelkreises mithilfe der F¨ uhrungs¨ ubertragungsfunktion untersucht. Mit den UbertraKS , gungsfunktionen vom Regler, FR (s) = KP , und von der Regelstrecke, FS (s) = 1 + T1 s berechnet man mithilfe von Gleichung 4.2 dann als F¨ uhrungs¨ ubertragungsfunktion f¨ ur den geschlossenen Regelkreis Kp KS

FW (s) =

KW X(s) KP · KS 1s = 1+T = , = K K p S W (s) (1 + KP KS ) + T1 s 1 + TW s 1 + 1+T1 s

(4.9)

mit KW = KP KS /(1 + KP KS ) und TW = T1 /(1 + KP KS ). Der Verlauf f¨ ur x(t) f¨ ur ein sprungf¨ ormiges F¨ uhrungssignal w(t) = w ˆ · σ(t) soll auf zwei Arten berechnet werden. ¨ 1. Berechnung der Sprungantwort mithilfe der Differentialgleichung. Die Ubertragungs¨ funktion von Gleichung 4.9 ist in der Form identisch zur Ubertragungsfunktion des PT1 Gliedes von Gleichung 3.8. Aufgrund dieser Identit¨at ergibt sich dann der Zeitverlauf der Regelgr¨ oße x(t) bei einem Sprungeingang w(t) = w ˆ · σ(t), analog zu Gleichung 3.9 zu x(t) = KW w ˆ · (1 − e−t/TW ) ,

(4.10)

mit KW = KP KS /(1 + KP KS ) und TW = T1 /(1 + KP KS ). ˆ und nicht dem Wert w ˆ des F¨ ur t → ∞ n¨ ahert sich die Regelgr¨ oße x(t) dem Wert KW · w F¨ uhrungssignals. Es tritt somit f¨ ur t → ∞ eine bleibende Regeldifferenz6 xd,W (∞) = 0 auf.   w ˆ KP KS = xd,W (∞) = w(∞) − x(∞) = w ˆ· 1− . (4.11) 1 + KP KS 1 + KP KS

4.4 Regelung einer PT1 -Strecke

w ˆ KW w ˆ

x(t) 6  TW -

103 ?

xd,W (∞)

c c x(t)

6

Abbildung 4.15: Verlauf der Regelgr¨oße x(t) f¨ ur einen Sprungeingang w(t) = w ˆ σ(t)

t-

Die Regelgr¨ oße x(t) erreicht den Sollwert w ˆ nicht. Je gr¨oßer der Verst¨arkungsfaktor KP des Reglers, umso kleiner wird die Regeldifferenz. Es liegt nahe, den Verst¨arkungsfaktor KP des Reglers soweit zu vergr¨ oßern, dass die Gr¨oße der Regeldifferenz verschwindend klein wird. Berechnet man jedoch den Verlauf des Stellsignals y(t) so erh¨alt man ˆ − x(t)) = y(t) = KP · xd (t) = KP · (w(t) − x(t)) = KP · (w   ˆ · 1 − KW (1 − e−t/TW ) . = KP w Zum Zeitpunkt t = 0+ , d. h. um eine infinitesimale Zeit + nach dem Sprung des Sollwertes zum Zeitpunkt t = 0, wird die Stellgr¨oße damit y(0+ ) = KP w, ˆ also sehr groß. F¨ ur praktische Anwendungen ist eine sehr große Stellgr¨oße jedoch ungeeignet, da die Stelleinrichtung (Leistungsverst¨ arker, Stellventil, Stellmotor, . . .) nicht beliebig große Stellsignale liefern kann. ¨ Man kann ebenso die Anderungsgeschwindigkeit x(t) ˙ der Regelgr¨oße x(t) berechnen. Die Ableitung von x(t) nach der Zeit ergibt x(t) ˙ =w ˆ·

KW −t/TW ·e . TW

¨ x(0 ˙ +) = w ˆ · KW /TW = Zum Zeitpunkt t = 0+ wird die Anderungsgeschwindigkeit wK ˆ P KS /T1 , also f¨ ur ein großes KP ebenfalls sehr groß. Ebenso kann man zeigen, dass die Stellgeschwindigkeit y(0 ˙ + ) der Stellgr¨ oße y(t) f¨ ur großes KP auch unzul¨assig groß wird. Aus diesen Gr¨ unden kann eine Vergr¨oßerung der Reglerverst¨arkung nicht zur Reduzierung der Regeldifferenz verwendet werden. Einen erw¨ unschten Effekt hat die Vergr¨ oßerung der Reglerverst¨arkung KP jedoch auf die Zeitkonstante TW = T1 /(1 + KP KS ) des geschlossenen Regelkreises. Je gr¨oßer man KP macht, umso kleiner wird die Zeitkonstante TW , d. h. umso schneller wird der Regelkreis. Somit kann man feststellen: Die Erh¨ohung der Reglerverst¨arkung KP macht den Regelkreis schnell. F¨ ur eine proportionale Strecke mit Verz¨ ogerung 1. Ordnung ist dennoch ein proportionaler Regler (P-Regler) in der Regel als ungeeignet anzusehen, da er f¨ ur endliche Verst¨ arkungen KP zu einer bleibenden Regeldifferenz xd,W (∞) > 0 f¨ uhrt. 6

Die Gr¨ oße 1+K1P KS wird auch als (station¨ arer) Regelfaktor S bezeichnet. Dieser Regelfaktor kennzeichnet die Wirkung einer Regelung.

104

4 Das Verhalten linearer Regelkreise

2. Berechnung der Sprungantwort mithilfe der Laplace-Transformation (siehe hierzu Anhang A). Aus der F¨ uhrungs¨ ubertragungsfunktion (Gleichung 4.9) kann mittels Gleichung 2.33 die Laplace-transformierte Ausgangsgr¨oße X(s) angegeben werden zu: X(s) = FW (s) · W (s) =

KP · KS · W (s) . (1 + KP KS ) + T1 s

F¨ ur einen Sprungeingang w(t) = w ˆ σ(t) lautet die Laplace-transformierte F¨ uhrungsgr¨ oße W (s) = w/s ˆ . Damit ergibt sich die Laplace-transformierte Ausgangsgr¨oße (Regelgr¨ oße) X(s) zu X(s) =

K P · KS ˆ ˆ · [1/TW ] w ˆ KW · w KW w · = = , (4.12) (1 + KP KS ) + T1 s s (1 + TW s) · s s · ([1/TW ] + s)

 (KP KS )/(1 + KP KS ) und TW =  T1 /(1 + KP KS ). Die R¨ ucktransformation mit KW = in den Zeitbereich mithilfe der Korrespondenztabelle der Laplace-Transformation (in diesem Fall Korrespondenz Nr. 13, Seite 406) liefert dieselbe L¨osung wie in Gleichung 4.10 x(t) = KW w ˆ · (1 − e−t/TW ) . Ist die gesuchte Korrespondenz in der Korrespondenztabelle nicht explizit aufgef¨ uhrt, dann f¨ uhrt eine Partialbruchzerlegung von X(s) oder die Verwendung der Residuenmethode zur gesuchten L¨ osung im Zeitbereich. Der wesentliche Vorteil bei der Verwendung der Laplace-Transformation liegt darin, dass die Aussagen u ur t → ∞) und die Stellamplitude (f¨ ur ¨ ber die Regeldifferenz (f¨ t = 0) ohne die explizite Berechnung der Sprungantwort der Regelgr¨oße x(t) m¨oglich sind. Die Berechnung von x(0) ˙ und y(0) ˙ ist ebenso leicht m¨oglich. Hierzu werden die Grenzwerts¨ atze (Anhang A.2) der Laplace-Transformation wie folgt angewendet: F¨ ur eine sprungf¨ ormige F¨ uhrungsgr¨ oße w(t) = w ˆ σ(t) lautet die Anwendung des Endwertsatzes der Laplace-Transformation auf die F¨ uhrungs¨ ubertragungsfunktion x(∞) = lim x(t) = lim s · X(s) = lim s · FW (s) · W (s) = t→∞

s=0

s=0

KW w ˆ ˆ · lim FW (s) = w = KW · w = lim s · FW (s) · = w ˆ · lim ˆ s=0 s=0 s=0 s 1 + TW s Daraus folgt dann ebenso wie in Gleichung 4.11 mit KW = KP KS /(1 + KP KS )   w ˆ KP KS = ˆ· 1− . xd,W (∞) = w(∞) − x(∞) = w 1 + KP KS 1 + KP KS F¨ ur den Fall sprungf¨ormiger F¨ uhrungsgr¨oßen f¨ uhrt somit die Anwendung des Grenzwertsatzes zu der vereinfachten allgemeing¨ ultigen Beziehung: x(∞) = w ˆ · lim FW (s) . s=0

(4.13)

4.4 Regelung einer PT1 -Strecke

105

Zur Berechnung des Anfangswertes der Stellgr¨oße y(0+ ) wird zun¨achst die LaplaceTransformierte der Stellgr¨ oße wie folgt ermittelt:   KW 1 − . Y (s) = KP · Xd (s) = KP · (W (s) − X(s)) = wK ˆ P· s s · (1 + TW s) Die Anwendung des Anfangswertsatzes auf Y (s) f¨ uhrt zu 

KW 1 − s s · (1 + TW s)

y(0 ) = lim y(t) = lim s · Y (s) = lim s · KP · s→∞ s→∞ t=0   KW ·w ˆ=w ˆ · KP . = lim KP · 1 − s→∞ 1 + TW s +

 ·w ˆ

¨ Aufgabe 4.2: Berechnen Sie mithilfe der Laplace-Transformation die Anderungsgeschwindigkeit der Regelgr¨ oße x und der Stellgr¨ oße y zum Zeitpunkt Null. ˆ · KW = wK ˆ P · KS und L¨ osung: x(0 ˙ +) = w TW T1 K2 · K ˆ · KPT· KW = −w ˆ · PT S y(0 ˙ + ) = −w W 1



Gr¨ oßen wie z. B. die bleibende Regeldifferenz xd (∞) und die Stellamplitude zum Zeitpunkt Null y(0+ ), die f¨ ur die Beurteilung eines Regelkreises wichtig sind, k¨onnen mit der Laplace-Transformation sehr einfach berechnet werden. Daher wird f¨ ur die Beurteilung von Regelkreisen weitgehend die Laplace-Transformation verwendet. St¨ orverhalten des Regelkreises. Mit der Gleichung 4.4 wird die St¨or¨ ubertragungsfunktion des Regelkreises mit P-Regler und PT1 -Strecke berechnet zu: FZ (s) =

−KS −KZ X(s) = = , Z(s) (1 + KP KS ) + T1 s 1 + TZ s

(4.14)

mit KZ = KS /(1 + KP KS ) und TZ = TW = T1 /(1 + KP KS ). ¨ Gleichung 4.14 beschreibt wiederum das Zeitverhalten eines PT1 -Ubertragungsgliedes. Die Antwort auf ein sprungf¨ ormiges St¨ orsignal z(t) = z · σ(t) berechnet man wie zuvor unter Verwendung der L¨ osung der Differentialgleichung oder mit der LaplaceTransformation zu x(t) = − z · KZ · (1 − e−t/TZ ) . Der Endwertsatz der Laplace-Transformation liefert wiederum den Endwert der Regelgr¨ oße x(t) f¨ ur einen Sprung der St¨ orgr¨ oße z(t) = z·σ(t). Wegen X(s) = FZ (s)·Z(s) und

106

4 Das Verhalten linearer Regelkreise 6x(t) t -

0

−KZ z

Q Q 

TZ

x(t) !! ! Q -

Abbildung 4.16: Verlauf der Regelgr¨oße x(t) f¨ ur einen Sprungeingang z(t) = z · σ(t)

Z(s) = z/s bei einem Sprungeingang vereinfacht sich die Berechnung des Endwertes wie folgt: z x(∞) = lim x(t) = lim s · X(s) = lim{s · FZ (s) · } = z · lim FZ (s) (4.15) t→∞ s=0 s=0 s=0 s −KS −KS · z = = z · lim = − z · KZ = 0 (4.16) s=0 (1 + KP KS ) + T1 s 1 + KP KS Damit wird dann die bleibende Regeldifferenz bei Einwirkung einer sprungf¨ormigen St¨ orung xd,Z (∞) = w(∞) − x(∞) = 0 − (− z · KZ ) = zKZ . Der P-Regler kann eine sprungf¨ ormige St¨orung zˆ · σ(t) nicht ausregeln (denn es ist unschenswert w¨are f¨ ur die xd,Z (∞) = 0), die Temperatur des Heizkessels sinkt ab. W¨ Regelung die Beibehaltung der Solltemperatur auch bei Einwirkung einer St¨orung. Wie beim F¨ uhrungsverhalten f¨ uhrt eine Vergr¨oßerung des Verst¨arkungsfaktors KP zu einer Verringerung der Regeldifferenz bei Einwirken der St¨orung z(t). Aus den zuvor aufgezeigten Gr¨ unden ist diese Anhebung des Faktors KP jedoch nicht m¨oglich. F¨ ur den Fall sprungf¨ormiger St¨orgr¨oßen f¨ uhrt somit die Anwendung des Grenzwertsatzes zu der vereinfachten allgemeing¨ ultigen Beziehung: x(∞) = zˆ · lim FZ (s) . s=0

(4.17)

F¨ uhrungs- und St¨ orverhalten. Normalerweise treten in einem Regelkreis F¨ uhrungsgr¨ oßen und St¨ orgr¨ oßen gleichzeitig auf, so dass man das Regelkreisverhalten in einem Diagramm (Abb. 4.17) darstellen kann. Zun¨ achst wird der Heizkessel aufgeheizt, ohne dass eine St¨orgr¨oße einwirkt. Aufgrund des wenig geeigneten Reglers (P-Regler) tritt eine bleibende Regeldifferenz auf. Nach einiger Zeit tritt eine St¨ orung auf, bei der z. B. u ¨ ber eine l¨angere Zeit die Heizspannung abf¨ allt. Die Heizkesseltemperatur sinkt weiter ab, da der P-Regler diese St¨orung nicht ausregeln kann. Dieser Gesamtvorgang wird bei der Regelkreisanalyse jedoch, wie zuvor gezeigt, in ein getrenntes F¨ uhrungs- und St¨orverhalten aufgespalten und untersucht. Da ein P-Regler f¨ ur die Regelung einer PT1 -Strecke ungeeignet ist, soll als n¨achstes f¨ ur dieselbe Regelstrecke ein I-Regler eingesetzt werden.

4.4 Regelung einer PT1 -Strecke 

107 -

F¨ uhrungsverhalten

-

St¨orverhalten

?

w b wK b W

, , Q Q ,

x(t) 6

,

6

@ @

xd,W (∞)

Q x(t)

,

?

6

xd,Z (∞)

,

0 , 

-

TW

-

t

Abbildung 4.17: F¨ uhrungs- und St¨orverhalten des Regelkreises

4.4.2

I-Regler

Struktur des Regelkreises. Die Struktur des gesamten Regelkreises bleibt unvera ¨ndert, wie in Abb. 4.13 gezeigt. Allein der rein proportionale Zweig des Reglers wird durch einen integrierenden Anteil ersetzt. Beim Operationsverst¨arker wird eine andere Schaltung verwendet, beim Mikrocontroller eine andere Reglergleichung programmiert. Die neue Regelkreisstruktur zeigt Abb. 4.18. z

KI w x - i d-   − 6

KS − y ? - i -

T1 x Abbildung 4.18: Regelkreis mit I-Regler und PT1 Strecke

Wie beim P-Regler wird nun das F¨ uhrungs- und St¨orverhalten dieses Temperaturregelkreises untersucht. F¨ uhrungsverhalten. Mit FR (s) = KsI als Regler und FS (s) = 1 +KTS s als Regel1 strecke berechnet man mithilfe von Gleichung 4.2 als F¨ uhrungs¨ ubertragungsfunktion f¨ ur den geschlossenen Regelkreis FW (s) =

KI · KS X(s) = . W (s) K I K S + s + T 1 s2

(4.18)

¨ Das Ubertragungsverhalten des Regelkreises mit der F¨ uhrungsgr¨oße w(t) als Eingangsgr¨ oße ist das Verhalten eines PT2 -Gliedes, das in Abschnitt 3.1.4 untersucht wird. Gleichung 4.18 kann man leicht umformen auf die Form FW (s) =

1 , 1 + Ta · s + Tb2 · s2

108

4 Das Verhalten linearer Regelkreise

mit Ta = 1/(KI KS ) und Tb2 = T1 /(KI KS ). Dies ist eine Normalform eines PT2 -Gliedes, wie sie in Gleichung 3.29 angegeben wird. Die Sprungantwort dieses F¨ uhrungsverhaltens f¨ ur einen Sollwertsprung entspricht dem ¨ von Abb. 3.15 und ist im linken Teil der Abb. 4.19 aufgetragen. Eine Uberpr¨ ufung des Endwertes der Regelgr¨ oße x(t) f¨ ur einen Sprungeingang w(t) = w  · σ(t) f¨ uhrt mit Gleichung 4.2 zu: x(∞) = w  · lim FW (s) = w . s=0

Der I-Regler f¨ uhrt bei einer PT1 -Regelstrecke zu keiner bleibenden Regelabweichung, es wird x(∞) = w(∞) = w  . Weiterhin kann man f¨ ur das obige PT2 -F¨ uhrungsverhalten die An- und Ausregelzeiten (siehe Abb. 4.3) der Regelgr¨oße x(t) explizit berechnen zu: π/2 + arcsin D ωe √ ln[ · 1 − D2 ] . = − δ

TAn = TAus

(4.19) (4.20)

St¨ orverhalten. Die St¨ orungs¨ ubertragungsfunktion des Regelkreises mit I-Regler lautet unter Verwendung von Gleichung 4.5 FZ (s) =

−KS · s X(s) = . Z(s) K I K S + s + T 1 s2

(4.21)

¨ Dies ist das Ubertragungsverhalten eines DT2 -Gliedes. Die Anwendung von Gleichung 4.17 f¨ ur einen St¨ orsprung ergibt x(∞) = z · lim FZ (s) = 0 . s=0

Der I-Regler regelt die St¨ orung aus, die Regeldifferenz wird Null. Der I-Anteil des Reglers beseitigt die bleibende Regeldifferenz. In Abb. 4.19 wird das Einschwingverhalten des Regelkreises f¨ ur verschiedene Integrieralfte der Abbildung wird das F¨ uhrungsverhalbeiwerte KI dargestellt. In der linken H¨ ten und rechts das St¨ orverhalten gezeigt. F¨ ur ein großes KI (Kurve a) liegt ein gutes ¨ St¨ orverhalten aber ein schlechteres F¨ uhrungsverhalten aufgrund des großen Uberschwingens vor. Umgekehrt ist es bei Auswahl eines kleinen Integrierbeiwertes (Kurve c). Nun schwingt die Regelgr¨ oße beim F¨ uhrungsverhalten kaum u ¨ ber, dagegen ist das St¨orverhalten deutlich schlechter. Ein mittleres KI (Kurve b) stellt einen guten Kompromiss f¨ ur die Reglerauslegung dar. Aufgabe 4.3: Berechnen Sie f¨ ur den obigen Regelkreis mit den Zahlenwerten KS = 0,5, T1 = 2 min und KI = 2 min−1 die D¨ ampfung D und die Eigenkreisfrequenz ω0 der F¨ uhrungs¨ ubertragungsfunktion. L¨ osung: D = 0,3536 und ω0 = 0,0118 s−1



4.4 Regelung einer PT1 -Strecke

109

1.4

a

1.2 x(t) w ˆ

1

a

b

0.8

b c

6

0.6

c

0.4 0.2 0

0

2

4

6

8

10

12

-

14

16

18

20

t/s

Abbildung 4.19: F¨ uhrungs- und St¨orverhalten des Regelkreises f¨ ur ein großes KI (Kurve a), mittleres KI (Kurve b) und kleines KI (Kurve c) Zweifach integrierender Regler (I2 -Regler). Ist f¨ ur die Regelung der PT1 -Strecke ein rampenf¨ ormiger Sollwert w(t) = c · t (siehe Abschnitt 4.2.2, Seite 90) vorgegeben, d. h. die Temperatur soll linear ansteigen, dann f¨ uhrt die Verwendung eines I-Reglers allerdings zu einem Schleppfehler µ wie man leicht erkennt. Es gilt X(s) = FW (s) · W (s) =

1 c · 2 , 2 2 1 + Ta · s + Tb · s s

und somit wird xd (∞) = lim s · Xd (s) = lim s · (W (s) − X(s)) = lim c(Ta + sTb ) = cTa = µ . s=0

s=0

s=0

Diesen Schleppfehler bei einem rampenf¨ ormigen Sollwert kann man durch Verwendung eines zweifach integrierender Reglers (I2 -Regler) der Form F (s) =

KI2 KI1 + 2 s s

(4.22)

beseitigen. Bei Verwendung dieses I2 -Reglers wird die F¨ uhrungs¨ ubertragungsfunktion FW (s) =

( KsI1 + 1 + ( KsI1

KI2 KS s2 ) · 1+T1 s KS + KsI2 2 ) · 1+T s 1

=

KS (KI2 + KI1 s) , KS (KI2 + KI1 s) + s2 (1 + T1 s)

und die bleibende Regeldifferenz, d. h. der Schleppfehler µ verschwindet, wie die nachfolgende Berechnung zeigt: xd (∞) = lim s · Xd (s) = lim s · (W (s) − X(s)) = s=0

= lim s · s=0

s=0 2

c s · (1 + T1 s) · =0. KS (KI2 + KI1 s) + s2 (1 + T1 s) s2

ur die Regelung von Regelstrecken h¨oherDieser typische Effekt des I2 -Reglers gilt auch f¨ er Ordnung.

110

4 Das Verhalten linearer Regelkreise

4.4.3

PI-Regler

PI-Regler und Regelkreisstruktur. Anstelle eines reinen P bzw. I-Reglers wird nun die Kombination beider Regleranteile, also ein proportional integrierend wirkender ¨ Regler (PI-Regler) eingesetzt. Die Ubertragungsfunktion des PI-Reglers lautet FR =

KP · (1 + TN s) Xa (s) KI KP = KP + = KP + = . Xe (s) s TN s TN s

Mit KP und KI als Proportional- bzw. Integrierbeiwert ergibt sich die als Nachstellzeit ¨ TN bezeichnete Gr¨ oße zu TN = KP /KI . Die Sprungantwort dieses Reglers ist die Uberlagerung der Sprungantworten eines P-Gliedes und eines I-Gliedes. Abb. 4.20 zeigt die Sprungantwort des PI-Reglers und sein Blocksymbol. Der um t = −TN scheinbar fr¨ uhere Beginn der Sprungantwort des PI-Reglers f¨ uhrte zu der Bezeichnung Nachstellzeit f¨ ur die Gr¨ oße TN . 6x (t) a Xe (s)

1

 KP · x e

    

TN

-

TN   

KP

e KI x

-

Xa (s) -

t -

Abbildung 4.20: Sprungantwort und Blocksymbol des PI-Reglers Der Temperaturregelkreis f¨ ur den Heizkessel mit PI-Regler hat dann die in Abb. 4.21 gezeigte Struktur. z TN KS − y ? xd ((( w - j - j − 6 KP

T1 x -

Abbildung 4.21: Regelkreis mit PI-Regler und PT1 -Strecke

F¨ uhrungsverhalten. F¨ ur die Untersuchung des F¨ uhrungsverhaltens wird zun¨achst ¨ der Begriff der Ubertragungsfunktion F0 des aufgeschnittenen Regelkreises eingef¨ uhrt. Schneidet man den Regelkreis an einer beliebigen Stelle auf, so ergibt sich bei Ver¨ nachl¨ assigung der Vorzeichenumkehr als Ubertragungsfunktion F0 die Reihenschaltung aller in der Regelschleife auftretenden Regelkreisglieder wie folgt F0 (s) = FR (s) · FS (s) .

4.4 Regelung einer PT1 -Strecke

111

Dann lautet die F¨ uhrungs¨ ubertragungsfunktion7 gem¨aß Gleichung 4.2 FW (s) =

FR (s) · FS (s) F0 (s) X(s) = = . W (s) 1 + FR (s) · FS (s) 1 + F0 (s)

(4.23)

F¨ ur den PI-Regler mit PT1 -Strecke lautet dieses F0 F0 (s) =

KS KP · (1 + TN s) · . TN s 1 + T1 s

Es f¨ allt auf, dass Z¨ ahler und Nenner von F0 beide einen Term (1 + T s) aufweisen. Im Z¨ ahler ist T = TN die Nachstellzeit des PI-Reglers, und im Nenner ist T = T1 die Zeitkonstante der Strecke. Da T1 als Zeitkonstante der Strecke den Heizvorgang langsam macht, liegt es nahe, durch den Regler diese Verz¨ogerung zu beseitigen. Dies wird durch die Wahl von TN = T1 erreicht. Dann kompensieren“ sich die Terme (1 + ” TN s) und (1 + T1 s) in Z¨ ahler und Nenner. Diese Festlegung von Reglerparametern heißt dynamische Kompensation, und sie wird sp¨ater in Abschnitt 8.1.1 noch ausf¨ uhrlich diskutiert. Aufgrund dieser Wahl TN = T1 vereinfacht sich F0 zu F0 (s) =

KP · KS KP · (1 + TN s) · KS = . (TN s) · (1 + T1 s) TN s

Eingesetzt in Gleichung 4.23 lautet dann die F¨ uhrungs¨ ubertragungsfunktion KP KS 1 1 TN s   . = FW (s) = = KP KS TN 1 + Ta · s 1+ ·s 1+ TN s KP KS Wie man leicht sieht, ist aufgrund des I-Anteils des Reglers die bleibende Regeldifferenz xd,W (∞) f¨ ur einen Sprung der F¨ uhrungsgr¨ oße w gleich Null, denn es gilt:  · lim x(∞) = w  · lim FW (s) = w s=0

s=0

1  =w . T ·s 1 + K NK P S 

Anders als beim reinen I-Regler kann nun aber die Zeitkonstante Ta = K TNK mit P S dem noch freien Reglerparameter KP gezielt auf einen gew¨ unschten Wert eingestellt werden. Ein zu großes KP f¨ uhrt wie beim P-Regler auch hier zu einer viel zu großen Stellamplitude zum Einschaltzeitpunkt. Abb. 4.22 zeigt in den linken Bildh¨alften die Sprungantworten des F¨ uhrungsverhaltens f¨ ur verschiedene Werte von KP . Mit zunehmendem KP wird der Regelkreis immer schneller. Aufgabe 4.4: Berechnen Sie die Stellamplitude y(0+ ) des Regelkreises von Abb. 4.21 in Abh¨ angigkeit von den u ur einen Sprung der F¨ uhrungs¨brigen Regelkreisparametern f¨ gr¨ oße w(t) = w  · σ(t). L¨ osung: y(0+ ) = KP · w  7



Mit einem Messelement FM (s) in der R¨ uckf¨ uhrung wird F0 (s) = FR (s)FS (s)FM (s) und FW (s) = FR (s)FS (s)/(1 + FR (s)FS (s)FM (s)).

112

4 Das Verhalten linearer Regelkreise

1

a

a 0.8 x(t) w ˆ 0.6

b c

b c

6

0.4 0.2 0

0

2

4

6

8

10

-

12

14

16

18

20

14

16

18

20

t/s

4

a

a

b

y(t)3

6 b 2

c

c 1

0

0

2

4

6

8

10

-

12

t/s

Abbildung 4.22: F¨ uhrungs- und St¨orverhalten des Regelkreises f¨ ur ein großes KP (Kurve a), mittleres KP (Kurve b) und kleines KP (Kurve c) ubertragungsfunktion St¨ orverhalten. Mit der Einf¨ uhrung von F0 (s) lautet die St¨or¨ FZ (s) =

−FS (s) . 1 + F0 (s)

(4.24)

Aufgrund der Wahl von TN = T1 (dynamische Kompensation) werden zwar die Z¨ahlerund Nennerterme in F0 (s) kompensiert jedoch nicht in FZ (s) −KS −KS TN · s 1 + T1 s . FZ (s) = = KP KS (1 + T1 s) · (KP KS + TN s) 1+ TN s F¨ ur einen St¨ orsprung wird der Endwert der Regelgr¨oße x(∞) = lim x(t) = z · lim FZ (s) = z · lim t→∞

s=0

s=0

−KS TN · s = 0. (1 + T1 s) · (KP KS + TN s)

4.5 Regelung einer PT2 -Strecke

113

Auch die St¨ orung wird durch einen PI-Regler ausgeregelt, es tritt keine bleibende Regeldifferenz infolge eines St¨ orsprungs auf. Den Einfluss der Reglerverst¨ arkung KP auf das F¨ uhrungs- und St¨orverhalten des Regelkreises bei Festlegung von TN = T1 zeigt Abb. 4.22. Im oberen Teilbild ist der Verlauf der Regelgr¨ oße x(t) dargestellt und im unteren Teilbild die zugeh¨orige Stellgr¨oße y(t). F¨ ur ein großes KP (Kurven a) wird w ˆ schnell erreicht, allerdings zu Lasten einer großen maximalen Stellamplitude. Die Maximalablage der Regelgr¨oße nach Einwirkung einer St¨ orung zum Zeitpunkt t = t1 ist relativ klein. F¨ ur ein mittleres KP (Kurven b) wird w ˆ langsamer erreicht, daf¨ ur wird auch die Stellamplitude kleiner. Die maximale Abweichung bei Auftreten einer St¨ orung nimmt zu. Die kleinsten Stellamplituden treten f¨ ur ein kleines KP auf (Kurven c), daf¨ ur nimmt die Abweichung der Regelgr¨oße im St¨orfall jedoch zu. ¨ Aufgabe 4.5: Berechnen Sie die Ubertragungsfunktionen f¨ ur die Stellgr¨oße Y (s) als Ausgangsgr¨ oße und W (s) bzw. Z(s) als Eingangsgr¨oße, d. h. FY W (s) = Y (s)/W (s) und FY Z (s) = Y (s)/Z(s) bei Auslegung des Reglers FR (s) nach der dynamischen Kompensation. Pr¨ ufen Sie das Vorzeichen von FY Z (s). 1 + TN s L¨ osung: FY W (s) = K1 · und S 1 + (TN /[KP KS ]) · s 1 FY Z (s) = + . 1 + (TN /[KP KS ]) · s

4.5



Regelung einer PT2-Strecke

Modell der Regelstrecke. Als Beispiele f¨ ur Verz¨ogerungsstrecken 2. Ordnung werden in Kapitel 3 Temperaturregelstrecken, Kaskaden von Druckspeichern aber auch Gleichstrommotoren aufgef¨ uhrt. Abh¨ angig von ihrer physikalischen Struktur k¨onnen diese Strecken ein schwingungsf¨ ahiges oder nicht schwingungsf¨ahiges Verhalten aufweisen. Zun¨ achst soll hier nun als Beispiel f¨ ur eine nicht schwingungsf¨ahige Strecke die Regelung der Temperatur eines Raumes untersucht werden. Ein derartiger Regelkreis k¨ onnte wie in Abb. 4.23 gezeigt aufgebaut sein. Das Signal eines Messf¨ uhlers im Raum wird in ein elektrisches Signal umgeformt und verst¨ arkt. Im elektrischen Regler wird nach dem Soll-/Istwertvergleich das elektrische Stellsignal gebildet, verst¨ arkt und als Steuersignal auf den Stellmotor gegeben. Der als Stellmotor eingesetzte (quasikontinuierliche) Schrittmotor ver¨andert aufgrund einer speziellen Ansteuerung den Stellwinkel proportional zum Steuersignal des Reglers. Der Motor verstellt das Mischerventil und steuert das Mischungsverh¨altnis zwischen dem ¨ Warmwasser aus dem Heizkessel und dem R¨ ucklaufwasser. Uber die Rohrleitungen und den Heizk¨ orper wird die W¨ armeenergie dem Raum zugef¨ uhrt. Die Sprungantwort der Regelstrecke, gemessen in Wirkungsrichtung von Messpunkt 1 nach 2 soll n¨ aherungsweise ein nichtschwingendes PT2 -Verhalten, wie in Abb. 3.10, aufweisen. Mithilfe der Methoden der Parameteridentifizierung (siehe Abschnitt 3.4) werden dann die Zeitkonstanten TS1 und TS2 der Reihenschaltung (Gleichung 3.14)

114

4 Das Verhalten linearer Regelkreise

Vorlauf -

Heizk¨ orper  >        

ϑ Wohnraum -

V

  PP R¨ ucklauf P q

Mischer Mi

Temperaturf¨ uhler mit Umformer und Verst¨arker

 S Sollwert 

Verst¨ arker Stellmotor  " " Regler M b b  j 1

6 Warmwasser

2j

Abbildung 4.23: Regelung der Temperatur in einem Wohnraum ¨ sowie der Ubertragungsbeiwert KS der Regelstrecke bestimmt8 . Die beiden (dominierenden) Zeitkonstanten sind (1.) die Zeitkonstante der Erw¨armung des Heizk¨orpers und (2.) die Zeitkonstante der Erw¨ armung des Raumes.

4.5.1

PI-Regler

Struktur des Regelkreises. F¨ ur die regelungstechnische Untersuchung dieser Regelung werden die einzelnen Baugruppen wieder als Bl¨ocke in einem Regelkreis dargestellt. Damit ergibt sich bei Verwendung eines PI-Reglers die in Abb. 4.24 gezeigte Struktur. z TN KS − y ? xd ((( w - j - j − 6 KP

8

T1 , T2 x Abbildung 4.24: Regelkreis mit PI-Regler und PT2 -Strekke

Aus Gr¨ unden der Vereinfachung wird nachfolgend der Index S“ bei den Streckenzeitkon” KS stanten weggelassen, es gilt dann also: FS (s) = (1+T1 s)(1+T 2 s)

4.5 Regelung einer PT2 -Strecke

115

KS ¨ lautet die Ubertragungsfunk(1 + T1 s) · (1 + T2 s) tion des aufgeschnittenen Regelkreises

F¨ uhrungsverhalten. Mit Fs (s) =

F0 (s) = FR (s) · FS (s) =

TN

KS · KP (1 + TN s) . s · (1 + T1 s) · (1 + T2 s)

F¨ ur die Auslegung des Reglers nach dem Verfahren der dynamischen Kompensation kompensiert man mit dem Z¨ ahlerterm (1 + TN s), der vom Regler stammt, den Term im Nenner mit der gr¨ oßeren Zeitkonstanten. Sofern also gilt T2 > T1 w¨ahlt man TN = T2 . Dann wird F0 (s) =

KS · KP . TN s · (1 + T1 s)

Als F¨ uhrungs¨ ubertragungsfunktion resultiert dann Gleichung 4.25 FW (s) =

KS KP X(s) = = W (s) KS KP + TN s(1 + T1 s) 1+

TN KS KP

1 s+

TN T1 KS KP

s2

.

(4.25)

¨ Dies ist die Ubertragungsfunktion eines Verz¨ogerungsgliedes 2. Ordnung, das abh¨angig von den Reglerparametern schwingungsf¨ ahig oder nicht schwingungsf¨ahig sein kann. Als freier Reglerparameter steht noch die Verst¨arkung KP zur Verf¨ ugung, die geeignet gew¨ ahlt werden kann. Die Nachstellzeit ist durch die Wahl von TN = T2 ja schon festgelegt. F¨ ur einen Sprung der F¨ uhrungsgr¨oße tritt keine bleibende Regeldifferenz auf, wie die Anwendung von Gleichung 4.13 zeigt: x(∞) = w  · lim FW (s) = w  · lim s=0

s=0

1+

TN KS KP

1 s+

TN T1 KS KP

s2

=w .

Da diese entscheidende Anforderung an den Regelkreis erf¨ ullt ist, kann man nun eine Festlegung der freien Reglerverst¨ arkung KP so vornehmen, dass √ z. B. die D¨ampfung D des Regelkreises einen vorgeschriebenen Wert, h¨aufig D = 1/ 2, annimmt. Mithilfe der Beziehung N √ T1 KS KP =  = 1/ 2 2T2 T1 2 KTSNK P

T

D=

resultiert dann nach der Aufl¨ osung nach KP der Verst¨arkungsfaktor zu: KP =

TN . 2KS T1

Abb. 4.25 zeigt die Sprungantworten f¨ ur drei verschiedene Reglerparameter KP und TN = T2 . In der Tendenz gelten dabei die bei der Regelung einer PT1 -Strecke mit einem PI-Regler gefundenen Aussagen. Mit zunehmender Verst¨arkung KP wird der

116

4 Das Verhalten linearer Regelkreise

¨ Sollwert der Regelgr¨ oße schneller erreicht, und das maximale Uberschwingen bei Auftreten einer St¨ orung nimmt ab. Dies wird jedoch erkauft mit einer verh¨altnism¨aßig großen maximalen Stellamplitude y(t). Aufgabe 4.6: Berechnen Sie allgemein f¨ ur die obige Regelstrecke bei Verwendung eines PI-Reglers und Auslegung des Reglers nach dem Verfahren der dynamischen Kompensation die Reglerverst¨ arkung KP in Abh¨ angigkeit von der gew¨ unschten D¨ampfung D. L¨ osung: KP =

TN . 4D2 T1 KS



St¨ orverhalten. Die St¨ or¨ ubertragungsfunktion dieses Regelkreises bei Auslegung des PI-Reglers nach der dynamischen Kompensation (TN = T2 ) lautet −FS (s) X(s) = = Z(s) 1 + F0 (s) −KS TN s = . [KS KP + TN s · (1 + T1 s)] · (1 + T2 s)

FZ (s) =

(4.26)

F¨ ur einen Sprung der St¨ orgr¨ oße zeigt die Anwendung von Gleichung 4.17, dass keine bleibende Regeldifferenz auftritt, es wird x(∞) = lim x(t) = z · lim FZ (s) = 0. t→∞

s=0

Damit f¨ uhrt ein PI-Regler bei einer PT2 -Strecke weder beim F¨ uhrungs- noch beim St¨ orverhalten zu einer bleibenden Regeldifferenz. Ein typisches Einschwingverhalten f¨ ur verschiedene Reglerverst¨ arkungen KP bei Auslegung des PI-Reglers nach der dynami∗ schen Kompensation zeigt Abb. √ 4.25. Unter KP wird dabei die Verst¨arkung verstanden, uhrt. die zu der D¨ ampfung D = 1/ 2 des geschlossenen Kreises f¨ Je gr¨ oßer die Verst¨ arkung, umso gr¨ oßer wird auch die maximale Stellamplitude yMax beim F¨ uhrungsverhalten. Das St¨ orverhalten ist dagegen deutlich unempfindlicher gegen ¨ Anderungen der Verst¨ arkung KP . Die Verst¨arkung KP = KP∗ stellt einen guten Kompromiss dar, die Regelgr¨ oße schwingt nur wenig u ¨ ber, und die Stellamplitude bleibt klein genug. Res¨ umee. Der PI-Regler ist ein geeigneter Regler f¨ ur die Regelung von proportionalen Regelstrecken 2. Ordnung und, wie schon gezeigt, auch 1. Ordnung. Generell kann man einen PI-Regler f¨ ur die Regelung von proportionalen Regelstrecken beliebiger Ordnung einsetzen, es treten weder beim F¨ uhrungs- noch beim St¨orverhalten bleibende Regeldifferenzen auf. W¨ ahlt man das Verfahren der dynamischen Kompensation, so wird mit der Nachstellzeit TN die gr¨ oßte Zeitkonstante der Strecke kompensiert, und mit KP √ kann eine gew¨ unschte D¨ ampfung D (hier z. B. D = 1/ 2) eingestellt werden.

4.5 Regelung einer PT2 -Strecke

117

1.4 1.2 x(t) w ˆ

a

a

1

b

0.8

6

0.6

b c

c

0.4 0.2 0

0

2

4

6

8

10

-

12

14

16

18

20

14

16

18

20

t/s

10

a y(t) 8

6

6

a

b

b

4

c

c

2 0

0

2

4

6

8

10

-

12

t/s

Abbildung 4.25: F¨ uhrungs- und St¨orverhalten des Regelkreises f¨ ur ein KP > KP∗ ∗ ∗ ∗ (Kurve a), KP = KP (Kurve b) und KP < KP (Kurve c) mit KP = TN /(2KS T1 ) ¨ Aufgabe 4.7: Berechnen Sie die Ubertragungsfunktionen f¨ ur die Stellgr¨oße Y (s) als Ausgangsgr¨ oße und W (s) bzw. Z(s) als Eingangsgr¨oße, d. h. FY W (s) = Y (s)/W (s) und FY Z (s) = Y (s)/Z(s) bei Auslegung des Reglers FR (s) nach der dynamischen Kompensation. Pr¨ ufen Sie das Vorzeichen von FY Z (s). L¨ osung: FY W (s)

=

FY Z (s)

=

4.5.2

KP · (1 + TN s)(1 + T1 s) und KS KP + TN s(1 + T1 s) KS KP +FW (s) = . KS KP + TN s · (1 + T1 s)



PDTD -Regler

Reglerstruktur. Der PI-Regler wird nun ersetzt durch einen PDTD -Regler, also die Kombination eines proportionalen und differenzierenden Reglers mit Verz¨ogerung. Die ¨ Ubertragungsfunktion des PDTD -Reglers, den man auch als realen PD-Regler bezeich-

118

4 Das Verhalten linearer Regelkreise

net, lautet: 

FR =

KP (1 + TV s + TD s) KP (1 + TV s) Xa (s) KD s = KP + = = , Xe (s) 1 + TD s 1 + TD s 1 + TD s

(4.27)



uhrte Gr¨oße TV = KD /KP wird als Vorhaltzeit wobei TV = TV + TD . Die hier eingef¨ bezeichnet. Im Allgemeinen gilt TV TD , so dass in erster Ann¨aherung der Term TD s im Z¨ ahler vernachl¨ assigt werden kann. L¨ asst man die Verz¨ ogerungszeit TD gegen Null gehen, so gelangt man zum so genannten ¨ idealen PD-Regler mit der Ubertragungsfunktion FR (s) =

Xa (s) = KP + KD s = KP · (1 + TV s) . Xe (s)

F¨ ur viele grunds¨ atzliche Untersuchungen wird oft der (nicht realisierbare) ideale PDRegler verwendet9 . Die Realisierung kann jedoch nur der reale PDTD -Regler sein, da eine verz¨ ogerungslose Differentiation nicht m¨oglich ist. Abb. 4.26 zeigt die Sprungantworten und Blocksymbole des idealen und realen PD-Reglers. Ein großer Vorteil des realen PD-Reglers liegt darin, dass beim Auftreten von hochfrequenten St¨orsignalen im Regelkreis diese durch die verz¨ ogerte Differentiation nicht unn¨otig verst¨arkt werden (siehe Abb. 4.28). xa (t) 6 PD-Regler

KP Xe (s)

x ˆ e KP

-

TV Xa (s) -

t x ˆe

xa (t) 6 B xa ! x ˆe KP BB ! - 

 KP TV TD

TD

KP

PDTD -Regler Xe (s)

-

TV , TD Xa (s) -

t -

Abbildung 4.26: Sprungantwort und Blocksymbol des PD- und PDTD -Reglers Regelkreis. Den anschließend untersuchten geschlossenen Regelkreis der Temperaturregelung mit einem PDTD -Regler zeigt Abb. 4.27.

9

Ermittelt man die Rampenantwort des idealen PD-Reglers, so entspricht sie der Sprungantwort des PI-Reglers von Abb. 4.20. Daher r¨ uhrt auch f¨ ur TV die Bezeichnung Vorhaltzeit f¨ ur den scheinbar fr¨ uheren Beginn der Rampenantwort

4.5 Regelung einer PT2 -Strecke KP xd w - j − 6

119

z TV , TD KS − y ? - j -

T1 , T2 x -

Abbildung 4.27: Regelkreis mit PDTD -Regler und PT2 -Strecke

F¨ uhrungsverhalten. Verwendet man f¨ ur den PDTD -Regler die in Gleichung 4.27 ein¨ ¨ gef¨ uhrte Ubertragungsfunktion, so resultiert als Ubertragungsfunktion F0 (s) des aufgeschnittenen Regelkreises 

KP KS · (1 + TV s) . F0 (s) = FR (s) · FS (s) = (1 + T1 s) · (1 + T2 s) · (1 + TD s) Bei Auslegung des Reglers nach dem Verfahren der dynamischen Kompensation liegt  es nahe, die gr¨ oßte Zeitkonstante der Regelstrecke (hier T2 ) durch die Vorhaltzeit TV des Reglers zu kompensieren. Dies f¨ uhrt allerdings, wie in [33] gezeigt wird, zu einer gr¨ oßeren Verst¨arkung KP . Damit vereinfacht sich F0 (s) zu: F0 (s) =

KP KS . (1 + T1 s) · (1 + TD s)

Die F¨ uhrungs¨ ubertragungsfunktion des geschlossenen Regelkreises resultiert dann zu: FW (s) =

KP KS . KP KS + (1 + T1 s) · (1 + TD s)

¨ Dies ist wiederum die Ubertragungsfunktion eines Verz¨ogerungsgliedes 2. Ordnung. Als freier Regelparameter steht noch die Verst¨ arkung KP zur Verf¨ ugung, wobei die Wahl von TD zun¨ achst noch offen gelassen werden soll. F¨ ur einen Sprung der F¨ uhrungsgr¨oße w(t) erbringt die Anwendung von Gleichung 4.13 jedoch eine bleibende Regeldifferenz, denn es gilt: x(∞) = w  · lim FW (s) = w  · lim s=0

= w ·

s=0

KP KS = w.  KP KS + 1

KP KS KP KS + (1 + T1 s) · (1 + TD s) (4.28)

Die Gr¨ oße der Regeldifferenz xd,W (∞) ist unabh¨angig von der Verz¨ogerungszeit TD des Reglers und exakt genau so groß wie die Regeldifferenz bei der Regelung einer PT1 Strecke (oder auch beliebigen PTn -Strecke) mit einem P-Regler:   w  KP KS xd,W (∞) = w =  − x(∞) = w · 1− . 1 + KP KS 1 + KP KS Das Fehlen eines integrierenden Anteils im Regler bei der Regelung von Verz¨ogerungsstrecken f¨ uhrt zu einer bleibenden Regeldifferenz.

120

4 Das Verhalten linearer Regelkreise

Einfluss des D-Anteils. Es soll nun die Wirkung des D-Anteils des Reglers im Re¨ gelkreis untersucht werden. Zu diesem Zweck wird die D¨ampfung D der Ubertragungsfunktion des geschlossenen Regelkreises berechnet. Diese Berechnungen lassen sich besonders einfach durchf¨ uhren, wenn man den (idealen) PD-Regler verwendet. Legt man die Gr¨ oße von TV noch nicht fest, dann ergibt sich die F¨ uhrungs¨ ubertragungsfunktion des geschlossenen Regelkreises zu: FW (s) =

KP KS · (1 + TV s) , KP KS (1 + TV s) + (1 + T1 s) · (1 + T2 s)

bzw. nach der Normierung und unter Benutzung von K ∗ = 1 + KP KS zu: FW (s) =

KP KS · (1 + TV s)/K ∗ . 1 + [(T1 + T2 + KP KS TV )/K ∗ ] ·s + [T1 T2 /K ∗ ] ·s2       

T1



T2 2

¨ Der D¨ ampfungsgrad dieser Ubertragungsfunktion resultiert dann unter Benutzung der   Beziehung D = T1 /(2T2 ) zu: D=

T1 + T2 + KP KS TV √ √ . 2 · T1 T2 · 1 + KP KS

Der differenzierende D-Anteil des Reglers, d. h. die Vorhaltzeit TV , erh¨oht die D¨ampfung D des Regelkreises. Der D-Anteil des Reglers macht also den Regelkreis stabiler. Dies sollen die Sprungantworten der Regelgr¨oße x(t) von Abb. 4.28 verdeutlichen. Die Regelung der PT2 -Strecke mit einem P-Regler f¨ uhrt bei bleibender Regeldifferenz zu dem schwingenden Verlauf der Regelgr¨oße (Kurve a). Die D¨ampfung der Regelgr¨oße ist relativ schlecht, sie schwingt um ca 20 % u ¨ber. Verwendet man nun einen idealen PD-Regler, so wird infolge der Vorhaltzeit TV (wie oben gezeigt) die D¨ampfung erh¨oht (Kurve c). Den positiven Effekt der verz¨ogerten Differentiation zeigen die weiteren Kurvenverl¨aufe in Abb. 4.28. Treten im Regelkreis hochfrequente St¨orsignale (z. B. Rauschen) auf, so verl¨ auft die Regelgr¨ oße beim reinen P-Regler gem¨aß Kurve b. Beim idealen PD-Regler werden diese St¨ orsignale durch den D-Anteil verst¨arkt (Kurve d). Dies erkl¨art auch die Ableitung von sin ωt, die zu ω ·cos ωt f¨ uhrt, d. h. je hochfrequenter die Sinusschwingung, umso gr¨ oßer wird die Amplitude der Ableitung. Dieser unruhige Verlauf der Regelgr¨oße wird glatter, wenn ein realer PDTD -Regler mit einer Verz¨ogerung TD eingesetzt wird (Kurve e). Dies zeigt, dass trotz Verbesserung des D¨ampfungsverhaltens des Regelkreises durch den D-Anteil immer eine gen¨ ugend große Verz¨ogerung TD“ beim realen Regler ” vorzusehen ist.

4.5 Regelung einer PT2 -Strecke

1.2

x(t) w ˆ 0.8

6

a

e c

1

121

b

0.6

d

0.4 0.2 0 −0.2

0

1

2

3

4

-

5

6

7

8

t/s

Abbildung 4.28: F¨ uhrungsverhalten einer PT2 -Strecke mit einem P-, PD- und PDTD Regler St¨ orverhalten. Die St¨ or¨ ubertragungsfunktion des Regelkreises bei Auslegung des  PDTD -Reglers nach der dynamischen Kompensation (TV = T2 ) lautet: FZ (s) =

−KS · (1 + TD s) −FS (s) = . 1 + F0 (s) KP KS (1 + T2 s) + (1 + T1 s)(1 + T2 s)(1 + TD s)

Auch beim St¨ or¨ ubertragungsverhalten tritt eine bleibende Regeldifferenz nach einem St¨ orsprung auf. Es gilt x(∞) = lim x(t) = z · lim FZ (s) = − z· t→∞

s=0

KS (= −xd,Z (∞)) . 1 + KP KS

Abb. 4.29 zeigt das F¨ uhrungs- und St¨ orverhalten des Regelkreises bei Regelung mit einem PDTD -Regler mit TD ≤ TV /10 und T2 > T1 . Die Reglerverst¨arkung KP entspricht der von Abb. 4.28. Daher tritt auch dieselbe bleibende Regeldifferenz wie in Abb. 4.28 auf. 

Mit TV = T1 wird das F¨ uhrungsverhalten schnell und das St¨orverhalten langsam. Um ur diese letzte Wahl kann dann jedoch gekehrt ist es bei der Wahl von TV = T2 . F¨ eine gr¨ oßere Verst¨ arkung KP eingestellt und damit eine kleinere Regeldifferenz erzielt werden. Aufgabe 4.8: Berechnen Sie f¨ ur die obige Temperaturregelstrecke (T2 > T1 ) bei Verwendung eines PDTD -Reglers und Auslegung des Reglers nach√der dynamischen Kompensation die Verst¨ arkung KP so, dass die D¨ ampfung D = 1/ 2 wird. 2 T12 + TD L¨ osung: KP = K1 · 2T . S 1 TD



122

4 Das Verhalten linearer Regelkreise

1

a 0.8 x(t) w ˆ 0.6

b

6

c

0.4 0.2 0

0

2

4

6

8

-

10

12

14

16

t/s

Abbildung 4.29: F¨ uhrungs- und St¨orverhalten des Regelkreises mit den Werten von    TV = T1 (Kurve a); T2 > TV > T1 (Kurve b) und TV = T2 (Kurve c) Aufgabe 4.9: Die obige Temperaturregelstrecke weise die folgenden Parameter auf: T1 = 1 min, T2 = 3 min und KS = 0,5. Als Reglerparameter eines idealen PD-Reglers werden die Werte KP = 5 und TV = 2 min ausgew¨ahlt. Wie groß wird die D¨ampfung D des geschlossenen Regelkreises? Ist der Regelkreis schwingungsf¨ahig (Begr¨ undung)? Welchen Wert muss die Reglerverst¨ arkung KP mindestens aufweisen, damit die bleibende Regeldifferenz des F¨ uhrungsverhaltens kleiner 10 % bleibt? L¨ osung: D = 1,39; Nein, da D > 1; KP > 18.

4.5.3



PIDTD -Regler

Struktur des PIDTD -Reglers. Der fehlende I-Anteil beim PDTD -Regler f¨ uhrt bei der Regelung einer Verz¨ ogerungsstrecke zu einer bleibenden Regeldifferenz. Dieser I-Anteil wird nun hinzugef¨ ugt und ergibt damit den PIDTD -Regler, dessen Aufbau ¨ schon in Abschnitt 4.3.1 dargestellt wurde. Die Ubertragungsfunktion des Reglers lautet gem¨ aß Gleichung 4.6 FR (s) =

KD · s Xa (s) KI = KP + + . Xe (s) s 1 + TD · s

(4.29)

Diese Reglergleichung wird nun so umgeformt, dass die zuvor definierten Gr¨oßen NachP stellzeit TN , aus KI = K TN , und Vorhaltzeit TV , aus KD = KP · TV , verwendet werden. Dies f¨ uhrt zu 



1 + T N · s + T N T V · s2 FR (s) = KP · TN s · (1 + TD s) 



(4.30)

mit TN = TN + TD und TV = TV + TD . Man nennt die Darstellung des PIDTD -Reglers ¨ durch die Ubertragungsfunktionen nach den Gleichungen 4.29 und 4.30, auch den realen PID-Regler in der Summenform.

4.5 Regelung einer PT2 -Strecke

123

x (t) 6a 6

C C



 

xa (t)

Xe (s)

6 KP x be ?

TN ,TV ,TD

KP



 

C   C  - TD    ?0 - TN  KP TV  e TD x



" "

-

Xa (s) -

t -

Abbildung 4.30: Sprungantwort und Blocksymbol des PIDTD -Reglers Struktur des PID-Reglers. F¨ ur grunds¨ atzliche Betrachtungen setzt man oft TD = 0 ¨ und erh¨ alt dann den so genannten idealen PID-Regler. Die Summenform der Ubertragungsfunktion des PIDTD -Reglers von Gleichung 4.30 vereinfacht sich dann zur Summenform des idealen PID-Reglers: FR (s) = KP ·

1 + T N · s + T N T V · s2 . TN s

(4.31)

Die zugeh¨ orige Sprungantwort und das Blocksymbol werden in Abb. 4.31 gezeigt. Wie beim idealen PD-Regler ist die Sprungh¨ ohe des Ausgangssignals zum Zeitpunkt Null gleich unendlich. Es soll hier nochmals betont werden dass der ideale PID- genauso wie der ideale PD-Regler nicht realisierbar ist. Sie erleichtern jedoch die Analyse bei prinzipiellen Untersuchungen. 6xa (t) TN ,TV

KP

Xe (s)

KI x be

1

 KP x be

 TN -

-



 

Xa (s) -

t-

Abbildung 4.31: Sprungantwort und Blocksymbol des idealen PID-Reglers Im Unterschied zur Summenform des idealen PID-Reglers lautet die Produktform des idealen PID-Reglers FR (s) = KP∗ ·

(1 + TN∗ s) · (1 + TV∗ s) . TN∗ s

(4.32)

¨ Durch Koeffizientenvergleich mit den Parametern der Ubertragungsfunktion von Gleichung 4.31 k¨ onnen die gesternten“ und ungesternten“ Gr¨oßen wie folgt umgerechnet ” ”

124

4 Das Verhalten linearer Regelkreise

werden:

TN∗ KP∗

  T∗ 1 + V∗ TN  

T∗ · T∗ TN = TN∗ + TV∗ TV = ∗N V∗ bzw. TN + TV     TN 4TV TN 4TV ∗ · 1± 1− · 1∓ 1− TV = = 2 TN 2 TN    KP 4TV · 1± 1− . = 2 TN

KP = KP∗

In den unteren drei Gleichungen gelten entweder die oberen oder die unteren Vorzeichen. Die Umkehrung setzt dabei voraus, dass gilt TN ≥ 4 TV . Durch ¨ ahnliche Umrechnungen kann man die Summenform des realen PID-Reglers in eine Produktform des realen PID-Reglers u uhren. ¨ berf¨ Regelkreis. Mit Verwendung des PIDTD -Reglers resultiert dann das Strukturbild 4.32 des Temperaturregelkreises. z KP

TN ,TV ,TD

xd w - j − 6

# #

KS

− y ? - j -

T1 ,T2

x -

Abbildung 4.32: Regelkreis mit PIDTD -Regler und PT2 -Strecke

F¨ uhrungsverhalten. F¨ ur die Anwendung des PID-Reglers bei der Regelung einer Verz¨ ogerungsstrecke 2. Ordnung, die aus einer Reihenschaltung von zwei Verz¨ogerungsstrecken 1. Ordnung besteht, liegt es nahe, die Gleichung des Reglers so umzuformen, dass beide Zeitkonstanten der Regelstrecke mittels dynamischer Kompensation kompensiert werden k¨ onnen. Daher bietet sich die Verwendung des PID-Reglers in der Produktform nach Gleichung 4.32 an: FR (s) = KP∗ ·

(1 + TN∗ s) · (1 + TV∗ s) . TN∗ s

¨ Mit dieser Produktform des Reglers lautet dann die Ubertragungsfunktion F0 (s) des aufgeschnittenen Regelkreises F0 (s) = FR (s) · FS (s) =

KP∗ · (1 + TN∗ s) · (1 + TV∗ s) · KS . TN∗ s · (1 + T1 s) · (1 + T2 s)

Welche der beiden Reglerzeitkonstanten“ TN∗ oder TV∗ man zur Kompensation der ” Streckenzeitkonstanten T1 oder T2 verwendet ist beliebig, es ¨andert sich nur die Ver∗ st¨ arkung KP , die Gr¨ oßen KP , TN und TV bleiben davon unbeeinflusst. Setzt man TN∗ = T1 und TV∗ = T2 so resultiert f¨ ur F0 (s) F0 (s) =

KP∗ · KS , TN∗ · s

4.5 Regelung einer PT2 -Strecke

125

und es folgt die F¨ uhrungs¨ ubertragungsfunktion des geschlossenen Regelkreises zu 

FW (s) = 1+

1 ∗ TN ∗K KP S



·s

=

1 . 1 + Ta s

¨ Dies ist die Ubertragungsfunktion eines Verz¨ogerungsgliedes 1. Ordnung. Es entsteht der Eindruck, dass durch die Auswahl eines großen KP∗ die Regelgr¨oße x(t) beliebig schnell an den Sollwert w  herangef¨ uhrt werden kann. Dies geht jedoch wie zuvor zu Lasten der Stellamplitude y(0+ ). Beim idealen PID-Regler ist y(0+ ) ohnehin gleich unendlich. Doch auch beim realen PIDTD -Regler w¨ achst die Stellamplitude y(0+ ) proportional mit der Verst¨ arkung KP . Setzt man einen realen PID-Regler nach Gleichung 4.30 f¨ ur die Regelung der PT2 Regelstrecke an, so kann man nach dem Ausmultiplizieren des Nenners der Regelstrecke die Reglerkoeffizienten f¨ ur die dynamische Kompensation relativ einfach berechnen. Es ¨ gilt dann f¨ ur die Ubertragungsfunktion F0 (s): 

F0 (s) =



KS KP · (1 + TN s + TN TV s2 ) · . TN s · (1 + TD s) 1 + (T1 + T2 )s + T1 T2 s2

Damit w¨ ahlt man dann die Reglerparameter wie folgt: 



TN = T1 + T2 

TN TV = T1 T2





TN = TN − TD = T1 + T2 − TD (4.33)  T1 T2 T1 T2 TV = ⇒ TV = − TD (4.34) TN TN

Mit diesen Reglerparametern f¨ ur TN , TV und TD ≤ TS,Min /10 werden10 in Abb. 4.33 verschiedene Einschwingverl¨ aufe des F¨ uhrungs- und St¨orverhaltens dargestellt. Die Sprungantwort f¨ ur einen PIDTD -Regler, ausgelegt nach den Gleichungen 4.33 und 4.34 zeigt Kurve a. Die Regelgr¨ oße erreicht infolge eines sehr großen Stellsignals schnell den Sollwert w.  Im Vergleich dazu der deutlich langsamere Einschwingverlauf bei Verwendung eines PI-Reglers (Kurve b). Begrenzt man die Stellamplitude des PIDTD Reglers auf den Maximalwert der Stellamplitude des PI-Reglers (hier auf den Wert von ca. 5,4), so verschlechtert sich das Einschwingverhalten wieder (Kurve c). Die Regelgr¨ oße erreicht den Sollwert sp¨ ater als bei Verwendung des PI-Reglers. Diese Untersuchungen zeigen, dass das schnellere Erreichen des Sollwertes bei Verwendung des PID-Reglers erkauft wird mit einem deutlichen Anstieg der Stellamplitude. Es wird mehr Stellenergie ben¨ otigt, um die Strecke schneller reagieren zu lassen.

10

Mit TS,M in wird die kleinste Zeitkonstante der Regelstrecke bezeichnet.

126

4 Das Verhalten linearer Regelkreise

1.4 1.2 x(t) 1 w ˆ

b a

0.8

6

c

0.6 0.4 0.2 0

0

2

4

6

8

10

-

12

14

16

18

20

14

16

18

20

t/s

10

a

y(t) 8

66

b

4

c

2 0

0

2

4

6

8

10

-

12

t/s

Abbildung 4.33: F¨ uhrungs- und St¨orverhalten des Regelkreises f¨ ur einen PIDTD -Regler (Kurve a), PI-Regler (Kurve b) sowie einen PIDTD -Regler mit Stellgr¨oßenbeschr¨ankung (Kurve c)

St¨ orverhalten. Wiederum soll f¨ ur den idealen PID-Regler das St¨orverhalten untersucht werden. Die St¨ or¨ ubertragungsfunktion ergibt sich nach wenigen Rechenschritten zu FZ (s) =

−(TN∗ /KP∗ ) · s −FS (s) = 1 + F0 (s) (1 + T1 s) (1 + T2 s)(1 +

∗ TN ∗ K s) KP S

.

Die Anwendung des Grenzwertsatzes zeigt, dass auch beim St¨orverhalten nach einem St¨ orsprung keine bleibende Regeldifferenz auftritt. Es wird x(∞) = lim x(t) = z · lim FZ (s) = 0. t→∞

s=0

Das Regelverhalten bei der Ausregelung der St¨orgr¨oße zeigt f¨ ur die in Abb. 4.33 untersuchten F¨ alle keine signifikanten Unterschiede.

4.6 Regelung einer IT1 -Strecke

4.6

127

Regelung einer IT1-Strecke

Modell der Regelstrecke. Als Beispiele f¨ ur verz¨ogerte integrierende Regelstrecken werden in Kapitel 3 ein u ¨ ber eine mechanische Feder-D¨ampfer-Anordnung angesteuerter Stellzylinder sowie ein Gleichstrommotor aufgef¨ uhrt. Der Gleichstrommotor stellt eine integrierende Regelstrecke mit Verz¨ ogerung dar, sofern als Eingangsgr¨oße die Ankerspannung uA und als Ausgangsgr¨ oße der Drehwinkel ϕ betrachtet wird. Ein derartiger Gleichstrommotor soll bei der Drehwinkelregelung eines Roboterarms als Stellglied eingesetzt werden. Roboterarm 

Gleichstrommotor iA d -

RA

LA

uA

N ? d

Stromrichterschaltung

uSt ? 1m

      ma , ϕ   Greifer  e  A ?   S  J ? Drehwinkelsignal

Regler 2m Sn Sollwert

" " " H HH Messverst¨arker

Abbildung 4.34: Drehwinkelregelkreis eines Roboterarms Den prinzipiellen Aufbau eines derartigen Regelkreises zeigt Abb. 4.34. In den Roboterarm sind zur Drehwinkelmessung im Allgemeinen digitale Winkelsensoren integriert. Der gemessene Drehwinkel ϕ wird u uhrt. ¨ ber einen Messverst¨arker dem Regler zugef¨ Aus der Soll-/Istwertdifferenz bildet der elektrische Regler das Steuersignal uSt f¨ ur die Stromrichterschaltung. In dieser Stromrichterschaltung wird durch eine Gleichrichterschaltung eine zur Steuerspannung proportionale Gleichspannung uA erzeugt. Je nach erforderlicher Leistung sind diese Gleichrichterschaltungen mit Transistoren oder Thyristoren best¨ uckte Br¨ uckenschaltungen. Die Dynamik dieser Gleichrichterschaltungen ist im Allgemeinen so hoch im Vergleich zur Stellgeschwindigkeit des Roboterarms, dass man den Gleichrichter als ideales verz¨ogerungsfreies Stellglied bei der Reglerauslegung betrachten kann. Mit dieser Ankerspannung wird dann der in den Roboterarm integrierte Gleichstrommotor geregelt.

128

4 Das Verhalten linearer Regelkreise

Vernachl¨ assigt man in der Differentialgleichung des Gleichstrommotors, die in Abschnitt 3.2.2 angegeben wird, die Ankerkreisinduktivit¨at LA , dann stellt der Gleichstrommotor mit Roboterarm eine integrierende Regelstrecke mit einer Verz¨ogerung 1. Ordnung, also eine IT1 -Strecke dar. Die Sprungantwort zwischen den Messpunkten 1 und 2 zeigt also n¨ aherungsweise ein IT1 -Verhalten gem¨ aß Abb. 3.22.

4.6.1

P-Regler

Regelkreis. Die Darstellung der Baugruppen des Winkelregelkreises in einem Blockschaltbild f¨ uhrt zu Abb. 4.35. Die Verst¨ arkungsfaktoren der Verst¨arker, Umrechnungsfaktoren von Motor und Gleichrichter sind zum Integrierbeiwert KIS zusammengefasst. Die dominierende Verz¨ ogerung T1 des Kreises wird bestimmt durch den Fluss und den Ankerwiderstand des Motors sowie das Tr¨agheitsmoment von Motor und Roboterarm. Als St¨ orgr¨ oße z soll eine Versorgungsst¨ orgr¨oße zV (z. B. Spannungseinbruch des versorgenden Drehstromnetzes) angenommen werden. KP xd w - j − 6

z

KIS − y ? - j -

T1 x Abbildung 4.35: Regelkreis mit P-Regler und IT1 Strecke

KIS als s · (1 + T1 s) Regelstrecke berechnet man die F¨ uhrungs¨ ubertragungsfunktion des geschlossenen Regelkreises zu F¨ uhrungsverhalten. Mit FR (s) = KP als Regler und FS (s) =

FW (s) =

KP · KIS KP · KIS X(s) = = . W (s) KP KIS + s · (1 + T1 s) KP KIS + s + T1 s2

(4.35)

Die Umformung von Gleichung 4.35 ergibt FW (s) =

1 , 1 + Ta · s + Tb2 · s2

mit Ta = 1/(KP KIS ) und Tb2 = T1 /(KP KIS ). ¨ Die Uberpr¨ ufung des Endwertes der Regelgr¨oße x(t) mithilfe von Gleichung 4.13 f¨ uhrt f¨ ur einen Sprung der F¨ uhrungsgr¨ oße w(t) = w  · σ(t) zu keiner bleibenden Regelabweichung, da gilt x(∞) = w.  D¨ ampfung D und Kennkreisfrequenz ω0 k¨onnen u ¨ber die proportionale Reglerverst¨ arkung eingestellt werden. Eine unabh¨angige Einstellung beider Gr¨ oßen ist mit einem Reglerparameter jedoch nicht m¨oglich.

4.6 Regelung einer IT1 -Strecke

129

St¨ orverhalten. Die St¨ or¨ ubertragungsfunktion des Regelkreises wird ermittelt zu: FZ (s) =

− KIS −KIS X(s) = = . Z(s) KP KIS + s · (1 + T1 s) KP KIS + s + T1 s2

(4.36)

F¨ ur eine sprungf¨ ormige St¨ orgr¨ oße tritt eine bleibende Regeldifferenz auf. Es wird dann x(∞) = − z/KP . Aufgrund dieser bleibenden Regeldifferenz ist der P-Regler f¨ ur integrierende Strecken wenig geeignet, es sei denn, dass der St¨orgr¨oßeneinfluss unbedeutend ist.

4.6.2

I-Regler

Regelkreis. Wird anstelle des P-Reglers nun ein I-Regler eingesetzt, so weist der Winkelregelkreis die in Abb. 4.36 gezeigte Struktur auf. z

KI xd w " - j - "" " − 6

KIS − y ? - j -

T1 x -

Abbildung 4.36: Regelkreis mit I-Regler und IT1 Strecke

¨ F¨ uhrungsverhalten. Die Ubertragungsfunktion des aufgeschnittenen Regelkreises bei Einsatz eines I-Reglers wird ermittelt zu F0 (s) = FR (s) · FS (s) =

s2

KI KIS . · (1 + T1 s)

Damit lautet dann die F¨ uhrungs¨ ubertragungsfunktion FW (s) =

KI · KIS KI · KIS X(s) = = . (4.37) 2 W (s) KI KIS + s · (1 + T1 s) KI KIS + s2 + T1 s3

In Gleichung 4.37 fehlt im Nenner der Term mit s1 . Zur Bestimmung des Zeitverhaltens der Regelgr¨ oße wird auf die Betrachtungen von Abschnitt 2.1.3 zur¨ uckgegriffen, und ¨ zun¨ achst die Ubertragungsfunktion in eine Differentialgleichung u uhrt mit x(t) als ¨ berf¨ Ausgangsgr¨ oße und w(t) als Eingangsgr¨ oße. Diese Differentialgleichung lautet dann ... T1 · x + x ¨ + KI KIS · x = KI KIS · w . (4.38) Zur Berechnung des Zeitverhaltens von x(t) muss zun¨achst die L¨osung der homogenen Differentialgleichung bestimmt werden. Die homogene Differentialgleichung kann auf die allgemeine Form ... x + a2 · x ¨ + a0 · x = 0 gebracht werden. Mit dem eλt -Ansatz, d. h. xah = eλt erh¨alt man eingesetzt eλt · (λ3 + a2 λ2 + a0 ) = 0 .

130

4 Das Verhalten linearer Regelkreise

Da jede Gleichung 3. Grades 3 Wurzeln aufweist, kann der Ausdruck in der Klammer wie folgt faktorisiert werden: (λ3 + a2 λ2 + a0 ) = (λ − λ1 ) · (λ − λ2 ) · (λ − λ3 ) = 0 ,

(4.39)

ur z. B. zwei konjugiert komplexe und eine mit λ1 bis λ3 als Wurzeln der Gleichung. F¨ reelle Wurzel λ1,2 = −σ ± jω λ3 = −α resultiert dann in Gleichung 4.39 eingesetzt: 0 = λ3 + a2 λ2 + a0 = (λ − λ1 ) · (λ − λ2 ) · (λ − λ3 ) = λ3 + (2σ + α)λ2 + [(σ 2 + ω 2 ) + 2ασ]λ + α(σ 2 + ω 2 ) .

(4.40)

Der Koeffizientenvergleich mit Gleichung 4.39 f¨ uhrt zu a1 = (σ 2 + ω 2 ) + 2ασ = 0. Diese Bedingung kann aber nur erf¨ ullt werden, wenn entweder α oder σ negativ werden. Negatives α oder σ bedeuten aber Wurzeln λi mit positivem Realteil. Die L¨osung der homogenen Differentialgleichung besitzt somit mindestens eine gegen unendlich strebende Teill¨ osung xah = e+|σ|t · e±jωt oder xah = e+|α|t . Der Regelkreis ist instabil. Ein I-Regler ist f¨ ur die Regelung einer IT1 -Strecke unbrauchbar. Aufgabe 4.10: Gleichung 4.39 m¨ oge drei reelle Wurzeln λ1 = −α1 , λ2 = −α2 und λ3 = −α3 besitzen. Welcher Bedingung m¨ ussen die Wurzeln gehorchen, damit Gleichung 4.39 erf¨ ullt ist? Kann diese Bedingung f¨ ur positive αi erf¨ ullt werden? L¨ osung: α1 · α2 + α3 · α1 + α2 · α3 = 0;

Nein



Aufgabe 4.11: Eine Regelstrecke mit reinem integrierenden Verhalten (FS (s) = KIS /s) soll mit einem I-Regler geregelt werden. 1. Wie lautet die F¨ uhrungs¨ ubertragungsfunktion des Regelkreises? 2. Wie groß ist der D¨ ampfungsgrad D? 3. Beschreiben Sie das Verhalten des Regelkreises. L¨ osung: 1. FW (s) = KI KIS /(s2 + KI KIS ) . 2. D = 0 . 3. Der Regelkreis f¨ uhrt Dauerschwingungen durch. 

4.6 Regelung einer IT1 -Strecke

4.6.3

131

PI-Regler

Regelkreis. Anstelle der bisher verwendeten reinen proportionalen und integrierenden Regler wird nun ein PI-Regler verwendet. Dies f¨ uhrt zu der in Abb. 4.37 gezeigten Regelkreisstruktur. z KIS TN − y xd w  ?  - j -  - j − 6 KP

T1 x Abbildung 4.37: Regelkreis mit PI-Regler und IT1 -Strekke

¨ F¨ uhrungsverhalten. Die Ubertragungsfunktion des aufgeschnittenen Regelkreises lautet F0 (s) = FR (s) · FS (s) =

KP KIS · (1 + TN s) . TN s2 · (1 + T1 s)

(4.41)

W¨ urde man nun die als Nachstellzeit bezeichnete Gr¨oße TN = T1 setzen, so erhielte man F0 (s) =

KP KIS a2 = . s2 · T N s2

Die F¨ uhrungs¨ ubertragungsfunktion lautet dann: FW (s) =

F0 (s) a2 X(s) = = 2 . W (s) 1 + F0 (s) a + s2

(4.42)

¨ Gleichung 4.42 stellt die Ubertragungsfunktion eines PT2 -Systems mit der D¨ampfung D = 0 dar. Der Regelkreis f¨ uhrt Dauerschwingungen durch! Die Wahl der Nachstellzeit TN = T1 ist f¨ ur die Regelung der IT1 -Strecke ungeeignet. ¨ Daher wird die Ubertragungsfunktion des geschlossenen Regelkreises aus Gleichung 4.41 ausgerechnet, ohne eine Festlegung von TN im Voraus zu treffen. Sp¨ater wird in Kapitel 5 gezeigt, dass nur die Wahl TN > T1 zu einem stabilen Regelkreis f¨ uhrt. Es resultiert f¨ ur ein allgemeines TN nun FW (s) zu: FW (s) =

KP KIS

KP KIS · (1 + TN s) . · (1 + TN s) + TN s2 · (1 + T1 s)

(4.43)

Die Anwendung des Endwertsatzes auf Gleichung 4.43 f¨ ur eine sprungf¨ormige F¨ uhrungsgr¨ oße w ergibt: x(∞) = lim x(t) = w  · lim FW (s) = w . t→∞

s=0

Es tritt keine bleibende Regeldifferenz auf. Außerdem sind anders als in Gleichung 4.37 im Nenner alle Terme mit s0 , s1 . . . s3 vorhanden. Abb. 4.38 zeigt einige Einschwingverl¨ aufe f¨ ur verschiedene Werte von KP und TN . F¨ ur TN ≈ 40 · T1 sowie großem KP

132

4 Das Verhalten linearer Regelkreise

1.4 1.2 x(t) w ˆ

a

1

a

0.8

6

b

0.6

b

c

0.4

c

0.2 0

0

0.5

1

1.5

2

-

2.5

3

3.5

4

2.5

3

3.5

4

t/s

8

a

6

y(t)

6

4

b  a 

b

2

c 0

c

−2 −4

0

0.5

1

1.5

2

-

t/s

Abbildung 4.38: F¨ uhrungs- und St¨orverhalten des Regelkreises sowie ein großes KP ¯ P (Kurve b) und kleines KP (Kurve c) sowie TN ≈ 40T1 (Kurve a), mittleres KP = K ¯ P (Kurve b) und kleinem KP (Kurve c) wird der Sollwert (Kurve a), mittlerem KP = K w  verschieden schnell erreicht. Das Einschwingverhalten f¨ ur ein mittleres KP ist f¨ ur die meisten IT1 -Strecken eine sinnvolle Einstellung. Bei der hier betrachteten Positionsre¨ gelung eines Roboterarms ist h¨ aufig ein Uberschwingen des Arms u ¨ ber die Sollposition verboten, so dass hierauf bei der Reglerauswahl und -einstellung besonders zu achten ist. Je kleiner das KP umso kleiner wird auch die maximale Stellamplitude, wie die untere Abb. 4.38 zeigt. St¨ orverhalten. Die St¨ or¨ ubertragungsfunktion des Regelkreises resultiert zu FZ (s) =

−KIS · TN · s X(s) = . Z(s) KP KIS · (1 + TN s) + TN s2 · (1 + T1 s)

Mit Anwendung des Endwertsatzes folgt f¨ ur die St¨or¨ ubertragungsfunktion f¨ ur eine sprungf¨ ormige St¨ orgr¨ oße z · σ(t) : x(∞) = lim x(t) = z · lim FZ (s) = 0 . t→∞

s=0

4.6 Regelung einer IT1 -Strecke

133

Eine konstante St¨ orung verursacht keine bleibende Regeldifferenz. Die Zeitverl¨aufe des St¨ orverhaltens f¨ ur eine sprungf¨ ormige St¨ orung bei t = t1 zeigt Abb. 4.38. Der Einfluss des Verst¨ arkungsfaktors auf das St¨orverhalten zeigt sich prim¨ar in der ¨ Verringerung der maximalen Regeldifferenz (Uberschwingen u ¨) mit steigendem KP . Die Einwirkung der St¨ orung klingt f¨ ur alle drei Verst¨arkungen KP jedoch nur langsam ab. Dies h¨ angt mit der gew¨ ahlten Nachstellzeit TN zusammen.

Aufgabe 4.12: Eine Regelstrecke mit reinem integrierenden Verhalten (FS (s) = KIS /s) soll mit einem PI-Regler geregelt werden. 1. Wie lautet die F¨ uhrungs¨ ubertragungsfunktion des Regelkreises? 2. Wie groß ist der D¨ ampfungsgrad D? 3. Wie groß sind die bleibenden Regeldifferenzen bei Einwirkung sprungf¨ormiger F¨ uhrungs- und St¨ orsignale?

L¨ osung:

2.

KP KIS · (1 + TN s) FW (s) = KP KIS · (1 + TN s) + TN s2 √ D = 12 · TN KP KIS

3.

In beiden F¨ allen gleich Null.

1.



Aufgabe 4.13: Eine IT1 -Regelstrecke (FS (s) = (FR (s) =

KIS ) wird mit einem PI-Regler s · (1 + T1 s)

KP (1 + TN s) ) geregelt, dabei wird TN = 4T1 gew¨ahlt. TN s

1. Ist der geschlossene Regelkreis stabil (Begr¨ undung!)? 2. Tritt bei Auftreten einer sprungf¨ ormigen F¨ uhrungsgr¨oße eine bleibende Regeldifferenz auf? 3. Es werde nun eine rampenf¨ ormige F¨ uhrungsgr¨oße w(t) = c · t aufgeschaltet. Wie berechnet man die Regeldifferenz Xd (s)? 4. Tritt nun ein Schleppfehler auf? Wie groß ist gegebenfalls dieser Schleppfehler? 5. Wie groß ist das Stellsignal y(t) f¨ ur t gegen Unendlich?

134 L¨ osung:

4 Das Verhalten linearer Regelkreise 1.

Der Kreis ist stabil, da TN > T1 gew¨ahlt ist.

2.

Es tritt keine bleibende Regeldifferenz auf. W (s) Xd (s) = . 1 + F0 (s)

3. 4. 5.

c · TN Es tritt der folgende Schleppfehler auf: µ = . KP · KIS c . Es gilt y(∞) = KIS 

5

Stabilit¨at von Regelkreisen

Grundlagen. In Kapitel 4 wird die Zusammenschaltung von Regler und Regelstrecke zu einem Regelkreis eingef¨ uhrt. F¨ ur die Regler im Regelkreis werden verschiedene Reglerkoeffizienten vorgegeben und dann das Zeitverhalten der Regelgr¨oße x(t) nach einem Sprung der F¨ uhrungsgr¨ oße w(t) bzw. der St¨orgr¨oße z(t) untersucht. Dieses betreffende Zeitverhalten wird mit F¨ uhrungs- und St¨ orverhalten des Regelkreises bezeichnet. ¨ F¨ ur die folgenden Ubertragungsfunktionen von Regler und Regelstrecke in allgemeiner Form FR (s) =

b0r + b1r s + . . . + bmr r smr ZR (s) = , NR (s) a0r + a1r s + . . . + anr r snr

FS (s) =

b0s + b1s s + . . . + bms s sms ZS (s) = , NS (s) a0s + a1s s + . . . + ans s sns

sowie

uhrungs- und St¨or¨ ubertragungsfunktionen des mit mr ≤ nr und ms ≤ ns , lauten die F¨ geschlossenen Standardregelkreises1 : FR (s) · FS (s) F0 (s) X(s) = = = W (s) 1 + FR (s) · FS (s) 1 + F0 (s) b0w + b1w s + . . . + bmw w smw = und a 0 + a 1 s + . . . + an s n FS (s) FS (s) X(s) =− =− = FZ (s) = Z(s) 1 + FR (s) · FS (s) 1 + F0 (s) b0z + b1z s + . . . + bmz z smz = − . a 0 + a 1 s + . . . + an s n

FW (s) =

(5.1)

(5.2)

Wirken F¨ uhrungs- und St¨ orgr¨ oße gleichzeitig auf den Regelkreis ein, so resultiert die Laplace-Transformierte X(s) der Regelgr¨ oße x(t) zu X(s) = FW (s) · W (s) + FZ (s) · Z(s) b0w + b1w s + . . . + bmw w smw · W (s) − X(s) = a 0 + a 1 s + . . . + an s n b0z + b1z s + . . . + bmz z smz · Z(s) . (5.3) − a 0 + a 1 s + . . . + an s n 1

siehe Abb. 4.2

136

5 Stabilit¨ at von Regelkreisen

Die Umformung von Gleichung 5.3 ergibt {a0 + a1 s + . . . + an sn } · X(s) = {b0w + b1w s + . . . + bmw w smw } · W (s) − −{b0z + b1z s + . . . + bmz z smz } · Z(s) , und die R¨ ucktransformation in den Zeitbereich f¨ uhrt zu der folgenden Differentialgleichung: mw

n

an x (t) + . . . + a1 x(t) ˙ + a0 x(t) = b0w w(t) + b1w w(t) ˙ + . . . + bmw w (t) − mz

−b0z z(t) − b1z z(t) ˙ − . . . − bmz z (t) .

(5.4)

Die Stabilit¨ at dieser Differentialgleichung 5.4 wird nun nachfolgend untersucht. Analysiert man nur die Stabilit¨ at der linken Seite der Differentialgleichung, der so genannten homogenen Differentialgleichung, so bezeichnet man dies als interne Stabilit¨at. Untersucht man das Stabilit¨ atsverhalten von x(t) nach einer externen Anregung durch w(t) und/oder z(t), so spricht man von der externen Stabilit¨at. Die nachfolgend abgeleiteten Stabilit¨ atsdefinitionen gelten nicht nur f¨ ur Regelkreise, sondern auch f¨ ur einzelne Regelkreisglieder mit einer Eingangsgr¨oße xe (t) und einer Ausgangsgr¨ oße xa (t).

5.1

Stabilit¨atsdefinitionen

5.1.1

Interne Stabilit¨at

Definition. Man geht nun aus von der obigen Differentialgleichung 5.4 mw

n

an x (t) + . . . + a1 x(t) ˙ + a0 x(t) = b0w w(t) + b1w w(t) ˙ + . . . + bmw w (t) − mz

−b0z z(t) − b1z z(t) ˙ − . . . − bmz z (t) und betrachtet nur die linke Seite dieser Differentialgleichung, die homogene Differentialgleichung n

an x (t) + . . . + a1 x(t) ˙ + a0 x(t) = 0 , die gleich Null gesetzt wird.

(5.5)

5.1 Stabilit¨ atsdefinitionen

137

Hierauf basiert die Stabilit¨atsdefinition der internen Stabilit¨at: Man bezeichnet ein System (Regelkreis oder Regelkreisglied) als intern stabil oder asymptotisch stabil wenn die L¨osung x(t) der zugeh¨origen homogenen Differentialgleichung n

an x (t) + . . . + a1 x(t) ˙ + a0 x(t) = 0,

(5.6)

f¨ ur beliebige Anfangsbedingungen x(0) = x0 ;

x(0) ˙ = x˙ 0 ;

...

n−1

n−1

x (0) = x0

f¨ ur t → ∞ gegen Null geht. Die Form der ¨ außeren Anregung spielt bei dieser Stabilit¨atsdefinition also keine Rolle, daher auch die Bezeichnung interne Stabilit¨at [23]. In Kapitel 2 werden die L¨osungen dieser homogenen Differentialgleichung mit dem eλt -Ansatz, d. h. mit dem Ansatz x(t) = xh (t) = eλt berechnet. Einsetzen dieses L¨osungsansatzes in die homogene Differentialgleichung 5.6 ergibt: eλt · (an λn + . . . + a1 λ + a0 ) = 0 . Diese Gleichung ist f¨ ur alle Zeiten t erf¨ ullt, wenn der Ausdruck in der Klammer, die so genannte charakteristische Gleichung, gleich Null wird: an λn + . . . + a1 λ + a0 = 0 .

(5.7)

Weisen die n Nullstellen (Wurzeln2 ) λ1 . . . λn von Gleichung 5.7 einen negativen Realteil auf, dann geht die L¨ osung x(t) der Differentialgleichung 5.6 f¨ ur beliebige Anfangsbedingungen gegen Null. Stabilit¨ atskriterium. Da Gleichung 5.7 aber identisch ist zum Nenner der F¨ uhrungsbzw. St¨ or¨ ubertragungsfunktionen 5.1 bzw. 5.2, nun aber mit der Laplace-Variablen s: an s n + . . . + a 1 s + a 0 = 0

bzw.

1 + F0 (s) = 0 ,

kann man die Kriterien f¨ ur die Stabilit¨ at von Systemen direkt anhand der gungsfunktionen definieren. Dabei werden die Nullstellen vom Nenner einer gungsfunktion als Pole bezeichnet.

(5.8) ¨ Ubertra¨ Ubertra-

¨ Ein System kann sowohl ein kompletter Regelkreis, beschrieben durch die UbertragungsF0 (s) −FS (s) funktion FW (s) = oder FZ (s) = , als auch ein einzelnes Regelkreis1 + F0 (s) 1 + F0 (s) Z (s) glied wie z. B. FS (s) = S sein. Dabei ist vorausgesetzt, dass gemeinsame Terme, NS (s) ¨ wie z. B. (1 ± T s), in Z¨ ahler und Nenner der jeweiligen Ubertragungsfunktion, nicht herausgek¨ urzt werden d¨ urfen. 2

Wurzeln und Nullstellen einer Gleichung bedeuten dasselbe.

138

5 Stabilit¨ at von Regelkreisen

Das Kriterium f¨ ur die interne Stabilit¨at eines Systems lautet:

Ein System ist dann intern stabil, wenn die charakteristische Gleichung ¨ 1 + F0 (s) = 0 bzw. der Nenner N (s) der Ubertragungsfunktion nur Pole in der linken s-Halbebene, also mit negativem Realteil σ < 0 aufweisen. F¨ ur alle n Pole si = σi sj,j+1 = σj ± jωj

(5.9)

mit i,j ∈ {1, . . . , n} muss also gelten σi,j < 0 .

(5.10)

Anwendung. Die Lage zweier konjugiert komplexer Pole und das zugeh¨orige Zeitverhalten stabiler, grenzstabiler und instabiler Bewegungen zeigt Abb. 5.1. Dabei sind die so genannten Eigenbewegungen eines Systems dargestellt.

a)

Im(s) 6 × Re(s) ×

x 6

b)

Im(s) 6 × Re(s) ×

x 6 t -

c) Im(s) 6

× ×

Re(s) -

x 6 t -

t -

Abbildung 5.1: Eigenbewegung eines stabilen (Abb. a), grenzstabilen (Abb. b) und instabilen Systems (Abb. c) f¨ ur ein konjugiert komplexes Polpaar Die Eigenbewegungen sind die Bewegungen der Teill¨osungen xh,i (t) = eσi t bzw. xh,j (t) = e(σj ±jωj )t der homogenen Differentialgleichung von einem von Null verschiedenen An¨ fangszustand. Die Uberlagerung aller Eigenbewegungen ergibt die Antwort des nicht angeregten Systems, das von einem Anfangszustand frei ausschwingt“. ” Bei Polen auf der reellen Achse verl¨ auft die jeweilige Bewegung von x(t) aperiodisch, d. h. entsprechend einer Exponentialfunktion.

5.1 Stabilit¨ atsdefinitionen

5.1.2

139

Externe Stabilit¨at

Definition. Im Unterschied zur internen Stabilit¨at werden bei der Definition der externen Stabilit¨at explizit die Ein- und Ausgangssignale des Systems mit in die Betrachtung einbezogen. Ein System wird als extern stabil definiert, wenn ein beschr¨anktes Eingangssignal xe (t) am Systemausgang ebenfalls nur ein beschr¨anktes Ausgangssignal xa (t) hervorruft. Aufgrund der Signalbeschr¨ ankungen wird diese Stabilit¨at oft auch als BIBO-Stabilit¨at (Bounded Input – Bounded Output Stabilit¨at) bezeichnet. Der Zusammenhang zwischen dem Ein- und Ausgangssignal wird durch den Faltungssatz, siehe Anhang A, mit g(t) als Gewichtsfunktion beschrieben t g(t − τ ) · xe (τ ) dτ.

xa (t) = 0

anktes Eingangssignal Ist xe (t) ein beschr¨ |xe (t)| ≤ Me < ∞ , mit Me als beliebiger Konstante, so resultiert das Ausgangssignal xa (t) unter Verwendung des Faltungssatzes zu: t |xa (t)| ≤

t |g(t − τ )| · |xe (τ )| dτ ≤ Me ·

0

|g(t − τ )| dτ .

(5.11)

0

Das Ausgangssignal xa (t) ist beschr¨ ankt, d. h. es gilt (mit Ma als beliebige Konstante) |xa (t)| ≤ Ma < ∞ sofern das folgende Integral konvergiert ∞

∞ |g(t − τ )| dτ =

0

|g(τ )| dτ < +∞ .

(5.12)

0

Die Gewichtsfunktion g(t) ist im Wesentlichen durch die Nullstellen der charakteristischen Gleichung des Systems bestimmt, d. h. es gilt z. B. f¨ ur verschiedene Nullstellen λi (ohne doppelte Nullstellen) g(t) =

n  i=1

ki · eλi t .

140

5 Stabilit¨ at von Regelkreisen

Somit resultiert f¨ ur einen dieser Summanden mit reeller Nullstelle λi = σi eingesetzt in die Integralgleichung 5.12 t |ki · eσi τ | dτ =

t

|ki | |ki |  σi t  · (eσi τ )  = · e −1 σi σ 0 i

(5.13)

0

F¨ ur t → ∞ konvergiert dieses Integral, sofern die Nullstelle λi einen negativen Realteil σi aufweist. Stabilit¨ atskriterium. Damit stimmt das Stabilit¨atskriterium f¨ ur die externe Stabilit¨at eines Systems mit dem Kriterium f¨ ur die interne Stabilit¨at u ¨ berein: Ein System wird als extern stabil bezeichnet, wenn seine charakteristische Gleichung an sn + . . . + a1 s + a0 = 0 nur Pole in der linken s-Halbebene, also mit negativem Realteil σ < 0 aufweist. F¨ ur alle n Pole si = σi sj,j+1 = σj ± jωj

(5.14)

mit i,j ∈ {1, . . . , n} muss also gelten σi,j < 0 .

(5.15)

Da in der Regelungstechnik im Allgemeinen das Ein-/Ausgangsverhalten von Systemen und weniger das Bewegungsverhalten, ausgehend von einem bestimmten Anfangszustand, von Bedeutung ist, w¨ are ohne die Einf¨ uhrung der BIBO-Stabilit¨at die Analyse der Stabilit¨ at allein auf der Basis der internen Stabilit¨at unbefriedigend geblieben. Umso positiver ist es nun jedoch, dass beide Stabilit¨atsdefinitionen zu demselben folgenden Stabilit¨ atskriterium f¨ uhren: Liegen die Pole des untersuchten Systems in der linken s-Halbebene, dann ist das System sowohl intern als auch extern stabil. Nachfolgend wird daher auf diese Unterscheidung verzichtet und es wird nur noch von der Stabilit¨ at bzw. Instabilit¨ at eines Systems gesprochen und das Stabilit¨atskriterium als allgemeines Stabilit¨atskriterium bezeichnet. Anwendung. Die praktische Anwendung des allgemeinen Stabilit¨atskriteriums ist mit den heutigen Rechnern kein Problem mehr, da sogar schon Taschenrechner leistungsf¨ ahige Nullstellenberechnungsprogramme enthalten. Auf die Rechenverfahren zur Nullstellenbestimmung wird in Abschnitt 13.1 eingegangen. Die zwei folgenden Beispiele sollen die Anwendung des obigen Stabilit¨atskriteriums verdeutlichen. Zun¨ achst wird ein einzelnes Regelkreisglied untersucht.

5.1 Stabilit¨ atsdefinitionen

141

Beispiel 5.1: Betrachtet man den Feder-Masse-Schwinger von Kapitel 3, Abb. 3.14, so lautet die Differentialgleichung des Schwingers M ·x ¨a + d · x˙ a + c · xa = A · pe , ¨ und die zugeh¨ orige Ubertragungsfunktion des Regelkreisgliedes heißt FS (s) =

Z(s) A Xa (s) = = . Pe (s) N (s) M s2 + ds + c

Mit M = 10 kg, d = 4 kgs−1 und c = 0,3 kgs−2 resultiert dann die Nennergleichung N (s) = 0 (nach Weglassen der Dimensionen) zu: 10s2 + 4s + 0,3 = 0 . ¨ Die Pole der Ubertragungsfunktion des Regelkreisgliedes ergeben sich zu s1 = − 0,1

und

s2 = − 0,3 .

Der Feder-Masse-Schwinger besitzt zwei reelle Pole in der linken s-Halbebene, die Eigenbewegungen klingen monoton ab. Folglich ist der Feder-Masse-Schwinger stabil. Wenn die Federsteifigkeit auf c = 0,5 kgs−2 ansteigt, dann wandern die Pole nach s1,2 = −0,2 ± j0,1 . Der Schwinger bleibt stabil, da die Pole ebenso in der linken Halbebene liegen. Die Eigenbewegungen klingen nun jedoch oszillatorisch ab, da das Polpaar konjugiert komplex wird.  Beispiel 5.2: Als Beispiel f¨ ur einen kompletten Regelkreis wird die Drehwinkelregelung des Gleichstrommotors von Abschnitt 4.6.2 mit einem reinen I-Regler untersucht. Mit FS (s) =

KIS s · (1 + T1 s)

F0 (s) =

KI KIS . s2 · (1 + T1 s)

und

FR (s) =

wird

Damit lautet dann die charakteristische Gleichung 1 + F0 (s) = 1 +

KI KIS =0 s2 · (1 + T1 s)

bzw. KI KIS + s2 · (1 + T1 s) = 0 .

KI s

142

5 Stabilit¨ at von Regelkreisen

Mit den Zahlenwerten KI = 2 s−1 , KIS = 1 s−1 und T1 = 0,1 s lautet die charakteristische Gleichung nach Weglassen der Dimensionen 2 + s2 + 0,1s3 = 0 . ¨ Die Nullstellen der charakteristischen Gleichung (=  Pole der Ubertragungsfunktion) liegen bei: s1 = −10,19

und

s2,3 = +0,096 ± j1,40 .

Zwei Pole liegen in der rechten s-Halbebene, der Regelkreis ist instabil. Die Eigenbewegung klingt oszillatorisch auf, so wie in Abb. 5.1c gezeigt.  ¨ Aufgabel 5.1: Eine PT3 -Regelstrecke mit der nachfolgend gegebenen Ubertragungsfunk5 ¨ tion FS (s) = wird mit dem PI-Regler mit der Ubertragungsfunk1 + 6s + 4s2 + 2s3 KP · (1 + 4s) geregelt. tion FR (s) = 4s 1. Berechnen Sie die Pole der Regelstrecke. 2. Ist die Regelstrecke f¨ ur sich stabil? 3. Wie lautet die charakteristische Gleichung f¨ ur KP = 1? 4. Berechnen Sie die Nullstellen der charakteristischen Gleichung. 5. Ist der geschlossenen Regelkreis stabil? 6. Ab welchem KP wird der Regelkreis instabil? L¨ osung: 1. s1,2 = −0,9060 ± 1,3559j und s3 = −0,1880 2. Die Regelstrecke ist stabil, alle Pole haben negativen Realteil. 3. 5 + 24s + 24s2 + 16s3 + 8s4 = 0 4. s1,2 = −0,2577 ± 1,3567j; s3 = −1,2147 und

s4 = −0,2698 .

5. Der geschlossene Regelkreis ist stabil, da alle Nullstellen negativen Realteil aufweisen. 6. F¨ ur KP > 1,8392 wird der Regelkreis instabil. 

5.2 Das Hurwitz-Kriterium

5.2

143

Das Hurwitz-Kriterium

Definition. Obwohl mit den heute zur Verf¨ ugung stehenden Rechenprogrammen die Anwendung des allgemeinen Stabilit¨ atskriteriums problemlos ist, kann f¨ ur Systeme niedriger Ordnung eine einfachere Stabilit¨ atspr¨ ufung erfolgen. Diese Stabilit¨atspr¨ ufung geht von den Koeffizienten der charakteristischen Gleichung aus und erfordert keine explizite Nullstellenberechnung. Sie wurde von Routh und Hurwitz entwickelt und ist in der Form von Hurwitz bekannt geworden [22], [44]. Der Regelkreis mit der charakteristischen Gleichung an sn + . . . + a1 s + a0 = 0 kann monotone Instabilit¨at (dann liegt mindestens eine positiv reelle Nullstellen vor) oder oszillatorische Instabilit¨at (dann liegt mindestens eine konjugiert komplexe Nullstelle mit positivem Realteil vor) aufweisen. Damit ein Regelkreis stabil ist m¨ ussen die folgenden Hurwitz-Bedingungen erf¨ ullt sein:

1. Es m¨ ussen alle Koeffizienten ai der charakteristischen Gleichung von a0 bis an vorhanden sein und gleiches Vorzeichen aufweisen. 2. Ordnet man man die Koeffizienten der charakteristischen Gleichung wie folgt in Form einer quadratischen Matrix an und bestimmt die so genannte Hurwitz-Determinante H:   a1   a0   0  H =  0  0  0   .  ..

a3 a2 a1 a0 0 0 .. .

a5 a4 a3 a2 a1 a0 .. .

a7 a6 a5 a4 a3 a2 .. .

 ...  ...  ... . . .  . . .  . . .  ..  .

n × n Matrix

dann m¨ ussen zur Erf¨ ullung der Stabilit¨at die Hurwitz-Determinante H und die Unterdeterminanten Hi , f¨ ur i = 1, . . . n − 1, der hervorgehobenen Matrizen, also

H1 = a1

   a1 a3   = a1 a2 − a0 a3  H2 =  a0 a2 

usw.

positives Vorzeichen aufweisen. Dabei sind die ai als positiv vorausgesetzt.

144

5 Stabilit¨ at von Regelkreisen

Erl¨ auterung. Diese Hurwitz-Bedingungen sagen nichts u ¨ ber den Grad der Stabilit¨at ” oder Instabilit¨ at“ aus, also ob die Nullstellen der charakteristischen Gleichung nahe der imagin¨ aren Achse oder weit entfernt davon liegen. Es wird nur eine Aussage dar¨ uber getroffen, ob das System stabil, grenzstabil oder instabil ist. Bedingung 1 ist leicht einzusehen, wenn man z. B. die folgenden drei Nullstellen der charakteristischen Gleichung annimmt: s1 = +α

s2 = −β

s3 = −γ .

Dann resultiert unter Verwendung des Satzes von Vieta die charakteristische Gleichung zu: (s − s1 )(s − s2 )(s − s3 ) = s3 + (β + γ − α)s2 + (βγ − α[β + γ])s − αβγ = 0. Unabh¨ angig von den Betr¨ agen von α, β und γ weist nun der Koeffizient a0 = −αβγ immer ein negatives und a3 (≡ 1) immer ein positives Vorzeichen auf. Sie haben unterschiedliche Vorzeichen und die Hurwitz-Bedingung 1 ist nicht erf¨ ullt. Aufgabe 5.2: Die charakteristische Gleichung besitze die drei Nullstellen s1 = −α und ¨ s2,3 = +σ ± jω. Uberpr¨ ufen Sie die G¨ ultigkeit der ersten Hurwitz-Bedingung.  Bedingung 2 wird plausibel, wenn man die Dauerschwingungen eines Systems an der Stabilit¨ atsgrenze betrachtet. F¨ ur ein System 3. Ordnung lautet die homogene Differentialgleichung ... a3 x(t) + a2 x¨(t) + a1 x(t) ˙ + a0 x(t) = 0 . Es wird angenommen, dass der Regelkreis an der Stabilit¨atsgrenze Dauerschwingungen ausf¨ uhrt. Dann gilt f¨ ur x(t): x(t) = x  · sin ωt . Setzt man x(t) in die homogene Differentialgleichung ein, so resultiert: x  · {−a3 ω 3 cos ωt − a2 ω 2 sin ωt + a1 ω cos ωt + a0 sin ωt} = 0 . Ordnet man die Gleichung nach Sinus- und Kosinus-Termen so ergibt sich: x  sin ωt · {a0 − a2 ω 2 } = 0 x  cos ωt · {a1 ω − a3 ω 3 } = 0 .

(5.16) (5.17)

Gleichung 5.17 ist f¨ ur alle Zeiten t erf¨ ullt sofern ω 2 = aa13 . Mit dieser Frequenz ω =  a1 ωKrit = a3 , der so genannten kritischen Frequenz, schwingt der Regelkreis an der

5.2 Das Hurwitz-Kriterium

145

Stabilit¨ atsgrenze3 . Einsetzen dieser Bedingung von ω in 5.16 ergibt: a0 a 3 − a 1 a 2 = 0

bzw.

a 1 a2 − a0 a3 = 0 .

(5.18)

D. h. an der Stabilit¨ atsgrenze erf¨ ullen die Koeffizienten der charakteristischen Gleichung die Bedingung von Gleichung 5.18. Man kann zeigen, dass die Ungleichung a1 a 2 − a 0 a 3 > 0 a1 a 2 − a 0 a 3 < 0

zu Nullstellen mit negativem Realteil, und zu Nullstellen mit positivem Realteil f¨ uhrt.

(5.19) (5.20)

Gleichung 5.18 ist aber identisch mit den Bedingungen f¨ ur die Hurwitz-Determinante H und die Unterdeterminanten Hi , denn f¨ ur n = 3 muss gelten: 1.) H1 = a1 > 0   a a  2.) H2 =  1 3  = a1 a2 − a0 a3 > 0 a0 a2    a1 a3 0    3.) H3 = H =  a0 a2 0  = a3 · H2 .  0 a 1 a3  Positive a0 . . . a3 vorausgesetzt, sind alle H1 bis H3 positiv, sofern die Bedingung a1 a2 − a0 a3 > 0 erf¨ ullt ist. Anwendungen. F¨ ur eine charakteristische Gleichung 4. Ordnung weisen f¨ ur positive ullt ist: ai die Nullstellen negativen Realteil auf, sofern die nachfolgende Ungleichung erf¨ a1 a2 a3 − a0 a23 − a21 a4 = a3 · (a1 a2 − a0 a3 ) − a21 a4 > 0 . Die Bedingung a1 a2 −a0 a3 > 0 ist implizit in der vorangehenden Ungleichung enthalten. Beispiel 5.3: Es wird wieder der Feder-Masse-Schwinger von Beispiel 5.1 untersucht. Die charakteristische Gleichung dieser Anordnung lautet: M s2 + ds + c = 0 . Hurwitz-Bedingung 1 ist erf¨ ullt, alle Koeffizienten der charakteristischen Gleichung sind vorhanden, a2 = M , a1 = d und a0 = c, und sie besitzen positives Vorzeichen. Die Hurwitz-Determinante H1 = a1 a2 − a0 · 0 > 0 ist bei Erf¨ ullung von Bedingung 1 immer erf¨ ullt. Daraus folgt: 3 Diese Bedingung f¨ ur ωKrit gilt f¨ ur ein System 3. Ordnung. F¨ ur Systeme h¨ oherer Ordnung ur ein System 3. Ordnung abgeleitet. Die Anwendung wird ωKrit entsprechend dem Vorgehen f¨ ahlt sind, dass das dieser Bedingungen f¨ ur ωKrit setzt voraus, dass die Reglerparameter so gew¨ System Dauerschwingungen durchf¨ uhrt.

146

5 Stabilit¨ at von Regelkreisen ¨ Eine Ubertragungsfunktion 2. Ordnung, deren Nenner alle Koeffizienten mit gleichem Vorzeichen enth¨alt, ist immer stabil.



Beispiel 5.4: Bei der Drehwinkelregelung des Gleichstrommotors mit einem I-Regler in Beispiel 5.2 lautet die charakteristische Gleichung 1 + F0 (s) = 0



KI KIS + s2 + T1 s3 = 0 .

Es fehlt der Koeffizient a1 vor s1 . Damit ist Hurwitz-Bedingung 1 nicht erf¨ ullt, der Regelkreis weist mindestens einen Pol in der rechten s-Halbebene auf und ist instabil. ¨ Die Uberpr¨ ufung der Hurwitz-Determinanten er¨ ubrigt sich.  Beispiel 5.5: Es wird die Drehwinkelregelung von Beispiel 5.2 untersucht. Die RegelKIS KP · (1 + TN s) strecke FS (s) = wird mit einem PI-Regler FR (s) = ges · (1 + T1 s) TN s regelt. Es soll untersucht werden, mit welcher Frequenz ωKrit der Regelkreis an der Stabilit¨ atsgrenze schwingt und wie groß die Nachstellzeit TN des PI-Reglers mindestens werden muss, damit der Regelkreis stabil wird. ¨ Die Ubertragungsfunktion F0 des aufgeschnittenen Regelkreises lautet F0 (s) =

KP · (1 + TN s) KIS · . s · (1 + T1 s) TN s

Daraus folgt die charakteristische Gleichung zu: 1 + F0 (s) = 0



KIS KP + KIS KP TN s + TN s2 + TN T1 s3 = 0 .

Sofern KP = KP,Krit , mit KP,Krit als so genannter kritischer Verst¨arkung4 , berechnet man die kritische Frequenz ωKrit der Dauerschwingung der Regelgr¨oße x(t) an der Stabilit¨ atsgrenze, aus:    a1 KIS KP,Krit TN KIS KP,Krit ωKrit = = = . a3 TN T1 T1 Aus der Bedingung der Hurwitz-Determinanten a1 a2 − a0 a3 = KIS KP TN2 − KIS KP TN T1 > 0 und somit muss f¨ ur einen stabilen Regelkreis gelten: TN > T1 .

4

folgt

TN > T1 , 

F¨ ur KP = KP,krit weist mindestens ein Pol der charakteristischen Gleichung den Realteil Null auf, alle anderen Pole besitzen negativen Realteil.

5.3 Das Nyquist-Kriterium

147

Aufgabe 5.3: Wie lauten die Hurwitz-Bedingungen f¨ ur eine charakteristische Gleichung 5. Ordnung: L¨ osung:

1.) 2.)

(a0 a3 − a1 a2 ) · (a2 a5 − a3 a4 ) − (a0 a5 − a1 a4 )2 > 0 a3 a4 − a2 a5 > 0 

¨ Aufgabe 5.4: Uberpr¨ ufen Sie die Hurwitz-Bedingungen an dem Regelkreis von Aufgabe 5 1 + 4s 5.1, also mit FS (s) = : und FR (s) = 2 3 1 + 6s + 4s + 2s 4s 1. Sind alle Hurwitz-Bedingungen f¨ ur KP = 1 erf¨ ullt? 2. Wie groß ist KP,Krit ? L¨ osung: 1. Ja, die Hurwitz-Bedingungen sind alle erf¨ ullt. 2. KP,Krit = 1,8392. 

5.3

Das Nyquist-Kriterium

Einf¨ uhrung. Die bisher betrachteten Stabilit¨atskriterien gehen von der charakteristischen Gleichung 1 + F0 (s) = 1 + FR (s) · FS (s) = 0.

(5.21)

¨ aus. Das charakteristische Polynom 1 + F0 (s) bildet den Nenner der Ubertragungsfunktion des geschlossenen Regelkreises. Die Lage der Nullstellen dieser Gleichung ist entscheidend f¨ ur die Stabilit¨ at des Regelkreises. Das Nyquist-Kriterium geht ebenso von dieser charakteristischen Gleichung aus, f¨ uhrt aber zu einem grafischen Stabilit¨ atskriterium. Hierzu wird Gleichung 5.21 umgeformt zu F0 (s) = FR (s) · FS (s) = −1 . ¨ des aufgeschnittenen Regelkreises, wenn man die F0 (s) ist die Ubertragungsfunktion Vorzeichenumkehr außer Acht l¨ asst5 . Diesen aufgeschnittenen Regelkreis zeigt Abb. 5.2. Die Stelle im Regelkreis, an der aufgeschnitten wird, ist f¨ ur die Bestimmung von F0 (s) unbedeutend. 5

¨ Falls die R¨ uckf¨ uhrschleife ein Messelement FM (s) enth¨ alt gilt f¨ ur die Ubertragungsfunktion des aufgeschnittenen Regelkreises F0 (s) = FR (s) · FS (s) · FM (s).

148

5 Stabilit¨ at von Regelkreisen z xd w - j - FR (s) − 6

− y ? - j - FS (s)

x Abbildung 5.2: Aufgeschnittener Regelkreis

Man f¨ uhrt nun folgendes Experiment durch: Man regt den aufgeschnittenen Regelkreis an der Schnittstelle in Wirkungsrichtung mit einer Sinusschwingung der Frequenz ω1 und der Amplitude 1 an. Dann durchl¨ auft diese Sinusschwingung den Regelkreis und tritt am anderen freien Ende der Schnittstelle (im eingeschwungenen Zustand) phasenverschoben mit gleicher Frequenz ω1 aber neuer Amplitude A1 wieder aus. Man ver¨ andert nun die Frequenz ω1 solange, bis die Phasenverschiebung zwischen dem Ein- und Ausgangssinus –360◦ betr¨agt, und dann ver¨ andert man die Reglerverst¨ arkung KP solange bis die Amplitude A1 des Ausgangssinus gleich 1 ist. Dieser Fall tritt genau dann auf, wenn die Anregungsfrequenz ω1 gleich der kritischen Frequenz ωKrit und die Reglerverst¨ arkung KP gleich der kritischen Verst¨arkung KP,Krit ist. Man kann dann die Anregung entfernen und den Regelkreis wieder schließen. Die einmal aufgetretene Sinusschwingung der Frequenz ωKrit wird im Regelkreis nicht ged¨ ampft, der Regelkreis schwingt an der Stabilit¨atsgrenze. Eine Analyse dieser Dauerschwingung zeigt, dass die an der Schnittstelle angelegte Sinusschwingung an der Stelle der Bildung der Soll-/Istwertdifferenz infolge des Minuszeichens eine Phasenverschiebung von −180◦ erf¨ahrt. Da beim Auftreten einer Dauerschwingung die gesamte Phasenverschiebung −360◦ betr¨agt, muss die fehlende Phasenverschiebung von −180◦ vom Durchlauf der Schwingung durch F0 (jω) = FR (jω)·FS (jω) verursacht werden. Weiterhin muss die Verst¨arkung von F0 (jω) also |F0 (jω)|ω=ωKrit = 1 sein, da die Amplituden des Eingangs- und Ausgangssignals gleich sind. Diese Bedingungen |F0 (jω)| = 1

und

ϕ0 = ∠F0 (jω) = −180◦

lassen sich zusammenfassen zu     F0 (jω) = F0 (jω) · ej∠F0 (jω) = 1 · e−jπ = −1 .

(5.22)

Der Punkt F0 (jω) = −1 ist f¨ ur die Stabilit¨atsbeurteilung eines Regelkreises von entscheidender Bedeutung und man bezeichnet ihn als kritischen Punkt −1. Wenn die Ortskurve von F0 (jω) durch den Punkt −1 in der komplexen Ebene verl¨auft, dann befindet sich der Regelkreis an der Stabilit¨atsgrenze und f¨ uhrt Dauerschwingungen mit der Frequenz ωKrit durch. Die Frequenz ωKrit ist gleich dem ω-Wert der Ortskurve an der Stelle −1. Die Amplitude der Dauerschwingungen h¨angt von der Amplitude der Anregung ab.

5.3 Das Nyquist-Kriterium

5.3.1

149

Das vereinfachte Nyquist-Kriterium

Erl¨ auterung. Dieses obige Ergebnis soll f¨ ur die Regelung einer PT2 -Strecke mit einem ¨ reinen I-Regler n¨ aher analysiert werden. Die Ubertragungsfunktion des aufgeschnittenen Regelkreises F0 (s) lautet dann f¨ ur diesen Fall: F0 (s) = FR (s) · FS (s) =

KI · KS . s · (1 + T1 s) · (1 + T2 s)

(5.23)

Die Stabilit¨ atsgrenze f¨ ur einen derartigen Regelkreis findet man mit dem Hurwitz-KriT1 + T2 . Tr¨agt man nun f¨ terium an der Stelle KI = KI,Krit = K ur diesen Regelkreis die s T1 T2 ur ω → 0 von Ortskurve F0 (jω) in der komplexen Ebene auf, so kommt die Ortskurve f¨ −j∞ und strebt f¨ ur ω → ∞ gegen Null. Abb. 5.3 zeigt drei verschiedene Ortskurven, die linke f¨ ur KI > KI,Krit , die mittlere f¨ ur KI = KI,Krit und die rechte f¨ ur KI < KI,Krit . Im{F0 (jω)} 6

KI = KI,Krit × -1

0

Re{F0 (jω)} -

KI > KI,Krit

 



 ω

KI < KI,Krit

Abbildung 5.3: NyquistOrtskurven des Regelkreises mit verschiedenen Reglerverst¨arkungen KI

Die Kurve f¨ ur KI = KI,Krit verl¨ auft genau durch den kritischen Punkt −1 in der komplexen Ebene. Bei der stabilen L¨ osung (KI < KI,Krit ) liegt der kritische Punkt −1 in Richtung ansteigender ω-Werte links der Ortskurve, und bei der instabilen L¨osung (KI > KI,Krit ) liegt der kritische Punkt −1 rechts der Ortskurve. Man bezeichnet diese Ortskurven von F0 (jω) = FR (jω) · FS (jω) als Nyquist-Ortskurven. Diese Nyquist-Ortskurven sind die Abbildung der positiven imagin¨aren Achse s = +jω der s-Halbebene gem¨ aß der Abbildungsvorschrift F0 (s) in die Ortskurvenebene mit der reellen Achse Re{F0 (jω)} und der imagin¨ aren Achse Im{F0 (jω)}. Man spricht hierbei auch von der Darstellung der Ortskurve in der F0 -Ebene. Abbildung von der s-Ebene in die F0 (jω)-Ebene. Zum besseren Verst¨andnis der nun folgenden Stabilit¨ atsaussagen soll nicht nur die Ortskurve F0 (jω), also die Ab-

150

5 Stabilit¨ at von Regelkreisen

bildung der imagin¨ aren Achse in die F0 -Ebene untersucht werden, sondern es soll die gesamte obere s-Halbebene s = σ + jω in die F0 -Ebene abgebildet werden. jω

6 σ = const ω = const

0

Abbildung 5.4: Abgebildetes σ/ω-Netz



Diese obere s-Halbebene zeigt Abb. 5.4 mit einigen hervorgehobenen Linien f¨ ur σ = const. und ω = const. Die positive imagin¨ are jω-Achse ist darin als Spezialfall f¨ ur σ = 0 enthalten. Das σ/ω-Netz der s-Ebene von Abb. 5.4 mit s = σ + jω wird nun gem¨aß der Abbildungsvorschrift von Gleichung 5.23 in die F0 -Ebene abgebildet. Die Geraden von Bild 5.4 in der komplexen s-Ebene werden dabei in ein Netz von Kurven in der F0 -Ebene abgebildet (Bild 5.5a und 5.5b). ω = const

ω = const

Im(F ) 6 0

Im(F ) 6 0

σ0 σ=0

σ=0 a)

b)

Abbildung 5.5: Abbildung des σ/ω-Netzes f¨ ur ein instabiles KI“ (Abb. a) und ein ” stabiles KI “ (Abb. b) in der F0 -Ebene ” In Abb. 5.5a liegt der kritische Punkt −1 rechts der Linie f¨ ur σ = 0. Der kritische Punkt −1 liegt damit in dem Gebiet, in das die Linien der s-Ebene f¨ ur σ > 0 abgebildet werden, also im Gebiet aufklingender Schwingungen. Die betrachtete Abbildung F0 (s) f¨ uhrt damit zu aufklingenden Schwingungen und der geschlossene Regelkreis ist instabil. In Abb. 5.5b liegen dagegen andere Verh¨altnisse vor. Die Abbildung des σ/ω-Netzes gem¨ aß der Abbildungsvorschrift F0 (s) – nun aber mit einer anderen Reglerverst¨arkung KI – ergibt ein ge¨ andertes Kurvennetz. Der kritische Punkt −1 liegt nun links der

5.3 Das Nyquist-Kriterium

151

Linie f¨ ur σ = 0. Er liegt damit in dem Gebiet, in das die Linien der s-Ebene mit σ < 0 abgebildet werden, also im Gebiet abklingender Schwingungen. Der geschlossene Regelkreis ist also stabil. Diese Linie f¨ ur σ = 0 ist aber die oben eingef¨ uhrte NyquistOrtskurve F0 (jω), also die Abbildung der imagin¨aren Achse s = jω in die F0 -Ebene. Stabilit¨ atsdefinition. Aus diesen Betrachtungen l¨asst sich f¨ ur einfache“ Regler und ” Strecken aus der Lage des kritischen Punktes −1 in der F0 -Ortskurvenebene ein Stabilit¨ atskriterium ableiten, das als Nyquist-Stabilit¨atskriterium der vereinfachten Form oder auch als vereinfachtes Nyquist-Kriterium bezeichnet wird: ¨ Gegeben ist die Ubertragungsfunktion des aufgeschnittenen Regelkreises in der folgenden Form F0 (s) = FR (s) · FS (s) =

1 b 0 + b 1 s + . . . + b m sm · · e−sTt (5.24) q s a0 + a1 s + . . . + an−q sn−q

mit q ≤ 2 und m < n. ¨ Liegen die Pole des aufgeschnittenen Regelkreises mit der Ubertragungsfunktion F0 (s) links der jω-Achse mit h¨ochstens einem Doppelpol im Ursprung, dann ist der geschlossene Regelkreis stabil, wenn beim Durchlaufen der Ortskurve F0 (jω) in Richtung steigender ω-Werte der kritische Punkt −1 immer links der Ortskurve liegt. Dieses vereinfachte Kriterium setzt somit die Stabilit¨at des Reglers und der Regelstrecke voraus. Diese Voraussetzung ist jedoch in vielen F¨allen erf¨ ullt. Anwendungsbeispiele. Betrachtet man z. B. stabile Verz¨ogerungsstrecken 1. und 2. Ordnung, die mit einem P-Regler geregelt werden, so verl¨auft die Nyquist-Ortskurve F0 (jω), wie in Abb. 5.6 gezeigt, nur im 3. und 4. Quadranten. Die negative reelle Achse wird nicht geschnitten, der kritische Punkt -1 liegt immer links der Nyquist-Ortskurve, der Regelkreis ist strukturstabil. -1 ×

a)

6Im(F0 )

Re(F0 ) ω

-1 ×

b)

6 Im(F0 )

Re(F0 ) ω

Abbildung 5.6: Nyquist-Ortskurven strukturstabiler Regelkreise: P-Regler und PT1 Strecke (Bild a) bzw. PT2 -Strecke (Bild b) Dagegen verl¨ auft die Nyquist-Ortskurve einer integrierenden Regelstrecke, die mit einem I-Regler geregelt wird, d. h. es gilt F0 (s) = K/s2 bzw. F (jω) = −K/ω 2 , genau entlang der negativ reellen Achse. Die Nyquist-Ortskurve kommt nun f¨ ur ω = 0 aus

152

5 Stabilit¨ at von Regelkreisen

dem negativen, reellen Unendlichen und strebt f¨ ur ω → ∞ gegen 0. Da die Ortskurve entlang der negativ reellen Achse verl¨ auft, geht sie genau durch den kritischen Punkt −1, der Regelkreis f¨ uhrt Dauerschwingungen durch, er ist grenzstabil. Betrachtet man nun die Nyquist-Ortskurve einer IT1 - oder IT2 -Regelstrecke, die mit einem I-Regler geregelt werden, so verl¨ auft die Nyquist-Ortskurve von F0 (jω) gem¨aß Abb. 5.7. Im(F0 ) ω b Abbildung 5.7: Nyquist6 Ortskurve eines I-Reglers Re(F0 ) mit IT1 -Regelstrecke (Kur- ve a) und IT2 -Regelstrecke × -1 (Kurve b) a

Die Regelkreise von Abb. 5.7 sind aufgrund des Verlaufs der Nyquist-Ortskurve instabil, der Punkt −1 liegt rechts“ der Ortskurve in Richtung anwachsendem ω. Dagegen ist ” der Regelkreis mit der Nyquist-Ortskurve von Abb. 5.8 stabil, da der kritische Punkt −1 in Richtung wachsender ω-Werte links der Ortskurve liegt. Im(F0 ) 6 -1 ×

ω

Re(F0 ) -

*

Abbildung 5.8: Nyquist-Ortskurve f¨ ur einen stabilen Regelkreis

Die Stabilit¨ atsuntersuchung und Reglerauslegung anhand der Nyquist-Ortskurve soll an einem einfachen Beispiel ausf¨ uhrlich behandelt werden. Beispiel 5.6: Eine Verz¨ ogerungsstrecke 3. Ordnung (wie beispielsweise eine Temperaturregelstrecke bestehend aus drei Verz¨ ogerungsanteilen) mit den Zeitkonstanten T1 , T2 , T3 und der Streckenverst¨ arkung Ks soll mit einem reinen I-Regler geregelt werden. Die Zahlenwerte von Strecke und Regler lauten: Ks = 2, T1 = 1 s, T2 = 2 s, T3 = 3 s und KI = 0,2 s−1 . ¨ Dann ergibt sich die Ubertragungsfunktion des aufgeschnittenen Regelkreises zu F0 (s) =

Ks · KI , s · (1 + T1 s) · (1 + T2 s) · (1 + T3 s)

und mit den angegebenen Zahlenwerten lautet der Frequenzgang: F0 (jω) =

0,4 . (6ω 4 − 6ω 2 ) + j(ω − 11ω 3 )

5.3 Das Nyquist-Kriterium

153

Man erstellt nun eine Wertetabelle vom Real- und Imagin¨arteil von F0 (jω) f¨ ur verschiedene ω-Werte ω/s−1 Re{F0 (jω)} Im{F0 (jω)}

0 -2,4 −∞

ω/s−1 Re{F0 (jω)} Im{F0 (jω)}

0,4 -0,4343 0,1637

0,05 -2,3142 -7,5147

0,1 -2,0752 -3,1093

0,5 -0,2215 0,1723

0,15 -1,7505 -1,4973

0,7 -0,0513 0,1051

0,2 -1,4043 -0,6826

0,9 -0,0072 0,0553

1 0 0,04

0,3 -0,8141 -0,0050 2 +0,0023 0,0027

0,3015 -0,8067 0 ∞ 0 0

und stellt diese in der F0 -Ebene grafisch dar (Abb. 5.9). Die Ortskurve kommt f¨ ur ω → 0 aus dem negativ imagin¨ aren Unendlichen, schneidet zuerst f¨ ur ω1 = 0,3015 s−1 die reelle Achse bei −0,8067, schneidet dann f¨ ur ω2 = 1 s−1 die imagin¨are Achse kaum sichtbar bei +j0,04 und geht f¨ ur ω → ∞ gegen Null. 0,5

-1



0,2

Im(F0 )

6

0,3015

ω F0 (jω)

0,15

Abbildung 5.9: NyquistOrtskurve der PT3 -Strecke mit I-Regler -

Re(F0 )

¨ Die Anwendung des vereinfachten Nyquist-Kriteriums erfordert zun¨achst die Uberpr¨ ufung der Voraussetzungen von Gleichung 5.24. Da F0 (s) einen Einfachpol im Ursprung und ansonsten nur Pole in der linken s-Halbebene aufweist, kann das vereinfachte Nyquist-Kriterium angewendet werden. Der kritische Punkt −1 liegt in Richtung anwachsender ω-Werte links von der dargestellten Nyquist-Ortskurve. Somit ist der geschlossene Regelkreis stabil. 2 Aufgabe 5.5: Die Regelstrecke FS (s) = (1+s)(1+2s)(1+3s) von Beispiel 5.6 soll mit einem PI-Regler, ausgelegt nach dem Verfahren der dynamischen Kompensation, geregelt werden. Berechnen Sie hierzu:

154

5 Stabilit¨ at von Regelkreisen

1. f¨ ur KP = 1 die Nyquist-Ortskurve F0 (jω) sowie die Werte f¨ ur ω = 0 und ω → ∞ , 2. die Frequenz ω1 , bei welcher der Imagin¨arteil von F0 = 0 ist. Wie groß ist der Realteil? 3. Stellen Sie die Ortskurve grafisch dar. 4. Ist der geschlossene Regelkreis stabil? L¨ osung: 1. 2. 4.

−2 − j∞ F0 (0) =√ ω1 = 1/ 2 s−1 Stabil

5.3.2

F0 (j∞) = 0 Re{F0 (jω1 )} = −4/9



Amplitudenrand und Phasenrand

Definition. Es ist zu erwarten, dass der Abstand der Nyquist-Ortskurve F0 (jω) vom kritischen Punkt −1 nicht ohne Einfluss auf das Schwingungsverhalten des Regelkreises ist. Diesen Abstand vom kritischen Punkt −1 beschreibt man durch Amplitudenrand“ ” und Phasenrand“, die in Abb. 5.10 definiert werden. ” Im(F0 ) 6 1/ARand  –1 ×

ωKrit

ω F0 (jω) Einheitskreis ωD

 j      r = 1   –j

ϕRand

Re(F -0 )

Abbildung 5.10: Definition von Amplitudenrand und Phasenrand

Den Abstand vom Ursprung bis zum Schnittpunkt der Nyquist-Ortskurve F0 (jω) mit der negativ reellen Achse bezeichnet man als 1/ARand , mit ARand als Amplitudenrand. Den Winkel zwischen der negativ reellen Achse bis zum Schnittpunkt der Nyquist-Ortskurve mit dem Einheitskreis um den Ursprung bezeichnet man als Phasenrand ϕRand . Die Frequenz bei welcher der Betrag von F0 (jω) = 1 ist nennt man die Durchtrittsfrequenz ωD .

5.3 Das Nyquist-Kriterium

155

Der Amplitudenrand ist der Faktor, um den man die Verst¨arkung des Reglers vergr¨ oßern kann, bis die Stabilit¨ atsgrenze erreicht ist. Der Phasenrand ist der Winkel, um den ein zus¨ atzlich in den Regelkreis eingebautes Totzeitglied, die Ortskurve an der Stelle |F0 (jω)| = 1 in mathematisch negativer Richtung weiterdrehen“ darf, bis die ” Stabilit¨ atsgrenze erreicht ist. Je gr¨ oßer Amplitudenrand und Phasenrand, umso weiter verl¨ auft die Nyquist-Ortskurve vom kritischen Punkt entfernt und umso stabiler“ ist ” der geschlossene Regelkreis. Anwendung. Den Gebrauch beider Gr¨ oßen zeigen die nachfolgenden Berechnungen. F¨ ur das betrachtete Beispiel 5.6 der Temperaturregelung einer PT3 -Strecke mit einem I-Regler liest man aus der Wertetabelle ab, dass die Ortskurve bei der Frequenz ωKrit = 0,3015 s−1 die negativ reelle Achse bei dem Wert Re{F0 (ω1 )} = −0,8067 schneidet. Der Amplitudenrand betr¨ agt somit ARand = 1/0,8067 = 1,2396. Der Integrierbeiwert KI des I-Reglers kann um den Faktor 1,2396, also vom alten Wert 0,2 auf den neuen Wert 0,2 · ARand = 0,2479 erh¨ oht werden, bis die Stabilit¨atsgrenze erreicht wird. Der kritische Integrierbeiwert des I-Reglers betr¨ agt somit KI,Krit = KI · ARand = 0,2479. Den Phasenrand kann man berechnen oder aus der Nyquist-Ortskurve ausmessen. Zur Berechnung ist zun¨ achst die Ermittlung der Durchtrittsfrequenz ωD erforderlich, bei der der Betrag von F0 (jω) = 1 wird. Mit dieser Frequenz werden dann Real- und Imagin¨ arteil von F0 und daraus dann der Winkel ϕRand berechnet. Hier resultieren Durchtrittsfrequenz und Phasenrand zu ωD = 0,2665 s−1 und ϕRand = +8,3◦ . Es kann somit bei der Temperaturregelung bis zum Erreichen der Stabilit¨atsgrenze eine zus¨atzliche Totzeit Tt (z. B. durch eine Verl¨ angerung einer Rohrleitung) zugelassen werden, die zu einer Phasennacheilung von 8,3◦ f¨ uhrt. Das Totzeitglied wird beschrieben durch FTt (jω) = e−jωTt , und es resultiert dann bei ω = ωD ϕRand = ωD · Tt = 8,3◦ · 0,01745 = 0,1448 Rad . Die maximal zul¨ assige Totzeit infolge der Verl¨angerung der Rohrleitung folgt damit zu Tt =

ϕRand 0,1448 = = 0,5433 s. ωD ωD

Aus der zul¨ assigen Totzeit und der Str¨ omungsgeschwindigkeit des Wassers ergibt sich ¨ dann die zul¨ assige Rohrverl¨ angerung. Wird das Rohr l¨anger, als diese Uberlegungen erlauben, muss der Integrierbeiwert KI reduziert werden. Stabilit¨ atskriterium. Schneidet die Nyquist-Ortskurve den Einheitskreis im 2. Quadranten, dann wird der Phasenrand negativ. Dies heißt aber auch, dass in Richtung fortschreitender ω-Werte der kritische Punkt –1 rechts der Nyquist-Ortskurve liegt. Daraus folgt dann die folgende Formulierung des vereinfachten Nyquist-Kriteriums: ¨ Erf¨ ullt die Ubertragungsfunktion des aufgeschnittenen Regelkreises die Bedingungen des Nyquist-Kriteriums in der vereinfachten Form, dann ist der geschlossene Regelkreis stabil, sofern der Phasenrand positiv ist.

156

5 Stabilit¨ at von Regelkreisen

Die Gr¨ oßen Amplituden- und Phasenrand werden auch, wie nachfolgend gezeigt wird, als Kriterien f¨ ur die Erf¨ ullung eines guten F¨ uhrungs- und St¨orverhaltens verwendet. Entwurfsforderungen. F¨ ur nicht zu komplizierte“ Verl¨aufe von F0 (jω) werden der ” Amplitudenrand und Phasenrand als Entwurfskriterium herangezogen. F¨ ur ein gutes F¨ uhrungsverhalten fordert man ARand > 4 . . . 10

und

ϕRand > 50◦ . . . 60◦

und f¨ ur ein gutes St¨orverhalten ARand > 2 . . . 3

und

ϕRand > 30◦ .

Zur Anwendung dieser grafischen Methode wird im Allgemeinen auf regelungstechnische Entwurfssoftware wie z. B. MATLAB zur¨ uckgegriffen, die Programme zur Berechnung und Darstellung der Nyquist-Ortskurven enthalten.

Aufgabe 5.6: Die Temperaturregelstrecke FS (s) = mit einem PI-Regler (TN = 3 s) geregelt werden.

2 (1+s)(1+2s)(1+3s)

von Aufgabe 5.5 soll

1. Berechnen Sie den Amplituden- und Phasenrand f¨ ur KP = 1 sowie die Durchtrittsfrequenz ωD bei der |F0 (jω)| = 1 ist. 2. Wie haben sich die Werte durch Einsatz des PI-Reglers ver¨andert? 3. Um welchen Faktor k darf die Reglerverst¨arkung angehoben werden bis die Stabilit¨ atsgrenze erreicht ist? 4. Welche zus¨ atzliche Totzeit Tt im Regelkreis macht den Kreis grenzstabil? 5. Welchen Einfluss zeigt der PI-Regler gegen¨ uber dem I-Regler? L¨ osung:

1. ARand = 9/4,

ϕRand = 23,7◦ ,

ωD = 0,45 s−1

2. Amplituden- und Phasenrand sind gr¨oßer geworden. 3. k = ARand = 9/4 = 2,25 4. Tt = 0,92 s 5. Verbesserung des Stabilit¨ atsverhaltens.



5.3 Das Nyquist-Kriterium

5.3.3

157

Das verallgemeinerte Nyquist-Stabilit¨atskriterium

Stabilit¨ atskriterium. Die vereinfachte Fassung des Nyquist-Kriteriums gilt f¨ ur nicht ¨ zu komplexe, stabile Ubertragungsfunktionen des aufgeschnittenen Regelkreises. Die Stabilit¨ atsuntersuchung derartiger Regelkreise ohne Totzeit kann jedoch auch mit dem allgemeinen Stabilit¨ atskriterium von Abschnitt 5.1 durch Bestimmung der Pole des geschlossenen Regelkreises erfolgen. Dieses allgemeine Stabilit¨atskriterium versagt jedoch beim Auftreten von Totzeiten im Regelkreis, da das Totzeitglied nicht durch eine ratio¨ nale Ubertragungsfunktion beschrieben werden kann. Das verallgemeinerte Nyquist-Kriterium erlaubt nun zus¨atzlich zu dem Auftreten von Totzeiten im Regelkreis auch Pole von F0 auf und rechts der imagin¨aren Achse (also auch instabile Strecken bzw. Regler). Die Stabilit¨atspr¨ ufung derartiger Systeme ist mit keinem der bisher vorgestellten Verfahren m¨oglich. Es wird die Nyquist-Ortskurve wie zuvor berechnet und dargestellt. Dann wird vom kritischen Punkt −1 ein Fahrstrahl  an die Ortskurve gelegt und von 0 ≤ ω ≤ ∞ die Ortskurve entlanggef¨ E uhrt. Die Winkel¨ anderung dieses Fahrstrahls muss bei Stabilit¨at des geschlossenen Regelkreises bestimmte Forderungen erf¨ ullen. Unter Zuhilfenahme der Funktionentheorie kann die folgende allgemeine Fassung des Nyquist-Kriteriums oder auch das verallgemeinerte Nyquist-Kriterium hergeleitet werden [15]: ¨ Gegeben sei die folgende Ubertragungsfunktion F0 (s) des aufgeschnittenen Regelkreises F0 (s) = FR (s) · FS (s) =

1 b 0 + b 1 s + b 2 s2 + . . . + b m sm · · e−sTt q s a0 + a1 s + a2 s2 + . . . + an−q sn−q

mit q ≤ 2 und m < n. ¨ Die Ubertragungsfunktion F0 (s) enthalte np Pole mit positivem Realteil und ni Pole auf der imagin¨aren Achse. Dabei beinhaltet ni auch die q Integratorpole. Wenn der vom kritischen Punkt −1 an die Nyquist-Ortskurve  beim Durchlauf von ω = 0 bis ω → ∞ die Wingezogene Fahrstrahl E kel¨anderung ∆ϕStabil = π · (np + ni /2) beschreibt, dann ist der geschlossene Kreis stabil. Anwendung des Stabilit¨ atskriteriums. Zur Erl¨auterung dieses allgemeinen Nyquist-Kriteriums wird eine Verz¨ ogerungsstrecke 2. Ordnung, die zus¨atzlich ein Totzeitglied enth¨ alt, mit einem P-Regler geregelt. Eine derartige Regelstrecke entspricht z. B. einer Temperaturregelstrecke mit Totzeitglied. Die Untersuchung der Stabilit¨at eines derartigen Regelkreises mit dem allgemeinen Stabilit¨atskriterium von Abschnitt 5.1 ist nicht m¨ oglich, da eine Totzeit im Kreis auftritt. Die Anwendung des vereinfachten Nyquist-Kriteriums ist jedoch erlaubt, sie soll hier aber nicht betrachtet werden.

158

5 Stabilit¨ at von Regelkreisen

¨ Die Ubertragungsfunktion F0 (s) des aufgeschnittenen Regelkreises lautet f¨ ur einen derartigen Kreis: F0 (s) =

KP · Ks · e−sTt . (1 + T1 s) · (1 + T2 s)

¨ Abb. 5.11 zeigt drei verschiedene Nyquist-Ortskurven F0 (jω) f¨ ur diese Ubertragungsfunktion F0 (s). 1.5

1

0.5

0

−0.5

Im(F0 )

6

−1

c

ω

a

b

E

−1.5

ω

−2

−2.5

−3 −1.5

−1

−0.5

0

0.5

-

1

1.5

2

2.5

3

Abbildung 5.11: NyquistOrtskurven der PT2 Tt -Strekke mit P-Regler

Re(F0 )

1.) PT2 -Strecke mit P-Regler (Kurve a). Die Nyquist-Ortskurve beginnt f¨ ur ω = 0 auf der reellen Achse und l¨ auft mit wachsendem ω in den Ursprung. Sie verl¨auft nur  beginnt f¨ im 3. und 4. Quadranten. Der bei −1 beginnende Fahrstrahl E ur ω = 0 beim Winkel ϕ0 = 0◦ und endet bei ω → ∞ ebenfalls bei ϕ∞ = 0◦ . Die durchlaufende Winkel¨ anderung betr¨ agt ∆ϕMess = 0◦ . Da eine stabile PT2 -Strecke vorliegt ist die Zahl der Pole rechts bzw. auf der imagin¨ aren Achse np = ni = 0. Die f¨ ur Stabilit¨at nach dem verallgemeinerten Kriterium erforderliche Winkel¨anderung betr¨agt ∆ϕStabil = π · (np + ni /2) = 0 Rad =  0◦ . Es gilt ∆ϕMess = ∆ϕStabil , der geschlossene Regelkreis ist stabil. 2.) PT2 -Strecke mit Totzeit und P-Regler mit kleinem KP (Kurve b). Infolge des Totzeitgliedes wird die Kurve a f¨ ur jeden Frequenzpunkt ω um den jeweiligen Winkel −ω ·Tt  vom kritischen Punkt −1 gedreht und f¨ uhrt zu Kurve b. Zieht man den Fahrstrahl E ◦ an die Ortskurve bei ω = 0, so liegt der Winkel ϕ0 = 0 vor. In Richtung wachsender ω-Werte geht der Fahrstrahl zun¨ achst bis ca. −70◦ ins Negative, geht dann wieder bis ◦ ca. +40 ins Positive, wieder ins Negative usw. Der Fahrstrahl wandert die Ortskurve entlang und endet f¨ ur ω → ∞ wieder bei ϕ∞ = 0◦ . Die gesamte Winkel¨anderung des Fahrstrahls betr¨ agt ∆ϕMess = ∆ ϕ(ω) = 0◦ . Da weiterhin gilt ∆ϕMess = ∆ϕStabil ω

ist der geschlossene Regelkreis stabil.

5.3 Das Nyquist-Kriterium

159

3.) PT2 -Strecke mit Totzeit und P-Regler mit großem KP (Kurve c). F¨ ur die Ortskurve c wird nun die Reglerverst¨ arkung KP soweit erh¨oht, dass die Ortskurve den  beginnt f¨ kritischen Punkt –1 einmal umschlingt. Der Fahrstrahl E ur ω = 0 bei dem ◦ Winkel ϕ0 = 0 , dreht sich beim Wandern entlang der Ortskurve um ∆ϕ = −360◦ und endet f¨ ur ω → ∞ bei ω∞ = −360◦ . Die durchlaufende Winkel¨anderung betr¨agt damit ∆ϕMess = −360◦. Da ∆ϕMess = ∆ϕStabil = 0◦ (wie oben berechnet), ist der geschlossene Regelkreis instabil. Das verallgemeinerte Nyquist-Kriterium liefert dasselbe Ergebnis wie das vereinfachte Nyquist-Kriterium, das man hier auch h¨ atte anwenden k¨onnen. Abschließend soll die Anwendung des verallgemeinerten Nyquist-Kriteriums nun am Beispiel einer instabilen Regelstrecke mit einer zus¨atzlichen Totzeit untersucht werden. Bei einem derartigen System kann weder das allgemeine Stabilit¨atskriterium noch das vereinfachte Nyquist-Kriterium angewendet werden. Beispiel 5.7: Als Modell f¨ ur die instabile Regelstrecke wird das instabile Pendel von ¨ Abschnitt 3.4.2 verwendet. Die Ubertragungsfunktion dieser Regelstrecke lautet f¨ ur die Zahlenwerte a0 = 12 und b0 = 0,2 (siehe Gleichung 3.89) b0 φ(s) 0,2 = 2 . (5.25) = 2 Fx (s) s − a0 s − 12 √ Die Pole der Regelstrecke liegen bei s1,2 = ± 12 = ±3,46. Somit liegt ein Pol in der rechten s-Halbebene, die Regelstrecke ist instabil. Eine derartige Regelstrecke kann mit einem PDTD -Regler stabilisiert werden (siehe auch Abschnitt 7.3.3). Mit den Zahlen¨ werten TV = 0,2 s und TD = 0,066 s resultiert dann als Ubertragungsfunktion des Reglers FS (s) =

FR (s) = KP ·

1 + 0,2s 1 + 0,066s

mit KP > 0 .

(5.26)

Das Stellglied sei ein Stellmotor mit reinem Totzeitverhalten FSt (s) = e−sTt .

(5.27)

Es soll die Stabilit¨ at des geschlossenen Regelkreises von Abb. 5.12 f¨ ur verschiedene Reglerverst¨ arkungen KP und zwei unterschiedliche Totzeiten Tt = 0,1 s und 0,2 s untersucht ¨ werden. Somit lautet die Ubertragungsfunktion F0 (s) des aufgeschnittenen Regelkreises: F0 (s) = KP ·

3 + 0,6s · e−sTt . −180 − 15s + s2 + s3

(5.28)

Die Untersuchung der Stabilit¨ at dieses Regelkreises nach den Kriterien f¨ ur interne oder externe Stabilit¨at ist nicht m¨ oglich, da der Kreis ein Totzeitglied enth¨alt. Ebenso ist die Untersuchung der Stabilit¨ at mithilfe des vereinfachten Nyquist-Kriteriums nicht m¨ oglich, da die Regelstrecke einen Pol in der rechten s-Halbebene aufweist. Es bleibt

160

5 Stabilit¨ at von Regelkreisen Regler

z

Stellglied

w- i 1+0,2s KP 1+0,066s – 6

-

e−sTt

Regelstrecke

– i- ? 6

0,2 s2 −12

x-

Abbildung 5.12: Regelkreis mit instabiler Regelstrecke somit f¨ ur die Untersuchung der Stabilit¨ at des geschlossenen Kreises nur das verallgemeinerte Nyquist-Kriterium u ¨brig, da die anderen Kriterien versagen. Abbildung 5.13 zeigt die Nyquist-Ortskurven des obigen Systems Instabiles Pendel“ ” f¨ ur die Reglerverst¨ arkungen KP = 70 (Kurve a), KP = 60 (Kurve b) und KP = 50 (Kurve c) und die Totzeit Tt = 0,1 s. 0.12

0.1

0.08

0.06

Im(F0 )

6

0.04

E 0.02

0

−0.02

a

b

c ω

ω

ω

−0.04

−0.06

−1

−0.8

−0.6

-

−0.4

−0.2

0

0.2

Re(F0 )

Abbildung 5.13: Nyquist-Ortskurve f¨ ur die Regelung des instabilen Pendels: mit den Reglerverst¨arkungen KP = 70 (Kurve a), KP = 60 (Kurve b) und KP = 50 (Kurve c) und einer Totzeit des Stellgliedes von Tt = 0,1 s

Die Ortskurven beginnen auf der negativ-reellen Achse, verlaufen dann zun¨achst in den dritten Quadranten bis aufgrund der Wirkung des Totzeitgliedes die Ortskurven ihre Richtung ¨ andern und sie in den zweiten Quadranten streben. Sie umrunden dann im Uhrzeigersinn den Ursprung und enden f¨ ur ω → ∞ im Ursprung. Abbildung 5.14 zeigt dann die Nyquist-Ortskurven des obigen Systems Instabiles Pen” del“ f¨ ur die Reglerverst¨ arkungen KP = 70 (Kurve d), KP = 60 (Kurve e) und KP = 50 (Kurve f) und die doppelte Totzeit Tt = 0,2 s. Die gr¨oßere Totzeit l¨asst die Ortskurven

5.3 Das Nyquist-Kriterium

161

sofort von der negativ reellen Achse in den zweiten Quadranten streben. Sie streben ebenfalls asymptotisch gegen den Ursprung. 0.3

ω

0.25

ω 0.2

Im(F0 )

6

ω

0.15

0.1

E 0.05

d

e

f

0

−0.05

−0.1

−1

−0.8

−0.6

-

−0.4

−0.2

0

0.2

Re(F0 )

Abbildung 5.14: Nyquist-Ortskurve f¨ ur die Regelung des instabilen Pendels: mit den Reglerverst¨arkungen KP = 70 (Kurve d), KP = 60 (Kurve e) und KP = 50 (Kurve f ) und einer Totzeit des Stellgliedes von Tt = 0,2 s.

W¨ urde man das vereinfachte Nyquist-Kriterium anwenden, so k¨onnte man aus dem Verlauf der Ortskurven a bis f schließen, dass in Richtung fortschreitender ω-Werte der kritische Punkt −1 f¨ ur die Kurven a und f links der Nyquist-Ortskurve liegt. Folglich w¨ aren die geschlossenen Regelkreise f¨ ur Fall a und f stabil. Aufgrund der Instabilit¨at der Regelstrecke, ein Pol liegt in der rechten s-Halbebene, ist jedoch das vereinfachte Nyquist-Kriterium nicht anwendbar. F¨ ur die Anwendung des verallgemeinerten Nyquist-Kriteriums ist zun¨achst die Win beim Durchlauf der Ortskurve von kel¨ anderung zu berechnen, die der Fahrstrahl E ω = 0 bis ∞ f¨ ur ein stabiles Verhalten erreichen muss. Diese Winkel¨anderung betr¨agt f¨ ur einen Pol mit positivem Realteil (np = 1 und ni = 0)  + 180◦ . ∆ϕStabil = π · (np + ni /2) = π =  beim Durchlaufen der Analysiert man nun die Winkel¨ anderung, die der Fahrstrahl E Kurven a bis f durchl¨ auft, so erh¨ alt man f¨ ur Kurve a Kurve b Kurve c

→ → →

∆ϕMess = +180◦ ∆ϕMess = +90◦ ∆ϕMess = 0◦

Kurve d Kurve e Kurve f

→ → →

∆ϕMess = −180◦ ∆ϕMess = −90◦ ∆ϕMess = 0◦ .

162

5 Stabilit¨ at von Regelkreisen

Somit ist allein das System mit der zugeh¨origen Nyquist-Ortskurve a, also das System mit der Totzeit Tt = 0,1 s und der Reglerverst¨arkung KP = 70 stabil. Dies wird auch durch die Simulation best¨ atigt.  Aufgabe 5.7: Gegeben ist eine PT2 Tt -Regelstrecke mit den Daten Tt = 0,5 s; D = 0,9; ω0 = 6,28 s−1 ; KS = 0,5. Diese Strecke soll mit einem PI-Regler mit den Daten TN = 1 s und KP = 1,5 geregelt werden. 1. Zeichnen Sie die Nyquist-Ortskurve.  ? 2. Welche Winkel¨ anderung durchl¨ auft der Fahrstrahl E 3. Ist der geschlossene Regelkreis stabil? 4. Wie groß sind der Stabilit¨ atsrand ARand und die Frequenz ωKrit ? L¨ osung: 05

1.

0

-1

Im(F0 )

6

05

ω 1

15

2

1

05

0

- Re(F0 )

05

1

2 ∆ϕMess = +90◦ 3 Ja 4 ARand = 1,6057 bei ωKrit = 3,7125 s−1



6

Reglersynthese mit dem Bode-Diagramm

Einordnung. In Kapitel 2 werden Regelkreisglieder durch zwei verschiedene Methoden beschrieben. Dies ist zum einen die Beschreibung im Zeitbereich durch Differentialgleichungen und ihre L¨ osungen und zum anderen die Beschreibung im Frequenzbereich durch ¨ Ubertragungsfunktion und Frequenzgang mit seinen grafischen Darstellungsm¨oglichkeiten Ortskurve und Bode-Diagramm. Auf der Basis der Ortskurvendarstellung wird in Kapitel 5 die Stabilit¨atsuntersuchung mithilfe des Nyquist-Verfahrens durchgef¨ uhrt. Dabei werden die Gr¨oßen Amplitudenund Phasenrand zur Stabilit¨ atsbeurteilung herangezogen. In diesem Kapitel wird nun gezeigt, wie man die andere grafische Darstellungsart des Frequenzgangs, das BodeDiagramm, zur Reglerauslegung und Stabilit¨atsbeurteilung verwenden kann.

6.1

Grundlagen von Bode-Diagrammen

Definition. Die grafische Darstellung des Frequenzgangs durch Betrag und Phasenwinkel in Abh¨ angigkeit von der Kreisfrequenz ω nennt man Bode-Diagramm. Die Betragsdarstellung heißt Amplitudengang und die Phasendarstellung heißt Phasengang. Beim Amplitudengang wird die doppellogarithmische Darstellung (20 · lg |F | und lg ω) gew¨ ahlt1 , und beim Phasengang die einfachlogarithmische Darstellung (Winkel ϕ und lg ω). Die Skalierung mit 20 · lg |F | nennt man Skalierung in Dezibel (dB), siehe hierzu Abschnitt 2.2.3 (Seite 32). Es gelten f¨ ur die Umrechnungen die folgenden Beziehungen: xdB = 20 · lg x

1

und

x = 10xdB /20 .

Im Unterschied zur deutschen Bezeichnung von Logarithmen mit log 10 = lg und loge = ln ist auf Taschenrechnern die amerikanische Darstellung mit log 10 = log und log e = ln gebr¨ auchlich.

164

6 Reglersynthese mit dem Bode-Diagramm

6.1.1

Approximation von Amplituden- und Phasengang

PT1 -Glied. Die Abb. 6.1 zeigt den Amplitudengang eines PT1 -Gliedes mit dem Fre0,5 . F¨ ur niedrige Frequenzen ω betr¨agt der Betrag von quenzgang F (jω) = 1 + 0,5jω |F (jω)| ≈ 0,5 , das entspricht −6,02 dB, und f¨ ur große Frequenzen nimmt der Betrag mit 20 dB pro Dekade ab. In der doppellogarithmischen Darstellung kann daher der Amplitudengang |F (jω)| durch zwei Geradenst¨ ucke approximiert werden, die sich bei der Eck- oder Knickfrequenz ωE = 1/TE = 2 s−1 (wegen TE = 0,5 s) schneiden (siehe Abb. 6.2). Bei der Eckfrequenz ωE ist der Amplitudengang um 3 dB gegen¨ uber dem Maximalwert abgesunken. 0

|F (jω)| −10 dB

6

−20

−30

−40 −2 10

−1

0

10

1

10

-

ω/s

10

−1

2

10

Abbildung 6.1: Amplitudengang von F (jω) = 0,5/(1 + 0,5jω)

0

6|F (jω)| dB

ωE

ω

-

Abbildung 6.2: Approximierter Amplitudengang

Der Phasengang des PT1 -Gliedes wird in Abb. 6.3 aufgetragen. Der Phasenwinkel nimmt mit wachsender Frequenz monoton von 0◦ bis −90◦ ab. Bei der Eckfrequenz ωE betr¨ agt der Phasenwinkel gerade −45◦ . Auch der Phasenwinkel kann durch Geradenst¨ ucke approximiert werden. Dabei wird der Phasenabfall durch eine Gerade dargestellt, die bei 0,1ωE beginnt und bei 10ωE endet (siehe Abb. 6.4). Derartige approximierte Darstellungen sind f¨ ur viele einfache Regelkreisglieder gebr¨auchlich.

6.1 Grundlagen von Bode-Diagrammen

165

0 ∠F (jω) −15 ◦ −30

6

−45 −60 −75 −90 −2 10

−1

0

10

1

10

-

ω/s

−1

10

2

10

Abbildung 6.3: Phasengang von F (jω) = 0,5/(1 + 0,5jω) 0◦ ∠F (jω) ◦

6 −45◦

−90◦

6.1.2

0,1ωe

ωe

- ω

10ωe

Abbildung 6.4: Approximierter Phasengang

Reihenschaltung von Regelkreisgliedern im Bode-Diagramm

Mathematische Grundlagen. Ein wesentlicher Vorteil bei der Darstellung der Ortskurve von Regelkreisgliedern durch Amplituden- und Phasengang liegt darin, dass der Amplituden- und Phasengang der Reihenschaltung von Regelkreisgliedern sich durch einfache Addititon der einzelnen Amplituden- und Phaseng¨ange ergibt. Dies zeigt die folgende Berechnung. Es gilt F (jω) = F1 (jω) · F2 (jω) bzw. in Exponentialdarstellung |F (jω)| · ej∠F = |F1 (jω)| · ej∠F1 · |F2 (jω)| · ej∠F2 = |F1 (jω)| · |F2 (jω)| · ej∠F1 +j∠F2 . (6.1) Der Phasenwinkel der Reihenschaltung zweier Regelkreisglieder ist gleich der Summe der Phasenwinkel der einzelnen Regelkreisglieder ∠F (jω) = ∠F1 (jω) + ∠F2 (jω) .

166

6 Reglersynthese mit dem Bode-Diagramm

Der Betrag von F ist gleich dem Produkt der Betr¨age von F1 und F2 . Die Logarithmierung der Betr¨ age und Skalierung in Dezibel (20 lg |F |) f¨ uhrt dann schließlich zu dem Ergebnis 20 lg |F (jω)| = 20 lg |F1 (jω)| + 20 lg |F2 (jω)| . Betrag und Phasenwinkel einer Reihenschaltung lassen sich somit im Bode-Diagramm durch Addition der einzelnen Amplituden- und Phasenverl¨aufe ermitteln. Anwendung. Werden z. B. zwei PT1 -Glieder in Reihe geschaltet, so resultieren Amplituden- und Phasengang der Reihenschaltung durch Addition der Amplitudeng¨ange und Phasenwinkel der einzelnen PT1 -Glieder. Als Beispiel f¨ ur eine derartige Reihenschaltung werden die zwei folgenden PT1 -Glieder gew¨ahlt: F1 (jω) =

0,5 1 + 0,1jω

und

F2 (jω) =

8 . 1 + 10jω

Der Frequenzgang der Reihenschaltung lautet dann F (jω) =

4 . (1 + 0,1jω) · (1 + 10jω)

Abb. 6.5 zeigt die Amplituden- und Phaseng¨ange der drei Frequenzg¨ange F1 (jω), F2 (jω) und F (jω). F¨ ur niedrige Frequenzen ω < 0,1 s−1 ergibt die Addition der Amplitudeng¨ ange |F1 | = −6,02 dB plus |F2 | = 18,06 dB als Ergebnis |F |= 12,04 dB. Bis zur Eckfrequenz ωE2 = 1/(10 s) = 0,1 s−1 verl¨auft der Amplitudengang der Reihenschaltung F nahezu horizontal. Ab der Eckfrequenz ωE2 f¨allt der Amplitudengang mit 20 dB pro Dekade bis zur Eckfrequenz ωE1 = 1/(0,1 s) = 10 s−1 . Ab ωE1 nimmt die Amplitude dann mit 40 dB pro Dekade ab. Der Phasengang von F (jω) ergibt sich aus der Addition der Phaseng¨ange von F1 (jω) und F2 (jω). Der Phasenwinkel nimmt zun¨achst f¨ ur kleine Frequenzen monoton bis fast −90◦ ab, bevor dann f¨ ur gr¨ oßere Frequenzen das zweite Verz¨ogerungsglied wirksam wird und der Winkel auf −180◦ absinkt. In Abb. 6.6 sind der approximierte Amplituden- und Phasenverlauf der Reihenschaltung in einem Diagramm dargestellt. Beim Amplitudenverlauf sind die Eckfrequenzen ωE1 und ωE2 deutlich erkennbar. Je n¨ aher die beiden Eckfrequenzen zusammen liegen, umso weniger deutlich erkennt man sie im Bode-Diagramm. Im Grenzfall ωE1 = ωE2 geht der Abfall der Amplitude der Reihenschaltung dann vom horizontalen Verlauf direkt auf 40 dB pro Dekade u ur die vorliegenden ¨ ber. Der approximierte Phasengang stellt sich f¨ Zahlenwerte in dem dargestellten Frequenzbereich als eine abfallende Gerade von 0◦ bis −180◦ dar. Anwendung bei der Stabilit¨ atsuntersuchung. Ein wesentlicher Vorteil der Darstellung der Frequenzg¨ ange von Regelkreisgliedern durch Amplituden- und Phasengang liegt darin, dass man die f¨ ur Stabilit¨ atsuntersuchungen wichtige Nyquist-Ortskurve im Bode-Diagramm leicht konstruieren kann. Die Nyquist-Ortskurve ist, wie in Abschnitt

6.1 Grundlagen von Bode-Diagrammen

167

Abbildung 6.5: Bode-Diagramm der Frequenzg¨ange F1 (jω), F2 (jω) und F (jω) 5.3 definiert, die Ortskurve der Reihenschaltung von Regler und Regelstrecke. Das BodeDiagramm dieser Reihenschaltung von Regelkreisgliedern ermittelt man durch Addition der Amplitudeng¨ ange und Phaseng¨ ange von Regler und Regelstrecke. Die Bedeutung der n¨ aherungsweisen grafischen Konstruktion von Bode-Diagrammen ist durch die moderne Rechentechnik deutlich geringer geworden, da leistungsf¨ahige 20

0 −45 ∠F (jω)

0

|F (jω)| dB −20

|F | ∠F

−40 −60



−90

6

10−2

ωE2

1-

6

−135

ωE1 ω/s−1

10+2

−180

Abbildung 6.6: Approximierter Amplituden- und Phasengang der Reihenschaltung

168

6 Reglersynthese mit dem Bode-Diagramm

Rechenprogramme und komfortable Grafikausgaben die exakte Berechnung und Darstellung der Amplituden- und Phaseng¨ ange wesentlich vereinfacht haben.

6.2

Bode-Diagramme einfacher Regelkreisglieder

Zur Vorbereitung f¨ ur das Arbeiten mit den Bode-Diagrammen werden in diesem Abschnitt die Bode-Diagramme einfacher Regelkreisglieder untersucht.

6.2.1

Bode-Diagramme von Verz¨ogerungsgliedern

P-Glied. Die Frequenzganggleichung des verz¨ogerungsfreien P-Gliedes lautet F (jω) = K . Dann wird |F (jω)| = K

∠F (jω) = arctan

und

Im(F ) =0. Re(F )

F¨ ur z. B. K = 5 wird dann der Betrag |F (jω)| = 20 ·lg 5 = 13,98 dB und der Phasenwinkel ergibt sich zu ∠F (jω) = Im(F )/Re(F ) = (0/5)◦ = 0◦ . Abb. 6.7 zeigt das zugeh¨orige Bode-Diagramm. Der Amplitudengang verl¨auft unabh¨angig von der Frequenz ω bei +13,98 dB, und der Phasenwinkel ist gleich Null. 20 |F | dB

90

6

∠F

6



10

45

-

0 0,01

0,1

1

10

ω/s

0,01

-10

-45

-20

-90

Abbildung 6.7: Bode-Diagramm eines idealen P-Gliedes PT1 -Glied. Der Frequenzgang des PT1 -Gliedes lautet F (jω) =

K . 1 + T1 jω

Aufgespalten in Real- und Imagin¨ arteil folgt F (jω) =

-

0

−1

K KωT1 −j· . 1 + ω 2 T12 1 + ω 2 T12

0,1

1

10

ω/s

−1

6.2 Bode-Diagramme einfacher Regelkreisglieder

169

Die Betr¨ age von Real- und Imagin¨ arteil sind, wie Abb. 3.8 (Seite 48) zeigt, bei der Eckfrequenz ωE = 1/T1 gleich groß. Betrag und Phasenwinkel ergeben sich zu: K |F (jω)| =  1 + ω 2 T12 Im{F (jω)} = − arctan ωT1 . ∠F (jω) = arctan Re{F (jω)}

(6.2)

Damit wird der Betrag von F (jω) in dB 20 lg |F (jω)| = 20 lg K − 10 lg{1 + (ωT1 )2 } mit den Approximationen: 20 lg |F (jω)| ≈



20 lg K f¨ ur 20 lg K − 20 lg T1 − 20 lg ω f¨ ur

ωT1  1 . ωT1 1

Der Amplitudenabfall betr¨ agt f¨ ur große Frequenzen 20 dB pro Dekade (−20 lg ω). Die Abb. 6.8 zeigt Amplituden- und Phasengang des PT1 -Gliedes F (jω) =

|F | dB

40

5 K = . 1 + T1 jω 1 + 10jω 90

6

∠F

6



45

20 0 0,01

-20 -40

@ @ 1 10 −1 @ ω/s @ @

0

0,01 0,1

0,1

1

10

ω/s

−1

-45 -90

Abbildung 6.8: Bode-Diagramm eines PT1 -Gliedes Die Eckfrequenz liegt bei ωE = 0,1 s−1 und der Amplitudengang beginnt f¨ ur kleine Frequenzen bei +13,98 dB und f¨ allt ab der Eckfrequenz mit 20 dB pro Dekade. Bei der Eckfrequenz ωE gilt 20 · lg |F (jω)|ωE = 20 lg K − 10 lg{1 + (

ω 2 ) } = 20 lg K − 10 lg 2 ωE

= 20 lg K − 3,01 . Die Amplitude ist (bei genauer Darstellung) an der Stelle der Eckfrequenz um 3,01 dB gegen¨ uber dem Maximalwert abgesunken.

170

6 Reglersynthese mit dem Bode-Diagramm

PT2 -Glied. Das PT2 -Glied kann zum einen aus einer Reihenschaltung von zwei PT1 Gliedern aufgebaut sein. Der Frequenzgang hat dann die Form F (jω) =

K1 K2 · . 1 + T1 jω 1 + T2 jω

Amplituden- und Phasengang werden dann durch Addition der einzelnen Amplitudenund Phaseng¨ ange ermittelt (siehe Abschnitt 6.1). Das PT2 -Glied besitzt dann zwei Eckfrequenzen und der Phasenwinkel verl¨auft f¨ ur wachsende Frequenzen von 0◦ bis ◦ −180 , es ist nicht schwingungsf¨ ahig. Zum anderen kann ein schwingungsf¨ahiges PT2 -Glied wie folgt vorliegen: F (jω) =

K · ω02 = (jω)2 + 2Dω0 · (jω) + ω02 1+

K 2D ω0 (jω)

− ( ωω0 )2

.

Aufgespalten in Real- und Imagin¨ arteil gilt dann ω02 · (ω02 − ω 2 ) (ω02 − ω 2 )2 + (2Dω0 ω)2 ω02 · 2Dω0 ω Im{F (jω)} = −K · 2 . (ω0 − ω 2 )2 + (2Dω0 ω)2 Re{F (jω)} = K ·

Damit folgen Betrag und Phasenwinkel zu ω02 |F (jω)| = K ·  2 (ω0 − ω 2 )2 + (2Dω0 ω)2 2Dω0 ω ∠F (jω) = − arctan 2 . ω0 − ω 2

(6.3)

Die Verl¨ aufe von Amplituden- und Phasengang f¨ ur verschiedene D¨ampfungsbeiwerte D = 0 . . . 2 und K = 1 zeigt Abb. 6.9. Der Amplitudengang beginnt f¨ ur kleine Frequenzen ω bei 0 dB. Abh¨angig von der D¨ampfung D steigt oder f¨ allt der Amplitudengang mit wachsender Frequenz. F¨ ur kleine ¨ D¨ampfungen D ist im Bereich der Kreisfrequenz ω0 eine große Uberh¨ ohung im Amplitudengang abzulesen. Die Amplitude des Ausgangssignals w¨achst f¨ ur D = 0 und Anregung mit einem Sinussignal der Frequenz ω → ω0 sogar gegen unendlich. Je kleiner ¨ die D¨ ampfung D umso gr¨ oßer die Uberh¨ ohung von |F (jω)|. Oberhalb der Resonanzfrequenz ωM (siehe Aufgabe 6.2) geht der Amplitudengang dann auf einen Abfall von 40 dB pro Dekade u ur große D¨ampfungen D sinkt der Amplitudengang monoton ¨ ber. F¨ bis auf den Abfall von 40 dB pro Dekade. Der Phasenwinkel geht von 0◦ u ur große Frequenzen ¨ ber −90◦ bei der Frequenz ω0 f¨ ◦ gegen −180 . Der Phasenwinkel f¨ allt im Bereich der Resonanzfrequenz umso steiler ab,

6.2 Bode-Diagramme einfacher Regelkreisglieder

171

40

|F (jω)| 20 dB

6

D

0

−20

−40 −1 10

0

1

10

-

10

ω/ω0

0 ∠F (jω) ◦ −45

D

6 −90

−135

−180 −1 10

0

1

10

-

10

ω/ω0

ur die D¨ampfungen D Abbildung 6.9: Amplituden- und Phasengang des PT2 -Gliedes f¨ = 0,01; 0,2; 0,4; 0,6; 0,7 ( fett“); 0,8; 1 und 2 ”

je kleiner die D¨ ampfung D ist. F¨ ur D = 0 schl¨agt der Phasenwinkel bei ω0 sprungf¨ormig von 0◦ nach −180◦ um. Die Kurven f¨ ur D = 1 und D = 2 geh¨ oren nicht zu einem schwingungsf¨ahigen Verz¨oge¨ rungsglied 2. Ordnung und dienen nur der Verdeutlichung des Ubergangs vom schwingungsf¨ ahigen zum nicht schwingungsf¨ ahigen Verhalten.

2 wird mit dem Sinussignal 1 + 0,4(jω) + (jω)2 xe (t) = 2 · sin(0,9t) angeregt. Ermitteln Sie anhand des Bode-Diagramms von Abb. 6.9 den Signalverlauf von xa (t) im eingeschwungenen Zustand.

Aufgabe 6.1: Das PT2 -Glied F (jω) =

L¨ osung: xa (t) = 9,82 · sin(0,9t − 1,08)

172

6 Reglersynthese mit dem Bode-Diagramm

Aufgabe 6.2: Gegeben ist der Frequenzgang eines PT2 -Gliedes zu F (jω) =

(jω)2

ω02 . + 2Dω0 · jω + ω02

1. Wie groß ist |F (jω)| bei der Frequenz ω0 ? 2. Bei welcher Frequenz ωD (Durchtrittsfrequenz) schneidet der Amplitudengang die 0-dB-Linie? 3. Bei welcher Frequenz ωM (Resonanzfrequenz) tritt das Maximum des Amplitudengangs auf und wie groß ist es? L¨ osung: 1. |F (jω)| = 1/(2D) √ 2. ωD = ω0 · 2 − 4D2 √ 3. ωM = ω0 · 1 − 2D2 ;

√ |F (jω)|ω=ωM = 1/(2D 1 − D2 )



Aufgabe 6.3: Gegeben sind drei Verz¨ ogerungsglieder 1. Ordnung mit den Verst¨arkungsfaktoren K1 = 1; K2 = 2 und K3 = 4 sowie den Zeitkonstanten T1 = 3 s; T2 = 5 s und T3 = 6 s. 1. Wie lauten die Eckfrequenzen der drei Regelkreisglieder? 2. Wie groß ist der Betrag des Amplitudengangs in dB f¨ ur niedrige Frequenzen bei einer Reihenschaltung der drei Regelkreisglieder? 3. Konstruieren Sie mithilfe der Approximation des Amplitudengangs durch Gera¨ denst¨ ucke den Amplitudengang der Reihenschaltung der drei Ubertragungsglieder. ¨ 4. Konstruieren Sie den Phasengang der Reihenschaltung der drei Ubertragungsglieder. L¨ osung: 1. ωE1 = 0,3333 s−1 ; ωE2 = 0,2 s−1 ; ωE3 = 0,1666 s−1 ; 2. |F (jω)|ω1 = 18,06 dB 3. und 4. Wertetabelle mit Kontrollwerten: ω/s−1 |F (jω)| dB ∠F (jω) ◦

0,001

0,01

0,1

0,2

0,3

0,6

1,0

10

18,06

18,03

15,38

9,84

4,09

-9,66

-21,77

-81,03

-0,8

-8,0

-74,2

-126,2

-159,2

-207,0

-230,8

-266,0 

6.2 Bode-Diagramme einfacher Regelkreisglieder

6.2.2

173

Bode-Diagramme von integrierenden Regelkreisgliedern

I-Glied. Die Frequenzganggleichung des verz¨ogerungsfreien I-Gliedes lautet F (jω) =

KI KI = −j · . jω ω

Betrag und Phasenwinkel ergeben sich dann zu: |F (jω)| =

KI ω

∠F (jω) = arctan

und

Im(F ) KI /ω = − arctan = −90◦ . Re(F ) 0

Der Phasenwinkel betr¨ agt konstant −90◦. Der Amplitudengang in dB lautet: 20 lg |F (jω)| = 20 · lg KI − 20 · lg ω . Die Amplitude |F (jω)| nimmt mit wachsender Frequenz mit 20 dB pro Dekade ab. 40 |F | dB

90

6

∠F ◦

20

ωD =KI



0 0,01

0,1

1

10

-

ω/s

6

45 0 0,01

−1

-20

-45

-40

-90

0,1

1

10

ω/s−1

Abbildung 6.10: Bode-Diagramm des verz¨ogerungsfreien I-Gliedes Die Darstellung von Amplituden- und Phasengang f¨ ur ein I-Glied mit KI = 1 s−1 zeigt Abb. 6.10. An der Stelle der Durchtrittsfrequenz ωD durch die 0 dB-Linie kann man den Integrierbeiwert KI ablesen. IT1 -Glied. Der Frequenzgang des verz¨ ogerten“ I-Gliedes mit der Eckfrequenz ωE = ” 1/T1 lautet F (jω) =

KI . jω · (1 + jωT1 )

Die Aufspaltung in Real- und Imagin¨ arteil ergibt F (jω) = −

KI T1 jKI . − 1 + (ωT1 )2 ω · (1 + (ωT1 )2 )

174

6 Reglersynthese mit dem Bode-Diagramm

Betrag und Phasenwinkel des IT1 -Gliedes lauten dann: KI |F (jω)| =  ω 2 + (ω 2 T1 )2 Im(F ) ∠F (jω) = arctan = arctan 1/(ωT1) . Re(F )

(6.4)

Damit wird der Betrag von F (jω) in dB 20 lg |F (jω)| = 20 lg KI − 10 lg{ω 2 + (ω 2 T1 )2 }

(6.5)

mit den Approximationen:  20 lg |F (jω)| ≈

f¨ ur 20 lg KI − 20 lg ω 20 lg KI − 20 lg T1 − 40 lg ω f¨ ur

ωT1  1 . ωT1 1

Abb. 6.11 zeigt als Beispiel den Amplituden- und Phasengang f¨ ur ein IT1 -Glied mit den Werten KI = 1 s−1 und T1 = 1 s. 6 40 |F | dB

0

6

∠F ◦

20

0,01

0,1

1

10

ω/s−1

-45

-

0 0,01

0,1

1

10

ω/s

−1

-90

-20

-135

-40

-180

Abbildung 6.11: Amplituden- und Phasengang f¨ ur ein IT1 -Glied F¨ ur Frequenzen kleiner als die Eckfrequenz ωE1 f¨allt der Amplitudengang mit 20 dB pro Dekade, da der ω 2 -Term in Gleichung 6.5 u ur Frequenzen gr¨oßer als ¨ berwiegt, f¨ die Eckfrequenz u ¨ berwiegt der ω 4 -Term und der Amplitudenabfall betr¨agt 40 dB pro Dekade. Der Knick des Amplitudengangs bei der Eckfrequenz ωE1 = 1/T1 = 1 s−1 ist deutlich erkennbar. Andere I-Glieder. F¨ ur integrierende Regelkreisglieder mit Verz¨ogerungen h¨oherer Ordnung kann durch Addition eines reinen I-Gliedes und z. B. eines PT2 -Gliedes auf einfache Art und Weise der entsprechende Amplituden- und Phasengang eines IT2 Gliedes konstruiert werden. F¨ ur die Reihenschaltung zweier I-Glieder, also ein II- oder I2 -Glied, ergibt sich damit ein Amplitudenabfall von 40 dB pro Dekade und einen Phasenwinkel von konstant −180◦.

6.2 Bode-Diagramme einfacher Regelkreisglieder

6.2.3

175

Bode-Diagramme anderer Strecken

Totzeitstrecke, Tt -Glied. Der Frequenzgang eines Totzeitgliedes lautet F (jω) = K · e−jωTt = K · (cos ωTt − j sin ωTt ) . Der Betrag des Totzeitgliedes ist gleich K. Der Phasenwinkel f¨allt monoton mit der Frequenz ωTt ∠F (jω) = arctan

Im(F ) = −ωTt . Re(F )

Abb. 6.12 zeigt das Bode-Diagramm f¨ ur eine Totzeit von Tt = 1 s und K = 3,16. 20 |F | dB

45

6

∠F ◦

10

6 0,1

0 0,01

-

0 0,01

0,1

1

10

1

10

ω/s

−1

-45

ω/s−1

-10

-90

-20

-135

Abbildung 6.12: Bode-Diagramm eines Totzeitgliedes Der Amplitudengang verl¨ auft bei 10 dB =  3,16 und der Phasenwinkel geht mit steigendem ω sehr schnell gegen −∞. Im gezeichneten logarithmischen Maßstab nimmt der Phasenwinkel ϕ f¨ ur die Totzeit Tt = 1 s die folgenden Werte an: ω/s−1 ∠F (jω)/◦

0,01 −0,57

0,1 −5,7

1 −57

10 −573

100 −5730

Allpassglied. Als Beispiel f¨ ur ein Allpassglied 1. Ordnung wird in Abschnitt 3.3.3 (Seite 72) ein Regelkreisglied mit dem folgenden Frequenzgang untersucht: F (jω) = K ·

1 − jωT1 1 − (ωT1 )2 2ωT1 =K − jK . 1 + jωT1 1 + (ωT1 )2 1 + (ωT1 )2

Beim Allpass bleibt der Betrag des Frequenzgangs unabh¨angig von der Frequenz ω gleich K. Der Phasenwinkel berechnet sich zu ∠F (jω) = − arctan

2ωT1 . 1 − (ωT1 )2

Mit wachsendem ω f¨ allt der Phasenwinkel von 0◦ bis −180◦. Abb. 6.13 zeigt das BodeDiagramm des obigen Allpasses mit K = 3,16 und T1 = 1 s.

176

6 Reglersynthese mit dem Bode-Diagramm 20 |F | dB

6

90

∠F

6



0,1

0

10

0,01 0 0,01

0,1

1

10

ω/s−1

1

10

ω/s−1

-90

-10

-180

-20

-270

Abbildung 6.13: Bode-Diagramm eines Allpasses Ein Allpass ist ein Regelkreisglied mit nichtminimalem Phasenwinkel. Obwohl die Ordnung des Nennerpolynoms nur gleich Eins ist, d. h. (jω)1 , wird der Phasenwinkel dennoch kleiner als −90◦ . F¨ ur große Frequenzen strebt der Phasenwinkel gegen −180◦. Aufgabe 6.4: Gegeben ist die Reihenschaltung eines Verz¨ogerungsgliedes 1. Ordnung mit einem Totzeitglied mit den Zahlenwerten K1 = 8; T1 = 2 s und Tt = 6 s. Berechnen und zeichnen Sie den Amplituden- und Phasengang dieser Reihenschaltung. L¨ osung: Kontrollwerte des Amplituden- und Phasengangs: ω/s−1

0,001

0,01

0,1

1

10

|F (jω)|/dB

18,1

18,1

17,9

11,1

−8,0

−0,46

−4,6

−45,7

−407,2

−3524,9

∠F (jω)/◦



6.2.4

Bode-Diagramme einfacher Regler

P-Regler. Amplituden- und Phasengang eines P-Reglers sind identisch mit dem schon angegebenen Amplituden- und Phasengang eines P-Gliedes, wie es auf Seite 168 untersucht wird. PI-Regler. Der Frequenzgang eines PI-Reglers lautet F (jω) =

KP · (1 + TN jω) KP = KP − j · . TN jω ωTN

Betrag und Phasenwinkel ergeben sich damit zu  2  1 und |F (jω)| = KP 1 + TN ω ∠F (jω) = arctan

Im(F ) = − arctan 1/(TN ω) . Re(F )

(6.6)

6.2 Bode-Diagramme einfacher Regelkreisglieder

177

Damit wird der Betrag von F (jω) in dB 20 lg |F (jω)| = 20 lg KP + 10 lg{1 + 1/(ωTN )2 } mit den Approximationen f¨ ur den Betrag  20 lg |F (jω)| ≈

|F | dB

40

ur 20 lg KP − 20 lg TN − 20 lg ω f¨ 20 lg KP f¨ ur

45

6

∠F

ωTN  1 . ωTN 1

6



20

10 0

0,1

0 0,01

-

1

10

ω/s−1

0,01

0,1

1

ω/s

−1

-45

-20

-90

-40

-135

Abbildung 6.14: Amplituden- und Phasengang eines PI-Reglers Abb. 6.14 zeigt den Amplituden- und Phasengang f¨ ur einen PI-Regler mit den Werten KP = 0,1 und TN = 1 s. Die Eckfrequenz des PI-Reglers liegt bei ωE1 = 1/TN . F¨ ur Frequenzen kleiner ωE1 f¨ allt der Amplitudengang mit 20 dB pro Dekade. F¨ ur Frequenzen gr¨ oßer als die Eckfrequenz verl¨ auft der Amplitudengang konstant bei KP . Der Phasenwinkel beginnt f¨ ur niedrige Frequenzen bei −90◦ und geht f¨ ur große Frequenzen ◦ gegen 0 . Bei der Eckfrequenz ωE1 betr¨ agt der Phasenwinkel −45◦ . PD- und PDTD -Regler. Als erstes soll der ideale PD-Regler untersucht werden. Seine Frequenzganggleichung lautet F (jω) = KP · {1 + jωTV } . Betrag und Phasenwinkel lassen sich direkt aus dieser Gleichung berechnen zu:  1 + (ωTV )2 bzw. Im(F ) ∠F (jω) = arctan = arctan ωTV . Re(F ) |F (jω)| = KP ·

Damit wird der Betrag von F (jω) in dB 20 lg |F (jω)| = 20 lg KP + 10 lg{1 + (ωTV )2 }

(6.7)

178

6 Reglersynthese mit dem Bode-Diagramm

mit den Approximationen f¨ ur den Betrag  f¨ ur 20 lg KP 20 lg |F (jω)| ≈ 20 lg KP + 20 lg TV + 20 lg ω f¨ ur

ωTV  1 . ωTV 1

ur FreF¨ ur kleine Frequenzen verl¨ auft der Amplitudengang konstant bei 20 lg KP . F¨ quenzen gr¨ oßer als die Eckfrequenz ωE1 = 1/TV steigt der Amplitudengang mit 20 dB pro Dekade. Der Phasenwinkel ist positiv. Er beginnt bei 0◦ , ist bei der Eckfrequenz +45◦ und geht f¨ ur große Frequenzen gegen +90◦ . Abb. 6.15 zeigt Amplituden- und Phasengang f¨ ur einen PD-Regler mit den Werten KP = 0,1 und TV = 10 s. 40 |F | dB

6

135

∠F

6



20

90

-

0 0,01

0,1

1

10

ω/s

−1

45

-20

0

-40

-45

0,01

0,1

1

10

ω/s

−1

Abbildung 6.15: Amplituden- und Phasengang eines idealen PD-Reglers Der reale PD-Regler unterscheidet sich vom idealen PD-Regler durch einen Verz¨oge¨ rungsterm im Nenner der Ubertragungsfunktion. Der Frequenzgang des realen PDReglers (mit TV = TV + TD ) lautet 

1 + jωTV . F (jω) = KP · 1 + jωTD 

Die Vorhaltzeit TV ist im Allgemeinen deutlich gr¨oßer (ca. > Faktor 10) als die Verz¨ ogerungszeit TD . Betrag und Phasenwinkel folgen aus dieser Frequenzganggleichung zu 



1 + (ωTV )2

|F (jω)| = KP ·  1 + (ωTD )2

und



(T − TD )ω . ∠F (jω) = arctan V  1 + TV TD ω 2

(6.8)

Damit wird der Betrag von F (jω) in dB 

20 lg |F (jω)| = 20 lg KP + 10 lg{1 + (ωTV )2 } − 10 lg{1 + (ωTD )2 }

6.2 Bode-Diagramme einfacher Regelkreisglieder

179

mit den Approximationen f¨ ur den Betrag ⎧ f¨ ur ⎨ 20 lg KP  20 lg |F (jω)| ≈ 20 lg KP + 20 lg TV + 20 lg ω f¨ ur ⎩  20 lg KP + 20 lg TV − 20 lg TD f¨ ur



ω  1/TV  1/TV < ω < 1/TD . ω 1/TD



ur FreDer reale PD-Regler besitzt Eckfrequenzen bei ωE1 = 1/TV und ωE2 = 1/TD . F¨ quenzen kleiner als ωE1 wird der Amplitudengang approximiert durch eine horizontale Gerade, zwischen ωE1 und ωE2 steigt er mit 20 dB pro Dekade, und ab ωE2 verl¨auft er wieder horizontal. Der Phasenwinkel beginnt f¨ ur niedrige Frequenzen bei 0◦ , nimmt dann positive Winkel an und f¨ allt f¨ ur sehr große Frequenzen wieder nach 0◦ ab. Der Maximalwert des Phasenwinkels h¨ angt davon ab, wie eng die beiden Eckfrequenzen beieinander liegen. Abb. 6.16 zeigt den Amplituden- und Phasengang f¨ ur einen realen PD-Regler mit KP = 0,1 ; TV = 10 s und TD = 0,1 s. 40 |F | dB

6

135

∠F

6



20

90

-

0 0,01

0,1

1

10

ω/s

45

−1

-20

0

-40

-45

0,01

0,1

1

10

ω/s−1

Abbildung 6.16: Amplituden- und Phasengang eines realen PD-Reglers Der PD-Regler bewirkt eine Phasenanhebung bzw. Phasenvoreilung (Lead-Verhalten) im Regelkreis. Dies zeigt der Phasengang sehr deutlich. Der Phasenwinkel ist positiv, die Phasennacheilung durch integrierende und verz¨ogernde Anteile im Regelkreis wird durch einen PD-Anteil des Reglers reduziert. Der PD-Anteil wirkt dadurch im Regelkreis stabilisierend. PID- und PIDTD -Regler. Wiederum werden der ideale und reale PID-Regler gemeinsam untersucht. Die Frequenzganggleichung des idealen PID-Reglers lautet: F (jω) = KP · {1 +

1 1 + jωTN + (jω)2 TN TV + jωTV } = KP · . jωTN jωTN

F¨ ur kleine Frequenzen (ω < ω) ist der Einfluss des quadratischen Terms von ω im Z¨ahler gering, der PID-Regler weist damit das Verhalten eines PI-Reglers auf ≈0

   1 + jωTN + (jω)2 TN TV 1 + jωTN F (jω) = KP · ≈ KP · . jωTN jωTN

(6.9)

180

6 Reglersynthese mit dem Bode-Diagramm

F¨ ur große Frequenzen (ω > ω) dominieren die ω-Terme im Z¨ahler, und der Regler zeigt das Verhalten eines PD-Reglers 1

   1 + jωTN + (jω)2 TN TV ≈ KP · {1 + jωTV } . F (jω) = KP · jωTN

(6.10)

Die Frequenz ω ist in etwa das geometrische Mittel der beiden Eckfrequenzen ωE1 = √ 1/TN und ωE2 = 1/TV , d. h. ω ≈ ωE1 · ωE2 . Betrag und Phasenwinkel des idealen PID-Reglers ergeben sich zu  |F (jω)| = KP ·

 1 + ωTV −

∠F (jω) = arctan(ωTV −

1 ωTN

2 und

1 ). ωTN

(6.11)

Damit wird der Betrag von F (jω) in dB 20 lg |F (jω)| = 20 lg KP + 10 lg{1 + (ωTV −

1 2 ) } ωTN

mit den Approximationen f¨ ur den Betrag ⎧ ur ⎨ 20 lg KP − 20 lg TN − 20 lg ω f¨ f¨ ur 20 lg |F (jω)| ≈ 20 lg KP ⎩ 20 lg KP + 20 lg TV + 20 lg ω f¨ ur

ω  1/TN 1 1 TN < ω < TV ω 1/TV .

Der Phasenwinkel des PID-Reglers verl¨ auft von −90◦ u ¨ ber den Winkel 0◦ bei ω ≈ ω ◦ f¨ ur große Frequenzen gegen +90 . Dies entspricht im Wesentlichen der Addition der Phasenwinkel eines PI- und PD-Reglers. Abb. 6.17 zeigt Amplituden- und Phasengang f¨ ur einen PID-Regler mit den Parametern KP = 0,1; TN = 10 s und TV = 0,1 s. 40 |F | dB

6

180

∠F

6



20

90

ωE1

0 0,01

0,1

ωE2 1

10

ω/s−1

0

-20

-90

-40

-180

0,01

0,1

1

10

Abbildung 6.17: Amplituden- und Phasengang eines idealen PID-Reglers

ω/s−1

6.2 Bode-Diagramme einfacher Regelkreisglieder

181

Der Amplitudengang zeigt deutlich die in den Gleichungen 6.9 und 6.10 berechneten approximierten Verl¨ aufe. F¨ ur Frequenzen unterhalb ω = 1 s−1 entspricht der Amplitudenverlauf dem eines PI-Reglers, oberhalb ω entspricht er dem eines PD-Reglers. Der Phasenwinkel verl¨ auft von −90◦ u ur große Frequenzen. ¨ ber 0◦ gegen +90◦ f¨ Der reale PID-Regler, d. h. der PIDTD -Regler, unterscheidet sich vom idealen PIDRegler durch die Verz¨ ogerung des differenzierenden Anteils. Seine Frequenzganggleichung lautet 

F (jω) = KP · {1 +



1 + (jω)TN − (ω)2 TN TV 1 jωTV . + } = KP jωTN 1 + jωTD (jω)TN [1 + (jω)TD ]

Infolge der Verz¨ ogerung des D-Anteils wird der Amplitudengang f¨ ur Frequenzen ω ωE3 = 1/TD begrenzt auf |F (jω)| = KP · (TV + TD )/TD und der Phasenwinkel geht f¨ ur diese Frequenzen wieder gegen 0◦ . Abb. 6.18 zeigt den Amplituden- und Phasengang f¨ ur einen realen PID-Regler mit den Werten KP = 0,1; TN = 10 s, TV = 0,1 s und TD = 0,01 s. 30 20 |F (jω)| dB 10

6

0 −10 −20 −30 −3 10

−2

10

−1

10

0

1

10

-

ω/s

−1

10

2

10

3

10

90 ∠F (jω) 45 ◦

6

0

−45

−90 −3 10

−2

10

−1

10

0

1

10

-

10

2

10

3

10

ω/s−1

Abbildung 6.18: Bode-Diagramm eines realen PID-Reglers Der Amplitudengang (gezeichnet ab ω = 10−3 s−1 ) beginnt f¨ ur kleine ω bei +∞ dB und f¨ allt mit 20 dB pro Dekade. Ab der ersten Eckfrequenz ωE1 = 1/TN ist der Betrag

182

6 Reglersynthese mit dem Bode-Diagramm

|F (jω)| dann n¨ aherungsweise konstant und steigt ab der zweiten Eckfrequenz ωE2 = 1/TV wieder mit 20 dB pro Dekade. Ab der dritten Eckfrequenz ωE3 = 1/TD n¨ahert sich der Amplitudengang dann dem Endwert (hier ≈ 1 dB). Der Phasenwinkel beginnt bei −90◦, steigt dann bis auf fast +60◦ bevor er f¨ ur große Frequenzen wieder auf 0◦ absinkt. Aufgabe 6.5: Gegeben ist ein realer PID-Regler mit den Zahlenwerten KP = 6; TN = 8 s; TV = 0,15 s und TD = 0,0075 s. 1. Wie lauten die Eckfrequenzen ωE1 , ωE2 und ωE3 ? 2. Wie groß ist die Betragskennlinie f¨ ur ω → ∞ ? 3. Berechnen und zeichnen Sie den Amplituden- und Phasengang des realen PIDReglers. L¨ osung: ωE2 = 1/TV = 6,6667 s−1 ωE1 = 1/TN = 0,125 s−1 −1 ωE3 = 1/TD = 133,3 s |F (jω)|ω→∞ = KP · TV T+ TD = 126 =  42,01 dB D Kontrollwerte des Amplituden- und Phasengangs:

1. 2. 3.

ω/s−1 |F (jω)|/dB ∠F (jω)/



0,01

0,1

1

10

100

1000

37,5

19,6

15,6

20,9

37,6

41,9

-85,4

-51,0

+1,43

53,1

49,5

7,2 

6.3

Entwurfsanforderungen im Bode-Diagramm

Entwurfsanforderungen im Zeitbereich und Frequenzbereich. In Abschnitt 4.2 sind die grundlegenden Anforderungen an einen Regelkreis zusammengestellt. Sie betreffen die Stabilit¨ at, das F¨ uhrungs- und St¨ orverhalten sowie die Parameterempfindlichkeit von Regelkreisen. Diese Forderungen, außer der Stabilit¨atsforderung, sind im Zeitbereich formuliert als Forderungen an den Verlauf der Regelgr¨oße x(t) und sie betreffen ¨ z. B. die Anregelzeit TAn , die Ausregelzeit TAus und das prozentuale Uberschwingen der Regelgr¨ oße nach einem Sprung der F¨ uhrungsgr¨oße bzw. der St¨orgr¨oße. Die Stabilit¨atsanforderungen werden in Kapitel 5 formuliert als Forderungen an die Lage der Pole der charakteristischen Gleichung bzw. als Forderungen an den Verlauf der NyquistOrtskurve. Die oben aufgef¨ uhrten Entwurfsanforderungen f¨ ur einen Regelkreis sollen nun, soweit es m¨ oglich ist, als Anforderungen im Frequenzbereich (Bode-Diagramm) u ¨bertragen werden.

6.3 Entwurfsanforderungen im Bode-Diagramm

6.3.1

183

Stabilit¨at, Amplituden- und Phasenrand

Stabilit¨ atsanalyse anhand des Phasenrandes. Sind wie in Abschnitt 5.3.1 (Seite 151) gezeigt, die Voraussetzungen f¨ ur die Anwendung des Nyquist-Kriteriums in der vereinfachten Form erf¨ ullt, dann reduziert sich die Stabilit¨atsforderung auf die alleinige Anforderung an den Phasenrand: Der geschlossene Regelkreis ist stabil sofern der Phasenrand positiv ist. Diese Stabilit¨ atsforderung kann mithilfe des Bode-Diagramms sehr leicht u uft wer¨berpr¨ den. Abb. 6.19 zeigt das Bode-Diagramm und zum Vergleich die Nyquist-Ortskurve mit den signifikanten Entwurfsparametern f¨ ur eine PT2 -Strecke mit I-Regler, die zu einem KS · KI f¨ uhrt. F0 (jω) = jω(1 + T1 jω + T22 (jω)2 ) |F0 | dB

6

40 1/ARand ImF0

6 -  −1

ωKrit

w

1

ωD

20 0

6

-20

> -ReF0

ω/s−1

-

-40 ϕ ◦

0

ωD

ARand

6

ω/s−1

-

ϕRand

-90

6

ωKrit

-180 -270

ϕRand

¨ Abbildung 6.19: Nyquist-Ortskurve und Bode-Diagramm f¨ ur die UbertragungsfunkKS · KI tion F0 (jω) = jω(1 + T1 jω + T22 (jω)2 ) An der Stelle der Durchtrittsfrequenz ωD durch die 0 dB-Linie im Amplitudengang |F0 (jω)| kann man im Phasengang den Phasenrand ϕRand ablesen. Der Phasenrand wird dabei von der 180◦ -Linie zum Phasenverlauf positiv gez¨ahlt. Im gew¨ahlten Beispiel betr¨ agt der Phasenrand ca. 55◦ , somit ist der geschlossene Regelkreis stabil. Den Amplitudenrand ARand liest man an der Stelle der kritischen Frequenz ωKrit im Amplitudengang ab. Dabei wird der Amplitudenrand vom Amplitudenverlauf zur 0 dB-Linie gez¨ ahlt. Er kann positiv oder negativ (in dB) sein. Im gew¨ahlten Beispiel betr¨agt der Amplitudenrand ca. +20 dB.

184

6 Reglersynthese mit dem Bode-Diagramm

Stabilit¨ atsanalyse anhand des Amplitudengangs. Bode hat in [7] gezeigt, dass f¨ ur Phasenminimumsysteme ein analytischer Zusammenhang zwischen dem Amplitudenund Phasengang eines Systems besteht. Unter einem Phasenminimumsystem versteht man dabei ein System, das keine Totzeit und keine Pole und Nullstellen in der rechten s-Halbebene aufweist und dessen Verst¨ arkungsfaktor positiv ist. F¨ ur derartige Systeme reicht im Prinzip die Beschreibung durch den Amplituden- oder Phasengang aus, da man den fehlenden Verlauf aus dem anderen herleiten kann. Folglich kann man auch allein aus dem Amplitudengang des aufgeschnittenen Systems auf die Stabilit¨at des geschlossenen Kreises schließen. Die daraus abgeleitete Stabilit¨atsaussage lautet: Der Phasenrand ist positiv, d. h. der geschlossene Regelkreis ist genau dann stabil, wenn 1. der aufgeschnittene Regelkreis ein Phasenminimumsystem mit Tiefpasseigenschaft darstellt, 2. beim Durchgang des Amplitudengangs durch die 0 dB-Linie die Steigung des Amplitudengangs negativ und betragsm¨aßig kleiner als 40 dB pro Dekade ist, ¨ 3. in der Umgebung des Nulldurchgangs die Anderung der Steigung des Amplitudengangs gering ist. Das in Abb. 6.19 betrachtete System ist ein Phasenminimumsystem. In der Umgebung des Nulldurchgangs der Amplitudenkennlinie durch die 0 dB-Linie betr¨agt der Amplitudenabfall ca. −20 dB/Dekade, folglich ist der geschlossene Regelkreis stabil.

6.3.2

Fu ¨ hrungsverhalten

Anforderungen. Ein gutes“ F¨ uhrungsverhalten liegt laut Abschnitt 4.2.2 dann vor, ” ¨ wenn die Regelgr¨ oße die vorgeschriebene station¨are Genauigkeit aufweist sowie Uberschwingweite, An- und Ausregelzeit innerhalb vorgegebener Schranken liegen. Station¨ are Genauigkeit. Die station¨are Genauigkeit wird durch den integrierenden Anteil des Reglers oder (falls vorhanden) der Regelstrecke erreicht. Im Bode-Diagramm ist ein einfach integrierender Anteil im Regelkreis an dem Amplitudenabfall von F0 (jω) von 20 dB/Dekade bei niedrigen Frequenzen erkennbar. Auslegung auf vorgeschriebenen Phasenrand. In Abschnitt 5.3.2 (Seite 156) wird als Auslegungskriterium f¨ ur ein gutes F¨ uhrungsverhalten ein Phasenrand von 50 . . . 60◦ genannt. Die Einstellung eines derartigen Phasenrandes ist mithilfe des BodeDiagramms besonders einfach, wie in Abb. 6.20 gezeigt wird. Dargestellt sind der Amplituden- und Phasengang f¨ ur eine PT2 -Strecke mit einem IKS · KI . Die Reglerverst¨arkung hat dabei den Regler mit F0 (jω) = jω(1 + T1 jω + T22 (jω)2 ) mit KI bezeichneten Wert. Will man nun einen Phasenrand von ca. 60◦ f¨ ur ein gutes

6.3 Entwurfsanforderungen im Bode-Diagramm |F0 | dB

185

6

40 20 0



|F01 |

ARand

?

6

-20

ω/s−1

-

-40 ϕ ◦

0

6

ω/s−1

-

-90

6 -180 -270

60◦

6

ωKrit

ϕRand

Abbildung 6.20: Bode-Diagramm des Systems F0 (jω) =

KS · KI jω(1 + T1 jω + T22 (jω)2 )

F¨ uhrungsverhalten erzielen, so muss der Amplitudengang derart abgesenkt werden, dass der Durchgang durch die 0 dB-Linie an der Stelle auftritt, an der man den Phasenwinkel von 60◦ abliest. Die Absenkung betr¨ agt also −|F01 |dB (hier ca. −9 dB). Damit wird KI,60◦ |dB = KI |dB − |F01 |dB oder im absoluten Maßstab KI,60◦ = KI · 10−|F01 |dB /20 . ¨ Uberschwingweite. Will man den Regelkreis auf eine vorgeschriebene maximale ¨ Uberschwingweite u ¨Max auslegen, so muss man zun¨achst einen Zusammenhang zwi¨ schen der Uberschwingweite und dem Phasenrand herstellen. Wenn das F¨ uhrungsverhalten FW (s) des geschlossenen Regelkreises durch ein PT2 ¨ Verhalten beschrieben werden kann, dann gilt nach Gleichung 3.47 zwischen der Uberschwingweite u ¨ und dem D¨ ampfungsgrad D die folgende Beziehung: −π · D u ¨ = exp √ 1 − D2

bzw.

| ln u ¨| D= . 2 π + (ln u ¨)2

(6.12)

uhrungsverhalten, wie f¨ ur diese Formeln angenommen, Betrachtet man nun ein PT2 -F¨ ¨ dann lautet die Ubertragungsfunktion F0 (s) des aufgeschnittenen Regelkreises F0 (s) =

K KI KS = s · (1 + T1 s) s · (1 + T1 s)

186

6 Reglersynthese mit dem Bode-Diagramm

bzw. der Frequenzgang ist F0 (jω) =

K K = . jω · (1 + T1 jω) −T1 ω 2 + jω

Die F¨ uhrungs¨ ubertragungsfunktion weist wie gew¨ unscht ein PT2 -Verhalten auf: FW (s) =

K = K + s + T 1 s2 1+

s K

1 +

T1 2 Ks

=

1 .  1 + T1 s + T22 s2 

F¨ ur die D¨ ampfung von FW (s) gilt 

T 1 D = 1 = √ . 2T2 2 K · T1

(6.13)

Der Phasenrand von F0 (jω) errechnet sich zu tan ϕRand =

1 ImF0 (jω) = , ReF0 (jω) ωD T 1

(6.14)

mit ωD als Durchtrittsfrequenz durch den Einheitskreis. Aus der Betragsforderung |F0 (jω)|ωD = 1 folgt die Beziehung: 2 4 K 2 = ωD + T12 ωD .

(6.15)

Ersetzt man nun in Gleichung 6.15 den Wert f¨ ur ωD durch den Wert aus Gleichung 6.14 dann erh¨ alt man nach kurzer Umrechnung unter Verwendung von Gleichung 6.13 den Zusammenhang: sin ϕRand D= √ 2 cos ϕRand

(6.16)

der in Abb. 6.21 dargestellt ist. ¨ Damit kann nun nach Umrechnung des gew¨ unschten Uberschwingens u ¨ auf einen D¨ampfungsgrad D mithilfe von Abb. 6.21 der einzustellende Phasenrand ermittelt werden. Diese f¨ ur ein PT2 -Verhalten abgeleitete Vorgehensweise kann n¨aherungsweise auch f¨ ur ein proportionales F¨ uhrungsverhalten h¨ oherer Ordnung verwendet werden. Anregelzeit. Zwischen der Anregelzeit eines Systems und der Bandbreite2 ωB des F¨ uhrungsfrequenzgangs besteht ein einfach herzuleitender Zusammenhang. Ausgehend von der F¨ uhrungs¨ ubertragungsfunktion mit PT2 -Verhalten 1

FW (jω) = 1+ 2

2D ω0 jω

+



jω ω0

2 =

1−



ω ω0

1 2

, +

2D ω0 jω

Mit Bandbreite bezeichnet man die Frequenz bei welcher der Amplitudengang eines Systems um 3 dB von seinem Maximalwert abgesunken ist.

6.3 Entwurfsanforderungen im Bode-Diagramm

187

90

80

70

ϕRand ◦

6

60

50

40

30

20

10

0

0

02

04

06

08

1

12

14

16

18

2

D

Abbildung 6.21: Zusammenhang zwischen Phasenrand ϕRand und D¨ampfungsgrad D √ folgt f¨ ur D = 1/ 2 bei der Frequenz ω = ω0 1 FW (jω) = √ j 2

1 |FW (jω)|ω0 = √ . 2

bzw.

Rechnet man diesen Betrag in Dezibel um, so resultiert, 1 20 lg |FW (ω0 )| = 20 · (− ) · lg 2 = −3,01 dB . 2

√ Die Betragskennlinie des F¨ uhrungsfrequenzgangs ist f¨ ur D = 1/ 2 bei ω = ω0 um -3 dB abgesunken. Damit ist die Bandbreite des F¨ uhrungsfrequenzgangs ωB,FW = ω0 . ¨ ur Aus Abb. 3.15 (Seite 61) liest man aus der Ubergangsfunktion eines PT2 -Gliedes f¨ den D¨ ampfungsgrad D = 0,7 an der Stelle, an der die Sprungantwort den Wert Eins schneidet, ab ω0 · t = ω0 · TAn ≈ 3,2 ≈ π . Daraus folgt dann die Anregelzeit zu TAn ≈

π . ω0

(6.17)

Zwischen den Frequenzg¨ angen des offenen und geschlossenen Regelkreises besteht die Beziehung FW (jω) =

F0 (jω) 1 + F0 (jω)

bzw.

|FW (jω)| =

|F0 (jω)| . |1 + F0 (jω)|

188

6 Reglersynthese mit dem Bode-Diagramm

Der Betrag des Frequenzgangs des geschlossenen Regelkreises wird nun wie folgt approximiert:  1 f¨ ur |F0 (jω)| 1 |FW (jω)| ≈ |F0 (jω)| f¨ ur |F0 (jω)|  1 . ¨ des Kurvenverlaufs In der Umgebung von |F0 (jω)| = 1 findet ein allm¨ahlicher Ubergang statt. Abb. 6.22 verdeutlicht diese Approximation. 40 |F | dB

6 F0

20

FW

0 0,01

0,1

1

ωD ≈ ωB,FW 10 ω/s−1

-20 -40

Abbildung 6.22: Approximation des Amplitudengangs von FW (jω) Aus dem Verlauf der Amplitudeng¨ ange von FW und F0 in Abb. 6.22 erkennt man, dass die Bandbreite ωB,FW des F¨ uhrungsfrequenzgangs FW (jω) n¨aherungsweise gleich der Durchtrittsfrequenz ωD von F0 (jω) ist. Somit kann man aus dem Amplitudengang von F0 (jω) die Anregelzeit (f¨ ur ein D ≈ 0,7) ablesen zu: TAn ≈

π . ωD

Wird die Bandbreitenforderung an den Regelkreis zu groß, d. h. verlangt man eine zu kleine Anregelzeit der Regelgr¨ oße, so wird im Allgemeinen die Stellamplitude u(t) zu groß. Dies hat Schneider [31] mit einfachen Betrachtungen im Frequenzbereich gezeigt.

6.3.3

St¨orverhalten

Auslegung mittels Phasenrand. F¨ ur die Festlegung der Anforderungen an das St¨ orverhalten im Frequenzbereich spielt die Betrachtung des Eingriffsorts der St¨orung eine wichtige Rolle. Bei den bisherigen Betrachtungen des Standardregelkreises liegt der Eingriffsort der St¨ orung vor der Regelstrecke (St¨orgr¨oße z1 (t)) in Abb. 6.23). Die Einwirkung der St¨ orgr¨ oßen zwischen den Teilstrecken (St¨orung z2 (t)) oder nach der Regelstrecke (St¨ orung z3 (t)) ist ebenso m¨oglich. F¨ ur die Einwirkung der St¨ orgr¨ oße vor der Regelstrecke (z1 (t)) wird in Abschnitt 5.3.2 (Seite 156) f¨ ur ein gutes St¨ orverhalten ein Phasenrand von gr¨oßer 30◦ gefordert.

6.4 Reglerentwurf mit dem Bode-Diagramm z1 Teilstrecke 1 − ?y- i FS1 (s)

Regler

w- i 6 6 −

FR (s)

189 z2 Teilstrecke 2 − - ? i - FS2 (s)

z3 − - ? i

x

-

Abbildung 6.23: Regelkreis mit mehreren St¨orgr¨oßen Wirkt die St¨ orgr¨ oße nach der Regelstrecke (z3 (t)), so lautet die St¨or¨ ubertragungsfunktion wie folgt: FZ (s) = −

F0 (s) 1 = − 1 = FW (s) − 1 . 1 + F0 (s) 1 + F0 (s)

(6.18)

Das dynamische Verhalten bei Einwirkung der St¨orgr¨oße z3 (t) weist eine gewisse Analogie zum F¨ uhrungsverhalten auf. Bei einem guten F¨ uhrungsverhalten wird auch die St¨ orgr¨ oße z3 (t) gut ausgeregelt. Somit gilt f¨ ur z3 als Forderung f¨ ur ein gutes St¨orverhalten ein Phasenrand von ca. 60◦ . Dann bietet sich f¨ ur die Einwirkung einer St¨ orgr¨oße z2 (t) zwischen zwei Teilstrecken ein Phasenrand in der Gr¨ oße von ca. 45◦ f¨ ur ein gutes St¨orverhalten an. Die Einstellung der Reglerverst¨ arkung, so dass ein vorgeschriebener Phasenrand erreicht wird, erfolgt nach dem Schema von Abschnitt 6.3.2, s. Seite 185.

6.4

Reglerentwurf mit dem Bode-Diagramm

6.4.1

Nicht schwingungsf¨ahige Proportionalstrecken

Entwurfsziel. Die im vorangehenden Abschnitt pr¨asentierten Verfahren und Kriterien sollen nun auf den Entwurf eines Reglers angewendet werden. Hierzu wird als erstes Beispiel dieselbe PT3 -Regelstrecke verwendet, die auch in Kapitel 8 f¨ ur den Vergleich von verschiedenen Entw¨ urfen herangezogen wird: FS (s) =

2 . (1 + 1,2s) · (1 + 0,5s) · (1 + 0,1s)

(6.19)

Diese Regelstrecke soll mit einem PI-Regler ausgelegt nach dem Verfahren der dynamischen Kompensation derart geregelt werden, dass die Regelgr¨oße bei einem Sprung der F¨ uhrungsgr¨ oße maximal 5% u ¨ berschwingt. 1 + 1,2s f¨ uhrt mit KP = 1 1,2s zu dem folgenden Frequenzgang des aufgeschnittenen Regelkreises. Anwendung. Die Verwendung des PI-Reglers FR (s) = KP

F0 (jω) =

2 . 1,2jω · (1 + 0,5jω) · (1 + 0,1jω)

(6.20)

190

6 Reglersynthese mit dem Bode-Diagramm

Das zu Gleichung 6.20 geh¨ orige Bode-Diagramm zeigt Abb. 6.24.

¨ Abbildung 6.24: Amplituden- und Phasengang der Ubertragungsfunktion des aufge2 schnittenen Kreises F0 (jω) = 1,2jω · (1 + 0,5jω) · (1 + 0,1jω) Amplituden- und Phasenrand lassen sich aus Abb. 6.24 ablesen3 zu ARand = 17,15 dB bei der Frequenz ωKrit = 4,47 s−1 und ϕRand = 47,9◦ bei der Frequenz ωD = 1,36 s−1 . Der Phasenrand ist gr¨ oßer Null, somit ist der Regelkreis mit der Verst¨arkung KP = 1 stabil. ¨ Die Forderung von maximal 5% Uberschwingen bei einem F¨ uhrungssprung rechnet man mit Gleichung 6.12 um zur Forderung einer Mindestd¨ampfung von D = 0,69. Dies entspricht gem¨ aß Gleichung 6.16 dann einem Phasenrand von mindestens ϕrand = 65◦ . Diesen Phasenrand von 65◦ liest man in Abb. 6.24 ab bei der Frequenz ω1 ≈ 0,8 s−1 . Im Amplitudengang liefert dann der Wert von |F01 | = −5,7 dB, den Wert, um den man die Reglerverst¨ arkung absenken muss. Somit wird KP |dB = 1|dB − 5,7 dB = 0 dB − 5,7 dB = −5,7 dB , 3

bei genauerer Au߬ osung

6.4 Reglerentwurf mit dem Bode-Diagramm

191

bzw. bei Rechnung in Absolutwerten: KP = 1 · 10

−5,7 dB 20 dB

= 0,52 .

Das mit dieser Auslegung erzielte F¨ uhrungs- und St¨orverhalten zeigt Abb. 6.25. 8

xz x(t) 6 w ˆ

xw

64 yw 2

xw 0

0

5

10

15

-

20

25

30

t/s

Abbildung 6.25: Zeitverl¨aufe Regelgr¨oße xw (t) und Stellgr¨oße yw (t) f¨ ur KP = 0,52 ; sowie Zeitverlauf xz (t) f¨ ur KP = 2 Die Regelgr¨ oße schwingt beim F¨ uhrungsverhalten, wie gefordert, um maximal 5% u ¨ber. ¨ Das St¨ orverhalten zeigt jedoch eine deutliches Uberschwingen. Eine Absch¨atzung der Anregelzeit mit der Formel TAn = π/ωD ergibt den Zahlenwert TAn = 2,31 s. Dieser Wert wird durch den Zeitverlauf in Abb. 6.25 best¨atigt. St¨ orverhalten. Das St¨ orverhalten des Regelkreises f¨ ur die ermittelte Verst¨arkung von KP = 0,52 ist nicht besonders gut, wie Abb. 6.25 zeigt. Eine Reglerauslegung auf ein gutes St¨ orverhalten w¨ urde, entsprechend den Empfehlungen von Seite 189, einen Phasenrand von ca. 30◦ erfordern. Die Auslegung auf einen Phasenrand von 30◦ entspricht der oben gezeigten Vorgehensweise und f¨ uhrt zu einem KP = 2. Dieser Verlauf ist in Abb. 6.25 mit xz bezeichnet (siehe Aufgabe 6.6). Aufgabe 6.6: Die obige PT3 -Regelstrecke soll auf ein gutes St¨orverhalten ausgelegt werden. 1. Wie groß ist die Reglerverst¨ arkung zu w¨ahlen, wenn ein Phasenrand von ϕRand = 30◦ gefordert ist? 2. Wie groß ist dann die Durchtrittsfrequenz ωD ? 3. Wie groß ist die Reglerverst¨ arkung zu w¨ahlen, wenn ein Phasenrand von ϕRand = 45◦ gefordert ist?

192

6 Reglersynthese mit dem Bode-Diagramm

4. Wie groß ist dann die Durchtrittsfrequenz ωD ? L¨ osung: 1. F¨ ur ϕRand = 30◦ ist KP = 2. 2. Durchtrittsfrequenz ωD = 2,19 s−1 . 3. F¨ ur ϕRand = 45◦ ist KP = 1,12. 4. Durchtrittsfrequenz ωD = 1,48 s−1 .

6.4.2



Schwingungsf¨ahige Proportionalstrecken

¨ Anforderungen. Es soll eine schwingungsf¨ahige PT2 -Strecke mit der Ubertragungsfunktion FS (s) =

1 1 + 2s + 25s2

untersucht werden. Die ungeregelte Strecke ist schwach ged¨ampft (D = 0,2) und relativ langsam (Kreisfrequenz ω0 = 0,2 s−1 ). Aus Abb. 6.27 liest man f¨ ur die Sprungantwort dieser Regelstrecke (Verlauf xS (t)) eine Anregelzeit TAn ≈ 9 s ab. Das Ziel des Reglerentwurfs ist die Erh¨ohung der D¨ampfung der geregelten Strecke (d. h. des Regelkreises). Außerdem soll bei einem Sprung der F¨ uhrungsgr¨oße die Regeldifferenz zu Null werden. PID-Regler. Die Suche nach einer geeigneten Reglerstruktur f¨ uhrt bald zu einem PIDRegler. Der I-Anteil ist erforderlich zur Vermeidung der bleibenden Regeldifferenz, und der D-Anteil wird ben¨ otigt zur Vergr¨ oßerung des Phasenrandes des Regelkreises. Also ist im oberen Frequenzbereich eine Phasenanhebung durch den D-Anteil des Reglers erforderlich. Im unteren Frequenzbereich dagegen wird der I-Anteil des Reglers wirksam. Legt man den PID-Regler nach dem Verfahren der dynamischen Kompensation aus, so kann man beim F¨ uhrungsverhalten die Oszillationen der Regelstrecke kompensieren. Abb. 6.26 zeigt die Amplituden- und Phasenverl¨aufe der Strecke und des geregelten Systems f¨ ur folgenden PIDTD -Regler: FR (s) = KP

1 + 2s + 25s2 1,5s(1 + 0,5s)

f¨ ur KP = 1. Diese Einstellung entspricht einem TN = 1,5 s, TV = 16,17 s und TD = 0,5 s. Die Amplitudenabsenkung des Reglers (|FR (jω)|) wirkt genau der Amplituden¨ uberh¨ ohung der Regelstrecke (|FS (jω)|) entgegen und kompensiert diese. Dadurch ist der ¨ Amplitudenverlauf des aufgeschnittenen Regelkreises (|F0 (jω)|) ohne eine Uberh¨ ohung

6.4 Reglerentwurf mit dem Bode-Diagramm

193

Abbildung 6.26: Amplituden- und Phasengang von Regler, Strecke und aufgeschnittenem Regelkreis

und er f¨ allt dann im Bereich der Resonanzfrequenz der Strecke um −20 dB/Dekade. Den Phasenrand liest man ab zu ϕRand = 72◦ . Das F¨ uhrungs- und St¨ orverhalten des Regelkreises f¨ ur einen F¨ uhrungssprung von w =5 und einem St¨ orsprung z = 1 nach 50 s zeigt Abb. 6.27. Dieses gute F¨ uhrungs- und akzeptable St¨ orverhalten wird erkauft mit einer sehr großen Stellamplitude zum Zeitnullpunkt. Die Verwendung eines Sinusquadrat-Vorfilters (siehe Kapitel 8) kann hier Abhilfe schaffen. Außerdem kann durch eine Reduzierung der Reglerverst¨ arkung KP eine Reduzierung der Stellamplitude erreicht werden. Dies geht dann allerdings zu Lasten des St¨ orverhaltens. Außerdem ist eine derartige Pol-/Nullstellenkompensation wenig robust, da sie von der genauen Kenntnis der Regelstreckenparameter abh¨angt.

194

6 Reglersynthese mit dem Bode-Diagramm 8 7

xS (t)

x(t),xS (t)6 5

x(t)

6

4 3 2 1 0

0

10

20

30

40

50

-

60

70

80

90

100

t/s

Abbildung 6.27: Sprungantworten der Regelstrecke xS (t) und der Regelgr¨oße x(t) f¨ ur KP = 1 bei Verwendung eines PID-Reglers

6.4.3

Integrierende Regelstrecken (Das symmetrische Optimum)

Einf¨ uhrung. Bei der Synthese von Reglern f¨ ur integrierende Strecken mit Verz¨ogerung kann man die Einstellregeln nach dem so genannten symmetrischen Optimum“ sehr ” gut einsetzen. Dieses Verfahren wurde von Kessler [25], [26] f¨ ur Verz¨ogerungsstrecken entwickelt. Man kann es jedoch, wie z. B. in der Antriebstechnik [40], auch f¨ ur integrierende Regelstrecken mit Verz¨ ogerung verwenden. Diese M¨oglichkeit soll hier betrachtet werden. Es werde eine integrierende Regelstrecke mit Verz¨ogerung 1. Ordnung betrachtet. Liegen Verz¨ ogerungen h¨ oherer Ordnung vor, so kann man die Zeitkonstanten zu einer Summenzeitkonstanten T1 = Ti zusammenfassen. Die Regelstrecke wird somit durch i

¨ die folgende Ubertragungsfunktion beschrieben FS (s) =

KS . s · (1 + T1 s)

Diese Regelstrecke soll mit einen PI-Regler geregelt werden: FR (s) = KP

1 + TN s . TN s

In Beispiel 5.5 auf Seite 146 wird gezeigt, dass f¨ ur ein stabiles Regelkreisverhalten die Nachstellzeit TN > T1 werden muss. Reglerauslegung. In Abb. 6.28 wird f¨ ur die Regelung einer IT1 -Strecke mit einem PIRegler der Amplituden- und Phasengang des aufgeschnittenen Regelkreises dargestellt.

6.4 Reglerentwurf mit dem Bode-Diagramm

195

Der Amplitudengang f¨ allt bis zur Eckfrequenz ωE1 = 1/TN mit −40 dB pro Dekade, verl¨ auft dann flacher mit einem Abfall von −20 dB pro Dekade bis zur Eckfrequenz ωE2 = 1/T1 , und f¨ allt dann wieder mit −40 dB pro Dekade. Beim Durchgang durch die 0-dB-Linie betr¨ agt der Abfall ungef¨ ahr −20 dB. 40 |F0 (jω)| dB

20

6

ωD

0

-20 -40 1/TN

1/T1

ω/s−1

-

-90 ∠F0 (jω) ◦

-120

6

? 6

-150

ϕRand

Abbildung 6.28: Bode-Diagramm des aufgeschnittenen Kreises

−180

-210 1/TN

ω/s−1

-

1/T1

Der Phasenwinkel beginnt f¨ ur niedrige Frequenzen bei −180◦, steigt dann je nach Abstand der Eckfrequenzen auf Werte bis nahe −90◦ an und f¨allt dann wieder auf −180◦ ab. An der Stelle des Nulldurchgangs der Amplitudenkennlinie kann man (wie mit dem Pfeil eingezeichnet) den positiven Phasenrand ablesen. Bei der Wahl von TN > T1 ist der Phasenrand immer positiv, d. h. der Kreis ist, wie schon zuvor abgeleitet, immer stabil. Der maximale Phasenrand liegt dann vor, wenn der Nulldurchgang des Amplitudenverlaufs genau in der Mitte der Eckfrequenzen von Regler und Strecke erfolgt, also symmetrisch“ zu diesen beiden Frequenzen liegt. ” Aufgrund der logarithmischen Skalierung der ω-Achse gilt f¨ ur die Durchtrittsfrequenz ωD (durch die 0-dB-Linie) die Beziehung 1 · {lg ωS + lg ωR } bzw. 2 √ 1 = ωS · ωR = √ . T1 · TN

lg ωD = ωD

(6.21)

196

6 Reglersynthese mit dem Bode-Diagramm

Der Amplitudengang wird in der Umgebung von ωD im Wesentlichen durch den I-Anteil der Strecke bestimmt wie die nachfolgende Rechnung zeigt. Es gilt:    KP KS (1 + jωTN )  |KP KS | · |1 + jωTN | =  . |F0 (jω)| =  −ω 2 TN (1 + jωT1 )  |ω 2 |TN · |1 + jωT1 | Wegen der Frequenzbeziehung 1/TN < ωD < 1/T1 folgt dann bei ω = ωD |F0 (jω)|ω=ωD ≈

KP KS =1. ωD

Aufgel¨ ost nach KP folgt nach dem Einsetzen von Gleichung 6.21 f¨ ur KP die Beziehung KP =

1 √ . KS · TN · T1

(6.22)

Sofern der maximale Phasenrand f¨ ur den Regelkreis gew¨ unscht ist, besteht zwischen der Reglerverst¨ arkung KP und der Nachstellzeit TN der Zusammenhang von Gleichung 6.22. Liegt TN fest, so liefert Gleichung 6.22 die dann zu w¨ahlende Verst¨arkung KP . F¨ ur z. B. TN = 4T1 ergibt KP = 1/(2KS T1 ) den maximalen Phasenrand. Der Entwurf eines PI-Reglers nach dem symmetrischen Optimum wird auf die Auswahl der richti” gen“ Nachstellzeit des Reglers reduziert. Diese Nachstellzeit wird zweckm¨aßigerweise so gew¨ ahlt, dass die an den Kreis gestellten Entwurfsanforderungen erf¨ ullt werden. F¨ uhrungsverhalten. Soll der geregelte Kreis ein zufriedenstellendes F¨ uhrungsverhalten aufweisen, z. B. ausgedr¨ uckt durch eine vorgegebene Anregelzeit, so kann man wie folgt vorgehen. F¨ ur verschiedene Werte TN wird die Durchtrittsfrequenz ωD mithilfe von Gleichung 6.21 bestimmt und die Anregelzeit u ¨ ber die Beziehung TAn ≈ π/ωD abgesch¨ atzt. Ist das Entwurfsziel erreicht, d. h. ein TN gefunden, wird mit Gleichung 6.22 die dazugeh¨ orige Reglerverst¨ arkung KP berechnet. Bei dieser Vorgehensweise wird zun¨ achst versucht, die gew¨ unschte Anregelzeit einzuhalten. Den Phasenrand liest man anschließend aus der Kurve des Phasenverlaufs ab. Dieser Phasenrand ist zwar f¨ ur das gew¨ahlte TN maximal, ob er jedoch im Bereich von ca. 50◦ . . . 65◦ liegt, ist offen. Phasenrand und Nachstellzeit k¨onnen also nicht unabh¨ angig voneinander eingestellt werden. Wird eine zu kleine Anregelzeit gefordert, dann ist die Phasenreserve oft so gering, dass das Einschwingverhalten unbefriedigend wird. Der PI-Regler ist dann zur Erf¨ ullung der Entwurfsbedingungen nicht geeignet. Umgekehrt kann auch eine relativ große Anregelzeit zul¨ assig sein, die bei Auslegung nach dem symmetrischen Optimum zu einer sehr großen Phasenreserve (> 65◦ ) f¨ uhrt. Es kann in diesem Fall sinnvoller sein, die Auswahl der Reglerparameter nicht nach dem symmetrischen Optimum vorzunehmen, sondern KP und TN unabh¨ angig voneinander einzustellen.

6.4 Reglerentwurf mit dem Bode-Diagramm

197

St¨ orverhalten. Soll mit der Methode des symmetrischen Optimums der Regler so eingestellt werden, dass ein g¨ unstiges St¨ orverhalten vorliegt, so h¨angt die Einstellung wesentlich vom Eingriffsort der St¨ orung ab (siehe Abb. 6.23). Bei Einwirkung der St¨ orgr¨ oße am Ausgang der Regelstrecke gibt es eine Analogie zwischen dem F¨ uhrungs¨ und St¨ orverhalten. Man kann die Uberlegungen f¨ ur das F¨ uhrungsverhalten u ¨ bernehmen. Greift die St¨ orgr¨ oße vor der Regelstrecke ein (Standardregelkreis), dann sind im Allgemeinen die Anforderungen f¨ ur ein gutes F¨ uhrungs- und St¨orverhalten zueinander kontrovers. Ein Phasenrand von 30◦ wird in diesen F¨allen meist als ausreichend erachtet. Eine zus¨ atzliche Betrachtung des Zeitverhaltens der Regelgr¨oße nach Einwirkung einer St¨ orgr¨ oße und/oder F¨ uhrungsgr¨ oße zur Festlegung der Reglerparameter ist jedoch in der Regel sinnvoll.

Beispiel 6.1: Das oben dargestellte Entwurfsschema wird in diesem Beispiel auf die folgende integrierende Regelstrecke angewendet:

FS (s) =

0,1 KS = . s · (1 + T1 s) s · (1 + 2s)

Es soll ein PI-Regler zur Regelung verwendet werden. Zwei unterschiedliche Entw¨ urfe werden untersucht und die Ergebnisse in Abb. 6.29 dargestellt. Ziel von Auslegung 1 ist die Erzielung eines Phasenrandes von ca. 65◦ f¨ ur ein gutes F¨ uhrungsverhalten. Beim Entwurf wird nun die Nachstellzeit solange ver¨andert und gleichzeitig mit Gleichung 6.22 der Verst¨ arkungsfaktor berechnet, bis der geforderte Phasenrand erreicht ist. Ein Phasenrand von ca. 65◦ wird erzielt bei einer Nachstellzeit von TN = 36 s und einer Reglerverst¨ arkung von KP = 1,18. Die in Abb. 6.29 mit 1“ ” gekennzeichneten Kurven zeigen Amplituden- und Phasengang sowie das F¨ uhrungs- und −1 St¨ orverhalten des Systems. Aufgrund der geringen Bandbreite (ωB ≈ 0,2 s ) liegt die Anregelzeit bei ca. 15 s. Der Einschwingvorgang der Regelgr¨oße auf den Sollwert verl¨auft ¨ sehr langsam, aber mit dem erwarteten geringen Uberschwingen. Das St¨orverhalten nach einem St¨ orsprung zeigt jedoch eine große lang andauernde Regelabweichung. In Auslegung 2 zur Erzielung eines guten St¨orverhaltens wird ein Phasenrand von nur 30◦ angestrebt. Dieser Phasenrand wird erreicht bei einer Nachstellzeit von TN = 6 s und einer zugeh¨ origen Reglerverst¨ arkung von KP = 2,89 (Kurven 2“). Die Bandbreite ” des Systems ist gr¨ oßer, die Anregelzeit wird folglich deutlich kleiner. Die Regelgr¨oße schwingt nach einem F¨ uhrungssprung aufgrund der geringeren Phasenreserve mehr. Das St¨ orverhalten ist jedoch entscheidend verbessert. Die Maximalablage ist kleiner und die St¨ orung ist wesentlich schneller ausgeregelt.

198

6 Reglersynthese mit dem Bode-Diagramm

Abbildung 6.29: Amplitudengang (Abb. a) und Phasengang (Abb. b) sowie Verlauf der Regelgr¨oße nach einem Sprung der F¨ uhrungs- (Abb. c) bzw. St¨orgr¨oße (Abb. d) Einstellregeln f¨ ur das Symmetrische Optimum. In der Tabelle 6.1 werden nach Kessler [25], [26] die Einstellregeln f¨ ur das symmetrische Optimum f¨ ur proportionale und integrierende Regelstrecken angegeben. ¨ Die nach diesen Einstellregeln ausgelegten Regelkreise zeigen oft ein starkes Uberschwingen aufgrund der Nullstelle des Reglers. Anwendung. Die Einstellregeln nach Tabelle 6.1 sollen auf die PT3 -Regelstrecke nach Gleichung 6.19 angewendet werden: FS (s) =

2 (1 + 0,1s) · (1 + 0,5s) · (1 + 1,2s)

Unter der Annahme einer großen Zeitkonstanten T1 = 1,2 s berechnet man die Reglerparameter unter Verwendung von TΣ = Ti = 0,6 s zu: i

T1 KP = = 0,5 2KS TΣ

und

TN = 4TΣ = 2,4 s .

6.4 Reglerentwurf mit dem Bode-Diagramm

199

Parameter Typ

Regelstrecke

Typ

Regler

i

mit T1 > 4TΣ f¨ ur TΣ =

FS (s) =

s

P

Ti

PI

FR (s) =

KP (1+TN s) TN s

T1 2KS TΣ

4TΣ

PI

FR (s) =

KP (1+TN s) TN s

1 2KIs TΣ

4TΣ

PID

FR (s) =

KP (1+TN s)2 TN s

T1 T2 16KS TΣ

8TΣ

PID

FR (s) =

KP (1+TN s)2 TN s

T2 16KIS TΣ

8TΣ

Q KIs (1+Ti s) i

ITn

mit TΣ =

FS (s) =

P

Ti

KS Q (1+T1 s)(1+T2 s) (1+Ti s) i

PTn

mit TΣ =

FS (s) =

P

Ti ;

T1 , T2  TΣ

KIS Q s(1+T2 s) (1+Ti s) i

ITn

TN

K S Q (1+T1 s) (1+Ti s)

FS (s) = PTn

KP

mit TΣ =

P

Ti ;

T2  TΣ

Tabelle 6.1: Einstellregeln nach dem Symmetrischen Optimum Das mit diesen Werten sich ergebende F¨ uhrungs- und St¨orverhalten f¨ ur die Sprungeing¨ ange w  = 5 und z = 1 zeigt Abb. 6.30. Da die Voraussetzungen TΣ > 4T1 nicht erf¨ ullt sind, zeigt sich kein gutes F¨ uhrungsverhalten f¨ ur die Auslegung nach dem symmetrischen Optimum. Ein gutes St¨ orverhalten kann infolge der geringen Reglerverst¨arkung ebenso nicht erwartet werden. 6 5 x(t)

x(t),y(t)

6

4 3

y(t)

2 1 0

0

5

10

15

-

20

25

30

t/s

Abbildung 6.30: Zeitverl¨aufe x(t) und y(t) f¨ ur KP = 0,5 und TN = 2,4 s Aus den Kurvenverl¨ aufen ergeben sich f¨ urs F¨ uhrungsverhalten die Werte TAus,W = 8,5s und u ¨max,W = 0% und f¨ urs St¨ orverhalten TAus,Z = 7,27 s und u¨max,Z = 19%.

200

6.4.4

6 Reglersynthese mit dem Bode-Diagramm

Phasenkorrigierende Netzwerke

¨ Definition. Unter einem phasenkorrigierenden Netzwerk versteht man ein Ubertragungsglied, mit dem eine Korrektur des Phasenwinkels des Systems vorgenommen werden kann. Man unterscheidet zwischen phasenanhebenden und -absenkenden Korrekturgliedern und solchen, die sowohl die Phase in einem Frequenzbereich absenken und im anderen wieder anheben. H¨ aufig wird die aus dem Englischen stammende Bezeichnung Lead- (f¨ ur anhebend) und Lag- (f¨ ur absenkend) bzw. Lag-Lead-Netzwerk gebraucht. ¨ Ein Lag-Netzwerk wird beschrieben durch die Ubertragungsfunktion FLag (s) = K ·

1 + T1 s 1 + αT1 s

mit α > 1

¨ im Unterschied zum Lead-Netzwerk dessen Ubertragungsfunktion lautet FLead (s) =

K 1 + T2 s · α 1 + Tα2 · s

mit α > 1 .

Die Kombination beider Netzwerke ergibt das Lag-Lead-Netzwerk, welches durch Gleichung 6.23 mit α > 1 und auch T1 > T2 .beschrieben wird: FLL (s) = K ·

(1 + T1 s) · (1 + T2 s) . (1 + αT1 s) · (1 + Tα2 s)

(6.23)

Abb. 6.31 zeigt den Amplituden- und Phasenverlauf f¨ ur ein Lag-Lead-Netzwerk mit T1 = 10 s, T2 = 1 s, K = 1 und verschiedenen α-Werten. Im unteren Frequenzbereich ist die phasenabsenkende Wirkung des Lag-Gliedes zu erkennen. Phasenwinkel und Amplitude nehmen negative Werte an. Ab der Mitte der Eckfrequenzen ωE1 = 1/T1 √ und ωE2 = 1/T2 (geometrisches Mittel ωM = 1/ T1 T2 ) steigt der Amplitudenverlauf wieder. Gleichzeitig geht der Phasenwinkel in den positiven Bereich. Hier beginnt die phasenvoreilende Wirkung des Lead-Gliedes. Je gr¨oßer der Wert α, umso gr¨oßer werden Phasenvor- bzw. -nacheilung sowie die maximale Amplitudenabsenkung des Lag-LeadGliedes. Die Werte f¨ ur α, T1 und T2 sind beim Reglerentwurf so auszuw¨ahlen, dass die phasenverschiebende Wirkung im gew¨ unschten Frequenzbereich stattfindet. Setzt man die Zeitkonstante T2 des Lead-Anteils gleich der gr¨oßten Zeitkonstanten der Regelstrecke, so erreicht man in diesem Frequenzbereich eine phasenanhebende Wirkung. Die Stabilit¨ atsreserve wird vergr¨ oßert. Durch den Lag-Anteil im unteren Frequenzbereich hebt man gleichzeitig die Verst¨ arkung des offenen Kreises wieder an und verringert so eventuell auftretende bleibende Regeldifferenzen. Mit Rechnersimulationen findet man relativ schnell die geeigneten Werte f¨ ur die Reglerparameter.

6.4 Reglerentwurf mit dem Bode-Diagramm

201

0

−2

|F (jω)| −4 dB

2

−6

6

−8

4 −10

−12

6

−14

−16

10 −18

−20 10

3

10

2

10

1

-

10

-

10

0

ω/s−1

1

10

2

10

60

40

|F (jω)| dB 20

6 0

2 −20

4 6

−40

10 −60 10

3

10

2

10

1

0

ω/s−1

1

10

2

10

Abbildung 6.31: Amplituden- und Phasenverlauf eines Lag-Lead-Gliedes mit K = 1, T2 = 1 s, T1 = 10 s und den Werten α = 2, 4, 6 und 10 Anwendung. Die Anwendung eines Lag-Lead-Gliedes wird bei der Regelung eines ¨ Verz¨ ogerungsgliedes 2. Ordnung mit der folgenden Ubertragungsfunktion gezeigt: FS (s) =

30 KS = . (1 + TS1 s) · (1 + TS2 s) (1 + s) · (1 + 0,1s)

Nach den obigen Entwurfsrichtlinien wird die Zeitkonstante des Lead-Anteils T2 gleich der gr¨ oßten Streckenzeitkonstanten TS1 = 1 s gesetzt. Nach einigen Rechnersimulationen ergibt die weitere Einstellung des Lag-Lead-Gliedes mit den Zahlenwerten T1 = 10 s, K = 1 und α = 6 das in Abb. 6.32 gezeigte Ergebnis.

202

6 Reglersynthese mit dem Bode-Diagramm 40 30

|F (jω)| dB

20

6

1

4

2 0.8

4

3

x(t) w b 0.6

10 3

6 0.4

0

1

0.2

−10 −20 −2 10

a)

−1

10

-

0

10

ω/s

1

−110

2

10

0

c)

0

5

-

10

15

t/s

20

10

45

1 0

3

∠F jω) ◦

|F (jω)| dB

4

−45

4 3

−10

6

6 2

−90

−20 −30

−135 −180 −2 b) 10

0

−1

10

-

0

10

ω/s

1

−110

2

10

−40 −2 10

d)

−1

10

-

0

10

1

ω/s

10

−1

2

10

Abbildung 6.32: Amplitudengang (Abb. a) und Phasengang (Abb. b) des Beispiels sowie F¨ uhrungs¨ ubergangsfunktion (Abb. c) und der Amplitudengang des F¨ uhrungsfrequenzgangs (Abb. d); Weitere Kennzeichnungen: 1 - Lag-Lead-Glied; 2 - Regelstrecke; 3 - Strecke mit Lead-Glied als Regler; 4 - Strecke mit Lag-Lead-Glied als Regler Die mit 1“ gekennzeichneten Kurven zeigen den von Abb. 6.31 bekannten Amplitu” den- und Phasenverlauf des Lag-Lead-Gliedes. Die Regelstrecke ist mit 2“ gekenn” zeichnet. Zur Verdeutlichung der Entwurfsergebnisse sind die Kurven bei Verwendung eines Lead-Reglers (Kurve 3) und eines Lag-Lead-Reglers (Kurve 4) in Abb. 6.32 aufgetragen. Durch das Lead-Glied und das Lag-Lead-Glied wird die Phasenreserve des Systems um ca. 20◦ verbessert (Abb. b). Die Amplitudenabsenkung des Lead-Gliedes f¨ uhrt jedoch zu einer deutlichen bleibenden Regelabweichung. Durch eine Verst¨arkungsanhebung kann diese Abweichung zwar verringert werden, doch nur zulasten einer erneuten Verringerung der Phasenreserve. Hier zeigt sich nun der Vorteil bei Einsatz des Lag-Lead-Gliedes. Im unteren Frequenzbereich wird durch den Lag-Anteil die Amplitude wieder angehoben, so dass die bleibende Regeldifferenz (Abb. c, Kurve 4) kleiner wird. Abb. d zeigt den Amplitudenverlauf der F¨ uhrungsfrequenzg¨ange. Auch hier ist im unteren Frequenzbereich die Verbesserung durch das Lag-Lead-Glied erkennbar. Die in diesem Beispiel aufgezeigten M¨ oglichkeiten der gezielten Verbesserung des Phasenverlaufs des aufgeschnittenen Regelkreises sollen zur Demonstration des Entwurfs¨ verfahrens dienen. Es ist ein Probierverfahren dessen Anwendung einige Ubung verlangt.

7

Reglersynthese mit der Wurzelortskurve

Die charakteristische Gleichung 1 + F0 (s) = 0 stellt, wie in Kapitel 5 dargestellt, die Grundlage f¨ ur die Untersuchung der Stabilit¨ at von Regelkreisen dar. Bei der Regelkreisanalyse im Frequenzbereich (Nyquist-Ortskurve, Bode-Diagramm) wird die Ortskurve von F0 (jω) hinsichtlich ihres Amplituden- und Phasenverlaufs speziell in der Umgebung des kritischen Punktes −1 untersucht. Anhand dieser Verl¨aufe wird die Stabilit¨at beurteilt, und es werden Empfehlungen f¨ ur die Auslegung der Regler gewonnen. Beim Wurzelortskurvenverfahren wird nun direkt die Lage der Nullstellen (Pole) der charakteristischen Gleichung in der s-Ebene untersucht.

7.1

Definition der Wurzelortskurve (WOK)

Definition. Die allgemeine Stabilit¨ atsdefinition von Abschnitt 5.1.2 (Seite 140) basiert auf der Untersuchung der Wurzeln (Pole) der charakteristischen Gleichung 1+F0 (s) = 0. Sofern die Wurzeln negativen Realteil aufweisen, ist der geschlossene Kreis stabil. Stellt man diese Wurzeln in der s-Ebene in Abh¨ angigkeit von einem Reglerparameter dar, so kann man diesen Reglerparameter so ausw¨ ahlen, dass der Kreis stabil ist. Diese grafische Darstellung des Wurzelortes in der s-Ebene nennt man Wurzelortskurve. Im Prinzip kann man die Wurzelortskurve in Abh¨ angigkeit von jedem Reglerparameter KP , TN , ¨ TV . . . grafisch darstellen. Ublich ist die Darstellung der Wurzelorte des Regelkreises allein in Abh¨ angigkeit von der Reglerverst¨ arkung KP . Nur diese grafische Darstellung wird als Wurzelortskurve bezeichnet. Erl¨ auterung. F¨ ur den Standardregelkreis nach Abb. 4.2 auf Seite 88 lautet die charakteristische Gleichung 1 + F0 (s) = 1 + FR (s) · FS (s) = 0 ,

(7.1)

¨ mit FR (s) und FS (s) als Ubertragungsfunktionen von Regler und Strecke. Ersetzt man ¨ die Ubertragungsfunktionen durch ihre Z¨ ahler- und Nennerpolynome Z(s) und N (s), und zieht die Reglerverst¨ arkung K =  KP aus dem Z¨ahlerpolynom des Reglers heraus, so geht Gleichung 7.1 u ¨ber in 1 + K · F0 (s) = 1 + K · N0 (s) + K · Z0 (s) = 0 ,

Z0 (s) =0 N0 (s)

bzw. (7.2)

204

7 Reglersynthese mit der Wurzelortskurve

mit Z0 (s) = ZR (s) · ZS (s) und N0 (s) = NR (s) · NS (s) . Zur Ermittlung der Wurzelortskurve m¨ ussen alle Strecken- und Reglerparameter bis auf die Reglerverst¨arkung K gegeben bzw. ausgew¨ ahlt sein. Anschließend werden mit einem Nullstellenbestimmungsprogramm (siehe Abschnitt 13.1) die Nullstellen der Gleichung 7.2 f¨ ur einen vorzugebenden Wertebereich von K berechnet und in der s-Ebene grafisch dargestellt. Dieses Vorgehen soll in Beispiel 7.1 an einer einfachen Regelstrecke demonstriert werden. ¨ Beispiel 7.1: Gegeben ist die PT2 -Strecke mit der Ubertragungsfunktion FS (s) =

0,5 . (1 + 0,5 s) · (1 + 0,25 s)

Diese Regelstrecke soll mit einem einfachen P-Regler FR (s) = K geregelt werden. Die charakteristische Gleichung f¨ ur dieses Regelsystem lautet N0 (s) + K · Z0 (s) = (1 + 0,5s) · (1 + 0,25s) + 0,5 · K = 0,125s2 + 0,75s + (1 + 0,5K) = 0 . ur einige Werte der ReglerverIn Tabelle 7.1 sind die Wurzeln s1,2 dieser Gleichung f¨ st¨ arkung K aufgelistet. K 0 0,1 0,25 1 2 4 10

s1 s2 −4,00 −2,00 −3,775 −2,225 −3 −3± 1,73j −3± 2,65j −3± 3,87j −3± 6,25j

Tabelle 7.1: Wurzeln der charakteristischen Gleichung

Da eine quadratische Gleichung vorliegt, m¨ ussen abh¨angig von der Verst¨arkung K, immer zwei Wurzeln auftreten. F¨ ur kleine Verst¨arkungen sind die Wurzeln reell. Bei K = 0,25 liegt eine Doppelwurzel vor. F¨ ur Verst¨arkungen K > 0,25 sind die Wurzeln konjugiert komplex. Die grafische Darstellung dieser Wurzeln zeigt Abb. 7.1 ¨ Die Wurzelortskurve besitzt zwei Aste. Ast 1 beginnt f¨ ur K = 0 bei −2 und verl¨auft dann mit wachsender Verst¨ arkung entlang der negativ reellen Achse bis −3. Dort liegt eine Doppelwurzel f¨ ur K = 0,25 vor. Bei −3 verzweigt der Ast dann mit wachsender Verst¨ arkung nach oben bzw. unten. Der zweite Ast beginnt f¨ ur K = 0 bei −4. Er verl¨auft dann mit wachsendem K bis −3 und verzweigt dann nach unten bzw. oben. Die Wurzelortskurve ist symmetrisch zur imagin¨ aren Achse. F¨ ur K → ∞ geht die Wurzelortskurve ebenfalls ins Unendliche.

7.1 Definition der Wurzelortskurve (WOK)

205

Einzelne Werte der Reglerverst¨ arkung K sind in Abb. 7.1 eingetragen. Die gesamte Wurzelortskurve verl¨ auft f¨ ur alle positiven Verst¨arkungen K in der offenen linken sHalbebene. Die Wurzeln weisen somit immer einen negativen Realteil auf, der geschlossene Regelkreis ist f¨ ur alle positiven Verst¨arkungswerte K stabil. Mit zunehmender  Verst¨ arkung K nimmt jedoch der Wert der D¨ampfung D = δ/ ωe2 + δ 2 ab. 

×

×

10

×

4

×

2

×

1

K

4j 3j 2j

6 K

1j K=0

0,25

K=0

Im(s) 6

× -2

×

? ×

1

×

2

×

4

× 10

-1

Re(s) 0 -1j -2j -3j -4j Abbildung 7.1: Wurzelortskurve

Regeln. F¨ ur den Verlauf der Wurzelortskurve gelten u. a. die folgenden Regeln: ¨ 1.) Die Anzahl der Aste der Wurzelortskurve wird durch die Ordnung n der charakteristischen Gleichung 1 + F0 (s) = 0 festgelegt. Im untersuchten ¨ Beispiel ist n = 2, die Wurzelortskurve hat somit 2 Aste. 2.) Die Anfangs- und Endpunkte der Wurzelortskurve werden durch die Untersuchung der charakteristischen Gleichung N0 (s) + K · Z0 (s) = 0 wie folgt bestimmt: 2.1) Setzt man K = 0, so folgt f¨ ur die charakteristische Gleichung: N0 (s) = 0 . Die Wurzelortskurve beginnt somit f¨ ur K = 0 in den Polen von Regler und Regelstrecke. Im obigen Beispiel lauten die Pole

206

7 Reglersynthese mit der Wurzelortskurve ¨ (Wurzeln) der Ubertragungsfunktion der Strecke s1 = −2 und s2 = −4, da der Regler ein reiner P-Regler ist. 2.2) F¨ ur K → ∞ geht Gleichung 7.1 dagegen u ¨ ber in Z0 (s) = 0 . Die Wurzeln dieser Gleichung sind die Nullstellen von Regler und Regelstrecke. Im obigen Beispiel liegen diese Nullstellen bei s01,02 = ±∞, den Unendlichkeitsstellen“ des Nenners. ” Die Wurzelortskurve beginnt f¨ ur K = 0 somit in den Polen von F0 (s), verl¨ auft dann entlang der berechneten Kurve — gegebenenfalls mit Verzweigungen — und endet f¨ ur K → ∞ in den Nullstellen von F0 (s). 3.) Den Verzweigungspunkt in der s-Ebene sowie den Wert der Verst¨arkung K am Verzweigungspunkt kann man durch die folgende Rechnung ermitteln. Man bildet die Ableitung von V (s) = −

1 N0 (s) =− =K F0 (s) Z0 (s) 

und setzt

(7.3)



dV (s) Z0 (s) · N0 (s) − N0 (s) · Z0 (s) = − =0. ds Z0 (s)2

(7.4)

Dann berechnet man die Wurzeln si der Gleichung. Diese Wurzeln si sind die gesuchten Verzweigungspunkte in der s-Ebene. Die Wurzeln si werden in Gleichung 7.3 eingesetzt und ergeben die Verst¨arkungen Ki an den Verzweigungsstellen. F¨ ur die gegebenen Zahlenwerte des Beispiels ergeben die Berechnungen V (s) = −

0,125 s2 + 0,75 s + 1 0,5

dV (s) = 0,25 s + 0,75 = 0 ds ⇒ K1 = V (s1 ) = 0,25

⇒ s1 = −3

4.) Ist der Verlauf einer Wurzelortskurve bekannt, so kann man die Werte der Verst¨arkung K auf der Wurzelortskurve wie folgt ermitteln: ¨ Die Ubertragungsfunktion F0 (s) des aufgeschnittenen Regelkreises wird auf ihre Pol-/Nullstellendarstellung umgeformt: b 0 + b 1 s + . . . + b m sm a 0 + a 1 s + . . . + an s n (s − s01 ) · (s − s02 ) · . . . · (s − s0m ) = Q· (s − s1 ) · (s − s2 ) · . . . · (s − sn )

F0 (s) =

(7.5)

7.1 Definition der Wurzelortskurve (WOK)

207

mit Q = bm /an , sowie s01 als Nullstellen und si als Pole von F0 (s). Nach Zusammenfassung der Produktterme resultiert daraus m $

F0 (s) = Q ·

(s − s0i )

i=1 n $

.

(7.6)

(s − si )

i=1

Die Aufl¨ osung von Gleichung 7.1 (1 + K · F0 (s) = 0) nach K und Einsetzen von Gleichung 7.6 f¨ uhrt nach der Betragsbildung zur Bestimmungsgleichung von K: n n $ $ |s − si |  1  | (s − si )| 1   i=1 i=1 |K| =   · $ · = . m m Q |Q| $ | (s − s0i )| |s − s0i | i=1

(7.7)

i=1

Liegen nur Nullstellen im Unendlichen vor, so geht Gleichung 7.7 u ¨ber in: |K| =

n 1 % · |s − si | . |Q| i=1

(7.8)

Zur Berechnung von Kx werden vom gesuchten Punkt sx = σx ± jωx auf der Wurzelortskurve die Abst¨ ande zu den Polen si und Nullstellen s0i ausgemessen und in Gleichung 7.7 oder 7.8 eingesetzt. Die Auswertung liefert die Verst¨ arkung Kx im gesuchten Punkt sx = σx ± jωx . Zus¨ atzliche Pole und Nullstellen. Der Verlauf der Wurzelortskurven a¨ndert sich entscheidend bei Hinzuf¨ ugung zus¨ atzlicher Pole und/oder Nullstellen von F0 (s). Dieses Hinzuf¨ ugen von Polen und Nullstellen entspricht der Auswahl verschiedener Reglerstrukturen f¨ ur die gegebene Regelstrecke. Nachfolgend wird im Beispiel 7.1 zum einen ein Pol bei s1 = 0 erg¨anzt, dies bedeutet die Verwendung eines integrierenden Reglers FR (s) = K/s, und zum anderen wird eine Nullstelle bei s01 = −1/TV erg¨ anzt, dies entspricht dem Einsatz eines idealen PDReglers FR (s) = K · (1 + TV s). Die sich dann ergebenden Wurzelortskurven f¨ ur die Regelstrecke von Beispiel 7.1 zeigt Abb. 7.2. Die linke Abb. 7.2 zeigt die Wurzelortskurve bei Verwendung eines I-Reglers, d. h. es gilt: F0 (s) = K ·

0,5 . s · (1 + 0,5s)(1 + 0,25s)

¨ Die Kurve besitzt nun drei Aste. Sie beginnen f¨ ur K = 0 in den drei Polen (s1 = 0, s2 = −2 und s3 = −4) von F0 (s) und enden in den Nullstellen, die im Unendlichen liegen.

208

7 Reglersynthese mit der Wurzelortskurve

Abbildung 7.2: Wurzelortskurven der PT2 -Strecke mit I-Regler (linke Abb.) und idealem PD-Regler (rechte Abb.) Die Pole sind mit einem ד gekennzeichnet. Mit wachsender Verst¨arkung K wandern ” ¨ die Pole des geschlossenen Kreises entlang der drei Aste der Ortskurve. F¨ ur die kritische ¨ Verst¨ arkung KKrit = 12 liegen die zwei Pole auf den beiden rechten Asten genau auf der imagin¨ aren Achse. Somit ist der geschlossene Kreis f¨ ur K < KKrit stabil und f¨ ur K > KKrit instabil. Der dritte Pol (auf dem linken Ast) bleibt dagegen stabil. Durch den Pol im Ursprung (I-Regler) verschwindet die bleibende Regeldifferenz, daf¨ ur kann der Regelkreis mit wachsender Verst¨ arkung nun instabil werden. Die Reglerverst¨arkung muss nun nach den im n¨ achsten Abschnitt vorgestellten Kriterien so ausgew¨ahlt werden, dass die Entwurfsziele erf¨ ullt werden. Die rechte Abb. 7.2 zeigt die Wurzelortskurve bei Verwendung eines idealen PD-Reglers, d. h. es gilt: F0 (s) = K ·

0,5 · (1 + 0,1s) . (1 + 0,5s)(1 + 0,25s)

¨ Die Wurzelortskurve besitzt nur zwei Aste, die in den Polen (s1 = −2 und s2 = −4) von F0 (s) beginnen. Durch den PD-Regler (mit TV = 0,1 s) erh¨alt F0 (s) eine Nullstelle bei s01 = −1/TV = −10 s−1, die zweite Nullstelle liegt im Unendlichen. Die Ortskurve beginnt f¨ ur K = 0 in den beiden Polen (gekennzeichnet mit einem ד) und verzweigt ” ¨ dann in Aste entlang zweier Halbkreise. Mit zunehmender Verst¨arkung vereinigen sich ¨ die beiden Aste dann wieder bei s = –16,93. Der eine Ast verzweigt dann zur Nullstelle bei s01 = −10 (gekennzeichnet mit einem o“) und der andere Ast zur Nullstelle ” im Unendlichen. Die gesamte Wurzelortskurve verl¨auft in der linken s-Halbebene. Der geschlossene Regelkreis ist f¨ ur beliebige Reglerverst¨arkungen stabil. Aufgrund des fehlenden Pols im Ursprung tritt jedoch eine bleibende Regeldifferenz auf.

7.1 Definition der Wurzelortskurve (WOK)

209

Der Reglerentwurf mit dem Verfahren der Wurzelortskurve wird in mehreren Schritten durchgef¨ uhrt. Zun¨ achst wird eine Reglerstruktur ausgew¨ahlt und hierf¨ ur die Wurzelortskurve berechnet. Dann wird die noch freie Reglerverst¨arkung K so bestimmt, dass die Pole des geschlossenen Kreises im gew¨ unschten Bereich in der s-Ebene liegen. Die Berechnung und Eingrenzung dieses Zielbereichs“ in der s-Ebene ist das Thema ” des n¨ achsten Abschnitts. Verl¨ auft die Wurzelortskurve nicht durch diesen Zielbereich, dann muss solange eine andere Reglerstruktur gew¨ahlt werden, bis die Wurzelortskurve durch diesen Zielbereich verl¨ auft. Erst dann kann die endg¨ ultige Reglerverst¨arkung K festgelegt werden. Aufgabe 7.1: Berechnen Sie f¨ ur die PT2 -Strecke von Beispiel 7.1 mit dem idealen PDRegler die Reglerverst¨ arkungen an den Verzweigungspunkten der Wurzelortskurve. (L¨osungshinweis: Die Berechnung der Ki kann mit verschiedenen Methoden erfolgen. Vergleichen Sie die Ergebnisse.) 

L¨ osung: K1 = 0,3590 und K2 = 69,64.

Aufgabe 7.2: Es soll eine schwingungsf¨ ahige Regelstrecke mit den Parametern KS = 1, D = 0,5 und ω0 = 1 s−1 mit einem idealen PD-Regler mit der Vorhaltzeit TV = 1 s geregelt werden. ¨ 1. Wieviel Aste besitzt die Wurzelortskurve? 2. Berechnen und zeichnen Sie die Wurzelortskurve f¨ ur dieses System. 3. Wie groß ist die Verst¨ arkung K an der Verzweigungsstelle der WOK. 4. Wie groß sind die D¨ ampfung D und die Kreisfrequenz ω0 des geschlossenen Regelkreises f¨ ur die Reglerverst¨ arkung K = 2? L¨ osung:

Im(s)

6

¨ 1. Die Wurzelortskurve hat 2 Aste. 2. Wurzelortskurve siehe nebenstehendes Diagramm. 3. K1 = 3. 4. D = 0,866 und ω0 = 1,73 s−1 .

-

Re(s)

 Aufgabe 7.3: Die Regelstrecke von Aufgabe 7.1 soll mit einem realen PD-Regler mit der Vorhaltzeit TV = 0,1 s und der Zeitkonstanten TD = 0,01 s geregelt werden.

210

7 Reglersynthese mit der Wurzelortskurve

¨ 1. Wieviel Aste besitzt die Wurzelortskurve? 2. Berechnen und zeichnen Sie die Wurzelortskurve f¨ ur dieses System. 3. Wie groß sind die Verst¨ arkungen K an den Verzweigungsstellen der Ortskurve? 4. Wo liegen die Pole des geschlossenen Regelkreises f¨ ur eine Verst¨arkung von K = 2 f¨ ur den idealen und realen PD-Regler? L¨ osung: ¨ 1. Die Wurzelortskurve hat 2 Aste. 2. Wurzelortskurve siehe nebenstehendes Diagramm.

Im(s)

6

3. K1 = 300,2; K2 = 312,3 . 4. s1,2 = −0,6 ± j1,6248 (idealer PD-Regler) s1,2 = −0,5910 ± j1,6298; s3 = −99,8179 (realer PD-Regler)

-

Re(s)



7.2

Entwurfsanforderungen in der s-Ebene

Wie beim Reglerentwurf mit dem Bode-Diagramm sollen die in Abschnitt 4.2 genannten Anforderungen an den Regelkreis so formuliert werden, dass sie beim Entwurf mit der Wurzelortskurve angewendet werden k¨ onnen.

7.2.1

Stabilita¨t

Definition. Die Umsetzung der Stabilit¨atsforderung des Regelkreises in eine Forderung in der s-Ebene er¨ ubrigt sich, da die Stabilit¨atsforderungen von Gleichung 5.10 bzw. 5.15 bereits eine Forderung in der s-Ebene darstellen. Der geschlossene Kreis ist stabil, wenn alle Pole der charakteristischen Gleichung negativen Realteil aufweisen. ¨ Nur der Wertebereich der Verst¨ arkungen der Aste der Wurzelortskurve in der linken s-Halbebene f¨ uhrt zu einem stabilen System.

7.2.2

Fu ¨ hrungsverhalten

Die Anforderungen an ein gutes F¨ uhrungsverhalten der Regelgr¨oße x(t) nach einem Sprung der F¨ uhrungsgr¨ oße werden in Teilforderungen bez¨ uglich station¨arer Genauigkeit, ¨ Uberschwingweite sowie An- und Ausregelzeit formuliert.

7.2 Entwurfsanforderungen in der s-Ebene

211

Station¨ are Genauigkeit. F¨ ur eine sprungf¨ormige Eingangsgr¨oße w ist die bleibende ¨ Regeldifferenz der Regelgr¨ oße Null, sofern die Ubertragungsfunktion F0 (s) des aufgeschnittenen Regelkreises einen integrierenden Anteil aufweist. Damit muss F0 (s) einen Pol im Ursprung aufweisen, in dem ein Ast der Wurzelortskurve mit K = 0 beginnt. Dominierendes Polpaar. F¨ ur die Betrachtung der weiteren Teilforderungen des F¨ uhrungsverhaltens f¨ uhrt man den Begriff des dominierenden Polpaares ein. Das F¨ uhrungsverhalten des geschlossenen Kreises wird im Wesentlichen durch das dem Ursprung am n¨ achsten liegende Polpaar (das dominierende Polpaar) bestimmt. Die weiter vom Ursprung entfernt liegenden Pole in der s-Ebene sind von geringer Bedeutung f¨ ur das Einschwingverhalten der Regelgr¨ oße. In Aufgabe 7.3 wurde in Frage 4 nach den Polen des geschlossenen Kreises mit idealem und realem PD-Regler bei einer bestimmten Reglerverst¨arkung gefragt. Das Polpaar s1,2 = −0,5910 ± j1,6298 liegt wesentlich n¨ aher am Ursprung als der Pol s3 = −99,8179. Dieser dritte Pol ist durch die sehr kleine Zeitkonstante TD des PD-Reglers bedingt. Dieser Pol spielt f¨ ur das Einschwingen der Regelgr¨oße praktisch keine Rolle, da er einen wesentlich schnelleren Bewegungsanteil (Eigenmode) darstellt als die beiden anderen Pole s1,2 . Die beiden Pole s1,2 sind die dominierenden Pole des geschlossenen Regelkreises. Ihre Lage ist f¨ ur das Einschwingen der Regelgr¨oße x(t) entscheidend. F¨ ur die Lage dieses dominierenden Polpaares in der linken Halbebene werden nachfolgend Gebiete in der s-Ebene beschrieben. Durch diese Beschr¨ankung auf ein dominierendes Polpaar wird f¨ ur die F¨ uhrungs¨ ubertragungsfunktion des Kreises ein Verz¨ogerungsglied 2. Ordnung unterstellt. ¨ ¨ Uberschwingweite u ¨ und D¨ ampfungsgrad D. Betrachtet man als erstes die Uber¨ schwingweite der Regelgr¨ oße x(t), so besteht zwischen der prozentualen Uberschwingweite u ¨ und der D¨ampfung D eines Verz¨ ogerungsgliedes 2. Ordnung nach Gleichung 3.47 die Beziehung −π · D u¨ = exp √ 1 − D2

| ln u ¨| D= . π 2 + (ln u ¨)2

bzw.

¨ Somit kann die Forderung nach einer bestimmten Uberschwingweite in eine geforderte D¨ ampfung umgesetzt werden. Abb. 7.3 zeigt nun die grafische Darstellung des dominierenden Polpaares in der s-Ebene Die Pole s1,2 = σe ± jωe sind konjugiert komplex. s1

Im(s) 6 ω0 Dω0

s2

ϕ

ωe Re(s) Abbildung 7.3: Wurzeln des dominierenden Polpaares

212

7 Reglersynthese mit der Wurzelortskurve

Mit den Definitionen von Gleichung 3.35 und 3.37 gilt f¨ ur  ω0 = ωe2 + σe2 und σe = −δ = −D · ω0 .

(7.9)

Daraus folgt nach einfacher Umrechnung, dass die D¨ampfung D gleich dem Kosinus des Winkels zwischen dem Pol s1 und der negativ reellen Achse ist: cos ϕ = D

bzw.

ϕ = arccos D.

(7.10)

Fordert man f¨ ur das dominierende Polpaar eine D¨ampfung D > DMin , so muss die Reglerverst¨ arkung K (als Parameter der Wurzelortskurve) so gew¨ahlt werden, dass das dominierende Polpaar innerhalb des durch ±ϕMin beschriebenen Sektors liegt. Dabei ist ϕMin der zu DMin geh¨ orende Winkel ϕ gem¨aß Gleichung 7.10. In Abb. 7.4 sind die Sektoren f¨ ur verschiedene D¨ampfungen D dargestellt. Der Sektor f¨ ur D = 0 ist die offene linke s-Halbebene, und der Sektor f¨ ur D ≥ 1 wird durch die negativ reelle Achse gebildet. F¨ ur die h¨ aufig angestrebte D¨ampfung von D = 0,7071 umfasst der Sektor den Bereich von −45◦ bis +45◦. Soll der geschlossene Regelkreis eine D¨ampfung von D > 0,7 aufweisen, so muss die Reglerverst¨arkung auf der Wurzelortskurve so gew¨ ahlt werden, dass das dominierende Polpaar innerhalb des ±45◦ Sektors um die negativ reelle Achse liegt.

Abbildung 7.4: Sektoren in der s-Ebene f¨ ur die D¨ampfungen D = 0,1; 0,2 . . . 0,8; 0,9; 0,95; 0,98

Anregelzeit T An . Auch die Entwurfsforderungen an die Anregelzeit der Regelgr¨oße x(t) nach einem F¨ uhrungssprung k¨ onnen als Anforderung an die Lage der dominierenden Pole in der s-Ebene formuliert werden. Die Anregelzeit von x(t) ist die Zeitdauer bis zum erstmaligen Erreichen des Sollwertes  Diese Zeit h¨angt von der D¨ampfung √ w. des Kreises ab. F¨ ur die D¨ ampfung D = 1/ 2 wird nach Gleichung 6.17 die Anregelzeit f¨ ur eine F¨ uhrungs¨ ubertragungsfunktion 2. Ordnung angen¨ahert durch die Beziehung TAn =

π ω0

7.2 Entwurfsanforderungen in der s-Ebene

213

mit ω0 als Kreisfrequenz des unged¨ ampften Systems. Aus Abb. 7.3 erkennt man, dass die dominierenden Pole mit gleicher Kreisfrequenz ω0 , d. h. mit gleicher Anregelzeit, auf einem Halbkreis mit dem Radius ri = ω0 in der linken s-Halbebene liegen. Je kleiner der Radius ri , d. h. je n¨aher die Pole am Ursprung liegen, umso gr¨ oßer ist die Anregelzeit. Um ein System schnell zu machen, m¨ ussen die Pole des geschlossenen Regelkreises m¨ oglichst weit links vom Ursprung liegen. Abbildung 7.5 zeigt die Linien konstanter Anregelzeit f¨ ur ein System mit der D¨ampfung D = 0,7 als Halbkreise in der linken s-Halbebene. Ist eine andere D¨ampfung als 0,7 gefordert, so ¨ andern sich auch entsprechend die Anregelzeiten.

Abbildung 7.5: Halbkreise konstanter Anregelzeit f¨ ur TAn = 0,5 s; 1 s; 2 s; 5 s; 10 s und D = 0,7

Aus Abb. 3.15 entnimmt man als Zeit bis zum erstmaligen Erreichen des Sollwertes z. B. f¨ ur D = 0,4 den Wert ω0 · t ≈ 2,15. Dann berechnet man die entsprechenden Grenzwerte konstanter Anregelzeit n¨aherungsweise als Halbkreise mit den Radien r = ω0 = 2,15/TAn. Soll die Regelgr¨ oße x(t) eine vorgegebene Anregelzeit einhalten bzw. unterschreiten, so muss das dominierende Polpaar außerhalb des mit dem obigen Schema berechneten Halbkreises in der linken s-Halbebene liegen. Auch diese Darstellung ist nur g¨ ultig, sofern das dominierende Polpaar das Einschwingverhalten ausreichend genau beschreibt. D¨ ampfung D und Anregelzeit T An . Die Linien konstanter D¨ampfung und konstanter Anregelzeit beschreiben in der linken s-Halbebene ein nach links offenes Gebiet. Man kann dieses Gebiet durch einen Halbkreis mit dem Radius ra abschließen. Eine m¨ ogliche Wahl von ra ist die Festlegung des Abstands zu den nicht ber¨ ucksichtigten Polen s3,4 , . . . zu z. B. ra = 0,5 · ω03,4 . Ebenso kann man bei einer geforderten Anregelzeit TAn,Max eine untere Grenze von z. B. TAn,Min = 0,2 · TAn,Max vorgeben, um eine zu schnelle Systemreaktion und damit zu große Stellamplituden zu vermeiden. Die Kurvenz¨ uge f¨ ur TAn,Min , TAn,Max sowie D = const. legen dann ein Zielgebiet f¨ ur das

214

7 Reglersynthese mit der Wurzelortskurve 2

Im(s)

6

1.5

3 1

1 0.5

2

0

−0.5

−1

−1.5

−2 −4

−3.5

−3

−2.5

−2

−1.5

-

−1

−0.5

0

Abbildung 7.6: Gebiete vorgeschriebener Mindestd¨ampfung und Grenzen der Anregelzeiten; 1: D ≥ 0,9 und 1 s ≤ TAn ≤ 8 s; 2: D ≥ 0,7 und 5 s ≤ TAn ≤ 10 s; 3: D ≥ 0,3 und 1,5 s ≤ TAn ≤ 3 s

Re(s)

dominierende Polpaar in der komplexen Ebene fest. Abb. 7.6 zeigt Beispiele f¨ ur Zielgebiete der dominierenden Pole. Die Wurzelortskurve muss durch Auswahl geeigneter Pole und Nullstellen des Reglers, d. h. durch Wahl eines PI-, PD-, PID- . . . Reglers, so geformt werden, dass sie durch das geforderte Zielgebiet verl¨ auft. Dann werden durch die Auswahl der noch freien Reglerverst¨ arkung K die Pole des geschlossenen Kreises festgelegt. Nur das dominierende Polpaar liegt in dem Zielgebiet, die weiteren Pole sollen m¨oglichst weit links liegen. Ausregelzeit T Aus . In ¨ ahnlicher Art und Weise werden Gebiete in der s-Ebene f¨ ur konstante Ausregelzeiten TAus spezifiziert. Die Ausregelzeit ist die Zeit bis zum letztmaligen Eintritt der Regelgr¨ oße x(t) in das Fehlerband um den station¨aren Sollwert (siehe Abb. 4.3). Das ged¨ ampfte Einschwingen der Regelgr¨oße wird gem¨aß Gleichung 3.42 beschrieben zu    δ2 −δt x(t) = w · 1−e · 1 + 2 · sin(ωe t + ϕ) . ωe Dieser Zeitverlauf stellt eine abklingende Sinusschwingung dar. Die einh¨ ullende e-Funktion dieser Schwingung wird durch die Abklingkonstante δ (mit δ > 0) beschrieben. Es wird nun untersucht, wann diese Einh¨ ullende in das spezifizierte Fehlerband eintritt. Dieser Eintrittszeitpunkt stellt eine konservative (d. h. obere Grenze der) Approximation der Ausregelzeit TAus dar. Es gilt e−δTAus =



δ=−

ln . TAus

Die Gr¨ oße δ ist nun jedoch identisch mit dem Betrag des Realteils σe des dominierenden Polpaares. Somit muss zur Erzielung einer H¨ochstausregelzeit von TAus,Max das dominierende Polpaar links der durch die Gleichung 7.11 σe = −δ = +

ln TAus,Max

(7.11)

7.2 Entwurfsanforderungen in der s-Ebene

215

definierten Senkrechten in der linken s-Halbebene liegen. F¨ ur die verschiedenen Fehlerb¨ ander (Breite 2 ) gelten die σe -Grenzwerte: σe,1% σe,2% σe,5% σe,10%

= = = =

−4,61/TAus −3,91/TAus −3,00/TAus −2,30/TAus

, , , .

(7.12)

In Abb. 7.7 sind Linien des 5 % Fehlerbandes f¨ ur die Ausregelzeiten TAus = 1,8; 4; 7 und 10 s dargestellt. Je kleiner die Ausregelzeit, d. h. je schneller x(t) einschwingen soll, umso weiter nach links wandert die Grenzlinie. 1

TAus

= 1s

4s

7s 10s

0.8

Im(s) 0.6

6

0.4

0.2

0

−0.2

−0.4

−0.6

Abbildung 7.7: Linien konstanter Ausregelzeit f¨ ur ein 5 % Fehlerband

−0.8

−1 −2

−1.8

−1.6

−1.4

−1.2

−1

−0.8

-

−0.6

−0.4

−0.2

0

Re(s)

Werden gleichzeitig Forderungen an die maximalen An- und Ausregelzeiten sowie die D¨ ampfung gestellt, so muss das Zielgebiet entsprechend den Anforderungen berechnet werden. Dabei wird jeweils die sch¨ arfere Bedingung ber¨ ucksichtigt. F¨ ur die Darstellung der Zielgebiete sind kleine Rechenprogramme erforderlich, die zus¨atzlich zum Wurzelortskurvenprogramm aufzurufen sind. Anwendung. Ein Beispiel verdeutlicht die Anwendung der oben eingef¨ uhrten Entwurfshilfslinien bei der Wurzelortskurve. Beispiel 7.2: Die PT2 -Strecke von Beispiel 7.1 wird mit einem I-Regler geregelt. Die ¨ Ubertragungsfunktion F0 (s) lautet dann F0 (s) = K ·

0,5 . s · (1 + 0,5s) · (1 + 0,25s)

Die Reglerverst¨ arkung K soll so bestimmt werden, dass die dominierenden Pole des geschlossenen Kreises eine D¨ ampfung von D = 0,7 aufweisen.

216

7 Reglersynthese mit der Wurzelortskurve

Abbildung 7.8: Wurzelortskurve von F0 (s) mit dem Sektor f¨ ur D = 0,7 und eingetragenen Verst¨arkungsfaktoren K

Zur Erf¨ ullung dieser Forderung wird zun¨achst die Wurzelortskurve von F0 berechnet und gezeichnet. Der zu der D¨ ampfung D = 0,7 geh¨orende ±45◦ -Sektor wird eingetra¨ gen. Die Wurzelortskurve von Abb. 7.8 besitzt drei Aste. Die Pole auf dem linken Ast ¨ liegen so weit vom Ursprung entfernt, dass die Pole auf den rechten Asten als die dominierenden Pole angesehen werden k¨ onnen. Auf einem Ast sind die Verst¨arkungsfaktoren des Reglers mit eingetragen. F¨ ur K = 1,32 liegen die dominierenden Pole genau auf der Linie, die den D¨ ampfungsbereich von D > 0,7 einschließt. Somit schwingt f¨ ur diese Reglerverst¨ arkung die Regelgr¨ oße x(t) nach einem Sprung der F¨ uhrungsgr¨oße w mit der D¨ ampfung D = 0,7 auf den Endwert w  ein. F¨ ur Verst¨arkungen kleiner als diese Grenzverst¨ arkung wird die D¨ ampfung des Einschwingverhaltens gr¨oßer als 0,7 und f¨ ur Verst¨ arkungen gr¨ oßer als diese Grenzverst¨arkung wird sie kleiner als 0,7. 

7.2.3

St¨orverhalten

Anforderungen. Hinsichtlich des Reglerentwurfs f¨ ur ein gutes St¨orverhalten spielt, wie bei der Darstellung der Kriterien f¨ ur den Entwurf im Frequenzbereich, der Angriffspunkt der St¨ orung eine wesentliche Rolle. Greift die St¨orung z direkt an der Regelgr¨oße x ein (siehe Abb. 6.23), so a or- und F¨ uhrungs¨ ubertragungsfunktion einander ¨hneln St¨ (siehe Gleichung 6.18). Damit k¨ onnen gegebenenfalls die Auslegungskriterien f¨ ur das F¨ uhrungsverhalten u ¨bernommen werden. Greift die St¨orgr¨oße im Inneren der Regelstrecke ein, bzw. als Versorgungsst¨ orgr¨ oße vor der Regelstrecke, so kann eine geringere D¨ ampfung als beim F¨ uhrungsverhalten als Auslegungsziel definiert werden. Entsprechend einem Phasenrand von 30◦ f¨ ur das St¨orverhalten kann man z. B. eine D¨ampfung von D ≈ 0,3 fordern.

7.3 Reglerentwurf mit der Wurzelortskurve

7.3

Reglerentwurf mit der Wurzelortskurve

7.3.1

Einfluss der Pole und Nullstellen des Reglers

217

Einleitung. Der Reglerentwurf mit dem Wurzelortskurvenverfahren wird entscheidend beeinflusst durch die Wahl der richtigen Regler¨ ubertragungsfunktion. Da die Wurzelortskurve nur einen Hinweis auf die g¨ unstige Einstellung der Reglerverst¨arkung K liefert, kommt der Auswahl der Pole und Nullstellen des Reglers, also der Reglerstruktur, eine wesentliche Bedeutung zu. Daher ist es erforderlich, zu wissen wie die Wurzelortskurve durch die Pole und Nullstellen des Reglers verformt wird. Durch diese Verformung soll erreicht werden, dass die Kurve durch das gew¨ unschte Zielgebiet verl¨auft (siehe Abschnitt 7.2). PT2 -Strecke mit PI-Regler. Die Beeinflussung des Verlaufs der Wurzelortskurve durch die Lage der Pole und Nullstellen eines PI-Reglers wird als erstes f¨ ur die folgende nicht schwingungsf¨ ahige PT2 -Strecke gezeigt: FS (s) =

1 KS = . (1 + T1 s) · (1 + T2 s) (1 + s) · (1 + 0,5s)

Der PI-Regler soll die bleibende Regelabweichung zu Null machen. Abb. 7.9 zeigt den Wurzelortskurvenverlauf f¨ ur verschiedene Nachstellzeiten TN des Reglers. Es werden hierbei nacheinander die Nachstellzeiten TN = 5 s, 1,01 s, 0,99 s, 0,5 s und 0,1 s gew¨ahlt. Die beiden Werte TN = 0,99 s und 1,01 s sollen den Fall einer ungenauen Pol-/Nullstellenkompensation beschreiben. Die Wurzelortskurve der Strecke mit P-Regler (Abb. a) verl¨auft von den Polen bei −1 und −2 zum Verzweigungspunkt bei −1,5 und geht dann zu den Nullstellen im Unendlichen. Durch den PI-Regler mit der Nachstellzeit TN = 5 s (Abb. b) wird ein dritter Ast vom Ursprung bis zur Nullstelle 1/TN = −0,2 s−1 hinzugef¨ ugt. Der dominierende Pol des Regelkreises ist der Pol auf diesem Ast. Der Kreis ist dadurch sehr langsam. Legt man die Nullstelle des Reglers sehr nahe rechts vom Pol bei −1 (Abb. c), so f¨ uhrt man im offenen Regelkreis praktisch eine Pol-/Nullstellenkompensation durch. Der Pol auf dem Ast (der im Ursprung beginnt) wandert nun aber schon f¨ ur kleine“ Verst¨arkun” gen K praktisch in die Nullstelle rechts von −1. Daraus folgt, dass schon f¨ ur kleine“ ” Verst¨ arkungen K (und erst recht f¨ ur große Verst¨arkungen) auch im geschlossenen Kreis ¨ eine Pol-/Nullstellenkompensation wirksam wird. Die anderen beiden Aste starten in den Polen der Strecke, laufen zum Verzeigungspunkt links von −1 und streben dann ins ¨ Unendliche. Auf diesen beiden Asten liegen die anderen beiden Pole (das dominierende ¨ Polpaar) des geschlossenen Kreises. Uber die Wahl der Verst¨arkung kann man nahezu beliebige D¨ ampfungsgrade D des geschlossenen Kreises mit kleiner An- und Ausregelzeit einstellen. ¨ Liegt die Nullstelle direkt links neben dem Pol bei −1 (Abb. d), so verzweigen zwei Aste rechts bei ca. −0,833. Der eine Ast der WOK verl¨auft von −2 bis in diese Nullstelle. Auf diesem Ast findet wieder wie in Abb. c die Pol-/Nullstellenkompensation statt. Die ¨ anderen beiden Aste starten in den beiden Polen, treffen sich im Verzweigungspunkt und ¨ streben dann gegen Unendlich. Auf diesen beiden Asten liegt wieder das dominierende Polpaar. Diese Einstellung entspricht im Wesentlichen dem Fall von Abb. c.

218

7 Reglersynthese mit der Wurzelortskurve

Abbildung 7.9: Wurzelortskurven f¨ ur eine PT2 -Strecke mit P-Regler (Abb. a) und mit PI-Regler f¨ ur die Nachstellzeiten TN = 5 s (Abb. b); 1,01 s (c); 0,99 s (d); 0,5 s (e) 0,1 s(f )

7.3 Reglerentwurf mit der Wurzelortskurve

219

Wird mit der Nullstelle der Pol bei −2 kompensiert (Abb. e), so verschiebt sich die Wurzelortskurve zum Ursprung. Die Anregelzeit wird wieder gr¨oßer. Schließlich in Abb. f liegt die Nullstelle weit links vom Pol bei −2. Der geschlossene Kreis wird durch die Pole ¨ auf den Asten am Ursprung dominiert. Der Verst¨arkung sind jedoch Grenzen gesetzt, da der Kreis nun schnell instabil werden kann. PT2 -Strecke mit realem PD-Regler. Dieselbe Regelstrecke wie zuvor wird nun mit einem realen PD-Regler geregelt. Die Verz¨ogerungszeit TD dieses PD-Reglers wird  dabei zu 0,1TV gesetzt.

Abbildung 7.10: Wurzelortskurven f¨ ur eine PT2 -Strecke mit realem PD-Regler (TD =   0,1 TV ) f¨ ur die Vorhaltzeiten TV = 10 s (Abb. a); 1 s (b); 0,51 s (c) und 0,1 s (d) 

ur die Nullstelle Abb. 7.10a zeigt den Wurzelortskurvenverlauf f¨ ur TV = 10 s, d. h. f¨  bei −0,1. Wegen TD = 0,1 ·TV entsteht bei −1 eine doppelte Polstelle. Die Wurzel-

220

7 Reglersynthese mit der Wurzelortskurve

¨ ortskurve besitzt drei Aste. Der Pol auf dem Ast zum Ursprung ist der dominierende Pol des geschlossenen Kreises. 

Mit der Wahl TV ≈ T1 = 1 s (Abb. b) wird durch den Pol die Nullstelle bei −1 kompensiert. Die Ortskurve wandert weit nach links und f¨ uhrt somit zu kleinen Anregelzeiten. Allerdings tritt wegen des fehlenden Pols im Ursprung eine bleibende Regeldifferenz auf. 

Setzt man TV = 0,51 s (Abb. c), so entsteht eine Nullstelle rechts vom Pol bei −2. Mit steigender Verst¨ arkung wirkt sich der Pol auf dem Ast von −1 nach −2 immer weniger aus. Eine bleibende Regeldifferenz tritt jedoch wegen des fehlenden Pols im Ursprung nach wie vor auf. 

F¨ ur TV = 0,1 s (Abb. d) wandert die Nullstelle weit nach links von den Streckenpolen. Das F¨ uhrungsverhalten kann sehr schnell gemacht werden, jedoch zu Lasten großer Stellamplituden. Im Unterschied zum vorher eingesetzten PI-Regler kann das System nun zwar schneller gemacht werden, es bleibt jedoch eine bleibende Regeldifferenz erhalten, da ein I-Term fehlt. Zus¨ atzlich zu den Polen des geschlossenen Kreises, die auf der Wurzelortskurve liegen, ¨ wird die Ubertragungsfunktion durch ihre Nullstellen beschrieben. Die Nullstellen des geschlossenen Kreises sind f¨ ur das F¨ uhrungsverhalten identisch mit den Nullstellen des aufgeschnittenen Kreises. Je n¨ aher eine Nullstelle bei einem Pol liegt, umso geringer ist die Wirkung dieses Pols beim Einschwingverhalten. Da jedoch das F¨ uhrungsverhalten des geschlossenen Kreises h¨ aufig durch ein reines Verz¨ogerungsverhalten (gegebenenfalls h¨ oherer Ordnung) beschrieben wird, reicht in diesen F¨allen die alleinige Betrachtung der Pole des geschlossenen Kreises aus. Schwingungsf¨ ahige PT2 -Strecke mit PI-Regler. Es wird nun die Wirkung von zus¨ atzlichen Polen und Nullstellen des Reglers auf den Verlauf der Wurzelortskurve f¨ ur eine schwingungsf¨ ahige Verz¨ ogerungsstrecke 2. Ordnung untersucht. Die Strecke sei schwach ged¨ ampft mit D = 0,3, ihre Kreisfrequenz laute ω0 = 1 s−1 und die Verst¨arkung ¨ KS sei 1. Damit wird die Ubertragungsfunktion FS (s) = KS ·

s2

ω02 1 . = 2 + 2Dω0 s + ω02 s + 0,6s + 1

Die Pole der Regelstrecke liegen damit bei s1,2 = −0,3 ± j0,95. Diese Strecke wird mit einem PI-Regler mit unterschiedlichen Nachstellzeiten TN geregelt. Die Abbildungen 7.11b und c zeigen die zugeh¨ origen Wurzelortskurven. In Abb. 7.11a ist zun¨ achst die Wurzelortskurve der Strecke mit P-Regler dargestellt. ¨ Die Aste laufen von den Polen ins Unendliche. Der geschlossene Regelkreis kann nicht instabil werden. Die Einf¨ ugung des PI-Reglers f¨ uhrt zu einem 3. Ast der Wurzelortskurve auf der reellen Achse, der vom Ursprung zur jeweiligen Nullstelle bei −1/TN f¨ uhrt. ¨ Die anderen beiden Aste tendieren mit abnehmender Nachstellzeit TN immer schneller in die rechte s-Halbebene. F¨ ur TN = 1 s (Abb. b) liegt die Nullstelle bei −1 und f¨ ur

7.3 Reglerentwurf mit der Wurzelortskurve

221

Abbildung 7.11: Wurzelortskurven f¨ ur eine schwingungsf¨ahige PT2 -Strecke mit PRegler (Abb. a) sowie PI-Regler f¨ ur die Nachstellzeiten TN = 1 s (Abb. b); 0,1 s (Abb. c)  und mit realem PD-Regler f¨ ur die Vorhaltzeiten TV = 10 s (Abb. d); 3 s (Abb. e) und 1 s (Abb. f )

222

7 Reglersynthese mit der Wurzelortskurve

TN = 0,1 s bei −10 (Abb. c). Somit kann mit dem PI-Regler die bleibende Regeldifferenz zwar beseitigt werden, die Stabilit¨ at nimmt jedoch mit abnehmender Nachstellzeit und wachsender Verst¨ arkung K ab. Schwingungsf¨ ahige PT2 -Strecke mit realem PD-Regler. Anstelle des PI-Reglers wird nun ein realer PD-Regler zur Regelung der PT2 -Strecke eingesetzt. Dabei wird die  Zeitkonstante des Reglers zu TD = 0,1·TV gesetzt. Abb. 7.11 zeigt die Wurzelortskurven des Systems. ¨ F¨ ur große Vorhaltzeiten (Abb. d und e) verlaufen 2 Aste der Wurzelortskurve von den Streckenpolen nach links oben bzw. unten in der linken s-Halbebene. Der dritte Ast verl¨ auft auf der negativ reellen Achse vom Reglerpol in die Reglernullstelle. Eine wesentliche Erh¨ ohung der D¨ ampfung wird erst f¨ ur kleine Vorhaltzeiten (Abb. f) erzielt. ¨ Dann kr¨ ummen sich die in den Streckenpolen beginnenden Aste zur reellen Achse. Durch eine geeignete Auswahl der Verst¨ arkung kann damit eine deutliche Stabilit¨atsverbesserung erreicht werden. Wegen des fehlenden I-Anteils des Reglers tritt jedoch beim PD-Regler immer eine bleibende Regeldifferenz auf. Schwingungsf¨ ahige PT2 -Strecke und realer PID-Regler. Als weitere Stabilisierungsmethode der schwingungsf¨ ahigen PT2 -Strecke wird nun die Verwendung eines Reglers mit 2 Nullstellen und 2 Polen, also eines realen PID-Reglers, untersucht. Die Reglergleichung wird in der folgenden Form geschrieben: FR (s) = K ·

2 s2 + 2D1 ω01 s + ω01 . 2 ω01 s · (1 + TD s)

Durch diese Form des Reglers mit reellen bzw. komplexen Nullstellen ist auch eine Kompensation der komplexen Streckenpole m¨oglich. Es wird ω01 = ω0 gesetzt, so dass Streckenpole und Reglernullstellen gleichen Abstand vom Ursprung aufweisen. Ein Pol des Reglers liegt im Ursprung, der andere wird willk¨ urlich nach s1 = −1/TD = −10 s−1 gelegt. Untersucht werden verschiedene Vorgaben des Parameters D1 der Reglernullstelle. Die hiermit erzielten Verl¨ aufe der Wurzelortskurve zeigt Abb. 7.12. ¨ Die Wurzelortskurven bestehen aus vier Asten, von denen zwei (Ast 1 und 2) in den ¨ Streckenpolen beginnen. Die anderen beiden Aste (Ast 3 und 4) fangen in den Polen des Reglers im Ursprung bzw. bei −10 an. Der D¨ ampfungsgrad der Strecke betr¨ agt D = 0,3. Setzt man den D¨ampfungsgrad des Reglers auf D1 = 0,1 (Abb. a) so liegen Pol und Nullstelle des geschlossenen Kreises nahe beieinander, so dass die Wirkung der Polstelle deutlich reduziert wird (Pol-/Nullstellenkompensation). F¨ ur D1 = 0,7 (Abb. b) verlaufen Ast 1 und 2 in einer großen Schleife zur Nullstelle. Das Schwingungsverhalten wird nicht wesentlich verbessert. Ast 3 und 4 laufen (außerhalb des Bereichs von Abb. b) aufeinander zu und verzweigen links von −3. F¨ ur D 1 = 1 ¨ (Abb. c) entsteht eine doppelte Nullstelle bei −1, auf die Ast 3 und 4 zulaufen. Die Aste 1 und 2 streben jedoch zu den Nullstellen im Unendlichen. Eine Erh¨ohung der D¨ampfung des geschlossenen Kreises wird nicht gew¨ ahrleistet, die Frequenz der Schwingung nimmt zu.

7.3 Reglerentwurf mit der Wurzelortskurve

223

Abbildung 7.12: Wurzelortskurven f¨ ur eine schwingungsf¨ahige PT2 -Strecke mit einem 2 s2 +2D1 ω01 s+ω01 Regler in der Form FR (s) = K · ω2 s·(1+T f¨ ur ω01 = ω0 und D1 = 0,1 (Abb. a), s) D 01 D1 = 0,7 (Abb. b) und D1 = 1 (Abb. c)

Nicht gezeigt ist die erw¨ unschte, exakte“ Kompensation der Streckenpole durch die ” Reglernullstellen. Da dann der komplexe Streckenpol und die komplexe Reglernullstelle an derselben Stelle liegen, wird die Wirkung des Streckenpols, nahezu unabh¨angig von der Reglerverst¨ arkung, kompensiert. Dadurch resultiert eine F¨ uhrungs¨ ubertragungsfunktion, die durch ein PT2 -Verhalten beschrieben wird. Diese optimale Einstellung ist schwierig zu erreichen und wenig robust. Diese Untersuchungen zeigen, dass der Auswahl der Struktur des Reglers, d. h. der Wahl der Reglerpole und Nullstellen eine entscheidende Bedeutung zukommt. Erst nach dieser Festlegung, die im Allgemeinen mehrere Probierversuche umfasst, kann die Reglerverst¨ arkung als Parameter der Wurzelortskurve gem¨aß den Entwurfsanforderungen eingestellt werden.

224

7.3.2

7 Reglersynthese mit der Wurzelortskurve

Regelung einer PT3-Strecke

Anwendung. Es soll nun die PT3 -Regelstrecke von Gleichung 6.19 FS (s) =

2 (1 + 0,1s)(1 + 0,5s)(1 + 1,2s)

mit einem PI-Regler so geregelt werden, dass die Regelgr¨oße f¨ ur eine Anregelzeit im uhrungssprung maximal 5 % u Bereich 1,5 s < TAn < 3 s bei einem F¨ ¨berschwingt. Eine schnelle Reaktion des Regelkreises wird erzielt, wenn man mit der Nachstellzeit des PI-Reglers die gr¨ oßte Zeitkonstante der Strecke T1 = 1,2 s kompensiert (Pol-/Nullstellenkompensation). F¨ ur die in Abb. 7.13 gezeigte Wurzelortskurve ist die Nachstellzeit gew¨ ahlt zu TN = 1,201 s. Eingezeichnet ist weiterhin das Zielgebiet f¨ ur die Lage der Wurzeln des geschlossenen Kreises, als partieller“ Kreisring. Die Geradenst¨ ucke des ” Kreisrings geh¨ oren zu dem D¨ ampfungsgrad D = 0,69 (=  u¨ = 5%) und die Kreisb¨ogen geh¨ oren zu den Anregelzeiten TAn = 1,5 s und TAn = 3 s entsprechend der Beziehung TAn = π/ω0 . ¨ Die Wurzelortskurve weist vier Aste auf, von denen drei in Abb. 7.13 gezeigt sind. Ast ¨ 1 beginnt im Ursprung und endet in der Nullstelle bei −1/1,201. Die Aste 2 und 3 beginnen in den Streckenpolen bei −1/1,2 und −1/0,5. Sie laufen aufeinander zu und verzweigen dann ins Unendliche. Ast 4 ist nicht gezeigt. Er beginnt bei −10 und verl¨auft entlang der negativ reellen Achse ins negative Unendliche.

Abbildung 7.13: Wurzelortskurve und Zielgebiet der Verz¨ogerungsstrecke mit PI-Regler

Der Pol des geschlossenen Kreises auf Ast 1 ist kein dominierender Pol. Es sei Kx eine Verst¨ arkung auf Ast 2 und 3 der Wurzelortskurve, f¨ ur die die Kurve im gew¨ unschten Zielgebiet verl¨ auft. Der offene Kreis besitzt Pol und Nullstelle bei −1/1,2(Pol-/Nullstellenkompensation). Der geschlossene Kreis besitzt eine Nullstelle bei −1/1,201 und f¨ ur K = Kx einen Pol sx sehr nahe bei −1/1,201. Im geschlossenen Kreis heben sich

7.3 Reglerentwurf mit der Wurzelortskurve

225

die Wirkungen dieses Pols sx und der Nullstelle bei −1/1,201 auf. Es tritt also auch im geschlossenen Kreis f¨ ur die Verst¨ arkung Kx eine Pol-/Nullstellenkompensation auf. Daher bilden die Pole auf Ast 2 und 3 das dominierende Polpaar. Auf der Wurzelortskurve sind die Verst¨ arkungen K1 = 0,33 und K2 = 0,52 eingetragen, die auf den Grenzen des Zielgebiets liegen.

Abbildung 7.14: Sprungantworten des geschlossenen Kreises f¨ ur einen PI-Regler mit der Nachstellzeit TN = 1,2 s f¨ ur die Verst¨arkungen K1 und K2 ¨ Berechnet und zeichnet man die Ubergangsfunktionen f¨ ur diese Verst¨arkungen so er¨ gibt sich der Verlauf von Abbildung 7.14. W¨ahrend die Ubergangsfunktion f¨ ur die Verst¨ arkung K2 die Anregelzeit von 3 s erwartungsgem¨aß unterschreitet, erf¨ ullt die Antwort f¨ ur die Verst¨ arkung f¨ ur K1 die Anforderung nicht. Die Regelgr¨oße n¨ahert sich aperiodisch dem Sollwert w.  Die Verst¨ arkung K1 ergibt eine D¨ampfung der Regelgr¨oße von ca. 0,9. Das Zielgebiet f¨ ur die Anregelzeit (der Kreisring) gilt jedoch nur n¨aherungsweise f¨ ur eine D¨ ampfung von D = 0,7. Der exakte Verlauf der Grenze f¨ ur eine konstante Anregelzeit entspricht eher einem parabelf¨ ormigen Verlauf. Da jedoch h¨aufig nur eine D¨ ampfung von ungef¨ ahr 0,7 gefordert ist, reicht in den meisten F¨allen der Kreissektor als Grenze.

7.3.3

Regelung einer instabilen Regelstrecke

Regelstrecke. In Abschnitt 3.4.2 wurde als Streckengleichung f¨ ur die Auslenkung ¨ (Winkel ϕ) eines balancierten Stabes aus der Vertikalen eine Ubertragungsfunktion der folgenden Form FS (s) =

Φ(s) b = 2 Fx (s) s − a0

mit Φ(s) als Laplace-transformiertem Auslenkungswinkel ϕ und Fx (s) als Laplace-transformierter Stellkraft Fx abgeleitet. Mit den Zahlenwerten eines Labormodells f¨ ur ein derartiges System ergibt sich die folgende Strecken¨ ubertragungsfunktion FS (s) =

s2

0,2 . − 12

226

7 Reglersynthese mit der Wurzelortskurve

√ √ Die Pole der Regelstrecke liegen bei + 12 und − 12, also auf der reellen Achse in der rechten und linken s-Halbebene. Der Pol in der rechten Halbebene f¨ uhrt zur Instabilit¨at des ungeregelten Stabes. Durch einen geeigneten Regler soll der Stab nun derart stabilisiert werden, dass er nach einer Auslenkung aus der Vertikalen durch eine St¨orung z wieder in die Vertikale zur¨ uckkehrt. Die St¨ orung wirke direkt auf die Stabauslenkung, d. h. auf die Regelgr¨oße ϕ(t). Dann ¨ ahnelt die Auslegung f¨ ur das St¨orverhalten, wie in Gleichung 6.18 gezeigt, der Auslegung f¨ ur das F¨ uhrungsverhalten. Gefordert ist eine D¨ampfung von D ≥ 0,7. Wurzelortskurve. Zun¨ achst wird die Wurzelortskurve des Systems Stab mit P” ¨ Regler“ berechnet und gezeichnet (Abb. 7.15.a). Die 2 Aste der Wurzelortskurve be√ ginnen in den Polen der Regelstrecke bei ± 12. Sie laufen dann gegen den Ursprung, wo sie nach Unendlich verzweigen. Mit der P-R¨ uckf¨ uhrung ist das System ab einer bestimmten kritischen Verst¨ arkung, hier KKrit = 60, grenzstabil. Pole und Nullstellen des Reglers m¨ ussen nun so ausgew¨ ahlt werden, dass die Wurzelortskurve in den negativen Bereich der s-Ebene gezogen“ wird. ” Betrachtet man in Abb. 7.9 die Teilbilder b und c, so erkennt man, dass die Einf¨ ugung eines Reglerpols und einer Nullstelle die Wurzelortskurve zur Nullstelle hin verformt. Die Polstelle des Reglers muss dabei links von der Nullstelle und dem zu verformenden Ortskurvenast liegen. Beim balancierten Stab muss zur Stabilisierung die Wurzelortskurve nach links in die s-Halbebene verbogen“ werden. W¨ahlt man daher eine Nullstelle ” bei s01 = −5 und einen Pol noch weiter links bei s1 = −15, uhrt ein derartiger Regler √ so f¨ zum gew¨ unschten Ergebnis. (Die Wahl s01 = sP 1 = − 12 ist ebenso m¨oglich.)

Abbildung 7.15: Wurzelortskurve des balancierten Stabes mit P-Regler (Abb. a) sowie mit PD-Regler (Abb. b) Ein Regler mit einer derartigen Pol-/Nullstellenkonfiguration ist der folgende reale PDRegler 

FR (s) = K ·

 5+s 1 + TV s =K · . 15 + s 1 + TD s

7.3 Reglerentwurf mit der Wurzelortskurve

227

Die Reglernullstelle links von den Polen der Strecke zieht“ die Wurzelortskurve in ” ¨ die linke s-Halbebene (siehe Abb. 7.15b) Der Verzweigungspunkt der beiden Aste 1 und 2 wandert ebenfalls nach links. Damit ist der geregelte Stab ab einer kritischen Verst¨ arkung (hier K1 ≈ 180) stabil. Bei K2 ≈ 210 schneidet die Wurzelortskurve die Zielgebietsgrenze mit D∗ = 0,7. Zur Erreichung einer gew¨ unschten D¨ampfung D > 0,7 darf also die Reglerverst¨ arkung K im Bereich 180 ≤ K ≤ 210 liegen. Der dritte Ast der Wurzelortskurve l¨ auft vom Reglerpol bei −15 in die Reglernullstelle bei −5. Der Pol des geschlossenen Kreises auf Ast 3 liegt so weit von den Polen auf Ast 1 und 2 entfernt in der linken Halbebene, dass die beiden Pole auf Ast 1 und 2 als das dominierende Polpaar des geschlossenen Kreises angesehen werden k¨onnen. Impulsantwort. Abschließend wird die Stabbewegung nach einer impulsf¨ormigen St¨ orung untersucht. Die Untersuchung des F¨ uhrungsverhaltens mit konstantem Sollwert eines derartigen instabilen Stabes macht regelungstechnisch wenig Sinn, da man dann fordern w¨ urde, den Stab mit einem vorgegebenen Winkel zu verfahren. Daher beschr¨ ankt man sich auf die Untersuchung des St¨orverhaltens und untersucht eine impulsf¨ ormige St¨ orung, da auch die Ausregelung einer konstante St¨orung problematisch ist. Die Reglerverst¨ arkung wird nun zu K = 195 gew¨ahlt. Damit ist ein Ausregeln der St¨ orgr¨ oße mit einer D¨ ampfung D von ungef¨ahr 0,8 bis 0,9 zu erwarten. Betrachtet man in Abb. 7.16 die Auslenkung ϕ des Stabes nach dieser impulsf¨ormigen St¨orung, so erkennt man, dass der Stab nach Einwirken der St¨orung langsam bis auf ca. +7◦ aus der Vertikalen auswandert, bevor die Regelung ihn wieder in die Vertikale zur¨ uckbringt. Das D¨ ampfungsverhalten entspricht in etwa der erwarteten D¨ampfung von 0,8 bis 0,9. 8 7 ϕ(t) 6 ◦ 5

64 3 2 1 0 −1

0

1

2

3

4

5

-

6

7

8

9

10

t/s

Abbildung 7.16: Antwort der Regelgr¨oße x(t) = ϕ(t) nach Einwirkung einer impulsf¨ormigen St¨orung 1,5 ·δz (0)

Aufgabe 7.4: Es soll die Reglerauslegung einer instabilen PT3 -Strecke mit einem idealen PID-Regler untersucht werden. Nachfolgend ist die Wurzelortskurve dieser Anordnung mit KP = 1 dargestellt.

228

7 Reglersynthese mit der Wurzelortskurve

¨ 1. Wieviel Aste hat die Wurzelortskurve? 2. Ermitteln Sie die kritische Verst¨ arkung KP,Krit und die kritische Frequenz ωkrit . 3. Geben Sie den Stabilit¨ atsbereich f¨ ur KP an. 4. Welche D¨ ampfung ist f¨ ur das dominante Polpaar maximal erreichbar? L¨ osung: ¨ 1. Die Wurzelortskurve hat vier Aste. 2. KP,Krit = 39,5 und ωKrit = 2,91 s−1 3. Stabilit¨ atsbereich KP > KP,Krit . 4. DMax ≈ 0,38



8

Reglersynthese mit klassischen und neueren Methoden

Einf¨ uhrung. In den Kapiteln 2 bis 5 werden die Grundlagen der Untersuchung linearer Regelkreise behandelt. Dabei ist es nicht das Ziel die in Abschnitt 4.2 formulierten Anforderungen an den Regelkreis bez¨ uglich F¨ uhrungs- und St¨orverhalten m¨oglichst gut zu erf¨ ullen. Es sollen vielmehr die grunds¨ atzlichen Eigenschaften des Verhaltens linearer Regelkreise aufgezeigt werden. Daran anschließend werden in den Kapiteln 6 und 7 Reglerentwurfsverfahren mithilfe des Bode-Diagramms und der Wurzelortskurve betrachtet. Aufbauend auf die damit gelegten Grundlagen werden in diesem Kapitel weitere spezielle Verfahren der Reglersynthese vorgestellt und, soweit m¨oglich, miteinander verglichen. Um auch eine quantitative Vorstellung von den Unterschieden und M¨oglichkeiten der Reglerentwurfsmethoden zu gewinnen, werden diese vergleichenden Untersuchungen soweit es geht, am Beispiel einer Verz¨ ogerungsstrecke dritter Ordnung mit folgender ¨ Ubertragungsfunktion durchgef¨ uhrt: FS (s) =

2 1 1 · · . 1 + 0,1s 1 + 0,5s 1 + 1,2s

(8.1)

¨ Diese Ubertragungsfunktion k¨ onnte z. B. zu einer Reihenschaltung zweier Gleichstromgeneratoren (siehe Aufgabe 3.8, Seite 55) oder zweier kleinerer Druckbeh¨alter geh¨oren. Auch das Zeitverhalten von Motor-Generators¨atzen liegt in der gleichen Gr¨oßenordnung. F¨ ur diese Beispielstrecke wurden auch in den Kapiteln 6 und 7 schon Reglerentw¨ urfe erarbeitet. Die bei diesen Vergleichen der Reglerentw¨ urfe erzielten Ergebnisse sind nicht allgemein g¨ ultig. Sie sollen nur eine Vorstellung von den erzielbaren Ergebnissen bei den Ent¨ wurfsanforderungen wie z. B. Anregelzeit, Ausregelzeit und Uberschwingen vermitteln.

8.1

Grundlegende Entwurfsverfahren

8.1.1

Pol-/Nullstellenkompensation

Kompensation reeller Streckenpole. Das Verfahren der Pol-/Nullstellenkompensation wird in Kapitel 4 ohne n¨ ahere Erl¨ auterung bei der Auslegung einfacher Regler h¨ aufig angewendet und dort als dynamische Kompensation bezeichnet. Dabei werden ¨ Terme der Form (1 + TS s) im Nenner der Ubertragungsfunktion der Regelstrecke durch ¨ geeignete Terme der Form (1 + TR s) im Z¨ ahler der Ubertragungsfunktion des Reglers

230

8 Reglersynthese mit klassischen und neueren Methoden

mit TR = TS kompensiert. Es wird mit TR die jeweils gr¨oßte Streckenzeitkonstante TS kompensiert“. Mit dieser Wahl eines Reglerparameters wird der Pol der Regelstrecke ” bei s1 = −1/TS durch eine Nullstelle des Reglers bei s01 = −1/TR kompensiert, daher die Bezeichnung Pol-/Nullstellenkompensation. Offen bleibt dabei zun¨achst die Wahl der Reglerverst¨ arkung KP . Diese Methode soll auf die PT3 -Regelstrecke von Gleichung 8.1 angewendet werden. Als Regler soll zun¨ achst ein PI-Regler eingesetzt werden. Entwurfsziel ist die Minimierung der Ausregelzeit TAus f¨ ur ein 5%-Fehlerband ( = ±5%) beim F¨ uhrungs- und St¨orverhalten f¨ ur eine sprungf¨ ormige F¨ uhrungsgr¨oße w ˆ = 5 bzw. eine sprungf¨ormige St¨orgr¨oße zˆ = 1. Die Struktur des untersuchten Regelkreises zeigt Abb. 8.1. z Regler

w- jxd– 6

FR (s)

Regelstrecke

– y- ? j -

2 (1+0,1s)(1+0,5s)(1+1,2s)

x -

Abbildung 8.1: Struktur des Regelkreises W¨ ahlt man die Nachstellzeit des PI-Reglers zu TN = TS,Max = 1,2 s, dann lautet die ¨ Ubertragungsfunktion F0 (s) des aufgeschnittenen Regelkreises:

F0 (s) = FR (s) · FS (s) = KP =

1 + 1,2s 2 · 1,2s (1 + 0,1s)(1 + 0,5s)(1 + 1,2s)

2KP . 1,2s · (1 + 0,1s)(1 + 0,5s)

Die Reglerverst¨ arkung KP wird nun unter Verwendung eines Simulationsprogramms durch Probieren so eingestellt, dass f¨ ur das gew¨ unschte Fehlerband

1. die Ausregelzeit TAus,W f¨ ur das F¨ uhrungsverhalten minimal wird. Dies wird erreicht f¨ ur KP,W = 0,52. Oder 2. die Ausregelzeit TAus,Z f¨ ur das St¨ orverhalten klein “ wird. Dies wird erreicht f¨ ur ” KP,Z = 3. Die Zeitverl¨ aufe der Regelgr¨ oßen und des Stellsignals f¨ ur diese Reglereinstellungen zeigt Abb. 8.2.

8.1 Grundlegende Entwurfsverfahren

231

8

xz 6

x, y

xw

64 yw 2

xw 0

0

5

10

15

-

20

25

30

t/s

Abbildung 8.2: Zeitverl¨aufe xw (t) und yw (t) f¨ ur KP = 0,52; sowie Zeitverlauf xz (t) f¨ ur KP = 3 Aus den Kurvenverl¨ aufen liest man die folgenden Werte ab:

F¨ uhrungsverhalten: St¨ orverhalten:

TAus,W u ¨max,W TAus,Z u ¨max,Z

KP,W = 0,52 2,29 s 5% 3,96 s 17%

KP,Z = 3 5,56 s 57% 1,36 s 7%

Durch eine Vergr¨ oßerung von KP,Z u ¨ber den Wert 3 hinaus l¨asst sich TAus,Z auf Null bringen (d. h. x(t) verl¨ asst das Fehlerband nicht). Es schwingt dann die Regelgr¨oße beim Einschwingen auf w ˆ jedoch noch mehr u ¨ ber. Generell ist die Wahl großer Reglerverst¨ arkungen mit Bedacht zu w¨ ahlen, um nicht unmodellierte Eigenbewegungen unn¨ otig anzuregen. Ist eine Zeitkonstante der Strecke im Vergleich zu den anderen besonders groß (z. B. T1 T2 , T3 ), so wird in [33] gezeigt, dass mit der Wahl TN = T1 das St¨orverhalten besonders langsam wird. Wenn das nicht akzeptiert werden kann, dann w¨ahlt man besser T2 < TN < T1 . Bei Verwendung eines PID-Reglers in der Produktform (siehe Abschnitt 4.5.3, Seite 123) k¨ onnen dann die zwei gr¨ oßten Zeitkonstanten T1 = 1,2 s und T2 = 0,5 s kompensiert werden. Man setzt also TN∗ = T1 und TV∗ = T2 und w¨ahlt ein geeignetes KP∗ . Das F¨ uhrungs- und St¨ orverhalten des Regelkreises wird damit deutlich verbessert zu Lasten einer Vergr¨ oßerung der Stellamplitude. Ist bei einer PT3 -Strecke (mit T1 > T2 > T3 ) eine Zeitkonstante sehr groß (T1 T3 ), so wird mit der Wahl TN∗ = T1 bei einer derartigen Strecke das St¨orverhalten sehr langsam. Abhilfe wird nach [33] auch hier durch die Wahl von T3 < TN∗ < T1 geschaffen.

232

8 Reglersynthese mit klassischen und neueren Methoden

Diese Methode der Pol-/Nullstellenkompensation ist bei reellen Polen der Strecke relativ robust, d. h. auch wenn man die Streckenpole nicht exakt“ kompensiert, so erh¨alt man ” doch im Wesentlichen das gew¨ unschte Einschwingverhalten der Regelgr¨oße x(t). Kompensation konjugiert komplexer Streckenpole. Die Methode der Pol-/Nullstellenkompensation kann ebenso auf die Kompensation konjugiert komplexer Pole der Regelstrecke, also bei schwingungsf¨ ahigen Regelstrecken angewendet werden. F¨ ur eine ¨ schwingungsf¨ ahige PT3 -Strecke mit der Ubertragungsfunktion FS (s) =

KS s 2 (1 + T1 s)(1 + 2D ω0 s + [ ω0 ] )

w¨ ahlt man dann den PID-Regler in der Summenform FR (s) = KP ·

1 + T N s + T N T V s2 . TN s

F¨ ur eine Pol-/Nullstellenkompensation setzt man nun TN = (2D)/ω0 TN TV = 1/(ω0 )2

und ⇒ TV = 1/(2Dω0 ) .

Die Reglerverst¨ arkung KP ist wieder auf ein gutes F¨ uhrungs- oder St¨orverhalten abzustimmen. Eine derartige Pol-/Nullstellenkompensation konjugiert komplexer Streckenpole ist im Allgemeinen nicht so robust wie die Kompensation reeller Streckenpole. Kompensation von Polen und Nullstellen der Regelstrecke. F¨ ugt man zur PT3 -Strecke nach Gleichung 8.1 einen differenzierenden Anteil hinzu, so erh¨alt man z. B. die folgende PDT3 -Regelstrecke FS1 (s) =

2 1 + 2s 1 · · . 1 + 0,1s 1 + 0,5s 1 + 1,2s

(8.2)

Die Regelstrecke schwingt nun u ¨ber, obwohl sie nur reelle Pole aufweist. Die Sprungantworten (f¨ ur x ˆe = 1) beider Regelstrecken zeigt Abb. 8.3. Will man nun einen Pol der Strecke und die Nullstelle der Strecke kompensieren, so ¨ wie folgt: w¨ ahlt man einen PIT1 -Regler mit der Ubertragungsfunktion FR (s) = KP ·

(1 + 1,2s) . 1,2s(1 + 2s)

Damit wird die Polstelle der Strecke bei s1,S = −1/1,2 kompensiert durch die Nullstelle des Reglers bei s01,R = −1/1,2 und die Nullstelle der Strecke bei s01,S = −1/2 wird kompensiert durch die Polstelle des Reglers bei s1,R = −1/2. Das F¨ uhrungsverhalten des Regelkreises entspricht nun dem von Abb. 8.2, da F0 (s) f¨ ur beide Regelkreise identisch ist. Das St¨ orverhalten der geregelten PDT3 -Strecke ist allerdings aufgrund des D-Anteils der Strecke deutlich unruhiger wie Abb. 8.4 zeigt.

8.1 Grundlegende Entwurfsverfahren

233

2.5 2 x(t) w ˆ 1.5

PDT3 -Strecke

PT3 -Strecke

6

1 0.5 0

0

1

2

3

-

4

5

6

7

t/s

Abbildung 8.3: Sprungantworten der PT3 -Strecke und der PDT3 -Strecke 8

xz xz

6

x, y

64

xw xw

2

0

yw

0

5

10

15

-

20

25

30

t/s

Abbildung 8.4: Zeitverl¨aufe xw (t) und yw (t) f¨ ur KP = 0,52; sowie Zeitverlauf xz (t) f¨ ur KP = 3 Kompensation instabiler“ Streckenpole. Man k¨onnte nun versuchen mit der ” Methode der Pol-/Nullstellenkompensation auch instabile Streckenpole, also Pole mit positivem Realteil, zu kompensieren und damit den Regelkreis zu stabilisieren. Da man die Pole der Regelstrecke jedoch immer nur mit endlicher Genauigkeit kennt, bleibt der geschlossene Regelkreis instabil. Dies verdeutlicht die nachfolgende Rechnung. Es liege eine instabile“ PT1 -Regelstrecke wie folgt vor: ” KS . FS (s) = 1 − T1 s Diese Strecke soll mit einem PI-Regler kompensiert werden. Da man T1 aber nur unge  nau kennt, gilt immer TN = T1 . Es sei z. B. TN = T1 mit T1 = T1 . Dann wird 

FR (s) = KP ·

1 − T1 s . s

234

8 Reglersynthese mit klassischen und neueren Methoden

¨ Somit lautet die Ubertragungsfunktion F0 (s) des aufgeschnittenen Regelkreises: 

K(1 − T1 s) F0 (s) = s − T 1 s2 mit K = KP · KS . Dann resultiert die charakteristische Gleichung 1 + F0 (s) = 0 zu: 

K + (1 − KT1 )s − T1 s2 = 0 . Nach dem Hurwitz-Kriterium ist der geschlossenen Regelkreis f¨ ur ein System zweiter Ordnung stabil, wenn alle Koeffizienten der charakteristischen Gleichung vorhanden sind und gleiches Vorzeichen aufweisen. Damit resultieren die folgenden Anforderungen an die Koeffizienten der charakteristischen Gleichung: 1. Wegen T1 > 0 folgt die Bedingung K < 0. 





2. Mit K = −K folgt dann die weitere Bedingung 1 + K T1 < 0. Eine Erf¨ ullung   dieser Bedingung f¨ ur positives K und T1 ist jedoch nicht m¨oglich. Der geschlossene Regelkreis bleibt also instabil. Die Pol-/Nullstellenkompensation kann somit nicht zur Stabilisierung von instabilen Streckenpolen verwendet werden.

8.1.2

Reglereinstellung durch Parameteroptimierung

Klassische Methoden. Bei den klassischen Methoden der Reglerauslegung mittels Parameteroptimierung werden die Zeitverl¨aufe der Regelgr¨oße x(t) bzw. der Regeldifferenz xd (t) direkt f¨ ur die Festlegung der Reglerparameter herangezogen. Beide Verl¨aufe sind f¨ ur eine sprungf¨ ormige F¨ uhrungsgr¨ oße w(t) in Abb. 8.5 dargestellt. xd (t) 6

x(t) 6 0

w 

0

t -

t -

Abbildung 8.5: Sprungantwort der Regelgr¨oße (linke Abb.) und Verlauf der Regeldifferenz (rechte Abb.) Je kleiner die schraffiert gezeichnete Regelfl¨ache“ ist, umso schneller schwingt die Re” gelgr¨ oße auf den Sollwert w  ein. Folglich bietet sich die Minimierung dieser schraffierten Fl¨ ache als Kriterium f¨ ur die Festlegung von Reglerparametern an. Da damit jedoch positive und negative Fl¨ achen sich z. B. bei einer unged¨ampften Dauerschwingung aufheben

8.1 Grundlegende Entwurfsverfahren

235

w¨ urden, setzt man besser den Betrag der Regeldifferenz als Optimierungskriterium an. Man nennt dieses Kriterium Ja dann auch IAE-Kriterium (Integral of Absolute Error) ∞

∞ |w  − x(τ )|dτ =

Ja = τ =0

|xd (τ )|dτ

⇒ Minimum .

τ =0

Das Minimum dieses G¨ utekriteriums u ¨ ber die Parameter KP , TN . . . des Reglers liefert die gesuchten optimalen“ Werte von KP , TN . . .. ” Weitere Kriterien sind die quadratische Regelfl¨ache Jq ∞

∞ (w  − x(τ )) dτ = 2

Jq = τ =0

xd (τ )2 dτ

⇒ Minimum

τ =0

und zeitgewichtete Kriterien wie z. B. das ITAE-Kriterium (Integral of Time multiplied by Absolute Error) Ji , mit ∞

∞ τ · |w  − x(τ )|dτ =

Ji = τ =0

τ · |xd (τ )|dτ

⇒ Minimum .

τ =0

F¨ ur das Kriterium der quadratischen Regelfl¨ache Jq sind in [38], [11] und [15] geschlossene L¨ osungen f¨ ur Regeldifferenzen der Form Xd (s) =

c0 + c1 s + . . . + cn−1 sn−1 d0 + d1 s + . . . + dn sn

mit dn > 0 angegeben. Die Kriterien Jq,n lauten f¨ ur n = 1 . . . 4 c20 2d0 d1 c21 d0 + c20 d2 = 2d0 d1 d2 2 c d0 d1 + (c21 − 2c0 c2 )d0 d3 + c20 d2 d3 = 2 2d0 d3 (d1 d2 − d0 d3 ) Z¨ ahler = 2d0 d4 (−d0 d23 − d21 d4 + d1 d2 d3 )

Jq,1 = Jq,2 Jq,3 Jq,4

Z¨ ahler = c23 (−d20 d3 + d0 d1 d2 ) + (c22 − 2c1 c3 )d0 d1 d4 + (c21 − 2c0 c2 )d0 d3 d4 + +c20 (−d1 d24 + d2 d3 d4 ) . (8.3) Mit zunehmendem Grad von Xd (s) werden die geschlossenen L¨osungen immer komplexer. F¨ ur die Ermittlung der Reglerparameter sind die Koeffizienten c0 , c1 . . . d0 , d1

236

8 Reglersynthese mit klassischen und neueren Methoden

. . . als Funktionen der Reglerparameter KP , TN . . . darzustellen. Durch Differentiation oder nummerische Optimierung werden das Minimum von Jq gesucht und die Parameter bestimmt.

Beispiel 8.1: Als Beispiel f¨ ur die Anwendung der Reglereinstellung nach der quadratischen Regelfl¨ ache wird wieder wie oben die PT3 -Regelstrecke FS (s) =

2 (1 + 1,2s) · (1 + 0,5s) · (1 + 0,1s)

untersucht. F¨ ur einen PI-Regler, ausgelegt nach dem Verfahren der dynamischen Kompensation (Pol-/Nullstellenkompensation), setzt man die Nachstellzeit des PI-Reglers gleich der gr¨ oßten Zeitkonstanten, d. h. TN = T1 = 1,2 s. Die noch freie Reglerverst¨arkung soll durch Minimierung des G¨ uteindex der quadratischen Regelfl¨ache berechnet werden. Dazu muss zun¨ achst Xd (s) ermittelt werden. Mit FR (s) =

KP · (1 + 1,2s) 1,2s

wird dann F0 (s) F0 (s) =

2 · KP . 1,2s · (1 + 0,5s) · (1 + 0,1s)

Dann resultiert Xd (s) zu Xd (s) =

w  0,06s2 + 0,72s + 1,2 1 · = ·w . 1 + F0 (s) s 0,06s3 + 0,72s2 + 1,2s + 2KP

Damit lauten die Koeffizienten des G¨ utemaßes Jq,3 wie folgt: c0 = 1,2 d0 = 2KP

c1 = 0,72 d1 = 1,2

c2 = 0,06 d2 = 0,72

c3 = 0 d3 = 0,06 .

Die Minimierung von Jq,3 mit einem Optimierungsprogramm bzw. durch Nullsetzen der 1. Ableitung von Jq,3 nach KP ergibt f¨ ur KP den Wert KP = 1,9548 . Abb. 8.6 zeigt das F¨ uhrungs- und St¨ orverhalten des Regelkreises f¨ ur den PI-Regler mit TN = 1,2 s und KP = 1,9548 f¨ ur sprungf¨ ormige F¨ uhrungs- und St¨orgr¨oßen.

8.1 Grundlegende Entwurfsverfahren

237

12 10

y(t)

x(t) 8 w ˆ

6

x(t)

6 4 2 0

−2

0

5

10

15

-

20

25

30

t/s

Abbildung 8.6: F¨ uhrungs- und St¨orverhalten der PT3 -Regelstrecke mit einem PI-Regler, ausgelegt durch Minimierung der quadratischen Regelfl¨ache; w  = 5; z = 1; = 5% Aus den Kurvenverl¨ aufen liest man die folgenden Werte ab:

F¨ uhrungsverhalten: St¨ orverhalten:

TAus,W u ¨max,W TAus,Z u ¨max,Z

KP = 1,95, TN = 1,2 s 4,42 s 41% 1,76 s 9%

¨ Das F¨ uhrungsverhalten weist ein relativ großes Uberschwingen von 41% auf. Dies ist typisch f¨ ur Reglerauslegungen nach dem quadratischen G¨ utekriterium. Im Vergleich dazu ist das St¨ orverhalten deutlich besser.  Moderne rechnergest¨ utzte Entwurfsverfahren. Die Verwendung eines Rechners erm¨ oglicht deutlich komplexere G¨ utekriterien als die oben angegebenen. Außerdem ¨ k¨ onnen Maximalwerte f¨ ur z. B. Stellamplitude oder Uberschwingen als Randbedingungen im Rahmen einer nummerischen Optimierung ber¨ ucksichtigt werden. Diese Fragestellung wird ausf¨ uhrlich in Abschnitt 14.2.1 behandelt. 4 soll mit einem I-Regler gere(1 + 2,5s)(1 + 7s) gelt werden. Berechnen Sie KI f¨ ur einen F¨ uhrungssprung durch Minimieren der quadratischen Regelf¨ ache.

Aufgabe 8.1: Die PT2 -Strecke FS (s) =

L¨ osung: KI = 0,0415 . 

238

8.1.3

8 Reglersynthese mit klassischen und neueren Methoden

Das Betragsoptimum

Entwurfskriterium. Bei dem als Reglerauslegung nach dem Betragsoptimum bezeichneten Verfahren wird durch geeignete Wahl der Reglerparameter versucht, die Bandbreite des F¨ uhrungsfrequenzgangs FW (jω) m¨oglichst groß zu machen. D. h., es soll der Betrag |FW (jω)| f¨ ur m¨ oglichst große Frequenzen ω gleich 1 werden. Man spricht auch von einer Betragsanschmiegung“ von FW (jω) an 1. Der Regelkreis kann dann ” hochfrequenten F¨ uhrungsgr¨ oßen w(t) ohne Betragsabsenkung folgen. In Abschnitt 6.3.2 wird gezeigt, dass eine m¨ oglichst große Bandbreite ωB von FW (jω) ¨aquivalent zu einer m¨ oglichst kleinen Anregelzeit TAn ist. Die Berechnungen der Reglerparameter nach dem Betragsoptimum erfolgen durch Approximierung von FW (jω) im Frequenzbereich. F¨ ur Verz¨ogerungsstrecken der Form FS (s) =

1 a 0 + a 1 s + a2 s 2 + . . .

sowie f¨ ur spezielle Reihenschaltungen von PT1 -Strecken werden die Reglerparameter gem¨ aß [24] nach Tabelle 8.1 (Seite 239) berechnet. Beispiel 8.2: Mit den Daten der Regelstrecke FS (s) =

2 (1 + 1,2s) · (1 + 0,5s) · (1 + 0,1s)

lauten die f¨ ur die Auslegung des Reglers nach dem Betragsoptimum gem¨aß Tabelle 8.1 ben¨ otigten Parameter ai der Regelstrecke nach dem Ausmultiplizieren des Nenners: a0 = 0,5

a1 = 0,9

a2 = 0,385

a3 = 0,03 .

F¨ ur einen PI-Regler der Form FR (s) = (r0 + r1 s)/(2s) ergeben sich dann nach Tabelle 8.1 die Parameter r0 und r1 zu: r0 = 0,9314

r1 = 1,1765 .

Die Umrechnung der Werte r0 und r1 auf Verst¨arkungsfaktor KP und Nachstellzeit TN ergibt: KP =

r1 = 0,5882 2

und

TN =

r1 = 1,2632 . r0

Abb. 8.7 zeigt das F¨ uhrungs- und St¨ orverhalten f¨ ur die obige Auslegung (Auslegung a) jeweils als nicht bezeichneten mittleren“ Kurvenverlauf zwischen den Kurven b und c ” sowie den Verlauf der Stellgr¨ oße ya (t), die zu diesem mittleren Kurvenverlauf geh¨ort. Die Berechnung der Reglerparameter f¨ ur Auslegung a f¨ uhrt nicht zu einer Pol-/Nullstellenkompensation der gr¨ oßten Zeitkonstanten. Die Nachstellzeit TN wird etwas gr¨oßer als die gr¨ oßte Zeitkonstante T1 = 1,2 s.

8.1 Grundlegende Entwurfsverfahren

239

Strecke FS (s)

Regler FR (s)

Einstellregeln

1 a 0 + a 1 s + a2 s 2 + . . .

r0 + r1 s 2s

1 a 0 + a 1 s + a2 s 2 + . . .

r0 + r1 s + r2 s2 2s

a0 · (a2 − a a ) r0 = D 0 2 1 1 a1 · (a2 − a a ) − a r1 = D 0 2 0 1 1     a1 a0    D1 =      a3 a2       a1 a2 a0    a 0 r0 = D ·   2    a3 a22 − a1 a3 + a0 a4       a1 a2 a0    a r1 = D1   − a0 2    a3 a22 − a1 a3 + a0 a4  ˛ ˛ ˛ ˛ ˛ ˛ ˛ ˛ ˛ ˛ ˛ ˛ ˛ ˛ ˛ ˛

a1 a0 0 a3 a2 a0 a2

a5 a4 a22 − a1 a3 + r2 = D2     a1 a0 0        D 2 =  a3 a2 a1         a5 a4 a3  n %

KS (1 + Tν s)

˛ ˛ ˛ ˛ ˛ ˛ ˛ ˛ ˛ ˛ ˛ ˛ ˛ ˛ a0 a4 ˛˛

− a1

KP · (1 + TN s) TN s

KP = 2KT1T , S Σ

KP · (1 + TN s) TN s

T12 + T22 KP = 2K S T1 T2

∗ ∗ KP (1+TN s)(1+TV∗ s) ∗s TN

(T12 + T22 ) · (T1 + T2 ) T12 + T1 T2 + T22 KP∗ = 2KT1T , TN∗ = T1 , TV∗ = T2 S Σ

TN = T1

ν=1

1 große Zeitkonstante T1 TΣ = n %

n

Tν ν=2

KS (1 + Tν s)

ν=1

2 große Zeitkonstanten T1 ,T2 TΣ =

n

Tν ν=3

TN =

Tabelle 8.1: Einstellregeln f¨ ur den Reglerentwurf nach dem Betragsoptimum

240

8 Reglersynthese mit klassischen und neueren Methoden

6

c

5 x(t) w ˆ 4

c

b

63

b

ya (t)

2 1 0

0

5

10

15

-

20

25

30

t/s

Abbildung 8.7: F¨ uhrungs- und St¨orverhalten des Systems; Kurvenerl¨auterung siehe Text Die anderen Kurven (b und c) stellen das F¨ uhrungs- und St¨orverhalten f¨ ur die Auslegung des PI-Reglers dar: 1. unter der Annahme einer großen Zeitkonstante“ (d. h. T1 T2 + T3 ; Kurve b), ” sowie 2. unter der Annahme zweier großer Zeitkonstanten“ (d. h. T1 , T2 T3 ; Kurve c). ” Obwohl diese beiden Annahmen nicht besonders gut erf¨ ullt werden, sind die erzielten Ergebnisse durchaus zufriedenstellend. Die Reglerparameter f¨ ur die Kurven b und c sind in der nachfolgenden Aufgabe zu berechnen. Aufgabe 8.2: Berechnen Sie die Reglerparameter f¨ ur die Beispielregelstrecke von Gleichung 8.1 unter der Annahme 1. T1 T2 + T3 2. T1 , T2 T3 . L¨ osung:

8.1.4

1. 2.

KP = 0,5 KP = 0,7042

und und

TN = 1,2 s; TN = 1,2546 s.



Vermeidung des Regleru ¨ berlaufs

Beschreibung. In vielen Regelkreisen kann das vom Regler berechnete Stellsignal y(t) infolge einer Begrenzung des Stellgliedes (siehe Abb. 8.8) einen Maximalwert ±yMax nicht u ¨berschreiten. Falls der Regler nun einen integrierenden Anteil enth¨alt, wird die Regeldifferenz xd (t) immer weiter aufintegriert, ohne dass das Stellsignal wegen der Begrenzung steigt. Wird nun nach einiger Zeit die Regeldifferenz negativ, so dauert es sehr

8.1 Grundlegende Entwurfsverfahren

241

lange, bis der Integrator von seinem inzwischen erreichten hohen Signalwert herunter integriert. Die Folge dieses Effekts sind l¨ anger andauernde und gr¨oßere Regeldifferenzen.

Regler

w- ixd– 6

FR (s)

z

Stellglied/Begrenzer

– y- ? i -

u -

Regelstrecke

x -

FS (s)

Abbildung 8.8: Regelkreis mit Stellglied mit Begrenzung Eine wirkungsvolle Maßnahme diesen so genannten Regler¨ uberlauf“ in seiner Wirkung ” zu reduzieren, besteht in der R¨ uckf¨ uhrung, Integration und Subtraktion dieses Stellfehlers vom berechneten integralen Anteil des Stellsignals. Abb. 8.9 zeigt die Struktur eines PID-Reglers mit Korrektur des Regler¨ uberlaufs (Wind-Up-Korrektur). -

Kp Modell Stellglied

Xd (s)

t -

-

KD s 1+TD s

KI s

˜ (s) U

- ? i 6 – - i 

1 TW s



-

U (s) -

? – i 

Abbildung 8.9: PID-Regler mit Windup-Korrektur ˜ (s) ist der berechnete Signalwert des Reglers und U (s) ist das vom im Die Gr¨ oße U Regler nachgebildeten Modell des Stellglieds mit Begrenzung“ ausgegebene Signal. ” Die Differenz dieser beiden Signale wird aufintegriert (Integrierzeit TW ) und vom Integratorausgang subtrahiert. Die Integrierzeit TW ist geeignet einzustellen. Die Wirkung einer derartigen Wind-Up-Korrektur zeigt die nachfolgende Anwendung. Anwendung. Die PT3 -Regelstrecke von Gleichung 8.1 soll mit einem realen PIDRegler nach der Methode der dynamischen Kompensation auf minimale Ausregelzeit bei einem Sollwertsprung w  = 5 ausgelegt werden. Mit den Reglerparametern KP = 3,25

TN = 1,6 s

TV = 0,275 s

und TD = 0,1 s

werden die beiden gr¨ oßten Zeitkonstanten (1,2 s und 0,5 s) der Regelstrecke kompensiert. Die Verst¨ arkung KP = 3,25 l¨ asst die Regelgr¨oße nach dem St¨orsprung ( z = 1) nicht aus dem 5%-Fehlerband herausschwingen (siehe Abb. 8.10).

242

8 Reglersynthese mit klassischen und neueren Methoden

8

6

x(t)

x(t),u(t)

64

xKorr (t) uKorr (t)

2

0

0

5

10

15

-

20

25

30

t/s

Abbildung 8.10: F¨ uhrungs- und St¨orverhalten des Regelkreises bei Verwendung eines PID-Reglers ohne und mit Wind-Up-Korrektur (Index Korr“ f¨ ur Korrektur) ” Bei einer Begrenzung des Stellsignals auf den Wert ±7,5 lassen sich ohne und mit WindUp-Korrektur (TW = 1 s) aus Abb. 8.10 die in der folgenden Tabelle angegebenen Werte ermitteln.

F¨ uhrungsverhalten: St¨ orverhalten:

TAus,W u ¨max,W TAus,Z u ¨max,Z

Ohne Korrektur 3,9 s 20% 0s 5%

Mit Korrektur 2,1 s 0% 0s 5%

Eine derartige oder ¨ ahnliche Wind-Up-Korrektur ist in den meisten industriellen Reglern standardm¨ aßig realisiert, weil in vielen Anwendungen in der Praxis die Stellsignale des Stellgliedes begrenzt sind. Wenn die Stellsignale die Begrenzung nicht erreichen, arbeitet der Regler mit Wind-Up-Korrektur wie ein normaler PI- oder PID-Regler ohne Korrekturmaßnahme.

8.2

Empirische Einstellregeln

8.2.1

Reglereinstellung nach Ziegler und Nichols

Methode 1. Viele Regelstrecken in der Verfahrenstechnik lassen sich durch Verz¨ogerungsstrecken 1. Ordnung mit einer zus¨atzlichen Totzeit, also als PT1 Tt -Strecken, darstellen, mit Tt = Tu als Ersatztotzeit und T1 = Tg als Ersatzzeitkonstante. Diese

8.2 Empirische Einstellregeln

243

Ersatzzeitkonstanten werden nach dem Wendetangentenverfahren aus der Sprungantwort des nicht schwingungsf¨ ahigen Systems ermittelt (siehe Seite 52). F¨ ur derartige Regelstrecken haben Ziegler und Nichols [58] Einstellregeln angegeben, die in der nachfolgenden Tabelle 8.2 zusammengefasst sind. Diese Regeln erfordern die Kenntnis von Streckenverst¨ arkung KS , Zeitkonstante T1 und Totzeit Tt . Regler P PI PID

KP

TN

TV

T1 KS · Tt 0,9 · K T1· T S t 1,2 · K T1· T S t

-

-

3,3 Tt

-

2 Tt

0,5 Tt

Tabelle 8.2: Reglereinstellung nach Ziegler und Nichols f¨ ur bekannte Regelstreckenparameter

Obwohl diese Regler f¨ ur PT1 Tt -Strecken entworfen werden, k¨onnen sie somit auch f¨ ur nicht schwingungsf¨ ahige Verz¨ ogerungsstrecken h¨oherer Ordnung verwendet werden, wenn man diese Strecken durch ihre Verzugszeit Tu und ihre Ausgleichszeit Tg be¨ schreibt. Bei Kenntnis der Ubertragungsfunktion der Regelstrecke ist auch eine rechnerische Bestimmung der Ersatzzeitkonstanten m¨oglich. F¨ ur die PT3 -Regelstrecke von Gleichung 8.1 lauten diese Ersatzzeitkonstanten Tu = Tt = 0,3018 s und Tg = T1 = 2,2655 s. Außerdem war die Streckenverst¨arkung KS = 2. Nach Tabelle 8.2 ergeben sich bei Verwendung von Tt und T1 die Parameter eines PIReglers zu: KP = 3,3780

und

TN = 0,9959 s.

Abb. 8.11 zeigt mit dem Index ZN“ das F¨ uhrungs- und St¨orverhalten des Regelkreises ” bei Verwendung eines Reglers nach Ziegler und Nichols (Methode 1). Aufgrund der großen Reglerverst¨ arkung KP wird ein sehr gutes St¨orverhalten erreicht. ¨ Dies geht jedoch zu Lasten eines schlechten F¨ uhrungsverhaltens mit 69% Uberschwingen. Methode 2. Wenn die Streckenverst¨ arkung, Zeitkonstante und Totzeit der Regelstrecke nicht bekannt sind, dann empfehlen Ziegler und Nichols folgendes Vorgehen: 1. Man verwende als Regler im Regelkreis einen P-Regler. 2. Die Reglerverst¨ arkung KP wird solange erh¨oht, bis der Regelkreis an der Stabilit¨ atsgrenze Dauerschwingungen durchf¨ uhrt. Die eingestellte Verst¨arkung KP ist die so genannte kritische Verst¨ arkung KP,Krit . Die gemessene Periodendauer der Dauerschwingungen heißt kritische Periodendauer TKrit . 3. Abh¨ angig von den Gr¨ oßen KP,Krit und TKrit werden nach Tabelle 8.3 die Reglerparameter eingestellt.

244

8 Reglersynthese mit klassischen und neueren Methoden

10

xZN (t)

8

x(t) 6

6

xCHR (t)

4 2 0

xCHR (t) 0

5

10

15

-

20

25

30

t/s

Abbildung 8.11: F¨ uhrungs- und St¨orverhalten des Regelkreises bei Verwendung eines PI-Reglers ausgelegt nach Ziegler/Nichols (Index ZN“) bzw. Chien, Hrones und ” Reswick (Index CHR“) ” Regler

KP

TN

TV

P

0,5 KP,Krit

-

-

PI

0,45 KP,Krit

0,83 TKrit

-

PID

0,6 KP,Krit

0,5 TKrit

0,125 TKrit

Tabelle 8.3: Reglereinstellung nach Ziegler und Nichols f¨ ur unbekannte Regelstreckenparameter

F¨ ur diese Einstellung ist eine D¨ ampfung von D ≈ 0,2 . . . 0,3 angenommen. Daher ist ein relativ stark schwingender Verlauf der Regelgr¨oße zu erwarten. Diese Methode 2 ist f¨ ur schwingungs- als auch nicht schwingungsf¨ahige Regelstrecken sowie auch f¨ ur integrierende Regelstrecken einsetzbar. Bei der praktischen Ermittlung von KP,Krit an einer realen Regelstrecke muss ein Aufschwingen des Regelkreises jedoch sorgf¨altig vermieden werden.

8.2.2

Reglereinstellung nach Chien, Hrones und Reswick

Einstellregeln. Chien, Hrones und Reswick [9] geben f¨ ur proportionale Regelstrecken, die durch Streckenverst¨ arkung KS , Ersatztotzeit Tu und Ersatzzeitkonstante Tg beschrieben werden k¨ onnen, Einstellregeln an, die unterschiedliche Empfehlungen f¨ ur ein g¨ unstiges F¨ uhrungs- bzw. St¨ orverhalten beinhalten. Außerdem unterscheiden sie zwischen einem aperiodischen und schwingenden Einschwingverhalten. Tabelle 8.4 gibt die Einstellempfehlungen nach Chien, Hrones und Reswick f¨ ur die Standardregler an. Anwendung. F¨ ur die PT3 -Regelstrecke von Gleichung 8.1 mit den Zeitkonstanten Tu = 0,3018 s, Tg = 2,2655 s und der Streckenverst¨arkung KS = 2 lauten dann mit Tabelle 8.4 die Werte eines PI-Reglers ausgelegt f¨ ur ein F¨ uhrungsverhalten mit

8.2 Empirische Einstellregeln

Regler P

Kleinste Schwingungsdauer

k¨ urzester Dauer

¨ mit 20 % Uberschwingen

St¨ orung T 0,3 · K ·g T S u Tg 0,6 · K · T

F¨ uhrung T 0,7 · K ·g T S u Tg 0,6 · K · T

St¨orung T 0,7 · K ·g T S u Tg 0,7 · K · T

4 Tu T 0,95 · K ·g T S u 2,4 Tu

Tg

TN

1,2 Tg T 0,6 · K ·g T S u Tg

T 0,95 · K ·g T S u 1,35 Tg

2,3 Tu T 1,2 · K ·g T S u 2 Tu

TV

0,5 Tu

0,42 Tu

0,47 Tu

0,42 Tu

KP

TN KP

PID

Aperiodischer Einschwingvorgang

F¨ uhrung T 0,3 · K ·g T S u Tg 0,35 · K · T

KP PI

245

S

u

S

u

S

u

S

u

Tabelle 8.4: Einstellregeln nach Chien, Hrones und Reswick aperiodischem Verlauf k¨ urzester Dauer KP = 1,3137

und

TN = 2,7186 s.

(8.4)

Abb. 8.11 zeigt mit dem Index CHR“ das F¨ uhrungs- und St¨orverhalten des Regel” kreises bei Verwendung eines Reglers nach Chien, Hrones und Reswick. Die Regelgr¨oße ¨ n¨ ahert sich nach einem einmaligen Uberschwingen kriechend“ dem Endwert. Obwohl ” die Auslegung f¨ ur einen aperiodischen Einschwingvorgang k¨ urzester Dauer erfolgt ist, zeigt das Ergebnis, dass die Regelgr¨ oße dennoch u ¨ berschwingt. Dies liegt daran, dass die Parameter KS , Tu und Tg die Strecke nur ungen¨ ugend beschreiben. Im Vergleich zur Auslegung nach Ziegler und Nichols ist beim St¨orverhalten die Maximalablage vom Sollwert wieder gr¨ oßer geworden.

8.2.3

Reglereinstellung nach Latzel

Grundlage. Anstelle der Ersatzzeitkonstanten Tu und Tg verwendet Latzel [32] die Zeiten T10 , T50 und T90 nach denen die Sprungantwort xa (t) einer nicht schwingungsf¨ahigen Regelstrecke 10%, 50% bzw. 90% des Endwertes xa (∞) erreicht hat. Hieraus wird mittels einer Modellidentifikation dann eine Modell¨ ubertragungsfunktion aus n gleichen Verz¨ ogerungsgliedern ermittelt. Dazu werden f¨ ur PI- und PID-Regler nach der Methode der Betragsanpassung die Reglerparameter in Abh¨angigkeit von der Ordnung n berechnet. Dabei wird der Proportionalbeiwert KP des Reglers jeweils so gew¨ahlt, ¨ dass die Phasenreserve einen von der vorgegebenen Uberschwingweite und der Ordnung n abh¨ angigen Wert annimmt. ¨ Vorgehensweise. F¨ ur vorgegebene Uberschwingweiten u ¨ werden die Parameter eines PI- bzw. PID-Reglers wie folgt berechnet:

246

8 Reglersynthese mit klassischen und neueren Methoden

¨ 1. Aus der Ubergangsfunktion der nicht schwingungsf¨ahigen Regelstrecke ermittelt man zun¨ achst die Zeiten T10 , T50 und T90 nach denen 10%, 50% bzw. 90% des Endwertes erreicht sind (siehe Abb. 8.12). h(t)

1 6 90%

-

-

50%

10%

? T10

h(t)

? T50

? T90

t -

Abbildung 8.12: Ermittlung der Zeiten T10 , T50 und T90

2. Aus dem Verh¨ altnis T10 /T90 berechnet man dann den Faktor µ = T10 /T90 . Anhand von Tabelle 8.5 liest man dann f¨ ur das zu µ am n¨achsten liegende µa die Ordnung n der Modell¨ ubertragungsfunktion sowie die Zeitprozentkennwerte α10 , α50 und α90 ab. Zur Verbesserung der Regelergebnisse k¨onnen bei Bedarf durchaus Zwischenwerte der Ordnung n genommen werden, die man durch lineare Interpolation erh¨ alt. µa 0,137 0,174 0,207 0,261 0,304 0,340 0,370 0,396 0,418 0,438

n 2 2,5 3 4 5 6 7 8 9 10

α10 1,880 1,245 0,907 0,573 0,411 0,317 0,257 0,215 0,184 0,161

α50 0,596 0,460 0,374 0,272 0,214 0,176 0,150 0,130 0,115 0,103

α90 0,257 0,216 0,188 0,150 0,125 0,108 0,095 0,085 0,077 0,070

Tabelle 8.5: Tabelle zur Bestimmung der Ordnungszahl n und der Zeitprozentkennwerte α 3. Aus den ermittelten Werten von αi und Ti (mit i = 10, 50, 90) errechnet man dann die Verz¨ ogerungszeit TM der Modellstrecke zu: TM =

1 [α10 T10 + α50 T50 + α90 T90 ] . 3

ur TN /TM Mithilfe dieses TM liest man dann aus Tabelle 8.6 die Zahlenwerte f¨ ¨ und KP KS f¨ ur das gew¨ unschte maximale prozentuale Uberschwingen der Re-

8.2 Empirische Einstellregeln

247

gelgr¨ oße ab und errechnet daraus dann KP und TN f¨ ur den PI-Regler. F¨ ur die Auslegung eines PID-Reglers nach diesem Verfahren wird auf die Literaturstelle [32] verwiesen.

n 2 2,5 3 4 5 6 7 8 9 10

TN /TM 1,55 1,77 1,96 2,30 2,59 2,86 3,10 3,32 3,53 3,73

¨ Maximale Uberschwingweiten u ¨ = 5% u ¨ = 10% u ¨ = 20% KP KS KP KS KP KS 1,280 1,650 2,603 0,976 1,202 1,683 0,758 0,884 1,153 0,578 0,656 0,812 0,481 0,540 0,654 0,420 0,468 0,561 0,375 0,417 0,497 0,341 0,379 0,451 0,314 0,349 0,413 0,293 0,325 0,384

Tabelle 8.6: Tabelle zur Berechnung der Parameter eines PI-Reglers f¨ ur geforderte ¨ Uberschwingweiten u ¨

Anwendung. Die Methode nach Latzel soll wieder f¨ ur die Auslegung eines PI-Reglers ¨ f¨ ur die PT3 -Regelstrecke nach Gleichung 8.1 f¨ ur ein maximales Uberschwingen von 5% beim F¨ uhrungsverhalten angewendet werden. ¨ Aus der Sprungantwort (oder der Ubergangsfunktion) der Regelstrecke (siehe Abb. 8.3) liest man die folgenden Zeiten ab T10 = 0,51 s, T50 = 1,48 s, T90 = 3,50 s . Dann ergibt die Berechnung von µ den Wert µ = T10 /T90 = 0,1457 . In Tabelle 8.5 liegt der Wert µ = 0,1457 am n¨achsten zu dem Wert µa = 0,137. Daher liest man f¨ ur µa = 0,137 die Ordnung n = 2 und die Zeitprozentkennwerte α10 = 1,88

α50 = 0,596

α90 = 0,257

ab und berechnet damit die Zeit TM zu: TM =

1 [α10 T10 + α50 T50 + α90 T90 ] = 0,9135 s . 3

Mit diesen Werten f¨ ur n und TM erh¨ alt man dann aus Tabelle 8.6 die Zahlenwerte: TN /TM = 1,55 und KP KS = 1,280 .

248

8 Reglersynthese mit klassischen und neueren Methoden

Daraus resultieren dann mit TM = 0,9135 s und KS = 2 die Parameter des PI-Reglers zu: TN = 1,42 s und KP = 0,64 . Abb. 8.13 zeigt das F¨ uhrungs- und St¨ orverhalten des Regelkreises bei sprungf¨ormiger Anregung. 6 5

x(t)

x(t) w ˆ 4

63

y(t)

2 1 0

0

5

10

15

-

20

25

30

t/s

Abbildung 8.13: F¨ uhrungs- und St¨orverhalten des Regelkreises bei Verwendung eines PI-Reglers nach Latzel Die Zeitverl¨aufe von Regel- und Stellgr¨ oße ¨ahneln im Wesentlichen dem Verlauf bei Auslegung nach dem Verfahren der dynamischen Kompensation und Anpassung auf ¨ 5% Uberschwingen von Abb. 8.2 auf Seite 231.

8.3

Entkopplung“ von Fu¨hrungs” und St¨orverhalten

8.3.1

Verwendung eines Vorfilters

Formen von Vorfiltern. Die obigen Untersuchungen zeigen, dass man bei Verwendung einer großen Reglerverst¨ arkung KP meist zu einem guten St¨orverhalten mit einer nur geringen Maximalablage vom Sollwert w  kommt. Infolge des großen KP schwingt bei Einwirkung eines sprungf¨ ormigen F¨ uhrungssignals w(t) = w  σ(t) die Regelgr¨oße ¨ x(t) jedoch stark u kann deutlich verringert oder sogar ganz ¨ber. Dieses Uberschwingen vermieden werden, wenn man den Sollwert nicht sprungf¨ormig sondern verz¨ogert aufschaltet. Diese verz¨ ogerte Sollwertaufschaltung wird durch ein so genanntes Vorfilter erreicht. Als Vorfilter kann man z. B. ein PT1 -Glied verwenden. Gebr¨auchlicher ist jedoch die Verwendung eines Vorfilters, welches das F¨ uhrungssignal entlang einer Rampe oder ent-

8.3



Entkopplung“ von F¨ uhrungs- und St¨ orverhalten

249

lang der ersten Halbwelle eines sinusquadratf¨ormigen Signals zum Endwert w  f¨ uhrt. Abb. 8.14 zeigt diese drei Varianten1 . w b

σ(t)

T1

-

-

-

w1 (t)

a)

-

w2 (t)

b)

w3 (t)

c)

Abbildung 8.14: a): PT1 -Vorfilter; b): Rampen-Vorfilter; c): Sinusquadrat-Vorfilter Die Zeitverl¨ aufe der Sollwerte f¨ ur diese drei Vorfilter lauten dann:  · (1 − e−t/T1 ) w1 (t) = w  wb ur t < Tend Tend · t f¨ w2 (t) = w  f¨ ur t ≥ Tend  ur t < Tend w  · sin2 ( 2Tπend t) f¨ w3 (t) = w  f¨ ur t ≥ Tend Die Zeiten T1 bzw. Tend sind frei w¨ ahlbar. Dadurch kann man z. B. diese Zeiten so einstellen, dass die Ausregelzeit beim F¨ uhrungsverhalten minimal wird. Der Rampeneingang wird speziell in der Antriebstechnik beim so genannten Sanftanlauf von Antrieben eingesetzt. Der Vorteil des Sinusquadrat-Eingangs liegt darin, dass das Signal schlei” chend“ beginnt und endet, d. h. seine erste Ableitung ist bei t = 0 und bei t = Tend jeweils Null. Anwendung. Die Anwendung des Sinusquadrat-Vorfilters soll wieder f¨ ur die PT3 Strecke von Gleichung 8.1 gezeigt werden. Der Regelkreis hat dann die in Abb. 8.15 gezeigte Struktur. Sinusquadrat-Vorfilter

w - ixd– 6

z Regler

FR (s)

– y- ? i -

Regelstrecke

2 (1+0,1s)(1+0,5s)(1+1,2s)

x -

Abbildung 8.15: Regelkreis mit Sinusquadrat-Vorfilter Zun¨ achst wird der eingesetzte PI-Regler so ausgelegt, dass ein St¨orverhalten mit minimaler Ausregelzeit TAus,Z erzielt wird. Danach wird die Zeit Tend des SinusquadratVorfilters so angepasst, dass die Ausregelzeit TAus,W auch beim F¨ uhrungsverhalten minimal wird. 1

¨ Die doppelte Umrahmung der Bl¨ ocke soll andeuten, dass kein lineares Ubertragungsverhalten vorliegt.

250

8 Reglersynthese mit klassischen und neueren Methoden

Die Auslegung f¨ ur ein gutes St¨ orverhalten mit der Methode der dynamischen Kompensation f¨ uhrt zu den Reglerparametern KP = 5,3 und TN = 1,2 s. Nach einigen Versuchen findet man f¨ ur das Tend des Sinusquadrat-Vorfilters den Wert Tend = 3 s. Das mit diesen Parametern erzielte F¨ uhrungs- und St¨ orverhalten zeigt Abb. 8.16. 6 5

x(t)

x(t),y(t)

6

4

y(t)

3 2 1 0

w(t) 0

5

10

15

-

20

25

30

t/s

Abbildung 8.16: F¨ uhrungs- und St¨orverhalten des Regelkreises bei Verwendung eines Sinusquadrat-Vorfilters; Verlauf der F¨ uhrungsgr¨oße w(t) nicht fett gezeichnet Aus den Kurvenverl¨ aufen liest man die in der nachfolgenden Tabelle aufgelisteten Werte f¨ ur das F¨ uhrungs- und St¨ orverhalten ab. Die Regelgr¨oße erreicht nach 2,6 s das 5%-

F¨ uhrungsverhalten: St¨ orverhalten:

TAus,W u ¨max,W TAus,Z u ¨max,Z

KP = 5,3, TN = 1,2 s, Tend = 3 s 2,6 s 5% 0s 5%

Fehlerband und verl¨ asst es bei Auftreten des St¨orsprungs nicht mehr. Man erkennt, dass beim F¨ uhrungsverhalten die Regelgr¨oße x(t) versucht, sich an den Verlauf der sinusquadrat-f¨ ormigen F¨ uhrungsgr¨ oße w(t) (nicht fett gezeichnet) anzuschmiegen. Infolge der großen Reglerverst¨ arkung zeigt die Stellgr¨oße y(t) einen stark schwingenden Verlauf. Dies kann nicht immer toleriert werden und kann ggf. durch Verwendung eines PID-Reglers vermieden werden. Res¨ umee. Diese Vorgehensweise ist ziemlich robust bez¨ uglich Parameterschwankungen der Regelstrecke. Infolge der relativ großen Reglerverst¨arkung f¨ ur ein gutes St¨orverhalten besteht jedoch die Gefahr, dass nicht modellierte Eigenmoden der Strecke angeregt werden und das System stark schwingt. Mit den u ¨ blicherweise eingesetzten digitalen Reglern ist die Realisierung des sinusquadrat-f¨ormigen Sollwertes unproblematisch. Vorteilhaft ist die nahezu unabh¨ angige Vorgehensweise zur Auslegung eines guten St¨orverhaltens und eines guten F¨ uhrungsverhaltens. Der PI-Regler bestimmt das St¨orverhalten und weitgehend unabh¨ angig davon bestimmt das Vorfilter das F¨ uhrungsverhalten.

8.3



Entkopplung“ von F¨ uhrungs- und St¨ orverhalten

8.3.2

251

Regler mit zwei Freiheitsgraden

Reglerstruktur. Man nennt die bisher entworfenen Regler auch Regler mit einem Freiheitsgrad“, da man nur eine Entwurfsforderung (gutes F¨ uhrungs- oder St¨orver” halten) gezielt erf¨ ullen kann2 . Durch Ver¨ anderungen der Reglerstruktur ist es jedoch m¨ oglich Regler mit zwei Freiheitsgraden“ derart zu entwerfen, dass der eine Regler f¨ ur ” ein gutes St¨ orverhalten des Regelkreises sorgt, und unabh¨angig davon der zweite Regler f¨ ur ein gutes F¨ uhrungsverhalten [28]. Eine gegenseitige Beeinflussung tritt (im Idealfall) nicht auf. Die Struktur des Regelkreises mit einem Regler mit zwei Freiheitsgraden zeigt Abb. 8.17. Regler mit zwei Freiheitsgraden

w

z

FV (s)

- FKomp (s)

+ “1“ i − 6

FR (s)

− + ? +- i - ? i -

Regelstrecke

FS (s)

x-

Abbildung 8.17: Struktur eines Regelkreises mit einem Regler mit zwei Freiheitsgra” den“ ¨ Dieser Regelkreis weist zus¨ atzlich zur Regelstrecke (Ubertragungsfunktion FS (s)) drei ¨ Bl¨ ocke mit den Ubertragungsfunktionen FR (s), FV (s) und FKomp (s) auf. Hierbei entspricht FR (s) dem bisher untersuchten Regler, FV (s) stellt eine Vorsteuerung dar, und FKomp (s) bezeichnet ein Kompensationsglied. Mit dem Regler FR (s) wird wie bisher das St¨ orverhalten des Regelkreises beeinflusst. Mit der Vorsteuerung FV (s) und dem Kompensationsglied FKomp (s) wird, wie nachfolgend gezeigt, das F¨ uhrungsverhalten festgelegt. Reglerentwurf. Der Reglerentwurf erfolgt in drei Schritten: 1. Im ersten Schritt wird der Regler FR (s) so ausgelegt, dass der Regelkreis bestehend aus FR (s) und FS (s) ein gutes St¨orverhalten aufweist. 2. Im zweiten Schritt wird das Vorfilter FV (s) so ausgelegt, dass die Steuerkette bestehend aus der Reihenschaltung von FV (s) und FS (s) ein gutes F¨ uhrungsverhalten aufweist. 3. Im dritten Schritt wird dann das Kompensationsglied FKomp (s) so ausgelegt, dass am Summationspunkt “1“ die Signale FKomp (s) · W (s) 2

und

FV (s) · FS (s) · W (s)

Dies gilt auch f¨ ur das im vorangehenden Abschnitt eingef¨ uhrte Vorfilter. Der Regler allein sorgt nur f¨ ur ein gutes St¨ orverhalten.

252

8 Reglersynthese mit klassischen und neueren Methoden identisch sind und sich aufheben. D. h. es muss gelten: FKomp (s) = FV (s) · FS (s) .

(8.5)

Durch diese Aufspaltung wird erreicht, dass je ein Regler f¨ ur das F¨ uhrungs- und das St¨ orverhalten zust¨ andig ist. Durch die angegebene Wahl von FKomp (s) wird die gegenseitige Beeinflussung verhindert. Anwendung. Das folgende Beispiel f¨ ur die Regelstrecke 8.1 verdeutlicht die Anwendung des Entwurfsverfahrens. Beispiel 8.3: Die in den vorangehenden Beispielen untersuchte PT3 -Regelstrecke FS (s) =

2 (1 + 1,2s) · (1 + 0,5s) · (1 + 0,1s)

(8.6)

soll wieder so geregelt werden, dass das geregelte System ein g¨ unstiges F¨ uhrungs- und St¨ orverhalten mit einer minimalen Ausregelzeit aufweist. 1. Als St¨ orungsregler“ FR (s) wird ein PI-Regler (ausgelegt nach dem Verfahren ” der dynamischen Kompensation f¨ ur ein gutes St¨orverhalten mit minimaler Ausregelzeit TAus,Z ) gew¨ ahlt. Setzt man KP = 5,3 und TN = 1,2 s, dann verl¨asst die Regelgr¨ oße das 5%-Fehlerband nach einem St¨orsprung mit z = 1 nicht mehr. 2. Der F¨ uhrungsregler“ FV (s) soll ein schnelles Einschwingen der Regelgr¨oße auf ” ¨ den Sollwert w  = 5 mit maximal 5%-Uberschwingen bei nicht zu großer“ maxi” maler Stellamplitude gew¨ ahrleisten. Dies besorgt eine Vorsteuerung mit PDT2 Verhalten, bei welcher der langsame“ Streckenpol bei s3 = −1/T3 = −1/1,2 = ” −0,8333 ersetzt wird durch einen konjugiert komplexen Pol bei s1,2 = −Dω0 ± √ jω0 1 − D2 mit D = 0,57 und ω0 = 2 s−1 . Damit wird FV (s) FV (s) = 0,5 ·

1 + 1,2s . 1 + 0,57s + 0,25s2

3. Das abschließend zu berechnende Kompensationsglied FKomp (s) wird nach Gleichung 8.5 ermittelt zu FKomp (s) = FV (s)FS (s) =

1 . (1 + 0,1s)(1 + 0,5s)(1 + 0,57s + 0,25s2 )

(8.7)

¨ Mit diesen so ermittelten Ubertragungsfunktionen des Reglers mit zwei Freiheitsgraden resultiert das in Abb. 8.18 dargestellte F¨ uhrungs- und St¨orverhalten f¨ ur ein sprungf¨ormiges F¨ uhrungs- und St¨ orsignal. Die Ausregelzeit beim F¨ uhrungsverhalten sinkt auf TAus,W = 2 s und beim St¨orverhalten verl¨ asst die Regelgr¨ oße nach dem St¨ orsprung das 5%-Fehlerband nicht mehr. Die Stellgr¨ oße erreicht einen Maximalwert von 4,42. Dies ist das bisher beste Regelverhalten.

8.3



Entkopplung“ von F¨ uhrungs- und St¨ orverhalten

253

6 5 x(t),y(t)

6

x(t) 4 3

y(t)

2 1 0

0

5

10

15

-

20

25

30

t/s

Abbildung 8.18: F¨ uhrungs- und St¨orverhalten des Regelkreises bei Verwendung eines Reglers mit zwei Freiheitsgraden Res¨ umee. Der Regler mit zwei Freiheitsgraden erm¨oglicht eine unabh¨angige Auslegung des F¨ uhrungs- und St¨ orverhaltens. Dabei kann durch geeignete Einstellung auch die maximale Stellamplitude beherrscht werden. Nachteilig bei der Auslegung des Reglers mit zwei Freiheitsgraden ist die relativ geringe Robustheit. Da die Regelstreckenparameter direkt in das Kompensationsglied FKomp (s) eingesetzt werden, ist bei ungenauer Kenntnis der Regelstrecke die erforderliche Entkopplung an der Summationsstelle 1“ ” in Abb. 8.17 nicht gew¨ ahrleistet. Dadurch verschlechtert sich das F¨ uhrungsverhalten.

8.3.3

Verwendung einer Vorsteuerung

Reglerstruktur. Bei der Struktur eines Reglers mit Vorsteuerung wird die F¨ uhrungsgr¨ oße w(t) u ¨ ber eine Vorsteuerung FV (s) als zus¨atzlicher Anteil der Stellgr¨oße y(t) dem Reglerausgang u ¨berlagert. Diese Struktur ¨ahnelt der zuvor vorgestellten Struktur eines Reglers mit zwei Freiheitsgraden, es wird hier jedoch auf das Kompensationsglied FKomp (s) verzichtet. Die Abb. 8.19 zeigt die Reglerstruktur. Die Motivation f¨ ur die Verwendung einer Vorsteuerung liegt in der Generierung des Stellsignals. Im eingeschwungenen Zustand betr¨agt bei der Regelung einer proportionalen Regelstrecke mit Festwertregelung das Stellsignal y(∞) = w/K  S . Da die Gr¨oße des Stellsignals im Voraus bekannt ist, kann man das F¨ uhrungsverhalten beschleunigen, in¨ dem man z. B. mit diesem Stellwert w/K  S vorsteuert“. Die Ubertragungsfunktion der ” proportionalen Vorsteuerung lautet dann FV (s) = 1/KS . Die Verwendung einer differenzierend verz¨ogerten Vorsteuerung oder anderer Formen ist ebenso m¨oglich. Das Ziel der Verwendung der Vorsteuerung liegt also in der Beschleunigung des F¨ uhrungsverhaltens. Infolge der Vorsteuerung, muss man also nicht warten bis der Regler auf den schon vorher bekannten Endwert hochregelt“. ” Anwendung. Die Vorsteuerung soll wieder f¨ ur die Regelung der PT3 -Regelstrecke von Gleichung 8.1 verwendet werden. Auslegungsziel ist die Minimierung der Ausregelzeit bei einem Sprung w  = 5 der F¨ uhrungsgr¨ oße.

254

8 Reglersynthese mit klassischen und neueren Methoden Regler mit Vorsteuerung

-

w

+ j − 6

z

FV (s)

FR (s)

− + ? +- j - ? j -

Regelstrecke

x

FS (s)

-

Abbildung 8.19: Struktur eines Reglers mit Vorsteuerung Als Regler wird der PI-Regler von Seite 231 f¨ ur ein gutes F¨ uhrungsverhalten mit 5%1 + 1,2s ¨ ¨ Uberschwingen mit der Ubertragungsfunktion FR (s) = 0,52 gew¨ahlt. 1,2s Nach einigen Versuchen ergab die Verwendung einer differenzierend verz¨ogerten Vors ¨ eine Verringerung der steuerung mit der Ubertragungsfunktion FV (s) = 3,5 · (1 + 2s) 6 5

xV

x(t),y(t)

6

4

x(t)

3

yV (t)

2 1 0

0

5

10

15

-

20

25

30

t/s

Abbildung 8.20: F¨ uhrungs- und St¨orverhalten des Regelkreises bei Verwendung eines Reglers mit Vorsteuerung (Index V“); yV (t) ist das Stellsignal von Regler plus Vor” steuerung Ausregelzeit von TAus,W = 2,3 s auf den Wert TAus,W = 2,04 s, wie Abb. 8.20 zeigt. Dies entspricht einer Verbesserung von ca. 11%. Das St¨orverhalten ist unabh¨angig vom Einsatz einer Vorsteuerung. Res¨ umee. Die Vorsteueruung kann zur Verbesserung des F¨ uhrungsverhaltens ein¨ gesetzt werden. Da der nach wie vor vorhandene Regler mit der Ubertragungsfunktion FR (s) ohnehin auf den erforderlichen Endwert des Stellsignals hinregelt, ist die

8.3



Entkopplung“ von F¨ uhrungs- und St¨ orverhalten

255

Verwendung der Vorsteuerung ziemlich robust. Auch bei integrierenden Regelstrecken ist die Vorsteuerung verwendbar.

8.3.4

Vermeidung des Differenziersprungs

Reglerstruktur. Sofern der in einem Regelkreis verwendete Regler einen differenzierenden Anteil, wie z. B. beim PID-Regler aufweist, beginnt das Stellsignal bei einem sprungf¨ ormig aufgeschalteten Sollwert w(t) = w  σ(t) zum Zeitpunkt t = 0+ mit einer großen Stellamplitude. Diese Stellamplitude hat bei einem realen PID-Regler   1 + T N s + T N T V s2 ¨ mit der Ubertragungsfunktion FR (s) = KP den Wert y(0+ ) = TN s(1 + TD s)  KP TV /TD · w.  Je kleiner die Verz¨ ogerungszeit TD , umso gr¨oßer wird y(0+ ). Zur Vermeidung bzw. Verringerung dieses so genannten Differenziersprungs“ des Stell” signals kann man den differenzierenden Anteil des Reglers nur auf das r¨ uckgef¨ uhrte Signal wirken lassen. Abb. 8.21 zeigt die verwendete Reglerstruktur, die wie der Regler mit zwei Freiheitsgraden in Abschnitt 8.3.2 f¨ ur eine Separation des F¨ uhrungs- und St¨ orverhaltens sorgt. z Regler

w

+ j − 6

FP I (s)

-

FP D (s)

− +- j - ? j 6 −

Regelstrecke

FS (s)

x

-

Abbildung 8.21: Reglerstruktur zur Vermeidung des Differenziersprungs Die Regeldifferenz xd (t) wird u uhrt, und die Regelgr¨oße x(t) wird ¨ber den PI-Regler gef¨ u uhrt. F¨ ur einen realen PID-Regler in der Produktform lautet ¨ ber den PD-Regler gef¨ ¨ die Ubertragungsfunktion FP ID (s) = KP∗

(1 + TN∗ s)(1 + TV∗ s) . TN∗ s(1 + TD s)

W¨ ahlt man nun zur Vermeidung des Differenziersprungs folgende Regler FP I (s) = KP∗ ∗

1 + TN∗ s TN∗ s

und

∗ FP D (s) = KD

1 + TN∗ s 1 + TD s

(8.8)

T −T ∗ ¨ und setzt KD = KP∗ VT ∗ D , dann sind die Ubertragungsfunktionen des PID-Reglers N sowie der Parallelschaltung des PI- und PD-Reglers identisch.

256

8 Reglersynthese mit klassischen und neueren Methoden

Folglich weist der Regelkreis das identische St¨orverhalten bei Verwendung der beiden Regler auf, allerdings wird beim F¨ uhrungsverhalten der große Sprung des Stellsignals zum Zeitnullpunkt deutlich verringert. Eine andere, einfachere Realisierung mit FP I im ∗ Vorw¨ artszeig und FP D (mit KD = 1) in der R¨ uckf¨ uhrung ist ebenfalls m¨oglich [29]. Anwendung. Der obige Regler zur Vermeidung des Differenziersprungs soll wieder auf die Regelung der PT3 -Regelstrecke von Gleichung 8.1 angewendet werden. F¨ ur einen realen PID-Regler in der Produktform mit den Koeffizienten KP∗ = 2,5

TN∗ = 1,2 s

TV∗ = 0,5 s

und

TD = 0,1 s

verl¨ asst die Regelgr¨ oße bei einem St¨ orsprung z = 1 das 5%-Fehlerband nicht, wie Abb. 8.22 zeigt. 6

xP ID (t)

5

xDif f (t)

x(t)

4

6

3 2 1 0

0

5

10

15

-

20

25

30

t/s

Abbildung 8.22: F¨ uhrungs- und St¨orverhalten des Regelkreises bei Verwendung eines Reglers zur Vermeidung des Differenziersprungs (Index PID“ – PID-Regler; Index ” Diff“ – Regler zur Vermeidung des Differenziersprungs) ” Das F¨ uhrungsverhalten ist im Unterschied zum realen PID-Regler zwar langsamer geworden, daf¨ ur ist der Sprung des Stellsignals zum Zeitnullpunkt jedoch deutlich verringert, wie die Werte der nachfolgenden Tabelle zeigen.

F¨ uhrungsverhalten:

St¨ orverhalten:

TAus,W u ¨max,W ymax,W TAus,Z u ¨max,Z ymax,Z

PID-Regler 1,07 s 19% 62,5 0s 5% 3,69

PI- + PD-Regler 1,66 s 0% 13 0s 5% 3,69

Der Maximalwert des Stellsignals ist von 62,5 auf 13 zur¨ uckgegangen. Daf¨ ur ist die Ausregelzeit von 1,07 s auf 1,66 s angestiegen.

8.4 Modellgest¨ utzte Entwurfsverfahren

8.4

257

Modellgestu¨tzte Entwurfsverfahren

Grundlagen. Bei den bisher vorgestellten Entwurfsverfahren werden basierend auf Informationen u ¨ ber die Regelstrecke die Reglerkoeffizienten ermittelt. Die Parameter der Strecke gehen dabei jedoch nicht explizit in den Regler ein. Bei den modellgest¨ utzten Entwurfsverfahren dagegen gehen die Streckenparameter explizit in die Reglerberech¨ nung ein (Internal Model Control), bzw. die Regelstrecke taucht explizit als Ubertragungsfunktion im Regler auf [16], [35]. Zu dieser Gruppe der modellgest¨ utzten Entwurfsverfahren geh¨ ort auch der in Abschnitt 8.3.2 vorgestellte Regler mit zwei Freiheitsgraden.

8.4.1

Der Kompensationsregler

¨ Methode. Zwischen den Ubertragungsfunktionen von Regler und Strecke und der F¨ uhrungs¨ ubertragungsfunktion besteht die bekannte Beziehung FW (s) =

FR (s) · FS (s) . 1 + FR (s) · FS (s)

¨ Die Idee f¨ ur den Ansatz des Kompensationsreglers besteht darin, die Ubertragungsfunktion FW (s) vorzuschreiben, und dann die obige Gleichung so umzuformen, dass man die Regler¨ ubertragungsfunktion FR (s) als Funktion von FW (s) und FS (s) erh¨alt. Diese Umformung f¨ uhrt zu der Beziehung FR (s) =

FW (s) . FS (s) · (1 − FW (s))

F¨ ur eine F¨ uhrungs¨ ubertragungsfunktion in der Form FW (s) = 1/NW (s), mit NW (s) als Nennerpolynom, ergibt die Aufl¨ osung nach FR (s) FR (s) =

NS (s) 1 = . FS (s) · (NW (s) − 1) ZS (s) · (NW (s) − 1)

(8.9)

ahler- und Nennerpolynom der Regelstrecke. F¨ ur spezielle Darin sind ZS (s) und NS (s) Z¨ Formen von NW (s) wird in [55], [56] gezeigt, wie man mithilfe von Gleichung 8.9 die Gleichung des Reglers so berechnen kann, dass die Regelgr¨oße nach einem Sprung der F¨ uhrungsgr¨ oße w  den vorgeschriebenen Verlauf nimmt. Als geeignete F¨ uhrungs¨ ubertragungsfunktion gibt Weber Reihenschaltungen identischer PT1 -Glieder an, die folgende Form aufweisen: FW (s) =

1 1 = r NW (s) (1 + s/α)

(8.10)

¨ mit α = 1/T als Inverse einer Zeitkonstanten. Den Verlauf der zugeh¨origen Ubergangsfunktionen f¨ ur verschiedene Werte von r zeigt Abb. 8.23.

258

8 Reglersynthese mit klassischen und neueren Methoden

¨ Abbildung 8.23: Ubergangsfunktionen f¨ ur die Auswahl der Parameter α und r f¨ ur den Entwurf von Kompensationsreglern Berechnung. Die Berechnung der Reglergleichung erfolgt in drei Schritten und soll am Beispiel der Regelstrecke von Gleichung 8.1 untersucht werden. Beispiel 8.4: Die zu regelnde Regelstrecke ist wiederum gegeben durch das Beispiel von Gleichung 8.1: FS (s) =

2 . (1 + 1,2s) · (1 + 0,5s) · (1 + 0,1s)

Schritt 1 (Berechnung des Exponenten r in Gleichung 8.10): Man ermittelt den Exponenten r als Differenz des Nenner- und Z¨ahlergrades der Regelstrecke. Es gilt r = Grad {NS (s)} − Grad {ZS (s)} = n − m . F¨ ur die Regelstrecke 8.11 sind n = 3 und m = 0. Damit wird r = n−m = 3. Durch diese Forderung wird erreicht, dass der berechnete Regler realisierbar bleibt, d. h. es folgt Grad {ZR (s)} ≤ Grad {NR (s)}. Schritt 2 (Ermittlung des Koeffizienten α in Gleichung 8.10): Die Forderung f¨ ur die Auslegung des Kompensationsreglers sei: Die Regelgr¨ oße x(t) soll sp¨ atestens nach einer Ausregelzeit von ” TAus = 3 s innerhalb des 5 % Fehlerbandes verlaufen.“

(8.11)

8.4 Modellgest¨ utzte Entwurfsverfahren

259

Aus Abb. 8.23 liest man f¨ ur den Verlauf der Sprungantwort f¨ ur das ausgew¨ ahlte r = 3 ab, dass diese Kurve bei α · TAus ≈ 6,3 das 5 %-Fehlerband erreicht. Damit wird das gesuchte α = 6,3/3 s−1 = 2,1 s−1 , bzw. 1/α = 0,48 s. Schritt 3 (Berechnung von FR (s)): Dieser letzte Schritt erfolgt durch das Einsetzen von Z¨ ahler- und Nennerpolynom der Strecke sowie des Polynoms ¨ N (s) in Gleichung 8.9 und ergibt die gesuchte Ubertragungsfunktion des Reglers: (1 + 1,2s)(1 + 0,5s)(1 + 0,1s) NS (s) = ZS (s) · (NW (s) − 1) 2 · ((1 + 0,48s)3 − 1) 1 + 1,8s + 0,77s2 + 0,06s3 = 0,5 · . (8.12) 1,44s + 0,6912s2 + 0,1106s3

FR (s) =

Das F¨ uhrungs- und St¨ orverhalten f¨ ur die Regelung der PT3 -Strecke mit diesem Kompensationsregler zeigt Abb. 8.24. Die Regelgr¨oße erreicht nach den geforderten 3 s das 5%-Fehlerband. Das St¨ orverhalten entspricht in etwa dem St¨orverhalten der Vergleichsauslegung nach der dynamischen Kompensation (Abb. 8.2).  6 5

x(t)

x(t),y(t)

4

63

y(t)

2 1 0

0

5

10

15

-

20

25

30

t/s

Abbildung 8.24: F¨ uhrungs- und St¨orverhalten des Regelkreises bei Verwendung eines Kompensationsreglers Erweiterungen. Dieses Entwurfsverfahren kann sowohl bei proportionalen als auch bei integrierenden Regelstrecken angewendet werden. Der Kompensationsregler erf¨ ullt gezielt die gestellten quantitativen Forderungen. Seine Berechnung ist sehr einfach. Der ermittelte Regler ist jedoch relativ aufwendig zu realisieren, er weist eine hohe Ordnung auf. Der resultierende Regler ist kein klassischer P-, PI- oder PID-Regler. Dieser vermeindliche Nachteil ist jedoch unwesentlich bei Verwendung eines digitalen Reglers (siehe Abschnitt 4.3.2). Da der Regler von der genauen Kenntnis der Streckenparameter abh¨ angt, ist er entsprechend empfindlich gegen¨ uber Parameterschwankungen der Regelstrecke, also wenig robust.

260

8 Reglersynthese mit klassischen und neueren Methoden

Es existieren Erweiterungen dieser Entwurfsmethode, die auch ein schwingungsf¨ahiges Einschwingen der Regelgr¨ oße auf die F¨ uhrungsgr¨oße w  erlauben [56].

8.4.2

Smith-Regler und Pr¨adiktor zur Regelung von Totzeitstrecken

1. Smith-Regler. Die Regelung von Regelstrecken mit einer Totzeit Tt f¨ uhrt h¨aufig zu Problemen, da es infolge der Totzeit schnell zu einer Destabilisierung des Regelkreises kommt. F¨ ur die Regelung derartiger Strecken wird von Smith [51] eine modifizierte Reglerstruktur vorgeschlagen, die in Abb. 8.25 dargestellt ist. Regler w - j - j + 6 6 –

- FR (s)

z – y- ? j - FS (s) · e−sTt

x-

FS (s) · (e−sTt − 1) 

Abbildung 8.25: Reglerstruktur des Smith-Reglers f¨ ur die Regelung von Strecken mit Totzeit Es wird im Regler die Struktur der Strecke mit und ohne Totzeit nachgebildet und die Differenz beider Anteile r¨ uckgef¨ uhrt. Damit sieht“ der Regler nur die Strecke ohne ” Totzeit und ist hierf¨ ur auszulegen. Die Problematik bei dieser Reglerstruktur liegt in der genauen Kenntnis der Parameter der Regelstrecke. Das nachfolgende Beispiel zeigt die Wirkung der Struktur des Smith-Reglers im Vergleich zum normalen Regler. Anwendung. Die PT3 -Regelstrecke von Gleichung 8.1 wird mit einer zus¨atzlichen Totzeit von Tt = 0,5 s versehen. Der Regler von Seite 231 ausgelegt f¨ ur ein F¨ uhrungsverhalten mit minimaler Ausregelzeit (5%-Fehlerband) hat die Koeffizienten KP = 0,52 und TN = 1,2 s. Die Anwendung dieses Reglers ohne und mit der von Smith vorgeschlagenen Korrektur (Index Smith“) zeigt die Abb. 8.26. ” Der normale Regler f¨ uhrt aufgrund der Totzeit der Regelstrecke zu einem stark schwingenden Verlauf der Regelgr¨ oße. Im Unterschied dazu ist das F¨ uhrungsverhalten des Reglers mit Smith-Korrektur deutlich besser. Die erzielten Zahlenwerte der Einschwingverl¨ aufe zeigt die nachfolgende Tabelle. Da die Koeffizienten der Regelstrecke direkt als Reglerparameter verwendet werden, k¨ onnen Probleme bez¨ uglich der Robustheit des Entwurfs auftreten. Die Realisierung

8.4 Modellgest¨ utzte Entwurfsverfahren

261

7

x(t)

6 x(t)

6

xSmith

x(t)

xP r¨ ad.

5 xP r¨ ad.

4

xSmith

3 2 1 0

0

5

10

15

-

20

25

30

t/s

Abbildung 8.26: F¨ uhrungs- und St¨orverhalten des Regelkreises bei Verwendung eines PI-Reglers ohne Korrektur (x(t)), mit Smith-Korrektur (Index Smith“) und mit ” Pr¨adiktor (Index Pr¨ad.“) ” F¨ uhrungsverhalten: St¨ orverhalten:

TAus,W u ¨max,W TAus,Z u ¨max,Z

PI-Regler 7,6 s 32% 4,3 s 22%

Smith-Regler 2,8 s 5% 5,1 s 24%

Pr¨adiktor 2,7 s 2% 4,3 s 18%

des Reglers inklusive der Totzeit ist jedoch bei Verwendung digitaler Regelalgorithmen problemlos. uckf¨ uhrung ein 2. Pr¨ adiktor. Bei dieser Reglerstruktur3 wird anstelle der Einheitsr¨ Pr¨ adiktor in der R¨ uckf¨ uhrung verwendet. Mit diesem Pr¨adiktor wird versucht, der Totzeit durch eine Extrapolation des Messsignals entgegenzuwirken. Die resultierende Kreisstruktur zeigt Abb. 8.27. Ein Pr¨ adiktor versucht auf der Basis einer Taylor-Reihenentwicklung aus dem Messsignal zum Zeitpunkt t den Messwert zum Zeitpunkt t+Tt durch die folgende Extrapolation zu approximieren: x(t + Tt ) ≈ x(t) + Tt · x(t) ˙ . Bei verrauschten Messsignalen kann eine verz¨ogerte Ableitung des Messsignals sinnvoll ¨ sein. Die Ubertragungsfunktion des idealen Pr¨adiktors lautet F (s) = 3

Xa (s) = (1 + Tt s) Xe (s)

Diese Reglerstruktur geh¨ ort nicht zu den modellgest¨ utzten Entwurfsverfahren. Sie wird jedoch als weitere Methode zur Regelung von Totzeitstrecken hier eingef¨ ugt.

262

8 Reglersynthese mit klassischen und neueren Methoden Regler

z – y- ? i -FS (s) · e−sTt

w - i xd FR (s) 6 –

Pr¨ adiktor

x-



Abbildung 8.27: Regelkreis mit Pr¨adiktor und die des verz¨ogerten Pr¨adiktors F (s) =

Tt s Xa (s) =1+ . Xe (s) 1 + T1 s

Bei Verwendung des idealen Pr¨ adiktors ergibt sich f¨ ur die Regelstrecke von Gleichung 8.1 der in Abb. 8.26 mit dem Index Pr¨ ad.“ bezeichnete Verlauf. Die Tabelle auf Seite ” 261 zeigt die erzielten Zahlenwerte der Einschwingverl¨aufe. Der Einsatz des idealen Pr¨ adiktors zeigt im Vergleich zum Smith-Regler deutlich bessere Ausregelzeiten. Dabei ist allerdings zu ber¨ ucksichtigen, dass bei verrauschten Messsignalen ein verz¨ogerter Pr¨ adiktor zu verwenden ist, der zu einer Verschlechterung der Ergebnisse f¨ uhrt.

8.4.3

Modellbasierter Regler

Grundstruktur. Bei dieser Reglerstruktur werden ein Modellregelkreis mit Reglerund Streckenmodell und ein normaler“ Regelkreis aufgebaut [43]. Die Verkn¨ upfung ” einer derartigen Reglerstruktur zeigt Abb. 8.28. Regler yM

w- eFRM (s) 6 −

u- FSM (s)

y

-e y 6K FK (s)

z Strecke − -? e- FS (s)

x-

− u -6 e xM x

Abbildung 8.28: Struktur mit Modellregelkreis F¨ ur das Streckenmodell FSM (s) wird der Modellregler FRM f¨ ur ein gew¨ unschtes F¨ uhrungsverhalten ausgelegt. Dieser Modellkreis liefert den Anteil yM (t) des Stellsignals der

8.4 Modellgest¨ utzte Entwurfsverfahren

263

echten Regelstrecke FS (s). Stimmen das Streckenmodell und die echte Strecke u ¨ berein, dann sind (ohne St¨ orgr¨ oße, d. h. z(t) = 0) Regelgr¨oße und Modellregelgr¨oße gleich (xM (t) = x(t)), und der Korrekturregler FK (s) liefert keinen weiteren Stellanteil. Somit wird die echte Regelstrecke praktisch vom Signal yM (t) gesteuert. Tritt nun jedoch eine St¨ orgr¨ oße z(t) auf, oder weichen die Parameter der echten Strecke von den Parametern der Modellstrecke ab, dann gilt xM (t) = x(t). Nun erzeugt der Korrekturregler FK (s) einen Korrekturanteil yK (t), der yM (t) u ¨ berlagert wird. Die Summe beider Stellanteile bildet nun die vollst¨ andige Stellgr¨oße y(t) der echten Regelstrecke. Diese Struktur ¨ ahnelt der Reglerstruktur mit zwei Freiheitsgraden (siehe Abschnitt 8.3.2), es ist jedoch zus¨ atzlich im Modellkreis eine R¨ uckf¨ uhrung vorhanden, die bei der Struktur mit zwei Freiheitsgraden fehlt. Wiederum k¨onnte man FSM (s) f¨ ur ein gutes F¨ uhrungsverhalten, und FK (s) f¨ ur ein gutes St¨orverhalten auslegen. Aber aufgrund des Regelgr¨ oßenvergleichs kann hier bei der Auslegung von FK (s) der Aspekt der Robustheit ebenfalls mit erfasst werden. Bei einer derartigen Reglerstruktur steuert der Modellkreis die echte Regelstrecke. Erst beim Auftreten von St¨ orungen oder bei Abweichungen der Regelstreckenparameter, wird der Korrekturregler aktiv und regelt die Abweichungen der Regelgr¨oße aus. Anwendung. Diese Reglerstruktur mit internem Modellregelkreis soll ebenfalls auf die zuvor mehrfach untersuchte PT3 -Regelstrecke angewendet werden. Es werden dabei die folgenden Daten angenommen: ¨ Die Modellstrecke weist den Ubertragungsbeiwert KSM = KS = 2 und die Zeitkonstanten TM1 = 0,1 s, TM2 = 0,5 s und TM3 = 1,2 s auf. Die Zeitkonstanten der echten Regelstrecke sind jedoch alle um 20% gr¨ oßer als im angenommenen Modell, d. h. T1 = 0,12 s, T2 = 0,6 s und T3 = 1,44 s. F¨ ur den Modellregler FRM (s) werden die Parameter der Basisauslegung f¨ ur gutes F¨ uhrungsverhalten, also KP M = 0,52 und TMN = 1,2 s verwendet. F¨ ur den Korrekturrregler FK (s) werden die Parameter KP K = 6 und TMK = 4 s

6

xo

5

xm

x(t),y(t)

6

4

xo

y0

3 2

ym

1 0

0

5

10

15

-

20

25

30

t/s

Abbildung 8.29: F¨ uhrungs- und St¨orverhalten mit (Index m“) und ohne (Index o“) ” ” Verwendung eines Modellregelkreises

264

8 Reglersynthese mit klassischen und neueren Methoden

iterativ ermittelt. Mit diesen Werten der Reglerparameter resultiert das in Abb. 8.29 gezeigte F¨ uhrungs- und St¨ orverhalten. W¨ ahrend der normale Regelkreis aufgrund der Parameter¨anderungen der Strecke relativ große maximale Regeldifferenzen beim F¨ uhrungs- und St¨orverhalten aufweist, ist die Reglerstruktur mit Modellregelkreis in der Lage die Regelgr¨oße weitgehend innerhalb des gew¨ unschten 5%-Fehlerbandes zu halten. Aus den Sprungantworten liest man die folgenden Zahlenwerte ab:

F¨ uhrungsverhalten: St¨ orverhalten:

TAus,W u ¨max,W TAus,Z u ¨max,Z

Ohne Modellregelkreis 5,35 s 11,7% 4,3 s 16,7%

Mit Modellregelkreis 3,97 s 6,9% 0s