Lineare und nichtlineare FEM: Eine Einführung mit Anwendungen in der Umformsimulation mit LS-DYNA® [3., überarbeitete und erweiterte Auflage] 3658365218, 9783658365219, 9783658365226

Dieses Lehrbuch bringt im ersten Teil leicht verständlich die Merkmale und Eigenschaften linearer finiter Elemente aus d

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Table of contents :
Vorwort
Inhaltsverzeichnis
1 Einleitung
1.1 Grundlegende Problemstellung und Lösungsmethoden
1.2 Vorgehensweise bei Berechnungsaufgaben
1.3 Einsatzgebiete der Finite-Elemente-Methode
1.4 Literaturverzeichnis
2 Einführung in die lineare FEM
2.1 Grundgedanke der FEM am Beispiel des Stabs
2.1.1 Mathematische Beschreibung des physikalischen Systems
2.1.2 Diskretisierung in Finite Elemente
2.1.3 Berechnung der Elementmatrizen
2.1.4 Zusammenbau des Gesamtsystems
2.2 Diskretisierung eines Fachwerks
2.2.1 Diskretisierung in Finite Elemente
2.2.2 Transformation von lokalen auf globale Koordinaten
2.2.3 Zusammenbau des Gleichungssystems
2.2.4 Einbringen von Randbedingungen und äußeren Lasten
2.2.5 Lösen des Gleichungssystems
2.3 Beispiel: Stab mit veränderlichem Querschnitt
2.4 Aufgaben
3 Mechanische Größen der Strukturmechanik
3.1 Formulierung des Randwertproblems
3.2 Spannungszustand
3.2.1 Spannungsdeviator
3.3 Zugeordneter Verzerrungszustand
3.4 Gleichgewichtsbedingungen
3.5 Voigt-Notation
3.6 Verallgemeinertes linear-elastisches Materialgesetz nach Hooke
3.7 Ebener Spannungs- und Verzerrungszustand
3.8 Aufgaben
3.9 Literaturverzeichnis
4 Mathematische Modellierung über Energieprinzipien
4.1 Prinzip vom Minimum des Gesamtpotenzials
4.1.1 Einführungsbeispiel
4.1.2 Gesamtpotenzial eines Stabs
4.1.3 Allgemeines Prinzip vom Minimum des Gesamtpotenzials
4.2 Prinzip der virtuellen Verschiebung
4.3 Methode der gewichteten Residuen am Beispiel des Stabs
4.4 Literaturverzeichnis
5 Diskretisierung mit finiten Elementen
5.1 Definition des Näherungsansatzes für ein Element
5.1.1 Formfunktionsmatrix
5.1.2 Näherungsansatz für Verzerrungen und Spannungen
5.2 Diskretisierung des Prinzips vom Minimum des Gesamtpotenzials
5.3 Diskretisierung des Prinzips der virtuellen Verschiebung
5.4 Aufbau des Gesamtgleichungssystems
5.4.1 Eigenschaften der Gesamtsteifigkeitsmatrix
5.5 Einbringen von Randbedingungen
5.6 Lösung linearer Gleichungssysteme
5.6.1 Direkte Gleichungslöser
5.6.2 Iterative Gleichungslöser
5.6.3 Modellreduktionstechniken
5.7 Aufgaben
5.8 Literaturverzeichnis
6 Finite-Elemente-Klassen
6.1 Klassifizierung von Elementen
6.2 Isoparametrisches Konzept
6.3 Eindimensionale Elemente
6.3.1 Zweiknotiges lineares Stabelement
6.3.2 Dreiknotiges quadratisches Stabelement
6.3.3 Balkenelemente
6.4 Zweidimensionale Elemente
6.4.1 Scheibenelement
6.4.1.1 Bilineares, viereckiges Scheibenelement
6.4.1.2 Viereckige Scheiben-Elemente mit biquadratischem Ansatz
6.4.1.3 Dreieckiges Scheibenelement
6.4.2 Schalenelemente
6.5 Dreidimensionale Elemente
6.5.1 Hexaederelemente
6.5.2 Pentaederelemente
6.5.3 Tetraederelemente
6.6 Aufgaben
6.7 Literaturverzeichnis
7 Mathematische und numerische Aspekte der FEM
7.1 Mathematische Anforderungen an Finite Elemente
7.1.1 Bedingungen für die Konvergenz der Lösung
7.1.2 Verfahren zur Reduktion des Diskretisierungsfehlers
7.2 Numerische Integration
7.2.1 Newton-Cotes-Quadratur
7.2.1.1 Trapezregel
7.2.1.2 Simpson-Regel
7.2.2 Gauß-Quadratur
7.2.2.1 Gauß-Lobatto-Quadratur
7.2.3 Mehrdimensionale Integrale
7.2.3.1 Berechnung und Auswertung von Verzerrungen und Spannungen im Element
7.2.3.2 Dickenintegration bei Schalenelementen
7.2.4 Anwendungshinweise zum Integrationsverfahren
7.3 Elementversteifung (Locking)
7.3.1 Beschreibung des Locking-Effekts
7.3.2 Maßnahmen zur Vermeidung von Elementversteifung
7.3.2.1 Erhöhung des Grads der Ansatzpolynome
7.3.2.2 Elemente auf Basis von gemischten Energieprinzipien
7.3.2.3 Elemente mit verbesserten Ansätzen
7.3.2.4 Reduzierte Integration
7.3.3 Null-Energie-Moden
7.3.3.1 Stabilisierung von Null-Energie-Moden
7.4 Praxis-Hinweise zur Modellierung
7.4.1 Vernetzungsmethoden
7.4.2 Anforderungen an die Elementauswahl und Vernetzung
7.4.3 Ausnutzung von Symmetrien bei der Vernetzung
7.5 Aufgaben
7.6 Literaturverzeichnis
8 Lineare zeitabhängige FEM
8.1 Herleitung der dynamischen FEM über virtuelle Verschiebungen
8.2 Numerische Modalanalyse
8.2.1 Modale Transformation der homogenen Bewegungsgleichung
8.2.2 Modale Reduktion
8.2.3 Näherungsweise Berechnung des Eigenwertproblems
8.2.4 Anwendungsgebiete der Modalanalyse
8.3 Berücksichtigung von Dissipationseffekten
8.3.1 Proportionale und modale Dämpfung
8.4 Frequenzganganalyse
8.5 Aufgaben
8.6 Literaturverzeichnis
9 Geometrische Nichtlinearität
9.1 Einführung zur geometrischen Nichtlinearität
9.2 Kinematische Beschreibung
9.2.1 Konfigurationen
9.2.2 Deformations- und Verschiebungsgradient
9.3 Beispiele eindimensionaler Verzerrungsmaße
9.3.1 Eigenschaften der Verzerrungsmaße
9.4 Allgemeine nichtlineare Verzerrungsmaße
9.5 Zeitliche Ableitungen der Deformation
9.6 Transformation von Volumen- und Flächenelementen
9.7 Spannungsmaße bei nichtlinearer Betrachtung
9.8 Energieprinzipien in nichtlinearer Form
9.8.1 Upgedatete-Lagrange-Formulierung
9.8.2 Totale-Lagrange-Formulierung
9.8.3 Diskretisierung
9.9 Aufgaben
9.10 Literaturverzeichnis
10 Materielle Nichtlinearität
10.1 Übersicht über konstitutive Beziehungen
10.2 Eindimensionales, zeitunabhängiges, elastoplastisches Verhalten
10.2.1 Mathematische Formulierung
10.3 Mehrachsige dehnratenunabhängige Elastoplastizität
10.3.1 Fließbedingung
10.3.2 Fließregel
10.3.3 Verfestigungsgesetz
10.3.4 Konsistenzbedingung und die Materialtangente
10.3.5 Assoziative J2-Plastizität
10.3.6 Berücksichtigung der Dehnratenabhängigkeit
10.4 Numerische Umsetzung der J2-Plastizität
10.5 Aufgaben
10.6 Literaturverzeichnis
11 Kontaktmodellierung
11.1 Grundlegende Begriffe
11.1.1 Bedingung für Normalkontakt
11.1.2 Behandlung von tangentialem Gleiten
11.2 Verfahren zur Kontaktdetektion
11.3 Kontaktformulierungen
11.3.1 Kinematische Zwangsbedingungen (Multi-Point-Constraint)
11.3.2 Penalty-Verfahren
11.3.3 Lagrange-Multiplikator-Verfahren
11.3.4 Augmented-Lagrange-Verfahren
11.4 Literaturverzeichnis
12 Gleichungslösung bei nichtlinearen statischen Problemen
12.1 Newton-Raphson-Verfahren
12.2 Anwendung des Verfahrens auf die FEM
12.2.1 Linearisierung
12.2.2 Inkrementell-iteratives Verfahren
12.2.3 Konvergenz des Newton-Raphson-Verfahrens
12.2.4 Hinweis zur Zeitabhängigkeit
12.3 Weitere Verfahren für nichtlineare Gleichungssysteme
12.4 Aufgaben
12.5 Literaturverzeichnis
13 Zeitintegration von nichtlinearen dynamischen Problemen
13.1 Einführung
13.2 Implizite Zeitintegration nach dem Newmark-beta-Verfahren
13.2.1 Erweiterte Verfahren
13.3 Explizite Zeitintegration nach dem zentralen Differenzenverfahren
13.3.1 Praktische Umsetzung des Verfahrens
13.3.2 Punktmassenmatrix
13.3.3 Nutzung quadratischer Ansatzfunktionen in expliziten Verfahren
13.3.4 Stabilitätskriterium
13.3.5 Maßnahmen zur Reduktion der Rechenzeit
13.3.6 Dynamische Relaxation
13.4 Gegenüberstellung der beiden Zeitintegrationsverfahren
13.5 Aufgaben
13.6 Literaturverzeichnis
14 Blechumformsimulation
14.1 Grundlagen der Blechumformung
14.1.1 Ablauf einer Blechumformung
14.1.2 Mechanische Größen in der Blechumformung
14.1.3 Materialmodellierung bei Blechwerkstoffen
14.1.3.1 Beschreibung der Anisotropie und der Fließbedingung
14.1.4 Herstellbarkeitsbewertung und Versagensarten
14.1.4.1 Bewertung der Einschnürung mittels Grenzformänderungsdiagramm
14.2 Explizite Simulation des Tiefziehens
14.2.1 Beispielmodell
14.2.1.1 Netzerzeugung
14.2.1.2 Erzeugung eines Offsets
14.2.1.3 Positionierung der Werkzeuge
14.2.2 Zeitsteuerung und allgemeine numerische Parameter
14.2.2.1 Simulationszeit und Zeitschrittsteuerung
14.2.2.2 Globale Parameter für adaptive Verfeinerung und Kontakte
14.2.3 Ausgabesteuerung
14.2.4 Definition von Bauteilen, Elementtypen und Materialien
14.2.5 Definition der Umformkontakte
14.2.6 Erstellen der Randbedingungen
14.2.6.1 Kraftrandbedingung auf den Blechhalter
14.2.6.2 Kinematische Randbedingungen der Werkzeuge
14.2.6.3 Modellierung von Ziehsicken
14.2.6.4 Strukturierung des Modells in Dateien
14.2.7 Durchführung einer Berechnung
14.2.8 Einführung in die Ergebnisauswertung einer Umformsimulation
14.3 Statisch-implizite Aufsprung-Simulation
14.3.1 Genereller Modellaufbau
14.3.2 Implizite Steuerkarten
14.3.2.1 Definition der Randbedingungen
14.3.3 Auswertung der Ergebnisse
14.4 Literaturverzeichnis
Anhang
A Mathematische Hilfsmittel
A.1 Matrizenrechnung und Matrixschreibweise
A.2 Tensor- und Indexnotation
A.3 Einheitensysteme
A.4 Literaturverzeichnis
Anhang
B Einführung in die Simulation mit LS-DYNA
B.1 Genereller Aufbau einer Keyword-Datei
B.2 Beispiel: Aufprall einer Kugel auf eine deformierbare Platte
B.2.1 Zeitsteuerung und allgemeine Parameter
B.2.2.1 Ausgabesteuerung von Textdateien
B.2.2.2 Ausgabesteuerung von graphischen Gesamtmodelldaten
B.2.2 Ausgabesteuerung
B.2.3.1 Erstellen von Gruppen (Sets)
B.2.3.2 Elementdefinition
B.2.3.3 Materialbeschreibung
B.2.3 Bauteildefinition
B.2.4 Kontaktdefinition
B.2.5 Definition der Randbedingungen
B.2.6 Knotenkoordinaten und Inzidenztabelle
Lösungen zu den Aufgaben
Sachwortverzeichnis
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Marcus Wagner

Lineare und nichtlineare FEM Eine Einführung mit Anwendungen in der Umformsimulation mit LS-DYNA® 3. Auflage

Lineare und nichtlineare FEM

Marcus Wagner

Lineare und nichtlineare FEM Eine Einführung mit Anwendungen in der Umformsimulation mit LS-DYNA® 3., überarbeitete und erweiterte Auflage

Marcus Wagner Fakultät Maschinenbau OTH Regensburg Regensburg, Deutschland

ISBN 978-3-658-36521-9 ISBN 978-3-658-36522-6 (eBook) https://doi.org/10.1007/978-3-658-36522-6 Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbiblio-grafie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar. © Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2017, 2019, 2022 Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung, die nicht ausdrücklich vom Urheberrechtsgesetz zugelassen ist, bedarf der vorherigen Zustimmung des Verlags. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Bearbeitungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Die Wiedergabe von allgemein beschreibenden Bezeichnungen, Marken, Unternehmensnamen etc. in diesem Werk bedeutet nicht, dass diese frei durch jedermann benutzt werden dürfen. Die Berechtigung zur Benutzung unterliegt, auch ohne gesonderten Hinweis hierzu, den Regeln des Markenrechts. Die Rechte des jeweiligen Zeicheninhabers sind zu beachten. Der Verlag, die Autoren und die Herausgeber gehen davon aus, dass die Angaben und Informationen in diesem Werk zum Zeitpunkt der Veröffentlichung vollständig und korrekt sind. Weder der Verlag noch die Autoren oder die Herausgeber übernehmen, ausdrücklich oder implizit, Gewähr für den Inhalt des Werkes, etwaige Fehler oder Äußerungen. Der Verlag bleibt im Hinblick auf geografische Zuordnungen und Gebietsbezeichnungen in veröffentlichten Karten und Institutionsadressen neutral. Planung/Lektorat: Ellen Klabunde Springer Vieweg ist ein Imprint der eingetragenen Gesellschaft Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH und ist ein Teil von Springer Nature. Die Anschrift der Gesellschaft ist: Abraham-Lincoln-Str. 46, 65189 Wiesbaden, Germany

Vorwort

For every complex problem there is an answer that is clear, simple – and wrong Paraphrase nach H. L. Mencken, 1917

Vorwort zur ersten Auflage Die Inhalte dieses Lehrbuchs bauen auf den Vorlesungen über lineare und nichtlineare Finite-Elemente-Methoden (FEM) im Bachelor- und Masterstudium an der Ostbayerischen Technischen Hochschule Regensburg auf, die ich seit einigen Jahren halte, sowie auf meiner langjährigen Tätigkeit als Berechnungsingenieur in der Blechumformsimulation. Sowohl in der Lehre als auch in der Praxis besteht die Schwierigkeit zu vermitteln, dass vorgeblich einfach zu bedienende Berechnungsprogramme nur zu sinnvollen und verlässlichen Lösungen führen, wenn der Anwender versteht, was hinter der Benutzerschnittstelle abläuft und man sich deswegen auch als Anwender mit den theoretischen Hintergründen beschäftigen muss. Dies trifft umso mehr zu, da kommerzielle FE-Programme einen stetig wachsenden Funktionsumfang haben, mit immer komplexeren Inhalten. Das Buch zielt darauf ab, einen möglichst abgeschlossenen Überblick über die lineare und nichtlineare dynamische Berechnung von Strukturen mit Finite-Elemente-Methoden zu bieten. Der Fokus liegt auf einer Erklärung der Zusammenhänge, die für Anwender kommerzieller Software notwendig sind. Dabei ist es unumgänglich vieles verkürzt darzustellen oder auch Themenfelder komplett auszusparen. Auf die Darstellung theoretischer Inhalte kann nicht verzichtet werden, die FEM ist ein numerisches Verfahren. Sie werden aber nur so weit dargestellt, wie für den Anwender erforderlich. Der Einsatz der theoretischen Inhalte in der Blechumformsimulation mit LS-DYNA zeigt für einen praxisnahen Fall, dass dieses Wissen notwendig ist, auch für den reinen Benutzer eines FE-Programms. Die Literatur in diesem Gebiet ist unüberschaubar umfangreich. Um den Lehrbuchcharakter zu erhalten, wird nur ein kleiner Ausschnitt von möglichen Literaturstellen angegeben. Es wird immer die konkrete Stelle in einer Referenz genannt, sodass der Leser von dort aus auch die weitere Literatur erschließen kann. Die Kapitel 1 bis 8 umfassen eine generelle Einführung in die lineare FEM. Darauf bauen die Kapitel 9 bis 13 auf, die die wesentlichen nichtlinearen Aspekte der FEM enthalten, mit einem Fokus auf dynamische Effekte. Im letzten Kapitel 14 werden die theoretischen Inhalte der nichtlinearen FEM am Beispiel einer Blechumformsimulation in ihrer Anwendung erläutert. Weiterhin wird eine kurze Einführung in das FE-Programmpaket LS-DYNA im Anhang angegeben.

I

VI

Vorwort

Das Buch richtet sich an Studierende aus Bachelor- und Masterstudiengängen der Ingenieurwissenschaften sowie an Ingenieure in der Industrie, die in ihrer beruflichen Praxis mit Finite-Element-Berechnungen zu tun haben und an einem tieferen Einblick interessiert sind, als er üblicherweise in Grundlagenkursen oder Schulungen vermittelt wird. Anwender des Programms LS-DYNA sind angesprochen, da dieses Programm genutzt wird, um an praktischen Beispielen die zuvor eingeführten theoretischen Inhalte zu verdeutlichen. Dasselbe gilt für Berechner im Bereich der Blechumformsimulation, da die nichtlinearen Inhalte des Buches an diesem Beispiel demonstriert werden. Als Voraussetzung sollte man Grundkenntnisse der Technischen Mechanik mitbringen, wie sie in jedem Ingenieurstudium vermittelt werden. Vorkenntnisse über FiniteElemente-Methoden sind nicht notwendig. Am Gelingen eines solchen Buchprojekts sind viele Personen beteiligt, ohne die dies so nicht möglich wäre. Mein herzlicher Dank gilt Herrn Dr.-Ing. Ingo Heinle, Herrn Dr.Ing. Bernd Hochholdinger, Frau Magda Martins-Wagner, M. Sc. und Herrn Prof. Dr.-Ing. habil. Kai Willner für das Korrekturlesen und die vielen Hinweise. Der Ostbayerischen Technischen Hochschule Regensburg sei gedankt für die großzügige Unterstützung während der Erstellung des Buches. Dem Springer Vieweg Verlag, vor allem Frau Imke Zander und Herrn Thomas Zipsner aus dem Lektorat Maschinenbau, danke ich für die angenehme Zusammenarbeit und die wertvollen Anregungen. Vorwort zur dritten Auflage Die dritte Auflage wurde um etliche Beispiele, Illustrationen und Aufgaben mit Lösungen erweitert. Vor allem die Kapitel 6, 9 und 10 sind inhaltlich ergänzt worden. Weiterhin sind Korrekturen und Anregungen der Leserinnen und Leser umgesetzt worden. Vielen Dank für das aufmerksame Lesen, ich freue mich weiterhin über jede Anmerkung. Auch das elektronische Zusatzmaterial wurde überarbeitet und erweitert und steht auf der Verlags-Homepage beim Buch zum Download zur Verfügung. Dem Springer Vieweg Verlag, vor allem Frau Ellen-Susanne Klabunde aus dem Lektorat Maschinenbau, danke ich wieder für die sehr gute Zusammenarbeit. Regensburg, im Januar 2022

Marcus Wagner

Inhaltsverzeichnis

1

Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1.1 Grundlegende Problemstellung und Lösungsmethoden . . . . . . . . . . . . . . . . 1.2 Vorgehensweise bei Berechnungsaufgaben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1.3 Einsatzgebiete der Finite-Elemente-Methode . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1.4 Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

1 1 4 4 6

2

Einführung in die lineare FEM . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.1 Grundgedanke der FEM am Beispiel des Stabs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.1.1 Mathematische Beschreibung des physikalischen Systems . . . . . . . 2.1.2 Diskretisierung in Finite Elemente . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.1.3 Berechnung der Elementmatrizen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.1.4 Zusammenbau des Gesamtsystems . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.2 Diskretisierung eines Fachwerks . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.2.1 Diskretisierung in Finite Elemente . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.2.2 Transformation von lokalen auf globale Koordinaten . . . . . . . . . . . 2.2.3 Zusammenbau des Gleichungssystems . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.2.4 Einbringen von Randbedingungen und äußeren Lasten . . . . . . . . . . 2.2.5 Lösen des Gleichungssystems . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.3 Beispiel: Stab mit veränderlichem Querschnitt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.4 Aufgaben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

7 8 8 11 13 14 17 17 18 21 24 24 26 29

3

Mechanische Größen der Strukturmechanik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.1 Formulierung des Randwertproblems . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.2 Spannungszustand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.2.1 Spannungsdeviator . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.3 Zugeordneter Verzerrungszustand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.4 Gleichgewichtsbedingungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.5 Voigt-Notation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.6 Verallgemeinertes linear-elastisches Materialgesetz nach Hooke . . . . . . . . 3.7 Ebener Spannungs- und Verzerrungszustand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.8 Aufgaben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.9 Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

31 31 33 36 37 39 40 41 42 43 44

III

VIII

Inhaltsverzeichnis

4

Mathematische Modellierung über Energieprinzipien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.1 Prinzip vom Minimum des Gesamtpotenzials . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.1.1 Einführungsbeispiel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.1.2 Gesamtpotenzial eines Stabs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.1.3 Allgemeines Prinzip vom Minimum des Gesamtpotenzials . . . . . . . 4.2 Prinzip der virtuellen Verschiebung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.3 Methode der gewichteten Residuen am Beispiel des Stabs . . . . . . . . . . . . . . 4.4 Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

45 45 46 49 51 52 58 60

5

Diskretisierung mit finiten Elementen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.1 Definition des Näherungsansatzes für ein Element . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.1.1 Formfunktionsmatrix . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.1.2 Näherungsansatz für Verzerrungen und Spannungen . . . . . . . . . . . . 5.2 Diskretisierung des Prinzips vom Minimum des Gesamtpotenzials . . . . . . 5.3 Diskretisierung des Prinzips der virtuellen Verschiebung . . . . . . . . . . . . . . . 5.4 Aufbau des Gesamtgleichungssystems . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.4.1 Eigenschaften der Gesamtsteifigkeitsmatrix . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.5 Einbringen von Randbedingungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.6 Lösung linearer Gleichungssysteme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.6.1 Direkte Gleichungslöser . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.6.2 Iterative Gleichungslöser . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.6.3 Modellreduktionstechniken . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.7 Aufgaben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.8 Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

61 62 62 64 65 67 69 71 72 74 74 78 79 81 82

6

Finite-Elemente-Klassen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 83 6.1 Klassifizierung von Elementen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 83 6.2 Isoparametrisches Konzept . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 85 6.3 Eindimensionale Elemente . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 89 6.3.1 Zweiknotiges lineares Stabelement . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 90 6.3.2 Dreiknotiges quadratisches Stabelement . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 92 6.3.3 Balkenelemente . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 93 6.4 Zweidimensionale Elemente . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 101 6.4.1 Scheibenelement . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 102 6.4.2 Schalenelemente . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 110 6.5 Dreidimensionale Elemente . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 115 6.5.1 Hexaederelemente . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 115 6.5.2 Pentaederelemente . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 117 6.5.3 Tetraederelemente . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 117 6.6 Aufgaben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 118 6.7 Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 119

7

Mathematische und numerische Aspekte der FEM . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 121 7.1 Mathematische Anforderungen an Finite Elemente . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 121 7.1.1 Bedingungen für die Konvergenz der Lösung . . . . . . . . . . . . . . . . . . 121 7.1.2 Verfahren zur Reduktion des Diskretisierungsfehlers . . . . . . . . . . . . 123

Inhaltsverzeichnis

7.2

7.3

7.4

7.5 7.6

IX

Numerische Integration . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 127 7.2.1 Newton-Cotes-Quadratur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 128 7.2.2 Gauß-Quadratur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 130 7.2.3 Mehrdimensionale Integrale . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 132 7.2.4 Anwendungshinweise zum Integrationsverfahren . . . . . . . . . . . . . . . 135 Elementversteifung (Locking) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 136 7.3.1 Beschreibung des Locking-Effekts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 137 7.3.2 Maßnahmen zur Vermeidung von Elementversteifung . . . . . . . . . . . 138 7.3.3 Null-Energie-Moden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 141 Praxis-Hinweise zur Modellierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 143 7.4.1 Vernetzungsmethoden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 143 7.4.2 Anforderungen an die Elementauswahl und Vernetzung . . . . . . . . . 144 7.4.3 Ausnutzung von Symmetrien bei der Vernetzung . . . . . . . . . . . . . . . 146 Aufgaben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 148 Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 148

8

Lineare zeitabhängige FEM . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 149 8.1 Herleitung der dynamischen FEM über virtuelle Verschiebungen . . . . . . . . 150 8.2 Numerische Modalanalyse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 151 8.2.1 Modale Transformation der homogenen Bewegungsgleichung . . . . 155 8.2.2 Modale Reduktion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 156 8.2.3 Näherungsweise Berechnung des Eigenwertproblems . . . . . . . . . . . 157 8.2.4 Anwendungsgebiete der Modalanalyse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 159 8.3 Berücksichtigung von Dissipationseffekten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 160 8.3.1 Proportionale und modale Dämpfung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 161 8.4 Frequenzganganalyse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 164 8.5 Aufgaben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 167 8.6 Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 168

9

Geometrische Nichtlinearität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 169 9.1 Einführung zur geometrischen Nichtlinearität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 170 9.2 Kinematische Beschreibung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 171 9.2.1 Konfigurationen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 171 9.2.2 Deformations- und Verschiebungsgradient . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 173 9.3 Beispiele eindimensionaler Verzerrungsmaße . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 175 9.3.1 Eigenschaften der Verzerrungsmaße . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 178 9.4 Allgemeine nichtlineare Verzerrungsmaße . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 179 9.5 Zeitliche Ableitungen der Deformation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 182 9.6 Transformation von Volumen- und Flächenelementen . . . . . . . . . . . . . . . . . 186 9.7 Spannungsmaße bei nichtlinearer Betrachtung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 187 9.8 Energieprinzipien in nichtlinearer Form . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 189 9.8.1 Upgedatete-Lagrange-Formulierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 190 9.8.2 Totale-Lagrange-Formulierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 192 9.8.3 Diskretisierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 193 9.9 Aufgaben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 196 9.10 Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 196

X

Inhaltsverzeichnis

10

Materielle Nichtlinearität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 197 10.1 Übersicht über konstitutive Beziehungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 198 10.2 Eindimensionales, zeitunabhängiges, elastoplastisches Verhalten . . . . . . . . 200 10.2.1 Mathematische Formulierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 201 10.3 Mehrachsige dehnratenunabhängige Elastoplastizität . . . . . . . . . . . . . . . . . . 209 10.3.1 Fließbedingung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 210 10.3.2 Fließregel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 215 10.3.3 Verfestigungsgesetz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 217 10.3.4 Konsistenzbedingung und die Materialtangente . . . . . . . . . . . . . . . . 218 10.3.5 Assoziative 𝐽2 -Plastizität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 219 10.3.6 Berücksichtigung der Dehnratenabhängigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . 223 10.4 Numerische Umsetzung der 𝐽2 -Plastizität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 224 10.5 Aufgaben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 228 10.6 Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 228

11

Kontaktmodellierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 229 11.1 Grundlegende Begriffe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 230 11.1.1 Bedingung für Normalkontakt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 231 11.1.2 Behandlung von tangentialem Gleiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 233 11.2 Verfahren zur Kontaktdetektion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 234 11.3 Kontaktformulierungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 237 11.3.1 Kinematische Zwangsbedingungen (Multi-Point-Constraint) . . . . . 238 11.3.2 Penalty-Verfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 238 11.3.3 Lagrange-Multiplikator-Verfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 241 11.3.4 Augmented-Lagrange-Verfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 241 11.4 Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 242

12

Gleichungslösung bei nichtlinearen statischen Problemen . . . . . . . . . . . . . . . . 243 12.1 Newton-Raphson-Verfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 244 12.2 Anwendung des Verfahrens auf die FEM . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 245 12.2.1 Linearisierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 247 12.2.2 Inkrementell-iteratives Verfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 249 12.2.3 Konvergenz des Newton-Raphson-Verfahrens . . . . . . . . . . . . . . . . . 250 12.2.4 Hinweis zur Zeitabhängigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 251 12.3 Weitere Verfahren für nichtlineare Gleichungssysteme . . . . . . . . . . . . . . . . . 252 12.4 Aufgaben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 255 12.5 Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 255

13

Zeitintegration von nichtlinearen dynamischen Problemen . . . . . . . . . . . . . . . 257 13.1 Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 258 13.2 Implizite Zeitintegration nach dem Newmark-𝛽-Verfahren . . . . . . . . . . . . . . 261 13.2.1 Erweiterte Verfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 265 13.3 Explizite Zeitintegration nach dem zentralen Differenzenverfahren . . . . . . 266 13.3.1 Praktische Umsetzung des Verfahrens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 271 13.3.2 Punktmassenmatrix . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 272 13.3.3 Nutzung quadratischer Ansatzfunktionen in expliziten Verfahren . 273

Inhaltsverzeichnis

XI

13.3.4 Stabilitätskriterium . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 273 13.3.5 Maßnahmen zur Reduktion der Rechenzeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 277 13.3.6 Dynamische Relaxation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 278 13.4 Gegenüberstellung der beiden Zeitintegrationsverfahren . . . . . . . . . . . . . . . 279 13.5 Aufgaben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 281 13.6 Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 281 14

Blechumformsimulation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 283 14.1 Grundlagen der Blechumformung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 283 14.1.1 Ablauf einer Blechumformung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 284 14.1.2 Mechanische Größen in der Blechumformung . . . . . . . . . . . . . . . . . 286 14.1.3 Materialmodellierung bei Blechwerkstoffen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 287 14.1.4 Herstellbarkeitsbewertung und Versagensarten . . . . . . . . . . . . . . . . . 291 14.2 Explizite Simulation des Tiefziehens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 292 14.2.1 Beispielmodell . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 294 14.2.2 Zeitsteuerung und allgemeine numerische Parameter . . . . . . . . . . . 297 14.2.3 Ausgabesteuerung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 300 14.2.4 Definition von Bauteilen, Elementtypen und Materialien . . . . . . . . 301 14.2.5 Definition der Umformkontakte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 303 14.2.6 Erstellen der Randbedingungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 304 14.2.7 Durchführung einer Berechnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 310 14.2.8 Einführung in die Ergebnisauswertung einer Umformsimulation . . 312 14.3 Statisch-implizite Aufsprung-Simulation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 314 14.3.1 Genereller Modellaufbau . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 315 14.3.2 Implizite Steuerkarten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 316 14.3.3 Auswertung der Ergebnisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 320 14.4 Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 322

A

Mathematische Hilfsmittel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 323 A.1 Matrizenrechnung und Matrixschreibweise . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 323 A.2 Tensor- und Indexnotation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 326 A.3 Einheitensysteme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 328 A.4 Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 328

B

Einführung in die Simulation mit LS-DYNA . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 329 B.1 Genereller Aufbau einer Keyword-Datei . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 329 B.2 Beispiel: Aufprall einer Kugel auf eine deformierbare Platte . . . . . . . . . . . . 330 B.2.1 Zeitsteuerung und allgemeine Parameter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 331 B.2.2 Ausgabesteuerung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 331 B.2.3 Bauteildefinition . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 333 B.2.4 Kontaktdefinition . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 336 B.2.5 Definition der Randbedingungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 337 B.2.6 Knotenkoordinaten und Inzidenztabelle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 337

Lösungen zu den Aufgaben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 339 Sachwortverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 365

Kapitel 1

Einleitung

Mit dem Schlagwort Industrie 4.0 wird eine Zukunftstechnologie bezeichnet, die die Produktion und Entwicklung in vielen Wirtschaftsbereichen durch Digitalisierung und Vernetzung verändern wird, um Effizienzpotenziale zu heben. Einen wesentlichen Beitrag zur Erfüllung dieser Anforderungen im Entwicklungsprozess leisten Methoden, die basierend auf Computersimulation (häufig vereinfachend als Berechnung bezeichnet), eine Prognose der realen technischen Vorgänge liefern. Diese Methoden werden unter dem Begriff Computer-Aided-Engineering (CAE) zusammengefasst. Eine Übersicht über den Einsatz in der Industrie, v. a. der Fahrzeugtechnik, findet sich bei Meywerk [6]. Ein Unternehmen erhofft sich dadurch in der Entwicklungsphase eine Senkung der Entwicklungszeit und der Kosten durch frühzeitiges Erkennen von Schwachstellen sowie eine Qualitätssteigerung und Optimierung der Konstruktion (z. B. Gewicht). Weiterhin lassen sich dadurch kostenintensive Versuchsreihen reduzieren. Für die Produktion ist das Ziel die Senkung der Produktionskosten durch Einsparung von Material oder der Vorhersage der Machbarkeit eines Herstellungsverfahrens. Durch die zunehmende Akzeptanz dieser Art der Berechnung in der Entwicklung und der Produktion ist es als Ingenieur heutzutage notwendig diese Verfahren zu kennen und Entscheidungskompetenz über deren Einsatz und Leistungsfähigkeit mitzubringen, da jedes Verfahren seine Grenzen der Aussagegenauigkeit aufweist.

1.1 Grundlegende Problemstellung und Lösungsmethoden Für die Auslegung durch Simulation sind die technischen Vorgänge bzw. das reale System durch eine physikalische Beschreibung abzubilden, die bereits Annahmen und Vereinfachungen enthält. Die physikalische Beschreibung wird üblicherweise durch ein mathematisches Modell erfolgen. Für technische Vorgänge sind dies häufig Systeme von Differenzialgleichungen, die im Allgemeinen partielle Ableitungen nach Ort und Zeit enthalten und die mit gegebenen Anfangs- und Randbedingungen gelöst werden müssen. Im Studium werden hier häufig analytische Verfahren gelehrt. Für praxisrelevante Probleme ist es in der Regel allerdings nicht möglich, diese Gleichungssysteme analytisch exakt zu lösen. Deshalb wurden und werden eine Vielzahl von Ergänzende Information Die elektronische Version dieses Kapitels enthält Zusatzmaterial, auf das über folgenden Link zugegriffen werden kann (https://doi.org/10.1007/978-3-658-36522-6_1) © Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2022 M. Wagner, Lineare und nichtlineare FEM, https://doi.org/10.1007/978-3-658-36522-6_1

1

2 Abb. 1.1 Vorgehensweise bei der Modellierung

1 Einleitung Reales System Physikalisches Modell Mathematische Modellierung Analytische Lösung

Näherungslösung

Geometrisches Modell

Prozess-Modell

numerischen Verfahren entwickelt, die Näherungslösungen zu gegebenen Randbedingungen liefern. Diesen Zusammenhang zeigt Abb. 1.1. Für die Näherungslösung sind immer ein geometrisches Modell des betrachteten Systems sowie zusätzliche Angaben zum numerischen Verfahren, zum Materialverhalten und zu weiteren Systemparametern des physikalischen Modells wie Reibung, Temperatur usw. notwendig, die in Abb. 1.1 als ProzessModell bezeichnet werden. Allen Verfahren ist gemeinsam, dass aus den Differenzialgleichungen ein lineares oder nichtlineares Gleichungssystem entsteht. Im nichtlinearen Fall sind spezielle Lösungsmethoden anzuwenden, sodass am Ende auch hier ein lineares Gleichungssystem entsteht, das vorteilhaft auf einem Computer gelöst werden kann. Dieser Schritt gelingt, indem die Lösung nicht mehr an jedem Punkt gesucht wird, sondern nur noch an einzelnen, diskreten Stellen. Deswegen spricht man von Diskretisierungsverfahren. Die folgende Aufzählung gibt die wichtigsten Verfahren wieder: Finite-Differenzen Das Differenzialgleichungssystem wird gelöst, indem das betrachtete Gebiet oder die Zeit an diskreten Punkten betrachtet wird (dem „Gitter“). An den Punkten werden die Differenzialquotienten der partiellen Ableitungen durch Differenzenquotienten ersetzt, s. Gross, Hauger und Wriggers [3, Kap. 7.4]. Dies drückt die Ableitungen der gesuchten Feldvariablen an einem Gitterpunkt durch Differenzen der Feldvariablen an den (räumlich oder zeitlich) benachbarten Gitterpunkten aus. Die Anwendung auf jeden Gitterpunkt liefert ein lineares Gleichungssystem für die Unbekannten. In den Zwischenräumen liefert dieses Verfahren keine Informationen über den Funktionsverlauf. Weiterhin ist die Vorgabe von Randbedingungen auf gekrümmten Berandungen für eine räumliche Diskretisierung schwierig. Differenzenverfahren spielen in diesem Buch eine wesentliche Rolle in der Zeitintegration, s. Kap. 13. Finite-Elemente Für eine räumliche Diskretisierung von partiellen Differenzialgleichungen hat sich die Finite-Elemente-Methode (FEM) etabliert. Es gibt zahlreiche Formulierungen der Methodik, wobei in diesem Buch nur die sogenannte Verschiebungsmethode für die Strukturmechanik vorgestellt wird, in der die Verschiebung eines Punkts im Raum die primäre Unbekannte ist. Ausgehend von einem Energieprinzip wird das betrachtete Gebiet in Teilstücke zerlegt und die Lösung mit lokal begrenzten Ansatzfunktionen approximiert. Das Verfahren ist umfassend für alle Problemstellungen anwendbar, die durch partielle Differenzialgleichungen beschrieben werden können. Netzfreie Methoden Dies sind relativ neue Entwicklungen, bei denen die Interaktion der Knoten der Diskretisierung nicht über Elemente wie in der FEM realisiert wird. Die Verfahren sind besonders geeignet für die Beschreibung freier, sich zeitlich ändernder Oberflächen und sich ablösender Teilchen, z. B. in der Bruchmechanik, der Schneidsimulation und bei der Massivumformung. Bekannte, kommerziell verfügbare Methoden

1.1 Grundlegende Problemstellung und Lösungsmethoden

3

sind die Elementfreie Galerkin-Methode (EFG) und Smooth Particle Hydrodynamics (SPH), s. Seifferth [7]. Die eXtended Finite-Element-Method (XFEM) ist eine weitere Variante, die FEM mit netzfreien Aspekten kombiniert. Sie ist in der Lage durch spezielle unstetige Ansatzfunktionen Diskontinuitäten, z. B. bei einem Rissfortschritt, abzubilden. Randelemente Die Formulierung, die als Ausgangspunkt der FEM dient, wird bei diesem Verfahren weiter umgeformt, sodass eine Integralgleichung entsteht, die nur noch Integrale über den Rand des Gebiets umfasst. Für ein Näherungsverfahren muss entsprechend nur noch der Rand diskretisiert werden. Das entstehende Gleichungssystem ist deshalb deutlich kleiner als in der FEM. Allerdings sind spezielle Funktionen (sog. Fundamentallösungen) einzusetzen, die nicht für jede Differenzialgleichung existieren und über das gesamte betrachtete Gebiet reichen. Dies limitiert den Einsatz im Wesentlichen auf lineare Anwendungen. Sehr vorteilhaft ist das Verfahren auf unendliche Gebiete anwendbar, z. B. Außenraumakustik oder elektromagnetische Wellenausbreitung. Für eine Übersicht s. Gaul, Kögl und Wagner [2]. Das Verfahren, das sich in den letzten Jahrzehnten im Ingenieurbereich als das am meisten eingesetzte herausstellt, ist die Finite-Elemente-Methode. Die Grundidee der FEM ist eine Zerlegung des komplizierten Gesamtproblems in eine große Anzahl von einfacheren Einzelproblemen (Divide-and-conquer-Prinzip). Dazu unterteilt man eine Struktur in sogenannte Finite Elemente, die an Punkten der Geometrie, den Knoten, miteinander gekoppelt sind. Dieser Schritt der Unterteilung in Knoten und Elemente wird als Diskretisierung bezeichnet, da eine kontinuierliche Struktur in viele einzelne, endlich große (diskrete) Stücke zerlegt wird, s. Abb. 1.2. Für die näherungsweise Angabe der mathematischen Lösungsfunktion des Feldproblems werden in jedem Element (Polynom-)Ansätze gewählt, die nur in diesem Element gelten. An den Knoten liegen die Feldgrößen als unbekannte Stützstellen der Polynome vor, die es zu berechnen gilt. Als Resultat entsteht ein (nicht-) lineares Gleichungssystem für die zu berechnenden Polynomstützstellen der Feldgrößen (z. B. Temperatur, Verschiebungen, elektrische Feldgrößen) an den Knoten. Ist dieses gelöst, kann in den Elementen über die Polynomansätze für jeden gewünschten Punkt die Lösung näherungsweise berechnet werden. Umfassende historische Überblicke über die Entwicklung der FEM finden sich z. B. in Klein [4, Kap. 1.1, S. 1] oder Knothe und Wessels [5, Kap. 1.5]. Abb. 1.2 Beispiel für eine Diskretisierung mit Finiten Elementen

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4 Abb. 1.3 Schritte beim Aufbau einer FEM-Berechnung

1 Einleitung

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1.2 Vorgehensweise bei Berechnungsaufgaben In Abb. 1.3 ist die generelle Vorgehensweise aus Anwendersicht bei der Berechnung dargestellt. Eingangsgröße ist i. d. R. die Konstruktion aus einem Computer-Aided-Design (CAD) Programm. Es können aber auch Daten einer optischen Digitalisierung genutzt werden, z. B. wie im Designprozess eines Fahrzeugs in sehr frühen Stadien. Diese werden in der Modellaufbereitung (Pre-processing) in einen Präprozessor geladen und zunächst so bearbeitet, dass sie für eine Berechnung geeignet sind. Unter anderem werden Geometriedetails gelöscht, die für das strukturmechanische Ergebnis unerheblich sind. Diese verursachen aber zusätzlichen Rechenaufwand, da die Vernetzung der Details eine Erhöhung der Anzahl der Freiheitsgrade bedeutet. Dies wird als Idealisierung bezeichnet. Das idealisierte Geometriemodell wird dann durch ein Netz aus finiten Elementen ersetzt. Diese Aufgabe wird von Vernetzungsalgorithmen übernommen, die heutzutage weit automatisiert sind. Trotz allem muss der Benutzer hier ggf. noch eingreifen. Neben dem Netz ist das Randwertproblem durch Lasten und Lagerungen im Falle der Strukturmechanik zu definieren. Daneben müssen der Geometrie auch Materialien zugewiesen werden. Dies erfolgt i. d. R. aus einer Materialdatenbank. Die gesamten Informationen werden dann automatisch vom FE-Programm zu einem Gleichungssystem zusammengesetzt und gelöst. Der letzte Schritt ist die Analyse der erzeugten Ergebnisse in einem Postprozessor.

1.3 Einsatzgebiete der Finite-Elemente-Methode Die FEM ist heute in praktisch allen ingenieurtechnischen Bereichen im Einsatz. In Abb. 1.4 ist eine kleine Auswahl von Anwendungen dargestellt. Darüber hinaus findet die FEM Anwendung in der Berechnung der Stabilität und dem Beulverhalten von Strukturen, der (in-)stationären, (nicht-)linearen Wärmeübertragung, der Betriebsfestigkeit und Lebensdauervorhersage, für die Berechnung elektromagnetischer Felder und der Wärmeentwicklung durch Wirbelströme etc. Mit steigender Rechenleistung werden auch zunehmend Fragestellungen behandelt, bei denen mehrere physikalische Domänen wie Strukturmechanik, Wärmeleitung und Elektromagnetismus gekoppelt sind. Diese Methoden werden als Multiphysik-Anwendung bezeichnet. Ein weiteres Beispiel aus diesem Gebiet ist die Fluid-Struktur-Interaktion (z. B. Schwappen von Kraftstoff im Tank). Ein weiteres Feld ist die Strukturoptimierung, bei der über Optimierungsverfah-

1.3 Einsatzgebiete der Finite-Elemente-Methode

5

Statik: Verformung von Strukturen unter statischer Last.

Lineare Dynamik, Akustik: Schwingungsberechnung im Frequenzbereich.

Simulation eines Blechumformprozesses, mit freundlicher Genehmigung der BMW Group.

Nichtlineare Dynamik: Crashsimulation, mit freundlicher Genehmigung der Daimler AG.

Stoßartige Belastung des Beckens des THUMSModells, mit freundlicher Genehmigung des Labors für Biomechanik, OTH Regensburg.

Nichtlineares Materialverhalten: Aufblasvorgang einer Plastikflasche, mit freundlicher Genehmigung der Krones AG.

Abb. 1.4 Beispiele für Einsatzgebiete der Finite-Elemente-Methode

ren Eigenschaften, wie die Massenverteilung, Steifigkeitsverteilung etc. verbessert werden sollen. Als Berechnungswerkzeug wird hierfür häufig die FEM eingesetzt. Von der Vielzahl der Fragestellungen wird in diesem Buch ausschließlich die Strukturmechanik behandelt. Die Zielgröße der Berechnung sind die Verschiebungen, Verzerrungen und Spannungen an jedem Punkt eines Körpers. Die Anzahl kommerzieller FE-Programme ist hoch. Als Beispiele seien genannt: ABAQUS von Dassault Systemes, ADINA von ADINA R& D Inc, ANSYS von ANSYS Inc., LS-DYNA von LSTC Inc., MARC von MSC Software, NASTRAN, das von verschiede-

6

1 Einleitung

nen Herstellern weiter entwickelt wird, RADIOSS von Altair Engineering, Inc. und speziell im Bereich der Umformung PAM-STAMP von ESI Group und AutoForm von der AutoForm Engineering GmbH. Von Belytschko u. a. [1, Kap. 1.2] wird umfassend dargestellt, wie die dort genannten Programme sich entwickelt haben. Neben den Rechenkernen1 der FE-Programme sind viele unabhängige Prä- und Postprozessoren am Markt verfügbar, z. B. ANSA, HyperMesh, Medina, PATRAN, Animator. Es gibt keine klare Trennung der Programmfunktionen, in manchen Präprozessoren sind Berechnungsprogramme integriert (z. B. RADIOSS in HyperMesh), bei anderen Produkten sind Präprozessor und Berechnungsprogramm stark miteinander gekoppelt (z. B. ANSYS Workbench mit ANSYS). Bei anderen, wie z. B. LS-DYNA gibt es keinen dezidierten Präprozessor (man kann gleichermaßen mit dem firmeneigenen, kostenlosen Präprozessor LS-PrePost als auch mit ANSA, HyperMESH und vielen weiteren arbeiten). Zunehmend werden FE-Programme auch in CAD-Software integriert. Die Potenziale des Funktionsumfangs eines kommerziellen FE-Programms sind durch den Anwender nur vollständig zu heben, wenn neben einer reinen Nutzerschulung, auch gute Kenntnisse in den zu Grunde liegenden physikalischen Grundlagen und den mathematischen sowie numerischen Methoden vorliegen. Das vorliegende Buch soll hierzu einen Beitrag leisten, die wichtigsten mathematischen und numerischen Merkmale eines FE-Programms zu erklären. Aus dem großen Anwendungsfeld muss hierbei eine Auswahl getroffen werden. Deswegen fokussiert sich dieses Buch, nach einer allgemeinen Einführung, auf strukturmechanische, lineare und nichtlineare, dynamische Berechnungen.

1.4 Literaturverzeichnis [1] [2] [3] [4] [5] [6] [7]

1

T. Belytschko, W. K. Liu, B. Moran und K. I. Elkhodary. Nonlinear Finite Elements for Continua and Structures. 2. Aufl. Hoboken: John Wiley & Sons Inc, 2014. L. Gaul, M. Kögl und M. Wagner. Boundary Element Methods for Engineers and Scientists. Berlin: Springer, 2003. D. Gross, W. Hauger und P. Wriggers. Technische Mechanik 4. 10. Aufl. Berlin: Springer Vieweg, 2018. B. Klein. FEM. 10. Aufl. Wiesbaden: Springer Vieweg, 2015. K. Knothe und H. Wessels. Finite Elemente. 5. Aufl. Berlin: Springer Vieweg, 2017. M. Meywerk. CAE-Methoden in der Fahrzeugtechnik. Berlin: Springer, 2007. F. Seifferth. Analyse netzfreier Methoden. Saarbrücken: VDM-Verl. Müller, 2011.

Häufig als Solver oder Löser bezeichnet.

Kapitel 2

Einführung in die lineare FEM

Abb. 2.1 Diskretisierung eines Stabkontinuums in Finite Elemente. Darüber die Verschiebungslösung, analytisch 𝑢(𝑥) (—) und näherungsweise 𝑢𝑒̃ (𝑥) (Geradenstücke)

7FSTDIJFCVOH ¼CFS 4UBCM¤OHF

In diesem Kapitel werden die einzelnen Schritte einer Finite-Elemente-Berechnung detailliert am einfachst möglichen Beispiel eines mechanischen Fachwerks aus Stäben erklärt. Es wird sich zeigen, dass bereits alle für die FEM wichtigen Begriffe und Konzepte auftreten. Wie in Kap. 1 erläutert, werden ingenieurtechnische Fragestellungen häufig durch Systeme von Differenzialgleichungen beschrieben, deren Lösung aber nur als Näherungslösung zu gewinnen ist. Bei einer Lösung mit der FEM werden zur Konstruktion der Näherungslösung Polynome stückweise nebeneinandergesetzt. In Abb. 2.1 ist dies für ein eindimensionales (1-D) Gebiet eines Stabs dargestellt. Die zu berechnende Größe ist die Verschiebung 𝑢(𝑥) jedes Punkts 𝑥 des Stabs. Ein fiktiver Verlauf einer exakten Lösung 𝑢(𝑥) ist in Abb. 2.1 als schwarze Linie in einem Koordinatensystem über dem Stab eingezeichnet. Für die Näherungslösung 𝑢(𝑥) ̃ werden auf dem Stab Knoten an geometrischen Punkten 𝑥 in beliebigen Abständen definiert, die als Stützstellen von Polynomen dienen. Zwischen den Stützstellen sind in dieser Darstellung Polynome 1. Ordnung, d. h. Geradenstücke, eingefügt, die durch den Funktionswert der Verschiebung an den Knotenpunkten festgelegt werden. Man sieht bereits an dieser einfachen Darstellung zwei wichtige Eigenschaften der FEM: An den Knotenpunkten gehen die Polynomstücke stetig ineinander über. Ableitungen der Funktion sind an den Knoten allerdings i. d. R. unstetig. Weiterhin hängt die Güte der Approximation, d. h. der Fehler der Näherungslösung von der Wahl ৙)ড়* TU¼DLXFJTF /¤IFSVOH ¼CFS 1PMZOPNF ৙৊ȥ )ড়*

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Ergänzende Information Die elektronische Version dieses Kapitels enthält Zusatzmaterial, auf das über folgenden Link zugegriffen werden kann (https://doi.org/10.1007/978-3-658-36522-6_2) © Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2022 M. Wagner, Lineare und nichtlineare FEM, https://doi.org/10.1007/978-3-658-36522-6_2

7

8

2 Einführung in die lineare FEM

der Polynome und von der Form der exakten Lösung ab. Diese Eigenschaften werden in späteren Kapiteln noch detailliert. Folgende Schritte sind für eine FEM-Berechnung notwendig: 1. 2. 3. 4. 5. 6. 7.

Aufstellen der mathematischen Beschreibung des physikalischen Systems, Diskretisierung in Finite Elemente, Berechnung der Elementmatrizen, Transformation der Elementmatrizen in ein gemeinsames Koordinatensystem, Zusammenbau des Gleichungssystems, Einbringen von Randbedingungen, Lösen des Gleichungssystems.

Anhand dieser nicht weiter kommentierten Abfolge wird die Vorgehensweise entwickelt.

2.1 Grundgedanke der FEM am Beispiel des Stabs In Abb. 2.2 ist ein Stab mit der Ausgangslänge 𝐿0 mit konstantem Querschnitt 𝐴 dargestellt, der durch eine Einzellast 𝑓 und eine Linienlast 𝑠(𝑥) gedehnt werden soll. Das Materialverhalten wird als linear-elastisch mit einem Elastizitätsmodul 𝐸 angenommen. Der Stab soll nur Kräfte in Längsrichtung aufnehmen können. Für den Stab sollen die Knotenverschiebungen 𝑢(𝑥) und die in jedem Querschnitt geltende Schnittkraft 𝑆(𝑥) berechnet werden. Alle Größen werden in der Koordinate 𝑥 entlang des Stabs angegeben.

2.1.1 Mathematische Beschreibung des physikalischen Systems Um die Unbekannten zu berechnen, ist eine mathematische Beziehung zwischen Kräften und Verschiebungen zu bestimmen. Der Anwender eines kommerziellen FE-Programms muss diese Beziehungen nicht selbst herleiten, er sollte aber ein gutes Verständnis der zu Grunde liegenden Gleichungen haben, da dieses für die korrekte Definition der Berechnung und die Ergebnisanalyse unabdingbar ist. Für strukturmechanische Aufgaben besteht das Gleichungssystem aus drei Teilen: • Den kinematischen Verschiebungs-Verzerrungs-Beziehungen: 𝑢 ⇒ 𝜀, • dem Materialgesetz für die Beziehung zwischen Dehnung und Spannung: 𝜀 ⇒ 𝜎, • den Bilanzgleichungen für die Masse, den Impuls und den Drehimpuls sowie die Energie und die Entropie. Sie stellen die Verbindung zwischen den Feldgrößen her. Abb. 2.2 Links fest eingespannter und rechts mit einer Kraft sowie einer Linienlast beaufschlagter Stab

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2.1 Grundgedanke der FEM am Beispiel des Stabs

9

Dabei gehen wir von Massen-, Energie- und Entropieerhaltung aus, sodass diese Bilanzgleichungen nicht berücksichtigt werden. Zur Einführung wird in diesem Kapitel der Sonderfall betrachtet, dass das betrachtete System unbeschleunigt ist. Dann gehen die Impuls- und Drehimpulsbilanz in die Gleichgewichtsaussagen der Statik in Form der Kraft- und Momentenbilanz über, indem die Trägheitswirkungen zu null gesetzt werden. Diese Gleichungen dienen als Basis der FE-Modellierung. Damit die Fragestellung in diesem Kapitel als linear behandelt werden kann, sind folgende Annahmen zu treffen: • Die Verschiebungen und die daraus resultierenden Dehnungen sind klein. Die Dehnung beschreibt die lokale Formänderung aufgrund einer äußeren Last. Der Dehnungsbegriff wird in Kap. 3.3 noch genauer eingeführt. • Das Materialverhalten ist linear-elastisch. • Die Gleichgewichtsbedingungen werden im unverformten Ausgangszustand formuliert. Das Gleichgewicht gilt nur in der deformierten Endlage, da im Ausgangszustand die äußere Belastung noch nicht vorhanden ist. Diese Annahme ist nur dann zulässig, wenn Anfangs- und Endzustand nur wenig voneinander abweichen und hängt damit direkt mit der ersten Bedingung zusammen. Diese Bedingungen werden im nichtlinearen Fall schrittweise aufgegeben, s. ab Kap. 9.

2.1.1.1 Verschiebungs-Verzerrungs-Beziehung Die kinematische Beziehung zwischen der Dehnung und der Verschiebung wird über die Ingenieurdehnung 𝐿 − 𝐿0 𝛥𝐿 𝜀= = 𝐿0 𝐿0 definiert, wobei 𝐿 die Länge des Stabs bei Belastung ist. Diese Formel gibt die Gesamtdehnung des Stabs wieder. Für die weitere Ableitung ist aber der lokale Dehnungszustand in jedem beliebigen Punkt 𝑥 anzugeben. Die Herleitung gelingt, indem man ein infinitesimal kleines Stückchen aus dem Stab herausschneidet und analog zur Ingenieurdehnung die Verschiebungen betrachtet, s. Abb. 2.3. Die AusgangsAbb. 2.3 Herleitung der Verschiebungs-VerzerrungsBeziehung für den Stab

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10

2 Einführung in die lineare FEM

länge des infinitesimal kleinen Stücks sei d𝑥 und es werde um ein kleines d𝑢 verlängert. Dann gilt für die Dehnung (s. Abb. 2.3) 𝜀=

(d𝑥 + d𝑢) − d𝑥 d𝑢 = = 𝑢′ . d𝑥 d𝑥

(2.1)

Es ist wesentlich, zwischen der Ortskoordinate 𝑥 eines Punkts im Raum und der Verschiebung des Punkts 𝑢(𝑥) durch eine äußere Last als Funktion des Orts zu unterscheiden. Die Verschiebung 𝑢(𝑥) ist die gesuchte Feldvariable unserer Aufgabe.

2.1.1.2 Werkstoffgesetz Der Zusammenhang zwischen der Spannung 𝜎 und der Dehnung 𝜀 erfolgt hier durch das lineare Hooke’sche Materialgesetz 𝜎 = 𝐸𝜀 , (2.2) mit dem Elastizitätsmodul 𝐸. Die Schnittkraft 𝑆 in einem Querschnitt ist definiert als 𝑆 = 𝜎𝐴 ,

(2.3)

mit der Querschnittfläche 𝐴 des Stabs und wird als Stabkraft bezeichnet. Dies ineinander eingesetzt liefert mit Gl. (2.1) das Elastizitätsgesetz des Stabs 𝑆 = 𝐸𝐴 𝑢′ .

(2.4)

2.1.1.3 Gleichgewichtsbedingung Der statische Gleichgewichtszustand unter einer Belastung wird durch Aufstellen der Gleichgewichtsbedingungen an einem infinitesimal kleinen, unverformten Element nach Abb. 2.4 hergeleitet: Am linken und rechten Schnittufer werden die Reaktionskräfte eingetragen. Am rechten Schnittufer ist ein Zuwachs d𝑆 = d𝑆 d𝑥 = 𝑆 ′ d𝑥 angetragen, da eine d𝑥 Linienlast 𝑠(𝑥) angenommen wird. Bildung des Kräftegleichgewichts liefert: −𝑆 + 𝑆 + 𝑆 ′ d𝑥 + 𝑠d𝑥 = 0

Gl. (2.4)



𝐸𝐴𝑢″ = −𝑠 .

(2.5)

Die rechte Gleichung gibt die Gleichgewichtsbedingung des Stabs wieder. Es handelt sich um eine gewöhnliche Differenzialgleichung zweiter Ordnung. Diese kann durch zweimaliges Integrieren analytisch gelöst werden. Zur Vereinfachung nehmen wir eine konstante Linienlast 𝑠(𝑥) = 𝑠0 an. Zur Integration wird die zweite Ableitung von 𝑢 umgeschrieben Eড়

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Abb. 2.4 Gleichgewicht am unverformten Stabausschnitt



া ড়- ৙)ড়*

া , Eা

2.1 Grundgedanke der FEM am Beispiel des Stabs

11

in 𝑢″ = d(𝑢′ )/d𝑥. Unbestimmte Integration liefert zunächst die Stammfunktion: ∫

𝐸𝐴 d(𝑢′ ) =



−𝑠0 d𝑥



𝐸𝐴𝑢′ = 𝐶1 − 𝑠0 𝑥 ,

(2.6)

mit der Integrationskonstanten 𝐶1 . Nochmaliges Integrieren, unter Beachtung von 𝑢′ = d𝑢/d𝑥 ergibt die Stammfunktion: 𝑢(𝑥) =

1 𝑥2 𝐶2 + 𝐶1 𝑥 − 𝑠0 , 𝐸𝐴 [ 2]

(2.7)

mit den Integrationskonstanten 𝐶1 und 𝐶2 . Zur Anpassung dieser Konstanten sind die Randbedingungen 𝑢(0) = 0 in Gl. (2.7) und 𝑆(𝐿) = 𝐸𝐴𝑢′ (𝐿) = 𝑓 in Gl. (2.6) einzusetzen. Dies liefert: 𝑢(𝑥) =

1 𝑥2 (𝑓 + 𝑠0 𝐿)𝑥 − 𝑠0 𝐸𝐴 [ 2]

und 𝑆(𝑥) = 𝑓 + (𝐿 − 𝑥)𝑠0 .

(2.8)

Im Prinzip ist damit die Fragestellung beantwortet. Im Allgemeinen ist es aber nur in sehr wenigen Ausnahmefällen möglich, die zu Grunde liegenden Differenzialgleichungssysteme analytisch zu lösen. Deswegen wird das Beispiel nun mit der FEM gelöst.

2.1.2 Diskretisierung in Finite Elemente Wünschenswert wäre eine geschlossene numerische Lösung über das gesamte Gebiet. Allerdings kann auch eine Näherungslösung für die gesamte Stablänge nur selten angegeben werden. Deshalb wird im Folgenden mit der Methode der finiten Elemente eine stückweise Näherungslösung gesucht, die geeignet zusammengesetzt wird. Dazu ist nach der oben formulierten Grundidee der FEM das Gebiet in mehrere Elemente zu zerlegen (zu „diskretisieren“). Zur Darstellung der grundlegenden Eigenschaften wählen wir hier eine Diskretisierung mit drei Elementen und daraus folgend vier Knoten, s. Abb. 2.5. Im Bild wird deutlich, dass das Stabelement nur eine Ausdehnung in Längsrichtung hat, d. h. eine Linie darstellt. Die „Dicke“ des Stabs wird geometrisch nicht abgebildet. Man kann dies näherungsweise tun, da abgesehen von der Einspannstelle in jedem Querschnitt bei konstanter Fläche 𝐴 in jedem Punkt der Fläche derselbe Spannungszustand vorliegt. Integriert man die Spannungen über die Querschnittfläche, erhält man die Stabnormalkraft 𝑆(𝑥). Man spricht dann von einem eindimensionalen Strukturelement, s. Kap. 6.3 für weiterführende Details. Abb. 2.5 Diskretisierung eines Stabs in Finite Elemente

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12

2 Einführung in die lineare FEM

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Abb. 2.6 Größen an einem Stabelement

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Für ein einzelnes Stabelement wird nun ein näherungsweiser Verlauf der Feldgröße 𝑢(𝑥) angenommen. Das Element sowie die notwendigen Bezeichnungen sind in Abb. 2.6 gegeben. Die Knoten eines Elements 𝑒 werden mit Großbuchstaben I, J etc. indiziert. Die Verschiebung an einem Knoten wird durch einen hochgestellten Index 𝑒 der Elementnummer und dem Knotenindex eindeutig für die gesamte Diskretisierung bezeichnet. Da nur ein Element betrachtet wird, wird auf die Kennzeichnung mit dem Index 𝑒 in diesem Kapitel zunächst verzichtet, um die Formeln übersichtlicher zu halten. Zu berechnende Unbekannte an den Knoten sind die Verschiebungen 𝑢I , 𝑢J und die Stabschnittkräfte 𝑆I , 𝑆J . Für den Verlauf der Feldgrößen zwischen den Knoten werden Ansätze definiert, um eine vollständige Beschreibung zu erhalten. Der einfachst mögliche Ansatz als Näherungsfunktion ist ein lineares Polynom. Die Näherungslösung für die Verschiebung des Stabs wird zur Unterscheidung von der exakten Lösung 𝑢(𝑥) mit 𝑢(𝑥) ̃ bezeichnet. Ein lineares Polynom ist gegeben durch 𝑢(𝑥) ̃ = 𝑎𝑥 + 𝑏 , 𝑥 ∈ [0, ℓ] ,

(2.9)

mit den Koeffizienten 𝑎 und 𝑏, die noch zu bestimmen sind. Die Näherungsfunktion ist in Abb. 2.7 dargestellt. Der erste Punkt 𝑥I wird zur Vereinfachung in den Koordinatenursprung gelegt: 𝑥I = 0. Die Verschiebungen 𝑢I , 𝑢J an den Knoten 𝑥I , 𝑥J werden zunächst als bekannt vorausgesetzt. Dies führt auf die Bedingungen für die Polynomkoeffizienten 𝑢(0) ̃ = 𝑢I = 𝑎𝑥I + 𝑏 = 𝑎 ⋅ 0 + 𝑏 𝑢(ℓ) ̃ = 𝑢J = 𝑎𝑥J + 𝑏 = 𝑎 ⋅ ℓ + 𝑏 . Auflösen nach 𝑎 und 𝑏 liefert unter Beachtung von 𝑥I = 0 und 𝑥J = ℓ: 𝑏 = 𝑢I

und 𝑎 = (𝑢J − 𝑢I )/ℓ .

Eingesetzt in Gl. (2.9) folgt für den Näherungsansatz nach Umsortieren nach den Knotenkoordinaten: 𝑥 𝑥 𝑢(𝑥) ̃ = (1 − ) 𝑢I + 𝑢J . (2.10) ℓ ℓ Abb. 2.7 Darstellung einer linearen Ansatzfunktion über einem Stabelement



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2.1 Grundgedanke der FEM am Beispiel des Stabs

13

Abb. 2.8 Formfunktionen beim Stab

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৙A

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Man hat durch diese Vorgehensweise erreicht, dass die Feldvariablen an den Knoten des Elements als Größen im Ansatz auftauchen und mit Polynomen multipliziert werden, die vollständig bekannt sind und den Verlauf innerhalb des Elements definieren, s. Abb. 2.8. Um den Verlauf vollständig angeben zu können, sind ausschließlich die Knotenverschiebungen zu bestimmen. Diese sind damit die primären Unbekannten, die es zu ermitteln gilt. Die entstandenen Polynome in Gl. (2.10) werden als Ansatz- oder Formfunktionen eines Elements bezeichnet und im Folgenden mit dem Buchstaben 𝑁𝑖 bezeichnet, wobei der Index 𝑖 der Knotenindex I, J des Elementknotens ist, an dem die Funktion den Wert 1 annimmt: 𝑥 𝑥 𝑁I = 1 − 𝑁J = . (2.11) ℓ ℓ Nun geht man auf eine Matrizenschreibweise über für Gl. (2.10) 𝑢 𝑢(𝑥) ̃ = [𝑁I 𝑁J ] I = 𝑵(𝑥) 𝒖 . [𝑢J ]

(2.12)

Die Formfunktionen werden in einem Zeilenvektor 𝑵(𝑥) einsortiert, die Knotenverschiebungen in einem Spaltenvektor 𝒖 (ohne (𝑥), da es sich um diskrete Werte handelt). Für die Berechnung von Dehnungen und Stabkräften wird auch die Ableitung des Ansatzes benötigt: 𝑢′̃ (𝑥) =

d𝑢 ̃ d(𝑵(𝑥)𝒖) = = [ d𝑁I (𝑥) d𝑥 d𝑥 d𝑥

𝑢I d𝑁J (𝑥) d𝑥 ][𝑢J ]

= [− 1ℓ

𝑢I 1 ℓ ][𝑢J ]

= 𝑩𝒖 .

(2.13)

Die Ableitungen der Formfunktionen sind in der Zeilenmatrix 𝑩 enthalten, die später noch eine wichtige Rolle spielen wird. Da die Knotenverschiebungen an festen Punkten im Raum liegen, sind sie als Konstanten bezüglich der Ableitung zu sehen, es sind also nur die Formfunktionen abzuleiten. Auch die Ableitung lässt sich also über eine gegebene Matrix und die Knotenverschiebungen berechnen.

2.1.3 Berechnung der Elementmatrizen Mit den gerade definierten Ansätzen lässt sich über das Kräftegleichgewicht an den Knoten ein lineares Gleichungssystem ableiten, das dann die Berechnung von Verschiebungen und Stabkräften erlaubt. Zur Berechnung der Stabkräfte steht zunächst Gl. (2.4) zur Verfügung:

14

2 Einführung in die lineare FEM

Abb. 2.9 Schnitt durch ein Stabelement

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ড়- ৙)ড়* ′ ̃ 𝑆(𝑥) = 𝐸𝐴𝑢 ̃

Gl. (2.13)

=

𝐸𝐴𝑩𝒖 =

𝐸𝐴 (𝑢 − 𝑢I ) . ℓ J

(2.14)

Man sieht, dass es sich aufgrund der Ansätze um eine konstante Kraft im Element handelt, während die exakte Lösung in Gl. (2.8) einen linearen Verlauf vorschreibt. Die Knotenkräfte ergeben sich durch Freischneiden und Bilden des Gleichgewichts, s. Abb. 2.9: ̃ 𝑆I = −𝑆(𝑥) ̃ 𝑆J = +𝑆(𝑥) .

(2.15)

Am linken Schnittufer wird die Kraft in positive Koordinatenrichtung eingetragen, da in der FEM eine von der technischen Mechanik abweichende Vorzeichenkonvention benutzt wird, s. dazu Abb. 2.18 und die Erläuterungen dort. Einsetzen von Gl. (2.14) in das obige Kräftegleichgewicht ergibt schließlich ein Gleichungssystem, das die unbekannten Verschiebungen und Stabkräfte in Beziehung setzt: 𝐸𝐴 𝑢 − ℓ I 𝐸𝐴 𝑆J = − 𝑢 + ℓ I 𝑆I = +

𝐸𝐴 𝑢 ℓ J 𝐸𝐴 𝑢 . ℓ J

Dieses Gleichungssystem kann in Matrizenschreibweise angegeben werden 𝑆I 𝐸𝐴 1 −1 𝑢I = , ] ] [ [ [ 𝑢 −1 1 𝑆 ℓ J J] ⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟ ⏟ ⏟ 𝑲𝑒

𝒖𝑒

(2.16)

𝑺𝑒

mit der Elementsteifigkeitsmatrix 𝑲 𝑒 und den Knoten-Vektoren der Verschiebungen 𝒖𝑒 und Stabkräfte 𝑺 𝑒 . Diese Form des Gleichungssystems wird bei jeder Finite-ElementeFormulierung so auftreten. Jeder Eintrag 𝐾𝑖𝑗𝑒 von 𝑲 𝑒 kann als Steifigkeit im System verstanden werden und verknüpft den Einfluss einer Verschiebung am Knoten des Spaltenindex 𝑗 mit der Reaktionskraft am Knoten des Zeilenindex 𝑖. Beispiel: Der Eintrag 𝐾21 beschreibt den Einfluss der Verschiebung am Knoten 𝑢I auf die Reaktionskraft am Knoten 𝑆J .

2.1.4 Zusammenbau des Gesamtsystems In Kap. 2.1.2 wurde ein Stab in mehrere Finite Elemente diskretisiert. Für ein einzelnes Element wurde in Kap. 2.1.3 die Elementsteifigkeitsgleichung hergeleitet. Um eine Gesamtlösung berechnen zu können, sind die einzelnen Elemente wieder zu einem Gesamtsystem zusammenzusetzen.

2.1 Grundgedanke der FEM am Beispiel des Stabs

15

Abb. 2.10 Diskretisierung eines Stabs in zwei gleich lange Stabelemente

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ষ1 03

Als Beispiel betrachten wir den Stab in Abb. 2.2 ohne Linienlast 𝑠0 = 0, der durch zwei Elemente diskretisiert sein soll, wie in Abb. 2.10 dargestellt. Um das gesamte Gebiet aus einzelnen Elementen zusammensetzen zu können, ist es notwendig, dass an den Knoten an denen Elemente zusammentreffen, das Kräftegleichgewicht gilt, und dass die Verschiebungen stetig sind, da sonst an den Knoten Löcher oder Überlappungen im kontinuierlichen Festkörper möglich wären. Daraus folgt, dass an diesen Knoten die lokalen Verschiebungen von Nachbarelementen gleich sein müssen. Für die zwei Elemente in Abb. 2.10 sind die lokalen Knotenverschiebungsfreiheitsgrade durch 𝒖1 = [𝑢1I

𝑢1J ]

T

und 𝒖2 = [𝑢2I

𝑢2J ]

T

gegeben. Betrachtet man das zusammengesetzte Gesamtsystem, gibt es drei globale Knoten, wobei die Knotenverschiebungen nun mit aufsteigenden Zahlen indiziert werden, um die globale Nummerierung von der lokalen mit Großbuchstaben zu unterscheiden: 𝒖 = [𝑢1

𝑢2

𝑢3 ]T .

Die Kompatibilitätsbedingung lässt sich dann als 𝑢2 = 𝑢1J = 𝑢2I

(2.17)

formulieren. Zum Aufbau des Gesamtgleichungssystems werden die Gleichgewichtsbedingungen an den drei Knoten der Diskretisierung mit dem Freikörperbild in Abb. 2.11 formuliert: 1 ∑ 𝑓1𝑥 ∶ +𝑅1 − 𝑆I = 0 ,

2 ̄ ∑ 𝑓3𝑥 ∶ −𝑆J + 𝑓 = 0 .

1 2 ∑ 𝑓2𝑥 ∶ −𝑆J − 𝑆I = 0 ,

Mit der Elementsteifigkeitsgleichung aus Gl. (2.16) werden die Schnittkräfte 𝑆𝑖𝑒 durch die Verschiebungen ersetzt: 𝐸𝐴 1 𝑢 − 𝑢1J ) = 0 𝐿0 /2 ( I 𝐸𝐴 𝐸𝐴 2 − −𝑢1 + 𝑢1J ) − 𝑢 − 𝑢2J ) = 0 𝐿0 /2 ( I 𝐿0 /2 ( I 𝐸𝐴 − −𝑢2 + 𝑢2J ) + 𝑓 ̄ = 0 . 𝐿0 /2 ( I 𝑅1 −

Abb. 2.11 Freischnittbild der Diskretisierung aus Abb. 2.10

ড় 2 ঽ2

৊>3

3

৊>2 াA2

াC2

াA3

4 াC3

োȦ

16

2 Einführung in die lineare FEM

Abb. 2.12 Schematische Darstellung des Zusammenbaus des Gesamtgleichungssystems

৩2 ਍>৾ ৩3

Durch Einsetzen der Kompatibilitätsbedingung in Gl. (2.17) kann eine Matrixdarstellung in den globalen Knotengrößen gewonnen werden: 1 −1 0 ⎤ ⎡𝑢1 ⎤ ⎡𝑅1 ⎤ 2𝐸𝐴 ⎡⎢ −1 1 + 1 −1 ⎥ ⎢𝑢2 ⎥ = ⎢ 0 ⎥ . ⎥⎢ ⎥ ⎢ ⎥ 𝐿0 ⎢ 0 −1 1 ⎦ ⎣𝑢3 ⎦ ⎣ 𝑓 ̄ ⎦ ⎣ Es ist zu erkennen, dass die Steifigkeitsbeiträge an den Stellen, an denen Elemente an einem globalen Knoten zusammenfallen, addiert werden. Dies ist schematisch in Abb. 2.12 gezeigt und gilt generell in der FEM. Die zu lösende Finite-Element-Gleichung des betrachteten Gesamtsystems lautet in allgemeiner Form 𝑲𝒖 = 𝒇 , mit der Steifigkeitsmatrix 𝑲, dem Knotenverschiebungsvektor 𝒖 und dem Vektor der äußeren Knotenkräfte 𝒇. Dieses lineare Gleichungssystem ist noch nicht lösbar, da die Verschiebungen und die Lagerreaktion noch unbekannt sind. Eine eindeutige Lösung ist erst möglich durch Berücksichtigung weiterer gegebener Randbedingungen. Der Stab ist links fest eingespannt, also gilt 𝑢1 = 0. Setzt man dies noch ein, verbleiben drei Unbekannte, die mit den drei Gleichungen eindeutig berechnet werden können. Allgemein ist die lineare Gleichungslösung ein rechenintensiver Schritt in der FEM. Für dieses Beispiel lässt sich aber das Ergebnis noch einfach von Hand ermitteln. Aus den unteren zwei Gleichungen kann man die Verschiebungen 𝑢2 und 𝑢3 ermitteln. Der Gesamtverschiebungsvektor 𝒖 ergibt sich zu 𝒖=

̄ 0 ⎡0⎤ 𝑓𝐿 ⎢1⎥ . 2𝐸𝐴 ⎢2⎥ ⎣ ⎦

Die Lagerreaktion 𝑅1 wird danach aus der ersten Zeile des Gesamtsystems berechnet: 𝑅1 =

̄ 0 𝑓𝐿 2𝐸𝐴 2𝐸𝐴 𝑢1 − 𝑢 2 ] = 0− = −𝑓 ̄ . [ 𝐿0 𝐿0 [ 2𝐸𝐴 ]

Der Vergleich mit Gl. (2.8) für dieses Problem zeigt, dass sowohl für die Verschiebung als auch für die Lagerreaktion, die analytische Lösung berechnet wird. Dies gilt auch für den Verlauf der Größen über die Elemente. Da die analytische Lösung der Verschiebung für 𝑠0 = 0 einer Geradengleichung entspricht und im finiten Stabelement genau diese Ansatzfunktion genutzt wurde, ist dies zu erwarten. Sobald eine Linienlast wirkt, ist die

2.2 Diskretisierung eines Fachwerks

17



Abb. 2.13 Statisch bestimmt gelagertes Fachwerk



রব- ӵ

 ড়

োȦ

রব- ӵ রব- ӵҋ3



analytische Verschiebungslösung eine Parabel, aber die FEM-Lösung würde weiterhin einen stückweise linearen Verlauf liefern. Dies wird in Aufgabe 5.4 diskutiert.

2.2 Diskretisierung eines Fachwerks Die bisherige Betrachtung geht davon aus, dass alle Elemente auf einer Linie liegen und diese entlang einer Koordinatenachse ausgerichtet sind. Sobald ein Element nicht parallel zum Koordinatensystem liegt, müssen die Verschiebungs- und Kraftvektoren in Komponenten eines globalen Koordinatensystems (𝑥, 𝑦) dargestellt werden. Dieser Schritt muss vor dem Zusammenbau des Gleichungssystems erfolgen, da hierfür alle Matrizen in Koordinaten eines gemeinsamen Koordinatensystems angegeben werden müssen. Um dies zu illustrieren, wird nun das etwas komplexere Beispiel in Abb. 2.13 eines statisch bestimmt gelagerten Fachwerks betrachtet, das aus drei Stäben besteht. Allerdings liegen nicht mehr alle Stäbe in eine Richtung, deshalb muss das System nun zweidimensional betrachtet werden. Am Punkt 2 wirkt eine Kraft 𝑓 ̄ = 2500 N. Das Fachwerk ist im Punkt 1 gelenkig gelagert und im Punkt 3 als Loslager ausgebildet. Der E-Modul ist 𝐸 = 200 000 MPa, die Querschnittfläche 𝐴 = 25 mm2 und die Länge ℓ = 1000 mm. Bei dem Fachwerk sollen die Knotenverschiebungen 𝒖𝑖 an den Knoten 𝑖 = 1, … , 3 und die konstanten Stabkräfte 𝑺 𝑒 in den 𝑒 = 1, … , 3 Elementen berechnet werden. Da es sich um ein zweidimensionales Problem handelt, sind nun pro Knoten Verschiebungs- und Kraftvektoren zu berücksichtigen. Nach wie vor kann ein Stab nur Kräfte und Verschiebungen in Längsrichtung des Elements übertragen, mehrdimensional wird die Darstellung durch die Zerlegung der Verschiebungen und Kräfte im globalen Koordinatensystem: 𝒖𝑖 =

𝑢𝑥 [𝑢𝑦 ]𝑖

𝑺𝑒 =

𝑆𝑥 𝑒 . [ 𝑆𝑦 ]

2.2.1 Diskretisierung in Finite Elemente Das Fachwerk wird im Schritt der Diskretisierung in einzelne Stäbe zerlegt, indem an den Knoten freigeschnitten wird, s. Abb. 2.14. Da im Allgemeinen ein Stabelement nicht par-

18

2 Einführung in die lineare FEM

ঢ়  A



োȦ

4





৊>2 রব- ӵ



A

ҋ 3



C



C

৊>3 রব- ӵ





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Abb. 2.14 Diskretisierung des betrachteten Fachwerks

৖ A

C 

allel zum globalen Koordinatensystem (𝑥, 𝑦) liegt, wird in Abb. 2.15 ein weiteres lokales Koordinatensystem eingeführt mit den Koordinaten (𝑟, 𝑠). Im lokalen Koordinatensystem treten nur Verschiebungen in 𝑟 auf, in globalen Koordinaten in x- und y-Richtung. Im vorigen Kapitel wurde die Steifigkeitsgleichung und -matrix in Gl. (2.16) damit in lokalen Koordinaten aufgestellt, da das Koordinatensystem entlang der Elementachse angeordnet war. Es ist wesentlich zwischen globalen Systemknoten und lokalen Elementknoten der Diskretisierung zu unterscheiden. Insgesamt entstehen durch die hier benutzte Diskretisierung drei globale Knoten. Alle Größen, die sich auf einen globalen Knoten beziehen, werden mit einer untenstehenden arabischen Ziffer beschriftet. Jedes Element wird im freigeschnittenen Zustand von zwei lokalen Knoten berandet, es liegen also sechs lokale Knoten in dem Fachwerk vor. Für die lokale Nummerierung wird die Elementnummer oben und der lokale Knotenindex mit Buchstaben unten angegeben, z. B. für Knoten 2 in Abb. 2.14: 𝑢2 = 𝑢2J = 𝑢3I . Elementfreiheitsgrade von Nachbarelementen fallen an gemeinsamen Knoten zu Systemfreiheitsgraden zusammen.

2.2.2 Transformation von lokalen auf globale Koordinaten Im betrachteten Beispiel ist Stab 3 nicht entlang der globalen Koordinaten ausgerichtet. Für ein Gesamtgleichungssystem müssen aber alle Größen in das gleiche Koordinatensystem gedreht werden, damit koordinatenweise gerechnet werden kann. Da die ElementsteifigAbb. 2.15 Globales und lokales Koordinatensystem am Stabelement





৖ ড়

A

C

2.2 Diskretisierung eines Fachwerks

19

Abb. 2.16 Allgemeine Koordinatentransformation







৙ৗ

৙ঢ় ৖ ৙৖



৙ড়



keitsmatrix Gl. (2.16) im lokalen Koordinatensystem aufgestellt wurde, ist eine Transformation auf globale Koordinaten notwendig. Für die Kennzeichnung der Koordinatensysteme, in denen die Vektoren angegeben werden, wird die Notation erweitert: Links oben wird nun noch das Bezugskoordinatensystem angegeben, in dem die Koordinaten der Matrizen und Vektoren gegeben sind. Mit (𝒓)𝑲 𝑒 ist also die Elementsteifigkeitsmatrix in lokalen Koordinaten gemeint. Aus Abb. 2.16 lässt sich zunächst eine allgemeine Transformation eines Vektors von lokalen auf globale Koordinaten angeben über die Matrix 𝑹T : (𝒙)

𝒖=

𝑢𝑥 cos 𝜙 − sin 𝜙 𝑢𝑟 = 𝑹T = [𝑢𝑦 ] [ sin 𝜙 cos 𝜙 ][𝑢𝑠 ]

(𝒓)

𝒖.

(2.18)

Zur Herleitung stellt man die Komponenten im globalen Koordinatensystem in Anteilen des lokalen Koordinatensystems dar. Die Matrix 𝑹 wird als Rotationsmatrix bezeichnet. Für die beiden Knoten-Verschiebungen eines Stabs gilt dann: 𝑒 0 ⎤⎡ 𝑢I𝑟 ⎤ ⎡ 𝑢I𝑥 ⎤ ⎡cos 𝜙 − sin 𝜙 0 𝑒 ⎢ 𝑢I ⎥ ⎢ sin 𝜙 cos 𝜙 0 0 ⎥⎢⎢ 𝑢I𝑠 ⎥⎥ 𝑒T (𝒓) 𝑒 (𝒙) 𝑒 𝒖 . 𝒖 = ⎢ 𝑦⎥ = ⎢ 𝑒 =𝑹 ⎥ 0 cos 𝜙 − sin 𝜙⎥⎢𝑢J ⎥ ⎢𝑢J𝑥 ⎥ ⎢ 0 𝑟 ⎢𝑢 ⎥ 0 sin 𝜙 cos 𝜙 ⎦⎢𝑢𝑒 ⎥ ⎣ J𝑦 ⎦ ⎣ 0 ⎣ J⎦

(2.19)

𝑠

Genau der gleiche Zusammenhang gilt auch für die Stabkraftvektoren: (𝒙) 𝑒

T

𝑺 = 𝑹𝑒

(𝒓) 𝑒

𝑺 .

(2.20)

Eine Rotationsmatrix wird als orthogonal bezeichnet, da sie die wesentliche Eigenschaft 𝑹T = 𝑹−1 aufweist, d. h., die Transponierte der Matrix ist gleichzeitig die Inverse. Damit gilt 𝑹 𝑹T = 𝑹 𝑹−1 = 𝑰 ,

(2.21)

wobei 𝑰 die Einheitsmatrix bezeichnet. Daraus folgt, dass mit der Rotationsmatrix 𝑹 Koordinaten aus dem globalen in das lokale System umgerechnet werden können: 𝑹

(𝒙)

𝒖 = 𝑹 𝑹T (𝒓)𝒖 =

(𝒓)

𝒖.

20

2 Einführung in die lineare FEM

Um eine Transformation der Steifigkeitsgleichung Gl. (2.16) von lokalen auf globale Koordinaten formulieren zu können, ist zuvor auch im lokalen Koordinatensystem von einer zur Stablängsachse senkrechten Verschiebungsmöglichkeit 𝑢𝑒𝑠 auszugehen und die Steifigkeitsgleichung in Gl. (2.16) auf zwei Dimensionen zu erweitern: 𝑆𝑒 𝑢𝑒 ⎡ 1 0 −1 0⎤ ⎡⎢ 𝑒I𝑟 ⎤⎥ ⎡⎢ I𝑒𝑟 ⎤⎥ 𝐸𝐴 ⎢ 0 0 0 0⎥ ⎢ 𝑢I𝑠 ⎥ ⎢ 𝑆I𝑠 ⎥ . 𝑒 𝑒 = ℓ ⎢⎢−1 0 1 0⎥⎥ ⎢𝑢J𝑟 ⎥ ⎢𝑆J𝑟 ⎥ ⎣ 0 0 0 0⎦ ⎢⎣𝑢𝑒J ⎥⎦ ⎢⎣𝑆J𝑒 ⎥⎦ ⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟ 𝑠 𝑠 ⏟ ⏟ (𝒓)𝑺 𝑒

(𝒓)𝒖𝑒

(𝒓)𝑲 𝑒

(2.22)

Man sieht, dass Gl. (2.16) um Gleichungen, erweitert wurde, die aber nur Nullen enthalten. Dies dient nur dazu die Dimensionen korrekt angeben zu können. Aus Gl. (2.19) und Gl. (2.20) folgt mit Gl. (2.21) (𝒓) 𝑒

𝒖 = 𝑹𝑒

(𝒙) 𝑒

𝒖

(𝒓) 𝑒

𝑺 = 𝑹𝑒

und

(𝒙) 𝑒

𝑺 .

Eingesetzt in die Steifigkeitsgleichung in lokalen Koordinaten folgt: (𝒓)

𝑲𝑒

(𝒓) 𝑒

𝒖 =

(𝒓) 𝑒

𝑺



(𝒓)

𝑲 𝑒 𝑹𝑒

(𝒙) 𝑒

𝒖 = 𝑹𝑒

(𝒙) 𝑒

𝑺 .

T

Multiplikation mit 𝑹𝑒 von links liefert T

𝑹𝑒

(𝒓)

𝑲 𝑒 𝑹𝑒

T

(𝒙) 𝑒

𝒖 = 𝑹𝑒 𝑹𝑒

(𝒙) 𝑒

𝑺



(𝒙)

𝑲𝑒

(𝒙) 𝑒

𝒖 =

(𝒙) 𝑒

𝑺 ,

wobei die Eigenschaft Gl. (2.21) ausgenutzt wurde. Die Steifigkeitsmatrix wird also von lokalen auf globale Koordinaten transformiert durch die Beziehung T

𝑹𝑒

(𝒓)

𝑲 𝑒 𝑹𝑒 =

(𝒙)

𝑲𝑒 .

Für den Stab 3 aus Abb. 2.14 ergibt sich ein Winkel zur globalen 𝑥-Achse von 225∘ , wenn man die Orientierung des lokalen Koordinatensystems des Elements 3 beachtet, die durch die Lage von I und J definiert wird, s. Abb. 2.14. Die Rotationsmatrix lautet damit: 1 1 0 ⎤ ⎡− √2 − √2 0 0 0 ⎤ ⎢ 1 ⎥ 1 ⎡ cos 225 ∘ sin 225 ∘ 0 ⎥ 0 0 ⎥ ⎢+ √2 − √2 0 ⎢− sin 225 cos 225 3 = 𝑹 =⎢ 0 0 cos 225∘ sin 225∘ ⎥⎥ ⎢ 0 0 − 1 − 1 ⎥⎥ ⎢ ⎢ √2 √2 ∘ ∘ 0 0 − sin 225 cos 225 ⎦ ⎢ ⎣ 0 0 + 1 − 1 ⎥ ⎣ √2 √2 ⎦ ∘



und damit die Elementsteifigkeitsmatrix in globalen Koordinaten

(𝒙)

3

𝑲 =𝑹

⎡1 𝐸𝐴 ⎢ 1 𝑲 𝑹 = ⎢ 2√2ℓ ⎢−1 ⎣−1

3T (𝒓)

3

3

1 1 −1 −1

−1 −1 1 1

−1⎤ −1⎥ . 1 ⎥⎥ 1⎦

(2.23)

2.2 Diskretisierung eines Fachwerks

21

Es ist zu beachten, dass das Element 3 nicht die Länge ℓ, sondern die Länge √2ℓ besitzt. Die Transformation kann man auch für einen allgemeinen Winkel 𝛼 gemessen gegen die Horizontale angeben: 2 cos 𝛼 sin 𝛼 − cos2 𝛼 − cos 𝛼 sin 𝛼⎤ ⎡ cos 𝛼 2 sin 𝛼 − cos 𝛼 sin 𝛼 − sin2 𝛼 ⎥ 𝐸𝐴 ⎢ cos 𝛼 sin 𝛼 (𝒙) 𝑒 𝑲 = . 2 ⎢ cos2 𝛼 cos 𝛼 sin 𝛼 ⎥ ℓ ⎢ − cos 𝛼 − cos 𝛼 sin 𝛼 ⎥ 2 2 cos 𝛼 sin 𝛼 sin 𝛼 ⎦ ⎣− cos 𝛼 sin 𝛼 − sin 𝛼

(2.24)

Analog folgen damit die beiden anderen Elementsteifigkeitsmatrizen in globalen Koordinaten für einen Winkel von 90° bzw. 0° zu

(𝒙)

1

𝑲 =𝑹

⎡0 0 0 𝐸𝐴 ⎢0 1 0 𝑲 𝑹 = ℓ ⎢⎢0 0 0 ⎣0 −1 0

1 T (𝒓)

1

1

0⎤ −1⎥ , 0⎥ ⎥ 1⎦

(𝒙)

2

𝑲 =𝑹

⎡ 1 0 −1 𝐸𝐴 ⎢ 0 0 0 𝑲 𝑹 = ℓ ⎢⎢−1 0 1 ⎣0 0 0

2 T (𝒓)

2

2

0⎤ 0⎥ . 0⎥ ⎥ 0⎦

2.2.3 Zusammenbau des Gleichungssystems Bisher wurde nur ein einzelnes Element im Raum betrachtet. Um eine Gesamtlösung zu erhalten, ist aber, analog zu Kap. 2.1.4, das Freischneiden der Elemente wieder zurückzunehmen und die Interaktion an den Knoten geeignet zu berücksichtigen. Dabei sind zwei Bedingungen an einem Knoten zu erfüllen (alle folgenden Vektoren sind im globalen Koordinatensystem angegeben, deshalb wird auf die Angabe des Bezugssystems verzichtet): • das statische Gleichgewicht zwischen äußeren Kräften 𝒇𝑖 und den Schnittkräften 𝑺𝑗𝑒 an dem Knoten muss gelten, • die Verschiebungen der Elemente, die an einem globalen Knoten anliegen, müssen dort mit der Verschiebung des globalen Knotens übereinstimmen, dies wird als Verschiebungskompatibilität bezeichnet. Die allgemein möglichen äußeren Kräfte 𝒇𝑖 und die Stabkräfte 𝑺𝑗𝑒 an den Knoten sind in Abb. 2.17 eingezeichnet. Exemplarisch lauten die Gleichgewichtsbedingungen am Knoten 2: 3 2 ∑ 𝑓2𝑥 ∶ −𝑆J𝑥 − 𝑆I𝑥 + 𝑓2𝑥 = 0

und

3 2 ∑ 𝑓2𝑦 ∶ −𝑆J𝑦 − 𝑆I𝑦 + 𝑓2𝑦 = 0 .

Fasst man die einzelnen Komponenten zu Vektoren zusammen, ergibt sich folgende Vektorgleichung als Gleichgewichtsbedingung zwischen Schnittkräften und äußeren Lasten aus Abb. 2.14: 0 𝑺J2 + 𝑺I3 = 𝒇2 = , (2.25) − [ 𝑓]̄ wobei der Vektor der äußeren Lasten über die globale Knotennummer identifiziert wird. Um das Gleichungssystem standardisiert aufbauen zu können, wird eine von der üblichen Vorgehensweise in der technischen Mechanik abweichende Vorzeichenkonvention in

22

2 Einführung in die lineare FEM ো3ঢ় > ҃ ো Ȧ

াC3

ো2ঢ়

Abb. 2.17 Gleichgewicht an den globalen Knoten



ো2ড় 

াC3

৊>3 A



C াA4





াA4 ঢ় ড়

াA4 A



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4

৊>2

C

 ো3ড় > 1

A

C াC4

ো 4ড় ো4ঢ় > 1



der FEM eingeführt, s. Abb. 2.18. An beiden Schnittufern der Elemente werden die Größen immer in positive Richtung des Koordinatensystems angetragen. Damit muss man beim Aufstellen der Gleichungen nicht auf Vorzeichen achten, sondern kann die Gleichgewichtsbedingung immer wie oben anschreiben. Dies erleichtert die programmiertechnische Umsetzung. Für das weitere Rechnen mit den Stabkraftvektoren ist Gl. (2.22) in Matrixsubblöcken darzustellen: 𝑒 𝑲II𝑒 𝑲IJ 𝒖𝑒I 𝑺I𝑒 . 𝑒 = 𝑒 𝑒 [𝑲JI 𝑲JJ ][𝒖J ] [𝑺J𝑒 ] Mit diesen kann unter Beachtung der Rechenregeln für Matrizen normal gerechnet werden. Für Element 2 und 3 lassen sich die Stabkräfte am Knoten 2 damit durch die Steifigkeiten und Verschiebungen ausdrücken: 2 2 2 2 𝑺J2 = 𝑲JI 𝒖I + 𝑲JJ 𝒖J

3 3 und 𝑺I3 = 𝑲II3 𝒖3I + 𝑲IJ 𝒖J .

Dies in Gl. (2.25) eingesetzt stellt den Zusammenhang zwischen den Knotenverschiebungen und den äußeren Kräften her: 3 3 2 2 2 2 𝑺J2 + 𝑺I3 = 𝑲JI 𝒖I + 𝑲JJ 𝒖J + 𝑲II3 𝒖3I + 𝑲IJ 𝒖J = 𝒇2 .

Mit dieser Gleichung wird das Gleichgewicht am globalen Knoten 2 wiedergegeben. Analog kann man für die anderen Knoten eine solche Gleichung aufstellen: Technische Mechanik াCঢ় সC সA

Abb. 2.18 Vorzeichenkonvention in der Mechanik und der FEM াAড়

াCড় াAঢ়

Finite-Elemente-Methode াAঢ় াCঢ় সC সA াAড়

াCড়

2.2 Diskretisierung eines Fachwerks

23

1 1 1 1 2 2 𝑺J1 + 𝑺I2 = 𝑲JI 𝒖I + 𝑲JJ 𝒖J + 𝑲II2 𝒖2I + 𝑲IJ 𝒖J = 𝒇1 3 3 3 3 1 1 𝑺J3 + 𝑺I1 = 𝑲JI 𝒖J + 𝑲II1 𝒖1I + 𝑲IJ 𝒖I + 𝑲JJ 𝒖J = 𝒇3 .

Die weitere Bedingung ist die Verschiebungskompatibilität, d. h. die Verschiebungen an den lokalen Knoten der Elemente und dem sie verbindenden globalen Knoten sind nur durch das Freischneiden entstanden und sind deshalb gleich, da sonst Öffnungen oder Überschneidungen auftreten könnten. In Gleichungen ausgedrückt gilt für unser Beispiel deshalb: 𝒖1 = 𝒖1J = 𝒖2I , 𝒖2 = 𝒖2J = 𝒖3I , 𝒖3 = 𝒖3J = 𝒖1I . (2.26) Über die Verschiebungskompatibilität ist jede Kombination aus Elementnummer und lokalem Knotenindex eindeutig einer globalen Knotennummer zugeordnet. Für die Gleichgewichtsbedingung am Knoten 2 gilt damit, indem man die lokale durch die globale Nummerierung ersetzt und Gl. (2.26) berücksichtigt: 3 3 2 2 𝒖3 = 𝒇2 . )𝒖2 + 𝑲23 𝑲21 𝒖1 + (𝑲22 + 𝑲22

(2.27)

Die hochgestellten Elementindizes sind redundant und nur zur Verdeutlichung angeführt. Man erkennt, dass aufgrund der Kompatibilitätsbedingung Terme der Steifigkeitsmatrix addiert werden, und zwar immer dort, wo Elemente an Knoten miteinander verbunden sind. Alle drei Gleichungen in einer Gesamtsteifigkeitsmatrix 𝑲 zusammengefasst, ergibt: 1

2

3

2 1 2 1 ⎤⎡𝒖1 ⎤ ⎡𝒇1 ⎤ 1 ⎡𝑲11 + 𝑲11 𝑲12 𝑲13 ⎢ ⎥⎢ ⎥ ⎢ ⎥ 3 3 2 2 ⎥⎢𝒖 ⎥ = ⎢𝒇 ⎥ 2 ⎢ 𝑲21 𝑲23 𝑲22 + 𝑲22 ⎢ ⎥⎢ 2 ⎥ ⎢ 2 ⎥ ⎢ ⎢ ⎥ 3 ⎥⎢ ⎥ 3 1 1 𝑲33 + 𝑲33 ⎦⎣𝒖3 ⎦ ⎣𝒇3 ⎦ 3 ⎣ 𝑲31 𝑲32

Die globalen Knotennummern entsprechen den Indizes der Subblöcke in der Gesamtsteifigkeitsmatrix und werden zur Verdeutlichung um die Matrix angeordnet. Damit ist ein Einsortieren der Einzelmatrizen einfach möglich. Ausgeschrieben ergibt sich als Gesamtgleichungssystem: ⎡1 + 0 0 + 0 −1 0 0 0⎤⎡𝑢1 ⎤ ⎡𝑓1 ⎤ ⎥⎢ 𝑥 ⎥ ⎢ 𝑥 ⎥ ⎢ 0 0 0 −1⎥⎢𝑢 ⎥ ⎢𝑓 ⎥ ⎢0 + 0 0 + 1 ⎢ 1𝑦 ⎥ ⎢ 1𝑦 ⎥ ⎢ 1 1 1 ⎥⎢ 1 ⎥ ⎢ ⎥ 0+ − − ⎥ 0 1+ ⎢ −1 √8 √8 √8 √8 ⎢𝑢2𝑥 ⎥ ⎢𝑓2 ⎥ 𝐸𝐴 ⎢ ⎥ = ⎢ 𝑥⎥ , 1 1 1 1 ⎢ ⎥ ℓ ⎢ 0 0 0+ 0+ − − ⎥⎢𝑢 ⎥ ⎢𝑓 ⎥ √8 √8 √8 √8 ⎥ 2𝑦 2 ⎢ ⎢ ⎥ ⎢ 𝑦⎥ 1 1 1 1 ⎥⎢ ⎥ ⎢ ⎥ ⎢ 0 0 − − 0+ 0+ 𝑓 √8 √8 √8 √8 ⎥⎢𝑢3𝑥 ⎥ ⎢ ⎢ 3𝑥 ⎥ 1 1 1 ⎥⎢ 1 ⎢ ⎥ ⎢ ⎥ − 0+ 1+ 0 −1 − ⎣ ⎣𝑓3𝑦 ⎦ √8 √8 √8 √8 ⎦⎣𝑢3𝑦 ⎦

(2.28)

wobei zunächst allgemeine äußere Lasten 𝒇𝑖 an jedem globalen Knoten angenommen wurden.

24

2 Einführung in die lineare FEM

Das Gleichungssystem in Matrizenformulierung lautet damit: 𝑲𝒖 = 𝒇 ,

(2.29)

mit der Gesamtsteifigkeitsmatrix 𝑲 und den Gesamtvektoren der Knotenverschiebungen 𝒖 und der äußeren äquivalenten Knotenkräfte 𝒇. Eine der wesentlichsten Eigenschaften der Steifigkeitsmatrix ist hier nun sichtbar: Die Steifigkeitsmatrix 𝑲 ist symmetrisch.

2.2.4 Einbringen von Randbedingungen und äußeren Lasten Das lineare Gleichungssystem Gl. (2.28) gilt ganz allgemein für das gezeigte Fachwerk. Um eine spezifische Lösung zu erhalten, sind noch die Verschiebungsrandbedingungen und die problemspezifischen äußeren Lasten einzusetzen, bevor das Gleichungssystem gelöst werden kann. Generell ist an einem Knoten des Rands immer entweder die Verschiebung vorzugeben oder eine äußere Last. Sehr häufig treten sogenannte homogene Randbedingungen auf, d. h. der Wert ist an dieser Stelle null, bei Verschiebungen bedeutet dies z. B., dass eine Lagerung vorliegt. Größen, die als Randbedingung oder äußere Last gegeben sind, werden mit einem Überstrich ()̄ gekennzeichnet, s. Abb. 2.17. In unserem Beispiel sind die Randbedingungen und äußeren Lasten gegeben durch: 𝑢1̄ 𝑥 = 0, 𝑢1̄ 𝑦 = 0 𝑓2̄ 𝑥 = 0, 𝑓2̄ 𝑦 = −𝑓 ̄ 𝑓3̄ 𝑦 = 0, 𝑢3̄ 𝑥 = 0 . Setzt man dies in Gl. (2.28) ein, folgt für die Verschiebungs- und Kraftvektoren: T

𝒖 = [0 0 𝑢2𝑥 𝑢2𝑦 0 𝑢3𝑦 ]

T

und 𝒇 = [𝑓1𝑥 𝑓1𝑦 0 −𝑓 ̄ 𝑓3𝑥 ] .

2.2.5 Lösen des Gleichungssystems Durch die oben eingeführte Vorgehensweise ist die Differenzialgleichung des Stabs aus Gl. (2.5) (rechts) in ein lineares Gleichungssystem Gl. (2.29) überführt worden, das nun noch gelöst werden muss, um die unbekannten Verschiebungen zu erhalten. Zur Lösung des Gleichungssystems ist es so umzusortieren, dass links ein Vektor mit Unbekannten steht und rechts ein Vektor, der nur bekannte Größen enthält. Besonders einfach geht dies, wenn homogene Randbedingungen vorliegen. In diesem Beispiel sind drei Verschiebungen null. Man kann nun die zu diesen gegebenen homogenen Verschiebungsrandbedingungen gehörigen Zeilen und Spalten löschen (hier Zeilen und Spalten 1, 2, 5) und erhält das folgende lineare Gleichungssystem:

2.2 Diskretisierung eines Fachwerks

25

1 1 1 ⎡1 + √8 √8 − √8 ⎤⎡𝑢2𝑥 ⎤ ⎡ 0 ⎤ ⎡𝐾33 𝐾34 𝐾36 ⎤⎡𝑢2𝑥 ⎤ ⎢ 1 ⎥⎢ ⎥ ⎢ ⎥ ⎢ ⎥⎢ ⎥ 1 − 1 ⎥⎢𝑢 ⎥ = ⎢−𝑓⎥̄ . ⎢𝐾43 𝐾44 𝐾46 ⎥⎢𝑢2 ⎥ = 𝐸𝐴 ⎢ √8 √8 √8 𝑦 ⎢ ⎥⎢ ⎥ ⎥⎢ 2𝑦 ⎥ ⎢ ⎥ ℓ ⎢ ⎢𝐾 𝐾 𝐾 ⎥⎢𝑢 ⎥ ⎢ − 1 − 1 1 + 1 ⎥⎢𝑢 ⎥ ⎢ 0 ⎥ ⎣ ⎦ ⎣ 63 64 66 ⎦⎣ 3𝑦 ⎦ ⎣ √8 √8 √8 ⎦⎣ 3𝑦 ⎦

(2.30)

Dies ist zulässig, da eine homogene Verschiebungsrandbedingung bedeutet, dass die in der Steifigkeitsmatrix korrespondierende Spalte mit Null multipliziert wird. Aus diesem Grund kann man eine solche Spalte aus dem Gleichungssystem entfernen. Die korrespondierenden Zeilen werden gestrichen, da hier die rechte Seite, d. h. die Kräfte, die Unbekannten sind und somit nicht sofort gelöst werden können, da zuvor die Verschiebungen berechnet werden müssen. Diese Zeilen werden nach der Lösung des reduzierten Gleichungssystems Gl. (2.30) für die Verschiebungen genutzt, um über eine Nachschaltrechnung die Knotenreaktionskräfte 𝑓1𝑥 , 𝑓1𝑦 , 𝑓3𝑥 zu berechnen. Der Gesamtvektor der Verschiebungen lautet nach Auflösen von Gl. (2.30) T

𝒖 = [𝑢1𝑥 𝑢1𝑦 𝑢2𝑥 𝑢2𝑦 𝑢3𝑥 𝑢3𝑦 ] = [0,0 0,0 0,5 − 2,4142 0,0 − 0,5]T mm . Die unbekannten Lagerreaktionen 𝑓1𝑥 , 𝑓1𝑦 , 𝑓3𝑥 werden aus den bisher unbenutzten Zeilen 1, 2 und 5 bestimmt 𝐸𝐴 𝑢 = 𝑓1𝑥 ℓ 2𝑥 𝐸𝐴 − 𝑢 = 𝑓1𝑦 ℓ 3𝑦



𝐸𝐴 ℓ√8

(𝑢3𝑦 − 𝑢2𝑥 − 𝑢2𝑦 ) = 𝑓3𝑥



𝑓1𝑥 = −2500,0 N



𝑓1𝑦 = +2500,0 N



𝑓3𝑥 = +2500,0 N .

Zuletzt sind noch die Stabkräfte mit Gl. (2.16) aus den Elementgleichungen zu berechnen. Bei der Interpretation ist die Orientierung des globalen Koordinatensystems und die Vorzeichenkonvention der FEM in Abb. 2.18 zu beachten. Eine positive Kraft bedeutet, dass diese in positive Achsenrichtung zeigt, eine negative Zahl, dass sie in negative Richtung zeigt. 𝑺 1 = 𝑲 1 𝒖1 = 𝑲 1

𝒖1I 𝑺1 = I1 = [0,0 1 [𝒖J ] [𝑺J ]

𝑺 2 = 𝑲 2 𝒖2 = [−2500,0

0,0

𝑺 3 = 𝑲 3 𝒖3 = [−2500,0

− 2500,0

− 2500,0

2500,0

0,0

2500,0]T N

0,0]T N

2500,0

2500,0]T N .

Die Stabkräfte sind in globalen Koordinaten angegeben. Der Stab 1 steht senkrecht, deshalb sind nur die y-Komponenten von null verschieden. Der lokale Knoten I ist global der Knoten 3. Dort wirkt nach Konvention eine Kraft in negative y-Richtung, am anderen Knoten (global Knoten 1) eine positive Kraft. Der Stab wird also gedehnt, wie man dies aus der Verschiebung des Knotens 3 auch erwartet. Die gleiche Argumentation gilt für den Stab 2, der horizontal liegt. In beiden Stäben wirkt die Stabkraft 2500,0 N.

26

2 Einführung in die lineare FEM

Zur Interpretation der Stabkraft im Element 3 sind die globalen Koordinaten mit Gl. (2.23) ins lokale Koordinatensystem zu transformieren. Es ergibt sich (𝒓) 3

𝑺 = 𝑹3 (𝒙)𝑺 3 = [3535,0

0,0

0,0]T N .

− 3535,0

Die ersten beiden Einträge des Vektors korrespondieren zum lokalen Knoten I, der global Knoten 2 entspricht. Aufgrund der Orientierung des lokalen Koordinatensystems des Stabs 3, s. Abb. 2.14, wirkt die Kraft von 3535,0 N auf den Stab. Dasselbe gilt mit umgekehrtem Vorzeichen am Knoten J. Damit wird dieser Stab insgesamt gestaucht.

2.3 Beispiel: Stab mit veränderlichem Querschnitt Im Folgenden wird der gesamte Ablauf einer FE-Berechnung an einem weiteren Beispiel in Abb. 2.19 vorgeführt und es werden einige allgemeine Eigenschaften der FEM erläutert. Der Querschnitt des Stabs ist rechteckig. An der Einspannung ist die Fläche 𝐴0 = 1000 mm2 , die bis zum Endquerschnitt 𝐴𝐿 = 100 mm2 linear abnimmt. Die Länge ist 𝐿 = 1000 mm, der Elastizitätsmodul 𝐸 = 30 000 N/mm2 . Der Körper wird durch die Kraft 𝑓 ̄ = 2000 N belastet. Dieses Problem lässt sich zum Vergleich analytisch lösen. Die Spannung in Gl. (2.3) kann über die konstante Schnittkraft 𝑆(𝑥) = 𝑓 und den Verlauf der Querschnittfläche 𝐴(𝑥) = 𝐴0 + (𝐴𝐿 − 𝐴0 ) zu 𝜎(𝑥) =

𝑥 𝐿

𝑓̄ 𝑆(𝑥) = 𝐴(𝑥) 𝐴0 + (𝐴𝐿 − 𝐴0 ) 𝐿𝑥

berechnet werden. Mit dem Materialgesetz in Gl. (2.2) und der Randbedingung 𝑢(0) = 0 können durch Integration aus 𝜀 = 𝑢′ = d𝑢/d𝑥 die Verschiebungen berechnet werden: 𝑢(𝑥)

d𝑢 = 𝑢(𝑥) =

∫ 𝑢(0)

𝑓̄ 𝑥 𝑓 ̄𝐿 𝜎 𝑥̂ 𝑥 1 d𝑥̂ = ln (𝐴0 + (𝐴𝐿 − 𝐴0 ) )] d𝑥̂ = [ 𝑥 ̂ ∫ 𝐸∫ 𝐸(𝐴𝐿 − 𝐴0 ) 𝐿 0 0 𝐸 0 𝐴0 + (𝐴𝐿 − 𝐴0 ) 𝑥

𝐿

und damit 𝑢(𝑥) =

̄ 𝐴 𝑓𝐿 𝑥 ln 1 + ( 𝐿 − 1) ) . 𝐸(𝐴𝐿 − 𝐴0 ) ( 𝐴0 𝐿

In Abb. 2.20a und Abb. 2.20b sind die analytischen Lösungen für den Verschiebungs- und Spannungsverlauf dargestellt.

Als Näherungslösung wird mit einer Diskretisierung durch zwei Stabelemente mit unterschiedlichem Querschnitt 𝐴1 , 𝐴2 und Länge ℓ1 , ℓ2 eine numerische Lösung berechnet, s. Abb. 2.21. Die Grundgleichungen für ein Stabelement wurden in Kap. 2.1 hergeleitet. Die lokalen Koordinaten sind Abb. 2.19 Stab mit linear veränderlichem Querschnitt

ড়- ৙)ড়* ব1

বষ



োȦ ষ

2.3 Beispiel: Stab mit veränderlichem Querschnitt

27

31 ౬ 0 /0NN3

৙ 0 NN

1/26 1/2 6 Զ 21҃3

26 21 6

1 1

2

1/6 ড়0ষ

1

Abb. 2.20a Analytische Lösung eines Stabs mit veränderlichem Querschnitt – Verschiebung

𝒖1 = [𝑢1I

𝑢1J ]

T

2

1/6 ড়0ষ

Abb. 2.20b Analytische Lösung eines Stabs mit veränderlichem Querschnitt – Spannung

und 𝒖2 = [𝑢2I

T

𝑢2J ] .

In globalen Koordinaten gibt es drei Verschiebungen, wobei hier nun die willkürliche Nummerierung zu beachten ist, da die globalen Knotennummern beliebig vergeben werden können: 𝒖 = [𝑢5 𝑢7 𝑢9 ]T . Die Kompatibilitätsbedingung lautet: 𝑢1J = 𝑢2I = 𝑢7 und führt unter Beachtung der unterschiedlichen Längen und Querschnitte auf das Gesamtgleichungssystem 𝑲𝒖 = 𝒇: 𝐴1

⎡ ℓ1 ⎢ 1 𝐸⎢− 𝐴1 ℓ ⎢ 0 ⎣

1

− 𝐴ℓ1

𝐴1 ℓ1

+

𝐴2 ℓ2

2 − 𝐴ℓ2

0 ⎤ 𝑢 ⎡𝑓5 ⎤ 2 ⎥⎡ 5 ⎤ − 𝐴ℓ2 ⎥⎢𝑢7 ⎥ = ⎢𝑓7 ⎥ . ⎢ ⎥ ⎢ ⎥ 𝐴2 ⎥⎣𝑢9 ⎦ ⎣𝑓9 ⎦ ⎦ 2 ℓ

(2.31)

Zur Lösung sind noch die Verschiebungsrandbedingung 𝑢5 = 0 und die äußere Kraft 𝑓9 = 𝑓 ̄ einzusetzen. Am Knoten 7 wirkt keine äußere Kraft, da weder eine Streckenlast noch eine Punktlast vorgegeben sind, d. h. 𝑓7 = 0. Die Randbedingung 𝑢5 = 0 erlaubt das Streichen der mit dem Index des Knotens verbundenen Spalte und Zeile und liefert schließlich: 𝐸

Abb. 2.21 Diskretisierung eines Stabs mit linear veränderlichem Querschnitt durch zwei Finite Elemente

𝐴1 ℓ1

+

𝐴2 ℓ2

2

[ − 𝐴2 ℓ

2

− 𝐴ℓ2 𝐴2 ℓ2

𝑢7 0 = . ][𝑢9 ] [𝑓]̄ ড়- ৙)ড়*



৊>2 ব2 ӵ2



৊>3 ব3  োȦ ӵ3

28

2 Einführung in die lineare FEM

Dieses Gleichungssystem kann nun direkt aufgelöst werden, um die unbekannten Verschiebungen zu erhalten. Mit den Zahlenwerten 𝐴1 = 775 mm2 , 𝐴2 = 325 mm2 , ℓ1 = 400 mm, ℓ2 = 600 mm, 𝐸 = 30 000 N/mm2 , 𝑓 ̄ = 2000 N ergibt sich ⎡𝑢5 ⎤ ⎡0,0000⎤ ⎢𝑢7 ⎥ = ⎢0,0344⎥mm . ⎥ ⎢ ⎥ ⎢ ⎣𝑢9 ⎦ ⎣0,1575⎦ Die Lagerkraft kann in der Nachschaltrechnung aus der gestrichenen ersten Zeile von Gl. (2.31) bestimmt werden: 𝑓5 = −𝐸

𝐴1 𝑢7 = −2000 N = −𝑓 ̄ . ℓ1

Die Dehnungen errechnen sich allgemein mit Gl. (2.1) und Gl. (2.13). Da für 𝑢𝑒̃ ein linearer Ansatz gewählt wurde, ist die Ableitung konstant. Dies bedeutet, dass die Dehnung in jedem Element konstant verläuft: 𝜀1̃ =

1 𝑢7 = 8,6022 ⋅ 10−5 ℓ1

und 𝜀2̃ = −

1 1 𝑢7 + 2 𝑢9 = 20,0513 ⋅ 10−5 . ℓ2 ℓ

Die Schnittkräfte in beiden Elementen müssen aus statischen Gründen gleich sein und errechnen sich nach Gl. (2.4) zu 𝑆 1 = 𝑆 2 = 𝐸𝐴1 (𝑢1̃ )′ = 𝐸𝐴2 (𝑢2̃ )′ = 2000 N = 𝑓 ̄ . Die Spannungen ergeben sich aus Gl. (2.3) zu 𝜎 𝑒 = 𝑆 𝑒 /𝐴𝑒



𝜎̃ 1 = 2,5806 N/mm2

und 𝜎̃ 2 = 6,1538 N/mm2 .

Die Spannungen sind in jedem Element konstant. Die Ergebnisse für die Verschiebung sind in Abb. 2.22a und für die Spannungen in Abb. 2.22b der analytischen Lösung gegenübergestellt. Die Verschiebungslösung wird durch Geradenstücke approximiert und ist im Bereich, in dem die exakte Lösung wenig gekrümmt ist, bereits relativ gut. Anders ist die 31

৙ 0 NN

౬ 0 /0NN3

1/26

1 1

1/6 ড়0ষ

2

Abb. 2.22a Verschiebungsverlauf der analytischen ( ) und der numerischen Lösungen mit ) und acht ( ) Elementen zwei (

1

1/6 ড়0ষ

2

Abb. 2.22b Spannungsverlauf der analytischen ( ) und der numerischen Lösungen mit zwei ) und acht ( ) Elementen (

2.4 Aufgaben

29

Situation bei der Spannung. Hier kann ein Stabelement nur einen konstanten Wert über das gesamte Element darstellen. Bei einem nicht-konstanten Verlauf der exakten Lösung wird diese durch eine stückweise konstante Funktion approximiert. Dies führt in diesem Beispiel zu einem erheblichen Fehler. Neben der Lösung für zwei Elemente ist auch noch eine verbesserte Lösung mit acht Elementen gleicher Länge eingezeichnet1 . Man sieht, dass die Verschiebungen bereits mit acht Elementen sehr gut mit der analytischen Lösung übereinstimmen. Bei den Spannungen ist dies nicht so, da diese durch lineare Elemente nur als Konstanten genähert werden können. Da am Ende des Stabs die Spannungen stark ansteigen, ist hier die Spannungslösung nicht ausreichend. An diesen Ergebnissen kann man bereits drei wichtige allgemeine Eigenschaften der FEM sehen: • Eine Verbesserung der Lösung kann erreicht werden, indem die Anzahl der Freiheitsgrade erhöht wird, in diesem Fall durch mehr Elemente bzw. Knoten. • Die primäre Feldvariable (Verschiebung) wird besser genähert als die sekundäre (Spannungen), da diese über eine Ableitung aus der primären Feldvariablen definiert ist und dies hat immer niedrigere Ansatzgrade in den Näherungspolynomen zur Folge. • Die primäre Feldvariable ist über Elementgrenzen stetig, die sekundäre nicht. Dies folgt aus der Forderung nach Verschiebungskompatibilität.

2.4 Aufgaben 2.1. Bestimmen Sie für das gezeichnete Stabelement mit 𝐸𝐴/ℓ = 1 N/m: ঢ় • die Elementsteifigkeitsmatrix im lokalen Koordinatensystem (𝒓)𝑲 𝑒 , • die Rotationsmatrix 𝑹𝑒 und • die Elementsteifigkeitsmatrix im globalen Koordinatensystem (𝒙)𝑲 𝑒 .





౷ > 41҉ ড়

2.2. Ein Vektor von Stabkräften (𝒙)𝑺 in globalen Koordinaten ist gegeben: (𝒙)

𝑺 = [−920,51

− 390,73

920,51

390,73]T N .

• Berechnen Sie für einen Rotationswinkel des Elements von 23° den Vektor (𝒓)𝑺. • Erläutern Sie den Aufbau des Vektors (𝒓)𝑺 mit den Eigenschaften eines Stabelements und beantworten Sie, ob der Stab gedehnt oder gestaucht wird. 2.3. Der gezeichnete Stab soll auf Normaldehnungen untersucht werden. In der Entfernung ℓ1 vom Ursprung wirkt eine Kraft 𝑓.̄ ড় Gegeben: 𝑓 ̄ = 1000 N, 𝐴 = 20 mm2 , ℓ1 = 1 m, ℓ2 = 1,2 m, 𝐸 = 210 000 N/mm2 . 1

োȦ ӯ2

ব ӯ3

Im elektronischen Zusatzmaterial zum Buch ist ein MATLAB-Skript angegeben, mit dem das o. g. Beispiel für eine beliebige Anzahl Elemente berechnet werden kann.

30

2 Einführung in die lineare FEM

Legen Sie die minimal notwendige Diskretisierung fest und geben Sie die folgenden Größen in den Einheiten N und mm an: a) die Elementsteifigkeitsmatrizen 𝑲 𝑒 , b) die Gesamtsteifigkeitsmatrix 𝑲 vor dem Einsetzen der Randbedingungen, c) die Vektoren der Knotenverschiebungen 𝒖 und Knotenlasten 𝒇 mit den gegebenen Größen, d) das zu lösende Gleichungssystem nach dem Einsetzen der Verschiebungsrandbedingungen. e) Berechnen Sie damit den Vektor der Knotenverschiebungen 𝒖. f) Geben Sie die Reaktionskraft an der Einspannstelle an. 2.4. Im Bild ist ein wiederkehrendes Element bei Fachwerkhäusern und Brücken dargestellt, das idealisiert als der dargestellte Aufbau aus drei Stäben modelliert werden kann. Berechnen Sie die Verschiebung des Knotens an dem die Kraft 𝑓 ̄ angreift mit der FEM. Bearbeiten Sie dazu die folgenden Teilpunkte:

োঢ়Ȧ



ҋ -ӯ





3

োড়Ȧ র

রব- ӯ

a) Legen Sie eine minimal notwendige Diskretisierung fest und vergeben Sie Knoten- und Elementnummern. b) Bestimmen Sie die Element-Steifigkeitsmatrizen für die Stäbe für ein ebenes Problem. c) Bauen Sie die Gesamtsteifigkeitsmatrix auf und geben Sie das Gleichungssystem vor dem Einsetzen der gegebenen Größen an. d) Setzen Sie Randbedingungen und äußere Lasten ein und ermitteln Sie das zu lösende Gleichungssystem. e) Berechnen Sie die Verschiebungen am Kraftangriffspunkt in Abhängigkeit der gegebenen Größen.





ҋ 3

ড় ӯ

ӯ

f) Geben Sie zusätzlich die Lagerreaktionen am linken Lager an. 2.5. Schreiben Sie ein MATLAB® -Programm, das die Verschiebungen und Stabkräfte des Fachwerks aus Kap. 2.2 mit den dort gegebenen Daten berechnet. Berechnen Sie die Länge jedes Elements aus den Knotenkoordinaten. Nutzen Sie die Diskretisierung aus Abb. 2.14.

Kapitel 3

Mechanische Größen der Strukturmechanik

In diesem Kapitel werden die wichtigsten Begriffe der Elastizitätslehre bei infinitesimal kleinen Verzerrungen eingeführt. Für umfassende Darstellungen sei auf die Standardliteratur der technischen Mechanik verwiesen, z. B. Gross, Hauger und Wriggers [3, Kap. 2]. Zur Vereinfachung wird angenommen, dass alle Vorgänge linear sind, d. h. Verschiebungen von Punkten lassen sich durch lineare Funktionen beschreiben und das Materialverhalten wird als linear angenommen. Die nichtlineare Erweiterung folgt in Kap. 9. Die auftretenden Größen sind Tensoren. Hierfür gibt es sowohl eine symbolische Tensorschreibweise als auch eine Indexnotation. Beide Schreibweisen werden in diesem Kapitel soweit möglich redundant nebeneinandergestellt. In der symbolischen Schreibweise werden für Tensoren aufrechte, serifenlose Buchstaben benutzt, wobei ein Tensor 1. Stufe, wo möglich, mit einem Kleinbuchstaben 𝗮 bezeichnet wird und ein Tensor 2. Stufe mit einem Großbuchstaben, z. B. 𝗔. Leser, die mit diesen Schreibweisen nicht vertraut sind, sollten vorab Anh. A.2 durcharbeiten.

3.1 Formulierung des Randwertproblems Abbildung 3.1 zeigt einen allgemeinen Körper in einem kartesischen Koordinatensystem (𝑥, 𝑦, 𝑧) unter äußeren Belastungen. Das Volumen, das der Körper einnimmt, wird mit 𝑉 bezeichnet und der Rand mit 𝐴. Abb. 3.1 Allgemeine Belastung eines Körpers

୓QȦ



ୡȦ



ু ঢ়





ୢȦ > 1

୏Ȧ

ୢ)୥*

Ergänzende Information Die elektronische Version dieses Kapitels enthält Zusatzmaterial, auf das über folgenden Link zugegriffen werden kann (https://doi.org/10.1007/978-3-658-36522-6_3) © Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2022 M. Wagner, Lineare und nichtlineare FEM, https://doi.org/10.1007/978-3-658-36522-6_3

31

32

3 Mechanische Größen der Strukturmechanik

Abb. 3.2 Einteilung der Deformation eines Körpers

%FGPSNBUJPO 4UBSSL¶SQFSCFXFHVOH

7FS[FSSVOH

7PMVNFO¤OEFSVOH

'PSN¤OEFSVOH

/PSNBM %FIOVOH

4DIFSVOH (MFJUVOH

Die Ortsvektoren zu jedem Punkt werden im Vektor (Tensor 1. Stufe) 𝘅 angegeben: 𝘅 = [𝑥 𝑦 𝑧]T = 𝑥𝑖 . Äußere Belastungen verursachen Verschiebungen jedes Körperpunkts, die im Verschiebungsvektor 𝘂(𝘅) = [𝑢𝑥 (𝑥, 𝑦, 𝑧)

𝑢𝑦 (𝑥, 𝑦, 𝑧)

𝑢𝑧 (𝑥, 𝑦, 𝑧)]T = 𝑢𝑖 (𝑥𝑗 )

zusammengefasst werden. Wie bereits erwähnt wird sowohl die symbolische als auch die Indexnotation angegeben, für Details s. Anh. A.2. Zu erwähnen ist an dieser Stelle, dass in der Indexnotation die Koordinaten mit einem numerischen Index von 1 bis 3 bezeichnet werden, dies entspricht dann den Koordinaten (𝑥, 𝑦, 𝑧) = (𝑥1 , 𝑥2 , 𝑥3 ). Diese Veränderung der Form und Lage des Körpers wird als Deformation bezeichnet. Eine allgemeine Deformation weist dabei zwei Anteile auf: Zunächst kann sich ein Körper als Ganzes, ohne relative Änderung der Abstände der einzelnen Körperpunkte bewegen. Dies wird als Starrkörperbewegung bezeichnet. Im Dreidimensionalen gibt es sechs Starrkörperfreiheitsgrade (drei Translationen und drei Rotationen).Treten relative Abstandsänderungen auf, spricht man von Verzerrung oder Verformung des Körpers. Dies kann eine Volumenänderung sein oder eine reine Gestalt- oder Formänderung, s. Abb. 3.2. Es ist an dieser Stelle wichtig, sich nochmals den Unterschied zwischen den Koordinaten zu einem Punkt im Vektor 𝘅 und der an diesem Punkt stattfindenden Verschiebung 𝘂(𝘅) zu verdeutlichen, die an jedem Ort unterschiedlich sein kann und damit eine Funktion des Ortsvektors ist. In der hier dargestellten Formulierung stellt der Verschiebungsvektor die unbekannte zu ermittelnde primäre Feldgröße dar. Die Situation in Abb. 3.1 stellt ein Randwertproblem dar: Der Zustand des Körpers wird durch partielle Differenzialgleichungen für das Volumen 𝑉 und Randbedingungen auf 𝐴 beschrieben. Für ein vollständig definiertes Randwertproblem sind auf dem gesamten Rand 𝐴 Bedingungen für die Verschiebung 𝘂 oder den Vektor der Oberflächenlasten 𝘁 vorzugeben: 𝘂 = 𝘂̄ = 𝑢𝑖̄

auf 𝐴u

und

𝘁 = 𝘁 ̄ = 𝑡𝑖̄

auf 𝐴t .

(3.1)

Ein Überstrich ()̄ kennzeichnet eine vorgegebene, bekannte Größe. Der Teilrand 𝐴u umfasst alle Segmente, auf denen Verschiebungen bzw. Lagerungen vorgegeben sind und 𝐴t alle Teilbereiche, auf denen Lasten wirken. Auf jedem Punkt von 𝐴 muss für jeden Freiheitsgrad 𝑖 genau eine der beiden Größen 𝑢𝑖 oder 𝑡𝑖 vorgegeben sein. Die Teilbereiche 𝐴u und 𝐴t überlappen sich also nicht und es gibt auch keine Lücken. Ist explizit keine Rand-

3.2 Spannungszustand

33

bedingung angegeben, wird immer eine homogene Lastbedingung einer freien Oberfläche angenommen, d. h. 𝘁 ̄ = 0. Die in Abb. 3.1 dargestellten äußeren Belastungen können sein: • Volumenlasten 𝗯,̄ die auf jeden Materiepunkt im Volumen V wirken, z. B. die Erdbeschleunigung 𝑔, • Flächenlasten 𝘁 ̄ auf 𝐴t , z. B. eine Druckrandbedingung. In 2-D-Modellen entspricht dem eine Linienlast. • Punktlasten 𝗳P̄ . Punktlasten sind eine Idealisierung, da sie auf einem unendlich klein gedachten Punkt aufgebracht werden. Dadurch wäre die Flächenpressung unendlich und jedes Material würde durch Versagen darauf reagieren. In der Realität wird immer eine endliche Fläche belastet. Andere Begriffe für diesen Randbedingungstyp sind kinetische, Neumann’sche oder natürliche Randbedingungen. Verschiebungsrandbedingungen 𝘂̄ werden allgemeiner als kinematische, Dirichlet’sche oder wesentliche Randbedingungen bezeichnet. Diese Begriffe gelten auch für andere physikalische Feldprobleme, wie die Wärmeleitung etc. Das oben genannte Differenzialgleichungssystem besteht in der Strukturmechanik generell aus drei Beziehungen für • die Kinematik: Beziehung zwischen den Verschiebungen und den daraus resultierenden Verzerrungen im betrachteten System, • das Materialgesetz: Beziehung zwischen den Verzerrungen und den Spannungen, • die Gleichgewichtsbedingungen: Bilanzierung der äußeren und inneren Spannungen. Diese werden im Folgenden erläutert.

3.2 Spannungszustand Eine äußere Belastung ruft im Inneren eines Körpers Kräfte hervor, die der Wirkung der äußeren Kräfte entgegengesetzt sind. Schneidet man einen Körper mit einer beliebigen Schnittebene 𝐴, die über die Flächennormale 𝗻 definiert wird, s. Abb. 3.3, dann wirken verteilt über diese Schnittfläche veränderliche Lasten 𝘁. Um diesen Belastungszustand 𝘁 in einem Punkt der Fläche zu definieren, betrachtet man eine Teilschnittfläche 𝛥𝐴 mit der dort wirkenden mittleren Kraft 𝛥𝗳 und definiert den Spannungsvektor 𝘁 mit einem Grenzübergang 𝛥𝗳 d𝗳 𝘁 = lim = . (3.2) 𝛥𝐴→0 𝛥𝐴 d𝐴 ୛

Abb. 3.3 Äußere Belastung eines Kontinuums

ୡO

ృব ୓2

ୡȦ

ୢȦ > 1

ୢȦ > 1 4DIOJUUFCFOF "

ృ୓

୓2 ୡU



34

3 Mechanische Größen der Strukturmechanik

Abb. 3.4 Komponenten des Spannungstensors an einem infinitesimal kleinen Körperausschnitt

౬৞৞ ৞ ౬৞ঢ় ౬৞ড়

౬ঢ়৞

౬ড়৞

౬ড়ড়

౬ঢ়ঢ় ౬ড়ঢ়

౬ঢ়ড়





Der Anteil des Spannungsvektors senkrecht zur Schnittebene wird als Normalspannung 𝘁n bezeichnet, die Tangentialkomponente als Schubspannung 𝘁t , s. Abb. 3.3. Der Spannungsvektor hängt allerdings von der Orientierung der Schnittrichtung ab und ist damit nicht als allgemeine Größe für den Belastungszustand in einem Punkt geeignet, da es beliebig viele Schnittebenen und damit auch Spannungsvektoren gibt. Um eine einfache und von der Schnittrichtung unabhängige Möglichkeit zu bekommen, den Spannungszustand zu charakterisieren, definiert man ein kartesisches Koordinatensystem und nutzt die drei Spannungsvektoren auf den zugehörigen Koordinatenebenen. Zerlegt man diese Basisspannungsvektoren in die Koordinatenrichtungen, erhält man die Darstellung in Abb. 3.4 mit den zugehörigen Bezeichnungen der Komponenten. Der erste Index gibt dabei die Richtung der Normale der Ebene an, auf der der Basisspannungsvektor steht und die zweite Komponente die Richtung, in die die Komponente des Vektors zeigt. Ordnet man die Komponenten aller Basisspannungsvektoren als Zeilen in einer Matrix an, folgt der Spannungstensor ⎡𝜎𝑥𝑥 𝜎𝑥𝑦 𝜎𝑥𝑧 ⎤ 𝞂 = ⎢𝜎𝑦𝑥 𝜎𝑦𝑦 𝜎𝑦𝑧 ⎥ = 𝜎𝑖𝑗 , ⎥ ⎢ ⎣𝜎𝑧𝑥 𝜎𝑧𝑦 𝜎𝑧𝑧 ⎦ wobei die Terme auf der Hauptdiagonale als Normalspannungen interpretiert werden können und die Nebendiagonalterme als Schubspannungen. Bei Altenbach [1, Kap. 4.2, S. 147] wird über Gleichgewichtsbetrachtungen gezeigt, dass dann das Cauchy’sche Fundamentaltheorem gilt: 𝘁 = 𝞂T ⋅ 𝗻

bzw.

𝑡𝑖 = 𝜎𝑗𝑖 𝑛𝑗 .

(3.3)

Durch Wahl eines Normalenvektors 𝗻 einer beliebigen Ebene und Multiplikation mit dem transponierten Spannungstensor kann man jeden beliebigen Spannungsvektor erzeugen. Damit beschreibt der Spannungstensor richtungsunabhängig den allgemeinen Spannungszustand in einem beliebigen Punkt eines Körpers. Der Spannungstensor 𝞂 ist ein Tensor 2. Stufe, wobei die wichtigste Eigenschaft eines Tensors ist, dass seine physikalische Aussage unabhängig von der Wahl eines Bezugskoordinatensystems für die Komponentendarstellung ist. Mathematisch sind Tensoren Abbildungsvorschriften für Vektoren auf Vektoren (In Gl. (3.3) wird 𝗻 auf 𝘁 abgebildet). Dabei werden die Vektoren gedreht und gestaucht oder gestreckt.

3.2 Spannungszustand

35

Für den Spannungstensor existiert ein ausgezeichnetes Koordinatensystem, das Hauptachsensystem. Dieses wird als das Koordinatensystem definiert in dem der Spannungsvektor dieselbe Richtung wie der Normalenvektor hat: 𝘁 = 𝜆𝗻, wobei 𝜆 ein zunächst beliebiger Parameter ist, da beide Vektoren nicht denselben Betrag haben müssen. Diese Fragestellung entspricht der Berechnung von Eigenwerten und Eigenvektoren (s. Kap. 8.2), wo die Lösungsvektoren von linearen Gleichungssystemen gesucht werden, die in dieselbe Richtung wie der Vektor der rechten Seite zeigen. Aus Sicht einer tensoriellen Abbildung findet nur eine Streckung, aber keine Drehung des Vektors statt. Durch Einsetzen in Gl. (3.3) und Umformen ergibt sich: T (𝞂 − 𝜆𝗜) ⋅ 𝗻 = 0 ,

bzw.

(𝜎𝑗𝑖 − 𝜆𝛿𝑖𝑗 ) 𝑛𝑗 = 0 ,

wobei 𝗜 = 𝛿𝑖𝑗 der Einheitstensor ist. Dieses Gleichungssystem hat nur dann nichttriviale Lösungen für den Normalenvektor, wenn die Koeffizientendeterminante Nullstellen aufweist: 𝜎𝑥𝑧 ⎤ ⎡𝜎𝑥𝑥 − 𝜆 𝜎𝑥𝑦 det (𝜎𝑗𝑖 − 𝜆𝛿𝑖𝑗 ) = det ⎢ 𝜎𝑦𝑥 𝜎𝑦𝑦 − 𝜆 𝜎𝑦𝑧 ⎥ = 0 . ⎥ ⎢ 𝜎𝑧𝑦 𝜎𝑧𝑧 − 𝜆⎦ ⎣ 𝜎𝑧𝑥 Mit der Sarrus’schen Regel bzw. dem Laplace’schen Entwicklungssatz folgt die kubische Gleichung: 𝜆3 − 𝐼1 𝜆2 − 𝐼2 𝜆 − 𝐼3 = 0 (3.4) mit den Hauptinvarianten des Spannungstensors: 𝐼1 = Sp 𝞂 = 𝜎𝑥𝑥 + 𝜎𝑦𝑦 + 𝜎𝑧𝑧 = 𝜎𝑖𝑖 , 1 1 𝐼2 = (𝞂 ∶ 𝞂 − (Sp 𝞂)2 ) = (𝜎𝑖𝑗 𝜎𝑖𝑗 − 𝜎𝑖𝑖 𝜎𝑗𝑗 ) , 2 2 2 2 2 − (𝜎𝑥𝑥 𝜎𝑦𝑦 + 𝜎𝑥𝑥 𝜎𝑧𝑧 + 𝜎𝑦𝑦 𝜎𝑧𝑧 ) + 𝜎𝑦𝑧 + 𝜎𝑥𝑧 = 𝜎𝑥𝑦

(3.5) (3.6)

𝐼3 = det 𝞂 = det 𝜎𝑖𝑗 . Die Invariante 𝐼1 wird über die Summe der Hauptdiagonalelemente berechnet. Diese wird als die Spur einer Matrix oder eines Tensors bezeichnet, mit dem Symbol Sp(). Die zweite Invariante 𝐼2 wird mit der doppelten Verjüngung 𝞂 ∶ 𝞂 des Spannungstensors bestimmt, die aus dem Tensor 2. Stufe einen Skalar macht, s. Tab. A.2. Zuletzt wird 𝐼3 als Determinante des Spannungstensors ermittelt. Eine Invariante bezeichnet generell eine Größe, die, unabhängig von der gewählten Koordinatendarstellung, immer denselben Wert liefert. Die Invarianten sind eine Tensoreigenschaft und lassen sich mit den oben genannten Formeln für jede Art von Tensor bestimmen, unter anderem für den in Kap. 3.3 eingeführten Verzerrungstensor, aber auch z. B. für den Massenträgheitstensor. Bei der Lösung der kubischen Gleichung Gl. (3.4) folgen drei Nullstellen 𝜎1 , 𝜎2 und 𝜎3 als Eigenwerte des Hauptspannungstensors. Die zugehörigen Eigenvektoren stehen senkrecht aufeinander und bilden das Hauptachsensystem. Der Spannungstensor nimmt in diesem Koordinatensystem die folgende Form an: ⎡𝜎1 0 0 ⎤ 𝞂 = ⎢ 0 𝜎2 0 ⎥ . ⎢ ⎥ ⎣ 0 0 𝜎3 ⎦

36

3 Mechanische Größen der Strukturmechanik

Die Eigenwerte lassen sich als Hauptnormalspannungen interpretieren. Wie oben vorausgesetzt, gibt es in dieser Darstellung keine Schubspannungen, da es nur Streckungen geben soll, deswegen sind alle Nebendiagonalelemente null. Die Hauptnormalspannungen sind eine in jedem kommerziellen FE-Programm vorkommende Ausgabegröße. Zu beachten ist, dass das Hauptachsensystem in jedem Körperpunkt anders liegen kann und damit eine graphische Auswertung schwierig ist, da die Hauptnormalspannungen in jedem Punkt in eine andere Richtung zeigen. Eine wesentliche Eigenschaft des Spannungstensors ist seine Symmetrie, die man aus der Drallbilanz des Kontinuums ableiten kann (s. Altenbach [1, Kap. 4.3, S. 150]: 𝞂 = 𝞂T

bzw.

𝜎𝑖𝑗 = 𝜎𝑗𝑖 .

(3.7)

3.2.1 Spannungsdeviator Der Spannungstensor lässt sich in einen hydrostatischen und einen deviatorischen Anteil zerlegen. Der hydrostatische Spannungszustand ist durch drei gleich große Normalspannungen und durch nicht vorhandene Schubspannungen definiert. In jedem Körperpunkt herrscht in jede Richtung dieselbe Spannung, das bedeutet auch, dass jedes beliebige Koordinatensystem ein Hauptachsensystem ist. Zunächst definiert man die mittlere Normalspannung: 1 1 1 1 𝜎m = Sp 𝞂 = 𝐼1 = (𝜎𝑥𝑥 + 𝜎𝑦𝑦 + 𝜎𝑧𝑧 ) = 𝜎𝑖𝑖 (3.8) 3 3 3 3 und damit den Kugeltensor 𝞂𝐾 des mittleren hydrostatischen Spannungszustands: ⎡𝜎m 0 0 ⎤ 1 𝞂𝐾 = ⎢ 0 𝜎m 0 ⎥ = 𝜎𝑘𝑘 𝛿𝑖𝑗 = 𝜎m 𝛿𝑖𝑗 . ⎢ ⎥ 3 ⎣ 0 0 𝜎m ⎦ Dies stellt auch einen Zusammenhang zur Invariante 𝐼1 her, mit der der hydrostatische Spannungszustand in Gl. (3.8) verknüpft ist. Kugeltensoren haben allgemein die Abbildungseigenschaft, dass keine Drehung erfolgt und die Längenänderung in jede Richtung dieselbe ist. Bei Selke [5, Kap. 4.4, S. 89] und Ottosen und Ristinmaa [4, Kap 2.9 und 4.9] wird damit hergeleitet, dass der hydrostatische Spannungszustand unter Beachtung des Hooke’schen Materialgesetzes in Kap. 3.6 eine reine Volumenänderung eines Volumenelements verursacht. Der Spannungsdeviator 𝘀 ergibt sich durch Abziehen des hydrostatischen Zustands vom Gesamtspannungszustand: 𝘀=𝞂−

⎡𝜎𝑥𝑥 𝜎𝑥𝑦 𝜎𝑥𝑧 ⎤ ⎡𝜎m 0 0 ⎤ 1 1 Sp 𝞂 𝗜 = ⎢𝜎𝑦𝑥 𝜎𝑦𝑦 𝜎𝑦𝑧 ⎥ − ⎢ 0 𝜎m 0 ⎥ = 𝜎𝑖𝑗 − 𝜎𝑘𝑘 𝛿𝑖𝑗 . ⎥ ⎢ ⎥ ⎢ 3 3 ⎣𝜎𝑧𝑥 𝜎𝑧𝑦 𝜎𝑧𝑧 ⎦ ⎣ 0 0 𝜎m ⎦

(3.9)

Der Deviator 𝘀 ist wie der Spannungstensor ein symmetrischer Tensor 2. Stufe, mit dem gleichen Hauptachsensystem des Spannungstensors, da der hydrostatische Spannungszustand kein ausgezeichnetes Hauptachsensystem hat. Die Invarianten des Spannungsdevia-

3.3 Zugeordneter Verzerrungszustand

37

tors werden üblicherweise als 𝐽1 = 𝑠𝑖𝑖 = (𝜎𝑥𝑥 − 𝜎m ) + (𝜎𝑦𝑦 − 𝜎m ) + (𝜎𝑧𝑧 − 𝜎m ) = 𝜎𝑥𝑥 + 𝜎𝑥𝑥 + 𝜎𝑥𝑥 − 3𝑝 = 0 , 1 1 1 𝐽2 = (𝘀 ∶ 𝘀) = 𝑠𝑖𝑗 𝑠𝑖𝑗 = [(𝜎1 − 𝜎2 )2 + (𝜎1 − 𝜎3 )2 + (𝜎2 − 𝜎3 )2 ] , (3.10) 2 2 6 𝐽3 = det 𝘀 = det 𝑠𝑖𝑗 bezeichnet. Die Invariante 𝐽1 ist immer null, mit der Interpretation, dass der Spannungsdeviator keine Volumenänderung eines Referenzvolumens erzeugt, sondern eine reine Formänderung verursacht und damit inkompressibles Materialverhalten beschreibt. Die Invariante 𝐽2 wird in der Formulierung eines elastoplastischen Materialgesetzes eine große Rolle spielen, s. Kap. 10.3.1.2, da dort in der Regel vom Erhalt des Volumens ausgegangen wird und deswegen der Spannungsdeviator zur Beschreibung genutzt wird. Die Darstellung von 𝐽2 in Hauptspannungen des Spannungstensors in Gl. (3.10) wird dort erläutert.

3.3 Zugeordneter Verzerrungszustand Spannungen rufen einen spezifischen Verschiebungs- und Verzerrungszustand hervor, der punktuell durch den Verschiebungsvektor und den Verzerrungstensor beschrieben wird. Die Verschiebung als Maß für die Formänderung eines Körpers ist ungeeignet, da die Starrkörperbewegungen mit eingehen, die aber keine Verzerrung und damit auch keine Spannungen erzeugen. Wie bereits in der Einleitung erwähnt, gehen wir in diesem Teil zunächst von „kleinen“ Verzerrungen aus, die Erweiterung auf den nichtlinearen Fall folgt in Kap. 9. Eine Verzerrung setzt sich nach Abb. 3.2 aus einer Volumen- und einer Formänderung zusammen. Die Volumenänderung soll durch die relativen Längenänderungen eines infinitesimal kleinen Ausschnitts bezogen auf die Ausgangslänge beschrieben werden, s. Abb. 3.5 für ein 2-D-Beispiel. In Gl. (3.11) wird die Differenz der Verschiebung 𝑢𝑥 (𝑥, 𝑦, 𝑧) am Ort 𝑥 in 𝑥-Richtung und 𝑢𝑥 (𝑥 + d𝑥, 𝑦, 𝑧) an einem infinitesimal daneben liegenden Ort 𝑥 + d𝑥 gebildet und auf die Länge des infinitesimal kleinen Elements bezogen: ৙ঢ় )ড়- ঢ় , Eঢ়- ৞*

Abb. 3.5 Zur Herleitung der Normaldehnung

Eঢ় Eড়



਍)ਐ*

৙ড় )ড় , Eড়- ঢ়- ৞* ৙ঢ় )ড়- ঢ়- ৞*

ড় ৙ড় )ড়- ঢ়- ৞*

38

3 Mechanische Größen der Strukturmechanik

𝜀𝑥𝑥 =

𝑢𝑥 (𝑥 + d𝑥, 𝑦, 𝑧) − 𝑢𝑥 (𝑥, 𝑦, 𝑧) . d𝑥

(3.11)

Der erste Term wird in eine Taylorreihe bis zum ersten Glied entwickelt, da wir von kleinen Bewegungen ausgehen: 𝑢𝑥 (𝑥 + d𝑥, 𝑦, 𝑧) ≈ 𝑢𝑥 (𝑥, 𝑦, 𝑧) +

𝜕𝑢𝑥 (𝑥, 𝑦, 𝑧) d𝑥 . 𝜕𝑥

Einsetzen in Gl. (3.11) und Umformung liefert (analog erweitert für jede Raumrichtung) die Gleichungen für die (Normal-) Dehnungen, die sich als partielle Ableitung der Verschiebungen ergeben: 𝜀𝑥𝑥 =

𝜕𝑢𝑥 , 𝜕𝑥

𝜀𝑦𝑦 =

𝜕𝑢𝑦 𝜕𝑦

,

𝜀𝑧𝑧 =

𝜕𝑢𝑧 . 𝜕𝑧

(3.12)

Durch die Normaldehnung wird die Fläche, bzw. das Volumen verändert, wie man an Abb. 3.5 sieht. Neben den Normaldehnungen treten noch Gleitungen bzw. Scherungen auf, s. Abb. 3.6, die die Änderung eines vor der Verformung rechten Winkels beschreiben. Die Vorgehensweise ist analog zu oben, allerdings wird nun ein Winkel berechnet: 𝛾𝑥𝑦 = 𝛽 + 𝛼 =

𝑢𝑥 (𝑥, 𝑦 + d𝑦, 𝑧) − 𝑢𝑥 (𝑥, 𝑦, 𝑧) 𝑢𝑦 (𝑥 + d𝑥, 𝑦, 𝑧) − 𝑢𝑦 (𝑥, 𝑦, 𝑧) + . d𝑦 d𝑥

Dies gibt damit eine Aussage über die Formänderung des Elements aufgrund der wirkenden Schubspannungen, wobei das Volumen erhalten bleibt. Entwickelt man wieder nach einer Taylorreihe, ergeben sich die drei Beziehungen für alle Richtungen: 𝛾𝑥𝑦 = 𝛾𝑦𝑥 =

𝜕𝑢𝑥 𝜕𝑢𝑦 + , 𝜕𝑦 𝜕𝑥

𝛾𝑥𝑧 = 𝛾𝑧𝑥 =

𝜕𝑢𝑥 𝜕𝑢𝑧 + , 𝜕𝑧 𝜕𝑥

𝜕𝑢𝑦

𝛾𝑦𝑧 = 𝛾𝑧𝑦 =

𝜕𝑧

+

𝜕𝑢𝑧 . 𝜕𝑦

(3.13)

Der Mittelwert der Scherung wird als Schubdehnung bezeichnet, z. B. 𝜀𝑥𝑧 = 1/2 𝛾𝑥𝑧 . Insgesamt handelt es sich um Beziehungen zwischen Größen, die die Kinematik beschreiben. Diese werden deshalb als Verschiebungs-Verzerrungs-Beziehung bezeichnet. Abb. 3.6 Zur Herleitung der Scherung

৙ড় )ড়- ঢ় , Eঢ়- ৞*

Eঢ়





Eড়

਍)ਐ* ৙ঢ় )ড়- ঢ়- ৞* ড় ৙ড় )ড়- ঢ়- ৞*

৙ঢ় )ড় , Eড়- ঢ়- ৞*



3.4 Gleichgewichtsbedingungen

39

Analog zu den Spannungen werden die Verzerrungen im ebenfalls symmetrischen Verzerrungstensor zusammengefasst: 1 𝜀 𝛾 1𝛾 ⎡𝜀𝑥𝑥 𝜀𝑥𝑦 𝜀𝑥𝑧 ⎤ ⎡⎢ 1 𝑥𝑥 2 𝑥𝑦 21 𝑥𝑧 ⎤⎥ 𝝴 = ⎢𝜀𝑦𝑥 𝜀𝑦𝑦 𝜀𝑦𝑧 ⎥ = ⎢ 2 𝛾𝑦𝑥 𝜀𝑦𝑦 2 𝛾𝑦𝑧 ⎥ ⎢ ⎥ ⎣𝜀𝑧𝑥 𝜀𝑧𝑦 𝜀𝑧𝑧 ⎦ ⎢⎣ 1 𝛾𝑧𝑥 1 𝛾𝑧𝑦 𝜀𝑧𝑧 ⎥⎦ 2 2

bzw.

𝜀𝑖𝑗 =

1 (𝑢 + 𝑢𝑗,𝑖 ) . 2 𝑖,𝑗

(3.14)

3.4 Gleichgewichtsbedingungen Zuletzt muss noch die Gleichgewichtsbedingung, bzw. im Falle der Dynamik die Impulsund Drallbilanz, angegeben werden. Ein mechanisches System ist im Gleichgewicht, wenn die äußeren Belastungen mit den inneren Spannungen im Gleichgewicht stehen. Die Bilanzgleichungen, die diesen Zusammenhang beschreiben, werden an einem infinitesimalen Ausschnitt hergeleitet. Für die Details wird auf Gross, Hauger und Wriggers [3, Kap. 2.2.5, S. 86] verwiesen. Hier wird nur das Ergebnis angegeben. Es folgt ein System von Differenzialgleichungen der Form: ⎧ 𝜕𝜎𝑥𝑥 + 𝜕𝜎𝑦𝑥 + 𝜕𝜎𝑧𝑥 + 𝑏̄ = 𝜌𝑢 ̈ ⎪ 𝑥 𝑥 𝜕𝑦 𝜕𝑧 ⎪ 𝜕𝑥 𝜕𝜎 𝜕𝜎 ⎪ 𝜕𝜎 div 𝞂T + 𝜌𝗯 = 𝜌𝘂̈ = 𝜎𝑗𝑖,𝑗 + 𝑏̄𝑖 = 𝜌𝑢𝑖̈ = ⎨ 𝑥𝑦 + 𝑦𝑦 + 𝑧𝑦 + 𝑏̄𝑦 = 𝜌𝑢𝑦̈ . 𝜕𝑦 𝜕𝑧 ⎪ 𝜕𝑥 ⎪ 𝜕𝜎𝑥𝑧 𝜕𝜎𝑦𝑧 𝜕𝜎𝑧𝑧 + + + 𝑏̄𝑧 = 𝜌𝑢𝑧̈ ⎪ ⎩ 𝜕𝑥 𝜕𝑦 𝜕𝑧

(3.15)

Mit div(⋅) = (⋅)𝑗𝑖,𝑗 wird die Divergenz eines Tensors 2. Stufe bezeichnet, s. Tab. A.1. Zur Verdeutlichung wird oben noch die komponentenweise Darstellung angegeben. Die partiellen Ableitungen entsprechen der räumlichen Änderung des Spannungstensors. Eine Überprüfung der Einheiten ergibt für die Spannungsableitungen [𝜎𝑖𝑗,𝑗 ] = N/m3 . Es ist also eine auf das Volumen bezogene (d. h. spezifische) Kraft, man spricht auch von einer Kraftdichte. Die äußeren Lasten sind die spezifischen Massenkraftdichten 𝗯̄ = 𝜌𝗯. Überprüfung der Einheit ergibt für [𝗯] = m/s2 , dass es sich um eine Beschleunigung handelt. Beispiele sind die Erdbeschleunigung oder die Zentrifugalbeschleunigung bei rotierenden Vorgängen. Einzelkräfte und Oberflächenlasten gehen über die Randbedingungen aus Gl. (3.1) in das Gleichungssystem ein. Erweitert man die Fragestellung auf dynamische Probleme, dann kommt noch die Wirkung der Massenträgheit über die negative Trägheitskraftdichte 𝜌𝘂̈ hinzu, die einer Veränderung der Lage entgegenwirkt. Dieses zeitabhängige, partielle Differenzialgleichungssystem ist für ein strukturmechanisches Problem mit gegebenen Anfangs- und Randbedingungen zu lösen. Es wird als starke Form des Feldproblems bezeichnet, da die Erfüllung simultan in jedem Punkt des Kontinuums gefordert ist. Dies macht sowohl eine analytische als auch numerische Lösung schwer, da keine geschlossenen (Näherungs-)Lösungen gefunden werden können, die im gesamten Gebiet gültig sind. Deswegen wird für die FEM auch nicht Gl. (3.15) herangezogen, sondern in Kap. 4 ein anderer Zugang vorgestellt.

40

3 Mechanische Größen der Strukturmechanik

Die Drallbilanz entfällt für die Systeme, die hier betrachtet werden, da aus ihr nur die Symmetrie des Spannungstensors abgeleitet wird, s. bei Gl. (3.7).

3.5 Voigt-Notation Nun wird zunächst die tensorielle Darstellung aufgegeben und auf eine Matrixschreibweise1 übergegangen, die die Darstellung für die FEM vereinfacht. Dazu wird die Symmetrie von Spannungs- und Verzerrungstensor ausgenutzt, um sie in Spaltenvektoren anzuordnen. Bei einem symmetrischen Tensor 2. Stufe sind nur sechs Größen unabhängig voneinander, die in einem Vektor angeordnet werden. Prinzipiell ist die Reihenfolge der einzelnen Größen im Vektor beliebig, muss aber bei einmaliger Festlegung konsistent für alle Gleichungen eingehalten werden. Dies wird als Voigt-Notation bezeichnet: 𝜺(𝒙) = [𝜀𝑥𝑥 𝜀𝑦𝑦 𝜀𝑧𝑧 𝛾𝑥𝑦 𝛾𝑥𝑧 𝛾𝑦𝑧 ]T

und 𝝈(𝒙) = [𝜎𝑥𝑥 𝜎𝑦𝑦 𝜎𝑧𝑧 𝜎𝑥𝑦 𝜎𝑥𝑧 𝜎𝑦𝑧 ]T ,

wobei für diese Darstellung die Gleitungen 𝛾𝑖𝑗 genutzt werden, da dies bei der Darstellung des Materialgesetzes eine einfachere Schreibweise erlaubt. Um Verwechslungen mit Knotenvektoren der FEM zu vermeiden, wird bei kontinuierlichen Größen immer die Ortskoordinate 𝒙 mit angegeben. Zur Bestimmung der Verzerrungen aus den Verschiebungen in Voigt-Notation werden die Ableitungen in eine Matrix geschrieben, sodass bei formaler Ausführung der Matrixmultiplikation alle Gleichungen der kinematischen Beziehungen in Gl. (3.12) und Gl. (3.13) folgen: 𝜕𝑢𝑥 ⎤ ⎡ 𝜕 ⎡𝜀 ⎤ ⎡ ⎥ ⎢ 𝜕𝑥 𝜕𝑥 ⎢ 𝑥𝑥 ⎥ ⎢ ⎥ ⎢ 𝜕𝑢𝑦 ⎢ ⎥ ⎢ ⎥ ⎢ 0 ⎢ 𝜀𝑦𝑦 ⎥ ⎢ 𝜕𝑦 ⎥ ⎢ ⎢ ⎥ ⎢ 𝜕𝑢𝑧 ⎥ ⎢ ⎢ ⎥ ⎢ ⎥ ⎢ 0 ⎢ 𝜀𝑧𝑧 ⎥ ⎢ 𝜕𝑧 𝜺(𝒙) = ⎢ ⎥ = ⎢ 𝜕𝑢 ⎥ = ⎢ 𝜕𝑢 ⎢𝛾 ⎥ ⎢ 𝑥 + 𝑦 ⎥ ⎢ 𝜕 𝜕𝑥 ⎥ ⎢ 𝜕𝑦 ⎢ 𝑥𝑦 ⎥ ⎢ 𝜕𝑦 ⎢ ⎥ ⎢ 𝜕𝑢𝑥 𝜕𝑢𝑧 ⎥ ⎢ 𝜕 + ⎢ 𝛾𝑥𝑧 ⎥ ⎢ ⎥ ⎢ 𝜕𝑥 ⎥ ⎢ 𝜕𝑧 ⎢ ⎥ ⎢ 𝜕𝑧 𝜕𝑢 𝜕𝑢 ⎢𝛾 ⎥ ⎢ 𝑦 𝑧⎥ ⎢ ⎣ 𝑦𝑧 ⎦ ⎣ 𝜕𝑧 + 𝜕𝑦 ⎦ ⎣ 0

0 𝜕 𝜕𝑦 0 𝜕 𝜕𝑥 0 𝜕 𝜕𝑧

0 ⎤ ⎥ ⎥ 0 ⎥ ⎥⎡𝑢 ⎤ 𝜕 ⎥⎢ 𝑥 ⎥ 𝜕𝑧 ⎥⎢ ⎥ = 𝑫 𝒖(𝒙) . 𝜀 ⎥⎢𝑢𝑦 ⎥ 0 ⎥⎢ ⎥ ⎥⎢𝑢 ⎥ 𝜕 ⎥⎣ 𝑧 ⎦ ⎥ 𝜕𝑥 ⎥ 𝜕 ⎥ 𝜕𝑦 ⎦

(3.16)

Die (Pseudo-)Matrix 𝑫𝜀 wird als Differenzialoperatormatrix bezeichnet. Es handelt sich nicht um eine Matrix im klassischen Sinn, da den Komponenten keine Zahlenwerte zugewiesen werden können. Sie enthält Rechenvorschriften (hier Ableitungen) und kann deshalb ohne eine zugeordnete Matrix bzw. Vektor nicht auftreten. 1

Zur Unterscheidung ist die Notation zu beachten: Tensoren werden in aufrechter, serifenloser Schrift angegeben (z. B. 𝞂, 𝘂), Matrizen und Vektoren kursiv (z. B. 𝝈, 𝒖), s. auch Anh. A.2.

3.6 Verallgemeinertes linear-elastisches Materialgesetz nach Hooke

41

Die Gleichgewichtsbedingung Gl. (3.15) lässt sich in Voigt-Notation damit ebenfalls mit der Differenzialoperatormatrix formulieren: 𝑫𝜀T 𝝈 + 𝗯̄ = 𝜌𝒖̈ .

(3.17)

3.6 Verallgemeinertes linear-elastisches Materialgesetz nach Hooke Für kleine Verzerrungen zeigen viele Materialien linear-elastisches Verhalten. Bei elastischem Materialverhalten hängt der Spannungszustand nur von der aktuellen Verzerrung ab, ist also unabhängig von der Vorverformung oder dem Weg, wie der Spannungszustand erreicht wurde. Elastizität ist dadurch definiert, dass die Verformung reversibel geschieht. Das heißt, bei Entlastung wird der Ursprungszustand wieder angenommen. Dieses Verhalten wird als konservativ bezeichnet und bedeutet, dass gespeicherte Formänderungsenergie wieder vollständig zurückgewonnen werden kann (s. Kap. 4). Weiterhin soll angenommen werden, dass das Verhalten in jeder Belastungsrichtung gleich ist, dies wird als isotropes Materialverhalten bezeichnet. Der Zusammenhang zwischen den Spannungen und den Verzerrungen im isotropen Fall lässt sich dann in Voigt-Notation durch eine lineare Beziehung mit einer konstanten Elastizitätsmatrix 𝑪 im verallgemeinerten Hooke’schen Materialgesetz angeben: 𝝈 =

𝑪 𝜺 1 − 𝜈 𝜈 𝜈 0 0 0 ⎤ ⎡𝜀𝑥𝑥 ⎤ ⎡ ⎡𝜎𝑥𝑥 ⎤ ⎥⎢ ⎥ ⎢ ⎢ ⎥ 𝜈 1 − 𝜈 𝜈 0 0 0 ⎥ ⎢ 𝜀𝑦𝑦 ⎥ ⎢ ⎢ 𝜎𝑦𝑦 ⎥ ⎥⎢ ⎥ ⎢ 𝜈 ⎢ ⎥ 𝜈 1−𝜈 0 0 0 ⎥ ⎢ 𝜀𝑧𝑧 ⎥ , (3.18) ⎢ ⎢ 𝜎𝑧𝑧 ⎥ 𝐸 (1 − 2𝜈) ⎢ ⎥ = (1 + 𝜈)(1 − 2𝜈) ⎢ 0 ⎥⎢ ⎥ 0 0 0 0 2 ⎢𝜎𝑥𝑦 ⎥ ⎥ ⎢ 𝛾𝑥𝑦 ⎥ ⎢ (1 − 2𝜈) ⎢ ⎥ ⎥⎢ ⎥ ⎢ 0 0 0 0 0 ⎢𝜎𝑥𝑧 ⎥ ⎥ ⎢ 𝛾𝑥𝑧 ⎥ ⎢ 2 (1 − 2𝜈) ⎥ ⎢ ⎥ ⎢ ⎥ ⎢ 0 0 0 0 0 ⎣ 𝜎𝑦𝑧 ⎦ ⎦ ⎣ 𝛾𝑦𝑧 ⎦ ⎣ 2 die von den Materialkonstanten Elastizitätsmodul 𝐸 und Querkontraktionszahl 𝜈 abhängt. Die Querkontraktionszahl beschreibt die Veränderung der Form eines Körpers senkrecht zu einer Deformation (beim Stab z. B. eine Verringerung des Querschnitts bei Längung des Stabs) und muss im Wertebereich −1 ≤ 𝜈 ≤ 1/2 liegen, s. Gross, Hauger und Wriggers [3, Kap. 2.4.3, S. 114]. Bei vielen metallischen Werkstoffen entspricht 𝜈 ≈ 0.3 im elastischen Bereich. Eine Querkontraktionszahl von 𝜈 = 0.5 bedeutet inkompressibles, d. h. volumenerhaltendes Verhalten. Näherungsweise ist dies bei Elastomeren und Gummi der Fall. Für Beton wird üblicherweise eine Querkontraktion von 𝜈 ≈ 0 (Dankert und Dankert [2, Kap. 12.4, S. 172]) angenommen. Für 𝜈 < 0 würde sich bei einer Längung eine Vergrößerung des Querschnitts ergeben, dies sind sogenannte auxetische Materialien, z. B. verschiedene Schaumstoffe. Neben dem Elastizitätsmodul und der Querkontraktionszahl gibt es noch weitere elastische Konstanten, die aber mit diesen beiden zusammenhängen, da linear-elastisches Ver-

42

3 Mechanische Größen der Strukturmechanik

halten vollständig durch zwei Konstanten beschrieben werden kann. Für die spätere Verwendung wird hier noch der Zusammenhang zum Schubmodul 𝐺 und dem Kompressionsmodul 𝐾 angegeben: 𝐺=

𝐸 , 2(1 + 𝜈)

𝐾=

𝐸 . 3(1 − 2𝜈)

In Gl. (3.18) ist zu erkennen, dass die Schubspannungen in den drei letzten Zeilen nur über den Schubmodul von den Scherungen abhängen, also mit den Normaldehnungen nicht verbunden sind. Insgesamt umfasst das linear-elastische Problem 15 Unbekannte in 𝒖(𝒙), 𝜺(𝒙) und 𝝈(𝒙). Diese können aus den insgesamt 15 Gleichungen in Gl. (3.15), Gl. (3.16) und Gl. (3.18) berechnet werden.

3.7 Ebener Spannungs- und Verzerrungszustand Als für die Praxis wichtige Sonderfälle werden noch zwei ebene Zustände beschrieben. Die Verschiebungs-Verzerrungsbeziehung lautet für die (𝑥, 𝑦)-Ebene generell: 𝜕𝑢𝑥 ⎤ ⎡ 𝜕 ⎡𝜀 ⎤ ⎡ ⎥ ⎢ 𝜕𝑥 ⎢ 𝑥𝑥 ⎥ ⎢ 𝜕𝑥 ⎥ ⎢ 𝜕𝑢𝑦 ⎢ ⎥ ⎢ ⎥=⎢ 0 𝜺(𝒙) = ⎢ 𝜀𝑦𝑦 ⎥ = ⎢ ⎥ ⎢ ⎢ 𝜕𝑦 ⎢ ⎥ ⎢ ⎥ ⎢ 𝜕𝑢 𝜕𝑢 𝑦 𝑥 ⎢𝛾 ⎥ ⎢ ⎥ ⎢ 𝜕 + 𝑥𝑦 ⎣ ⎦ ⎣ 𝜕𝑦 𝜕𝑥 ⎦ ⎣ 𝜕𝑦

0 ⎤⎥ ⎥⎡ ⎤ 𝜕 ⎥⎢𝑢𝑥 ⎥ ⎢ ⎥ = 𝑫𝜀 𝒖(𝒙) . 𝜕𝑦 ⎥⎢ ⎥ ⎥ 𝑢 𝜕 ⎥⎣ 𝑦 ⎦ 𝜕𝑥 ⎦

(3.19)

Ebener Verzerrungszustand: Hier geht man davon aus, dass nur Verzerrungskomponenten in der Ebene vorkommen (𝜀𝑧𝑧 = 𝛾𝑥𝑧 = 𝛾𝑦𝑧 = 0). Das Materialgesetz lässt sich dann direkt aus Gl. (3.18) ableiten, indem alle 𝑧-Komponenten zu null gesetzt werden. ⎡𝜎𝑥𝑥 ⎤ ⎡1 − 𝜈 𝜈 ⎤⎡𝜀𝑥𝑥 ⎤ 0 ⎢ ⎥ ⎢ ⎥⎢ ⎥ 𝐸 ⎢ 𝜎𝑦𝑦 ⎥ = ⎢ 𝜈 1−𝜈 ⎥⎢ 𝜀𝑦𝑦 ⎥ . 0 ⎢ ⎥ (1 + 𝜈)(1 − 2𝜈) ⎢ ⎥⎢ ⎥ ⎢𝜎 ⎥ ⎢ 0 ⎥⎢ 𝛾 ⎥ 1 0 (1 − 2𝜈) ⎣ 𝑥𝑦 ⎦ ⎣ ⎦⎣ 𝑥𝑦 ⎦ 2

(3.20)

Es ist zu beachten, dass alle Verzerrungskomponenten aus der Ebene heraus gleich null sind, aber sehr wohl eine Spannungskomponente in 𝑧-Richtung wirken muss, da ansonsten die Bedingung 𝜀𝑧𝑧 = 0 aufgrund der Querkontraktion nicht einzuhalten wäre: 𝜎𝑧𝑧 = 𝜈(𝜎𝑥𝑥 + 𝜎𝑦𝑦 ) .

(3.21)

Ein ebener Verzerrungszustand erzeugt also einen dreidimensionalen Spannungszustand. Die Spannung 𝜎𝑧𝑧 hängt aber nur von Größen der Ebene ab, wie Gl. (3.21) zeigt.

3.8 Aufgaben

43

Ein Anwendungsfall ist ein Strangprofil, das über seine Länge in jedem Querschnitt gleich belastet wird und so eingespannt ist, dass keine Längenänderung in Längsrichtung möglich ist. Dann müssen die Verzerrungen normal zu jedem Querschnitt null sein. Mit dieser Annahme kann man also Schnitte von ausgedehnten Körpern berechnen. Dies wird in der FEM zur Einsparung von Rechenzeit genutzt. Ebener Spannungszustand: Beim ebenen Spannungszustand geht man davon aus, dass nur Spannungskomponenten in der Ebene vorkommen (𝜎𝑧𝑧 = 𝜎𝑥𝑧 = 𝜎𝑦𝑧 = 0). Das Materialgesetz lässt sich dann aus Gl. (3.18) ableiten, indem alle Spannungs-Komponenten, die 𝑧-Komponenten tragen, zu null gesetzt werden und das Gleichungssystem nach den verbleibenden Komponenten umsortiert wird. Dabei ergibt sich zunächst, dass die Dehnung 𝜀𝑧𝑧 nicht null ist, sondern aus den beiden anderen Dehnungen berechnet werden kann: 𝜀𝑧𝑧 =

𝜈 (𝜀 + 𝜀𝑦𝑦 ) . 𝜈 − 1 𝑥𝑥

(3.22)

Die Spannungen ergeben sich damit zu: ⎡𝜎𝑥𝑥 ⎤ ⎡1 𝜈 0 ⎤⎡𝜀𝑥𝑥 ⎤ ⎥⎢ ⎥ ⎢ ⎥ ⎢ 𝐸 ⎢ 𝜎𝑦𝑦 ⎥ = ⎢𝜈 1 0 ⎥⎢ 𝜀𝑦𝑦 ⎥ . ⎥⎢ ⎥ ⎢ ⎥ 1 − 𝜈2 ⎢ ⎢𝜎 ⎥ ⎢0 0 1 (1 − 𝜈)⎥⎢ 𝛾 ⎥ ⎦⎣ 𝑥𝑦 ⎦ ⎣ 𝑥𝑦 ⎦ ⎣ 2

(3.23)

Mechanisch bedeutet die Annahme 𝜎𝑧𝑧 = 0 eine spannungsfreie Oberfläche. Dieser Fall tritt z. B. bei dünnen Strukturen wie Blech auf, das eben belastet wird.

3.8 Aufgaben 3.1. Schreiben Sie ein Programm zur Berechnung der Hauptspannungen und des Hauptachsensystems sowie der drei Invarianten eines Spannungstensors, der in Voigt-Notation als ⎡ 50 ⎤ ⎢110⎥ ⎢ 50 ⎥ 𝝈 = ⎢ ⎥MPa 30 ⎢ ⎥ ⎢ 90 ⎥ ⎣ 30 ⎦ gegeben ist. Geben Sie außerdem die mittlere Normalspannung 𝜎m , die Hauptdeviatorspannungen und die Invarianten des Deviators aus.

44

3 Mechanische Größen der Strukturmechanik

3.9 Literaturverzeichnis [1] H. Altenbach. Kontinuumsmechanik. 4. Aufl. Berlin: Springer Vieweg, 2018. [2] J. Dankert und H. Dankert. Technische Mechanik. 7. Aufl. Wiesbaden: Springer Vieweg, 2013. [3] D. Gross, W. Hauger und P. Wriggers. Technische Mechanik 4. 10. Aufl. Berlin: Springer Vieweg, 2018. [4] N. S. Ottosen und M. Ristinmaa. The Mechanics of Constitutive Modeling. Amsterdam und London: Elsevier, 2005. [5] P. Selke. Höhere Festigkeitslehre. München: Oldenbourg Verlag, 2013.

Kapitel 4

Mathematische Modellierung über Energieprinzipien

Die in Kap. 3 hergeleiteten Gleichungen, v. a. die Gleichgewichtsbedingung in Gl. (3.15), gelten punktuell für ein Kontinuum und sind als partielle Differenzialgleichungen formuliert. Eine solche Beschreibung wird als synthetische Mechanik bezeichnet, in der vektorielle Größen wie Kraft, Impuls und Drall zur Beschreibung des Zustands eines mechanischen Systems in Verbindung mit dem Schnittprinzip genutzt werden. Es ist allerdings im Allgemeinen schwierig, Lösungen über das räumliche Volumen eines Körpers zu finden, die diese Gleichungen punktuell exakt erfüllen. Neben der Vorgehensweise, die Impuls- und Drallsätze für jeden Punkt eines betrachteten Systems zu erfüllen, existiert noch eine weitere vollständig äquivalente Methode, die als analytische Mechanik bezeichnet wird. Hier stehen die skalaren Größen Arbeit und Energie und deren Zeitintegrale am Anfang (s. Riemer u. a. [4]). Ausgehend von diesen Größen werden Energiebilanzen in Form von Variationsgleichungen formuliert, die als Energieprinzipien bezeichnet werden. Mit Hilfe der Variationsrechnung können aus den Variationsgleichungen wieder die vektoriellen Zustandsgleichungen gewonnen werden, da beide Formulierungen völlig gleichwertig sind (hierauf wird nicht weiter eingegangen, s. Riemer u. a. [4]). Die Energieprinzipien eignen sich sehr gut als Ausgangspunkt für Näherungsverfahren wie die FEM, da durch die Integralformulierung direkt Funktionen, die über den Raum definiert sind, eingesetzt werden können, anders als in Differenzialgleichungen. Im Folgenden werden die für die FEM wichtigsten Energieprinzipien eingeführt und am Stabbeispiel exemplarisch erläutert sowie auf den 3-D-Fall erweitert. Eine weitere allgemeine Herangehensweise, die Methode der gewichteten Residuen, wird ebenfalls an einem Beispiel vorgestellt.

4.1 Prinzip vom Minimum des Gesamtpotenzials Um eine Energiebilanz herzuleiten, ist zunächst der Arbeitsbegriff einzuführen: Eine Kraft 𝗳 verrichtet entlang eines geradlinigen Wegs 𝘅, den der Angriffspunkt der Kraft zurücklegt, eine Arbeit 𝑊 = 𝗳 ⋅ 𝘅. Das Skalarprodukt der beiden Vektoren kann als Projektion interpretiert werden, die den in Richtung der Kraft zeigenden Anteil des Wegs liefert: 45

© Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2022 M. Wagner, Lineare und nichtlineare FEM, https://doi.org/10.1007/978-3-658-36522-6_4

46

4 Mathematische Modellierung über Energieprinzipien

Abb. 4.1 Feder-MasseSystem entspannt, mit angehängter Masse und Freischnittbild



ৌ ‫ܪ‬

ড়2 ড়- ৙ 'FEFS PIOF .BTTF

ো' > ৈ৙

ড়҈ ৑ (MFJDIHFXJDIU NJU .BTTF

৑ ল > ৑ৌ

𝑊 = ‖𝗳‖ ‖𝘅‖ cos 𝛼, wobei 𝛼 der eingeschlossene Winkel zwischen Kraftvektor und Verschiebungsvektor ist. Bei einer gekrümmten Bahn muss die Bahn in jedem Punkt linearisiert werden und man betrachtet das tangentiale differenzielle Wegstück d𝘅 an die Bahn. Es folgt damit auch nur ein Zuwachs der Arbeit: d𝑊 = 𝗳 ⋅ d𝘅. Die Gesamtarbeit ergibt sich dann als Wegintegral vom Start- zum Endpunkt: 𝑊 =

𝘅2

∫ 𝘅

𝗳 ⋅ d𝘅 .

1

4.1.1 Einführungsbeispiel Zur Einführung betrachten wir die Arbeit 𝑊 an einer Feder der Federsteifigkeit 𝑐, die mit einer Masse 𝑚 im Schwerefeld belastet wird, bis das System die neue Gleichgewichtslage einnimmt, s. Abb. 4.1. Gesucht ist die Gleichgewichtslage 𝑥∗ . Es wirkt eine äußere Kraft in Form der konstant wirkenden Gewichtskraft 𝐺 = 𝑚𝑔. Die verrichtete Arbeit über eine Gesamtverschiebung 𝑢 = 𝑥 − 𝑥1 lautet: 𝑥

𝑊G =

∫ 𝑥

𝑚𝑔 d𝑥̂ = 𝑚𝑔 (𝑥 − 𝑥1 ) = 𝑚𝑔 𝑢 .

(4.1)

1

Die Kraft G ist konstant und wirkt die gesamte Zeit in voller Höhe, dies wird als Endwertoder Totlast bezeichnet. Da 𝐺 in Richtung der positiven Koordinate nach unten zeigt und damit in Richtung der Verschiebung wird die Arbeit positiv. Wie Gl. (4.1) zeigt, hängt die Arbeit nur von der Verschiebung 𝑢 = 𝑥 − 𝑥1 des Kraftangriffspunkts ab, nicht vom Startoder Endpunkt 𝑥1 oder 𝑥. Im Inneren der Feder wird durch die Verlängerung die Reaktionskraft 𝑓F = 𝑐(𝑥 − 𝑥1 ) erzeugt, die von null auf einen Endwert linear ansteigt, da über die Federsteifigkeit 𝑐 ein linearer Zusammenhang definiert ist. Sie ist der Verschiebung entgegengerichtet, setzt ihr also einen Widerstand entgegen. Trägt man diesen Kraft-Weg-Verlauf in Abb. 4.2 auf, kann

4.1 Prinzip vom Minimum des Gesamtpotenzials Abb. 4.2 Kraft-WegDiagramme der Kräfte im Feder-Masse-Beispiel und dazugehörige Arbeiten

47

}ো' } ৑ৌ ূ'

ৈ 2 าূ' า > 3 ো' Զ ৙

৙ ৙

man über die Fläche unter der Kurve die innere Arbeit berechnen: 𝑥

𝑊F =

∫ 𝑥

𝑥

𝑓F d𝑥̂ = −

1

∫ 𝑥

1

1 1 1 𝑐(𝑥̂ − 𝑥1 ) d𝑥̂ = − 𝑐(𝑥 − 𝑥1 )2 = − 𝑐𝑢2 = − 𝑓F 𝑢 . 2 2 2

(4.2)

Das Minuszeichen resultiert, da die Federkraft entgegen der Bewegungsrichtung wirkt (cos(180∘ ) = −1) und deutet an, dass die Arbeit dem System zugeführt wurde. Es wurde damit Arbeitsfähigkeit oder innere Energie in dem System gespeichert, die reversibel zurückgewonnen werden kann. Auch 𝑊F hängt nur von der Verschiebung 𝑢 ab. Wie man Gl. (4.1) und Gl. (4.2) entnimmt, liefern die Gewichtskraft sowie die Federkraft immer den gleichen Arbeitsbetrag, unabhängig davon, wie der Weg zurückgelegt wurde, d. h. der Arbeitsbetrag hängt nur von der Differenz 𝑢 = 𝑥 − 𝑥1 zwischen Anfangsund Endpunkt ab. Kräfte mit dieser Eigenschaft werden als konservativ bezeichnet. Wesentlich ist nun, dass sich für konservative Kräfte immer eine Potenzialfunktion 𝛱(𝑢) angeben lässt, aus der sich die Kraft durch Ableiten gewinnen lässt: 𝑓 (𝑢) = −

d𝛱 . d𝑢

(4.3)

Berechnet man für eine solche Potenzialkraft das Arbeitsintegral (hier vereinfacht als skalare Gleichung) 𝑢

𝑊 =

∫ 0

𝑓 (𝑢)̂ d𝑢 ̂ = −

𝑢

𝛱(𝑢) d𝛱 d𝑢 ̂ = − 1 d𝛱 = 𝛱1 − 𝛱 , ∫ ∫ 0 d𝑢 ̂ 𝛱1 (𝑢=0)

ergibt sich, dass die Arbeit durch die Potenzialdifferenz zwischen Start- und Endpotenzial bestimmt ist. In der Regel wird das Bezugspotenzial 𝛱1 = 0 gesetzt und als Nullniveau bezeichnet. Dann ergibt sich 𝑊 = −𝛱 . mit der Aussage, dass sich die Arbeit als negative Potenzialdifferenz ergibt. Im Folgenden wird für die Potenzialdifferenz vereinfacht vom Potenzial gesprochen, wobei zu beachten ist, dass es sich immer um die Differenz zum Nullniveau handelt. Das Potenzial der Gewichtskraft ist in diesem Beispiel negativ, da die Masse abgesenkt wird: 𝛱G = −𝑚𝑔 𝑢



𝐺=−

d𝛱G = +𝑚𝑔 . d𝑢

Für eine Feder lässt sich eine Potenzialfunktion ebenfalls relativ einfach angeben, wie man durch Nachrechnen erkennt:

48

4 Mathematische Modellierung über Energieprinzipien

𝛱F =

1 2 𝑐𝑢 2



𝑓F = −

d𝛱F = −𝑐𝑢 . d𝑢

(4.4)

Hier lässt sich nun die Wahl des Minuszeichens in Gl. (4.3) verstehen. Das Potenzial kann man als „Arbeitsfähigkeit“ eines Systems verstehen, d. h. wenn Energie im System gespeichert wird, wie z. B. in einer gespannten Feder, dann ist das Potenzial positiv, wenn vom System Arbeit verrichtet wird negativ. Aus den beiden Anteilen wird das Gesamtpotenzial des Systems definiert zu 𝛱 = 𝛱 F + 𝛱G =

1 2 𝑐𝑢 − 𝑚𝑔 𝑢 . 2

(4.5)

Das Potenzial des Feder-Masse-Systems ist in Abb. 4.3 dargestellt. Mit dieser Definition kann man nun ein Axiom, d. h. eine nicht beweisbare aber durch Beobachtung fundierte Feststellung, postulieren: Das Prinzip vom Minimum des Gesamtpotenzials besagt, dass sich ein Körper im Gleichgewicht befindet, wenn das Gesamtpotenzial 𝛱 ein Minimum annimmt: 𝛱 → min . Ein Extremum dieses Potenzials1 kann durch Ableiten nach der Verschiebung und Nullsetzen gefunden werden: 𝜕𝛱 =0. 𝜕𝑢 Für das obige Beispiel folgt 𝑚𝑔 𝜕𝛱 = 𝑐𝑢∗ − 𝑚𝑔 = 0 ⇒ 𝑢∗ = . 𝜕𝑢 𝑐 Dieses Ergebnis erhält man auch, wenn man die Gleichgewichtsbedingung nach Freischneiden in der ausgelenkten Ruhelage auswertet. Wie zu Beginn erwähnt, liefert die Vorgehensweise über Energieprinzipien die identische Aussage der klassischen (synthetischen) Mechanik. Dieses Resultat kann man mit Abb. 4.2 noch weiter interpretieren. Beim Absenken der Masse bis in die neue Ruhelage wurde von einem quasi-statischen Vorgang ausgegangen. Abb. 4.3 Potenziale beim Feder-Masse-System: Gesamtpotenzial 𝛱 = 1 ), Fe𝑐𝑢2 − 𝑚𝑔𝑢 ( 2

derkraftpotenzial 𝛱F = 12 𝑐𝑢2 ), Gewichtskraftpoten( ) zial 𝛱G = −𝑚𝑔𝑢 (

1





৙҈ ౳౏ >1 ౳৙

Mit Hilfe der zweiten Ableitung lässt sich zeigen, dass es in dieser Darstellung ein Minimum ist.

4.1 Prinzip vom Minimum des Gesamtpotenzials

49

Da die Feder- und die Gewichtskraft erst in der Gleichgewichtslage identisch sind, muss beim Absenkvorgang eine weitere Kraft wirken. Von Steinke [6, Kap. 3.2.1, S. 67] wird dazu eine Reibkraft eingeführt. Man kann sich dies aber auch als Unterstützungskraft beim Absenken denken, s. z. B. Mahnken [3, Kap 14.3.3, Abb. 14.29]. Damit lässt sich das braun dargestellte Dreieck in Abb. 4.2 interpretieren: Das Prinzip vom Minimum des Gesamtpotenzials postuliert, dass die Gleichgewichtslage ein minimales Gesamtpotenzial aufweist. Wie man Abb. 4.3 entnimmt, ist das Potenzial zu Beginn das Nullniveau und sinkt dann ab, es findet also eine Potenzialabnahme statt, die sich mit Gl. (4.5) zu 𝛱(𝑢∗ ) =

1 ∗2 1 1 𝑐𝑢 − 𝑚𝑔 𝑢∗ = 𝑚𝑔 𝑢∗ − 𝑚𝑔 𝑢∗ = − 𝑚𝑔 𝑢∗ , 2 2 2

ergibt. Dem System geht also genau so viel Arbeitsfähigkeit verloren, wie in der Feder gespeichert wird. Dieser Anteil ist auch in Abb. 4.2 sichtbar, da das Potential der Gewichtskraft dem Rechteck 𝑚𝑔 ⋅ 𝑢 entspricht, während das Potenzial in der Feder nur um die Hälfte (Fläche des grauen Dreiecks) zunimmt. Die Potenzialabnahme entspricht dem ergänzenden braunen Dreieck. Diese wird als komplementäre Arbeit 𝑊 oder Ergänzungsarbeit bezeichnet. Bei elastischen Körpern, wie dem Stab in Kap. 4.1.2, spricht man von der komplementären Formänderungsenergie. Diese Energie geht nicht verloren, sondern wird in Form von Reibung in Wärme umgewandelt oder in das Unterstützungssystem übertragen.

4.1.2 Gesamtpotenzial eines Stabs Dieses Ergebnis wird nun auf die Elastostatik eines Stabs in Abb. 4.4 übertragen. Dazu ist zunächst die innere Energie bzw. das Potenzial eines Stabs abzuleiten, der durch äußere Belastungen elastisch deformiert wird. Die innere Energie wird in der Elastizitätslehre als Formänderungsenergie 𝛱i bezeichnet. Der Index i zeigt an, dass es sich um ein reversibel im Körper gespeichertes Potenzial handelt. Es wird ein kontinuierlicher Körper betrachtet, sodass die Änderungen der Zustandsgrößen an jedem Punkt des Körpers berücksichtigt werden müssen und über alle Punkte zu integrieren ist, anders als beim Massenpunkt oder der Feder im vorigen Kapitel. Zunächst wird ein Punkt 𝑥 des Kontinuums betrachtet. Ein infinitesimal kleiner Ausschnitt d𝑥 an der Stelle 𝑥 in Abb. 4.5 verlängert sich unter der Last 𝑆 = 𝐸𝐴𝜀 (s. Gl. (2.4)) um d𝑢 = 𝜀d𝑥. Eine Linienlast soll zunächst nicht wirken: 𝑠 = 0. Zu Beginn ist der Ausschnitt noch undeformiert und wird bis d𝑥+d𝑢 verlängert. Die Verschiebung bis d𝑢 erreicht ist, kann über ein Dehnungsinkrement d𝜀 als d𝜀d𝑥 angegeben werden. Mit steigender DeAbb. 4.4 Stab mit äußeren Lasten zur Herleitung der Formänderungsenergie und Potenziale

ড়- ৙)ড়* ো1Ȧ

ষ রব

৙1



োষȦ

৙ষ

50

4 Mathematische Modellierung über Energieprinzipien

Abb. 4.5 Zur Herleitung der Formänderungsenergie beim Stab: Verlängerung eines Stabausschnitts durch die Schnittkraft 𝑆

Eড়

E৙ > ౞Eড়

রব া

া E౞Eড়

formation erhöht sich auch die Stabkraft 𝑆, wie bei der oben beschriebenen diskreten Feder. Analog zur Feder wird angenommen, dass diese Kraft aus einem Potenzial 𝜋i berechnet werden kann, das von der Dehnung abhängen soll: 𝑆=−

d𝜋i . d𝜀

(4.6)

Es handelt sich hier um ein spezifisches Potenzial bzw. eine Potenzial(längen)dichte2 , die ein auf die Längeneinheit d𝑥 bezogenes Potenzial ist. Das Potenzial d𝛱i des Ausschnitts d𝑥 ergibt sich dann über d𝛱i = 𝜋i d𝑥. Umstellung von Gl. (4.6) und Integration bis zum Endzustand liefert die in dem infinitesimalen Ausschnitt gespeicherte Potenzialdichte: 𝜋i =

𝜋i

∫ 0

𝜀

d𝜋î =

∫ 0

𝜀

−𝑆 d𝜀 ̂ =

∫ 0

1 𝜀 1 d𝑢 2 𝐸𝐴𝜀 ̂ d𝜀 ̂ = 𝐸𝐴 [ 𝜀2̂ ] = 𝐸𝐴 ( ) , 2 0 2 d𝑥

wobei die Potenziallängendichte von 0 auf 𝜋i und die Dehnung von 0 auf 𝜀 erhöht wird, wenn d𝑢 erreicht ist. Analog zur Feder ist die Stabkraft eine Reaktionskraft und wirkt der Bewegung entgegen, weswegen formal 𝑆 = −𝐸𝐴𝜀 ̂ oben eingesetzt wurde. Diese Beziehung gilt bisher nur für einen infinitesimalen Ausschnitt. Für die gesamte Formänderungsenergie muss noch über die Stablänge 𝐿 integriert werden: 𝐿

𝛱i =

∫ 0

𝜋i d𝑥 =

1 𝐿 d𝑢 2 𝐸𝐴 ( ) d𝑥 . 2∫ d𝑥 0

Der Faktor 1/2 ergibt sich wie in Gl. (4.2) aus einer Integration über das infinitesimale Stück d𝑥, da sich die Verschiebung d𝑢 und die zugehörige Kraft, wie bei einer diskreten Feder, linear aufbauen. Dies ist eine charakteristische Eigenschaft von Potenzialproblemen. Eine alternative Formulierung erlaubt weiter unten die anschauliche Erweiterung auf den dreidimensionalen Fall: 𝛱i =

2

𝐿 Gl. (2.1) 1 Gl. (2.2) 1 1 𝐿 d𝑢 2 𝜀 𝜎 d𝑉 . 𝐸𝐴 ( ) d𝑥 = 𝜀 𝐸𝜀 𝐴d𝑥 = ∫ ∫ 2 0 d𝑥 2 0 2∫ 𝑉

(4.7)

Die Einheit einer Potenziallängendichte ist N, da das Potenzial selbst die Einheit N m hat. Die Erweiterung auf 3-D führt analog auf die Potenzialdichte, die auf das Volumen bezogen ist. Die Definition lautet dann 𝝈 = d𝜋i /d𝜺, s. auch Selke [5, Kap. 8.2.3, S. 175] und Gross, Hauger und Wriggers [2, Kap. 2.4.3]. Man spricht dann von der spezifischen Formänderungsenergie oder der Formänderungsenergiedichte.

4.1 Prinzip vom Minimum des Gesamtpotenzials

51

Der Stab wurde bisher eindimensional betrachtet mit konstantem Querschnitt 𝐴. Zur Bestimmung der Formänderungsenergie musste über die Länge 𝐿 integriert werden. Dies wird in Gl. (4.7) zurückgenommen, indem das Integral mit d𝑉 = 𝐴d𝑥 wieder in ein Volumenintegral transformiert wird. Man erkennt dann, dass sich die Formänderungsenergie auch als Produkt aus Spannungen und Dehnungen integriert über das Volumen des Stabs darstellen lässt. Die Arbeit der äußeren Kräfte setzt sich allgemein aus dem Anteil einer Linienlast 𝑠 und von Randlasten 𝑓0̄ , 𝑓𝐿̄ zusammen, die nur punktuell wirken. Für eine Skizze der einzelnen Größen s. Abb. 4.4. Die Arbeit punktueller Lasten ist das Produkt von Kraft mal Verschiebung am Kraftangriffspunkt. Für die Linienlast ist wieder eine inkrementelle Betrachtung und Integration über das Gebiet notwendig, die hier dem Leser überlassen wird: 𝐿 −𝛱a = 𝑊 = 𝑢(𝑥) 𝑠(𝑥) d𝑥 + 𝑢0 𝑓0̄ + 𝑢𝐿 𝑓𝐿̄ . (4.8) ∫ 0 Analog einer FE-Diskretisierung werden abweichend zur gängigen Definition die äußeren Lasten in Abb. 4.4 alle in positive Richtung angenommen, daraus ergeben sich entsprechend die Vorzeichen (s. Abb. 2.18). Das Gesamtpotenzial für den Stab lautet damit: 𝛱 = 𝛱 i + 𝛱a =

𝐿 1 𝐿 d𝑢 2 𝐸𝐴 ( ) d𝑥 − 𝑢(𝑥) 𝑠(𝑥) d𝑥 − 𝑢0 𝑓0̄ − 𝑢𝐿 𝑓𝐿̄ . ∫ 2∫ d𝑥 0 0

Ein Minimum dieser Funktion liefert den Gleichgewichtszustand unter der äußeren Belastung 𝑠(𝑥), 𝑓0̄ , 𝑓𝐿̄ . Das Minimum kann aber durch Ableiten nicht direkt bestimmt werden, da die Funktion 𝑢 unbekannt ist. Deswegen werden Näherungsansätze für die Verschiebungen eingesetzt, die eine Ableitung und Auswertung der Integrale erlauben. Dies wird in Kap. 5 detailliert für die FEM behandelt.

4.1.3 Allgemeines Prinzip vom Minimum des Gesamtpotenzials Die Formänderungsenergie eines 3-D-Körpers kann man wie beim Stab herleiten, indem man ein differenziell kleines Volumenelement mit den sechs unabhängigen Spannungskomponenten belastet und analog zu Gl. (4.7) über das Produkt mit den Verzerrungen integriert. Die Herleitung soll hier nicht angegeben werden, für Details s. Selke [5, Kap. 8.2.3, S. 175]. Analog zum Stab ergeben die drei Normaldehnungen multipliziert mit den Normalspannungen jeweils einen Beitrag zur Formänderungsenergie. Daneben treten noch die Scherungen 𝛾𝑖𝑗 auf, die mit den Schubspannungen zu multiplizieren sind. Das Gesamtpotenzial ist dann die Summe aller Beiträge 𝛱i =

1 1 (𝜀𝑥𝑥 𝜎𝑥𝑥 + 𝜀𝑦𝑦 𝜎𝑦𝑦 + 𝜀𝑧𝑧 𝜎𝑧𝑧 + 𝛾𝑥𝑦 𝜎𝑥𝑦 + 𝛾𝑥𝑧 𝜎𝑥𝑧 + 𝛾𝑦𝑧 𝜎𝑦𝑧 ) d𝑉 = 𝜺T 𝝈 d𝑉 . 2∫ 2∫ 𝑉 𝑉

52

4 Mathematische Modellierung über Energieprinzipien

Für den letzten Term wurde die Voigt-Notation nach Kap. 3.5 genutzt. Die Formänderungsenergie ergibt sich als Integral über das Skalarprodukt von Verzerrungen und Spannungen. Die Arbeit äußerer Kräfte setzt sich aus Volumenkräften, Flächenlasten und Punktkräften zusammen, nun in vektorieller Form, s. Abb. 3.1: 𝐾

T (𝑘) −𝛱a = 𝒖 𝒃̄ d𝑉 + 𝒖T 𝒕 ̄ d𝐴 + ∑ 𝒖(𝑘) 𝒇P̄ . ∫ ∫ 𝑉 𝐴

T

t

𝑘=1

Neben der Volumenlast 𝒃,̄ die der Streckenlast in Gl. (4.8) entspricht und den 𝐾 Einzelkräf(𝑘) ten 𝒇P̄ , kommt noch die Arbeit von Oberflächenlasten 𝒕 ̄ hinzu. Sie müssen mit dem Anteil der Verschiebungen auf dem Oberflächenanteil 𝐴t multipliziert und über das Oberflächensegment integriert werden, auf dem sie angreifen. Das Gesamtpotenzial lautet damit: 𝐾

𝛱=

T (𝑘) 1 𝜺T 𝝈 d𝑉 − 𝒖T 𝒃̄ d𝑉 − 𝒖T 𝒕 ̄ d𝐴 − ∑ 𝒖(𝑘) 𝒇P̄ . ∫ ∫ 2∫ 𝑉 𝑉 𝐴t 𝑘=1

(4.9)

Das Prinzip vom Minimum des Gesamtpotenzials im 3-D-Fall lautet schließlich

𝛱 → min



⎡ 𝜕𝛱 ⎤ ⎡0⎤ ⎢ 𝜕𝑢1𝑥 ⎥ ⎢ ⎥ ⎢ 𝜕𝛱 ⎥ ⎢ ⎥ ⎢ 𝜕𝑢1𝑦 ⎥ ⎢0⎥ ⎢ 𝜕𝛱 ⎥ ⎢ ⎥ ⎥ ⎢0⎥ ⎢ ⎢ 𝜕𝑢1𝑧 ⎥ ⎢ ⎥ 𝜕𝛱 ⎢ 𝜕𝛱 ⎥ ⎢ ⎥ = = 0 =𝟎. ⎢ 𝜕𝑢2𝑥 ⎥ ⎢ ⎥ 𝜕𝒖 ⎢ 𝜕𝛱 ⎥ ⎢ ⎥ ⎢ 𝜕𝑢2 ⎥ ⎢0⎥ ⎢ 𝑦⎥ ⎢ ⎥ ⎢ 𝜕𝛱 ⎥ ⎢0⎥ ⎢ 𝜕𝑢2𝑧 ⎥ ⎢ ⎥ ⎥ ⎢ ⎥ ⎢ ⎦ ⎣ ⎦ ⎣

Die Beziehung für das Minimum ist eine mögliche Ausgangsgleichung der FEM. Es ist zu beachten, dass es sich hier nicht mehr nur um eine Gleichung handelt, da 𝒖 ein Vektor ist.

4.2 Prinzip der virtuellen Verschiebung Die bisher vorgestellte Vorgehensweise lässt sich nur auf konservative Systeme anwenden, für die die Energieerhaltung gilt und ein Gesamtpotenzial angegeben werden kann. In vielen technischen Anwendungen ist aber eine Energiedissipation zu betrachten (z. B. bei plastischem Materialverhalten) und es kann kein Gesamtpotenzial formuliert werden. Eine viel allgemeinere Möglichkeit die Gleichgewichtsbedingung zu formulieren, basiert

4.2 Prinzip der virtuellen Verschiebung

53

Abb. 4.6 Darstellung der virtuellen Verschiebung an einem Balken im unbelasteten Zustand (– ⋅ –) und in deformierter Lage (—)

਍Ȧ - ౝ਍ > 1

ౝ৙৞ > 1



਍ ౝ਍ ৞

deshalb auf virtuellen Energieprinzipien, da hier die Notwendigkeit eine Potenzialfunktion angeben zu müssen entfällt. In Kap. 4.1 sind wir von einem nicht im Gleichgewicht befindlichen System ausgegangen und haben Arbeiten und Potenziale berechnet, aus denen der Gleichgewichtszustand ermittelt werden konnte. Eine andere Herangehensweise betrachtet das System in dem gesuchten (zunächst unbekannten) Gleichgewichtszustand. Da hier keine Verschiebungen auftreten und damit auch keine Arbeit bzw. Energie berechnet werden kann wird das System deshalb „künstlich“ durch eine virtuelle Verschiebung 𝛿𝒖 aus der Gleichgewichtslage ausgelenkt, um Energiebetrachtungen nutzen zu können. Es handelt sich um eine gedachte, differenziell kleine Verschiebung eines Punkts, die mit den kinematischen Randbedingungen des Systems verträglich sein muss, s. Abb. 4.6. Man sieht, dass die virtuelle Verschiebung 𝛿𝒖 an jedem Punkt von der tatsächlichen Verschiebung 𝒖 abweicht, außer bei kinematischen Randbedingungen (Lagerungen), bei denen die virtuelle Verschiebung null sein muss. Da es sich nur um gedachte Bewegungen handelt, wird ein eigenes Symbol „𝛿“ eingeführt, um es von einem echten Verschiebungsinkrement d𝒖 zu unterscheiden. Mit diesem Symbol kann trotzdem wie mit dem Differenzialsymbol „d“ gerechnet werden. Vor allem gilt eine Vertauschungsregel zwischen virtueller Größe und Differenzial: 𝛿(d(⋅)) = d(𝛿(⋅)), s. Riemer u. a. [4, Kap. 4.1, S. 223]. Das betrachtete System soll unter einer wirkenden Last im Gleichgewicht sein. Bei einer virtuellen Verschiebung ist deswegen zu beachten, dass die Lasten in voller Höhe wirken. Die Annahme einer differenziell kleinen Verschiebung bedeutet, dass die Last sich während der virtuellen Verschiebung weder nach Betrag noch Richtung verändert. Die virtuellen Verschiebungen verursachen damit entlang den tatsächlich wirkenden Kräften und Momenten eine virtuelle Arbeit 𝑊𝛿 die als die Arbeit einer in voller Höhe wirkenden Kraft 𝒇 entlang einer virtuellen Verschiebung 𝛿𝒖 definiert ist: 𝑊𝛿 = 𝒇 T 𝛿𝒙 = 𝒇 T 𝛿𝒖 . Bei Riemer u. a. [4, Kap. 4.2.1, S. 236] wird erläutert, dass 𝛿𝒖 = 𝛿𝒙 gilt, deswegen wird hier von Anfang an mit der Verschiebung gearbeitet. Ein Beispiel ist in Abb. 4.7 gezeigt. Das Fachwerk aus drei Stäben wird zunächst am Knoten 2 mit einer Kraft 𝑓 belastet. Dadurch verschieben sich Knoten 2 und 3 entsprechend den Lagerungsbedingungen. Nun wird an allen Knoten eine virtuelle Verschiebung aufgebracht, die kinematisch zulässig ist (deswegen sind 𝛿𝒖1 und 𝛿𝑢3𝑥 = 0). Dies führt an Knoten 2 und 3 zu weiteren virtuellen Verschiebungen, für die die virtuelle Arbeit bestimmt werden kann. Als weiteres Beispiel wird nochmals das Feder-Masse-System in Abb. 4.8 betrachtet: Die Feder soll sich bereits in der (zunächst unbekannten) Gleichgewichtslage 𝑢∗ befinden und wird nun um die virtuelle Verschiebung 𝛿𝑢 aus dieser Lage gedanklich verschoben. Die dabei entstehende äußere virtuelle Arbeit der Endlast (hier die Gewichtskraft) lautet

54

4 Mathematische Modellierung über Energieprinzipien







਍3



ౝ਍2 > 1 ౝ਍3

৾ ৾



ౝ৙4ড়> 1- ౝ৙4ঢ়

Abb. 4.7 Beispiel zur virtuellen Verschiebung

dann:

𝑊𝛿a = 𝐺 𝛿𝑢 = 𝑚𝑔 𝛿𝑢 .

Durch die virtuelle Verschiebung wird die Feder weiter gedehnt und damit im Inneren eine Formänderung aufgebracht, die innere virtuelle Formänderungsarbeit erzeugt: 𝑊𝛿i = 𝑓F 𝛿𝑢 = −𝑐𝑢∗ 𝛿𝑢 . Da die Kraft 𝑓F hier nun die ganze Zeit in voller Höhe als Totlast wirkt, anders als im Kapitel zuvor, ergibt sich die Arbeit in einem Kraft-Weg-Diagramm wie in Abb. 4.9 dargestellt. Die zugehörige virtuelle Arbeit wird als Endwertarbeit bezeichnet. Nachdem diese Terme ermittelt sind, wird nun ein weiteres Axiom formuliert, mit dem man auf Basis von virtuellen Verschiebungen das Gleichgewicht ermitteln kann: Das Prinzip der virtuellen Verschiebung oder auch Prinzip der virtuellen Arbeit besagt, dass sich ein Körper im Gleichgewicht befindet, wenn sich die virtuelle äußere Arbeit der virtuellen Verschiebungen mit den tatsächlichen Kräften und die virtuelle Formänderungsarbeit aus virtuellen Verzerrungen und tatsächlichen Spannungen zu null addieren. 𝑊𝛿i + 𝑊𝛿a = 0 . Dieses Prinzip lässt sich aus den Gleichgewichtsbedingungen in Gl. (3.15) herleiten (z. B. in Riemer u. a. [4, Kap. 4.2.2]) und ist diesen völlig gleichwertig. Abb. 4.8 Virtuelle Arbeit einer Feder

ৈ ো' > ৈ৙҈

৑ ৙҈

ౝ৙ ল > ৑ৌ

4.2 Prinzip der virtuellen Verschiebung

55

Abb. 4.9 Darstellung der Endwertarbeit

2 าূ' า > 3 ো' ৙

J าূౝ า > ো' ౝ৙

าো' า

৙- ౝ৙

Einsetzen der Terme für das Feder-Masse-Beispiel und Ausklammern der virtuellen Verschiebung liefert 𝛿𝑢 ⋅ (𝑚𝑔 − 𝑐𝑢∗ ) = 0 . Um das Produkt aus virtueller Verschiebung und Differenz der real wirkenden Kräfte zu null zu machen, muss einer der Faktoren null sein. Da 𝛿𝑢 = 0 den Gleichgewichtszustand bedeuten würde und die virtuellen Verschiebungen als beliebig betrachtet werden, kann man folgern, dass gelten muss 𝑚𝑔 − 𝑐𝑢∗ = 0



𝑢∗ =

𝑚𝑔 . 𝑐

Auch über das Prinzip der virtuellen Arbeit kann der Gleichgewichtszustand 𝑢∗ ermittelt werden. Man geht dazu vom zunächst unbekannten, gesuchten Gleichgewichtszustand aus und überlagert dem einen virtuellen Verschiebungszustand. Nun wird auf kontinuierliche Systeme übergegangen, zunächst am Beispiel des Stabs. Die inkrementelle Erhöhung der virtuellen Formänderungsarbeit d𝑊𝛿i an einem kleinen Ausschnitt d𝑥 des Stabs in Abb. 4.10 bei virtueller Verschiebung 𝛿(d𝑢) lässt sich analog zu Kap. 4.1.2 formulieren als −d𝑊𝛿i = 𝑆𝛿(d𝑢) = 𝑆𝛿(𝜀d𝑥) = 𝑆𝛿(𝑢′ )d𝑥 . Die virtuelle Verschiebung wird auf das vollständig um d𝑢 deformierte Teilstück angewendet. Weiterhin ist zu beachten, dass bei der Auswertung die Produktregel anzuwenden ist, aber 𝛿(d𝑥) = 0 gilt, da die Ortskoordinaten bez. der virtuellen Größen unverändert bleiben. Die Kraft 𝑆 wirkt bereits in voller Höhe, deshalb ist hier keine weitere Integration nötig, im Gegensatz zu oben. Dies ergibt für die gesamte virtuelle Formänderungsarbeit des Stabs −𝑊𝛿i =

𝐿

∫ 0

𝑆 𝛿𝑢′ d𝑥 =

𝐿

∫ 0

𝐸𝐴𝑢′ 𝛿𝑢′ d𝑥 =

𝐿

∫ 0

𝛿𝑢 ⏟′ 𝐴d𝑥 ≡ ⏟′ 𝐸𝑢 𝛿𝜀

𝜎

Eড়

Abb. 4.10 Virtuelle Verschiebung an einem Stabausschnitt

𝛿𝜀 𝜎 d𝑉 . ∫ 𝑉

E৙ > ౞Eড়

রব া

া ౝ)E৙*

56

4 Mathematische Modellierung über Energieprinzipien

Abb. 4.11 Virtuelle Arbeit beim Stab

ড়- ৙)ড়* ো1Ȧ

ষ রব ৗ

ౝ৙1

োষȦ

ౝ৙ষ

Die virtuelle Formänderungsarbeit ist das Produkt aus virtuellen Dehnungen und echten Spannungen. Der Faktor 1/2 tritt hier nicht mehr auf, da die Kraft während der virtuellen Verschiebung als Totlast in konstanter Höhe wirkt. Die virtuelle Arbeit äußerer Kräfte beim Stab leitet sich analog zur realen Arbeit her und wird hier direkt angegeben 𝑊𝛿a =

𝐿

∫ 0

𝛿𝑢(𝑥) 𝑠(𝑥) d𝑥 + 𝛿𝑢0 𝑓0̄ + 𝛿𝑢𝐿 𝑓𝐿̄ .

Die einzelnen Terme sind in Abb. 4.11 abzulesen. Es sind v. a. die Arbeiten an den Randpunkten 𝑥 = 0 und 𝑥 = 𝐿 zu beachten, über die nicht integriert wird. Das Prinzip der virtuellen Verschiebung 𝑊𝛿i (𝑢) + 𝑊𝛿a (𝑢) = 0 lautet damit beim Stab: 𝐿

∫ 0

𝛿𝑢′ (𝑥)𝐸𝐴𝑢′ (𝑥) d𝑥 =

𝐿

∫ 0

𝛿𝑢(𝑥) 𝑠(𝑥) d𝑥 + 𝛿𝑢0 𝑓0̄ + 𝛿𝑢𝐿 𝑓𝐿̄ .

(4.10)

Zuletzt verbleibt die Erweiterung auf den dreidimensionalen Fall. Im allgemeinen Fall sind alle Größen analog zum Stab zu erweitern: In der Elastostatik setzt sich die virtuelle Arbeit äußerer Kräfte 𝑊𝛿a (𝑢) damit aus drei Teilen zusammen, entsprechend den drei Typen von Belastungen (s. Abb. 3.1): 𝐾

𝑊𝛿a (𝑢) =

∫ 𝑉

𝛿𝒖T 𝒃̄ d𝑉 +

∫ 𝐴

t

T

𝛿𝒖T 𝒕 ̄ d𝐴 + ∑ 𝛿𝒖(𝑘) 𝒇P̄ (𝑘) . 𝑘=1

Da die kinematischen Randbedingungen 𝒖 = 𝒖̄ auf 𝐴u erfüllt sein müssen, folgt, dass die virtuelle Verschiebung auf dem Teilrand null sein muss, da eine virtuelle Veränderung der Randbedingungen das mechanische Problem verändern würde: 𝛿𝒖|𝐴 = 0 . u Die äußere virtuelle Arbeit 𝑊𝛿a wird im Inneren in Form von Deformationen und Spannungen gespeichert, die damit eine virtuelle innere Arbeit verrichten. Dieser Term der inneren Arbeit wird als virtuelle Formänderungsarbeit bezeichnet: def.

−𝑊𝛿i =

∫ 𝑉

𝛿𝜺T 𝝈 d𝑉 .

Das Prinzip der virtuellen Verschiebung im dreidimensionalen Fall lautet damit:

(4.11)

4.2 Prinzip der virtuellen Verschiebung

57 𝐾

∫ 𝑉

𝛿𝜺T 𝝈 d𝑉 =

∫ 𝑉

𝛿𝒖T 𝒃̄ d𝑉 +

∫ 𝐴

t

T

𝛿𝒖T 𝒕 ̄ d𝐴 + ∑ 𝛿𝒖(𝑘) 𝒇P̄ (𝑘) .

(4.12)

𝑘=1

Als Nebenbedingungen sind 𝛿𝒖|𝐴 = 0 u

und 𝛿𝜺|𝑉 = 𝑫𝜀 𝛿𝒖

(4.13)

einzuhalten, wobei das Verschwinden der virtuellen Verschiebung 𝛿𝒖 auf 𝐴u die Einhaltung der kinematischen Randbedingung 𝒖|𝐴u = 𝒖̄ erzwingt. Gl. (4.12) stellt eine notwendige und hinreichende Bedingung für das Gleichgewicht eines elastischen Körpers dar. Bemerkenswert ist, dass die natürlichen Randbedingungen nicht gesondert gefordert werden, sie sind Teil des Energieprinzips und werden dadurch automatisch erfüllt, allerdings nur im integralen Sinn, s. bei Gl. (4.16). Das Prinzip der virtuellen Verschiebung stellt einen allgemeinen Ausgangspunkt für ein Näherungsverfahren der Elastostatik mit der Finite-Elemente-Methode dar. Für die Variablen in Gl. (4.12) ist nicht jeder beliebige funktionale Verlauf zulässig. Die Integrale über die Funktionen müssen auswertbar sein. In den hier behandelten Problemstellungen treten Funktionen in den Integranden auf, die die erste Ableitung (Verzerrungen und Spannungen) der unabhängigen Variablen (Verschiebungen) enthalten. Damit die Integrale über die ersten Ableitungen regulär, d. h. beschränkt bleiben, darf die Ableitung höchstens Sprünge im Funktionsverlauf enthalten, s. Abb. 4.12, aber keine unbeschränkten Funktionswerte (Singularitäten, s. Gaul, Kögl und Wagner [1, Kap. 6, S. 175ff.]). Daraus folgt, dass der Ansatz für die Verschiebungen über das gesamte Gebiet stetig sein muss, d. h. es dürfen zwar Knicke auftreten, aber keine Sprünge. Mechanisch kann man dies so verstehen, dass ansonsten Klaffungen in einem Körper auftreten könnten, bzw. unendlich hohe Spannungen oder Verzerrungen. In der Mathematik werden Funktionen, die in einem beschränkten Gebiet 𝑛-mal stetig differenzierbar sind, als 𝐶 𝑛 -stetig bezeichnet. Für unseren Fall benötigen wir also 𝐶 0 -stetige Verschiebungsverläufe über das gesamte Gebiet. Treten höhere Ableitungen in den Energieprinzipien auf, sind entsprechend auch die Differenzierbarkeitsanforderungen an die zulässigen Verschiebungsverläufe höher, s. Kap. 6.3.3.1. Die Konsequenzen für die Auswahl von Ansatzfunktionen für eine FE-Diskretisierung werden in Kap. 7.1.1 besprochen. Abb. 4.12 Zur Stetigkeit von Funktionen und Ableitungen

৙)ড়* ,OJDL

ড় E৙)ড়* Eড়

4QSVOH 4JOHVMBSJU¤U ড়

58

4 Mathematische Modellierung über Energieprinzipien

Beispiel: Als Anwendung des 3-D-Prinzips soll für das Stabelement (s. Abb. 4.11) der Länge 𝐿 mit konstantem Querschnitt 𝐴 das entlang der 𝑥-Achse ausgerichtet ist, aus der allgemeinen Gl. (4.12) das Prinzip der virtuellen Verschiebungen für den Stab abgeleitet werden. Dazu sind der Spannungs- und Verzerrungsvektor für diesen Fall entsprechend aufzustellen: ′

⎡𝜎𝑥𝑥 ⎤ ⎡𝐸𝑢𝑥 ⎤ ⎢ 𝜎𝑦𝑦 ⎥ ⎢ 0 ⎥ ⎢𝜎 ⎥ ⎢ 0 ⎥ 𝝈 = ⎢ 𝑧𝑧 ⎥ = ⎢ 𝜎 0 ⎥ ⎥ ⎢ 𝑥𝑦 ⎥ ⎢ 𝜎 ⎢ 𝑥𝑧 ⎥ ⎢ 0 ⎥ ⎣ 𝜎𝑦𝑧 ⎦ ⎣ 0 ⎦

′ ⎡𝜀𝑥𝑥 ⎤ ⎡𝑢𝑥 ⎤ ⎢ 𝜀𝑦𝑦 ⎥ ⎢ 0 ⎥ ⎢𝜀 ⎥ ⎢ 0 ⎥ 𝜺 = ⎢ 𝑧𝑧 ⎥ = ⎢ ⎥ . 𝜀 0 ⎢ 𝑥𝑦 ⎥ ⎢ ⎥ ⎢𝜀𝑥𝑧 ⎥ ⎢ 0 ⎥ ⎣ 𝜀𝑦𝑧 ⎦ ⎣ 0 ⎦

Die virtuelle Formänderungsarbeit ergibt sich zu (mit d𝑉 = 𝐴d𝑥) 𝑊𝛿i =

𝐿

𝛿𝜺T 𝝈 d𝑉 = 𝛿𝑢′𝑥 𝐸𝑢′𝑥 𝐴d𝑥 . ∫ ∫ 𝑉 0

Die virtuelle Arbeit äußerer Lasten setzt sich aus der Streckenlast 𝑠 und den Randkräften zusammen. Der Verschiebungs- und Volumenlastvektor lauten 𝒖 = [𝑢𝑥 0 0]T

𝑠 T 𝒃̄ = [ 𝐴 0 0] ,

wobei die Einheit der Linienlast zu beachten ist. Mit den beiden Randkräften nach Abb. 4.11 lautet der Term der äußeren virtuellen Arbeit 𝑊𝛿a =

̄ ̄ 2 𝐿 ⎡ 𝑓𝐿 ⎤ ⎡𝑓0 ⎤ T 𝑠 (𝑘) 𝛿𝑢𝑥 𝐴d𝑥 + [𝛿𝑢0 0 0]⎢ 0 ⎥ + [𝛿𝑢𝐿 0 0]⎢ 0 ⎥ . 𝛿𝒖T 𝒃̄ d𝑉 + ∑ 𝛿𝒖(𝑘) 𝒇P = ∫ ∫ ⎢ ⎥ ⎢ ⎥ 𝐴 0 𝑉 𝑘=1 ⎣0⎦ ⎣0⎦

Das Prinzip der virtuellen Verschiebung in 3-D, Gl. (4.12), führt damit auf die in Gl. (4.10) direkt hergeleitete Beziehung für den Stab.

4.3 Methode der gewichteten Residuen am Beispiel des Stabs Es soll hier noch eine weitere Möglichkeit am Beispiel des Stabs angegeben werden, die Ausgangsgleichung für eine FE-Methode herzuleiten. Die Methode der gewichteten Residuen geht dabei direkt von der betrachteten Differenzialgleichung Gl. (2.5) aus, indem man wie folgt umstellt: 𝐸𝐴𝑢″ = −𝑠 ⟺ 𝐸𝐴𝑢″ + 𝑠 = 0 .

(4.14)

Der rechte Ausdruck wird als Residuum bezeichnet. Ist das Residuum null, ist die Differenzialgleichung punktweise identisch erfüllt. Davon ausgehend kann man Folgendes formulieren: die Gleichgewichtsbedingung wird mit einer Testfunktion 𝑣(𝑥) multipliziert und über das räumliche Gebiet 𝑉 mit dem Rand 𝐴 integriert. Beim Stab bedeutet dies die Integration über die Länge von 0 bis 𝐿: 𝐿

∫ 0

(𝐸𝐴𝑢″ + 𝑠) 𝑣 d𝑥 = 0 .

(4.15)

4.3 Methode der gewichteten Residuen am Beispiel des Stabs

59

Da die Gleichgewichtsbedingung an jedem Punkt identisch null sein soll, muss auch jedes Integral aus einem Produkt mit dieser Funktion verschwinden. Der Vorteil dieser Integraldarstellung liegt darin, dass die Gl. (4.14) durch einen integralen Wert ersetzt wird. Dadurch wird die Differenzialgleichung im Gebiet 𝑉 nur noch im Mittel erfüllt. Dies stellt geringere Anforderungen an eine Lösung 𝑢 als eine punktweise Bestimmung. Die Testfunktion 𝑣 wird eingeführt, um mehr Flexibilität zu erhalten, die Gleichung im Mittel zu null zu machen. Sie muss die Bedingung erfüllen, dass sie auf dem Gebietsrand (hier 𝑥 = 0 und 𝑥 = 𝐿) gleich 0 ist. Dies wird als Einbettungsansatz (Gaul, Kögl und Wagner [1]) bezeichnet. In Gl. (4.15) treten noch Ableitungen zweiter Ordnung auf. Für das spätere Einsetzen von Näherungslösungen bedeutet dies, dass diese 1-mal stetig ableitbar sein müssen, d. h. die 1. Ableitung einer solchen Funktion darf maximal einen Knick aufweisen und die 2. Ableitung damit einen Sprung, damit die Integrale beschränkt bleiben. Mathematisch spricht man von 𝐶 1 -Stetigkeit, s. Kap. 7.1.1. Allgemeine Ansatzfunktionen zu definieren, die diese Forderung erfüllen, ist aufwendig. Deshalb wird das gewichtete Residuum noch weiter umgeformt mit Hilfe der partiellen Integration (s. Gaul, Kögl und Wagner [1, Kap. 1.5, S. 17]): Im 1-D gilt für zwei Funktionen 𝑤(𝑥) und 𝑣(𝑥) 𝐿

∫ 0

𝑤′ 𝑣d𝑥 =

𝐿

∫ 0

(𝑤𝑣)′ d𝑥 −

𝐿

∫ 0

𝑤𝑣′ d𝑥 = 𝑤𝑣|𝐿 − 0

𝐿

∫ 0

𝑤𝑣′ d𝑥 .

Für den ersten Term in Gl. (4.15) kann man damit ableiten (indem man 𝑤 = 𝑢′ setzt): 𝐿

∫ 0

𝐸𝐴(𝑢′ )′ 𝑣d𝑥 =

𝐿

∫ 0

(𝐸𝐴𝑢′ 𝑣)′ d𝑥 −

𝐿

∫ 0

− 𝐸𝐴𝑢′ 𝑣′ d𝑥 = 𝐸𝐴𝑢′ 𝑣|𝐿 0

𝐿

∫ 0

𝐸𝐴𝑢′ 𝑣′ d𝑥 .

Der erste Term der rechten Seite ergibt sich zu ′ (0) 𝑣(0) = 𝑣(𝐿)𝑆(𝐿) − 𝑣(0)𝑆(0) . 𝐸𝐴𝑢′ 𝑣|𝐿 = ⏟⏟⏟⏟⏟ 𝐸𝐴𝑢′ (𝐿) 𝑣(𝐿) − 𝐸𝐴𝑢 ⏟⏟⏟ 0 𝑆(𝐿)

𝑆(0)

Es folgt für Gl. (4.15): 𝐿

∫ 0

𝑣′ 𝐸𝐴𝑢′ d𝑥 =

𝐿

∫ 0

𝑣𝑠 d𝑥 − 𝑣(0)𝑆(0) + 𝑣(𝐿)𝑆(𝐿) .

(4.16)

Vergleicht man die Terme der Einzelkräfte mit Gl. (4.10) fällt auf, dass das Vorzeichen bei 𝑆(0) negativ ist. Dies erklärt sich damit, dass in Gl. (4.16) Schnittkräfte aus der Herleitung folgen, während in Gl. (4.10) die gegebenen Randbedingungen eingesetzt werden. In Gl. (2.15) wurde über das Schnittprinzip der Zusammenhang zwischen äußeren Lasten nach der Vorzeichenkonvention der FEM und Schnittkräften hergeleitet. Analog folgt im vorliegenden Fall −𝑆(0) = 𝑓0̄ und 𝑆(𝐿) = 𝑓𝐿̄ . Bei Gl. (4.16) spricht man von der schwachen Form der Differenzialgleichung, im Vergleich zur starken Form in Kap. 3.4. Wie man sieht, treten nur noch Ableitungen 1. Ordnung auf. Für Näherungslösungen bedeutet dies, dass 𝐶 0 -Stetigkeit der Ansatzfunktionen ausreicht, d. h. nur die Funktion selbst muss stetig sein, die 1. Ableitung kann bereits einen Sprung aufweisen.

60

4 Mathematische Modellierung über Energieprinzipien

Vergleicht man Gl. (4.16) mit Gl. (4.10) und setzt die virtuelle Verschiebung 𝛿𝑢 gleich der Testfunktion 𝑣, dann ergibt sich die identische Gleichung. Man erkennt also, dass es sich um völlig äquivalente Vorgehensweisen handelt. Die eine ist mehr mechanisch motiviert, die andere mathematisch. Die Methode der gewichteten Residuen ist eine sehr allgemeine Vorgehensweise mit der für beliebige Differenzialgleichungssysteme eine schwache Form hergeleitet werden kann, die Ausgangspunkt der FEM ist, und zwar unabhängig davon, ob sich Energieprinzipien wie im Falle der Elastomechanik überhaupt ableiten lassen. Auch für den nichtlinearen Fall ist diese Herangehensweise sinnvoll, s. Kap. 9.8.

4.4 Literaturverzeichnis [1] [2] [3] [4] [5] [6]

L. Gaul, M. Kögl und M. Wagner. Boundary Element Methods for Engineers and Scientists. Berlin: Springer, 2003. D. Gross, W. Hauger und P. Wriggers. Technische Mechanik 4. 10. Aufl. Berlin: Springer Vieweg, 2018. R. Mahnken. Lehrbuch der Technischen Mechanik. Band 2, Elastostatik. 2. Aufl. Berlin: Springer-Verlag GmbH Deutschland, 2019. M. Riemer, W. Seemann, J. Wauer und W. Wedig. Mathematische Methoden der Technischen Mechanik. 3. Aufl. Wiesbaden: Springer Vieweg, 2019. P. Selke. Höhere Festigkeitslehre. München: Oldenbourg Verlag, 2013. P. Steinke. Finite-Elemente-Methode. 5. Aufl. Wiesbaden: Springer Vieweg, 2015.

Kapitel 5

Diskretisierung mit finiten Elementen

Die prinzipielle Vorgehensweise bei der Diskretisierung wurde in Kap. 2 eingeführt. In diesem Kapitel werden die Lösungsansätze nun auf den allgemeinen dreidimensionalen Fall erweitert, s. Abb. 5.1. Weiterhin wird die Steifigkeitsgleichung der FEM nicht mehr aus der Betrachtung vektorieller Gleichgewichtsbedingungen hergeleitet, sondern aus dem allgemeineren Ansatz der Energieprinzipien aus Kap. 4. Diese können nur in seltenen Fällen analytisch für die Verschiebungen 𝒖(𝒙) gelöst werden, eignen sich aber sehr gut als Ausgangspunkt für die FEM, die darauf basiert Lösungsansätze für das Gebiet anzunehmen. Da in den Energieprinzipien Integrale über das Gebiet ausgewertet werden, können diese Lösungsansätze hier direkt eingesetzt werden. Zentraler Gedanke ist dabei, nicht einen Lösungsansatz für das gesamte Gebiet zu suchen, sondern das Gebiet in Teilbereiche, die finiten Elemente, zu zerlegen. Dieser Schritt wird als Diskretisierung bezeichnet und man spricht bei der FEM auch von einem Diskretisierungsverfahren. In einem finiten Element kann man relativ einfache Ansatzfunktionen wählen. Die allgemeine Vorgehensweise wird in Kap. 5.1 erläutert. Die Ansatzfunktionen sind dabei nur im Bereich des jeweiligen Elements von null verschieden. Im gesamten Rest des betrachteten Körpers werden die Funktionen zu null gesetzt, d. h. ein Element hat nur lokalen Einfluss. Für einen Stab, der mit drei Elementen mit linearen Polynomen diskretisiert wurde, ist dies in Abb. 5.2 skizziert. Dadurch ist es möglich, zunächst jedes Finite Element für sich allein zu berechnen. Darauf wird in Kap. 5.3 eingegangen. Die Lösung für den vollständigen Körper erhält man anschließend durch BeAbb. 5.1 Diskretisierung eines Kontinuums in Finite Elemente

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'JOJUFT &MFNFOU

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61

© Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2022 M. Wagner, Lineare und nichtlineare FEM, https://doi.org/10.1007/978-3-658-36522-6_5

62

5 Diskretisierung mit finiten Elementen

Abb. 5.2 Definitionsbereich von linearen Formfunktionen über mehrere 1-DStabelemente

৙)ড়*

৙৊ȥ )ড়* ড়

 ৊>2

৊>3

৊>4

achtung von Kompatibilitätsbedingungen an den verbindenden globalen Knoten, die das Aufstellen eines Gesamtgleichungssystems erlauben, s. Kap. 5.4. Auf die Lösung dieses linearen Gleichungssystems wird in Kap. 5.5 und Kap. 5.6 eingegangen.

5.1 Definition des Näherungsansatzes für ein Element Wie Abb. 5.1 zeigt, wird das Berechnungsgebiet 𝑉, d. h. das Bauteil, in 𝐸 Finite Elemente, 𝑉 𝑒 , 𝑒 = 1, … , 𝐸 mit 𝑁 globalen Systemknoten diskretisiert. Die Elemente dürfen sich nicht überschneiden und es darf keine Lücken geben. Jedes Element 𝑒 hat eine Anzahl 𝑛𝑒 lokale Elementknoten. Abb. 5.3 zeigt als Beispiel ein vierknotiges Element im 3-D. Man sieht, dass die Elemente im Allgemeinen mehrdimensional, nicht mehr rechtwinklig und beliebig im Raum angeordnet sind.

5.1.1 Formfunktionsmatrix Für die finiten Elemente werden polynomiale Näherungsansätze für die Verschiebungen 𝒖̃𝑒 (𝒙) bis zu einer Ordnung 𝑝 definiert, entsprechend der Vorgehensweise in Kap. 2. Der Übersichtlichkeit halber wird dies hier nur für den 2-D-Fall bis 𝑝 = 2 angedeutet: 𝒖̃𝑒 (𝑥, 𝑦) =

𝑢𝑥̃ 𝑎 + 𝑎1 𝑥 + 𝑎2 𝑦 + 𝑎3 𝑥𝑦 + 𝑎4 𝑥2 + 𝑎5 𝑦2 + 𝑎6 𝑥2 𝑦 + 𝑎7 𝑥𝑦2 + 𝑎8 𝑥2 𝑦2 = 0 . [𝑢𝑦̃ ] [ 𝑏0 + 𝑏1 𝑥 + 𝑏2 𝑦 + 𝑏3 𝑥𝑦 + 𝑏4 𝑥2 + 𝑏5 𝑦2 + 𝑏6 𝑥2 𝑦 + 𝑏7 𝑥𝑦2 + 𝑏8 𝑥2 𝑦2 ]

Es sind nun gemischte Polynomterme zu berücksichtigen. Wie in Kap. 2.1.2 werden die Koeffizienten 𝑎𝑖 , 𝑏𝑖 durch Stützstellen an den Knoten der Elemente festgelegt und durch Abb. 5.3 Schematische Darstellung des FEM-Ansatzes mit Knotenvariablen und polynomialen Formfunktionen für ein zweidimensionales Element mit vier Knoten im globalen dreidimensionalen Raum

E ৊

਍ȥ )ਐ* C

৊>2 হA

৞ G ਐ ঢ় ড়

ਐ2A

A ਍2A

5.1 Definition des Näherungsansatzes für ein Element

63

Umsortieren in Ansatz- oder Formfunktionen und Knotenvektoren getrennt. Dies ist essenziell in der FEM, da sich dadurch der stetige Verlauf der Feldgrößen beim Übergang von einem Element zum nächsten gewährleisten lässt. In Kap. 7.1.1 wird erläutert, dass nur dann eine Lösung mit der FEM garantiert werden kann. Neben den Eckpunkten können zusätzlich Knoten auf den Kanten und im Inneren der Elemente liegen, s. Abb. 6.21. Durch die mehrdimensionale Betrachtung sind die Formfunktionen für jeden Knoten nun in Matrizen 𝑵𝑖 , 𝑖 = I, J, … anzuordnen: 𝒖̃𝒆 (𝒙) = 𝑵I (𝒙)𝒖𝒆I + 𝑵J (𝒙)𝒖𝒆J + 𝑵K (𝒙)𝒖𝒆K + … = 𝑵(𝒙)𝒖𝒆 .

(5.1)

Die einzelnen Knotenmatrizen können in der Formfunktionsmatrix 𝑵 zusammengefasst werden. Die Dimension dieser Matrix ergibt sich allgemein zu Dim(𝑵) = [𝑛FHG × 𝑛FHG ⋅ 𝑛𝑒 ] , wobei 𝑛FHG die Anzahl der Elementfreiheitsgrade an jedem Elementknoten bezeichnet. Die Anzahl Freiheitsgrade kann für übliche Elemente zwischen 1 (Stabelement) und 6 (Schalenelement, s. Kap. 6.4.2) liegen. Der Gesamtvektor der Elementknotenfreiheitsgrade 𝒖𝒆 hat entsprechend die Dimension Dim(𝒖𝒆 ) = [𝑛FHG ⋅𝑛𝑒 ×1]. Die zunächst unbekannten Stützstellen der Polynome, in unserem Fall die Verschiebungen 𝒖𝑒 an den Knoten, sind die Unbekannten, die es zu berechnen gilt, um eine Näherungslösung 𝒖̃𝑒 (𝒙) zu erhalten. Die Formfunktionen sind über die Indizierung 𝑖, 𝑗 = I, J, K, … einem der Knoten zugeordnet: 𝑰 für 𝑖 = 𝑗 𝑵𝑖 (𝒙𝑗 ) = . (5.2) {𝟎 für 𝑖 ≠ 𝑗 In Worten bedeutet dies, dass an der Stelle der zugeordneten Knotenverschiebung (𝑖 = 𝑗) die Formfunktion immer eins ist, an den anderen Knoten null. Diese Eigenschaft gilt für jedes beliebige Finite Element. Zur Verdeutlichung wird der FEM-Ansatz komponentenweise für das Beispiel eines Viereckelements in 2-D angegeben, s. Abb. 5.4, das im Detail in Kap. 6.4.1.1 diskutiert wird. Das Element besteht aus vier Knoten I, J, K und L und zugeordneten Formfunktionen 𝑁I , 𝑁J , 𝑁K und 𝑁L , s. Gl. (6.24) für die tatsächlichen Funktionen. Der polynomiale Ansatz muss nun für zwei Raumdimensionen 𝑥 und 𝑦 angegeben werden: Abb. 5.4 Ebenes lineares Viereckelement mit vier Knoten im zweidimensionalen Raum

ঢ় ਍৊C

ਐE

ਐG

৙৊C

ਐA ਐC ড়

৙৊C





64

5 Diskretisierung mit finiten Elementen

𝑢𝑒𝑥̃ = 𝑁I 𝑢I𝑥 + 𝑁J 𝑢J𝑥 + 𝑁K 𝑢K𝑥 + 𝑁L 𝑢L𝑥 𝑢𝑒𝑦̃ = 𝑁I 𝑢I𝑦 + 𝑁J 𝑢J𝑦 + 𝑁K 𝑢K𝑦 + 𝑁L 𝑢L𝑦 . Hierbei wird für jede Raumrichtung derselbe Ansatz benutzt. Dies ist nicht vorgeschrieben, wird aber in allen üblichen finiten Elementen so angewendet. Für eine Matrixdarstellung nach Gl. (5.1) sind dann zu definieren: • der Elementknotenvektor: T

𝑒 𝑒 𝑒 𝑒 𝑒 𝑒 𝑒 𝑒 T 𝒖𝑒 = [𝒖𝒆I T 𝒖𝒆J T 𝒖𝒆K T 𝒖𝒆L T ] = [𝑢I𝑥 𝑢I𝑦 𝑢J𝑥 𝑢J𝑦 𝑢K𝑥 𝑢K𝑦 𝑢L𝑥 𝑢L𝑦 ]

mit Dim(𝒖𝑒 ) = [𝑛FHG ⋅ 𝑛𝑒 × 1] = [2 ⋅ 4 × 1], • die Matrix der Formfunktionen (die Funktionen selbst sind in Kap. 6.4.1.1 gegeben): 𝑵 = [𝑵I 𝑵J 𝑵K 𝑵L ] =

𝑁I 0 𝑁J 0 𝑁K 0 𝑁L 0 [ 0 𝑁 I 0 𝑁J 0 𝑁 K 0 𝑁 L ]

(5.3)

mit Dim(𝑵) = [𝑛FHG × 𝑛FHG ⋅ 𝑛𝑒 ] = [2 × 2 ⋅ 4]. Zu beachten ist der Aufbau der Submatrizen 𝑵𝑖 , 𝑖 = I, J, …, die auf der Hauptdiagonale die Formfunktion am zugeordneten Knoten enthalten. Alle anderen Koeffizienten sind null. Dies ist auch in einem dreidimensionalen Element der Fall.

5.1.2 Näherungsansatz für Verzerrungen und Spannungen Zum Einsetzen in eines der Energieprinzipien aus Kap. 4 ist noch eine Beziehung für die Verzerrungen anzugeben. Hierzu wird nun die Differenzialoperatormatrix aus Gl. (3.16) herangezogen: 𝒆 𝜺𝒆̃ = 𝑫𝜀 𝒖̃𝒆 = 𝑫 (5.4) 𝜀 𝑵(𝒙) 𝒖 . ⏟⏟⏟ 𝑩(𝒙)

Es entsteht dabei die Matrix 𝑩(𝒙), die die Ableitungen der Formfunktionen nach den globalen Koordinaten enthält. Die Zeilendimension dieser Matrix hängt vom Verzerrungsvektor ab. Für das ebene Scheibenelement in Abb. 5.4 hat der Verzerrungsvektor drei Komponenten entsprechend Gl. (3.19). Mit der dort angegebenen Differenzialoperatormatrix 𝑫𝜀 lässt sich die 𝑩(𝒙)-Matrix angeben als ⎡𝑁I,𝑥 0 𝑁J,𝑥 0 𝑁K,𝑥 0 𝑁L,𝑥 0 ⎤ 𝑩 = [𝑩I 𝑩J 𝑩K 𝑩L ] = ⎢ 0 𝑁I,𝑦 0 𝑁J,𝑦 0 𝑁K,𝑦 0 𝑁L,𝑦 ⎥ , ⎢ ⎥ ⎣𝑁I,𝑦 𝑁I,𝑥 𝑁J,𝑦 𝑁J,𝑥 𝑁K,𝑦 𝑁K,𝑥 𝑁L,𝑦 𝑁L,𝑥 ⎦ wobei hier die kurze Schreibweise für Ableitungen in Indexnotation nach Gl. (A.4) genutzt wird. Für den Stab ist die Matrix 𝑩(𝒙) in Gl. (2.13) angegeben. Weiterhin sind noch Ansätze für die Spannungen zu definieren, wobei dies hier zunächst über das Hooke’sche Materialgesetz aus Gl. (3.18) geschehen soll:

5.2 Diskretisierung des Prinzips vom Minimum des Gesamtpotenzials

65

𝝈̃ 𝒆 = 𝑪 𝜺𝒆̃ = 𝑪 𝑩(𝒙)𝒖𝒆 .

(5.5)

5.2 Diskretisierung des Prinzips vom Minimum des Gesamtpotenzials Durch die Näherungsansätze Gl. (5.1), Gl. (5.4) und Gl. (5.5) werden die kontinuierlichen Feldgrößen für Verschiebung, Verzerrung und Spannung durch Funktionen ersetzt, die durch die Verschiebungen an diskreten Knoten festgelegt werden. Diese Knotenverschiebungen sind die verbleibenden Unbekannten, die berechnet werden müssen. Dazu werden die Ansätze in das Prinzip vom Minimum des Gesamtpotenzials in Gl. (4.9) eingesetzt. Dies führt auf eine Matrixgleichung für das einzelne Element. Das genäherte Potenzial 𝛱̃ 𝑒 für ein Element 𝑒 lautet: 1 𝛱̃ 𝑒 = (𝑩𝒖𝑒 )T (𝑪𝑩𝒖𝑒 ) d𝑉 − (𝑵𝒖𝑒 )T 𝒃̄ 𝑒 d𝑉 − (𝑵𝐴 𝒖𝑒𝐴 )T 𝒕𝑒̄ d𝐴 . ∫ ∫ 2∫ 𝑉𝑒 𝑉𝑒 𝐴𝑒 Im Integral über den Gebietsrand ist zu beachten, dass dort nur die Teilvektoren der Verschiebungen der Randknoten eine Rolle spielen, die zur Kennzeichnung hier mit 𝒖𝑒𝐴 bezeichnet werden. Entsprechend werden nur die betroffenen Formfunktionen in der Formfunktionsmatrix 𝑵𝐴 angeordnet. Im Spannungsvektor 𝒕𝑒̄ sind die äußeren Oberflächenlasten, die auf ein einzelnes Element wirken, enthalten. Die folgende Umformung ist von wesentlicher Bedeutung. Der Näherungsansatz ist als Produkt der Formfunktionen 𝑵 bzw. 𝑩 sowie der Knotenvektoren aufgebaut. Nur die Formfunktionen hängen vom Ort ab und sind damit im Integral zu beachten. Die Knotenvektoren sind konstant bezüglich des Orts, d. h. eine Verschiebung ist einem räumlichen Ort zugeordnet, und diese Zuordnung kann sich nicht ändern. Damit können die Knotenvektoren unter Beachtung der Regeln der Matrixmultiplikation (Gl. (A.2)) aus dem Integral nach links und rechts herausgezogen werden: T T 1 T 𝑩 T 𝑪𝑩 d𝑉 𝒖𝑒 − 𝒖𝑒 𝑵 T 𝒃̄ 𝑒 d𝑉 −𝒖𝑒𝐴 𝑵𝐴T 𝒕𝑒̄ d𝐴 . 𝛱̃ 𝑒 = 𝒖𝑒 ∫ ∫ ∫ 2 ⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟ 𝑒 𝑒 𝑉 𝑉 ⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟ 𝐴𝑒 ⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟

𝑲𝑒

𝒇𝑉𝑒

(5.6)

𝒇𝐴𝑒

Das Integral über die Ableitungen der Ansatzfunktionen wird als Elementsteifigkeitsmatrix 𝑲 𝑒 bezeichnet. Die Terme, über die ein Integral zu bilden ist, sind nun alle bekannt, da die unbekannten Knotenvektoren aus dem Integral herausgezogen wurden. Dies ist der entscheidende Schritt bei der Umformung der Differenzialgleichung des ursprünglichen Problems in ein diskretes lineares Gleichungssystem. Der Lastvektor 𝒇 𝑒 eines Elements setzt sich aus Volumenkräften 𝒇𝑉𝑒 und Randlasten 𝑒 𝒇𝐴 sowie Punktlasten 𝒇P𝑒 zusammen, die hier mit eingeführt werden (s. Kap. 3.1): 𝒇 𝑒 = 𝒇𝑉𝑒 + 𝒇𝐴𝑒 + 𝒇P𝑒 .

(5.7)

Um diese Vektoren addieren zu können, müssen sie dieselbe Dimension haben. Dazu müssen die Vektoren der Randknotenkräfte 𝒇𝐴𝑒 und Punktlasten 𝒇P𝑒 formal auf die Dimension des Volumenkraftvektors erweitert werden, indem bei allen nicht enthaltenen Knoten der

66

5 Diskretisierung mit finiten Elementen

Wert null der Kraft eingetragen wird. Wenn eine Punktlast modelliert werden soll, dann muss an dieser Stelle ein Knoten in der Diskretisierung vorgesehen werden. Das Minimum des Energieprinzips T

𝛱̃ 𝑒 → min



𝜕𝛱̃ 𝑒 𝜕𝛱̃ 𝜕𝛱̃ 𝜕𝛱̃ 𝜕𝛱̃ 𝜕𝛱̃ 𝜕𝛱̃ … =0 = 𝑒 𝜕𝒖 ] [ 𝜕𝑢𝑒I 𝜕𝑢𝑒I 𝜕𝑢𝑒I 𝜕𝑢𝑒J 𝜕𝑢𝑒J 𝜕𝑢𝑒J 𝑥

𝑦

𝑧

𝑥

𝑦

𝑧

ergibt die Bestimmungsgleichungen für einen Gleichgewichtszustand. Die Unbekannten sind die Knotenverschiebungen 𝒖𝑒 im Näherungsansatz. Nach diesen muss nun abgeleitet werden: T 𝜕 1 𝑒T 𝑒 𝑒 𝒖 𝑲 𝒖 − 𝒖𝑒 𝒇 𝑒 ] = 𝟎 . 𝜕𝒖𝑒 [ 2 Dies ergibt die Element-Steifigkeitsgleichung der Finite-Elemente-Methode für ein beliebiges Element 𝑲 𝑒 𝒖𝑒 = 𝒇 𝑒 . (5.8) Die Gleichung gibt in diskretisierter Form das Kräftegleichgewicht wieder und verknüpft die Verschiebungen und Kräfte an den Knoten des Elements. Lösungen dazwischen werden durch Einsetzen in die Formfunktionen näherungsweise ermittelt. Jeder Eintrag von 𝑲 𝑒 kann als Steifigkeit im System verstanden werden, die die Verschiebung am zugehörigen Freiheitsgrad mit der Kraft an einem anderen Freiheitsgrad verknüpft. Zentraler Teil der Steifigkeitsgleichung ist die Elementsteifigkeitsmatrix: 𝑲𝑒 =

∫ 𝑉𝑒

𝑩 T 𝑪𝑩 d𝑉 =

∫ 𝑥∫ 𝑦∫ 𝑧

𝑩 T 𝑪𝑩 d𝑥 d𝑦 d𝑧 ,

(5.9)

die allgemein aus dem Produkt der Matrix der Ableitungen der Formfunktionen 𝑩 mit der Materialmatrix 𝑪 entsteht: T ⎡𝑩I ⎤[𝑪][𝑩I 𝑩J 𝑩K 𝑩L ] ⎡ 𝑲II ⎢𝑩 T ⎥ ⎢𝑲 ⎢ J⎥ ⎢ JI d𝑉 = 𝑲𝑒 = T⎥ ∫ 𝑒 ⎢ ⎢𝑲KI 𝑩 𝑉 ⎢ KT ⎥ ⎢ ⎣𝑩L ⎦ ⎣ 𝑲LI

𝑲IJ 𝑲IK 𝑲IL ⎤ 𝑲JJ 𝑲JK 𝑲JL ⎥⎥ . 𝑲KJ 𝑲KK 𝑲KL ⎥ ⎥ 𝑲LJ 𝑲LK 𝑲LL ⎦

(5.10)

Die Gesamtmatrix 𝑲 𝑒 wird aus dem Produkt einer Spalte von Submatrizen 𝑩𝑖T mit einer dazu transponierten Zeile gebildet. Die hierfür notwendige Rechenregel wird als dyadisches Produkt bezeichnet, s. Gl. (A.3). Die Dimension der Elementsteifigkeitsmatrix berechnet sich über die Matrizenprodukte in Gl. (5.9) allgemein zu Dim(𝑲 𝑒 ) = [𝑛FHG ⋅ 𝑛𝑒 × 𝑛FHG ⋅ 𝑛𝑒 ] . Für das Scheibenelement in Abb. 5.4 folgt: Dim(𝑲) = [2 ⋅ 4 × 2 ⋅ 4]. Der Beitrag zur Steifigkeit an einem Knoten ist in Fragestellungen mit mehr als einem Freiheitsgrad pro Knoten kein Skalar mehr, wie beim Stab, sondern eine Submatrix 𝑲𝑖𝑗𝑒 mit Dim(𝑲𝑖𝑗𝑒 ) = [𝑛FHG × 𝑛FHG ]. Für das o. g. Scheibenelement haben diese Submatrizen den folgenden Aufbau:

5.3 Diskretisierung des Prinzips der virtuellen Verschiebung

𝑲𝑖𝑗𝑒 =

𝐾𝑖𝑗𝑥𝑥 𝐾𝑖𝑗𝑥𝑦 , [𝐾𝑖𝑗𝑦𝑥 𝐾𝑖𝑗𝑦𝑦 ]

67

𝑖, 𝑗 = I, … , L .

(5.11)

Jede der Submatrizen 𝑲𝑖𝑗𝑒 enthält Koeffizienten in jede Raumrichtung, insgesamt handelt es sich also bei 𝑲 𝑒 um eine [8 × 8]-Matrix. Die vorgestellte Vorgehensweise lässt sich für Systeme anwenden, bei denen ein Potenzial angegeben werden kann. Ist dies nicht möglich, ist eine erweiterte Betrachtung notwendig, auf die im folgenden Abschnitt eingegangen wird.

5.3 Diskretisierung des Prinzips der virtuellen Verschiebung Die für allgemeinere Fälle gültige Herleitung gelingt über das Prinzip der virtuellen Verschiebung in Gl. (4.12). Dazu werden die Ansätze nun für jedes Finite Element dort eingesetzt. Dazu sind Ansätze für die virtuellen Größen zu wählen, die in Gl. (4.12) auftreten. Üblicherweise werden die gleichen Ansätze gewählt wie für die nicht-virtuellen Größen: 𝛿𝒖̃𝒆 (𝒙) = 𝑵(𝒙)𝛿𝒖𝒆 .

(5.12)

Dies ist ein entscheidender Punkt, da es prinzipiell auch möglich ist, die virtuellen Größen anders darzustellen. Der Vorteil dieser Vorgehensweise ist, dass die entstehenden Systemmatrizen symmetrisch und positiv-definit sind. Dies hat Vorteile bei der Gleichungslösung und garantiert, dass nur positive, reelle Eigenwerte auftreten. Da die Verzerrungen von den Verschiebungen abhängen ergibt sich als virtuelle Verzerrung: 𝛿𝜺𝒆̃ (𝒙) = 𝑩(𝒙)𝛿𝒖𝒆 . Diese Ansätze werden in Gl. (4.12) eingesetzt. Dies liefert analog zu Kap. 5.2: ∫ 𝑉𝑒

(𝑩𝛿𝒖𝑒 )T 𝑪𝑩𝒖𝑒 d𝑉 =

∫ 𝑉𝑒

(𝑵𝛿𝒖𝑒 )T 𝒃̄ 𝑒 d𝑉 +

∫ 𝐴𝑒

(𝑵𝐴 𝛿𝒖𝑒𝐴 )T 𝒕𝑒̄ d𝐴 .

Die gleiche Umformung wie in Kap. 5.2 für die virtuellen Verschiebungen liefert T

𝛿𝒖𝑒

T

T

∫ 𝑉𝑒

𝑩 T 𝑪𝑩d𝑉 𝒖𝑒 = 𝛿𝒖𝑒

∫ 𝑉𝑒

𝑵 T 𝒃̄ 𝑒 d𝑉 + 𝛿𝒖𝑒𝐴

∫ 𝐴𝑒

𝑵𝐴T 𝒕𝑒̄ d𝐴 .

(5.13)

Wie man sieht, entsteht über virtuelle Energieprinzipien dasselbe Ergebnis, allerdings kann es auch für Problemstellungen angewendet werden, bei denen keine Potenzialfunktion angegeben werden kann und ist damit sehr viel allgemeiner. Kontinuierliche Volumen- und Oberflächenlasten (einschließlich Linienlasten) werden durch das Arbeitsintegral in energetisch äquivalente Knotenlasten umgerechnet. Dies bedeutet, dass die virtuelle Arbeit aus einer Flächenlast und einem verteilten virtuellen Verschiebungsfeld gleich groß ist wie die virtuelle Arbeit der äquivalenten Knotenlasten mit den virtuellen Knotenverschiebungen der Diskretisierung. Ein ausführliches Beispiel dazu ist in Kap. 6.4.1.1 angegeben, da hierzu die Formfunktionen notwendig sind, die erst dort verfügbar sind.

68

5 Diskretisierung mit finiten Elementen

Als Matrizengleichung folgt, wenn man alles auf die andere Seite bringt und die virtuellen Verschiebungen ausklammert mit Gl. (5.7): T

𝛿𝒖𝑒 [𝑲 𝑒 𝒖𝑒 − 𝒇 𝑒 ] = 0 .

(5.14)

Um die Gl. (5.14) zu erfüllen, müssen entweder die virtuellen Verschiebungen oder der Klammerausdruck null sein. Die virtuellen Verschiebungen wurden als beliebige Funktionen definiert, ein Nullsetzen wäre zwar erlaubt, bringt aber kein weiteres Ergebnis. Damit kann die Gleichung nur erfüllt werden, wenn der Klammerausdruck verschwindet. Durch diese Argumentation entsteht eine Gleichung, die keine virtuellen Größen mehr enthält, diese werden für die Ableitung aus einem Energieprinzip benötigt, fallen dann aber an dieser Stelle wieder heraus. Es folgt damit in allgemeiner Form ebenfalls die ElementSteifigkeitsgleichung der Finite-Elemente-Methode Gl. (5.8) für ein Element. Beispiel Stabelement: Als Beispiel soll mit dem Prinzip der virtuellen Verschiebung des Stabs aus Gl. (4.10) die Steifigkeitsgleichung hergeleitet werden. Der lineare Ansatz des Stabelements aus Gl. (2.12) und Gl. (2.13) wird in das Prinzip der virtuellen Verschiebung für den Stab, Gl. (4.10), eingesetzt. Für die virtuelle Formänderungsenergie folgt damit ℓ

∫ 0







𝛿𝑢𝑒̃ 𝐸𝐴𝑢𝑒̃ d𝑥 =

∫ 0

T

𝛿𝒖𝑒 𝑩 T 𝐸𝐴𝑩𝒖𝑒 d𝑥 = 𝛿𝒖𝑒



T

∫ 0

𝑩 T 𝐸𝐴𝑩 d𝑥 𝒖𝑒 .

Das Integral über die Ableitungen der Ansatzfunktionen ist die Steifigkeitsmatrix 𝑲 𝑒 eines Elements 𝑒: 𝑲 𝑒 = 𝐸𝐴

1 ℓ ℓ − ℓ12 𝐵I 𝐵I 𝐵I 𝐵J 𝐵I [𝐵I 𝐵J ] 𝐸𝐴 +1 −1 ℓ2 d𝑥 = 𝐸𝐴 d𝑥 = 𝐸𝐴 . d𝑥 = 1 1 𝐵 𝐵 𝐵J 𝐵J ] 𝐵 ∫ ∫ ∫ ℓ [−1 +1] 0 [− ℓ2 ℓ2 ] 0 [ J I 0 [ J] ℓ

Hierfür ist das Produkt der zwei Vektoren mit dem dyadischen Produkt, s. Gl. (A.3) zu berechnen. Als Beispiel für die Belastung des Stabs soll Abb. 4.11 dienen. Bei konstanter Linienlast 𝑠0 (Einheit N/m) gilt für den Term der Volumenkräfte ℓ

∫ 0

𝛿𝑢𝑒̃ 𝑠 d𝑥 = 𝛿𝒖𝑒



T

∫ 0

T

𝑵 T 𝑠0 d𝑥 = 𝛿𝒖𝑒 𝑠0

1 − ℓ𝑥 T T 𝑠 ℓ 1 = 𝛿𝒖𝑒 𝒇𝑉𝑒 . d𝑥 = 𝛿𝒖𝑒 0 𝑥 1] [ [ ] ∫ 2 0 ℓ ℓ

(5.15)

Die verteilte Linienlast 𝑠 wird durch diese Vorgehensweise als äquivalente Punktlast (Einheit N) auf die Randknoten verteilt, s. Abb. 5.5. Die Einzelkräfte am Rand sind bereits mit den Knotengrößen verbunden, es ergibt sich deshalb in Matrixnotation T T 𝑓 ̄ 𝛿𝑢𝑒0̃ 𝑓0̄ + 𝛿𝑢𝑒ℓ̃ 𝑓ℓ̄ = 𝛿𝒖𝑒 0̄ = 𝛿𝒖𝑒 𝒇P𝑒 . [𝑓ℓ ]

Mit dem Vektor der äußeren Lasten 𝒇 𝑒 = 𝒇𝑉𝑒 + 𝒇P𝑒 ergibt sich, analog zum 3-D-Fall, als diskrete MatrixT gleichung von Gl. (4.10) 𝛿𝒖𝑒 [𝑲 𝑒 𝒖𝑒 − 𝒇 𝑒 ] = 0. Auf Grund der Beliebigkeit der virtuellen Verschiebungen folgt die Elementsteifigkeitsgleichung eines Stabelements analog zu Gl. (2.16): 𝑲 𝑒 𝒖𝑒 = 𝒇 𝑒

Abb. 5.5 Äquivalente Knotenkräfte einer konstanten Streckenlast beim Stab

bzw.

ড়- ৙)ড়*

𝑠ℓ 1 𝑓̄ 𝐸𝐴 +1 −1 𝑢0 = 0 + 0̄ . −1 +1][ 𝑢 1] 𝑓 [ ] [ [ ℓ 2 ℓ ℓ]

৾A৊ >

ӵ ‫ܪ‬ ৗ1

ৗ1 ӵ 3

(5.16)

৾C৊ >

ৗ1 ӵ 3

5.4 Aufbau des Gesamtgleichungssystems

69

5.4 Aufbau des Gesamtgleichungssystems In Kap. 2.2.3 wurde die Gesamtgleichung des Systems über das Aufstellen der Gleichgewichtsbedingungen an jedem Knoten ermittelt. Dies ist algorithmisch schwer umzusetzen und auch nicht notwendig. Im Folgenden wird die in FE-Programmen umgesetzte Vorgehensweise vorgestellt: Wie bereits ausgeführt, wird das gesamte Gebiet 𝑉 durch 𝑒 = 1, … , 𝐸 Finite Elemente und 𝒙𝑘 , 𝑘 = 1, … , 𝑁 globale Knoten diskretisiert. Neben der globalen Nummerierung aller Knoten der Diskretisierung existiert auf jedem Element eine lokale Nummerierung 𝑖 = I, J, … , 𝑛𝑒 aller an diesem Element anliegenden Knoten. Da die Knoten aneinanderstoßender Elemente identisch sind, ist die Anzahl globaler Knoten geringer als die Summe lokaler Knoten aller Elemente. Entsprechend fallen Elementfreiheitsgrade von Nachbarelementen an gemeinsamen globalen Knoten zu Systemfreiheitsgraden zusammen. Auf einem Element 𝑒 wird zwischen den Knoten mit polynomialen Ansatzfunktionen 𝑁𝑖𝑒 interpoliert. Der Index 𝑖 des lokalen Knotens und des Elements 𝑒 definiert eindeutig eine Formfunktion des Elements. Für eine Gesamtlösung sind die einzelnen Elemente zu einem Gesamtsystem zusammen zu setzen, wie bereits in Kap. 2.2.3 erläutert. Dies wird erreicht, indem die Interaktion an den globalen Knoten geeignet berücksichtigt wird. Dabei sind zwei Bedingungen an einem Knoten zu erfüllen: • Das statische Gleichgewicht an dem Knoten muss gelten. • An einem globalen Knoten liegen mehrere Elemente. Alle Elementknotenverschiebungen, die mit einem globalen Knoten zusammenfallen, müssen dort mit der Verschiebung des globalen Knotens übereinstimmen. Dies wird als Verschiebungskompatibilität bezeichnet. Durch die Forderung nach Verschiebungskompatibilität existiert ein eindeutiger Zusammenhang zwischen der lokalen und der globalen Knotennummerierung. Diesen Zusammenhang kann man in eine jedem Element zugeordnete Inzidenztabelle eintragen. Illustriert wird dies am Beispiel von zwei Scheibenelementen in Abb. 5.6. In der Inzidenztabelle wird elementweise jedem lokalen Knotenindex 𝑖 = I, J, … , 𝑛𝑒 die entsprechende globale Knotennummer zugeordnet, die während der Vernetzung vergeben wird. Für das Beispiel aus Abb. 5.6 ist sie in Tab. 5.1 angegeben. Die Nummerierung muss weder aufsteigend noch zusammenhängend sein. Dies wäre in einem 3-D-Netz auch nicht zu realisieren. Die Nummern sind vielmehr als beliebige, aber eindeutige Identifikatoren zu verAbb. 5.6 Einführungsbeispiel für die Inzidenztabelle



 E G

G ৊>2

A 

 E ৊>3

C A 

C 

70

5 Diskretisierung mit finiten Elementen

Tabelle 5.1 Inzidenztabelle für das Beispiel aus Abb. 5.6 Element

I

J

K

L

1

1

2

5

4

2

2

3

6

5

stehen. Die Reihenfolge der Nummern für jedes Element ist allerdings nicht willkürlich, sondern definiert den Orientierungssinn des Elements, um z. B. eine Normalenrichtung zu definieren. Das Nummerierungsschema ist programmabhängig, d. h. bei der Nutzung von Inzidenztabellen ist jeweils zu klären, wie die Nummerierung zu interpretieren ist. Die globalen Nummern an denen Elemente zusammenfallen wiederholen sich in der Tabelle, dies gibt den Elementzusammenhang (Konnektivität) im diskreten Gesamtmodell wieder. In Tab. 5.1 sind die zwei Knoten des Beispiels eingerahmt. Damit lässt sich jeder Eintrag der Elementsteifigkeitsmatrix mit den globalen Knoten assoziieren, z. B. für Element 2 2

⎡ 𝑲II ⎢𝑲2 𝑲 2 = ⎢ 2JI ⎢𝑲KI ⎢ 2 ⎣ 𝑲LI

2 𝑲IJ 2 𝑲JJ 2 𝑲KJ 2 𝑲LJ

2 𝑲IK 2 𝑲JK 2 𝑲KK 2 𝑲LK

2 𝑲IL ⎤ ⎡𝑲22 2 ⎥ ⎢𝑲 𝑲JL ⎥ = ⎢ 32 2 ⎥ ⎢𝑲62 𝑲KL ⎢ 2 ⎥ 𝑲LL ⎦ ⎣𝑲52

𝑲23 𝑲33 𝑲63 𝑲53

𝑲26 𝑲36 𝑲66 𝑲56

𝑲25 ⎤ 𝑲35 ⎥ ⎥. 𝑲65 ⎥ ⎥ 𝑲55 ⎦

Bei jedem Eintrag handelt es sich um eine [2 × 2]-Submatrix, s. Gl. (5.11). In Kap. 2.2.3 wird die Gesamtsteifigkeitsmatrix über das Aufstellen der Gleichgewichtsbedingungen aller Knoten der Diskretisierung hergeleitet. Wesentlich war, dass Koeffizienten der Elementmatrizen an zusammenfallenden Systemfreiheitsgraden in der Gesamtmatrix addiert werden (s. Gl. (2.27)). Genauso erfolgt der Zusammenbau der Gesamtsteifigkeitsmatrix mit der Inzidenztabelle: Die Submatrizen aller Elementsteifigkeitsmatrizen werden an den Stellen der globalen Matrix einsortiert, die zu den globalen Knotennummern gehören. An zusammenfallenden Knoten werden Elementsteifigkeitsterme addiert. Diese einfache Vorgehensweise entspricht der Aufstellung und Umsortierung der Gleichgewichtsbedingungen in Kap. 2.2.3. Für das aktuelle Beispiel ergibt dies: 1 2 3 4 5 6 1 ⎡ 𝑲11 𝑲12 𝟎 𝑲14 𝑲15 𝟎 ⎤ ⎡𝒖1 ⎤ ⎡𝒇1 ⎤ 2 ⎢ 𝑲21 𝑲22 + 𝑲22 𝑲23 𝑲24 𝑲25 + 𝑲25 𝑲26 ⎥ ⎢𝒖2 ⎥ ⎢𝒇2 ⎥ 3 ⎢ 𝟎 𝑲32 𝑲33 𝟎 𝑲35 𝑲36 ⎥ ⎢𝒖3 ⎥ ⎢𝒇3 ⎥ , = 4 ⎢ 𝑲41 𝑲42 𝟎 𝑲44 𝑲45 𝟎 ⎥ ⎢𝒖4 ⎥ ⎢𝒇4 ⎥ ⎥⎢ ⎥ ⎢ ⎥ ⎢ 5 ⎢ 𝑲51 𝑲52 + 𝑲52 𝑲53 𝑲54 𝑲55 + 𝑲55 𝑲56 ⎥ ⎢𝒖5 ⎥ ⎢𝒇5 ⎥ 𝒇6 ⎦ 𝒖6 ⎦ ⎣⏟ 6⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟ 𝑲62 𝑲63 𝟎 𝑲65 𝑲66 ⎦ ⎣⏟ ⎣ 𝟎 𝑲

𝒖

(5.17)

𝒇

mit der Dimension der Gesamtsteifigkeitsmatrix 𝑲 Dim(𝑲) = [𝑛FHG ⋅ 𝑁 × 𝑛FHG ⋅ 𝑁] = [𝑁ges × 𝑁ges ] ,

(5.18)

5.4 Aufbau des Gesamtgleichungssystems

71

die sich in diesem Beispiel zu [12 × 12] ergibt. In Gl. (5.17) sind die Terme mit den Farben der Elemente aus Abb. 5.6 angegeben, um die Zuordnung der Terme zu verdeutlichen. Mit den Gesamtvektoren der Knotenverschiebungen 𝒖 und Knotenkräfte 𝒇 (s. auch bei Gl. (2.29)) ergibt dies die Gesamt-Steifigkeitsgleichung der Finite-Elemente-Methode: 𝑲𝒖 = 𝒇 .

(5.19)

Es handelt sich um ein lineares Gleichungssystem (LGS). Auf die Lösung wird in Kap. 5.6 eingegangen.

5.4.1 Eigenschaften der Gesamtsteifigkeitsmatrix Zentraler Bestandteil von Gl. (5.19) ist die Steifigkeitsmatrix 𝑲, die einige besondere Eigenschaften aufweist, die hier näher erläutert werden; symmetrisch: Die Steifigkeitsmatrix ist symmetrisch, s. Abb. 5.7. Damit ist eine Speicherung der oberen Dreiecksmatrix ausreichend. Die Wahl der Ansätze der virtuellen Verschiebungen identisch zu denen des tatsächlichen Verschiebungsfeldes führt zu dieser Eigenschaft, s. Gl. (5.12). dünn-besetzt und diagonal-dominant: Eine weitere wichtige Eigenschaft ist, dass die Steifigkeitsmatrix nur schwach besetzt (sparse) ist, d. h. dass nur wenige Koeffizienten von null verschieden sind, s. Abb. 5.7. Dies rührt vom lokalen Charakter der Ansatzfunktionen her, die nur innerhalb eines Elements von null verschieden sind, s. Gl. (5.2) und Abb. 5.2. Die Einträge sind bei entsprechender Knotennummerierung in einem unregelmäßigen Band um die Hauptdiagonale angesiedelt (in Abb. 5.7 grau angedeutet). Diese Struktur wird bei der Lösung durch moderne Algorithmen ausgenutzt, s. Kap. 5.6.1. Anhand der Skizze kann man auch den Namen im Englischen verstehen: Dort wird dies als Skyline-Struktur bezeichnet. Abb. 5.7 Eigenschaften der Gesamtsteifigkeitsmatrix: Symmetrie, Anordnung der Nichtnulleinträge in einer dünn-besetzten, diagonaldominanten Matrix, Definition von Skyline und Bandbreite

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শৎ্ 4LZMJOF শ্ৎ > শৎ্

72

5 Diskretisierung mit finiten Elementen

positiv-semidefinit:

Dies ist mathematisch über die Beziehung 𝒖T 𝑲𝒖 ≥ 0

(5.20)

definiert. Mechanisch lässt sich dies so interpretieren: Der Vergleich mit Gl. (5.6) zeigt, dass dieser Term die im Körper gespeicherte Formänderungsenergie darstellt. Eine Energie kann aber nur größer oder gleich null sein. Damit stellt diese Beziehung eine notwendige Bedingung für 𝑲 dar, um physikalisch sinnvolle Zustände zu erzeugen. Der Fall 𝒖T 𝑲𝒖 = 0 tritt auf, wenn es einen Verschiebungszustand 𝒖 gibt, der keine Formänderungsenergie erzeugt. Dies ist der Fall bei Starrkörperbewegungen, die in der Statik nur bei einer kinematisch unbestimmten Lagerung auftreten können. Die Definitheit einer Matrix lässt sich auch über deren Eigenwerte 𝜆 (s. a. Kap. 8.2) feststellen und interpretieren: Gilt die Beziehung in Gl. (5.20), sind die Eigenwerte immer reell und größer oder gleich Null: 𝜆 ∈ ℝ+ 0 . Ist ein Eigenwert null, spricht man von Semidefinitheit. Dies bedeutet die Matrix ist singulär und damit nicht invertierbar. Damit hat das mechanische Problem keine Lösung. Das ist der Fall, wenn noch keine oder zu wenige kinematische Randbedingungen berücksichtigt wurden und damit auch keine eindeutige Lösung existieren kann. Eine reguläre, positiv-definite Matrix, die invertierbar ist, erhält man durch Einsetzen von Verschiebungsrandbedingungen in das Gleichungssystem, die auf eine kinematisch bestimmte Lagerung führen, s. Kap. 5.5. Mit der Überprüfung der Eigenwerte auf Nullwerte kann man also prüfen, ob eine kinematisch bestimmte Lagerung vorliegt.

5.5 Einbringen von Randbedingungen Das LGS Gl. (5.19) ist so noch nicht lösbar, da noch die problemspezifischen Randbedingungen 𝒖 = 𝒖̄ auf 𝐴𝑢 und 𝒇 = 𝒇 ̄ auf 𝐴t auf dem Rand sowie äußere äquivalente Knotenkräfte an Knoten im Inneren einzusetzen sind. Der Spannungsvektor 𝒕 ̄ wurde hier durch den diskreten Knotenkraftvektor 𝒇 ̄ ersetzt. In der Statik ist sicherzustellen, dass das System kinematisch bestimmt gelagert ist. Ist an einem Knoten der Oberfläche 𝐴 der Struktur keine Randbedingung vom Benutzer vorgegeben, wird eine homogene Kraft-Randbedingung eingesetzt: 𝒇 ̄ = 𝟎, s. Kap. 3.1. Dies entspricht dem Fall einer kraft- bzw. spannungsfreien Oberfläche. An Knoten im Gebiet 𝑉 können äquivalente äußere Kräfte wirken, z. B. durch die Berücksichtigung einer Volumenlast in Form des Eigengewichts, s. dazu Gl. (5.7). Zur Lösung wird die Gesamtsteifigkeitsmatrix gedanklich so umsortiert, dass im Gesamtvektor der Knotenverschiebungen zunächst die unbekannten und danach die bekannten Größen stehen1 : 1

Es wird aus Übersichtlichkeitsgründen an dieser Stelle keine neue Bezeichnung für den Teilvektor der unbekannten Knotenverschiebungen eingeführt.

5.5 Einbringen von Randbedingungen

73

𝑲𝑢𝑢 𝑲𝑢𝑢̄ 𝒖 𝒇̄ = . ̄ [𝒇] [𝑲𝑢𝑢̄ 𝑲𝑢𝑢̄ ̄][𝒖]

(5.21)

Entsprechend umgekehrt ist der Lastvektor aufgeteilt, da immer Verschiebung oder Last an einem Freiheitsgrad vorgegeben sein darf. In den Vektoren 𝒖 und 𝒇 sind die Unbekannten enthalten. Die Matrizen 𝑲𝑢𝑢 und 𝑲𝑢𝑢̄ ̄ sind quadratische Matrizen, während die Submatrizen auf der Nebendiagonale i. d. R. Rechteckmatrizen sind, da die Dimensionen von 𝒖 und 𝒇 üblicherweise nicht gleich sein werden. Die erste Gleichung lautet: 𝑲𝑢𝑢 𝒖 = 𝒇 ̄ − 𝑲𝑢𝑢̄𝒖̄ .

(5.22)

Die Matrix 𝑲𝑢𝑢 ist nun eine symmetrische und positiv-definite Matrix ist. Das heißt, dass alle Eigenwerte reell und positiv sind und eine Inverse existiert und damit eine eindeutige Lösung möglich ist. Dieses Gleichungssystem wird für die unbekannten Knotenvariablen gelöst. Besonders einfach wird Gl. (5.22), wenn es sich bei 𝒖̄ um homogene Randbedingungen 𝒖̄ = 𝟎 handelt, wie dies bei Lagerungen der Fall ist. Es bietet sich dadurch der Vorteil, nur 𝑲𝑢𝑢 aufstellen zu müssen und die restlichen Teilmatrizen nicht zu berechnen. Die Reaktionskräfte können bei Bedarf in der sogenannten Nachschaltrechnung ermittelt werden: 𝒇 = 𝑲𝑢𝑢̄ 𝒖 + 𝑲𝑢𝑢̄ ̄𝒖̄ .

Abb. 5.8 Flussdiagramm einer FE-Berechnung

4DIMFJGF ¼CFS BMMF &MFNFOUF

Das Vorgehen bei homogenen Verschiebungsrandbedingungen (Lagerungen) kann numerisch sehr effizient gestaltet werden, da das Umsortieren von Gl. (5.19) auf Gl. (5.21) nicht explizit durchgeführt werden muss. Wie bereits in Kap. 2.2.5 erläutert wurde, kann man alle Zeilen und Spalten, die mit einer homogenen kinematischen Randbedingung verbunden sind, streichen. Es wird also nie die vollständige Matrix 𝑲 aufgestellt, sondern nur die Submatrix 𝑲𝑢𝑢 (und nur wenn die Reaktionskräfte benötigt werden zusätzlich 𝑲𝑢𝑢̄ und ggf. 𝑲𝑢𝑢̄ ̄). Schließlich verbleibt noch die Berechnung der Elementverzerrungen und -spannungen mit Gl. (5.4) und Gl. (5.5). Damit sind alle Größen vollständig berechnet und können analysiert werden. Zusammenfassend ist in Abb. 5.8 der Ablauf einer linearen statischen FE-Berechnung dargestellt.

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74

5 Diskretisierung mit finiten Elementen

5.6 Lösung linearer Gleichungssysteme In diesem Abschnitt soll auf die Lösungsverfahren für Gl. (5.22) eingegangen werden. Dies ist heutzutage eine Standardaufgabe für die viele Programmbibliotheken existieren2 . Im Folgenden wird ein kurzer Überblick über die prinzipielle Funktion von linearen Gleichungslösern für statische Probleme gegeben. Das Themengebiet ist sehr umfangreich und übersteigt den Rahmen dieses Buchs. Deshalb werden nur einige Begriffe und grundlegende Verfahren eingeführt.

5.6.1 Direkte Gleichungslöser Bei den direkten Lösern wird die Systemmatrix in eine andere Form gebracht, um die Berechnung der Unbekannten zu erleichtern, s. Abb. 5.9. Dies gelingt mit einer Dreiecksform der Matrix, da damit die letzte Gleichung nach der verbleibenden Unbekannten durch einfaches Dividieren durch den Koeffizienten vor der Unbekannten gelöst werden kann. Die vorletzte Gleichung enthält damit im nächsten Schritt auch nur noch eine Unbekannte und so arbeitet man sich bis oben durch. Das klassische Verfahren ist der Gauß’sche Eliminationsalgorithmus, bei dem durch Multiplizieren von Zeilen mit Faktoren und Addition von Zeilen eine Dreiecksform des Gleichungssystems aufgebaut wird, die dann durch einfaches Rückwärtssubstituieren gelöst wird. Es wird in der Praxis nicht eingesetzt, weil es zu ineffizient ist, da die spezielle Struktur der Steifigkeitsmatrix nicht ausgenutzt wird. Nichtsdestotrotz ist die Vorgehensweise der Dreieckszerlegung (Triangulierung) und Rückwärtssubstitution die Basis der direkten Löser. Ein weit verbreitetes Verfahren ist die LU-Zerlegung: Jede positiv-definite (unsymmetrische) Matrix 𝑨 kann in eine untere Dreiecksmatrix 𝑳 und eine obere Dreiecksmatrix 𝑼 zerlegt werden. Man spricht auch von der Faktorisierung einer Matrix: 𝑨 = 𝑳𝑼 . Im Fall der reduzierten Steifigkeitsmatrix 𝑲𝑢𝑢 , die symmetrisch und positiv-definit ist, lässt sich zeigen, dass 𝑼 = 𝑳T gilt. Das Verfahren wird dann als Cholesky-Zerlegung bezeichnet und lautet 𝑲𝑢𝑢 = 𝑳𝑳T . Abb. 5.9 Umformung einer Matrix auf Dreiecksform

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2

z. B. LAPACK, s. http://www.netlib.org.

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5.6 Lösung linearer Gleichungssysteme

75



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Abb. 5.10 CholeskyFaktorisierung einer Matrix

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Die Lösung des Gleichungssystems erfolgt dann in folgenden Schritten, s. Abb. 5.10 • Berechnung der Cholesky Zerlegung 𝑳 T 𝒖 = 𝒇 zur Berechnung von 𝜶 • reine Vorwärtssubstitution 𝑳 𝑳 ⏟ 𝜶

• reine Rücksubstitution 𝑳T 𝒖 = 𝜶 zur Bestimmung der gesuchten Verschiebungen 𝒖. Der Lösungsschritt ist relativ simpel, allerdings muss dafür zunächst 𝑳 berechnet werden. Dies ist der aufwendigste Teil des Algorithmus. Die Formeln dafür finden sich bei Meister [7, Kap. 3.2, S. 48]. Für große Gleichungssysteme wird dort auch gezeigt, dass die Cholesky-Zerlegung nur ca. 50 % der Rechenoperationen des Gauß-Algorithmus benötigt. Der Vorteil der direkten Löser liegt darin, dass auch bei numerisch schwierigen (sog. „schlecht konditionierten“) Problemen häufig eine Lösung berechnet werden kann. Es ist ebenfalls vorab bekannt, wie viele Rechenoperationen für die Lösung notwendig sind. Allerdings ist der numerische Aufwand im Gegensatz zu den iterativen Lösern (s. Kap. 5.6.2) höher. Vor allem der Speicherplatzbedarf kann sehr groß sein.

5.6.1.1 Bandbreitenoptimierung dünn-besetzter Matrizen Für die Behandlung großer Probleme werden hochentwickelte Gleichungslöser in kommerziellen FE-Programmen eingesetzt. Die hiermit verbundenen Begrifflichkeiten sollen im Folgenden erläutert werden. Im Vordergrund steht immer die Optimierung des Speicherbedarfs und die Begrenzung der Anzahl notwendiger Rechenoperationen zur Lösung. Die heute in kommerziellen Programmen eingesetzten direkten Löser nutzen die spezielle Struktur der Steifigkeitsmatrix aus, um besonders effizient zu einer Lösung zu kommen. Dazu ist der Begriff der Bandbreite einer dünn-besetzten symmetrischen Matrix wichtig: Die halbe Bandbreite 𝑝 ist der maximale Abstand eines von null verschiedenen Koeffizienten, von der Hauptdiagonale, s. Abb. 5.7. Dazwischen können Nulleinträge liegen. Eine möglichst kleine Bandbreite ist entscheidend für die Effizienz der Faktorisierungsalgorithmen die auf die Cholesky-Zerlegung führen. Die Bandbreite ergibt sich durch den maximalen Abstand der Knotennummern eines Elements, da durch die Nummerierung die Einsortierung in die Gesamtmatrix erfolgt. Um die Bandbreite zu minimieren, gibt es deswegen verschiedenste Bandbreitenoptimierungsverfahren, die die Anordnung der Knotennummerierung verbessern. Das klassische Verfahren ist ein Algorithmus von Cuthill-McKee (CM), heutzutage wird üblicherweise der Reverse Cuthill-McKee (RCM)Algorithmus eingesetzt. Auf eine Erläuterung der Verfahren soll hier verzichtet werden, s. hierzu Jung und Langer [4, Kap. 5.3]. In Knothe und Wessels [6, Kap. 5.5, S. 185] wird durch Ermitteln der notwendigen Rechenoperationen eine Formel zur Abschätzung der Rechenzeit für die Cholesky-Faktorisierung angegeben:

76

5 Diskretisierung mit finiten Elementen

𝑇Cholesky ≈

1 2 𝑝 𝑁 𝑝2 (1 − ), 2 ges 3 𝑁ges

mit der Anzahl an Gesamtfreiheitsgraden 𝑁ges , die damit die Dimension des linearen Gleichungssystems angibt. Eine Halbierung der Bandweite der Matrix reduziert für 𝑁ges ≫ 𝑝 die Berechnungszeit ungefähr auf ein Viertel. Dieses Beispiel zeigt die große Bedeutung der Bandbreitenoptimierung.

5.6.1.2 Speicherung dünn-besetzter Matrizen Als Speichertechniken werden verschiedene Methoden benutzt, die zunehmend die Struktur ausnutzen. Bei einer Bandspeichertechnik wird für jede Spalte die zuvor ermittelte Bandbreite an Werten gespeichert. Dies ist relativ ineffizient, da in Abb. 5.7 zu sehen ist, dass man damit sehr viele Einträge speichert, die null sind. Sogenannte Profilspeichertechniken (Skyline-Speicherung (SKS) entsprechend der Silhouette der besetzten Werte in Abb. 5.7) speichern für jede Spalte nur die für diese Spalte gültige Bandbreite an Werten, entsprechend dem schattierten Bereich in Abb. 5.7. Aber auch hier werden Nulleinträge, die zwischen dem äußersten Wert liegen, mitgespeichert und damit auch verarbeitet. Durch eine Cholesky-Faktorisierung können solche Nulleinträge innerhalb der Bandbreite belegt werden, dies wird als Fill-in bezeichnet und reduziert die Dünn-Besetztheit der Matrix. Wichtig ist, dass eine Cholesky-Zerlegung die Skyline erhält, d. h. es wird kein Fill-in außerhalb der ursprünglichen Skyline erzeugt. Die Speichertechnik, die am wenigsten Speicherplatz benötigt, ist die Sparse-Speicherung, z. B. das Compressed-Row-Storage (CRS): Aus jeder Spalte werden nur Nichtnulleinträge in einem Vektor gespeichert und Indexvektoren für Spalte und Zeile. Diese Speichertechnik lässt sich besonders effizient für die Ausführung von Matrix-Vektor-Produkten nutzen, die in Kap. 5.6.2 eine große Rolle spielen. Allerdings sind die Indizierungen aufwendig zu berechnen, sodass nicht für jede Problemstellung eine solche hoch komprimierte Speichertechnik sinnvoll sein muss. Als spezielle, die Dünn-Besetztheit erhaltende Umordnungsalgorithmen werden die Verfahren Metis(Karypis und Kumar [5]) und Multiple Minimum Degree (MMD)(Jung und Langer [4, Kap. 5.2, S. 467 ff.]), eingesetzt. Diese Verfahren haben nicht die Bandbreitenoptimierung zum Ziel, sondern die Reduktion des Fill-in bei der Cholesky-Zerlegung, da dies die Dünn-Besetztheit stört.

5.6.1.3 Frontlöser Die in kommerziellen FE-Programmen heutzutage eingesetzten direkten Gleichungslöser sind nicht die Standardverfahren wie die Gauß-Elimination, sondern üblicherweise Frontlöser (s. Bathe [1, Kap. 8.2, S. 725], Irons [3]). Um den notwendigen Speicheraufwand weiter zu reduzieren, laden diese Algorithmen nur einen Teil des Gesamtgleichungssystems in den Speicher und lösen das System sukzessive. In Abb. 5.11 ist dies an einem einfachen Beispiel gezeigt. Das Element 1 wird zuerst berechnet. Der Knoten 1 ist nur mit diesem Element verbunden und damit nicht abhängig von der Lösung anderer Elemente. Deswegen kann, ähnlich der statischen Kondensation in Kap. 5.6.3.2, dieser Knoten

5.6 Lösung linearer Gleichungssysteme

77

durch die Lösung der anderen Knoten ausgedrückt und damit eliminiert werden. Da der Knoten gelagert ist, reduziert sich die zugehörige Steifigkeitsgleichung auf die Bestimmung der Reaktionskraft. Die tatsächliche Berechnung kann erst zum Schluss erfolgen, da die anderen Knoten noch nicht berechnet wurden. Deswegen wird diese Bestimmungsgleichung zwischengespeichert. Die verbleibende Steifigkeitsmatrix für die Knoten 4, 5, 2 wird nun in eine temporäre Gesamtmatrix gespeichert. Die restlichen Knoten bilden in diesem Schritt die Front 1. Nun wird die Elementsteifigkeitsmatrix 2 hinzugenommen. Ein nicht mit anderen, außer dem bereits berechneten Element 1, verbundener Knoten ist im Beispiel Knoten 2. Dieser wird nun wieder eliminiert und es verbleiben restliche unbekannte Knoten an der Front 2 zwischen bearbeiteten und noch offenen Elementen. Als nächstes wird Element 3 geladen und es bildet sich Front 3. In Abb. 5.11 sieht man, wie sich durch diese Vorgehensweise eine Front durch das Modell bewegt, was den Namen des Verfahrens begründet. Ist die Front durchgelaufen, kann man den letzten Knoten lösen und dann durch eine Rückwärtssubstitution alle vorher eliminierten Knotenlösungen bestimmen. Zu jedem Zeitpunkt ist nur eine Teilmatrix im Speicher zu halten, die durch die Bandbreite der Front bestimmt wird. Je geringer die Abstände der Knotennummern in der Front sind, umso weniger Speicherplatz wird benötigt. Hierzu werden die Bandbreitenoptimierer weiter oben eingesetzt, um eine optimale Nummerierung zu erhalten. Für sehr große Problemstellungen ist der Stand der Technik der Einsatz von SparseMulti-Front-Lösern: Es wird eine Sparse-Speicherung der Matrix genutzt mit den o. g. Speicheroptimierungsalgorithmen. Die Berechnung der Faktorisierung erfolgt nicht mehr nur mit einer durch die Struktur laufenden Front, sondern mit mehreren. Damit sind diese Algorithmen optimal geeignet für massiv-parallele Rechnerarchitekturen (s. Kap. 14.2.7), wo auf jeder CPU eine einzelne Front gelöst wird. Auf die Details dieser Algorithmen kann hier nicht eingegangen werden, s. Duff, Erisman und Reid [2]. Die Algorithmen sind programmiertechnisch aufwendig, aber den klassischen Verfahren bezüglich Rechenzeit überlegen. Abb. 5.11 Verlauf der Front bei einem Frontlöser







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78

5 Diskretisierung mit finiten Elementen

5.6.2 Iterative Gleichungslöser Iterative Verfahren sind so konstruiert, dass keine Triangulierung der Matrix notwendig ist. Es werden Iterationsvorschriften entwickelt, die zur Lösung führen, indem nur MatrixVektor-Produkte ausgewertet werden müssen. Auf der einen Seite sind dafür sehr viele Iterationen notwendig, andererseits ist bei kompakter Speicherung v. a. der Speicherplatzbedarf deutlich geringer. Es sind keine rechenzeit- und speicherplatzintensiven Matrixfaktorisierungen wie bei direkten Verfahren notwendig. Beispielhaft soll das einfachste iterative Verfahren, die Jacobi-Iteration vorgestellt werden. Ausgangspunkt von iterativen Lösern ist das Aufstellen einer Fixpunktgleichung der Form 𝒇 (𝒙) = 𝒙. Daraus erkennt man direkt die Iterationsvorschrift 𝒙𝑘+1 = 𝒇 (𝒙𝑘 ) mit 𝑘 als Iterationsindex. Für die FE-Gleichung wird über ein Splitting-Verfahren eine Fixpunktgleichung erzeugt: 𝑲 = 𝑫 + (𝑲 − 𝑫) , wobei 𝑫 nur die Hauptdiagonalelemente enthält, s. Abb. 5.12. Es gilt dann: 𝑲𝒖 = 𝑫𝒖 + (𝑲 − 𝑫)𝒖 = 𝒇



𝒖 = 𝑫 −1 𝑫𝒖 + 𝑫 −1 (𝒇 − 𝑲𝒖) .

Daraus ergibt sich die Iterationsvorschrift: 𝒖𝑘+1 = 𝒖𝑘 + 𝑫 −1 (𝒇 − 𝑲𝒖𝑘 ) . Da 𝑫 nur die Hauptdiagonalelemente von 𝑲 enthält, ist die Invertierung trivial berechenbar, indem der Kehrwert jedes Diagonalelements gebildet wird. An dieser Gleichung ist zu erkennen, dass zur Berechnung einer Lösung nur Matrix-Vektor-Produkte auszuwerten sind und keine Faktorisierungen, wie bei direkten Lösern. Dies ist numerisch sehr effizient, allerdings sind die Iterationen sehr oft zu wiederholen. Dies relativiert den Vorteil. Das Verfahren wird so lange durchgeführt, bis eine vorgegebene Anzahl Iterationen durchgeführt wurde oder eine Konvergenzschranke 𝜀 erreicht ist: 𝑘+1

‖𝒖

− 𝒖𝑘 ‖ < 𝜀 .

Der Begriff der Konvergenz wird in Kap. 7.1.1 genauer erläutert. Hier bedeutet dies, dass zwei aufeinander folgende Lösungen nur noch um einen Faktor 𝜀 voneinander abweichen. Dies stellt den größten Nachteil iterativer Verfahren dar: Eine Lösung ist nicht garantiert, bzw. die Anzahl Iterationen ist nicht vorab bekannt, anders als bei direkten Lösern, die eine fixe Anzahl Operationen durchlaufen und dann eine Lösung liefern. Weitere Verfahren, die hier nur erwähnt werden sollen, sind das Gauß-Seidel-Verfahren sowie ein durch einen Abb. 5.12 Aufsplitten der Steifigkeitsmatrix beim Jacobi-Verfahren







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5.6 Lösung linearer Gleichungssysteme

79

zusätzlichen Relaxationsparameter schneller konvergierende Variante davon, das SORVerfahren (Successive-Over-Relaxation), s. Jung und Langer [4, Kap. 5.3, S. 478 ff.]. Wesentlich für die Einsetzbarkeit von iterativen Lösern ist die Vorkonditionierung der Matrizen, um bessere Konvergenz zu erreichen. Dazu werden die Matrizen mit einer Konditionierungsmatrix multipliziert. Beispiele für Vorkonditionierer bei symmetrischen Matrizen sind das vorkonditionierte konjugierte Gradientenverfahren, das (Block-)LanczosVerfahren, das Mehrgitterverfahren, s. Jung und Langer [4, Kap. 5.3.3, S.493 ff.]. Vergleichend bietet eine direkte Gleichungslösung Vorteile, soweit die verfügbare Hardware (CPU-Leistung und Hauptspeicher) dies zulassen. Sobald allerdings während der Berechnung Daten auf die Festplatte ausgelagert werden müssen (häufige Angabe: out-of-core solution), sollte man auf iterative Löser umstellen. Vom Anwender sollte immer überprüft werden, welche Art von Löser in einer Software voreingestellt ist. Häufig sind dies iterative Verfahren, damit auch bei geringer Hardwareleistung eine Berechnung durchgeführt werden kann.

5.6.3 Modellreduktionstechniken Die entstehenden Gleichungssysteme können sehr groß sein, z. B. 10 Mio. Gleichungen. Entsprechend sind die Hardwarevoraussetzungen zur Lösung sehr groß und die Rechenzeiten sehr lang. Deswegen sollen hier zwei Methoden vorgestellt werden, wie die Modellgröße für statische Problemstellungen verringert werden kann.

5.6.3.1 Submodellierung Die Submodellierung beinhaltet eine hierarchische Analyse des Modells ähnlich der adaptiven Vernetzung, s. Kap. 7.1.2. In einem ersten Schritt wird das Modell mit grober Diskretisierung berechnet, um das Gesamtverhalten abzubilden. Dann wird ein Teil des Modells isoliert betrachtet und deutlich feiner vernetzt. Als Randbedingungen sind auf äußeren Rändern die gegebenen Randbedingungen aufzubringen und auf den Schnitträndern zum Rest des Modells werden die zuvor im groben Schritt berechneten Größen genutzt, und als äußere Randbedingungen betrachtet. Dazu sind die Daten in der Regel auf das neue Netz zu interpolieren. Diese Technik ist sehr flexibel: • Es kann zwischen Elementklassen gewechselt werden: z. B. kann das grobe Modell mit Schalen und das feine Modell mit Volumenelementen berechnet werden. • Man kann zwischen statischer und dynamischer Analyseart umschalten. • Es sind lineare und nichtlineare Betrachtung kombinierbar. Vor allem bei Fragestellungen der Spannungsauswertung kann diese Methode vorteilhaft eingesetzt werden, da damit interessierende Bereiche sehr fein aufgelöst werden können. Eine Anwendung ist z. B. die Lebensdauerbewertung. In Abb. 5.13 ist eine Kerbe dargestellt, deren Kerbgrund mit einem Submodell sehr fein aufgelöst ist.

80

5 Diskretisierung mit finiten Elementen

Abb. 5.13 Beispiel für ein Submodell (blau) für die Spannungsberechnung in einer Kerbe

5.6.3.2 Substrukturtechniken Eine weitere Reduktionstechnik kann genutzt werden, wenn wiederkehrende Teilstrukturen in einem Modell auftreten oder Modellteile in verschiedenen Modellen immer wieder benutzt werden. Dazu wird die Struktur in Teilstrukturen zerlegt. Die Idee ist, Freiheitsgrade, die nicht für die Kompatibilität mit anderen Elementen oder Modellteilen notwendig sind, vorab aus den Gleichungen zu eliminieren. Man spricht von statischer Kondensation3 (Bathe [1, Kap. 8.2.4, S. 717]), s. Abb. 5.14. Dazu wird für jede der Teilstrukturen die Steifigkeitsgleichung partitioniert: 𝑲ee 𝑲ek 𝒖e 𝒇 = e . [𝑲ke 𝑲kk ][𝒖k ] [𝒇k ] Der Verschiebungsvektor wird in einen Teilvektor 𝒖e der zu erhaltenden Freiheitsgrade und einen Teilvektor von Freiheitsgraden 𝒖k , die eliminiert werden können, zerlegt. Löst man die untere Zeile formal nach dem Teilvektor 𝒖k auf, folgt: −1 𝒖k = 𝑲kk (𝒇k − 𝑲ke 𝒖e ) .

(5.23)

Setzt man dies in die obere Zeile ein, kann man den Teilvektor 𝒖k aus der Gesamtgleichung eliminieren: −1 −1 (5.24) (𝑲ee − 𝑲ek 𝑲kk 𝑲ke ) 𝒖e = 𝒇e − 𝑲ek 𝑲kk 𝒇k . ⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟ 𝑲stat

Abb. 5.14 Beispiel für eine Substrukturtechnik. Es sind zwei identische Substrukturen im Modell enthalten

OBDI ,POEFOTBUJPO FSIBMUFOF 'SFJIFJUTHSBEF ਍F LPOEFOTJFSUF 'SFJIFJUTHSBEF ਍L 4VCTUSVLUVS

3

Der Name ergibt sich aus der Anwendung dieser Methode bei linearen dynamischen Verfahren zur näherungsweisen Berechnung von Eigenwerten, s. Kap. 8.2.3.1.

5.7 Aufgaben

81

Die Steifigkeitsmatrix 𝑲stat muss bei wiederkehrenden Teilen nur einmal berechnet werden. Die kondensierten Substrukturen können immer wieder verwendet werden. Man spricht dann auch von Superelementen. Die Invertierung der Submatrix 𝑲kk in Gl. (5.24) wird nicht wirklich berechnet, sondern man wendet auch hier wieder eine CholeskyFaktorisierung an, s. Kap. 5.6.1. Die äußeren Lastfälle müssen bei Erstellung eines Superelements vorher definiert werden, da der Lastvektor 𝒇k in die Berechnung der kondensierten Freiheitsgrade in Gl. (5.23) eingeht. Dies zeigt auch eine Limitierung des Verfahrens: Der Lastfall auf den Superelementen muss vorab bekannt sein und darf sich nicht ändern. Ist dies doch der Fall, müssen die Superelemente neu berechnet werden.

5.7 Aufgaben 5.1. Das Bild zeigt die Diskretisierung eines L-förmigen Gebiets mit bilinearen Scheibenelementen. Beantworten Sie die folgenden Fragen: a) Wie viele globale Knoten und Elemente hat das FE-Modell? b) Welche Freiheitsgrade gibt es an den Knoten? c) Welche Dimension hat die Gesamtsteifigkeitsmatrix? d) Welche Randbedingungen sind anzugeben? e) Welche Dimension hat die resultierende Steifigkeitsmatrix nach dem Einsetzen der Randbedingungen? f) Geben Sie eine Inzidenztabelle für das Modell an. Wählen Sie dazu entsprechende Knoten- und Elementnummerierungen.

ঢ় ড়





5.2. An einem linearen Stabelement der Länge ℓ = 2 mm wirkt eine Streckenlast in Form einer konstanten Last 𝑠0 = 0,22 N/mm. Berechnen Sie den daraus resultierenden Knotenkraftvektor 𝒇𝑉𝑒 , der in das FE-Gleichungssystem eingesetzt wird. 5.3. Berechnen Sie von Hand für das Scheibenelement aus Abb. 5.4 mit der Dicke 𝑡 die 𝑩-Matrix und den Koeffizienten 𝐾11 (die erste Komponente, nicht die Submatrix) der Elementsteifigkeitsmatrix. Nehmen Sie dazu an, dass der Knoten I des Elements im Ursprung liegt und das Element quadratisch mit Kantenlänge ℎ ist. Da alle Elementkanten entlang der globalen Achsen orientiert sind, fällt das lokale Elementkoordinatensystem mit dem globalen zusammen. Die Ansatzfunktionen dieses Elements in globalen Koordinaten lauten dann: 𝑦 𝑥 𝑁I = (1 − ) (1 − ) , ℎ ℎ

𝑁J =

𝑦 𝑥 1 − ), ( ℎ ℎ

𝑁K =

𝑥𝑦 , ℎ2

𝑥 𝑦 𝑁L = (1 − ) . ℎ ℎ

Gehen Sie von einem ebenen Spannungszustand aus. Stellen Sie die 𝑩-Matrix und das Elastizitätsgesetz zunächst mit allgemeinen Variablen auf und überlegen Sie, welche Terme für die Berechnung des Koeffizienten 𝐾11 notwendig sind. Zusatzaufgabe: Leiten Sie die oben gegebenen Formfunktionen her. Was ist der große Nachteil, wenn man die Formfunktionen im globalen Koordinatensystem definiert?

82

5 Diskretisierung mit finiten Elementen

5.4. Für das System in Abb. 2.10 in Kap. 2.1.4 soll bestimmt werden, welchen Einfluss auf die Verformungen und Kräfte das Eigengewicht hat. Die Dichte des Stabs ist 𝜌 und die Erdbeschleunigung ist mit 𝑔 gegeben (Das System in Abb. 2.10 ist horizontal dargestellt. Um den Effekt des Eigengewichts zu erfassen, ist deswegen auch die Richtung von 𝑔 horizontal anzunehmen). Bestimmen und zeichnen Sie den Verlauf der Verschiebung und der Spannung über der Länge 𝐿0 des Systems. Die Elementsteifigkeitsgleichung des Stabs unter einer Streckenlast ist in Gl. (5.16) gegeben.

5.8 Literaturverzeichnis [1] [2] [3] [4] [5]

[6] [7]

K.-J. Bathe. Finite Element Procedures. New Delhi: Prentice-Hall of India, 2007. I. S. Duff, A. M. Erisman und J. K. Reid. Direct Methods for Sparse Matrices. Oxford: Clarendon Press, 1986. B. M. Irons. „A Frontal Solution Program for Finite Element Analysis“. In: International Journal for Numerical Methods in Engineering 2.1 (1970), S. 5–32. M. Jung und U. Langer. Methode der finiten Elemente für Ingenieure. 2. Aufl. Wiesbaden: Springer Vieweg, 2013. G. Karypis und V. Kumar. „A Fast and High Quality Multilevel Scheme for Partitioning Irregular Graphs“. In: SIAM Journal on Scientific Computing 20.1 (1998), S. 359–392. K. Knothe und H. Wessels. Finite Elemente. 5. Aufl. Berlin: Springer Vieweg, 2017. A. Meister. Numerik linearer Gleichungssysteme. 5. Aufl. Wiesbaden: Springer Vieweg, 2015.

Kapitel 6

Finite-Elemente-Klassen

Dieses Kapitel beinhaltet eine Übersicht der in der FEM für die Strukturmechanik eingesetzten Elemente. Ziel des Kapitels ist, dem Anwender die häufigsten Elementtypen vorzustellen, mit den dafür notwendigen Eigenschaften und Parametern. Es wird nicht angestrebt eine vertiefte Einführung in Elementtechnologie darzustellen. Hierzu sei auf die vielfältige Literatur verwiesen, z. B. Klein [10, Kap. 7], Merkel und Öchsner [12], Hughes [9], Belytschko u. a. [2]. Details werden nur dort eingeführt, wo es für das Verständnis der Eigenschaften der Elemente, die hier im Vordergrund stehen sollen, notwendig ist.

6.1 Klassifizierung von Elementen In kommerziellen Programmen ist eine Vielzahl von Elementen implementiert, die man nach verschiedenen Kriterien klassifizieren kann: 1. Räumliche Dimension: Die Anzahl der räumlichen Koordinaten 𝐷 ist eines der wesentlichsten Unterscheidungsmerkmale. In Abb. 6.1 sind hierzu jeweils die Standardelemente gezeichnet. Die räumliche Dimension wird in der Regel durch die Benennung Abb. 6.1 Klassifizierung von Elementtypen nach der räumlichen Dimension in natürlichen Koordinaten

%

%

%





 ౧ 



 ౧









des Elements ausgedrückt: Stab, Scheibe, Hexaeder etc. 2. Anzahl der Knoten Die Anzahl der Knoten eines Elements 𝑛𝑒 legt den möglichen Ansatzgrad der Polynome fest. Als Beispiel ist in Abb. 6.2 ein lineares und ein quadratisches Tetraederelement mit vier bzw. zehn Knoten gezeichnet. Ergänzende Information Die elektronische Version dieses Kapitels enthält Zusatzmaterial, auf das über folgenden Link zugegriffen werden kann (https://doi.org/10.1007/978-3-658-36522-6_6) © Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2022 M. Wagner, Lineare und nichtlineare FEM, https://doi.org/10.1007/978-3-658-36522-6_6

83

84

6 Finite-Elemente-Klassen 4 Knoten, linear

Abb. 6.2 Klassifizierung von Elementtypen nach der Anzahl von Knoten bzw. dem Grad der Ansatzpolynome

10 Knoten, quadratisch

3. Anzahl und Art der Freiheitsgrade am Knoten Die mechanischen oder allgemeiner physikalischen Eigenschaften eines Elements drücken sich in der Anzahl 𝑛FHG der Elementfreiheitsgrade am Knoten aus. In der Strukturmechanik können dies drei bis sechs Freiheitsgrade sein, s. Abb. 6.3. Die Anzahl der Freiheitsgrade allein reicht für Abb. 6.3 Klassifizierung von Elementtypen nach der Anzahl und Art der Elementfreiheitsgrade

Scheibe

Platte

Schale

die Festlegung der physikalischen Eigenschaften nicht aus, da ein Element für akustische Berechnungen z. B. auch nur einen Freiheitsgrad hat, aber hier handelt es sich um den Schalldruck. Ebenso hat ein Element in der Wärmeleitung nur einen Freiheitsgrad, hier die Temperatur. 4. Geometrische Form Zuletzt unterscheiden sich mehrdimensionale Elemente noch darin, welche geometrische Form sie haben, s. Abb. 6.4. Üblich sind in der FEM in 2-D: Dreieck und Viereck und in 3-D: Tetraeder, Prisma und Pyramide (Pentaeder) sowie Hexaeder. Höherwertige Polyeder sind in kommerziellen Programmen nicht üblich, da Abb. 6.4 Klassifizierung von Elementtypen nach der geometrischen Form

Tetraeder

Pentaeder

Hexaeder

mit den genannten Formen die Diskretisierung beliebiger Körper bereits durchgeführt werden kann und die Behandlung von Kontakt deutlich komplizierter werden würde.

6.2 Isoparametrisches Konzept

85

6.2 Isoparametrisches Konzept Finite Elemente sind im Allgemeinen mehrdimensional und beliebig verzerrt, d. h. nicht mehr rechtwinklig und entlang der globalen Koordinatenachsen angeordnet, s. Abb. 5.3. Dadurch ergibt sich das Problem, dass die Formfunktionen für jede beliebige Lage und Form eines Elements neu berechnet werden müssten, was natürlich in der Praxis nicht möglich ist. Dieses Problem trat bisher nicht auf, da nur einfache eindimensionale oder quadratische zweidimensionale Elemente betrachtet wurden, die durch Rotation immer in das globale Koordinatensystem orientiert werden konnten. In Kap. 4.2 wurde erläutert, dass ein gültiger Ansatz eines finiten Elements stetig im gesamten Gebiet sein muss. Dies gilt vor allem auch an den Elementrändern, an denen die Elemente zusammenstoßen. An den Knoten wird dies durch die Forderung nach Verschiebungskompatibilität immer eingehalten. An den Kanten des Elements ist dies nur einfach möglich, wenn die Elementkanten parallel zu den Koordinatenachsen sind. Eine detaillierte Darstellung dazu findet man bei Knothe und Wessels [11, Kap. 7.4.1, S. 227]. Bei verzerrten Elementen ist dies mit dem globalen Koordinatensystem nicht mehr möglich. Deswegen werden Finite Elemente immer in einem Standardkoordinatenraum definiert, dem natürlichen Koordinatensystem. Die Achsen werden mit den griechischen Buchstaben (𝝃) = (𝜉, 𝜂, 𝜁) bezeichnet, um sie von den üblichen globalen Achsen (𝒙) = (𝑥, 𝑦, 𝑧) sowie den lokalen Achsen (𝑟, 𝑠), die in Kap. 2.2.1 eingeführt wurden, zu unterscheiden. Das natürliche Koordinatensystem für ein zweidimensionales Element ist in Abb. 6.5 rechts dargestellt. Es handelt sich immer um einen quadratischen oder im 3-D würfelförmigen Bereich, dessen Intervallgrenzen für jede Achse von -1 bis +1 gehen. Um jedes beliebige Element in globalen Koordinaten darstellen zu können, ist eine noch zu bestimmende Transformationsfunktion 𝑱 ∶ (𝒙) → (𝝃) anzugeben, die im Folgenden hergeleitet wird. Die Formfunktionen hängen durch diese Darstellung nicht mehr von den globalen Koordinaten (𝒙) ab, sondern durch die Transformation implizit von den natürlichen Koordinaten (𝝃). Formal lautet der FEM-Ansatz nun 𝒖̃𝒆 (𝒙(𝝃)) = 𝑵(𝒙(𝝃)) 𝒖𝒆 = 𝑵(𝝃) 𝒖𝒆 .

(6.1)

Dies ist bei der Differenziation und Integration zu beachten, z. B. für die Steifigkeitsmatrix: 𝑲𝑒 =

∫ 𝑉𝑒

𝑩 T 𝑪𝑩d𝑉 =

∫ 𝑥∫ 𝑦∫ 𝑧

𝑩(𝒙(𝝃))T 𝑪 𝑩(𝒙(𝝃)) d𝑥 d𝑦 d𝑧

Da die Integrationsgrenzen in globalen Koordinaten (𝒙) definiert sind, der Integrand aber in (𝝃), ist eine Transformation des Integrals notwendig. Weiterhin ist es notwendig die Abb. 6.5 Schematische Definition eines 2-D-Elements in globalen und natürlichen Koordinaten







 ঢ়







౧ ড়



86

6 Finite-Elemente-Klassen

Matrix 𝑩(𝝃) angeben zu können. Die Matrix enthält die Ableitungen der Formfunktionen, die in 𝝃 definiert sind, nach globalen Koordinaten 𝒙, z. B. für das viereckige Scheibenelement aus Kap. 5.1.1 mit ebenem Spannungszustand: 𝜕 ⎡ 𝜕𝑥 0 ⎤ ⎢ 0 𝜕 ⎥ 𝑁I (𝝃) 0 𝑁J (𝝃) 0 𝑁K (𝝃) 0 𝑁L (𝝃) 0 𝑩 = 𝑫𝜀 𝑵(𝝃) = ⎢ 𝜕𝑦 ⎥ . ⎢ 𝜕 𝜕 ⎥ [ 0 𝑁I (𝝃) 0 𝑁J (𝝃) 0 𝑁K (𝝃) 0 𝑁L (𝝃) ] ⎣ 𝜕𝑦 𝜕𝑥 ⎦

(6.2)

Diese Ableitungen sind nun nicht mehr direkt zu berechnen, z. B. lautet der erste Term für die Ableitung der Ansatzfunktion nach der globalen Koordinate 𝑥 unter Beachtung der Kettenregel 𝜕𝑁I (𝜉, 𝜂) 𝜕𝑁I 𝜕𝜉 𝜕𝑁I 𝜕𝜂 = + . 𝐵11 = 𝜕𝑥 𝜕𝜉 𝜕𝑥 𝜕𝜂 𝜕𝑥 Analog sind die anderen Terme zu berechnen. Die Ableitungen der Formfunktionen nach 𝜕𝜉 𝜕𝜂 den natürlichen Koordinaten können direkt berechnet werden. Die Ableitungen 𝜕𝑥 , 𝜕𝑥 der Koordinaten (𝜉, 𝜂) nach den globalen Koordinaten (𝑥, 𝑦) sind aber zunächst nicht definiert. Für diese Ableitungen muss eine mathematische Beziehung der Art 𝒙 = 𝒙(𝝃) (bzw. die Umkehrfunktion 𝝃 = 𝝃(𝒙)) zwischen den beiden Koordinatensystemen hergestellt werden. Dies war bisher nicht notwendig, da die Elemente immer so angeordnet waren, dass das natürliche und globale Koordinatensystem gerade zusammenfallen, wie z. B. in Kap. 2.1, oder nur verschoben bzw. durch eine reine Rotation abgebildet werden konnten, wie in Kap. 2.2.2. Damit ergab sich kein direkter Einfluss auf die Ableitungen. Dies ist im allgemeinen Fall verzerrter Elemente anders. Prinzipiell gibt es zur Herstellung der Beziehung beliebige Möglichkeiten, aber es wird wieder eine ähnliche Vorgehensweise wie bei der Diskretisierung des Energieprinzips gewählt: Die Geometrie wird punktuell durch 𝑖 Ortsvektoren 𝒙(𝑖) beschrieben. Dazwischen werden geometrische Formfunktionen definiert, die die räumliche Form beschreiben. Dies wird auch in der graphischen Datenverarbeitung und vor allem auch im Bereich des CAD so gemacht, allerdings mit sehr aufwendigen Funktionen, in der Regel B-Splines oder NURBS. Für weiterführende Informationen s. Vogel [15, S. 145 ff.]. In der FEM werden üblicherweise wieder einfache polynomiale Ansatzfunktionen gewählt. An dieser Stelle sind drei Möglichkeiten gegeben, s. Abb. 6.6: Die superparametrische Darstellung nutzt mehr Knoten als im Ansatz der Verschiebungen in Gl. (6.1) benutzt werden für die Geometriebeschreibung. Diese Vorgehensweise wird aber nicht eingesetzt, da bei Knothe und Wessels [11, Kap. 7.4.3] gezeigt wird, Abb. 6.6 Mögliche Anordnung der Ortsvektoren für das Verschiebungsfeld und die Geometriebeschreibung. Punkte der Geometriediskretisierung , Punkte der Felddiskretisierung , s. auch Steinke [14, Kap. 7.5]





superparametrisch

isoparametrisch

subparametrisch

6.2 Isoparametrisches Konzept

87

Abb. 6.7 Beispiel zur Geometrieapproximation beim isoparametrischen Konzept

ਐȥ ਐA ৞ ୥ ਐC ঢ় ড়

਍C

dass Vollständigkeitsbedingungen verletzt werden und damit die Konvergenz des Elements nicht sichergestellt ist, s. zur Erklärung Kap. 7.1.1. Das subparametrische Konzept besitzt weniger Knoten als der Ansatz für die Feldlösung, und hat damit einen kleinen Vorteil bei der Rechenzeit, ist aber für nichtlineare Berechnungen schlecht geeignet, da dort die Geometrie aufgrund großer Deformationen aus den Verschiebungsvektoren durch Addition auf die aktuelle Geometrie ermittelt werden muss. Wenn aber die Ortsvektoren der Geometrie und des Verschiebungsfelds nicht zusammenfallen, erschwert dies die Aktualisierung, s. auch Bathe [1, Kap. 5.3, S. 363]. Die genannten Nachteile fallen beim isoparametrischen Konzept weg, weswegen es sich durchgesetzt hat: Die Punkte auf der Geometrie, werden mit denselben Ortsvektoren beschrieben, die auch für das Verschiebungsfeld genutzt werden. Ebenso werden die Funktionen zur Abbildung der Geometrie zwischen den Stützstellen identisch zu 𝑵(𝝃) gewählt, die auch für das Verschiebungsfeld 𝒖̃𝑒 (𝒙) eines Elements genutzt werden, s. Abb. 6.7. Es gilt also, dass die Approximation 𝒙̃𝑒 der tatsächlichen Geometrie 𝒙 in einem finiten Element gegeben ist durch: ⎡ 𝑥I ⎤ ⎢ 𝑦I ⎥ 𝑒 ⎢ ⎥ 𝑥 ̃ 𝑁 (𝝃) 0 0 𝑁 … (𝝃) 0 0 I J ⎡ ⎤ ⎡ ⎤⎢ 𝑧I ⎥ 𝑒 0 𝑁J (𝝃) 0 … ⎥⎢𝑥J ⎥= 𝑵(𝝃)𝒙𝑒 . 𝒙̃ (𝝃) = ⎢𝑦⎥̃ = ⎢ 0 𝑁I (𝝃) 0 ⎢ ⎥ ⎢ ⎥ 0 𝑁I (𝝃) 0 0 𝑁J (𝝃) … ⎦⎢𝑦J ⎥ ⎣𝑧⎦̃ ⎣ 0 ⎢𝑧 ⎥ ⎢ J⎥ ⎣ ⎦

(6.3)

Im Knotenvektor der Ortsvektoren 𝒙𝑒 sind nacheinander die Ortsvektoren zu den Knoten des Elements 𝒙𝑒I , 𝒙𝑒J , 𝒙𝑒K , … einsortiert. Wie man Abb. 6.7 entnehmen kann, wird eine im Allgemeinen beliebig gekrümmte Oberfläche durch Polynomfunktionen niedrigen Grads approximiert. Dies führt z. B. bei Einsatz von linearen Dreieck- oder Tetraederelementen dazu, dass die gekrümmte Oberfläche durch Ebenen nur facettiert dargestellt wird, s. als Beispiel eine Kugel in Abb. 6.8. Dadurch wird ein weiterer Fehler in das Diskretisierungsverfahren eingeführt. Aus diesem Grund sind isoparametrische Elemente mit höheren Ansatzgraden prinzipiell zu bevorzugen, da neben der genaueren Abbildung des Verschiebungsfelds auch die Geometrie genauer abgebildet werden kann.

88

6 Finite-Elemente-Klassen

Abb. 6.8 Vernetzung gekrümmte Oberfläche mit ebenen Elementen

Die Ableitungen in Gl. (6.2) sind damit immer noch nicht angebbar, da man dafür die Umkehrfunktion benötigt: 𝝃 = 𝝃(𝒙). Die Ermittlung dieses Zusammenhangs ist im Allgemeinen aufwändig. Deswegen werden die Ableitungen nach den globalen Koordinaten über einen Zwischenschritt indirekt gewonnen. Nimmt man an, dass die Formfunktionen ̃ zunächst in globalen Koordinaten beschrieben werden, 𝑵(𝒙(𝝃)), s. auch Gl. (6.1), und bildet davon die Ableitung nach den natürlichen Koordinaten, folgt z. B. für die Formfunktion am Knoten I ̃ 𝜕𝑁I (𝒙(𝝃)) 𝜕𝑁I (𝑥(𝜉, ̃ 𝜂, 𝜁), 𝑦(𝜉, ̃ 𝜂, 𝜁), 𝑧(𝜉, ̃ 𝜂, 𝜁 ) 𝜕𝑁I 𝜕𝑥̃ 𝜕𝑁I 𝜕𝑦 ̃ 𝜕𝑁I 𝜕𝑧 ̃ = = + + 𝜕𝜉 𝜕𝜉 𝜕𝑥̃ 𝜕𝜉 𝜕𝑦 ̃ 𝜕𝜉 𝜕𝑧 ̃ 𝜕𝜉 𝜕𝑁I (𝒙(𝝃)) 𝜕𝑁I 𝜕𝑥 𝜕𝑁I 𝜕𝑦 𝜕𝑁I 𝜕𝑧 = = + + 𝜕𝜂 𝜕𝑥 𝜕𝜂 𝜕𝑦 𝜕𝜂 𝜕𝑧 𝜕𝜂 𝜕𝑁I (𝒙(𝝃)) 𝜕𝑁I 𝜕𝑥 𝜕𝑁I 𝜕𝑦 𝜕𝑁I 𝜕𝑧 = = + + . 𝜕𝜁 𝜕𝑥 𝜕𝜁 𝜕𝑦 𝜕𝜁 𝜕𝑧 𝜕𝜁 Ausführen für jede Koordinatenrichtung und Anordnung in Matrixform ergibt: ⎡ 𝜕𝑁I ⎤ ⎡ 𝜕𝑥̃ 𝜕𝑦 ̃ 𝜕𝑧 ̃ ⎤ ⎡ 𝜕𝑁I ⎤ ⎢ 𝜕𝜉 ⎥ ⎢ 𝜕𝜉 𝜕𝜉 𝜕𝜉 ⎥ ⎢ 𝜕𝑥̃ ⎥ ⎢ 𝜕𝑁 ⎥ ⎢ ⎥⎢ ⎥ ⎢ I ⎥ = ⎢ 𝜕𝑥̃ 𝜕𝑦 ̃ 𝜕𝑧 ̃ ⎥ ⎢ 𝜕𝑁I ⎥ . ⎢ 𝜕𝜂 ⎥ ⎢ 𝜕𝜂 𝜕𝜂 𝜕𝜂 ⎥ ⎢ 𝜕𝑦 ̃ ⎥ ⎥ ⎢ 𝜕𝑁 ⎥ ⎢ ⎥⎢ ⎢ I ⎥ ⎢ 𝜕𝑥̃ 𝜕𝑦 ̃ 𝜕𝑧 ̃ ⎥ ⎢ 𝜕𝑁I ⎥ ⎣ 𝜕𝜁 ⎦ ⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟ ⎣ 𝜕𝜁 𝜕𝜁 𝜕𝜁 ⎦ ⎣ 𝜕𝑧 ̃ ⎦

(6.4)

𝑱

Die entstandene Matrix 𝑱 aus Ableitungen der globalen Koordinaten nach den natürlichen Koordinaten wird als Jacobi-Matrix oder Funktionalmatrix bezeichnet. Die Berechnung der Jacobi-Matrix gelingt nun durch Nutzung des isoparametrischen Konzepts in Gl. (6.3), z. B. für 𝐽11 : 𝜕𝑁𝑛𝑒 𝜕𝑁J 𝜕𝑥̃ 𝜕𝑁I 𝐽11 = = 𝑥I + 𝑥J + ⋯ + 𝑥 . (6.5) 𝜕𝜉 𝜕𝜉 𝜕𝜉 𝜕𝜉 𝑛𝑒 Durch Invertierung von Gl. (6.4) kann man nun die gesuchten Ableitungen der Formfunktionen nach den globalen Koordinaten finden, z. B. für den Knoten I:

6.3 Eindimensionale Elemente

89

⎡ 𝜕𝑁I ⎤ ⎡ 𝜕𝑁I ⎤ ⎢ 𝜕𝜉 ⎥ ⎢ 𝜕𝑥 ⎥ ⎥ ⎢ ⎥ ⎢ ⎢ 𝜕𝑁I ⎥ = 𝑱 −1 ⎢ 𝜕𝑁I ⎥ , ⎢ 𝜕𝑦 ⎥ ⎢ 𝜕𝜂 ⎥ ⎥ ⎢ ⎢ 𝜕𝑁 ⎥ 𝜕𝑁 ⎢ I⎥ ⎢ I⎥ ⎣ 𝜕𝑧 ⎦ ⎣ 𝜕𝜁 ⎦

(6.6)

damit ist die 𝑩−Matrix aus Gl. (6.2) berechenbar. Neben der Berechnung von 𝑩 sind auch noch die Integrale über die Elemente generell im globalen Koordinatensystem zu bestimmen. Die Ausführung der Integrale kann in globalen Koordinaten schwierig sein, da bei verzerrten Elementen die Integrationsgrenzen nicht einfach definierbar sind, da sie nicht mehr orthogonal zueinander stehen und damit nicht mehr unabhängig voneinander sind. Aus diesem Grund werden die Volumenintegrale auf das natürliche Koordinatensystem transformiert, da hier das Integrationsgebiet immer rechtwinklig berandet ist. Für die Transformation muss das Differenzial d𝑉 in natürlichen Koordinaten angegeben werden1 : d𝑉 = d𝑥d𝑦d𝑧 = det 𝑱d𝜉d𝜂d𝜁 . (6.7) Die Determinante det 𝑱 gibt das Flächen- oder Volumenverhältnis des Elements im globalen zum lokalen Koordinatensystem wieder. Damit diese Transformation mathematisch eindeutig ist, müssen die Elemente und damit die Vernetzung einige Anforderungen erfüllen, die in Kap. 7.4.2 erläutert werden. Damit lassen sich die Matrizen der FEM, vor allem die Steifigkeitsmatrix, nun komplett in natürlichen Koordinaten darstellen: 𝑲𝑒 =

𝑩 T 𝑪𝑩 d𝑉 =

∫ 𝑉𝑒

1

1

1

∫ −1 ∫ −1 ∫ −1

𝑩 T (𝝃)𝑪𝑩(𝝃) det 𝑱 (𝝃) d𝜉 d𝜂d𝜁 .

(6.8)

Wie man sieht, tritt die Determinante der Jacobi-Matrix im Integrand auf. Zusätzlich ist in der Matrix 𝑩 die Inverse der Jacobi-Matrix enthalten. Dies führt dazu, dass der Integrand selbst bei einfachen Ansatzfunktionen zu gebrochen-rationalen Funktionen führt, die schwer oder gar nicht analytisch zu integrieren sind, s. Kap. 7.2. Ein aktuelles Forschungsgebiet der FEM ist das isogeometrische Konzept, das auf den bereits oben erwähnten B-Splines bzw. NURBS, anstatt von einfachen Polynomen, aufbaut. Der Vorteil ist, dass man direkt die Darstellung der Geometrie aus den CADProgrammen übernehmen kann. Eine Einführung führt aber hier zu weit, ein Einstieg findet sich bei Hughes, Cottrell und Bazilevs [8].

6.3 Eindimensionale Elemente Ist die Abmessung eines Volumenkörpers in eine Richtung deutlich größer als in die zwei anderen, kann man dies in der FEM ausnutzen, um besonders effiziente Elemente zu erhal1

Die Herleitung findet sich bei Gl. (9.25).

90

6 Finite-Elemente-Klassen

Abb. 6.9 Räumliche Dimensionsreduktion eines Volumens auf ein 1-D-Element. Die Beschreibung der Ansatzfunktionen erfolgt im natürlichen Koordinatensystem 𝜉 ∈ [−1, 1]



౧ > ҃2 ౧ > ,2



౧ ড়

ten, die wenig Rechenaufwand benötigen. Dazu wird nur die große Abmessung diskretisiert, s. Abb. 6.9. Die Spannungs- und Verzerrungszustände für die kleinen Dimensionen werden über Modellannahmen analytisch behandelt. In diesem Fall spricht man von Strukturelementen, da die Variablen des Elements als Schnittgrößen eingeführt werden, die über den Querschnitt integriert werden, z. B. die Stabkraft beim Stab. Neben dem Stab ist auch der Balken ein Strukturelement. Daneben sind als 2-D-Elemente Scheiben, Platten und Schalen solche Elemente, s. Kap. 6.4.2. Im Gegensatz dazu kommen Kontinuumselemente ohne weitere Annahmen aus. Die Variablen sind die Verschiebungen an den Knoten und die Verzerrungs- und Spannungstensoren und keine daraus ermittelten Größen.

6.3.1 Zweiknotiges lineares Stabelement Stabelemente haben nur einen Freiheitsgrad in der Strukturmechanik und nehmen Verschiebungen und Normalkräfte nur in Längsrichtung auf. Das Stabelement mit linearen Ansatzfunktionen aus Abb. 2.6 wurde bereits in Kap. 2.1.2 hergeleitet. Hier sollen nur die Formfunktionen und deren Ableitungen in natürlichen Koordinaten angegeben werden. Das Stabelement hat in natürlichen Koordinaten einen Freiheitsgrad, 𝑛FHG = 1, da nur Längsverschiebungen in Richtung 𝜉 möglich sind. In globalen Koordinaten wird dieser Verschiebungsvektor in Komponenten zerlegt und die Anzahl Freiheitsgrade wird dann oft über die globalen Komponenten definiert. Damit hängt diese aber von der räumlichen Dimension ab, deswegen werden im Folgenden die Freiheitsgrade immer bezüglich des natürlichen Koordinatensystems angegeben. Für einen Ansatz mit einem linearen Polynom gilt im natürlichen Koordinatensystem 𝜉 ∈ [−1, 1], s. Abb. 6.9: 𝑢𝑒̃ (𝜉) = 𝑎0 + 𝑎1 𝜉 . (6.9) Die Koeffizienten 𝑎0 , 𝑎1 werden über die Verschiebungen 𝑢𝑒I , 𝑢𝑒J an den Knoten 𝜉 = −1 und 𝜉 = +1 festgelegt. Dies führt auf die Bedingungen 𝑢𝑒I = 𝑎0 − 𝑎1

und 𝑢𝑒J = 𝑎0 + 𝑎1 .

Auflösen nach 𝑎0 und 𝑎1 und Einsetzen in Gl. (6.9) sowie Sortieren liefert: 𝑢𝑒̃ =

𝑢𝑒 1 1 (1 − 𝜉) 𝑢𝑒I + (1 + 𝜉) 𝑢𝑒J = [𝑁I 𝑁J ] 𝑒I = 𝑵𝒖𝑒 . [𝑢J ] 2 2

(6.10)

Die Formfunktionen sind in natürlichen Koordinaten in Abb. 6.10 abgebildet. Zum Vergleich sind in Abb. 2.8 die Formfunktionen im globalen Koordinatensystem zu sehen.

6.3 Eindimensionale Elemente

91

৙ȥ

Abb. 6.10 Formfunktionen für ein lineares Stabelement in natürlichen Koordinaten

2 হC

হA

౧ A

C

౧ > ҃2



౧>2

Für die Berechnung der Steifigkeitsmatrix ist noch die Matrix 𝑩 der Ableitungen der Formfunktionen anzugeben. Dazu sind mit dem Differenzialoperator 𝑫𝜀 des jeweiligen d Feldproblems die Polynome in 𝑵 abzuleiten. Beim Stab ist 𝑫𝜀 = d𝑥 , s. Gl. (2.1). In Gl. (2.13) war diese Ableitung einfach möglich, da die Formfunktionen in globalen Koordinaten angegeben waren. Hier wird nun das natürliche Koordinatensystem in 𝜉 genutzt und damit ist die Ableitung nach dem isoparametrischen Konzept durchzuführen: 𝑩=

d𝑵(𝜉) = [ d𝑁I (𝜉) d𝑥̃ d𝑥̃

d𝑁J (𝜉) d𝑥̃ ]

=[

d𝑁I (𝜉) d𝜉 d𝜉 d𝑥̃

d𝑁J (𝜉) d𝜉 d𝜉 d𝑥̃ ]

.

(6.11)

Durch die Anwendung der Kettenregel entsteht die Ableitung der natürlichen Koordinate nach der globalen, dd𝜉𝑥̃ . Für die Auswertung ist zunächst die isoparametrische Transformation der Koordinaten aus Gl. (6.3) zu formulieren: 𝑥̃ = 𝑁I 𝑥I + 𝑁J 𝑥J =

1 1 1 1 (1 − 𝜉)𝑥I + (1 + 𝜉)𝑥J = (𝑥I + 𝑥J ) + 𝜉 (𝑥⏟ J − 𝑥I ) , 2 2 ⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟ 2 2

(6.12)



𝑥m

mit der Mittelpunktkoordinate 𝑥m und der Länge ℓ des Elements. Damit folgt durch Berechnung der Ableitung d𝑥/d𝜉 ̃ (dies entspricht Gl. (6.5)) und Bilden der Umkehrfunktion die Ableitung d𝜉 2 = . (6.13) d𝑥̃ ℓ Mit dieser Beziehung kann die 𝑩-Matrix in Gl. (6.11) berechnet werden, s. Tab. 6.1. Die hier gezeigten Schritte zur Bestimmung von 𝑩 gelten nur, wenn das globale Koordinatensystem entlang der Stabachse orientiert ist. Ist der Stab aber gedreht, dann sind zusätzlich Rotationen entsprechend Kap. 2.2.2 anzuwenden. Die Eigenschaften des linearen Stabelements sind in Tab. 6.1 zusammengefasst. Die 𝑩Matrix enthält nur konstante Terme. Da damit die Verzerrungs- und Spannungszustände Tabelle 6.1 Eigenschaften lineares Stabelement 𝑛𝑒

nat. FHG pro Knoten

𝑫𝜀

2

𝑢𝜉

d d𝑥

Matrix 𝑩 2 [− 21 ℓ

1 ] 2

Dim(𝑲 𝑒 ) 2×2

92

6 Finite-Elemente-Klassen

im Element berechnet werden (s. Gl. (2.13)), können in einem linearen Stabelement nur konstante Verzerrungen und Spannungen berechnet werden. Bei nicht konstantem Verlauf der exakten Lösung sind für hohe Genauigkeit sehr viele Elemente zu wählen.

6.3.2 Dreiknotiges quadratisches Stabelement Nun wird eine Elementklasse am Stab eingeführt, die keine linearen Ansatzpolynome nutzt, sondern quadratische. Ein Polynom 2. Ordnung 𝑢𝑒̃ (𝜉) = 𝑎0 + 𝑎1 𝜉 + 𝑎2 𝜉 2

(6.14)

hat drei Koeffizienten. Damit wird eine weitere Bestimmungsgleichung benötigt und dies bedeutet, dass ein quadratisches Stabelement einen Knoten mehr haben muss als das lineare Element. Dieser soll in der Mitte des Elements bei 𝜉 = 0 liegen. Die Knotenverschiebungen an den Randknoten und in der Mitte des Elements liefern durch Einsetzen drei Gleichungen für die Koeffizienten des Polynoms, die dann analog zum Stab nach den Knotenverschiebungen sortiert werden und die Ansatzfunktionen liefern, s. Abb. 6.11: 𝑁I =

1 2 (𝜉 − 𝜉), 2

𝑁J =

1 2 (𝜉 + 𝜉), 2

𝑁K = 1 − 𝜉 2 ,

(6.15)

Der wesentliche Unterschied zu linearen Elementen liegt darin, dass beim quadratischen Ansatz die Matrix 𝑩 linear von den Koordinaten abhängt und nicht mehr konstant ist (s. Tab. 6.2 und Aufgabe 6.5). Damit sind auch Dehnungen und Spannungen, die nach Gl. (5.5) daraus berechnet werden im Gegensatz zu linearen Elementen nicht konstant, sondern lineare Funktionen. Damit lassen sich mit deutlich weniger Elementen sehr gut die Spannungsverläufe berechnen. Bei isoparametrischen Elementen wird auch die Geometrie mit den gleichen Ansatzfunktionen approximiert. Das führt bei quadratischen Elementen im Vergleich zu linearen ebenfalls zu einer deutlich besseren Abbildung der Geometrie bei gekrümmten Objekten mit weniger Elementen. Aus diesen Gründen sind quadratische Elemente in (statischen) FEM-Berechnungen zu bevorzugen. Bei dynamischen Berechnungen gilt dies nur eingeschränkt, s. Kap. 13.3.3 Abb. 6.11 Formfunktionen eines quadratischen Stabelements.

৙ȥ  হE হC হA A ౧ > ҃2

౧ E

C ౧

౧>2

6.3 Eindimensionale Elemente

93

Tabelle 6.2 Eigenschaften quadratisches Stabelement 𝑛𝑒

nat. FHG pro Knoten

𝑫𝜀

3

𝑢𝜉

d d𝑥

Dim(𝑲 𝑒 )

Matrix 𝑩 2 𝑙

1 [− 2 + 𝜉

1 2

+𝜉

− 2𝜉]

3×3

Die Eigenschaften des quadratischen Stabelements sind in Tab. 6.2 angegeben.

6.3.3 Balkenelemente An dieser Stelle wird nur eine kurze Einführung in Balkenelemente und die zu Grunde liegende Mechanik gegeben, für eine detaillierte Beschreibung sei auf Merkel und Öchsner [12] verwiesen. Ein Balkenelement nimmt Belastungen senkrecht zur Längsachse auf, s. Abb. 6.12. Der Balken wird als ebenes Modell mit einem ebenen Spannungszustand betrachtet. Damit sind die Spannungskomponenten in 𝑦-Richtung null. Zusätzlich werden Normalspannungen 𝜎𝑧𝑧 in senkrechter Richtung ausgeschlossen (s. auch Annahme 2 weiter unten). Als Spannungskomponenten verbleiben dann 𝜎𝑥𝑥 und 𝜎𝑥𝑧 im Koordinatensystem nach Abb. 6.12. Als Schnittgrößen treten Querkräfte 𝑄(𝑥) und Biegemomente 𝑀(𝑥) auf (für Details s. Gross u. a. [6, Kap. 4.3]): 𝑄(𝑥) =

∫ 𝐴

𝜎𝑥𝑧 (𝑥, 𝑦, 𝑧) d𝐴 und 𝑀(𝑥) =

∫ 𝐴

𝑧 𝜎𝑥𝑥 (𝑥, 𝑦, 𝑧) d𝐴 .

(6.16)

Aus Gleichgewichtsbetrachtungen an einem infinitesimal kleinen Ausschnitt lassen sich zunächst die zwei Beziehungen 𝑀′ = 𝑄

und 𝑄′ = −𝑞

(6.17)

ermitteln, wobei 𝑞 eine Streckenlast auf dem Balken darstellt, s. Gross u. a. [6, Kap. 4.3, S. 96]. Abb. 6.12 Knotengrößen am Balkenelement

ঢ়- ౡ)ড়*

ড়- ৙)ড়*

৛A

৞- ৛)ড়* সȦ A

৛C

়Ȧ A ౡA

সȦ C ়Ȧ C ౬ড়ড়

౬ড়৞

ౡC

94

6 Finite-Elemente-Klassen

Zur weiteren Behandlung sind Annahmen über den Spannungs- und Verzerrungszustand zu treffen. Die verbreitetsten Theorien nach Bernoulli oder Timoshenko gehen beide von den folgenden kinematischen Annahmen für die Verschiebung eines Punkts 𝑃 durch Biegung aus (s. Abb. 6.13 in Kap. 6.3.3.1 für eine graphische Darstellung): Annahme 1: Ein Querschnitt (in Abb. 6.13 als blaue Linie dargestellt) bleibt eben. Dann kann man die horizontale Verschiebung 𝑢𝑥 (𝑥, 𝑦, 𝑧) = 𝑢(𝑥, 𝑧) des Punkts P über den Verdrehwinkel 𝜃(𝑥) und die Höhenkoordinate 𝑧 ∈ [−ℎ/2, ℎ/2] bestimmen: 𝑢(𝑥, 𝑧) = 𝑧 𝜃(𝑥) . Dies ist eine vereinfachende Annahme und stimmt i. d. R. mit der Realität nicht überein. Für die Definition des Verdrehwinkels ist eine Bezugslinie zu definieren. Hier wird üblicherweise die neutrale Faser gewählt. Dies ist die Linie, die sich bei Biegung nicht verlängert und damit spannungsfrei ist. Bei dem hier angenommenen symmetrischen Querschnitt liegt sie in der Mitte. Annahme 2: Die Verschiebungen im Querschnitt in z-Richtung sind konstant. Dies bedeutet, dass die Verschiebung in diese Richtung nicht von 𝑧 abhängt und über den Verschiebungswert an der Stelle 𝑧 = 0 beschrieben werden soll. 𝑢𝑧 (𝑥, 𝑦, 𝑧) = 𝑤(𝑥, 𝑧) = 𝑤(𝑥, 𝑧 = 0) . Daraus folgt, dass die Dicke des Balkens konstant bleibt. Die Funktion 𝑤(𝑥) wird als Biegelinie bezeichnet. Annahme 3: Die Querschnittsform bleibt erhalten. Daraus folgt, dass die Querkontraktion 𝜈 = 0 ist. Mit diesen kinematischen Annahmen kann eine Beziehung zwischen den Verzerrungen und der Biegelinie angegeben werden 𝜀𝑥𝑥 =

𝜕𝑢𝑥 = 𝑧𝜃 ′ = −𝑧𝑤″ , 𝜕𝑥

𝛾𝑥𝑧 =

𝜕𝑢𝑥 𝜕𝑢𝑧 + = 𝜃 + 𝑤′ , 𝜕𝑧 𝜕𝑥

𝜀𝑧𝑧 =

𝜕𝑢𝑧 =0 𝜕𝑧

wobei die zweite Ableitung der Biegelinie bei kleinen Dehnungen näherungsweise die Krümmung der Biegelinie wiedergibt. Unter Voraussetzung von linear-elastischem Materialverhalten lassen sich mit diesen Annahmen die Ausdrücke für 𝑄 und 𝑀 weiter umformen. Da die Querkontraktion zu null angenommen wird (Annahme 3), folgt aus dem Hooke’schen Gesetz in Gl. (3.18) für die Spannungen 𝜎𝑥𝑥 = 𝐸𝜀𝑥𝑥 = −𝑧𝐸𝑤″ ,

𝜎𝑥𝑧 = 𝐺𝛾𝑥𝑧 = 𝐺(𝜃 + 𝑤′ ) ,

𝜎𝑧𝑧 = 𝐸𝜀𝑧𝑧 = 0

Die mittlere Gleichung besagt, dass die Schubspannung 𝜎𝑥𝑧 über den Querschnitt konstant ist. Dies entspricht nicht dem physikalischen Verhalten, vielmehr hat die Schubspannung über den Querschnitt einen nichtlinearen Verlauf und ist an den Rändern null, aufgrund der zugeordneten Schubspannung 𝜎𝑧𝑥 . Für die Schnittgrößen folgt damit aus Gl. (6.16): 𝑄 = 𝐺(𝜃 + 𝑤′ )

d𝐴 = 𝐺𝐴(𝜃 + 𝑤′ ) und 𝑀 = 𝐸 𝑧2 𝜃 ′ d𝐴 = 𝐸𝐼𝑦𝑦 𝜃 ′ , ∫ ∫ 𝐴 𝐴

(6.18)

6.3 Eindimensionale Elemente

95

mit dem axialen Flächenträgheitsmoment 𝐼𝑦𝑦 . Der Faktor 𝐸𝐼𝑦𝑦 wird als Biegesteifigkeit bezeichnet, 𝐺𝐴 als Schubsteifigkeit. Die Gln. (6.17) und Gln. (6.18) sind vier Differenzialgleichungen für die vier Unbekannten 𝑤(𝑥), 𝜃(𝑥), 𝑄(𝑥), 𝑀(𝑥).

6.3.3.1 Schubstarres Balkenelement Zusätzlich zu den bisherigen Annahmen trifft die Bernoulli-Theorie eine weitere kinematische Annahme für die Verschiebung eines Punkts 𝑃, s. Abb. 6.13: Annahme 4: Die Querschnitte bleiben senkrecht auf der Mittellinie. Aus dem linken Teil von Abb. 6.13 kann man damit die Ableitung d𝑤/d𝑥 = 𝑤′ (𝑥), die die Tangente an die Biegelinie darstellt, mit dem Verdrehwinkel 𝜃(𝑥) in Beziehung setzen: 𝜃(𝑥) = −𝑤′ (𝑥) .

(6.19)

Das Vorzeichen resultiert, da 𝜃(𝑥) über die Drehrichtung der 𝑦-Achse im Gegenuhrzeigersinn positiv ist, das Inkrement d𝑤 aber in negative 𝑧-Richtung zeigt, s. Abb. 6.13 unten rechts. Wie man der Abbildung entnimmt, bedeutet dies, dass ein infinitesimal kleiner Ausschnitt des Balkens unter dieser Voraussetzung keine Winkeländerung erfährt, sondern nur rotiert wird. Durch diese Annahme vereinfachen sich die Gleichungen, da die ursprünglich unabhängige Größe 𝜃(𝑥) durch die Ableitung der Biegelinie ausgedrückt wird und das Balkenbiegungsproblem allein durch die Feldvariable 𝑤(𝑥) beschrieben werden kann. Man erkennt aber, dass dadurch formal die Querkraft in Gl. (6.18) zu null werden würde, da keine Winkeländerung auftritt und damit keine Schubspannung erzeugt wird. Um endliche Querkräfte darstellen zu können, muss die Schubsteifigkeit 𝐺𝐴 gegen unendlich gehen, da dann eine endliche Querkraft möglich ist. Aus diesem Grund werden Elemente dieses Typs als schubstarr bezeichnet. Die Bernoulli-Theorie ist in diesem Sinne nur korrekt bei reiner Biegung, d.ḣ. 𝑄 = 0. Für allgemeine Fälle sollten Finite Elemente dieses Typs nur für „dünne“ Geometrien eingesetzt werden, um den Fehler klein zu halten. Für die Entwicklung eines finiten Balkenelements werden die Größen 𝜃(𝑥), 𝑄(𝑥), 𝑀(𝑥) aus den Gln. (6.17) und Gln. (6.18) mit 𝜃(𝑥) = −𝑤(𝑥)′ eliminiert. Das Ergebnis ist die



ω



LFJOF 7FS[FSSVOH

1 ৞

৛)ড়*

Eড় ҃৛༧

৙)ড়- ৞*

E৞ 1 ౡ > ҃৛༧ E৙

E৛ = 1

Abb. 6.13 Bernoulli’sche Annahmen am Balken

96

6 Finite-Elemente-Klassen

Differenzialgleichung 4. Ordnung für die Biegelinie 𝑤(𝑥): 𝐸𝐼 𝑤⁗ = 𝑞 . Dies ist ein wesentlicher Unterschied, da bisher Differenzialgleichungen 2. Ordnung auftraten. Trotz der Rückführung auf eine Feldvariable sind an jedem Elementknoten Randbedingungen für Verschiebung und Verdrehung vorzugeben, da die zu Grunde liegende Differenzialgleichung vier Integrationskonstanten zu erfüllen hat. Einsetzen des spezifischen Verzerrungs- und Spannungszustands, der aus den Bernoulli’schen Annahmen resultiert, liefert für das Prinzip der virtuellen Verschiebung die folgende Darstellung (s. Merkel und Öchsner [12, Kap: 5.3.3, S. 93]): ℓ

∫ 0

𝛿𝑤′′ 𝐸𝐼𝑤′′ d𝑥 =



∫ 0

𝛿𝑤𝑞d𝑥 + 𝛿𝑤I 𝑄̄ I +𝛿𝑤J 𝑄̄ J −𝛿𝑤′I 𝑀̄ I −𝛿𝑤′J 𝑀̄ J ,

(6.20)

die wiederum Ausgangspunkt einer Diskretisierung ist. Entsprechend Abb. 6.12 werden nach der Vorzeichenkonvention der FEM an beiden Knoten alle Randbedingungen in positive Richtung angenommen, entsprechend ergeben sich die Vorzeichen der Knotenterme unter Beachtung von Gl. (6.19). In Gl. (6.20) treten Ableitungen zweiter Ordnung auf, im Gegensatz zu Gl. (4.12). Für die Ansatzfunktionen bedeutet dies, dass diese einmal stetig ableitbar sein müssen, um noch ein definiertes Integral berechnen zu können in Gl. (6.20). Die erste Ableitung einer solchen Funktion darf also maximal einen Knick aufweisen. Mathematisch spricht man von 𝐶 1 -Stetigkeit. Praktisch bedeutet dies, dass sowohl die Durchbiegung als auch die Verdrehung des Querschnitts stetig verlaufen müssen, und zwar im Element und auch über den gesamten Elementrand. Solche Ansätze sind schwieriger zu erhalten, da die Differenzierbarkeitsanforderungen höher sind und lineare Ansätze nicht mehr ausreichen. Details finden sich bei Knothe und Wessels [11, Kap. 3.4]. Aus dem oben genannten Grund hat das Feldproblem vier Randbedingungen zu erfüllen (s. Abb. 6.12). Deswegen ist ein kubischer Lösungsansatz mit vier Koeffizienten im natürlichen Koordinatensystem 𝜉 ∈ [−1, 1] nach Abb. 6.9 notwendig: ̃ = 𝑎 0 + 𝑎1 𝜉 + 𝑎 2 𝜉 2 + 𝑎3 𝜉 3 . 𝑤(𝜉) Die Polynomkoeffizienten werden über das Einsetzen von Stützstellen an den Knoten des Elements berechnet. Bei Balkenelementen ist zu beachten, dass neben der Verschiebung 𝑤 auch die Verdrehung 𝜃 eine Feldgröße ist. Im Spezialfall des schubstarren Balkens ist diese mit der Ableitung der Verschiebung verknüpft, s. Gl. (6.19). Der Knotenverschiebungsvektor beim schubstarren Balken ist damit ⎡ 𝑤′I ⎤ ⎢𝑤 ⎥ 𝒖𝑒 = ⎢ I ⎥ . 𝑤 ⎢ J′ ⎥ ⎣𝑤J ⎦ Die vier Bedingungen an den zwei Knoten lauten dann:

6.3 Eindimensionale Elemente

97

̃ = −1) = 𝑤I , 𝑤̃ ′ (𝜉 = −1) = 𝑤′I , 𝑤(𝜉 ̃ = +1) = 𝑤J , 𝑤̃ ′ (𝜉 = +1) = 𝑤′J . 𝑤(𝜉 Die Größen 𝑤′I und 𝑤′J geben die Verdrehungen an den Knoten wieder durch die Ableitung nach der globalen Koordinate 𝑥. Der Ansatz ist aber in der natürlichen Koordinate 𝜉 angegeben. Deswegen ist die Kettenregel anzuwenden: 𝑤̃ ′ =

̃ ̃ d𝑤(𝜉) d𝑤(𝜉) d𝜉 = d𝑥 d𝜉 d𝑥

̃ d𝑤(𝜉) d𝑤̃ d𝑥 = . d𝜉 d𝑥 d𝜉



Es wird analog zu Kap. 6.3.1 eine Beziehung zwischen den natürlichen und globalen Koordinaten benötigt für d𝑥/d𝜉. Die Geometrie soll auch hier linear approximiert werden, sodass dieselbe Herleitung wie beim linearen Stabelement gilt. Mit dem Ergebnis aus Gl. (6.13) folgt d𝑥/d𝜉 = ℓ/2. Der Ansatz mit Formfunktionen und Knotengrößen lässt sich damit formal ausdrücken als

ℓ ̃ = 𝑵(𝜉) 𝒖𝑒 = 𝑁I 𝑁I′ 𝑤(𝜉) [ 2

⎡ 𝑤I ⎤ ⎡ 𝑤′I ⎤ ⎢ d𝑤(𝜉) ⎥ ⎢ 𝑤I ⎥ ℓ d𝜉 |I ⎥ 𝑁J 𝑁J′ ⎢ ⎥ = [𝑁I 𝑁I′ 𝑁J 𝑁J′ ] ⎢ . (6.21) 𝑤 𝑤 ] 2 ⎢ J ⎥ ⎢ J′ ⎥ ⎢ d𝑤(𝜉) ⎥ ⎣𝑤J ⎦ ⎣ d𝜉 |J ⎦

Die Bestimmung dieser Formfunktionen ist Gegenstand der Aufgabe 6.1b. Eine detaillierte Lösung findet sich im Anhang 6.1. Als Ergebnis folgen für die Formfunktionen des schubstarren Balkens in natürlichen Koordinaten die kubischen Hermite-Polynome: 𝑁I = 41 (2 − 3𝜉 + 𝜉 3 ) , 𝑁I′ = 41 (1 − 𝜉 − 𝜉 2 + 𝜉 3 ) , 𝑁J = 14 (2 + 3𝜉 − 𝜉 3 ) , 𝑁J′ = 14 (−1 − 𝜉 + 𝜉 2 + 𝜉 3 ) .

(6.22)

Die Funktionen sind in Abb. 6.14 dargestellt. Man beachte, dass die Formfunktionen 𝑁I′ und 𝑁J′ an beiden Knoten den Wert null aufweisen. Die Regel, dass am zugeordneten Knoten die Funktion eins sein muss, gilt hier für die Ableitungen dieser Funktionen, da sie zu den Verdrehungen gehören. Einsetzen von Gl. (6.21) in das Energieprinzip Gl. (6.20) ergibt: Abb. 6.14 Hermite), 𝑁I′ Polynome 𝑁I ( ), 𝑁J ( ), 𝑁J′ ( ), als Ansatzfunktio( nen des schubstarren Balkens

2

1/6

1

҃2

1

2



98

6 Finite-Elemente-Klassen

̄ ⎡ 𝑄I ⎤ T T T ⎢ −𝑀̄ ⎥ 𝛿𝒖𝑒 𝑵 ″T 𝐸𝐼 𝑵 ″ d𝑥 𝒖𝑒 = 𝛿𝒖𝑒 𝑵 T𝑞 d𝑥 + 𝛿𝒖𝑒 ⎢ ̄ I ⎥ . 𝑄 ∫ ∫ 0 0 ⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟ ⎢ J̄ ⎥ −𝑀J ⎦ ⎣ 𝑒 ℓ



𝑲

Beliebigkeit der virtuellen Verrückungen ergibt, mit dem Vektor 𝒇 𝑒 der äquivalenten Knotenlasten, die diskretisierte Steifigkeitsgleichung eines schubstarren Balkenelements 𝑲 𝑒 𝒖𝑒 = 𝒇 𝑒 . Die Steifigkeitsmatrix kann für konstante Biegesteifigkeit 𝐸𝐼 berechnet werden zu ⎡ 12 d𝑥 𝐸𝐼 ⎢ 6ℓ 𝑲 𝑒 = 𝑵 ″T 𝐸𝐼 𝑵 ″ d𝑥 = 𝑵 ″T 𝐸𝐼 𝑵 ″ d𝜉 = 3 ⎢ ∫ ∫ d𝜉 ℓ ⎢−12 0 −1 ⎣ 6ℓ ℓ

1

6ℓ 4ℓ2 −6ℓ 2ℓ2

−12 6ℓ ⎤ −6ℓ 2ℓ2 ⎥ . (6.23) 12 −6ℓ⎥ ⎥ −6ℓ 4ℓ2 ⎦

Eine weitere Besonderheit des schubstarren Balkens ist, dass in der Matrix 𝑵 ″ = 𝑩 die zweifache Ableitung der Formfunktionen nach den globalen Koordinaten auftritt. Da die Formfunktionen im natürlichen Koordinatensystem definiert sind, ist die Kettenregel an2

d zuwenden. Der zugehörige Differenzialoperator lautet2 : 𝑫𝜀 = ℓ42 d𝜉 2. Als Beispiel wird die Berechnung des Elements 𝐾12 angegeben:

𝑒 𝐾12

1

= 𝐸𝐼

∫ −1

ℓ 𝑁I″ 𝑁I″′ d𝜉 2

2 ℓ 2 𝐸𝐼ℓ 1 4 d 𝑁I 4 d ( 2 𝑁I′ ) = ⋅ 2 d𝜉 2 2 2 ∫ ℓ d𝜉 2 −1 ℓ d𝜉 1

=

𝜉2 𝜉3 8𝐸𝐼 1 3 ℓ 1 3 6𝐸𝐼 𝐸𝐼 𝜉 ⋅ (− + 𝜉)d𝜉 = − + = 3 6ℓ . 3 2 [ ] ∫ 2 2 2 4 2 −1 ℓ ℓ ℓ −1 2

Die Eigenschaften eines schubstarren Balkenelements sind in Tab. 6.3 zusammengefasst: Tabelle 6.3 Eigenschaften eines linearen schubstarren Balkenelements, s. auch Gross, Hauger und Wriggers [7, Kap. 7.6.4] 𝑛𝑒

nat. FHG pro Knoten

𝑫𝜀

2

𝑤, 𝜃 = −𝑤′

4 d2 ℓ2 d𝜉 2

Dim(𝑲 𝑒 )

Matrix 𝑩 1 [6𝜉 ℓ(3𝜉 − 1) ℓ2

− 6𝜉

ℓ(3𝜉 + 1)]

4×4

2

Die zweite Ableitung einer verketteten Funktion ist nach der Formel von Faá di Bruno zu bestimmen und lautet allgemein für eine Funktion 𝑓, die von einer Funktion 𝑔 abhängt, die wiederum von 𝑡 abhängig sein soll:

d2 𝑓 (𝑔(𝑡)) d𝑡2

=

d2 𝑓 d𝑔 2

2

d𝑔 ( d𝑡 ) +

d𝑓 d2 𝑔 . d𝑔 d𝑡2

d2 𝜉 ist gleich d𝑥2 2 2 2 d𝑤 d𝜉 = ℓ42 dd𝜉𝑤2 . d𝜉 2 ( d𝑥 )

̃ In unserem Fall gilt 𝑤(𝜉(𝑥)). Der Term

lineare Transformation genutzt wird. Mit Gl. (6.13) folgt damit:

2

d𝑤 d𝑥2

=

null, da eine

6.3 Eindimensionale Elemente

99

6.3.3.2 Schubweiches lineares Balkenelement Das schubstarre Bernoulli-Element ist nur für sehr dünne Strukturen eine gute Näherung, da Scherungen nicht berücksichtigt werden. Sind die Einflüsse des Schubs zu beachten, müssen andere Finite Elemente eingesetzt werden, die diesen Effekt berücksichtigen. Darüber hinaus ist die Forderung nach 𝐶 1 -Stetigkeit der Ansatzfunktionen bei schubstarren Elementen nicht einfach zu erfüllen. In der Theorie von Timoshenko wird deswegen die Annahme, dass Querschnitte senkrecht bleiben, fallen gelassen (s. Merkel und Öchsner [12, Kap. 8.2]). Die Annahmen 1 – 3 auf Seite 94 und damit die Beziehungen in Gl. (6.18) gelten allerdings unverändert. Vor allem wird weiter davon ausgegangen, dass Querschnitte eben bleiben. Wie bereits dort erwähnt, kann dies nicht der Realität entsprechen, da daraus eine konstante Schubspannung über den Querschnitt folgt. Da auf der Ober- und Unterseite aber keine Belastung in Längsrichtung des Balkens auftreten soll, müssen die Schubspannungen 𝜎𝑧𝑥 längs der Oberfläche null sein. Die zugeordneten Schubspannungen 𝜎𝑥𝑧 folgen damit auf Ober- und Unterseite ebenfalls zu null. Um den Fehler, der durch die Annahme konstanter Schubspannung über den Querschnitt verursacht wird zu verringern, wird der Schubkorrekturfaktor 𝜅 als Verhältnis der Schubfläche 𝐴s zur tatsächlichen Querschnittsfläche eingeführt: 𝜅=

𝐴s . 𝐴

Die Schubfläche ist der fiktive Querschnitt, in dem die konstante Schubspannung 𝜎𝑥𝑧 wirkt, um die in dem Querschnitt wirkende Querkraft zu erhalten: 𝑄 = 𝜎𝑥𝑧 𝐴s , die eigentlich aus einem anderen Schubspannungsverlauf resultiert. Für die Bestimmung eines Schubkorrekturfaktors gibt es mehrere Vorgehensweisen in der Literatur, abhängig von den zu Grunde liegenden Annahmen, die getroffen werden. Eine Möglichkeit besteht darin, die maximal in einem Querschnitt auftretende Schubspannung auf die durchschnittliche Schubspannung zu beziehen, s. Gere und Timoshenko [5, Kap. 5.5 und 5.7]. Für einen rechteckigen Querschnitt ergibt sich damit 𝜅  = 2/3 und für einen runden 𝜅 ○ = 3/4. Von Cowper [4] wird der Faktor aus dem Differenzialgleichungssystem Gl. (3.15) abgeleitet und es ergibt sich, dass der Faktor von der Querkontraktionszahl abhängt. Die Faktoren, die in der Berechnungspraxis üblicherweise genutzt werden, basieren auf dem Postulat, dass die Schubverzerrungsenergien, die tatsächlich und unter der Annahme einer konstanten Schubspannung entstehen, gleich sein sollen. Für ein Rechteck folgt damit 𝜅  = 5/6 (s. Bathe [1, Kap. 5.4.1, S. 399] für eine Herleitung) und für einen runden Querschnitt 𝜅 ○ = 9/10, s. Gere und Timoshenko [5, Kap. 12.9, Tab. 12.4]. Die Herleitung ist Gegenstand von Aufgabe 6.8.

Die Querkraft 𝑄(𝑥) wird damit definiert zu 𝑄 = 𝜅𝐺𝐴(𝜃 + 𝑤′ ) = 𝐺𝐴s (𝜃 + 𝑤′ ) . Da die Querschnitte nach der Biegung nicht mehr senkrecht auf der Mittellinie stehen müssen, gilt nun 𝜃(𝑥)+𝑤′ (𝑥) ≠ 0 und 𝜃(𝑥) ist eine unabhängige Variable, s. Abb. 6.15. Im Bild rechts ist auch eine Interpretation der Verzerrungsanteile an einem infinitesimal kleinen Ausschnitt angegeben. Die blau gestrichelte Linie würde einer schubstarren Verformung entsprechen, die rein aus der Biegung resultiert. Im Rahmen der Timoshenko-Theorie kann

100

6 Finite-Elemente-Klassen

Abb. 6.15 TimoshenkoTheorie am Balken

4DIVCWFS[FSSVOH ঢ়

Eড়

1 ৞

E৛ = 1



৛)ড়* E৞ ৙

҃৛༧ 1

E৙ ౜

ౡӑ৛

৛༧





der Ausschnitt aber noch weiter deformiert werden, d. h. der ebene Querschnitt wird noch weiter verdreht, bleibt aber eben. Im Bild ist die Schubverzerrung 𝛾𝑥𝑧 eingetragen, die aus der Berücksichtigung konstanter Schubspannungen entsteht. Dabei ist das Vorzeichen des Beitrags 𝑤′ = d𝑤/d𝑥 zu beachten. Es sind also nun (konstante) Schubverzerrungen möglich, deshalb werden Elemente, die auf der Timoshenko-Theorie beruhen als schubweich bezeichnet. Der Verschiebungsvektor enthält nun zwei Unbekannte (die lokale Koordinate 𝜉 ist trotzdem eindimensional): 𝑤 𝒖= . [𝜃] Das Gleichungssystem des schubweichen Timoshenko-Balkens folgt direkt aus Gl. (6.18) mit Gl. (6.17) unter Annahme konstanter Biege- und Schubsteifigkeit: 𝑄′ + 𝑞 = 0 𝑀′ − 𝑄 = 0

⇒ ⇒

𝜅𝐺𝐴(𝜃 ′ + 𝑤″ ) + 𝑞 = 0 , 𝐸𝐼𝜃 ″ − 𝜅𝐺𝐴(𝜃 + 𝑤′ ) = 0 .

Von Bedeutung für die FEM ist, dass anstatt einer Differenzialgleichung 4. Ordnung nun ein Differenzialgleichungssystem 2. Ordnung vorliegt. Einsetzen des Spannungs- und Dehnungszustands des Balkens in das 3-D-Prinzip der virtuellen Verschiebung in Gl. (4.12) führt auf ein Prinzip der virtuellen Verschiebungen für den Timoshenko-Balken, das nur noch Ableitungen 1. Ordnung enthält: ℓ

ℓ 𝜎 𝛿𝜀𝑥𝑥 𝛿𝛾𝑥𝑧 ] 𝑥𝑥 d𝐴d𝑥 = 𝛿𝜃 ′ 𝐸𝜃 ′ 𝑧2 d𝐴 + 𝛿(𝜃 + 𝑤′ )𝜅𝐺(𝜃 + 𝑤′ ) d𝐴 d𝑥 [ [𝜎𝑥𝑧 ] ∫ ∫ ∫ ∫ 0∫ 𝐴 0 ( 𝐴 𝐴 )

⎡ 𝛿𝑤I ⎤ ⎢ 𝛿𝜃 ⎥ + 𝑤′ ) d𝑥 = 𝛿 (𝜃 + 𝑤′ ) 𝜅𝐺𝐴(𝜃 𝛿𝑤𝑞 d𝑥 + ⎢ I ⎥ = 𝛿𝜃 ′ 𝐸𝐼𝜃 ⏟′ d𝑥 + ⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟ ⏟⏟⏟ ∫ ∫ ∫ 0 0 0 ⎢𝛿𝑤J ⎥ 𝑀(𝑥) ⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟ 𝛾𝑧𝑥 𝑄(𝑥) ⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟ ⎣ 𝛿𝜃J ⎦ ℓ



i 𝑊𝛿,Bieg



i 𝑊𝛿,Schub

T

̄ ⎡ 𝑄I ⎤ ⎢ 𝑀̄ I ⎥ ⎢ 𝑄̄ ⎥ . ⎢ J⎥ ⎣𝑀̄ J ⎦

6.4 Zweidimensionale Elemente

101

Damit sind für ein Timoshenko-Balkenelement 𝐶 0 -stetige Ansatzfunktionen möglich, wie beim Stabelement. Weiterhin sieht man, dass sich die Formänderungsarbeit nun aus zwei i i Teilen zusammensetzt. Der Teil 𝑊𝛿,Bieg resultiert aus der Biegung und der Teil 𝑊𝛿,Schub aus der Schubbelastung. Die Elementsteifigkeitsmatrix setzt sich aus Termen dieser zwei Integrale zusammen. Zusammenfassend haben schubweiche Formulierungen den Vorteil, dass herkömmliche Ansatzfunktionen genutzt werden können und wegen der Berücksichtigung von konstanten Schubverzerrungen für dickere Strukturen sinnvollere Ergebnisse liefern als schubstarre Elemente. Aus diesem Grund sind schubweiche Elemente die Standardform in kommerziellen Programmen. Dies gilt auch für die weiter hinten eingeführten Schalenelemente. Einschränkend muss gesagt werden, dass schubweiche Elemente den Effekt des Locking zeigen, der in Kap. 7.3 eine Rolle spielt, da sich daran der Effekt des Querschublocking demonstrieren lässt.

6.4 Zweidimensionale Elemente Ist bei einem 3-D-Körper eine Dimension deutlich kleiner als die beiden anderen, kann man dies wie bei 1-D-Elementen ausnutzen, indem man nur eine 2-D-Fläche betrachtet, um eine volle 3-D-Diskretisierung zu vermeiden, s. Abb. 6.16. Die prinzipielle Annahme ist, dass sich der Spannungs-Verzerrungszustand auf einen ebenen Zustand zurückführen lässt. Hierzu zählen (s. Kap. 3.7): • ebener Spannungszustand, • ebener Verzerrungszustand, • axialsymmetrischer Zustand. Die Komponenten der Verzerrungen und Spannungen der dritten Raumrichtung werden über mechanische Annahmen bestimmt, so wie zuvor bei den 1-D-Elementen. Abb. 6.16 Dimensionsreduktion eines 3-D-Volumens auf ein 2-D-Element

3FGFSFO[ः¤DIF ৞

৘ ঢ় ড়

102

6 Finite-Elemente-Klassen ౠ

Abb. 6.17 Viereckiges Scheibenelement mit vier Knoten in natürlichen Koordinaten



G



E

 ౧

৙ౠ A



C

৙౧

6.4.1 Scheibenelement Die Scheibe entspricht dem Verhalten des Stabs in 2-D und nimmt nur Belastungen und Verschiebungen in der Scheibenebene auf, s. Abb. 6.17.

6.4.1.1 Bilineares viereckiges Scheibenelement Ein viereckiges Scheibenelement nach Abb. 6.17 besitzt im lokalen Koordinatensystem 𝜉, 𝜂 die vier Knoten I, J, K und L, die im mathematisch positiven Sinn durchnummeriert sind. An jedem Knoten sind zwei Verschiebungen 𝑢𝜉 , 𝑢𝜂 in die Richtungen der natürlichen Koordinaten möglich. Entsprechend sind auch Normalkräfte in der Ebene möglich, aber keine Querkräfte und Biegemomente. Es stellt sich die Frage nach geeigneten Ansatzfunktionen für die zu approximierenden Verschiebungen 𝑢𝜉 , 𝑢𝜂 . Da jeder Knoten genau zwei Freiheitsgrade besitzt, gibt es bei vier Knoten insgesamt acht Freiheitsgrade auf Elementebene. Für jede der Verschiebungskomponenten benötigt der einfachst mögliche Polynomansatz deshalb vier Terme. Ein vollständiger linearer Ansatz besitzt nur drei Terme (1, 𝜉, 𝜂 ) und ein vollständiger quadratischer Ansatz würde bereits sechs Terme aufweisen (1, 𝜉, 𝜂, 𝜉𝜂, 𝜉 2 , 𝜂 2 ), s. auch Kap. 6.4.1.2. Um genau auf die erforderlichen vier Koeffizienten zu kommen, werden deswegen sogenannte bilineare Ansätze eingesetzt, die den vollständigen linearen Ansatz mit dem gemischten Zusatzterm 𝜉𝜂 enthalten. Diese Ansatzfunktionen kann man durch Multiplikation der eindimensionalen Formfunktionen aus Gl. (6.9) für die beiden Koordinatenrichtungen 𝜉 und 𝜂 definieren, wie die folgende Gleichung zeigt: 𝒖̃𝑒 (𝜉, 𝜂) =

(𝑎0𝜉 + 𝑎1𝜉 𝜉)(𝑎0𝜂 + 𝑎1𝜂 𝜂) 𝑢𝑒𝜉̃ (𝜉, 𝜂) = = 𝒂0 + 𝒂1 𝜉 + 𝒂2 𝜂 + 𝒂3 𝜉𝜂 . 𝑒 [𝑢𝜂̃ (𝜉, 𝜂)] [ (𝑏0𝜉 + 𝑏1𝜉 𝜉)(𝑏0𝜂 + 𝑏1𝜂 𝜂) ]

Es ist zu beachten, dass die Koeffizienten nun Vektoren sind, da auch das Verschiebungsfeld nun vektoriell ist. Anpassen der Koeffizienten an die Verschiebungen der vier Knoten liefert die Formfunktionen

6.4 Zweidimensionale Elemente

103

𝑁I = 41 (1 − 𝜉)(1 − 𝜂)

𝑁J = 41 (1 + 𝜉)(1 − 𝜂)

𝑁K = 14 (1 + 𝜉)(1 + 𝜂)

𝑁L = 41 (1 − 𝜉)(1 + 𝜂)

(6.24)

des Näherungsansatzes 𝒖̃𝑒 = 𝑵𝒖𝑒 . Der Knotenverschiebungsvektor 𝒖𝑒 hat die Dimension Dim(𝒖𝑒 ) = [4 ⋅ 2 × 1] . Man erkennt, dass die Formfunktionen durch Produkte der eindimensionalen Formfunktionen aus Gl. (6.10) für jede Kombinationsmöglichkeit der Koordinaten 𝜉, 𝜂 gebildet werden. Die verwendeten Interpolationsfunktionen gehören zur Gruppe der LagrangePolynome. Elemente, deren Formfunktionen durch Produktbildung dieser Polynome entstehen, werden als Lagrange-Elemente bezeichnet, s. Hughes [9, Kap. 3.6, S. 127]. Die Formfunktionen hängen nun von zwei Variablen ab, erfüllen aber nach wie vor die Anforderung, dass sie an einem Knoten eins sind und an den anderen Knoten zu null werden. Deswegen sind die in Abb. 6.18 dargestellten Ansatzfunktionen keine Ebenen, sondern gekrümmte Flächen, die nur am Rand von Geradenstücken begrenzt sind. Dies ist besonders wichtig, da am Rand der Elemente Verschiebungskompatibilität zum anderen Element herrschen muss, und zwar nicht nur an den Knoten, sondern entlang des ganzen Rands, s. Kap. 7.1.1. Da die Ansatzfunktionen lineare Polynome entlang der Kanten sind, ist dies gewährleistet. Die Formfunktionen von Lagrange-Elementen bilden weiterhin an jedem Punkt im Elementintervall eine Zerlegung der Eins (partition of unity). Dies bedeutet, dass für jeden

2 হE

হG

2 1/6 1

1

2

2 1



҃2҃2

1

2

1



2

1 ౧

হC

2

1/6

1/6

1

1

2

2 1



҃2҃2



2 হA

1/6

҃2҃2

2

1 ౧

1 ౠ

҃2҃2

2

1 ౧

Abb. 6.18 Formfunktionen des bilinearen Scheibenelements aus Abb. 6.17. Die Anordnung der Funktionen im Bild entspricht der Position des jeweiligen Knotens in Abb. 6.17

104

6 Finite-Elemente-Klassen

Tabelle 6.4 Eigenschaften von bilinearen Scheibenelementen 𝑛𝑒

4

nat. FHG pro Knoten

𝑢𝜉 , 𝑢 𝜂

𝑫𝜀 ⎡ 𝜕 ⎢ 𝜕𝑥 ⎢ ⎢ 0 ⎢ ⎢ 𝜕 ⎣ 𝜕𝑦

0 ⎤ ⎥ 𝜕 ⎥ 𝜕𝑦 ⎥⎥ 𝜕 ⎥ 𝜕𝑥 ⎦

Punkt (𝜉, 𝜂) gilt:

Dim(𝑲 𝑒 )

Matrix 𝑩 ⎡ 𝜕𝑁I ⎢ 𝜕𝑥 ⎢ ⎢ 0 ⎢ ⎢ 𝜕𝑁I ⎣ 𝜕𝑦

0

𝜕𝑁J 𝜕𝑥

0

𝜕𝑁K 𝜕𝑥

0

𝜕𝑁L 𝜕𝑥

0 ⎤ ⎥ 𝜕𝑁L ⎥ 8×8 𝜕𝑦 ⎥⎥ 𝜕𝑁L ⎥ 𝜕𝑥 ⎦

𝜕𝑁J 𝜕𝑁K 𝜕𝑁I 0 0 0 𝜕𝑦 𝜕𝑦 𝜕𝑦 𝜕𝑁I 𝜕𝑁J 𝜕𝑁J 𝜕𝑁K 𝜕𝑁K 𝜕𝑁L 𝜕𝑥 𝜕𝑦 𝜕𝑥 𝜕𝑦 𝜕𝑥 𝜕𝑦



∑ 𝑁𝑖 (𝜉, 𝜂) = 1 , 𝑖=I

das heißt an jedem Punkt im Intervall addieren sich alle Formfunktionen zum Zahlenwert Eins. Die Eigenschaften des bilinearen Viereckelements und die Matrix der Ableitungen der Formfunktionen sind in Tab. 6.4 angegeben.

Berechnung des Elementlastvektors Verteilte Randbedingungen wie Drücke oder Linienlasten an der Kante eines Elements können im Rahmen der Finite-Elemente-Methode nur an den Knoten aufgebracht werden. Am Beispiel des bilinearen Viereckelements soll die Berechnung dieser äquivalenten Knotenkräfte gezeigt werden. Dies geschieht so, dass die Arbeit, verrichtet von der Knotenkräften infolge der virtuellen Knotenverschiebungen, genauso groß ist, wie die Arbeit der Flächenlast mit einem kontinuierlichen virtuellen Verschiebungsfeld. Als Beispiel soll eine verteilte Linienlast an der rechten Kante eines Elements angenommen werden: 𝒕𝑒̄ (𝜉 = 1, 𝜂) = [𝑡(𝜂) 0]T , s. Abb. 6.19. Die belastete Seite entspricht dem Teilrand 𝐴𝑒t im diskretisierten Energieprinzip in Gl. (5.13). Der Knotenkraftvektor des Elements ist allgemein definiert als (s. Gl. (5.13)) Abb. 6.19 Äquivalente Knotenkräfte einer Linienlast

ౠ G



E

োE







A



C



োC

6.4 Zweidimensionale Elemente

105

𝒇𝐴𝑒 =

∫ 𝐴𝑒

𝑵𝐴T 𝒕𝑒̄ d𝐴 .

t

Die Formfunktionsmatrix 𝑵A umfasst die Formfunktionen der Knoten, die im Teilrand der Randbedingung liegen, in unserem Fall J und K. Die Formfunktionen, die zu Knoten gehören, die nicht auf diesem Teilrand liegen, spielen keine Rolle, da sie nach Gl. (5.2) dort null sind. Dies kann man durch Einsetzen von 𝜉 = 1 in Gl. (6.24) für I und L feststellen. Es verbleibt damit von der gesamten Formfunktionsmatrix: 𝑵𝐴 =

𝑁J (1, 𝜂) 0 𝑁K (1, 𝜂) 0 1 (1 − 𝜂) 0 (1 + 𝜂) 0 = . [ 0 𝑁J (1, 𝜂) 0 𝑁K (1, 𝜂)] 2 [ 0 (1 − 𝜂) 0 (1 + 𝜂)]

Man sieht, dass durch die Festlegung der Koordinate 𝜉 = 1 die bilinearen Formfunktionen für J und K auf die linearen zurückgeführt werden. Nimmt man weiterhin den praxisrelevanten Fall einer konstanten Linienlast 𝑡(𝜂) = 𝑡0 in 𝜉-Richtung an, folgt:

𝒇𝐴𝑒

⎡(1 − 𝜂) 0 ⎤ 𝑡0 ℓ 1 ⎡(1 − 𝜂)⎤ 𝑡0 ℓ ⎡1⎤ ℓ 1 1 ⎢ 0 (1 − 𝜂)⎥ ⎢0⎥ . ⎢ ⎥ 𝑡 0 d𝜂 = d𝜂 = = ⎢ 0 ⎥⎥[ 0 ] 2 2∫ 4 ∫ 2 ⎢1⎥ −1 ⎢(1 + 𝜂) −1 ⎢(1 + 𝜂)⎥ ⎣ ⎦ ⎣ ⎦ ⎣ 0 (1 + 𝜂)⎦

Für die Berechnung ist das Differenzial d𝐴 = det 𝐽 d𝜂 auf die natürlichen Koordinaten zu transformieren, s. Gl. (6.7). Die Beziehung für diesen Fall lautet d𝐴 = ℓ/2 d𝜂, s. Gl. (6.13), wobei ℓ die Elementkantenlänge ist. Auch hier wird die Kraft symmetrisch auf die Knoten verteilt, wie beim Stabbeispiel in Gl. (5.15). Die Summe ergibt wieder die Gesamtkraft der Linienlast 𝑡0 ℓ. 6.4.1.2 Viereckige Scheiben-Elemente mit biquadratischem Ansatz Die bisher besprochenen Ansatzfunktionen lassen sich über das Pascal’sche Dreieck (s. Hughes [9, Kap. 3.7, Abb. 3.7.8]) verallgemeinern, s. Abb. 6.20. In einer Zeile ist die Summe der Exponenten der Monome gleich. Damit lässt sich ein vollständiges Polynom vom Grad 𝑝 definieren, das alle Monome der Zeile 𝑝 + 1 und oberhalb davon enthält. Die blau eingefärbten Terme in Abb. 6.20 sind die Monome, die für die bilinearen Ansatzfunktionen des Elements in Kap. 6.4.1.1 notwendig sind. Sie enthalten das vollständige Polynom bis zur ersten Ordnung 𝑝 = 1 und darüber hinaus noch der gemischte Term 𝜉𝜂. Nimmt man die rot und braun eingefärbten hinzu, dann entstehen biquadratische Ansatzfunktionen Abb. 6.20 Schema zum Aufbau von Polynomansätzen in zwei Variablen: Pascal’sches Dreieck bis zum Polynomgrad 𝑝=4

𝜉0𝜂0 = 1 𝜉1𝜂0 2 0

𝜉 𝜂 𝜉3𝜂0 4 0

𝜉 𝜂

𝜉0𝜂1 1 1

𝜉2𝜂1 3 1

𝜉 𝜂

𝜉0𝜂2

𝜉 𝜂

𝜉1𝜂2 2 2

𝜉 𝜂

𝜉0𝜂3 1 3

𝜉 𝜂

𝜉0𝜂4

106

6 Finite-Elemente-Klassen



Abb. 6.21 Viereckiges Scheibenelement mit neun Knoten für biquadratische Ansatzfunktionen

 P

G



E

 S

Z

L

A

 J

C



৙ౠ

৙౧

𝒖̃𝑒 (𝜉, 𝜂) = 𝒂0 1 + 𝒂1 𝜉 + 𝒂2 𝜂 + 𝒂3 𝜉𝜂 + 𝒂4 𝜉 2 + 𝒂5 𝜂 2 + 𝒂6 𝜉 2 𝜂 + 𝒂7 𝜉𝜂 2 + 𝒂8 𝜉 2 𝜂 2 , (6.25) die drei Terme mehr als ein vollständiges quadratisches Polynom enthalten, s. Abb. 6.20. Insgesamt ergeben sich neun Koeffizienten für jede Raumrichtung und damit auch neun notwendige Knoten, s. Abb. 6.21. Die Ansatzfunktionen können wie beim bilinearen Element durch Multiplikation der quadratischen eindimensionalen Formfunktionen für 𝜉 und 𝜂 ermittelt werden: 𝑁I,J,K,L = 41 (𝜉 2 + 𝜉𝑖 𝜉)(𝜂 2 + 𝜂𝑖 𝜂) , 𝑁M,O =

1 (1 − 𝜉 2 )(𝜂 2 2

+ 𝜂𝑖 𝜂) ,

𝑁Q =

(1 − 𝜉 2 )(1 − 𝜂 2 ) ,

𝑁N,P = 21 (1 − 𝜂 2 )(𝜉 2 + 𝜉𝑖 𝜉) .

(6.26)

Zur verkürzten Schreibweise werden die Koeffizienten 𝜉𝑖 , 𝜂𝑖 eingeführt, die die jeweiligen Koordinaten des gerade betrachteten lokalen Knotens 𝑖 = I, … , Q sind. Die Formfunktionen sind in Abb. 6.22 dargestellt. Knoten mit Index I, J, K, L korrespondieren zu Eckknoten, die mit M, N, O, P zu Knoten auf den Kanten und Q zum Knoten im Zentrum. Der Verlauf der Formfunktionen am Rand ist nun ein quadratisches Polynom. Dies ist bei der Kopplung von Elementen zu beachten, um die Verschiebungskompatibilität nicht zu verletzen.

Serendipity-Elementtyp Eine Besonderheit stellt die Formfunktion 𝑁Q des Knotens im Ursprung dar. In Abb. 6.22 ist zu erkennen, dass die Formfunktion an allen Rändern den Wert null annimmt. Lässt man den mittleren Knoten weg, fällt der biquadratische Term 𝜉 2 𝜂 2 aus Gl. (6.25) heraus. Berechnet man für ein solches Element aus acht Knoten in Abb. 6.23 die Ansatzfunktionen, folgt: 𝑁I,J,K,L = 14 (1 + 𝜉𝑖 𝜉)(1 + 𝜂𝑖 𝜂)(𝜉𝑖 𝜉 + 𝜂𝑖 𝜂 − 1) , 𝑁M,O

= 12 (1 − 𝜉 2 )(1 + 𝜂𝑖 𝜂) ,

𝑁N,P = 21 (1 + 𝜉𝑖 𝜉)(1 − 𝜂 2 ) ,

(6.27)

wobei die Koeffizienten 𝜉𝑖 , 𝜂𝑖 wieder jeweils die Koordinaten des gerade betrachteten lokalen Knotens sind. Die Funktionsverläufe sind in Abb. 6.24 dargestellt. Auf den Rändern

6.4 Zweidimensionale Elemente

107

হG

হP 2

2 2

2 ҃2 2

2

2

2 ҃2 2

҃2

҃2

হZ

হS

হL

2

2 2

2

2

2 ҃2 2

҃2

2

2

2 ҃22

҃2

হA 2

2

2 ҃2

҃2 হC

হJ

2

҃2

2

2 ҃2 2

҃2

҃2

হE

2

2

2

2 ҃2 2

2 ҃22

҃2

҃2

Abb. 6.22 Formfunktionen des Lagrange-Elements mit biquadratischem Ansatz aus Abb. 6.21. Die Anordnung der Funktionen im Bild entspricht der Position des jeweiligen Knotens in Abb. 6.21

des Elements sind die Funktionsverläufe quadratisch, damit ist die Verschiebungskompatibilität gewährleistet, s. Hughes [9, Kap. 3.7, S. 133 ff.], allerdings spart man sich den Knoten in der Mitte. Die Ansatzfunktionen der Seitenmittelknoten M und O in die 𝜂Richtung sind nun lineare Funktionen, anders als beim Lagrange-Element in Gl. (6.26), bzw. Abb. 6.22 (dies gilt analog für N und P). Die Ansatzfunktionen in Gl. (6.27) wurden durch Erweiterung der bilinearen Elemente um zusätzliche Knoten auf den Kanten entwickelt, s. Zienkiewicz, Taylor und Zhu [17, Kap. 6.2.2.4, S. 158 ff.]. Die Zulässigkeit der Elemente (s. Kap. 7.1.1) basiert auf Erfahౠ

Abb. 6.23 Quadratisches Serendipity-ScheibenElement

 P

G



E

 S

L

৙𝑢ౠ  J

A ৙౧

C



108

6 Finite-Elemente-Klassen হP

হG 2







2



2

2 ҃2 2

হE

2



2

2 ҃22

҃2

2



2 2 ҃2

҃2

҃2

হS

হL 2

2 ౠ





2

2

2 ҃2

হC

2 ౧

2

2 ҃2

҃2

হJ

2

҃2

2 ҃22

҃2 হA









2

2 ҃2 2

҃2

2





2

2 ҃2 2

҃2

Abb. 6.24 Formfunktionen des Serendipity-Elements mit biquadratischem Ansatz aus Abb. 6.23. Die Anordnung der Funktionen im Bild entspricht der Position des jeweiligen Knotens in Abb. 6.23

rung und nicht auf einem mathematischen Beweis. Aus diesem Grund werden solche Elemente als Serendipity-Elemente (serendipity = glücklicher Zufall) bezeichnet. Sie sind aufgrund der höheren Recheneffizienz, v. a. im Dreidimensionalen die Standardtypen in kommerziellen Programmen.

6.4.1.3 Dreieckiges Scheibenelement Neben viereckigen Elementen spielen auch Dreiecke eine große Rolle, da bei der Vernetzung Bereiche entstehen, die nicht mit Viereckelementen gefüllt werden können. Eine Methode, die vor allem programmiertechnische Vorteile bei der Herleitung eines dreieckigen Scheibenelements bietet, geht von einem Viereckelement aus3 . Es werden die Knoten K und L auf denselben geometrischen Ort gelegt, s. Abb. 6.25 (Hughes [9, Kap. 3.4, S. 120]), wodurch ein Dreieck entsteht. Man spricht dann von kollabierten oder degenerierten Elementen. Diese Vorgehensweise ist einfach umzusetzen, da in der Inzidenztabelle eines existierenden vierknotigen Elements der letzte Knoten auf den vorletzten gesetzt wird und damit ein degeneriertes 3

Dreieckelemente können auch über Dreieckskoordinaten dargestellt werden und damit direkt über globale Knotenkoordinaten angegeben werden, s. Klein [10, Kap. 7.2.2, S. 100 ff.] oder Knothe und Wessels [11, Kap. 7.5, S. 240 ff.].

6.4 Zweidimensionale Elemente

109



Abb. 6.25 Degeneriertes dreieckiges Scheibenelement. Auf den schwarzen Knoten werden lineare, auf den blauen quadratische Ansatzfunktionen in natürlichen Koordinaten definiert

E ౠ 

G





A







C





Dreieckelement definiert werden kann. Diese Vorgehensweise wird häufig in kommerziellen Programmen angewandt, auch bei 3-D-Elementen. Die Formfunktion des kollabierten Knotens K△ erhält man, indem man im Verschiebungsansatz des Viereckelements in Gl. (5.1) die Knotenverschiebungen 𝒖 und 𝒖 K L gleichsetzt: 𝒖̃𝑒 = 𝑵𝒖𝑒 = 𝑵I 𝒖I + 𝑵J 𝒖J + 𝑵K 𝒖K + 𝑵L 𝒖K . Als Formfunktionen folgen dann: 𝑁I =

1 (1−𝜉)(1−𝜂) , 4

𝑁J =

1 (1+𝜉)(1−𝜂) , 4

𝑁K△ = 𝑁K +𝑁L =

1 (1+𝜂) . (6.28) 2

Die Formfunktionen des linearen Dreieckelements werden über drei Knoten aufgespannt und bilden damit immer eine Ebene. In Gl. (6.28) sind bei 𝑁I und 𝑁J noch die bilinearen Terme enthalten und es ist nicht sofort ersichtlich, dass es sich um reine Ebenen handelt. Um dies zu zeigen, müssen die Formfunktionen in globalen Koordinaten 𝑥, 𝑦 angegeben werden, da das natürliche Koordinatensystem durch das Zusammenlegen der Knoten verzerrt wird, s. auch Abb. 6.25. Dazu wird der Verschiebungsansatz genutzt. Dies soll im Folgenden als Beispiel für die Konfiguration des Dreiecks in Abb. 6.25 gezeigt werden: 𝑎 0 𝑎 𝑥 𝑥 𝑥 𝑥 . + 𝑁J + 𝑁K△ = 𝑁I I + 𝑁J J + 𝑁K△ K = 𝑁I [𝑏] [0] [0] [ 𝑦K ] [ 𝑦J ] [𝑦] [ 𝑦I ] Aus der unteren Zeile folgt

𝑦 𝜂 =2 −1. 𝑏 Für 𝜉 folgt damit aus der oberen Gleichung 𝜉=

2 𝑥𝑎 −

𝑦 𝑏

1−

−1 𝑦 𝑏

.

Einsetzen in die Formfunktionen ergibt für die Konfiguration des Dreiecks in Abb. 6.25 𝑁I = 1 −

𝑥 , 𝑎

𝑁J =

𝑥 𝑦 − , 𝑎 𝑏

𝑁K△ =

𝑦 . 𝑏

Die Formfunktionen in globalen Koordinaten 𝑥, 𝑦 sind in Abb. 6.26 dargestellt. Man erkennt in dieser Darstellung gut, dass es sich um Ebenengleichungen handelt.

110

2

6 Finite-Elemente-Klassen



হA

2

2 ঢ় ড় 2

2

2

হC

হE ঢ় 2

ড় ড়

2 2

Abb. 6.26 Lineare Formfunktionen des Dreieckelements aus Abb. 6.25 in globalen Koordinaten

Damit ist auch das Gesamtverschiebungsfeld des Dreieckelements immer eine Ebene, anders als beim Viereckelement in Abb. 6.18. Da die Verzerrungen und Spannungen über die Ableitung aus dem Verschiebungsfeld berechnet werden, kann das lineare Dreieckelement nur einen konstanten Verzerrungs- und Spannungszustand in jedem Punkt abbilden. Deswegen wird es in englischsprachiger Literatur und Handbüchern oft als ConstantStrain/Stress-Triangle (CST)-Element bezeichnet. Das numerische Verhalten dieses Elementtyps ist entsprechend schlechter als das des bilinearen Viereckelements. Deswegen sollte er, soweit es geht, vermieden werden und nur dort genutzt werden, wo es durch die Vernetzung nicht anders geht.

6.4.2 Schalenelemente Das Schalenelement ist das allgemeinste 2-D-Element. Es nimmt Belastungen in Ebenenund in Querrichtung auf, d. h. es treten Membran-, Schub- und Biegeeffekte auf. Von einem Schalenelement spricht man insbesondere dann, wenn es gekrümmt im Raum liegt. Anwendungen sind überall, wo man dünnwandige Strukturen betrachtet (z. B. Fahrzeugbau, Luft- und Raumfahrttechnik, Bauingenieurwesen, Apparatebau etc.). Schalenelemente haben wegen ihrer Effizienz im Vergleich zu Volumenelementen (s. Kap. 6.5) hohe Bedeutung in der Berechnungspraxis. Wie in Kap. 6.3 erläutert, sind Schalen Strukturelemente. Bei Strukturelementen sind neben Verschiebungen noch Rotationsfreiheitsgrade zu berücksichtigen. Dies liegt an der Dimensionsreduktion, die über kinematische Annahmen vorgenommen wird. Dadurch kann der Spannungszustand über integrale Spannungsresultierende (Normal-, Querkräfte und Momente) sowie Dehn- und Biegesteifigkeiten beschrieben werden. An dieser Stelle ist besonders wichtig hervorzuheben, dass bei Strukturelementen die Anzahl Freiheitsgrade am Knoten 𝑛FHG von der räumlichen Dimension 𝐷 zu unterscheiden ist. Bei Kontinuumselementen fallen die beiden Größen zusammen, d. h. die räumliche Dimension des Elements ist gleich der Anzahl Verschiebungsfreiheitsgrade am Knoten. Handelt es sich um eine nicht-gekrümmte Struktur und die Belastung erfolgt ausschließlich durch Querkräfte und Biegemomente, spricht man von Plattenelementen. Dieser Elementtyp entspricht dem Verhalten des Balkens im 2-D. Schalenelemente stellen insofern eine Kombination von Scheiben- und Plattenelement dar. Plattenelemente werden deswegen hier nicht gesondert betrachtet.

6.4 Zweidimensionale Elemente

111

Abb. 6.27 Kinematische Beschreibung einer Schale

౟ ౠ ৼ ৞

ਐ ਐ3

𝑥 ড়

𝑦ঢ়



Die Literatur speziell im Bereich der Schalenelemente ist sehr umfangreich, es wird deswegen nur auf einige Quellen als Startpunkt verwiesen, ohne Anspruch auf Vollständigkeit: Belytschko u. a. [2] , Bischoff [3], Hughes [9], Wriggers [16]. Eine Darstellung von Schalenformulierungen übersteigt den Umfang dieses Buchs. Es werden nur die wichtigsten Begrifflichkeiten erläutert. In Abb. 6.27 ist die Beschreibung der Kinematik einer Schale in allgemeiner Form dargestellt. Der zunächst dreidimensionale Schalenkörper wird über eine Referenzfläche modelliert, üblicherweise wird dafür die Mittelebene zwischen den Deckflächen genutzt. Der Ortsvektor zu einem Punkt der Referenzfläche wird mit 𝒙R bezeichnet. Um einen beliebigen Punkt im (nicht geometrisch abgebildeten) Volumen der Schale angeben zu können, wird ausgehend vom Punkt auf der Referenzfläche ein Direktorvektor 𝒅 eingeführt, sodass für einen beliebigen Punkt gilt: 𝒙(𝜉, 𝜂, 𝜁) = 𝒙R (𝜉, 𝜂) + 𝒅(𝜉, 𝜂, 𝜁 ) . Der Ortsvektor 𝒙R hängt nur von den Flächenkoordinaten der Referenzfläche ab, wogegen der Direktor zunächst von allen lokalen Koordinaten abhängt. Die verschiedenen Schalenformulierungen unterscheiden sich im Wesentlichen durch die Definition des Direktorvektors. Im Folgenden werden die drei in kommerziellen Programmen am häufigsten umgesetzten Formulierungen erläutert. An dieser Stelle wird auf die beim Balkenelement in Kap. 6.3.3 hergeleiteten Sachverhalte zurückgegriffen. Wie dort gibt es zunächst schubstarre und schubweiche Formulierungen. Schubstarre Schalenformulierung: Bei dieser Formulierung werden die Annahmen der Bernoulli-Theorie in Kap. 6.3.3.1 auf 2-D erweitert: die Querschnitte bleiben eben und senkrecht. Weiterhin gilt Annahme 3 aus Kap. 6.3.3.1, dass sich die Dicke nicht verändert. Die zu Grunde liegende Theorie wurde von Kirchhoff und Love angegeben, sodass man analog auch von einer Kirchhoff-LoveFormulierung spricht. Damit kann man die Bewegungsmöglichkeiten des Direktorvektors festlegen. Er steht an jedem Punkt senkrecht auf der Schalenebene und hat unveränderliche Länge: ‖𝒅‖ = const., d. h. er ist undehnbar. Damit hat er keine Freiheitsgrade mehr und das Verschiebungsfeld der schubstarren Schale ist eindeutig definiert durch die Verschiebung der Referenzfläche: 𝒖 = 𝒖R + 𝜁 𝒏 , mit der Normalen 𝒏 auf der Referenzfläche (𝒅 = 𝜁 𝒏). In globalen Koordinaten hat der Verschiebungsvektor der Mittelfläche drei Komponenten. Da damit die gesamte Deformation des Schalenvolumens festgelegt ist, wird diese Formulierung im Zusammenhang mit höherwertigen Modellen als 3-Parameter-Formulierung bezeichnet.

112

6 Finite-Elemente-Klassen

Da eine Dickenabnahme ausgeschlossen wird, gilt zunächst 𝜀𝜁 𝜁 = 0. Gleichzeitig gilt bei unbelasteten Deckflächen, dass die Normalspannung 𝜎𝜁 𝜁 sowie die Schubspannungen 𝜎𝜉𝜁 , 𝜎𝜂𝜁 null sein müssen. Dies definiert einen ebenen Spannungszustand. Die Verzerrungs- und Spannungsvektoren enthalten damit die Komponenten: ⎡𝜀𝜉𝜉 ⎤ ⎢𝜀𝜂𝜂 ⎥ ⎢0⎥ 𝜺=⎢ ⎥ ⎢ 𝛾𝜉𝜂 ⎥ ⎢0⎥ ⎢ ⎥ ⎣0⎦

⎡𝜎𝜉𝜉 ⎤ ⎢𝜎𝜂𝜂 ⎥ ⎢0⎥ 𝝈=⎢ ⎥. ⎢𝜎𝜉𝜂 ⎥ ⎢0⎥ ⎢ ⎥ ⎣0⎦

Die Annahme von 𝜀𝜁𝜁 = 0 und 𝜎𝜁𝜁 = 0 stellt einen Widerspruch dar, da für verschwindende Dehnung eine Spannung aufgebaut werden muss, die dies ermöglicht. Trotzdem lässt sich zeigen, dass dies zulässig ist, s. Wriggers [16, Kap. 9.4.4, S. 358]. Die Normaldehnung kann allerdings aus den Dehnungen in der Ebene beim ebenen Spannungszustand mit Gl. (3.22) berechnet werden. Das Energieprinzip dieser Schalenformulierung soll hier nicht angegeben werden. Es treten aber wie beim Bernoulli-Balken Ableitungen 2. Ordnung auf, sodass die Ansätze 𝐶 1 -stetig sein müssen. Elemente, die diese Bedingung für beliebige Anordnungen und Randbedingungen erfüllen, sind im zweidimensionalen Fall nicht konstruierbar, s. Knothe und Wessels [11, Kap. 9.3.6, S. 330], weswegen schubstarre Schalenelemente in kommerziellen Programmen wenig Verbreitung haben. Schubweiche Schalenformulierung: Aufgrund der Schwierigkeit 𝐶 1 -stetige schubstarre Elemente zu konstruieren (s. auch Kap. 6.3.3.1), werden in kommerziellen Programmen überwiegend schubweiche Elemente eingesetzt. Schubstarre Formulierungen sind analytisch einfacher zu behandeln, da nur die Deformation der Referenzfläche berücksichtigt werden muss, für die numerische Behandlung ist aber die geringere Differenzierbarkeitsanforderung der schubweichen Formulierung deutlich wichtiger. Analog zum Balken wird auch bei Schalen die Annahme von senkrecht stehenden Direktorvektoren aufgegeben. Dann spricht man von einer schubweichen Schalenformulierung. Die Theorie wurde von Reissner und Mindlin für Platten angegeben, weswegen diese Elemente auch als Reissner-Mindlin-Schalen bezeichnet werden. Auch bei dieser Formulierung hat der Direktorvektor unveränderliche Länge: ‖𝒅‖ = const., d. h. er ist undehnbar. Da er aber nicht mehr senkrecht steht, kommen nun weitere zwei Freiheitsgrade hinzu in Form von Rotationswinkeln des Direktors, s. Abb. 6.28, wo nun 𝒅 nicht mehr in Richtung von 𝒏 zeigt. Auf die verschiedenen Möglichkeiten diese Rotationen zu beschreiben, soll hier nicht eingegangen werden, s. dazu Wriggers [16, Kap. 9.4.3, S. 354]. Die Freiheitsgrade an jedem Knoten sind ebenfalls Abb. 6.28 zu entnehmen: ⎡𝑢R𝜉 ⎤ ⎢𝑢R ⎥ ⎢ 𝜂⎥ 𝒖 = ⎢𝑢R𝜁 ⎥ . ⎢𝜃 ⎥ ⎢ 𝜉⎥ ⎣ 𝜃𝜂 ⎦

6.4 Zweidimensionale Elemente

113

Abb. 6.28 Schalenelement: auf den vier schwarzen Knoten werden bilineare, auf den neun blauen biquadratische Ansatzfunktionen in natürlichen Koordinaten definiert

ਆ ৼ

৙3 ౟

ౡౠ ৙3 ౠ ౟

৙3౧

ౡ౧ ౠ ౧

৞ ঢ় ড়

Da es nun fünf Freiheitsgrade gibt, wird dieser Typ auch als 5-Parameter-Formulierung bezeichnet. Der Verzerrungs- und Spannungszustand wird entsprechend um die Schubanteile in Dickenrichtung erweitert: ⎡𝜀𝜉𝜉 ⎤ ⎡𝜎𝜉𝜉 ⎤ ⎢𝜀𝜂𝜂 ⎥ ⎢𝜎𝜂𝜂 ⎥ ⎢0⎥ ⎢0⎥ 𝜺=⎢ ⎥ 𝝈=⎢ ⎥. ⎢ 𝛾𝜉𝜂 ⎥ ⎢𝜎𝜉𝜂 ⎥ ⎢𝛾 ⎥ ⎢𝜎 ⎥ ⎢ 𝜉𝜁 ⎥ ⎢ 𝜉𝜁 ⎥ ⎣ 𝛾𝜂𝜁 ⎦ ⎣𝜎𝜂𝜁 ⎦ Nach wie vor gilt aber 𝜎𝜁𝜁 = 0 und 𝜀𝜁𝜁 = 0, da der Direktor undehnbar ist und damit keine Dickenänderung vorkommen kann. Man kann auch mit diesen Elementen deswegen nur mit einem 2-D-Materialgesetz arbeiten. Man kann zwar eine Dickenabnahme berechnen, aber nur aufgrund der Verzerrungen in der Ebene mit der letzten Zeile in Gl. (3.20). Eine Dickenabnahme durch Verzerrungen in Dickenrichtung kann nicht abgebildet werden. Da die Verdrehungen entkoppelt werden, entsteht wie beim Timoshenko-Balken in Kap. 6.3.3.2, ein Energieprinzip, das nur Ableitungen 1. Ordnung enthält und damit 𝐶 0 stetige Ansätze erfordert. Damit können schubweiche Schalen mit denselben Ansätzen wie das Scheibenelement berechnet werden. Sie lassen sich so einfach in FE-Programme integrieren. Deswegen ist dieser Elementtyp der Standardtyp in kommerziellen Programmen. In Abb. 6.28 sind ein lineares sowie ein quadratisches Serendipity-Element angedeutet. Schalenformulierungen höherer Ordnung: In beiden bisher beschriebenen Schalenkinematiken ist der Direktor undehnbar. Damit können keine Dickenverzerrungen auftreten und die Referenzfläche kann sich nicht in Dickenrichtung verschieben. Bei Biegung werden aber die Fasern auf einer Seite verlängert und auf der anderen gestaucht, sodass sich die Referenzfläche verschieben müsste, s. Abb. 6.29. Wird diese Bewegung, wie in den Formulierungen zuvor, verhindert, spricht man von einer dünnen Schale. Eine dicke Schale erlaubt die Berücksichtigung der Dickendehnung und den Einsatz eines 3-D-Materialmodells. Diese Bezeichnung wird aber nicht einheitlich verwendet, an verschiedenen Stellen werden Kirchhoff-Love-Schalen als dünn und Reissner-Mindlin-Schalen als dick bezeichnet, z. B.Nasdala [13, Kap. 5.4, S. 161].

114

6 Finite-Elemente-Klassen

Abb. 6.29 Verschiebung der Mittelfaser (– ⋅ –) einer Schale bei Biegung

HFPNFUSJTDIF .JUUF

ӵ ৘



ড় ৞



Ist eine Änderung in Dickenrichtung aufgrund von Normaldehnungen notwendig, um z. B. ein Fließpressen darstellen zu können, reichen die bisherigen Beschreibungen nicht mehr aus. Deswegen werden 6- bzw. 7-Parameter-Formulierungen entwickelt, bei denen der Direktor nicht mehr undehnbar ist, s. Bischoff [3], sondern in Dickenrichtung linear (6-Parameter) oder quadratisch (7-Parameter) veränderlich ist. Mechanisch bedeutet dies, dass sich die Dicke der Schale auf Grund von Normaldehnungen verändern kann. Der Verzerrungs- und Spannungszustand ist dann dreidimensional: ⎡𝜀𝜉𝜉 ⎤ ⎢𝜀𝜂𝜂 ⎥ ⎢𝜀 ⎥ 𝜺 = ⎢ 𝜁𝜁 ⎥ ⎢ 𝛾𝜉𝜂 ⎥ ⎢𝛾 ⎥ ⎢ 𝜉𝜁 ⎥ ⎣ 𝛾𝜂𝜁 ⎦

⎡𝜎𝜉𝜉 ⎤ ⎢𝜎𝜂𝜂 ⎥ ⎢𝜎 ⎥ 𝝈 = ⎢ 𝜁𝜁 ⎥ . ⎢𝜎𝜉𝜂 ⎥ ⎢𝜎 ⎥ ⎢ 𝜉𝜁 ⎥ ⎣𝜎𝜂𝜁 ⎦

Damit kann dann auch ein 3-D-Materialmodell genutzt werden, was für die Implementierung in einem FE-Programm von Vorteil sein kann. Dies kann aber auch Probleme mit sich bringen, wenn z. B. anisotropes Materialverhalten abgebildet werden soll, für das die meisten Materialmodelle für den ebenen Zustand modelliert sind, s. Kap. 14.1.3.1. In Tab. 6.5 sind die wesentlichen Begriffe der vorgestellten Schalenformulierungen zusammengefasst. Darüber hinaus sind in der Tabelle beispielhaft einige ausgewählte Schalenelemente aus dem FE-Programm LS-DYNA zugeordnet. Neben der Beschreibung der Schalenkinematik gibt es noch eine Unterscheidung bei der Herangehensweise die Gleichungen eines Schalenelements abzuleiten, s. Abb. 6.30: a) Die Deformation und alle Grundgleichungen (Verschiebungs-Verzerrungsbeziehung, Materialgesetz und Bilanzgleichung) werden in Größen einer kontinuierlichen Schalenfläche formuliert. Die gekrümmte Schalenfläche muss dazu über differenzialgeometrische Beziehungen beschrieben werden. Die Annahmen für die Dickenrichtung werden im mathematischen Modell vor der Diskretisierung verarbeitet. Die Formulierung Tabelle 6.5 Zusammenfassung der Begriffe bei Schalenelementen Direktor 𝒅

𝑛FHG

äquivalente Bezeichnungen

Mat.-Gesetz

Element in LS-DYNA

‖𝒅‖ = 1 und ⟂

3

schubstarr / Kirchhoff-Love / 3Parameter

2-D



‖𝒅‖ = 1

5

schubweich / Reissner-Mindlin / 5-Parameter

2-D

SHELL1, SHELL2, SHELL16

‖𝒅‖ variabel

6 o. 7

6- o. 7-Parameter

3-D

SHELL25, SHELL26

6.5 Dreidimensionale Elemente Abb. 6.30 Modellierungsmöglichkeiten von Schalen: klassische Schalentheorie, degenerierte Volumenelemente, volumenartige Schalen

115 Schalentheorie

degeneriertes Volumen

Volumenschale

der Schalentheorie ist anspruchsvoll. Ein Beispiel ist das Schalenelement SHELL2 in LSDYNA, s. Belytschko u. a. [2, Kap. 9.9]. b) Das Schalenelement wird als degeneriertes Volumenelement erzeugt, bei dem die Schalenannahmen nach der Diskretisierung in den Formfunktionen verarbeitet werden. Die Knoten des Volumens werden über die kinematischen Annahmen miteinander gekoppelt. Diese Herangehensweise ist mathematisch einfacher und wird häufig in der Literatur genutzt. Das Schalenelement SHELL1 in LS-DYNA basiert auf dieser Herangehensweise. In einem FE-Programm bieten diese Elemente den Vorteil, dass Sie einfach eingebaut werden können und auch mit anderen Elementtypen wie Volumenelementen einfach gekoppelt werden können. c) Zuletzt gibt es Schalenelemente, bei denen keine Referenzfläche definiert wird, es werden in der Vernetzung die Deckflächen diskretisiert. Solche Elemente werden häufig als Thick-Shell oder Solid-Shell bezeichnet. Sie haben den Vorteil, dass man 3D-Materialgesetze problemlos nutzen kann. In LS-DYNA werden diese Elemente als TSHELL bezeichnet.

6.5 Dreidimensionale Elemente Im Allgemeinen sind ingenieurtechnische Anwendungen mit 3-D-Elementen zu modellieren. Man spricht dann nicht mehr von Strukturelementen, sondern von Kontinuumselementen, da keine Schnittgrößen in Form von Querkräften und Biegemomenten mehr benötigt werden. Alle drei Raumdimensionen werden durch die Diskretisierung erfasst. Es wird damit auch immer ein vollständiger dreidimensionaler Spannungszustand abgebildet. Kinematische Annahmen für die Formulierung der Elemente entfallen.

6.5.1 Hexaederelemente Ein häufig eingesetztes Volumenelement ist das trilineare Hexaederelement mit 8 Knoten, s. Abb. 6.31. Das Volumenelement kann an jedem Knoten Verschiebungen und Belastungen in alle drei Raumrichtungen abbilden. Der Verschiebungsansatz besteht aus einem trilinearen Polynom:

116

6 Finite-Elemente-Klassen

S

J

Abb. 6.31 Lineares Hexaederelement



L

P

৙౟ ౠ A

౧ ৙౧ C

৙ౠ

G E

𝑒 ⎡𝑢𝜉̃ (𝜉, 𝜂, 𝜁)⎤ 𝒖̃𝑒 (𝜉, 𝜂, 𝜁 ) = ⎢𝑢𝑒𝜂̃ (𝜉, 𝜂, 𝜁)⎥ = 𝒂0 + 𝒂1 𝜉 + 𝒂2 𝜂 + 𝒂3 𝜁 + 𝒂4 𝜉𝜂 + 𝒂5 𝜉𝜁 + 𝒂6 𝜂𝜁 + 𝒂7 𝜉𝜂𝜁 . ⎥ ⎢ 𝑒 ⎣𝑢𝜁̃ (𝜉, 𝜂, 𝜁)⎦

Die Ansatzfunktionen ergeben sich als Produkte der eindimensionalen Funktionen für alle möglichen Kombinationen (zwei Formfunktionen in drei Richtungen → 23 = 8 Funktionen): 1 𝑁𝑖 = (1 + 𝜉𝑖 𝜉)(1 + 𝜂𝑖 𝜂)(1 + 𝜁𝑖 𝜁 ) , 𝑖 = I, … , P , 8 mit den Koordinaten des jeweiligen Knotens 𝜉𝑖 , 𝜂𝑖 , 𝜁𝑖 , 𝑖 = I, … , P. Die Formfunktionsmatrix eines 8-Knoten-Hexaeders lautet ⎡ 𝑁I 0 0 | 𝑁J 0 0 𝑵 = ⎢ 0 𝑁 I 0 | 0 𝑁J 0 | ⎢ ⎣ 0 0 𝑁I | 0 0 𝑁J

| ⋯ | 𝑁P 0 0 ⎤ |⋯| 0 𝑁 0 ⎥ P | | ⎥ | ⋯ | 0 0 𝑁P ⎦

Dim(𝑵) = [3 × (3 ⋅ 8)] .

Die 𝑩-Matrix ergibt sich entsprechend durch Anwendung des Differenzialoperators aus Gl. (3.16) auf die Formfunktionsmatrix 𝑵.

6.5.1.1 Das quadratische Serendipity-Hexaederelement Ein triquadratisches Lagrange-Hexaederelement entsteht durch Produktbildung der eindimensionalen quadratischen Ansatzfunktionen für alle Raumrichtungen. Für ein Volumenelement entstehen damit 33 = 27 Knoten, d. h. die Dimension der Formfunktionsmatrix ist Dim(𝑵) = [3 × (3 ⋅ 27) = 81]. Dies bedeutet einen sehr großen Rechenaufwand. Wie bei den biquadratischen 2-D-Elementen in Kap. 6.4.1.2 gibt es auch in 3-D die Möglichkeit die tri- und biquadratischen Terme aus dem Polynomansatz zu streichen. Das dadurch entstehende quadratische Serendipity-Hexaederelement in Abb. 6.32 hat auf jeder Kante noch einen Knoten, aber nicht auf den Flächen und im Zentrum, d. h. insgesamt 20 Knoten. Die Formfunktionsmatrix hat die Dimension Dim(𝑵) = [3 × (3 ⋅ 20) = 60]. Dadurch wird der Speicherbedarf und die Rechenzeit für Volumenelemente stark reduziert. Deswegen sind die Serendipity-Elemente die Standardelemente in kommerziellen Programmen bei quadratischen Elementen.

6.5 Dreidimensionale Elemente

117

Abb. 6.32 Quadratisches Serendipity-Hexaederelement



ౠ ౧

6.5.2 Pentaederelemente Elemente mit fünf Flächen sind i. d. R. Ergänzungselemente, die bei der Vernetzung genutzt werden, um Räume, die nicht mit Hexaedern gefüllt werden können, zu belegen. Prismatische Elementtypen (wedge), s. Abb. 6.33, entstehen beim Vernetzen von Oberflächen, da eine krummlinig berandete Oberfläche nicht optimal mit Vierecken vernetzt werden kann, entsprechend den Kriterien in Kap. 7.4.2. Die entstehenden Oberflächen-Dreiecke werden durch Extrudieren des Oberflächennetzes in das 3-D-Volumen des betrachteten Körpers zu Prismenelementen. Diese Vernetzungsmethode wird als Sweep-Vernetzung bezeichnet, s. Kap. 7.4.1. Auch dieses Element kann durch Degeneration aus einem Hexaeder erzeugt werden. Pyramidenförmige Elemente werden benötigt, wenn auf der Oberfläche Vierecke vorliegen, im Inneren des Körpers aber ein Hexaeder nicht eingefügt werden kann. Auf Formulierungsdetails soll hier verzichtet werden.

6.5.3 Tetraederelemente Nicht jede geometrische Form kann mit einem strukturierten Netz aus Hexaedern vernetzt werden, s. Kap. 7.4.1. Dann ist ein unstrukturiertes Netz aus Tetraederelementen eine mögliche Lösung. In Abb. 6.34 ist das lineare Tetraederelement durch die schwarzen Knoten an den Ecken dargestellt. Es weist vier Knoten mit drei Freiheitsgraden 𝑢𝜉 , 𝑢𝜂 , 𝑢𝜁 auf. NeAbb. 6.33 Lineare und quadratische Pentaeder: Prisma und Pyramide

118

6 Finite-Elemente-Klassen

Abb. 6.34 Lineares und quadratisches SerendipityTetraederelement

ben dem linearen Typ ist in Abb. 6.34 noch das quadratische Serendipity-Tetraederelement mit 10 Knoten durch die zusätzlichen blauen Knoten eingezeichnet. Sehr häufig werden Tetraederelemente in einem Programm durch Degeneration aus Hexaederelementen aufgebaut, indem man in der Inzidenztabelle mehrere Knoten zusammenfallen lässt. Damit sind sie ohne großen Programmieraufwand darstellbar. Lineare Tetraederelemente haben, wie das 2-D-Dreieckelement, den Nachteil, dass nur ein konstanter Spannungszustand im gesamten Element darstellbar ist. Generell reagieren Tetraederelemente deswegen steifer als Hexaeder. Eine Konvergenzstudie dazu findet sich in Klein [10, Kap. 7.5, S. 172]. Es sind deshalb sehr viele Elemente notwendig, um mit Hexaedern vergleichbare Ergebnisse zu erhalten. Nichtsdestotrotz ist es ein sehr häufig eingesetzter Elementtyp aufgrund des Vernetzungsvorteils. Benutzt man hingegen ein quadratisches (Serendipity-) Tetraederelement, dann sind die Unterschiede zu anderen quadratischen Elementen gering, allerdings ist auch ein lineares Hexaederelement mit nur acht Knoten nicht schlechter. Generell sollte man also immer Hexaederelemente benutzen, geht dies nicht aufgrund der Vernetzung, dann sollte man quadratische Tetraeder nutzen. Benötigt man lineare Tetraeder (z. B. in transient-dynamischen Fragestellungen, s. Kap. 13.3.3), dann muss man sehr fein diskretisieren.

6.6 Aufgaben 6.1. Leiten Sie die Formfunktionen eines a) quadratischen Stabelements sowie b) eines schubstarren Balkenelements her. 6.2. Gegeben ist ein Biegebalken mit Einzellast, der links fest eingespannt und rechts gelenkig gelagert ist. Mittig greift eine Kraft 𝑓 an. ো a) Diskretisieren Sie das System mit zwei Elemenড় ten und geben Sie den Gesamtvektor der Knotenর঴- ষ verschiebungen und -verdrehungen an, der berechnet werden soll.

6.7 Literaturverzeichnis

119

b) Stellen Sie mit einem schubstarren Balkenelement ohne Schubkorrektur die Gesamtsteifigkeitsmatrix symbolisch auf (d. h. ohne Einsetzen der geg. Zahlenwerte). c) Berechnen Sie mit den Zahlenwerten 𝑓 = 1000 N, 𝐸𝐼 = 1,215 ⋅ 1011 N mm2 , 𝐿 = 800 mm die Verschiebung an der Stelle der Krafteinleitung. 6.3. Wiederholen Sie Aufgabe 5.2 für ein quadratisches Stabelement. Benutzen Sie das natürliche Koordinatensystem des Elements und die quadratischen Ansatzfunktionen nach Gl. (6.15). Auch für das quadratische Element ist die Determinante der Jacobi-Matrix d𝑥 = det 𝐽d𝜉 = 2ℓ d𝜉 (Verifizieren Sie dies mit Gl. (6.5)). 6.4. Zeigen Sie, dass für das Dreieckselement aus Kap. 6.4.1.3 die Zerlegung der Eins gilt. 6.5. Leiten Sie die 𝑩-Matrix aus Tab. 6.2 her unter der Annahme, dass das quadratische Element entlang der globalen 𝑥-Achse orientiert ist. 6.6. Berechnen Sie von Hand für ein lineares Scheibenelement mit 𝒙𝑒 = [5 5 3 4 4 2 6 3]T die Jacobi-Matrix und deren Determinante. Ermitteln Sie den Flächeninhalt des Vierecks. Geben Sie eine geometrische Interpretation der Jacobi-Matrix und deren Determinante für diesen Fall an. 6.7. Berechnen Sie mit einem symbolischen MATLAB® -Skript für ein lineares Scheibenelement jeweils für die Konfigurationen 𝒙𝑒 = [1 1 −1 1 −1 −1 1 −1]T , 𝒙𝑒 = [ −3 −3 0 −3 0 0 −3 0 ]T , 𝒙𝑒 = [5 5 3 4 4 2 6 3]T und 𝒙𝑒 = [5 5 3 4 4 2 7 3]T die 𝑩-Matrix und das Element 𝐾11 der globalen Steifigkeitsmatrix. Nehmen Sie einen ebenen Spannungszustand an. 6.8. Berechnen Sie für den a) rechteckigen und den b) kreisförmigen

ω





৞ ৞ ঽ Querschnitt mit den Angaben in der nebenstehenden Skizে ze den Schubkorrekturfaktor unter der Annahme, dass die Schubverzerrungsenergien, die tatsächlich und unter der Annahme einer konstanten Schubspannung entstehen, gleich sein sollen. Vollziehen Sie dazu die Berechnung des Aufgabenteils a) bei Bathe [1, Kap. 5.4.1, S. 399] nach und übertragen Sie die Vorgehensweise auf den kreisförmigen Querschnitt. Die Berechnung der Schubspannungsverteilung ist ausführlich bei Gross u. a. [6, Kap. 4.6.1, Gl. 4.38 und Beispiel 4.12] behandelt.

6.7 Literaturverzeichnis [1] [2]

K.-J. Bathe. Finite Element Procedures. New Delhi: Prentice-Hall of India, 2007. T. Belytschko, W. K. Liu, B. Moran und K. I. Elkhodary. Nonlinear Finite Elements for Continua and Structures. 2. Aufl. Hoboken: John Wiley & Sons Inc, 2014. [3] M. Bischoff. „Theorie und Numerik einer dreidimensionalen Schalenformulierung“. Institut für Baustatik. Bericht Nr. 30. Universität Stuttgart, 1999.

120

[4] [5] [6] [7] [8] [9] [10] [11] [12] [13] [14] [15] [16] [17]

6 Finite-Elemente-Klassen

G. R. Cowper. „The Shear Coefficient in Timoshenko’s Beam Theory“. In: Journal of Applied Mechanics 33.2 (1966), S. 335–340. J. M. Gere und S. P. Timoshenko. Mechanics of materials. 2. SI Aufl. Boston: PWS Engineering, 1987. D. Gross, W. Hauger, J. Schröder und W. A. Wall. Technische Mechanik 2. 14. Aufl. Berlin: Springer Vieweg, 2021. D. Gross, W. Hauger und P. Wriggers. Technische Mechanik 4. 10. Aufl. Berlin: Springer Vieweg, 2018. T. Hughes, J. A. Cottrell und Y. Bazilevs. „Isogeometric Analysis“. In: Computer Methods in Applied Mechanics and Engineering 194.39-41 (2005), S. 4135–4195. T. J. R. Hughes. The Finite Element Method. Mineola: Dover Publications, 2000. B. Klein. FEM. 10. Aufl. Wiesbaden: Springer Vieweg, 2015. K. Knothe und H. Wessels. Finite Elemente. 5. Aufl. Berlin: Springer Vieweg, 2017. M. Merkel und A. Öchsner. Eindimensionale Finite Elemente. 3. Aufl. Berlin: Springer Vieweg, 2020. L. Nasdala. FEM-Formelsammlung Statik und Dynamik. 3. Aufl. Wiesbaden: Springer Vieweg, 2015. P. Steinke. Finite-Elemente-Methode. 5. Aufl. Wiesbaden: Springer Vieweg, 2015. H. Vogel. Einstieg in CAD. 2. Aufl. München: Hanser, 2004. P. Wriggers. Nichtlineare Finite-Element-Methoden. Berlin: Springer, 2001. O. C. Zienkiewicz, R. L. Taylor und J. Z. Zhu. The Finite Element Method. 7. Aufl. Oxford: Butterworth-Heinemann, 2013.

Kapitel 7

Mathematische und numerische Aspekte der FEM

In diesem Kapitel werden Eigenschaften der FEM mathematischer und numerischer Art eingeführt sowie einige Benutzungshinweise für die praktische Arbeit mit FE-Programmen gegeben.

7.1 Mathematische Anforderungen an Finite Elemente 7.1.1 Bedingungen für die Konvergenz der Lösung Ein wichtiger Begriff im Zusammenhang mit numerischen Methoden ist die Forderung nach Konvergenz: Dies bedeutet, dass bei einer Erhöhung der Freiheitsgrade der Diskretisierung, z. B. durch Einsatz von mehr Elementen oder eines höherwertigen Polynomansatzes, die Lösung immer näher an die exakte Lösung des mathematischen Modells herankommt und im Grenzfall der unendlich feinen Diskretisierung mit ihr zusammenfällt und damit der Fehler zu null wird. In diesem Zusammenhang soll zunächst auf die möglichen Fehlerquellen in dem in Abb. 1.1 und Abb. 1.3 beschriebenen Ablauf eingegangen werden: • Modellierungs-/Idealisierungsfehler: Das reale System wird im CAD vereinfacht dargestellt und durch Idealisierung noch weiter reduziert, sodass hier eine Abweichung zwischen realem System und dem Modell existiert. Dies kann sowohl geometrischer als auch physikalischer Art sein (z. B. Materialverhalten). • Unschärfe in den Eingangsdaten: Für eine Simulation sind neben der Geometrie eine Vielzahl an Parametern notwendig, z. B. Materialdaten und Randbedingungen. Diese sind nur bis zu einer gewissen Genauigkeit erfassbar und schwanken auch in der Realität. Dies wird sehr häufig vernachlässigt, da eine akkurate Modellierung sehr aufwendig ist. • Rundungsfehler: Die endliche Zahlengenauigkeit auf Computern führt zu Zahlenrundung. Da bei der Lösung von Gleichungssystemen im Wesentlichen Additionen und Subtraktionen auftreten, baut sich dieser Fehler auf und kann zum bestimmenden Faktor für die Genauigkeit einer Berechnung werden. Ergänzende Information Die elektronische Version dieses Kapitels enthält Zusatzmaterial, auf das über folgenden Link zugegriffen werden kann (https://doi.org/10.1007/978-3-658-36522-6_7) © Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2022 M. Wagner, Lineare und nichtlineare FEM, https://doi.org/10.1007/978-3-658-36522-6_7

121

122

7 Mathematische und numerische Aspekte der FEM

• Diskretisierungsfehler: Dieser Fehler tritt durch die näherungsweise Lösung des in den Grenzen der oben genannten Fehlermöglichkeiten exakten mathematischen Modells auf. Der Diskretisierungsfehler 𝒆 ist die Abweichung der FE-Lösung von der exakten Lösung des verwendeten mathematischen Modells, falls bekannt, oder die Abweichung von einer möglichst präzisen numerischen Referenzlösung. Der Fehler kann in verschiedenen Ergebnisgrößen ausgedrückt werden. Für die Spannung ergibt sich z. B.: 𝒆𝜎 = 𝝈(𝒙) − 𝝈̃ .

(7.1)

Dies ist die hier einzig relevante Fehlerart, da sie als einzige direkt vom Benutzer einer Software beeinflusst werden kann. Die anderen Fehler werden nicht weiter betrachtet. In diesem Sinne bedeutet Konvergenz die Reduktion des Diskretisierungsfehlers. Dies kann allgemein durch Verkleinerung der Elementgröße oder Erhöhung des Polynomgrads der Ansatzfunktionen erreicht werden, s. Kap. 7.1.2. Um Konvergenz in der FEM sicher zu stellen, müssen die Ansatzfunktionen der Elemente die folgenden Bedingungen erfüllen: • Kompatibilität der unabhängigen Feldgrößen: Die unabhängigen Feldvariablen (z. B. in der Strukturmechanik die Verschiebungen, aber beim Balken auch die Rotationen) müssen im Inneren eines Elements glatt verlaufen und über den Elementrand stetig sein. Glattheit bedeutet an dieser Stelle, dass bei Energieprinzipien, die erste Ableitungen enthalten, die Ansatzfunktion im Gebiet einmal stetig differenzierbar sein muss. Am Elementrand muss man zwischen den Knoten und den Kanten unterscheiden: An den Knoten wird Stetigkeit durch den Aufbau des Gleichungssystems in Kap. 5.4 über die Verschiebungskompatibilität garantiert. Die Forderung gilt aber für den gesamten Elementrand. Verbindet man also z. B. ein Element mit linearen mit einem Element mit quadratischen Ansätzen, wird diese Bedingung entlang der Kanten verletzt. Die Bedingung stellt sicher, dass die auszuwertenden Integrale in den Energieprinzipien regulär sind, d. h. einen endlichen Zahlenwert liefern, da der Integrand maximal Ableitungen erster Ordnung und damit maximal einen Sprung am Rand aufweist. Ansatzfunktionen, die diese Bedingungen erfüllen, sind aus dem Raum der 𝐶 0 -stetigen Funktionen, s. Kap. 4.2. Ein 1-D-Beispiel ist in Abb. 4.12 gezeigt. Die Funktion selbst ist stetig über mehrere Elemente, aber die Ableitung weist Sprünge auf. Anschaulich bedeutet dies, dass mindestens stückweise lineare Polynome benutzt werden müssen. Erfüllt ein Element diese Bedingungen, wird es als kompatibles, konformes oder 𝐶 0 -Element bezeichnet. Beim schubstarren Balken- oder Schalenelement enthält das Energieprinzip Ableitungen zweiter Ordnung, sodass die Ansätze zweimal stetig differenzierbar im Element und 𝐶 1 -stetig am Rand sein müssen. • Darstellung von Starrkörperverschiebungen: Ein Verzerrungszustand wird bei einer reinen Verschiebung oder Drehung eines Elements nicht verändert. Dies müssen die eingesetzten Ansatzfunktionen abbilden können. Dazu ist es notwendig, dass konstante und lineare Glieder in einem Ansatz vorhanden sind, um eine Starrkörperbewegung darzustellen. • Darstellung von konstanten Spannungszuständen: Verkleinert man ein Element immer weiter, geht die exakte Lösung innerhalb des Elements im Grenzfall eines unendlich

7.1 Mathematische Anforderungen an Finite Elemente

&YBLUF -¶TVOH -¶TVOH

Abb. 7.1 Monotone Konvergenz der Verschiebungsmethode der FEM

123

"O[BIM 'SFJIFJUTHSBEF

kleinen Elements einem konstanten Spannungszustand entgegen. Deswegen muss ein endliches Element mindestens den konstanten Zustand abbilden können. Da die Spannungen durch Ableitung aus den Ansatzfunktionen hervorgehen, ergibt sich ebenfalls die Forderung, dass es sich mindestens um lineare Funktionen handeln muss. Details zu diesen Ausführungen finden sich bei Hughes [6, Kap. 3.1, S. 109ff.] und Knothe und Wessels [7, Kap. 4.2, S. 132]. Die letzten beiden Bedingungen werden zusammengefasst oft auch als Vollständigkeitsbedingung bezeichnet. Alle isoparametrischen Elemente erfüllen diese Bedingungen durch ihren Aufbau, s. Belytschko u. a. [2, Kap. 8.3.6, S. 490] und sind damit kompatible Elemente. Die Erfüllung der o. g. Bedingungen muss für jeden Elementtyp bei der Programmierung überprüft werden. Dafür wird der Patch-Test in verschiedenen Varianten genutzt. Details finden sich bei Belytschko u. a. [2, Kap. 8.3]. Wenn die eingesetzten Elemente diese Bedingungen erfüllen, konvergiert die FEM monoton, d. h. die Lösung nähert sich bei einer Erhöhung der Freiheitsgrade mit kontinuierlich verkleinertem Diskretisierungsfehler von unten an die exakte Lösung an, s. Abb. 7.1. Generell werden die Verschiebungen mit der Verschiebungsmethode der FEM also unterschätzt. Dass die Annäherung von unten geschieht, hängt mit den gewählten Freiheitsgraden zusammen, d. h. im Fall der Strukturmechanik den Verschiebungen. Es ist auch möglich ein Energieprinzip analog zu Gl. (4.12) mit den Spannungen als Feldgrößen zu formulieren (Prinzip der virtuellen Kräfte). Dann nähert sich die FEM-Lösung von oben an die exakte Lösung an. Ein weiterer Begriff ist die Konvergenzrate, d. h. der Grad, mit dem der Fehler bei Erhöhung der Freiheitsgrade abnimmt. Diese kann man ermitteln, wenn man die Polynominterpolation als Taylorreihe betrachtet, die mit dem Glied 𝑝 + 1 abgebrochen wird. Der Fehler ist dann von der Ordnung des Abbruchglieds 𝑒 = 𝒪(𝑢𝑝+1 ). Dies entspricht damit der Konvergenzrate, d. h. lineare Ansatzfunktionen konvergieren quadratisch und quadratische Ansätze kubisch. Dies ist ein weiteres Argument für den Einsatz von quadratischen Ansatzfunktionen in linearen FE-Berechnungen. Weiterhin konvergieren die abgeleiteten Feldgrößen wie Spannungen und Verzerrungen langsamer, da ihr Polynomgrad durch die Ableitung 𝑝 − 1 beträgt.

7.1.2 Verfahren zur Reduktion des Diskretisierungsfehlers Mit einer Erhöhung der Freiheitsgrade geht eine Verbesserung der Genauigkeit einer FEBerechnung einher, wie oben dargestellt. Das Ziel einer Berechnung muss sein, den Fehler

124

7 Mathematische und numerische Aspekte der FEM

I¤OHFOEF ,OPUFO

Abb. 7.2 Beispiele für Verfahren zur Reduktion des Diskretisierungsfehlers

"VTHBOHTOFU[

ω





so klein wie möglich zu machen. Dazu werden im Wesentlichen drei Methoden unterschieden: • Verkleinerung der Elemente – ℎ-Verfahren: Die räumliche Diskretisierung wird durch Elementunterteilung oder Neuvernetzung verändert. Dadurch werden die Elementkantenlängen ℎ verkleinert. Es können sogenannte hängende Knoten entstehen (s. Abb. 7.2 in Rot), d. h. Knoten, die nicht mit einem weiteren Knoten verbunden sind und somit die Kompatibilitätsbedingung nicht erfüllen. Solche Knoten werden über kinematische Zwangsbedingungen analog zur Vorgehensweise bei Kontakten ins Modell eingebunden, s. Kap. 11.3.1. • Erhöhung der Polynomordnung – 𝑝-Verfahren: Dies bezeichnet eine Methode, bei der das Netz unverändert belassen wird, aber die Ansatzgrade 𝑝 der Formfunktionen und damit die Knotenzahl des Elements erhöht werden. • Veränderung des Netzes – 𝑟-Verfahren: Die Knoten des Netzes werden verschoben, um lokal eine bessere Lösung mit einer fixen Anzahl an Unbekannten zu erhalten. Dies kann z. B. bei Rissausbreitung eingesetzt werden oder bei transienten Problemen, wo die Knotenverdichtung einem sich ausbreitenden Effekt folgt. Häufig werden die Verfahren kombiniert und dann z. B. als ℎ𝑝-Verfahren bezeichnet. In Abb. 7.2 sind Beispiele für die Verfeinerungsstrategien dargestellt.

7.1.2.1 Adaptive Ergebnisverbesserung Gewöhnlich wird die Güte einer Berechnung durch den Benutzer aufgrund von Erfahrung bewertet. Eine objektive Bewertung des Fehlers ist in der Regel nicht möglich, da die exakte Lösung unbekannt ist. Reicht dies nicht aus oder soll eine definierte Reduktion des Fehlers während einer Berechnung erreicht werden, können Fehlerschätzer eingesetzt werden, die automatisch das Berechnungsmodell nach den in Kap. 7.1.2 genannten Verfahren anpassen, um eine Lösung in vorgegebener Genauigkeit möglichst effizient zu erhalten. Beim Diskretisierungsfehler in Gl. (7.1) handelt sich um einen punktweise definierten Fehler, der nur schwer anzugeben ist. Deswegen werden üblicherweise integrale Fehler benutzt, in der FEM am häufigsten der Fehler in der Energienorm ‖𝒆‖E , der sich aus der Darstellung der Formänderungsenergie ableitet (Man beachte 𝒆T𝜀 = 𝒆T𝜎 𝑪 −T ): 1

‖𝒆‖E =

2 𝒆T𝜎 𝑪 −T 𝒆𝜎 d𝑉 ) (∫ 𝑉

=

T

(∫ 𝑉

(𝝈(𝒙) − 𝝈)̃ 𝑪

−T

(𝝈(𝒙) − 𝝈)̃ d𝑉 )

1 2

.

Da zur Berechnung des Fehlers die exakte Lösung notwendig wäre, behilft man sich mit Fehlerschätzern und -indikatoren. Mit diesen wird näherungsweise ein Fehler der aktuel-

7.1 Mathematische Anforderungen an Finite Elemente

125

len Lösung berechnet, dies wird als A-posteriori-Fehlerschätzung bezeichnet. Sobald die Änderung des Fehlers eine gesetzte Schranke unterschreitet, wird der Vorgang abgebrochen. Als Fehlerschätzer können verschiedene Vorgehensweisen genutzt werden. Die Erläuterung dieses Gebiets übersteigt den Umfang dieses Buchs. Details findet man z. B. bei Zienkiewicz, Taylor und Zhu [13, Kap. 15, S. 493]. Beispielhaft soll die Funktionsweise des am weitesten in kommerziellen Programmen verbreiteten Fehlerindikators von Zienkiewicz und Zhu (s. Zienkiewicz, Taylor und Zhu [13, Kap. 15.3, S. 502 und Lit. dort]) skizziert werden: Die unbekannte exakte Lösung soll durch eine bessere Abschätzung als die aktuell berechnete 𝝈̃ ersetzt werden. Für den Verschiebungsansatz wird 𝐶 0 -Stetigkeit gefordert, s. Kap. 7.1.1. Dies führt auf konstante und damit unstetige Verläufe für Verzerrungen und Spannungen, s. Abb. 2.22 im Beispiel in Kap. 2.3. Für eine verbesserte Lösung wird eine Eigenschaft der FEM ausgenutzt, die als Superkonvergenz bezeichnet wird. Es lässt sich zeigen (Zienkiewicz, Taylor und Zhu [13, Kap. 15.2, S. 497 ff.]), dass die Verschiebungen an den Knoten der Elemente und die Verzerrungen und Spannungen an den Integrationspunkten (s. Kap. 7.2) genauer berechnet werden als an anderen Punkten im Element. Die Verringerung des Fehlers, d. h. die Konvergenz, erfolgt an diesen Punkten schneller. Die Lösungen an diesen Punkten werden benutzt, um eine über mehrere Elemente (sog. „Patches“) stetige Ersatzlösung 𝝈 ∗ (𝒙) mit Polynomansatzfunktionen wie für den Verschiebungsansatz zu erzeugen: 𝝈 ∗ (𝒙) = 𝑵𝝈 ∗ . Da die Stützstellen der Approximation 𝝈 ∗ superkonvergente Punkte sind und durch die Formfunktionen ein stetiger Verlauf möglich ist, wird davon ausgegangen, dass diese Ersatzlösung genauer als die aktuell berechnete ist. Es wird nun 𝝈(𝒙) ≈ 𝝈 ∗ (𝒙) gesetzt und damit der Fehler 𝒆𝜎 = 𝝈 ∗ − 𝝈̃ abgeschätzt. Dafür ist eine Bestimmung der Stützstellen 𝝈 ∗ notwendig. Hierfür gibt es verschiedene Verfahren, das am häufigsten eingesetzte ist die Superconvergent Patch Recovery (SPR), (s. Zienkiewicz, Taylor und Zhu [13, Kap. 15.3, S. 502]). Basis für die Berechnung der Stützstellen sind die tatsächlich berechneten Knotenspannungswerte 𝝈. Praktisch bedeutet dies, dass die Spannungen an den Integrationspunkten berechnet werden und daraus die SPR-Lösung gewonnen wird. Mit dieser wird eine verbesserte Approximation der Spannungen ermittelt und daraus eine Fehlerabschätzung zur tatsächlichen Lösung gewonnen. Dort wo der Fehler groß ist, muss die Diskretisierung verfeinert werden. Man kann dies auch nutzen, um Bereiche, in denen der Fehler schon gegen null geht, zu entfeinern und damit die Berechnung effizienter zu machen. Die Vorgehensweise zur adaptiven Anpassung der Diskretisierung mit Hilfe von Fehlerschätzern lässt sich wie folgt gliedern: a) Definition des FE-Modells: Definition der Diskretisierung und der Ansatzfunktionen b) Lösung des FE-Modells: Lösung der diskretisierten Gleichungen c) Abschätzung der Genauigkeit: Fehlerschätzung mit der berechneten Lösung, der Ersatzlösung und einer gewählten Fehlernorm. d) Anpassung des Modells: Definition welche Elemente ver- oder entfeinert werden und welches Verfahren aus Kap. 7.1.2 eingesetzt wird. Als Beispiel soll eine Scheibe (𝑥 = 200 mm × 𝑦 = 100 mm) mit einem Loch mit Radius 𝑟0 = 10 mm dienen, s. Abb. 7.3. Sie wird auf beiden Seiten mit der Zugspannung

126

7 Mathematische und numerische Aspekte der FEM

Abb. 7.3 Beispiel zur adaptiven Netzverfeinerung. Man beachte die Lösung am Punkt A in Abb. 7.4

"VTTDIOJUU " ౬1

৖1

౬ব ౬1

𝜎0 = 100 N/mm2 belastet. Da das Problem achsensymmetrisch ist, wird nur ein Viertel im FE-Modell dargestellt. Für dieses Problem lässt sich näherungsweise eine analytische Lösung angeben, s. Gross, Hauger und Wriggers [5, Kap. 2.6.3.4, S. 128]: Bei unendlich ausgedehnter Scheibe und 𝑟0 → 0 ist die Lösung am Lochrand im Punkt A: 𝜎𝐴 = 3𝜎0 .

(7.2)

Ein unendlich kleines Loch und eine unendlich ausgedehnte Scheibe kann nicht modelliert werden, aber man kann zeigen, dass sich die Lösung von größeren Werten an die Lösung in Gl. (7.2) annähert, wenn man endliche Werte für 𝑟0 und die Ausdehnung der Scheibe annimmt. Es ist also zu erwarten, dass man bei einer Berechnung Werte etwas größer als 3𝜎0 erhält. In Abb. 7.4 ist der Verlauf der Normalspannung in horizontaler Richtung aufgetragen. Entsprechend der Aussagen zur monotonen Konvergenz in Kap. 7.1.1 nähert sich die Lösung von unten gegen einen Wert größer 3𝜎0 = 300 N/mm2 . Am Punkt A treten die maximalen Spannungen auf, wie analytisch vorhergesagt. Man erkennt ebenfalls die Entwicklung des adaptiv verfeinerten Netzes. An Stellen mit hohen Spannungsgradienten wird das Netz stärker verfeinert, als in Bereichen, in denen sich die Spannung nicht so stark ändert1 . Nach drei Verfeinerungsstufen liegt die Fehleränderung nur noch bei ca. 1 %. Auf der anderen Seite steigt die Anzahl an Knoten und Elementen stark an. Das feinste Modell hat ca. 6-mal so viele Freiheitsgrade. Hier wird deutlich, dass immer eine Abwägung zwischen Genauigkeit und Effizienz vorzunehmen ist.

Abb. 7.4 Ausschnitt aus Abb. 7.3 zur Veranschaulichung der Netzanpassung durch ein ℎ-Verfahren

1

In LS-DYNA kann diese adaptive Verfeinerung über das Keyword 14.2 mit ADPOPT=4 gesteuert werden.

7.2 Numerische Integration

127

7.2 Numerische Integration Wie in Gl. (6.8) abgeleitet sind in der FEM Integrale der Form 1

𝐼=

1

1

∫ −1 ∫ −1 ∫ −1

𝑓 (𝜉, 𝜂, 𝜁 ) 𝑑𝜉 𝑑𝜂 𝑑𝜁

zu berechnen. Das heißt, es sind reguläre Integrale über einem definierten Integrationsgebiet zu bestimmen. Nur in wenigen Fällen ist dies analytisch möglich, z. B. bei Stabund Balkenelementen. Allgemein können diese Integrale nur näherungsweise numerisch berechnet werden, da die Elemente und damit das Integrationsgebiet im globalen Koordinatensystem verzerrt sind und mit dem isoparametrischen Konzept auf das natürliche Koordinatensystem transformiert werden. Der Integrand besteht z. B. aus dem Produkt von 𝑩 T (𝝃)𝑪𝑩(𝝃) mit det 𝑱 (𝝃). Führt man dies aus, erhält man gebrochen-rationale Funktionen, da die Jacobi-Determinante Kehrwerte von Polynomen enthält, z. B. in 2-D: 𝑓 (𝜉, 𝜂) =

𝑎0 + 𝑎1 𝜉 + 𝑎2 𝜂 + 𝑎3 𝜉𝜂 + 𝑎4 𝜉 2 + 𝑎5 𝜂 2 + +𝑎6 𝜉 2 𝜂 + 𝑎7 𝜉𝜂 2 + … 𝑏0 + 𝑏1 𝜉 + 𝑏2 𝜂 + 𝑏3 𝜉𝜂 + 𝑏4 𝜉 2 + 𝑏5 𝜂 2 + +𝑏6 𝜉 2 𝜂 + 𝑏7 𝜉𝜂 2 + …

.

In nichtlinearen Berechnungen kommt noch hinzu, dass sich die Integranden während der Berechnung verändern, aufgrund großer geometrischer Deformation oder nichtlinearem Materialverhalten. Damit sind die Integrale prinzipiell erst während der Laufzeit auszuwerten und dies kann nur numerisch erfolgen. Eine mögliche Vorgehensweise bei der numerischen Integration oder Quadratur ist ähnlich zur Diskretisierung: die zu integrierende Funktion 𝑓 (𝜉) in Abb. 7.5 wird im Integrationsgebiet durch analytisch einfach integrierbare Polynome ersetzt. Die Stammfunktion ist dann wieder ein Polynom. Die verbleibenden Polynomkoeffizienten der Stammfunktion werden durch Funktionswerte 𝑓 (𝜉𝑖 ), d. h. durch Auswertungen des Integranden an einzelnen Punkten 𝜉𝑖 im Integrationsintervall, bestimmt. Die Integration wird damit durch eine Summe über gewichtete Funktionswerte ersetzt: 𝑛

1

𝐼=

𝑓 (𝜉)d𝜉 ≈ ∑ 𝑓 (𝜉𝑖 ) 𝑤𝑖 . ∫ −1 𝑖=1

BOBMZUJTDI JOUFHSJFSCBSF 'VOLUJPO

Abb. 7.5 Eindimensionale numerische Integration über die natürliche Koordinate

ো )౧* 2

঴ > Ҝ ো )౧*E౧ ҃2

ো )౧্ * 

౧্

౧ 

128

7 Mathematische und numerische Aspekte der FEM

Die Auswertestellen 𝜉𝑖 werden als Integrationspunkte oder Stützstellen bezeichnet. Die Gewichte 𝑤𝑖 werden eingeführt, um die Näherung des Flächeninhalts zu verbessern. Die Anzahl der Integrationspunkte erhöht proportional die Rechenzeit, da die Quadratursumme in jedem Element berechnet werden muss. Erhöht man die Anzahl von zwei auf drei Punkte, bedeutet dies eine Rechenzeiterhöhung von ca. 50 % in der Routine für die Elementberechnung. Gerade in statischen Berechnungen macht dies neben der eigentlichen Gleichungslösung den Hauptanteil der Berechnungszeit aus. Ziel ist deshalb, in der Quadratur mit möglichst wenig Integrationspunkten möglichst hohe Genauigkeit zu erreichen. Im Folgenden werden die bekanntesten Quadraturverfahren am eindimensionalen Beispiel im natürlichen Koordinatensystem (𝜉) mit Intervallgrenzen [−1, 1] eingeführt.

7.2.1 Newton-Cotes-Quadratur Bei diesen Quadraturformeln wird das Integrationsintervall in 𝑛 äquidistante Integrationspunkte unterteilt. Liegen an den Intervallrändern Stützstellen, spricht man von geschlossenen, sonst von offenen Quadraturformeln. Die hier besprochenen Newton-Cotes-Formeln sind vom geschlossenen Typ, d. h. es liegen immer Stützstellen an den Rändern.

7.2.1.1 Trapezregel Am Beispiel der Trapezregel soll die numerische Quadratur schrittweise eingeführt werden. Der Flächeninhalt unter einer Funktion soll im Intervall [−1, 1] näherungsweise berechnet werden. Dazu wird angenommen, dass der Flächeninhalt durch ein Trapez genähert werden kann, s. Abb. 7.6. Die Fläche kann durch Zerlegung in Rechtecke und Dreiecke bestimmt werden: 𝑛

1

𝑓 (1) − 𝑓 (−1) 𝑓 (𝜉) d𝜉 ≈ (1 − (−1)) 𝑓 (−1)+ = 𝑓 (−1)⋅1+𝑓 (1)⋅1 = ∑𝑓 (𝜉𝑖 ) 𝑤𝑖 . [ ] ∫ 2 −1 𝑖=1 Die Umformung zeigt, dass der Flächeninhalt näherungsweise durch eine gewichtete Summe von Funktionswerten des Integranden berechnet werden kann. Abb. 7.6 Einführungsbeispiel zur Quadratur

ো )౧*

ো )2*

ো )҃2*

౧ ҃2

2

7.2 Numerische Integration

129

Tabelle 7.1 Integrationspunkte 𝜉𝑖 und Gewichte 𝑤𝑖 für verschiedene Newton-Cotes-Quadraturformeln Stützstellen 𝑖

𝜉𝑖

𝑤𝑖

𝜉𝑖

𝑤𝑖

Trapezregel

Simpson-Regel

1

-1

1

-1

1/3

2

1

1

0

4/3

1

1/3

3

Dieses Ergebnis kann auch allgemeiner ermittelt werden, indem man den Integranden durch eine Gerade (Polynom 1. Ordnung) 𝑐1 𝜉 + 𝑐0 approximiert: 1

𝑓 (𝜉) d𝜉 ≈

∫ −1

1

𝜉2 = 2𝑐0 . 𝑐1 𝜉 + 𝑐0 d𝜉 = 𝑐1 + 𝑐0 𝜉 ]−1 [ 2 ∫ −1 1

Der Flächeninhalt des Trapezes wird also rein durch den Koeffizienten 𝑐0 des Näherungspolynoms bestimmt. Zur Festlegung von 𝑐0 können die beiden Funktionswerte 𝑓 (−1) und 𝑓 (1) genutzt werden: 𝑓 (−1) + 𝑓 (1) = (𝑐1 ⋅ (−1) + 𝑐0 ) + (𝑐1 ⋅ 1 + 𝑐0 ) = 2𝑐0 . Die Integration wird damit durch eine Summation über 𝑛 = 2 Funktionswerte ersetzt. Die Integrationspunkte und Gewichte der Trapezregel sind in Tab. 7.1 zusammengefasst. Ein Begriff im Zusammenhang mit der Quadratur ist der Genauigkeitsgrad 𝑝, s. Schwarz und Köckler [10, Kap. 7.1, S. 309]. Er gibt an, welcher Polynomgrad 𝑝 durch die jeweilige Quadraturformel exakt integriert werden kann. Allgemein gilt für die Newton-CotesFormeln: Mit 𝑛 Punkten kann mindestens ein Polynom 𝑝 = 𝑛−1. Ordnung exakt integriert werden. Bei der Trapezregel ist 𝑝 = 2 − 1 = 1, d. h. durch zwei Punkte kann eine Gerade (Polynom 1. Ordnung) exakt integriert werden.

7.2.1.2 Simpson-Regel Die Simpson-Regel ist die Erweiterung auf 𝑛 = 3 Integrationspunkte. Dadurch kann ein Polynom 2. Ordnung, 𝑓 (𝜉) = 𝑐2 𝜉 2 + 𝑐1 𝜉 + 𝑐0 , anstatt einer Geraden exakt integriert werden, s. Abb. 7.7. Der dritte Punkt neben den Intervallgrenzen muss durch die Forderung, dass alle Punkte gleichen Abstand haben, genau in der Mitte des Intervalls liegen: 1

∫ −1

1

𝑓 (𝜉)𝑑𝜉 ≈

2 1 2 (𝑐2 𝜉 + 𝑐1 𝜉 + 𝑐0 ) 𝑑𝜉 = 3 𝑐2 + 2𝑐0 ≡ 3 (𝑓 (−1) + 4𝑓 (0) + 𝑓 (1)) . (7.3) ∫ −1

130

7 Mathematische und numerische Aspekte der FEM

Abb. 7.7 Darstellung der Simpson-Regel

ো )౧*

ো )2*

ো )҃2* ো )1* ౧ ౧2 > ҃2

౧3 > 1

౧4 > 2

Der Flächeninhalt wird durch die Koeffizienten 32 𝑐2 + 2𝑐0 bestimmt. Eine Möglichkeit diesen Term durch Funktionswerte und Gewichte auszudrücken ist oben gegeben. Diese stellen die Simpson-Regel dar (s. Tab. 7.1). Einige Gewichte der Newton-Cotes-Formeln werden ab einer Integrationspunktzahl 𝑛 = 8 negativ. Dies kann bei der Summation zur Auslöschung von Termen führen, weswegen diese Quadraturformeln für höhere Stützstellenzahlen nicht eingesetzt werden. Als Beispiel soll die Simpson-Regel auf die Funktion 𝑓 (𝜉) = cos

𝜋 𝜉 2

(7.4)

im Intervall [−1, 1] angewendet werden. Analytisch ergibt sich zum Vergleich 1

𝐼=

∫ −1

4 𝜋 1 2 𝜋 cos( 𝜉)𝑑𝜉 = [sin( 𝜉)] = ≈ 1.27323954 . 2 𝜋 2 −1 𝜋

Wendet man die Simpson-Regel an, dann wird der Integrand an den Rändern und in der Mitte ausgewertet und es ergibt sich 𝐼≈

1 1 4 𝑓 (−1) + 4𝑓 (0) + 𝑓 (1)) = (0 + 4 ⋅ 1 + 0) = = 1.33333333 . 3( 3 3

Dies ist eine sehr grobe Approximation des Integrals mit einem Fehler von 4.72 %.

7.2.2 Gauß-Quadratur Die für die FEM wichtigste Quadraturformel ist die Gauß-Quadratur. Es handelt sich in diesem Fall um offene Quadraturformeln. Zur Verdeutlichung soll ein Polynom 2. Ordnung betrachtet werden, wie in Kap. 7.2.1.2. Für die Integration eines Polynoms 2. Ordnung sind nicht unbedingt drei Punkte am Rand und in der Mitte, wie bei der SimpsonRegel, notwendig. Man kann dasselbe Integral durch zwei Punkte, die an anderer Stelle die Funktion auswerten, berechnen: 1

1 1 1 2 2 ) + 𝑓( ). (𝑐2 𝜉 + 𝑐1 𝜉 + 𝑐0 ) 𝑑𝜉 = 3 𝑐2 + 2𝑐0 = 3 (𝑓 (−1)+4𝑓 (0)+𝑓 (1))≡ 𝑓 (− ∫ −1 √3 √3 Für die Herleitung der Gauß-Quadraturformeln wird die Lage der Stützstellen als variabel angenommen. Damit hat man neben den Gewichten 𝑛 weitere Freiheitsgrade (insgesamt

7.2 Numerische Integration

131

҃

Abb. 7.8 Eindimensionale Gauß-Quadratur mit zwei Punkten

2

2

ҋ4

ҋ4

҃2



,2

also 2𝑛), um Polynome möglichst optimal an den Flächeninhalt anzupassen. Der Genauigkeitsgrad der Gauß-Quadratur beträgt damit 𝑝 = 2𝑛 − 1, z. B. kann durch drei Punkte ein Polynom 5. Ordnung exakt integriert werden. Deswegen sind bei diesen Verfahren die Integrationspunkte unregelmäßig im Intervall verteilt. Für die gleiche Genauigkeit wie in Kap. 7.2.1.2 sind weniger Funktionsauswertungen notwendig. Deswegen ist die Gauß-Quadratur das Standardintegrationsverfahren in der FEM. Jede gesparte Funktionsauswertung hat einen großen Einfluss auf die Rechenzeit, wie zu Beginn erläutert. In Abb. 7.8 ist die Lage der Gauß-Punkte für 𝑛 = 2 auf einem Stabelement dargestellt. Für weitere Stützstellenzahlen sind die Integrationspunkte und Gewichte in Tab. 7.2 aufgelistet. Man erkennt, dass die Abstände zwar nicht gleich sind, aber immer symmetrisch zum Mittelpunkt des Intervalls. Die Summe der Gewichte entspricht immer 2, der Breite des Intervalls. Für eine Erläuterung, wie die Integrationspunkte und Gewichte ermittelt werden, sei auf die Literatur verwiesen, z. B. Gaul, Kögl und Wagner [4, Kap. 6.1.2, S. 179ff.]. Es können beliebige Anzahlen von Integrationspunkten verwendet werden. In kommerziellen Programmen sind aber selten mehr als neun Integrationspunkte tabelliert, da der Genauigkeitsgewinn nicht im Verhältnis zum Rechenaufwand steht. Zum Vergleich mit der Simpson-Regel wird dieselbe Funktion aus Gl. (7.4) mit einer Gauß-Quadratur 𝑛 = 2 integriert: 𝜋 1 𝜋 1 𝐼 ≈ cos − √ ⋅ 1 + cos ⋅ 1 = 1.23238102 . ( 2 3) (2√3) Dies ergibt eine verbesserte Berechnung mit einem Fehler von 3.21 %, wobei ein Punkt weniger benutzt wurde. Anwendung einer Gauß-Quadratur mit 𝑛 = 3 liefert 5 8 5 𝜋 3 𝜋 3 ⋅ + cos (0) ⋅ + cos ⋅ = 1.274123755 𝐼 ≈ cos − √ 9 (2√5) 9 ( 2 5) 9 und damit einen Fehler von nur 0.0694 %. Das Integral wird bei dieser Quadratur durch ein Polynom 5. Ordnung angenähert im Vergleich zur Simpson-Regel bei dem ein Polynom 2. Grads benutzt wird.

Tabelle 7.2 Integrationspunkte 𝜉𝑖 und Gewichte 𝑤𝑖 der Gauß-Quadratur bis 𝑛 = 3 Stützstellen 𝑖

𝜉𝑖

𝑤𝑖

𝜉𝑖

1

0

2

2 3

𝑤𝑖

𝜉𝑖

𝑤𝑖

−1/√3

1

−√3/5

5/9

1/√3

1

0

8/9

√3/5

5/9

132

7 Mathematische und numerische Aspekte der FEM

҃

Abb. 7.9 Eindimensionale Gauß-Lobatto-Quadratur mit vier Punkten

҃2

2

2

ҋ6

ҋ6



,2

7.2.2.1 Gauß-Lobatto-Quadratur Eine Mischung aus den beiden obigen Verfahren stellt die Gauß-Lobatto-Quadratur dar. Da die Gauß-Quadratur keinen Punkt auf der Intervallgrenze hat, wird der Integrand dort nicht ausgewertet. Dies kann z. B. nachteilig sein, wenn Spannungswerte auf der Oberfläche gewünscht sind. Diese müssen dann durch Interpolation vom Integrationspunkt berechnet werden, s. Kap. 7.2.3.1. Hierfür kann die Gauß-Lobatto-Quadratur eingesetzt werden, da bei dieser Quadratur-Regel immer Punkte auf der Intervallgrenze liegen und die restlichen Punkte nicht-äquidistant im Intervall verteilt sind. Eine weitere Anwendung wird in Kap. 7.2.3.2 erläutert. Der Genauigkeitsgrad des Verfahrens ist 𝑝 = 2𝑛 − 3, d. h. es sind mehr Integrationspunkte als bei reiner Gauß-Integration notwendig. Bis 𝑛 = 3 entspricht die GaußLobatto-Quadratur der Trapez- bzw. der Simpson-Regel. Ein Beispiel für ein Stabelement mit vier Integrationspunkten zeigt Abb. 7.9. Die Gewichte sind in diesem Fall 𝑤𝑖 = {1/6, 5/6, 5/6, 1/6}. In Tab. 7.3 ist eine zusammenfassende Übersicht der wichtigsten Eigenschaften der vorgestellten Verfahren gegeben

7.2.3 Mehrdimensionale Integrale Bisher wurde nur der 1-D-Fall behandelt. Die FEM hat ihre Anwendung aber hauptsächlich in mehrdimensionalen Problemen. Die Quadratur von Mehrfachintegralen ergibt sich durch Produkterweiterung der 1-D-Formeln. Für eine Integration in 3-D gilt dann: 1

1

𝑛1

1

∫ −1 ∫ −1 ∫ −1

𝑛2

𝑛3

𝑓 (𝜉, 𝜂, 𝜁) d𝜉 d𝜂 d𝜁 ≈ ∑ ∑ ∑ 𝑓 (𝜉𝑖 , 𝜂𝑗 , 𝜁𝑘 ) 𝑤𝑖 𝑤𝑗 𝑤𝑘 . 𝑖=1 𝑗=1 𝑘=1

Tabelle 7.3 Übersicht der wichtigsten Eigenschaften von Quadraturverfahren Quadratur-Verf. Genauigkeitsgrad Eigenschaften Newton-Cotes

𝑛−1

Unterteilung des Integrationsintervall in n äquidistante Bereiche Immer Integrationspunkte auf dem Rand

Gauß

2𝑛 − 1

Integrationspunkte nicht-äquidistant kein Integrationspunkt am Intervallrand

Gauß-Lobatto

2𝑛 − 3

Mischung aus beiden obigen Verfahren. Es liegen Punkte auf der Intervallgrenze.

7.2 Numerische Integration

133

,2

Abb. 7.10 Gauß-Quadratur in 2-D und 3-D mit zwei Integrationspunkten in jede Richtung

҃20ҋ4

20ҋ4



ౠ ҃2



,2 ౠ



҃2

In 2-D ist die letzte Summe über 𝑘 wegzulassen. Für Scheiben- oder Schalenelemente in 2-D und für ein Hexaeder in 3-D ist die Anordnung bei zwei Integrationspunkten in Abb. 7.10 skizziert. Entsprechend der räumlichen Dimension kommen Integrationspunkte und Gewichte hinzu. Diese sind aber in jede Richtung identisch zum 1-D-Fall. Als Beispiel für eine 2-D Gauß-Quadratur soll das Integral von 𝑓 (𝜉, 𝜂) = (1 + 𝜉 2 + 𝜂 2 )−3/2 auf dem Einheitsquadrat berechnet werden, s. Gaul, Kögl und Wagner [4, Kap. 6.2.1, S. 183]. Gauß-Quadratur mit drei Stützstellen ergibt einen Wert von 2.1444. Die einzelnen Rechenschritte sind in Tab. 7.4 aufgelistet. Die analytische Lösung ergibt sich zu: 4 arctan (

1

√3 )

= 2.094395. Trotz der geringen Anzahl an Integra-

tionspunkten weist das Ergebnis nur einen Fehler von 2.39 % auf.

7.2.3.1 Berechnung und Auswertung von Verzerrungen und Spannungen im Element Der Integrand der Steifigkeitsmatrix setzt sich aus dem Produkt der (virtuellen) Verzerrungen und den (tatsächlichen) Spannungen zusammen, s. Gl. (4.11). Da die Integration Tabelle 7.4 Beispiel für eine 2-D-Gauß-Quadratur 𝑖

1

2

3

𝜉𝑖

−√3/5

0

√3/5

𝑤𝑖

5/9

8/9

5/9

𝑗

𝜂𝑗

𝑤𝑗

𝑓 (𝜉𝑖 , 𝜂𝑗 )

𝑤 𝑖 𝑤𝑗

𝑓 (𝜉𝑖 , 𝜂𝑗 )𝑤𝑖 𝑤𝑗

1

−√3/5

5/9

0.30645

25/81

0.09458

2

0

8/9

0.49411

40/81

0.24400

3

√3/5

5/9

0.30645

25/81

0.09458

1

−√3/5

5/9

0.49411

40/81

0.24400

2

0

8/9

1.0

64/81

0.79012

3

√3/5

5/9

0.49411

40/81

0.24400

1

−√3/5

5/9

0.30645

25/81

0.09458

2

0

8/9

0. 49411

40/81

0.24400

3

√3/5

5/9

0.30645

25/81

0.09458 ∑ = 2.1444

134 Abb. 7.11 Ausschnitt aus einer Farbdarstellung eines Berechnungsergebnisses. Unterschied zwischen ungemittelten (links) und gemittelten (rechts) Ergebnissen. Die Lage von Integrationspunkten ∘ und Knoten • ist hervorgehoben. Es wird nur ein Integrationspunkt genutzt

7 Mathematische und numerische Aspekte der FEM ungemittelt

gemittelt

über diese Größen durch die Quadratur in die Bestimmung von Funktionswerten des Integranden überführt wird, bedeutet dies, dass in der FEM die Verzerrungen und Spannungen an den Integrationspunkten eines Elements ausgewertet werden und nicht an den Knoten. An den Knoten werden nur die Verschiebungen berechnet. Für eine Auswertung von Verzerrungen und Spannungen in der Ergebnisanalyse gibt es nun prinzipiell zwei Möglichkeiten in kommerziellen FE-Programmen. Zunächst kann man die Rohdaten an den Integrationspunkten als Basis nehmen und über die Ansatzfunktionen für jedes Element einzeln darstellen. Da nur für die Verschiebungen Kompatibilität zwischen den Elementen sichergestellt ist, sind die Verzerrungen und Spannungen i. d. R. unstetig über die Elementränder. Diesen unstetigen Verlauf sieht man dann auch in den Ergebnissen, s. Abb. 7.11 (links). Diese Ergebnisdarstellung wird als ungemittelt (non-averaged) bezeichnet und gibt einen guten Eindruck der tatsächlich berechneten Feldverläufe der abgeleiteten Größen wieder. Eine weitere Möglichkeit besteht darin, die Ergebnisse mit den Ansatzfunktionen von den Integrationspunkten auf die Knoten zu interpolieren. An den Knoten werden dann die Ergebnisse aller anliegenden Elemente gemittelt (häufig als averaged oder nodal bezeichnet). Zwischen den Knotenwerten werden die Feldgrößen interpoliert. So entsteht ein über die Elementränder hinweg glatter Ergebnisverlauf, auch wenn dies den realen Ergebnissen nicht entspricht, s. Abb. 7.11 (rechts). Da physikalisch aber auch keine Unstetigkeiten an den Elementrändern auftreten, solange keine Diskontinuitäten auftreten, s. Abb. 7.23, ist auch diese Darstellung gerechtfertigt. Es kann durch die Interpolation allerdings zum Verschmieren von Spitzen in den Ergebnissen kommen. Außerdem wird eine Ergebnisqualität vermittelt, die nicht vorhanden ist. Deswegen muss der Anwender immer abwägen, welche Darstellung er wählt. Ein weiteres Beispiel ist in Kap. 14.2.8 in Abb. 14.14 angegeben.

7.2.3.2 Dickenintegration bei Schalenelementen Es soll noch auf einen Sonderfall bei der numerischen Quadratur von Schalenelementen eingegangen werden. Wenn ein nichtlineares Materialgesetz eingesetzt werden muss, z. B. bei elastoplastischem Materialverhalten (s. Kap. 10.3), sind für die korrekte Behandlung von Biegespannungen im Querschnitt Integrationspunkte durch die Dicke anzusetzen, da der Verlauf der Spannungen nicht mehr der linearen Annahme der Biegetheorie entspricht. Zum Beispiel kann die Randfaser bereits plastisch reagieren, während im Inneren noch elastisches Verhalten vorliegt, s. Abb. 7.12.

7.2 Numerische Integration Abb. 7.12 Beispiel für den Verlauf der Spannung über die Dicke eines Schalenelements bei elastoplastischer Deformation

135

౬ড়ড় OJDIUMJOFBS ঢ় ড়

౬ড়ড় MJOFBS diskretisierte Schalenebene

Auch durch die Dicke werden die vorgestellten Quadraturregeln eingesetzt. Um den nichtlinearen Verlauf abzubilden, werden normalerweise fünf bis neun Integrationspunkte bei elastoplastischem Materialverhalten angenommen, s. Abb. 7.13. Hierfür kann auch vorteilhaft die Gauß-Lobatto-Quadratur angewendet werden, da hier nun der Vorteil zum Tragen kommt, dass immer ein Spannungswert auf der Schalenoberfläche berechnet wird.

7.2.4 Anwendungshinweise zum Integrationsverfahren Es stehen für die Berechnung der Elementmatrizen verschiedene Quadraturverfahren mit beliebiger Anzahl Integrationspunkten zur Verfügung. Es sollen im Folgenden einige Hinweise gegeben werden, wann welches Verfahren vorteilhaft eingesetzt werden kann und auch wie viele Integrationspunkte notwendig sind. Die Newton-Cotes-Formeln sind sehr praktisch und einfach zu programmieren, da die Punkte äquidistant im Integrationsintervall liegen. Neben Anwendungen in der Messtechnik, wo z. B. die Trapezregel häufig für die Integration von Messsignalen eingesetzt wird, die mit fester Frequenz abgetastet werden, gilt dies in Berechnungsverfahren vor allem, wenn die Integrationsordnung adaptiv während einer Berechnung erhöht werden soll. Allerdings sind prinzipiell mehr Integrationspunkte als bei Gauß-Quadratur notwendig, mit der angesprochenen Rechenzeiterhöhung. Das Verfahren kann auch dort eingesetzt werden, wo ein Integrationspunkt am Rand des Elements (an der Intervallgrenze) liegen soll, weil Spannungen ausgewertet werden müssen. Das in der FEM als Standard eingesetzte Integrationsverfahren ist die Gauß-Quadratur, aufgrund des hohen Genauigkeitsgrads verbunden mit geringen Rechenzeiten. Die Integrationspunkte sind zwar nicht äquidistant verteilt, dies stellt aber in der FEM keine Einschränkung dar. Ein Nachteil ist, dass kein Integrationspunkt auf der Intervallgrenze liegt. Abb. 7.13 Lage der Integrationspunkte bei vollintegriertem Element in der Ebene und fünf Gaußpunkten durch die Dicke

136

7 Mathematische und numerische Aspekte der FEM

Für die FEM bedeutet dies, dass an den Elementgrenzen der Integrand nicht berechnet wird. Dies kann bei der Auswertung von Spannungen an der Oberfläche von Nachteil sein. In solchen Fällen kann die Gauß-Lobatto-Quadratur vorteilhaft eingesetzt werden. Einerseits liegt immer ein Integrationspunkt an den Intervallgrenzen, d. h. an den Elementrändern, es sind aber weniger Integrationspunkte notwendig als bei den Newton-CotesFormeln. Wobei man sagen muss, dass dies erst bei höheren Integrationsordnungen gilt, da für 𝑛 = 2, 3 Gauß-Lobatto- und Newton-Cotes-Formeln zusammenfallen. Für die notwendige Anzahl der Integrationspunkte gibt es keine eindeutige Regel. Für einen einfachen Fall lässt sich aber die Anzahl angeben: Wir betrachten ein rechtwinkliges Scheibenelement nach Abb. 7.10. Da das Element rechtwinklig ist, entspricht es dem Element in natürlichen Koordinaten und damit ist die Jacobi-Matrix eine Konstante. Des Weiteren gehen wir von den bilinearen Ansatzfunktionen in Gl. (6.24) aus. In der Steifigkeitsmatrix treten Produkte der Ableitungen der Formfunktionen in der Matrix 𝑩 nach 𝑒 proportional zu (die konstante JacobiTab. 6.4 auf. Zum Beispiel ist der Integrand von 𝐾13 Determinante und die elastischen Konstanten werden weggelassen): 𝜕𝑁I 𝜕𝑁J 𝜕𝑁I 𝜕𝑁J 1 𝑒 T 2 2 (𝑩 𝑩)13 = 𝜕𝜉 𝜕𝜉 + 𝜕𝜂 𝜕𝜂 = 16 (2𝜂 − 𝜉 − 𝜂 ) . Da die Formfunktionen bilineare Funktionen sind, treten nach der Ableitung trotzdem quadratische Terme in den Koordinaten 𝜉 und 𝜂 auf. Mit dem Genauigkeitsgrad der GaußQuadratur aus Tab. 7.3 sind für eine exakte Integration dieses Terms in jede Richtung zwei Integrationspunkte notwendig, wie in Abb. 7.10 angedeutet. In Knothe und Wessels [7, Kap. 8.1.2] wird dies als zuverlässige Integrationsordnung bezeichnet. Analog kann man diese Überlegung für biquadratische Elemente durchführen. Hier entstehen Polynome 4. Ordnung, die mit einer Gauß-Quadratur mit drei Stützstellen exakt integriert werden können. Mit einer Newton-Cotes-Formel wären hier 𝑛 = 𝑝 + 1 = 5 Punkte notwendig. Bei einem Hexaederelement wären dies 53 = 125 Integrationspunkte pro Element, mit Gauß-Quadratur 3. Ordnung 33 = 27, d. h. nur ca. 21 % der Rechenzeit für ein dreidimensionales Element. Details s. Knothe und Wessels [7, Kap. 8.1.2, S. 262]. Bei verzerrten Elementen kann nie exakt integriert werden, da die Jacobi-Matrix nicht mehr konstant ist und über die Jacobi-Determinante gebrochen-rationale Integranden entstehen, die ggf. einen sehr hohen Genauigkeitsgrad erfordern. In der Praxis wird aber i. d. R. eine Gauß-Quadratur mit zwei Stützstellen bei linearen Elementen und eine mit drei Stützstellen bei quadratischen Ansatzfunktionen eingesetzt. Allgemein werden Elemente, die so integriert werden, als vollintegriert bezeichnet.

7.3 Elementversteifung (Locking) In diesem Abschnitt soll eine besondere Problematik von Elementen mit Ansatzfunktionen niedriger Ordnung (lineare Ansätze) beleuchtet werden. Die Verwendung von 𝐶 0 -stetigen Ansatzfunktionen hat neben der Sicherstellung von Konvergenz den Vorteil, dass der niedrige Polynomgrad einfach und effizient berechenbare Elemente ergibt. Ein Nachteil entsteht bei diesen Elementen dadurch, dass es zu Versteifungseffekten kommen kann. Dies

7.3 Elementversteifung (Locking)

137

äußert sich so, dass der berechnete Deformationszustand nicht dem exakten entspricht, sondern viel zu gering berechnet wird. Dies wird als Elementversteifung bezeichnet, wobei sich auch im Deutschen der Begriff Locking (to lock = blockieren, verschließen) durchgesetzt hat. Locking kann bei allen in Kap. 6.1 vorgestellten Elementklassen auftreten, bei Schalenelementen betrifft das Locking nur die schubweichen Elemente aufgrund der niedrigen Grade der Ansatzpolynome. Schubstarre Schalen sind lockingfrei, s. Bischoff [3, S. 99]. Sie sind aber auf Grund der in Kap. 6.4.2 genannten Schwierigkeiten nur eingeschränkt geeignet. Das Locking wurde und wird intensiv untersucht, weswegen auch an dieser Stelle kein Überblick über die Literatur gegeben werden kann, sondern nur einige ausgewählte Literaturstellen genannt werden, wie z. B. Belytschko u. a. [2] , Bischoff [3], Hughes [6], Wriggers [12].

7.3.1 Beschreibung des Locking-Effekts Es gibt verschiedene Locking-Effekte abhängig vom Elementtyp, von denen hier die wichtigsten genannt werden: • Volumen-Locking (auch Poisson-Locking) tritt auf, wenn das zugehörige Materialgesetz (nahezu) inkompressibel ist, d. h. wenn gilt 𝜈 = 0.5. Der Effekt hängt mit der Querkontraktion zusammen und ist bei hyperelastischen und plastischen Materialien relevant. • Membran-Locking tritt bei gekrümmten Elementen auf, wenn reine Biegung vorliegt, z. B. bei bilinearen Elementen, die nicht eben sind. • Schub-Locking tritt in ebenen Modellen auf, wenn der Belastungszustand eine Deformation in der Ebene auslöst, die einer Biegung entsprechen würde. • Querschub-Locking tritt auf, wenn bei reiner Biegung Querkräfte erzeugt werden, die mechanisch nicht auftreten. Bei 7-Parameterschalen kommt zu den bisher genannten Locking-Effekten noch ein weiterer hinzu, s. Bischoff [3, S. 82]. Der Effekt soll am Schub-Locking (shear locking) eines ebenen Scheibenelements aus Kap. 6.4.1.1 erläutert werden (s. auch Bischoff [3, Kap. 6.4.6, S. 90]): Eine reine Biegebeanspruchung eines Streifens in der (𝑥, 𝑦)-Ebene erzeugt den in Abb. 7.14 dargestellten Biegeverlauf in einem kontinuierlichen Körper, der nur linear verlaufende Normalspannungen 𝜎𝑥𝑥 erzeugt. Diese sind auf der neutralen Faser null und auf den Deckflächen maximal, s. Abb. 7.14 Reine Biegebeanspruchung eines Streifens in der Ebene mit Detailausschnitt

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౬ড়ঢ়

138 Abb. 7.15 Prinzipskizze zum Schublocking: Deformation der Lage der Integrationspunkte (vollintegriert ○, unterintegriert ○) eines schubweichen Elements bei konstanter Biegung

7 Mathematische und numerische Aspekte der FEM

৊𝑒 ౚ ঢ় ৊



౬ড়ড়

౬ড়ঢ়

Abb. 7.14. Da dies bei reiner Biegung in jedem Querschnitt identisch ist, resultiert daraus ein konstantes Biegemoment 𝑀(𝑥) = 𝑐𝑜𝑛𝑠𝑡. und verschwindende Querkraft 𝑄(𝑥) = 0. Die Querschnitte stehen im Kontinuum in diesem Fall auch nach der Deformation senkrecht. Da 𝑄 = 0 gilt, wird keine Scherung 𝛾𝑥𝑦 und damit keine Schubspannung berechnet: 𝜎𝑥𝑦 = 0. In Abb. 7.15 ist dem gegenüber die einem bilinearen Element mögliche Verformung dargestellt. Das Biegemoment wird durch das äquivalente Kräftepaar ersetzt. Die Krümmung der Biegelinie kann durch die lineare Ober- und Unterkante eines finiten Elements nicht abgebildet werden. Um die neutrale Faser werden die Kanten zu einem Trapez verdreht. Durch das Kräftepaar wird eine Scherung 𝛾𝑥𝑦 der Koordinatenlinien erzeugt (𝛼 ≠ ⟂). Neben den Normalspannungen treten damit Schubspannungen 𝜎𝑥𝑦 ≠ 0 auf, die in der exakten Lösung (s. Hughes [6, Kap. 4.7, bei Abb. 4.7.1]) nicht vorkommen. Die eigentliche Biege-Deformation kann nicht abgebildet werden, das Element reagiert von außen betrachtet zu steif. Dies wird als Locking bezeichnet. Diese Schubspannungen erzeugen eine Formänderungsarbeit, die dem Anteil der Formänderungsarbeit aus reiner Biegung entzogen wird. Deswegen werden diese Spannungsanteile als parasitär bezeichnet. Je dünner der Streifen wird, desto größer ist der Schubspannungseinfluss, im Grenzfall einer sehr dünnen Struktur würde gar keine Deformation mehr berechnet. Das Schublocking tritt auch bei Balkenelementen auf. Bei Nutzung der BernoulliTheorie (s. Kap. 6.3.3.1) ist der Effekt nicht vorhanden, da Schubverzerrungen vernachlässigt werden, bei dem schubweichen Timoshenko-Balkenelement nach Kap. 6.3.3.2 ist dies aber sehr ausgeprägt. Für sehr illustrative Darstellungen des Schublockings beim Timoshenko-Balken wird der Leser auf Knothe und Wessels [7, Kap. 9.4.1, S. 333 ff.], Merkel und Öchsner [9, Kap. 8.3.5] oder Steinke [11, Kap. 6.6.2] verwiesen.

7.3.2 Maßnahmen zur Vermeidung von Elementversteifung Um die Elementversteifung zu beheben oder zumindest zu verringern, sind folgende Möglichkeiten gegeben:

7.3.2.1 Erhöhung des Grads der Ansatzpolynome Elemente mit quadratischen Ansatzfunktionen beheben das Locking teilweise, da dadurch mehr Flexibilität in das Element gebracht wird, allerdings verbleiben gewisse LockingEffekte. Zur vollständigen Behebung des Locking sind höhere Ansatzgrade notwendig,

7.3 Elementversteifung (Locking)

139

die aber in der Regel in kommerziellen Programmen nicht verfügbar sind. Weiterhin ist der Einsatz von Elementen mit hohem Polynomgrad nicht in allen Anwendungen sinnvoll, z. B. der expliziten Dynamik, s. Kap. 13.3.3.

7.3.2.2 Elemente auf Basis von gemischten Energieprinzipien Das Energieprinzip in Gl. (4.2) enthält als einzige Unbekannte (neben den virtuellen Größen) das Verschiebungsfeld 𝒖(𝒙). Es wird deswegen als Einfeldprinzip bezeichnet. Es sind weitere Nebenbedingungen zu erfüllen, s. Gl. (4.13), um das gesamte strukturmechanische Problem zu beschreiben. Dies erschwert die Behandlung in einem Näherungsverfahren, weswegen zur Diskretisierung auch sog. Mehrfeldprinzipien oder gemischte Energieprinzipien eingesetzt werden, in denen die Nebenbedingungen über zusätzliche Variablen in die Formulierung eingeführt werden. Damit hängt das Energieprinzip z. B. von den Verschiebungen 𝒖(𝒙) und den Spannungen 𝝈(𝒙) ab. Eine Übersicht findet sich bei Gaul, Kögl und Wagner [4, Kap. 11]. In der FEM werden die Mehrfeldprinzipien genutzt, da sich damit das Locking beheben lässt. Locking kann auch so verstanden werden, dass es Zusatzbedingungen gibt, die einzuhalten sind, wie z. B. beim Volumenlocking bei inkompressiblem Materialverhalten die Bedingung 𝜈 = 0.5. Diese kann über ein Mehrfeldprinzip als Teil der diskretisierten Gleichungen direkt erfüllt werden. Solche Elementtypen benötigt man bei hyperelastischen und elastoplastischen Materialien. Neben dem Volumenlocking kann man durch Erweiterung der Freiheitsgrade im Verzerrungsfeld auch andere Locking-Effekte behandeln. Es werden auf Elementebene zusätzliche Freiheitsgrade der Verzerrungen eingeführt, die über die Elementgrenzen nicht kompatibel sein müssen (sog. inkompatible Moden), aber auf Elementebene die notwendige Flexibilität einführen, das Locking zu vermeiden. Da sie keine Verbindung nach außen haben, können sie bei Berechnung der Elementsteifigkeitsmatrix statisch kondensiert werden (s. Kap. 5.6.3.2). Allerdings ist dieser Berechnungsschritt relativ aufwendig. Weiterhin sind zusätzliche Informationen zu speichern, sodass dieser Elementtyp einen hohen numerischen Aufwand erzeugt. Die bekanntesten Elemente aus dieser Klasse werden als Enhanced-Assumed-Strain (EAS)-Elemente bezeichnet, die sich in jeder kommerziellen Elementbibliothek finden. Auf eine detaillierte Beschreibung muss hier verzichtet werden. Ein Überblick findet sich bei Bischoff [3, Kap. 7.4].

7.3.2.3 Elemente mit verbesserten Ansätzen Das Locking betrifft immer bestimmte Anteile der Elementsteifigkeitsmatrix. Im Beispiel oben werden parasitäre Schubspannungen erzeugt. Daneben treten aber auch Membranund Biegespannungen auf, die nicht zu Locking führen. Die für das Locking verantwortlichen Verzerrungen werden nun nicht aus den Verschiebungsableitungen mit der 𝑩-Matrix berechnet, wie bei einem Standardelement, da daraus die parasitären Spannungen resultieren würden, sondern es werden Verzerrungen an einzelnen Punkten des Elements (nicht den Knoten) aus den dortigen Verschiebungen ausgewertet, an denen die parasitären An-

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7 Mathematische und numerische Aspekte der FEM

teile der Gesamtverzerrung null sind. Mit diesen Stützstellen kann nun ein Verzerrungsfeld über das gesamte Element interpoliert werden, das keine parasitären Verzerrungen erzeugt. Anschaulich bedeutet dies, dass die 𝑩-Matrix in einen lockingfreien Teil 𝑩Rest und einen Teil 𝑩Parasitär zerlegt wird. Der letztere wird nicht wie üblich interpoliert, sondern durch die oben angegebene Vorgehensweise. Für eine detaillierte Darstellung wird auf Bischoff [3, Kap. 7.2] verwiesen. Elemente dieses Typs werden als Assumend-Natural-Strain (ANS)-Elemente2 bezeichnet.

7.3.2.4 Reduzierte Integration Für die Integration der Ansatzpolynome ist nach Kap. 7.2.4 eine gewisse Anzahl Integrationsstellen im Element notwendig. Für ein ebenes Scheibenelement sind dies 2 × 2 GaußIntegrationspunkte, die in Abb. 7.15 eingezeichnet sind. In Kap. 7.2.3.1 wurde ausgeführt, dass dort die Verzerrungen und Spannungen berechnet werden, d. h. die Verzerrung an den Stellen der Integrationspunkte führt zur Berechnung der parasitären Spannungen. Benutzt man eine reduzierte Integration (oft auch Unterintegration), mit einer Stützstelle weniger als notwendig, d. h. hier 1 × 1 Gauß-Integrationspunkte, liegt der verbleibende Punkt im Zentrum des Elements (○ in Abb. 7.15). An dieser Stelle tritt keine Verzerrung auf, somit werden dort auch keine parasitären Spannungen berechnet. Mit der reduzierten Integration kann man Locking vermeiden, allerdings erhält man eine singuläre Steifigkeitsmatrix. Darauf wird im nächsten Abschnitt eingegangen. Man unterscheidet zwei Varianten der reduzierten Integration, abhängig davon, welche Terme so behandelt werden: • selektiv-reduziert integrierte Elemente: Wie bei den ANS-Elementen, werden bei der selektiv-reduzierten Integration nur die Anteile der Steifigkeitsmatrix reduziert integriert, die betroffen sind. Beim Timoshenko-Balken in Kap. 6.3.3.2, bei dem derseli be Effekt auftritt, würde der Anteil 𝑊𝛿,Schub der Formänderungsarbeit reduziert ini tegriert, während 𝑊𝛿,Bieg vollintegriert wäre. In kommerziellen Programmen werden solche Elemente häufig mit der Abkürzung „SR“ versehen. • vollständig unterintegrierte Elemente: Jede Komponente der Steifigkeitsmatrix wird unterintegriert unabhängig davon, ob die Anteile zum Locking beitragen oder nicht. Es entstehen so relativ einfache und effiziente Elemente. Bei linearen Elementen ist die zuverlässige Integrationsordnung 2 × 2. Das vollständig unterintegrierte Elemente hat dagegen nur noch einen Integrationspunkt im Ursprung des natürlichen Koordinatensystems, damit werden viele Berechnungen stark vereinfacht. Die Unterintegration hat allgemein den positiven Nebeneffekt, dass die Berechnung an weniger Integrationspunkten durchgeführt wird (z. B. beim vollständig unterintegrierten linearen Hexaeder nur 1-mal anstatt 8-mal) und damit recheneffiziente Elemente entstehen. Es folgen aber auch negative Effekte, die im nächsten Abschnitt erläutert werden.

2

Eine andere Bezeichnung dieser Elementklasse lautet MITC-Elemente (mixed interpolation of tensorial components), s. Bathe [1, Kap. 5.4, S. 445].

7.3 Elementversteifung (Locking)

141

7.3.3 Null-Energie-Moden Durch Unterintegration kann die Elementversteifung vermieden werden. Dafür erkauft man sich aber einen neuen Effekt, der an Abb. 7.15 erläutert werden soll: Da nur ein Integrationspunkt in der Mitte vorliegt, werden die Koordinatenachsen (- - -) bei der gezeichneten Belastungsart nicht gedehnt. Obwohl also das Element Scherungen erfährt, werden diese im verbleibenden Integrationspunkt (∘) im Zentrum nicht registriert und damit kein Verzerrungszustand berechnet. Diese Deformationszustände sind damit physikalisch nicht sinnvoll und führen zu einer singulären Steifigkeitsmatrix. Die Singularität von Steifigkeitsmatrizen wurde in Kap. 5.4.1 bereits erläutert und bedeutet, dass Eigenwerte der Matrix null sind (s. a. Kap. 8.2). Dort wurde dies mit möglichen Starrkörperbewegungen erläutert. Hier kommt nun eine weitere Möglichkeit hinzu, wie diese Singularität entstehen kann, da durch die Unterintegration verzerrungsfreie Deformationen eines Elements möglich sind, die keine Starrkörperverschiebungen sind, die sich aber auch in NullEigenwerten äußern. Die zugehörigen Deformationszustände lassen sich wie in Kap. 8.2 unter Annahme von 𝜔 = 0 über 𝑲 𝑒 𝒖H = 𝟎 berechnen. Ein Beispiel sind die Verschiebungen der Knoten in Abb. 7.16 T

𝒖H = [𝒖TI 𝒖TJ 𝒖TK 𝒖TL ] = [−1 0 + 1 0 − 1 0 + 1 0]T . Dass durch den Verschiebungsvektor 𝒖H keine Verzerrungen entstehen, sieht man, indem man die 𝑩-Matrix aus Tab. 6.4 im Koordinatenursprung auswertet und Gl. (5.4) zur Berechnung von Verzerrungen anwendet: 𝑩(𝝃 = 𝟎) 𝒖H = 𝟎. Da die Verzerrungen null sind, wird aus diesem Deformationszustand keine Formänderungsenergie berechnet. Man spricht deswegen von Null-Energie-Moden (zero-energy modes), da es sich um Eigenmoden für einen Eigenwert gleich null handelt (s. Kap. 8.2). In einem kompletten FE-Netz stellt sich eine Deformation ein, die schematisch rechts in Abb. 7.16 dargestellt ist. Eine solche Lösung ist ein rein numerischer Effekt und tritt nur wegen der Unterintegration auf. Entsprechend der Form wird dieser Effekt als Hourglassing (Hourglass = Sanduhr, Stundenglas) bezeichnet. Ausgelöst wird Hourglassing durch Einzellasten oder spezielle Lagerungsbedingungen, die Verschiebungslösungen erzeugen, die der Form der Null-Energie-Moden ähnlich sind. Es tritt häufig auch bei Kontakt auf, da auch hier Punktlasten an den Elementen eingeleitet werden, s. Kap. 11.3.2. In Abb. 7.17 und Abb. 7.18 sind zwei mögliche Erscheinungsformen bei Schalen aus Rechnungen mit LS-DYNA gezeigt. Die Anregung in beiden Modellen erfolgt als Einzellast. Ebenso ist die Lagerung nur punktuell, s. Abb. 7.17. Dies ist Abb. 7.16 Darstellung des Hourglassing



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142

7 Mathematische und numerische Aspekte der FEM

Abb. 7.17 Hourglassing in der Schalenebene

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besonders kritisch für das Hourglassing. Die Berechnungsmodelle für LS-DYNA finden sich im elektronischen Zusatzmaterial zum Buch.

7.3.3.1 Stabilisierung von Null-Energie-Moden Unterintegration wird in kommerziellen Elementbibliotheken sehr häufig eingesetzt, um Locking zu vermeiden. Um die dabei unvermeidlichen Null-Energie-Moden zu unterbinden, werden spezielle Stabilisierungsmethoden eingesetzt. Eine umfassende Erläuterung der Stabilisierungskonzepte findet sich bei Belytschko u. a. [2, Kap. 8.7.4, S. 522] und Hughes [6, Kap. 4.8, S. 251]. Prinzipiell werden aus den Null-Energie-Moden künstliche Steifigkeitsterme konstruiert, die auf die singuläre unterintegrierte Steifigkeitsmatrix addiert werden, die damit regulär wird. Erfolgt eine Anregung eines Elements in einer Null-Energie-Mode wird über die künstliche Steifigkeit eine Kraft berechnet, die dieser Verschiebung entgegenwirkt. Anschaulich gesprochen werden künstliche Kräfte zur Unterdrückung der Hourglass-Verschiebungszustände eingeführt. Nach der Art der Erzeugung der stabilisierenden Kräfte unterscheidet man: • viskose Stabilisierung: die Steifigkeitsterme werden aus einem geschwindigkeitsproportionalen Ansatz berechnet. • steifigkeitsbasierte Stabilisierung: die Steifigkeitsterme werden deformationsabhängig berechnet. Es wird ein Skalierungsparameter eingeführt, mit dem der Anwender die Kräfte einstellen kann, wobei man dies nur mit Vorsicht tun sollte. Durch diese künstlichen Kräfte wird bei Auftreten von Null-Energie-Moden eine Hourglass-Energie erzeugt, die der Gesamtbilanz Energie entzieht und damit das Ergebnis verfälscht. Deshalb muss dieser Energieanteil vom Anwender kontrolliert werden. Üblicherweise werden Anteile von wenigen Prozent bezogen auf die innere oder totale Energie als akzeptabel betrachtet. Bei Werten darüber muss das Modell kritisch geprüft werden.

Abb. 7.18 Hourglassing transversal zur Schalenebene. Links ein unterintegriertes Element, rechts ein EAS-Element ohne Hourglassing

7.4 Praxis-Hinweise zur Modellierung

143

7.4 Praxis-Hinweise zur Modellierung Vor jeder Berechnung ist auf die Verwendung eines geeigneten und sinnvollen Einheitensystems durch den Benutzer zu achten, d. h. die verschiedenen physikalischen Größen müssen konsistent sein. Eine Überprüfung kann durch die Bedingung 1 (Einheit der Kraft) = 1 (Einheit der Masse) × 1 (Einheit der Beschleunigung) erfolgen. Tabelle A.2 gibt einen Überblick über in der FEM gebräuchliche Einheitensysteme. Je nach Anwendungsfall haben sich verschiedene Einheitensysteme etabliert, so wird speziell für die Umformsimulation das Einheitensystem t, mm, s, N (Variante 2) eingesetzt, während im Bereich der Crashberechnung die Einheiten kg, mm, ms, kN (Variante 3) gemäß Tab. A.2 Anwendung finden.

7.4.1 Vernetzungsmethoden Für die Vernetzung stehen heutzutage leistungsfähige Programme zur Verfügung, die, teilweise vollautomatisch, Diskretisierungen beliebiger Strukturen erzeugen. Zwei wesentliche Begriffe bei der Netzerzeugung sind zu unterscheiden (s. Liseĭkin [8, Kap. 1.3]): • strukturierte Vernetzung: Hier ist das Netz völlig regelmäßig aus Viereck- bzw. Hexaederelementen aufgebaut. Jeder innere Knoten hat gleich viele Elemente, mit denen er verbunden ist, die Netze sind also topologisch identisch an den inneren Knoten. Solche Netze kann man erzeugen, indem man eine Standardzelle aus Quadraten oder Würfeln auf das zu vernetzende Gebiet transformiert. Daher rührt im Englischen der Name mapped meshing (transformierte Vernetzung), s. Abb. 7.19 (rechts). Der Vorteil ist, dass numerisch gut geeignete Diskretisierungen entstehen, v. a. erzeugt man damit Hexaedernetze. Die Idealisierung in Kap. 1.2 hat im Wesentlichen das Ziel, das geometrische (CAD-) Modell so anzupassen, dass eine strukturierte Vernetzung mit Hexaedern für einzelne Bauteile möglich ist. Der Nachteil ist, dass die Transformation nur begrenzt einsetzbar ist. Im 2-D darf das Gebiet nur von drei oder vier Linien begrenzt sein. Je unregelmäßiger das Vernetzungsgebiet ist, desto stärker verzerrt wären die Elemente, sodass diese Methode nur eingeschränkt genutzt werden kann. • Sweep-Vernetzung: Eine Variante der strukturierten Vernetzung ist die Sweep-Vernetzung (to sweep = kehren, überstreichen), die in Kap. 6.5.2 bereits angesprochen wurde. Abb. 7.19 Ebenes Beispiel für ein unstrukturiertes und ein strukturiertes Netz

144

7 Mathematische und numerische Aspekte der FEM

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Abb. 7.20 Beispiel für eine Sweep-Vernetzung

Diese Methode wird sehr häufig in kommerziellen Programmen angeboten und kann angewendet werden, wenn ein Körper durch Extrusion einer Fläche entlang einer Linie erzeugt wird, s. als Beispiel Abb. 7.20 links. Zur Vernetzung wird zunächst die Generierungsfläche mit ebenen Elementen vernetzt (Bildmitte). Dieses Oberflächennetz wird dann senkrecht um die gewählte Elementkantenlänge extrudiert, sodass eine Schicht von 3-D-Elementen resultiert. Diese werden dann identisch untereinander kopiert, bis der Körper gefüllt ist (Bild rechts). Es ist zu beachten, dass die Extrusionslinie keine Gerade sein muss, sondern auch eine gekrümmte Raumkurve sein kann. So kann z. B. ein Auslasskrümmer eines Motors so vernetzt werden. Es entstehen dadurch hochwertige Netze hauptsächlich aus Hexaedern, die numerisch sehr gut geeignet sind. • unstrukturierte Vernetzung: Diese Vernetzungsmethode wird als freie Vernetzung (free meshing) bezeichnet. Die Knoten sind unregelmäßig im Netz verteilt, die Anzahl Elemente an einem Knoten und die Elementart können variieren, z. B. eine Mischung von Dreiecken und Vierecken, s. Abb. 7.19 (links). Dadurch sind solche Netze sehr flexibel an beliebige Geometrien anpassbar. Der Nachteil ist, dass Elemente entstehen, die verzerrt und numerisch nicht optimal sind (Dreiecke, lineare Tetraeder). Trotz dieses Nachteils ist die freie Vernetzung eine häufig genutzte Methode, gerade bei Volumenkörpern, z. B. einer Gussstruktur mit Verrundungen, da auf andere Weise gar keine Vernetzung erzeugt werden kann.

7.4.2 Anforderungen an die Elementauswahl und Vernetzung Durch die Auswahl eines Elementtyps wird vorgegeben, welches Lösungsverhalten möglich ist. Wichtig ist dabei, dass die Elementauswahl an das Problem angepasst ist: • • • •

Fachwerkstrukturen oder Wellen: 1-D-Elemente (Balken, Stäbe) dünnwandige Strukturen: 2-D-Elemente (Schalen, Platte, Scheibe) volumetrische Körper: 3-D-Elemente (Hexaeder, Tetraeder) An Übergängen zwischen dünnen und dickeren Strukturteilen ist die Modellierung generell schwierig. In der Praxis werden Elementtypen verschiedener Dimension mit speziellen Zwangsbedingungen verbunden (häufig als Kopplungselemente oder constraint elements bezeichnet), sodass die jeweiligen Freiheitsgrade korrekt behandelt werden.

7.4 Praxis-Hinweise zur Modellierung

145

Die Kopplung der Drehfreiheitsgrade eines Schalenelements wird z. B. über die Verschiebungen von angekoppelten Lagen von Volumenelementen realisiert. An die Qualität der Vernetzung sind gewisse Anforderungen zu stellen. Dahinter steht generell, dass Elemente in natürlichen Koordinaten definiert sind und mit einer Transformation in den realen Raum umgerechnet werden, s. Abb. 6.5. Diese Transformation geht in die Berechnung der Integrale ein, wie in Kap. 7.2 erläutert. Durch verzerrte Elemente sinkt die Integrationsgenauigkeit, da die Jacobi-Matrix der Transformation komplizierter wird. Ist das Element in natürlichen Koordinaten und im aktuellen Koordinatensystem identisch, dann ist det 𝑱 = 1 und die zu integrierenden Funktionen sind einfacher. Je mehr die aktuelle Elementform abweicht, desto komplizierter ist die Determinante, v. a. ist sie nicht mehr konstant. Optimal sind deshalb im 2-D quadratische bzw. im 3-D würfelförmige Elemente. Allgemein ist es aber unmöglich, jeden Körper so zu vernetzen, es sind immer Dreiecke bzw. Tetraeder oder verzerrte Vierecke und Hexaeder notwendig. Automatische Vernetzer versuchen Netze bestmöglich nach diesem Kriterium zu erzeugen. Zur Überprüfung sind in kommerziellen Programmen Qualitätskriterien für die Form der Elemente definiert, die vor und während der Berechnung geprüft werden und ggf. zu einer Warnung oder einem Abbruch der Rechnung führen können. Die wichtigsten Kriterien sind im Folgenden aufgelistet: • Die wesentlichste Anforderung ist, dass die Innenwinkel 𝜙 eines Elements kleiner sein müssen als 180∘ , s. Abb. 7.21, da die Transformation durch die Jacobi-Matrix 𝑱 sonst nicht mehr eindeutig ist. Dies äußert sich in der Berechnung durch ein negatives Volumen bzw. det 𝑱 < 0. • Die Seitenlängen eines Elements sollen gleich lang sein. Deswegen ist das Seitenlängenverhältnis (aspect ratio) ein häufiges Qualitätsmerkmal, wobei Verhältnisse von 0.5 bis 2 noch zulässig sind. • Da eine quadratische Form optimal ist, sollen die Seiten parallel sein. Spitze Winkel („Nadelelemente“) sind zu vermeiden. Diese können so klein werden, dass sie nicht mehr zu erkennen sind, aber Konvergenzprobleme verursachen können. • Bei vierknotigen Elementen kann eine Verwindung auftreten, da eine Ebene durch drei Knoten festgelegt ist. Der vierte Knoten kann außerhalb der Ebene liegen und führt zu einer Verwindung (warping) des Elements, die ebenfalls zu vermeiden ist. • Bei quadratischen Ansatzfunktionen dürfen die Mittenknoten nicht zu weit von der optimalen (mittigen) Lage entfernt sein, s. Abb. 7.22, da ansonsten ebenfalls det 𝑱 nicht mehr eindeutig ist. Kommerzielle Programme bieten üblicherweise eine Funktionalität an, mit der man sich diese Kriterien auf dem Netz anzeigen lassen kann, um ggf. eingreifen zu können. Neben der Verbesserung der Netztopologie, d. h. der Lage der Knoten zueinander, bieten diese Abb. 7.21 Innenwinkel für die Existenz der Jacobi-Matrix

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146

7 Mathematische und numerische Aspekte der FEM

Abb. 7.22 Außermittige Lage der Mittenknoten

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Werkzeuge auch an, das Netz auf doppelte oder unverbundene Knoten zu durchsuchen und diese zu löschen Ein weiteres Kriterium für die Vernetzung bzw. die Netzfeinheit stellt die Berechnung von Spannungen und Verzerrungen dar. An Stellen, an denen die Spannung genau bekannt sein muss, sollte das Netz besonders fein sein. Dies gilt z. B. für Auswertungen in Kerben für eine Lebensdaueranalyse. Generell gilt, dass in einer exakten Kerbe (einspringende Ecke) ohne Radius die exakte Spannungslösung gegen Unendlich geht. Um an einer solchen Stelle Spannungen überhaupt auswerten zu können, ist dort ein Radius vorzusehen, um eine beschränkte Lösung zu erhalten. Sind im Modell Diskontinuitäten enthalten, dann darf über diese nicht hinweg vernetzt werden, d. h. es müssen dort Elementgrenzen vorgesehen werden. Dazu zählen die in Abb. 7.23 gezeigten Fälle ohne Anspruch auf Vollständigkeit: • • • •

Sprünge in der Geometrie, Wechsel des Materials, Sprünge in verteilten äußeren Lasten, z. B. in einer Druckverteilung, Aufbringen von Einzellasten oder -lagerungsbedingungen.

7.4.3 Ausnutzung von Symmetrien bei der Vernetzung Symmetrien in Bauteilen sollten bei der Modellierung immer beachtet werden, da es dann ausreicht, nur einen symmetrischen Anteil des Modells zu berechnen. Dadurch lassen sich Modellgrößen und Rechenzeiten stark reduzieren. Folgende Arten von Symmetrien können in der FEM genutzt werden: Der üblichste Fall ist die Achsensymmetrie eines Körpers. Liegt mehrfache Symmetrie vor, dann kann das Bauteil auch mit mehreren Symmetrieebenen berechnet werden. Zum Beispiel reicht es aus, von einer rechteckigen Platte ein Viertelmodell zu betrachten, s. Abb. 7.3 und Abb. 7.4. Um das symmetrische Verhalten mechanisch korrekt abzubilden, muss eine Symmetriebedingung aufgebracht werden, sodass ein Knoten auf einer Symme৔2 4UBIM

Geometriesprung

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Materialwechsel

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unstetige Flächenlast



Einzellast oder Lagerung

Abb. 7.23 Zu beachtende Diskontinuitäten bei der Vernetzung an einem 1-D-Beispiel

7.4 Praxis-Hinweise zur Modellierung

147

Abb. 7.24 Symmetrierandbedingungen an einem Schalenelement. Symmetrieebene, Blockierung Verschiebung (▶), Blockierung Rotation (▶▶)



ঢ় ড়

trieebene während der Verformung auf dieser Ebene verbleibt. Ansonsten wäre die Lösung unsymmetrisch, da der Knoten nur auf einer der beiden Seiten liegen kann. Dies wird erreicht durch Sperren von Verschiebungs- und Rotationsfreiheitsgraden für die Knoten einer Symmetrieebene. Liegt die Symmetrieebene nicht parallel zu den globalen Koordinatenachsen, kann die Vorgabe der gesperrten Freiheitsgrade am einfachsten in einem lokal definierten Koordinatensystem erfolgen. Bei Nutzung von Volumenelementen reicht die Sperrung der Verschiebungsfreiheitsgrade, bei Schalenelementen sind zusätzlich die Rotationen zu sperren. Ansonsten wäre es möglich, dass die nicht geometrisch abgebildete Dicke der Schale aus der Symmetrieebene herausgedreht wird. In Abb. 7.24 ist als Beispiel eine Symmetrieebene an einem Schalenelement in der (𝑦, 𝑧)-Ebene vorgegeben. Es sind deswegen die Verschiebungen 𝑢𝑥 sowie die Rotationen 𝜙𝑦 und 𝜙𝑧 zu sperren. Bei Rotationssymmetrie kann der Volumenkörper durch einen Halbschnitt durch den Körper ersetzt werden, s. Abb. 7.25. Dazu ist die Einführung eines Zylinderkoordinatensystems notwendig. Der zugehörige Elementtyp wird in verschiedenen kommerziellen Programmen entweder unter Volumenelementen oder Schalenelementen aufgeführt. Aus Vereinfachungsgründen ist es u. U. notwendig, die Längsachse 𝑦 aus Abb. 7.25 in Richtung der globalen 𝑦-Achse des jeweiligen Programms auszurichten. Weiterhin sollte beachtet werden, ob die zu diskretisierende Fläche im positiven Quadranten liegen muss. Zyklische Symmetrie kann genutzt werden, wenn sich 3-D-Bauteilkomponenten wiederholen, z. B. bei einem Turbinenrad. Für die Ausnutzung von Symmetrie ist maßgeblich, dass die zu erwartende physikalische Lösung symmetrisch ist. Aus diesem Grund ist neben der geometrischen Symmetrie sicherzustellen, dass auch die Randbedingungen symmetrisch sind. Ähnliche Bedingungen lassen sich auch für den antimetrischen Fall konstruieren, bei dem Randbedingungen symmetrisch angeordnet sind, aber in entgegengesetzte Richtung wirken. Abb. 7.25 Ebenes Element zur Ausnutzung von Rotationssymmetrie an einem Zylinder

ঢ় ড়



148

7 Mathematische und numerische Aspekte der FEM

7.5 Aufgaben 7.1. Gegeben ist die Funktion 𝑓 (𝜉) = (𝜉 + 1)2 . Berechnen Sie im Einheitsintervall [−1, 1] 1 𝑓 (𝜉) d𝜉. Geben Sie zunächst die Formel an mit der Simpson-Regel das Integral 𝐼 = ∫−1 und berechnen Sie dann den Zahlenwert. Vergleichen Sie das Ergebnis mit der analytischen Lösung und erläutern Sie. 7.2. Gegeben ist die Funktion

3 + 𝜉 + 𝜂 + 𝜉𝜂 + 𝜉 2 + 𝜂 2 . 5 + 𝜉 + 𝜂2 Berechnen Sie im Einheitsquadrat [−1, 1] × [−1, 1] mit einer 2 × 2 Gauß-Quadratur das 1 1 𝑓 (𝜉, 𝜂)d𝜉d𝜂. Geben Sie zunächst die Formel an und berechnen Sie Integral 𝐼 = ∫−1 ∫−1 dann den Zahlenwert. Vergleichen Sie das Ergebnis mit der Lösung aus Aufgabe 7.3. 𝑓 (𝜉, 𝜂) =

7.3. Berechnen Sie mit einem MATLAB® -Skript die Integrale für die folgenden gebrochenrationalen Funktionen mit einer Gauß-Quadratur mit zwei Integrationspunkten: 1 1 1 3 + 𝜉 + 𝜂 + 𝜉𝜂 + 𝜉 2 + 𝜂 2 𝜉 + 𝜉2 + 1 d𝜉 und d𝜉d𝜂 3 ) ∫ ∫ 5 + 𝜉 + 𝜂2 −1 ( 6 + 2𝜉 + 3𝜉 −1 ∫ −1 7.4. Zeigen Sie, dass durch die Simpson-Regel in Kap. 7.2.1.2 ein Polynom dritter Ordnung exakt integriert wird (und nicht 𝑝 = 3 − 1 = 2, wie es der Genauigkeitsgrad vorgibt) und begründen Sie dies.

7.6 Literaturverzeichnis [1] [2] [3] [4] [5] [6] [7] [8] [9] [10] [11] [12] [13]

K.-J. Bathe. Finite Element Procedures. New Delhi: Prentice-Hall of India, 2007. T. Belytschko, W. K. Liu, B. Moran und K. I. Elkhodary. Nonlinear Finite Elements for Continua and Structures. 2. Aufl. Hoboken: John Wiley & Sons Inc, 2014. M. Bischoff. „Theorie und Numerik einer dreidimensionalen Schalenformulierung“. Institut für Baustatik. Bericht Nr. 30. Universität Stuttgart, 1999. L. Gaul, M. Kögl und M. Wagner. Boundary Element Methods for Engineers and Scientists. Berlin: Springer, 2003. D. Gross, W. Hauger und P. Wriggers. Technische Mechanik 4. 10. Aufl. Berlin: Springer Vieweg, 2018. T. J. R. Hughes. The Finite Element Method. Mineola: Dover Publications, 2000. K. Knothe und H. Wessels. Finite Elemente. 5. Aufl. Berlin: Springer Vieweg, 2017. V. D. Liseĭkin. Grid Generation Methods. 2. Aufl. Dordrecht: Springer, 2010. M. Merkel und A. Öchsner. Eindimensionale Finite Elemente. 3. Aufl. Berlin: Springer Vieweg, 2020. H. R. Schwarz und N. Köckler. Numerische Mathematik. 8. Aufl. Wiesbaden: Vieweg + Teubner, 2011. P. Steinke. Finite-Elemente-Methode. 5. Aufl. Wiesbaden: Springer Vieweg, 2015. P. Wriggers. Nichtlineare Finite-Element-Methoden. Berlin: Springer, 2001. O. C. Zienkiewicz, R. L. Taylor und J. Z. Zhu. The Finite Element Method. 7. Aufl. Oxford: Butterworth-Heinemann, 2013.

Kapitel 8

Lineare zeitabhängige FEM

Ist der Einfluss von Trägheits- oder Dämpfungseffekten in der Analyse zu berücksichtigen bzw. sind zeitlich veränderliche Belastungen vorzugeben, muss das zeitabhängige Verhalten des Systems berechnet werden. Dazu sind analog zu den Impuls- und Drallbilanzen dynamische Energieprinzipien zu formulieren. Im Rahmen dieses Kapitels wird nur eine kurze Einführung in die lineare Strukturdynamik gegeben. Eine weiterführende Behandlung bezüglich der FEM findet sich z. B. bei Bathe [1, Kap. 9], Hughes [5, Kap. 10] und Mathiak [6]. Generell unterscheiden sich dynamische Verfahren darin, wie die Zeitabhängigkeit behandelt wird: • Modalanalyse: Sie dient zur Charakterisierung der dynamischen Eigenschaften einer schwingungsfähigen Struktur, die aus ihrem Gleichgewichtszustand ausgelenkt wird und dann sich selbst überlassen freie harmonische Schwingungen ausführt. Die Zeitabhängigkeit wird hier explizit über den harmonischen Ansatz vorgegeben. Zu beachten ist, dass die Modalanalyse nur auf lineare Systeme angewendet werden kann. Diesem Verfahren zu Grunde liegt immer die Lösung eines Eigenwertproblems. • Harmonische Analyse: In diesem Fall wird die Struktur von außen harmonisch angeregt und damit in erzwungene harmonische Schwingungen versetzt. Diese Anwendung tritt in praktisch allen ingenieurtechnischen Anwendungen auf, die dynamisch betrachtet werden, z. B. in der Fahrzeugtechnik, im Flugzeugbau und bei rotierenden Maschinen. Man spricht in diesem Fall auch von Betriebsschwingungen. • Transiente Analyse: Eine transiente Analyse liefert die Antwort einer Struktur auf zeitlich beliebig veränderliche Lasten unter Berücksichtigung beliebiger geometrischer und materialbedingter Nichtlinearitäten. Es kommen direkte Zeitintegrationsalgorithmen zum Einsatz. Generell ist der numerische Aufwand bei einer transienten Analyse sehr hoch, da vereinfacht gesagt, die Gleichungen sehr oft hintereinander gelöst werden müssen, um das System in der Zeit zu integrieren. Zusätzlich treten numerische Instabilitäten und Konvergenzprobleme auf. Die transiente Analyse ist Gegenstand der nachfolgenden Kapitel und wird hier nicht weiterverfolgt. Zunächst werden im folgenden Abschnitt die FE-Gleichungen für lineare ungedämpfte dynamische Probleme eingeführt. Danach werden die ersten beiden genannten Methoden besprochen und zuletzt auf die Frage der Dämpfungsmodellierung eingegangen. Ergänzende Information Die elektronische Version dieses Kapitels enthält Zusatzmaterial, auf das über folgenden Link zugegriffen werden kann (https://doi.org/10.1007/978-3-658-36522-6_8) © Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2022 M. Wagner, Lineare und nichtlineare FEM, https://doi.org/10.1007/978-3-658-36522-6_8

149

150

8 Lineare zeitabhängige FEM

8.1 Herleitung der dynamischen FEM über virtuelle Verschiebungen Bisher galten alle Aussagen nur für die Statik deformierbarer Körper. Im Folgenden wird das Prinzip der virtuellen Verschiebung aus Gl. (4.12) auf dynamische Vorgänge erweitert. Dazu muss die Trägheitswirkung der Masse über die Trägheitskraftdicḧ 𝑡) mit der lokalen (Massen-)Dichte 𝜌(𝒙) und den Beschleunigungen te 𝒇𝜌 = −𝜌(𝒙) 𝒖(𝒙, ̈ 𝑡) berücksichtigt werden. Die Trägheitskraft ist den äußeren Kräften entgegengerich𝒖(𝒙, tet, was durch das Minuszeichen eingebracht wird und verrichtet ebenfalls virtuelle Arbeit. Das für die Dynamik gültige Energieprinzip wird dann als Lagrange-d’Alembert’sches Prinzip bezeichnet, s. Riemer u. a. [7, Kap. 4.2.2]. Als zusätzlicher Term muss in Gl. (4.12) die virtuelle Arbeit der Trägheitskräfte 𝜌

𝑊𝛿 = −

∫ 𝑉

𝜌 𝛿𝒖T 𝒖̈ d𝑉

berücksichtigt werden. Die Bilanz der virtuellen Arbeiten lautet dann für die Dynamik 𝜌

𝑊𝛿 (𝑢) + 𝑊𝛿i (𝑢) + 𝑊𝛿a (𝑢) = 0 und ausgeschrieben ∫ 𝑉

𝜌 𝛿𝒖T 𝒖̈ d𝑉 +

∫ 𝑉

𝛿𝜺T 𝝈 d𝑉 −

∫ 𝑉

𝛿𝒖T 𝒃̄ d𝑉 −

∫ 𝐴

𝛿𝒖T 𝒕 ̄ d𝐴 = 0 .

(8.1)

t

Man kann zeigen, dass das Lagrange-d’Alembert’sche Prinzip der Impulsbilanz äquivalent ist (s. Wagner [10, Kap. 3.3, S. 41]) und damit eine vollständige Beschreibung der Bewegung eines Kontinuums darstellt. Zusätzlich sind die geometrischen Randbedingungen und die Anfangsbedingungen zu erfüllen. Dieses Prinzip ist der Ausgangspunkt einer FE-Diskretisierung der Dynamik. In Gl. (8.1) werden wieder die Ansatzfunktionen eingeführt. Hier ist der wesentliche Unterschied zu beachten, dass Gl. (8.1) nun ein zeitabhängiges Anfangs-Randwertproblem darstellt. Dies bedeutet, dass auch die Ansätze zeit- und ortsabhängig sein müssen. In der FEM wird dies durch einen Separationsansatz gelöst, indem die Matrix der Ansatzfunktionen rein vom Ort abhängt und die Knotenverschiebungen nun keine Konstanten mehr darstellen, sondern von der Zeit abhängen. Zusätzlich wird angenommen, dass man die Beschleunigungen mit den gleichen Formfunktionen annähern kann. Der Ansatz in der Dynamik lautet damit: 𝒖̃𝒆 (𝒙, 𝑡) = 𝑵(𝒙)𝒖𝒆 (𝑡) ,

𝒖̈̃𝑒 (𝒙, 𝑡) = 𝑵(𝒙)𝒂𝒆 (𝑡) ,

wobei hier zur besseren Unterscheidung von kontinuierlichen und diskreten Größen der Elementknotenvektor der Beschleunigungen 𝒂𝒆 (𝑡) eingeführt wird. Einsetzen dieses zeitabhängigen Ansatzes in Gl. (8.1) für ein Element 𝑒 unter Annahme von linear-elastischem Materialverhalten liefert analog zur Statik in Kap. 5.3: T T T 𝑵 T𝜌 𝑵 d𝑉 𝒂𝑒 + 𝛿𝒖𝑒 𝑩 T 𝑪𝑩 d𝑉 𝒖𝑒 = 𝛿𝒖𝑒 𝑵 T 𝒃̄ 𝑒 d𝑉 + 𝛿𝒖𝑒𝐴 𝑵𝐴T 𝒕𝑒̄ d𝐴 . ∫ ∫ ∫ ∫ 𝑉𝑒 𝑉𝑒 𝑉𝑒 𝐴𝑒

T

𝛿𝒖𝑒

8.2 Numerische Modalanalyse

151

Neben den bereits bekannten Termen kommt die Massenmatrix neu hinzu: 𝑴𝑒 =

∫ 𝑉𝑒

𝑵 T 𝜌 𝑵 d𝑉 = const. ,

(8.2)

mit sehr ähnlichen Eigenschaften wie die Steifigkeitsmatrix: Sie ist symmetrisch und dünnbesetzt. Da hier nur Systeme ohne Massenänderung betrachtet werden, weist sie nur konstante Koeffizienten auf. Für ein lineares Stabelement der Länge ℓ wird die Massenmatrix beispielhaft unter Annahme von konstantem Querschnitt (d𝑉 = 𝐴d𝑥) und konstanter Dichte ausgewertet: 𝑴 𝑒 = 𝜌𝐴



∫ 0

𝑵 T 𝑵d𝑥 = 𝜌𝐴



ℓ 𝑁I2 𝑁I 𝑁J 𝑁I [𝑁I 𝑁J ] d𝑥 . d𝑥 = 𝜌𝐴 2 𝑁 ∫ ∫ 0 [ J] 0 [sym 𝑁J ]

Einsetzen der linearen Ansätze aus Gl. (2.11) liefert die konsistente Massenmatrix des linearen Stabelements ℓ (1 − 𝑥 )2 (1 − 𝑥 ) 𝑥 𝜌𝐴ℓ 2 1 ℓ ℓ ℓ d𝑥 = 𝑴 𝑒 = 𝜌𝐴 . (8.3) 𝑥 2 [ ] ∫ ) sym ( 6 [1 2] 0 ℓ

Ausklammern der virtuellen Knotenverschiebungen wie in der Statik liefert T

𝛿𝒖𝑒 [𝑴 𝑒 𝒂𝑒 + 𝑲 𝑒 𝒖𝑒 − 𝒇 𝑒 ] = 0 , wobei die Lastvektoren des Gebiets und des Randes in den Vektor 𝒇 𝑒 zusammengefasst wurden. Da die virtuellen Verschiebungen beliebig sind, kann die Gleichung nur erfüllt werden, wenn der Klammerausdruck verschwindet und es folgt: 𝑴 𝑒 𝒂𝑒 (𝑡) + 𝑲 𝑒 𝒖𝑒 (𝑡) = 𝒇 𝑒 (𝑡) .

(8.4)

Dies ist die allgemeine lineare dynamische Finite-Element-Gleichung für ein Element. Die weitere Vorgehensweise unterscheidet sich nicht grundsätzlich von der Statik, deshalb wird dies hier nicht wiederholt. Die Gesamtmassenmatrix 𝑴 wird genau wie die Steifigkeitsmatrix über die Inzidenztabelle zusammengesetzt. Werden die Elementmassenmatrizen wie in Gl. (8.2) dargestellt berechnet, wird sie als konsistente Massenmatrix bezeichnet, da die virtuelle Arbeit der Knotenträgheitskräfte multipliziert mit den virtuellen Knotenverschiebungen gleich der Wirkung der kontinuierlich verteilten Masse ist. Es ist allerdings zu beachten, dass es sich in der Dynamik nicht um ein lineares Gleichungssystem handelt, das direkt gelöst werden kann, sondern um ein System aus zeitabhängigen Differenzialgleichungen, das geeignet zu lösen ist. Die Lösungsansätze unterscheiden sich stark und werden im Folgenden und in Kap. 13 vorgestellt.

8.2 Numerische Modalanalyse Zunächst sollen freie, ungedämpfte, harmonische Schwingungen untersucht werden, indem die rechte Seite des Gleichungssystems zu null gesetzt wird. Dies wird als Modalanalyse bezeichnet. Eine FE-Diskretisierung entsprechend Kap. 8.1 führt auf das Gesamtsystem:

152

8 Lineare zeitabhängige FEM

𝑴 𝒂(𝑡) + 𝑲 𝒖(𝑡) = 𝟎 ,

(8.5)

mit dem Gesamtvektor der Knotenbeschleunigungen 𝒂(𝑡) und den konstanten Systemmatrizen 𝑴, 𝑲, die jeweils die Dimension 𝑁ges × 𝑁ges aufweisen, s. Gl. (5.18). Die Modalanalyse liefert für eine Struktur die Eigenfrequenzen und Eigenformen sowie modale Massen und bei Dämpfung im System Dämpfungskennwerte. Die Eigenfrequenzen sind die Frequenzen, mit der eine Struktur sich selbst überlassen schwingt, nach einer Auslenkung aus dem Gleichgewichtszustand. Eigenformen sind charakteristische Verformungen einer Struktur, die jeweils zu einer Eigenfrequenz gehören. Diese beiden Größen sind Systemeigenschaften wie die Dichte oder der Elastizitätsmodul und erlauben die Beschreibung der dynamischen Eigenschaften des betrachteten Systems. Diese Größen werden über eine Eigenwertberechnung des linearen Gleichungssystems gewonnen. Es sollen harmonische Schwingungen betrachtet werden, deshalb wird ein entsprechender Lösungsansatz für das Differenzialgleichungssystem Gl. (8.5) mit Sinus- oder Kosinusfunktionen gewählt: 𝒖(𝑡) = 𝐴 𝝓̂ sin(𝜔𝑡 + 𝜙0 ) .

(8.6)

Der Amplituden-Knotenvektor 𝐴 𝝓̂ weist jedem Freiheitsgrad der Diskretisierung einen konstanten Amplitudenwert zu. Der Anfangsauslenkungswinkel 𝜙0 beschreibt eine Phasenverschiebung. Für einen 1-D-Fall ist eine harmonische Schwingung in Abb. 8.1 dargestellt. Die Zeit, die eine vollständige Schwingung benötigt, wird als Schwingungsdauer 𝑇 bezeichnet, der Kehrwert als die Frequenz 𝑓 = 1/𝑇 (mit Einheit Hz). In die harmonischen Funktionen müssen Winkel im Bogenmaß eingesetzt werden, deswegen muss die Schwingungsdauer auf die Periodenlänge der harmonischen Funktionen 2𝜋 skaliert werden. Dies definiert mit der Beziehung 𝜔𝑇 = 2𝜋 die Kreisfrequenz 𝜔=

2𝜋 = 2𝜋𝑓 , 𝑇

mit der Einheit 1/s. Leitet man diesen Ansatz zweimal ab, folgt: 𝒂(𝑡) = −𝜔2 𝐴 𝝓̂ sin(𝜔𝑡 + 𝜙0 ) = −𝜔2 𝒖(𝑡) . Abb. 8.1 Physikalische Größen einer Schwingung

৙ ৙ Ȥ > ব౷Ȥ "NQMJUVEF ౲৘ ౷1 "OGBOHTBVTMFOLVOHTXJOLFM `` ౲ি > 3౩

8.2 Numerische Modalanalyse

153

Hier wird ersichtlich, warum es vorteilhaft ist, von harmonischen Schwingungen auszugehen, da sich der Sinus bei der zweiten Ableitung wiederholt. Eingesetzt in Gl. (8.5) folgt das verallgemeinerte Eigenwertproblem 2 (𝑲 − 𝜔 𝑴) 𝝓̂ = 0 ,

(8.7)

mit dem Eigenwert 𝜔2 und der Eigenform 𝝓.̂ Der Lösungsanteil 𝐴 sin(𝜔𝑡 + 𝜙0 ) tritt in jedem Term auf und wurde aus der Gleichung eliminiert. Die Unbekannten 𝐴 und 𝜙0 werden später aus den Anfangsbedingungen bestimmt. Die einzige eindeutige Lösung dieses linearen Gleichungssystems ist 𝝓̂ = 0, die als triviale Lösung bezeichnet wird. Sie entspricht dem statischen Gleichgewichtszustand, da alle Knotenamplituden null sind. Weitere Lösungen des linearen Gleichungssystems in Gl. (8.7), neben der eindeutigen, können nur existieren, wenn die Determinante der Koeffizientenmatrix gleich null wird, s. Bathe [1, Kap. 10.2.2, S. 846]: det (𝑲 − 𝜔2 𝑴) = 0 . Allerdings sind dies dann unterbestimmte Lösungen, d. h. es stehen nicht genug Gleichungen für die Berechnung der unbekannten Knotenamplituden in 𝝓̂ zur Verfügung, da die Gleichungen des durch Gl. (8.7) gegebenen linearen Gleichungssystems linear abhängig sind. Die Berechnung der Determinante führt auf ein Polynom 𝑁ges -ter Ordnung, da dies der Dimension der quadratischen Koeffizientenmatrix 𝑲 − 𝜔2 𝑴 entspricht. Dieses Polynom wird als charakteristische Gleichung des zugehörigen Differenzialgleichungssystems Gl. (8.5) bezeichnet. Die Lösungen, d. h. die Nullstellen dieses Polynoms, sind im ungedämpften Falle 𝑖 = 1, … , 𝑁ges reelle, positive Eigenwerte (𝑖)𝜔2 ∈ ℝ+ 0 , wobei der Index des Eigenwerts links oben angegeben wird. Daraus bestimmt man die Eigenkreisfrequenzen der Struktur (𝑖) 𝜔 , 𝑖 = 1 … 𝑁ges und aus dem Gleichungssystem Gl. (8.7) die zugehörigen Eigenformen 𝝓̂ ,

(𝑖)

𝑖 = 1 … 𝑁ges .

Neben diesem Begriff wird völlig analog von Eigenmoden oder Eigenvektor gesprochen. Dies bedeutet, dass ein System immer eine der Anzahl der Freiheitsgrade entsprechende Anzahl an Eigenfrequenzen und Eigenvektoren aufweist. Für einen kontinuierlichen Körper bedeutet dies im Grenzübergang, dass er theoretisch unendlich viele Eigenfrequenzen besitzt. Als Beispiel ist in Abb. 8.2 die Eigenform einer schwingenden Platte aus Stahl bei 1707 Hz dargestellt. Die Komponenten des Eigenvektors 𝝓̂ sind die Amplituden jedes Freiheitsgrads der Diskretisierung. Es sind keine zeitveränderlichen Größen, sondern Konstanten, die aber räumlich verteilt unterschiedliche Werte annehmen. Die Zeitabhängigkeit geht über den Sinus im Lösungsansatz ein, s. Gl. (8.6). Jedes Paar (𝑖)𝜔, (𝑖)𝝓̂ erfüllt Gl. (8.7) 𝑲 (𝑖)𝝓̂ = (𝑖)𝜔2 𝑴 (𝑖)𝝓̂ .

(8.8)

154

8 Lineare zeitabhängige FEM

Abb. 8.2 Eigenform einer frei schwingenden Platte bei 1707 Hz

An dieser Gleichung kann man eine der wesentlichsten Eigenschaften von Eigenvektoren plausibilisieren: Da die Eigenvektoren über ein unterbestimmtes Gleichungssystem gewonnen werden, sind sie nur bis auf einen Faktor bestimmt. Setzt man in Gl. (8.8) einen mit einem Faktor 𝛼 multiplizierten Eigenvektor 𝛼 (𝑖)𝝓̂ ein, ist die Gleichung erfüllt. Der Informationsgehalt des Eigenvektors ist also nicht in den Absolutwerten der Koeffizienten des Vektors zu sehen, sondern im relativen Verhältnis der Koeffizienten zueinander. Beträgt der Wert der Komponente (𝑖)𝜙1̂ = 1 und von Komponente (𝑖)𝜙2̂ = 4, ist die physikalische Aussage, dass der Freiheitsgrad 2 eine 4-mal größere Auslenkung erfährt als Freiheitsgrad 1. Wie groß die Auslenkung tatsächlich ist, ergibt sich erst, wenn man Randund Anfangsbedingungen angibt. Die zweite wichtige Eigenschaft ist, dass Eigenvektoren gewisse Orthogonalitätseigenschaften aufweisen. Für den Sonderfall, dass 𝑴 die Einheitsmatrix ist1 , lässt sich zeigen, dass die Eigenvektoren alle orthogonal zueinander sind, s. Bathe [1, Kap. 2.5, S. 54]. Für das allgemeine Eigenwertproblem in Gl. (8.7) werden die Eigenschaften in Kap. 8.2.1 angegeben. Da es immer 𝑁ges Eigenvektoren gibt, bilden diese eine Basis des linearen Vektorraumes, den das lineare Gleichungssystem Gl. (8.7) aufspannt. Eine Eigenschaft linearer Systeme ist das Superpositionsprinzip, das besagt, dass die Summe bekannter Lösungen einer linearen Differenzialgleichung wieder eine Lösung darstellt. Daraus lässt sich schlussfolgern, dass sich die homogene Lösung 𝒖h von Gl. (8.5) durch lineare Superposition aller 𝑁ges Eigenvektoren ergibt: 𝑁ges

𝒖h (𝑡) = ∑ (𝑖)𝐴 (𝑖)𝝓̂ sin( (𝑖)𝜔 𝑡 + (𝑖)𝜙0 ) .

(8.9)

𝑖=1

Die 2𝑁ges Konstanten (𝑖)𝐴 und (𝑖)𝜙0 sind notwendig, um die allgemeine Lösung an die Anfangsbedingungen (z. B. 𝒖(𝑡 = 0) = 𝒖0 und 𝒗(𝑡 = 0) = 𝟎) anzupassen. Es lässt sich jede beliebige freie, kinematisch zulässige Schwingung des linearen Systems durch die Eigenvektoren darstellen. Dies erklärt die Bedeutung der Eigenvektoren in der Untersuchung der Dynamik linearer Systeme, da das gesamte Systemverhalten darin abgebildet ist. Wie bereits in Kap. 5.4.1 erwähnt, ist die Steifigkeitsmatrix singulär, d. h. nicht invertierbar, da linear-abhängige Zeilen enthalten sind, solange keine Randbedingungen betrachtet werden. Die Singularität äußert sich bei einer Eigenwertberechnung darin, dass Eigenwerte berechnet werden, die null (bzw. nahe null) sind. Physikalisch rührt dies da1

Man spricht dann vom speziellen Eigenwertproblem einer allgemeinen Matrix 𝑨: 𝑨 𝝓̂ = 𝜆𝝓.̂

8.2 Numerische Modalanalyse

155

her, dass ein Körper im 3-D drei Möglichkeiten der Translation und drei der Rotation hat, diese Freiheitsgrade werden als Starrkörpermoden bezeichnet. Für die praktische Anwendung bedeutet dies, dass eine Modalanalyse neben einer dynamischen Berechnung auch für eine statische Analyse sinnvoll sein kann. Sie eröffnet die Möglichkeit verbleibende Starrkörperfreiheitsgrade zu lokalisieren und damit die kinematische Bestimmtheit der Lagerung zu überprüfen.

8.2.1 Modale Transformation der homogenen Bewegungsgleichung Mit der Lösung des Eigenwertproblems in Gl. (8.9) wird in diesem Abschnitt gezeigt, wie mit Hilfe der modalen Transformation die gekoppelten Bewegungsgleichungen entkoppelt werden können und damit deutlich einfacher gelöst werden können. Aus Gl. (8.8) lassen sich durch Vormultiplikation mit einem weiteren Eigenvektor (𝑗)𝝓T̂ die Eigenschaften (𝑗) T ̂

𝝓 𝑴 (𝑖)𝝓̂ =

(𝑖)

𝑚 für 𝑖 = 𝑗 für 𝑖 ≠ 𝑗 {0

und

(𝑗) T ̂

𝝓 𝑲 (𝑖)𝝓̂ =

(𝑖)

𝑘 für 𝑖 = 𝑗 für 𝑖 ≠ 𝑗 {0

(8.10)

ableiten, s. Zienkiewicz, Taylor und Zhu [11, Kap. 3.8.2, S. 79]. Nutzt man dies, um die Eigenvektoren (𝑖)𝝓̂ mit dem jeweiligen Faktor (𝑖)𝑚 zu normieren2 , verändern sich die obigen Beziehungen wie folgt: (𝑗) T ̂̄

𝝓 𝑴 (𝑖)𝝓̂̄ =

1 für 𝑖 = 𝑗 {0 für 𝑖 ≠ 𝑗

(𝑗) T ̂̄

𝝓 𝑲 (𝑖)𝝓̂̄



Gl. (8.8)

=

(𝑖) 2

𝜔

{0

für 𝑖 = 𝑗 . (8.11) für 𝑖 ≠ 𝑗

Zur Unterscheidung werden massennormierte Eigenvektoren mit einem Überstrich gekennzeichnet. Die Eigenvektoren des allgemeinen Eigenwertproblems werden auf Grund dieser Eigenschaft als orthogonal im verallgemeinerten Sinn bezüglich 𝑴 bezeichnet, s. Bathe [1, Kap. 10.2.1, S. 841] und Schwarz und Köckler [8, Kap. 5.6.1, S. 262]. Für die weitere Behandlung werden die Eigenvektoren in die Modalmatrix 𝜱 zusammengefasst: (𝑁ges ) ̂ 𝜱 = [ (1)𝝓̂ Dim(𝜱) = [𝑁ges × 𝑁ges ] . 𝝓] , Die Reihenfolge ergibt sich über eine Sortierung der Eigenwerte von kleinen zu hohen Werten. Durch die Bedingung in Gl. (8.10) lässt sich mit der Modalmatrix für die symmetrischen Matrizen 𝑴 und 𝑲 die folgende Beziehung angeben: (1) ⎡ 𝑚 ⎢ 0 𝜱T 𝑴𝜱 = 𝒎 = diag{ (𝑖)𝑚} = ⎢ ⎢ ⎣ 0

2

0 𝑚

(2)

0⎤ ⎥ T (𝑖) ⎥ , 𝜱 𝑲𝜱 = 𝒌 = diag{ 𝑘} . (𝑁ges ) ⎥ 𝑚⎦

Dies bedeutet, dass die 𝑗-te Komponente des 𝑖-ten Eigenvektors durch (𝑖)𝜙𝑗̂̄ = (𝑖)𝜙𝑗̂ /√ (𝑖)𝑚 berechnet wird.

156

8 Lineare zeitabhängige FEM

Durch die Modalmatrix werden die Systemmatrizen der FEM in Diagonalmatrizen transformiert, d. h. die transformierten Matrizen weisen nur noch Einträge auf der Hauptdiagonale auf. Die (𝑖)𝑚 werden als modale Massen und die (𝑖)𝑘 als modale Steifigkeiten bezeichnet. Durch die Normierung in Gl. (8.11) kann man dies noch weiter vereinfachen: 𝜱̄ T 𝑴𝜱̄ = 𝑰

𝜱̄ T 𝑲𝜱̄ = 𝜦 = diag{𝜔2𝑖 } ,

und

(8.12)

mit der Einheitsmatrix 𝑰 und der Spektralmatrix 𝜦, die die Eigenwerte auf der Hauptdiagonale trägt. Diese Eigenschaft kann man weiter ausnutzen, indem in Gl. (8.9) die Modalkoordinaten 𝒒(𝑡) eingeführt werden 𝑁ges

𝒖h (𝑡) = ∑ (𝑖)𝝓̂ 𝑞𝑖 (𝑡) = 𝜱 𝒒(𝑡) .

(8.13)

𝑖=1

Da die Eigenvektoren eine linear unabhängige Basis bilden, kann jeder Vektor 𝒖h (𝑡) als Linearkombination mit den neuen Koordinaten 𝒒(𝑡) dargestellt werden. Damit kann eine Koordinatentransformation der Bewegungsgleichung Gl. (8.5) durchgeführt werden. Einsetzen von Gl. (8.13) in Gl. (8.5) und Linksmultiplikation mit der transponierten Modalmatrix liefert zunächst: 𝜱T 𝑴𝜱𝒒 ̈ + 𝜱T 𝑲𝜱𝒒 = 𝟎



𝒎 𝒒̈ + 𝒌 𝒒 = 𝟎 .

Normierung entsprechend Gl. (8.12) liefert das Gleichungssystem: 𝒒̈ + 𝜦 𝒒 = 𝟎



𝑞𝑖̈ + (𝑖)𝜔2 𝑞𝑖 = 𝟎 , 𝑖 = 1 … 𝑁ges .

(8.14)

Aus dem gekoppelten Matrixsystem Gl. (8.5) wird damit ein Satz an vollständig entkoppelten Differenzialgleichungen, die unabhängig voneinander gelöst werden können. Jede Zeile in Gl. (8.14) entspricht der Bewegungsgleichung für die freien Schwingungen eines Feder-Masse-Schwingers. Diese Vorgehensweise wird als modale Transformation bezeichnet. Man sollte allerdings nicht vergessen, dass für die Nutzung dieser Gleichung zuvor die gesamte Modalmatrix berechnet werden müsste, was bei großen Systemen einen immensen Rechenaufwand darstellen würde.

8.2.2 Modale Reduktion Die modale Transformation kann in einem weiteren Schritt genutzt werden, um die Anzahl der Freiheitsgrade auf eine kleine Anzahl 𝑛 von Moden zu reduzieren, wobei 𝑛 ≪ 𝑁ges . Damit bietet diese Vorgehensweise die Möglichkeit für eine Modellreduktion. Das Bewegungsverhalten einer Struktur wird durch alle Eigenformen eindeutig definiert. Technisch relevant sind aber nur die Eigenformen, die in dem Frequenzbereich liegen, in dem eine Struktur beobachtet oder betrieben wird, da das Schwingungsverhalten einer Maschine hauptsächlich aus Eigenformen zusammengesetzt ist, die in diesem Bereich liegen. Da die Eigenfrequenzen sehr schnell steigen, ist es für technische Belange deswegen häufig ausreichend die 𝑛 niedrigsten Eigenfrequenzen und Eigenformen zu be-

8.2 Numerische Modalanalyse

157

trachten. Dabei kommt einem noch entgegen, dass niedrige Eigenfrequenzen hohe Wellenlängen der zugehörigen Schwingung bedeuten. Diese werden durch eine gegebene Diskretisierung damit genauer abgebildet als die bei hohen Eigenkreisfrequenzen. Bei der modalen Reduktion wird dies genutzt, indem mit Hilfe einer Eigenwertanalyse nur die 𝑛 niedrigsten Eigenwerte und -formen berechnet werden – häufig die ersten 𝑛 = 10 – und näherungsweise nur noch die dazu gehörenden Schwingungsgleichungen benutzt werden. Bei einem System mit z. B. 𝑁ges = 1 Mio. Freiheitsgraden und entsprechend theoretisch 1 Mio. Eigenwerten bedeutet dies eine drastische Reduktion der Anzahl der zu lösenden Schwingungsdifferenzialgleichungen. Einführung der modalen Koordinaten 𝒛(𝑡), die eine Untermenge des Vektors 𝒒(𝑡) sind, und einer rechteckigen Modalmatrix 𝜳 die nur noch 𝑛 Eigenvektoren enthält 𝒖(𝑡) ≈ 𝜳 𝒛(𝑡), ergibt analog zu oben

Dim(𝜳 ) = [𝑁ges × 𝑛]

mit 𝑛 ≪ 𝑁ges

(8.15)

𝜳 T 𝑴𝜳𝒛̈ + 𝜳 T 𝑲𝜳 𝒛 = 𝟎 .

Mit den Orthogonalitätsbeziehungen in Gl. (8.12), die analog auch für die reduzierte Modalmatrix 𝜳 gelten, 𝜳 T 𝑴𝜳 = 𝒎 = diag{ (𝑖)𝑚}, 𝜳 T 𝑲𝜳 = 𝒌 = diag{ (𝑖)𝑘}, Dim(𝒎) = Dim(𝒌) = [𝑛 × 𝑛], folgt: 𝒎𝒛̈ + 𝒌𝒛 = 𝟎 . Dies ist ein System aus nur noch n entkoppelten Differenzialgleichungen, die nun weiter mit einem harmonischen Ansatz wie oben ausgewertet werden können. Die physikalische Lösung entsteht durch die Rücktransformation mit dem Ansatz in Gl. (8.15). Modale Reduktion kann z. B. in Mehrkörperdynamikprogrammen genutzt werden, um mit FEM diskretisierte elastische Körper einzubinden und gleichzeitig die Berechnungszeiten in annehmbaren Größen zu halten (s. z. B. Swidergal u. a. [9]).

8.2.3 Näherungsweise Berechnung des Eigenwertproblems Die Berechnung aller Eigenwerte und -vektoren ist nur für kleine Probleme (< 1000 Freiheitsgrade) in sinnvollen Rechenzeiten möglich. Für praxisrelevante Fragestellungen mit Millionen von Freiheitsgraden ist eine Berechnung aller Eigenwerte und -vektoren nicht effizient. Wie oben ausgeführt ist dies auch häufig nicht notwendig, da das dynamische Verhalten näherungsweise durch wenige Eigenvektoren bestimmt werden kann. Deswegen sind die meisten Algorithmen in FEM-Programmen darauf ausgelegt, näherungsweise wenige Eigenwerte und -vektoren zu extrahieren, dies aber numerisch effizient. Zusätzlich kann die Berechnung numerisch erschwert sein, da Eigenwerte mehrfach auftreten und nah beieinander liegen können. Es gibt eine Vielzahl an Verfahren. Die am häufigsten in kommerziellen Programmen auftretenden sind: die Vektoriteration, die Householder-Iteration sowie die BlockLanczos-Iterationsverfahren, s. Bathe [1, Kap. 11] oder Hughes [5, Kap. 10]. Häufig kann

158

8 Lineare zeitabhängige FEM

man zwischen diesen Verfahren wählen, allerdings ist hierzu vertieftes Wissen über Vorund Nachteile der einzelnen Verfahren notwendig und es wird empfohlen, die Voreinstellungen der Programme beizubehalten. Ein Begriff, der bei vielen Verfahren eine wesentliche Rolle spielt, soll an dieser Stelle eingeführt werden. Multipliziert man Gl. (8.8) von links mit demselben Eigenvektor folgt: (𝑖) T ̂

𝝓 𝑲 (𝑖)𝝓̂ = (𝑖)𝜔2 (𝑖)𝝓T̂ 𝑴 (𝑖)𝝓̂ .

Diese Matrix-Vektorprodukte sind Skalare und damit kann nach (𝑖)𝜔2 aufgelöst werden: (𝑖) 2

𝜔 =

(𝑖) T ̂

𝝓 𝑲 (𝑖)𝝓̂ . (𝑖)𝝓T ̂ 𝑴 (𝑖)𝝓̂

(8.16)

Der Quotient in Gl. (8.16) wird als Rayleigh-Quotient bezeichnet. Er erlaubt bei Kenntnis des Eigenvektors die Berechnung des zugehörigen Eigenwerts. Er kann zur Abschätzung der Eigenfrequenzen linearer Systeme genutzt werden, v.a. der niedrigsten, da sich hier Eigenvektoren oft näherungsweise angeben lassen. Wichtiger ist aber, dass er die Basis vieler Verfahren für die näherungsweise Berechnung von Eigenwerten und -vektoren bildet, z. B. der Vektoriteration, s. Bathe [1, Kap. 10.3.2, S. 868].

8.2.3.1 Guyan-Reduktion Ein weiteres Verfahren soll hier noch angegeben werden, das auf derselben Idee wie die statische Kondensation in Kap. 5.6.3.2 beruht: Ein Teil der Freiheitsgrade 𝝓ê in einem Eigenvektor wird als relevant für die Berechnung der Eigenfrequenzen betrachtet und ein Teil 𝝓k̂ soll vernachlässigbar sein. Dieser Anteil soll aus dem Gleichungssystem eliminiert werden, um die Anzahl Freiheitsgrade zu reduzieren für die Berechnung der Eigenwerte und -vektoren. Dazu wird das Eigenwertproblem in partitionierter Weise angegeben: 𝟎 𝝓ê 𝑴ee 𝑴ek 𝑲ee 𝑲ek = . − 𝜔2 [𝑴ke 𝑴kk ]) [𝝓k̂ ] [𝟎] ([𝑲ke 𝑲kk ]

(8.17)

Für die Auswahl der Freiheitsgrade, die kondensiert werden sollen, wird nun angenommen, dass der Massenanteil einiger Knoten im Verhältnis zu anderen sehr klein ist. Damit ist der dynamische Effekt klein. Näherungsweise werden diese Massen in 𝑴kk zu null gesetzt. Weiterhin ist aus der konsistenten Massenmatrix eine Punktmassenmatrix zu machen, s. Kap. 13.3.2 und es gilt für die Nebendiagonalelemente: 𝑴ek = 𝑴ek = 𝟎. Damit verbleibt in der zweiten Gleichung von Gl. (8.17) dieselbe Beziehung wie in Gl. (5.24). Die zu eliminierenden Freiheitsgrade ergeben sich aus der zweiten Gleichung durch −1 𝑲ke 𝝓ê . 𝝓k̂ = −𝑲kk

Es gehen hier keine dynamischen Anteile, sondern ausschließlich Steifigkeitsausdrücke ein, die auch in der Statik gelten. Die eliminierten Anteile der Eigenvektoren werden „statisch“ kondensiert. Daher rührt der Name des Verfahrens. Häufig werden die Freiheitsgrade, die erhalten bleiben als „Master“ bezeichnet und die kondensierten als „Slave“. Der

8.2 Numerische Modalanalyse

159

gesamte Eigenvektor ergibt sich dann durch 𝝓̂ =

𝑰

̂ .

𝝓 −1 [−𝑲kk 𝑲ke ] e

(8.18)

Bei der Guyan-Reduktion (Hughes [5, Kap. 10.4, S. 576]) wird die Annahme der verschwindenden Massen wieder aufgehoben, aber die Annahme der statischen Kondensation in Gl. (8.18) wird erhalten. Setzt man dies in Gl. (8.17) ein, ergibt sich nach Auswertung ein reduziertes Gleichungssystem: −1 −1 𝑲ke 𝑴ee − 𝑴ek 𝑲kk 𝟎 𝑲ke 𝑲ee − 𝑲ek 𝑲kk . 𝝓̂ = − 𝜔2 −1 ([ ] [𝑴ke − 𝑴kk 𝑲kk 𝑲ke ]) e [𝟎] 𝟎 −1 −1 𝑲ke . Damit lassen sich 𝑴ke = 𝑲kk Die zweite Gleichung liefert nur die Beziehung 𝑴kk zwei reduzierte Matrizen angeben: −1 𝑲ke 𝑲 ∗ = 𝑲ee − 𝑲ek 𝑲kk

−1 𝑴ke . und 𝑴 ∗ = 𝑴ee − 𝑴ek 𝑴kk

Die Bestimmungsgleichung für die signifikanten Teile des Eigenvektors der Guyan-Reduktion lautet damit: ∗ 2 ∗ (𝑲 − 𝜔 𝑴 ) 𝝓ê = 𝟎 . Der gesamte Eigenvektor wird aus Gl. (8.18) ermittelt. Durch das reduziere System können nicht alle Eigenwerte berechnet werden, sondern nur der Anzahl der erhaltenen Freiheitsgrade entsprechend. Die Guyan-Reduktion findet in Kap. 8.4 Anwendung.

8.2.4 Anwendungsgebiete der Modalanalyse Die numerische Modalanalyse ist ein sehr wichtiges Instrument in der Praxis, das zur Beurteilung von Bauteilen aufgrund dynamischer Beanspruchung dient und das viele Informationen bei der Auslegung einer Struktur liefert, z. B. : • Vermeidung der Anregung von Resonanzfrequenzen sowie Entdecken von betriebskritischen Eigenschwingungsformen der Struktur (z. B. Antriebsstrang), • Ermittlung von Informationen zur Erzeugung eines gewünschten Schwingungsverhaltens, z. B. eines Motors oder einer sich schließenden Fahrzeugtür, • Nachweise der Wirksamkeit von konstruktiven Verbesserungen zur Schwingungsreduzierung, • Systemzustandsüberwachung zur frühzeitigen Erkennung von Verschleiß und Schäden, • Durchführung von Schadensanalysen, • Berechnung von Informationen, die für andere dynamische (transiente) Lösungen wichtig sind, z. B. notwendige Zeitschritte, • Systemreduktion durch modale Transformation, die in anderen dynamischen Lösungsverfahren als Basis genutzt werden kann, z. B. bei der Frequenzganganalyse, s. Kap. 8.4, • Validierung von numerischen Methoden. Dabei ist aber Folgendes zu beachten:

160

8 Lineare zeitabhängige FEM

• Die Modalanalyse ist eine rein lineare dynamische Analyse. Sobald nichtlineare Effekte auftreten, kann sie nur eingeschränkt genutzt werden, indem um einen Betriebspunkt linearisiert wird. • Die Anzahl der notwendigen Eigenformen für eine modale Reduktion ist eine ingenieurmäßige Entscheidung, die Effizienz und Genauigkeit abwägen muss. • Der interessierende Frequenzbereich muss durch Moden abgedeckt sein. Dies limitiert den Einsatz der Methode, da z. B. bei Stoßvorgängen praktisch alle Eigenmoden angeregt werden und dann auch berechnet werden müssten.

8.3 Berücksichtigung von Dissipationseffekten Bisher sind wir von konservativen mechanischen Systemen ausgegangen, in denen die mechanische Energie erhalten bleibt. Es gibt allerdings keine technischen Systeme ohne Dissipationsverhalten, wodurch mechanische Energie in thermische umgewandelt wird und dem System damit mechanische Energie entzogen wird. Bei Betrachtung schwingungsfähiger Systeme bezeichnet man die Dissipation von Schwingungsenergie und damit die Abnahme der Schwingungsamplitude als Dämpfung. Dissipation kann sowohl auf atomarer Ebene im Material (innere Dämpfung, z. B. als innere Reibung oder Plastizität) auftreten als auch makroskopisch zwischen Grenzflächen von Festkörpern oder bei Umströmung in einem Fluid. Diese Effekte werden als äußere Dämpfung bezeichnet. Dissipation ist generell ein schwer zu beschreibender und v. a. häufig nichtlinearer physikalischer Effekt. In diesem Kapitel soll deswegen nur auf die bekanntesten Modellierungstechniken in der FEM bei linearen Systemen eingegangen werden. Folgende physikalische Dissipationseffekte sind, ohne Anspruch auf Vollständigkeit, in FE-Programmen von Bedeutung: • Coulomb’sche Reibung: Die zwischen zwei Oberflächen entstehende Kraft hängt von der Normalkraft ab, ist aber unabhängig von der Relativgeschwindigkeit. Coulomb’sche Reibung wird in Kap. 11.1.2 detailliert besprochen, da sie eine der wichtigsten Dämpfungsursachen in technischen Anwendungen darstellt. • Stokes’sche oder viskose Dämpfung: Die Dämpfungskraft hängt linear mit der Relativgeschwindigkeit zusammen: 𝐹 ∼ 𝑣. Viskose Dämpfung ist in technischen Anwendungen nicht der häufigste Effekt, wird aber wegen der linearen Beziehung zwischen Kraft und Relativgeschwindigkeit gerade in der linearen Dynamik genutzt. • Newton’sche Dämpfung: Hier nimmt die Dämpfungskraft mit dem Quadrat der Geschwindigkeit zu. Der Effekt tritt bei turbulenter Umströmung auf, z.B. beim Luftwiderstand eines Fahrzeugs. • Materialdämpfung: Hierunter fällt die Dissipation von Energie bei viskosem oder plastischem Materialverhalten. Es handelt sich dabei aber um nichtlineare Effekte, die in der linearen Dynamik nicht direkt genutzt werden können, s. Kap. 10. Neben diesen physikalischen Effekten treten noch algorithmische Effekte auf: • Numerische Dämpfung, bzw. algorithmische Dämpfung, s. Dinkler [2, Kap. 30.4], spielt bei der Lösung transienter zeitabhängiger Differenzialgleichungen eine große Rolle, s. Kap. 13.2.

8.3 Berücksichtigung von Dissipationseffekten

161

• Diskrete Dämpferelemente, die eine, ggf. nichtlineare, Dämpferkennlinie vorgeben. • Kontaktdämpfung, die das Kontaktrauschen unterdrücken soll, s. Kap. 11.3.2. Viele der genannten Effekte führen auf nichtlineare Gleichungen. Um Dämpfung in der linearen Dynamik beschreiben zu können, wird häufig das linear-viskose Gesetz angenommen: 𝒃D = −𝑑 𝒗 . Um die viskose Dämpfung formal in ein Energieprinzip einführen zu können, wird sie als Volumenkraft 𝒃D angenommen, die proportional zur Geschwindigkeit 𝒗 mit der Dämpfungskonstante 𝑑 ist, s. Bathe [1, Kap. 4.2.1, S. 165]. Die Einheit von 𝑑 ist entsprechend [𝑑] = kg/(m3 s). Führt man diese Volumenkraft über einen Arbeitsterm in das Lagranged’Alembert’sche Prinzip in Gl. (8.1) ein: 𝑊𝛿𝑑 = −

∫ 𝑉

𝛿𝒖T 𝑑 𝒗 d𝑉 ,

entsteht formal nach der Diskretisierung eine zusätzliche Systemmatrix 𝑫, die die geschwindigkeitsproportionale Dämpfung in die Bewegungsgleichung einbringt: 𝑴 𝒂(𝑡) + 𝑫 𝒗(𝑡) + 𝑲 𝒖(𝑡) = 𝟎 . Die Dämpfungsmatrix 𝑫 kann unsymmetrisch sein. Weiterhin lässt sich das Differenzialgleichungssystem nicht mehr über einen harmonischen Ansatz wie in Gl. (8.6) lösen. Vielmehr ist nun ein Ansatz der Form 𝒖(𝑡) = 𝝓̂ e(𝜆𝑡) notwendig, da diese Funktion sich in jeder Ableitung wiederholt und damit ein Abspalten der Zeitabhängigkeit erlaubt. Die Lösungen des Eigenwertproblems 2 (𝜆 𝑴 + 𝜆𝑫 + 𝑲) 𝝓̂ = 𝟎

(8.19)

für die Eigenwerte sind entweder reell oder paarweise konjugiert-komplexe Werte. Die Eigenvektoren sind im Allgemeinen komplexwertig, s. Gasch, Knothe und Liebich [4, Kap. 5, S. 198]. Wenn es sich um paarweise konjugiert-komplexe Lösungen handelt, ergibt sich die physikalische Lösung trotzdem als reelle, exponentiell abklingende harmonische Schwingung.

8.3.1 Proportionale und modale Dämpfung Die Lösung des komplexen Eigenwertproblems in Gl. (8.19) ist deutlich aufwendiger und benötigt eigene Lösungsalgorithmen, s. Zienkiewicz, Taylor und Zhu [11, Kap. 12.6, S. 394]. Deswegen wird üblicherweise versucht mit den aus dem ungedämpften Problem gewonnenen Eigenvektoren zu arbeiten und Dämpfung in dieses System einzuführen. Ein technisches Argument dafür ist auch, dass Dämpfungseffekte oft klein sind und die Unterschiede in Eigenfrequenzen und Eigenvektoren des gedämpften zum ungedämpften System daher gering sind, siehe die Werte für Dämpfungsgrade in Kap. 8.3.1.1.

162

8 Lineare zeitabhängige FEM

Die Bestimmung der Einträge der Dämpfungsmatrix ist im Allgemeinen nicht auf Elementebene durchführbar, wie bei der Steifigkeits- und Massenmatrix, da die Effekte z. B. zwischen Oberflächen sich berührender Körper ablaufen, s. Bathe [1, Kap. 4.2.1, S. 166 und Kap. 9.3.3, S. 796]. Eine experimentelle Ermittlung ist zumindest sehr aufwendig. Führt man deswegen eine Dämpfungsmatrix 𝑫 auf Systemebene ein, besteht das Problem, dass sie im Allgemeinen durch die Eigenvektoren aus einer ungedämpften Berechnung nicht auf Diagonalform transformiert wird, 𝜱T 𝑫 𝜱 ≠ diag( (𝑖)𝑑). Damit sind die modale Transformation in Kap. 8.2.1 und ein Arbeiten mit den entkoppelten Bewegungsgleichungen in Kap. 8.4 für gedämpfte Systeme zunächst nicht möglich. Aus diesen Gründen wird häufig ein pragmatischer Ansatz („Bequemlichkeitshypothese“) gemacht, der als Rayleigh-Dämpfung oder proportionale Dämpfung bezeichnet wird: Es wird angenommen, dass sich die Dämpfungsmatrix als Linearkombination der Massenund Steifigkeitsmatrix darstellen lässt: 𝑫R = 𝛼𝑴 + 𝛽𝑲 ,

(8.20)

mit den beiden Konstanten 𝛼 und 𝛽. Verwendet man die Beziehungen aus Gl. (8.11) für die massennormierten Eigenvektoren, gilt für diese Dämpfungsmatrix die Transformation: (𝑖) T ̂̄

T 𝝓 𝑫R (𝑖)𝝓̂̄ = (𝑖)𝝓̂̄ (𝛼𝑴 + 𝛽𝑲) (𝑖)𝝓̂̄ = 𝛼 + 𝛽 (𝑖)𝜔2 ≡ (𝑖)𝑑 ,

(8.21)

mit einer modalen Dämpfungskonstante (𝑖)𝑑, die die Dämpfung des Freiheitsgrads 𝑖 wiedergibt. Führt man dies mit der Modalmatrix 𝜱̄ für jeden Freiheitsgrad durch, handelt es sich bei 𝒅 = 𝜱̄ T 𝑫R 𝜱̄ wieder um eine Diagonalmatrix und es ist auch für Systeme mit Rayleigh-Dämpfung eine modale Entkopplung der Bewegungsgleichungen möglich. Es ist zu beachten, dass dieses gedämpfte System dieselben Eigenvektoren wie das ungedämpfte System aufweist. Mit der Einführung des Dämpfungsgrads (𝑖)𝐷 kann dies noch weiter interpretiert werden. Aus der Schwingungslehre ist die Beziehung (𝑖)

𝐷=

(𝑖)

(𝑖) 𝑑 𝑑 = 2 (𝑖)𝑚 (𝑖)𝜔 𝑑krit

(8.22)

bekannt, mit der kritischen Dämpfungskonstante 𝑑krit = 2 (𝑖)𝑚 (𝑖)𝜔, die den aperiodischen Grenzfall charakterisiert, bei dem der Freiheitsgrad nach einer Auslenkung ohne Überschwingen in kürzestmöglicher Zeit in seine Ruhelage zurückkehrt (s. Mathiak [6, Kap. 8.2]). Häufig wird die Angabe der Dämpfung in Prozent der kritischen Dämpfungskonstante als Eingabegröße in FE-Programmen verlangt. Dies ist nach Gl. (8.22) nichts anderes als der dimensionslose Dämpfungsgrad (𝑖)𝐷. Einsetzen von Gl. (8.22) in Gl. (8.21), ergibt unter Beachtung von (𝑖)𝑚 = 1, da massennormierte Vektoren benutzt wurden: (𝑖)

𝐷( (𝑖)𝜔) =

1 𝛼 + 𝛽 (𝑖)𝜔 . (𝑖) ) ( 2 𝜔

(8.23)

An Gl. (8.23) sieht man deutlich, dass die Dämpfung jeder Eigenmode von den zwei Parametern 𝛼 und 𝛽 abhängt. Allerdings ist dies kein konstanter oder linearer Zusammenhang, wie Abb. 8.3 zeigt, d. h. die Rayleigh-Dämpfung ist frequenzabhängig.

8.3 Berücksichtigung von Dissipationseffekten

163

Eine Erweiterung dieses Konzepts geht davon aus, dass es nicht nur zwei Parameter gibt, die die modalen Dämpfungsgrade für jede Eigenfrequenz nach Gl. (8.23) festlegen, sondern, dass jede Mode ihren eigenen modalen Dämpfungsgrad hat. Dieser Ansatz wird als modale Dämpfung bezeichnet, da die Form der Gleichungen für eine modale Reduktion erhalten bleibt. Eine Darstellung der Dämpfungsmatrix in der Form von Gl. (8.20) ist dann nicht mehr möglich, vielmehr ist 𝒅 = 𝜱̄ T 𝑫𝜱̄ eine Diagonalmatrix, die für jede Mode auf der Hauptdiagonale den modalen Dämpfungsgrad (𝑖)𝐷 als unabhängige Größe enthält. Die Bestimmung dieser Daten ist jedoch sehr aufwendig, s. Bathe [1, Kap. 9.3.3].

8.3.1.1 Bestimmung der Dämpfungsparameter

)্*

Abb. 8.3 Verlauf des Dämpfungsgrads über der Eigenfrequenz bei RayleighDämpfung für: 𝛼 = 16,5 1/s ) und 𝛽 = 5,95 ⋅ 10−4 s ( ) und 𝛼, 2𝛽 sowie 2𝛼, 𝛽 ( ) (

য

Die Parameter 𝛼, 𝛽 werden entweder über Erfahrung vorgegeben oder aus gemessenen Datensätzen berechnet. Kennt man z. B. für zwei Eigenfrequenzen (𝑖)𝑓 die Dämpfungsgrade (𝑖)𝐷, können die Parameter aus Gl. (8.23) bestimmt werden. In Abb. 8.3 ist ein Bei) für zwei modale Dämpfungsgrade (1)𝐷( (1)𝑓 = 10 Hz) = 0,15 und (2)𝐷( (2)𝑓 = spiel ( 100 Hz) = 0,2 dargestellt mit den resultierenden Parametern 𝛼 = 16,5/s und 𝛽 = 5,95⋅10−4 s. Für alle anderen Punkte stellt sich ein Dämpfungsgrad nach Gl. (8.23) ein. Dabei ist die Dämpfung zwischen den Stützstellen geringer und im kleinen und hohen Frequenzbereich sehr hoch. ) ist 𝛼 verdoppelt und in In Abb. 8.3 sind noch zwei Varianten gezeigt. In Kurve ( ) 𝛽. Man entnimmt den Graphen, dass der Dämpfungsparameter 𝛼 vor allem Kurve ( niedrige Eigenfrequenzen dämpft. Dies wird als massenproportionale Dämpfung bezeichnet. Gleichzeitig werden dadurch auch Starrkörperbewegungen (𝜔 = 0) gedämpft. Da dies unerwünscht sein kann, bieten FE-Programme häufig die Möglichkeit die Dämpfung nicht global, sondern bauteilbezogen aufzubringen. Durch 𝛽 werden hohe Frequenzen unterdrückt, dies wird als steifigkeitsproportionale Dämpfung bezeichnet. Möchte man also z. B. in dynamischen Berechnungen hohe Frequenzanteile aus dem Modell eliminieren, dann kann man dies über eine Rayleigh-Dämpfung mit hohem 𝛽 erreichen.

1/3 1/26

6 Զ 21҃3

21

211 )্*

ো  )[

164

8 Lineare zeitabhängige FEM

Dem Bild entnimmt man, dass für wachsende Eigenfrequenzen der Dämpfungsgrad stark steigt. Für (𝑖)𝐷 > 1 bildet sich keine Schwingung mehr aus, diese Eigenformen treten dann gar nicht mehr in Erscheinung. Dies ist ggf. in einer Ergebnisanalyse zu beachten. Liegen keine Messwerte vor, kann man nur Schätzwerte eingeben. Übliche Dämpfungsgrade selbst innerhalb einer Materialgruppe variieren stark, Baustahl hat einen Dämpfungsgrad von 𝐷 = 0.0025, Grauguss von 𝐷 = 0.01 … 0.05 und Gummi von 𝐷 = 0.08 … 0.12 (Zahlenwerte aus Dresig und Holzweißig [3, Kap. 1.4.3, S. 56]). Stehen keine anderen Daten zur Verfügung, kann 𝛽 so bestimmt werden, dass sich gerade der aperiodische Grenzfall mit (𝑖)𝐷 = 1 einstellt, zur Unterdrückung hochfrequenter Schwingungsanteile. Für diese rein steifigkeitsproportionale Dämpfung gilt dann 𝛽 = 2/ (max)𝜔.

8.4 Frequenzganganalyse Bisher wurde bei der Modalanalyse das Eigenschwingungsverhalten untersucht, indem die homogene Differenzialgleichung gelöst wurde, bei der die rechte Seite zu null gesetzt ist. Bei der Frequenzganganalyse bzw. harmonischen Analyse wird eine erzwungene Schwingung untersucht. Es wird eine Anregung angenommen, für die allerdings keine beliebige zeitliche Abhängigkeit möglich ist, sondern eine harmonische Anregung 𝒇 = 𝒇 ê i𝛺𝑡 mit einer Anregungskreisfrequenz 𝛺 anliegt. Mit i wird die komplexe Zahl bezeichnet. Die Zeitabhängigkeit wird als komplexe Funktion ei𝛺𝑡 vorgegeben, da dies dem Lösungsverhalten der Differenzialgleichung mit Dämpfung entspricht. Es sind dann auch die Ergebnisse komplexwertig. Die zuvor eingeführten Konzepte der modalen Reduktion und modalen bzw. proportionalen Dämpfung werden an dieser Stelle benötigt, um das Verhalten bei erzwungenen Schwingungen zu untersuchen. Das zu lösende Gleichungssystem lautet unter Berücksichtigung von Dämpfung: 𝑴 𝒂(𝑡) + 𝑫 𝒗(𝑡) + 𝑲 𝒖(𝑡) = 𝒇 ê i𝛺𝑡 .

(8.24)

Durch die Anregung wird das System in Schwingung versetzt. Die Eigenschwingung des Systems in der homogenen Lösung 𝒖h in Gl. (8.9) klingt durch die Dämpfung sehr schnell nach dem Beginn der Anregung ab. Die harmonische Anregung bleibt erhalten und das gesamte System wird im eingeschwungenen Zustand in der Anregungsfrequenz harmonische Schwingungen ausführen. Unbekannt sind die Amplitude, mit der jeder Knoten der Diskretisierung schwingt und die Phasenverschiebung zum Anregungssignal. Für die Lösung des Differenzialgleichungssystems wird ein Ansatz nach der rechten Seite gemacht: 𝒖 = 𝒖ê i𝛺𝑡 .

(8.25)

Die verbleibende Unbekannte ist hier nun der komplexwertige Vektor 𝒖,̂ der sowohl die Amplitude als auch die Phasenverschiebung enthält. Einsetzen in Gl. (8.24) ergibt: (−𝛺2 𝑴 + i𝛺𝑫 + 𝑲)𝒖̂ = 𝒇 ̂ ,

(8.26)

8.4 Frequenzganganalyse

165

wobei die Zeitfunktion ei𝛺𝑡 bereits wie bei der Modalanalyse eliminiert wurde. Die entstehende Matrix wird als dynamische Steifigkeitsmatrix bezeichnet. Die Inverse 𝑯(𝛺) der dynamischen Steifigkeit wird als Frequenzgangmatrix (Frequency Response Function (FRF)), Übertragungsfunktion oder Nachgiebigkeit bezeichnet und stellt eine Beziehung zwischen den anregenden Knotenlasten und den resultierenden Verschiebungen her: 𝒖̂ = 𝑯(𝛺)𝒇 ̂ = (−𝛺2 𝑴 + i𝛺𝑫 + 𝑲)−1 𝒇 ̂



𝑢𝑖̂ = 𝐻𝑖𝑗 (𝛺)𝑓𝑗̂ .

Jede Komponente 𝐻𝑖𝑗 stellt den Zusammenhang zwischen einer Anregung am Knoten 𝑗 und der Verschiebungsantwort am Knoten 𝑖 dar. Die Frequenzgangmatrix hängt nur von der Anregungsfrequenz 𝛺 ab. Für die Bestimmung von 𝐻𝑖𝑗 gibt es verschiedene Möglichkeiten. Die naheliegende direkte Invertierung der vollständigen dynamischen Steifigkeitsmatrix ist zu rechenintensiv für große FE-Modelle und wird nicht weiterverfolgt. Eine weitere in kommerziellen Programmen verfügbare Methode ist der Einsatz der Guyan-Reduktion aus Kap. 8.2.3.1. Hier müssen relevante Freiheitsgrade definiert werden. Die unerwünschten Freiheitsgrade werden dann dynamisch kondensiert und die Frequenzgangmatrix nur für die reduzierten Freiheitsgrade gelöst. Dadurch lässt sich Rechenzeit sparen, allerdings ist der Aufwand für die Guyan-Reduktion zu erbringen, außerdem kann ein weiterer Rechenlauf notwendig sein, wenn Informationen an vorher eliminierten Freiheitsgraden notwendig sind. Als letzte Möglichkeit soll der Stand der Technik in kommerziellen Programmen angegeben werden: Mit Hilfe der modalen Reduktion aus Kap. 8.2.2 wird ein entkoppeltes, verkleinertes Gleichungssystem erzeugt, für das die Invertierung einfach zu berechnen ist, da nur noch Diagonalmatrizen vorkommen. Dazu wird mit dem Ansatz für die Verschiebungen aus Gl. (8.15) ein reduziertes System berechnet, wobei nun von massennormierten Eigenvektoren ausgegangen wird. Die Amplituden der Verschiebungen lauten damit: 𝑛

𝒖̂ = 𝜳̄ 𝒛̂ = ∑ (𝑗)𝝓̂̄ 𝑧𝑗̂ =

𝝓̂̄ 𝑧1̂ + (2)𝝓̂̄ 𝑧2̂ + … + (𝑛)𝝓̂̄ 𝑧𝑛̂ .

(1)

(8.27)

𝑗=1

Es ist wesentlich zu erkennen, dass nur 𝑛 ≪ 𝑁ges Eigenvektoren benutzt werden. Die Dimensionsreduktion und Entkopplung gelingt nur, wenn die Dämpfungsmatrix auf Diagonalform zu bringen ist. Deswegen wird üblicherweise von proportionaler oder modaler Dämpfung ausgegangen, s. Kap. 8.3.1. Dann gilt mit massennormierten Eigenvektoren: 𝜳̄ T 𝑫 𝜳̄ = diag(2 (𝑗)𝜔 (𝑗)𝐷) , mit der jeweiligen Eigenkreisfrequenz und dem modalen Dämpfungsgrad aus Gl. (8.22). Die modale Reduktion für Gl. (8.26) lautet damit ̄ T 𝑴𝜳̄ +i𝛺 (−𝛺2 𝜳⏟ 𝑰

̄ T 𝑫𝜳̄ 𝜳⏟ diag(2 (𝑗)𝜔 (𝑗)𝐷)

̄ T 𝑲𝜳̄ )𝒛̂ = 𝜳̄ T 𝒇 ̂ . + 𝜳⏟ 𝜦

Für die 𝑗-te Gleichung kann man damit die generalisierte Koordinate berechnen: 2

(𝑗)

(𝑗)

(𝑗) 2

(−𝛺 + 2i𝛺 𝜔 𝐷 + 𝜔 ) 𝑧𝑗̂ =

(𝑗) T ̂̄

𝝓 𝒇̂



𝑧𝑗̂ =

(𝑗) T ̂̄

𝝓 𝒇̂ . −𝛺2 + 2i𝛺 (𝑗)𝜔 (𝑗)𝐷 + (𝑗)𝜔2

166

8 Lineare zeitabhängige FEM

4

1IBTFOXJOLFM ౯

"NQMJUVEF า঳্ৎ า

291 3

2

1 1

1

311

511

711 ো 0)[

911

2-111

1

311

511

711 ো 0)[

911

2-111

Abb. 8.4 Amplituden- und Phasengang einer schwingenden Platte im Frequenzbereich 0 … 1000 Hz

Eingesetzt in Gl. (8.27) folgt 𝑛

𝒖̂ = ∑ 𝑗=1

T 𝝓̂̄ (𝑗)𝝓̂̄ 𝒇 ̂ = 𝑯(𝛺) 𝒇 ̂ . −𝛺2 + 2i𝛺 (𝑗)𝜔 (𝑗)𝐷 + (𝑗)𝜔2 (𝑗)

(8.28)

In der Gleichung ist zu beachten, dass das dyadische Produkt der Eigenvektoren gebildet T wird: (𝑗)𝝓̂̄ (𝑗)𝝓̂̄ . Die komplexwertige Frequenzgangmatrix 𝑯(𝛺) ergibt sich als Summe der dyadischen Produkte der benutzten Eigenvektoren, geteilt durch einen Faktor. Der physikalisch relevante Teil einer komplexen Zahl (i. d. R. der Realteil) lässt sich in Polarform als Betrag und Phasenverschiebung darstellen ℜ(𝐻𝑖𝑗 (𝛺)) = |𝐻𝑖𝑗 (𝛺)| cos(𝜑(𝛺)). Dies erlaubt die Darstellung eines Eintrags aus der Frequenzgangmatrix, den Frequenzgang, der eine Anregung bei Knoten 𝑗 mit der Antwort bei Knoten 𝑖 verbindet. Die Darstellung erfolgt über einen Frequenzbereich, da eine einzelne Anregungsfrequenz keine Information über das System liefert. Die Gl. (8.28) wird deshalb für mehrere Frequenzen gelöst. Der Aufwand ist gering, da die Eigenvektoren nicht von der Frequenz abhängen. Solche Diagramme werden als Frequenzspektrum bezeichnet. Für den komplexen Frequenzgang wird das Bode-Diagramm genutzt, das sich aus Amplitudenspektrum/-gang und Phasenspektrum/-gang zusammensetzt. Als Beispiel ist in Abb. 8.4 der Frequenzgang ohne Dämpfung der bereits in Kap. 8.2 benutzten Platte dargestellt. Die Stellen im Amplitudengang, die gegen unendlich gehen, zeigen Resonanzstellen an. Dort wird eine Eigenfrequenz angeregt. An solchen Stellen springt der Phasenwinkel im ungedämpften Fall jeweils um ±180°. Aus solchen Diagrammen kann man Schlussfolgerungen über die Lagerung und den Betrieb von Maschinen ziehen, wobei häufig im Vordergrund steht, dass keine Resonanzen auftreten sollen. Es gibt aber auch Anwendungen, bei denen die Resonanz erwünscht ist, z. B. Schwingförderer. Bei der Berechnung eines Frequenzgangs mit einem kommerziellen Programm ist vorab immer eine Modalanalyse durchzuführen, damit die Eigenvektoren zur Verfügung stehen. Dabei muss der Bereich der Eigenmoden, die zu Grunde gelegt werden sollen, angegeben werden, um den Rechenaufwand gering zu halten. Für die Wahl des Bereichs gilt das in Kap. 8.2.4 gesagte. Die Dämpfung und deren Parameter sind zu spezifizieren (modale

8.5 Aufgaben

167

oder Rayleigh-Dämpfung). Weiterhin ist der Frequenzbereich der Auswertung anzugeben, der im Bode-Diagramm dargestellt werden soll. Hier gibt es häufig eine Option, die Anzahl an Auswertungen des Frequenzgangs in der Nähe von Eigenfrequenzen zu bündeln, da hier die Kurvenverläufe hohe Gradienten aufweisen. Zuletzt stellt der Frequenzgang immer eine Beziehung eines Anregungspunkts zu einem Auswertepunkt her. Auch diese sind für die Berechnung zu spezifizieren. Zuletzt sei nochmals darauf hingewiesen, dass geometrische oder materialbedingte Nichtlinearitäten bei der Frequenzganganalyse unberücksichtigt bleiben. Die Lösungen dieses Systems sind im Allgemeinen komplexe Zahlenwerte. Die physikalische Lösung erhält man mit dem Realteil. Der komplexe Anteil hat physikalisch die Interpretation, dass die Anregungs- und Antwortschwingungen gegeneinander phasenverschoben ablaufen, d. h. die Lösung besteht aus einer reellwertigen Amplitude und einem Phasenwinkel, um den diese Amplitude gegenüber der Anregung verschoben ist.

8.5 Aufgaben 8.1. Im Bild ist ein links fest eingespannter Stab dargestellt, der am rechten Ende durch eine harmonisch pulsierende Kraft 𝐹 ̂ sin 𝛺𝑡 belastet wird. ষ Gegeben: 𝐹 ̂ = 100 000 N, 𝐸 = 210 000 N/mm2 , ঱ Ȥ TJO ౘ৘ রব- ౪ 𝐴 = 100 mm2 , 𝐿 = 300 mm, 𝜌 = 7,8 ⋅ 10−9 t/mm3 . ড়- ৙)ড়* Bearbeiten Sie folgende Fragestellungen: a) Stellen Sie für eine Diskretisierung mit einem Element die dynamische Matrixgleichung der erzwungenen Schwingung auf und geben Sie die Eigenkreisfrequenz des Systems an. b) Berechnen Sie den Frequenzgang der erzwungenen Schwingung für diese Diskretisierung. c) Schreiben Sie ein Programm zur Berechnung der Eigenkreisfrequenzen und -moden sowie der Frequenzgangmatrix für eine beliebige Anzahl an finiten Elementen. Gehen Sie davon aus, dass die Elemente immer gleich lang sind. Der auszuwertende Frequenzbereich soll einstellbar sein. 8.2. Für eine quadratische Platte mit Kantenlänge 𝑎 = 100 mm und Dicke 𝑡 = 1 mm sollen mit einem kommerziellen FE-Programm verschiedene strukturdynamische Größen berechnet werden. Entnehmen Sie die Materialdaten aus Tab. A.2 und setzen Sie 𝜈 = 0,33. Legen Sie einen geeigneten Elementtyp und eine ausreichende Diskretisierung für diese Fragestellung fest. a) Bestimmen Sie die ersten 20 Eigenfrequenzen und Eigenformen, wobei die Platte ungelagert sein soll. Identifizieren Sie, welche Eigenmode in Abb. 8.2 dargestellt ist. b) Berechnen Sie nun den Frequenzgang 𝐻(𝛺)𝑎𝑏 im Wertebereich 0 Hz < 𝑓 < 1000 Hz. Dazu soll die Platte an einer Kante fest eingespannt sein. Die Anregung soll über eine Punktkraft 𝑓𝑎̂ an einer Ecke der gegenüberliegenden Kante in vertikaler Richtung zur Platte erfolgen. Die Verschiebungsantwort 𝑢𝑏̂ soll an der anderen Ecke erfasst werden. Stellen Sie das Ergebnis analog dem Bode-Diagramm in Abb. 8.4 dar.

168

8 Lineare zeitabhängige FEM

c) Vertauschen Sie Anregungs- und Antwortstelle. Was verändert sich am Ergebnis? Welche Folgerung ergibt sich daraus für die Frequenzgangmatrix 𝑯(𝛺), die auch aus Gl. (8.28) ableitbar ist. 8.3. Analysieren Sie den Einfluss von Dämpfung auf den Frequenzgang für die quadratische Platte aus Aufgabe 8.2 mit Hilfe eines kommerziellen FE-Programms. a) Berechnen Sie das Modell mit einem globalen konstanten Dämpfungsgrad 𝐷 = 0.01. b) Nutzen Sie die Vorgehensweise aus Kap. 8.3.1.1 und bestimmen Sie die Parameter 𝛼 und 𝛽, indem Sie die zweite und vierte Eigenfrequenz mit 𝐷 = 0,01 dämpfen. c) Führen Sie damit eine vollständige Rayleigh-Dämpfung durch. d) Berechnen Sie das Modell mit einer massen- sowie steifigkeitsproportionalen Dämpfung. Stellen Sie die Ergebnisse für den Amplitudengang in einem Diagramm gegenüber und interpretieren Sie das Ergebnis im Vergleich zum ungedämpften Fall aus Aufgabe 8.2.

8.6 Literaturverzeichnis [1] [2] [3] [4] [5] [6] [7] [8] [9]

[10] [11]

K.-J. Bathe. Finite Element Procedures. New Delhi: Prentice-Hall of India, 2007. D. Dinkler. Einführung in die Strukturdynamik. 3. Aufl. Wiesbaden: Springer Vieweg, 2020. H. Dresig und F. Holzweißig. Maschinendynamik. 12. Aufl. Berlin: Springer, 2016. R. Gasch, K. Knothe und R. Liebich. Strukturdynamik. 3. Aufl. Berlin: Springer Vieweg, 2021. T. J. R. Hughes. The Finite Element Method. Mineola: Dover Publications, 2000. F. U. Mathiak. Strukturdynamik diskreter Systeme. München: Oldenbourg, 2010. M. Riemer, W. Seemann, J. Wauer und W. Wedig. Mathematische Methoden der Technischen Mechanik. 3. Aufl. Wiesbaden: Springer Vieweg, 2019. H. R. Schwarz und N. Köckler. Numerische Mathematik. 8. Aufl. Wiesbaden: Vieweg + Teubner, 2011. K. Swidergal, C. Lubeseder, I. von Wurmb, A. Lipp, J. Meinhardt, M. Wagner und S. Marburg. „Experimental and numerical investigation of blankholder’s vibration in a forming tool: a coupled MBS - FEM approach“. In: Production Engineering 9.5-6 (2015), S. 623–634. M. Wagner. „Die hybride Randelementmethode in der Akustik und zur StrukturFluid-Interaktion“. Bericht aus dem Institut A für Mechanik. Univ. Stuttgart, 2000. O. C. Zienkiewicz, R. L. Taylor und J. Z. Zhu. The Finite Element Method. 7. Aufl. Oxford: Butterworth-Heinemann, 2013.

Kapitel 9

Geometrische Nichtlinearität

In Kap. 3.1 sind die grundlegenden Bestandteile zur Beschreibung eines strukturmechanischen Problems aufgelistet: die kinematischen Beziehungen, das Materialgesetz, die Gleichgewichtsbedingung sowie die Randbedingungen. Bisher wurde für alle Beziehungen davon ausgegangen, dass sie linear sind. Nichtlineares Verhalten erhält man, wenn die Annahme der Linearität für eine der Beziehungen nicht mehr ausreichend ist, um das physikalische Problem vollständig zu beschreiben, s. Abb. 9.1. Die genannten Themenfelder werden in diesem und den zwei folgenden Kapiteln angesprochen. Die genannten Arten von Nichtlinearitäten können in einer Problemstellung einzeln oder gemeinsam auftreten, entsprechend steigt die Komplexität zur numerischen Behandlung an. Der numerischen Modellierung technischer Fragestellungen liegt üblicherweise eine phänomenologische Kontinuumsmechanik zu Grunde. Ein Kontinuum oder Körper ist definiert als ein Volumen, das stetig mit Materie gefüllt ist (Altenbach [1, Kap. 1.4.3, S. 13]). Jedem räumlichen Punkt des Körpers können umkehrbar eindeutig Materieeigenschaften (z. B. Dichte, Verschiebung, Spannung) zugeordnet werden1 . Die Eigenschaften der Materiepunkte können damit auch durch die Raumpunkte beschrieben werden, es handelt sich deswegen um eine Feldtheorie. Für das Kontinuum werden mathematische Modelle zur Beschreibung des Materieverhaltens aufgestellt, die auf Beobachtung und experimenteller Charakterisierung des makroskopischen Systems beruhen. Der tatsächliche atomare Materieaufbau wird nicht betrachtet. Der wesentliche Vorteil einer Kontinuumstheorie ist, dass /JDIUMJOFBSJU¤UFO

HFPNFUSJTDIF HSPŸF 7FSTDIJFCVOHFO VOE 3PUBUJPOFO

NBUFSJFMMF C[X QIZTJLBMJTDIF T ,BQ 

EVSDI 3BOECF EJOHVOHFO T ,BQ 

HSPŸF 7FS[FSSVOHFO

Abb. 9.1 Einteilung der Nichtlinearitäten eines Problems 1

Dies bedeutet, ein Materiepunkt kann nicht an zwei Raumpunkten gleichzeitig sein und an einem Raumpunkt können keine zwei materiellen Punkte vorkommen.

169

© Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2022 M. Wagner, Lineare und nichtlineare FEM, https://doi.org/10.1007/978-3-658-36522-6_9

170

9 Geometrische Nichtlinearität

die Feldgrößen an jedem Punkt des Kontinuums glatte, d. h. stetig differenzierbare Funktionen sind und damit alle mathematischen Methoden wie Differenziation und Integration angewendet werden können. In diesem und dem folgenden Kapitel werden die für die FEM wesentlichen Größen der nichtlinearen Kontinuumsmechanik eingeführt. Die Unterteilung folgt dem Schema, zunächst die materialunabhängigen kinematischen und kinetischen Größen zu beschreiben und dann die materialabhängigen (konstitutiven) Beziehungen2 . Umfangreichere und detailliertere Einführungen in die Kontinuumsmechanik finden sich u. a. bei Altenbach [1], Bonet und Wood [4], Haupt [5], Parisch [7] und Willner [10].

9.1 Einführung zur geometrischen Nichtlinearität Bei einer geometrisch linearen Betrachtung, wie in den ersten Kapiteln des Buchs, werden folgende Annahmen getroffen: • alle kinematischen Größen (Verschiebungen, Rotationen, Verzerrungen) sind klein, • die Lasten wirken in der unverformten Ausgangsgeometrie, • daraus folgt: alle Gleichungen können für den unverformten Körper aufgestellt werden. Dies ist eigentlich nicht korrekt, da der Gleichgewichtszustand nur für den verformten Körper gilt. In der linearen Beschreibung ist die Annahme, dass der Fehler durch die Betrachtung der unverformten Ausgangslage vernachlässigbar klein ist. Der Vorteil bei der linearen Betrachtung ist, dass die Geometrie des Ausgangszustands bekannt ist und deswegen das Randwertproblem der Strukturmechanik (s. Kap. 3.1) direkt formuliert werden kann. Sind die Deformationen auf Grund der äußeren Lasten groß, dann sind diese vereinfachenden Annahmen nicht mehr zulässig. Die Bilanzierung muss in der aktuellen, verformten Lage des Körpers erfolgen, die zunächst unbekannt ist. In diesem Fall ist eine geometrisch nichtlineare Beschreibung notwendig, deren Grundlagen in diesem Kapitel dargestellt werden. Geometrische Nichtlinearitäten lassen sich in verschiedene Kategorien unterteilen. In Tab. 9.1 sind drei häufige Fälle geometrisch nichtlinearer Effekte zusammengefasst. Bereits in Abb. 3.2 wurde die Deformation in Starrkörperbewegung und Verzerrung unterteilt. Entsprechend muss man bei einer nichtlinearen Betrachtung großräumige Starrkörperbewegungen durch große Verschiebungen und Drehungen von großen Verzerrungen unterscheiden. Eine nichtlineare Deformation kann entweder aus großen Starrkörperbewegungen bei kleinen Verzerrungen (linkes Bild in Tab. 9.1), ausschließlich aus großen Verzerrungen in Tab. 9.1 (Mitte) oder im allgemeinsten Fall aus einer Kombination von beidem bestehen. Auch nicht richtungstreue Lasten (Folgelasten) sind geometrisch nichtlineare Effekte (rechtes Bild in Tab. 9.1). Ein Beispiel ist ein Druck auf einer Oberfläche. Die Druckspannung steht immer senkrecht auf der Oberfläche. Bei großräumiger Deformation der Oberfläche verändert der Spannungsvektor seine Richtung, die äußere Last wird damit abhängig vom Verschiebungszustand. Dieser Effekt wird hier aber nicht weiter behandelt (Details s. Wriggers [11, Kap. 3.5.3, S. 98]). 2

Im Folgenden wird zunächst die Voigt-Notation verlassen und die Tensornotation genutzt, s. Anh. A.2.

9.2 Kinematische Beschreibung

171

Tabelle 9.1 Unterscheidung geometrisch nichtlinearer Effekte Große Verschiebungen und Rotationen, kleine Verzerrungen (Folgelasten)

Große Verzerrungen

Nicht richtungstreue Lasten

DPT ౯ Һ 2 TJO ౯ Һ ౯ ౯

Eine schwierige Frage ist, was „groß“ bedeutet. Am Beispiel einer Rotation kann man die Problematik verdeutlichen: Die Koordinaten des Mittelpunkts des Elements in Tab. 9.1 (links) sind exakt durch die nichtlinearen trigonometrischen Funktionen beschrieben. Bei einer linearen Beschreibung wird angenommen, dass für 𝜑 ≪ 1 gilt: sin 𝜑 ≈ 𝜑 und cos 𝜑 ≈ 1 (Taylorreihe bis zum 1. Glied). Ab welchem Winkel 𝜑 ist die Bewegung nun groß, d. h. nichtlinear zu behandeln, sodass dann sin 𝜑 ≉ 𝜑 und cos 𝜑 ≉ 1 gilt? Prinzipiell macht man bei einem beliebig kleinen Winkel bereits einen Fehler, da die Taylorreihe abgebrochen wurde. Es hängt also davon ab, eine Schranke für den zulässigen Fehler anzugeben, dafür gibt es aber keine klaren Vorgaben. Für das hier angegebene Beispiel findet man in der Literatur Angaben von 𝜑 = 2° bis 5°. Letztendlich ist es die Entscheidung eines Anwenders, welcher Fehler akzeptabel ist.

9.2 Kinematische Beschreibung 9.2.1 Konfigurationen Für die kinematische Beschreibung ist die Lage des Körpers zu verschiedenen Zeitpunkten der Bewegung darzustellen. Zu jedem Zeitpunkt 𝑡 kann durch Ortsvektoren eines Bezugssystems die Lage jedes Körperpunkts eindeutig angegeben werden3 . Diese Anordnung wird als Konfiguration bezeichnet. Zur Beschreibung der Bewegung ist eine Ausgangskonfiguration zu wählen, s. Abb. 9.2, die den Ausgangszustand des Körpers zur Zeit 𝑡0 festlegt. Die Momentankonfiguration bezeichnet den Zustand des Körpers zum aktuellen Zeitpunkt 𝑡. Zuletzt ist in Abb. 9.2 noch die Referenzkonfiguration eingezeichnet: Sie gibt die Konfiguration an, bezüglich der Verzerrungen und Spannungen gemessen werden. Häufig wird hierzu die Ausgangs- oder die Momentankonfiguration genutzt, entsprechend ergeben sich unterschiedliche kinematische Beschreibungen. Darauf wird in Kap. 9.8 eingegangen. Jeder materielle Punkt im betrachteten Körper wird in der Referenzkonfiguration über einen Ortsvektor 𝗫 = [𝑋, 𝑌 , 𝑍]T identifiziert, der die materiellen Koordinaten enthält. 3

Auf eine Verwendung von krummlinigen Koordinaten wird aus Gründen der Verständlichkeit verzichtet, sodass ausschließlich kartesische Koordinaten genutzt werden.

172

9 Geometrische Nichtlinearität

"VTHBOHT LPOंHVSBUJPO ৘1

3FGFSFO[ LPOंHVSBUJPO ৘3,

ೣ)ୋ- ৘*

21 11

.PNFOUBO LPOंHVSBUJPO ৘

2 ৚

Eୋ E୥





1

৅- ৞ ୋ

ৄ-ঢ়

୥ ୣ঻ ৃ- ড়

Abb. 9.2 Allgemeine inkrementelle Betrachtung der Bewegung eines Kontinuums

Zur Unterscheidung werden Größen der Referenzkonfiguration mit Großbuchstaben oder dem Index (⋅)0 gekennzeichnet. In der Momentankonfiguration wird derselbe Körperpunkt mit der räumlichen Koordinate 𝘅 = [𝑥, 𝑦, 𝑧]T in Kleinbuchstaben beschrieben. Für die weitere Behandlung sind zwei Betrachtungsweisen zu unterscheiden: Lagrange’sche Beschreibung: Die Bewegung eines Körperpunkts 𝗫 wird verfolgt, indem zu jedem Zeitpunkt der Ortsvektor 𝘅(𝑡) zu dem Körperpunkt angegeben wird. Der Körperpunkt wird durch den Ortsvektor 𝗫 in der Referenzkonfiguration „markiert“, sodass die Deformation 𝞅 mathematisch formuliert werden kann (für Details s. Willner [10, Def. 3.2, S. 57]): ⎡𝜑𝑥 (𝑋, 𝑌 , 𝑍, 𝑡)⎤ 𝘅 = 𝞅(𝗫, 𝑡) = ⎢𝜑𝑦 (𝑋, 𝑌 , 𝑍, 𝑡)⎥ bzw. 𝑥𝑖 = 𝜑𝑖 (𝑋𝑗 , 𝑡) , ⎢ ⎥ ⎣𝜑𝑧 (𝑋, 𝑌 , 𝑍, 𝑡)⎦

(9.1)

mit 𝑖 = 𝑥, 𝑦, 𝑧 und 𝑗 = 𝑋, 𝑌 , 𝑍. Die Funktion 𝞅(𝗫, 𝑡) gibt die Bahnkurve eines materiellen Punkts wieder, s. Abb. 9.2. Es wird vorausgesetzt, dass die Funktion umkehrbar eindeutig ist, d. h. dass zu jedem Zeitpunkt eine eindeutige Zuordnung von 𝗫 auf 𝘅 und umgekehrt möglich ist. Anschaulich bewegt sich ein Beobachter in der Lagrange’schen Beschreibung mit dem Materiepunkt durch den Raum. Diese Beschreibung wird i. d. R. für die Festkörpermechanik angewandt und auch im Folgenden benutzt, da sich damit die Historie eines Teilchens verfolgen lässt, was für viele Materialmodelle von Festkörpern notwendig ist. Ein Nachteil dieser Beschreibung in der Behandlung mit der FEM ist, dass die Vernetzung des Körpers bei großen Verzerrungen sehr ungünstige Elementgeometrien annehmen kann, mit gegebenenfalls unbrauchbaren Ergebnissen. In Abb. 9.3 sind als Beispiel drei Zustände der Umformung eines zylindrischen Stabs mit plastischem Materialgesetz als Schnittdarstellung gezeigt, der gegen eine starre Wand gedrückt wird.

9.2 Kinematische Beschreibung

173

Abb. 9.3 Verzerrung einer FE-Diskretisierung durch sehr große Deformation

Euler’sche Beschreibung: Hier wird ein fixer Punkt 𝘅 im Raum gewählt4 , an dem die Feldgrößen beobachtet werden. An der fixen Stelle 𝘅 im Raum können zu unterschiedlichen Zeitpunkten unterschiedliche Materiepunkte, beschrieben durch die materielle Koordinate 𝗫, liegen, sodass sich hier die Abbildung 𝗫 = 𝞅−1 (𝘅, 𝑡)

bzw. 𝑋𝑖 = 𝜑−1 𝑖 (𝑥𝑗 , 𝑡)

(9.2)

ergibt. Da die Bewegung umkehrbar eindeutig ist, ergibt sich die Zuordnung durch die Umkehrfunktion von 𝞅. Dadurch wird beschrieben, welcher Materiepunkt zu einem Zeitpunkt 𝑡 gerade am Ort 𝘅 liegt. Diese Betrachtungsweise entspricht einem feststehenden Beobachter, der keinen einzelnen Körperpunkt mehr verfolgt, sondern die Veränderung einer Feldgröße an einem Ort im Raum. Sie wird üblicherweise in der Strömungsmechanik eingesetzt, wo die Bewegung eines einzelnen Teilchens nicht von Interesse ist oder die Prozesse so komplex sind, dass keine sinnvolle Auswertung möglich ist, s. Willner [10, Kap. 3.1, S. 58]. Für die numerische Behandlung kann mit feststehenden strukturierten Diskretisierungen gearbeitet werden, s. Kap. 7.4.1. Prinzipiell kann für die Referenz- und Momentankonfiguration ein unterschiedliches Koordinatensystem zur Angabe von Komponenten gewählt werden. Auch dies soll zur Vereinfachung hier vermieden werden. Vielmehr wird davon ausgegangen, dass die Koordinaten immer bezüglich derselben kartesischen Basisvektoren angegeben werden. Dies ist in Abb. 9.2 dadurch angedeutet, dass die materiellen und räumlichen Koordinaten an den Achsen stehen, z. B. 𝑋, 𝑥. Aus Abb. 9.2 kann man direkt die Beziehung für die Verschiebung eines Punkts in Lagrange’scher Beschreibung ablesen: 𝘂(𝗫, 𝑡) = 𝞅(𝗫, 𝑡) − 𝗫 bzw. 𝑢𝑖 (𝑋𝑗 , 𝑡) = 𝜑𝑖 (𝑋𝑗 , 𝑡) − 𝑋𝑖 .

(9.3)

Diese Beziehung wird aber in der nichtlinearen Kinematik nicht primär genutzt, da die Beschreibung in räumlichen Koordinaten einfacher ist. Die Verschiebung 𝘂 tritt im nichtlinearen Kontext dann auf, wenn es um Linearisierungen des nichtlinearen Problems geht, s. Kap. 12.2.1.

9.2.2 Deformations- und Verschiebungsgradient In Abb. 9.2 sind neben dem Punkt P noch ein zweiter direkt benachbarter Körperpunkt Q sowie das verbindende, infinitesimal kleine Linienelement d𝗫 eingezeichnet. Der Abstand ist aus darstellerischen Gründen im Bild vergrößert. Die Lage- und Formänderung dieses 4

Daher der Name räumliche Koordinate.

174

9 Geometrische Nichtlinearität

Linienelements aus der Referenzkonfiguration in die Momentankonfiguration d𝘅 wird für die Beschreibung der Deformation des Körpers herangezogen. Dazu wird der Differenzvektor in der Momentankonfiguration durch die Abbildung 𝞅 ausgedrückt (s. Bonet und Wood [4, Kap. 4.4]) und in eine Taylorreihe bis zum ersten Glied entwickelt5 : d𝘅 = 𝘅Q − 𝘅P = 𝞅(𝗫P0 + d𝗫, 𝑡) − 𝞅(𝗫P0 , 𝑡) ≈

𝞅(𝗫P0 , 𝑡) + (

𝜕𝞅(𝗫P0 , 𝑡) 𝜕𝗫

d𝗫 − 𝞅(𝗫P0 , 𝑡) = )

𝜕𝞅(𝗫P0 , 𝑡) 𝜕𝗫

d𝗫 = 𝗙d𝗫 .

(9.4)

Die Transformationsbeziehung 𝜕𝞅(𝗫P0 , 𝑡)/𝜕𝗫, die Linienelemente d𝗫 aus der Referenz- in die Momentankonfiguration d𝘅 abbildet, wird als Deformationsgradient 𝗙 bezeichnet6 : 𝜕𝑥 𝜕𝑥 𝜕𝑌 𝜕𝑦 𝜕𝑌 𝜕𝑧 𝜕𝑌

⎡ 𝜕𝑋 𝜕𝞅(𝗫, 𝑡) 𝜕𝘅 ⎢ 𝜕𝑦 = = ⎢ 𝜕𝑋 𝗙= 𝜕𝗫 𝜕𝗫 ⎢ 𝜕𝑧 ⎣ 𝜕𝑋

𝜕𝑥 𝜕𝑍 ⎤ 𝜕𝑦 ⎥ 𝜕𝑍 ⎥ 𝜕𝑧 ⎥ 𝜕𝑍 ⎦

bzw. 𝐹𝑖𝑗 =

𝜕𝑥𝑖 = 𝑥𝑖,𝑗 . 𝜕𝑋𝑗

(9.5)

Häufig wird anstatt der Transformationsbeziehung 𝞅 einfach 𝘅 geschrieben, da dies den Sachverhalt einfacher wiedergibt. Der Deformationsgradient ist der Ausgangspunkt für die Formulierung aller hier vorgestellten Verzerrungsmaße. Wie Gl. (9.4) zeigt, transformiert 𝗙 Vektoren der Referenz- in die Momentankonfiguration. Er ist deswegen keiner der beiden Konfigurationen eindeutig zugeordnet und wird als Zweipunkt-Tensor bezeichnet. Durch Einsetzen von Gl. (9.3) in Gl. (9.5) kann man weiter definieren: 𝗙=

𝜕 𝜕𝗫 𝜕𝘂 (𝗫 + 𝘂) = + =𝗜+𝗛 𝜕𝗫 𝜕𝗫 𝜕𝗫

bzw. 𝐹𝑖𝑗 = 𝛿𝑖𝑗 + 𝑢𝑖,𝑗 ,

(9.6)

mit dem Einheitstensor 𝗜 = 𝛿𝑖𝑗 . Der Tensor 𝗛 = 𝑢𝑖,𝑗 wird als Verschiebungsgradient in materieller Form bezeichnet. Findet keine Deformation statt (d𝗫 = d𝘅), ist 𝗙 = 𝗜. Zur Erfassung der Formänderung für die Formulierung von Materialgesetzen wird der Deformationsgradient nicht benutzt. Zunächst ist er nicht symmetrisch, was für Materialgesetze, die auf Potenzialen beruhen, ungünstig wäre (Bonet und Wood [4]). Weiterhin besteht eine Deformation aus einem Starrkörperanteil und einer Verzerrung, wie in Kap. 3.1 in Abb. 3.2 erläutert. Beide Anteile sind im Deformationsgradienten enthalten, s. Kap. 9.2.2.1. Da der Spannungszustand nur von den Verzerrungen abhängt, der Deformationsgradient aber bei einer reinen Starrkörperbewegung nicht null ist, s. Kap. 9.2.2.1, ist er wenig geeignet als Ausgangspunkt für die Formulierung von Materialgesetzen.

9.2.2.1 Polardekomposition Ein Tensor kann immer in ein Produkt aus zwei Tensoren zerlegt werden, s. Bonet und Wood [4, Kap. 4.6]: 𝗙 = 𝗥𝗨 = 𝗩𝗥 . 5

Für die Kontinuumstheorie wurde in Kap. 9.1 stetige Differenzierbarkeit aller Feldgrößen angenommen. Dies wird an dieser Stelle benötigt, da damit sichergestellt ist, dass die Ableitung definiert ist. 6 Vergleiche die Jacobi-Matrix in Kap. 6.2.

9.3 Beispiele eindimensionaler Verzerrungsmaße

175

Abb. 9.4 Aufspaltung der Deformation in eine Starrkörperrotation und eine Streckung





୅ ୉

Dabei ist der Tensor 𝗥 orthogonal, d. h. es gilt 𝗥T 𝗥 = 𝗥𝗥T = 𝗜

und 𝗥T = 𝗥−1 ,

s. Kap. 2.2.2. Tensoren mit dieser Eigenschaft erzeugen als Transformation immer eine reine Drehung. Da eine Rotation keine relativen Verschiebungen von Körperpunkten bewirkt, erzeugt 𝗥 eine reine Starrkörperrotation. Demgegenüber erzeugt der Tensor 𝗨 eine reine Formänderung und wird als rechter Strecktensor bezeichnet. Analog kann man auch den linken Strecktensor 𝗩 einführen. Wichtig ist, dass diese Tensoren keinerlei Anteile einer Starrkörperbewegung enthalten, sondern nur die Verzerrung beschreiben. Diese Darstellung des Deformationsgradienten wird als Polardekomposition bezeichnet und zerlegt die Gesamtdeformation in eine Hintereinanderschaltung einer reinen Verzerrung 𝗨 und eine Starrkörperdrehung 𝗥 bzw. eine Rotation 𝗥 und eine reine Verzerrung 𝗩, s. Abb. 9.4. Findet keine Verzerrung statt (𝗨 = 𝗩 = 𝗜), entspricht der Deformationsgradient dem Rotationstensor 𝗙 = 𝗥.

9.3 Beispiele eindimensionaler Verzerrungsmaße Für die Lösung eines strukturmechanischen Problems sind zunächst Verzerrungs- und Spannungsmaße zu definieren, bevor sie in den Bilanzgleichungen in Form von Energieprinzipien angewendet werden. Aus der großen Zahl möglicher Definitionen werden in den folgenden Kapiteln zunächst die wichtigsten eingeführt. In Kap. 9.8 wird dann die Anwendung in der FEM vorgestellt. Die Beschreibung der reinen Formänderung, d. h. der Verzerrung, ist nicht über physikalische Gesetzmäßigkeiten vorgegeben und kann deswegen prinzipiell frei definiert werden. Entsprechend gibt es eine Vielzahl von Verzerrungsmaßen. Die für die FEM wichtigsten werden in diesem Kapitel am eindimensionalen Fall vorgestellt, um die physikalische Bedeutung hervorzuheben und nicht durch mathematische Formulierungen zu überdecken. Die Erweiterung auf 3-D erfolgt dann im nächsten Kapitel. Abbildung 9.5 stellt die Dehnung7 eines Stabs dar. Der Stab hat in der Ausgangskon7

Wie üblich werden eindimensionale Verzerrungen in diesem Abschnitt als Dehnungen bezeichnet, da Scherungen im 1-D-Fall nicht auftreten.

176

9 Geometrische Nichtlinearität

Abb. 9.5 Dehnung eines Stabs als Beispiel für Verzerrungsmaße (aus Darstellungsgründen untereinander gezeichnet)

ৃ- ড়

ৃ ষ

৙ ব



Eৃ ড় ӵ

11 Eড়

1

figuration die Länge 𝐿 mit Querschnittfläche 𝐴. Im Folgenden sollen verschiedene Dehnungsmaße für das Stabende P0 bei einer Verschiebung in die Momentankonfiguration angegeben werden. In der Referenzkonfiguration hat P0 die materiellen Koordinaten 𝑋 = 𝐿. Er soll um 𝑢 = 𝑥 − 𝑋 = ℓ − 𝐿 in die Momentankonfiguration 𝑥 = ℓ mit Querschnitt 𝑎 gedehnt werden. Um die Deformation angeben zu können, ist die Bewegung 𝑥 = 𝜑(𝑋, 𝑡) des Kontinuums zu definieren. Wählen wir hier eine lineare Deformation 𝑥 = 𝜑(𝑋, 𝑡) = 𝑐0 + 𝑐1 𝑋 mit Konstanten 𝑐0 , 𝑐1 , dann kann man die Koeffizienten durch die aus der Abbildung ableitbaren Bedingungen berechnen: 𝜑(𝑋 = 0, 𝑡) = 0 und 𝜑(𝑋 = 𝐿, 𝑡) = ℓ. Daraus folgt 𝑐0 = 0, 𝑐1 = ℓ/𝐿 und die Deformation zu 𝜑(𝑋, 𝑡) =

ℓ 𝑋. 𝐿

Der Deformationsgradient hat in diesem Fall nur eine von null verschiedene Komponente: 𝐹𝑥𝑥 = 𝜕𝑥/𝜕𝑋. Damit ergeben sich der Deformations- und Verschiebungsgradient zu 𝐹𝑥𝑥 =

𝜕𝜑(𝑋, 𝑡) 𝜕𝑥 ℓ = = 𝜕𝑋 𝜕𝑋 𝐿

und 𝐻𝑥𝑥 =

𝜕𝑥 ℓ ℓ−𝐿 −1= −1= . 𝜕𝑋 𝐿 𝐿

Mit diesen Angaben werden die folgenden Dehnungsmaße anschaulich begründet: Streckung 𝜆: Das Verhältnis zwischen den inkrementellen Linienelementen in der Referenz- und Momentankonfiguration wird als Streckung bezeichnet: 𝜆𝑥𝑥 (𝑋) =

d𝑥 . d𝑋

Die Streckung ist im obigen Stabbeispiel in jedem Punkt gleich (d𝑥/d𝑋 = 𝑐1 ) und folgt direkt aus der Definition der Transformation 𝜑 zu 𝜆𝑥𝑥 (𝑋) =

ℓ . 𝐿

Findet keine Längenänderung statt, ist die Streckung 𝜆𝑥𝑥 = 1, was nicht dem Verständnis eines Verzerrungsmaßes entspricht, das in diesem Fall null sein sollte. Ingenieurdehnung 𝜀: Dieses Verzerrungsmaß wurde in Kap. 3.3 als der infinitesimale Verzerrungstensor 𝝴 eingeführt. Die Normaldehnungen aus 𝝴 werden auch als Ingenieurdehnungen bezeichnet, da sie z. B. im Zugversuch aus einer Kraft-Weg-Kurve ermittelt werden. In Gl. (3.12) wird die Längenänderung 𝑑𝑢 auf die infinitesimale Länge d𝑋 in der Referenzkonfiguration bezogen:

9.3 Beispiele eindimensionaler Verzerrungsmaße

𝜀𝑥𝑥 (𝑋) =

177

d𝑢 d𝑥 − d𝑋 d𝑥 ℓ−𝐿 = = − 1 = 𝜆𝑥𝑥 − 1 = = 𝐻𝑥𝑥 . d𝑋 d𝑋 d𝑋 𝐿

Man spricht von einem linearen Verzerrungsmaß, da die Liniensegmente nur bis zur ersten Potenz auftreten. Wie man sieht, entspricht die Ingenieurdehnung im 1-D-Fall gerade dem Verschiebungsgradienten. Findet keine Längenänderung statt, gilt 𝜀𝑥𝑥 = 𝜆𝑥𝑥 − 1 = 0. Dies entspricht der Erwartung, dass das Dehnungsmaß null ist, wenn keine Dehnung auftritt, im Gegensatz zur Streckung. Der Deformationsgradient (und zur späteren Verwendung die Determinante 𝐽) lässt sich mit Gl. (9.6) ausdrücken als 𝐹𝑥𝑥 =

𝐿+𝑢 ℓ = = 1 + 𝜀𝑥𝑥 𝐿 𝐿

und 𝐽 = det 𝐹𝑥𝑥 = 1 + 𝜀𝑥𝑥 .

(9.7)

Green-Lagrange-Dehnung 𝐸: Eine Möglichkeit, ein nichtlineares Verzerrungsmaß zu definieren, ist, die Längenänderungen der Linienelemente d𝑋 und d𝑥 im Quadrat zu nehmen und auf die (quadrierte) Länge in der Referenzkonfiguration zu beziehen. Den Sinn dieser Definition erkennt man bei einer vektoriellen Betrachtung in Kap. 9.4. Für jetzt wird die Green-Lagrange-Dehnung 𝐸𝑥𝑥 definiert als 𝐸𝑥𝑥 (𝑋) =

1 d𝑥2 − d𝑋 2 1 d𝑥 2 1 1 ℓ2 − 𝐿2 − = = . 2 2 ( d𝑋 ) 2 2 𝐿2 d𝑋 2

(9.8)

Dieses Ergebnis kann man weiter umformen, indem man für die Länge ℓ = 𝐿 + 𝑢 einführt: 1 𝑢 1 𝑢 2 𝐸𝑥𝑥 (𝑋) = + ( ) = 𝜀𝑥𝑥 + 𝜀2𝑥𝑥 . 𝐿 2 𝐿 2 Es gibt also einen linearen und einen quadratischen Anteil in dieser Dehnung, es handelt sich somit um ein nichtlineares Dehnungsmaß. Man erkennt, dass durch Streichen des quadratischen Terms aus der Green-Lagrange-Dehnung die Ingenieurdehnung entsteht, die somit die Linearisierung der Green-Lagrange-Dehnung darstellt. Almansi-Dehnung 𝑒: Bei diesem Dehnungsmaß wird die Differenz der Längenquadrate auf das Quadrat der aktuellen Länge bezogen: 𝑒𝑥𝑥 (𝑋) =

1 d𝑥2 − d𝑋 2 1 1 ℓ 2 − 𝐿2 1 1− = = . 2 2 ( 2 2 2 d𝑥 ℓ (1 + 𝜀𝑥𝑥 )2 )

Die Almansi-Dehnung kann in die Green-Lagrange-Dehnung umgerechnet werden, indem man mit dem Quadrat der Streckung multipliziert: 2

𝑒𝑥𝑥 (𝑋)

2

1 ℓ 2 − 𝐿2 ℓ ℓ = = 𝐸𝑥𝑥 (𝑋) . (𝐿) 2 ℓ2 ( 𝐿 )

Formal entspricht dies der Multiplikation von links und rechts mit dem Deformationsgradienten: 𝐹𝑥𝑥 𝑒𝑥𝑥 𝐹𝑥𝑥 = 𝐸𝑥𝑥 . Diese Beziehung wird sich auch im 3-D-Fall ergeben. Logarithmische oder Hencky-Dehnung 𝜀H : Dieses Dehnungsmaß wird nicht aus dem Vergleich von Linienelementen in der Referenz- und Momentankonfiguration gewonnen. Vielmehr werden nun ausschließlich Größen aus der Momentankonfiguration genutzt. Zunächst wird die Dehnungsänderung d𝜀H , bezogen auf die gesamte bisherige

178

9 Geometrische Nichtlinearität

Deformation am betrachteten Punkt, angegeben. Dazu wird die momentane Längenänderung d𝑥 ins Verhältnis zur momentanen Gesamtlänge 𝑥 gesetzt: d𝜀H 𝑥𝑥 =

d𝑥 . 𝑥

Dies kann man durch Integration zur Gesamtdehnung am Punkt P berechnen: 𝜀H 𝑥𝑥 (𝐿) =

𝜀H 𝑥𝑥

∫ 0

d𝜀H ̂ = 𝑥𝑥



ℓ 𝐿+𝑢 1 d𝑥 = ln = ln 𝜆𝑥𝑥 = ln = ln(1 + 𝜀𝑥𝑥 ) . ∫ 𝑥 𝐿 𝐿 𝐿

(9.9)

In Gl. (9.9) wird auch die Beziehung zur Streckung 𝜆𝑥𝑥 hergestellt. Dieser Zusammenhang gilt auch allgemein. Der Übergang auf die makroskopischen Längen 𝐿 und ℓ ist in diesem einfachen 1-D-Beispiel möglich, da die Transformation 𝜑(𝑋, 𝑡) linear ist. In mehrdimensionalen Fällen geht dies nur, wenn die Streckung immer in dieselbe Richtung verläuft, d. h. keine Rotation erfährt. Man spricht dann von einem proportionalen Dehnpfad. In der Umformtechnik (s. Kap. 14) wird diese Größe Umformgrad genannt und häufig mit 𝜑 bezeichnet. Im Folgenden werden einige wesentliche Eigenschaften der oben eingeführten Dehnungsmaße angegeben und verglichen.

9.3.1 Eigenschaften der Verzerrungsmaße Die Ingenieurdehnung ist nur für kleine Dehnungen und Rotationen sinnvoll. Als Beispiel betrachte man die vollständige Komprimierung des Stabs aus Abb. 9.5 auf ℓ = 0. Eine Dehnung von −∞ wäre sinnvoll. Die Ingenieurdehnung liefert -100 %. Man vergleiche dazu die Werte der Almansi- oder Hencky-Dehnungen. Die Green-Lagrange-Dehnung ergibt −0,5 und ist für diesen Fall ebenfalls ungeeignet. Diese Dehnung ist allerdings für große Rotationen einsetzbar, wie ein Beispiel in Kap. 9.4 zeigt. Die logarithmische Dehnung hat die besondere Eigenschaft, dass sie für beliebig große Dehnungen additiv ist. Auch dies gilt für die Ingenieurdehnung nicht, wie das Beispiel in Tab. 9.2 zeigt: Der Stab aus Abb. 9.5 wird in zwei Schritten verformt, zuerst auf die Länge ℓ1 , dann auf die Endlänge ℓ2 . In der Tabelle ist die Ingenieurdehnung der logarithmischen Dehnung gegenübergestellt. Einmal wird die Dehnung auf die Referenzkonfiguration bezogen und einmal auf Tabelle 9.2 Dehnungsmaße bei zweistufiger Umformung eines Stabs, s. auch Altenbach [1, S. 104] Referenzkonfiguration

Ingenieurdehnung

1. Dehnung, Ausgangskonfiguration 𝐿 2. Dehnung, Zwischenkonfiguration ℓ1 Summe Nur ein Schritt, Ausgangskonfiguration 𝐿

ℓ1 −𝐿 𝐿

+

ℓ1 −𝐿 𝐿 ℓ2 −ℓ1 ℓ1 ℓ2 −ℓ1 ℓ1 ℓ2 −𝐿 𝐿

Logarithmische Dehnung ln ln



ℓ2 −𝐿 𝐿

ln

ℓ1 𝐿

+ ln

ℓ2 ℓ1

ℓ1 𝐿 ℓ2 ℓ1

= ln ln

ℓ2 𝐿

ℓ2 ℓ1 ℓ1 𝐿

= ln

ℓ2 𝐿

9.4 Allgemeine nichtlineare Verzerrungsmaße

2 %FIOVOHTNBŸF

Abb. 9.6 Verlauf einiger Dehnungsmaße im 1-D über der Ingenieurdehnung: Ingenieurdehnung 𝜀 ( ), Streckung 𝜆 ( ), ), Green-Lagr.-Dehn. 𝐸 ( Hencky-Dehnung 𝜀H ( ), Almansi-Dehnung 𝑒 ( )

179

1

҃2 ҃211 

1

౞ 211 

den letzten Zustand. Darauf wird in Kap. 9.8 noch näher eingegangen. Es folgt: Ingenieurdehnungen kann man für große Dehnungen nicht addieren, bei denen die Referenzkonfiguration wechselt (sog. Upgedatete-Lagrange-Formulierung, s. Kap. 9.8). Dieser Effekt verschwindet nur dann, wenn man infinitesimal kleine Dehnungen annimmt, für die ℓ ≈ 𝐿 gilt. Logarithmische Dehnungen hingegen sind immer additiv. Für die bisher definierten Verzerrungsmaße wurde immer der Zusammenhang mit der Ingenieurdehnung 𝜀 dargestellt. In Abb. 9.6 ist der nichtlineare Verlauf der verschiedenen Verzerrungsmaße über der Ingenieurdehnung aufgetragen. Am Bild erkennt man gut, dass im Grenzfall kleiner Dehnungen, ℓ ≈ 𝐿 bzw. 𝜀 → 0, alle Dehnungsmaße mit der Ingenieurdehnung zusammenfallen, außer der Streckung. An diesem einfachen Beispiel wurden alle relevanten Dehnungsmaße eingeführt. Im folgenden Kapitel werden die 3-D-Verallgemeinerungen angegeben. Es wird sich zeigen, dass alle hervorgehobenen Eigenschaften und Beziehungen der Dehnungsmaße auch in diesem Fall gelten.

9.4 Allgemeine nichtlineare Verzerrungsmaße Im Folgenden werden die für den 1-D-Fall eingeführten Verzerrungsmaße auf den allgemeinen 3-D-Fall erweitert. Als Maß für die Formänderung wird nach wie vor in der Referenz- und Momentankonfiguration ein infinitesimales Liniensegment d𝗫 und d𝘅 betrachtet, s. Abb. 9.2. Die Länge der Liniensegmente wird über das Skalarprodukt der Vektoren bestimmt, was die Länge im Quadrat liefert. Zur Bestimmung der Länge müsste man die Wurzel ziehen, was sehr ungünstige Gleichungen liefern würde. Deswegen arbeitet man mit den quadratischen Termen. Die Längenänderung lautet dann d𝘅T ⋅ d𝘅 − d𝗫T ⋅ d𝗫 bzw.

d𝑥𝑖 d𝑥𝑖 − d𝑋𝑗 d𝑋𝑗 .

(9.10)

Ersetzt man die Liniensegmente in der Momentankonfiguration mit dem Deformationsgradienten aus Gl. (9.4) (und schreibt formal d𝗫T ⋅d𝗫 = d𝗫T ⋅𝗜d𝗫 mit dem Einheitstensor 𝗜), ergibt sich: d𝘅T ⋅ d𝘅 − d𝗫T ⋅ d𝗫 = d𝗫T ⋅ 𝗙T 𝗙d𝗫 − d𝗫T ⋅ 𝗜d𝗫 = d𝗫T ⋅ (2𝗘)d𝗫 .

180

9 Geometrische Nichtlinearität

Das Produkt auf der rechten Seite wird als quadratische Form bezeichnet. Es ergibt einen skalaren Wert, der der Differenz der quadrierten Längen der Linienelemente, ausgedrückt durch Vektoren in der Momentan- und Referenzkonfiguration auf der linken Seite der Gleichung, entspricht. Die neu definierte Größe ist der Green-Lagrange-Verzerrungstensor 𝗘: 1 T 1 𝗙 𝗙 − 𝗜) bzw. 𝐸𝑖𝑗 = (𝐹𝑘𝑖 𝐹𝑘𝑗 − 𝛿𝑖𝑗 ) . (9.11) 2( 2 Der Tensor erlaubt die Berechnung der Längenänderung rein durch das Linienelement aus der Referenzkonfiguration. Die gesuchte Formänderung wird auf diese Weise auf die Referenzkonfiguration bezogen. Dies lässt sich am 1-D-Fall in Gl. (9.8) gut erkennen. Deswegen wird 𝗘 als materieller Tensor bezeichnet. Wie unten gezeigt wird, ist dieses Verzerrungsmaß für große Rotationen geeignet. Mit Gl. (9.6) lässt sich der Verzerrungstensor 𝗘 vollständig durch den Verschiebungsgradienten 𝗛 ausdrücken: 𝗘=

2𝗘 = (𝗜 + 𝗛)T (𝗜 + 𝗛) − 𝗜 T

T

T

2𝐸𝑖𝑗 = (𝛿𝑘𝑖 + 𝑢𝑘,𝑖 )(𝛿𝑘𝑗 + 𝑢𝑘,𝑗 ) − 𝛿𝑖𝑗 T

= 𝗜 𝗜 + 𝗜 𝗛 + 𝗛 𝗜 + 𝗛 𝗛− 𝗜 T

bzw.

= 𝛿𝑘𝑖 𝛿𝑘𝑗 + 𝛿𝑘𝑖 𝑢𝑘,𝑗 + 𝑢𝑘,𝑖 𝛿𝑘𝑗 + 𝑢𝑘,𝑖 𝑢𝑘,𝑗 − 𝛿𝑖𝑗

T

=𝗛+𝗛 +𝗛 𝗛

= 𝑢𝑖,𝑗 + 𝑢𝑗,𝑖 + 𝑢𝑘,𝑖 𝑢𝑘,𝑗 .

(9.12)

Durch Transponieren von Gl. (9.11) erkennt man, dass 𝗘 ein symmetrischer Tensor ist. Vom Green-Lagrange-Verzerrungstensor lässt sich mit Gl. (9.12) ein linearer Anteil abspalten: 𝝴=

1 1 𝗛 + 𝗛 T ) = (𝗙 + 𝗙 T ) − 𝗜 2( 2

bzw. 𝜀𝑖𝑗 =

1 𝑢 + 𝑢𝑗,𝑖 ) . 2 ( 𝑖,𝑗

(9.13)

Dies ist der in Kap. 3.3 eingeführte Verzerrungstensor für kleine Verzerrungen. Im nichtlinearen Kontext wird er als infinitesimaler Verzerrungstensor bezeichnet. Diese Beziehung gilt nur, wenn die Deformationen klein sind, da sich in diesem Fall die Referenz- kaum von der Momentankonfiguration unterscheidet, sodass 𝗫 ≈ 𝘅 angenommen werden kann. Das heißt, bei der Ableitung wird nicht mehr zwischen materiellen und räumlichen Koordinaten unterschieden: 𝜕𝘂/𝜕𝗫 ≈ 𝜕𝘂/𝜕𝘅. Der Green-Lagrange-Verzerrungstensor ist ein für große Rotationen geeignetes Verzerrungsmaß, im Gegensatz zum infinitesimalen Tensor, wie folgendes Beispiel zeigt. Bei einer Starrkörperrotation entstehen keine Verzerrungen, entsprechend muss ein Verzerrungstensor null liefern. Betrachtet man die ebene Rotation eines Körperpunktes um einen Winkel 𝜙 analog Abb. 2.16, ergeben sich die räumlichen Koordinaten 𝘅 = [𝑥, 𝑦]T aus den materiellen Koordinaten 𝗫 = [𝑋, 𝑌 ]T über die Rotationsbeziehung in Gl. (2.18) zu 𝑥 = 𝜑𝑥 (𝗫) = 𝑋 cos 𝜙 − 𝑌 sin 𝜙

und

𝑦 = 𝜑𝑦 (𝗫) = 𝑋 sin 𝜙 + 𝑌 cos 𝜙 .

und

𝑢𝑦 = 𝑋 sin 𝜙 + 𝑌 (cos 𝜙 − 1) .

Die Verschiebung folgt aus Gl. (9.3): 𝑢𝑥 = 𝑋(cos 𝜙 − 1) − 𝑌 sin 𝜙

Der Deformationsgradient berechnet sich über Gl. (9.5) zu 𝜕𝑥

𝗙=

𝜕𝘅 = 𝜕𝑋 𝜕𝗫 [ 𝜕𝑦 𝜕𝑋

𝜕𝑥 𝜕𝑌 𝜕𝑦 ] 𝜕𝑌

=

cos 𝜙 − sin 𝜙 [ sin 𝜙 cos 𝜙 ]

9.4 Allgemeine nichtlineare Verzerrungsmaße

181

und entspricht genau der Rotationsmatrix. Mit Gl. (9.11) folgt für den Green-Lagrange-Verzerrungstensor 𝗘=

1 1 T 𝗙 𝗙 − 𝗜) = (𝗜 − 𝗜) = 𝟬 . 2( 2

Damit wird dieser Verzerrungstensor für beliebige Rotationswinkel 𝜙 zu null. Der infinitesimale Verzerrungstensor bestimmt sich mit Gl. (9.13) zu 𝜕𝑢

𝑥 ⎡ 𝝴 = ⎢ 1 𝜕𝑢 𝜕𝑋 𝑥 ⎢ ⎣ 2 ( 𝜕𝑌 +

1 2 𝜕𝑢𝑦

𝜕𝑋 )

𝜕𝑢

𝑥 ( 𝜕𝑌 +

𝜕𝑢𝑦

𝜕𝑢𝑦



𝜕𝑋 )⎥

𝜕𝑌

⎥ ⎦

=

cos 𝜙 − 1 0 ≠𝟬 0 cos 𝜙 − 1] [

für

𝜙≠0

und liefert damit nicht das gewünschte Ergebnis. Bei einer Rotation um 90° wäre die Normaldehnung 𝜀𝑥𝑥 = −100 %, d. h. die Länge wurde auf null komprimiert. Nur wenn 𝜙 ≈ 0 liefert der infinitesimale Verzerrungstensor sinnvolle Werte, da dann cos 𝜙 ≈ 1 gilt.

Ein weiteres Verzerrungsmaß wird definiert, indem nicht die Abstandsänderung zweier Punkte des Körpers in Form der Längenänderung des Liniensegments in Gl. (9.10) zu Grunde gelegt wird, sondern die quadrierte Länge des Liniensegments von der Referenzkonfiguration in die Momentankonfiguration transformiert wird. Mit Gl. (9.4) folgt d𝘅T ⋅ d𝘅 = d𝗫T ⋅ 𝗙T 𝗙d𝗫 und daraus der rechte Cauchy-Green-Deformationstensor 𝗖: 𝗖 = 𝗙T 𝗙



𝗘=

1 (𝗖 − 𝗜) . 2

In obiger Gleichung ist auch noch der Zusammenhang zwischen Green-Lagrange-Verzerrungstensor 𝗘 und dem rechten Cauchy-Green-Deformationstensor 𝗖 angegeben, der direkt aus der Definition in Gl. (9.11) folgt. Ähnlich zur Aussage bei der Streckung in Kap. 9.3 weist ein Deformationstensor den Nachteil auf, dass er bei einer Starrkörperrotation bzw. einer verzerrungsfreien Deformation nicht der Nulltensor, sondern der Einheitstensor 𝗜 ist, da 𝗙 = 𝗜 gilt. Aus diesem Grund werden üblicherweise Verzerrungstensoren, wie der Green-Lagrange-Verzerrungstensor 𝗘, benutzt, die durch die Differenzbildung das erwartete Ergebnis liefern. Weiterhin kann man analog den linken Cauchy-Green-Deformationstensor 𝗯 angeben, wenn man umgekehrt die Liniensegmente in der Referenzkonfiguration durch die Momentankonfiguration ausdrückt: −1

d𝗫T ⋅ d𝗫 = d𝘅T ⋅ 𝗙−T 𝗙−1 d𝘅 = d𝘅T ⋅ (𝗙𝗙T )

d𝘅



𝗯 = 𝗙𝗙T ≠ 𝗖 .

Der Tensor 𝗯 entspricht nicht dem rechten Cauchy-Green-Deformationstensor 𝗖, da der Deformationsgradient unsymmetrisch ist8 . 𝗖 ist ein materieller Tensor, wogegen 𝗯 ein räumlicher Tensor ist, da er nur auf Vektoren der Momentankonfiguration wirkt. Mit dem linken Cauchy-Green-Deformationstensor 𝗯 wird schließlich der räumliche Almansi-Verzerrungstensor 𝗲 definiert, der die Längendifferenz auf die Momentankonfiguration bezieht:

8

Die Bezeichnung „links“ und „rechts“ ergibt sich aus dem Auftreten von 𝗙 in den Definitionen.

182

9 Geometrische Nichtlinearität

d𝘅T ⋅ d𝘅 − d𝗫T ⋅ d𝗫 = d𝘅T ⋅ 𝗜d𝘅 − d𝘅T ⋅ 𝗙−T 𝗙−1 d𝘅 1 1 ⇒ 𝗲 = (𝗜 − 𝗯−1 ) = (𝗜 − 𝗙−T 𝗙−1 ) . 2 2 Mit dieser Definition lässt sich folgender Zusammenhang herstellen, indem man von links und rechts mit dem Deformationsgradienten multipliziert: 𝗙T 𝗲𝗙 =

1 T T 𝗙−T 𝗙−1 𝗙) = 𝗘 . (𝗙 𝗙 − 𝗙 ⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟ 2

(9.14)

𝗜

Der Almansi-Verzerrungstensor 𝗲 ist der auf die Momentankonfiguration transformierte Green-Lagrange-Verzerrungstensor und in diesem Sinne ein räumlicher Tensor. Die Operation 𝗙T (∗)𝗙 wird als Pull-back bezeichnet, da eine Größe in der Momentankonfiguration auf die Referenzkonfiguration zurückgezogen wird. Entsprechend wird der Push-forward definiert als 𝗙−T (∗)𝗙−1 , der eine Größe auf die Momentankonfiguration überträgt9 : 𝗙−T 𝗘𝗙−1 = 1/2(𝗙−T 𝗙T 𝗙𝗙−1 − 𝗙−T 𝗜𝗙−1 ) = 1/2(𝗜 − 𝗙−T 𝗙−1 ) = 𝗲. Zuletzt wird der Hencky-Verzerrungstensor über die Hauptstreckungen 𝜆𝑖 des Deformationsgradienten definiert. Wie jeder Tensor, kann der Deformationsgradient auf ein Hauptachsensystem transformiert werden. In diesem Koordinatensystem treten nur noch Terme auf der Hauptdiagonale von 𝗙 auf, die Hauptstreckungen 𝜆1 , 𝜆2 , 𝜆3 . Der Henckyoder logarithmische Verzerrungstensor ist dann analog zum 1-D-Fall in Gl. (9.9) definiert als 1 1 1 𝝴H = diag{ln 𝜆2𝑖 } = ln(𝗨) = ln(𝗖) = ln(𝗙T 𝗙) . 2 2 2 Eine detaillierte Herleitung findet sich in Bonet und Wood [4, Kap. 4.6, S. 110] oder Altenbach [1, Kap. 3.5, S. 106].

9.5 Zeitliche Ableitungen der Deformation Für verschiedene konstitutive Beziehungen (s. Kap. 10) ist es sinnvoll, nicht mit Verschiebungen, sondern mit Geschwindigkeiten zu arbeiten. Dafür werden in diesem Abschnitt die relevanten Größen angegeben. Zunächst wird der Geschwindigkeitszustand eines Körperpunkts 𝗫 am Raumpunkt 𝘅 betrachtet. Er ergibt sich als Differenziation der Bewegung nach der Zeit und wird als materielle oder substanzielle Zeitableitung bezeichnet, da der Körperpunkt 𝗫 festgehalten wird. Geometrisch beschreibt er die zeitliche Änderung des Ortsvektors zu einem Raumpunkt, s. Abb. 9.2. Mit der Kettenregel folgt: 𝜕𝞅(𝗫, 𝑡) 𝜕𝞅(𝗫, 𝑡) 𝜕𝗫 𝜕𝞅(𝗫, 𝑡) d ̇ 𝞅(𝗫, 𝑡) = + = + 0 = 𝞅(𝗫, 𝑡) = 𝘃(𝗫, 𝑡) . d𝑡 𝜕𝑡 𝜕𝗫 𝜕𝑡 𝜕𝑡

9

(9.15)

Der Aufbau der beiden Operationen unterscheidet sich, je nachdem, ob ko- oder kontravariante Basisvektoren genutzt werden. Eine Zusammenfassung findet man bei Wriggers [11, Kap. A.2.6, S. 464]. Die obige Darstellung gilt für kovariante Basen.

9.5 Zeitliche Ableitungen der Deformation

183

Wesentlich ist, dass die materielle Koordinate 𝗫 nicht von der Zeit abhängt, weswegen der zweite Term zu null wird. Für die materielle Zeitableitung wird die Abkürzung (∗)̇ benutzt. In der Lagrange’schen Beschreibung entspricht die materielle Zeitableitung der partiellen Ableitung. In Gl. (9.15) ist die Geschwindigkeit noch in Abhängigkeit der materiellen Koordinate gegeben. Sie ist aber ein räumlicher Vektor in der Momentankonfiguration, der tangential an der Bahnkurve im betrachteten Zeitpunkt 𝑡 liegt, s. Abb. 9.2. Deswegen wird sie über Gl. (9.2) in räumlichen Koordinaten ausgedrückt: 𝘃(𝞅−1 (𝘅, 𝑡), 𝑡) = 𝘃(𝘅, 𝑡) .

(9.16)

Zuletzt wird noch die Beschleunigung des Punkts P berechnet. In materiellen Koordinaten folgt mit derselben Argumentation wie in Gl. (9.15): 𝗮(𝗫, 𝑡) =

𝜕𝘃(𝗫, 𝑡) 𝜕 2 𝞅(𝗫, 𝑡) d 𝘃(𝗫, 𝑡) = = d𝑡 𝜕𝑡 𝜕𝑡2

bzw. 𝑎𝑖 (𝑋𝑗 , 𝑡) = 𝜑𝑖,𝑡𝑡 (𝑋𝑗 , 𝑡) .

Wählt man eine Euler’sche Beschreibung mit räumlichen Koordinaten ist die zeitliche Ableitung mit der Kettenregel durchzuführen, da sich die räumliche Position 𝘅 = 𝞅(𝗫, 𝑡) durch die Bewegung ändert: 𝗮(𝘅, 𝑡) =

𝜕𝘃(𝘅, 𝑡) 𝜕𝘃(𝘅, 𝑡) 𝜕𝘅 d 𝘃(𝘅, 𝑡) = + d𝑡 𝜕𝑡 𝜕𝘅 𝜕𝑡

bzw. 𝑎𝑖 (𝑥𝑗 , 𝑡) = 𝑣𝑖,𝑡 + 𝑣𝑖,𝑗 𝑣𝑗 .

(9.17)

Der Term 𝜕𝘅/𝜕𝑡 = 𝜕𝞅/𝜕𝑡 entspricht der Geschwindigkeit des Körperpunkts und ist nicht null, anders als die Zeitableitung der materiellen Koordinate in Gl. (9.15). Der erste Anteil in Gl. (9.17) wird als lokale Zeitableitung bezeichnet und beschreibt die zeitliche Änderung der Geschwindigkeit an einem Raumpunkt. Dieser Anteil entspricht der LagrangeBeschreibung und wird auch von einem mitbewegten Beobachter registriert. Der zweite Anteil wird als konvektive Zeitableitung bezeichnet. Er besteht aus dem Produkt der Geschwindigkeit und dem räumlichen Geschwindigkeitsgradienten 𝒍=

𝜕𝘃(𝘅, 𝑡) . 𝜕𝘅

(9.18)

Dieser Term tritt auf, da in der Euler’schen Beschreibung ein fixer Raumpunkt betrachtet wird. An diesem Punkt können verschiedene Körperpunkte 𝗫 vorbeiziehen, die unterschiedliche Geschwindigkeiten aufweisen. Die daraus resultierende Änderung der Gesamtgeschwindigkeit am Punkt 𝘅 wird durch den konvektiven Anteil beschrieben. Der räumliche Geschwindigkeitsgradient kann durch den Deformationsgradienten ausgedrückt werden, indem die materielle Zeitableitung des Deformationsgradienten berechnet wird: 𝜕𝗙(𝗫, 𝑡) 𝜕 𝜕𝘅 𝜕 𝜕𝘅 𝜕 𝜕𝘃 𝜕𝘅 ̇ = = = 𝘃(𝘅, 𝑡) = = 𝒍𝗙 . 𝗙(𝗫, 𝑡) = 𝜕𝑡 𝜕𝑡 𝜕𝗫 𝜕𝗫 𝜕𝑡 𝜕𝗫 𝜕𝘅 𝜕𝗫 Zur Erklärung der Umformungen ist zu beachten, dass die materielle Zeitableitung gleich der lokalen ist, da der Deformationsgradient in materiellen Koordinaten betrachtet wurde. Weiterhin darf die Zeitableitung mit der räumlichen Ableitung vertauscht werden, da 𝗫 und 𝑡 unabhängige Variablen sind. Dadurch entsteht der materielle Geschwindigkeitsgradient 𝜕𝘃/𝜕𝗫. Zuletzt wird die Konfiguration gewechselt, indem die Kettenregel angewendet

184

9 Geometrische Nichtlinearität

wird, sodass der räumliche Geschwindigkeitsgradient 𝜕𝘃/𝜕𝘅 = 𝒍 entsteht. Somit lässt sich dieser durch den Deformationsgradienten ausdrücken: ̇ −1 . 𝒍 = 𝗙𝗙 Jeder Tensor lässt sich additiv in einen symmetrischen und einen antimetrischen bzw. schiefsymmetrischen Tensor zerlegen. Für den Geschwindigkeitsgradienten soll gelten: 𝒍=𝗱+𝘄.

(9.19)

Der symmetrische Anteil des Geschwindigkeitsgradienten wird als räumlicher Verzerrungsgeschwindigkeitstensor oder Deformationsrate bezeichnet: 𝗱=

1 (𝒍 + 𝒍T ) . 2

(9.20)

Er drückt die zeitliche Änderung der Verzerrung eines Linienelements aus und ist ein räumlicher Tensor. Er wird in Kap. 9.8 bei der Definition der Energieprinzipien genutzt. Für eine reine Starrkörperbewegung ist 𝗱 = 𝟎, s. Bonet und Wood [4, Kap. 4.12]. Der schiefsymmetrische Teil 𝘄=

⎡ 0 −𝜔3 𝜔2 ⎤ 1 (𝒍 − 𝒍T ) = ⎢ 𝜔3 0 −𝜔1 ⎥ ⎥ ⎢ 2 ⎣−𝜔2 𝜔1 0 ⎦

ist der Spin-Tensor. Seine Komponenten können als Winkelgeschwindigkeitsvektor 𝝎 = [𝜔1 , 𝜔2 , 𝜔3 ]T einer infinitesimalen Rotation interpretiert werden, s. Bonet und Wood [4, Kap. 4.13, S. 127]. Für diesen Tensor gilt die Beziehung: 𝘄T + 𝘄 = 𝟬. Die Deformationsrate 𝗱 kann auch mit dem Green-Lagrange-Verzerrungstensor 𝗘 in Verbindung gebracht werden, indem man diesen ableitet: 1 1 1 𝗘̇ = (𝗙̇T 𝗙 + 𝗙T 𝗙̇) = (𝗙T 𝒍T 𝗙 + 𝗙T 𝒍𝗙) = 𝗙T (𝒍T + 𝒍) 𝗙 = 𝗙T 𝗱 𝗙 . 2 2 2

(9.21)

Diese Gleichung stellt die Pull-back-Operation der Deformationsrate auf die Referenzkonfiguration dar und gibt den materiellen Verzerrungsgeschwindigkeitstensor wieder. Diese Beziehung wird bei der Definition der Energieprinzipien benutzt. Beispiel: Für ein Quadrat mit Kantenlänge 2 mm, dessen Mittelpunkt in der Referenzkonfiguration 𝑡 = 0 im Ursprung liegt, soll für die Deformation 𝘅 = 𝞅(𝗫, 𝑡) =

𝑋 + 𝑡(𝑋 + 2𝑌 + 2) 𝑥 = [𝑦] [ ] 𝑌 (𝑡2 + 1)

(9.22)

die materielle sowie die räumliche Beschleunigung berechnet werden. Die Deformation des Quadrats und die Bahnkurven der Eckpunkte sind in Abb. 9.7 dargestellt. Die materiellen Ableitungen der Geschwindigkeit und der Beschleunigung kann man direkt durch Zeitableitung von Gl. (9.22) angeben: 𝘃(𝗫, 𝑡) =

[

𝑋 + 2𝑌 + 2 2𝑌 𝑡 ]

und

𝗮(𝗫, 𝑡) =

0 . [2𝑌]

(9.23)

9.5 Zeitliche Ableitungen der Deformation

185

Abb. 9.7 Deformation eines Quadrats durch die Bewegung in Gl. (9.22) für 0 s ≤ 𝑡 ≤ 2 s

5

ঢ়- ৄNN

3 1 ҃3 ҃5 ҃3

1

3

5 7 ড়- ৃNN

9

21

Offensichtlich erfahren die Punkte nur eine vertikale Beschleunigung, die linear mit der materiellen Koordinate zunimmt. Für die räumliche Ableitung der Beschleunigung sind die materiellen Koordinaten in der Geschwindigkeit zunächst durch die Umkehrfunktion der Deformation 𝞅−1 (𝗫, 𝑡) auszudrücken, s. Gl. (9.16). Die Umkehrung soll über eine Matrizendarstellung vorgenommen werden: 𝘅 = 𝑨𝗫 + 𝑻 =

𝑡 + 1 2𝑡 𝑋 2𝑡 + . [ 0 𝑡2 + 1][ 𝑌 ] [ 0 ]

Durch Invertierung der Matrix 𝑨 𝑨−1 =

1 𝑡2 + 1 −2𝑡 , det(𝐴) [ 0 𝑡 + 1]

mit der Determinante det(𝐴) = (𝑡 + 1)(𝑡2 + 1) lautet die Umkehrung 2𝑡𝑦 ⎤ ⎡ 𝑥 − 2𝑡 − 2 𝗫 = 𝞅−1 (𝗫, 𝑡) = 𝑨−1 (𝘅 − 𝑻 ) = ⎢ (𝑡 + 1) (𝑡𝑦+ 1)(𝑡 + 1) ⎥ . ⎥ ⎢ ⎦ ⎣ 𝑡2 + 1

(9.24)

Formal lässt sich die räumliche Ableitung somit wie folgt wiedergeben: 𝘃(𝘅, 𝑡) =

1 2𝑦 + (2 + 𝑥)(𝑡2 + 1) . ] 2𝑡(𝑡 + 1)𝑦 det(𝐴) [

Die Berechnung der substanziellen Ableitung der Beschleunigung erfolgt durch Angabe der lokalen Beschleunigung 𝗮lok =

𝜕𝘃(𝘅, 𝑡) −2𝑦(𝑡2 + 1) − (2 + 𝑥)(𝑡2 + 1)2 − 4𝑡𝑦(𝑡 + 1) 1 = 2 ] [ 2𝑦(𝑡 + 1) det(𝐴) − 4𝑡2 (𝑡 + 1)2 𝑦 𝜕𝑡 det(𝐴)

sowie des konvektiven Anteils. Dieser lässt sich durch 𝗮konv = 𝒍 𝘃 angeben. Der Geschwindigkeitsgradient lautet 1 (𝑡2 + 1) 2 . 𝒍= 2𝑡(𝑡 + 1)] det(𝐴) [ 0 Daraus berechnet man den konvektiven Anteil der Beschleunigung: 𝗮konv = 𝒍𝘃(𝘅, 𝑡) =

2𝑦(𝑡2 + 1) + (2 + 𝑥)(𝑡2 + 1)2 + 4𝑡𝑦(𝑡 + 1) 1 . ] 4𝑡2 (𝑡 + 1)2 𝑦 det(𝐴)2 [

186

9 Geometrische Nichtlinearität

Die lokale Beschleunigung ist der Anteil, den ein feststehender Beobachter am Raumpunkt 𝘅 messen würde. Die materielle oder substanzielle Beschleunigung in räumlicher Darstellung folgt durch Addition der beiden Anteile zu 0 Gl. (9.23) 2𝑦 ≡ 𝗮(𝗫, 𝑡) . 𝗮(𝘅, 𝑡) = ] [ 2 𝑡 +1 Aus der obigen Gleichung erkennt man, dass sich beide Beschleunigungen, 𝗮(𝘅, 𝑡) und 𝗮(𝗫, 𝑡), mit Hilfe von Gl. (9.24) ineinander überführen lassen. Die beiden Darstellungen geben denselben physikalischen Sachverhalt wieder, einmal in Euler’scher und einmal in Lagrange’scher Beschreibungsweise. Die lokale Ableitung in Euler’scher Betrachtung allein liefert allerdings nicht die vollständigen Informationen.

9.6 Transformation von Volumen- und Flächenelementen Für die Definition von Spannungen sowie Energieprinzipien sind neben Linienelementen noch Flächen- und Volumenelemente zwischen der Referenz- und der Momentankonfiguration zu transformieren. Diese Zusammenhänge werden im Folgenden abgeleitet, s. Abb. 9.8. In der Referenzkonfiguration wird ein Volumenelement d𝑉 durch drei Vektoren d𝗫1 , d𝗫2 , d𝗫3 aufgespannt. Mit dem Spatprodukt berechnet man aus diesen Vektoren das Volumen (s. Parisch [7, Kap. 1.4, S. 15]): d𝑉 = (d𝗫1 ×d𝗫2 )T ⋅d𝗫3 = det ([d𝗫1 , d𝗫2 , d𝗫3 ]). Die letzte Gleichung folgt aus der Definition des Spatprodukts und erlaubt die Berechnung über die Bildung der Determinante der Spaltenvektoren, die den Spat aufspannen. Dasselbe gilt in der Momentankonfiguration: d𝑣 = (d𝘅1 × d𝘅2 )T ⋅ d𝘅3 = det ([d𝘅1 , d𝘅2 , d𝘅3 ]). Mit d𝘅𝑖 = 𝗙d𝗫𝑖 , 𝑖 = 1, 2, 3 folgt10 det ([d𝘅1 , d𝘅2 , d𝘅3 ]) = det 𝗙 det ([d𝗫1 , d𝗫2 , d𝗫3 ]) und damit d𝑣 = det 𝗙 d𝑉 = 𝐽 d𝑉 , (9.25) wobei 𝐽 die Determinante des Deformationsgradienten bezeichnet, 𝐽 = det 𝗙 , und analog zu Gl. (6.7) das Volumenverhältnis der Momentan- zur Referenzkonfiguration darstellt. Die Determinante des Deformationsgradienten spielt eine wichtige Rolle, deswegen wird noch auf folgende Eigenschaften hingewiesen: Da der Deformationsgradient nach den Voraussetzungen der Kontinuumsmechanik eine eindeutige Abbildung darstellt, Abb. 9.8 Volumenelemente und orientierte Flächenstücke in der Referenz- und Momentankonfiguration

Eି



E଴ Eব

୛ E৆

Eୋ4

E୥4 Eୋ3

E୥3 E୥2

Eୋ2 10

Unter Benutzung der Regel det(𝗔𝗕) = det(𝗔) det(𝗕).

E୎

E୙

9.7 Spannungsmaße bei nichtlinearer Betrachtung

187

muss das lineare Gleichungssystem in Gl. (9.4) eindeutig lösbar sein. Die mathematische Bedingung dafür ist 𝐽 ≠ 0. Weiterhin stellt die Determinante das Verhältnis von Volumenelementen dar, deswegen muss 𝐽 > 0 sein. Ein Grenzfall ist inkompressibles Material, für das d𝑣 = d𝑉 und damit 𝐽 = 1 gelten muss. Eine analoge Beziehung für die Umrechnung von Flächenelementen ist für die Definition von Spannungen in Kap. 9.7 notwendig. Dazu betrachtet man orientierte Flächenstücke in der Referenz- und Momentankonfiguration, wie in Abb. 9.8 mit den Normalenvektoren 𝗡 und 𝗻: d𝗔 = d𝐴 𝗡 und d𝗮 = d𝑎 𝗻 . (9.26) Zugehörige Volumenelemente in der Referenz- und Momentankonfiguration lassen sich mit beliebigen, aus der Fläche heraus zeigenden Kantenvektoren d𝗟 bzw. d𝗹 definieren als d𝑉 = d𝗟T ⋅ d𝗔 und d𝑣 = d𝗹T ⋅ d𝗮. Mit d𝗹 = 𝗙d𝗟 folgt daraus d𝑣 = d𝗹T ⋅ d𝗮 = (𝗙d𝗟)T ⋅ d𝗮 = d𝗟T ⋅ 𝗙T d𝗮

Gl. (9.25)



𝐽 d𝑉 = 𝐽 d𝗟T ⋅ d𝗔 .

Umformung ergibt d𝗟T ⋅ (𝗙T d𝗮 − 𝐽 d𝗔) = 0. Dies liefert unter Beachtung von Gl. (9.26) die Nanson’sche Formel d𝗮 = 𝗻d𝑎 = 𝐽 𝗙−T 𝗡d𝐴 = 𝐽 𝗙−T d𝗔

(9.27)

für die Umrechnung eines orientierten Flächenelements (d. h. eines Flächenelements und seines Normalenvektors) von der Referenzkonfiguration in die Momentankonfiguration.

9.7 Spannungsmaße bei nichtlinearer Betrachtung Neben den kinematischen Größen sind für die Formulierung der Bilanzgleichungen noch Spannungsmaße für nichtlineares Verhalten zu definieren. In Kap. 3.2 wurde der Spannungsvektor 𝒕 als Grenzwert einer Schnittkraft d𝗳, die auf ein infinitesimales Flächenelement d𝑎 wirkt, definiert. Im Rahmen der nichtlinearen Betrachtung gilt dieser Zustand nun in der Momentankonfiguration, da hier das Gleichgewicht aller Kräfte gilt. Die Definition des Spannungstensors über Gl. (3.3) bleibt gültig, nur muss man die Begrifflichkeit erweitern. Der so definierte Spannungstensor 𝞂 wird als wahrer oder Cauchy’scher Spannungstensor bezeichnet, da er aus dem Kraftvektor d𝗳 hervorgeht, der auf das aktuelle Flächenelement bezogen wird: d𝗳

Gl. (3.2)

=

𝘁 d𝑎 = 𝞂T 𝗻 d𝑎

bzw.

d𝑓𝑖 = 𝑡𝑖 d𝑎 = 𝜎𝑗𝑖 𝑛𝑗 d𝑎 .

(9.28)

Da in Gl. (9.28) Vektoren der Momentankonfiguration durch den Tensor 𝞂 aufeinander abgebildet werden, handelt es sich um einen räumlichen Tensor. Die Symmetrie von 𝞂 folgt wiederum aus Gl. (3.7). Für die Formulierung von Bilanzgleichungen bezogen auf die Referenzkonfiguration ist ein Spannungsmaß bezogen auf ein Flächenelement d𝐴 in der Referenzkonfiguration notwendig. Der erste Piola-Kirchhoff-Spannungstensor 𝗣 wird mit Gl. (9.27) definiert als

188

9 Geometrische Nichtlinearität def.

d𝗳 = 𝐽 𝞂T 𝗙−T 𝗡 d𝐴 = 𝗣T d𝗔



𝗣 = 𝐽 𝗙−1 𝞂 .

(9.29)

Da ein Vektor von der Referenz- auf die Momentankonfiguration abgebildet wird, ist 𝗣 ein Zweipunkt-Tensor wie der Deformationsgradient. Dieser Tensor hat den Nachteil, dass er unsymmetrisch ist. Der transponierte Tensor 𝗣T wird als Nominal- oder Nennspannungstensor bezeichnet. Dies stellt z. B. die Spannungen dar, die im Zugversuch angegeben werden, wenn die Kraft auf den Ausgangsquerschnitt bezogen wird. Für die Formulierung von Materialgesetzen ist es wünschenswert mit symmetrischen Tensoren zu arbeiten, da bei der Diskretisierung symmetrische Systemmatrizen folgen, s. Belytschko u. a. [3, Kap. 5.4.1, S. 239]. Dazu wird der Kraftvektor d𝗳 in Gl. (9.29) durch einen fiktiven Kraftvektor d𝗳0 in der Referenzkonfiguration dargestellt, d𝗳 = 𝗙d𝗳0 , und damit wird der zweite Piola-Kirchhoff-Spannungstensor 𝗦 definiert als def.

d𝗳0 = 𝗙−1 d𝗳 = 𝐽 𝗙−1 𝞂T 𝗙−T 𝗡 d𝐴 = 𝗦T d𝗔



𝗦 = 𝐽 𝗙−1 𝞂𝗙−T .

Es handelt sich um einen symmetrischen Tensor, wie durch Transponieren zu erkennen ist, der ausschließlich auf die Referenzkonfiguration bezogen ist. Allerdings ist dieser Spannungstensor nicht ohne Weiteres als physikalische Größe in der Referenz- oder Momentankonfiguration zu interpretieren. Als Beispiel für die Spannungsmaße soll der Stab aus Abb. 9.5 genutzt werden, der am rechten Querschnitt durch eine positive Kraft 𝑓 belastet wird. Dann lassen sich die allgemein definierten Spannungsmaße wie folgt angeben: • Die auf die Momentankonfiguration bezogene Cauchy-Spannung ist 𝜎𝑥𝑥 =

𝑓 . 𝑎

• Die erste Piola-Kirchhoff-Spannung oder Nominalspannung bezieht die Kraft auf ein Flächenelement in der Referenzkonfiguration: 𝑃𝑥𝑥 =

𝑓 . 𝐴

Diese Größe enthält keine Information mehr über die lokale Formänderung, sondern hängt nur von den Abmessungen vor der Deformation ab. Über Gl. (9.29) und unter Beachtung des Deformationsgradienten und der Determinante aus Gl. (9.7) ergibt sich der Zusammenhang zwischen Cauchy- und erster Piola-Kirchhoff-Spannung in diesem Beispiel zu 1 −1 𝜎 = 𝜎𝑥𝑥 . 𝑃𝑥𝑥 = 𝐽 𝐹𝑥𝑥 𝜎𝑥𝑥 = (1 + 𝜀𝑥𝑥 ) 1 + 𝜀𝑥𝑥 𝑥𝑥 Da die Querkontraktion in diesem 1-D-Beispiel zu null angenommen wird, gilt 𝐴 = 𝑎, was dieses Ergebnis erklärt. • Die zweite Piola-Kirchhoff-Spannung beträgt −T = 𝜎𝑥𝑥 𝑆𝑥𝑥 = 𝑃𝑥𝑥 𝐹𝑥𝑥

𝑓𝐿 1 . = 1 + 𝜀𝑥𝑥 𝐴ℓ

9.8 Energieprinzipien in nichtlinearer Form

189

Diese Spannung lässt sich physikalisch nicht interpretieren, da sie mit dem Faktor 𝐿/ℓ multipliziert wird. Die zweite Piola-Kirchhoff-Spannung ist also eine rein rechnerische Größe. Um den Effekt der Querkontraktion in der Spannungsberechnung zu berücksichtigen, soll der zylindrische Stab aus Aufgabe 9.3 herangezogen werden, der um den Faktor 𝑐 in 𝑥Richtung verlängert wird. Mit dem Deformationsgradienten aus dieser Aufgabe ergibt sich −1 die Determinante zu 𝐽 = (1 + 𝑐)(1 − 𝑐𝜈)2 . Der Koeffizient 𝐹𝑥𝑥 der Inversen des Deforma−1 −1 tionsgradienten lautet 𝐹𝑥𝑥 = 1/(1 + 𝑐) und damit folgt 𝑃𝑥𝑥 = 𝐽 𝐹𝑥𝑥 𝜎𝑥𝑥 = (1 − 𝑐𝜈)2 𝜎𝑥𝑥 . −T Die zweite Piola-Kirchhoff-Spannung lautet 𝑆𝑥𝑥 = 𝑃𝑥𝑥 𝐹𝑥𝑥 = (1 − 𝑐𝜈)2 /(1 + 𝑐)𝜎𝑥𝑥 . Zu demselben Ergebnis kommt man, indem man die Nanson’sche Formel aus Gl. (9.27) auf diesen Fall anwendet. Die Normalenvektoren in Referenz- und Momentankonfiguration sind 𝗻 = 𝗡 = [1 0 0]T . Bei dem Stab gehen wir von über dem Querschnitt konstantem Verhalten aus, was bedeutet ⎡1⎤ 𝑎 = 𝐽 𝗙−T ⎢0⎥𝐴 = (1 − 𝑐𝜈)2 𝐴 . ⎢ ⎥ ⎣0⎦ Setzt man dies in die 1-D Definition der ersten Piola-Kirchhoff-Spannung ein, folgt 𝑃𝑥𝑥 = 𝑓 /𝐴 = 𝑓 (1 − 𝑐𝜈)2 /𝑎 = (1 − 𝑐𝜈)2 𝜎𝑥𝑥 . Zur Umformung der zweiten Piola-KirchhoffSpannung ist noch der Zusammenhang 𝐿/ℓ = 𝐿/(𝐿 + 𝑐𝐿) = 1/(1 + 𝑐) zu berücksichtigen. Auch hier folgt dasselbe Ergebnis wie zuvor.

9.8 Energieprinzipien in nichtlinearer Form Ein wesentlicher Unterschied zwischen linearer und nichtlinearer Betrachtung ist, dass im nichtlinearen Fall die Bezugskonfiguration nicht von vornherein vorgegeben ist. Man kann materielle oder räumliche Verzerrungs- und Spannungsgrößen einsetzen. Alle Vorgehensweisen führen aber bei entsprechender Umstellung schlussendlich zum gleichen Ergebnis. Im Folgenden werden die zwei wichtigsten kinematischen Beschreibungsmöglichkeiten zur Formulierung der Energieprinzipien beschrieben (s. Bonet und Wood [4, Kap. 4.3]): • die Upgedatete-Lagrange-Formulierung (ULF), • die Totale-Lagrange-Formulierung (TLF). Zu den genannten kinematischen Beschreibungsmöglichkeiten sind passende Spannungsund Verzerrungsmaße zu nutzen. Dies rührt daher, dass aus dem Produkt von Verzerrungen und Spannungen die Formänderungsenergie bzw. die virtuelle Arbeit berechnet wird, s. Kap. 4.1 und Kap. 4.2. Beide sind physikalisch invariante Größen und ändern sich bei einer Veränderung der Bezugskonfiguration eines Verzerrungsmaßes nicht. Da die unterschiedlichen Verzerrungstensoren aber unterschiedliche Werte liefern, muss die Spannungsdefinition entsprechend dem gewählten Verzerrungsmaß angepasst werden. Der Zusammenhang wird über die Arbeit hergestellt, weswegen man von arbeitskonjugierten Spannungsmaßen spricht. Darauf wird in den folgenden Kapiteln eingegangen.

190

9 Geometrische Nichtlinearität

9.8.1 Upgedatete-Lagrange-Formulierung Die Upgedatete-Lagrange-Formulierung (ULF) nutzt als Referenzkonfiguration eine der Momentankonfiguration benachbarte Lage, s. Abb. 9.9. Da sich diese während des Berechnungslaufs ändert, wird die Referenzkonfiguration angepasst, woher sich der Name erklärt (to update: aktualisieren, aufdatieren, nachführen). Die Feldgrößen werden in materiellen Koordinaten 𝗫 formuliert. Allerdings sind die Ableitungen bezüglich der räumlichen Koordinaten auszuführen, da die Referenzkonfiguration veränderlich ist. Die Integrale sind in der deformierten Konfiguration über das Volumen 𝑣 mit Rand 𝑎 auszuwerten. Diese Formulierung bietet Vorteile bei der numerischen Behandlung, wenn die Lösung der diskretisierten Gleichungen in vielen Inkrementen erfolgt und geschichtsabhängige Materialgesetze genutzt werden (z. B. in der Blechumformung). Der zuletzt berechnete Zwischenzustand wird als Referenzkonfiguration 𝑡n gesetzt, von dem aus der neue Zustand 𝑡𝑛+1 in der Momentankonfiguration ermittelt wird. An dieser Stelle soll davon ausgegangen werden, dass ein geschichtsabhängiges Materialgesetz, wie die Elastoplastizität und Hypoelastizität, eingesetzt werden soll, s. Kap. 10.2. Diese Materialgesetze sind als Ratenformulierungen 𝞂̇ = 𝑪(𝘅)̇ anzugeben. Entsprechend werden keine Ortsvektoren, sondern Geschwindigkeiten als primäre Feldvariable genutzt. Das zu Grunde liegende Energieprinzip basiert deswegen vorteilhaft auf der virtuellen Leistung mit virtuellen Geschwindigkeiten und nicht den virtuellen Verschiebungen wie bisher, auch wenn diese Möglichkeit genauso besteht. Im Folgenden wird dafür eine kurze Herleitung gezeigt: In Kap. 8.1 wurde das Lagrange-d’Alembert’sche Prinzip für den linearen Fall infinitesimaler Deformationen hergeleitet, s. Gl. (8.1). Für ein Prinzip basierend auf der Leistung ist zunächst eine analoge Größe zur virtuellen Verschiebung 𝛿𝘅 einzuführen. Dies ist die virtuelle Geschwindigkeit 𝛿𝘃(𝗫, 𝑡): d d𝘅 𝛿𝘅 = 𝛿 = 𝛿𝘃(𝗫, 𝑡) = 𝛿𝑣𝑖 (𝑋𝑗 , 𝑡) . d𝑡 d𝑡 Multipliziert man eine Kraft mit einer virtuellen Geschwindigkeit, wird eine virtuelle Leistung berechnet, d. h. eine virtuelle Arbeit pro Zeiteinheit. Entsprechend wird damit ein Prinzip der virtuellen Leistung definiert. Die Herleitung eines Energieprinzips in Ratenform lässt sich am übersichtlichsten in Indexnotation darstellen und über die Methode der gewichteten Residuen angeben. Dazu wird die Gleichgewichtsbedingung aus Gl. (3.15) als Residuum geschrieben und mit einer beliebigen virtuellen Geschwindigkeit multipliziert. Es ist wichtig zu erkennen, dass hier nun die Cauchy-Spannung eingeht, die in der MomenAbb. 9.9 Konfigurationen der Upgedatete-LagrangeFormulierung: Ausgangs- 𝑡0 , Referenz- 𝑡n , Momentankonfiguration 𝑡𝑛+1

৚ ু ৘৒,2

৘1 ৘৒

9.8 Energieprinzipien in nichtlinearer Form

191

tankonfiguration definiert ist11 . (𝜎𝑗𝑖,𝑗 + 𝑏̄𝑖 − 𝜌𝑥̈𝑖 )𝛿𝑣𝑖 d𝑣 = 0 . ∫ 𝑣 Wie im eindimensionalen Fall in Kap. 4.3 wird nun zunächst nur der Term 𝜎𝑗𝑖,𝑗 𝛿𝑣𝑖 betrachtet, da er sich durch Anwendung der partiellen Integration umformen lässt: ∫ 𝑣

𝜎𝑗𝑖,𝑗 𝛿𝑣𝑖 d𝑣 =

(𝜎𝑗𝑖 𝛿𝑣𝑖 ),𝑗 d𝑣 − 𝜎𝑗𝑖 𝛿𝑣𝑖,𝑗 d𝑣 . ∫ ∫ 𝑣 𝑣

Der erste Ausdruck auf der rechten Seite kann mit dem Gauß’schen Integralsatz (Willner [10, Kap. 2.5, S. 42]) umgeformt werden (𝜎𝑗𝑖 𝛿𝑣𝑖 ),𝑗 d𝑣 = 𝜎𝑗𝑖 𝑛𝑗 𝛿𝑣𝑖 d𝑎 . ∫ ∫ 𝑎 𝑣 Der Gauß’sche Integralsatz stellt einen Zusammenhang zwischen der Änderung des Vektorfeldes 𝜎𝑗𝑖 𝛿𝑣𝑖 in einem Gebiet (der Divergenz) und dem Transport über den Rand des Gebiets her. Setzt man die letzten beiden Beziehungen in die Gleichgewichtsgleichung ein, folgt nach Umsortierung ∫ 𝑣

𝛿𝑣𝑖 𝜌𝑥̈𝑖 d𝑣 +

∫ 𝑣

𝛿𝑣𝑖,𝑗 𝜎𝑗𝑖 d𝑣 =

∫ 𝑣

𝛿𝑣𝑖 𝑏̄𝑖 d𝑣 +

∫ 𝑎

𝛿𝑣𝑖 𝜎𝑗𝑖 𝑛𝑗 d𝑎 .

Zu beachten ist, dass der Term 𝛿𝑣𝑖,𝑗 den virtuellen Geschwindigkeitsgradienten darstellt: 𝛿𝑣𝑖,𝑗 = 𝛿𝑙𝑖𝑗 , s. Gl. (9.18). Es wurde weder ein spezielles Materialverhalten noch eine Einschränkung bezüglich der Größe der Deformation vorgenommen, sodass diese Gleichung für alle Fälle gültig ist. Mit der Aufspaltung des Geschwindigkeitsgradienten in einen symmetrischen Tensor 𝑑𝑖𝑗 und einen schiefsymmetrischen Tensor 𝑤𝑖𝑗 kann die Gleichung noch weiter umgeformt werden. Dazu wird Gl. (9.19) für 𝑙𝑖𝑗 eingesetzt 𝛿𝑣𝑖,𝑗 𝜎𝑗𝑖 = 𝛿𝑙𝑖𝑗 𝜎𝑗𝑖 = 𝛿𝑑𝑖𝑗 𝜎𝑗𝑖 + 𝛿𝑤𝑖𝑗 𝜎𝑗𝑖 = 𝛿𝑑𝑖𝑗 𝜎𝑗𝑖 , da 𝛿𝑤𝑖𝑗 𝜎𝑗𝑖 = 1/2(𝛿𝑙𝑖𝑗 𝜎𝑗𝑖 − 𝛿𝑙𝑗𝑖 𝜎𝑗𝑖 ) = 1/2(𝛿𝑙𝑖𝑗 𝜎𝑗𝑖 − 𝛿𝑙𝑗𝑖 𝜎𝑖𝑗 ) = 0. Dabei wird die Symmetrie des Spannungstensors im zweiten Term ausgenutzt, 𝜎𝑗𝑖 = 𝜎𝑖𝑗 , und die Vertauschbarkeit der stummen Indizes 𝛿𝑙𝑗𝑖 𝜎𝑖𝑗 = 𝛿𝑙𝑖𝑗 𝜎𝑗𝑖 (s. Anh. A.2) beachtet. Schließlich lässt sich das Prinzip der virtuellen Leistung bezogen auf die Momentankonfiguration in Indexnotation wie folgt darstellen: ∫ 𝑣

𝛿𝑣𝑖 𝜌𝑥̈𝑖 d𝑣 +

∫ 𝑣

𝛿𝑑𝑖𝑗 𝜎𝑖𝑗 d𝑣 =

∫ 𝑣

𝛿𝑣𝑖 𝑏̄𝑖 d𝑣 +

∫ 𝑎

𝛿𝑣𝑖 𝜎𝑗𝑖 𝑛𝑗 d𝑎 .

(9.30)

Um auf die bisher benutzte symbolische Schreibweise zurückzukommen, schreibt man für die doppelte Verjüngung 𝛿𝑑𝑖𝑗 𝜎𝑖𝑗 = 𝛿𝗱 ∶ 𝞂 (s. Anh. A.2). Damit ergibt sich das Prinzip der virtuellen Leistung bezogen auf die Momentankonfiguration zu ∫ 𝑣

𝜌𝛿𝘃T ⋅ 𝘅̈ d𝑣 +

∫ 𝑣

𝛿𝗱 ∶ 𝞂 d𝑣 =

∫ 𝑣

𝛿𝘃T ⋅ 𝗯̄ d𝑣 +

∫ 𝑎

𝛿𝘃T ⋅ 𝘁 ̄ d𝑎 .

(9.31)

In Gl. (9.31) ist zu beachten, dass die Integration über die Momentankonfiguration ausgeführt wird, da das Gleichgewicht in der verformten Geometrie zu formulieren ist. Es zeigt sich, dass die Cauchy-Spannungen 𝞂 arbeitskonjugiert zur Deformationsrate 𝗱 sind. Es sei angemerkt, dass dieselbe Betrachtung auch mit virtuellen Verschiebungen und dem Prinzip der virtuellen Arbeit durchgeführt werden kann. Es ergibt sich dann, dass die zu den Cauchy-Spannungen arbeitskonjugierte Größe der Almansi-Tensor 𝗲 ist, s. Holzapfel [6, Kap. 8.2, S. 382]. 11

Man beachte, dass im Trägheitsterm die Verschiebung 𝑢𝑖 durch die räumliche Koordinate 𝑥𝑖 zu ersetzen ist im nichtlinearen Fall, s. Riemer u. a. [8, Kap. 4.2.2, S. 243].

192

9 Geometrische Nichtlinearität

Abb. 9.10 Konfigurationen der Totale-LagrangeFormulierung: Ausgangs𝑡0 , Referenz- 𝑡n , Momentankonfiguration 𝑡𝑛+1





৘৒,2

৘1

9.8.2 Totale-Lagrange-Formulierung Mit der Totale-Lagrange-Formulierung (TLF) wird eine Lagrange’sche Betrachtungsweise gewählt: Die Referenzkonfiguration ist die Ausgangskonfiguration, s. Abb. 9.10. Sie bleibt während des gesamten Lösungsprozesses unverändert. Alle Größen aus der Momentankonfiguration (z. B. Cauchy-Spannung) werden auf die Ausgangskonfiguration zurückgerechnet. Der Vorteil ist, dass alle Ableitungen in materiellen Koordinaten 𝗫 ausgeführt werden und Integrationen über das unveränderliche Ausgangsvolumen 𝑉 berechnet werden können. Nachteilig ist der hohe Rechenaufwand für die Pull-back- und Push-forwardOperationen. Die TLF wird häufig für hyperelastische Materialgesetze eingesetzt, s. Kap. 10.1, da hier keine bleibende Formänderung wie bei Plastizität eintritt, sondern immer der Ausgangszustand wiedergewonnen wird. Deswegen bietet sich ein Bezug auf die Ausgangskonfiguration an. Das Energieprinzip basiert entweder auf der virtuellen Arbeit oder der virtuellen Leistung. Zunächst wird das Prinzip der virtuellen Leistung als TLF angegeben. Für ein zu Gl. (9.30) äquivalentes Energieprinzip, bei dem die Größen in der Referenzkonfiguration dargestellt sind, müssen alle Größen von der Momentan- auf die Referenzkonfiguration zurückgezogen werden. Dies erfolgt über die am Ende von Kap. 9.4 definierte Pull-backOperation. Mit Gl. (9.25) werden die Volumenelemente transformiert. Unter der Annahme der Massenerhaltung ergibt sich somit die Dichte als 𝜌0 = 𝐽 𝜌. Dies führt zunächst zu ∫ 𝑉

𝜌0 𝛿𝘃T ⋅ 𝘅̈ d𝑉 +

∫ 𝑉

𝛿𝗱 ∶ 𝐽 𝞂 d𝑉 =

∫ 𝑉

𝛿𝘃T ⋅ 𝗯̄0 d𝑉 +

∫ 𝐴

𝛿𝘃T ⋅ 𝘁0̄ d𝐴

mit 𝗯̄0 = 𝐽𝗯̄ und 𝘁0̄ = 𝐽𝘁 ̄ ⋅ 𝗙−T . Der Term 𝐽 𝞂 wird als Kirchhoff-Spannungstensor bezeichnet, soll hier aber nicht weiter benutzt werden. Die virtuelle Deformationsrate wird mit Hilfe von Gl. (9.21) transformiert: 𝛿𝗱 = 𝗙−T 𝛿𝗘̇ 𝗙−1 . In Indexnotation ergibt sich dann die doppelte Verjüngung 𝛿𝗱 ∶ 𝐽 𝞂 als ̇ 𝐹 −1 𝐽 𝜎𝑖𝑗 = 𝛿𝐸𝑘𝑙 ̇ 𝐽 𝐹 −1 𝜎𝑖𝑗 𝐹 −1 𝛿𝗘̇ ∶ 𝐽 𝗙−1 𝞂𝗙−T = 𝛿𝗘̇ ∶ 𝗦 . 𝗙−T 𝛿𝗘̇ 𝗙−1 ∶ 𝐽 𝞂 = 𝐹𝑘𝑖−1 𝛿𝐸𝑘𝑙 𝑙𝑗 𝑘𝑖 𝑙𝑗 Die Umformung zeigt, dass die zweiten Piola-Kirchhoff-Spannungen 𝗦 arbeitskonjugiert zur materiellen Zeitableitung des Green-Lagrange-Verzerrungstensors 𝗘̇ sind. Das Prinzip der virtuellen Leistung bezogen auf die Referenzkonfiguration lautet damit ∫ 𝑉

𝜌0 𝛿𝘃T ⋅ 𝘅̈ d𝑉 +

∫ 𝑉

𝛿𝗘̇ ∶ 𝗦 d𝑉 =

∫ 𝑉

𝛿𝘃T ⋅ 𝗯̄0 d𝑉 +

∫ 𝐴

𝛿𝘃T ⋅ 𝘁0̄ d𝐴 .

9.8 Energieprinzipien in nichtlinearer Form

193

Wie im vorigen Kapitel kann auch das Prinzip der virtuellen Arbeit mit virtuellen Verschiebungen als Basis einer Ableitung dienen. In einer Totale-Lagrange-Formulierung ergibt sich dann der Green-Lagrange-Verzerrungstensor 𝗘 als die arbeitskonjugierte Größe zum zweiten Piola-Kirchhoff-Spannungstensor 𝗦, s. Holzapfel [6, Kap. 8.2, S. 386]. Für detaillierte Gegenüberstellungen der TLF und ULF wird auf Bathe [2, Kap. 6.2.3] und Holzapfel [6, S. 8.2] verwiesen. Zusammenfassend sind in Tab. 9.3 in Anlehnung an Bathe [2, Tab. 6.1, S. 486] die Verzerrungsmaße und die arbeitskonjugierten Spannungsmaße zusammen mit den üblichen kinematischen Formulierungen und dem Energieprinzip angegeben. Die Entscheidung, welche Kategorie zu nutzen und welche kinematische Beschreibung zu wählen ist, hängt im Wesentlichen mit der Effizienz der numerischen Methoden für verschiedene Anwendungsfälle zusammen. Prinzipiell könnte man jedes Problem mit großen Rotationen und Verzerrungen berechnen, dies würde aber ggf. unnötigen Rechenaufwand generieren. Eine wesentliche Rolle bei der Auswahl spielt das Materialgesetz, das dem Problem zu Grunde liegt. Bei Fragestellungen mit ratenabhängigem Materialverhalten, wie der Elastoplastizität in Kap. 10.3, wird in kommerzieller FEM-Software tendenziell ein ULF-Verfahren, formuliert in der Deformationsrate und Cauchy-Spannungen, genutzt, das mit expliziter Zeitintegration (s. Kap. 13.3) gelöst wird. Für hyperelastische Materialien wird ein TLF-Verfahren mittels des Green-LagrangeVerzerrungstensors und des zweiten Piola-Kirchhoff-Spannungstensors verwendet. In der Regel werden eine implizite Zeitintegration (s. Kap. 13.2) oder statisch-nichtlineare Lösungsverfahren (s. Kap. 12) angewendet. Es sei nochmals angemerkt, dass alle Verfahren dasselbe Ergebnis liefern und ineinander überführt werden können.

9.8.3 Diskretisierung Die Diskretisierung der Energieprinzipien folgt im Wesentlichen dem Kap. 5 und soll deswegen hier nur um die zusätzlichen Anteile ergänzt werden. Die Herleitung wird für das Prinzip der virtuellen Leistung als ULF vorgestellt. Zunächst wird wieder auf die VoigtTabelle 9.3 Geometrisch nichtlineare Effekte und Zuordnung von Verzerrungs- und Spannungsmaßen Deformation Kleine Verschiebungen, Drehungen und Verzerrungen Große Verschiebungen und Drehungen

Kinematik Energiepr. Verzerrung Spannung —

PdvA

𝝴

𝗣T

TLF

PdvA

𝗘 𝗘̇

𝗦

PdvA

𝗲

𝞂

PdvL

𝗱

𝞂

PdvA

𝗘 𝗘̇

𝗦

PdvL PdvA

𝝴H

𝞂

PdvL

𝗱

𝞂

sowie kleine Verzerrungen

PdvL ULF

Große Verschiebungen und Drehungen

TLF

sowie große Verzerrungen ULF

𝗦

𝗦

194

9 Geometrische Nichtlinearität

Notation übergegangen. Dazu ist die Definition der Deformationsrate 𝒅(𝑿, 𝑡) als Vektor notwendig. Da es sich um einen symmetrischen Tensor handelt, gilt 𝒅(𝑿, 𝑡) = [𝑑𝑥𝑥 𝑑𝑦𝑦 𝑑𝑧𝑧 2𝑑𝑥𝑦 2𝑑𝑥𝑧 2𝑑𝑦𝑧 ]T .

(9.32)

Damit lautet das Prinzip der virtuellen Leistung als ULF für ein einzelnes Element ∫ 𝑣𝑒

𝜌𝛿𝒗T 𝒙̈ d𝑣 +

∫ 𝑣𝑒

𝛿𝒅 T 𝝈 d𝑣 =

∫ 𝑣𝑒

𝛿𝒗T 𝒃̄ d𝑣 +

∫ 𝑎𝑒

𝛿𝒗T 𝒕 ̄ d𝑎 .

(9.33)

Weiterhin sind Ansätze für die Beschleunigung und die virtuellen Geschwindigkeiten notwendig. Es wird wieder vom isoparametrischen Konzept ausgegangen, s. Kap. 6.2. Die materiellen und räumlichen Koordinaten lassen sich entsprechend Gl. (6.1) wie folgt ausdrücken 𝑿̃ 𝑒 (𝝃) = 𝑵(𝝃)𝑿 𝑒

und 𝒙̃𝑒 (𝑿̃ 𝑒 (𝝃), 𝑡) = 𝒙̃𝑒 (𝝃, 𝑡) = 𝑵(𝝃)𝒙𝑒 (𝑡) .

Wie im linearen Fall werden die Formfunktionen im natürlichen Koordinatensystem definiert, das keiner der bisher besprochenen Konfigurationen entspricht, s. Kap. 6.2. Dementsprechend kommt bei der Diskretisierung neben der Deformation, ausgedrückt durch den Deformationsgradienten 𝗙, die Transformation nach Gl. (6.4) hinzu. Die Verhältnisse zeigt Abb. 9.11. Diese Transformation ist wie bisher bei der Berechnung von Integralen und Ableitungen zu berücksichtigen, wobei die zur kinematischen Beschreibung (TLF, ULF) passende Jacobi-Matrix zu wählen ist. Für Details s. Wriggers [11, Kap. 4.1, S. 104]. Man beachte, dass die materiellen Koordinaten nicht von der Zeit abhängen. Die Variablen 𝑿 𝒆 und 𝒙𝒆 sind die Knotenvektoren des geometrischen Modells und nicht mit den Tensorgrößen zu verwechseln. Die Geschwindigkeit und Beschleunigung ergeben sich aus der Zeitableitung des Separationsansatzes zu 𝒗𝑒̃ (𝝃, 𝑡) = 𝑵(𝝃)𝒙̇𝑒 (𝑡) = 𝑵(𝝃)𝒗𝑒 (𝑡) und 𝒙̈̃𝑒 (𝝃, 𝑡) = 𝑵(𝝃)𝒂𝑒 (𝑡) mit den bereits in Kap. 8 eingeführten Knotenvektoren der Geschwindigkeit 𝒗𝑒 und Beschleunigung 𝒂𝑒 . Die virtuelle Geschwindigkeit ergibt sich als 𝛿𝒗𝑒̃ (𝝃, 𝑡) = 𝑵(𝝃)𝛿𝒗𝑒 (𝑡)

(9.34)

mit dem Vektor der virtuellen Knotengeschwindigkeiten 𝛿𝒗𝑒 (𝑡). Im Term der Formänderungsleistung tritt die virtuelle Deformationsrate 𝛿𝒅 analog zum virtuellen infinitesimalen Verzerrungstensor in Gl. (4.12) auf. Ein Näherungsansatz lässt sich aus dem Gradienten Abb. 9.11 Transformation vom natürlichen Koordinatensystem in die Referenz- und Momentankonfiguration

২ু



২৚ ౧



৚ ହ

9.8 Energieprinzipien in nichtlinearer Form

195

der Geschwindigkeit in Gl. (9.18) und mit Gl. (9.20) angeben: 𝜕𝑣𝑥̃

⎡ 𝜕𝑥 ⎤ ⎢ 𝜕𝑣𝑦̃ ⎥ ⎢ ⎥ 𝜕𝑦 ⎢ 𝜕𝑣𝑧̃ ⎥ Gl. (3.16) 𝒅 𝑒̃ (𝝃, 𝑡) = ⎢ 𝜕𝑣𝑥̃ 𝜕𝑧 𝜕𝑣𝑦̃ ⎥ = 𝑫𝜀 𝑵(𝝃)𝒗𝑒 (𝑡) = 𝑩(𝝃)𝒗𝑒 (𝑡) . ⎢ + 𝜕𝑥 ⎥ ⎢ 𝜕𝜕𝑦 𝜕𝑣𝑧̃ ⎥ 𝑣𝑥̃ ⎢ 𝜕𝑧 + 𝜕𝑥 ⎥ ⎢ 𝜕𝑣𝑦̃ 𝜕𝑣𝑧̃ ⎥ ⎣ 𝜕𝑧 + 𝜕𝑦 ⎦

(9.35)

Wie in Kap. 3.5 entsteht der Differenzialoperator 𝑫𝜀 , nun allerdings angewendet auf die Geschwindigkeit. An dieser Stelle erkennt man, warum die letzten drei Größen in Gl. (9.32) mit dem Faktor 2 multipliziert sind. Nur dann ergibt sich die korrekte Formänderungsleistung bei Multiplikation mit den Spannungen. Die virtuelle Deformationsrate folgt dann wiederum entsprechend als 𝛿𝒅 𝑒̃ (𝝃, 𝑡) = 𝑩(𝝃)𝛿𝒗𝑒 (𝑡) .

(9.36)

Setzt man die Ansätze analog Kap. 5.3 in Gl. (9.33) ein, zieht den Vektor der virtuellen Geschwindigkeiten heraus und baut das Gesamtsystem über die Inzidenztabelle zusammen, so entsteht das zeitabhängige Matrixgleichungssystem als 𝑴𝒂(𝑿, 𝑡) + 𝒕(𝑿, 𝑡) = 𝒇 (𝑿, 𝑡) .

(9.37)

Die drei wesentlichen Unterschiede zum linearen Fall in Gl. (5.19) bzw. Gl. (8.4) sind: • Eine Steifigkeitsmatrix tritt nicht mehr auf. Stattdessen entsteht der Vektor der inneren Knotenkräfte 𝒕(𝑿, 𝑡): 𝒕(𝑿, 𝑡) =

∫ 𝑣

𝑩 T (𝝃) 𝝈(𝑿, 𝒗, 𝑡)d𝑣 .

(9.38)

Dieser Term repräsentiert die geometrischen und physikalischen Nichtlinearitäten, da einerseits die 𝑩-Matrix nichtlinear ist, wenn nichtlineare Verzerrungsmaße genutzt werden (s. Rust [9, Kap. 2.3.4]), andererseits auch der Cauchy-Spannungstensor nicht mehr linear von den Verzerrungen abhängt, je nach Materialgesetz, s. Kap. 10. • Die Integrale in den Matrizen und Vektoren sind über das aktuelle, zeitveränderliche Volumen 𝑣 auszuführen. • Im Allgemeinen hängen auch die äußeren Lasten vom Verschiebungszustand ab, d. h. 𝒇 = 𝒇 (𝒙, 𝑡). Solche Randbedingungen werden als Folgelasten bezeichnet. Es handelt sich um Lasten, die während der Deformation ihre Richtung oder den Betrag ändern, z. B. ein Druck auf einer Oberfläche, s. Tab. 9.1. Ein Gegenbeispiel ist die Erdbeschleunigung, die immer die gleiche Richtung und den gleichen Betrag aufweist. Die Massenmatrix hingegen unterscheidet sich nicht vom linearen Fall. Bei anderen Energieprinzipien verläuft die Diskretisierung analog. Für Details s. Wriggers [11, Kap. 4.2].

196

9 Geometrische Nichtlinearität

9.9 Aufgaben 9.1. Im Bild ist eine ebene Scherung eines Einheitsquadrats um den Winkel 𝛽 dargestellt. a) Geben Sie die Deformation 𝞅(𝗫, 𝑡) = 𝗫 + 𝘂 und den ౛ Deformationsgradienten 𝗙 an. b) Bestimmen Sie daraus die Deformationstensoren 𝗖, 𝗯 ঢ়- ৄ und die Verzerrungstensoren 𝗘, 𝗲. c) Wie verändert sich das Ergebnis, wenn es sich bei dem Körper um ein Rechteck mit beliebigen Kantenlängen ড়- ৃ handelt? 9.2. Ein kugelförmiger Körper soll unter hydrostatischem Druck stehen. Für die Deformation bedeutet dies bei isotropem Materialverhalten, dass die Kugel im Radius um den Faktor 𝑐 abnimmt. Welcher Deformationsgradient gehört zu dieser Verformung? 9.3. Ein isotroper zylindrischer Stab mit Querkontraktionszahl 𝜈 soll um den Faktor 𝑐 in 𝑥-Richtung verlängert werden. Dabei nimmt der Stab im Querschnitt in 𝑦- und 𝑧-Richtung um den Faktor 𝑐𝜈 ab. Welcher Deformationsgradient gehört zu dieser Verformung?

9.10 Literaturverzeichnis [1] H. Altenbach. Kontinuumsmechanik. 4. Aufl. Berlin: Springer Vieweg, 2018. [2] K.-J. Bathe. Finite Element Procedures. New Delhi: Prentice-Hall of India, 2007. [3] T. Belytschko, W. K. Liu, B. Moran und K. I. Elkhodary. Nonlinear Finite Elements for Continua and Structures. 2. Aufl. Hoboken: John Wiley & Sons Inc, 2014. [4] J. Bonet und R. D. Wood. Nonlinear Continuum Mechanics for Finite Element Analysis. 2. Aufl. Cambridge: Cambridge Univ. Press, 2008. [5] P. Haupt. Continuum Mechanics and Theory of Materials. 2. Aufl. Berlin: SpringerVerlag, 2002. [6] G. A. Holzapfel. Nonlinear Solid Mechanics. Chichester: John Wiley & Sons Inc, 2000. [7] H. Parisch. Festkörper-Kontinuumsmechanik. Stuttgart: B. G. Teubner, 2003. [8] M. Riemer, W. Seemann, J. Wauer und W. Wedig. Mathematische Methoden der Technischen Mechanik. 3. Aufl. Wiesbaden: Springer Vieweg, 2019. [9] W. Rust. Nichtlineare Finite-Elemente-Berechnungen. 3. Aufl. Wiesbaden: Springer Vieweg, 2016. [10] K. Willner. Kontinuums- und Kontaktmechanik. Berlin: Springer, 2003. [11] P. Wriggers. Nichtlineare Finite-Element-Methoden. Berlin: Springer, 2001.

Kapitel 10

Materielle Nichtlinearität

Neben den kinematischen Beziehungen und den Bilanzgleichungen ist die Beschreibung des Zusammenhangs zwischen Verzerrungen und Spannungen zur numerischen Modellierung eines strukturmechanischen Problems notwendig. Dies wird als Materialmodellierung bezeichnet. Für technisch relevante Problemstellungen wird üblicherweise das makroskopische Verhalten von Werkstoffen über Experimente beschrieben, man nennt dies phänomenologische Materialbeschreibung. Die resultierenden Beziehungen werden konstitutive Gleichungen, Stoff- oder Materialgesetze genannt. Dem gegenüber könnte man auch auf atomarer Ebene das Verhalten beschreiben, diese Vorgehensweise entzieht sich aber (bisher) einer praxisrelevanten Berechnung auf makroskopischer Ebene. Bis jetzt wurde von einer rein linearen Beziehung zwischen Spannungen und Verzerrungen in Form des Hooke’schen Gesetzes ausgegangen, s. Gl. (3.18). Viele Werkstoffe (wie Metalle, Kunststoffe etc.) zeigen dieses Verhalten allerdings nur für kleine Verzerrungen. Bei größeren Verzerrungen wird das Verhalten materiell bzw. physikalisch nichtlinear. Dann gilt allgemein der nichtlineare Zusammenhang 𝞂 = 𝞂(𝝴(𝘂), 𝝴,̇ 𝑇 , 𝑡, …) . Die Spannungen ergeben sich in diesem Fall als nichtlineare Funktion der Verzerrungen, die wiederum nichtlinear von den Verschiebungen abhängen können, wenn geometrische Nichtlinearität berücksichtigt werden muss. Außerdem kann das Materialverhalten von vielen weiteren Parametern, wie der Deformationsrate bzw. Dehnrate 𝝴,̇ der Temperatur 𝑇 oder der Zeit 𝑡 direkt abhängen. Durch die Komplexität realen Materialverhaltens haben Materialmodelle für die numerische Behandlung i. d. R. ein eingeschränktes Anwendungsspektrum und sind auf spezielle Problemfelder zugeschnitten. Nach einer kurzen Übersicht wird deswegen in diesem Kapitel exemplarisch eines der wichtigsten Materialmodelle für die Elastoplastizität näher beschrieben, da sich damit große Bereiche technisch relevanter Werkstoffe charakterisieren lassen. Ziel ist es, die wesentlichen physikalischen Effekte dieses Materialverhaltens aufzuzeigen und zu erläutern, wie diese in einem FE-Programm umgesetzt werden.

197

© Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2022 M. Wagner, Lineare und nichtlineare FEM, https://doi.org/10.1007/978-3-658-36522-6_10

198

10 Materielle Nichtlinearität

10.1 Übersicht über konstitutive Beziehungen Das Werkstoffverhalten lässt sich grob in folgende Gruppen einteilen: • elastisch: Dieses Verhalten ist dadurch charakterisiert, dass Be- und Entlastungspfad identisch sind und die Anfangsform nach der Entlastung wieder vollständig eingenommen wird. Man spricht von reversiblem bzw. konservativem Verhalten. Dies bedeutet, dass die Formänderungsenergie vollständig zurückgewonnen werden kann, es wird keine Energie dissipiert. Die ursprüngliche Form wird sofort, d. h. ohne Zeitverzögerung, wiederhergestellt. Das Werkstoffverhalten ist deswegen zeit- und geschichtsunabhängig: der Spannungszustand hängt nur von der aktuellen Verzerrung, aber nicht vom Deformationspfad ab, auf dem diese erreicht wurde. Elastizität lässt sich weiter unterteilen in: – lineare Elastizität: Spannungen und Verzerrungen sind proportional über das Hooke’sche Gesetz mit der Elastizitätsmatrix 𝗖e verbunden, s. Gl. (3.18), die nur konstante Koeffizienten enthält. Für kleine Verzerrungen zeigen viele Materialien linearelastisches Verhalten, wie Metalle und Kunststoffe. – Hyperelastizität: Hier ist der Zusammenhang zwischen Spannungen und Verzerrungen eine nichtlineare Funktion, wobei sich der Spannungszustand über eine Potenzialfunktion 𝛹 aus den Verzerrungen ermitteln lässt: 𝗦=

𝜕𝛹 , 𝜕𝗘

mit dem zweiten Piola-Kirchhoff-Spannungstensor 𝗦 und den Green-LagrangeVerzerrungen 𝗘, s. Kap. 9. Da nach einer vollständigen Entlastung die Ausgangskonfiguration wieder eingenommen wird, werden die Materialgesetze häufig in materiellen Tensoren im Rahmen einer Totale-Lagrange-Formulierung nach Kap. 9.8.2 formuliert. Üblicherweise werden solche konstitutiven Gleichungen bei großen Verzerrungen notwendig. Beispiele sind Gummi, Schäume, Elastomere und Biomaterialien (z. B. Arterienwände). Die anderen Eigenschaften der Elastizität (reversibel, pfadunabhängig und dissipationsfrei) bleiben erhalten. Bekannte Materialmodelle dieses Typs sind nach Mooney-Rivlin oder Ogden benannt. Für Details s. de Souza Neto, Perić und Owen [5, S. 13.2] oder Wu und Gu [13, Kap. 9.3]. – Hypoelastizität: Existiert keine Potenzialfunktion 𝛹, werden nichtlinear-elastische Werkstoffe als hypoelastisch bezeichnet. Dann ist das Materialgesetz in differenzieller Form anzugeben: d𝞂 = C(𝞂, d𝝴) oder 𝞂̇ = C(𝞂, 𝝴)̇ .

(10.1)

Wegen der inkrementellen Definition werden räumliche Tensoren, hier die CauchySpannung 𝞂 und die Dehnrate 𝝴,̇ genutzt. Man spricht auch von einer Ratenform (eng. rate = Geschwindigkeit, zeitliche Veränderung). Da es sich um nichtlineare konstitutive Beziehungen handelt, hängt die zeitliche Änderung der Spannungen vom aktuellen Spannungszustand ab. Um auf den Spannungszustand zu kommen, ist eine Zeitintegration entlang des Deformationspfads

10.1 Übersicht über konstitutive Beziehungen

199

notwendig. Man spricht deswegen von pfad- bzw. geschichtsabhängigen Materialgesetzen. Hypoelastische Materialmodelle werden häufig für elastoplastische Modelle in FEProgrammen eingesetzt, da sich die Ratenform in Gl. (10.1) günstig mit plastischen Modellen kombinieren lässt, die ebenfalls über Ratengleichungen formuliert werden. Voraussetzung dafür ist, dass die elastischen Verzerrungen klein gegenüber den plastischen sind, s. Belytschko u. a. [2, Kap. 5.3.2, S. 237]. • Viskosität: Hier zeigt sich ein zeit- und damit geschwindigkeitsabhängiges Verhalten der Spannungen und Verzerrungen. Generell treten zwei zeitabhängige Effekte auf: – Kriechen: Steht ein Bauteil unter einer über der Zeit konstanten Spannung, wachsen die Verzerrungen ständig weiter. – Relaxation: Wird ein Werkstoff einer konstanten Verzerrung unterworfen, baut sich die Spannung über die Zeit ab. Viskoses Verhalten tritt u. a. bei Polymeren und generell bei Werkstoffen bei hohen Temperaturen auf. Dieses Materialverhalten wird im Folgenden nicht weiter betrachtet, hierzu sei auf Ottosen und Ristinmaa [9, Kap. 14] verwiesen. Von viskoelastischem Verhalten spricht man, wenn der Werkstoff zunächst elastisch, d. h. ohne Zeitverzögerung, eine Verzerrung aufbaut und bei andauernder Belastung eine zeitabhängige Veränderung dieser Verzerrung beobachtet wird. Die Verformungen werden nach Entlastung wieder vollständig abgebaut, aber über einen längeren Zeitraum und nicht instantan, wie bei rein elastischem Material. • Plastizität: Verbleiben nach einer Deformation und vollständiger Entlastung irreversible Verformungen, spricht man von plastischem Verhalten. Nach dem oben erwähnten elastischen Bereich zeigen u. a. Metalle und Kunststoffe dieses Verhalten. In der Kombination spricht man von Elastoplastizität. Hängen die Spannungen von der Verformungsgeschwindigkeit ab, ist das plastische Verhalten zeit- bzw. dehnratenabhängig. Die Materialbeschreibung wird als Viskoplastizität oder dehnratenabhängige Plastizität bezeichnet. Beispiele sind Glas und Werkstoffe bei hohen Temperaturen. Im Folgenden wird von dem Sonderfall des dehnratenunabhängigen Verhaltens ausgegangen. Dann ist das Verhalten zeitunabhängig, allerdings ist es durch die Deformationsgeschichte bestimmt und deswegen pfadabhängig. Die Arbeit, die zur plastischen Verformung notwendig ist, wird in Wärme umgewandelt, sodass sie dem System als mechanische Energie verloren geht. Dies wird als dissipatives Verhalten bezeichnet. Auf dieses Verhalten wird detailliert ab Kap. 10.2 eingegangen. Darüber hinaus können Materialien richtungsabhängiges Verhalten aufweisen, das als Anisotropie bezeichnet wird. Die Anisotropie kann dem Material inhärent sein oder beim Herstellungsprozess, z. B. beim Walzen von Stahl, entstehen, s. auch Kap. 14.1.3.1. Diese Eigenschaft bezeichnet, dass Werkstoffe unter verschiedenen Belastungsrichtungen unterschiedliche Reaktionskräfte zeigen, s. Ottosen und Ristinmaa [9, Kap. 4.6]. Demgegenüber zeigt ein isotroper Werkstoff in jede Richtung gleiches Verhalten, da er in allen Richtungen dieselben Eigenschaften hat. Ein Sonderfall ist die Quasi-Isotropie, bei der ein Körper aus anisotropen Bestandteilen (i. d. R. Kristalle) aufgebaut ist, die regellos verteilt sind, sodass sich makroskopisch ein richtungsunabhängiges Verhalten einstellt, z. B. ein erstarr-

200 Abb. 10.1 Schematische Darstellung des SpannungsDehnungs-Diagramms eines Zugversuchs

10 Materielle Nichtlinearität

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౬ (MFJDINBŸEFIOVOH ঽN 

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tes Metallgefüge. Beispiele für anisotropes Material sind Holz, gewalztes Blech, bei dem durch den Walzprozess die zunächst regellos angeordneten Kristallite des erstarrten Metallgefüges in eine Richtung orientiert werden, und Faserverbundmaterialien, bei denen das richtungsabhängige Verhalten gerade das Entwicklungsziel darstellt. Im Folgenden wird das elastoplastische Verhalten näher vorgestellt, da es sich um einen sehr häufigen Anwendungsfall handelt. Dabei steht die Anwendung in der FEM im Vordergrund. Als wesentliche Annahme sollen nur kleine Verzerrungen betrachtet werden.

10.2 Eindimensionales, zeitunabhängiges, elastoplastisches Verhalten Im Zugversuch zeigt ein elastoplastisches Material schematisch ein Verhalten wie in Abb. 10.1. Im Bild ist die Nominalspannung über der Ingenieurdehnung (s. Kap. 9.7) aufgetragen. Dies sind auf die Ausgangskonfiguration bezogene Größen. Durch die Annahme kleiner Verzerrungen fällt die Nominalspannung 𝑃 mit der Cauchy-Spannung 𝜎 zusammen, s. Kap. 9.7. Deswegen wird, analog zu Kap. 3.2, ab hier in diesem Kapitel das Symbol 𝜎 benutzt. Verfolgt man einen Belastungspfad, in Abb. 10.1 angedeutet durch die Pfeile, dann verformt sich die Probe zunächst linear-elastisch (Pfad 1) mit dem Elastizitätsmodul 𝐸, bis die initiale Fließspannung 𝜎F0 erreicht ist. Danach verformt sich der Werkstoff plastisch unter weiterer Zunahme der Spannung (Pfad 2). In diesem Bereich spricht man von Verfestigung des Werkstoffs. Entlastet man im plastischen Bereich, verläuft der Spannungszustand nicht auf demselben Pfad rückwärts, sondern auf einer Geraden (Pfad 3), die den E-Modul als Steigung hat. Der Werkstoff reagiert wieder elastisch. Entsprechend geht die Dehnung um den Anteil 𝜀e zurück, es verbleibt aber eine irreversible, plastische Dehnung 𝜀p bei vollständiger Entlastung. Belastet man die Probe wieder, folgt der Spannungszustand dem vorherigen Entlastungspfad 3 in umgekehrte Richtung (Pfad 4), bis die aktuelle Fließspannung 𝜎F erreicht wird. Von hier wird das Materialverhalten durch die gleiche Funktion dargestellt, die auch ohne Entlastung gemessen worden wäre (Pfad 5). Durch die Verfestigung im Material hat

10.2 Eindimensionales, zeitunabhängiges, elastoplastisches Verhalten

201

sich der Fließbeginn zu größeren Werten 𝜎F > 𝜎F0 verschoben. Plastisches Verhalten ergibt sich erst wieder bei der aktuellen (zuletzt erreichten) Fließspannung 𝜎F . Bei der Zugfestigkeit 𝑅m endet der Bereich der Gleichmaßdehnung. Der zugehörige verbleibende Dehnungswert wird mit 𝐴g bezeichnet. Bis hierhin hat sich die gesamte Probe in jedem Querschnitt gleich verformt. Bei weiterer Dehnung fällt die Nominalspannung ab. Dies geht einher mit einer Einschnürung, also einer starken Flächenabnahme eines einzelnen Querschnitts. Die gesamte Deformation findet nur noch in diesem Querschnitt statt. Der Bruch tritt schließlich bei der Bruchdehnung 𝐴b ein. Beim bisher Dargestellten handelt es sich um eine idealisierte Beschreibung, die dem entspricht, was in der FEM für die Definition eines elastoplastischen Materialmodells notwendig ist. Für Details zum Werkstoffverhalten s. Gobrecht [6, Kap. 13.1.2].

10.2.1 Mathematische Formulierung Für den eindimensionalen Fall ist das elastoplastische Verhalten durch das SpannungsDehnungs-Diagramm im Prinzip beschrieben. Im Folgenden wird dies jedoch noch mathematisch formuliert, um den allgemeinen Fall vorzubereiten, in dem dieselben Begriffe vorkommen werden. Zunächst wurde in Abb. 10.1 bereits eine wesentliche Annahme getroffen, die bei kleinen Verzerrungen zulässig ist: die additive Zerlegung der Gesamtdehnung 𝜀. Sie lässt sich in diesem Fall durch Summation der elastischen und plastischen Dehnungsanteile berechnen: 𝜀 = 𝜀 e + 𝜀p . (10.2) Elastoplastisches Verhalten ist pfadabhängig, da keine eindeutige Beziehung zwischen den Spannungen und den Verzerrungen gegeben ist, s. Ottosen und Ristinmaa [9, Kap. 9.2, S. 221]. Um dies zu erläutern, wird die Dehnung 𝜀∗ in Abb. 10.1 eingezeichnet. Zu ihr existieren zwei mögliche Spannungen 𝜎𝑎∗ oder 𝜎𝑏∗ auf dem eingezeichneten Pfad (1-2-3-4). Um den tatsächlichen Spannungswert zu ermitteln, muss daher der Deformationspfad verfolgt werden, auf dem eine Spannung erreicht wird. Dies gelingt, indem man die inkrementelle Änderung der Dehnungsanteile berechnet: d𝜀 = d𝜀e +d𝜀p . Für eine allgemeine Darstellung soll allerdings die Dehnungsänderung auf die zeitliche Veränderung der Größen bezogen werden, sodass die Raten der Dehnungen betrachtet werden1 . Für die Dehnrate gilt damit 𝜀 ̇ = 𝜀ė + 𝜀ṗ .

(10.3)

Man spricht dann von einer inkrementellen Form oder Ratenform der Gleichungen. Sind große Verzerrungen zu betrachten, ist eine multiplikative Zerlegung in den elastischen und plastischen Deformationsgradienten zu nutzen. Die Betrachtung wird dadurch wesentlich schwieriger, s. Simo und Hughes [12, Kap. 9] und wird hier nicht weiterverfolgt. In Abb. 10.1 erkennt man, dass man die Spannung im plastischen Bereich vereinfacht aus dem elastischen Dehnungsanteil berechnen kann: 𝜎 = 𝐸𝜀e . Mit der additiven Auftei1

Bei statischen Anwendungen ist dies ebenfalls möglich. Hier hat die Zeit keine physikalische Bedeutung, sondern ist als Fortschrittsparameter zu verstehen, s. Kap. 10.4.

202

10 Materielle Nichtlinearität

౬ র UN

౬'1



౬ ҃ ౬ '1



౬ ౞Q র ౬'1

౞Q





౞Q

౞F >

౬ র

Abb. 10.2 Spannungs-Dehnungs-Verhalten des bilinearen plastischen Materialmodells. Links wahre Spannungen und Gesamtdehnungen 𝜀, rechts die Fließkurve über den plastischen Dehnungen

lung der Dehnungen in Gl. (10.2) folgt als konstitutive Gleichung 𝜎 = 𝐸(𝜀 − 𝜀p ) und nach Zeitableitung 𝜎̇ = 𝐸(𝜀 ̇ − 𝜀ṗ ) .

(10.4)

Als Beispiel soll das allgemeine Verfestigungsverhalten in Abb. 10.1 durch ein häufig in FE-Programmen genutztes, einfaches bilineares Modell ersetzt werden, s. Abb. 10.2. Dies bedeutet, dass sich dem linear-elastischen Bereich ein plastischer Bereich anschließt, bei dem ebenfalls eine Gerade die Spannungs-Dehnungs-Beziehung beschreibt. In Abb. 10.2 sind zwei Bezugssysteme dargestellt. Im linken Bild ist die Gesamtdehnung auf der Abszisse aufgetragen, d. h. die elastischen und plastischen Anteile. Die Steigung des ersten Teils entspricht dem Elastizitätsmodul, die Steigung des zweiten Teils im plastischen Bereich wird als Tangentenmodul 𝐸 tm bezeichnet und beschreibt das Verfestigungsverhalten. Die rechte Kurve in Abb. 10.2 wird als Fließkurve 𝜎F (𝜀p ) bezeichnet. Auf der Abszisse ist nur die plastische Dehnung 𝜀p = 𝜀 − 𝜎/𝐸 aufgetragen, der elastische Anteil wird über 𝜀e = 𝜎/𝐸 herausgerechnet. Es ist zu beachten, dass dadurch auch die Steigung des plastischen Bereichs eine andere ist als im linken Bild, s. auch Gl. (10.19). Diese Steigung wird als plastischer Modul 𝐻 bezeichnet. Die Fließkurve beginnt direkt mit der initialen Fließspannung 𝜎F0 . Die Steigungen in Abb. 10.2 sind nicht ihrer wahren Größe entsprechend gezeichnet. Um einen Eindruck zu vermitteln, sind hier die Daten für einen Stahl mit 𝐸 = 200 GPa, 𝜎F0 = 500 MPa und einem weiteren Datenpunkt 𝜎F (𝜀 = 1) = 1000 MPa gegeben: Der elastische Anteil ergibt sich bei 𝜀 = 1 zu 𝜀e = 𝜎F (𝜀 = 1)/𝐸 = 0,005 und damit der plastische Anteil zu 𝜀p = 𝜀 − 𝜀e = 0,995. Der plastische Modul folgt zu 𝐻 = 502,51 MPa und der Tangentenmodul zu 𝐸 tm = 501,25 MPa. Da der elastische Anteil im Verhältnis zum plastischen sehr klein ist, wird häufig die Fließkurve zur Beschreibung des SpannungsDehnungs-Verhaltens genutzt. Eine Erweiterung des bilinearen Modells für komplexeres Verfestigungsverhalten kann durch die Definition von abschnittsweise linearen Stücken mit unterschiedlichen plastischen Moduln für den Verfestigungsbereich erreicht werden. Das Materialmodell in Anh. B.2.3 in Keyword B.10 ist so definiert. Zur mathematischen Behandlung von Plastizität sind generell drei Bedingungen anzugeben, die im Folgenden für das Beispiel des bilinearen Modells diskutiert werden: • Die Fließbedingung legt in Abhängigkeit des Spannungszustandes fest, ob der Materialzustand elastisch oder plastisch ist.

10.2 Eindimensionales, zeitunabhängiges, elastoplastisches Verhalten

203

౬'2 ౬ ౬'1 

Abb. 10.3 Isotrope Verfestigung für das bilineare elastoplastische Materialmodell bei zyklischer Belastung. Zu beachten ist die Aufweitung des elastischen Bereichs.

 ঳ 

FMBTUJTDIFT 7FSIBMUFO

౞Q Q

౞2

҃౬'1 ঳

҃౬'2





• Die Fließregel gibt eine Evolutionsgleichung der plastischen Verzerrungen an. • Das Verfestigungsgesetz ist ebenfalls eine Evolutionsgleichung, die die Veränderung der Fließbedingung durch die Verfestigung des Materials beschreibt.

10.2.1.1 Das isotrope Verfestigungsgesetz Das Verfestigungsgesetz gibt an, wie sich die aktuelle Fließspannung 𝜎F entwickelt, wenn plastische Deformation vorliegt. Im Beispiel des bilinearen Modells wird angenommen, dass eine Veränderung der Fließspannung im Zugbereich den gleichen Effekt wie im Druckbereich hat, s. Abb. 10.3. Dies bedeutet, dass eine Probe, die zuerst in Zugrichtung plastisch deformiert und dann bei 𝜎F1 entlastet wird, bei einer folgenden Belastung auf Druck nicht bei der initialen Fließspannung −𝜎F0 plastisch reagiert, sondern bei der zuletzt im Zugbereich erreichten aktuellen Fließspannung −𝜎F1 . Die Fließkurve kann an p der aktuellen plastischen Dehnung (in Abb. 10.3 an der Stelle 𝜀1 ) in den Druckbereich negativer Spannungen gespiegelt werden, daher der Name isotrope Verfestigung. Die Werkstoffverfestigung ist ein irreversibler, dissipativer Vorgang, der z. B. durch Versetzungsbewegung und -behinderung im Gefüge auf der atomaren Skala des Werkstoffs stattfindet. Um diese Effekte während der Deformation in einem (makroskopischen) phänomenologischen Modell beschreiben zu können, werden innere Variablen definiert, s. Altenbach [1, Kap. 7.2.5], die als Verfestigungsparameter oder Geschichtsvariablen bezeichnet werden. Die isotrope Verfestigung lässt sich durch eine skalare Variable 𝛼 beschreiben, die die gleichförmige Aufweitung des elastischen Bereichs beschreibt. Es soll angenommen werden, dass eine Entfestigung, d. h. eine Verringerung der Spannung bei steigender Dehnung, nicht stattfinden kann. Der Verfestigungsparameter ist deswegen immer positiv und nimmt monoton zu. Die Veränderung der inneren Variablen bei fortschreitender Deformation ist in einem Materialmodell anzugeben und wird über Evolutionsgleichungen formuliert, d. h. eine Differenzialgleichung, die die Entwicklung einer Größe über der Zeit beschreibt. Für das hier betrachtete Beispiel wird der Betrag der plastischen Dehnrate als einzige interne Variable genutzt (s. Simo und Hughes [12, Kap. 1.2.2]): 𝛼̇ = |𝜀ṗ | ,

(10.5)

204

10 Materielle Nichtlinearität

Tabelle 10.1 Werte für einen Zug-Druckversuch in Abb. 10.3 Punkt

plast. Dehnung 𝜀p / 1

0

0

akkum. Vergleichsdehnung 𝛼 / 1

Spannung 𝜎F / MPa

0

100

𝛼1 =

p |𝜀 1



p 𝜀0 |

= 0,1

1

0,1

2

0,1

3

0,1

𝛼1 = 0,1

4

0

𝛼2 = |𝜀1 − 𝜀0 | + |𝜀2 − 𝜀1 | = 0,2

p

p

p

𝜎F1 = 𝜎F0 + 𝐻𝛼1 = 110 𝜎F2 = 0

𝛼1 = 0,1

𝜎F3 = −110 p

𝜎F4 = −𝜎F0 − 𝐻𝛼2 = −120

da der Anstieg der Spannung mit der Veränderung der plastischen Dehnung verknüpft ist (s. Abb. 10.3). Integriert man über die Zeit, erhält man formal als Verfestigungsparameter die akkumulierte oder effektive plastische Vergleichsdehnung 𝑡

𝛼=

p

p |𝜀 ̇ | d𝑡 ≡ 𝜀V , ∫ 0

(10.6)

die in Kap. 10.3.1.2 noch detailliert angegeben wird. Die Wirkung der Geschichtsvariable 𝛼 soll an einem Zahlenbeispiel verdeutlicht werden. Ausgehend p von Abb. 10.3 soll 𝜎F0 = 100 MPa sein. Eine Zugprobe soll zunächst auf 𝜀1 = 0,1 gedehnt und dann wieder p p auf 𝜀4 = 𝜀0 = 0 gestaucht werden. Der plastische Modul sei 𝐻 = 100 MPa/1. Der Verfestigungsparameter ist zu Beginn 𝛼 = 0. In Tab. 10.1 sind die Werte der Größen für die Zug- und Druckbelastung angegeben. Ausgehend von Punkt 0 beginnt sich die Probe plastisch zu verlängern. Unter Annahme eines bilinearen Verfestigungsgesetzes hat sich die Spannung bei Punkt 1 auf 𝜎F1 = 110 MPa erhöht. Der Verfestigungsparameter ergibt sich nach Gl. (10.6) durch Integration der zeitlichen Veränderung der plastischen Dehnung. In diesem Beispiel soll vereinfachend angenommen werden, dass dies nach einer konstanten Funktion erfolgt, sodass der Verfestigungsparameter der Betrag der Differenz zu Ende und Beginn der Deformation p ist. Setzt man an dieser Stelle die erreichte plastische Dehnung 𝜀1 in die Funktion zur Bestimmung der Spannung ein, folgt dasselbe Ergebnis. Bei Entlastung bis Punkt 2 verändern sich die plastische Dehnung und die akkumulierte Vergleichsdehnung nicht, da dieser Vorgang rein elastisch abläuft. Dasselbe gilt für die Wiederbelastung in den Druckbereich bis Punkt 3, wobei hier nun negative Druckspannungen auftreten und ein plastisches Fließen erst bei der zuvor erreichten Spannung von 110 MPa auftritt, auf Grund des isotropen Verfestigungsgesetzes. Ab hier erfolgt die plastische Rückdeformation der Probe, bis die plastische Dehnung, anschaulich die bleibende Formänderung der Probe, auf null zurückgegangen ist. Die Berechnung des Verfestigungsparameters 𝛼2 ist in der Tabelle ausgeführt. Wesentlich ist, dass die Beträge p p der Veränderung der plastischen Deformation addiert werden. 𝜀2 − 𝜀1 ist eine negative Zahl, der Verfestigungsparameter erhöht sich aber weiter. Die daraus folgende Spannung ist 𝜎F4 = −120 MPa. Würde man nun hier mit der plastischen Dehnung selbst arbeiten, würde eine falsche Spannung berechnet werden.

10.2.1.2 Die Fließbedingung Die Größe der aktuellen Fließspannung 𝜎F (𝛼) in Abhängigkeit des Verfestigungsparameters 𝛼 wird wie folgt beschrieben (s. Abb. 10.3): 𝜎 = +𝜎F0 + 𝐻𝛼

für 𝜎 > 0

𝜎 = −𝜎F0 − 𝐻𝛼

für 𝜎 < 0}

bzw.

|𝜎| = 𝜎F (𝛼) = 𝜎F0 + 𝐻𝛼 .

(10.7)

10.2 Eindimensionales, zeitunabhängiges, elastoplastisches Verhalten Abb. 10.4 Darstellung der Fließbedingung beim bilinearen elastoplastischen Materialmodell unter Annahme von isotroper Verfestigung. Grau markiert: Bereich zulässiger Spannungszustände. Blau: Beispiel einer zyklischen Belastung.

205



QMBTUJTDI ো > 1 ঳

౬'1

FMBTUJTDI ো =1 ౚ

҃౬'1 ҃঳

Der Betrag ist notwendig, um auch den negativen Spannungsbereich zu erfassen. Aus den Erläuterungen bei Abb. 10.1 kann man schlussfolgern, dass ein möglicher Spannungszustand entweder unterhalb der Fließkurve im elastischen Bereich oder direkt darauf liegt, wenn das Material plastisch reagiert. Dieser Sachverhalt ist wesentlich für elastoplastisches Materialverhalten und wird für allgemeine Spannungszustände ebenfalls gelten. Ein Spannungszustand kann nicht oberhalb der Fließkurve liegen, da beim Erreichen der Kurve das Material durch plastisches Fließen und Verfestigung entlang der Fließkurve reagieren würde. Dieser Sachverhalt wird mit der Fließfunktion 𝑓 (𝜎, 𝛼) durch die Fließbedingung formuliert. Stellt man Gl. (10.7) um, folgt 𝑓 (𝜎, 𝛼) = |𝜎| − 𝜎F (𝛼) = |𝜎| − (𝜎F0 + 𝐻𝛼) ≤ 0 .

(10.8)

Ist 𝑓 < 0 liegt ein elastischer Zustand vor, ist 𝑓 = 0 reagiert das Material plastisch. Wie bereits erwähnt ist 𝑓 > 0 nicht möglich. Diese Zusammenhänge sind in Abb. 10.4 dargestellt und für ein Beispiel einer zyklischen Belastung angegeben. Der negative Dehnungsbereich in Abb. 10.3 wird durch die Definition des Verfestigungsparameters 𝛼 ≥ 0 nach rechts geklappt. Hier zeigt sich der kumulative Charakter des Verfestigungsparameters (s. Gl. (10.6)), da er durch Aufaddition von plastischen Dehnungsinkrementen, auch bei zyklischer Belastung, nur wachsen kann. Die Fließbedingung legt somit einen Bereich zulässiger Spannungszustände fest (in Abb. 10.4 grau) und liefert eine Aussage, ob ein Zustand elastisch oder plastisch ist. In Gl. (10.8) wird von linearer Verfestigung ausgegangen. Für reale Werkstoffe ist dies in der Regel nicht gegeben. Im Falle allgemeiner isotroper Verfestigung stellt 𝜎F (𝛼) = p 𝜎F (𝜀V ) eine beliebige Funktion der Fließspannung in Abhängigkeit der plastischen Vergleichsdehnung dar (einige Beispiele sind bei Simo und Hughes [12, Kap 2.3.2, S. 91] angegeben). Der plastische Modul 𝐻 ist dann keine Konstante mehr, sondern über die Ableitung p p p 𝐻(𝜀V ) = d𝜎F (𝜀V )/d𝜀V (10.9) gegeben.

206

10 Materielle Nichtlinearität

10.2.1.3 Die Fließregel Die Fließregel dient der Beschreibung der Entwicklung der plastischen Dehnung 𝜀p . Ist 𝑓 < 0, verändert sich die plastische Dehnung nicht, es gilt für die Dehnrate 𝜀ṗ = 0. Eine Veränderung der plastischen Dehnung (d. h. 𝜀ṗ ≠ 0) kann nur bei plastischem Fließen mit der Bedingung 𝑓 = 0 eintreten. Die plastische Dehnrate 𝜀ṗ hat in diesem 1-D-Beispiel dasselbe Vorzeichen wie die Spannung, d. h. sie ist positiv bei Zug- und negativ bei Druckspannungen. Plastizität ist aber ein irreversibler Vorgang, deshalb wäre es wünschenswert, eine interne Variable zu haben, die analog zum Verfestigungsparameter 𝛼 in Gl. (10.6) positiv ist und nur wächst, um abzubilden wie viel plastische Deformation eingeleitet wurde. Dazu wird im hier betrachteten Fall der Betrag der plastischen Dehnrate mit der Variablen 𝜆 ̇ eingeführt: 𝜆 ̇ = |𝜀ṗ | = √𝜀ṗ 𝜀ṗ ≥ 0 . (10.10) Diese Variable wird als plastischer Multiplikator bezeichnet. Um die Dehnrate formal über den plastischen Multiplikator angeben zu können, ist noch das Vorzeichen zu bestimmen. Da dieses aus dem Vorzeichen der Spannung folgt, wie oben erläutert, ergibt sich mit Hilfe der Signum-Funktion sgn(⋅) die Fließregel, die die Veränderung der plastischen Dehnung beschreibt: 𝜀ṗ = 𝜆 ̇ sgn(𝜎) . (10.11) Diese Gleichung wird ebenfalls über Zeitableitungen angegeben. Damit soll klar werden, dass es sich dabei um eine Evolutionsgleichung in Form einer Differenzialgleichung 1. Ordnung handelt, die die Entwicklung der plastischen Dehnung beschreibt. Für die spätere Verwendung soll noch auf einen weiteren Zusammenhang hingewiesen werden. In der Fließregel Gl. (10.11) tritt die Signumfunktion sgn(𝜎) der aktuellen Spannung auf. Diese ist auch das Ergebnis der Ableitung der Fließfunktion in Gl. (10.8) nach der Spannung, 𝜕𝑓 /𝜕𝜎 = sgn(𝜎), unter Beachtung der Beziehung d(|𝜎|)/d(𝜎) = sgn(𝜎). Damit lässt sich die Fließregel formulieren als 𝜀ṗ = 𝜆 ̇

𝜕𝑓 . 𝜕𝜎

(10.12)

Dies entspricht formal der Ableitung des plastischen Dehnungsinkrements aus einer Potenzialfunktion, s. Gl. (4.3) in Kap. 4.1.1, wobei das plastische Potenzial in diesem Fall die Fließfunktion ist. Gilt eine Fließregel dieser Form, spricht man von assoziativer Plastizität, denn dann erfolgt das plastische Fließen entlang des Normalenvektors zur Fließfläche.

10.2.1.4 Karush-Kuhn-Tucker-Bedingung Zusammenfassend wird das elastoplastische Problem durch die Fließbedingung, die Fließregel und die Verfestigungsregel beschrieben. Der Fortschritt des plastischen Fließens geht einher mit 𝜆 ̇ > 0, wobei dies nur möglich ist, wenn 𝑓 = 0 gilt. Tritt ein elastischer Zustand auf, muss 𝑓 < 0 gelten, dann folgt aber 𝜆 ̇ = 0. Diese beiden Aussagen lassen sich durch 𝜆 ̇ 𝑓 (𝜎, 𝛼) = 0 ausdrücken. Ist eine der Variablen ungleich null, muss die andere null sein, sodass das Produkt immer null ist. Insgesamt lassen sich die Bedingungen für dieses

10.2 Eindimensionales, zeitunabhängiges, elastoplastisches Verhalten

207

Materialmodell zusammenfassen zu: 𝑓 (𝜎, 𝛼) ≤ 0 ,

𝜆̇ ≥ 0 ,

𝜆 ̇ 𝑓 (𝜎, 𝛼) = 0 .

(10.13)

Bedingungen in dieser Form treten in der Optimierung mit Randbedingungen auf und werden als Karush-Kuhn-Tucker (KKT)-Bedingungen bezeichnet. Das elastoplastische Materialmodell entspricht damit einem Optimierungsproblem, s. Simo und Hughes [12, Kap. 1.4.3]. Parisch [10, Kap. 6.2.1] erklärt, dass sich das Optimierungsproblem als das Prinzip vom Maximum der plastischen Dissipationsleistung darstellt, das postuliert, dass bei gegebener Dehnrate derjenige Spannungs- und Verfestigungszustand auftritt, der maximale plastische Leistung erzeugt. Karush-Kuhn-Tucker-Bedingungen ergeben sich auch bei der Kontaktmodellierung, s. Kap. 11.1.1.

10.2.1.5 Belastungszustand und Konsistenzbedingung Mit Gl. (10.13) lässt sich für 𝑓 (𝜎, 𝛼) = 0 noch nicht entscheiden, ob 𝜆 ̇ > 0 oder 𝜆 ̇ = 0 ist, da in diesem Fall Gl. (10.13)3 immer erfüllt ist. Um den plastischen Multiplikator festzulegen, ist zu ermitteln, ob eine weitere plastische Belastung oder elastische Entlastung vorliegt. Bei einer Änderung der Dehnung und damit der Spannung kann ein aktuell plastischer Zustand mit 𝑓 = 0 entweder plastisch bleiben (Belastung) oder in den elastischen Bereich zurückfallen (Entlastung). Für die Unterscheidung dieser beiden Folgezustände ist noch eine Bedingung zu formulieren, die als Konsistenzbedingung (consistency oder persistency condition) bezeichnet wird. Die Konsistenzbedingung ist besonders wichtig, denn sie ermöglicht die Berechnung des plastischen Multiplikators 𝜆.̇ ̇ 𝛼) Eine Veränderung der Fließbedingung lässt sich formal durch die Ableitung 𝑓 (𝜎, ̇ angeben. Tritt weiterhin plastisches Fließen ein, muss 𝑓 (𝜎, 𝛼) = 0 gelten, da nur dann die Fließbedingung anhaltend erfüllt wird (𝑓 (𝜎, 𝛼) = 0). In diesem Fall gilt auch 𝜆 ̇ > 0, was dem Belastungsfall entspricht. Im Entlastungsfall von einem plastischen Zustand ist ̇ 𝛼) < 0. Da der Folgezustand dann elastisch ist, gilt gleichzeitig 𝜆 ̇ = 0. Auch die 𝑓 (𝜎, ̇ 𝛼) kann nur kleiner oder gleich null sein. Wäre 𝑓 (𝜎, ̇ 𝛼) > 0 möglich, Änderung 𝑓 (𝜎, könnte ein Folgezustand der Fließbedingung 𝑓 (𝜎, 𝛼) > 0 resultieren, da das Inkrement die Tangente an die Fließbedingung darstellt und damit in positive Richtung weisen würde, s. Simo und Hughes [12, Abb. 2.2]. Fasst man wie oben die beiden Einzelbedingungen zusammen, folgt als Konsistenzbedingung ̇ 𝛼) = 0 𝜆 ̇ 𝑓 (𝜎,

wenn 𝑓 (𝜎, 𝛼) = 0 .

(10.14)

Diese Bedingung drückt aus, dass für einen anhaltenden plastischen Zustand mit 𝜆 ̇ > 0 ̇ 𝛼) = 02 . Zuder Spannungszustand permanent die Fließbedingung erfüllen muss: 𝑓 (𝜎, sammenfassend gilt für den Belastungszustand

̇ 𝛼) = 0 und 𝜆 ̇ = 0 ist in Gl. (10.14) ebenfalls enthalten und wird als Der Sonderfall 𝑓 (𝜎, 𝛼) = 0, 𝑓 (𝜎, neutrale Belastung bezeichnet. Der Zustand bleibt plastisch, es tritt aber kein Fließen ein.

2

208

10 Materielle Nichtlinearität

𝑓 0

→ → →

elastisch elastische Entlastung plastisches Fließen .

(10.15)

Bisher unbekannt sind noch der plastische Multiplikator 𝜆 ̇ und der Verfestigungsparameter 𝛼. Zur Ermittlung wird die Konsistenzbedingung für den Fall 𝜆 ̇ > 0 genutzt, da dann ̇ 𝛼) = 0 gelten muss. Dies stellt die fehlende Gleichung zur Bestimmung von 𝜆 ̇ dar. 𝑓 (𝜎, Leitet man die Fließfunktion aus Gl. (10.8) ab, folgt ̇ 𝛼) = 𝑓 (𝜎,

𝜕𝑓 𝜕𝑓 𝜎̇ + 𝛼̇ = sgn(𝜎)𝜎̇ − 𝐻𝛼̇ = 0 𝜕𝜎 𝜕𝛼

(10.16)

unter Beachtung der Ableitung der Fließfunktion nach der Spannung, s. Gl. (10.12). Aus der Evolutionsgleichung in Gl. (10.5) für den Verfestigungsparameter und der Definition des plastischen Multiplikators in Gl. (10.10) ergibt sich für den 1-D-Fall 𝛼̇ = 𝜆 ̇ .

(10.17)

Setzt man dies, die Fließregel Gl. (10.11) und die differenzielle Form der SpannungsDehnungs-Beziehung aus Gl. (10.4) in Gl. (10.16) ein, folgt ̇ 𝛼) = sgn(𝜎)𝐸(𝜀 ̇ − 𝜆 ̇ sgn(𝜎)) − 𝐻𝜆 ̇ = sgn(𝜎)𝐸𝜀 ̇ − 𝐸𝜆 ̇ − 𝐻𝜆 ̇ = 0 . 𝑓 (𝜎, Zu beachten ist (sgn(∗))2 = 1. Auflösen nach dem plastischen Multiplikator liefert 𝜆̇ =

sgn(𝜎)𝐸 𝜀 ̇ für 𝑓 (𝜎, 𝛼) = 0 . 𝐸+𝐻

Diese Gleichung liefert den plastischen Multiplikator für den Fall, dass ein plastischer Zustand vorliegt. Einsetzen in die Fließregel Gl. (10.11) ergibt 𝜀ṗ =

sgn(𝜎)𝐸 𝐸 𝜀 ̇ sgn(𝜎) = 𝜀̇ , 𝐸+𝐻 𝐸+𝐻

was die Bestimmung der plastischen Dehnungen aus den Gesamtdehnungen ermöglicht. Dies wiederum in die differenzielle Form der Spannungs-Dehnungs-Beziehung Gl. (10.4) eingesetzt, führt auf 𝜎̇ = 𝐸(𝜀 ̇ − 𝜀ṗ ) =

𝐸𝐻 𝐸2 𝜀 ̇ = 𝐸 tm 𝜀 ̇ . 𝜀̇ = 𝐸− ( 𝐸 + 𝐻) 𝐸+𝐻

(10.18)

Mit dieser Gleichung kann die Entwicklung der Spannungen aus den totalen Dehnungen ermittelt werden. Die Variable 𝐸 tm ist der bei Abb. 10.2 eingeführte Tangentenmodul. Der dritte Term in Gl. (10.18) zeigt, dass sich der Tangentenmodul aus dem elastischen Modul ergibt, indem ein plastischer Anteil abgezogen wird. Diese Form wird auch im allgemeinen Fall auftreten und stellt die Basis für eine numerische Berechnung des plastischen Materialmodells dar.

10.3 Mehrachsige dehnratenunabhängige Elastoplastizität

209

Die Größen 𝐻 und 𝐸 tm lassen sich in diesem Beispiel noch anschaulich als Steigungen der Geradenstücke im plastischen Bereich interpretieren. Aus Abb. 10.2 (rechts) kann direkt eine Beziehung für den plastischen Modul abgelesen werden: 𝐻=

𝜎 − 𝜎 F0 𝜀p

=

𝜎 − 𝜎F0 𝜀−

𝜎 𝐸

.

Der Tangentenmodul kann somit wie folgt bestimmt werden (beachte Abb. 10.2 (links)) 𝐸 tm =

𝜎 − 𝜎 F0 𝜀p + 𝜀e −

𝜎F0 𝐸

=

𝜎 − 𝜎 F0 𝜎−𝜎F0 𝐻

+

𝜎−𝜎F0 𝐸

=

𝐸𝐻 , 𝐸+𝐻

(10.19)

siehe Simo und Hughes [12, Kap. 1.2.2.2, S. 12ff.]. Es folgt dasselbe Ergebnis wie in Gl. (10.18).

10.3 Mehrachsige dehnratenunabhängige Elastoplastizität Im Folgenden wird die dehnratenunabhängige Elastoplastizität mit isotroper Verfestigung bei kleinen Verzerrungen auf den mehrachsigen Spannungszustand erweitert. Für weiterführende Betrachtungen sei auf Simo und Hughes [12] oder de Souza Neto, Perić und Owen [5] verwiesen. Eine Darstellung für große Verzerrungen mit hypoelastischplastischem Verhalten findet sich in Belytschko u. a. [2, Kap. 5.6.1]. Eine solche Formulierung wird in verschiedenen FE-Programmen bei Problemstellungen mit kleinen elastischen, aber großen plastischen Verzerrungen erfolgreich eingesetzt. Eine Anwendung ist die Metallplastizität, s. Kap. 14.2. Die beschreibenden Variablen sind die totalen Verzerrungen im Tensor 𝝴, die plastischen Verzerrungen 𝝴p und die Verfestigungsparameter 𝗾. Es wird wieder angenommen, dass sich der Verzerrungstensor additiv in einen elastischen und einen plastischen Teil aufspalten lässt: 𝝴 = 𝝴e + 𝝴p bzw. 𝝴̇ = 𝝴ė + 𝝴ṗ . (10.20) Die Spannungen 𝞂 sind keine unabhängigen Variablen, sondern über 𝝴 und 𝝴p bestimmt. Sie werden durch die elastischen Verzerrungen definiert. Zur Vereinfachung wird hier von linear-elastischem Verhalten ausgegangen, sodass gilt: 𝞂 = 𝗖e ∶ 𝝴e = 𝗖e ∶ (𝝴 − 𝝴p ) bzw. 𝞂̇ = 𝗖e ∶ (𝝴̇ − 𝝴ṗ ) .

(10.21)

Die rechte Gleichung gibt eine Ratenform an. Dies entspricht einem hypoelastischen Materialgesetz, s. Gl. (10.1). Bei 𝗖e handelt es sich um den vierstufigen Tensor des linearelastischen Materialgesetzes, der in Voigt-Notation in Gl. (3.18) angegeben ist. In Tensorschreibweise bietet sich an dieser Stelle die Indexnotation an: 𝑒 𝐶𝑖𝑗𝑘𝑙 = 𝜆𝛿𝑖𝑗 𝛿𝑘𝑙 + 𝜇(𝛿𝑖𝑘 𝛿𝑗𝑙 + 𝛿𝑖𝑙 𝛿𝑗𝑘 ) ,

(10.22)

210

10 Materielle Nichtlinearität

mit den Lamé’schen Elastizitätskonstanten 𝜆 und 𝜇. Für Details und Umrechnungen in andere elastische Konstanten siehe z. B. Gross, Hauger und Wriggers [7, Kap. 2.4.2]. Zur Beschreibung des plastischen Fließens sind für beliebige Spannungszustände die Fließbedingung, die Fließregel und das Verfestigungsgesetz anzugeben.

10.3.1 Fließbedingung Im einachsigen Spannungszustand ist plastisches Fließen durch Erreichen der initialen Fließspannung 𝜎F0 und die Fließkurve charakterisiert. Bei mehrachsigen Spannungszuständen stellt sich nun die Frage, wie ermittelt wird, ob eine bestimmte Spannungskombination einen elastischen oder plastischen Zustand zur Folge hat. Dazu wird die Fließfunktion als skalare Funktion 𝑓 (𝞂, 𝗾) definiert, mit der sich die Unterscheidung zwischen elastischem und plastischem Zustand mathematisch beschreiben lässt, s. Gl. (10.15). In der Variable 𝗾 werden noch zu bestimmende Parameter angegeben, die das Verfestigungsverhalten beschreiben. Im eindimensionalen Fall wurde der Verfestigungsparameter 𝛼 mit der plastischen Vergleichsdehnung in Beziehung gesetzt. In Gl. (10.8) ist deswegen die Fließp funktion aus den Spannungsgrößen (𝜎, 𝜎F0 ) und der plastischen Vergleichsdehnung 𝛼 = 𝜀V zusammengesetzt. Generell kann die Verfestigung aber auch über Spannungsgrößen beschrieben werden (s. die kinematische Verfestigung in Kap. 10.3.3). Für eine allgemeine Darstellung werden aus diesem Grund in 𝗾 nur spannungsbasierte Größen angenommen3 , da die Fließfunktion im Spannungsraum definiert ist. Dafür werden neue innere Spannungsvariablen notwendig, die Funktionen der dehnungsbasierten Verfestigungsparameter, in unserem Fall von 𝛼, sind. Für den Fall isotroper Verfestigung gilt dann 𝑞 i = −𝐻𝛼 . Es sei darauf hingewiesen, dass auch die Darstellung mit dehnungsbasierten Größen möglich ist. Für Details s. Simo und Hughes [12, Kap. 2.2.1, S. 75]. In Kap. 10.3.5 wird dies an einem Beispiel verdeutlicht. Bei der Definition einer Fließfunktion muss berücksichtigt werden, dass sie mit einem realen Materialverhalten kalibriert wird. Dies geschieht durch Experimente. Der am weitesten verbreitete Versuch ist sicherlich der Zugversuch, weswegen die meisten in kommerziellen FE-Programmen eingesetzten Materialmodelle über die Fließspannung bzw. die Fließkurve aus dem Zugversuch kalibriert werden. Zum Vergleich mit dem skalaren Wert aus dem Zugversuch werden auf Basis kontinuumsmechanischer Annahmen zum Werkstoffverhalten Vergleichsspannungen 𝜎V definiert, die in die Fließfunktion eingehen. Die Annahme ist, dass plastisches Fließen eintritt, wenn der Wert der Vergleichsspannung gleich der aktuellen Fließspannung 𝜎F (𝛼) aus der Fließkurve ist. Die Fließbedingung lässt sich damit angeben als 𝑓 (𝞂, 𝗾) = 𝑓 (𝞂, 𝗾k , 𝑞 i ) = 𝜎V (𝞂, 𝗾k ) − 𝜎F0 + 𝑞 i ≤ 0 . 3

Diese Größen können als thermodynamische Kräfte oder Flüsse interpretiert werden, s. z. B. Simo und Hughes [12, Kap 2.2.1] oder de Souza Neto, Perić und Owen [5, Kap 6.3.2].

10.3 Mehrachsige dehnratenunabhängige Elastoplastizität Abb. 10.5 Darstellung von Spannungszuständen in Haigh-WestergaardKoordinaten, rechts normal auf die deviatorische Ebene

IZESPTUBUJTDIF "DITF

211

৞ ਋

EFWJBUPSJTDIF &CFOF



౬2

౬2 ৖ > ҋ3঵3

౬3 ౡ

౬N ১ ౬4

౬3

ದ ਋ ౬4

Hierbei ist bereits eine Spezialisierung erfolgt, da ein (tensorieller) Teil 𝗾k der Verfestigungsparameter in der Vergleichsspannung auftritt. Dieser Tensor beschreibt die kinematische Verfestigung, s. Abb. 10.11, und wird als Rückspannung (back-stress) bezeichnet. Der skalare Parameter 𝑞 i gibt die bereits bei Abb. 10.3 eingeführte isotrope Verfestigung wieder, s. auch Abb. 10.10. Für den Fall isotroper und kinematischer Verfestigung würde 𝗾 = {𝗾k , 𝑞 i } gelten. Es gibt viele verschiedene Vergleichsspannungshypothesen, die plastisches Fließen bei einem dreidimensionalen Spannungszustand modellieren, s. Selke [11, Kap. 6.2]. Im Folgenden wird die von-Mises-Vergleichsspannung für das hier betrachtete isotrope, elastoplastische Verhalten verwendet. Davor wird auf die prinzipielle Darstellung einer solchen Funktion eingegangen.

10.3.1.1 Haigh-Westergaard-Koordinaten Geometrisch betrachtet begrenzt die Fließbedingung ein Volumen im Koordinatenraum, der durch die Variablen, in diesem Fall den Spannungen, aufgespannt wird. Der elastische Bereich, der durch 𝑓 < 0 definiert ist, wird als Fließkörper bezeichnet. Der Rand, der das plastische Fließen über 𝑓 = 0 definiert, wird Fließortfläche genannt. Eine grafische Darstellung von Spannungszuständen ist nur möglich, wenn man den Spannungstensor in das Hauptachsensystem transformiert, s. Abb. 10.5, da der Spannungstensor allgemein sechs unabhängige Komponenten enthält. Die Koordinaten (𝜎1 , 𝜎2 , 𝜎3 ) dieses sog. Hauptspannungsraums werden auch als Haigh-Westergaard-Koordinaten bezeichnet, s. Ottosen und Ristinmaa [9, Kap. 8.1, S. 150]. Neben den kartesischen Koordinaten ist für die Darstellung ein Zylinderkoordinatensystem (𝑧, 𝑟, 𝜃) vorteilhaft, dessen 𝑧-Achse entlang der Raumdiagonale ausgerichtet ist, s. Abb. 10.5. Die Zylinderkoordinaten lassen sich mechanisch interpretieren. Dazu wird die Definition des hydrostatischen Drucks 𝑝 bzw. des mittleren Drucks 𝜎𝑚 von Kap. 3.2.1 wiederholt: 𝑝 = −𝜎m = −1/3 𝐼1 = −1/3 (𝜎1 + 𝜎2 + 𝜎3 ). Damit folgt der Zusammenhang zwischen dem CauchySpannungstensor 𝞂 und seinem Deviator 𝘀 (s. Kap. 3.2.1) zu 𝘀 = 𝞂 − 𝜎m 𝗜 = 𝞂 + 𝑝 𝗜 . Da die 𝑧-Achse des Zylinderkoordinatensystems entlang der Raumdiagonale verläuft, stellt ein Punkt auf der Raumdiagonale den hydrostatischen Spannungszustand dar. Der Abstand dieses Punkts vom Ursprung ergibt sich zu √3𝜎𝑚 . Führt man eine auf der Raumdiagonale senkrecht stehende Ebene ein und betrachtet die Spannungstensoren im Hauptachsensys-

212

10 Materielle Nichtlinearität

tem als Vektoren, wird der in Abb. 10.5 (links) gezeigte Zusammenhang klar: ⎡𝜎1 ⎤ ⎡𝑠1 ⎤ ⎡1⎤ ⎢𝜎2 ⎥ = ⎢𝑠2 ⎥ + 𝜎m ⎢1⎥ . ⎢ ⎥ ⎢ ⎥ ⎢ ⎥ ⎣𝜎3 ⎦ ⎣𝑠3 ⎦ ⎣1⎦ Der Verbindungsvektor 𝒔 in der Ebene entspricht den deviatorischen Spannungen. Deswegen wird diese Ebene als deviatorische Ebene bezeichnet, für den Spezialfall 𝜎m = 0 als 𝜋-Ebene. Es zeigt sich daran auch, dass Deviator und hydrostatischer Druck senkrecht aufeinander stehen, d. h. unabhängig voneinander sind. Der Abstand eines Spannungspunkts von der hydrostatischen Achse als zweiter Zylinderkoordinate 𝑟 entspricht dem Betrag des Deviators ‖𝒔‖. Dieser lässt sich mit der Invariante 𝐽2 als ‖𝒔‖ = √2𝐽2 ausdrücken. Der Lode-Winkel 𝜃 ist die dritte Zylinderkoordinate und gibt die Winkellage des Vektors 𝒔 in der deviatorischen Ebene bezogen auf eine Projektion von 𝜎1 auf diese Ebene an, s. Ottosen und Ristinmaa [9, Kap. 8.1, S. 152]. Diese Größe spielt nur bei anisotropem Verhalten eine Rolle und wird hier nicht weiter behandelt. Betrachtet man den Spannungsraum in Richtung der Raumdiagonale, entsteht die Darstellung rechts in Abb. 10.5, die in Kap. 10.3.1.2 genutzt wird. Die kartesischen Hauptspannungsachsen haben in dieser Ansicht einen Winkel von 120° zueinander.

10.3.1.2 Gestaltänderungsenergiehypothese nach von Mises Die am weitesten verbreitete Vergleichsspannungshypothese ist die Gestaltänderungsenergiehypothese nach von Mises, Huber und Hencky, die häufig als von-Mises-Vergleichsspannung bezeichnet wird. Sie zählt zu den wichtigsten Ausgabegrößen von FEProgrammen. Danach tritt plastisches Fließen ein, wenn die Gestaltänderungsenergie einen kritischen Wert erreicht. Der Hypothese liegen die folgenden Annahmen zu Grunde: • Für duktile Werkstoffe, wie Metalle, zeigen Experimente, dass der hydrostatische Zustand keinen Einfluss auf das Einsetzen des plastischen Fließens hat, d. h. ein beliebig hoher Umgebungsdruck verändert das Fließverhalten nicht. Deswegen wird davon ausgegangen, dass man eine Vergleichsspannung für solche Werkstoffe rein aus den deviatorischen Spannungen 𝘀 definieren kann, 𝜎V = 𝜎V (𝘀) , da nur diese, wie bereits in Kap. 3.2.1 erläutert, Form- bzw. Gestaltänderungen verursachen. Dadurch erklärt sich der Name dieser Hypothese. • Weiterhin zeigen Experimente, dass eine Volumenänderung nur durch den elastischen Verzerrungsanteil erfolgt. Bei der plastischen Deformation wird von Volumenkonstanz ausgegangen (𝐽 p = 1 und 𝜈 = 0.5). Da eine Volumenänderung durch die erste Invariante, d. h. die Spur des Verzerrungstensors, bestimmt ist, s. Gl. (3.5), gilt p

p

p

𝜀𝑥𝑥 + 𝜀𝑦𝑦 + 𝜀𝑧𝑧 = 0

p

p

p

bzw. 𝜀𝑥𝑥 ̇ + 𝜀𝑦𝑦 ̇ + 𝜀𝑧𝑧 ̇ =0.

(10.23)

10.3 Mehrachsige dehnratenunabhängige Elastoplastizität

213

Für die Fließregel in Kap. 10.3.2 wird gezeigt, dass diese Bedingung für die Gestaltänderungsenergiehypothese aus der Annahme folgt, dass der hydrostatische Zustand keinen Einfluss auf den Fließbeginn hat. Nimmt man weiterhin isotropes Verhalten an, ist der Fließbeginn richtungsunabhängig und kann mit den Invarianten des Deviators dargestellt werden, s. Gl. (3.10). Die erste Invariante des Spannungsdeviators ist 𝐽1 = 0. Außerdem ist in Abb. 10.5 die zweite Invariante mit dem Abstand eines Spannungspunkts von der deviatorischen Achse assoziiert. Die Invariante 𝐽3 hängt mit dem oben erwähnten Lode-Winkel zusammen und spielt wegen der Annahme der Isotropie hier keine Rolle, sodass man für die Vergleichsspannung unter diesen Annahmen weiter spezialisieren kann zu 𝜎V = 𝜎V (𝐽2 ) . Die zweite Invariante ist im Hauptachsensystem definiert als 𝐽2 =

1 1 𝘀 ∶ 𝘀 = (𝑠21 + 𝑠22 + 𝑠23 ) . 2 2

Wie in Kap. 10.3.1 erläutert, soll die Vergleichsspannung über den einachsigen Zugversuch an das reale Werkstoffverhalten angepasst werden: 𝜎V = 𝜎F (𝛼) = 𝜎1 (𝜀p ) . Der Wert von 𝐽2 für den einachsigen Spannungszustand berechnet sich zunächst mit 2 1 𝑠1 = 𝜎1 − 𝜎1 = 𝜎1 3 3

1 und 𝑠2 = 𝑠3 = − 𝜎1 3

zu 𝐽2 (𝜎1 ) =

1 2 𝜎 . 3 1

Daraus folgt 𝜎1 = √3𝐽2 , sodass für die von-Mises-Vergleichsspannung in Abhängigkeit der zweiten Invariante folgt 3 1 𝜎V (𝘀) = √3𝐽2 (𝘀) = √ 𝘀 ∶ 𝘀 = √ ((𝜎1 − 𝜎2 )2 + (𝜎2 − 𝜎3 )2 + (𝜎3 − 𝜎1 )2 ) . (10.24) 2 2 Der letzte Ausdruck gibt die deviatorischen Spannungen in den Hauptspannungen wieder4 . Da nur Differenzen auftreten, zeigt sich auch hier, dass die Vergleichsspannung unabhängig von einem herrschenden hydrostatischen Druck ist.

4

Zur Herleitung werden die deviatorischen Hauptspannungen 𝑠𝑖 in den Hauptspannungen 𝜎𝑖 angegeben, z. B. 𝑠1 = 𝜎1 − 1/3 Sp 𝞂 = 𝜎1 − 1/3(𝜎1 + 𝜎2 + 𝜎3 ). Die doppelte Verjüngung lautet 𝑠21 + 𝑠22 + 𝑠23 = 𝜎12 + 𝜎22 + 𝜎32 + 3 ⋅ 1/9(Sp 𝞂)2 − 2/3(𝜎1 + 𝜎2 + 𝜎3 ) Sp 𝞂 = 𝜎12 + 𝜎22 + 𝜎32 − 1/3(Sp 𝞂)2 . Auswerten des Quadrats der Spur des Hauptspannungstensors und Zusammenfassen der Terme unter Beachtung der binomischen Formeln führt auf obiges Ergebnis.

214

10 Materielle Nichtlinearität

౬4 IZESPTUBUJTDIF "DITF

Abb. 10.6 Fließbedingung für von-Mises-Plastizität

'MJFŸPSUः¤DIF ౬3 'MJFŸPSULVSWF G¼S ౬4 > 1 ౬2

Die Fließbedingung nach der Gestaltänderungsenergiehypothese für isotrope Verfestigung lautet damit 𝑓 (𝞂, 𝑞 i ) = √3𝐽2 − 𝜎F0 + 𝑞 i ≤ 0 . (10.25) Wegen der Abhängigkeit von der zweiten Invariante spricht man auch von 𝐽2 -Plastizität. Die Fließbedingung ist geometrisch ein Zylinder um die hydrostatische Achse im Hauptspannungsraum, s. Abb. 10.6. Beim ebenen Spannungszustand (𝜎3 = 0), der bei Schalenelementen relevant ist, wird ein Schnitt der Fließortfläche mit der Spannungsebene (𝜎1 , 𝜎2 ) betrachtet. Die dabei resultierende Kurve ist eine Ellipse und wird als Fließortkurve bezeichnet, s. Abb. 10.7. Neben der Fließortkurve im Hauptspannungsraum ist noch das Spannungs-Dehnungs-Diagramm einer einachsigen Belastung eingezeichnet, der im Spannungsraum die Linie 𝜎2 = 0 entspricht. Dies soll die in Abb. 10.7 farblich hervorgehobene Aussage der Fließbedingung nochmals verdeutlichen: Ein Spannungszustand • innerhalb der Fließortkurve bedeutet elastisches Verhalten, • auf der Fließortkurve erzeugt plastisches Verhalten, • außerhalb ist nicht möglich, da das Material durch Veränderung der Fließortkurve (Verfestigung, s. Kap. 10.3.3) reagiert. Abb. 10.7 Gestaltänderungsenergiehypothese (—) für den ebenen Spannungszustand. Darunter ist das einachsige SpannungsDehnungsdiagramm gezeichnet

౬3

౬'1 ౬2

౞2 ౬2 ౬'1

10.3 Mehrachsige dehnratenunabhängige Elastoplastizität

215

10.3.1.3 Plastische Vergleichsdehnung Um das mehrachsige Plastizitätsmodell anhand der Fließkurve des einachsigen Zugversuchs 𝜎1 (𝜀p ) kalibrieren zu können, ist neben der oben definierten Vergleichsspannung, die die Ordinate der Fließkurve darstellt, auch eine Vergleichsgröße für die Abszisse notwendig, da ebenfalls der Dehnungszustand mehrachsig ist. Diese wird als plastische Verp gleichsdehnung 𝜀V bezeichnet. Im eindimensionalen Beispiel in Kap. 10.2.1 wurde die plastische Vergleichsdehnung über Gl. (10.6) mit akkumulierten plastischen Dehnraten definiert. Für eine analoge allgemeine Vorgehensweise ist zunächst die Definition einer skalaren Vergleichsdehnungsrate aus den tensoriellen Größen notwendig. p Die einfachste Darstellung einer solchen plastischen Vergleichsdehnungsrate 𝜀V ̇ ergibt sich über p 𝜀V ̇ = √𝑐 𝝴ṗ ∶ 𝝴ṗ , da die doppelte Verjüngung aus allen Verzerrungskomponenten einen skalaren Wert berechnet, s. auch Chen und Han [3, Kap. 5.5.2]. Der beliebige Faktor 𝑐 wird über die Fordep rung ermittelt, dass 𝜀V ̇ der Dehnrate im Zugversuch entsprechen soll. Unter der Annahme p p p von Volumenkonstanz und homogener Umformung (𝜀2̇ = 𝜀3̇ = −1/2𝜀1̇ ) gilt für den einachsigen Zustand p

p

p

𝜀V ̇ = √𝑐 3/2 (𝜀1̇ )2 ≡ 𝜀1̇ . Daraus folgt der Faktor 𝑐 = 2/3. Die zeitliche Integration liefert dann die plastische Vergleichsdehnung als Verallgemeinerung von Gl. (10.6): p

𝜀V =

𝑡

∫ 0

p

𝑡

𝜀V ̇ d𝑡 =

2 p p √ 3 𝝴̇ ∶ 𝝴̇ d𝑡 . ∫ 0

Diese Größe beschreibt die Deformationsgeschichte und ist stets größer oder gleich null. Sie wächst immer, unabhängig davon, welche Richtung die tensoriellen Größen annehmen. Sie gibt dabei keine Auskunft über den momentanen Verzerrungszustand, sondern über die irreversible plastische Deformation und wird deshalb analog zu Gl. (10.6) mit dem Verfestigungsparameter der isotropen Verfestigung assoziiert: p

𝛼 = 𝜀V ,

10.3.2 Fließregel Mit der Fließregel wird festgelegt, wie sich die plastischen Verzerrungen entwickeln, sobald plastisches Fließen einsetzt. Dies geschieht allgemein über einen Tensor 𝗥. Ist die Definition eines plastischen Potenzials 𝑄(𝞂, 𝗾) (s. de Souza Neto, Perić und Owen [5, Kap 6.3.5]) möglich, analog zu Gl. (10.12), können die plastischen Verzerrungsinkremente daraus, durch Ableiten nach den Spannungen, berechnet werden:

216 Q

೒ȩ >

10 Materielle Nichtlinearität

౤ ȩ ౳ো ౳ೠ

౬2

౬3

೒Qȩ > ౤ ȩ ౳ো ౳ೠ

ೠ ೠ

ো )ೠ- ୞* ౬2

౬3 ౬4

allgemeiner Spannungszustand

ebener Spannungszustand 𝜎3 = 0

Abb. 10.8 Darstellung der assoziativen Fließregel. Links allgemeiner Spannungszustand, rechts ebener Spannungszustand 𝜎3 = 0

̇ 𝝴ṗ = 𝜆𝗥(𝞂, 𝗾) = 𝜆 ̇

𝜕𝑄(𝞂, 𝗾) . 𝜕𝞂

(10.26)

Der Gradient des plastischen Potenzials gibt im Spannungsraum eine Richtung der plastischen Verzerrungen vor und wird als Fließvektor bezeichnet. Der Betrag wird durch die Einführung des plastischen Multiplikators 𝜆 ̇ festgelegt. Bei Gl. (10.26) handelt es sich um eine Evolutionsgleichung, analog zu Gl. (10.12) im 1-D-Beispiel in Kap. 10.2. Ein besonders wichtiger Sonderfall ist die assoziative Plastizität. Hier setzt man für das plastische Potenzial die Fließfunktion ein: 𝑄 = 𝑓 (𝞂, 𝗾) . Damit lässt sich das plastische Inkrement als der Gradient der Fließortfläche interpretieren. In Abb. 10.8 ist links ein allgemeiner Spannungszustand in der deviatorischen 𝜋Ebene dargestellt. Für das Beispiel der von-Mises-Fließortfläche ist diese ein Kreis, sodass der Gradient radial nach außen zeigt. Rechts in der Abbildung ist der für die Berechnung mit Schalenelementen wichtige Sonderfall des ebenen Spannungszustands dargestellt. Hier ist die Fließortkurve eine Ellipse. Der Gradient steht auch hier senkrecht auf der Fließortkurve. Der Fall der hier genutzten 𝐽2 - bzw. von-Mises-Fließfunktion als plastischem Potenzial wird in Kap. 10.3.5 detailliert erläutert. Wie bereits in Kap. 10.2.1.3 erklärt, gilt für den plastischen Multiplikator auch im allgemeinen 3-D-Fall 𝜆 ̇ ≥ 0, da es sich bei Plastizität um einen irreversiblen Prozess handelt. Der Fall 𝜆 ̇ = 0 tritt ein, wenn keine plastische Deformation stattfindet, was zur Fließbedingung 𝑓 < 0 führt. Umgekehrt ist bei plastischem Fließen 𝑓 = 0 und 𝜆 ̇ > 0. Diese Aussagen lassen sich in den KKT-Bedingungen in Gl. (10.13) zusammenfassen, die analog gelten wie im 1-D-Fall.

10.3 Mehrachsige dehnratenunabhängige Elastoplastizität Abb. 10.9 Allgemeine anisotrope Verfestigung für den ebenen Spannungszustand

217

౬3 OBDI #FMBTUVOH

౬2 WPS #FMBTUVOH

10.3.3 Verfestigungsgesetz Verfestigung beschreibt, wie sich die Fließortfläche, d. h. die Fließbedingung, unter Belastung verändert. Allgemein lässt sich dies für den ebenen Spannungszustand wie in Abb. 10.9 darstellen. Wie bereits erwähnt, wird für die FEM ein Kontinuumsmodell zur Beschreibung des Verfestigungsverhaltens genutzt. Die atomaren Vorgänge, wie Gitterabgleitungen oder Fehlstellen bei Metallen, werden nicht direkt berücksichtigt. Vielmehr werden diese Effekte über interne thermodynamische Größen, die als Geschichtsvariablen bezeichnet werden, abgebildet. Im 1-D-Beispiel in Kap. 10.2.1.1 wurde lineare, isotrope Verfestigung angenommen, wobei die Geschichtsvariable 𝛼 in Gl. (10.6) als plastip sche Vergleichsdehnung 𝜀V identifiziert wurde. Um die Entwicklung der Verfestigung bei anhaltender plastischer Deformation zu beschreiben, wurde mit Gl. (10.17) eine Evolutionsgleichung für diese Geschichtsvariable eingeführt. Für den mehrachsigen Fall werden diese Zusammenhänge nun erweitert. Die Geschichtsvariablen werden in der spannungsbasierten Variable 𝗾, die in Kap. 10.3.1 eingeführt wurde, angegeben. Die Evolutionsgleichung kann völlig allgemein mit einer Funktion 𝒉 definiert werden, deren Zusammensetzung von der Wahl des Verfestigungsmodells abhängt: ̇ 𝗾̇ = −𝜆𝒉(𝞂, 𝗾) . (10.27) Die Funktion 𝒉 beschreibt die Entwicklung der Verfestigung in Abhängigkeit des Spannungszustandes und der Geschichtsvariablen. Der Proportionalitätsfaktor ist der plastische Multiplikator 𝜆,̇ wie im 1-D-Fall in Gl. (10.17), s. Simo und Hughes [12, Kap. 2.2.2, S. 77]. Zwei einfache und häufig genutzte Verfestigungsmodelle sind die • isotrope Verfestigung: Dieses Modell wurde in Kap. 10.2.1.1 bereits erläutert. Die Fließortkurve bleibt fest im Raum, mit dem Zentrum im Nullpunkt des Spannungsraums, vergrößert sich aber homogen in jede Richtung, s. Abb. 10.10 (links) für den ebenen Spannungszustand. In Abb. 10.10 (rechts) ist noch eine einachsige zyklische Belastung zur Verdeutlichung gezeigt. Belastet man eine Probe nur in einer Richtung, folgt sie zunächst elastisch dem Pfad 1 bis zur initialen Fließspannung 𝜎F0 . Bei weiterer Erhöhung der Belastung verfestigt der Werkstoff entlang Pfad 2. Bei Entlastung bei 𝜎̄ gehen die Spannungen entlang Pfad 3 zurück auf null. Entscheidend ist nun die Wiederbelastung in den Druckbereich entlang Pfad 4: Plastisches Fließen setzt erst bei

218

10 Materielle Nichtlinearität

౬3

Abb. 10.10 Veränderung der Fließortkurve und Auswirkung bei einachsiger zyklischer Belastung für isotrope Verfestigung

౬Ȧ

 

౬3

౬ '1



 

౬2





3౬Ȧ ౞



҃౬'1

҃౬Ȧ

Erreichen von −𝜎̄ ein und nicht bei −𝜎F0 , da sich die Fließortkurve isotrop aufgeweitet hat. • kinematische Verfestigung: Hier bleibt die Fläche der Fließortkurve gleich, verändert aber ihr Zentrum, s. Abb. 10.11. Für dieselbe zyklische Belastung wie in Abb. 10.10 verläuft der Pfad (1 → 2 → 3 ) zunächst identisch. Bei Wiederbelastung in den Druckbereich entlang Pfad 4 kommt es im Falle der kinematischen Verfestigung bereits früher zum plastischen Fließen, und zwar bereits bei Spannungen die betragsmäßig kleiner als die initiale Fließspannung 𝜎F0 sind. In der Abbildung ist auch der Rückspannungstensor (back-stress-tensor, s. Kap. 10.3.1) 𝗾k für diesen einfachen Fall angedeutet. Die kinematische Verfestigung beschreibt den Bauschinger-Effekt: Im Experiment beobachtet man, dass nach einer plastischen Deformation in eine Richtung (z. B. Zug an einem Blechstreifen) und einer Richtungsumkehr (d. h. Druck auf den Blechstreifen), die aktuelle Fließspannung bei einem niedrigeren Spannungsniveau erreicht wird, als es die isotrope Verfestigung vorgibt. Kinematische Verfestigung spielt eine große Rolle bei der Blechumformung (s. Kap. 14), bei der unter Umständen mehrfach Richtungswechsel der Spannung beim Umformvorgang auftreten.

10.3.4 Konsistenzbedingung und die Materialtangente Zur Berechnung des plastischen Multiplikators ist für den allgemeinen Fall die Konsistenzbedingung aus Kap. 10.2.1.5 anzugeben. Wie dort erläutert, muss im Fall andauernder Belastung, für den 𝜆 ̇ > 0 gilt, die Änderung der Fließfunktion ebenfalls null sein, damit plastisches Fließen anhält: ౬3

Abb. 10.11 Veränderung der Fließortkurve und Auswirkung bei einachsiger zyklischer Belastung für kinematische Verfestigung

౬Ȧ



 ୞L

౬ '1

 

౬2

౬3

  

҃౬'1

3౬'1

 ౞

10.3 Mehrachsige dehnratenunabhängige Elastoplastizität

̇ 𝗾) = 𝑓 (𝞂,

219

𝜕𝑓 𝜕𝑓 ∶ 𝞂̇ + ∶ 𝗾̇ = 0 . 𝜕𝞂 𝜕𝗾

Zunächst setzt man die Fließregel Gl. (10.26) in das elastische Materialgesetz Gl. (10.21) ein: ̇ . 𝞂̇ = 𝗖e ∶ (𝝴̇ − 𝝴ṗ ) = 𝗖e ∶ (𝝴̇ − 𝜆𝗥) (10.28) Damit kann das Spannungsinkrement zusammen mit der Verfestigungsregel Gl. (10.27) in die Konsistenzbedingung eingesetzt werden: 𝜕𝑓 ̇ ) + 𝜕𝑓 ∶ 𝗾̇ = 𝜕𝑓 ∶ 𝗖e ∶ 𝝴̇ − 𝜆 ̇ 𝜕𝑓 ∶ (𝗖e ∶ 𝗥) − 𝜆 ̇ 𝜕𝑓 ∶ 𝒉 = 0 . ∶ 𝗖e ∶ (𝝴̇ − 𝜆𝗥) 𝜕𝞂 ( 𝜕𝗾 𝜕𝞂 𝜕𝞂 𝜕𝗾 Man beachte, dass die Terme bei 𝜆 ̇ skalare Werte ergeben, sodass nach Umformung folgt 𝜆̇ =

𝜕𝑓 𝜕𝞂 𝜕𝑓 𝜕𝞂

∶ 𝗖e ∶ 𝝴 ̇

∶ (𝗖e ∶ 𝗥) +

𝜕𝑓 𝜕𝗾

∶𝒉

.

(10.29)

Einsetzen in die konstitutive Gleichung (10.28) ergibt einen Zusammenhang zwischen der Spannungsrate und der totalen Dehnungsrate5 : e e 𝜕𝑓 ⎛ (𝗖 ∶ 𝗥) ⊗ (𝗖 ∶ 𝜕𝞂 ) ⎞ def. e ̇ = ⎜𝗖 − ⎟ ∶ 𝝴̇ = 𝗖ep ∶ 𝝴̇ für 𝜆 ̇ > 0 (10.30) 𝞂̇ = 𝗖 ∶ (𝝴̇ − 𝜆𝗥) 𝜕𝑓 𝜕𝑓 e ⎜ ∶ (𝗖 ∶ 𝗥) + 𝜕𝗾 ∶ 𝒉 ⎟ 𝜕𝞂 ⎠ ⎝ e

mit dem dyadischen Produkt ⊗, s. Tab. A.1. Die Größe 𝗖ep wird als elastoplastische Maep terialtangente bezeichnet und ist wie 𝗖e ein Tensor 4. Stufe: 𝗖ep = 𝐶𝑖𝑗𝑘𝑙 . Der dritte Term zeigt, wie Gl. (10.18), dass die Materialtangente aus der Elastizitätsmatrix besteht, die um einen plastischen Anteil korrigiert wird. Die o. g. Gleichung gilt nur bei Belastung (𝜆 ̇ > 0), für den elastischen Fall fällt der zweite Term in der Klammer weg und es gilt 𝞂̇ = 𝗖e ∶ 𝝴̇ für 𝜆 ̇ = 0. Die elastoplastische Materialtangente ist symmetrisch, wenn assoziative Plastizität zu Grund gelegt werden kann, da dann 𝗥 = 𝜕𝑓/𝜕𝞂 gilt.

10.3.5 Assoziative 𝐽2 -Plastizität Die allgemeinen Gleichungen sollen in diesem Abschnitt für den Spezialfall der assoziativen 𝐽2 -Plastizität angewendet werden, die häufig in Materialmodellen in FE-Programmen eingesetzt wird und als Prandtl-Reuss-Plastizität bezeichnet wird. Es werden die folgenden Voraussetzungen gewählt: • die Vergleichsspannung ist die von-Mises-Spannung in Gl. (10.24), 5

Der Elastizitätstensor vierter Stufe 𝗖e ist symmetrisch, d.h. Ce𝑖𝑗𝑘𝑙 = Ce𝑘𝑙𝑖𝑗 . Es gilt dann

e 𝜕𝑓 (𝗖 ∶ 𝜕𝞂 ) ∶ 𝝴,̇ s. de Souza Neto, Perić und Owen [5, Kap. 2.3, S. 29].

𝜕𝑓 𝜕𝞂

∶ 𝗖e ∶ 𝝴 ̇ =

220

10 Materielle Nichtlinearität

• es wird von isotroper Verfestigung ausgegangen, • die Fließ- und Verfestigungsregel sind assoziativ. Im Folgenden werden die Fließbedingung, die Fließregel und die Verfestigungsregel aus den allgemeinen Ansätzen spezialisiert, und die elastoplastische Materialtangente, die die konstitutive Beziehung in Gl. (10.30) definiert, wird angegeben. Die Fließbedingung für diesen Fall wurde bereits in Gl. (10.25) angegeben. Daraus lässt sich die Fließregel ableiten, da assoziative Plastizität angenommen wird. Dies bedeutet, dass die Beziehung 𝜕𝑓 𝗥(𝞂, 𝗾) = 𝜕𝞂 gültig sein muss. Die Auswertung des Gradienten liefert6 3 𝜕𝑓 𝜕√ 2 𝘀 ∶ 𝘀 = = 𝜕𝞂 𝜕𝞂

1 2√ 32 𝘀 ∶ 𝘀

Damit gilt für die Fließregel 𝝴ṗ = 𝜆 ̇

3 𝜕𝘀 ∶ 𝘀 3 𝘀 = . 2 𝜕𝞂 2 𝜎V

3 𝘀 . 2 𝜎V

(10.31)

(10.32)

Für diesen Sonderfall hängen die plastischen Dehnungsinkremente 𝝴ṗ nur vom deviatorischen Spannungszustand 𝘀 und nicht von den Spannungsinkrementen ab. Da die erste p Invariante des Spannungsdeviators null ist (s. Gl. (3.10)), folgt mit 𝜀𝑘𝑘 ̇ = 𝜆 ̇ 3/2 𝑠𝑘𝑘 /𝜎V = ̇ 𝜆 3/2 𝐽1 /𝜎V = 0, dass dies auch für die plastischen Dehnungsinkremente gilt. Daraus ergibt sich, dass bei der von-Mises-Plastizität von plastischer Volumenkonstanz ausgegangen werden muss. Volumenänderungen sind rein elastisch während bei plastischer Deformation nur Formänderungen stattfinden. Man kann die Fließregel auch noch anders angeben: 𝝴ṗ = 𝜆 ̇

3 𝘀 3 𝘀 3 3 𝘀 = 𝜆̇ √ = 𝜆̇ √ 𝗻 . = 𝜆̇ √ 2 𝜎V 2 √𝘀 ∶ 𝘀 2 ‖𝘀‖ 2

(10.33)

In dieser Darstellung wurde der Spannungsdeviator durch seine Norm geteilt. Die Größe 𝗻 = 𝘀/ ‖𝘀‖ ist ein Einheitstensor und entspricht dem Fließvektor aus Gl. (10.26), der die Richtung des plastischen Fließens im Spannungsraum angibt. Multipliziert man Gl. (10.33) mit sich selbst, kann man den plastischen Multiplikator 𝜆 ̇ mit der plastischen Vergleichsdehnungsrate identifizieren: 3 𝝴ṗ ∶ 𝝴ṗ = 𝜆2̇ 𝗻 ∶ 𝗻 2



p

𝜆 ̇ = 𝜀V ̇ ,

(10.34)

wobei zu beachten ist, dass die doppelte Verjüngung des Einheitstensors 𝗻 eins ergibt. 6

Die Ableitung der doppelten Verjüngung des Spannungsdeviators nach den Cauchy-Spannungen ergibt 𝜕(𝑠𝑘𝑙 𝑠𝑘𝑙 )/𝜕𝜎𝑖𝑗 = 2𝑠𝑖𝑗 . Die Nebendiagonalterme des Deviators entsprechen den Cauchy-Spannungen, somit 2 gilt z. B. 𝜕𝜎𝑥𝑦 /𝜕𝜎𝑥𝑦 = 2𝜎𝑥𝑦 = 2𝑠𝑥𝑦 . Für ein Hauptdiagonalelement erhält man nach längerer Umformung das Gleiche, s. Aufgabe 10.1.

10.3 Mehrachsige dehnratenunabhängige Elastoplastizität

221

Das Verfestigungsgesetz besteht wegen der rein isotropen Verfestigung nur aus einer inneren Variablen 𝑞 i : ̇ i) . 𝑞 i̇ = −𝜆ℎ(𝑞 Es soll ebenfalls von Assoziativität für die Verfestigung ausgegangen werden, d.h. die Evolutionsgleichung lässt sich über den Gradienten der Fließbedingung 𝑓 bezüglich der inneren Variablen ausdrücken. Für ℎ(𝑞 i ) kann man zunächst allgemein mit dem verallgemeinerten plastischen Modul 𝑐 (s. Simo und Hughes [12, Kap. 2.2.2, S. 83]) ansetzen ℎ(𝑞 i ) = 𝑐

𝜕𝑓 . 𝜕𝑞 i

Der verallgemeinerte plastische Modul ist einzuführen, damit aus der Evolutionsgleichung der Verfestigungsregel mit dem plastischen Multiplikator eine Spannungsrate folgt. Dabei ist zu beachten, dass aus der von-Mises-Fließbedingung für den Gradienten bezüglich des Verfestigungsparameters 𝜕𝑓 =1 𝜕𝑞 i folgt und der plastische Multiplikator 𝜆 ̇ eine dehnungsbasierte Größe ist, s. Gl. (10.34). Für den hier betrachteten Fall der linear-isotropen Verfestigung gilt, analog zum 1-D-Fall, 𝑞 i = −𝐻𝛼 , mit dem in Kap. 10.2.1 eingeführten plastischen Modul 𝐻7 , der den Zusammenhang zu dem dehnungsbasierten Verfestigungsparameter 𝛼 herstellt. Wählt man 𝑐 = 𝐻, folgt ℎ(𝑞 i ) = 𝐻 . Die assoziative Verfestigungsregel der 𝐽2 -Plastizität lautet damit ̇ 𝑞 i̇ = −𝜆𝐻

𝜕𝑓 . 𝜕𝑞 i

Will man die Verfestigung über 𝛼 ausdrücken liefert dies unter Beachtung von Gl. (10.3.5) 𝛼̇ = 𝜆 ̇

𝜕𝑓 , 𝜕𝑞 i

wobei hier die Fließbedingung nach 𝑞 i abgeleitet wird, um 𝛼̇ zu erhalten. Folglich ergibt sich mit Gl. (10.34), dass der Verfestigungsparameter 𝛼, wie im 1-D-Fall, der plastischen p Vergleichsdehnung 𝜀V entspricht. Für die Berechnung der elastoplastischen Materialtangente ist die Konsistenzbedingung 𝑓 ̇ = 0 zu nutzen, um den plastischen Multiplikator 𝜆 ̇ in Abhängigkeit der totalen Dehnrate anzugeben. Für die von-Mises-Fließbedingung gilt

7

Für den Fall einer nichtlinearen isotropen Verfestigung ist der konstante Modul 𝐻 durch die Ableitung p p p der Fließkurve zu ersetzen, s. Gl. (10.9), da dann gilt 𝑞 i̇ = −d𝑞 i /d𝛼 𝛼̇ = −d𝜎F (𝜀V )/d𝜀V 𝜀V̇ = −𝐻(𝛼) 𝛼.̇

222

10 Materielle Nichtlinearität

̇ 𝑞i) = 𝑓 (𝞂,

𝜕𝑓 𝜕𝑓 ∶ 𝞂̇ + i ∶ 𝑞 i̇ = 0 . 𝜕𝞂 𝜕𝑞

Der Gradient bezüglich der Spannungen lässt sich mit dem Fließvektor über Gl. (10.31) als 𝜕𝑓 3 = 𝗻 𝜕𝞂 √ 2 formulieren. Dies ergibt 3 ̇ √ 2 𝗻 ∶ 𝞂̇ − 1 ⋅ 𝜆𝐻 = 0 . An dieser Stelle ist es sinnvoll auf die Indexnotation überzugehen, um die Gleichungen möglichst kompakt schreiben zu können. Einsetzen des linear elastischen Materialgesetzes aus Gl. (10.21) und der Fließregel aus Gl. (10.33) liefert zunächst 2 ̇ p e e e ̇ 3 𝑛𝑘𝑙 = 𝑛𝑖𝑗 𝜎̇𝑖𝑗 = 𝑛𝑖𝑗 𝐶𝑖𝑗𝑘𝑙 (𝜀𝑘𝑙 ̇ − 𝜀𝑘𝑙 ̇ ) = 𝑛𝑖𝑗 𝐶𝑖𝑗𝑘𝑙 𝜀𝑘𝑙 ̇ − 𝑛𝑖𝑗 𝐶𝑖𝑗𝑘𝑙 𝜆√ √ 3 𝜆𝐻 . 2 Daraus folgt die Bestimmungsgleichung für den plastischen Multiplikator: e 𝑛𝑚𝑛 𝐶𝑚𝑛𝑘𝑙

𝜆̇ =

3 e √ 2 𝑛𝑚𝑛 𝐶𝑚𝑛𝑘𝑙 𝑛𝑘𝑙

+ √ 23 𝐻

𝜀𝑘𝑙 ̇ ,

wobei für die Verwendung in der nächsten Gleichung die stillen Indizes (s. Kap. A.2) 𝑖𝑗 mit 𝑚𝑛 ausgetauscht wurden. Einsetzen in Gl. (10.21) führt zur elastoplastischen Materialtangente 𝗖ep . Das Materialgesetz lässt sich dann in Ratenform für den elastischen sowie den elastoplastischen Fall wie folgt angeben: e

̇ ⎧ 𝐶𝑖𝑗𝑘𝑙 𝜀𝑘𝑙 e e ⎪ 𝐶𝑖𝑗𝑟𝑠 𝑛𝑟𝑠 𝑛𝑚𝑛 𝐶𝑚𝑛𝑘𝑙 ⎤ ⎡ e 𝜎̇𝑖𝑗 = ⎨ ep ⎥ ̇ ⎢ 𝐶 𝜀 ̇ = 𝐶 − ⎪ 𝑖𝑗𝑘𝑙 𝑘𝑙 ⎢ 𝑖𝑗𝑘𝑙 𝑛 𝐶 e 𝑛 + 2 𝐻 ⎥ 𝜀𝑘𝑙 𝑚𝑛 𝑚𝑛𝑘𝑙 𝑘𝑙 ⎩ ⎦ ⎣ 3

für 𝜆 ̇ = 0 für 𝜆 ̇ > 0

.

(10.35)

An dieser Stelle ist ebenfalls die Indizierung zu beachten. Nach Einsetzen des isotropen linear-elastischen Materialgesetzes aus Gl. (10.22)8 ergibt sich die elastoplastische Mate8

Der Rechenweg soll kurz skizziert werden: Das Produkt des Materialtensors mit dem Fließvektor lautet für ein Beispiel mit den Rechenregeln bei Gl. (A.5) e 𝐶𝑖𝑗𝑟𝑠 𝑛𝑟𝑠 = 𝜆𝛿𝑖𝑗 𝛿⏟ 𝑗𝑠 𝑛𝑟𝑠 +𝛿𝑖𝑠 𝛿⏟ 𝑗𝑟 𝑛𝑟𝑠 ) = 0 + 𝜇(𝑛𝑖𝑗 + 𝑛𝑗𝑖 ) = 2 𝜇 𝑛𝑖𝑗 . 𝑟𝑠 𝑛𝑟𝑠 +𝜇(𝛿𝑖𝑟 𝛿⏟ 𝑛𝑟𝑟

𝑛𝑟𝑗

𝑛𝑗𝑠

Der erste Term ist null, da 𝑛𝑟𝑟 die Spur eines Deviators ist, die immer null ist. Der Fließvektor ist weiterhin symmetrisch, da der definierende Spannungsdeviator symmetrisch ist, d. h. 𝑛𝑖𝑗 = 𝑛𝑗𝑖 . Für die relevanten Terme in Gl. (10.35) folgt e e 𝐶𝑖𝑗𝑟𝑠 𝑛𝑟𝑠 𝑛𝑚𝑛 𝐶𝑚𝑛𝑘𝑙 = 4 𝜇 2 𝑛𝑖𝑗 𝑛𝑘𝑙 , e e unter Beachtung der Symmetrie des Materialtensors 𝐶𝑚𝑛𝑘𝑙 = 𝐶𝑘𝑙𝑚𝑛 . Für den Term im Nenner ergibt sich e 𝑛𝑚𝑛 𝐶𝑚𝑛𝑘𝑙 𝑛𝑘𝑙 = 2 𝜇 ,

10.3 Mehrachsige dehnratenunabhängige Elastoplastizität

223

Tabelle 10.2 Zusammenfassung der Gleichungen für dehnratenunabhängige Elastoplastizität 1-D 𝜀 ̇ = 𝜀ė + 𝜀ṗ

Dehnung

Prandtl-Reuss

𝝴̇ = 𝝴ė + 𝝴ṗ p

e

𝝴̇ = 𝝴ė + 𝝴ṗ p

𝜎̇ = 𝐸(𝜀 ̇ − 𝜀 ̇ )

𝞂̇ = 𝗖 ∶ (𝝴̇ − 𝝴̇ )

𝑓 (𝜎, 𝛼) = |𝜎| − (𝜎F0 + 𝐻𝛼)

𝑓 (𝞂, 𝗾)

Konstitut. Beziehung Fließfunktion

3-D

𝜀ṗ = 𝜆 ̇ sgn(𝜎)

Fließregel

2𝜇 𝗻 1+𝐻/(3𝜇)

⊗ 𝗻) ∶ 𝝴 ̇

𝑓 (𝞂, 𝑞 i ) = √3𝐽2 − (𝜎F0 + 𝑞 i ) ̇ 3𝗻 𝝴ṗ = 𝜆√ 2 𝑞 i̇ = −𝜆 ̇ 𝐻, 𝛼̇ = 𝜆 ̇

̇ 𝝴ṗ = 𝜆𝗥(𝞂, 𝗾)

𝛼̇ = 𝜆 ̇

Verfestigungsregel

𝞂̇ = (𝗖e −

̇ 𝗾̇ = −𝜆𝒉(𝞂, 𝗾)

rialtangente zu ep

e 𝐶𝑖𝑗𝑘𝑙 = 𝐶𝑖𝑗𝑘𝑙 −

4𝜇 2 𝑛𝑖𝑗 𝑛𝑘𝑙 2𝜇(1 +

𝐻 ) 3𝜇

e = 𝐶𝑖𝑗𝑘𝑙 −

2𝜇 1+

𝑛 𝑛 𝐻 𝑖𝑗 𝑘𝑙 3𝜇

.

(10.36)

Weitere Darstellungen der Prandtl-Reuss-Plastizität findet man bei Simo und Hughes [12, Kap. 2.3], de Souza Neto, Perić und Owen [5, Kap. 6.5.3 und 7.3.1] und Gross, Hauger und Wriggers [7, Kap. 6.3.5.4]. Zusammenfassend sind in Tab. 10.2 die wesentlichen Gleichungen des konstitutiven Gesetzes der Elastoplastizität für den 1-D und den 3-D-Fall sowie die Prandtl-ReussPlastizität angegeben.

10.3.6 Berücksichtigung der Dehnratenabhängigkeit Bisher wurde von zeitunabhängigem Materialverhalten ausgegangen. Dies bedeutet, dass die Geschwindigkeit bzw. Rate der Änderung der Verzerrungen in der Fließbedingung, der Fließ- und Verfestigungsregel keine Rolle spielt. In der Realität hängt das Materialverhalten im Allgemeinen auch von der Deformationsgeschwindigkeit ab. Man spricht von Dehnratenabhängigkeit. Im Zugversuch führt eine Erhöhung der Dehnrate zu einer Veränderung, z. B. einer Erhöhung, der gemessenen Fließkurve. In Abb. 10.12 ist dies schematisch dargestellt. Abb. 10.12 Schematische Darstellung des Einflusses der Dehnrate auf die Fließkurve

Q

౞7ȩ Ћ



Q

౬' )౞7 - 1*

da 𝑛𝑚𝑛 𝑛𝑚𝑛 = 1 für einen Einheitstensor.



224

10 Materielle Nichtlinearität

Die Notwendigkeit einer Berücksichtigung der Dehnrate in der Berechnung hängt von der Anwendung ab. In der Blechumformsimulation liegen die Dehnraten im Bereich 1 − 10 s−1 und wird i. d. R. vernachlässigt. In der Crashsimulation sind die Dehnraten einige Größenordnungen höher, sodass der Effekt dort berücksichtigt werden muss. Der Einfluss der Dehnrate wird für die Nutzung in FE-Programmen experimentell mit geschwindigkeitsgeregelten Zugversuchen ermittelt. Die dehnratenabhängigen Fließkurven werden entweder direkt eingelesen und fehlende Werte interpoliert oder es werden aus den Messdaten Parameter empirischer Formeln gewonnen, die den Dehnrateneffekt durch p p einen Faktor in der quasistatischen Fließkurve 𝜎F (𝜀V , 𝜀V ̇ = 0) berücksichtigen. Siehe Wu und Gu [13, Kap. 7.1.5] für eine Übersicht. Als Beispiel wird ein häufig genutztes Modell nach Cowper und Symonds [4] angegeben: p

1/𝑝

𝜀V ̇ p p p p 𝜎F (𝜀V , 𝜀V ̇ ) = 𝜎F (𝜀V , 𝜀V ̇ = 0) 1 + , [ (𝐶) ] wobei die werkstoffabhängigen Parameter 𝐶 und 𝑝 aus Experimenten gewonnen werden müssen. Der von der Dehnrate abhängige Term in Klammern skaliert die aktuelle Fließp p p spannung 𝜎F (𝜀V , 𝜀V ̇ = 0), die bei einer Dehnrate 𝜀V ̇ ≈ 0 ermittelt wurde. Ein weiteres Modell von Johnson und Cook [8] berücksichtigt Temperatureffekte: 𝜀̇ p p p p 𝜎F (𝜀V , 𝜀V ̇ ) = 𝜎F (𝜀V , 𝜀V ̇ = 0) 1 + 𝐶 ln (1 − 𝑇H𝑚 ) , [ 𝜀0̇ ] worin 𝐶 und 𝑚 experimentell ermittelt werden müssen. Der Wert 𝜀0̇ ist eine Bezugsgröße, bei der dehnratenabhängige Effekte noch keine Rolle spielen (z.B. 𝜀0̇ = 1 s−1 ). Die 𝑇 −𝑇 homologe Temperatur 𝑇H = 𝑇 −𝑇𝑅𝑎𝑢𝑚 berücksichtigt die Temperaturänderung durch die 𝑆 𝑅𝑎𝑢𝑚 plastische Deformation bezogen auf die Raumtemperatur, relativ zur Schmelztemperatur 𝑇𝑆 des Werkstoffs. Werte für die Parameter 𝐶 und 𝑚 für Metalle sind bei Johnson und Cook [8] angegeben.

10.4 Numerische Umsetzung der 𝐽2 -Plastizität Eine analytische Lösung selbst einfacher elastoplastischer Problemstellungen ist nur für wenige Fälle möglich. Deswegen müssen die eingeführten Gleichungen numerisch gelöst werden. Für die Anwendung eines Materialgesetzes in der FEM ist es zunächst notwendig, sich mit den Verfahren zur Lösung für das diskrete Gleichungssystem in Gl. (9.37) zu beschäftigen. Diese werden in Kap. 12 und Kap. 13 ausführlich diskutiert, vorab muss hier darauf zugegriffen werden. Prinzipiell ist eine Lösung zeitabhängiger expliziter Gleichungssysteme von der iterativen Lösung impliziter Gleichungen zu unterscheiden. Beiden Verfahren ist gemeinsam, dass eine inkrementelle Lösung der Gleichungen durchgeführt wird: Der Gleichgewichtszustand am Ende der Deformation kann nicht direkt ermittelt werden, sondern wird schrittweise bestimmt, indem mit Zeitschritten 𝛥𝑡 die Deformation an diskreten Zwischenzuständen berechnet wird. Dies gilt auch für den statischen Fall. Da hier die Zeit keine Rolle spielt, ist sie als Zählindex zu verstehen, der den Fortschritt

10.4 Numerische Umsetzung der 𝐽2 -Plastizität

225

einer Lösung widerspiegelt. Sie wird dann auch als Pseudo-Zeit bezeichnet. Die Aufgabe einer Materialroutine ist daraus abgeleitet, dass sie ausgehend von einem bekannten Anfangspunkt 𝑡𝑛 den Materialzustand zu einem Zeitpunkt 𝑡𝑛+1 liefern muss. Für die beiden Lösungsverfahren gilt dabei: • Bei der Nutzung eines expliziten Integrationsschemas ist nur die Berechnung des Vektors innerer Reaktionskräfte in Gl. (9.38) notwendig, s. Kap. 13.3. Dies wird als Spannungsupdate bezeichnet. Schematisch lautet die Aufgabe der Materialroutine den Spannungszustand 𝝈𝑛+1 für die Berechnung von 𝑛1

𝒕(𝒙𝑛+1 ) =

∫ 𝑣

𝑛2

𝑛3

𝑩 T 𝝈𝑛+1 (𝒙)d𝑣 ≈ ∑ ∑ ∑ 𝑩(𝜉𝑖 , 𝜂𝑗 , 𝜁𝑘 )T 𝝈𝑛+1 (𝜉𝑖 , 𝜂𝑗 , 𝜁𝑘 ) 𝑤𝑖 𝑤𝑗 𝑤𝑘 𝑖=1 𝑗=1 𝑘=1

zu liefern. Weiterhin ist zu beachten, dass die Integrale numerisch über Quadraturverfahren aus Kap. 7.2 berechnet werden. Man erkennt daran, dass das Spannungsupdate an einzelnen Integrationspunkten eines Elements aufgerufen wird. Prinzipiell enthält ein FE-Programm daher eine globale Schleife über die Elemente und eine lokale Schleife über die Integrationspunkte, in der jedes Mal die Materialroutine aufgerufen wird. Deswegen ist eine möglichst effiziente numerische Umsetzung hier besonders wichtig. Die verfügbaren Verfahren sind sehr zahlreich, einen Überblick findet man in Simo und Hughes [12] oder de Souza Neto, Perić und Owen [5]. • Sind implizite Gleichungen zu lösen, erfolgt dies mit einem iterativen Verfahren, wie dem Newton-Raphson-Verfahren (s. Kap. 12.1). Dazu ist die Anfangsverschiebungsmatrix in Gl. (12.5) zu bestimmen. Dafür ist die algorithmisch konsistente Materialtangente anzugeben: 𝜕𝞂𝑛+1 C̃ep = . (10.37) 𝜕𝝴𝑛+1 Sie ist die auf einen spezifischen Algorithmus angepasste Version der kontinuierlichen Materialtangente in Gl. (10.30). Beim dynamisch-expliziten Zeitintegrationsverfahren ist die Berechnung der Materialtangente nicht notwendig. Im Folgenden soll das bekannteste Lösungsverfahren für das Spannungsupdate in der isotropen Elastoplastizität vorgestellt werden, um einen Eindruck der Vorgehensweise zu vermitteln. Die Gleichungen des elastoplastischen Materialmodells werden hier nochmals zusammengefasst. Die Variablen sind die Spannungen 𝞂, die plastischen Verzerrungen 𝝴p sowie die Geschichtsvariablen 𝗾 : 𝞂̇ = 𝗖e ∶ (𝝴̇ − 𝝴ṗ ) ,

̇ 𝝴ṗ = 𝜆𝗥(𝞂, 𝗾) ,

̇ 𝗾̇ = −𝜆𝒉(𝞂, 𝗾) ,

(10.38)

wobei die elastischen Verzerrungen mit Gl. (10.20) eliminiert wurde. Weiterhin sind die KKT-Bedingungen einzuhalten: 𝑓 (𝞂, 𝗾) ≤ 0 ,

𝜆̇ ≥ 0 ,

𝜆 ̇ 𝑓 (𝞂, 𝗾) = 0 .

Aus der globalen Schleife des FE-Programms wird der bekannte aktuelle Zustand zum p Zeitpunkt 𝑡𝑛 geliefert: 𝞂𝑛 , 𝝴𝑛 , 𝗾𝑛 . Weiterhin wird, z. B. im Newton-Raphson-Verfahren,

226

10 Materielle Nichtlinearität

aus dem Verschiebungsinkrement des aktuellen Zeitschritts, das mit der Steifigkeitsmatrix des bekannten Zustands berechnet wird, ein Verzerrungsinkrement 𝛥𝜺 = 𝜺𝑛+1 − 𝜺𝑛 an die Materialroutine übergeben. Durch die Vorgabe des totalen Verzerrungsinkrements wird der Deformationsprozess im aktuellen Inkrement ausgelöst. Mit diesen Größen ist der neue p p Zustand 𝞂𝑛+1 = 𝞂𝑛 + 𝛥𝞂, 𝝴𝑛+1 = 𝝴𝑛 + 𝛥𝝴p , 𝗾𝑛+1 = 𝗾𝑛 + 𝛥𝗾 zu bestimmen. Für die Integration der Differenzialgleichungen in Gl. (10.38) soll hier das üblichste Verfahren in Form des impliziten Euler-Rückwärtsverfahrens genutzt werden9 . Die Zeitableitung einer Größe wird dabei durch den Differenzenquotienten (s. Kap. 13.2) ersetzt. Da Ableitungen auf jeder Seite stehen, kürzt sich der Zeitschritt heraus und die Ableitungen sind nur durch die Differenz zu ersetzen: 𝛥𝞂 = 𝗖e ∶ (𝛥𝝴 − 𝛥𝝴p ) , 𝛥𝝴p = 𝛥𝜆 𝗥(𝞂𝑛+1 , 𝗾𝑛+1 ) , 𝛥𝗾 = −𝛥𝜆 𝒉(𝞂𝑛+1 , 𝗾𝑛+1 ) .

(10.39)

An dieser Stelle leuchtet auch die Definition des plastischen Multiplikators 𝜆 ̇ als Zeitableitung ein, obwohl dies zunächst willkürlich war, da hier nun auch eine inkrementelle Größe entsteht, die die diskrete Entwicklung des plastischen Fließens charakterisiert. Die diskreten KKT-Bedingungen sind 𝑓 (𝞂𝑛+1 , 𝗾𝑛+1 ) ≤ 0 ,

𝛥𝜆 ≥ 0 ,

𝛥𝜆 𝑓 (𝞂𝑛+1 , 𝗾𝑛+1 ) = 0 .

Der implizite Charakter der Gleichungen zeigt sich darin, dass alle Größen zum Zustand 𝑡𝑛+1 ausgewertet werden müssen. Zur weiteren Lösung ist zu beachten, dass bei elastoplastischem Verhalten zwei prinzipiell unterschiedliche Zustände vorliegen können, nämlich elastisch oder plastisch, die durch unterschiedliche Sätze von Gleichungen bestimmt werden, ausgedrückt durch die KKT-Ungleichungen. Für die Berücksichtigung dieser Unterscheidung hat sich ein Prädiktor-Korrektor-Verfahren als Algorithmus zur Berechnung der plastischen Zustandsgrößen in der Materialroutine eines FE-Programm etabliert, die radiale Rückprojektion (radialreturn-mapping oder auch closest-point-projection): • Im ersten sog. Prädiktor-Schritt wird angenommen, dass der neue Zustand rein elastisch ist, d. h. die plastischen Parameter werden als konstant angenommen, da 𝛥𝜆tr = 0 gilt im elastischen Fall. Der Index (∗)tr steht für den Prädiktor-Schritt (trial = Versuch). Aus Gl. (10.39) folgt damit 𝞂tr𝑛+1 = 𝞂𝑛 + 𝗖e ∶ 𝛥𝝴 ,

𝛥𝝴p = 0 ,

𝛥𝗾 = 0 .

Die Spannungen werden als Prädiktorspannungen (trial-stresses) 𝞂tr𝑛+1 bezeichnet. • Damit wird die Fließbedingung überprüft. Die Fließfunktion wird hier als Prädiktortr tr Fließfunktion bezeichnet: 𝑓𝑛+1 = 𝑓 (𝝈𝑛+1 , 𝛼𝑛 ). Man beachte, dass von konstanten Geschichtsvariablen ausgegangen wird. tr – Ist 𝑓𝑛+1 ≤ 0 tritt entweder Entlastung ein oder der Zustand war und bleibt elastisch. In diesem Fall ist der Prädiktorzustand das gültige Ergebnis und die Berechnung

9

Für eine allgemeine Differenzialgleichung 1. Ordnung 𝑥̇ = 𝑔(𝑥, 𝑡) gilt für das Euler-Rückwärtsverfahren die Iterationsvorschrift 𝑥𝑛+1 = 𝑥𝑛 + 𝛥𝑡𝑔(𝑥𝑛+1 , 𝑡). Da auf der rechten Seite der Zustand in der Zukunft eingesetzt werden muss, ist die Gleichung implizit, da nicht direkt auflösbar.

10.4 Numerische Umsetzung der 𝐽2 -Plastizität

227

endet mit der Übergabe der Prädiktorspannung als aktuelle Spannung: 𝞂𝑛+1 = 𝞂tr𝑛+1 . p p Die plastischen Variablen ändern sich in diesem Fall nicht: 𝝴𝑛+1 = 𝝴𝑛 , 𝗾𝑛+1 = 𝗾𝑛 . tr – Für den unzulässigen Fall 𝑓𝑛+1 > 0 reagiert das Material plastisch durch Verfestigung mit 𝛥𝜆 > 0. Dann wird ein Korrektorschritt durchgeführt. Da die Prädiktorspannungen nicht zulässig sind, müssen sie durch Korrektorspannungen auf einen gültigen Zustand 𝑓 (𝞂𝑛+1 , 𝗾𝑛+1 ) = 0 transformiert werden. Da sich durch die isotrope Verfestigung gleichzeitig die Fließortfläche, die plastischen Verzerrungen 𝝴p und die Geschichtsvariablen 𝗾 ändern, ist das Gleichungssystem in Gl. (10.39) im Allgemeinen iterativ zu lösen. Gleichung (10.29) kann zur Berechnung von 𝛥𝜆 nicht genutzt werden, da die Voraussetzung dafür die Erfüllung der Fließbedingung ist, die gerade durch die Prädiktorspannungen verletzt wird. Auch hier kommt häufig das Newton-Raphson-Verfahren zum Einsatz. Nach der Lösung wird der neue Zustand p 𝞂𝑛+1 , 𝝴𝑛+1 , 𝗾𝑛+1 an die aufrufende Routine übergeben. Der Korrektorschritt der radialen Rückprojektion kann mit Gl. (10.29) geometrisch interpretiert werden, s. Abb. 10.13. Ausgehend vom gegebenen Zustand 𝞂𝑛 , wird über den elastischen Materialtensor der elastische Zuwachs 𝗖e ∶ 𝛥𝝴 berechnet. Dies entspricht den tr Prädiktorspannungen 𝝈𝑛+1 . Die Rückprojektion erfolgt formal über p

−𝗖e ∶ 𝛥𝝴𝑛+1 = −𝗖e ∶ 𝛥𝜆 𝗥(𝞂𝑛+1 , 𝗾𝑛+1 ) = −𝛥𝜆𝗖e ∶

𝜕𝑓𝑛+1 . 𝜕𝞂𝑛+1

Der Index 𝑛 + 1 deutet an, dass dies nicht in einem Schritt erfolgen kann, da dazu die Kenntnis des Ergebnisses notwendig ist. An Abb. 10.13 erkennt man, wie sich der Name des Verfahrens ableitet. Da bei assoziativer Plastizität der Fließvektor 𝗥𝑛+1 dem Gradienten der Fließortfläche entspricht, steht dieser senkrecht auf der Fließortfläche und damit in der Deviatorebene radial zum Ursprung. Die Rückprojektion erfolgt also immer radial. Zu beachten ist, dass für die iterative Bestimmung der plastischen Variablen die Berechnung von Gradienten der Fließortfläche notwendig ist. Dies kann sehr aufwändig sein. Deswegen gibt es neben der radialen Rückprojektion noch eine Vielzahl weiterer Methoden, z. B. den Cutting-plane-Algorithmus, bei dem die Berechnung des Gradienten der ౬2 US ದ৒,2

ো )ೠ৒,2 - ౚ৒,2 *

ଶF ҧ ృಘ ೠ৒ F

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౬3

౬4

Abb. 10.13 Radial-return-mapping bei 𝐽2 -Plastizität mit isotroper Verfestigung und assoziativer Plastizität, dargestellt in der Deviatorebene

228

10 Materielle Nichtlinearität

Fließfunktion vermieden wird. Für Details s. de Souza Neto, Perić und Owen [5, Kap. 7.2.7, S. 205].

10.5 Aufgaben 10.1. Zeigen Sie, dass für das erste Hauptdiagonalelement 𝜕𝑓 /𝜕𝜎𝑥𝑥 des Gradienten der von-Mises-Fließfunktion 𝜕(𝑠𝑖𝑗 𝑠𝑖𝑗 )/𝜕𝜎𝑥𝑥 = 2𝑠𝑥𝑥 gilt. 10.2. Bestimmen Sie die elastoplastische Materialtangente 𝗖ep für den Fall der 𝐽2 -Plastizität unter der Annahme ideal-plastischen Verhaltens, d. h., dass der Werkstoff keine Verfestigung zeigt.

10.6 Literaturverzeichnis [1] H. Altenbach. Kontinuumsmechanik. 4. Aufl. Berlin: Springer Vieweg, 2018. [2] T. Belytschko, W. K. Liu, B. Moran und K. I. Elkhodary. Nonlinear Finite Elements for Continua and Structures. 2. Aufl. Hoboken: John Wiley & Sons Inc, 2014. [3] W. F. Chen und D. J. Han. Plasticity for Structural Engineers. New York, NY: Springer, 1988. [4] G. R. Cowper und P. S. Symonds. Strain-hardening and strain-rate effects in the impact loading of cantilever beams. Bd. C11/28. Technical report. Providence, R.I.: Division of Applied Mathematics, Brown University, 1957. [5] E. A. de Souza Neto, D. Perić und D. R. J. Owen. Computational Methods for Plasticity. Chichester: John Wiley & Sons Inc, 2008. [6] J. Gobrecht. Werkstofftechnik - Metalle. 3. Aufl. München: De Gruyter, 2009. [7] D. Gross, W. Hauger und P. Wriggers. Technische Mechanik 4. 10. Aufl. Berlin: Springer Vieweg, 2018. [8] G. R. Johnson und W. H. Cook. „A constitutive model and data for metal subjected to large strains, high strain rates and high temperatures“. In: 7th International Symposium on Ballistics (Den Haag, Holland). 1983. [9] N. S. Ottosen und M. Ristinmaa. The Mechanics of Constitutive Modeling. Amsterdam und London: Elsevier, 2005. [10] H. Parisch. Festkörper-Kontinuumsmechanik. Stuttgart: B. G. Teubner, 2003. [11] P. Selke. Höhere Festigkeitslehre. München: Oldenbourg Verlag, 2013. [12] J. Simo und T. J. R. Hughes. Computational Inelasticity. New York: Springer, 1998. [13] S. R. Wu und L. Gu. Introduction to the Explicit Finite Element Method for Nonlinear Transient Dynamics. Hoboken, New Jersey: John Wiley & Sons Inc, 2012.

Kapitel 11

Kontaktmodellierung

Bisher wurde immer von einem zu berechnenden Körper ausgegangen. In den meisten technisch relevanten Fragestellungen sind aber mehrere Bauteile enthalten, die miteinander in Kontakt kommen. Für Festkörper gilt die Undurchdringlichkeitsbedingung, die das wechselseitige Durchdringen der Körper verbietet. Diese Bedingung ist in einem FEModell zunächst nicht vorhanden, sodass sich zwei Körper einfach durchdringen würden. Da dies nicht dem physikalischen Verhalten entspricht, müssen Kontaktmodelle in die FEM eingefügt werden. Dabei können die Kontaktsituationen sehr unterschiedlich sein: • Bauteile können durch Fügeverfahren (Schweißen, Kleben, Nieten, Schrauben etc.) fest miteinander verbunden sein. Eine Trennung oder Relativbewegung ist ausgeschlossen. Solche Kontakte werden häufig als Verbund-, Klebe-, Tied- oder Bonded-Kontakte bezeichnet. Ein Verbundkontakt kann eingesetzt werden, wenn verschiedene Bauteile einzeln vernetzt wurden, sodass die Knoten der Kontaktflächen nicht direkt übereinander liegen, s. Abb. 11.9. Eine wichtige Voraussetzung für den Einsatz besteht darin, dass das lokale Verhalten im Kontaktbereich nicht von Interesse ist, da der Zustand dort nicht genau abgebildet wird. Diese Kontaktsituation ist sehr häufig, weil die meisten Vernetzer nur einzelne Volumina vernetzen können. • Ebenso kann ein gleitender Kontakt auftreten, bei dem eine Relativbewegung von Bauteilen in Kontakt möglich ist. Eine Trennung ist aber ausgeschlossen. Das Abgleiten kann mit oder ohne Reibung modelliert werden. Dieser Kontakttyp wird als „KeineTrennung“- oder Sliding-only-Kontakt bezeichnet. Er kann bei gekrümmten Kontaktflächen schnell zu unrealistischen Ergebnissen führen, da ein Ablösen senkrecht zur Oberfläche nicht möglich ist und z. B. ein Abrollen damit nicht dargestellt werden kann. • Der schwierigste Fall dürfte in dynamischen Problemen sich bewegender Körper auftreten. Hier können Körper, die zunächst getrennt sind, im Verlauf der Bewegung in Kontakt kommen. Eine Durchdringung muss dann verhindert werden. Die Kontakte können sich auch wieder öffnen. Neben der Berechnung von kinematischen und kinetischen Größen ist hier deshalb auch zu ermitteln, welche Bauteile an welchen Stellen miteinander in Kontakt treten. Einige Beispiele für das Anwendungsspektrum der Kontaktberechnung sind: • Simulation von Herstellungsprozessen wie Blechumformung oder Schmieden, • Kollisionsberechnung (Crash) von Fahrzeugen, Zügen, Flugzeugen, s. Abb. 11.1, Ergänzende Information Die elektronische Version dieses Kapitels enthält Zusatzmaterial, auf das über folgenden Link zugegriffen werden kann (https://doi.org/10.1007/978-3-658-36522-6_11) © Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2022 M. Wagner, Lineare und nichtlineare FEM, https://doi.org/10.1007/978-3-658-36522-6_11

229

230

11 Kontaktmodellierung

Abb. 11.1 Crashsimulation eines Fahrzeugs gegen eine starre Barriere.

• Falltests von Gebrauchsgegenständen, z. B. Mobiltelefone, • Verhalten von Gummidichtungen im Einbauzustand, • medizintechnische Anwendungen, wie die Berechnung der Bewegung von Gelenken und Prothesen oder des Auffaltvorgangs eines Stents. Es soll hier keine theoretische Behandlung des mechanischen Kontaktproblems vorgestellt werden. Hierzu sei auf die Literatur (Belytschko u. a. [1, Kap. 10], Willner [3, Kap. 17, S. 295 – 300 für einen Literaturüberblick], Wriggers [4], Wu und Gu [5]) verwiesen. Die Behandlung von Kontaktproblemen gehört zu den schwierigsten Aufgaben in der FEM und die Literatur ist sehr umfangreich. Gerade in diesem Bereich unterscheiden sich die kommerziellen Programme – ihren Hauptanwendungen entsprechend – stark. Im Folgenden werden deshalb die wesentlichen Grundbegriffe eingeführt und Benutzungshinweise für den Anwender eines kommerziellen Programms gegeben.

11.1 Grundlegende Begriffe Mit Ausnahme weniger Fälle ist Kontakt eine stark nichtlineare Randbedingung, da sich der Zustand von Feldgrößen, wie Normalgeschwindigkeiten und Kontaktspannungen 𝑡n , sehr schnell ändern kann in Abhängigkeit des Abstands 𝑔n der Kontaktpartner. In Abb. 11.2 ist schematisch der Verlauf der Kontaktspannung über dem Abstand gezeigt. Solange 𝑔n > 0 gilt, ist die Kontaktspannung null. Die Durchdringung der Körper wird durch Aufbau von (negativen) Kontaktspannungen an den Oberflächen verhindert, sobald der Abstand null ist. Diese Nichtlinearität verursacht die Schwierigkeiten bei der Kontaktmodellierung. Negative 𝑔n sind nicht möglich, da dies eine Durchdringung bedeuten würde. Weiterhin ist die tatsächliche Kontaktfläche nicht von vornherein bekannt, sondern muss während der Berechnung ständig neu bestimmt werden. Es handelt sich folglich nicht um eine klassische Randbedingung wie bisher, da neben einer Feldgröße (VerschieAbb. 11.2 Schematischer Verlauf der Kontaktnormalspannung 𝑡n über dem Abstand 𝑔n der Kontaktpartner. Durchdringung ist nicht möglich

৘O ৌO 

11.1 Grundlegende Begriffe

231

Abb. 11.3 Crashbox mit starrem Block (blau) und deformierbarem Profil (gelb). Links Ausgangszustand, rechts deformiertes Profil. Mit freundlicher Genehmigung der DYNAmore GmbH

bung oder Kraft) auch noch die Kontaktflächen unbekannt sind und sich im Verlaufe einer Berechnung verändern können. Deshalb sind immer inkrementelle Verfahren zur Lösung notwendig (s. Kap. 12 und Kap. 13). Neben der oben beschriebenen Kontaktsituation ist Kontakt nach der Modellierung der Kontaktpartner zu unterscheiden in: • Kontakt zwischen deformierbaren Körpern, • Kontakt zwischen starren und deformierbaren Körpern ( z. B. in der Blechumformsimulation, s. Kap. 14). Der Starrkörper dient im Wesentlichen dazu, die Kontaktbedingung prüfen zu können. Es werden aber keine Deformationen oder Spannungen berechnet, • Kontakt zwischen reinen Starrkörpern. Dies ist für die FEM eigentlich nicht relevant, kann aber bei Einsatz mehrerer Starrkörper in einem Modell vorkommen, • Selbstkontakt eines Körpers bei sehr großen Deformationen, z. B. bei der Crashsimulation oder durch Faltenbildung in der Umformsimulation. Als Beispiel für den dynamischen Kontakt ist in Abb. 11.3 die Deformation eines Profils dargestellt, das durch einen Block komprimiert wird. Dieser Versuch wird in der Crashsimulation zum Simulationsabgleich eingesetzt. Der Block ist als Starrkörper modelliert und tritt in Kontakt mit dem deformierbaren Profil. Dieses wird so stark deformiert, dass neben dem starr-deformierbaren Kontakt auch Selbstkontakt durch Faltenbildung auftritt.

11.1.1 Bedingung für Normalkontakt Im Folgenden werden immer zwei Körper betrachtet, es lassen sich aber alle Angaben auf beliebig viele Körper erweitern. Die hier verwendeten Bedingungen für die mechanische Beschreibung von Kontakt sind: • die Undurchdringlichkeitsbedingung, • keine Adhäsion, d. h. es werden nur Druckkräfte in Normalenrichtung übertragen. Die genannten Bedingungen sind zunächst mathematisch zu formulieren und in das Energieprinzip einzubringen, das dann mit der FEM diskretisiert wird. Die kinematischen Zusammenhänge sind in Abb. 11.4 schematisch dargestellt. Zwei Körper 𝑉1 und 𝑉2 sind in der Referenzkonfiguration zunächst nicht in Kontakt. Durch die Deformation kommen sie in der dargestellten Momentankonfiguration entlang der Kontaktzone 𝐴c in Berührung. Üblicherweise werden die Oberflächen der Kontaktpartner als Master-Seite und Slave-Seite bezeichnet. Die Zuordnung ist zunächst willkürlich, erleichtert aber im Folgenden die Darstellung. Für beide Körper werden die nach außen weisenden Normalen eingeführt, wobei

232

11 Kontaktmodellierung

Abb. 11.4 Kinematik zweier Körper im Kontakt in der Momentankonfiguration

ু2 বD

ৌO ਐ

)2*

>ਐ

ਆ)2* ঢ়

)3*

ਐ)2* ু3

ਐ)3*

ਆ)2* ౰ ਐ)3* ҃ ਐ)2*

ਆ)3*



auf 𝐴c gilt: 𝒏(1) = −𝒏(2) . Wählt man die Normale des Körpers 𝑉1 als maßgebend, lässt sich der Abstand 𝑔n bestimmen mit 𝑔n = (𝒙(2) − 𝒙(1) )T 𝒏(1) . Die Verhältnisse sind in Abb. 11.4 in einem Detail kurz vor dem Kontakt gezeichnet, mit den Punkten 𝒙(1) und 𝒙(2) , die in Kontakt kommen sollen. Die Funktion 𝑔n stellt eine orthogonale Projektion des Differenzvektors 𝒙(2) − 𝒙(1) auf den Normalenvektor 𝒏(1) dar. Der Wert dieser Funktion gibt den minimalen Abstand in der Momentankonfiguration in Normalenrichtung der zwei Körper an. Damit kann 𝑔n drei Zustände annehmen: ⎧> 0 ⎪ 𝑔n = (𝒙(2) − 𝒙(1) )T 𝒏(1) ⎨= 0 ⎪< 0 ⎩

⟹ kein Kontakt, es besteht ein Abstand, ⟹ idealer Kontakt, ⟹ unzulässige Durchdringung/Eindringung.

(11.1)

In Gl. (11.1) wurde auch der physikalisch nicht mögliche Fall der Durchdringung mit aufgenommen, da diese numerisch durchaus auftreten, s. Kap. 11.3. Gleichung (11.1) kann am besten interpretiert werden, wenn man das Skalarprodukt über die Beträge und den eingeschlossenen Winkel 𝜒 ausdrückt: 𝑔n = ‖𝒏(1) ‖ ‖𝒙(2) − 𝒙(1) ‖ cos(𝜒). Da ‖𝒏(1) ‖ = 1 und ‖𝒙(2) − 𝒙(1) ‖ ≥ 0, hängt das Vorzeichen vom eingeschlossenen Winkel ab. Für −90° < 𝜒 < 90° ist cos 𝜒 > 0 und der rote Rand liegt rechts vom blauen in Abb. 11.4, da die auf 𝒏(1) projizierten Komponenten von 𝒙(2) − 𝒙(1) in die gleiche Richtung zeigen wie 𝒏(1) . Bei einem Winkel 90° < 𝜒 < 180° liegt er links davon, da cos 𝜒 < 0. Letzterer Fall entspricht einer Durchdringung. Die Kontaktbedingung in Normalenrichtung in Gl. (11.1) ist eine Kontaktungleichung. Diese ist bei der Diskretisierung geeignet zu berücksichtigen. Auf dem Kontaktrand wirken Kontaktspannungen 𝒕(𝛼) auf die beiden Körper 𝑉𝛼 mit 𝛼 = 1, 2. Es muss gelten: 𝒕(1) (𝒙) + 𝒕(2) (𝒙) = 𝟎 für 𝒙 ∈ 𝐴c . Die Kontaktspannung lässt sich in einen normalen und einen tangentialen Anteil aufspalten, s. auch Abb. 3.3: (𝛼)

(𝛼)

𝒕(𝛼) = 𝒕n + 𝒕t

(𝛼)

(𝛼)

= 𝑡n 𝒏(𝛼) + 𝒕t

.

Nach den Voraussetzungen können in Normalenrichtung nur Druckspannungen übertragen werden, die nach Konvention negativ sind. Ist kein Kontakt vorhanden, wirkt auch keine Kontaktspannung. Für die Normalenrichtung bedeutet dies: (𝛼)

𝑡n = 0 wenn 𝑔n > 0

(𝛼)

und 𝑡n ≤ 0 wenn 𝑔n = 0 .

11.1 Grundlegende Begriffe

233

Die Bedingungen für den Kontaktabstand und die Kontaktnormalspannung lassen sich noch zusammenfassen: 𝑔n ≥ 0

(𝛼)

und 𝑡n ≤ 0

(𝛼)

und 𝑔n 𝑡n = 0 .

(11.2)

Dies entspricht den Karush-Kuhn-Tucker-Bedingungen, s. Wriggers [4, Kap. 5.1, S. 71], analog der Definition der Elastoplastizität in Kap. 10.2. Die Kontaktbedingung in Gl. (11.2) führt eine Nebenbedingung als Ungleichung ein, wodurch das bisherige Finden eines Minimums in der FEM in eine Optimierung mit Nebenbedingungen überführt wird, die deutlich schwieriger zu behandeln ist. Durch die Kontaktformulierungen in Kap. 11.3 wird die Nebenbedingung in das Gesamtpotenzial des Systems mit aufgenommen und damit in eine Optimierung ohne Nebenbedingungen überführt.

11.1.2 Behandlung von tangentialem Gleiten Bisher wurde nur die Normalbewegung betrachtet. Treten tangentiale Bewegungen auf, werden im Kontakt Reibkräfte bzw. tangentiale Schubspannungen 𝒕t erzeugt, die der eingeprägten tangentialen Bewegung immer entgegengerichtet sind. Zunächst ist zu entscheiden, ob Reibungseinflüsse berücksichtigt werden sollen. Physikalisch tritt immer Reibung auf, aber man kann diesen Effekt zur Vereinfachung in der FEM vernachlässigen. Wird Reibung berücksichtigt, stellt sich die Frage nach der Modellierung in der FEM. Die tribologischen Verhältnisse und die Oberflächenbeschaffenheit sind lokal veränderliche Effekte, die sehr schwer zu erfassen sind. Neben der Menge und Beschaffenheit eines Schmiermittels, hängt die Reibkraft von der herrschenden Normalspannung 𝒕n , der Temperatur 𝑇 und v. a. der relativen Geschwindigkeit 𝒗rel ab. Prinzipiell kann unterschieden werden zwischen: Festkörperreibung: Die Kontaktpartner berühren sich direkt, dies führt zu Verschleiß. Mischreibung: Ein Zwischenzustand, bei dem sich die Kontaktpartner partiell berühren, aber auch bereits ein Schmiermittelfilm vorliegt. In der in Kap. 14 behandelten Blechumformung liegen z. B. meist Mischreibungszustände vor. Flüssigkeitsreibung: Zwischen den Kontaktpartnern befindet sich ein Film Schmiermittel, sodass diese vollständig getrennt sind. In FE-Programmen ist i. d. R. das Coulomb’sche Reibgesetz umgesetzt, das aus zwei Teilen besteht: Solange der Betrag der tangentialen äußeren Kräfte bzw. Schubspannungen unter einer Grenze 𝑡tmax bleibt, findet keine Relativbewegung der Kontaktpartner statt: 𝒗rel = 𝒗1t − 𝒗2t = 𝟎. Die Körper haften. Die maximal mögliche Schubspannung für Haften ist proportional zur Normalspannung, mit dem Haftreibungskoeffizienten 𝜇s . Insgesamt ergibt sich die Haftbedingung (stick-condition) zu (Man beachte 𝑡n < 0): ‖𝒕t ‖ ≤ 𝑡tmax = −𝜇s 𝑡n



𝒗rel = 𝟎 .

(11.3)

Die Richtung der Schubspannung ergibt sich aus Gleichgewichtsbetrachtungen und ist immer so gerichtet, dass eine Bewegung verhindert wird. Bei Überschreitung der maximalen Schubspannung für Haften setzt Gleiten ein. Die Schubspannung ist nun direkt propor-

234

11 Kontaktmodellierung

౥ ౥T

Abb. 11.5 Verlauf des Reibungskoeffizienten über der tangentialen Relativgeschwindigkeit: Coulomb’sches Reibgesetzt (—) und exponentiell geglätteter Verlauf (—)

౥E 

ำ਎SFM ำ

tional zur Normalspannung über den Gleitreibungskoeffizienten 𝜇d und immer der Bewegung, d. h. der Richtung der Relativgeschwindigkeit, entgegengerichtet: 𝒕t = −𝜇d |𝑡n |

𝒗rel ‖𝒗rel ‖

.

(11.4)

Wesentlich ist, dass der Haftreibungskoeffizient 𝜇s größer als der Gleitreibungskoeffizient 𝜇d ist, s. Abb. 11.5. Dies bedeutet, dass die Kraft zum Einleiten des Gleitens größer ist als die Kraft, die notwendig ist, um das Gleiten aufrecht zu erhalten. Dadurch kommt es zu einem abrupten Abfall der Schubspannung beim Übergang von Haften zu Gleiten. Um diesen unstetigen Verlauf zu regularisieren, werden in FE-Programmen häufig Übergangsfunktionen eingeführt, z. B. als exponentielle Glättung (s. Abb. 11.5): 𝜇 = 𝜇d + (𝜇s − 𝜇d ) exp−𝑑c ‖𝒗rel ‖ , wobei 𝑑c eine Abklingkonstante ist, die festlegt, wie schnell die Funktion abfällt. Generell sind im Coulomb’schen Modell weder die Normal- noch die Tangentialspannungen begrenzt. In Realität sind aber nur Spannungen bis zur Fließschubspannung übertragbar. Dies kann üblicherweise in den Reibmodellen ebenfalls durch Vorgabe dieses Grenzwerts berücksichtigt werden. Das Coulomb’sche Reibgesetz bringt über Gl. (11.3) eine Unstetigkeit der tangentialen Geschwindigkeit in die Beschreibung ein. Wechselt ein Punkt von Gleiten auf Haften wird dadurch die Geschwindigkeit 𝒗rel schlagartig auf null abgesenkt. Dies erzeugt in der numerischen Lösung des Kontaktproblems große Schwierigkeiten. In expliziten Berechnungen führt dies zu Kontaktrauschen und in impliziten Berechnungen können Konvergenzprobleme auftreten. Tritt Gleiten auf, leisten die Tangentialspannungen irreversible Dissipationsarbeit, die dem System entzogen wird (häufig sliding energy oder surface energy in FE-Programmen). Es sollte am Ende einer Rechnung immer kontrolliert werden, ob dies in sinnvollen Grenzen geschehen ist.

11.2 Verfahren zur Kontaktdetektion In diesem Kapitel werden die gängigen Verfahren vorgestellt, mit denen festgestellt wird, ob und wo es einen Kontakt gibt. Da die Kontaktbehandlung auf dem Abprüfen ei-

11.2 Verfahren zur Kontaktdetektion

235

ner geometrischen Bedingung zwischen der Master- und Slave-Seite (s. Beschreibung zu Abb. 11.4) beruht, ist es von besonderer Bedeutung, wie die Geometrie des FE-Modells für die Durchdringungsprüfung abgebildet wird. Folgende Möglichkeiten stehen zur Verfügung: Geometrische Regelflächen: Regelkörper wie Zylinder, Würfel etc. sind über analytische Funktionen einfach zu beschreiben. Allerdings ist die Anwendung auf wenige Spezialfälle eingeschränkt. Nutzung des Geometriemodells aus dem CAD: Die Geometrie in einem CAD-System wird über Splines o. Ä. beschrieben. Bisher werden diese Geometriebeschreibungen nicht genutzt, da die Durchdringungsprüfung sehr rechenintensiv und kompliziert ist. Eine aktuelle Entwicklung sind isogeometrische Kontakte (s. isogeometrisches Konzept in Kap. 6.2), bei denen die Flächenbeschreibung des CAD-Modells genutzt wird. Diskretisiertes Geometriemodell: Die Standardvorgehensweise ist die Nutzung des isoparametrischen Konzepts aus Kap. 6.2. Mit den Knoten der Diskretisierung und den gewählten Ansatzfunktionen wird für die Kontaktfläche eine segmentweise geometrische Beschreibung gewonnen, s. Abb. 11.6, die als Kontaktsegmente oder Kontaktelemente bezeichnet werden. Bei einem linearen Ansatz handelt es sich um Liniensegmente im 2-D oder um bilineare Oberflächensegmente im 3-D, wobei auch höherwertige Ansätze eingesetzt werden. Allgemein spricht man bei diskretisierten Kontaktflächen von Master- bzw. Slave-Knoten und -Segmenten, die die Kontaktzone 𝐴c beschreiben, entsprechend der Unterscheidung in Kap. 11.1.1. Für die Kontaktdetektion werden verschiedene Verfahren unterschieden: Knoten-zu-Knoten-Kontakt: Der Kontakt wird hergestellt, indem jeweils Knoten von Master- und Slave-Seite über Kontaktelemente verbunden werden. Diese Elemente sind aktiv und übertragen Kontaktkräfte, wenn der Kontakt geschlossen ist oder inaktiv, wenn die Kontaktbedingung nicht erfüllt ist. Es sind auch kleine tangentiale Bewegungen zulässig. Diese Vorgehensweise ist nur einsetzbar, wenn die Netze konform aufgebaut sind. Weiterhin sind nur kleine tangentiale Bewegungen mit einem solchen Kontakt möglich. Der wesentliche Vorteil ist die einfache Programmierbarkeit. Diese Methode wird allerdings in modernen Kontaktalgorithmen nicht mehr eingesetzt. Knoten-zu-Segment-Kontakt: Die verbreitetste Methode ist das Prüfen der Knoten einer Seite auf den Kontakt mit einem Segment der anderen Seite. Durch diese Vorgehensweise sind die Begriffe Slave- und Master-Seite einfach zu verstehen, da die zu prüfenden Knoten zur Slave-Seite gehören und die Kontaktsegmente als Master-Seite bezeichnet werden. Die Kontaktbedingung Gl. (11.1) wird überprüft, indem geometrisch berechnet wird, auf welcher Seite eines Segments die Knoten der Slave-Seite liegen. Diese Methode kann für große Deformationen und alle Kontaktsituationen eingesetzt Abb. 11.6 Geometrische Abbildung der Kontaktfläche (—, hier B-Spline) über isoparametrische lineare Kontaktsegmente

#4QMJOF (FPNFUSJF

'&,OPUFO

0CFSः¤DIFO 4FHNFOU FJOFT ंOJUFO &MFNFOUT

236

11 Kontaktmodellierung

werden. Nachteilig ist, dass bei dieser Vorgehensweise Einzelkräfte auf der MasterSeite aufgebracht werden, die als äquivalente Knotenkräfte auf die Knoten verteilt werden. Dadurch wird die reale Verteilung von Kontaktspannungen nicht gut abgebildet (besonders bei Segmenten mit höheren Ansatzfunktionen, s. Rust [2, Kap. 10.1 – 2]). Segment-zu-Segment-Kontakt: Bei dieser Methode werden nicht Knoten, sondern die Segmente der Slave-Seite genutzt, um eine Durchdringung mit der Master-Seite zu bestimmen. Der Berechnungsaufwand ist deutlich höher, aber die Abbildung der Kontaktbedingung wird stark verbessert. Dies gilt vor allem für Sonderfälle, wie den Kontakt von Körpern mit stark unterschiedlicher Dichte (z. B. Stahl und geschäumte Bauteile bei Crashsimulationen). Ein Kontakt muss auch nicht flächig erfolgen, sondern kann z. B. auch zwischen Kanten von Elementen auftreten. Durch einen knotenbasierten Ansatz wären solche Fälle nicht zu erkennen. Mortar-Kontakt: Dieser Kontakttyp ist ein spezieller Segment-zu-Segment-Kontakt, der bei unterschiedlicher Diskretisierung der Kontaktpartner (s. Abb. 11.7) genutzt werden kann, um glattere Verläufe der Kontaktgrößen zu erzeugen. Mortar (Mörtel) Kontakte sind deswegen besonders für implizite Berechnungen geeignet. Die Theorie zu diesem Verfahren ist wenig anschaulich und soll hier nur angedeutet werden, für Details s. Wriggers [4, Kap. 8.4.2 und 9.5]. In Abb. 11.7 sind zwei nicht-konform diskretisierte Kontaktpartner dargestellt, deren Oberflächen gekrümmt sind. Beim Gleiten von Segmenten aufeinander kommt es bei einem Knoten-zu-Segment-Kontakt zu unstetigen Veränderungen der Kontaktgrößen (Normalen, Kontaktkräfte, Geschwindigkeiten), da die Normalenrichtungen wechseln. Dies kann v. a. in impliziten Berechnungen zu Konvergenzschwierigkeiten führen. Der Mortar-Kontakt verringert dieses Problem, indem durch Mittelung der Normalen von Master- und Slave-Seite aus den nicht-konformen Kontaktsegmenten eine Zwischenschicht aus Mortar-Kontaktelementen erzeugt wird. Anders als beim Knoten-zu-Segment-Kontakt werden auf diesen Mortar-Elementen die Diskretisierung und Berechnung der virtuellen Arbeitsintegrale der Kontaktzone ausgeführt, sodass energetisch konsistente Kontaktspannungen berechnet werden. Der Berechnungsaufwand für den Mortar-Kontakt ist im Vergleich zu den vorgenannten Methoden aber hoch. Eine der rechenintensiven Tätigkeiten bei der Behandlung von Kontaktproblemen ist die Kontaktsuche zur Feststellung, welche Knoten und Segmente miteinander in Kontakt kommen können. Dies gilt insbesondere in dynamischen Problemen, da sich hier die Verhältnisse von einem Betrachtungszeitpunkt zum nächsten ändern können. Dazu werden die Abstände der 𝑁S -Knoten der Slave-Seite und 𝑁M -Knoten der Master-Seite berechnet. Daraus ergibt sich eine enorme Zahl an Berechnungen: 𝑁S ⋅ 𝑁M . Als Beispiel soll ein kleines Modell mit 𝑁S = 𝑁M = 1 ⋅ 103 betrachtet werden. Daraus ergeben sich 1 ⋅ 106 Abstandsberechnungen. Da die Kontaktüberprüfung sehr häufig wiederholt werden muss, ist diese einfache Vorgehensweise nicht möglich. Abb. 11.7 Nicht-konforme Vernetzung von Kontaktpartnern und Segmentierung eines Mortar-Kontakts

4MBWF4FJUF .PSUBS4FHNFOUF

.BTUFS4FJUF

11.3 Kontaktformulierungen Abb. 11.8 Unterteilung eines 1-D-Gebiets im Bucketsort-Algorithmus mit grau hinterlegtem Suchbereich

237

#VDLFU

4MBWF,OPUFO

.BTUFS,OPUFO

Um die Effizienz zu steigern, wird der Bucket-sort-Algorithmus eingesetzt, s. Wriggers [4, Kap. 10.1, S. 313]. Dabei werden die räumlich verteilten Knoten in Abschnitte eingeteilt, die sog. Buckets (Eimer). In Abb. 11.8 ist dies für einen 1-D-Fall dargestellt. Die Buckets werden als äquidistantes Raster über das Ausdehnungsgebiet der Knoten gelegt. Damit ist es möglich, rein über die Koordinate eines Knotens zu bestimmen, in welchem Bucket er liegt. Nun reicht es aus, den Bucket in dem der Slave-Knoten selbst liegt und angrenzende Buckets zu prüfen, im gezeigten Beispiel sind dies 𝑁b = 3. Die Anzahl Auswertungen beschränkt sich dann (unter der Annahme, dass in jedem Bucket gleich viele Knoten liegen) auf 𝑁S ⋅𝑁M ⋅(𝑁b /𝑛b ), wobei 𝑛b die Gesamtzahl Buckets angibt, hier 𝑛b = 5. Sobald 𝑛b > 𝑁b gilt, ist dieses Verfahren effizienter als die direkte Suche. In der Dokumentation von LS-DYNA findet man die Angabe, dass durch den Bucket-sort-Algorithmus die Kontaktsuche 100- bis 1000-fach schneller ist als bei direkter Suche. Nachdem der am nächsten liegende Master-Knoten gefunden wurde, sind alle an diesem Knoten anliegenden Master-Segmente auf Kontakt mit dem Slave-Knoten zu prüfen. Dies erfolgt über eine orthogonale Projektion (closest-point-projection) des Slave-Knotens auf ein Master-Segment, die die Koordinaten des nächstliegenden Punkts auf dem MasterSegment liefert, s. Kap. 11.1.1. Die orthogonale Projektion führt auf ein nichtlineares Gleichungssystem, das häufig iterativ gelöst wird. Mit diesem Punkt und der Normalen des Master-Segments wird die Kontaktbedingung Gl. (11.1) abgeprüft. Die bisherige Darstellung ist stark vereinfacht und soll nur das prinzipielle Vorgehen andeuten, um zu verdeutlichen, dass in der Kontaktberechnung ein sehr hoher numerischer Aufwand steckt. Vor allem die Vielzahl an möglichen geometrischen Konstellationen in 3-D-Anwendungen macht die Vorgehensweise aufwendig. In einer expliziten Berechnung, s. Kap. 13.3, wird diese Sortierung zur Effizienzsteigerung deswegen nicht in jedem Zeitschritt durchgeführt, sondern alle 10 – 200 Schritte.

11.3 Kontaktformulierungen Nachdem ein Kontakt festgestellt wurde, sind die Kontaktbedingung in Gl. (11.2) sowie die tangentialen Effekte zusammen mit dem, der FEM zu Grunde liegenden Energieprinzip, hier Gl. (4.12), zu erfüllen. Hierfür werden im Wesentlichen die folgenden Kontaktformulierungen unterschieden: • • • •

kinematische Zwangsbedingungen (Multi-Point-Constraint-Verfahren (MPC)), Penalty-Verfahren, Lagrange-Verfahren, Augmented-Lagrange-Verfahren,

die im Folgenden vorgestellt werden. Bis auf den ersten Ansatz wird die Kontaktbedingung erfüllt, indem sie auf verschiedene Weise in das zu Grunde liegende Energieprinzip

238 Abb. 11.9 Multi-PointConstraint-Verfahren bei einem Verbundkontakt

11 Kontaktmodellierung

4MBWF4FJUF 4 .BTUFS4FJUF

.2

.3

als Nebenbedingung aufgenommen wird. Auf eine detaillierte Darstellung soll hier verzichtet werden1 . Zur Vereinfachung werden alle Formulierungen im Folgenden für den reibungsfreien Normalkontakt mit einem Knoten-zu-Segment-Verfahren eingeführt.

11.3.1 Kinematische Zwangsbedingungen (Multi-Point-Constraint) In einem Verbundkontakt zweier Bauteile in Abb. 11.9 fallen die Knoten nicht zusammen, da die Bauteile getrennt vernetzt werden. Eine untrennbare Verbindung kann deswegen nicht über die Verschiebungskompatibilität (s. Kap. 5.4) erzeugt werden, wie innerhalb eines Bauteils. Um den Verbund-Kontakt zu realisieren, werden deswegen häufig kinematische Zwangsbedingungen (Multi-Point-Constraint (MPC)) eingesetzt: Ein Knoten der Slave-Seite liegt auf einer Elementoberfläche der Master-Seite. Dies würde bei Anbringen von Lasten zu Durchdringungen führen, da die Verschiebungskompatibilität nur dort wo Knoten aufeinandertreffen eingehalten wird. Deshalb wird eine kinematische Zusatzbedingung eingeführt, die dem Slave-Knoten die Bewegung des Berührpunkts auf der MasterOberfläche vorschreibt. Die Verschiebungen des Slave-Knotens sind dann keine unabhängigen Freiheitsgrade mehr. Durch das isoparametrische Konzept ist die Beschreibung der Master-Oberfläche durch dessen Knoten gegeben, d. h. die Bewegung eines Slave-Knoten wird durch die Bewegung mehrerer Master-Knoten vorgegeben, daher der Name MultiPoint-Constraint (Mehrpunktbedingung). Eine Bedingung lautet z. B.: „Knoten S muss in der Mitte der Linie liegen, die von Knoten M1 und M2 berandet wird“, s. Abb. 11.9. Das Verfahren kann auch für gleitenden und lösbaren Kontakt genutzt werden. Weiterhin kann man das Öffnen des Kontakts, d. h. das Aufheben des MPC, an Bedingungen knüpfen und damit z. B. Delaminationseffekte in Faserverbundstrukturen modellieren. Zuletzt gibt es auch Varianten, bei denen ein Abstand zwischen den Oberflächen bestehen darf (oft mit gap oder offset bezeichnet).

11.3.2 Penalty-Verfahren Beim Penalty-Verfahren werden bei Verletzung der Kontaktbedingung 𝑔n < 0 Reaktionskräfte auf den Slave-Knoten aufgebracht, die proportional zur Eindringtiefe 𝑔n und senkrecht zum Master-Segment sind:

1

Anschauliche Einführungen am Beispiel des Feder-Masse-Systems aus Kap. 4.1.1 finden sich bei Wriggers [4, Kap. 2] und Rust [2, Kap. 9.4].

11.3 Kontaktformulierungen Abb. 11.10 PenaltyVerfahren für Normalkontakt mit Knoten-zu-SegmentMethode

239

4MBWF,OPUFO 

#FXFHVOHTSJDIUVOH ਆ

 ৈQ

.BTUFS4FHNFOUF

ো2

ৌO = 1 ো3 ? ো 2

𝒇p = 𝑐p 𝑔n 𝒏 .

(11.5)

Dies entspricht der Vorstellung, dass ein Federelement eingefügt wird, das den Knoten wieder aus dem Master-Segment drücken soll, s. Abb. 11.10. Die Bezeichnung PenaltyVerfahren (penalty = Bestrafung) kommt daher, dass die Reaktionskräfte als Strafterme auf der rechten Seite eingehen und nur null sind, wenn keine Durchdringungen auftreten. Die Feder- oder Kontaktsteifigkeit 𝑐p wird aus Materialparametern und der Dimension der Slave- und Master-Segmente bestimmt, wobei der kleinere der beiden Werte eingesetzt wird. Diese Größen sind vom Anwender nicht einstellbar, da sie für jedes Element variieren. Um eine Eingriffsmöglichkeit zu bieten, kann man die auf ein Segment bezogene Kontaktsteifigkeit über einen globalen oder bauteilbezogenen Skalierungsfaktor 𝑓scale verändern. Die Berechnung der Kontaktsteifigkeit 𝑐p eines Schalenelements benötigt z. B. in LS-DYNA die Fläche 𝐴 des Kontaktsegments, die kleinste Diagonale, den Kompressionsmodul 𝐾 und den Skalierungsfaktor: 𝑐p = 𝑓scale

𝐴⋅𝐾 . min Diagonale

Für die numerische Behandlung mit der FEM wird der Penalty-Term in das Energieprinzip als Potenzial einer Feder eingeführt, s. Gl. (4.4), wenn man das Prinzip vom Minimum des Gesamtpotenzials aus Gl. (4.9) nutzt: 𝛱i (𝒙) + 𝛱a (𝒙) +

1 𝑐p 𝑔n2 d𝐴 → min . ∫ 𝐴c 2

Der zusätzliche Term ist dann entsprechend zu diskretisieren. Analog kann man dies auch über die virtuelle Arbeit mit dem Prinzip der virtuellen Verschiebungen durchführen. Da die Kontaktsteifigkeit aus bekannten Größen berechnet wird, entstehen durch diese Vorgehensweise keine neuen Unbekannten, die entstehenden Kräfte werden in die rechte Seite der FE-Gleichung integriert. Die Struktur des Gleichungssystems wird dadurch nicht verändert. Das Verfahren weist zwei wesentliche Nachteile auf. Zunächst verbleiben grundsätzlich leichte Durchdringungen, da mit kleiner werdender Durchdringung die Kraft sehr klein wird, s. Abb. 11.10 am Beispiel der Kräfte 𝑓2 > 𝑓1 . Um dies zu vermeiden, müsste der Skalierungsfaktor erhöht werden. Dies führt wiederum zu Oszillationen von Feldgrößen im Kontakt, die auch als Kontaktrauschen (im Englischen als chattering = rattern) bezeichnet werden: Ein hoher Skalierungsfaktor erzeugt eine große Kraft, die dazu führen kann, dass der beaufschlagte Slave-Knoten über die Oberfläche des Master-Segments hinaus-

240

11 Kontaktmodellierung

schießt. Sobald die Kontaktbedingung nicht mehr verletzt ist, wird die Penalty-Kraft abgeschaltet. Die erzeugten Reaktionskräfte beim anderen Kontaktpartner wirken aber noch, sodass er wieder in das Master-Segment gedrückt wird, worauf wieder eine Penalty-Kraft erzeugt wird usw. Dies führt zum Schwingen des Knotens und aller dazugehörigen Größen. Ein Beispiel bei einer expliziten Blechumformsimulation ist in Abb. 14.12a abgebildet. Die rote Kurve zeigt den Geschwindigkeitsverlauf, der aufgrund von Kontaktrauschen stark oszilliert. In impliziten Berechnungen kann dies zu Konvergenz-Problemen führen, s. Kap. 13.2. Deshalb muss eine Wahl zwischen Durchdringung und Stabilität getroffen werden: • kleine Kontaktsteifigkeit: große Durchdringung aber gute Konvergenz bzw. wenig Kontaktrauschen, • große Kontaktsteifigkeit: kleine Durchdringung aber schlechte Konvergenz bzw. starkes Kontaktrauschen. Weiterhin ist die Kontaktsteifigkeit keine physikalische Größe, die die tatsächliche Elastizität der Oberfläche wiedergibt, sondern im Wesentlichen ein numerischer Parameter des Modells. Entsprechend ist auch der Skalierungsfaktor zunächst unbekannt. Dieser muss ggf. über mehrere Berechnungsschritte vom Anwender sinnvoll eingestellt werden, was einen erhöhten Zeitaufwand darstellt. Zur Verringerung des Kontaktrauschens bieten kommerzielle Programme die Möglichkeit eine Kontaktdämpfung einzuschalten, indem zusätzlich eine viskose Dämpfung neben der Kontaktsteifigkeit für den Slave-Knoten eingeführt wird. Dafür ist üblicherweise der Dämpfungsgrad 𝐷 anzugeben, s. Gl. (8.22). In LS-DYNA wird 𝐷 = 20 % empfohlen. Beim Penalty-Verfahren ist noch zwischen symmetrischem und asymmetrischem Kontakt zu unterscheiden: Bei einem asymmetrischem Knoten-zu-Segment-Kontakt werden nur die Knoten der Slave-Seite auf eine Durchdringung der Master-Segmente geprüft. Dabei kann es durch die facettierte Abbildung der Geometrie zu den in Abb. 11.11 dargestellten Durchdringungen kommen, die nicht erkannt werden. Führt man die Kontaktprüfung beim symmetrischen Kontakt zweimal durch, indem man Master- und Slave-Seite vertauscht, wird die Situation in Abb. 11.11 vermieden. Allerdings verdoppelt sich dadurch auch der Rechenaufwand für den Kontaktalgorithmus. Aufgrund des großen Rechenzeitvorteils, wird häufig der asymmetrische Kontakt eingesetzt. Deswegen werden einige Hinweise für die Definition der Kontaktpartner bei asymmetrischem Kontakt angegeben: • Um unerkannte Durchdringungen zumindest zu minimieren, sollte die feiner vernetzte Seite als Slave-Seite gewählt werden, da hier dann mehr Knoten vorliegen. • Die weniger gekrümmte Oberfläche sollte die Master-Seite sein, s. Abb. 11.11 als Gegenbeispiel. Abb. 11.11 Nicht detektierbare Durchdringungen bei asymmetrischem Kontakt

VOFSLBOOUF %VSDIESJOHVOH 4MBWF,OPUFO

.BTUFS4FHNFOUF

11.3 Kontaktformulierungen

241

• Bei Einsatz von Starrkörpern sollten diese immer die Master-Seite sein. Zusammenfassend ist das Penalty-Verfahren die am weitesten verbreitete Methode sowohl in statischen als auch dynamischen Problemstellungen, da es gut geeignet ist für alle eingesetzten numerischen Gleichungslösungsverfahren in Kap. 12 und Kap. 13.

11.3.3 Lagrange-Multiplikator-Verfahren Beim Lagrange-Multiplikator-Verfahren wird die Erfüllung der Kontaktbedingung erzwungen, indem 𝑔n = 0 über einen Lagrange’schen Multiplikator 𝜆 in das Energieprinzip als Nebenbedingung eingeführt wird. Somit wird die Erfüllung der Bedingung nur noch im schwachen Sinne gefordert, s. Kap. 4.3. Diese Vorgehensweise stammt aus der Optimierung mit Nebenbedingungen, worauf bereits in Kap. 10.2 eingegangen wurde. Wenn man das Prinzip vom Minimum des Gesamtpotenzials aus Gl. (4.9) nutzt, lautet es bei reinem Normalkontakt: 𝛱i (𝒙) + 𝛱 a (𝒙) +

∫ 𝐴

𝜆 𝑔n (𝒙) d𝐴 → min .

c

Der Multiplikator 𝜆 ist eine zusätzliche Unbekannte, die diskretisiert und berechnet werden muss. Er kann als Kontaktnormalspannung 𝜆 = 𝑡n interpretiert werden. Durch dieses Verfahren wird das Gleichungssystem größer und hat eine andere Struktur, v. a. treten Nullen auf der Hauptdiagonale der Systemmatrix auf, s. Belytschko u. a. [1, Kap. 10.5.4]. Demzufolge benötigt das Verfahren spezielle Gleichungslöser und hat hohe Hardwareanforderungen. In kurzzeitdynamischen Berechnungen wird ein explizites Zeitintegrationsschema genutzt, bei dem kein Gleichungssystem zu lösen ist, s. Kap. 13.3. Dies ist bei der Struktur der Gleichungen des Lagrange-Multiplikator-Verfahrens nicht möglich. Deswegen wird das Verfahren in kurzzeitdynamischen Anwendungen (z. B. Crashsimulation) nicht eingesetzt, sondern hauptsächlich bei statischen Problemstellungen. Der Vorteil des Verfahrens liegt darin, dass die Kontaktbedingung nahezu exakt eingehalten wird. Es treten praktisch keine Durchdringungen auf. Vor allem entfällt die Bestimmung des Skalierungsfaktors einer Kontaktsteifigkeit, wie beim Penalty-Verfahren in Kap. 11.3.2. Die hohe Genauigkeit erkauft man sich ggf. durch verschlechterte Konvergenz, d. h. es ist möglich, dass viele Iterationen zu berechnen sind, bis eine Lösung gefunden wird. Es kann auch gar keine Lösung erzielt werden, wenn die Anforderung, die Durchdringung komplett auf null zu bekommen, nicht erreicht werden kann. Deshalb wird im folgenden Kapitel noch eine Variante des Verfahrens kurz erläutert.

11.3.4 Augmented-Lagrange-Verfahren Das Augmented-Lagrange-Verfahren (to augment = anreichern) stellt eine Mischung aus Lagrange- und Penalty-Verfahren dar. Es wird sowohl ein Lagrange-Multiplikator als auch

242

11 Kontaktmodellierung

ein Penalty-Parameter in das Energieprinzip eingeführt: 𝛱i (𝒙) + 𝛱a (𝒙) +

1 (𝜆 ̄ 𝑔n + 𝑐p 𝑔n2 ) d𝐴 → min . 2 c

∫ 𝐴

Eine häufig eingesetzte Variante dieses Verfahrens ist der Uzawa-Algorithmus, bei dem der Lagrange-Multiplikator nicht als unabhängige Variable benutzt wird, sondern iterativ ermittelt wird. Die Kontaktberechnung startet zunächst wie ein reines Penalty-Verfahren mit einer kleinen Kontaktsteifigkeit. Dadurch verbleibt eine Durchdringung, die eine Kontaktkraft nach Gl. (11.5) zur Folge hat. Wie in Kap. 11.3.3 erläutert, entspricht der LagrangeMultiplikator der Kontaktkraft. Er wird in diesem Verfahren durch ein Update aus der ̄ = 𝜆𝑖̄ + 𝑐p 𝑔n . Das entstehende Gleichungssystem ist das gleiPenalty-Kraft errechnet: 𝜆𝑖+1 che wie beim Penalty-Verfahren, allerdings kommt auf der rechten Seite eine zusätzliche Kraft hinzu. Sind noch Durchdringungen vorhanden, wird der Vorgang iterativ wiederholt, bis die Durchdringungen ausreichend klein sind. Für Details s. Willner [3, Kap. 21.7]. Der Vorteil des Verfahrens im Vergleich zu einem reinen Penalty-Verfahren besteht darin, dass der Skalierungsfaktor sehr viel kleiner gewählt werden kann, da die Durchdringung iterativ beseitigt wird. Im Vergleich zum Lagrange-Verfahren sind kleine Durchdringungen erlaubt, sodass die Konvergenz verbessert wird. Außerdem tritt keine zusätzliche Unbekannte auf, da der Lagrange-Multiplikator iterativ aus dem Penalty-Verfahren bestimmt wird. Insgesamt stabilisiert dieses Verfahren Kontaktprobleme, bei denen Konvergenzschwierigkeiten auftreten, weswegen das Verfahren häufig in nichtlinearen statischen Anwendungen eingesetzt wird. Nachteilig ist der hohe Rechenaufwand für die iterative Kontaktberechnung. Das Augmented-Lagrange-Verfahren ist nur sinnvoll einsetzbar, wenn die Lösung iterativ bestimmt wird, da ansonsten der Rechenaufwand für die Bestimmung von 𝜆 ̄ zu groß ist. Dies beschränkt die Einsetzbarkeit auf implizite Berechnungen, s. Kap. 13.

11.4 Literaturverzeichnis [1] [2] [3] [4] [5]

T. Belytschko, W. K. Liu, B. Moran und K. I. Elkhodary. Nonlinear Finite Elements for Continua and Structures. 2. Aufl. Hoboken: John Wiley & Sons Inc, 2014. W. Rust. Nichtlineare Finite-Elemente-Berechnungen. 3. Aufl. Wiesbaden: Springer Vieweg, 2016. K. Willner. Kontinuums- und Kontaktmechanik. Berlin: Springer, 2003. P. Wriggers. Computational Contact Mechanics. 2. Aufl. Berlin: Springer, 2006. S. R. Wu und L. Gu. Introduction to the Explicit Finite Element Method for Nonlinear Transient Dynamics. Hoboken, New Jersey: John Wiley & Sons Inc, 2012.

Kapitel 12

Gleichungslösung bei nichtlinearen statischen Problemen

Nach der Aufstellung der FE-Gleichungen sind die Unbekannten zu berechnen. In diesem Kapitel wird das statische, zeitunabhängige Problem betrachtet. Ist die Berechnungsaufgabe geometrisch oder materiell nichtlinear, resultieren auch nichtlineare Gleichungssysteme, die zu lösen sind. Bei diesen nichtlinearen Systemen wird die Steifigkeitsmatrix 𝑲 aus den vorangegangenen Kapiteln durch den Vektor der inneren Kräfte 𝒕(𝒙) ersetzt, s.Gl. (9.38), der eine nichtlineare Funktion der Deformation ist. Es sollen auch Folgelasten berücksichtigt werden, sodass auch die äußeren Kräfte von den Knotenverschiebungen abhängen, s. Kap. 9.1. Die statische, nichtlineare FE-Gleichung lautet damit 𝒕(𝒙) = 𝒇 (𝒙) .

(12.1)

Dies drückt aus, dass die inneren Reaktionskräfte 𝒕 mit den äußeren Lasten 𝒇 im Gleichgewicht stehen müssen. In Abb. 12.1 ist links der lineare Fall dargestellt. Das wesentliche Merkmal eines linearen Systems ist, dass eine Erhöhung der Last eine proportionale Erhöhung der Verschiebung zur Folge hat, wobei der Proportionalitätsfaktor, d. h. die Steifigkeit, konstant ist. Mechanisch bedeutet dies, dass die Steifigkeit nicht von der bisherigen Deformation oder der Beanspruchung des Materials abhängt. Das System wird über einen der linearen Gleichungslöser gelöst, die in Kap. 5.6 angesprochen wurden. Kennt man die Steifigkeit, kann man die Lösung für jede beliebige Last in einem Schritt berechnen. Weiterhin gilt das Superpositionsprinzip, d. h. eine Summe bekannter Lösungen stellt wieder eine gültige Lösung dar, s. Kap. 8.2. Abb. 12.1 Lineare (links) und nichtlineare (rechts) statische Gleichung







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Ergänzende Information Die elektronische Version dieses Kapitels enthält Zusatzmaterial, auf das über folgenden Link zugegriffen werden kann (https://doi.org/10.1007/978-3-658-36522-6_12) © Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2022 M. Wagner, Lineare und nichtlineare FEM, https://doi.org/10.1007/978-3-658-36522-6_12

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243

244

12 Gleichungslösung bei nichtlinearen statischen Problemen

Im nichtlinearen Fall von Gl. (12.1) – in Abb. 12.1 rechts – gelten die beiden Bedingungen linearer Systeme nicht mehr: Kraft und Verschiebung sind nicht über einen konstanten Faktor verknüpft und die Steifigkeit des Systems ändert sich abhängig vom Verschiebungszustand. Auch das Superpositionsprinzip gilt deswegen nicht mehr. Gleichung (12.1) ist die mathematische Formulierung der Aufgabe, das Gleichgewicht der inneren und äußeren Lasten zu finden. Die Schwierigkeit bei der Lösung besteht darin, dass die nichtlineare Beziehung nicht explizit nach den Unbekannten in einem Schritt aufgelöst werden kann wie im linearen Fall. Eine übliche Lösungsmöglichkeit ist, den Lastpfad in kleinen Schritten abzulaufen. Das bekannteste Verfahren ist das Newton-Raphson-Verfahren, das zunächst für den eindimensionalen Fall vorgestellt und dann auf die FEM angewendet wird.

12.1 Newton-Raphson-Verfahren Das Newton-Raphson-Verfahren sucht eine Nullstelle 𝑥∗ einer Funktion 𝑔(𝑥): 𝑔(𝑥∗ ) = 0 , wobei die Nullstelle nicht direkt berechenbar ist, da 𝑔 eine nichtlineare Beziehung in 𝑥 sein soll. Die Basis des Verfahrens ist die Taylorreihenentwicklung einer Funktion um den Bezugspunkt 𝑥(0) in einer Umgebung 𝑢 = 𝑥 − 𝑥(0) bis zum ersten Glied: 𝑔(𝑥) = 𝑔(𝑥(0) + 𝑢) ≅ 𝑔(𝑥(0) ) +

𝜕𝑔 (𝑥 − 𝑥(0) ) + … . 𝜕𝑥 |𝑥(0)

Diese Gleichung lässt sich geometrisch als Geradengleichung interpretieren, deren Steigung die Tangente im Punkt 𝑥(0) ist, s. Abb. 12.2: 𝜕𝑔 𝑔(𝑥) − 𝑔(𝑥(0) ) = . (0) 𝜕𝑥 |𝑥(0) (𝑥 − 𝑥 ) Abb. 12.2 Allgemeine Vorgehensweise zur Nullstellensuche mit dem NewtonRaphson-Verfahren

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12.2 Anwendung des Verfahrens auf die FEM

245

Als Ersatz für die echte Nullstelle, wird nun näherungsweise die Nullstelle der Gerade berechnet, in der Hoffnung, dass diese in der Nähe der echten Lösung liegt: 𝑔(𝑥(0) + 𝑢) ≅ 𝑔(𝑥(0) ) +

𝜕𝑔 (𝑥 − 𝑥(0) ) ≡ 0 . 𝜕𝑥 |𝑥(0)

Auflösen nach 𝑥 liefert einen Näherungswert für die Nullstelle der Funktion 𝑔(𝑥). Diesen Schritt kann man nun mehrfach wiederholen. Die gerade berechnete Nullstelle dient als neuer Bezugspunkt der Taylorreihenentwicklung. Es wird dort nun der Funktionswert und die Ableitung der eigentlichen Funktion 𝑔(𝑥) berechnet und wieder ein neuer Näherungswert erhalten. Durch die Indizierung 𝑥(0) → 𝑥(𝑘) und 𝑥 → 𝑥(𝑘+1) folgt daraus die Iterationsvorschrift 𝑥(𝑘+1) = 𝑥(𝑘) −

−1 𝜕𝑔 𝑔(𝑥(𝑘) ) , ( 𝜕𝑥 |𝑥(𝑘) )

𝑘 = 0, 1, … , 𝐾 − 1

für die Berechnung der Nullstelle 𝑥∗ . 𝐾 gibt die maximale Anzahl Iterationen an. Das Newton-Raphson-Verfahren kann auf beliebige Dimensionen erweitert werden. Es soll von 𝑛 nichtlinearen Funktionen, die in einem Vektor 𝒈(𝒙) zusammengefasst sind, jeweils die Nullstelle berechnet werden. Die Funktionen hängen nichtlinear von Parametern ab, die im Vektor 𝒙 angeordnet sind. Die Funktionen sollen gekoppelt sein, sodass nur eine simultane Lösung möglich ist. Die Taylorreihenentwicklung des Vektorfeldes 𝒈 um die Stelle 𝒙(𝑘) liefert dann 𝒈(𝒙(𝑘+1) ) = 𝒈(𝒙(𝑘) ) +

𝜕𝒈 𝒙(𝑘+1) − 𝒙(𝑘) ) = 𝟎 . 𝜕𝒙 |𝒙(𝑘) (

(12.2)

Formal entsteht dieselbe Iterationsgleichung, allerdings sind alle Größen nun Vektoren. Der Term 𝜕𝒈/𝜕𝒙 = 𝜕𝑔𝑖 /𝜕𝑥𝑗 muss noch betrachtet werden. Wie in Gl. (6.4) beim isoparametrischen Konzept handelt es sich um eine Jacobi- bzw. Funktionalmatrix mit konstanten Koeffizienten. Durch die abgebrochene Taylorreihenentwicklung wird eine Linearisierung der nichtlinearen Gleichung erreicht, da die Unbekannte 𝒙(𝑘+1) nur zur Potenz eins vorkommt. Alle anderen Terme werden an der bekannten Stelle 𝒙(𝑘) ausgewertet. Üblicherweise löst man das lineare Gleichungssystem in Gl. (12.2) nicht durch Invertierung der Funktionalmatrix, sondern durch die in Kap. 5.6 vorgestellten linearen Gleichungslöser.

12.2 Anwendung des Verfahrens auf die FEM Das Newton-Raphson-Verfahren wird nun auf die nichtlineare FEM-Gl. (12.1) angewendet. Da mit dem Verfahren eine Nullstelle gesucht wird, ist zunächst die Definition des Residuums 𝒓 notwendig: 𝒓(𝒙) = 𝒕(𝒙) − 𝒇 (𝒙) ≡ 𝟎 . Dieser Vektor gibt die nicht im Gleichgewicht befindlichen Kräfte wieder. Ziel ist nun das Residuum zu null zu machen, um einen neuen Gleichgewichtszustand zu finden.

246

12 Gleichungslösung bei nichtlinearen statischen Problemen

Einsetzen des Residuums in Gl. (12.2) liefert (𝑘) ) − 𝒇 (𝒙(𝑘) ) + 𝒓(𝒙(𝑘+1) ) ≅ 𝒕(𝒙 ⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟

𝜕𝒓 𝒙(𝑘+1) − 𝒙(𝑘) ) = 𝟎 . 𝜕𝒙 |𝒙(𝑘)(

(12.3)

𝒓(𝒙(𝑘) )

Mit dem Verschiebungsinkrement 𝒖(𝑘) = 𝒙(𝑘+1) − 𝒙(𝑘) der 𝑘-ten Iteration, lässt sich dies in ein lineares Gleichungssystem umstellen: 𝜕𝒓 𝒖(𝑘) = 𝒇 (𝒙(𝑘) ) − 𝒕(𝒙(𝑘) ) . 𝜕𝒙 |𝒙(𝑘) Die nichtlineare FEM-Gleichung wird durch die abgebrochene Taylorreihenentwicklung linearisiert. Durchführung der Iterationen ergibt den gesuchten neuen Gleichgewichtszustand 𝒙∗ . Für die Lösung eines nichtlinearen FEM-Problems sind also mehrere Iterationen zu berechnen, in jeder Iteration ist bei diesem Verfahren die Funktionalmatrix 𝜕𝒓/𝜕𝒙|𝒙(𝑘) neu zu berechnen und zu faktorisieren, um das entstehende lineare Gleichungssystem zu lösen. Dadurch steigt der Rechenaufwand gegenüber einem linearen Problem stark an, da dort nur eine Faktorisierung notwendig ist. Der Ablauf des Newton-Raphson-Verfahrens ist in Abb. 12.3 skizziert. Die Ableitung des Residuums wird als Tangentensteifigkeitsmatrix 𝜕𝒇 𝜕𝒕 𝜕𝒓 (𝑘) = − 𝑲T = | | (𝑘) (𝑘) 𝜕𝒙 𝒙 𝜕𝒙 𝒙 𝜕𝒙 |𝒙(𝑘) bezeichnet. Diese ersetzt die aus der linearen Statik bekannte Steifigkeitsmatrix. Die Tangentensteifigkeitsmatrix ergibt sich als Ableitung der Differenz aus dem Vektor der inneren und äußeren Kräfte und setzt sich aus mehreren Teilen zusammen, die im folgenden Kapitel erläutert werden. Abb. 12.3 Schematische Darstellung des NewtonRaphson-Verfahrens in der FEM für ein eindimensionales Modell

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12.2 Anwendung des Verfahrens auf die FEM

247

12.2.1 Linearisierung Durch die Taylorreihenentwicklung bis zum ersten Glied im Newton-Raphson-Verfahren wird die nichtlineare FEM-Gleichung durch eine lineare Beziehung im Inkrement 𝒖(𝑘) der Unbekannten ersetzt. Dieser Vorgang wird als Linearisierung bezeichnet. Dazu ist die Berechnung der Tangentensteifigkeitsmatrix 𝑲T notwendig1 . In allgemeiner Form ist dieser Schritt mathematisch aufwendig, weswegen hier nur eine vereinfachte Darstellung angegeben wird, um die wesentlichen Merkmale aufzuzeigen. Die Herleitung hängt vom gewählten Energieprinzip ab und wird nur für das Prinzip der virtuellen Leistung aus Gl. (9.30) gezeigt. Dazu wird die Bestimmungsgleichung des Newton-Raphson-Verfahrens in Gl. (12.3) weiter interpretiert. Der zweite Term der Taylorreihe beschreibt die differenziell kleine lineare Änderung einer Funktion in der Umgebung des Bezugspunkts, hier der Referenzkonfiguration. Man kann formal auch schreiben 𝒓(𝒙 + d𝒙) = 𝒓(𝒙) + d𝒓(𝒙) . Für die folgende Darstellung wird auf die Indexnotation übergegangen, da sich die tensoriellen Größen so übersichtlich angeben lassen. Zur Berechnung der Tangentensteifigkeitsmatrix ist das Differenzial des (statischen) Energieprinzips in Gl. (9.30) zu bilden: d

(∫ 𝑣𝑒

𝛿𝑑𝑖𝑗 𝜎𝑖𝑗 d𝑣 −

∫ 𝑣𝑒

𝛿𝑣𝑖 𝑏̄𝑖 d𝑣 −

∫ 𝑎𝑒

𝛿𝑣𝑖 𝑡𝑖̄ d𝑎 . )

Generell gilt die Rechenregel d𝑟𝑖 (𝑥𝑗 ) = 𝜕𝑟𝑖 /𝜕𝑥𝑗 d𝑥𝑗 2 . Im Folgenden sind Differenziale und virtuelle Größen strikt zu unterscheiden. Wendet man die Produktregel an, ergibt sich d (𝛿𝑑𝑖𝑗 ) 𝜎𝑖𝑗 d𝑣 + 𝛿𝑑𝑖𝑗 d𝜎𝑖𝑗 d𝑣 − 𝛿𝑣𝑖 d (𝑏̄𝑖 (𝑥𝑘 )) d𝑣 − 𝛿𝑣𝑖 d (𝑡𝑖̄ (𝑥𝑘 )) d𝑎 . ∫ ∫ ∫ ∫ 𝑣𝑒 𝑣𝑒 𝑣𝑒 𝑎𝑒

(12.4)

Bei den beiden letzten Termen der äußeren Lasten ist zu beachten, dass die virtuellen Geschwindigkeiten unter einer differenziellen Änderung konstant sind, s. Bonet und Wood [2, Kap. 8.2, S. 217]: d(𝛿𝑣𝑖 ) = 0, da sie nicht von der Deformation abhängen. Dies ist bei der virtuellen Deformationsrate 𝛿𝑑𝑖𝑗 anders, die nach den Verschiebungen abgeleitet wird. Deswegen ist nur eine Änderung der äußeren Lasten auf Grund der Abhängigkeit von der Deformation zu berücksichtigen. Tritt eine solche Folgelast auf, dann muss die differenzielle Änderung bestimmt und diskretisiert werden. Daraus entsteht dann ein Beitrag 𝑲F𝑒 zur Tangentensteifigkeitsmatrix, für Details s. Bonet und Wood [2, Kap. 8.5.2, S. 222] oder Wriggers [5, Kap. 3.5.3, S. 98]. Sind die äußeren Lasten konservativ, kann man sie von einem Potenzial ableiten. Die Matrix 𝑲F𝑒 ist dann eine Hesse-Matrix, da sie die zweite Ableitung dieses Potenzials darstellt. Damit ist sichergestellt, dass sie symmetrisch ist. Handelt es sich um nicht-konservative Lasten, ist 𝑲F𝑒 unsymmetrisch. 1

Zur Erhöhung der Übersichtlichkeit wird auf die Angabe des Iterationsindex 𝑘 und der Auswertestellen 𝒙(𝑘) in Kap. 12.2.1 verzichtet. 2 Allgemein ist für die Linearisierung die Richtungsableitung zu bilden, s. Bonet und Wood [2, Kap. 1.4 und 2.3], die auch berechnet werden kann, wenn das Residuum nicht stetig differenzierbar ist, wie z. B. bei elastoplastischem Material.

248

12 Gleichungslösung bei nichtlinearen statischen Problemen

Für die ersten beiden Terme in Gl. (12.4) ist das Differenzial der virtuellen Deformationsrate d(𝛿𝑑𝑖𝑗 ) und der Spannung d𝜎𝑖𝑗 zu bestimmen. Die Änderung der virtuellen Deformationsrate wird ohne Herleitung angegeben. Sie ergibt sich durch den Push-forward der Änderung der virtuellen Zeitableitung des GreenLagrange-Verzerrungstensors in Gl. (9.21), s. Bonet und Wood [2, Kap. 8.3, S. 218]: d(𝛿𝑑𝑖𝑗 ) =

1 𝜕𝛿𝑣𝑘 𝜕d𝑢𝑘 𝜕d𝑢𝑘 𝜕𝛿𝑣𝑘 . + 2 ( 𝜕𝑥𝑖 𝜕𝑥𝑗 𝜕𝑥𝑖 𝜕𝑥𝑗 )

An dieser Stelle geht durch die Linearisierung die Verschiebung d𝑢𝑖 wieder in die Gleichungen ein, die in diskretisierter Form dem Inkrement im Newton-Raphson-Verfahren entspricht. Einsetzen in das erste Integral in Gl. (12.4) und Ausnutzen der Symmetrie des Cauchy-Spannungstensors ergibt 𝜕d𝑢𝑘 𝜕𝛿𝑣𝑘 𝜕𝛿𝑣𝑘 𝜕d𝑢𝑘 1 𝜕𝛿𝑣𝑘 𝜕d𝑢𝑘 𝜎𝑖𝑗 + 𝜎𝑗𝑖 d𝑣 = 𝜎𝑖𝑗 d𝑣 . d(𝛿𝑑𝑖𝑗 )𝜎𝑖𝑗 d𝑣 = ( ) ∫ ∫ ∫ 2 𝜕𝑥 𝜕𝑥 𝜕𝑥 𝜕𝑥 𝜕𝑥𝑗 𝑒 𝑒 𝑒 𝑣 𝜕𝑥𝑖 𝑣 𝑣 𝑖 𝑗 𝑖 𝑗 Diskretisierung der virtuellen Geschwindigkeit nach Gl. (9.34) und der Verschiebungen mit Gl. (5.1) liefert als diskretisierte linearisierte Gleichung T

T

𝛿𝒗𝑒 𝑲G𝑒 d𝒖𝑒 = 𝛿𝒗𝑒

𝜕𝑵 T 𝜕𝑵 d𝑣 d𝒖𝑒 . 𝝈 ∫ 𝜕𝒙 𝜕𝒙 𝑒 𝑣

Diese Gleichung ist nur schematisch zu verstehen, da der Gradient der Formfunktionsmatrix in Voigt-Notation nicht ohne Schwierigkeiten dargestellt werden kann. Es handelt sich um einen Term, der von drei Indizes abhängt: 𝜕𝑵/𝜕𝒙 = 𝜕𝑁𝑖𝛼 /𝜕𝑥𝛽 mit 𝑖 = 1, … , 𝑛FHG und 𝛼, 𝛽 = 1, … , 𝑛FHG ⋅ 𝑛𝑒 . Eine stringente Darstellung findet sich in Bonet und Wood [2, Kap. 9.4.3, S. 251]. Die Matrix 𝑲G wird als Anfangsspannungsmatrix oder geometrische Matrix bezeichnet. Sie beschreibt den Einfluss der Änderung der Geometrie bei konstant gehaltenem Spannungszustand und tritt nur auf, wenn geometrische Nichtlinearitäten berücksichtigt werden. Für den zweiten Term in Gl. (12.4) ist das Differenzial der Spannung d𝜎𝑖𝑗 anzugeben. Es soll hier von einem allgemeinen Materialgesetz in Ratenform analog Gl. (10.21) ausgegangen werden: d𝜎𝑖𝑗 = 𝐶𝑖𝑗𝑘𝑙 d𝜀𝑘𝑙 . Eingesetzt folgt ∫ 𝑣𝑒

𝛿𝑑𝑖𝑗 d𝜎𝑖𝑗 d𝑣 =

∫ 𝑣𝑒

𝛿𝑑𝑖𝑗 𝐶𝑖𝑗𝑘𝑙 d𝜀𝑘𝑙 d𝑣 .

(12.5)

Der vierstufige Tensor 𝐶𝑖𝑗𝑘𝑙 entspricht der Materialtangente für das jeweilige Materialmodell. Für das Beispiel der Elastoplastizität wurde sie in Gl. (10.30) angegeben. Diskretisiert man die Deformationsrate nach Gl. (9.36) und den infinitesimalen Verzerrungstensor 𝜀𝑖𝑗 mit Gl. (5.4) folgt in Voigt-Notation T

T

𝑒 𝛿𝒗𝑒 𝑲M d𝒖𝑒 = 𝛿𝒗𝑒

∫ 𝑣𝑒

𝑩 T 𝑪 𝑩 d𝑣 d𝒖𝑒 ,

12.2 Anwendung des Verfahrens auf die FEM

249

wobei 𝑩 für den hier gewählten Fall eines virtuellen Prinzips als Upgedatete-LagrangeFormulierung die Matrix der Ableitungen der Formfunktionen ist, s. Gl. (9.35). Sie ist in der Upgedatete-Lagrange-Formulierung identisch für die Deformationsrate und die Verzerrungen. Für ein Beispiel einer Totale-Lagrange-Formulierung, s. Knothe und Wessels [4, Kap. 13.8]. Die Materialmatrix 𝑪 ist eine 𝑛FHG × 𝑛FHG -Matrix in Voigt-Notation, die in einer Materialroutine eines FE-Programms berechnet wird, wie z. B. die algorithmischkonsistente, elastoplastische Materialtangente 𝑪̃ ep in Gl. (10.37). Für den isotropen, linear𝑒 elastischen Fall ergibt sich die Elastizitätsmatrix Gl. (3.18). Die Matrix 𝑲M ist die Anfangsverschiebungsmatrix und beschreibt die Auswirkung eines nichtlinearen Materialgesetzes auf den Spannungszustand bei konstant gehaltenem Deformationszustand. Insgesamt setzt sich die Tangentensteifigkeitsmatrix aus drei Teilen zusammen: 𝑲T = 𝑲G + 𝑲M − 𝑲F . Die Teilmatrix 𝑲G tritt nur bei geometrisch nichtlinearer Betrachtung auf. Die Anfangsverschiebungsmatrix 𝑲M entspricht bei geometrisch und materiell linearem Verhalten der Steifigkeitsmatrix aus Gl. (5.19) und die Matrix 𝑲F entsteht nur dann, wenn von der Deformation abhängige Folgelasten auftreten, z. B. Oberflächendrücke.

12.2.2 Inkrementell-iteratives Verfahren Problemabhängig konvergiert das Newton-Raphson-Verfahren sehr langsam, vor allem wenn die äußere Last zu groß ist. Zur Stabilisierung kann nun die äußere Last nicht auf einmal, sondern stückweise aufgebracht werden (Zur Vereinfachung wird hier von verschiebungsunabhängigen Lasten ausgegangen). Man spricht in diesem Fall von einer Inkrementierung der Last. In einem Inkrement 𝑛 = 0, 1, … , 𝑁ink − 1 wird zur vorherigen Last 𝒇𝑛 ein Anteil addiert: 𝒇𝑛+1 = 𝒇𝑛 + 𝜟𝒇𝑛 bis die gesamte Last beim letzten Inkrement 𝑁ink erreicht ist: 𝒇 = 𝒇𝑁ink . Die Lasterhöhung muss nicht in gleich großen Schritten erfolgen, sondern kann problemabhängig in unterschiedlich große Schritte unterteilt werden. Auch für die Anzahl der Inkremente gibt es keine klare Regel, üblicherweise sind in vielen Programmen zehn Inkremente voreingestellt. Innerhalb jedes Inkrements 𝑛 werden dann die 𝑘 Iterationen des Newton-RaphsonVerfahrens durchgeführt. Die zwei Größen 𝑛 und 𝑘 sind genau zu unterscheiden, da sie in den Lösungseinstellungen der kommerziellen Programme getrennt eingegeben werden müssen. Das inkrementell-iterative Verfahren ist in Abb. 12.4 dargestellt. In jedem Inkrement 𝑛 wird iterativ das Gleichgewicht hergestellt. In jeder Iteration 𝑘 des Newton-Raphson-Verfahrens ist ein lineares Gleichungssystem zu lösen. Durch diesen iterativen Prozess steigt der Berechnungsaufwand im Vergleich zum linearen Fall stark an. Durch die Einführung der Inkremente wird aber die Konvergenz eines einzelnen Inkrements in der Regel verbessert, sodass durch diese Vorgehensweise weniger Gesamtiterationen notwendig sein können als bei Aufbringung der gesamten Last in einem Schritt.

250



12 Gleichungslösung bei nichtlinearen statischen Problemen

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Abb. 12.4 Inkrementell-iterativer Lösungsprozess bei einer nichtlinearen, statischen Gleichung

12.2.3 Konvergenz des Newton-Raphson-Verfahrens Der Begriff der Konvergenz wurde in Kap. 7.1.1 eingeführt. Auch bei iterativen Lösungsverfahren spricht man von konvergentem Verhalten, wenn bei einer Erhöhung der Iterationszahl die Lösung gegen die mathematisch exakte Lösung läuft. Beim Newton-Raphson-Verfahren ist nicht garantiert, dass die Nullstelle von 𝒕(𝒙∗ ) − 𝒇 (𝒙∗ ) = 𝟎 trotz Erhöhung der Iterationszahl erreicht wird. Vielmehr sind auch Situationen denkbar, in denen das Verfahren nicht in Richtung der Nullstelle läuft, sondern davon weg, in dem Fall spricht man von Divergenz. In Abb. 12.5 ist ein solcher Fall in Blau skizziert. Divergenz kann immer dann auftreten, wenn die Lastkurve ein Extremum aufweist (0) und der Startpunkt, hier 𝒙diverg , ungünstig gewählt ist. Zum Vergleich ist das konvergen(0)

te Verhalten mit günstigem Startwert 𝒙konv in Rot gegenübergestellt. Für die FEM gibt es allerdings wenig Wahlmöglichkeiten, da der Startpunkt durch die Randbedingungen vorgegeben wird. Eine weitere Besonderheit ist in Abb. 12.5 angedeutet: Trifft das Iterationsverfahren bei 𝒙krit genau ein Extremum, versagt das Verfahren völlig, da die Tangente die Horizontale ist. Um solche Situationen zu umgehen, müssen spezielle Verfahren einAbb. 12.5 Konvergenzverhalten beim NewtonRaphson-Verfahren: kon(0) vergent mit Startpunkt 𝑥konv (—), divergent mit Startpunkt (0) 𝑥diverg (—)



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12.2 Anwendung des Verfahrens auf die FEM

251

gesetzt werden, die als Bogenlängenverfahren bezeichnet werden, s. Kap. 12.3 ganz am Ende. Um bei divergentem Verhalten nicht in einer Endlosschleife zu landen, wird eine maximale Iterationszahl pro Inkrement vorgegeben. Wird diese überschritten, kann der Schritt als konvergiert übernommen werden oder die Berechnung stoppt mit einer Fehlermeldung. Das Übernehmen der Lösung ohne Erreichen der Konvergenzkriterien sollte vermieden werden, da man ggf. mit einer falschen Lösung weiter rechnet. Zur Verbesserung des Konvergenzverhaltens kann man eine automatische Schrittweitensteuerung einsetzen, die über verschiedene Kriterien, wie Anzahl der notwendigen Iterationen im letzten Inkrement, das aktuelle Lastinkrement anpasst. Bei schlechter Konvergenz würde so das Inkrement verkleinert, bei guter Konvergenz kann das Inkrement aber auch vergrößert werden, um Rechenzeit zu sparen, s. Keyword 14.26 in Kap. 14.3.2. Weiterhin sind bei konvergentem Verhalten Abbruchkriterien (Konvergenzkriterien) einzuführen, da bei Annäherung an die Nullstelle die Verschiebungsinkremente sehr klein werden und somit die Ergebnisverbesserung pro Iteration nur noch gering ist und in einem numerischen Verfahren die Nullstelle nie exakt erreicht wird. Dazu gibt es verschiedene Ansätze, hier werden zwei übliche eingeführt: (𝑘)

‖𝒖𝑛 |‖ ≤ 𝜀𝑢 ‖𝒖max ‖

(𝑘) T (𝑘) 𝒓𝑛 |

|𝒖𝑛

(0) T (0) 𝒓𝑛 |

≤ 𝜀𝐸 |𝒖𝑛

.

(12.6)

Links ist die Verschiebungsnorm dargestellt. Es handelt sich um den Betrag des Vektors (𝑘) (𝑘+1) (𝑘) des aktuellen Verschiebungszuwachses 𝒖𝑛 = 𝒙𝑛 − 𝒙𝑛 in der Iteration 𝑘 des Inkrements 𝑛, d. h. den Zuwachs der Verschiebung geteilt durch eine bisher im Modell maximal aufgetretene Verschiebung 𝒖max . Diese maximale Verschiebung kann sich auf die gesamte Simulation oder das aktuelle Inkrement beziehen. Rechts in Gl. (12.6) ist ein Energiekriterium angegeben, das die Formänderungsenergie des Residuums berechnet. Es gibt damit die Energie wieder, die mit dem Fehler in der Gleichgewichtsbeziehung verbunden ist, da sie aus dem Verschiebungszuwachs und dem Residuum der unbalancierten Reaktionskräfte gebildet wird. Diese Bedingungen werden nach jeder Iteration geprüft. Sobald sie beide erfüllt sind, wird die Iteration abgebrochen und das Ergebnis als hinreichend genau betrachtet und mit dem nächsten Inkrement fortgefahren. Die Newton-Raphson-Iterationsvorschrift der FEM ist in Algorithmus 12.1 dargestellt.

12.2.4 Hinweis zur Zeitabhängigkeit Der Parameter 𝑛 bezeichnet im Newton-Raphson-Verfahren die Abfolge der Inkremente, zu denen der Gleichgewichtszustand berechnet wird. Dieser Parameter ist in einem statischen Problem ein reiner Zählindex für den Lösungsfortschritt, da der zeitliche Verlauf der Deformation nicht von Interesse ist. Häufig wird in kommerziellen Programmen aber den Inkrementen eine „Zeit“ zugeordnet, da sie prinzipiell zeitabhängige Probleme behandeln können und somit der statische Grenzfall am einfachsten integriert werden kann, indem die Zeit als Zählindex benutzt wird. Dabei ist zu beachten, dass die Zeit keine physikalische Bedeutung hat. Deshalb wird in statischen Rechnungen häufig eine „Zeitdauer“

252

12 Gleichungslösung bei nichtlinearen statischen Problemen

Algorithmus 12.1 Inkrementell-iterativer Newton-Raphson-Algorithmus Eingabe: 𝒙0 , 𝒇, Anzahl Inkremente 𝑁ink , max. Anzahl Iterationen pro Inkrement 𝐾, Fehlertoleranz 𝜀𝑢 Initialisierungen: 𝒇0 = 𝟎 for 𝑛 = 0 to 𝑁ink − 1 do (0) Setze Startkonfiguration auf letzte iterierte Konfiguration 𝒙temp = 𝒙𝑛 Bestimme äußere Last des Inkrements 𝒇𝑛+1 = 𝒇𝑛 + 𝜟𝒇𝑛 𝑘=0 repeat (𝑘) Berechne innere Reaktionskräfte 𝒕(𝒙temp ) (𝑘)

Berechne Tangentensteifigkeitsmatrix 𝑲T , s. Kap. 12.2 (𝑘) (𝑘) Löse 𝑲T 𝒖(𝑘) = 𝒇𝑛+1 − 𝒕(𝒙temp ) (𝑘+1)

(𝑘)

Speichere Zwischenkonfiguration 𝒙temp = 𝒙temp + 𝒖(𝑘) Zähler erhöhen 𝑘 ← 𝑘 + 1 (𝑘) until 𝑘 = 𝐾 or ‖𝒖𝑛 ‖ ≤ 𝜀𝑢 ‖𝒖max ‖ (𝑘)

if 𝑘 = 𝐾 and ‖𝒖𝑛 ‖ > 𝜀𝑢 ‖𝒖max ‖ then Konvergenzfehler → Stop end if (𝑘) 𝒙𝑛+1 = 𝒙temp Zuweisen Gesamtverschiebung nach Ende Iterationen Zähler erhöhen 𝑛 ← 𝑛 + 1 end for

der Simulation von 𝑡 = 1s benutzt. In dynamischen Berechnungen (Kap. 13) hat die Zeit die normale physikalische Bedeutung und gibt an, in welchem Zeitraum die Bewegung abläuft3 . Das Inkrement wird dort durch den Zeitschritt ersetzt.

12.3 Weitere Verfahren für nichtlineare Gleichungssysteme Neben dem vollständigen Newton-Raphson-Verfahren, bei dem in jeder Iteration die Steifigkeitsmatrix neu aufgebaut wird, s. Abb. 12.3, existieren viele Varianten und weitere Verfahren. Der Vorteil des vollständigen Verfahrens ist, dass es in der Nähe der Lösung quadratisch konvergiert, s. Kap. 7.1.1 und Wriggers [5, Kap. 5.1.1, S. 149]. Dies bedeutet, dass der Fehler eines Iterationsschritts 𝑘 um einen konstanten Faktor 𝑐 kleiner als das Quadrat des Fehlers der Iteration 𝑘 − 1 davor ist (𝒙 ist die exakte Lösung): (𝑘)

(𝑘−1) 2

‖𝒙 − 𝒙𝑛 ‖ < 𝑐‖𝒙 − 𝒙𝑛

‖ .

Demzufolge verdoppelt sich die Anzahl der genauen Dezimalstellen mit jeder Iteration4 . Es ist aber in jeder Iteration die Berechnung der Tangentensteifigkeitsmatrix notwendig, was sehr aufwendig ist. Deswegen wurden Verfahren entwickelt, die diesen Nachteil zu verbessern oder zu umgehen versuchen: 3

Ausnahme sind künstlich beschleunigte Berechnungen, z. B. eine Umformsimulation, s. Kap. 14.2. (1) (2) (1) Beispiel: Für 𝑐 = 1 soll gelten ‖𝒙−𝒙𝑛 ‖ = 1⋅10−1 . Dann folgt daraus ‖𝒙−𝒙𝑛 ‖ = ‖𝒙−𝒙𝑛 ‖2 = 1⋅10−2 (3) (4) −4 −8 und damit ‖𝒙 − 𝒙𝑛 ‖ = 1 ⋅ 10 , ‖𝒙 − 𝒙𝑛 ‖ = 1 ⋅ 10 etc. 4

12.3 Weitere Verfahren für nichtlineare Gleichungssysteme Abb. 12.6 Beispiel für das Anfangssteifigkeitsverfahren

253



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৏>2

)1*

শ5 ৘)1*



৏>1

• das Anfangssteifigkeitsverfahren: Die Steifigkeitsmatrix wird nur einmal am Anfang aufgestellt, wie in Abb. 12.6 angedeutet und dann für jede Iteration benutzt: (0)

𝑲T (𝒙(𝑘+1) − 𝒙(𝑘) ) = 𝒓(𝑘) . Die Konvergenz ist sehr langsam, aber es sind dafür keine Neuberechnung und Lösung der Tangentensteifigkeitsmatrix nötig. • das modifizierte Newton-Raphson-Verfahren: Um Rechenzeit zu sparen, wird die Steifigkeitsmatrix nicht in jedem Iterationsschritt neu berechnet, sondern nur alle 𝑞-mal, s. Abb. 12.7: (𝑞) (𝑘) 𝑲T (𝒙(𝑘+1) − 𝒙(𝑘) ) = 𝒓𝑛 . Die Konvergenzordnung des Verfahrens ist nur linear, aber besser als beim Anfangssteifigkeitsverfahren. Das Verfahren lohnt sich nur bei schwach nichtlinearen Problemen, da ansonsten die Aktualisierung der Tangentensteifigkeitsmatrix sehr häufig geschehen muss und damit kein Vorteil zum vollständigen Verfahren mehr besteht. • Quasi-Newton-Verfahren oder Sekantenverfahren: Die Ableitung bei diesen Verfahren wird mittels der Steigung der Sekante durch zwei Funktionspunkte approximiert: Abb. 12.7 Beispiel für das modifizierte NewtonRaphson-Verfahren mit 𝑞 = 2



)3*

শ5

)2*

শ5

৘)2*

)1*

শ5



254

12 Gleichungslösung bei nichtlinearen statischen Problemen (𝑘) 𝑲̃T (𝒙(𝑘+1) − 𝒙(𝑘) ) = 𝒓(𝑘+1) − 𝒓(𝑘) .

Die Tangentensteifigkeitsmatrix wird nicht mehr exakt berechnet, sondern durch eine (𝑘) Matrix 𝑲̃T approximiert. Im 1-D entspricht dies der Sekantensteigung in Abb. 12.8. (𝑘+1) aus einDer Vorteil dieser Verfahren liegt darin, dass die Approximationen 𝑲̃T fachen Transformationen der vorhergehenden Approximation berechnet werden kann: (𝑘) (𝑘+1) = (𝑨(𝑘) )T 𝑲̃T 𝑨(𝑘) , wobei es vom Verfahren abhängt, wie die Matrix 𝑨(𝑘) auf𝑲̃T gebaut ist. Sie lässt sich aber numerisch effizient berechnen. Dies ergibt eine rekursive Formel und es muss die eigentliche Tangentensteifigkeitsmatrix nur einmal zu Beginn berechnet werden. Dazu kommt, dass man diese Rekursionsformel für die Inverse der Matrix angeben kann, sodass auch keine Faktorisierung mehr notwendig ist. Sie sind deswegen sehr effizient und häufig die Standardeinstellung in kommerziellen Programmen. Häufig wird, analog zu den modifizierten Newton-Verfahren, nach einer vorgegebenen Anzahl Iterationen, die tatsächliche Steifigkeitsmatrix neu aufgebaut und danach wieder mit den approximierten Matrizen weiter gerechnet. Es gibt hier eine ganze Reihe an Verfahren, die sich durch die Genauigkeit der Approximation der Inverse der Tangentensteifigkeitsmatrix unterscheiden. Das BroydenVerfahren führt auf eine unsymmetrische Matrix. Das am weitesten verbreitete Verfahren ist das Broyden-Fletcher-Goldfarb-Shanno (BFGS)-Verfahren, das wiederum auf eine symmetrische Matrix führt. Weitere Verfahren sind nach Davidon- sowie DavidonFletcher-Powell (DFP) benannt. Einen detaillierten Überblick über diese Verfahren liefern Jung und Langer [3, Kap. 6.4] und Bathe [1, Kap. 8.4]. Das Newton-Raphson-Verfahren konvergiert nur, wenn der initiale Startwert in der Nähe der gesuchten Lösung liegt. Um dies zu erreichen, wird z. B. das inkrementell-iterative Verfahren aus Kap. 12.2.2 angewendet, um die Last in mehreren Schritten aufzubringen. Eine weitere Möglichkeit, die in kommerziellen Programmen zur Verfügung steht, ist eine Schrittweitensteuerung über das gedämpfte Newton-Raphson-Verfahren (Line-searchVerfahren): Die neue Zwischenkonfiguration in Algorithmus 12.1 wird nicht durch volles

Abb. 12.8 Beispiel für das Sekantenverfahren

ো ৖)3* ৖)2* )4*

শ5ȥ )3*

শ5ȥ

)1*

শ5

)2*

শ5ȥ ড়)2*

ড় ড়)3*

12.5 Literaturverzeichnis

255

Aufaddieren des Inkrements 𝒖(𝑘) berechnet, sondern durch (𝑘+1)

(𝒌)

𝒙temp = 𝒙temp + 𝛼𝒖(𝑘) , mit dem Line-search-Parameter 𝛼, der geeignet zu bestimmen ist. Er liegt zwischen 0 < 𝛼 < 1 und führt dazu, dass keine zu großen Schritte vorgenommen werden, die ggf. zur Divergenz des Verfahrens führen könnten. Zur Bestimmung des Parameters wird angenommen, dass sich eine Größe, z. B. eine Norm des Residuums oder der Energie, mit steigender Iterationszahl verkleinern muss. Hierzu kann man üblicherweise in kommerziellen Programmen Schranken vorgeben (line-search tolerance). Auch hier wird für weiterführende Details auf die Literatur (z. B. Wriggers [5, Kap. 5.1.4]) verwiesen. Die bisher vorgestellten Verfahren gehen davon aus, dass eine eindeutige Nullstelle gefunden werden kann. In vielen praktischen Problemen, bei denen das Knick-, Durchschlagoder Beulverhalten von Interesse ist, ist dies nicht mehr der Fall. Vielmehr gibt es mehrere mögliche Verschiebungszustände, die denselben Vektor innerer Reaktionskräfte hervorrufen, s. Abb. 12.5. Für solche Problemstellungen versagen die o. g. Verfahren häufig. Abhilfe schaffen hier die Bogenlängenverfahren. Die Grundidee der Verfahren ist, eine Zusatzgleichung einzuführen, die das Lastinkrement beschränkt und so dem Lastpfad folgt und nicht zu einer anderen Lösung springt. Für eine weitere Darstellung wird auf die umfassende Beschreibung dieser Methoden bei Wriggers [5, Kap. 5.1.5, Kap. 7] verwiesen.

12.4 Aufgaben 12.1. Schreiben Sie ein MATLAB® -Programm zur Bestimmung der Stelle 𝑥∗ an der die Winkelhalbierende 𝑦 = 𝑥 die Kosinusfunktion schneidet. 12.2. Schreiben Sie ein MATLAB® -Programm zur Berechnung der Gleichgewichtslage eines Systems mit Hilfe des Algorithmus 12.1, dessen interne Reaktionskraft durch 𝑡(𝑥) = −(𝑥 − 2)2 + 4 gegeben ist. Die äußere Last beträgt 3,5 N. Der Startwert sei 𝑢0 = 0 mm. Wählen Sie geeignete Werte für die Anzahl Inkremente, Iterationen und das Abbruchkriterium. Die einzelnen Iterationen pro Inkrement sollen graphisch dargestellt werden.

12.5 Literaturverzeichnis [1] [2]

K.-J. Bathe. Finite Element Procedures. New Delhi: Prentice-Hall of India, 2007. J. Bonet und R. D. Wood. Nonlinear Continuum Mechanics for Finite Element Analysis. 2. Aufl. Cambridge: Cambridge Univ. Press, 2008. [3] M. Jung und U. Langer. Methode der finiten Elemente für Ingenieure. 2. Aufl. Wiesbaden: Springer Vieweg, 2013. [4] K. Knothe und H. Wessels. Finite Elemente. 5. Aufl. Berlin: Springer Vieweg, 2017. [5] P. Wriggers. Nichtlineare Finite-Element-Methoden. Berlin: Springer, 2001.

Kapitel 13

Zeitintegration von nichtlinearen dynamischen Problemen

Generell werden zeitabhängige technische Fragestellungen durch partielle Differenzialgleichungen beschrieben, wobei die Ableitungen der Unbekannten 𝒖(𝒙, 𝑡) sowohl nach der Zeit 𝑡 als auch nach den räumlichen Koordinaten 𝒙 erfolgen. Ein Beispiel ist die Impulsbilanz in Gl. (3.4). Die FEM ist ein Verfahren, um die räumliche Abhängigkeit in ein diskretes lineares Gleichungssystem zu überführen. Die Form der Gleichungen wurde in den vorigen Kapiteln ausführlich hergeleitet und lautet bei dynamischen nichtlinearen Problemen: 𝑴𝒂(𝑡) + 𝒕(𝒖(𝑡)) = 𝒇 (𝑡) . (13.1) Zusätzlich sind Anfangsbedingungen für die Verschiebungen und die Geschwindigkeiten zu einem Zeitpunkt (gewöhnlich 𝑡 = 0) zu definieren 𝒖(𝑡 = 0) = 𝒖𝟎

𝒗(𝑡 = 0) = 𝒗𝟎 .

Der Trägheitsterm ist dabei immer linear und die Massenmatrix mit konstanten Koeffizienten belegt. Für die folgende Darstellung wird von einem dämpfungsfreien System ausgegangen, um die Gleichungen möglichst einfach zu halten. Durch die räumliche Diskretisierung mit finiten Elementen ist aus dem partiellen Differenzialgleichungssystem ein System von gewöhnlichen, rein zeitabhängigen Differenzialgleichungen geworden. Solche Systeme treten in vielen Bereichen auf, v. a. auch in der Mehrkörperdynamik, s. Rill, Schaeffer und Borchsenius [12]. In diesem Kapitel wird ein kurzer Überblick über die zwei in Verbindung mit der FEM am häufigsten eingesetzten Verfahren gegeben. Im Gegensatz zur Mehrkörperdynamik, in der üblicherweise die mechanischen Bewegungsgleichungen zweiter Ordnung in eine Zustandsraumdarstellung (Rill, Schaeffer und Borchsenius [s. 12, Kap. 2.4.3]) überführt werden, die dann nur noch Ableitungen 1. Ordnung nach der Zeit enthält, wird das zeitabhängige Differenzialgleichungssystem 2. Ordnung der FEM direkt gelöst. Bei rein linearen Systemen kann man durch einen harmonischen Ansatz auf den Frequenzbereich übergehen, wie in Kap. 8 gezeigt und damit die Zeitabhängigkeit durch eine Transformation auflösen. Prinzipiell kann man mit Hilfe der Fouriertransformation auch jede beliebige zeitliche Antwort beschreiben. Dies ist allerdings sehr aufwendig und wenn Nichtlinearitäten eine Rolle spielen, müsste um jeden Betriebszustand eine Linearisierung

Ergänzende Information Die elektronische Version dieses Kapitels enthält Zusatzmaterial, auf das über folgenden Link zugegriffen werden kann (https://doi.org/10.1007/978-3-658-36522-6_13) © Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2022 M. Wagner, Lineare und nichtlineare FEM, https://doi.org/10.1007/978-3-658-36522-6_13

257

258

13 Zeitintegration von nichtlinearen dynamischen Problemen

durchgeführt werden, um die Methoden der linearen Dynamik anzuwenden. Dann ist eine Lösung im Zeitbereich zu bevorzugen. Im Falle der Lösung im Zeitbereich spricht man von direkter Zeitintegration. Der Begriff rührt daher, dass die zu lösende Gl. (13.1) an diskreten Zeitpunkten 𝑡𝑛 ausgewertet wird und dann zu einem nächsten Zeitpunkt 𝑡𝑛+1 = 𝑡𝑛 + 𝛥𝑡 mit dem Zeitinkrement bzw. -schritt 𝛥𝑡 übergegangen wird, indem für den Verlauf der Feldgrößen und deren Zeitableitungen über das Zeitinkrement Annahmen getroffen werden. Je nach Annahme unterscheidet man verschiedene Verfahren. Anders betrachtet entspricht dies dem Ersetzen der Differenziale durch Differenzen, d. h. z. B. d𝑡 → 𝛥𝑡. Es sind zwei prinzipielle Vorgehensweisen zu unterscheiden: • Explizite Zeitintegration: Die Bewegungsgleichung wird zum aktuell bekannten Zeitpunkt 𝑡𝑛 ausgewertet 𝑴𝒂𝑛 + 𝒕(𝒖𝑛 ) = 𝒇𝑛 , (13.2) und die Größen zum nächsten Zeitpunkt 𝑡𝑛+1 werden durch Extrapolation gewonnen. Die Angabe des Index ()𝑛 an einer Größe dient zur Schreibvereinfachung und bedeutet hier, dass diese Größe zum Zeitpunkt 𝑡𝑛 ausgewertet wird, z. B. 𝒖(𝑡𝑛 ) → 𝒖𝑛 . • Implizite Zeitintegration: Die Bewegungsgleichung wird am in der Zukunft liegenden Zeitpunkt 𝑡𝑛+1 ausgewertet, dessen Zustandsgrößen aktuell noch unbekannt sind 𝑴𝒂𝑛+1 + 𝒕(𝒖𝑛+1 ) = 𝒇𝑛+1 .

(13.3)

Es wird sich zeigen, dass aus diesem Grund die entstehenden Gleichungen nicht direkt auflösbar sind, sondern die Unbekannten in impliziten Gleichungen enthalten sind. Eine implizite Gleichung lässt sich nicht direkt nach einer Unbekannten auflösen, ein Beispiel ist die Lösung von 𝑥 = cos 𝑥. Daher rührt der Name dieser Verfahrensklasse. Der wesentliche Unterschied zu expliziten Verfahren ist, dass eine implizite Gleichung nur durch ein iteratives Verfahren gelöst werden kann.

13.1 Einführung Zur Einführung wird der Fall in Abb. 13.1 betrachtet. Dargestellt ist der zeitliche Verlauf der Beschleunigung eines Systems als gestrichelte Linie. Dieser Beschleunigungsverlauf Abb. 13.1 Approximation der Beschleunigung durch eine lineare Funktion



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13.1 Einführung

259

ist zunächst unbekannt und soll aus der Lösung von Gl. (13.1) ermittelt werden. Dies ist allerdings nicht direkt möglich. Deshalb wird angenommen, dass der Verlauf zwischen einem Zeitpunkt 𝑡𝑛 und 𝑡𝑛+1 linear verlaufen soll, im Bild als durchgezogene Linie dargestellt. Damit lässt sich für die Beschleunigung zu einem beliebigen Zeitpunkt 𝑡 im Intervall über eine Geradengleichung Folgendes angeben: 𝒂(𝑡) ≅

𝒂𝑛+1 − 𝒂𝑛 (𝑡 − 𝑡𝑛 ) + 𝒂𝑛 . 𝛥𝑡

(13.4)

Die Definition der Beschleunigung lautet d𝒗/d𝑡 = 𝒂. Damit lässt sich die Geschwindigkeit durch Integration der Beschleunigung bis zum aktuellen Zeitpunkt gewinnen 𝒗

∫ 𝒗

𝑡

d𝒗̂ = 𝒗 − 𝒗𝑛 ≡

𝑛

∫ 𝑡

𝒂 d𝑡 ̂ =

𝑛

𝑡

( ∫ 𝑡 𝑛

𝒂𝑛+1 − 𝒂𝑛 (𝑡 ̂ − 𝑡𝑛 ) + 𝒂𝑛 ) d𝑡 ̂ . 𝛥𝑡

Daraus folgt für einen beliebigen Zeitpunkt 𝑡 ∈ [𝑡𝑛 , 𝑡𝑛+1 ]: 𝒗(𝑡) = 𝒗𝑛 +

𝑡 𝒂𝑛+1 − 𝒂𝑛 𝑡2̂ ( − 𝑡𝑛 𝑡)̂ + 𝒂𝑛 𝑡 ̂ [ ]𝑡 𝛥𝑡 2

𝑛

𝒂𝑛+1 − 𝒂𝑛 𝑡2 𝑡2 ( − 𝑡𝑛 𝑡 − ( 𝑛 − 𝑡2𝑛 )) = 𝒗𝑛 + 𝒂𝑛 (𝑡 − 𝑡𝑛 ) + 𝛥𝑡 2 2 𝒂𝑛+1 − 𝒂𝑛 1 2 = 𝒗𝑛 + 𝒂𝑛 (𝑡 − 𝑡𝑛 ) + (𝑡 − 𝑡𝑛 ) . 𝛥𝑡 2

(13.5)

Betrachtet man nun das Ende des Intervalls (𝑡 → 𝑡𝑛+1 ), erhält man die Geschwindigkeit am rechten Intervallrand 𝒗(𝑡) → 𝒗(𝑡𝑛+1 ) = 𝒗𝑛+1 mit 𝛥𝑡 = 𝑡𝑛+1 − 𝑡𝑛 : 𝒂𝑛+1 − 𝒂𝑛 𝛥𝑡 2 1 1 = 𝒗𝑛 + [(1 − )𝒂𝑛 + 𝒂𝑛+1 ] 𝛥𝑡 2 2 1 = 𝒗𝑛 + (𝒂𝑛 + 𝒂𝑛+1 )𝛥𝑡 . 2

𝒗𝑛+1 = 𝒗𝑛 + 𝒂𝑛 𝛥𝑡 +

(13.6) (13.7)

Die Formel in der letzten Zeile enthält den Mittelwert der Beschleunigungen der beiden Randbeschleunigungen. Diese Integrationsregel wurde bereits in Kap. 7.2.1.1 als Trapezregel bei der Berechnung räumlicher Integrale eingeführt. Der Faktor 1/2 ist für den Vergleich mit Verfahrensvarianten in Gl. (13.11) und Gl. (13.15) farblich herausgehoben. In Gl. (13.7) ist bereits eine wesentliche Eigenschaft erkennbar: Die Geschwindigkeit zum Zeitpunkt 𝑡𝑛+1 kann nur ermittelt werden, wenn der Beschleunigungszustand an diesem Punkt bekannt ist. Dies ist generell nicht der Fall, deswegen ist diese Gleichung nicht direkt lösbar und wird deshalb als implizit bezeichnet. Zur Bestimmung der Verschiebung an einem zukünftigen Zeitpunkt wird nun identisch vorgegangen. Aus d𝒖/d𝑡 = 𝒗 folgt mit Gl. (13.5) 𝒖

∫ 𝒖

𝑛

𝑡

d𝒖̂ = 𝒖 − 𝒖𝑛 ≡

∫ 𝑡 𝑛

𝒗 d𝑡 ̂ =

𝑡

̂ (𝒗𝑛 + 𝒂𝑛 (𝑡 − 𝑡𝑛 ) + ∫ 𝑡 𝑛

𝒂𝑛+1 − 𝒂𝑛 (𝑡 ̂ − 𝑡𝑛 )2 ) d𝑡 ̂ . 2𝛥𝑡

260

13 Zeitintegration von nichtlinearen dynamischen Problemen

Integration führt auf die Stammfunktion 𝑡 𝒂𝑛+1 − 𝒂𝑛 1 𝑡2̂ 𝒖(𝑡) = 𝒖𝑛 + 𝒗𝑛 𝑡 ̂ + 𝒂𝑛 ( − 𝑡𝑛 𝑡)̂ + (𝑡 ̂ − 𝑡𝑛 )3 [ ]𝑡 2 2𝛥𝑡 3 𝑛 𝒂 − 𝒂 1 𝑛+1 𝑛 2 (𝑡 − 𝑡𝑛 )3 . = 𝒖𝑛 + 𝒗𝑛 (𝑡 − 𝑡𝑛 ) + 𝒂𝑛 (𝑡 − 𝑡𝑛 ) + 2 6𝛥𝑡

Betrachtet man nun wieder das Ende des Intervalls (𝑡 → 𝑡𝑛+1 ), erhält man die Verschiebung am rechten Intervallrand 𝒖(𝑡) → 𝒖(𝑡𝑛+1 ) = 𝒖𝑛+1 mit 𝛥𝑡 = 𝑡𝑛+1 − 𝑡𝑛 : 𝒂𝑛+1 − 𝒂𝑛 3 1 𝒖𝑛+1 = 𝒖𝑛 + 𝒗𝑛 𝛥𝑡 + 𝒂𝑛 𝛥𝑡2 + 𝛥𝑡 2 6𝛥𝑡 1 1 1 = 𝒖𝑛 + 𝒗𝑛 𝛥𝑡 + [( − ) 𝒂𝑛 + 𝒂𝑛+1 ] 𝛥𝑡2 . 2 6 6

(13.8)

Auch in dieser Gleichung ist neben den Zustandsgrößen des aktuellen Zeitpunkts noch die unbekannte Beschleunigung am zukünftigen Zeitpunkt notwendig. Der Faktor 1/6 ist für den Vergleich mit Verfahrensvarianten in Gl. (13.12) und Gl. (13.14) farblich herausgehoben. Um zu einer Gesamtlösung zu kommen, kann Gl. (13.8) nach 𝒂𝑛+1 aufgelöst 𝒂𝑛+1 =

6 6 (𝒖𝑛+1 − 𝒖𝑛 ) − 𝒗𝑛 − 2𝒂𝑛 2 𝛥𝑡 𝛥𝑡

und in Gl. (13.3) eingesetzt werden: 𝑴

6 6 (𝒖 − 𝒖𝑛 ) − 𝒗𝑛 − 2𝒂𝑛 + 𝒕(𝒖𝑛+1 ) = 𝒇𝑛+1 . ] [ 𝛥𝑡2 𝑛+1 𝛥𝑡

Es verbleibt damit noch eine Unbekannte, nämlich die Verschiebung am Zeitpunkt 𝑡𝑛+1 . Sortiert man die Gleichung nach Unbekannten und Bekannten um, folgt: 6 6 6 𝑴𝒖𝑛+1 + 𝒕(𝒖𝑛+1 ) = 𝒇𝑛+1 + 𝑴 𝒖 + 𝒗 + 2𝒂𝑛 . [ 𝛥𝑡2 𝑛 𝛥𝑡 𝑛 ] 𝛥𝑡2

(13.9)

Aus dem zeitabhängigen gewöhnlichen Differenzialgleichungssystem in Gl. (13.3) ist ein zeitunabhängiges nichtlineares Gleichungssystem geworden, das nur noch von Zustandsgrößen 𝒖𝑛 , 𝒗𝑛 und 𝒂𝑛 des aktuell bekannten Zeitpunkts abhängt und als Ergebnis die Verschiebung 𝒖𝑛+1 am zukünftigen Zeitpunkt liefert. Für die Lösung kann nun z. B. der in Kap. 12.1 eingeführte Newton-Raphson-Algorithmus benutzt werden. Da nur Größen des aktuell bekannten Zeitpunkts eingehen, spricht man bei diesem Verfahren von einem Einschrittverfahren. Es soll nochmals hervorgehoben werden, dass die wesentliche Annahme für die Herleitung der vorgenannten Gleichungen war, dass ein linearer Beschleunigungsverlauf zwischen zwei betrachteten Zeitpunkten angenommen wird. Weicht das tatsächliche Systemverhalten davon stark ab, ist das Ergebnis der Zeitintegration fehlerbehaftet.

13.2 Implizite Zeitintegration nach dem Newmark-𝛽-Verfahren

261



Abb. 13.2 Zeitintegration bei Annahme einer konstanten Beschleunigung

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13.2 Implizite Zeitintegration nach dem Newmark-𝛽-Verfahren Eine weitere Möglichkeit besteht darin, die Beschleunigung nicht als linearen Verlauf, sondern als konstant über das Betrachtungsintervall anzunehmen, s. Abb. 13.2. Wählt man den konstanten Wert als Mittelwert der beiden Randbeschleunigungen, folgt 𝒂(𝑡) =

1 (𝒂 + 𝒂𝑛 ) . 2 𝑛+1

(13.10)

Für die Geschwindigkeit folgt dann 𝑡

𝒗 = 𝒗𝑛 +

∫ 𝑡 𝑛

𝒂 d𝑡 ̂ =

𝑡

1 1 (𝒂𝑛+1 + 𝒂𝑛 ) d𝑡 ̂ = 𝒗𝑛 + (𝒂𝑛+1 + 𝒂𝑛 )(𝑡 − 𝑡𝑛 ) . ∫ 2 2 𝑡𝑛

Beim Übergang auf die rechte Intervallgrenze folgt damit: 1 1 1 1 𝒗𝑛+1 = 𝒗𝑛 + 𝒂𝑛 𝛥𝑡 + 𝒂𝑛+1 𝛥𝑡 = 𝒗𝑛 + [(1 − )𝒂𝑛 + 𝒂𝑛+1 ] 𝛥𝑡 . 2 2 2 2

(13.11)

Weitere Integration, um auf die Verschiebung zu kommen, liefert: 𝑡

𝒖(𝑡) = 𝒖𝑛 +

𝑡 1 ̂ − 𝑡𝑛 ) d𝑡 ̂ = 𝒖𝑛 + 𝒗𝑛 𝑡 ̂ + 1 (𝒂𝑛+1 + 𝒂𝑛 )(𝑡 ̂ − 𝑡𝑛 )2 𝒗 + (𝒂 + 𝒂 )( 𝑡 𝑛 𝑛+1 𝑛 ( ) [ ]𝑡 ∫ 2 4 𝑡𝑛 𝑛

1 = 𝒖𝑛 + 𝒗𝑛 (𝑡 − 𝑡𝑛 ) + (𝒂𝑛+1 + 𝒂𝑛 )(𝑡 − 𝑡𝑛 )2 . 4 Für den rechten Intervallrand folgt damit die Verschiebung 𝒖𝑛+1 = 𝒖𝑛 + 𝒗𝑛 𝛥𝑡 +

𝒂𝑛+1 + 𝒂𝑛 2 1 1 1 𝛥𝑡 = 𝒖𝑛 + 𝒗𝑛 𝛥𝑡 + [( − ) 𝒂𝑛 + 𝒂𝑛+1 ] 𝛥𝑡2 . (13.12) 4 2 4 4

In Gl. (13.12) sind die Koeffizienten so aufgeteilt, dass man die Ähnlichkeit mit Gl. (13.8) sieht. Die Faktoren sind einmal 1/6 und einmal 1/4, ansonsten ist die Struktur der Gleichung identisch. Die unterschiedlichen Faktoren entstehen durch die verschiedene Annahme des Beschleunigungsverlaufs in Gl. (13.4) bzw. Gl. (13.10). Dieses Verfahren mit konstanten Beschleunigungen hat Newmark [10] vorgestellt.

262

13 Zeitintegration von nichtlinearen dynamischen Problemen

Eine Verallgemeinerung gelingt über die Taylorreihenentwicklung von 𝒖 und 𝒗 um den aktuellen Zeitpunkt 𝑡𝑛 bis zur dritten Zeitableitung (s. Wilson [13]): 𝛥𝑡2 𝛥𝑡3 + 𝒂̇𝑛 +… 2 6 𝛥𝑡2 = 𝒗𝑛 + 𝒂𝑛 𝛥𝑡 + 𝒂̇𝑛 +… . 2

𝒖𝑛+1 = 𝒖𝑛 + 𝒗𝑛 𝛥𝑡 + 𝒂𝑛 𝒗𝑛+1

Der Term der dritten Ableitung, d. h. der Ableitung der Beschleunigung, wird in der Mechanik als Ruck bezeichnet. Die zunächst unendliche Taylorreihe wird nun bei diesem Glied abgebrochen, und um eine Kontrolle des entstehenden Fehlers zu erhalten, werden die Konstanten 𝛾 und 𝛽 eingeführt: 𝛥𝑡2 + 𝛽𝒂̇𝑛 𝛥𝑡3 2 = 𝒗𝑛 + 𝒂𝑛 𝛥𝑡 + 𝛾𝒂̇𝑛 𝛥𝑡2 .

𝒖𝑛+1 = 𝒖𝑛 + 𝒗𝑛 𝛥𝑡 + 𝒂𝑛 𝒗𝑛+1

(13.13)

Nimmt man weiterhin an, dass sich die Beschleunigung in einem Zeitintervall linear verändert, dann ist der Ruck eine Konstante und kann berechnet werden als: 𝒂̇𝑛 =

𝒂𝑛+1 − 𝒂𝑛 . 𝛥𝑡

Setzt man dies in Gl. (13.13) ein, folgen daraus die Differenzenquotienten des allgemeinen Newmark-𝛽-Verfahrens: 1 𝒖𝑛+1 = 𝒖𝑛 + 𝒗𝑛 𝛥𝑡 + [( − 𝛽) 𝒂𝑛 + 𝛽𝒂𝑛+1 ] 𝛥𝑡2 2 𝒗𝑛+1 = 𝒗𝑛 + [(1 − 𝛾) 𝒂𝑛 + 𝛾 𝒂𝑛+1 ] 𝛥𝑡 .

(13.14) (13.15)

Vergleicht man Gln. (13.8, 13.12) mit Gl. (13.14) und Gln. (13.6, 13.11) mit Gl. (13.15), erkennt man den Zusammenhang der Variablen 𝛽 und 𝛾, die oben zur Fehlersteuerung eingeführt wurden, mit den bisher hergeleiteten Sonderfällen des allgemeinen Verfahrens. Sortiert man die Glieder nach den Indizes der Zeitschritte, 2 𝛽𝒂 2 𝒖𝑛+1 = 𝒖 𝑛 + 𝒗𝑛 𝛥𝑡 + (1/2 − 𝛽) 𝒂𝑛 𝛥𝑡 + ⏟⏟⏟⏟⏟ 𝑛+1 𝛥𝑡 ⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟ Prädiktor

Korrektor

𝒗𝑛+1 = 𝒗 𝒂𝑛+1 𝛥𝑡 , 𝑛 + (1 − 𝛾) 𝒂𝑛 𝛥𝑡 + 𝛾 ⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟ ⏟⏟⏟ Prädiktor

Korrektor

wird ersichtlich, dass man das Verfahren auch als Prädiktor-Korrektor-Verfahren interpretieren kann, da der erste Block in die Zukunft extrapoliert und durch den zweiten Block korrigiert wird, s. Hughes [8, Kap. 9.1.1, S. 490]. Umformung von Gl. (13.14) liefert für die Beschleunigung am zukünftigen Zeitpunkt: 𝒂𝑛+1 =

1 1 1 𝒗 − − 1 𝒂𝑛 . (𝒖𝑛+1 − 𝒖𝑛 ) − ) 𝛽𝛥𝑡 𝑛 ( 2𝛽 𝛽𝛥𝑡2

(13.16)

13.2 Implizite Zeitintegration nach dem Newmark-𝛽-Verfahren

263

Das zu lösende Gleichungssystem lautet dann nach Einsetzen in Gl. (13.3) 1 1 1 1 𝑴𝒖𝑛+1 + 𝒕(𝒖𝑛+1 ) = 𝒇𝑛+1 + 𝑴 𝒖 + 𝒗 + − 1 𝒂𝑛 . [ 𝛽𝛥𝑡2 𝑛 𝛽𝛥𝑡 𝑛 ( 2𝛽 ) ] 𝛽𝛥𝑡2 Man erkennt, wie auch in Gl. (13.9), dass ein nichtlineares Gleichungssystem gelöst werden muss, um die Verschiebungen zu berechnen, woher der Name implizites Zeitintegrationsverfahren rührt. Dies ergibt sich daraus, dass der rot hervorgehobene Term der inneren Reaktionskräfte 𝒕(𝒖𝑛+1 ) eine nichtlineare Funktion der Verschiebungen ist. Die iterative Lösung dieses Gleichungssystems in jedem Zeitschritt bedeutet einerseits einen sehr hohen Rechenaufwand. Andererseits ist das Verfahren bei entsprechender Wahl der Parameter unbedingt stabil, d. h. man kann mit großen Zeitschritten rechnen. Besonders wichtig ist, dass die Bewegungsgleichungen am zukünftigen Zeitpunkt gelöst werden, da Gl. (13.3) als Ausgangsgleichung genutzt wird. Damit werden die Gleichgewichtsbedingungen konsistent erfüllt, was die hohe Genauigkeit auch bei großen Zeitschritten erklärt. Der Ablauf des Newmark-𝛽-Verfahrens zur Ermittlung eines neuen Zustands am Zeitpunkt 𝑡𝑛+1 ist in Algorithmus 13.1 detailliert beschrieben, inklusive der Iterationen für die Lösung des nichtlinearen Gleichungssystems, s. Kap. 12.1. Für das Verständnis der inAlgorithmus 13.1 Newmark-𝛽-Verfahren Eingabe: Anfangsbedingungen 𝒖0 , 𝒗0 , Zeitschritt und Endzeit 𝛥𝑡, 𝑡E , max. Anzahl Iterationen pro Inkrement 𝐾, Fehlertoleranz 𝜀𝑢 , Newmark-Parameter 𝛾 und 𝛽 1: 𝑛 = 0, 𝑡 = 0, 𝑘 = 0 2: Berechne 𝑴 3: Cholesky-Zerlegung Massenmatrix: 𝑴 → 𝑳𝑳T , s. Kap. 5.6.1 4: 𝒂0 = 𝑴 −1 [𝒇0 − 𝒕(𝒖0 )] 5: repeat (0) 6: Setze Startkonfiguration auf letzte iterierte Konfiguration 𝒖temp = 𝒖𝑛 ̂ = 𝒇𝑛+1 + 𝑴 1 𝒖𝑛 + 1 𝒗𝑛 + 1 − 1 𝒂𝑛 7: Bestimme äußere Gesamtlast 𝒇𝑛+1 ( 2𝛽 ) ] [ 𝛽𝛥𝑡2 𝛽𝛥𝑡 8: repeat (𝑘) (𝑘) (𝑘) 1 𝑴𝒖temp + 𝒕(𝒖temp ) 9: Berechne aktuelle Reaktionskraft 𝒕𝑛 = 𝛽𝛥𝑡 2 10:

(𝒌)

Berechne Tangentensteifigkeitsmatrix 𝑲T ←

𝜕𝒓 𝜕𝒖 |𝒖(𝑘)

temp

11: 12: 13: 14:

(𝑘) ̂ − 𝒕(𝑘) Löse 𝑲T 𝛥𝒖(𝑘) = 𝒇𝑛+1 𝑛 (𝑘+1) (𝑘) Speichere Zwischenkonfiguration 𝒖temp = 𝒖temp + 𝛥𝒖(𝑘) Zähler erhöhen 𝑘 ← 𝑘 + 1 (𝑘−1) until 𝑘 = 𝐾 or ‖𝛥𝒖𝑛 ‖ ≤ 𝜀𝑢 ‖𝒖max ‖

15: 16: 17: 18:

if 𝑘 = 𝐾 and ‖𝛥𝒖𝑛 ‖ > 𝜀𝑢 ‖𝒖max ‖ then Konvergenzfehler → Stop end if (𝑘) 𝒖𝑛+1 = 𝒖temp Zuweisen Gesamtverschiebung nach Ende Iterationen

(𝑘−1)

1 𝒗 𝛽𝛥𝑡 𝑛

1 − ( 2𝛽 − 1) 𝒂𝑛 aus Gl. (13.16) 20: 𝒗𝑛+1 = 𝒗𝑛 + [(1 − 𝛾) 𝒂𝑛 + 𝛾 𝒂𝑛+1 ] 𝛥𝑡 aus Gl. (13.15) 21: Erhöhe Zähler 𝑛 ← 𝑛 + 1, 𝑡 ← 𝑡 + 𝛥𝑡, 𝑘 = 0 22: until 𝑡 = 𝑡E

19:

𝒂𝑛+1 =

1 (𝒖 𝛽𝛥𝑡2 𝑛+1

− 𝒖𝑛 ) −

264

13 Zeitintegration von nichtlinearen dynamischen Problemen

neren Schleife des Newton-Raphson-Verfahrens in den Schritten 8 – 17 wird speziell auf Abb. 12.4 verwiesen. Voraussetzung ist, dass der Zeitpunkt 𝑡𝑛 vollständig bekannt ist. Im Rahmen numerischer Zeitintegration spielt die Stabilität eines Verfahrens eine wichtige Rolle. Bei einem unbedingt stabilen Verfahren kann der Zeitschritt beliebig groß gewählt werden, ohne dass die numerische Lösung durch Aufschwingen stark von der analytischen Lösung abweichen würde. Ein bedingt stabiles Verfahren hat eine Obergrenze für den Zeitschritt, die nicht überschritten werden darf, da ansonsten der Algorithmus instabil wird, d. h., dass sich die Lösungen aufschaukeln, ohne dass Energie zugeführt würde, s. das Beispiel in Kap. 13.3. Damit das Newmark-𝛽-Verfahren unbedingt stabil ist, müssen die Parameter in gewissen Grenzen gewählt werden (Goudreau und Taylor [6]): 𝛾≥

1 2

𝛽≥

2 1 1 + 𝛾 ) . 4 (2

(13.17)

Ein weiterer Effekt bei numerischer Zeitintegration ist, dass trotz einer mechanisch dämpfungsfreien Modellierung die Amplitude einer Schwingung mit der Zeit absinkt. Die analytische Lösung gibt aber vor, dass die Amplitude für alle Zeiten konstant bleibt, da keine Dämpfung existieren soll. Dieser Effekt wird als numerische Dämpfung bezeichnet. Dies ist in geringem Umfang häufig erwünscht, da dem System dadurch Energie entzogen wird und so hochfrequente Schwingungsanteile unterdrückt werden, die das Lösungsverhalten negativ beeinflussen können. Die numerische Dämpfung kann über die NewmarkParameter gesteuert werden. Üblicherweise werden verschiedene Sonderfälle des allgemeinen Newmark-𝛽-Verfahrens nach Tab. 13.1 klassifiziert. In Abb. 13.3 ist für das ungedämpfte Stabelement aus Aufgabe 8.1 die analytische Lösung der Bewegungsgleichung für die Anfangsbedingungen 𝑢0 = 5 mm und 𝑣0 = 0 mm/s mit der ungedämpften konstanten Beschleunigungsmethode für 𝛾 = 0.5 und 𝛽 = 0.25 gegenübergestellt bei einem Zeitschritt 𝛥𝑡 = 1,73 ⋅ 10−5 s. Man sieht, dass die Amplituden der numerischen Lösung nicht abnehmen, also keine numerische Dämpfung eingebracht wird, wie in Tab. 13.1 für diese Parameterkombination angegeben. Um den Effekt der numerischen Dämpfung zu zeigen, ist in Abb. 13.3 noch die numerische Lösung für die Werte 𝛾 = 0.6, 𝛽 = 0.38, die für LS-DYNA empfohlen werden [5], eingezeichnet. Man sieht nun, dass dadurch eine sehr starke numerische Dämpfung verurTabelle 13.1 Varianten des Newmark-𝛽-Verfahrens Variante Konstante Beschleunigungsmethode

Parameter 1 1 𝛾 = ,𝛽 = 2 4

Eigenschaften implizit, unbedingt stabil und ungedämpft, Lösung neigt zu Schwingungen.

Lineare Beschleunigungsmethode

𝛾=

1 1 ,𝛽 = 2 6

implizit, bedingt stabil, numerische Dämpfung ist enthalten.

Fox-Goodwin-Verfahren

𝛾=

1 1 ,𝛽 = 2 12

implizit, bedingt stabil, numerische Dämpfung ist enthalten.

zentrales Differenzenverfahren

𝛾=

1 ,𝛽 =0 2

explizit, bedingt stabil, s. Kap. 13.3.

13.2 Implizite Zeitintegration nach dem Newmark-𝛽-Verfahren

6 7FSTDIJFCVOH ৙  NN

Abb. 13.3 Frequenzverschiebung und numerische Dämpfung beim Newmark-𝛽-Verfahren für 𝛥𝑡 = 1.73 ⋅ 10−5 s, ) 𝛾 = 0.5, 𝛽 = 0.25 ( sowie 𝛾 = 0.6, 𝛽 = 0.38 ( ), im Vergleich zur ana) lytischen Lösung (

265

1

҃6

1

1/3

1/5

1/9 1/7 ;FJU ৘  T

2

2/3

2/5 Զ21҃4

sacht wird, weswegen diese Parameterkombination nur für sehr kurze Simulationszeiten eingesetzt werden sollte. In Abb. 13.3 wird ein weiterer Effekt numerischer Zeitintegrationsverfahren sichtbar, in Form einer numerischen Frequenzänderung der berechneten Lösung. Von Wood [14, Kap. 4.2 ff.] wird gezeigt, dass beim Newmark-Verfahren die Frequenz einer Schwingung mit Erhöhung der Parameter 𝛾 und 𝛽 im Vergleich zur analytischen Lösung abfällt und die Schwingungsdauer zunimmt. Den geringsten Effekt hat man beim Fox-GoodwinVerfahren nach Tab. 13.1. Der Effekt ist nicht an die numerische Dämpfung gekoppelt, da er auch bei der ungedämpften Variante auftritt. Eine ausführliche Beschreibung dieses Verfahrens findet sich bei Hughes [8, Kap. 9.1].

13.2.1 Erweiterte Verfahren Die unbedingte Stabilität des Newmark-𝛽-Verfahrens gilt nur bei linearen Systemen. Problemstellungen für große Deformationen können dagegen nicht für beliebig große Zeiträume berechnet werden, s. Bathe und Baig [2]. Von Hilber, Hughes und Taylor [7] wird dies damit begründet, dass niedrige Eigenfrequenzen, die das Systemverhalten für technische Anwendungen bestimmen, stärker gedämpft werden als mit anderen Methoden (z.B. das Wilson-𝛩-Verfahren oder das Houboult-Verfahren, s. Fußnote 1). Deswegen wurde das Newmark-Verfahren erweitert, wodurch ein zusätzlicher Parameter eingeführt wird, der üblicherweise mit 𝛼 bezeichnet wird. Zwei in kommerziellen Programmen häufig eingesetzte Varianten sollen hier in aller Kürze vorgestellt werden: Hilber-Hughes-Taylor(HHT)-Verfahren Von Hilber, Hughes und Taylor [7] wird die Bewegungsgleichung an unterschiedlichen Zeitpunkten ausgewertet. Die Beschleunigung wird, wie in Gl. (13.3), bei 𝑡𝑛+1 bestimmt. Die inneren Reaktionskräfte und äußeren Lasten allerdings bei einem Zwischenzeitschritt 𝑡𝑛+1+𝛼 , wobei für den neuen Parameter

266

13 Zeitintegration von nichtlinearen dynamischen Problemen



1 ≤𝛼≤0 3

gilt. Man beachte das negative Vorzeichen von 𝛼. Es handelt sich um ein EinparameterVerfahren, da 𝛾 und 𝛽 mit Hilfe von Gl. (13.17) aus 𝛼 bestimmt werden: 𝛾=

1 (1 − 2𝛼) , 2

𝛽=

1 (1 − 𝛼)2 . 4

Mit 𝛼 werden Zwischengrößen für Lage und Geschwindigkeit definiert 𝒖𝑛+1+𝛼 = −𝛼𝒖𝑛 + (1 + 𝛼)𝒖𝑛+1 𝒗𝑛+1+𝛼 = −𝛼𝒗𝑛 + (1 + 𝛼)𝒗𝑛+1 . Die zu lösende implizite Bewegungsgleichung wird wie folgt modifiziert: 𝑴𝒂𝑛+1 + 𝒕(𝒖𝑛+1+𝛼 ) = 𝒇𝑛+1+𝛼 . Das Verfahren läuft prinzipiell nach Algorithmus 13.1 ab, allerdings werden in den Zeilen 7 und 9 die neuen Zwischenschritte für die Ermittlung von 𝒇𝑛+1+𝛼 und 𝒕(𝒖𝑛+1+𝛼 ) genutzt. Für 𝛼 = 0 geht das Verfahren in das normale Newmark-𝛽-Verfahren über. Je kleiner der Wert von 𝛼 gewählt wird, umso höher ist die eingebrachte numerische Dämpfung. Nach Hilber, Hughes und Taylor [7] ist das Verfahren stabiler für lange Zeiträume, da Eigenfrequenzen in niedrigen Bereichen wenig gedämpft werden. Das Verfahren ist genauso effizient wie das Standardverfahren. Für 𝛼 = −1/3 wird starke Dämpfung erreicht, im LS-DYNA-Handbuch wird 𝛼 = −0, 05 empfohlen. Composite-Verfahren Dieses Verfahren wurde von Bathe und Baig [2] eingeführt. Auch hier wird der zu berechnende Zeitschritt über einen Parameter 0 ≤ 𝛼 ≤ 1 unterteilt, wobei der Wertebereich hier im positiven Zahlenbereich liegt. Beim klassischen Verfahren wird 𝛼 = 1/2 gewählt. Der erste Halbschritt wird mit dem Newmark-Verfahren mit konstanter Beschleunigung (𝛾 = 1/2, 𝛽 = 1/4) berechnet. Für die Lösung des zweiten Halbschritts wird ein Rückwärts-Euler-Mehrschrittverfahren genutzt, s. Bathe [1], daraus dürfte sich auch der Name des Verfahrens erklären (composite: zusammengesezt, gemischt). Durch die Unterteilung des Zeitschritts wird der Rechenaufwand nahezu verdoppelt, dafür ist das Verfahren für große Deformationen bei Betrachtung von großen Zeiträumen stabiler als das reine Newmark-𝛽-Verfahren. Ein Vorteil bei der Wahl von 𝛼 = 1/2 ist, dass im Gegensatz zum HHT-Verfahren kein Parameter festgelegt werden muss.

13.3 Explizite Zeitintegration nach dem zentralen Differenzenverfahren Das zentrale Differenzenverfahren lässt sich formal aus dem Newmark-𝛽-Verfahren durch die Parameterkombination 𝛾 = 21 und 𝛽 = 0 darstellen. Die Herleitung gelingt aber über eine andere Herangehensweise anschaulicher. Beim zentralen Differenzenverfahren wird davon ausgegangen, dass die Verschiebung und die Geschwindigkeit von einem Zeitschritt

13.3 Explizite Zeitintegration nach dem zentralen Differenzenverfahren Abb. 13.4 Definition von Differenzenquotienten: Vorwärts-, Rückwärts- , zentraler Differenzenquotient bei konstantem Zeitschritt

267

৙৒,2

৙ ৙৒

FYBLUF -¶TVOH

৚৒,203 > ৚WPSX ৒

৚৒҃203 > ৚S¼DLX ৒ ৙৒҃2

৘ ৘৒҃2

৘৒҃203

৘৒

ృ৘

৘৒,203

৘৒,2

ృ৘ ృ৘

zum nächsten linear verlaufen. Daraus wird die Beschleunigung zum Zeitpunkt 𝑡𝑛 berechnet. Ausgehend von einem aktuellen Zeitpunkt 𝑡𝑛 wird der Vorwärts- sowie der RückwärtsdifferenzenquotientDifferenzenquotient!Vorwärts- für die Geschwindigkeit als Steigungen der Geraden zwischen den Zeitpunkten 𝑡𝑛−1 , 𝑡𝑛 und 𝑡𝑛+1 definiert, s. Abb. 13.4: 𝒖𝑛+1 − 𝒖𝑛 𝛥𝑡 𝒖𝑛 − 𝒖𝑛−1 . = 𝛥𝑡

𝒗vorw = 𝒗𝑛+1/2 = 𝑛 = 𝒗𝑛−1/2 𝒗rückw 𝑛

(13.18) (13.19)

Die Geschwindigkeit ist damit zwischen zwei Zeitpunkten konstant, wird aber aus später ersichtlichen Gründen einem Zwischenzeitschritt 𝑡𝑛−1/2 und 𝑡𝑛+1/2 zugeordnet. Bezogen auf den aktuellen Zeitpunkt 𝑡𝑛 wird mit Gl. (13.18) eine Geschwindigkeit in der Zukunft berechnet, deswegen wird dies als Vorwärtsdifferenzenquotient bezeichnet, umgekehrt Gl. (13.19) als Rückwärtsdifferenzenquotient. Der zentrale Differenzenquotient lässt sich dann als Mittelwert von Vorwärts- und Rückwärtsdifferenzenquotient definieren 𝒗𝑛 =

𝒖𝑛+1 − 𝒖𝑛−1 1 vorw )= (𝒗𝑛 + 𝒗rückw . 𝑛 2 2𝛥𝑡

(13.20)

Die Beschleunigung wird ebenfalls aus Vorwärts- und Rückwärtsdifferenzenquotient berechnet, indem wieder angenommen wird, dass ein linearer Geschwindigkeitsverlauf herrscht und damit die Beschleunigung als konstante Steigung angenommen werden kann: 𝒂𝑛 =

𝒗𝑛+1/2 − 𝒗𝑛−1/2 − 𝒗rückw 𝒗vorw 𝑛 𝑛 = . 𝛥𝑡 𝛥𝑡

(13.21)

Es ist zu beachten, dass dies physikalisch nicht stimmig ist, da Geschwindigkeiten und Beschleunigungen durch Ableitung aus den Verschiebungen folgen, man aber für beide Ab-

268

13 Zeitintegration von nichtlinearen dynamischen Problemen

Abb. 13.5 Verlauf der Bewegungsgrößen beim zentralen Differenzenverfahren mit konstantem Zeitschritt

৆ ৆৒ ৘ ৚

৚৒, 2 3

৚৒҃ 2



3

৙৒,2

৙ ৙৒ ৙৒҃2 ` ৘৒҃2

৘ ৘৒҃ 2

৘৒

3

ృ৘

ృ৘

৘৒, 2 3

৘৒,2

ృ৘

leitungen einen linearen Verlauf zu Grunde legt. Hier unterscheidet sich das Verfahren vom Newmark-Verfahren, da hier die Größen Geschwindigkeit und Verschiebung durch Integration eines angenommenen linearen Beschleunigungsverlaufs gewonnen werden. Die Zusammenhänge zwischen Verschiebung, Geschwindigkeit und Beschleunigung sind in Abb. 13.5 gezeigt. Ganz unten ist derselbe Sachverhalt wie in Abb. 13.4 für die Verschiebung nochmals abgebildet. Einsetzen von Gl. (13.18) und Gl. (13.19) liefert 𝒂𝑛 =

𝒖𝑛−1 − 2𝒖𝑛 + 𝒖𝑛+1 𝛥𝑡2

.

(13.22)

Dieser Term wird als zentraler Differenzenquotient der Beschleunigung bezeichnet, da ein Zeitpunkt vor und nach dem Betrachtungszeitpunkt mit in die Gleichungen eingeht. Durch Gl. (13.22) ist es möglich, die Beschleunigung rein durch Verschiebungsgrößen auszudrücken. Weiterhin ist zu beachten, dass anders als beim Newmark-𝛽-Verfahren, die Beschleunigung am aktuellen Zeitpunkt und nicht am Zeitpunkt in der Zukunft berechnet wird. Mit Gl. (13.20) und Gl. (13.22) sind zwei Gleichungen für die drei Unbekannten 𝒖𝑛+1 , 𝒗𝑛 und 𝒂𝑛 gegeben. Die fehlende Gleichung stellt die Bewegungsgleichung des Kontinuums dar. An dieser Stelle entsteht der wesentliche Unterschied zu Kap. 13.2. Da die gewonnenen Differenzenquotienten zum aktuellen Zeitpunkt bekannt sind, wird für das explizite Zeitintegrationsverfahren die Ausgangsgleichung Gl. (13.2) im aktuellen Schritt benutzt. Einsetzen von Gl. (13.22) in diese Bewegungsgleichung liefert 1 𝑴(𝒖𝑛−1 − 2𝒖𝑛 + 𝒖𝑛+1 ) = 𝒇𝑛 − 𝒕(𝒖𝑛 ) . 𝛥𝑡2 Umformen nach unbekannten und bekannten Größen ergibt schließlich eine Bestimmungsgleichung für die Verschiebungen am Zeitpunkt in der Zukunft: 1 1 𝑴𝒖𝑛+1 = 𝒇𝑛 − 𝒕(𝒖𝑛 ) − 2 𝑴(𝒖𝑛−1 − 2𝒖𝑛 ) . 𝛥𝑡2 𝛥𝑡

(13.23)

13.3 Explizite Zeitintegration nach dem zentralen Differenzenverfahren

269

In Gl. (13.23) ist der Hauptunterschied zu einem impliziten Verfahren wie dem Newmark𝛽-Verfahren ersichtlich. Auf der linken Seite steht die Unbekannte als lineares Glied und rechts nur bekannte Größen. Deswegen kann direkt bzw. explizit nach der Unbekannten aufgelöst werden, weswegen dieses Verfahren als explizites Zeitintegrationsverfahren bezeichnet wird. Trotzdem ist noch die Massenmatrix zu faktorisieren, um das lineare Gleichungssystem zu lösen. Da die Massenmatrix aber konstant ist, muss dies nur einmal vor dem Beginn des Zeitschrittverfahrens, z. B. als Cholesky-Zerlegung gemacht werden. Eine Vorwärts-/Rückwärtssubstitution (s. Kap. 5.6.1) ist allerdings in jedem Zeitschritt durchzuführen, was beim expliziten Verfahren zu extremen Rechenzeiten führen kann. Es gibt aber Möglichkeiten diese Gleichungslösung zu umgehen. Auf diesen Sachverhalt wird in Kap. 13.3.2 noch eingegangen. Der Vorteil des Verfahrens liegt dann darin, dass bei geeigneter Aufstellung der Massenmatrix gar kein Gleichungssystem zu lösen ist. Das Verfahren ist im einzelnen Zeitschritt sehr effizient. Nachteilig ist aber, dass die Information am Zeitpunkt 𝑡𝑛+1 extrapoliert wird aus Daten von 𝑡𝑛 mit Gl. (13.2). Es wird also die Gleichgewichtsbedingung am zukünftigen Zeitpunkt nicht exakt erfüllt. Deswegen sind im Vergleich zum impliziten Verfahren sehr kleine Zeitschritte nötig. Anders als beim Newmark-Verfahren ist hier noch ein weiterer Punkt 𝒖𝑛−1 aus der Vergangenheit notwendig. Da neben dem aktuellen Zeitpunkt noch weiter zurückliegende Daten genutzt werden, spricht man hier von einem Mehrschrittverfahren. Zur Steigerung der Genauigkeit existieren viele weitere Verfahren, die mehr Zeitpunkte aus der Vergangenheit benutzen1 . Als Nachteil ergibt sich, dass deutlich mehr Auswertungen der FEM-Matrizen für einen Zeitpunkt notwendig sind, weswegen sich diese Verfahren in kommerziellen Anwendungen aufgrund der stark steigenden Berechnungszeiten nicht durchgesetzt haben. Diese Verfahren sollen deshalb hier nicht weiter besprochen werden. Einen Überblick liefern Hughes [8], Wood [14] sowie Wriggers [15]. Um das allgemeine zentrale Differenzenverfahren zu starten, ist neben den Anfangsbedingungen 𝒖0 und 𝒗0 2 noch eine Verschiebung 𝒖0−1 vor dem Startzeitpunkt notwendig. Diese kann über eine Taylorreihenentwicklung bis zum zweiten Glied abgeschätzt werden (bzw. wenn man Gl. (13.20) nach 𝒖𝑛+1 auflöst und in Gl. (13.22) einsetzt, nach 𝒖𝑛−1 auflöst und 𝑛 = 0 setzt): 𝒖0−1 = 𝒖(𝑡0 − 𝛥𝑡) = 𝒖0 + 𝒗0 (−𝛥𝑡) + 𝒂0

(−𝛥𝑡)2 . 2

Die benötigte Beschleunigung 𝒂0 zum Startzeitpunkt kann aus Gl. (13.2) bestimmt werden. Die Verschiebung 𝒖𝑛+1 wird aus 𝒖𝑛 und 𝒖𝑛−1 berechnet und daraus dann der aktuelle Geschwindigkeits- und Beschleunigungszustand 𝒗𝑛 und 𝒂𝑛 , s. Algorithmus 13.2. Es wer1

Zu diesen Verfahren zählen z. B. die implizite Wilson-𝛩-Methode, die eine Erweiterung der linearen Beschleunigungsmethode ist, indem der Zeitschritt mit einem Parameter versehen wird, 𝑡𝑛+1 = 𝑡𝑛 + 𝛩𝛥𝑡. Das Houboult-Verfahren ist ein implizites Mehrschrittverfahren, das zwei in der Vergangenheit liegende Zeitpunkte mitberücksichtigt und damit insgesamt einen zeitlichen Verlauf annimmt, der einem kubischen Polynom (also nicht mehr einem linearen Verlauf) entspricht. 2 Die Geschwindigkeiten gehen nur ein, wenn Dämpfung in den Gleichungen mitberücksichtigt wird. Dies wurde hier aus Darstellungsgründen ausgelassen, kann aber z. B. bei Wriggers [15, Kap. 6.1.1] nachgelesen werden.

270

13 Zeitintegration von nichtlinearen dynamischen Problemen

Algorithmus 13.2 Allgemeines Zentrales Differenzenverfahren Eingabe: Anfangsbedingungen 𝒖0 , 𝒗0 , Zeitschritt und Endzeit 𝛥𝑡, 𝑡E 1: 𝑛 = 0, 𝑡 = 0 2: Berechne 𝑴 3: Cholesky-Zerlegung Massenmatrix: 𝑴 → 𝑳𝑳T , s. Kap. 5.6.1 4: 𝒂0 = 𝑴 −1 [𝒇0 − 𝒕(𝒖0 )] 2 5: 𝒖0−1 = 𝒖0 − 𝒗0 𝛥𝑡 + 𝒂0 (𝛥𝑡) 2 6: repeat 7: 𝒖𝑛+1 = 𝑴 −1 [𝒇𝑛 − 𝒕(𝒖𝑛 )]𝛥𝑡2 − (𝒖𝑛−1 − 2𝒖𝑛 ) aus Gl. (13.23) 8: 𝒂𝑛 = (𝒖𝑛−1 − 2𝒖𝑛 + 𝒖𝑛+1 )/𝛥𝑡2 aus Gl. (13.22) 9: 𝒗𝑛 = (𝒖𝑛+1 − 𝒖𝑛−1 )/(2𝛥𝑡) aus Gl. (13.20) 10: Erhöhe Zähler 𝑛 ← 𝑛 + 1, 𝑡 ← 𝑡 + 𝛥𝑡 11: until 𝑡 = 𝑡E

den also nur Verschiebungen benutzt, der Geschwindigkeits- und Beschleunigungszustand bleibt für die Berechnung zukünftiger Punkte ungenutzt. Bemerkung: In Tab. 13.1 wurde das zentrale Differenzenverfahren als Variante des Newmark-𝛽 Verfahrens für 𝛾 = 0.5 und 𝛽 = 0 bezeichnet. Setzt man dies in Gl. (13.14) ein, folgen die Differenzenquotienten: 𝛥𝑡 2 𝛥𝑡2 . = 𝒖𝑛 + 𝒗𝑛 𝛥𝑡 + 𝒂𝑛 2

𝒗𝑛+1 = 𝒗𝑛 + [𝒂𝑛 + 𝒂𝑛+1 ]

(13.24)

𝒖𝑛+1

(13.25)

Da diese Herangehensweise über ein implizites Verfahren begründet wird, werden diese Differenzenquotienten in Gl. (13.3) eingesetzt, obwohl es sich um ein explizites Verfahren handelt. Es folgt für die Beschleunigung 𝛥𝑡2 𝑴𝒂𝑛+1 = 𝒇𝑛+1 − 𝒕(𝒖𝑛 + 𝒗𝑛 𝛥𝑡 + 𝒂𝑛 ). 2 Auch hierbei handelt es sich um eine explizite Gleichung, wobei hier nun keine Punkte aus der Vergangenheit mehr eingehen, da die Gleichung des zukünftigen Punkts genutzt wurde. Den Zusammenhang zwischen den Differenzenquotienten des zentralen Differenzenverfahrens in Gl. (13.20), Gl. (13.21) und Gl. (13.24), Gl. (13.25) kann man darstellen, indem man die zentralen Differenzen nochmals für den aktuellen Zeitpunkt anschreibt: 𝛥𝑡 2 𝛥𝑡2 . 𝒖𝑛 = 𝒖𝑛−1 + 𝒗𝑛−1 𝛥𝑡 + 𝒂𝑛−1 2

𝒗𝑛 = 𝒗𝑛−1 + [𝒂𝑛−1 + 𝒂𝑛 ]

(13.26) (13.27)

Löst man Gl. (13.26) nach 𝒗𝑛−1 auf und setzt dies in Gl. (13.27) ein und dieses Ergebnis in Gl. (13.25), sieht man direkt, dass der zentrale Differenzenquotient Gl. (13.20) entsteht. Analog kann man Gl. (13.27) nach 𝒂𝑛−1 auflösen und in Gl. (13.26) einsetzen. Mit der Definition des zentralen Geschwindigkeitsquotienten erhält man damit Gl. (13.21). Der Unterschied in den beiden Varianten besteht darin, dass das Gleichungssystem in dieser Variante am zukünftigen Zeitpunkt ausgewertet wird. Anders als in Algorithmus 13.2 gehen hier auch Geschwindigkeiten und Beschleunigungen am aktuellen Zustand ein.

13.3 Explizite Zeitintegration nach dem zentralen Differenzenverfahren

271

13.3.1 Praktische Umsetzung des Verfahrens Der oben vorgestellte Algorithmus des zentralen Differenzenverfahrens hat einen entscheidenden Nachteil, da zum Betrachtungszeitpunkt 𝑡𝑛 nicht alle Größen des zukünftigen Zeitpunkts 𝑡𝑛+1 berechnet werden können, sondern nur die Verschiebungen. Erst im nächsten Zeitschritt werden die zusätzlichen Größen der Beschleunigung und Geschwindigkeit berechnet. Benötigt man für die Berechnung aber diese Größen, z. B. in dehnratenabhängigen Materialmodellen, die wiederum zur Berechnung des Spannungszustands wichtig sind, dann ist das bisher vorgestellte Verfahren nicht besonders gut geeignet, da man immer nur mit „veralteten“ Werten rechnen könnte. Aus diesem Grund wird in kommerziellen Programmen eine Variante benutzt, die als Leapfrog-Verfahren (Leapfrog=Bocksprung) bezeichnet wird (Dunne [4, Kap. 4.5]), die dieses Problem zumindest teilweise beseitigt: Zur Berechnung der Geschwindigkeit wird nicht der zentrale Differenzenquotient in Gl. (13.20) benutzt, sondern der Vorwärtsdifferenzenquotient in Gl. (13.18). Aus diesem Grund wurde die Bezeichnung mit dem Zwischenzeitschritt 𝑡𝑛+1/2 eingeführt. Man wertet die Geschwindigkeit nicht exakt am zukünftigen Zeitpunkt 𝑡𝑛+1 aus, sondern dazwischen. Damit hinkt die Geschwindigkeitsberechnung zwar immer noch um einen halben Zeitschritt hinterher, aber da in einem expliziten Verfahren die Zeitschritte aufgrund des Stabilitätskriteriums (s. Kap. 13.3.4) sowieso sehr klein sind, wird dieser Fehler in Kauf genommen für den Vorteil eine genauere Geschwindigkeit zu haben als die am Zeitpunkt 𝑡𝑛 . In diesem Sinne ist dieses Verfahren eine Mischung aus allgemeinem zentralen Differenzenverfahren und Euler-Vorwärtsverfahren3 . Die Darstellung wird hier vereinfacht, da angenommen wird, dass der Zeitschritt konstant ist, d. h. 𝛥𝑡 = 𝑡𝑛+1 −𝑡𝑛 = 𝑡𝑛+1/2 −𝑡𝑛−1/2 . Dies ist im Allgemeinen nicht der Fall, da sich der Zeitschritt permanent verändern kann. Der Ablauf ist in Algorithmus 13.3 dargestellt. Während eines Zeitschritts wird aus der aktuellen Beschleunigung der Verschiebungsund Geschwindigkeitszustand am nächsten Zeitschritt bzw. in der Mitte berechnet. Die Beschleunigung am nächsten Zeitschritt wird dann wieder mit Gl. (13.2) mit den gerade berechneten Verschiebungsgrößen ausgewertet. Algorithmus 13.3 Explizites Leapfrog-Verfahren Eingabe: Anfangsbedingungen 𝒖0 , 𝒗0 = 𝒗0−1/2 , Zeitschritt und Endzeit 𝛥𝑡, 𝑡E 1: 𝑛 = 0, 𝑡 = 0 2: Berechne Punktmassenmatrix 𝑴, s. Kap. 13.3.2 3: repeat 4: 𝒂𝑛 = 𝑴 −1 [𝒇𝑛 − 𝒕(𝒖𝑛 )] 5: 𝒗𝑛+1/2 = 𝒗𝑛−1/2 + 𝒂𝑛 𝛥𝑡, s. Gl. (13.21) 6: 𝒖𝑛+1 = 𝒖𝑛 + 𝒗𝑛+1/2 𝛥𝑡, s. Gl. (13.18) 7: Berechne innere Kräfte 𝒕(𝒖𝑛+1 ) (Spannungsauswertung) und äußere Kräfte 𝒇𝑛+1 8: Erhöhe Zähler 𝑛 ← 𝑛 + 1, 𝑡 ← 𝑡 + 𝛥𝑡 9: until 𝑡 = 𝑡E

3

Für eine allgemeine Differenzialgleichung 1. Ordnung 𝑥̇ = 𝑔(𝑥, 𝑡) gilt für das explizite EulerVorwärtsverfahren die Iterationsvorschrift 𝑥𝑛+1 = 𝑥𝑛 + 𝛥𝑡𝑔(𝑥𝑛 , 𝑡). Es folgt durch Einsetzen des Vorwärtsdifferenzenquotienten analog Gl. (13.18), s. a. Kap. 10.4.

272

13 Zeitintegration von nichtlinearen dynamischen Problemen

13.3.2 Punktmassenmatrix Das zentrale Differenzenverfahren ist dann besonders effizient, wenn die Invertierung der Massenmatrix in Gl. (13.23) ohne großen Aufwand möglich ist. Eine besonders einfache Invertierung ergibt sich, wenn die Matrix nur Elemente auf der Hauptdiagonale trägt, da die Inverse dann einfach durch Kehrwertbildung der einzelnen Einträge entsteht. Die in Gl. (8.2) hergeleitete Massenmatrix wird als konsistente Massenmatrix bezeichnet, da sie die Wechselwirkung der auf die Knoten verteilten Massen untereinander enthält. Eine Massenmatrix mit Diagonalform entkoppelt alle Variablen, womit dieser Effekt dann vernachlässigt wird. Für ein Stabelement wurde die konsistente Massenmatrix in Gl. (8.3) berechnet. Die konsistente Massenmatrix ist symmetrisch, vor allem aber voll besetzt. Darin spiegelt sich die Interaktion der Masse im physikalischen Körper wider. Um nun aus den genannten numerischen Gründen eine Matrix in Diagonalform für das Stabelement zu erhalten, kann durch Anwendung der Lobatto-Quadratur aus Kap. 7.2.2.1 eine Punktmassenmatrix (lumped-mass matrix) ermittelt werden, da bei dieser Integrationsregel die Integrationspunkte auf den Knoten liegen. Numerisch integriert mit zwei Stützstellen ergibt sich damit4 : 𝑒 𝑴11

=

𝑒 𝑴22

2



+1 𝜌𝐴ℓ 𝜌𝐴ℓ 𝑥 ℓ 1 = 𝜌𝐴 (1 − )2 d𝑥 = 𝜌𝐴 (1 − 𝜉𝑖 )2 𝑤𝑖 = (1 − 𝜉)2 d𝜉 = ∑ ∫ ∫ ℓ 4 2 8 2 0 −1 𝑖=1

und 𝑒 𝑒 𝑴12 = 𝑴21 = 𝜌𝐴

2



∫ 0

(1 −

𝑥 𝑥 ℓ 1 ) d𝑥 = 𝜌𝐴 ∑ (1 − 𝜉𝑖 )(1 + 𝜉𝑖 )𝑤𝑖 = 0 . ℓ ℓ 2 𝑖=1 4

Die Punktmassenmatrix des Stabelements lautet damit: 𝑴𝑒 =

𝜌𝐴ℓ 1 0 . 2 [0 1]

Auf dieses Ergebnis kommt man auch, wenn man in Gl. (8.3) die Summe über eine Spalte oder Zeile bildet und diesen Wert auf die Hauptdiagonale schreibt und auf alle Nebendiagonalelemente null. Diese Darstellung betrachtet das physikalische System als aus Punktmassen aufgebaut, daher die Bezeichnung Punktmassenmatrix. Die Gesamtmasse bleibt erhalten, aber die lokalen Trägheitseffekte der Masse sind anders, man verändert damit also das betrachtete Modell. Die Vorgehensweise, eine Punktmassenmatrix durch Summation der Einträge einer Zeile der konsistenten Massenmatrix zu erzeugen, ist insbesondere für Elemente mit linearer und auch quadratischer Ansatzfunktion nutzbar. Üblicherweise werden bei expliziter Zeitintegration lineare Elemente benutzt. Bei Serendipity-Elementen mit quadratischen Ansätzen (s. Kap. 6.5.1.1) folgen allerdings negative Punktmasseneinträge, die numerische Probleme erzeugen können, s. Hughes [8, Kap. 7.3.2, S. 443ff.].

4

Man beachte die Koordinatentransformation 𝑥/ℓ = 1/2(𝜉 + 1).

13.3 Explizite Zeitintegration nach dem zentralen Differenzenverfahren

273

13.3.3 Nutzung quadratischer Ansatzfunktionen in expliziten Verfahren Neben der oben erwähnten Schwierigkeit mit quadratischen Serendipity-Elementen bei der Bestimmung der Punktmassenmatrix, gibt es noch weitere Einschränkungen bei der Nutzung von quadratischen Ansatzfunktionen in expliziten Zeitintegrationsverfahren, sodass i. d. R. lineare Elemente genutzt werden: • Elemente mit quadratischem Ansatz haben bei gleicher Kantenlänge einen um mehr als die Hälfte kleineren kritischen Zeitschritt als lineare Elemente (s. Wu und Gu [16, Kap. 3.5]), da die Eigenfrequenz aufgrund der höherwertigen Interpolation höher ist. • Die in Kap. 7.1.1 eingeführte kubische Konvergenzrate quadratischer Ansätze kommt in nichtlinearen Berechnungen nicht zum Tragen, da diese Aussagen nur für glatte Lösungen gelten. Hat man es z. B. mit elastoplastischem Materialverhalten zu tun, geht diese Eigenschaft verloren, s. Belytschko u. a. [3, Kap. 8.2.4, S. 487]. • Dort wird auch erläutert, dass sich Elementverzerrungen bei höherwertigen Ansätzen in nichtlinearen Berechnungen stärker auswirken und den Vorteil quadratischer Ansätze weiter reduzieren. • Außerdem ist die Kontaktberechnung bei gekrümmten Elementen mit höheren Ansatzordnungen sehr aufwendig. • Zuletzt sind für die Quadratur dieser Elemente mehr Integrationspunkte zu nutzen als bei linearen unterintegrierten Elementen, sodass der Berechnungsaufwand pro Element stark ansteigt. Da der einzelne Zeitschritt in einem expliziten Verfahren effizient berechenbar sein muss, damit das Verfahren überhaupt anwendbar ist (s. Kap. 13.4), sind Elemente mit quadratischer Ansatzfunktion aus den vorgenannten Gründen wenig geeignet für transiente Dynamik mit expliziter Zeitintegration.

13.3.4 Stabilitätskriterium Das zentrale Differenzenverfahren ist nur bedingt stabil und damit darf der Zeitschritt eine problemabhängige Grenze nicht überschreiten. Das Courant-Friedrichs-Levy-Stabilitätskriterium erlaubt die Berechnung einer Obergrenze für den zulässigen Zeitschritt. Diese Grenze ergibt sich für lineare ungedämpfte Systeme über die maximale Eigenfrequenz des diskretisierten Systems zu (s. Hughes [8, Kap. 9.1.2, S. 493]) 𝛥𝑡𝑛 ≤ 𝛥𝑡krit =

2 . 𝜔max

Die maximale Eigenfrequenz ist bei großen Systemen zunächst unbekannt und sehr hoch. Das heißt, es sind extrem kleine Zeitschritte notwendig. Die Berechnung der größten Eigenfrequenz wird allerdings aus Effizienzgründen nicht durchgeführt. In Wu und Gu [16, Kap. 2.4.1] wird gezeigt, dass die maximale Systemeigenfrequenz 𝜔max kleiner als die maximale Eigenfrequenz aller Elemente max𝑒 (𝜔𝑒 ) ist und damit der globale kritische Zeitschritt 𝛥𝑡krit immer größer als der kleinste Zeitschritt aller Elemente min𝑒 𝛥𝑡krit,e .

274

13 Zeitintegration von nichtlinearen dynamischen Problemen

Tabelle 13.2 Wellenausbreitungsgeschwindigkeit 𝑐𝑒 einer Longitudinalwelle in linear-elastischem Material in Abhängigkeit der Dimension mit Zahlenbeispiel der Materialdaten aus Tab. A.2 und 𝜈 = 0,3 1-D

2-D

𝐸

3-D

𝐸

𝐸(1−𝜈)

√ 𝜌𝑒

√ 𝜌𝑒(1−𝜈 2)

√ 𝜌𝑒(1+𝜈)(1−2𝜈)

5179 m/s

5429 m/s

6009 m/s

Damit kann man den kritischen Zeitschritt abschätzen, indem man den minimalen Zeitschritt aller Elemente bestimmt: 𝛥𝑡krit = min 𝛥𝑡krit,e = min 𝑒

𝑒

ℓchar𝑒 𝑐𝑒

.

(13.28)

In den kritischen Zeitschritt eines Elementes geht eine charakteristische Länge (Kantenlänge, Diagonale etc.) des Elements 𝑒 und die Schallgeschwindigkeit 𝑐𝑒 im betrachteten Material ein (s. eine detaillierte Herleitung in Hughes [8, Kap. 9.1–2]) mit den Beziehungen nach Tab. 13.2. Die Gl. (13.28) kann physikalisch interpretiert werden: Stellt man Gl. (13.28) um, folgt ℓchar𝑒 = 𝑐𝑒 𝛥𝑡krit,e . Diese Gleichung sagt aus, dass eine Longitudinalwelle in einem 1-D-Kontinuum die Zeit 𝛥𝑡krit,e benötigt, um die charakteristische Länge eines Elements zu durchlaufen. Wird der kritische Zeitschritt überschritten, kann eine Welle ein Element durchlaufen, ohne dass das Element in diesem Zustand berechnet wurde. Eine Änderung der Spannungen und Verzerrungen würde damit verloren gehen. Für 2D und 3-D Elemente stellt diese Beziehung ebenfalls eine konservative Abschätzung des kritischen Zeitschrittes dar. Wesentlich ist die Wahl der charakteristischen Länge, die vom Elementtyp abhängt. Als Beispiel soll die Aufgabe 8.1 für ein Stabelement dienen. In Abb. 13.6 ist das Verhalten des zentralen Differenzenverfahrens für einen stabilen Zeitschritt gezeigt. In Abb. 13.6 ist ebenfalls der Effekt einer numerischen Frequenzänderung der berechneten Lösung zu sehen. Von Wood [14, Kap. 4.2 ff.] wird gezeigt, dass beim zentralen Differenzen-Verfahren die Frequenz einer Schwingung im Vergleich zur analytischen 7 5 7FSTDIJFCVOH ৙  NN

Abb. 13.6 Zentrales Differenzenverfahren für ein Stabelement mit stabilem Zeitschritt (𝛥𝑡/𝛥𝑡krit = 0.4) ( ), im Vergleich zur ana) lytischen Lösung (

3 1 ҃3 ҃5 ҃7 1

1/3

1/5

1/9 1/7 ;FJU ৘  T

2

2/3

2/5 Զ21҃4

13.3 Explizite Zeitintegration nach dem zentralen Differenzenverfahren

6 7FSTDIJFCVOH ৙  NN

Abb. 13.7 Zentrales Differenzenverfahren für ein Stabelement bei kritischem Zeitschritt (𝛥𝑡/𝛥𝑡krit = 1) ( ), im Vergleich zur ana) lytischen Lösung (

275

1

҃6

1

1/3

1/5

1/9 1/7 ;FJU ৘  T

2

2/3

2/5 Զ21҃4

Lösung ansteigt. Das heißt, die Schwingungsdauer nimmt ab. Dieser Effekt zeigt sich in Abb. 13.6 deutlich durch eine Verschiebung der Amplituden nach links. In Abb. 13.7 ist das Verhalten genau mit dem kritischen Zeitschritt gezeigt. Man sieht, dass noch keine Amplitudenerhöhung eintritt, aber die Frequenzabweichung und auch die allgemeine Abbildung schon sehr schlecht sind. Ein stabiler Zeitschritt ist also keine hinreichende Bedingung für eine noch akzeptable Lösung. Es wird nur garantiert, dass die Lösung beschränkt bleibt. Das Verhalten für einen instabilen Zeitschritt ist schließlich in Abb. 13.8 dargestellt. Wie zu erwarten, schwingt sich die Lösung auf, was physikalisch keinen Sinn macht. Die Begrenzung des Zeitschritts ist der größte Nachteil des expliziten Verfahrens, da sehr kleine Zeitschritte zu wählen sind. Zum Beispiel ergibt sich der kritische Zeitschritt für Stahl (Daten s. Tab. A.2) und einer kritischen Länge eines Elements von 1 mm zu 𝛥𝑡krit = 1,93 ⋅ 10−7 s. Für eine Crashsimulation von 100 ms Dauer wären damit 1,93 Millionen Zeitschritte notwendig. Damit wäre die Berechnungszeit selbst mit Parallelisierung unakzeptabel lang. In Kap. 13.3.5 werden Methoden besprochen, wie trotzdem sinnvolle Berechnungszeiten mit diesem Verfahren erreicht werden können.

21 7FSTDIJFCVOH ৙  NN

Abb. 13.8 Zentrales Differenzenverfahren für ein Stabelement mit instabilem Zeitschritt (𝛥𝑡/𝛥𝑡krit = 1.155) ( ), im Vergleich zur analytischen Lösung ( )

1

҃21

҃31

1

1/3

1/5

1/9 1/7 ;FJU ৘  T

2

2/3

2/5 Զ21҃4

276

13 Zeitintegration von nichtlinearen dynamischen Problemen

Abb. 13.9 Zentrales Differenzenverfahren nach Algorithmus 13.3. Zeitschritt bei üblichem Sicherheitsfaktor 𝛥𝑡/𝛥𝑡krit = 0.9 ( ), im Vergleich zur analytischen ) Lösung (

7FSTDIJFCVOH ৙  NN

21

6

1

҃6

҃21

1

1/3

1/5

1/9 1/7 ;FJU ৘  T

2

2/3

2/5 Զ21҃4

Die hier vorgestellte Stabilitätsgrenze 𝛥𝑡krit gilt nur für lineare Systeme. Die Anwendbarkeit für nichtlineare Differenzialgleichungssysteme wird bei Belytschko u. a. [3, Kap. 6.6.9, S. 406] diskutiert. Üblicherweise führt man aus diesem Grund einen zusätzlichen Skalierungsfaktor für den Zeitschritt ein, die Courant-Zahl, der häufig mit 0.9 angegeben wird, sodass der tatsächliche Zeitschritt mit 𝛥𝑡 = 0.9 𝛥𝑡krit berechnet wird in nichtlinearen Anwendungen, s. auch Keyword 14.1 in Kap. 14.3.2. Um den Einfluss zu illustrieren, ist in Abb. 13.9 für das in Algorithmus 13.3 angegebene Differenzenverfahren für diese Courant-Zahl das Ergebnis für das gleiche lineare Beispiel gezeigt. Einerseits bleibt das Verfahren stabil, man sieht aber auch, dass die Amplituden generell überschätzt werden. Dies liegt an der Variante des Differenzenverfahrens, da keine Punkte aus der Vergangenheit genutzt werden. Der kritische Zeitschritt hängt auch von der Dämpfung ab. Mit proportionaler Dämpfung aus Kap. 8.3.1 und dem Dämpfungsgrad 𝐷 gilt: 𝛥𝑡krit =

2

√1 + 𝐷2 − 𝐷 . ) 𝜔max (

Dämpfung verringert den stabilen Zeitschritt, da der Term in Klammern für 𝐷 < 1 immer positiv, aber kleiner eins ist. Ein weiterer Einflussfaktor sind Penalty-Kontakte, s. Kap. 11.3.2. Dort werden Kontaktdurchdringungen durch den Einbau von Kontaktsteifigkeiten behoben. Diese Steifigkeiten kann man sich wie diskrete Feder-Masse-Schwinger vorstellen, die eine Eigenfrequenz aufweisen und damit entsprechend auch einen kritischen Zeitschritt haben, s. Belytschko u. a. [3, Kap. 10.6.3, S. 642]. Ob diese Zeitschritte in einer Berechnung berücksichtigt werden, hängt vom Programm und den Optionseinstellungen ab und soll hier nicht weiter vertieft werden. Die Herleitung des Stabilitätskriteriums kann man sich für den linearen Einmassenschwinger relativ einfach überlegen. Stabilität bedeutet in diesem Sinne, dass die Ergebnisse für alle Zeiten beschränkt bleiben. Setzt man in die lineare homogene ungedämpfte Bewegungsgleichung des Einmassenschwingers 𝑎𝑛 + 𝜔 2 𝑢 𝑛 = 0

mit

𝜔=

𝑐 𝑚

13.3 Explizite Zeitintegration nach dem zentralen Differenzenverfahren

277

den zentralen Differenzenquotienten der Beschleunigung 𝑎𝑛 aus Gl. (13.22) ein, folgt als Differenzengleichung 𝑢𝑛+1 = (2 − (𝜔𝛥𝑡)2 )𝑢𝑛 − 𝑢𝑛−1 . Diese Gleichung kann in eine Iterationsgleichung in Matrixdarstellung umgeformt werden. Dies entspricht einer Fixpunktgleichung, die schon bei der Lösung linearer Gleichungssysteme genutzt wurde, s. Kap. 5.6.2 𝒛𝑛+1 = 𝑨 𝒛𝑛 𝑢𝑛+1 𝑢𝑛 . 2 − (𝜔𝛥𝑡)2 −1 = [ 𝑢𝑛 ] [ 1 0 ] [𝑢𝑛−1 ] Nun kann man Ergebnisse der linearen Algebra heranziehen, die hier nicht weiter erläutert werden können (s. Meister [9, Kap. 4, S. 71]), um eine Bedingung für Stabilität zu erlangen. In diesem einfachen Fall lautet die Aussage, dass das System stabil ist, wenn die Beträge der Eigenwerte 𝜆 der Matrix 𝑨, kleiner oder gleich eins bleiben (man spricht hier vom Spektralradius der Matrix 𝑨) |𝜆| ≤ 1 . Die Eigenwerte folgen aus dem speziellen Eigenwertproblem det (𝑨 − 𝜆𝑰) = 0 durch Bestimmen der Nullstellen des charakteristischen Polynoms 𝜆2 − (2 − (𝜔𝛥𝑡)2 )𝜆 + 1 = 0 . Mit der Abkürzung 𝛼 = (2 − (𝜔𝛥𝑡)2 )/2 folgt unter Beachtung der Lösung der quadratischen Gleichung für die Stabilitätsbedingung: |𝜆| = |𝛼 ± √𝛼 2 − 1| =≤ 1 . Für den Grenzfall 𝜆 = +1 kommt nach Auflösen der triviale Fall 𝜔 = 0 heraus. Für den Grenzfall 𝜆 = −1 folgt 2 𝛼 ± √𝛼 2 − 1 = −1 ⇒ (𝛼 + 1)2 = 𝛼 2 − 1 ⇒ 2 − (𝜔𝛥𝑡)2 = −2 ⟹ 𝛥𝑡 = . 𝜔 Man sieht, dass das oben postulierte Kriterium folgt.

13.3.5 Maßnahmen zur Reduktion der Rechenzeit Um die Rechenzeiten bei expliziter Zeitintegration zu verringern, muss der kritische Zeitschritt 𝛥𝑡krit vergrößert werden. Dies kann durch folgende Maßnahmen erreicht werden, wenn man Gl. (13.28) betrachtet: Netzvergröberung: Eine Diskretisierung mit größeren Elementen führt auf größere charakteristische Längen ℓchar𝑒 und damit auf einen größeren minimal zulässigen Zeitschritt. Allerdings wird dadurch natürlich die Genauigkeit der Lösung negativ beeinflusst, deswegen kann eine Netzvergröberung nur in Maßen erfolgen. Verringerung der Schallgeschwindigkeit: Für die Schallgeschwindigkeit gelten die Formeln nach Tab. 13.2. Daraus kann man folgern, dass man entweder den E-Modul verringern oder die Dichte erhöhen muss, um den kritischen Zeitschritt zu erhöhen. Eine Veränderung des E-Moduls wird üblicherweise nicht vorgenommen, da diese Größe z. B. auch in die Berechnung von Steifigkeiten und Kontaktparametern eingeht und da-

278

13 Zeitintegration von nichtlinearen dynamischen Problemen

mit im Modell unerwünschte Effekte an anderer Stelle erzeugen würde. Als letzte Möglichkeit verbleibt die Veränderung der Dichte eines Elements. Die Veränderung der Dichte wird als Massenskalierung bezeichnet. In kommerziellen Programmen wird aber nicht die Dichte vorgegeben, sondern es wird ein gewünschter minimaler Zeitschritt eingestellt. Im Programm wird geprüft, ob das Element einen kleineren Zeitschritt erzeugen würde und falls ja über Gl. (13.28) eine notwendige Dichte 𝜌𝑒 berechnet, die den gewünschten Zeitschritt erzeugt. Dadurch wird das Ergebnis verfälscht, da dies auch in die Massenmatrix eingeht. Deswegen ist eine Kontrolle der zusätzlich „erzeugten“ Masse am Ende einer Berechnung notwendig. Dies erfolgt durch Betrachtung der Massenerhöhung, die als Ausgabegröße bei eingeschalteter Massenskalierung angefordert werden kann. Die Massenerhöhung sollte nur wenige Prozent betragen und nicht in für die Analyse relevanten Bereichen erfolgen. Durch die Massenerhöhung wird auch die kinetische Energie verändert. Diese sollte man zusätzlich auf Plausibilität prüfen, am besten im Vergleich zur totalen oder inneren Energie. Eine weitere Möglichkeit Rechenzeit zu sparen, ergibt sich bei quasi-statischen Simulationen, wie der Blechumformsimulation (s. Kap. 14.2), indem man in der physikalischen Welt langsam ablaufende Prozesse mit höherer Geschwindigkeit simuliert. Bei der Blechumformung bewegt sich eine Presse z. B. mit durchschnittlich 100 mm/s im Umformbereich. Beträgt der Ziehweg 100 mm wäre die Simulationszeit 𝑡 = 1,0 s. Bei einem Zeitschritt von 𝛥𝑡krit = 1,93 ⋅ 10−7 s aus dem Beispiel bei Tab. A.2, ergäben sich 𝑡/𝑡krit = 5.18 Mio. Zeitschritte. Die Berechnungszeit wäre sehr hoch, bzw. es müsste sehr viel Hardware zur massiv-parallelen Berechnung eingesetzt werden (s. Kap. 14.2.7). Aus diesem Grund kann mit einer 50-fach erhöhten Geschwindigkeit der Bewegung des Systems gerechnet werden. Die Anzahl Zeitschritte reduziert sich proportional und damit ebenfalls die Rechenzeit im gleichen Umfang. Dies ist also ein sehr effektiver Weg, um Rechenzeit zu sparen. Aber auch dadurch wird die Dynamik im System verändert und die kinetischen Energien werden beeinflusst. Deswegen gilt wie oben, diese am Ende der Rechnung zu kontrollieren. Durch die höhere Geschwindigkeit werden die Kontaktkräfte erhöht, da die Durchdringungen pro Zeitschritt erhöht werden, was das Kontaktrauschen (s. Kap. 11.3.2) negativ beeinflusst. Zuletzt muss diese Vorgehensweise noch abgewägt werden, wenn mit einem dehnraten-sensitiven Werkstoff gearbeitet wird, s. Kap. 10.3.6, da eine erhöhte Geschwindigkeit hier ein Materialverhalten vorgaukelt, das bei einer Simulation ohne diese Methode nicht auftreten würde. Dies kann z. B. dadurch behoben werden, dass im Materialmodell ein Faktor vorgegeben wird, der reale und simulierte Geschwindigkeit ins Verhältnis setzt und der in der Berechnung der Dehnratenabhängigkeit berücksichtigt wird.

13.3.6 Dynamische Relaxation Eine Besonderheit bei der Nutzung von expliziten Zeitintegrationsverfahren ist das Aufbringen von (quasi-)statischen Anfangslasten, wie z. B. Deformationen aufgrund von Gewichts- oder Fliehkräften sowie das Vorspannen einer Schraube. Eine Lösung ist, vor dem Beginn der dynamischen expliziten Berechnung einen impliziten statischen Schritt zu rechnen, der das Gleichgewicht für diese Randbedingungen herstellt, sodass der korrekte Anfangszustand der Verzerrungen und Spannungen schon zu Beginn in der dynamischen

13.4 Gegenüberstellung der beiden Zeitintegrationsverfahren

279

Berechnung wirken. Allerdings muss dann die Berechnung gestoppt und neu initialisiert werden, was z. B. bei Kontaktkräften zu Ungenauigkeiten führt. Eine weitere Möglichkeit ist die dynamische Relaxation, die ohne impliziten Löser auskommt. Die dynamische Relaxation ist eine explizite Berechnung in der Dämpfung eingesetzt wird, um die kinetische Energie zu eliminieren und so den quasi-statischen Zustand zu erreichen. Dazu wird eine Dämpfungsmatrix eingeführt, die eine viskose Dämpfungskraft modelliert. Der notwendige Dämpfungsfaktor wird so gewählt, dass möglichst der aperiodische Grenzfall eingestellt wird, sodass möglichst schnell der statische Gleichgewichtszustand erreicht wird. Dieser Dämpfungsfaktor hängt von der niedrigsten und höchsten Eigenfrequenz des betrachteten Systems ab. Details zum Algorithmus finden sich bei Papadrakakis [11]. Mit der dynamischen Relaxation sind einige Einschränkungen verbunden. Der aperiodische Grenzfall gilt nur für lineare Systeme. In nichtlinearen Berechnungen ist dies also nur eine Näherung. Weiterhin kann die Abschätzung des optimalen Dämpfungsfaktors über die extremalen Eigenfrequenzen zu sehr langsamer Konvergenz führen, dies wird z. B. für Schalenmodelle in der Literatur beschrieben.

13.4 Gegenüberstellung der beiden Zeitintegrationsverfahren Abschließend sollen an dieser Stelle die wichtigsten Eigenschaften der expliziten und impliziten Zeitintegrationsverfahren in Tab. 13.3 gegenübergestellt werden. Aus diesen Eigenschaften ergeben sich Anwendungsgebiete, für die die beiden Verfahrenstypen besonders gut geeignet sind. Dies bedeutet nicht, dass das andere Verfahren dort Tabelle 13.3 Eigenschaften expliziter und impliziter Zeitintegrationsverfahren explizit

implizit

Die Gleichgewichtsbedingung bei 𝑡𝑛 + 𝛥𝑡 ist nicht exakt erfüllt.

Die Bewegungsgleichung zum Zeitpunkt 𝑡𝑛 + 𝛥𝑡 wird erfüllt.

Das Verfahren ist nur bedingt stabil. Es gilt das Courant-Kriterium für den maximal zulässigen Zeitschritt.

Unbedingt stabiles Zeitschrittverfahren. Die Zeitschrittgröße ist nicht beschränkt, d. h. es werden große Zeitschritte gewählt.

Es ist kein Gleichungssystem zu lösen (falls 𝑴 als Punktmassenmatrix angegeben werden kann).

Der Vektor der inneren Reaktionskräfte 𝒕 enthält die Unbekannte ⇒ in jedem Zeitschritt ist ein (nichtlineares) Gleichungssystem zu lösen.

i. d. R. Elemente mit linearer Ansatzfunktion

i. d. R. Elemente mit quadratischer Ansatzfunktion

Keine Konvergenzprobleme in nichtlinearen Anwendungen

Handelt es sich um eine unstetige nichtlineare Anwendung, z. B. im Falle sich öffnender oder schließender Kontakte, dann sind kleine Zeitschritte zu rechnen, um Konvergenz zu erhalten.

Rechenzeit je Schritt sehr klein

Sehr rechenintensives Verfahren pro Zeitschritt

Hohe Anzahl an Zeitschritten notwendig

Problemabhängig reichen wenige Zeitschritte aus

280

13 Zeitintegration von nichtlinearen dynamischen Problemen

nicht angewendet werden könnte, es bedeutet in der Regel aber erhöhte Rechenzeiten oder Konvergenzschwierigkeiten bei der Lösung des Problems. Eine Auswahl an Berechnungsfragestellungen expliziter Zeitintegrationsverfahren ist im Folgenden ohne Anspruch auf Vollständigkeit angegeben: • Crashsimulation von Fahrzeugen, Zügen, Flugzeugen, aktive und passive Sicherheit, Airbag- und Rückhaltesysteme, • Falltests, z. B. elektronische oder Haushaltsgeräte, • Explosion, Druckwellenausbreitung, • Materialversagen, Bruchmechanik , • Fluid-Struktur-Interaktion für die Simulation von spanenden Fertigungsverfahren sowie auch Vogelschlag bei Flugzeugen. Aus der Auflistung sieht man, dass die explizite Zeitintegration überall dort vorteilhaft eingesetzt werden kann, wo kleine Zeitschritte problembedingt notwendig sind. Dies ist in der Kurzzeitdynamik der Fall, wo die betrachteten Zeiträume klein sind und wo zur Erfassung stark nichtlinearen Verhaltens mit feiner Zeitauflösung gerechnet werden muss. Aus theoretischer Sicht hat das explizite Verfahren den Nachteil, dass die Erfüllung der Gleichgewichtsbedingung nicht gefordert ist. Aus praktischer Sicht vermeidet man aber damit die bei impliziten Verfahren auftretenden Konvergenzprobleme bei der iterativen Lösung des nichtlinearen Gleichungssystems. Mit diesem Verfahren sind so auch sehr schwierige physikalische oder numerische Problemstellungen berechenbar, wobei es in der Verantwortung des Anwenders liegt, die Sinnhaftigkeit der Ergebnisse zu bewerten. Dies gilt insbesondere bei stoßartigem Kontakt (contact-impact), da durch die hohe Dynamik die Zeitschritte klein gewählt werden müssen, um die unstetigen Verläufe der Kontaktgrößen gut abbilden zu können. Hier geht der Vorteil des unbedingt stabilen impliziten Verfahrens verloren, beliebige Zeitschritte zu erlauben. Unstetige Randbedingungen, die aus dem Kontaktrauschen resultieren, verschlechtern die Konvergenz, was entweder zu erhöhten Rechenzeiten führt oder ganz zum Abbruch führen kann. Das implizite Zeitintegrationsverfahren hat eine weite Verbreitung, unter anderem im Bereich linearer bzw. schwach nichtlinearer („glatter“), lang dauernder transienter Dynamik. Dies umfasst neben der Strukturmechanik ebenso die Bereiche der transienten Wärmeleitung oder des Elektromagnetismus. Ein Überschneidungsbereich existiert bei • quasi-statischen, stark nichtlinearen Problemen der Simulation von Herstellungsverfahren, z. B. der Blech- oder der Massivumformung, • Betriebsfestigkeits- bzw. Lebensdauerberechnung bei stoßartiger Belastung, da hier hochfrequente Anregungsanteile eine Rolle spielen, die bei modaler Dynamik einen großen Aufwand verursachen. In diesen Bereichen können beide Verfahren vorteilhaft eingesetzt werden. Einerseits sind die Zeitschritte aufgrund der Nichtlinearitäten im Materialmodell und der Kontaktbehandlung klein zu wählen. Andererseits sind die Zeitbereiche, in denen das System zu betrachten ist, relativ groß. Zum Beispiel läuft ein Umformvorgang eines Blechs (s. Kap. 14.1) in der Realität im Sekundenbereich ab. Deswegen würde man zunächst ein implizites Verfahren einsetzen. Allerdings sind nichtlineare Materialmodelle zu berechnen bzw. stark

13.6 Literaturverzeichnis

281

nichtlineare Kontaktbedingungen einzuhalten, die den Zeitschritt begrenzen. Für den effizienten Einsatz der expliziten Zeitintegration müssen diese Vorgänge deswegen künstlich beschleunigt werden, um auf annehmbare Berechnungszeiten zu kommen, s. Kap. 13.3.5.

13.5 Aufgaben 13.1. Für einen ungedämpften Einmassenschwinger (Masse 𝑚 = 10 kg, Federsteifigkeit 𝑐 = 1000 N/m) sind das Newmark-𝛽-Verfahren sowie die explizite Zeitintegration nach den Algorithmen 13.1 und 13.3 zu programmieren. Das System wird um 0,1 m aus der Gleichgewichtslage ausgelenkt und aus der Ruhe heraus losgelassen. Die Betrachtungszeit beträgt 10 s.

13.6 Literaturverzeichnis [1]

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282

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13 Zeitintegration von nichtlinearen dynamischen Problemen

E. L. Wilson. Three Dimensional Static and Dynamic Analysis of Structures: 1998. url: http://www.edwilson.org/book/book.htm (besucht am 15. 09. 2019). [14] W. L. Wood. Practical Time-Stepping Schemes. Oxford: Clarendon Press, 1990. [15] P. Wriggers. Nichtlineare Finite-Element-Methoden. Berlin: Springer, 2001. [16] S. R. Wu und L. Gu. Introduction to the Explicit Finite Element Method for Nonlinear Transient Dynamics. Hoboken, New Jersey: John Wiley & Sons Inc, 2012.

Kapitel 14

Blechumformsimulation

Die bisher vorgestellten Inhalte sollen in diesem Kapitel mit dem Programmsystem LSDYNA1 auf die Blechumformsimulation und eine Aufsprungsimulation angewendet werden, sodass der Leser den Zusammenhang zwischen bisher vorgestellter Theorie und praktischer Anwendung erkennt. Dazu wird, wo möglich, auf die Gleichungen der vorherigen Kapitel verwiesen. Die Blechumformung als Beispiel bietet sich an, da sie alle nichtlinearen Effekte, die bisher vorgestellt wurden, enthält. Daneben müssen sowohl dynamischexplizite Zeitintegrations- als auch statisch-nichtlineare Verfahren genutzt werden. Die vorgestellten Vorgehensweisen sind prinzipiell auf andere, ähnliche Simulationsfragestellungen und auch Programmsysteme übertragbar. Von der sehr großen Zahl an Kommandos und Einstellungsmöglichkeiten von LSDYNA können im Rahmen dieses Buchs nur die wichtigsten erläutert werden. Falls der Leser noch keine Kenntnisse von LS-DYNA hat, ist in Anh. B ein kurzer Einstieg angegeben. Es wird empfohlen, diesen zuvor durchzuarbeiten. Im folgenden Abschnitt werden die wichtigsten Grundbegriffe der Blechumformung eingeführt, die für eine Simulation notwendig sind. Für eine umfassende Darstellung zum Thema der Blechumformung sei z. B. auf Birkert, Haage und Straub [5] verwiesen.

14.1 Grundlagen der Blechumformung Die Herstellung von Bauteilen aus Blech durch Umformen findet vielfältige Anwendung in der Automobil- und Verpackungsindustrie sowie in kleineren Serien z. B. auch in der Flugzeugindustrie. Ein Beispiel ist in Abb. 14.1 gezeigt. Die Hauptgründe für die große Verbreitung des Verfahrens liegen in der sehr wirtschaftlichen Herstellung von Großserien und einer gleichzeitig möglichen hohen Bandbreite an Funktionalitäten der Bauteile, z. B. gute Crasheigenschaften bei relativ geringem Gewicht und geringen Kosten. Den geringen Bauteilkosten stehen hohe Investitionskosten in die Fertigungsanlagen und Presswerkzeuge gegenüber. Auch die Zeitaufwände für die Neuentwicklung von 1

LS-DYNA® und LS-PrePost® sind eingetragene Warenzeichen der Firma ANSYS Inc.

Ergänzende Information Die elektronische Version dieses Kapitels enthält Zusatzmaterial, auf das über folgenden Link zugegriffen werden kann (https://doi.org/10.1007/978-3-658-36522-6_14) © Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2022 M. Wagner, Lineare und nichtlineare FEM, https://doi.org/10.1007/978-3-658-36522-6_14

283

284

14 Blechumformsimulation

Abb. 14.1 Türinnenblech als Beispiel für ein Blechteil. Mit freundlicher Genehmigung der BMW Group

Werkzeugen sind erheblich. Um betriebswirtschaftlich konkurrenzfähig zu sein, sind deswegen stabile Fertigungsprozesse von höchster Wichtigkeit, um die geforderten Ziele bezüglich Qualität, Kosten und Zeit einhalten zu können. Ein Stellhebel mit zunehmender Bedeutung ist hierbei die Auslegung des Fertigungsprozesses durch Simulation der gesamten Prozesskette. Zudem werden aufgrund steigender Modellvielfalt, komplexer Geometrien und geringerer Produktlaufzeiten immer höhere Anforderungen an die Simulation gestellt.

14.1.1 Ablauf einer Blechumformung Die Herstellung durch Umformen erfolgt in einem mehrstufigen Prozess auf vier bis sechs hintereinander angeordneten Pressenstufen. Die Form des Bauteils wird im Wesentlichen in der ersten Presse durch eine Kombination aus Streckziehen und Tiefziehen in Formwerkzeugen erzeugt. Beim Streckziehen wird das Blech in Aufnahmen fest eingespannt und dann durch einen Stempel umgeformt. Zunächst wird kein Blech von außen in die Form gezogen, da die Kraft der Aufnahmen die Stempelkraft übersteigt. Die Oberflächenvergrößerung der Platine bedingt deswegen eine Verringerung der Blechdicke. Die damit erreichbaren Ziehtiefen sind vergleichsweise gering. Fährt der Stempel weiter, übersteigt die eingebrachte Kraft die Rückhaltewirkung der Aufnahmen und Blech fließt im Tiefziehvorgang von außen nach. Das Tiefziehen ist durch eine bleibende Formänderung des Werkstücks bei gleichbleibender Dicke der umzuformenden Platine definiert. In den nachfolgenden Pressenstufen werden die Bauteile beschnitten und nachgeformt. Allgemein besteht ein einfaches Werkzeug für die Blechumformung aus drei wesentlichen Bauteilen: Blechhalter, Matrize und Stempel, die in Abb. 14.2 dargestellt sind. Um während der Umformung einen idealen Materialfluss zu erreichen, werden im Flanschbereich der Matrize und des Blechhalters Ziehsicken oder Ziehwulste eingebracht. Diese haben die Aufgabe, die Widerstandskraft gegen das Nachfließen der Platine zu variieren. Die Platine muss während des Ziehvorgangs durch die Sicke gleiten, wodurch die

14.1 Grundlagen der Blechumformung

#MFDI IBMUFS

 4DIMJFŸFO 4UFNQFM

Abb. 14.2 Schnitt durch ein schematisches Tiefziehwerkzeug mit wesentlichen Komponenten in verschiedenen Prozessschritten

285

 &JOMFHFO

 5JFG[JFIFO

;JFI TJDLF

;BSHF

1MBUJOF

.BUSJ[F

'MBOTDI

.BUSJ[FO SBEJVT

notwendige Ziehkraft erhöht wird. Dadurch kann der Materialfluss im gesamten Flanschbereich an die jeweilige Umformung angepasst und Falten im Produkt vermieden werden oder auch mehr Dehnung in das Blech eingeleitet werden. Der schematische Ablauf eines kompletten Umformvorgangs umfasst: a) Zuschneiden der Platine vom Coil: Das Halbzeug wird auf Coils angeliefert und wird auf Schneideanlagen vereinzelt zu Platinen. b) Einlegen der Platine unter Schwerkrafteinfluss: Die Platine wird durch die Mechanisierung in das Werkzeug auf den Blechhalter eingelegt und dabei durch Führungen geleitet. Ist der Blechhalter gekrümmt, biegt sich die Platine infolge ihres Eigengewichts durch, was die Materialvorlage im Werkzeug beeinflusst. c) Blechhalterschließen: Als nächstes schließen sich Matrize und Blechhalter, die Platine wird so fixiert und die Ziehsicken werden ausgeformt. d) Tiefziehen: Dies ist der formgebende Prozessschritt. Die Krafteinleitung erfolgt durch den Kontakt der Werkzeuge mit der Platine und die Rückhaltung durch den Blechhalterdruck und die Ziehsicken. e) Beschneiden: In den folgenden Pressenstufen wird das Ziehteil beschnitten und gelocht. f) Nachformoperationen: Neben dem Beschneiden wird ein Bauteil noch nachgeformt und kalibriert, d. h. die Maßhaltigkeit wird durch eine weitere Formoperation verbessert. Die Nachformoperationen sind notwendig, da beim Tiefziehen kein Hinterschnitt entstehen darf, da sonst das Bauteil nicht entnehmbar ist. Durch Drehen der Lage oder spezielle Werkzeugelemente können diese Geometriedetails in Folgeschritten gefertigt werden. Zu den Nachformoperationen zählt auch das Bördeln bzw. Falzen eines Bauteils. g) Aufsprung: Nach jedem Umformschritt werden die Werkzeuge geöffnet und die gespeicherte elastische Formänderungsenergie wird frei und führt zu einer Formänderung des Bauteils. Dies wird als Aufsprung oder Rücksprung bezeichnet. Diese Schritte sind in einer Blechumformsimulation für die Herstellbarkeitsbewertung nachzubilden, wobei für einfache Teile nur die Schritte 2. bis 4. abgesichert werden. Der Aufwand für die Simulation von Folgeoperationen wächst stark an und wird nur bei komplexen Bauteilen durchgeführt, s. Fleischer [6]. In Tab. 14.1 sind beispielhaft technologische Größen von Großpressen genannt, die für die Simulation relevant sind.

286

14 Blechumformsimulation

Tabelle 14.1 Technologische Größen von Großpressen Kriterium

Wert

Hubzahl

6 bis 24 Hub/min

max. Geschwindigkeit

während der Umformung 100 bis 200 mm/s

Gesamtumformkraft

bis zu 25 MN

Blechhalterkraft

bis zu 7 MN

Ziehtiefe

bis zu 400 mm

Werkzeuggewicht

bis zu 50 t Gesamtgewicht des Ober- und Unterteils eines Ziehwerkzeugs

14.1.2 Mechanische Größen in der Blechumformung Für die Beschreibung der plastischen Formänderung wird in der Blechumformung die in Kap. 9.4 eingeführte logarithmische Verzerrung genutzt, da die Verzerrungen sehr groß werden können. In der Blechumformung wird üblicherweise der Begriff des Umformgrads 𝜑 genutzt (s. Kap. 9.3). Es wird weiterhin davon ausgegangen, dass eine Volumenänderung nur im linearelastischen Verzerrungsanteil auftritt, die plastische Deformation findet ohne Änderung des Volumens durch Abgleiten von Gitterebenen statt. Für einen Quader mit Kantenlängen 𝐵, 𝐻 und 𝑇 in der Referenzkonfiguration folgt damit für zwei Zustände vor und nach einer plastischen Umformung für das Volumen 𝑉 = 𝐵 ⋅ 𝐻 ⋅ 𝑇 = 𝑏 ⋅ ℎ ⋅ 𝑡 = 𝑣, s. Abb. 14.3. Umformen und Logarithmieren liefert die Gleichung für die plastische Volumenkonstanz, s. auch Gl. (10.23): 𝑏 ℎ 𝑡 ln ( ) + ln ( ) + ln ( ) = 𝜑1 + 𝜑2 + 𝜑3 = 0 , 𝑇 𝐵 𝐻 die weite Anwendung findet. Diese Umformgrade entsprechen den Hauptumformgraden, da keine Schubverzerrungen auftreten. Der Umformgrad 𝜑3 wird immer für die Dickenrichtung des Blechs benutzt. In Abb. 14.4 sind charakteristische Verzerrungszustände eines Umformvorgangs dargestellt, aufgetragen über den Hauptumformgraden 𝜑1 und 𝜑2 in der Blechebene. Wie bisher auch sollen die Hauptumformgrade nach der Größe sortiert sein, sodass immer gilt 𝜑1 ≥ 𝜑2 . Im Streckzug sind beide Formänderungen gleich groß (𝜑1 = 𝜑2 ), das Material fließt aus der Dicke. Dies tritt häufig in flachen Bereichen von Bauteilen auf, z. B. in Dächern und Türen. Der reine Tiefzug ist dadurch definiert, dass kein Material aus der Dicke fließt (𝜑3 = 0). In der Ebene wird ein Volumenelement in eine Richtung gedehnt Abb. 14.3 Deformation eines Quaders zur Herleitung der Volumenkonstanz

ভ ь ি



ে ৘ ω

14.1 Grundlagen der Blechumformung

287

FCFOFS 7FS[FSSVOHT[VTUBOE 5JFG[VH

౯3 > 1 Ќ ౯4 > ҃౯2

౯3 > ҃౯2 Ќ ౯4 > 1

FJOBDITJHFS ;VH

4USFDL[VH

౯3 > ҃ 23 ౯2

౯3 > ౯2 Ќ ౯4 > ҃3౯2

Ќ ౯4 > ҃ 23 ౯2 ౯2

FJOBDITJHFS %SVDL

(',

౯3 > ҃3౯2 Ќ ౯4 > ,౯2

  



 

OH

V JDL

H VO

OO

VOEFंOJFSU EB ౯3 ? ౯2



T "V

GE "V

౯3

Abb. 14.4 Verzerrungszustände im ebenen Spannungszustand eines Blechs bei Volumenkonstanz

und in die Querrichtung gestaucht. Dazu sind entsprechende Zug- und Druckspannungen notwendig. Überschreitet die Druckspannung einen Grenzwert, kann es zu Faltenbildung kommen. Dieser Zustand tritt im Flansch bei einem Ziehvorgang auf. Aus diesem Grund wird der Blechhalter eingesetzt, der Druckspannungen in vertikaler Richtung aufbringt. Einachsiger Zug ist durch gleichmäßiges Nachfließen des Materials aus Breiten- und Dickenrichtung charakterisiert (𝜑2 = 𝜑3 ) und kann sich an freien gekrümmten Rändern einer Platine ergeben. Der ebene Verzerrungszustand ist versagenstechnisch besonders kritisch, da er durch Absperren der Breitenrichtung gekennzeichnet ist (𝜑2 = 0), Material kann nur aus der Dicke fließen. Dies tritt im Zargenbereich eines Bauteils auf. Aus der Volumenkonstanz folgt, dass Verzerrungszustände auf Linien parallel zum Tiefzug 𝜑1 = −𝜑2 , d. h. 𝜑3 = 0 eine konstante Blechdicke anzeigen. Zur Verdeutlichung der unterschiedlichen Verzerrungszustände sind in Abb. 14.4 für jeden Zustand ein Kreis im Dehnungsraum (𝜑1 , 𝜑2 ) im Ausgangszustand dargestellt, der durch die jeweilige Belastung in die gezeigten Ellipsen deformiert wird.

14.1.3 Materialmodellierung bei Blechwerkstoffen Das wesentlichste Element für eine Blechumformsimulation ist die Beschreibung des Materialverhaltens, s. Kap. 10 für die im Folgenden genutzten Begrifflichkeiten. Die Fließre-

288

14 Blechumformsimulation

Abb. 14.5 Schematische Darstellung der Fließkurve in wahren Spannungen und logarithmischen Dehnungen (Umformgrad). Gestrichelt die Kurve in Ingenieurgrößen aus Abb. 10.1

౬'

'MJFŸLVSWF

ঽN

౬'1 ౯ > ౞) QM ౯H

gel entspricht dem in Kap. 10.3.2 Gesagten, auf die Fließbedingung wird in Kap. 14.1.3.1 eingegangen. Das Verfestigungsverhalten wird, wie in Kap. 10.2 beschrieben, über den Zugversuch ermittelt. Die Beziehung zwischen wahren Spannungen und dem Umformgrad wird in der Fließkurve angegeben, s. Abb. 14.5 und Abb. 10.2. Häufig werden die Spannungen der Fließkurve mit 𝑘f angegeben und als Fließspannungen bezeichnet. Um eine konsistente Notation zum Kap. 9 zu erhalten, wird hier weiter 𝜎F benutzt. Zu beachten ist, dass keine elastischen Verzerrungsanteile im Umformgrad enthalten sind, s. Siegert [11, Kap. 1.3.3]. Für den Einsatz in der Simulation sind Fließkurven für höhere Umformgrade notwendig als experimentell ermittelbar, da die plastische Vergleichsdehnung auch bei wechselnder Belastung immer weiter steigt, s. Kap. 10.2. Um diesen Bereich abzudecken, sind verschiedene Extrapolationsformeln in Verwendung, die in Tab. 14.2 aufgelistet sind, s. Birkert, Haage und Straub [5, Kap. 3.3]. Im Wesentlichen werden Potenz- oder Exponentialfunktionen genutzt. Der 𝑛-Wert in den Potenzansätzen erlaubt eine Aussage über die Verfestigung und Beulfestigkeit eines Werkstoffs. Es ist zu beachten, dass sich der Wert während der Verformung ändert. Die Koeffizienten 𝑛 und 𝑐 der Hollomon-Approximation können durch Kennwerte aus dem Zugversuch ausgedrückt werden. Dazu ist unter Annahme von Volumenkonstanz und Gl. (9.9) zunächst der Zusammenhang zwischen infinitesimaler und logarithmischer Dehnung anzugeben: 𝑡 𝐻𝐵 𝐴 = = . 𝑇 ℎ𝑏 𝑎

𝑒𝜑 = 𝜀 + 1 =

Damit kann man die Nominalspannung in Abhängigkeit von 𝑛 und 𝑐 auszudrücken: Tabelle 14.2 Extrapolationsfunktionen für Fließkurven Benennung

Funktion

Bemerkung

Hollomon

𝜎F = 𝑐𝜑𝑛

Potenzansatz, Verfestigungsexponent 𝑛 als konstant angenommen

Ludwik

𝜎F = 𝜎F0 + 𝑐𝜑𝑛

Potenzansatz erweitert um initiale Fließspannung

Swift

𝜎F = 𝑐(𝜑̄ + 𝜑)𝑛

Hockett-Sherby

𝜎F = 𝜎F∞ − (𝜎F∞ − 𝜎F0 )e−𝑚𝜑

𝜑̄ verschiebt die Fließkurve auf der Abszisse 𝑝

Exponentialansatz, Kurve geht für 𝜑 → ∞ gegen 𝜎F∞

14.1 Grundlagen der Blechumformung

289

𝑃 =

𝐹 𝑎 = 𝜎F = 𝑐𝜑𝑛 𝑒−𝜑 . 𝐴 𝐴

Bei der Gleichmaßdehnung 𝜑g durchläuft 𝑃 ein Maximum, s. Abb. 10.1 und damit ist die Ableitung dort null. Dies führt auf d𝑃 −𝜑g = 𝑐𝑛𝜑𝑛−1 − 𝑐𝜑𝑛g 𝑒−𝜑g ≡ 0 g 𝑒 d𝜑 |𝜑



𝑛 = 𝜑g = ln(𝐴g + 1) .

g

Der Verfestigungsexponent entspricht der Gleichmaßdehnung, wenn man exponentielle Verfestigung annimmt. Der Wertebereich des 𝑛-Wertes liegt bei 0,15 < 𝑛 < 0,3. Die Hollomon-Approximation sollte erst ab Werten 𝜑 > 0,01 genutzt werden, da für 𝜑 = 0 die Spannung zu null folgen würde. Um dies zu beheben, wird bei der SwiftExtrapolation die Kurve verschoben, sodass bei 𝜑 = 0 für die Spannung 𝜎F = 𝜎F0 gilt. Auch der Faktor 𝑐 kann anders ausgedrückt werden. Bei der Gleichmaßdehnung 𝜑g tritt die maximale Kraft 𝑓max auf. Für die Fließspannung gilt deswegen 𝜎F (𝜑g ) =

𝑓max 𝑓 𝐴 = max = 𝑅𝑚 𝑒𝜑g ≡ 𝑐𝜑𝑛g 𝐴(𝜑g ) 𝐴 𝐴(𝜑g )

𝑒 𝑛 𝑐 = 𝑅𝑚 ( ) . 𝑛



14.1.3.1 Beschreibung der Anisotropie und der Fließbedingung Metall ist ein polykristallines Material. Jeder Kristall hat unterschiedliche Eigenschaften in verschiedene Richtungen. In einem Realkristall sind die Kristallite regellos orientiert, weshalb Metall makroskopisch als quasi-isotrop erscheint. Bearbeitungsschritte wie Gießen, Wärmebehandlung oder der Walzprozess bei der Blechherstellung verursachen eine Vorzugslage, die sogenannte (Walz-)Textur und es entsteht anisotropes Verhalten. Diese wird bei Blech über den r-Wert charakterisiert. Die senkrechte bzw. transversale Anisotropie ist definiert als 𝜑 ln(𝑏/𝐵) 𝑟= 2 = 𝜑3 ln(ℎ/𝐻) und beschreibt das unterschiedliche Dehnungsverhalten in Breiten- und Dickenrichtung, s. Abb. 14.6. Für: • 𝑟 < 1 erfolgt der Materialfluss vorwiegend aus der Dicke. Dies tritt bei hochfesten Stählen, Edelstählen und Aluminium auf. Deswegen sind die Werkstoffe umformtechnisch schwierig. • 𝑟 = 1 ist der Werkstoff quasi-isotrop. Dies tritt bei hochfesten Stählen auf. • 𝑟 > 1 haben Materialien ein hohes Umformvermögen. Der Materialfluss erfolgt vorwiegend aus der Breite und nicht der Dicke. Ein hoher 𝑟-Wert reduziert auch die Faltenbildung. Abb. 14.6 Erfassung der Walzanisotropie über den rWert an einem Querschnitt eines Blechstreifens

౯3 ৖=2

౯4 ৖>2

৖?2

290

14 Blechumformsimulation

Wegen der Walztextur ist der r-Wert in der Blechebene nicht konstant. Deswegen werden zur Werkstoffcharakterisierung Zugproben in Walzrichtung (0°), unter 45° und 90° untersucht und jeweils der r-Wert bestimmt. Experimente zeigen, dass unter diesen Winkeln oft die extremalen Werte auftreten. Dies ist allerdings nicht für jeden Werkstoff identisch, s. Siegert [11, Kap. 1.5, S. 33]. Zur Beschreibung der senkrechten Anisotropie mit diesen Werten wird die mittlere senkrechte Anisotropie 𝑟𝑚 =

𝑟0 + 2𝑟45 + 𝑟90 4

definiert. Der 𝑟45 Wert tritt zweimal auf, da die 135°-Probe nicht gesondert untersucht wird. Eine weitere Kenngröße, die die ebene bzw. planare Anisotropie beschreibt, ist 𝛥𝑟 =

𝑟0 − 2𝑟45 + 𝑟90 . 2

Durch die unterschiedlichen r-Werte in der Ebene fließt das Blech nicht aus jeder Richtung gleich nach. Dies führt z. B. beim Ziehen eines runden Napfs dazu, dass alle 90° Überstände („Zipfel“) stehen bleiben, wenn 𝑟0 ≈ 𝑟90 , aber 𝑟45 z. B. viel kleiner ist. Wenn 𝛥𝑟 > 0, bilden sich Zipfel in 0°- und 90°-Richtung, da dann einfacher Material aus der 45°Richtung fließt, da hier der Widerstand gegen Dickenabnahme kleiner ist. Wenn 𝛥𝑟 < 0 dann formen sich Zipfel unter 45°. Das Ziel ist ein planar-isotroper Werkstoff mit 𝛥𝑟 = 0. Der r-Wert wird mit dem Zugversuch ermittelt. Er ist über der plastischen Dehnung veränderlich. Deswegen wird der Wert für eine eindeutige Angabe bei einer Dehnung von 20 % ermittelt, analog zur Streckgrenze in Kap. 10.2, s. Klocke [7, Kap. 2.7.1.1, S. 86]. Da die Dickenrichtung schwer zu messen ist, wird aus der plastischen Längs- und Querdehnung die plastische Querdehnungszahl 𝑞 = 𝜑2 /𝜑1 berechnet. Unter Annahme von Volumenkonstanz folgt: 𝜑2 𝜑 𝑞 =− . 𝑟= 2 =− 𝜑3 𝜑1 + 𝜑2 1+𝑞 Die Anisotropie hat einen erheblichen Einfluss auf die Fließortfläche eines Blechwerkstoffs. Als Beispiel soll die am weitesten verbreitete Fließbedingung für Tiefziehbleche vorgestellt werden, die von Hill 1948 veröffentlicht wurde (s. Siegert [11, Kap. 9.1.2, S. 313]) und häufig als Hill 48-Kriterium bezeichnet wird. Im Hauptspannungssystem lautet es: 𝑟0 𝑟0 1 (𝜎1 − 𝜎2 )2 + (𝜎 − 𝜎1 )2 = 𝜎F0 2 . (𝜎2 − 𝜎3 )2 + 1 + 𝑟0 𝑟90 (1 + 𝑟0 ) 1 + 𝑟0 3 In der Blechumformung wird üblicherweise ein ebener Spannungszustand mit 𝜎3 = 0 angenommen. Gilt zusätzlich planare Isotropie (𝑟 = 𝑟0 = 𝑟90 ), folgt 1 (𝑟(𝜎1 − 𝜎2 )2 + 𝜎12 + 𝜎22 ) = 𝜎F0 2 . 1+𝑟 Dieses Kriterium ist in Abb. 14.7 für verschiedene r-Werte dargestellt. Man sieht, dass für 𝑟 > 1 im Streckzugbereich (beide Hauptspannungen > 0) höhere Spannungswerte für plastisches Fließen notwendig sind als bei isotropem Verhalten und für 𝑟 < 1 geringere. Umgekehrt liegen die Verhältnisse im Tiefzugbereich. Für 𝑟 = 1 entspricht das Hill48-Kriterium

14.1 Grundlagen der Blechumformung Abb. 14.7 Einfluss der Anisotropie auf den Fließort Hill 48 am Beispiel des rWerts bei Blech. In Grün die zugehörigen Richtungen der Dehnungsinkremente bei assoziativer Plastizität (s. Abb. 14.4 und Kap. 10.3.2)

291

౬3 ౬'1

৖?2 ৖=2 ౬'1 ౬2

der Gestaltänderungsenergiehypothese aus Kap. 10.3.1.2. In Abb. 14.7 sind ebenfalls die zugehörigen Richtungen der Dehnungsinkremente bei assoziativer Plastizität und die Dehnungszustände aus Abb. 14.4 dargestellt. Ein solches Kriterium wird in einem FE-Programm genutzt, um den aktuellen Zustand jedes Materialpunkts zu bestimmen. Neben dem genannten Kriterium gibt es eine Vielzahl weiterer Kriterien, die teilweise für spezielle Anwendungen oder Werkstoffe zugeschnitten sind. Einen Überblick gibt Banabic [1].

14.1.4 Herstellbarkeitsbewertung und Versagensarten Ein wichtiger Aspekt bei der Simulation der Blechumformung ist die Bewertung der Herstellbarkeit bzw. des Versagens. Zu den Versagensmechanismen zählen: • Einschnürungsbeginn: starke lokale Blechdickenveränderung. • Riss: durch Trenn- oder Scherbruch. • Faltenbildung: durch tangentiale Druckspannungen im Flanschbereich (Falten 1. Ordnung) oder in Bereichen freier Umformung (Falten 2. Ordnung). Zur Vermeidung von Falten können Rückhaltekräfte zur Beeinflussung des Materialflusses erhöht werden. • Rückfederung: ist abhängig vom Anteil der elastischen Verformung und damit von Elastizitätsmodul und Streckgrenze des verwendeten Werkstoffs, s. Kap. 14.3. • Oberflächendefekte: z. B. Dellen, Beulen durch äußere Einwirkung sowie Einfallstellen aufgrund ungleichmäßiger Rückfederung infolge inhomogener Spannungsverteilung.

14.1.4.1 Bewertung der Einschnürung mittels Grenzformänderungsdiagramm Der grundlegende Versagensmechanismus ist die Einschnürung bzw. der Riss. Für eine Bewertung wird in der Praxis und der Simulation eine Formänderungsanalyse durchge-

292

14 Blechumformsimulation

führt. Dazu wird ein Messraster auf das Blech aufgebracht und die Umformung durchgeführt. Das deformierte Raster wird mit dem Ausgangszustand verglichen und unter Annahme eines Membranzustands können daraus die Hauptdehnungen 𝜑1 und 𝜑2 in der Blechebene berechnet werden. Die dritte Hauptdehnung ergibt sich aus der Volumenkonstanz. Die Messpunkte werden in das Grenzformänderungsdiagramm (GFD), (Forming Limit Diagram (FLD)) eingetragen und mit einer Grenzformänderungskurve (GFK) (Forming Limit Curve (FLC)) verglichen, die den Beginn der Einschnürung für den gegebenen Dehnungszustand darstellt. Schematisch ist eine GFK in Abb. 14.4 eingezeichnet. Ein Beispiel für eine Bewertung einer Simulation mit einer gemessenen GFK zeigt Abb. 14.15. Die Lage der GFK wird wesentlich durch den n-Wert (siehe Kap. 10.3.3) und die Blechdicke bestimmt. Das GFD gilt nur für proportionale, d. h. lineare, Dehnwege, für die sich das Verhältnis 𝜑1 /𝜑2 während der gesamten Umformung nicht verändert. Dies tritt in einer realen Umformung selten auf, deswegen ist die Bewertung mittels GFD immer mit Unsicherheiten behaftet. Weiterhin wird ein reiner Membranzustand angenommen, sobald Biegeeffekte dazukommen, weicht das Ergebnis ebenfalls ab. Man erkennt an der GFK in Abb. 14.4, dass der ebene Verzerrungszustand für 𝜑2 = 0 (Plain-strain) den kritischsten Punkt markiert. Hier fließt Material ausschließlich aus der Dicke. Einschnürungen und Risse stellen sich häufig in diesem Dehnungszustand ein. Grenzformänderungskurven lassen sich sowohl numerisch-empirisch z. B. mit Hilfe der Marciniak-Kuczynski-Versagenstheorie auf Basis von Kennwerten aus dem Zugversuch angeben als auch experimentell gewinnen. Hierfür gibt es eine Reihe von Versuchen nach Erichsen, Nakajima, Hasek sowie Marciniak. In der Praxis findet der Nakajima-Test nach DIN EN ISO 12004 wohl die breiteste Anwendung, s. Siegert [11, Kap. 1.9]. Bei der Durchführung eines Nakajima-Versuchs wird eine Blechplatine des zu überprüfenden Werkstoffs durch einen halbkugelförmigen Stempel bis zum Versagen umgeformt. Zur Ermittlung der GFK müssen bestimmte Belastungszustände erzeugt werden. Dies wird durch spezielle Probengeometrien der Blechplatine erreicht. In Messungen ist das Minimum der Kurve oft nicht exakt bei 𝜑2 = 0, wie Abb. 14.15 zeigt, obwohl dies theoretisch so sein müsste. Eine Erklärung findet sich bei Birkert, Haage und Straub [5, Kap 3.7.3.2, S. 176] und liegt darin begründet, dass im Experiment anfänglich ein nichtproportionaler Dehnpfad vorliegt, der das Minimum verschiebt. Die Erfassung der Dehnungszustände der Blechmatrize wird optisch durchgeführt. Dazu wird auf die Probe ein (stochastisches) Muster aufgebracht, welches durch ein optisches Messgerät während des Umformvorgangs erfasst wird. Zu Beginn der Einschnürung werden aus der Deformation des Musters die Hauptdehnungen berechnet, die dann einen Punkt der GFK wiedergeben. Gegenstand der Forschung ist, wie im Experiment der Beginn der Einschnürung bestimmt wird (Volk und Hora [12]).

14.2 Explizite Simulation des Tiefziehens In diesem Kapitel wird der Aufbau eines Simulationsmodells einer Blechumformung als Beispiel einer komplexen nichtlinearen FE-Berechnung beschrieben. Die Vorgehenswei-

14.2 Explizite Simulation des Tiefziehens

293

se zur Modellierung einer Umformsimulation sowie die zum Lösen der Problemstellung notwendigen Keywords werden dabei schrittweise erläutert und in Auszügen aufgezeigt2 . Prinzipiell muss eine Blechumformsimulation jeden Prozessschritt aus Kap. 14.1.1 der realen Fertigung nachbilden. Die wesentlichsten Formänderungen erfolgen dabei in der ersten Stufe der Presse beim Tiefziehen: a) Zuschneiden der Platine vom Coil: Die lokalen Veränderungen durch die Materialtrennung können großen Einfluss auf die Herstellbarkeit und Funktionalität eines Bauteils haben, werden aber in der Simulation i. d. R. nicht berücksichtigt. Eine der Besonderheiten von LS-DYNA ist es, dass man mit Hilfe einer vorzugebenden Beschnittlinie Elemente trennen kann, es wird also der weggeschnittene Teil gelöscht, und zwar ohne Eigenschaftsänderungen der umliegenden Elemente. Dies spiegelt die Realität nur bedingt wider, allerdings sind die lokalen Änderungen mit den aktuellen Elementgrößen nicht erfassbar. b) Einlegen der Platine unter Schwerkrafteinfluss: Simulativ wird dieser Schritt durch eine statische oder dynamisch-implizite Berechnung abgebildet mit der Schwerkraft als Volumenlast. Durch große Inkremente bzw. Zeitschritte kann viel Rechenzeit eingespart werden im Vergleich zu einer expliziten Berechnung. c) Blechhalterschließen: Dieser Schritt wird üblicherweise mit expliziter Zeitintegration berechnet. Um unrealistische Faltenbildung im Blech durch die stark überhöhte Verfahrgeschwindigkeit der Werkzeuge und damit in die Platine eingebrachte Schwingungen zu reduzieren, wird mit einer Geschwindigkeit von 1000 − 2000 mm/s gefahren. d) Tiefziehen: Dieser Berechnungsschritt wird explizit gerechnet mit einer Verfahrgeschwindigkeit die deutlich höher als beim Blechhalterschließen ist. Die Platine hat in weiten Bereichen flächigen Kontakt mit den Werkzeugflächen, sodass erhöhte Dynamik wenig Einfluss auf das Umformergebnis hat. Dies gilt nicht, wenn im weiteren Verlauf der Aufsprung berechnet werden soll, da es hier auf den Spannungszustand ankommt. Eine Besonderheit beim Tiefziehen ist die Berücksichtigung von Ziehsicken, die entweder über Linienkräfte in einer speziellen Kontaktformulierung eingebracht werden oder tatsächlich geometrisch abgebildet werden, s. unten. e) Beschneiden: hier gilt dasselbe wie beim Zuschneiden. f) Nachformoperationen: Die Umformungen der bereits deformierten Platine sind hier teils erheblich, sodass auch hier die Herstellbarkeit simulativ bewertet werden muss (s. Fleischer [6]). Methodisch unterscheidet sich die Herangehensweise nicht prinzipiell vom Schritt des Tiefziehens. Der Modellaufbau kann erschwert sein, da komplizierte räumliche Bewegungen vorzugeben sind. Auch Elementgrößen und numerische Parameter müssen ggf. an die erhöhten Anforderungen angepasst werden. g) Aufsprung: Da nur der Endzustand von Interesse ist, wird hier wieder eine statischimplizite Berechnung durchgeführt. Details werden in Kap. 14.3 erläutert. Zwischen den einzelnen Pressenstufen wird das Bauteil durch Greifer entnommen und transportiert. Dieser Vorgang wird üblicherweise simulativ nicht betrachtet. In einer Umformsimulation wird oftmals das Einheitensystem t, mm, s → N, MPa gewählt. Alle folgenden Größen beziehen sich auf dieses Einheitensystem. 2

Eine Kommandodatei für die hier genutzten Keywords und Einstellungen findet sich im elektronischen Zusatzmaterial zum Buch. Die Bilder in Kap. 14.2.8 sind basierend auf dieser Kommandodatei mit der LS-DYNA SMP-SP-Version R12.0.0 Rev 148931 erzeugt worden.

294

14 Blechumformsimulation

14.2.1 Beispielmodell Als Beispiel wird ein bekanntes Benchmark-Werkzeug genutzt, s. Abb. 14.8, das erstmalig auf der Numisheet Konferenz 1996 ([8]) vorgestellt wurde und aufgrund seiner Form den Namen S-Rail trägt. Diese Form ist einerseits einfach aufgebaut, enthält aber alle charakteristischen Eigenschaften von Tiefziehteilen. Als Erweiterung soll hier auch noch eine Ziehsicke in das Modell aufgenommen werden, die ursprünglich nicht enthalten war, um alle Inhalte, die für eine grundlegende Umformsimulation notwendig sind, demonstrieren zu können. Das S-Rail besteht aus einer oben angeordneten Matrize, die nach unten gegen den feststehenden Stempel verfahren wird mit einer gegenüber der Realität erhöhten Geschwindigkeit von 𝑣 = 5000 mm/s. Dies dient der Reduktion der Rechenzeit, s. Kap. 13.3.5. Gleichzeitig wird der ebene Blechhalter mit einer Kraft von 𝐹 = 0,2 MN nach oben beaufschlagt, die dazu dient, Faltenbildung im Blech zu minimieren. Das Modell weist eine der Geometrie angepasste Platine auf. Da der Blechhalter eben ist, wird auf die Berechnung des Einlegens der Platine unter Schwerkrafteinfluss sowie das Blechhalterschließen verzichtet. Entsprechend dem Aufbau in Anh. B.2 werden zuerst Kontrollkarten, dann die Ausgabesteuerung, die Bauteile mit Kontakten und zuletzt die Randbedingungen definiert.

14.2.1.1 Netzerzeugung In Abb. 14.8 ist das bereits fertig diskretisierte FE-Netz dargestellt. Wie in Abb. 1.3 dargestellt, beginnt man mit CAD-Flächen, die geeignet zu vernetzen sind. In der Blechumformung wird üblicherweise für die Werkzeuge nicht mit 3-D-Körpern gearbeitet, da angenommen wird, dass sie als starre Körper modelliert werden können. Damit kann man vereinfachend nur die 2-D-Wirkflächen der Werkzeuge betrachten, die mit dem umzuformenden Blech in Berührung kommen. Diese Wirkflächen werden in der Methodenkonstruktion entwickelt (Birkert, Haage und Straub [5, Kap. 8.1.4]) und sind die Ausgangsgrößen einer Abb. 14.8 Explosionszeichnung des S-Rail als Beispielmodell einer Umformsimulation. Bauteile: Platine, Stempel, Matrize, Blechhalter. Ziehsickenlinien sind nicht dargestellt

14.2 Explizite Simulation des Tiefziehens

295

Blechumformsimulation. Es wird nur eine Seite der Werkzeuge konstruiert und die in der Realität auf der anderen Seite liegenden Werkzeugteile werden durch einen geometrischen Absatz (offset) daraus erzeugt, der aber üblicherweise in der Vernetzung und nicht in den CAD-Flächen vorgenommen wird. Die Platine wird unter Optimierung des Materialeinsatzes als Linienzug in der Methodenentwicklung ermittelt. Der Präprozessor LS-PrePost stellt Funktionen für die Vernetzung solcher ebener Linienzüge in Schalennetze bereit. Dabei ist es besonders wichtig, dass in den umgeformten Bereichen der Platine möglichst quadratische Elemente liegen, wohingegen der Rand im Abfallbereich liegt und die Ergebnisqualität dort weniger wichtig ist. Deswegen wird das Platinennetz erzeugt, indem eine quadratische Ebene vernetzt wird und der Rand dann mit den bereits oben erwähnten Beschnittalgorithmen an die Platinenberandung angepasst wird. Dort entstehen dann u. U. kleine und dreieckige Elemente, die aber i. d. R. keine Rolle spielen. Es ist zu beachten, dass diese den Zeitschritt beeinflussen, da er über das kleinste deformierbare Element bestimmt wird, s. Kap. 13.3.5. Die Vernetzung der Werkzeuge unterliegt anderen Anforderungen. Die Werkzeuge sind starr und dienen nur als Kontaktflächen. Deshalb spielt eine möglichst regelmäßige Vernetzung, die für eine FE-Berechnung essenziell ist, hier keine Rolle und es können in flachen Bereichen sehr große Elemente benutzt werden. Um allerdings eine gleichmäßige Verteilung der Kontaktkräfte beim Ziehen des Blechs über Radien und gekrümmte Oberflächen an den Werkzeugen zu erhalten, sind diese Geometrieteile mit vielen Elementen zu versehen. Die Netze sehen also völlig anders aus, als man es von gewöhnlichen FEMNetzen kennt, s. z. B. die Matrize in Abb. 14.8. Deswegen ist die Nutzung eines weiteren speziellen Vernetzers erforderlich, der in der Lage ist eine krümmungsabhängige Vernetzung vorzunehmen. Üblicherweise muss man bei diesen Vernetzern die maximal und minimal zulässigen Elementgrößen angeben sowie einen maximal zulässigen Knickwinkel zwischen benachbarten Elementen. Um eine übersichtlichere Darstellung der Bauteile zu erhalten, sollte eine standardisierte Nummerierung aller Objekte in einer Kommandodatei eingeführt werden, zumindest aber der Bauteile, Knoten und Elemente in der Inzidenztabelle. Da durch übliche Vernetzer die Knoten- und Element-IDs eine fortlaufende Nummerierung erhalten und daher eine genaue Zuordnung der Knoten zu den entsprechenden Bauteilen bei sehr großen Modellen nicht mehr einfach erkennbar ist, ist die (Fehler-)Analyse eines Modells ohne ein solches Schema erschwert. Ein mögliches Nummerierungsschema für die Komponenten mit ihren zugehörigen Bauteil-, Element- und Knoten-IDs ist in Tabelle 14.3 dargestellt. EntspreTabelle 14.3 Standardisierte Nummerierung der Modellkomponenten Bauteil

Teilenummer PID

Element-/Knoten -startnummer NID

Section-ID SID

Material-ID MID

Platine

100

1.000.000

100

100

Matrize

200

2.000.000

200

200

Stempel

300

3.000.000

300

300

400

400

Blechhalter

400

4.000.000

Ziehsicken

900

9.000.000

296

14 Blechumformsimulation

chend werden weiter dazukommende Bauteile in 100er Schritten nach oben gezählt und analog die Element-/Knotennummern angepasst. Die großen Abstände werden gewählt, damit bei Veränderung des Modells auf jeden Fall genug Platz im Indexbereich ist, um alles unterzubringen, ohne das Nummerierungsschema zu verletzen.

14.2.1.2 Erzeugung eines Offsets Zunächst liegt nach der Werkzeugvernetzung nur das Netz für eine Seite vor, in unserem Fall die Matrize. Die Gegenseite ist noch zu erzeugen. Die Werkzeuge Stempel und Blechhalter werden nun durch Kopieren bei gleichzeitiger Radienveränderung daraus erzeugt (Offsetieren). Diese Netze sind vom Aufbau identisch mit dem Ausgangsnetz. Der Offset ist notwendig, damit das Blech zwischen die Werkzeuge passt, s. Abb. 14.2. Der Offsetabstand ist die Blechdicke plus ein Sicherheitsabstand, der z. B. 0,1 mm sein kann, um Kontaktdurchdringungen durch das facettierte Netz zu vermeiden. Aufwendig kann bei der Offsetbildung die Auswahl der Teilbereiche des Ausgangsnetzes sein, die offsetiert werden sollen, da z. B. der Stempel nur ein Teilbereich ist. Gegebenenfalls ist es einfacher den Offset in den CAD-Flächen vorzunehmen; dann sind aber alle Flächen unabhängig zu vernetzen und sind topologisch nicht identisch, mit der Gefahr, dass Kontaktdurchdringungen auftreten können. Weiterhin ist die Richtung, in die der Offset gemacht wird, zu beachten. Dafür ist es notwendig zu wissen, welche Fläche das CAD-Modell darstellt, die Stempel- oder die Matrizenseite, die sich durch die Blechdicke unterscheiden, s. Abb. 14.9. Dies spielt in Radien eine große Rolle. Soll z. B. eine Charakterlinie eines Fahrzeugaußenteils einen sichtbaren Radius von 5 mm aufweisen und die Blechdicke beträgt 1 mm, dann ist der Radius innen am Blech nur noch 4 mm. Üblicherweise werden Außenhautteile mit der Matrizenseite konstruiert, da dies die sichtbare Oberfläche ergibt. Strukturteile sind oft stempelseitig konstruiert, um die kleinsten Radien in der Konstruktion zu haben. Sind die Werkzeugnetze nicht zusammenhängend, sollte unbedingt geprüft werden, dass alle Normalen der Ausgangssegmente auf eine Seite zeigen, damit der Offset richtig berechnet werden kann. Abb. 14.9 Geometrische Größen bei der Offsetierung

৖.BUSJ[F ৒ή.BUSJ[F

৖4UFNQFM 0ँTFUBCTUBOE #MFDIEJDLF 4QBMU

14.2 Explizite Simulation des Tiefziehens

297

14.2.1.3 Positionierung der Werkzeuge Nach dem Offset befinden sich alle Werkzeuge in der Position, in der die Werkzeuge in Realität geschlossen sind, dies wird als unterer Totpunkt (UT) bezeichnet. Um die Umformsimulation zu starten, müssen die Werkzeugflächen zur Platine nun noch so auseinandergefahren werden, dass der Pressenhub virtuell durchgeführt werden kann. Um möglichst wenig Rechenzeit zu benutzen, werden die Werkzeuge zu Beginn der Simulation möglichst nahe zum Blech positioniert, aber ohne, dass Durchdringungen auftreten. Dies ist im hier gewählten Beispiel kein Problem, kann aber durch die facettierte Geometrieabbildung mit linearen Segmenten bei Nachformoperationen, wo mit einer bereits deformierten Platine gearbeitet werden muss, schwierig sein. Das Blech liegt nach der Lagebestimmung in der Spaltmitte zwischen Blechhalter und Matrize und hat zu jedem der Werkzeuge jeweils einen kleinen weiteren Sicherheitsabstand von z. B. 0,01 mm, um jegliche Durchdringungen zu vermeiden. Für die Positionierung gibt es auch wieder verschiedene Möglichkeiten. Im hier vorliegenden Fall kann man den zu verfahrenden Weg an der Matrize messen, indem man den tiefsten und höchsten Punkt nimmt. Dies geht hier besonders gut, da es horizontale, d. h. senkrecht zur Bewegungsrichtung stehende, Flächen gibt. In stark gekrümmten Flächen kann das Messen schwieriger sein. Präprozessoren für Blechumformung bieten deshalb auch Algorithmen, die solche schwierigeren Fälle automatisch positionieren. Zuletzt gibt es in LS-DYNA noch die Möglichkeit, über ein spezielles Keyword eine automatische Positionierung vorzunehmen, dies soll hier aber nicht weiter erklärt werden. Wesentlich bei allen drei Herangehensweisen ist, dass als Ergebnis der minimale Verfahrweg 𝑢Hub herauskommt. Die Werkzeuge sind dann um diesen Weg auseinander zu fahren, entweder im Präprozessor oder durch spezielle Keywords. Die Platine ist ebenfalls durch Verschieben genau in die Mitte zwischen die oben und unten liegenden Werkzeuge zu positionieren. Der Verfahrweg wird in Kap. 14.2.6.2 noch dafür benutzt, die Verfahrkurven als Randbedingungen zu bestimmen.

14.2.2 Zeitsteuerung und allgemeine numerische Parameter In diesem Abschnitt werden die für die Modellierung einer Umformsimulation relevanten Keywords und Einstellungen der jeweiligen Parameter dargestellt, die noch nicht in Anh. B.2 besprochen wurden.

14.2.2.1 Simulationszeit und Zeitschrittsteuerung Die Einstellung der Simulationszeit erfolgt mit dem Keyword *CONTROL_TERMINATION durch ENDTIM (s. Keyword B.2). Die Simulationszeit ergibt sich aus der Verfahrkurve des bewegten Werkzeugs. Dies wird in Kap. 14.2.6.2 erläutert. Die Zeitschritte in einer expliziten Simulation sind sehr klein, s. Kap. 13.3.4. Um akzeptable Rechenzeiten zu erreichen, wird im Keyword 14.1

298

14 Blechumformsimulation

LS-DYNA-Keyword 14.1 Zeitschrittsteuerung *CONTROL_TIMESTEP $# DTINIT TSSFAC 0.90

ISDO

TSLIMT

DT2MS -1.0 E-07

LCTM

ERODE

MSIST

eine Massenskalierung (s. Kap. 13.3.5) über die Vorgabe eines minimal einzuhaltenden Zeitschritts DT2MS vorgenommen. Das negative Vorzeichen legt fest, dass nur Elemente mit einem kleineren Zeitschritt skaliert werden. Dies ist wesentlich, um nur notwendige Teile des Modells zu beeinflussen. Der endgültige Zeitschritt berechnet sich durch Multiplikation des Sicherheitsfaktors TSSFAC für nichtlineares Verhalten zu: 𝑡𝑠𝑠𝑓 𝑎𝑐 × |𝑑𝑡2𝑚𝑠|. Eine übliche Zeitschrittskalierung in der Umformsimulation ist DT2MS = −1⋅10−7 s. Es ist jedoch darauf zu achten, den Parameter in geeigneten Grenzen zu halten, da dadurch die Masse des Systems verändert wird. Dies führt bei zu großem Zeitschritt dazu, dass die Modellmasse unrealistisch hohe Werte annimmt, was zu unbrauchbaren Ergebnissen führen kann, gerade wenn Spannungen ausgewertet werden, s. auch Keyword 14.4.

14.2.2.2 Globale Parameter für adaptive Verfeinerung und Kontakte In die Berechnungszeit geht über den Zeitschritt sowie die Anzahl der Elemente die Elementkantenlänge ein. Um möglichst viel Rechenzeit zu sparen, soll mit möglichst großen Kantenlängen gerechnet werden, wobei dies zu Lasten der Ergebnisgenauigkeit geht, s. Kap. 7.1.1. Andererseits sind in den Bauteilgeometrien in der Regel sehr kleine Radien von Geometriedetails enthalten, die über große Elemente nur ungenügend abgebildet werden, s. Abb. 14.10. Um diese Details abbilden zu können, sind bei Verwendung von linearen Ansatzfunktionen sehr kleine Elemente notwendig. Würde man die ganze Platine mit Elementen dieser Größe vernetzen, wäre der Rechenaufwand sehr hoch. Aus diesem

Abb. 14.10 Abbildung kleiner Radien durch lineare Elemente. Links: Ohne Verfeinerung, Elementkantenlänge ℎ = 8 mm; Mitte: MAXLVL = 3, ℎ = 2 mm; Rechts: MAXLVL = 5, ℎ = 0,5 mm

14.2 Explizite Simulation des Tiefziehens

299

Grund wird in der Blechumformung ein spezielles ℎ-adaptives Verfahren (s. Kap. 7.1.2) angewendet, das nicht auf einer Fehlerberechnung basiert, sondern auf der Analyse der Oberflächenkrümmung. Dabei werden die Krümmungen der Kontaktoberflächen analysiert und bei einer Überschreitung eines Grenzwerts der Krümmungsradien werden die Elemente in vier bzw. drei (bei Dreieckselementen) Elemente verfeinert, s. Abb. 7.2. Es entstehen dabei hängende Knoten, wie in Kap. 7.1.2 beschrieben, die über kinematische Zwangsbedingungen geführt werden, damit keine unphysikalischen Trennungen im Bauteil entstehen. Die Zustandsgrößen des Ausgangselements werden auf die neuen Elemente interpoliert. Mit dem Keyword 14.2 wird die adaptive Verfeinerung des Netzes bei Kontakt mit scharfen Radien im Werkzeug gesteuert. LS-DYNA-Keyword 14.2 Steuerung adaptive Verfeinerung *CONTROL_ADAPTIVE $# ADPFREQ ADPTOL 5.0 E-4 10.0 $# ADPSIZE ADPASS 0

ADPOPT 2 IREFLG

MAXLVL 3 ADPENE 2.0

TBIRTH

TDEATH

LCADP

IOFLAG

ADPTH

MEMORY

ORIENT

MAXEL

Die relevanten Parameter sind: ADPFREQ

ADPTOL

ADPOPT

MAXLVL

ADPASS

ADPENE

Zeitintervall zwischen zwei adaptiven Verfeinerungsschritten. Zu diesen Zeitpunkten wird überprüft, ob ein Element adaptiv zu verfeinern ist. Die Einstellung ist hier recht fein gewählt. Die adaptive Verfeinerung ist zeitaufwendig, da die gesamte Rechnung gestoppt wird und nach der Netzverfeinerung intern neu gestartet wird. Gibt bei der Umformsimulation den Winkel an, um den ein Element relativ zu den umgebenden Elementen gedreht werden muss, damit es verfeinert wird. 10° ist kein besonders feiner Wert, für dieses einfache Modell aber ausreichend. Bedeutung des o. g. Winkels. Bei ADPOPT = 2 bedeutet ADPTOL = 10.0, dass ein Element verfeinert wird, wenn der totale Winkel größer als dieser wird. Hier existiert eine Namensgleichheit der Parameter. Bei der *PART Karte gibt es den Parameter ebenfalls, allerdings hat er hier die Bedeutung, Adaptivität für dieses Part zu aktivieren. Gibt die Anzahl an Verfeinerungsstufen an. Es ist zu beachten, dass das Ausgangslevel des Netzes dazu zählt, d. h. wenn hier 3 steht, dann wird das Netz maximal 2-mal verfeinert. Mit ADPASS = 0 wird der letzte Zeitschritt wiederholt, um vor der Verfeinerung aufgetretene Durchdringungen zu beheben. Dies ist aber rechenintensiv. Wenn ADPTOL klein gewählt wird, kann man dies mit ADPASS = 1 ausschalten. Mit diesem Parameter wird vorausschauend anhand der Radien in den Werkzeugen im Abstand ADPENE überprüft, ob ADPTOL überschritten wird und eine Verfeinerung notwendig ist. Damit werden Durchdringungen vermieden.

Das Keyword 14.3 gibt globale Parameter für alle weiter unten definierten Kontakte an. Teilweise können diese Parameter durch lokale Parameter in der Kontaktkarte überschrieben werden, teilweise wirken sie als multiplikative Faktoren. LS-DYNA-Keyword 14.3 Globale Kontakteinstellungen *CONTROL_CONTACT $# SLSFAC RWPNAL 0.05

ISLCHK 2

SHLTHK 1

PENOPT 4

THKCHG 1

ORIEN 2

ENMASS

300

14 Blechumformsimulation

$#

USRSTR

USRFRC

NSBCS

INTERM

XPENE TH

SSTHK 1 TH_SF

$#

SFRIC

DFRIC

EDC

VFC

$#

IGNORE 2

FRCENG 1

SKIPRWG

OUTSEG

ECDT PEN_SF

SPOTSTP

SPOTDEL

SPOTHIN

TIEDPRJ

Die relevanten Parameter sind: SLSFAC

ISLCHK SHLTHK

PENOPT THKCHG

ORIEN SSTHK

IGNORE

FRCENG

Dies ist der Penalty-Skalierungsfaktor, s. Kap. 11.3.2. Dieser Faktor wird auf alle Penalty-Kontakte zusätzlich aufmultipliziert. Er wird also nicht durch den Faktor SFS in Keyword 14.9 überschrieben, sondern multiplikativ behandelt. Der Gesamtwert ergibt sich zu SLSFAC*SFS*Penalty-Faktor. Steuerung, ob am Anfang der Berechnung eine Überprüfung auf Durchdringungen durchgeführt werden soll. Mit der Einstellung = 2 ist dies der Fall. Bei Schalenelementen wird die Mittelfläche diskretisiert. Die eigentliche Schalendicke wird intern im Kontakt berücksichtigt. Die Einstellung SHLTHK = 1 bedeutet, dass die Dicke nur für die deformierbare Platine beachtet wird. Die Werkzeuge sind Starrkörper und hier wird keine Dicke beachtet, d. h. die tatsächlich vernetzten Geometrien werden als Kontaktsegmente benutzt. Dadurch werden die exakten Radien aus der Konstruktion abgebildet, s. Kap. 14.2.1.1. = 4 ist eine für Umformsimulationen empfohlene Einstellung, die die Berechnung der Penalty-Faktoren festlegt. = 1: In der Kontaktberechnung wird die sich ändernde Blechdicke mitberücksichtigt, ansonsten wird mit Nominalblechdicke gearbeitet und dies wäre speziell für die Blechumformung eine grobe Vereinfachung. = 2 legt fest, dass in der Kontaktberechnung die Normalen der Kontaktsegmente für alle Fälle automatisch orientiert werden. = 1: Berücksichtigung der aktuellen Blechdicke auch für Kontakttypen, die Selbstkontakt des Blechs (z. B. bei Faltenwurf) berechnen. Empfohlen für die Blechumformsimulation. Mit diesem Parameter kann eingestellt werden, wie das Verhalten bei initialen Durchdringungen ist (z. B. können leichte Durchdringungen aufgrund unsauberer Konstruktion vorliegen). IGNORE = 0 verschiebt die Knoten, sodass keine Durchdringung mehr vorliegt. IGNORE = 2 ignoriert die Durchdringungen und gibt eine Warnung aus. Eine leichte Durchdringung wird im Laufe der Simulation behoben. Dies ist die Standardeinstellung für Blechumformung. = 1: Berechnung der Reibenergie im Kontakt und Ablage des Ergebnisses in der Datei als Größe „Surface Energy Density“.

14.2.3 Ausgabesteuerung Die Text- und Plotdateien werden im Anh. B.2.2 erläutert. Zur Bewertung der Simulationsergebnisse für eine Umformsimulation sind in die D3PLOT-Dateien einer Umformsimulation weitere Ergebnisse aufzunehmen. Dies erfolgt über das Keyword 14.4, wobei nur Werte genannt werden, die von den Voreinstellungen abweichen.

14.2 Explizite Simulation des Tiefziehens

301

LS-DYNA-Keyword 14.4 Erweiterte Ausgabesteuerung in die graphische D3PLOT-Datei *DATABASE_EXTENT_BINARY $# NEIPH NEIPS MAXINT CMPFLG

IEVERP

BEAMIP

STRFLG 1 DCOMP

$# NINTSLD

PKP SEN

SCLP

UNUSED

$#

SIGFLG

EPSFLG

RLTFLG

ENGFLG

SHGE 2 MSSCL 2

STSSZ 3 THERM

N3THDT

IALEMAT

INTOUT

NODOUT

Die gewählten Werte in Keyword 14.4 liefern folgende Informationen: STRFLG SHGE

STSSZ MSSCL

=1: Ausgabe des Verzerrungstensors von Schalenelementen in der Grafikausgabedatei und für ausgewählte Elemente in . =2: Ausgabe der Hourglass-Energie in das D3PLOT. Man kann dann im LSPrePost unter Post→FriComp→Misc→Hourglass energy die Verteilung der Energie über die Platine auswerten. =3: Anzeige der absoluten Massenerhöhung auf jedem einzelnen Element (Post → FriComp →Misc→ time step size). =2: Variante der Anzeige der Massenskalierung: Es wird die prozentuale Massenerhöhung (an den Knoten) angezeigt. Im LS-PrePost mit Post → FriComp → Misc →mass scaling. Dies ist die am einfachsten zu interpretierende Größe.

Bei der Darstellung dieser Größen in LS-PrePost ist Folgendes zu beachten: die Ausgabegröße Post → FriComp → Misc → Hourglass Energy wird für verschiedene Ausgaben genutzt. Es wird aber nicht angezeigt welche dargestellt ist. Dies muss man aus den gesetzten Parametern erschließen. Wenn SHGE = 2 gilt, wird die Hourglass-Energie ausgegeben, ansonsten wird die plastische Vergleichsdehnung angezeigt.

14.2.4 Definition von Bauteilen, Elementtypen und Materialien Der strukturelle Aufbau des Modells wird, wie in Abb. B.2 dargestellt, wieder über Parts realisiert. Daher ist eine entsprechende Zuweisung der MID und SECID für die jeweiligen Parts erforderlich. Dies geschieht über die Definition des Keywords *PART für jedes Bauteil. Um hohe Übersichtlichkeit und Flexibilität zu erreichen, wird für jedes Part eine eigene Material- und Section-Karte erstellt, auch wenn diese redundant sind. Die Part-, Materialund Section-Karten aller Bauteile sind vom Aufbau identisch mit Anh. B.2.3. Im Folgenden werden nur neue Keywords eingeführt. Die Definition der Elementtypen über Section-Karten wird in Keyword B.9 gezeigt. Die wichtigsten in LS-DYNA zur Verfügung stehenden Elementtypen sind: Shell2:

Shell16:

Solid1: Solid-1:

unterintegriertes lineares Schalenelement (Belytschko-Tsay-Schale). Dies ist das effizienteste und stabilste Schalenelement in LS-DYNA und das Standardelement in der Blechumformsimulation. vollintegriertes lineares Schalenelement. Für implizite Berechnungen oder genaue Spannungsberechnung empfohlen. Die Berechnungsdauer erhöht sich durch die Vollintegration im Verhältnis zu Shell2 um ca. 20 %. unterintegriertes lineares Hexaederelement. Variante des selektiv-reduziert integrierten Solid2, das für unterschiedliche Seitenlängenverhältnisse optimiert ist.

302

14 Blechumformsimulation

In Keyword 14.5 wird der Typ der Hourglass-Stabilisierung (s. Kap. 7.3.3.1) gewählt. LS-DYNA-Keyword 14.5 Hourglass-Kontrolle *CONTROL_HOURGLASS $# IHQ QH 4

Es gibt mehrere Typen, die von der Elementformulierung abhängen. Für Element 2 wird z. B. IHQ = 4 empfohlen, für Element 16 sollte IHQ = 8 gesetzt werden. Die Stabilisierung kompensiert einen Teil der Systemenergie und beeinflusst somit das Ergebnis. Dieser Anteil darf nicht zu groß werden, weswegen eine Kontrolle der Hourglass-Energie unerlässlich ist. Vergleicht man diese mit der inneren Energie des Systems, sollte ein Gesamtanteil von etwa 5 % (Erfahrungswert) nicht überschritten werden. Eine Ausgabe der Hourglass-Energie erfolgt nur wenn HGEN = 2 gesetzt ist in Keyword 14.6. LS-DYNA-Keyword 14.6 Berechnung und Ausgabe der Hourglass-Energie *CONTROL_ENERGY $# HGEN RWEN 2

SLNTEN

RYLEN

Das Keyword 14.7 stellt globale Parameter für Schalenelemente ein, sollten diese nicht lokal definiert sein. Der an dieser Stelle wichtigste Parameter ist ISTUPD = 1. Damit wird eingestellt, dass aus den Annahmen des ebenen Spannungszustands und der Volumenkonstanz die Schalendicke in einer Nachschaltrechnung ermittelt wird, s. Kap. 3.7. LS-DYNA-Keyword 14.7 Globale Parameter für Schalenelemente *CONTROL_SHELL $# WRPANG ESORT 20

IRNXX

ISTUPD

THEORY 1

BWC

MITER

PROJ

Mit WRPANG = 20 wird ein Verdrillwinkel von 20° als Qualitätskriterium der Vernetzung festgelegt (s. Kap. 7.4.2). Weist ein deformierbares Element einen Verdrillwinkel darüber auf, wird eine Warnung während der Berechnung ausgegeben. Die Platine erhält ein für die Blechumformsimulation geeignetes anisotropes Materialmodell *MAT_3-PARAMETER_BARLAT bzw. *MAT_036, s. Keyword 14.8: LS-DYNA-Keyword 14.8 Definition für anisotropes elastoplastisches Material Mat_036 *MAT_3-PARAMETER_BARLAT_TITLE MAT_36 : planar anisotrop-plastisch $# MID RO E PR 100 7.8 E-9 2.1E+5 0.3 $# M R00 R45 R90 6.0 1.6 1.5 2.0 $# AOPT C P VLCID 2.0 $# XP YP ZP A1 1.0 $# V1 V2 V3 D1 0.0

HR 2.0 LCID

P1 510.0 E0 PB

A2 0.0 D2 1.0

A3 0.0 D3 0.0

P2 0.25 SPI 160.0 NLP/HTA

ITER P3 HTB

HTC

HTD

BETA

HTFLAG

Es handelt sich um ein anisotropes, elastoplastisches Materialmodell für den ebenen Spannungszustand (s. Kap. 3.7). Die Materialdaten sind: Dichte = 7,83 ⋅ 10−9 t/mm3 , E-Modul = 2,1 ⋅ 105 MPa, Querkontraktionszahl = 0,3, initiale Streckgrenze = 160 MPa, r-Werte für die Anisotropie 𝑟0° = 1.6, 𝑟45° = 1.5, 𝑟90° = 2.0 und der Fließortexponent M = 6. Das Materialmodell *MAT_036 ist entwickelt worden, um planar-anisotrope Bleche im ebenen Spannungszustand mit der Fließfunktion nach Barlat und Lian [2] zu berechnen. Durch die Möglichkeit r-Werte (s. Kap. 14.1.3.1) in unterschiedlichen Orientierungen zur Walzrichtung vorzugeben, kann der teilweise starken Anisotropie in der Blechebene Rechnung getragen werden, s. Siegert [11, Kap. 1.5, S. 33ff.]. Im Folgenden werden die Einga-

14.2 Explizite Simulation des Tiefziehens

303

bemöglichkeiten des *MAT_036 kurz erläutert, wobei für detaillierte Informationen auf die Handbücher verwiesen wird. Der Parameter HR steht für die Verfestigungsregel (hardening rule), s. Kap. 10.3.3. Für HR = 1 wird ein bilineares Modell, wie in Kap. 10.2.1 beschrieben, genutzt. Dazu muss der Tangentenmodul über den Parameter P1 sowie die Streckgrenze über P2 übergeben werden. Im Keyword 14.8 wird über HR = 2 eine analytische Fließkurve nach Swift (s.Tab. 14.2) gewählt. Diese Extrapolation benötigt drei Parameter. Der Faktor 𝑐 wird über P1 vorgegeben, der Verfestigungsexponent 𝑛 durch P2 und die Verschiebung der Kurve auf der Abszisse wird über die initiale Streckgrenze im Parameter SPI bestimmt. Die Vorgabe der Verfestigung durch einfache analytische Verläufe ist eine starke Vereinfachung, wie in Kap. 10.2.1 erläutert. In der Praxis werden für den Werkstoff gemessene Fließkurven verwendet. Dann ist durch HR = 3 isotrope Verfestigung gemäß der Fließkurve vorgebbar, s. Kap. 10.2. Die Kurve wird durch LCID dem Materialmodell zugewiesen. Über die in der Kurve hinterlegten Werte wird der plastischen Vergleichsdehnung eine Spannung zugewiesen, die im plastischen Algorithmus verwendet wird, um über die Fließortkurve auf den 2-D-Spannungszustand zu kommen, s. Kap. 10.4. Die anisotrope Fließbedingung nach Barlat verlangt nach Eingabe eines Fließortexponenten M, der der kristallinen Struktur des Werkstoffs Rechnung tragen soll. In diesem Fall ist durch den Wert M = 6 eine kubisch-raumzentrierte Struktur ausgewählt. Die r-Werte, welche die Anisotropie quantifizieren, müssen in Walzrichtung (R00), senkrecht dazu (R90) und im Winkel von 45° (R45) angegeben werden. Zur Definition der Materialachsen, die diese Winkel erst definieren, ist bei AOPT die Option 2 ausgewählt, welche die Vorgabe der Achsrichtung durch die Vektoren A und D verlangt. Die Komponenten dieser Vektoren können bei A1-A3 und D1-D3 angegeben werden. In diesem Fall liegt die A-Achse in x- und die D-Achse in y-Richtung. Durch diese Option kann die Orientierung der Anisotropie für einen Blechabschnitt explizit definiert werden und bedeutet hier, dass die x-Achse der Walzrichtung des Blechs entspricht. Diese Angabe kann deutlich komplizierter sein, wenn beispielsweise zur Materialeinsparung die Platinen in willkürlicher Orientierung aus den Blechcoils geschnitten werden und somit die Walzrichtung nicht mehr mit den Blechkanten übereinstimmt. Eine Verfestigung aufgrund unterschiedlicher Dehnraten ist im *MAT_036 durch das Modell von Cowper-Symonds (s. Kap. 10.3.6) mit den Parametern C und P integriert. C legt fest, wie stark das Material von der Dehnrate abhängt. Je größer dieser Wert ist, desto geringer ist die Verfestigung bei steigender Dehnrate.

14.2.5 Definition der Umformkontakte In der Umformsimulation werden die deformierenden Kräfte über die Kontaktpartner eingeleitet. Es wird der Kontakt *CONTACT_FORMING_ONE_WAY_SURFACE_TO_SURFACE verwendet, der einige speziell für die Umformung entwickelte Eigenschaften hat, vor allem hinsichtlich der Berechnungszeit. Es handelt sich um einen Penalty Kontakt, s. Kap. 11.3.2. Generell kann aber auch jeder andere Kontakt genutzt werden. Für jeden zu definierenden Kontakt sind das Slave- und Master-Part festzulegen. Bei Nutzung eines FORMING-Kontakts muss die Platine immer die Slave-Seite sein. Setzt man einen anderen Kontakt ein, ist

304

14 Blechumformsimulation

gemäß der Funktionsweise des Penalty-Verfahrens eine Definition der feiner vernetzten Kontaktseite als Slave zu bevorzugen. Grund hierfür ist, dass beim Penalty-Verfahren stets eine Überprüfung des Eindringens der Slave-Knoten in die Master-Segmente erfolgt, s. Kap. 11.3.2. In Keyword 14.9 ist die Kontaktkarte für den Kontakt zwischen Matrize und Blech dargestellt: LS-DYNA-Keyword 14.9 Kontaktkarte für Matrize und Blech *CONTACT_FORMING_ONE_WAY_SURFACE_TO_SURFACE_ID $# CID 200 Cont_Platine_Matrize $# SSID MSID SSTYP MSTYP SBOXID 100 200 3 3 $# FS FD DC VC VDC 0.14 20 $# SFS SFM SST MST SFST $#

SOFT 4

SOFSCL

LCIDAB

MAXPAR

SBOPT

TITLE MBOXID

SPR

MPR

PENCHK

BT

DT

SFMT

FSF

VSF

DEPTH

BSORT

FRCFRQ

Darin sind die ausgewählten Einstellungen: SSID MSID SSTYP MSTYP FS VDC

SOFT

= 100: Slave Set ID (Auswahl des Blechs) = 200: Master Set ID (Auswahl der Matrize) = 3: Angabe des Typs der Slave Set ID, hier eine Part-ID = 3: Angabe des Typs der Master Set ID, hier eine Part-ID = 0,14: Haftreibungskoeffizient 𝜇s , s. Gl. (11.3) = 20: viskoser Dämpfungsfaktor in Prozent bezogen auf den kritischen Dämpfungswert 𝑑krit = 2 𝑚 𝜔0 , der Kontaktrauschen unterdrückt, s. Kap. 11.3.2. Ein empfohlener Erfahrungswert ist 20 % . mit SOFT = 0 wird ein Standard-Penalty-Verfahren eingeschaltet. Für die Blechumformung gibt es die Option SOFT = 4. Damit wird ein auf kinematischen Zwangsbedingungen basierender Kontakt aktiviert, s. Kap. 11.3.1. Dieser verhindert Durchdringungen besser als der Penalty-Kontakt. Es ist zu beachten, dass SOFT = 4 mit einem kraftgesteuerten Starrkörper nicht funktioniert, d. h. diese Option darf beim Blechhalter deswegen nicht eingeschaltet sein.

Analog muss eine Karte für die Paarung Platine – Stempel und Platine – Blechhalter erzeugt werden. Diese Karten unterscheiden sich nur in der Angabe der Kontakt-ID CID und dem beschreibenden TITLE sowie dem Index des Kontaktpartners in MSID.

14.2.6 Erstellen der Randbedingungen 14.2.6.1 Kraftrandbedingung auf den Blechhalter In diesem Beispiel ist die Kinematik so gewählt, dass der Stempel feststeht und die Matrize von oben nach unten verfahren wird. Um den Blechfluss zu steuern, wird der unten liegende Blechhalter mit einer Gegenkraft beaufschlagt, zusätzlich werden Ziehsicken modelliert. Die Modellierung der Werkzeuge mit kinematisch geführten Starrkörpern erlaubt eine einfache Vorgabe dieser Kraft, da es ausreicht sie auf das *PART des Starrkörpers vorzugeben; es sind also keine Segmente der Werkzeugoberfläche zu selektieren.

14.2 Explizite Simulation des Tiefziehens

305

Um eine ausreichende Druckkraft auf die Platine zu gewährleisten und damit Faltenbildung zu minimieren, wird der Blechhalter mit einem entsprechenden Lastprofil beaufschlagt. Dieses Profil wird mithilfe des Keywords 14.10 vorgegeben. LS-DYNA-Keyword 14.10 Lastkurve *DEFINE_CURVE_TITLE Cur_ForcBC $# LCID SIDR 2 $# a1 0 1.0 e-5 0.1

SFA

SFO

OFFA

OFFO

DATTYP

o1 0 2.0e+5 2.0e+5

Die Lastbeaufschlagung erfolgt mit einer Rampenfunktion, um einen Kraftsprung auf 𝑓Blh = 200 kN zu vermeiden, da unstetige Verläufe zu sehr hohen Schwingungen in den Ergebnisgrößen führen können, die durch die Kontaktkräfte verursacht werden. Dabei wird die Kraft innerhalb eines Zeitintervalls von z. B. 𝑡Framp = 1,0 ⋅ 10−5 s aufgebracht. Das zugehörige Lastprofil enthält die Abb. 14.11a. Normalerweise wird der letzte Zeitwert 𝑡def hinter das Ende der Simulationszeit gelegt, da der letzte Zeitschritt nie die exakte Endzeit trifft und auch nicht angepasst wird, sodass die Simulation minimal länger laufen kann. Um ein Abfallen der Kraft am Ende zu verhindern und dadurch ggf. einen Einfluss auf Ergebnisse, die in einer Folgesimulation genutzt werden sollen, auszuschließen, werden die Kurven willkürlich bis 0,1 s aufgebaut. Zur Aufbringung der Kraft auf den Blechhalter wird das Keyword 14.11 verwendet. LS-DYNA-Keyword 14.11 Aufbringen der Lastkurve *LOAD_RIGID_BODY $# PID DOF 400 3

LCID 2

SF 1.0

CID

M1

M2

M3

Die gewählten Einstellungen bedeuten: PID DOF LCID SF

=400: Auswahl des PART Blechhalter =3: Translatorischer Bewegungsfreiheitsgrad in z-Richtung =2: Zuweisung der Last(kraft-)kurve =+1: Aufbringung der Last in positiver z-Richtung

Es stellt sich eine Druckverteilung unter dem Blechhalter ein, die nicht der Realität entspricht, da die realen Werkzeuge eingearbeitet werden, um ein homogenes Druckverteilungsbild (sog. Blechhaltertuschieren) zu erhalten. Eine Verbesserung kann nur durch eine deutlich aufwendigere Modellierung mit flexiblen Werkzeugen erreicht werden. ো#MI



৚NBY



৙)VC ৘ ৘'SBNQ

৘&

৘EFG

Abb. 14.11a Verlauf der Blechhalterkraft

৘ ৘SBNQF

৘& B

৘&

Abb. 14.11b Geschwindigkeit des Werkzeugs

306

14 Blechumformsimulation

14.2.6.2 Kinematische Randbedingungen der Werkzeuge Zuletzt ist der Verfahrweg der Matrize festzulegen. Prinzipiell kann man den Weg oder die Geschwindigkeit über der Zeit vorgeben. Nutzt man den Weg, dann führt dies in der expliziten Zeitintegration zu stärkerem Rauschen in Kontaktkräften, da Geschwindigkeit und Beschleunigung über Differenziation aus dieser Kurve hervorgehen. Deswegen wird häufig mit einer Geschwindigkeitskurve gearbeitet, s. Abb. 14.11b. Für die Definition der Kurve ist zunächst eine maximale Verfahrgeschwindigkeit 𝑣max zu wählen. Diese wird häufig mit 𝑣max = 5000 mm/s angenommen. Eine reale Presse verfährt nach einer prinzipbedingten Geschwindigkeitskurve, die aber in der Blechumformsimulation i. d. R. nicht benutzt wird. Häufig wird eine abschnittsweise lineare Kurve mit sinusförmigen Übergängen gewählt. Diese Funktion verhindert zu hohe Beschleunigungen im System, welche aus einem nicht glatten Übergang resultieren würden. Wie in Abb. 14.11b angedeutet, kann man die Werkzeuge am Ende der Simulation bei 𝑡E wieder auf Geschwindigkeit null fahren, was dem realen Prozess entspricht, oder man fährt mit voller Geschwindigkeit bis zum Ende (𝑡E,a , gestrichelt dargestellt). Dies spart Rechenzeit und hat bei Benutzung von Materialmodellen ohne Dehnratenabhängigkeit kaum Einfluss auf das Ergebnis. Die Fläche unter der Kurve in Abb. 14.11b ist der Gesamtweg 𝑢Hub , der in der Positionierung bestimmt wird, s. Kap. 14.2.1.3. Aus der Verfahrkurve kann die Simulationszeit 𝑡E abgelesen werden. Benutzt man das hier angegebene Schema, folgt für 𝑡E 𝑢 1 𝑢Hub = 2( 𝑣max 𝑡rampe ) + 𝑣max (𝑡E − 2𝑡rampe ) ⇒ 𝑡E = Hub + 𝑡rampe . 2 𝑣max Fährt man mit voller Geschwindigkeit durch, ergibt sich analog 𝑡𝐸,𝑎 = 𝑢Hub /𝑣max + 1/2 𝑡rampe . Vorzugeben ist dabei noch die Zeit für das Anfahren des Werkzeugs 𝑡rampe , z. B. 5 % der Endzeit. Um den Tiefziehvorgang erst nach Erreichen der vollständigen Kraftwirkung des Blechhalters zu starten, sollte die Rampenfunktion der Blechhalterkraft deutlich kürzer sein als die Rampe der Geschwindigkeit, s. Abb. 14.11a. Die Verfahrgeschwindigkeit von 5000 mm/s ist viel höher als in der Realität (ca. 50mal). Dies ist neben der Massenskalierung eine weitere Maßnahme in der Umformsimulation, um Simulationszeit zu sparen, s. Kap. 13.3.5. Natürlich verfälscht dies das Ergebnis und darf nur in Grenzen eingesetzt werden. Generell gilt, dass die Verschiebungsgrößen und Verzerrungen trotzdem recht genau berechnet werden, kritischer sind Spannungen. Sind die Spannungsergebnisse wichtig, muss die Geschwindigkeit gesenkt werden. Ein Indikator, ob man noch in einem sinnvollen Bereich liegt, ist die Betrachtung der kinetischen Energie im Vergleich zur inneren Energie in der Datei . Ebenso gilt die Regel, dass die Hourglass-Energie nicht mehr als 5 % der inneren Energie betragen sollte. Die Geschwindigkeitskurve mit LCID = 1 (nicht dargestellt) wird über Keyword 14.12 auf die Matrize aufgebracht. LS-DYNA-Keyword 14.12 Aufbringung der Geschwindigkeitskurve *BOUNDARY_PRESCRIBED_MOTION_RIGID_ID $# ID 1BC_VelMatrize $# PID DOF VAD LCID 200 3 0 1

HEADING SF -1.0

VID

DEATH

BIRTH

14.2 Explizite Simulation des Tiefziehens

307

Da es sich um einen Starrkörper handelt, reicht die Angabe der Bauteilnummer in PID aus. Über DOF = 3 wird eine translatorische Bewegung in z-Richtung vorgegeben. Da im Gegensatz zum Lastprofil die Geschwindigkeit in negativer z-Richtung erfolgen soll, die Kurve jedoch mit positiven Werten definiert sein soll, ist der Skalierungsfaktor SF entsprechend auf -1 zu setzen. Es sind hierbei die gleichen vier Parameter (PID, DOF, LCID, SF) einzustellen wie bei der Lastkurvenaufbringung. Zusätzlich ist noch beim Parameter VAD (Abk., velocity, acceleration, displacement) anzugeben, um welche Art von Bewegungskurve es sich handelt; hier heißt = 0, dass eine Geschwindigkeitskurve vorgegeben wird. Rigid-Body-Stoppers Es soll noch die Nutzung von sog. RIGID_BODY_STOPPERS erläutert werden: Der Blechhalter ist mit einer Kraftrandbedingung versehen. Die gegenüberliegende Matrize fährt mit hoher Geschwindigkeit über die Platine gegen diese Randbedingung. Dies kann u. a. aufgrund der Penalty-Kontakte zu starken Schwingungen des Blechhalters führen, wodurch die Kraft und somit die Rückhaltung der Platine nicht vollständig wirkt. Dies wird mit Keyword 14.13 minimiert: LS-DYNA-Keyword 14.13 Rigid-Body-Stoppers für Bewegung nach oben *CONSTRAINED_RIGID_BODY_STOPPERS $# PID LCMAX LCMIN 400 -16 $# TB TD *DEFINE_CURVE $# LCID 16

SIDR 0.0 1.0

SFA

PSIDMX

PSIDMN

LCVMNX 18

DIR 3

SFO

OFFA

OFFO

DATTYP

VID

0.01 0.01

Diese spezielle Randbedingung hat zwei Aufgaben. Zunächst wird die maximal zulässige Geschwindigkeit des Blechhalters eingeschränkt. Damit ist ein starkes Schwingen ausgeschlossen. Die Geschwindigkeit wird in den Keywords 14.13 und 14.15 mit dem Parameter LCVMNX vorgegeben. Dies ist die ID einer neuen Geschwindigkeitskurve, in diesem Beispiel Kurve 18 in Keyword 14.14. LS-DYNA-Keyword 14.14 Kurve für Geschwindigkeitsbeschränkung durch Rigid-Body-Stopper $#Annahme Werkzeuggeschwindigkeit ist 5000 mm/s *DEFINE_CURVE $# LCID SIDR SFA SFO OFFA 18 $# a1 o1 0.0 5500.0 1.0 5500.0

OFFO

DATTYP

In der Kurve wird der Absolutbetrag der maximal erlaubten Geschwindigkeit vorgegeben, i. d. R. mit Werkzeuggeschwindigkeit +10 %. Genau die Geschwindigkeit der Matrize einzustellen, ist nicht ratsam, da es dann zu Zwängungen kommen kann, da die Bewegung des Blechhalters dann nicht mehr flexibel ist. Neben der Beschränkung der Geschwindigkeit kann man noch ein weiteres Modellierungsproblem lösen. Wie oben beschrieben wird die Blechhalterkraft sehr schnell eingeschaltet, damit die volle Kraft möglichst von Anfang an voll wirkt. Dies kann dazu führen, dass sich der Blechhalter vor dem Auftreffen der Matrize nach oben (in diesem Beispiel)

308

14 Blechumformsimulation

bewegen würde, was in Realität nicht passiert. Deshalb kann man neben der Geschwindigkeit auch die Verschiebung des Blechhalters mit dieser Randbedingung einschränken: Wirkt die Kraft des Blechhalters, der beschränkt werden soll, nach oben, dann ist eine Verschiebung nach oben einzuschränken. Dazu kann unter LCMAX die Kurven-ID 16 (mit einem Minus) angegeben werden. Die zugehörige Kurve 16 erlaubt eine maximale Verschiebung von 0,01 mm. Dies bedeutet, es kann die volle Kraft wirken, der Blechhalter wird aber maximal 0,01 mm nach oben verschoben und bleibt dann in dieser Position. Die Bewegung nach unten ist hingegen frei. Die Randbedingung wirkt also so, dass der Blechhalter zunächst gegen eine „virtuelle Wand“ gedrückt wird. Sobald ein verschiebungsgesteuertes Werkzeug in die andere Richtung (Matrize) auftrifft, wird der Blechhalter in diese Richtung verdrängt, da eine Verschiebungsrandbedingung immer eine Kraftrandbedingung überwiegt. Dies entspricht dem realen Verhalten. Das Minus vor der Kurve bedeutet, dass die Kurve eine Verschiebung und keine absolute Koordinate angibt. Es kann auch der umgekehrte Fall eintreten, dass ein Werkzeug in negative z-Richtung beschränkt werden soll, s. Keyword 14.15. Dann ist die Bewegung nach unten einzuschränken. Dazu ist unter LCMIN (Beachten: Nicht mehr LCMAX!) die Kurven-ID 17 mit einem Minus anzugeben. Dies Kurve enthält nun eine negative Verschiebung. Eine Verdrängung des Werkzeugs gegen die wirkende Kraft nach oben ist möglich. LS-DYNA-Keyword 14.15 Rigid-Body-Stoppers Beispiel für Bewegung nach unten *CONSTRAINED_RIGID_BODY_STOPPERS $# PID LCMAX LCMIN 400 -17 $# TB TD *DEFINE_CURVE $# LCID 17

SIDR

SFA

0.0 1.0

PSIDMX

PSIDMN

LCVMNX

DIR 18

SFO

OFFA

OFFO

DATTYP

VID 3

-0.01 -0.01

Der Effekt ist deutlich sichtbar in den Geschwindigkeiten und Beschleunigungen des Blechhalters in Abb. 14.12a und Abb. 14.12b.

#FTDIMFVOJHVOH  N0T3

(FTDIXJOEJHLFJU  N0T

Զ21:

6-111

1

҃2

1 1

1/112 ;FJU  T

Abb. 14.12a Geschwindigkeitsverlauf ohne und mit Rigid-Body-Stopper

1/113

1

1/112 ;FJU  T

1/113

Abb. 14.12b Beschleunigungsverlauf ohne und mit Rigid-Body-Stopper

14.2 Explizite Simulation des Tiefziehens

309

14.2.6.3 Modellierung von Ziehsicken Ein weiterer Sonderfall in der Blechumformsimulation ist die Behandlung der Ziehsicken, s. Kap. 14.1.1. Mit steigender Rechenleistung werden diese zunehmend auch in der Simulation als geometrische Objekte abgebildet. Da die auftretenden Radien allerdings sehr klein sind, enthält die Platine durch die adaptive Verfeinerung sehr viele Elemente. Um dies zu vermeiden, ist in LS-DYNA eine spezielle Vorgehensweise implementiert, die Rückhaltekräfte näherungsweise, aber recheneffizient zu erzeugen. Ein Nachteil dieser Methode ist, dass die Verformungen, die die Platine in der Sicke erfährt, nicht berücksichtigt werden. Dies hat vor allem negative Auswirkungen auf die Berechnung des Aufsprungs in Kap. 14.3. Die folgende Darstellung ist verkürzt und zeigt nur die wichtigsten Parameter. Die Ziehsicke als Ersatzmodell wird nicht als geometrisches Objekt angelegt, sondern als Linie aus Knoten und Balkenelementen, die über eine Kontaktformulierung die Kräfte der Sicke auf die Platine und Werkzeuge aufbringt. Das Keyword 14.16 LS-DYNA-Keyword 14.16 Spezialkontakt für Sickenbehandlung *CONTACT_DRAWBEAD_ID $# CID HEADING 900 Ziehsicke 1 $# SSID MSID 900 100 $# FS FD

SSTYP 4 DC

MSTYP 3 VC

SBOXID VDC

MBOXID 900 PENCHK

SPR

MPR

BT

DT VSF

$#

SFS

SFM

SST

MST

SFST

SFMT

FSF

$#

LCIDRF 910

LCIDNF 911

DBDTH 8.000

DFSCL 200

NUMINT

DBPID

ELOFF

zeigt die zugehörige Kontaktkarte. Slave ist hier immer die Sickenlinie, deren Knoten im Knotenset SSID abgelegt sein müssen. Einem Knotenset entspricht SSTYP = 4, s. Anh. B.2.4. Der Master MSID muss hier immer die Platine sein. In MBOXID wird die Nummer einer zum Kontakt gehörigen Box definiert, s. Keyword 14.18. In der letzten Zeile sind spezifische Sickeneinstellungen möglich: Mit LCIDRF und LCIDNF werden Kurven definiert, die in Abhängigkeit der Sickenhöhe DBDTH die Reaktionskraft und die vertikale Normalkraft aus Präge- und Zuhaltekraft vorgeben. Eine mögliche, sehr einfache Einstellung ist in Keyword 14.17 gegeben: LS-DYNA-Keyword 14.17 Kurven für Sickenrückhaltekraft und Vertikalkraft *DEFINE_CURVE $# LCID 910 $# *DEFINE_CURVE $# LCID 911 $#

SDIR

SFA

DEPTH 0.0 8.0 SDIR DEPTH 0.0 8.0

SFO

OFFA

OFFO

DATTYP

OFFA

OFFO

DATTYP

FORC/LEN 1.0 1.0 SFA

SFO FORC/LEN 0.00001 0.00001

Die LCID = 910 gibt die Rückhaltekraft zu 1 N/mm konstant über die gesamte Höhe der Sicke wieder. Es macht hier also keinen Unterschied, ob das Blech die Sicke gerade berührt oder die Sicke voll ausgeformt ist und das Blech um die Höhe von 8 mm herumlaufen muss. Dies wird häufig angewendet, da solche Kurven nur über Messungen zu gewinnen sind, die unter anderem von Material, Blechdicke, Schmierzustand und Temperatur abhängen

310

14 Blechumformsimulation

und entsprechend aufwendig zu ermitteln sind. Die Kurve LCID = 911 wird genutzt, um die Berechnung der Normalkraft auszuschalten. Man kann dies für eine Abschätzung der notwendigen Blechhalterkraft nutzen, dies soll hier aber vernachlässigt werden. Die tatsächliche Sickenrückhaltekraft wird über DFSCL als Skalierungsfaktor der Kurve 910 eingestellt. Der Vorteil dieser Vorgehensweise ist, dass man bei mehreren Sicken im Modell, die Kurve LCID = 910 nur einmal definieren muss. Die tatsächliche Höhe der Rückhaltekraft für jede Sicke kann dann über DFSCL im jeweiligen Sickenkontakt erfolgen. Das Keyword 14.18 definiert einen quaderförmigen Bereich in deren Zentrum die Sickenlinie liegt: LS-DYNA-Keyword 14.18 Wirkungsbereich einer Sickenlinie *DEFINE_BOX_DRAWBEAD $# BOXID PID 900 100

NSID 900

IDIR 3

Zur Identifikation muss BOXID = MBOXID in Keyword 14.16 gesetzt werden. Mit dieser Box wird festgelegt, dass alle Knoten der Platine PID = 100, die in dieser Box liegen im Verlauf der Simulation mit den Kräften aus Keyword 14.16 beaufschlagt werden. Der Parameter IDIR gibt die Bewegungsrichtung der Werkzeuge wieder. Zuletzt ist noch das Keyword 14.19 notwendig: LS-DYNA-Keyword 14.19 Kopplung der Sickenlinie an ein Starrkörperwerkzeug *CONSTRAINED_EXTRA_NODES_SET $# PID NSID 400 900

Damit wird das Knotenset NSID, das die Sickenlinie beschreibt, an die Kinematik des *PART = 400, in diesem Fall den Blechhalter, gebunden.

14.2.6.4 Strukturierung des Modells in Dateien Zuletzt noch ein Keyword, das die Lesbarkeit der Dateien erhöht. Mit Keyword 14.20 können beliebige Keyworddateien an der Stelle des Aufrufs eingebunden werden. LS-DYNA-Keyword 14.20 Einbinden externer Dateien *INCLUDE srail_geom.k

Dies sollte genutzt werden, um die sehr lange Keyword-Datei in Teile zu zerlegen, z. B. Knotenkoordinaten und Inzidenztabelle der Elemente und das Modell in eine Hauptdatei mit Unterdateien zu strukturieren.

14.2.7 Durchführung einer Berechnung Zum Start einer Berechnung kann die ausführbare Programmversion von LS-DYNA direkt in einem Eingabefenster (Windows cmd-Fenster oder Linux-shell) mit verschiedenen Optionen aufgerufen werden, von denen hier nur die wichtigsten genannt werden sollen: I= d=nodump MEMORY=

NCPU=

JOBID=

MCHECK=y

Die einzelnen Einträge sind in Tab. 14.4 kurz erläutert. Die meisten können alternativ auch

14.2 Explizite Simulation des Tiefziehens

311

Tabelle 14.4 Optionen beim Aufruf von LS-DYNA Option

Erläuterung

Name und ggf. Verzeichnispfad zum ausführbaren Programm

I=

Einzige notwendige Option: Name der Keyworddatei, die das Modell enthält.

d=nodump

LS-DYNA schreibt üblicherweise eine sehr große Datei am Ende der Berechnung, das die gesamten Berechnungsdaten enthält und für ein Neustarten oder Weiterrechnen geeignet ist. Sollte dies nicht beabsichtigt sein, dann verhindert diese Option das Anlegen der Datei und spart damit sehr viel Speicherplatz.

MEMORY=

Vorgabe des gewünschten Speichers in WORD’s

NCPU=

Angabe der gewünschten Anzahl CPU’s für eine parallele Berechnung

JOBID=

Angabe einer Zeichenkette , die jeder Ausgabedatei, die LS-DYNA erzeugt, vorangestellt wird, wie in Keyword B.1.

MCHECK=y

Modellüberprüfung: Das Modell wird gestartet, aber nur 10 Zeitschritte berechnet. Damit wird die syntaktische Korrektheit der Keyworddatei geprüft.

in Keywords in der Keyworddatei definiert werden und müssen dann hier nicht mehr angegeben werden. Nach dem Aufruf wird der Lizenzmanager abgefragt und danach wird die Rechnung initialisiert und läuft dann unter Angabe der aktuell erreichten Zeit und des aktuellen Zeitschritts durch. Wird die Berechnung erfolgreich abgeschlossen, wird „Normal Termination“ ausgegeben. Der Verlauf der Berechnung kann in den Ausgabedateien sowie nachgelesen werden. Dort sind auch alle Fehlermeldungen und Warnungen verzeichnet. Die Datei enthält darüber hinaus eine Liste aller Keywords mit den gewählten Werten sowie die zur Laufzeit aktuellen Werte von Variablen. Das ausführbare Programm von LS-DYNA gibt es prinzipiell immer als Versionen mit einfacher oder doppelter Gleitkommazahlengenauigkeit (single/double-precision, im Namen des Programms mit „_s_“ oder „_d_“ bezeichnet). Bei single-precision umfasst eine einfache Dezimalzahl 4 Byte und hat damit im Dezimalsystem 7 bis 8 Ziffern. Einfache Genauigkeit ist für explizite Berechnungen ausreichend. Speziell für implizite Berechnungen muss allerdings mit doppelter Genauigkeit gerechnet werden, hier hat dieselbe Zahl dann 8 Byte Länge bzw. 16 Dezimalziffern. Neben dem Genauigkeitsgewinn hat doppelte Genauigkeit den Nachteil entsprechend doppelt so viel Speicherplatz und vor allem auch mehr Rechenzeit zu benötigen, in der Größenordnung von +50 %. Deshalb sollte wo möglich mit einfacher Genauigkeit gerechnet werden und nur wo nötig mit doppelter. Umfangreiche Modelle, wie bei der Blechumformsimulation großer Einzelteile oder von Crash-Gesamtfahrzeugmodellen, können in annehmbaren Rechenzeiten nur durch parallele Berechnung auf Multiprozessorsystemen durchgeführt werden. Hierzu gibt es bei LS-DYNA zwei unterschiedliche Programmvarianten. Tritt im Namen der LS-DYNA-Version _smp_ auf, handelt sich um eine Shared-MemoryParallelisierung (SMP). Bei diesem Programmiermodell sind Teile des Programmcodes, wie Schleifen, parallelisiert, es gibt aber auch noch sequenzielle Anteile. Der Nachteil dieser Variante ist, dass sie nur bis ca. vier bis acht Prozessoren effizient einsetzbar ist, da eine weitere Erhöhung keinen Rechenzeitgewinn mehr bringt.

312

14 Blechumformsimulation

Bei der Angabe _mpp_ handelt es sich um eine Distributed-Memory-Parallelisierung (DMP), wobei die Abkürzung MPP eher historisch ist. Bei dieser Vorgehensweise treten die Nachteile der SMP-Variante nicht auf. Theoretisch ist die Anzahl der Prozessoren unbegrenzt, allerdings wird auch dieses Verfahren ab einer gewissen Menge Prozessoren in Relation zur Modellgröße ineffizient, wenn der Kommunikationsaufwand zwischen den Prozessoren zu groß wird. Für die MPP-Varianten ist weiterhin zusätzliche Software notwendig, die die Kommunikation der Algorithmen auf Betriebssystemebene steuert. Für eine Einführung in dieses Feld, s. Bengel u. a. [4].

14.2.8 Einführung in die Ergebnisauswertung einer Umformsimulation Die Ergebnisauswertung wird nach erfolgreicher Beendigung einer Berechnung durch Laden der Datei .d3plot unter File→ Open → Binary Plot im LS-PrePost begonnen. Die einzelnen Ausgabeplots lassen sich graphisch animiert darstellen. Die Auswertung von Feldgrößen findet sich unter Post. Hier werden tabellarisch die für eine Umformung wichtigsten Ausgaben aufgelistet: Post→Fricomp: Hierunter liegen die gesamten Ausgabegrößen, wie Spannungen, Verzerrungen, Verschiebungen, die für jeden graphischen Ausgabeplot farblich auf dem Bauteil dargestellt werden können. Für die Umformtechnik ist die Ausdünnung (Forming → Thinning) des Blechs, s. Abb. 14.13, eine der wichtigsten Variablen. Die Größe ist definiert als Blechdicke am Anfang - Blechdicke am Ende × 100 , Blechdicke am Anfang das heißt umgekehrt zur Ingenieurdehnung, wodurch ein positiver Wert eine Dickenabnahme anzeigt. Post→FriRange: Einstellung der Farbskala und des Zahlenbereichs der Plots. Durch Anklicken von User kann man eine fixe Grenze für jeden Plotstate eingeben. Dies er-

Abb. 14.13 Anzeige der Ausdünnung im Standardbereich 0 %–30 % für das S-Rail mit den Simulationseinstellungen aus Kap. 14.2

14.2 Explizite Simulation des Tiefziehens

313

Abb. 14.14 Unterschied zwischen gemittelten (links, Einstellung Nodal) und ungemittelten (rechts, Einstellung None) Daten

laubt die Vergleichbarkeit von Bildern. Dies sollte in Simulationsberichten immer eingehalten werden, insbesondere beim Vergleich von Simulationen. Für eine besser bewertbare Anzeige sollte man in diesem Fenster noch die Mittelung von Berechnungsergebnissen unter Menü Avg von Nodal auf None umstellen. Damit wird die in Kap. 7.2.3.1 erläuterte Mittelung der Daten an den Knoten der Elemente unterdrückt. Man erhält dadurch zwar einen unstetigen Farbplot, allerdings vermittelt dieser einen realistischeren Eindruck, wie die Rechenergebnisse wirklich aussehen, s. Abb. 14.14. Durch die Mittelung können Bereiche weniger kritisch erscheinen, als sie bei Betrachtung der Rohdaten in der ungemittelten Variante sind, wie z. B. rechts oben im Radienbereich in Abb. 14.14. Bei Größen, die an den Knoten berechnet werden, wie den Verschiebungen, hat die Einstellung None keine Auswirkung. Post → Ascii bzw. Binout: Hier erhält man XY-Plots der Ausgabedateien GLSTAT, MATSUM etc. Das XY-Plottool, das sich öffnet, enthält sehr viele Funktionen, die hier nicht beschrieben werden können. Post→FLD: Dieses Menü erlaubt die Bewertung der Herstellbarkeit mit Hilfe einer Grenzformänderungskurve, s. Kap. 14.1.4. Für die Ausgabe ist zu beachten, dass das Keyword *DATABASE_EXTENT_BINARY mit STRFLG = 1 definiert wurde, da sonst die notwendigen Dehnungen nicht in die Datei geschrieben werden. Die Ausgabe wird erzeugt, indem entweder eine analytische Grenzformänderungskurve über die Blechdicke und den Verfestigungsexponent berechnet wird oder eine experimentell ermittelte Kurve als Datei eingelesen wird. Neben der eigentlichen GFK (in Rot in Abb. 14.15) wird auch noch eine Kurve darunter eingezeichnet, häufig im Abstand von 10 % für jeden Punkt. Diese Kurve stellt den Sicherheitsbereich dar, da die Erstellung der GFK, wie oben beschrieben, mit vielen Unsicherheiten behaftet ist. Danach muss das Part im Grafikfenster angewählt werden und im FLD-Fenster auf Plot geklickt werden. Dies erzeugt zunächst das eigentliche Grenzformänderungsdiagramm in Abb. 14.15. In der graphischen Oberfläche werden die Verhältnisse auch auf dem Bauteil mit demselben Farbschema angezeigt, wenn man Formability anwählt.

314

14 Blechumformsimulation

Abb. 14.15 Anzeige der Herstellbarkeit auf dem Bauteil und des Grenzformänderungsdiagramms für ein analytisches Modell der Grenzformänderungskurve mit Blechdicke 𝑡 = 1,0 mm und Verfestigungsexponent 𝑛 = 0,25

14.3 Statisch-implizite Aufsprung-Simulation In diesem Abschnitt wird die grundlegende Vorgehensweise bei einer nichtlinearen statisch-impliziten Berechnung am Beispiel der Aufsprungsimulation des vorher berechneten Ziehteils illustriert3 . Die Nichtlinearität entsteht, da es sehr große Bewegungen geben kann, darüber hinaus wird der Aufsprung mit demselben nichtlinearen Materialmodell wie beim Tiefziehen berechnet. Unter Aufsprung oder Rücksprung wird die (teilweise) Entspannung von elastisch gespeicherter Formänderungsenergie nach der Umformung und dem Öffnen der Werkzeuge verstanden, s. Abb. 14.16. Der Aufsprung und die Aufsprungsimulation eines Bauteils hängen von vielen Faktoren ab, von denen die wichtigsten in Tab. 14.5 genannt sind. In Abb. 14.17 sind die Spannungs-Dehnungs-Diagramme von einem höherfesten Werkstoff und einem gut umformbaren Tiefziehstahl mit E-Modul = 210 GPa und einer Aluminiumlegierung mit E-Modul = 70 GPa gezeigt. Der höherfeste Werkstoff zeigt wegen seiner höheren Festigkeit bei gleichem E-Modul ein deutlich stärkeres Aufsprungverhalten als der Tiefziehstahl. Die Aluminiumlegierung ist besonders aufsprungkritisch, da der

Abb. 14.16 Aufsprung an einem U-Profil: Zielgeometrie (—), weicher Tiefziehstahl (—), Höherfester Stahl (—), Aluminium (—) 3

Eine Kommandodatei für die hier genutzten Keywords und Einstellungen findet sich im elektronischen Zusatzmaterial zum Buch. Die Bilder in Kap. 14.3.3 sind basierend auf dieser Kommandodatei mit der LS-DYNA SMP-DP-Version R12.0.0 Rev 148931 erzeugt worden.

14.3 Statisch-implizite Aufsprung-Simulation

315

Tabelle 14.5 Einflussgrößen auf den Aufsprung Einflussgröße

Ausprägung

Technologisch

Blechhalterkraft, tribologische Verhältnisse, plastische Dehnung

Geometrisch

Biegeradien , Blechdicke, Ziehspalt

Werkstoff

E-Modul, Streckgrenze , Verfestigungsverhalten (und -modell), Anisotropie, Fließkurvenapproximation

Numerisch

Elementtyp, - kantenlänge, Integrationspunkte durch die Dicke

E-Modul von Aluminium mit 70 GPa ca. dreimal kleiner als der von Stahl ist. Im Bild ist bei der Dehnung 4 % der Anteil der elastischen Dehnung dargestellt als Indikator für das Aufsprungverhalten. Im Vergleich zur elastischen Dehnung eines weichen Tiefziehstahls von 0,126 % ergibt sich bei einem höherfesten Werkstoff eine elastische Dehnung von 0,297 % und bei Aluminium von 0,337 %. Für eine genaue Aufsprungsimulation ist entscheidend, dass der Spannungszustand am Ende des Umformprozesses möglichst exakt berechnet wurde. Dafür ist eine Reduktion des Diskretisierungsfehlers entscheidend. Dies kann erreicht werden durch • kleine Elementkantenlänge, z. B. 1 mm am Ende der Simulation in Radienbereichen, • Ansatzfunktionen mit höherer Polynomordnung, s. Muthler u. a. [10], • dem Werkstoff angepasste Materialmodelle, die z. B. die kinematische Verfestigung berücksichtigen, • vollintegrierte Schalenelemente.

14.3.1 Genereller Modellaufbau Um die Ergebnisse aus einer Simulation in eine Nachfolgesimulation zu übertragen, gibt es in LS-DYNA die Möglichkeit eine –Datei über das Keyword 14.21 anlegen zu lassen. LS-DYNA-Keyword 14.21 Ausgabe von Spannungen, Verzerrungen und Geschichtsvariablen *INTERFACE_SPRINGBACK_LSDYNA $ PSID NSHV 1 100

711 ౬0/0NN3

Abb. 14.17 Einfluss von E-Modul und Festigkeit auf den Aufsprung: Höherfester Stahl ( ), Aluminium ), weicher Tiefziehstahl ( ). Bei 4 % Dehnung ( ist der Anteil der elastischen Dehnung dargestellt

511 311 1

౞FM > 1- 3:8 ౞FM > 1- 448 ౞FM > 1- 237 5

౞

316

14 Blechumformsimulation

Dadurch wird der Spannungs- und Verzerrungstensor sowie die Geschichtsvariablen des Materialmodells in die Datei geschrieben. Dazu ist die Angabe eines Part-Set (Keyword B.8) notwendig, auch wenn nur ein Bauteil exportiert werden soll. Die Werkzeugbauteile werden in diesem Schritt nicht mehr benötigt und entsprechend nicht angegeben. Zu beachten ist, dass im Gegensatz zu einer expliziten Simulation, bei impliziter Berechnung der Löser eine Double-precision-Variante sein muss, s. Kap. 14.2.7. Dazu ist unter den vorhandenen Solvern einer mit der Abkürzung \_d\_ im Namen auszuwählen. Für das Bauteil in der –Datei werden die Karten aus der Umformsimulation, wie *PART und *MAT_XXX, in eine neue Kommandodatei übernommen. Die *SECTION_SHELL-Karte muss an dieser Stelle auf jeden Fall das vollintegrierte Schalenelement 16 aufrufen durch ELFORM = 16 mit der speziellen Einstellung IHQ = 8 in Keyword *CONTROL_HOURGLASS, die eine genauere Berechnung bei verdrillten Elementen ermöglicht. Dieses Element sollte bei impliziten Rechnungen immer eingestellt werden, da die Konvergenz deutlich verbessert wird. Darüber hinaus sind die bereits beschriebenen Einstellungen für *DATABASE_XXX und *CONTROL_XXX Keywords möglich. Die über Keyword 14.21 in der Umformsimulation erzeugte –Datei wird über einen *INCLUDE Befehl (s. Keyword 14.20) in die Aufsprungsimulation eingelesen.

14.3.2 Implizite Steuerkarten Für die Verwendung des impliziten Solvers werden in der Ablaufsteuerung der Keyworddatei zusätzliche Keywords verwendet, die alle mit *CONTROL_IMPLICIT_ beginnen. Die wichtigsten Keywords und deren Parameter werden in diesem Abschnitt genauer betrachtet. Anwählen einer impliziten Lösung und der Inkremente Die Karte *CONTROL_IMPLICIT_GENERAL (s. Keyword 14.22) wird benötigt um eine implizite Analyse einzuschalten. Dafür ist der Parameter IMFLAG = 1 zu setzen. Die Voreinstellung IMFLAG = 0 hingegen steht für eine explizite Berechnung der Simulation. Mit IMFLAG>1 gibt es verschiedenste Varianten zwischen impliziten und expliziten Berechnungen umzuschalten. LS-DYNA-Keyword 14.22 Umschalten zwischen expliziter und impliziter Analyse *CONTROL_IMPLICIT_GENERAL $$ IMFLAG DT0 1 0.1

Der zweite wichtige Parameter auf dieser Karte ist DT0, welcher über den Parameter Zeit die Anzahl Inkremente einstellt. Die Festlegung der Simulationszeit bei statisch-impliziten Simulationen hat keinen physikalischen Hintergrund, wie in Kap. 12.2.4 erläutert, da die Zeit keine Rolle spielt, und wird willkürlich auf ENDTIM = 1s gesetzt in Keyword 14.23.

14.3 Statisch-implizite Aufsprung-Simulation

317

LS-DYNA-Keyword 14.23 Simulationszeit bei statischer Berechnung *CONTROL_TERMINATION $ ENDTIM 1.0

In diesem Beispiel werden mit DT0 = 0.1s dadurch 10 Inkremente angefordert. Einstellungen für den nichtlinearen Gleichungslöser Die Auswahl und zahlreiche Einstellungen zum nichtlinearen Lösungsverfahren finden sich in der Karte *CONTROL_IMPLICIT_SOLUTION (s. Keyword 14.24) : LS-DYNA-Keyword 14.24 Auswahl und Anpassung des nichtlinearen Gleichungslösers *CONTROL_IMPLICIT_SOLUTION $$ NSOLVR ILIMIT MAXREF 12 1 100 $$ DNORM DIVERG ISTIF

DCTOL

ECTOL

RCTOL

NLPRINT 1

NLNORM

D3ITCTL

LSTOL

ABSTOL

Dabei wird mit NSOLVR der nichtlineare Lösungsalgorithmus eingestellt. Mit dem Default NSOLVR = 12 wird ein BFGS-Algorithmus mit optionalem Bogenlängenverfahren eingeschaltet, d. h. ein Quasi-Newton-Verfahren, s. Kap. 12.3. Der Vorteil dieses Algorithmus ist, dass nicht in jedem Schritt die Tangentensteifigkeitsmatrix neu berechnet wird. Dieser und die weiteren Quasi-Newton-Methoden nach Broyden, Davidon und Davidon-FletcherPowell können zusätzlich mit einem Bogenlängenverfahren nach Crisfield oder Ramm kombiniert werden, wobei eine Zusatzgleichung das Lastinkrement beschränkt. Diese Methode wird häufig dazu verwendet, Durchschlagprobleme zu lösen, da die Newtonähnlichen Verfahren bei solchen Instabilitäten häufig nicht konvergieren. Für eine Beschreibung dieser Methoden wird auf Bathe [3, s. Kap. 8.4, S. 754 ff.] verwiesen. Der Parameter ILIMIT legt fest, nach wie vielen Iterationen die Tangentensteifigkeitsmatrix 𝑲T neu aufgebaut wird. Hier beträgt die Einstellung 1, dies ergibt ein vollständiges Newton-Raphson-Verfahren nach Kap. 12.1, da die Steifigkeitsmatrix in jedem Schritt neu berechnet wird (im Gegensatz zum Quasi-Newton-Verfahren mit ILIMIT > 1). Die maximal mögliche Iterationszahl innerhalb eines Inkrements wird durch MAXREF angegeben. Wird innerhalb dieser Iterationen keine Konvergenz erreicht, wird entweder die Berechnung abgebrochen oder bei eingeschalteter automatischer Zeitschrittsteuerung (s. Keyword 14.26) der Zeitschritt verkleinert und das Inkrement wiederholt. Für die Aufsprungsimulation hat sich ein deutlich höherer Wert als der Default von MAXREF = 100 als sinnvoll erwiesen. Die folgenden Parameter DCTOL und ECTOL sind Werte für Konvergenzkriterien in der Verschiebungs- und Energienorm, s. Kap. 12.2.3. Kleinere Werte stellen dabei immer eine höhere Anforderung an ein zu erfüllendes Gleichgewicht und erhöhen somit gleichzeitig Genauigkeit und Rechenaufwand. Diese Werte sollten vom Anwender nur in Ausnahmefällen und mit viel Vorsicht verändert werden. Der Parameter NLPRINT = 1 sorgt für die Ausgabe von zusätzlichen Informationen über den Konvergenzverlauf. Einstellungen für den linearen Gleichungslöser Bei der Lösung der nichtlinearen Gleichung wird durch Linearisierung immer ein linea(𝑘) res Gleichungssystem gewonnen, mit dem das Verschiebungsinkrement 𝒖𝑛 (s. Algorith-

318

14 Blechumformsimulation

mus 12.1) berechnet wird. Das Keyword 14.25 erlaubt es, die Einstellungen des linearen Gleichungslösers anzupassen: LS-DYNA-Keyword 14.25 Anpassen des linearen Gleichungslösers für die Matrixinversion $$.. >....1.... >....2.... >....3.... >....4.... >....5.... >....6.... >....7.... >....8 *CONTROL_IMPLICIT_SOLVER $$ LSOLVR LPRINT NEGEV ORDER DRCM DRCPRM AUTOSPC AUTOTOL 4 2 1

Dabei bezeichnet LSOLVR den Lösungsalgorithmus: Die Solver 4, 5 und 6 nutzen einen Sparse-Multi-Front-Löser, dessen Grundzüge in Kap. 5.6.1 erläutert wurden. Mit ORDER kann zwischen Metis- und MMD-Sortierung der Steifigkeitsmatrix gewählt werden, s. Kap. 5.6.1. Daneben sind noch verschiedenste iterative Gleichungslöser und Vorkonditionierungstechniken anwählbar, sollte das Gleichungssystem bei direkter Lösung nicht im Hauptspeicher gelöst werden können, s. Kap. 5.6.2. Der Parameter LPRINT sollte auf 2 stehen, da damit weitere Informationen über den Lösungsverlauf ausgegeben werden. Mit AUTOSPC = 1 wird untersucht, ob für eine positiv-definite Tangentensteifigkeitsmatrix nach dem Einsetzen der Randbedingungen genügend Bedingungen definiert wurden. Ist diese Option eingeschaltet, dann werden eventuell noch vorhandene kinematisch unbestimmte Freiheitsgrade über bereits aus Keyword B.15 bekannte kinematische Zwangsbedingungen festgelegt. Dadurch ist die Matrix regulär und es ist garantiert, dass der Gleichungslöser eine eindeutige Lösung berechnen kann. Trotz dieser Methode sollte der Anwender immer selbst für eine korrekte Lagerung sorgen, s. in Kap. 14.3.2.1. Automatische Schrittweitensteuerung Über die Karte *CONTROL_IMPLICIT_AUTO (s. Keyword 14.26) ist eine automatische Zeitschrittweitensteuerung (s. Kap. 12.2.3) möglich. Ist diese Option nicht aktiviert, wird der unter DT0 in *CONTROL_IMPLICIT_GENERAL eingestellte Wert eingehalten, egal ob dieser zur Konvergenz führt oder nicht. Die Zeitschrittweitensteuerung wird durch Setzen des Schalters IAUTO = 1 aktiviert. LS-DYNA-Keyword 14.26 Automatische Zeitschrittweitensteuerung $$.. >....1.... >....2.... >....3.... >....4.... >....5.... >....6.... >....7.... >....8 *CONTROL_IMPLICIT_AUTO $$ IAUTO ITEOPT ITEWIN DTMIN DTMAX DTEXP 1

Die Steuerung der Zeitschrittweite erfolgt über eine gewünschte Anzahl von Iterationen für jeden Zeitschritt (Option ITEOPT), die als optimal angesehen wird und einer zulässigen Abweichung von diesem Optimum in negativer und positiver Richtung (ITEWIN). Dabei wird der Zeitschritt angepasst, wenn die im letzten Schritt benötigte Anzahl von Iterationen zur Gleichgewichtsbestimmung außerhalb des durch ITEOPT und ITEWIN definierten Fensters liegt. Eine optimale Einstellung ist schwierig vorab anzugeben und problemabhängig. Deshalb wird empfohlen mit den Defaultwerten zu beginnen. Dynamisch-implizite Zeitintegration Zuletzt soll kurz auf das Keyword 14.27 *CONTROL_IMPLICIT_DYNAMICS eingegangen werden, auch wenn es in diesem Beispiel nicht benutzt wird.

14.3 Statisch-implizite Aufsprung-Simulation

319

LS-DYNA-Keyword 14.27 Dynamisch-implizite Simulation mit Newmark-Verfahren *CONTROL_IMPLICIT_DYNAMICS $ IMASS GAMMA BETA 1 0.5 0.25

TDYBIR

TDYDTH

TDYBUR

IRATE

ALPHA

Mit dieser Karte kann eine dynamisch-implizite Zeitintegration mit einem NewmarkZeitintegrationsverfahren nach Kap. 13.2 durchgeführt werden. Mit IMASS wird das Verfahren aktiviert. Die beiden Parameter 𝛾 und 𝛽 werden über GAMMA und BETA vorgegeben. Die angegebenen Werte stellen die konstante Beschleunigungsmethode ein, s. Tab. 13.1. Alternativ können mit den in Kap. 13.2.1 vorgestellten Verfahren längere Zeiträume simuliert werden. In Keyword 14.28 LS-DYNA-Keyword 14.28 Dynamisch-implizite Simulation mit HHT-Verfahren *CONTROL_IMPLICIT_DYNAMICS $# imass gamma beta 1

tdybir

tdydth

tdybur

irate

alpha -0.05

wird mit ALPHA = −0.05 das HHT-Verfahren aktiviert, wobei hier auf das Minuszeichen zu achten ist. Bei positivem Vorzeichen wird für 0 ≤ ALPHA ≤ 1 das Verfahren von Bathe und Baig (s. Kap. 13.2.1) mit Standardwerten für 𝛾 und 𝛽 genutzt.

14.3.2.1 Definition der Randbedingungen Für eine statische Berechnung ist das Bauteil kinematisch bestimmt zu lagern, damit die Tangentensteifigkeitsmatrix positiv-definit ist und eine Lösung berechnet werden kann. Eine überbestimmte Lagerung erhöht die Konvergenzrate. Prinzipiell sind bei einem 3D-Bauteil also mindestens sechs Freiheitsgrade zu sperren. Dies könnte man erreichen, indem man alle sechs Schalenfreiheitsgrade an einem Knoten sperrt. Da es sich aber um Freiheitsgrade unterschiedlicher Größe (Verschiebung, Rotation) handelt, kann dies numerisch ungünstig sein, sodass die Tangentensteifigkeitsmatrix nahezu singulär bleibt. Aus diesem Grund wird üblicherweise eine Drei-Knoten-Lagerung gewählt, s. Abb. 14.18. Am Beispiel des S-Rail ist dies in Keyword 14.29 dargestellt. LS-DYNA-Keyword 14.29 Spezielle Drei-Knoten-Lagerung bei einer Aufsprungsimulation *BOUNDARY_SPC_NODE $ NID CID 1000303 0 1000204 0 1000308 0

Abb. 14.18 Kinematisch bestimmte Lagerung einer Aufsprungsimulation durch Lagerung der Verschiebungsfreiheitsgrade an drei Knoten

DOFX 1 0 0

DOFY 1 1 0

DOFZ 1 1 1

DOFRX

DOFRY

DOFRZ

  

320

14 Blechumformsimulation

Am Knoten 1000303 sind alle translatorischen Freiheitsgrade blockiert. Damit ist das Bauteil fix im Raum, kann aber noch rotieren. Diese Möglichkeiten werden durch die Sperrung der Verschiebungen am Knoten 1000204 in 𝑦 und 𝑧 und am Knoten 1000308 in 𝑧 ausgeschlossen. Damit ist garantiert, dass das Bauteil kinematisch bestimmt gelagert ist, sich aber gleichzeitig in alle Richtungen ausdehnen kann. Dieser Punkt ist kritisch, da selten an einem Bauteil drei Knoten gefunden werden können, die exakt auf rechtwinkligen Achsen zueinander liegen. Deswegen wird es in der Praxis immer zu einer geringen Unterdrückung von Restspannungen kommen, die im Bauteil verbleiben. Wird ein symmetrisches Bauteil simuliert, reicht es aus, zwei Punkte auf der Symmetrieebene einzuspannen. Details zur Lagerung finden sich bei Maker und Zhu [9]. Eine alternative Möglichkeit besteht durch Nutzung des Keyword 14.30 mit dem eine Trägheitsentlastung oder -ausgleich (inertia relief ) berechnet werden kann. LS-DYNA-Keyword 14.30 Trägheitsentlastung als spezielle Lagerungsbedingung für den Aufsprung *CONTROL_IMPLICIT_INERTIA_RELIEF $ IRFLAG THRESH IRCNT 1 6

In diesem Fall werden keinerlei Randbedingungen vorgegeben. Da eine statische Analyse durchgeführt wird, ist die Steifigkeitsmatrix zunächst singulär, da sechs Starrkörperfreiheitsgrade existieren. Es werden nun die Eigenmoden der Starrkörperfreiheitsgrade berechnet (s. Kap. 8.2). Weiterhin wird das statische Problem dynamisch betrachtet. Mit den Starrkörpermoden wird eine modale Transformation (s. Kap. 8.2.2) durchgeführt. Das Modell wird nun künstlich in die Richtungen der Starrkörpermoden gelagert, womit die Singularität behoben wird. Die Trägheitskräfte, die mit der Massenmatrix berechnet werden, entsprechen den Reaktionskräften an den künstlichen Lagerungen und gehen in die rechte Seite des Gleichungssystems ein. Mechanisch wird dadurch das Bezugskoordinatensystem von einem feststehenden auf ein mitbewegtes Koordinatensystem verschoben, sodass die Ergebnisse nur noch relativ zu dem mitbewegten Koordinatensystem berechnet werden. Die Methode wurde für andere nicht gelagerte Problemstellungen entwickelt, wie z. B. ein Flugzeug oder eine Rakete die konstant beschleunigt wird und findet sich in vielen FE-Programmen. Der Parameter IRFLAG=1 in Keyword 14.30 schaltet die Funktion ein. Der Parameter THRESH gibt eine Grenze vor, für die ein Eigenwert der Steifigkeitsmatrix als Starrkörpereigenwert (d. h. ≈ 0) interpretiert wird. Mit IRCNT kann alternativ die Anzahl an Starrkörpereigenwerten vorgegeben werden, sollte diese vorab bekannt sein. Dieser Fall trifft auf die Aufsprungsimulation zu, weswegen hier IRCNT=6 gesetzt werden Der Vorteil der Methode besteht darin, dass keine künstlichen Zwängungen die Entspannung der Struktur einschränken. Die Ergebnisauswertung ist allerdings erschwert, da es keinen Bezugspunkt gibt.

14.3.3 Auswertung der Ergebnisse Die Art der Lagerung entscheidet bei der Aufsprungsimulation darüber, wie die Ergebnisse interpretiert werden können. Ein Beispiel mit der Lagerung nach Keyword 14.29 ist in Abb. 14.19 dargestellt. Um einen besseren Eindruck zu vermitteln, ist die Geometrie

14.3 Statisch-implizite Aufsprung-Simulation

321

Abb. 14.19 Aufsprung des S-Rail mit der Drei-KnotenLagerung aus Keyword 14.29. Der Ausgangszustand ist grau hinterlegt. Verschiebungen 15-fach vergrößert

bei geschlossenen Werkzeugen in Grau unterlegt. Ausgewertet werden üblicherweise die Knotenverschiebungsbeträge, die in Abb. 14.19 15-fach überhöht dargestellt sind. Die Schwierigkeit der Bewertung von Aufsprungergebnissen beruht darauf, dass in Abb. 14.19 vermittelt wird, dass am Flansch der höchste Aufsprung von 0,68 mm auftritt. Legt man die Lagerung an eine andere Stelle, wird das Ergebnis allerdings völlig anders aussehen. Um dies zu verdeutlichen ist in Abb. 14.20 das Ergebnis mit der Methode des Trägheitsausgleichs dargestellt. Hier treten die Maxima an anderer Stelle auf und sind betragsmäßig geringer. Man erkennt, dass die Methode nach dem Trägheitsausgleich einer Lagerung im Schwerpunkt ähnlich ist. Deswegen werden in der Praxis zwei weitere Betrachtungsweisen eingesetzt: Abb. 14.20 Aufsprung des S-Rail mit Trägheitsausgleich nach Keyword 14.30. Der Ausgangszustand ist grau hinterlegt. Verschiebungen 15-fach vergrößert

322

14 Blechumformsimulation

Minimierung der Abstandsquadrate: Der Abstand einer Anzahl von Knoten des Bauteils zwischen Sollgeometrie und aufgesprungener Geometrie wird über die Minimierung der Summe der Abstandsquadrate optimiert, sodass möglichst alle betrachteten Knoten einen gleich kleinen Abstand zur Sollgeometrie erhalten. Die Aufsprungsimulation wird mit einer beliebigen, kinematisch bestimmten Lagerung wie oben durchgeführt. Diese Vorgehensweise ist auch dann vorteilhaft, wenn Sollgeometrie und aufgesprungene Geometrie nicht gleich orientiert liegen, da sie z. B. in unterschiedlichen Koordinatensystemen bei der Bauteilkonstruktion und der Methodenentwicklung des Ziehteils erzeugt wurden. Man spricht auch von einem Einschwimmen der Bauteile. Diese Methode ist auch bei Nutzung der Trägheitsentlastung aus Kap. 14.3.2.1 anzuwenden. Lagerung nach Spannsituation: Hier wird die Spannsituation beim Verschweißen der Teile im Karosserierohbau betrachtet. Die Teile werden mit Punktspannern vor dem Fügen fixiert. Ausgehend von dieser Lage werden Abweichungstoleranzen festgelegt. Deswegen ist diese Lagerungsart in der Simulation gut geeignet für den Vergleich mit der Realität und die Plausibilisierung der Ergebnisse. Außerdem sind üblicherweise viele Lagerstellen vorgegeben, sodass man eine stark überbestimmte Lagerung erhält, was für die Konvergenz der Berechnung vorteilhaft ist. Nachteilig ist die aufwendige Modellierung der Einspannstellen, da diese möglichst realitätsnah abgebildet werden müssen und prinzipiell auch das Schließen der Spanner simuliert werden sollte.

14.4 Literaturverzeichnis [1] [2] [3] [4] [5] [6] [7] [8] [9] [10]

[11] [12]

D. Banabic, Hrsg. Sheet Metal Forming Pocesses. Berlin: Springer, 2010. F. Barlat und K. Lian. „Plastic behavior and stretchability of sheet metals. Part I“. In: International Journal of Plasticity 5.1 (1989), S. 51–66. K.-J. Bathe. Finite Element Procedures. New Delhi: Prentice-Hall of India, 2007. G. Bengel, C. Baun, M. Kunze und K.-U. Stucky. Masterkurs Parallele und Verteilte Systeme. 2. Aufl. Wiesbaden: Springer Vieweg, 2015. A. Birkert, S. Haage und M. Straub. Umformtechnische Herstellung komplexer Karosserieteile. Berlin: Springer Vieweg, 2013. M. Fleischer. Absicherung der virtuellen Prozesskette für Folgeoperationen in der Umformtechnik. Aachen: Shaker, 2009. F. Klocke. Fertigungsverfahren 4. 6. Aufl. Berlin: Springer Vieweg, 2017. J. K. Lee. Proceedings of the 3rd international NUMISHEET conference. 1996. B. Maker und X. Zhu. „Input Parameters for Springback Simulation Using LSDYNA“. In: 3rd European LS-DYNA Conference. Paris, 2001. A. Muthler, A. Düster, W. Volk, M. Wagner und E. Rank. „High order thin-walled solid finite elements applied to elastic spring-back computations“. In: Computer Methods in Applied Mechanics and Engineering 195.41-43 (2006), S. 5377–5389. K. Siegert, Hrsg. Blechumformung. Berlin: Springer, 2015. W. Volk und P. Hora. „New algorithm for a robust user-independent evaluation of beginning instability for the experimental FLC determination“. In: International Journal of Material Forming 4.3 (2011), S. 339–346.

Anhang A

Mathematische Hilfsmittel

Im Folgenden werden einige grundlegende mathematische Hilfsmittel und Schreibweisen erläutert, die für das Verständnis der Inhalte der vorangegangenen Kapitel notwendig sind. Zunächst wird das Rechnen mit Matrizen vorgestellt und danach die verschiedenen Notationsformen für Tensoren.

A.1 Matrizenrechnung und Matrixschreibweise Die FEM führt auf lineare Gleichungssysteme, die vorteilhaft in Matrixschreibweise dargestellt werden können. Deshalb werden die wesentlichen Zusammenhänge kurz angegeben: Ein lineares, eindeutig lösbares Gleichungssystem hat 𝑛 Zeilen und ebenso 𝑛 Unbekannte 𝑥𝑖 , 𝑖 = 1, … , 𝑛: 𝑎11 𝑥1 + 𝑎12 𝑥2 + ⋯ + 𝑎1𝑛 𝑥𝑛 = 𝑏1 𝑎21 𝑥1 + 𝑎22 𝑥2 + ⋯ + 𝑎2𝑛 𝑥𝑛 = 𝑏2 ⋮ 𝑎𝑛1 𝑥1 + 𝑎𝑛2 𝑥2 + ⋯ + 𝑎𝑛𝑛 𝑥𝑛 = 𝑏𝑛 .

(A.1)

Die Koeffizienten 𝑎𝑖𝑗 lassen sich in der Matrix 𝑨 zusammenfassen ⎡𝑎11 𝑎12 ⎢𝑎 𝑎 𝑨 = ⎢ 21 22 ⎢ ⎣𝑎𝑛1 𝑎𝑛2

𝑎1𝑛 ⎤ 𝑎2𝑛 ⎥ ⎥, ⎥ 𝑎𝑛𝑛 ⎦

Dim(𝑨) = [𝑛 × 𝑛] .

Soweit möglich werden Matrizen in diesem Skript mit fettgedruckten Großbuchstaben dargestellt. Da die Matrix 𝑨 gleiche Zeilen- und Spaltenzahl hat wird sie als quadratisch bezeichnet. Einspaltige Matrizen werden als Vektoren bezeichnet, hier z. B. der Vektor der Unbekannten: 323

© Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2022 M. Wagner, Lineare und nichtlineare FEM, https://doi.org/10.1007/978-3-658-36522-6_15

324

A Mathematische Hilfsmittel

⎡𝑥1 ⎤ ⎢𝑥 ⎥ 𝒙 = ⎢ 2⎥ , ⎢ ⎥ ⎣𝑥𝑛 ⎦

Dim(𝒙) = [𝑛 × 1] .

Soweit möglich, werden Vektoren durch fettgedruckte Kleinbuchstaben bezeichnet. Das Gleichungssystem lässt sich dann in Matrixform schreiben als: 𝑨𝒙 = 𝒃 . Zur Auswertung dieses Ausdrucks wird pro Zeile jeder Koeffizient 𝑎𝑖𝑗 mit dem korrespondierenden Eintrag des Vektors 𝑥𝑗 multipliziert und am Ende die Summe über alle Produkte gebildet. Dies entspricht dann für alle Zeilen ausgeführt genau dem Gleichungssystem in Gl. (A.1). Dies wird als Matrix-Vektor-Produkt bezeichnet. Die Transposition einer Matrix wird durch ein hochgestelltes ()T symbolisiert und bedeutet, dass für einen Koeffizienten der Spalten- und Zeilenindex vertauscht werden. Zum Beispiel wird der Koeffizient 𝑎23 an die Stelle 𝑎32 der Matrix eingetragen und umgekehrt. Für die Transposition eines Matrixprodukts gilt: (𝑨𝑩)T = 𝑩 T 𝑨T .

(A.2)

Mit der Transposition lässt sich eine symmetrische Matrix definieren, für die 𝑨 = 𝑨T gilt, d. h. die Koeffizienten 𝑎𝑖𝑗 und 𝑎𝑗𝑖 sind gleich. Weiterhin gelten die folgenden Rechenregeln: • Addition und Subtraktion: 𝑨+𝑩 =𝑪,

Dim(𝑪) = [𝑛 × 𝑛] .

Ausgeführt wird dies, indem jeder Koeffizient 𝑎𝑖𝑗 mit 𝑏𝑖𝑗 addiert wird, d. h. die Operation erfolgt komponentenweise. • Skalarprodukt: Zwei Vektoren werden skalar multipliziert, indem die 𝑖-ten Koeffizienten der Vektoren miteinander multipliziert werden und daraus die Summe gebildet wird. 𝒂T 𝒃 = 𝑎1 𝑏1 + 𝑎2 𝑏2 + … + 𝑎𝑖 𝑏𝑖 + … + 𝑎𝑛 𝑏𝑛 = 𝑐 ,

Dim(𝑐) = [1 × 1] .

Es entsteht ein skalarer Wert. In Matrizenschreibweise ist dazu der vordere Vektor zu transponieren, d. h. von einem Spalten- in einen Zeilenvektor umzuwandeln. Dies ergibt z. B. das Quadrat des Betrags eines Vektors, wenn man das Skalarprodukt mit dem gleichen Vektor ausführt. • Dyadisches Produkt: Umgekehrt zum Skalarprodukt wird nun der hintere Vektor transponiert: 𝑎 1 𝑏𝑛 ⎤ ⎡𝑎1 ⎤[𝑏1 𝑏2 𝑏𝑛 ] ⎡𝑎1 𝑏1 𝑎1 𝑏2 𝑎 2 𝑏𝑛 ⎥ ⎢𝑎2 ⎥ ⎢𝑎2 𝑏1 𝑎2 𝑏2 T 𝒂𝒃 = ⎢ ⎥ =⎢ (A.3) ⎥=𝑪. ⎢ ⎥ ⎥ ⎢ 𝑎𝑛 𝑏𝑛 ⎦ ⎣𝑎𝑛 ⎦ ⎣𝑎𝑛 𝑏1 𝑎𝑛 𝑏2

A.1 Matrizenrechnung und Matrixschreibweise

325

Ein Spaltenvektor wird mit einem Zeilenvektor multipliziert. Es entsteht daraus eine Matrix. • Matrixmultiplikation: 𝑨𝑩 = 𝑪 . Der Eintrag 𝑐𝑖𝑗 entsteht, indem die Zeile 𝑖 der Matrix 𝑨 mit der Spalte 𝑗 der Matrix 𝑩 skalar multipliziert wird. Damit dies möglich ist, muss die Anzahl Spalten von 𝑨 gleich der Anzahl Zeilen von 𝑩 sein, sonst ist eine Matrizenmultiplikation nicht definiert: [𝑛 × 𝑚][𝑚 × 𝑝] = [𝑛 × 𝑝]. Es ist zu beachten, dass dies keine kommutative Operation ist: 𝑨𝑩 ≠ 𝑩𝑨 . Es ist zu unterscheiden, ob eine Matrix von links oder von rechts multipliziert wird. • Die Division ist mit dem Begriff der Inverse verbunden. Formal ergibt sich 𝑨𝒙 = 𝒃 ⇒ 𝒙 = 𝑨−1 𝒃 . Mit der Inversen 𝑨−1 kann das Ergebnis eines linearen Gleichungssystems berechnet werden. Da die Berechnung einer Inversen numerisch sehr aufwendig ist, wird dies explizit sehr selten getan, sondern über Faktorisierung gelöst, s. hierzu Kap. 5.6. Die Determinante det 𝑨 weist einer Matrix einen skalaren Wert zu. Für eine 2 × 2 Matrix gilt z. B.: 𝑎 𝑎 det 11 12 = 𝑎11 𝑎22 − 𝑎12 𝑎21 . [𝑎21 𝑎22 ] Bei einer 3 × 3 Matrix lässt sich die Determinante nach der Regel von Sarrus berechnen. Für höhere Determinanten ist der Entwicklungssatz anzuwenden, s. Selke [3, S. 32]. Die Einheitsmatrix ist das neutrale Element in der Matrizenrechnung ⎡1 0 ⎢0 1 𝑰 =⎢ ⎢ ⎣0 0

0⎤ 0⎥ ⎥ ⇒ 𝑨𝑰 = 𝑰𝑨 = 𝑨 . ⎥ 1⎦

Für die Herleitung der FEM ist es notwendig, auch die Differenziation und Integration auf Matrizen anzuwenden, dies wird generell einfach komponentenweise ausgeführt. Ein wichtiger Fall ist die Differenziation eines Vektors nach einem anderen Vektor 𝜕𝑎1 𝜕𝑎1 𝜕𝑏2 𝜕𝑎2 𝜕𝑏2

⎡ 𝜕𝑏1 ⎢ 𝜕𝑎 𝜕𝒂 ⎢ 𝜕𝑏2 1 = 𝜕𝒃 ⎢⎢ ⎢ 𝜕𝑎𝑛 ⎣ 𝜕𝑏1

𝜕𝑎𝑛 𝜕𝑏2

𝜕𝑎1 𝜕𝑏𝑛 ⎤ 𝜕𝑎2 ⎥ 𝜕𝑏𝑛 ⎥

⎥. ⎥ 𝜕𝑎𝑛 ⎥ 𝜕𝑏𝑛 ⎦

Dies entspricht einem dyadischen Produkt, s. Tab. A.1. Die entstehende Matrix wird als Jacobi- oder Funktionalmatrix bezeichnet. Für die Darstellung der FEM ist sehr häufig eine Partitionierung einer Matrix in Submatrizen sinnvoll. Generell kann eine beliebige Matrix 𝑨 mit 𝑀 Zeilen und 𝑁 Spalten in

326

A Mathematische Hilfsmittel

Submatrizen partitioniert werden, z. B. 𝑨 = [𝑀 × 𝑁] =

𝑨11 𝑨12 [𝑨21 𝑨22 ]

=

[𝑀1 × 𝑁1 ] [𝑀1 × 𝑁2 ] [[𝑀2 × 𝑁1 ] [𝑀2 × 𝑁2 ]]

.

Die Submatrizen müssen keine quadratischen Matrizen sein, d. h. es können beliebige rechteckige Submatrizen entstehen. Aber es muss gelten 𝑀 = 𝑀1 +𝑀2 und 𝑁 = 𝑁1 +𝑁2 . Mit den Submatrizen kann gerechnet werden, wie mit skalaren Einträgen, wobei natürlich die Rechenregeln der Matrizenrechnung einzuhalten sind. Unter anderem muss bei einer Matrizenmultiplikation die Anzahl Spalten des linken Terms mit der Anzahl Zeilen des rechten Terms übereinstimmen: [𝑀1 × 𝑁1 ] [𝑀1 × 𝑁2 ] [𝑁1 × 1] 𝑨11 𝑨12 𝒙1 = . 𝑨𝒙 = [𝑀 × 𝑁][𝑁 × 1] = [𝑨21 𝑨22 ][𝒙2 ] [[𝑀2 × 𝑁1 ] [𝑀2 × 𝑁2 ]][[𝑁2 × 1]] Als Matrizengleichung ergibt sich damit 𝑨𝒙 =

𝑨11 𝒙1 + 𝑨12 𝒙2 {𝑨21 𝒙1 + 𝑨22 𝒙2

.

A.2 Tensor- und Indexnotation In dieser Arbeit wird neben der Matrixschreibweise (z. B. 𝒂) aus Kap. A.1 für die Darstellung von Tensoren von der symbolischen Tensorschreibweise sowie der Indexnotation Gebrauch gemacht. Das Folgende kann nur eine kurze und vereinfachte Darstellung bieten. Für eine umfassende und exakte Darstellung s. Willner [4]. In der symbolischen Schreibweise werden für Tensoren aufrechte, serifenlose Buchstaben benutzt, wobei ein Tensor 1. Stufe, wo möglich, mit einem Kleinbuchstaben 𝗮 bezeichnet wird und ein Tensor 2. Stufe mit einem Großbuchstaben, z. B. 𝗔. Die Indexnotation ist eine Komponentenschreibweise. Mehrdimensionale Größen werden durch Angabe von Indizes gekennzeichnet. Üblicherweise werden Kleinbuchstaben beginnend bei 𝑖 genutzt, wenn es sich um 3-D-Probleme handelt. Entsprechend gehen die Indizes von eins bis drei. Bei 2-D-Problemen werden griechische Buchstaben ab 𝛼 genutzt. Die Indexnotation erlaubt oft eine sehr kompakte Darstellung von Formeln und ist v. a. sehr übersichtlich zu programmieren, da jedem Index im Prinzip eine Schleife in einem Programm entspricht. Für einen Vektor gilt z. B. 𝗮 = 𝒂 = [𝑎1 𝑎2 𝑎3 ]T = 𝑎𝑖 . Die Einstein’sche Summationskonvention findet Anwendung, d. h. über gleichlautende Indizes wird summiert: 3

𝑎𝑖 𝑏𝑖 = ∑ 𝑎𝑖 𝑏𝑖 = 𝑎1 𝑏1 + 𝑎2 𝑏2 + 𝑎3 𝑏3 = 𝑐 . 𝑖=1

A.2 Tensor- und Indexnotation

327

Diese Operation entspricht dem Skalarprodukt zweier Vektoren. Da der Index 𝑖 bei der Summation verschwindet (𝑐 trägt keinen Index mehr), ist es beliebig, welcher Buchstabe genutzt wird, man spricht auch von einem stummen Index, da gilt 𝑎𝑖 𝑎𝑖 = 𝑎𝑘 𝑎𝑘 . Ein stummer Index kommt immer genau zweimal in einer Formel vor. Beispiele für die Summationskonvention finden sich in Gl. (3.5) und Gl. (3.6). Kommt ein Index nur einmal vor, handelt es sich um einen freien Index. Die Anzahl freie Indizes an einer Größe gibt die Stufe des Tensors an. Eine weitere Konvention bei der Indexnotation betrifft die Darstellung von Ableitungen: 𝜕𝑢𝑖 = 𝑢𝑖,𝑗 , 𝜕𝑥𝑗

(A.4)

indem die Ableitung nach einer Koordinate über ein Komma (⋅),𝑗 = 𝜕(⋅)/𝜕𝑥𝑗 beschrieben wird. Ein Beispiel findet sich in Gl. (3.14). Für die Darstellung vieler Formeln in Indexnotation ist ein Einheitstensor notwendig, der als Kronecker-Delta bezeichnet wird: 𝛿𝑖𝑗 =

1, falls 𝑖 = 𝑗 {0, falls 𝑖 ≠ 𝑗 ,

(A.5)

Die Spur dieses Tensors ist 𝛿𝑖𝑖 = 3. Man kann damit auch Indizes vertauschen: 𝛿𝑖𝑗 𝑎𝑗 = 𝑎𝑖 bzw. für Tensoren 2. Stufe gilt 𝛿𝑖𝑘 𝐴𝑘𝑗 = 𝐴𝑖𝑗 oder 𝛿𝑖𝑘 𝐴𝑗𝑘 = 𝐴𝑗𝑖 . Multipliziert man das Kronecker-Delta mit sich selbst, werden dadurch Indizes eliminiert: 𝛿𝑖𝑘 𝛿𝑗𝑘 = 𝛿𝑖𝑗 = 𝛿𝑗𝑖 . Die weiteren Rechenoperationen und die Darstellung in den verschiedenen Notationen finden sich in Tab. A.1. Formal wird auch die Matrizenschreibweise der Operationen daneben gestellt. Für Details und weitere Beispiele sei auf Gaul, Kögl und Wagner [1, Kap. 2.1.1, S. 23] und Gross, Hauger und Wriggers [2, Kap. 2.1.1] verwiesen. Für die AbleiTabelle A.1 Rechenoperationen in verschiedenen Notationen Operation

symbolische Notation T

Indexnotation

Matrixschreibweise

Skalarprodukt

𝗮 ⋅𝗯=𝑐

𝑎 𝑖 𝑏𝑖 = 𝑐

𝒂T 𝒃 = 𝑐

Verjüngung/Kontraktion

𝗔⋅𝗯=𝗰

𝐴𝑖𝑗 𝑏𝑗 = 𝑐𝑖

𝑨𝒃 = 𝒄

𝗔⋅𝗕=𝗖

𝐴𝑖𝑘 𝐵𝑘𝑗 = 𝐶𝑖𝑗

𝑨𝑩 = 𝑪

doppelte Verjüngung/Kontraktion

𝗔∶𝗕=𝑐

𝐴𝑖𝑗 𝐵𝑖𝑗 = 𝑐



dyadisches Produkt Tensor 1. Stufe

𝗮⊗𝗯=𝗖

𝑎𝑖 𝑏𝑗 = 𝐶𝑖𝑗

𝒂𝒃T = 𝑪

dyadisches Produkt Tensor 2. Stufe

𝗔⊗𝗕=𝗖

𝐴𝑖𝑗 𝐵𝑘𝑙 = 𝐶𝑖𝑗𝑘𝑙



Gradient Tensor 0. Stufe

grad 𝑎 = 𝝯𝑎

𝑎,𝑖 = 𝑏𝑖



Gradient Tensor 1. Stufe

grad 𝗮 = 𝗮 ⊗ 𝝯

𝑎𝑖,𝑗 = 𝑏𝑖𝑗



Divergenz Tensor 1. Stufe

div 𝗮 = 𝗮 ⋅ 𝝯

𝑎𝑖,𝑖 = 𝑐



Divergenz Tensor 2. Stufe

div 𝗔 = 𝗔 ⋅ 𝝯

𝐴𝑖𝑗,𝑖 = 𝑐𝑗



tung von Tensoren in symbolischer Schreibweise ist die Einführung des Nabla-Operators 𝜕 𝜕 𝜕 T ] sinnvoll. Die Divergenz lässt sich damit dann als div 𝗔 = 𝗔⋅𝝯 schreiben. 𝝯 = [ 𝜕𝑥 𝜕𝑦 𝜕𝑧

328

A Mathematische Hilfsmittel

Die Angabe des Transpositionszeichens in der symbolischen Notation beim Skalarprodukt ist nicht notwendig, wird aber der Klarheit halber mit angegeben. Zu Vereinfachung wird bei der Verjüngung von rechts der Punkt weggelassen, sodass gilt 𝗔 ⋅ 𝗯 = 𝗔𝗯.

A.3 Einheitensysteme

Tabelle A.2 Gebräuchliche Einheitensysteme und Zahlenwerte charakteristischer Größen Masse

Länge

Zeit

Kraft

Energie

Spannung

E-Modul Stahl

Dichte Stahl

Erdbeschl.

1

kg

m

s

N

J

Pa

2,10 ⋅ 1011

7,83 ⋅ 103

9,81

2

t

mm

s

N

mJ

MPa

2,10 ⋅ 105

7,83 ⋅ 10−9

9,81 ⋅ 103

3

kg

mm

ms

kN

J

GPa

2,10 ⋅ 102

7,83 ⋅ 10−6

9,81 ⋅ 10−3

4

g

mm

ms

N

mJ

MPa

2,10 ⋅ 105

7,83 ⋅ 10−3

9,81 ⋅ 10−3

A.4 Literaturverzeichnis [1]

L. Gaul, M. Kögl und M. Wagner. Boundary Element Methods for Engineers and Scientists. Berlin: Springer, 2003. [2] D. Gross, W. Hauger und P. Wriggers. Technische Mechanik 4. 10. Aufl. Berlin: Springer Vieweg, 2018. [3] P. Selke. Höhere Festigkeitslehre. München: Oldenbourg Verlag, 2013. [4] K. Willner. Kontinuums- und Kontaktmechanik. Berlin: Springer, 2003.

Anhang B

Einführung in die Simulation mit LS-DYNA

Dieser Anhang soll als Kurzeinstieg in LS-DYNA1 dienen und bietet einen Überblick zu den wichtigsten Bestandteilen eines nichtlinearen, dynamischen Berechnungsmodells2 .

B.1 Genereller Aufbau einer Keyword-Datei In diesem Abschnitt wird zunächst auf die generelle Struktur einer Kommandodatei für LS-DYNA, die als Keyword-Datei oder Inputdeck bezeichnet wird, eingegangen. Jede Angabe, die für eine FE-Berechnung notwendig ist (z. B. Randbedingungen etc.), wird über Keywords definiert. Das Keyword selbst beginnt immer mit einem „*“. In den folgenden Zeilen werden für das Keyword spezifische Parameter vorgegeben. Dabei ist für diese Zeilen ein fixes Raster einzuhalten. Eine Zeile umfasst maximal 80 Zeichen. Jeder Parameter auf einer Zeile hat, bis auf einige Ausnahmen, 10 Zeichen, sodass immer 8 Parameter auf eine Zeile passen. Ein Keyword wird zusammen mit seiner Parameterliste auch als Karte bezeichnet. Die Formatierung einer Kommandodatei muss genauen Regeln folgen. Eine häufige Fehlerquelle ist, dass anstatt Leerzeichen Tabulatoren von einem Editor eingesetzt werden. Diese sind i. d. R. nicht sichtbar, werden aber vom ASCII-Code anders dargestellt. Ein solches Zeichen in einem Keyword führt zu einem Fehler. Ragt ein Wert über die maximal zulässige Anzahl von 10 Zeichen hinaus, d. h. besitzt ein Parameter beispielsweise 11 Zeichen, so wird das 11. Zeichen für den nächsten Parameter verwendet. Dies kann zu fehlerhaften Berechnungsergebnissen oder auch zum Abbruch der Berechnung führen. Die Reihenfolge der erstellten Keywords ist prinzipiell beliebig, zu beachten ist jedoch, dass die Datei mit *KEYWORD beginnt und mit *END endet. Für eine gute Lesbarkeit bietet sich die folgende Anordnung der Keywords an: 1 2

LS-DYNA® und LS-PrePost® sind eingetragene Warenzeichen der Firma ANSYS Inc. Weitere Informationen zu LS-DYNA und zur Modellierung finden sich auf folgenden Internetseiten • http://www.dynasupport.com: Hilfen und Erklärungen zu LS-DYNA. • http://www.dynaexamples.com: Beispiele zu verschiedensten Anwendungen. • http://www.dynalook.com: Veröffentlichungen aller LS-DYNA Konferenzen.

Ergänzende Information Die elektronische Version dieses Kapitels enthält Zusatzmaterial, auf das über folgenden Link zugegriffen werden kann (https://doi.org/10.1007/978-3-658-36522-6_16) © Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2022 M. Wagner, Lineare und nichtlineare FEM, https://doi.org/10.1007/978-3-658-36522-6_16

329

330

B Einführung in die Simulation mit LS-DYNA

a) Kommandos zur Zeitsteuerung und für allgemeine numerische Parameter, b) Kommandos zur Ausgabesteuerung, c) Angabe von Bauteilen. Für jedes Bauteil sollte enthalten sein: • Bauteildefinition, • Elementbeschreibung, • Materialbeschreibung, d) Kontaktdefinition, e) Definition von Randbedingungen einschließlich Sets, f) Angabe der Knotenkoordinaten und der Inzidenztabelle.

B.2 Beispiel: Aufprall einer Kugel auf eine deformierbare Platte In Folgenden soll anhand des Aufpralls einer starren Kugel auf eine deformierbare Platte der Aufbau einer LS-DYNA Keyword-Datei für eine explizite FE-Simulation Schritt für Schritt dargestellt werden, s. Abb. B.1. Eingangsdaten sind vernetzte Geometrien der Platte und der Kugel. Die Platte besitzt die Abmaße 300 mm x 300 mm x 1 mm und soll mit insgesamt 400 viereckigen Schalenelementen der Kantenlänge 15 mm modelliert werden sowie elastoplastisches Materialverhalten aufweisen, mit den Kennwerten: • • • • •

Dichte 𝜌 = 7,83 ⋅ 10−6 kg/m3 , E-Modul 𝐸 = 210 GPa, Querkontraktionszahl 𝜈 = 0.3, Initiale Streckgrenze 𝜎F0 = 0,368 GPa, Plastischer Verfestigungsparameter ETAN = 0,3603 GPa (s. Keyword B.10).

Der Mittelpunkt der Kugel (Radius 𝑟 = 40 mm) wird in einem Abstand von 50 mm von der Platte erstellt. Die Kugel wird mit einer vordefinierten Anfangsgeschwindigkeit von 𝑣𝑧0 = −10 m/s in z-Richtung beaufschlagt. Um ein Durchdringen der beiden Bauteile zu vermeiden, wird ein Kontakt zwischen diesen beiden Körpern definiert. Die Simulationszeit soll insgesamt 𝑡E = 10 ms betragen. Die Platte soll am gesamten Rand so eingespannt sein, dass sie sich in keine Richtung verschieben kann. Eine Rotation der Kante soll aber möglich sein. Die Kommandodatei findet sich im elektronischen Zusatzmaterial zum Buch. Es wird empfohlen, diese beim Durcharbeiten dieses Kapitels parallel heranzuziehen. Abb. B.1 Einführungsbeispiel: Aufprall einer starren Kugel auf eine deformierbare Platte

B.2 Beispiel: Aufprall einer Kugel auf eine deformierbare Platte

331

B.2.1 Zeitsteuerung und allgemeine Parameter Jedes Inputdeck beginnt in der ersten Kommandozeile mit *KEYWORD, s. Keyword B.1. LS-DYNA-Keyword B.1 Beginn einer Kommandodatei *KEYWORD_JOBID

*TITLE

Als Option kann _JOBID angegeben werden. Dann muss in der Zeile darunter eine Zeichenkette stehen, die jeder Ausgabedatei, die LS-DYNA erzeugt, vorangestellt wird. So können einzelne Berechnungsergebnisse einfach verwaltet werden. Eine Beschreibung des Rechenmodells ist optional unter *TITLE möglich. Eine Angabe des gewählten Einheitensystems ist hier sinnvoll. Im Keyword B.2 wird als nächstes die Simulationsdauer unter ENDTIM vorgegeben. LS-DYNA-Keyword B.2 Endzeit bzw. Simulationsdauer *CONTROL_TERMINATION $# ENDTIM 10.0

Steht in einer Zeile ganz vorne ein „$“, zeigt dies einen Kommentar an, der von LS-DYNA ignoriert wird. Üblicherweise stehen in diesen Zeilen Abkürzungen der einzugebenden Parameter, hier ENDTIM. Diese finden sich auch im Handbuch wieder. Erst darunter kommt die signifikante Zeile mit Zahlen.

B.2.2 Ausgabesteuerung Während einer Berechnung erzeugt ein FE-Programm sehr große Datenmengen, die nicht alle gespeichert werden können. Deshalb gibt es vielfältige Möglichkeiten, die Erzeugung der gewünschten Ausgabedaten zu beeinflussen. In LS-DYNA ist zwischen der Ausgabe von knoten- und elementspezifischen Berechnungsergebnissen in verschiedene Textdateien und der Ausgabe von graphischen Darstellungen des Gesamtmodells zu unterscheiden.

B.2.2.1 Ausgabesteuerung von Textdateien Die folgende Liste zeigt die wichtigsten möglichen textbasierten Ausgabedateien: GLSTAT MATSUM RCFORC RBDOUT NODOUT ELOUT

Gesamtmodelldaten, wie Energien (totale, kinetische, Hourglass), Zeitschrittverlauf, Verlauf der Massenskalierung etc. Energien und kinematische Daten für jedes *PART Resultierende Kontaktkräfte für jede Master-/Slavekombination Kinematische Daten von Starrkörpern Kinematische Daten ausgewählter Knoten Spannungs- und Verzerrungsgrößen ausgewählter Elemente.

Diese Dateien werden durch *DATABASE_, z. B. in Keyword B.3 für GLSTAT, angelegt und tragen jeweils die Endung der angeforderten Datei, z. B. .

332

B Einführung in die Simulation mit LS-DYNA

LS-DYNA-Keyword B.3 Text-Ausgaben *DATABASE_GLSTAT $# DT BINARY 0.1 2

Mit DT = 0,1 ms wird ein Zeitintervall festgelegt, wann die Daten in die Datei geschrieben werden. Der zweite Parameter BINARY = 2 erzeugt eine einzige Datei mit der Endung , die alle angeforderten Textdateien in einem binären Format enthält. Dies hat den Vorteil, dass die Datenmenge erheblich verringert ist und die Anzahl Dateien, die LS-DYNA erzeugt, kleiner wird. Zur Darstellung der Dateien ist dann im LSTC eigenen Prä- und Postprozessor LS-PrePost Post→Binout aufzurufen. Die Textdateien enthalten i. d. R. geringe Datenmengen und eignen sich daher für eine häufige Ausgabe, z. B. 100bis 1000-mal in einer Simulation. Eine Ausnahme sind NODOUT und ELOUT, da es hier davon abhängt, wie viele Knoten oder Elemente man anfordert. Ist die Ausgabe von Verschiebungen, Geschwindigkeiten und Beschleunigungen an einzelnen Knoten mit NODOUT gewünscht, werden diese in Keyword B.4 angegeben, z. B. für die Knoten 10, 35 und 103: LS-DYNA-Keyword B.4 Text-Ausgaben - DATABASE_HISTORY_NODE *DATABASE_HISTORY_NODE $# NID1 NID2 10 35

NID3 103

NID4

NID5

NID6

NID7

NID8

Analog gibt es die Keywords *DATABASE_HISTORY_SHELL/SOLID, die Spannungen und Verzerrungen einzelner Elemente in ausgeben.

B.2.2.2 Ausgabesteuerung von graphischen Gesamtmodelldaten Die Steuerung graphischer Ergebnisse des Gesamtmodells erfolgt durch Keyword B.5: LS-DYNA-Keyword B.5 Graphische Ausgabe Gesamtmodell *DATABASE_BINARY_D3PLOT $# DT LCDT

BEAM

NPLTC 10

PSETID

Dadurch werden graphische Gesamtmodelldaten (Plots) in Dateien mit Endung ausgegeben, die den kompletten Status zu verschiedenen Zeitpunkten beinhalten. Je nach Einstellung werden mehrere Dateien geschrieben, dann enthält (xx) einen Zählindex3 . Die Datenmenge eines einzelnen Plots ist modellabhängig sehr groß, sodass nur wenige Plots geschrieben werden sollten, z. B. 10 bis 50. Die Anzahl Plots kann durch Definition von NPLTC angefordert werden, die dann in gleichen Zeitabständen geschrieben werden. Ein Eintrag bei DT gibt alternativ ein Zeitintervall zur Ausgabe vor. Der Inhalt der Dateien kann u. a. mit *DATABASE_EXTENT_BINARY (s. Keyword 14.4) konfiguriert werden.

3

Normalerweise wird aufsteigend nummeriert (01, 02, ...), bei adaptiver Netzverfeinerung wird allerdings mit aa, ab, ... indiziert.

B.2 Beispiel: Aufprall einer Kugel auf eine deformierbare Platte

333

B.2.3 Bauteildefinition Zur Definition von Bauteilen dient in LS-DYNA das *PART. Dies ist eines der wichtigsten Kommandos, da viele Randbedingungen, Kontakte und weitere Einstellungen darüber zugewiesen werden. Zur eindeutigen Identifikation eines Bauteils erhält es eine Nummer PID im Keyword B.6. LS-DYNA-Keyword B.6 Bauteildefinition *PART Platte $# PID 1 *PART Kugel $# PID 2

SECID 1

MID 1

SECID 2

MID 2

Unter dem Keyword wird eine aussagefähige Beschreibung angegeben. Als wesentliche Eigenschaften, erfolgt in diesem Keyword die Zuweisung des verwendeten Elementtyps sowie des Materials über eindeutige Indizes SECID und MID. Da beide Bauteile im Beispiel mit unterschiedlichen Materialien und Elementarten modelliert werden, erhalten diese Parts verschiedene SECIDs und MIDs.

B.2.3.1 Erstellen von Gruppen (Sets) Ein Set (Menge) ist eine Gruppierung von Objekten (Knoten, Elemente, Parts etc.), um diese gesammelt adressieren zu können. Im Keyword B.7 wird eine Knotengruppe gebildet, um sie z. B. in einer Randbedingung gesamthaft ansprechen zu können. LS-DYNA-Keyword B.7 Knoten-Set *SET_NODE_LIST_TITLE Set Anfangsgeschwindigkeit $# SID DA1 DA2 2 $# NID1 NID2 NID3 290 291 292

DA3

DA4

SOLVER

NID4 293

NID5 294

NID6 295

NID7 296

NID8 297

Dazu werden die Knotennummern bei NIDxxx eingetragen. Das Set kann dann über die SID angesprochen werden. Es können prinzipiell beliebig viele Zeilen mit Knotennummern angegeben werden. Analog dazu stellt das Keyword B.8 eine Gruppierung der Identifikationsnummern der beiden Bauteile (Platte: PID1 und Kugel: PID2) dar. LS-DYNA-Keyword B.8 Part-Set. Gruppierung von Bauteilen zu Baugruppen *SET_PART_LIST_TITLE Set Bauteile $# SID DA1 1 $# PID1 PID2 1 2

DA2

DA3

DA4

SOLVER

PID3

PID4

PID5

PID6

PID7

PID8

Mit diesem Set können Bauteile zu Baugruppen zusammengefasst werden und dann in der Modellierung weiterer Bedingungen, z. B. einer Anfangsgeschwindigkeit oder eines Kontakts, über eine einzige ID angesprochen werden.

334

B Einführung in die Simulation mit LS-DYNA

B.2.3.2 Elementdefinition Der Elementtyp wird mithilfe des Keywords *SECTION_ definiert, s. Keyword B.9. Hierbei bezeichnet die jeweilige Elementart. Die Platte wird mit Schalenelementen (shell → *SECTION_SHELL) vernetzt, die Kugel wird mit Hexaederelementen als 3-D-Körper (solid → *SECTION_SOLID) modelliert: LS-DYNA-Keyword B.9 Elementeigenschaften *SECTION_SHELL_TITLE Sec_Platte $# SECID ELFORM 1 2 $# T1 T2 1.0 1.0 *SECTION_SOLID_TITLE Sec_Kugel_Rigid $# SECID ELFORM 2 1

SHRF T3 1.0

NIP 5 T4 1.0

PROPT

QR/IRID

ICOMP

SETYP

NLOC

MAREA

IDOF

EDGSET

AET

Der erste Parameter SECID ist eine eindeutige Zahl, die die Section kennzeichnet und im zugehörigen *PART eingetragen werden muss. Der Elementtyp wird bei ELFORM vorgegeben. Speziell bei Schalen erfolgt die Angabe der Anzahl an Integrationspunkten über die Dicke bei NIP. In Keyword B.9 sind bei *SECTION_SHELL insgesamt fünf Gauß-Integrationspunkte ausgewählt. Die Plattendicke von 1,0 mm wird über die Schalendicke an den lokalen Knoten eines Elements (T1 bis T4) eingestellt. Die Definition der Elementeigenschaften für den Volumenkörper der Kugel erfolgt in *SECTION_SOLID. Auch hier kann der Elementtyp über ELFORM eingestellt werden.

B.2.3.3 Materialbeschreibung LS-DYNA stellt eine Vielzahl von Materialmodellen bereit, wovon im Folgenden zwei häufig eingesetzte erläutert werden. Elastoplastisches Material In Keyword B.10 ist für die Platte ein isotropes, elastoplastisches Materialverhalten modelliert, bei dem die Vergleichsspannung der Fließbedingung nach von Mises berechnet wird (s. Kap. 10.2). Zur Verwendung dieser Materialkarte für die Platte muss die MID im Keyword *PART eingetragen werden. LS-DYNA-Keyword B.10 Definition für isotropes elastoplastisches Material *MAT_PIECEWISE_LINEAR_PLASTICITY_TITLE Mat Platte $# MID RO E PR 1 7.8300 E-6 210.00000 0.300000 $# C P LCSS LCSR 99

SIGY 0.368000 VP

ETAN 0.36030

FAIL

TDEL

Die grundlegenden Materialparameter werden in der ersten Parameterzeile definiert. Der Parameter RO steht hierbei für die Dichte 𝜌 = 7,83 ⋅ 10−6 kg/mm3 , E für den E-Modul 𝐸 = 210 GPa und PR für die Querkontraktionszahl 𝜈 = 0.3. In Keyword B.10 sind zwei mögliche Definitionsarten der Fließkurve enthalten:

B.2 Beispiel: Aufprall einer Kugel auf eine deformierbare Platte

335

• Ein bilineares Modell über die beiden Parameter SIGY= 0,368 GPa (initiale Streckgrenze 𝜎𝑦 ) und ETAN= 0,3603 GPa, dem Tangentenmodul aus Gl. (10.19) in Kap. 10.2. Sowohl der elastische als auch plastische Bereich werden über lineare Segmente abgebildet. Dies ist nur eine grobe Näherung des realen Verhaltens. • Die Verwendung einer gemessenen Fließkurve ergibt ein (genaueres) stückweise lineares Modell. Deshalb kann über den Parameter LCSS der Materialkarte eine gemessene Fließkurve (s. Abb. 14.5) zugeordnet werden. SIGY und ETAN sind dann unbenutzt. Das Keyword B.11 *DEFINE_CURVE enthält dabei die Wertepaare der gemessenen Fließkurve. Die Werte sind jeweils in logarithmischen Dehnungen und wahren Spannungen vorzugeben, s. Kap. 9.4. Die Zuordnung der Kurve erfolgt wieder über die Vergabe einer eindeutigen Nummer der Kurve unter Parameter LCID=99. LS-DYNA-Keyword B.11 Definition einer Kurve *DEFINE_CURVE_TITLE Fliesskurve Platte $# LCID SIDR 99 $#EFF. PLAST. STRAIN 0.0

1.0

SFA

SFO

OFFA

OFFO

DATTYP

EFF. STRESS 0.2901 1.0214

Entsprechend ist der Parameterwert LCSS auf 99 zu setzen in der Materialkarte. Es ist zu beachten, dass in diesem Keyword eine Ausnahme von der Feldbreite 10 vorkommt. Die (x,y)-Werte haben jeweils die Breite 20. Die Vorgabe von (x,y) Wertepaaren tritt an vielen Stellen in LS-DYNA auf und erfolgt genau mit demselben Keyword, unabhängig davon, ob es sich um SpannungsDehnungsdaten oder einen Zeitverlauf einer Größe handelt. Zu beachten ist bei der Definition einer Kurve, dass der Parameter SIDR=0 ist, da ansonsten eine dynamische Relaxation (s. Kap. 13.3.6) berechnet wird. Über SFA und SFO kann generell ein Skalierungsfaktor für die Abszisse und die Ordinate eingestellt werden. Ein Offset der eingelesenen Daten kann über OFFA (Abszisse) und OFFO (Ordinate) generiert werden. Starrkörper-Material Die Kugel soll als Starrkörper mit dem Materialtyp *MAT_RIGID modelliert werden, siehe Keyword B.12. LS-DYNA-Keyword B.12 Materialdefinition Kugel *MAT_RIGID_TITLE Kugel Material $# MID RO E PR 2 7.83 E-6 210.0 0.3 $# CMO CON1 CON2 1.0 4.0 7.0

Diesem Material ist über *PART=2 die MID = 2 zugeordnet. Auch für diesen Materialtyp ist die Angabe von Materialkenngrößen erforderlich. Diese sind für die Kontaktberechnung notwendig und sollten in der Größenordnung der Eigenschaften der deformierbaren Bauteile liegen, da ansonsten Schwierigkeiten bei der Kontaktbehandlung auftreten können, da daraus die Penalty-Faktoren berechnet werden, s. Kap. 11.3.2. Zu beachten sind die Parameter CMO, CON1, CON2. Das Starrkörpermaterial hat die Besonderheit, dass die Bewe-

336

B Einführung in die Simulation mit LS-DYNA

gungsmöglichkeiten des Starrkörpers auf dieser Karte definiert werden. Da ein Starrkörper durch seinen Schwerpunkt definiert ist, wird nur die Bewegung dieses Punkts betrachtet. CON1 bezeichnet hierbei die Verschiebungsfreiheitsgrade und CON2 die Rotationsfreiheitsgrade des Starrkörperschwerpunkts. Es gibt folgende Einstellungen: Parameterwert CON1/CON2 1

2

3

4

Eingeschränkter FHG

y

z

x/y y/z

x

5

6

7

x/z

x/y/z

Die Wahl des Bezugskoordinatensystems erfolgt durch die Angabe von CMO: Parameterwert CMO

+1

0

-1

Koordinatensystem global keine Randbedingungen lokal Für eine Einschränkung von Bewegungsrichtungen muss CMO ≠ 0 sein. Voreingestellt ist CMO = 0, dann wirkt eine Einstellung von CON1 bzw. CON2 nicht. Die Einstellung in Keyword B.12 gibt an, dass sich der zugeordnete Starrkörper nicht rotatorisch (CON2 = 7) und translatorisch nur in globaler (CMO = +1) z-Richtung (CON1 = 4) bewegen kann. Mit welchem Zeitverlauf die Bewegung abläuft wird bei den Randbedingungen vorgegeben.

B.2.4 Kontaktdefinition Um eine Durchdringung der beiden Bauteile zu vermeiden, ist zwischen Platte und Kugel ein entsprechender Kontakt zu definieren. Der in Keyword B.13 dargestellte Kontakt LS-DYNA-Keyword B.13 Definition des Kontakttyps *CONTACT_AUTOMATIC_SINGLE_SURFACE_ID $# CID 1Kontakt zwischen Platte und Kugel $# SSID MSID SSTYP MSTYP SBOXID 1 0 2 0 $# FS FD DC VC VDC 0.100

TITLE MBOXID

SPR

MPR

PENCHK

BT

DT

verwendet ein Penalty-Verfahren (s. Kap. 11.3.2). Ein Kontakt bietet sehr viele Einstellungsmöglichkeiten, für eine Standardanwendung sind aber nur fünf Parameter relevant. Mit SSID und MSID werden die Kontaktpartner festgelegt und mit SSTYP und MSTYP, um welche Objektart es sich bei SSID/MSID handelt. Die relevantesten sind: Parameterwert Objektart

1

2

3

4

Shell Element Part Set Part Node Set

Wird für SSTYP = 2 gesetzt, muss das entsprechende *SET_PART (s. Keyword B.8) mit seiner SID = 1 dem Parameter SSID im Keyword B.13 zugeordnet werden. Zuletzt ist noch die Einstellung des Coulomb’schen Reibkoeffizienten FS nötig, s. Kap. 11.1.2. Eine Besonderheit in dieser Kontaktdefinition ist, dass MSID = 0 eingetragen wird. Dies liegt daran, dass die sog. SINGLE_SURFACE-Kontakte sowohl Kontakt zwischen allen *PARTs

B.2 Beispiel: Aufprall einer Kugel auf eine deformierbare Platte

337

prüfen, die im *SET_PART unter SSID genannt sind als auch den Selbstkontakt eines *PARTs mit sich selbst. Dieser Kontaktalgorithmus würde deswegen auch Selbstdurchdringung des Bauteils 1 erkennen.

B.2.5 Definition der Randbedingungen Um die Platte im Raum zu fixieren, werden an den vier Kanten, über die dort liegenden Knoten, Lagerungen über Verschiebungsrandbedingungen definiert. Die Knoten werden über ein Knotenset NSID = 1 in Keyword B.14 zusammengefasst, LS-DYNA-Keyword B.14 Knoten-Set für Einspannung *SET_NODE_LIST_TITLE Set Einspannung $# SID DA1 1 $# NID1 NID2 1 2

DA2

DA3

DA4

SOLVER

NID3 3

NID4 4

NID5 5

NID6 6

NID7 7

NID8 8

das dann im Keyword B.15 in einer Lagerungsbedingung referenziert wird: LS-DYNA-Keyword B.15 Lagerung von Knoten *BOUNDARY_SPC_SET $# NSID CID 1 0

DOFX 1

DOFY 1

DOFZ 1

DOFRX 0

DOFRY 0

DOFRZ 0

Die Verschiebungen werden in x-, y- und z-Richtung gesperrt: DOFX=DOFY=DOFZ=1, Rotationen um die jeweiligen Koordinatenachsen sollen zugelassen werden: DOFRX=DOFRY =DOFRZ=0. Weiterhin wird der Kugel zu Beginn der Simulation zum Zeitpunkt 𝑡 = 0 s über ein Knotenset NSID=2 eine definierte Anfangsgeschwindigkeit über Keyword B.16 von VZ = −10 mm/s in globaler z-Richtung vorgegeben. LS-DYNA-Keyword B.16 Definition der Anfangsgeschwindigkeit über ein Knoten-Set *INITIAL_VELOCITY $# NSID NSIDEX 2 $# VX VY 0.0 0.0

BOXID VZ -10.0

VXR

VYR

VZR

B.2.6 Knotenkoordinaten und Inzidenztabelle Die Knotendefinition erfolgt durch Angabe der jeweiligen globalen Koordinaten in x-, yund z-Richtung und der Zuordnung einer NID (globale Knotennummer) in Keyword B.17. Als Beispiel ist hier ein Eckknoten der Platte gelistet. LS-DYNA-Keyword B.17 Knotendefinition *NODE $# NID 1

X -150 .0

Y -150 .0

Z

TC

RC

338

B Einführung in die Simulation mit LS-DYNA

Auch hier liegt wieder eine Abweichung von der üblichen Feldlänge vor, um eine genauere Angabe der Koordinaten zu ermöglichen. Die Inzidenztabelle der Elemente (s. Kap. 5.4) mit den zugehörigen Knotenindizes wird in dem Keyword *ELEMENT_SHELL bei Schalen abgespeichert. Die Auflistung eines Elements zeigt Keyword B.18. Jedes Element erhält eine eigene Identifikationsnummer und wird mit insgesamt vier einzelnen Knoten (NID1 bis NID4) dargestellt, welche abschließend einem bestimmten Part durch Angabe der jeweiligen PID zugeordnet werden. LS-DYNA-Keyword B.18 Elementdefinition Platte *ELEMENT_SHELL $# EID PID 1 1

NID1 18

NID2 19

NID3 2

NID4 1

Die Modellierung der Volumenelemente erfolgt mit acht Knoten, s. Keyword B.19. Für diese Elemente ist ebenfalls die Angabe des Bauteils (hier Kugel: PID = 2) erforderlich. LS-DYNA-Keyword B.19 Elementdefinition Kugel *ELEMENT_SOLID $# EID PID 257 2

N1 290

N2 339

N3 346

N4 297

N5 291

N6 340

N7 347

N8 298

In Abb. B.2 ist abschließend der Zusammenhang der Indizes in den Keywords zusammengefasst: KEYWORD

Parameter

*PART

QJE

*SECTION_SHELL

TFDJE

*MAT_

NJE

*ELEMENT_ *NODE

FJE OJE

TFDJE



NJE

&

QJE Y



OJE Z

Abb. B.2 Zusammenhang der Indizes in einer LS-DYNA-Kommandodatei

[

Lösungen zu den Aufgaben

Aufgaben aus Kap. 2 2.1 Die Bestimmung der Elementsteifigkeitsmatrix erfolgt über Gl. (2.22): ⎡ 1 0 −1 ⎢0 0 0 𝑲 =⎢ ⎢−1 0 1 ⎣0 0 0

(𝒓)

𝑒

0⎤ 0⎥ N/m . 0⎥⎥ 0⎦

Mit Hilfe von Gl. (2.19) kann die Rotationsmatrix des Stabelements für einen Winkel von 30° berechnet werden. Hierbei ist zu beachten, dass Gl. (2.19) die Transponierte der Rotationsmatrix beschreibt: ⎡√3 0 0 ⎤ ⎡ cos(30°) sin(30°) 0 0 ⎥ 1 ⎢⎢ −1 ⎢− sin(30°) cos(30°) 𝑹𝑒 (30°) = ⎢ = 0 0 cos(30°) sin(30°) ⎥⎥ 2 ⎢ 0 ⎢ ⎢ 0 0 − sin(30°) cos(30°)⎦ ⎣ ⎣ 0

1 0 0 ⎤ √3 0 0 ⎥⎥ . 0 √3 1 ⎥ ⎥ 0 −1 √3⎦

Die Ermittlung der Elementsteifigkeitsmatrix im globalen Koordinatensystem kann durch den Zusammenhang T 𝑹𝑒 (𝒓)𝑲 𝑒 𝑹𝑒 = (𝒙)𝑲 𝑒 , unter Zuhilfenahme der zuvor ermittelten Ergebnisse berechnet werden. Alternativ ist dies auch durch Gl. (2.24) möglich: cos2 (30°) cos(30°) sin(30°) − cos2 (30°) − cos(30°) sin(30°)⎤ ⎡ 2 ⎥N sin (30°) − cos(30°) sin(30°) − sin2 (30°) (𝒙) 𝑒 ⎢ cos(30°) sin(30°) 𝑲 =⎢ ⎥m. 2 2 − cos (30°) − cos(30°) sin(30°) cos (30°) cos(30°) sin(30°) ⎢ ⎥ 2 cos(30°) sin(30°) sin2 (30°) ⎣− cos(30°) sin(30°) − sin (30°) ⎦ Es folgt als Elementsteifigkeitsmatrix im globalen Koordinatensystem

339

© Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2022 M. Wagner, Lineare und nichtlineare FEM, https://doi.org/10.1007/978-3-658-36522-6

340

Lösungen zu den Aufgaben

⎡ 3 √3 −3 −√3⎤ ⎢ 1 −√3 −1 ⎥⎥ (𝒙) 𝑒 1 ⎢ √3 𝑲 = N/m . 4 ⎢ −3 −√3 3 √3 ⎥ ⎢ ⎥ ⎣−√3 −1 √3 1 ⎦ 2.2 Die Transformation der Stabkräfte in das natürliche Koordinatensystem erfolgt durch (𝒓)

𝑺 = 𝑹𝑒 (23°)

(𝒙)

𝑺.

Dazu muss zunächst die Rotationsmatrix für einen Winkel von 23° berechnet werden: 0 0 ⎤ ⎡ cos(23°) sin(23°) 0 0 ⎥ ⎢− sin(23°) cos(23°) . 𝑹 (23°) = ⎢ 0 0 cos(23°) sin(23°) ⎥⎥ ⎢ 0 0 − sin(23°) cos(23°)⎦ ⎣ 𝑒

Schließlich ergibt sich folgendes Ergebnis 0 0 ⎤⎡−920,51⎤ ⎡−1000⎤ ⎡ 0,9205 0,3907 −390,73 −0,3907 0,9205 0 0 ⎢ 0 ⎥ ⎥ ⎥ ⎢ ⎢ (𝒓) 𝑺=⎢ ⎥⎢ 920,51 ⎥ N = ⎢ 1000 ⎥ N . 0 0 0,9205 0,3907 ⎥ ⎢ ⎥ ⎥⎢ ⎢ 0 −0,3907 0,9205⎦⎣ 390,73 ⎦ ⎣ 0 ⎦ ⎣ 0 Da der Stab nur Kräfte in Längsrichtung aufnehmen kann, dürfen nur Komponenten in 𝑟-Richtung auftreten. Am ersten Knoten wirkt nach der FEM-Vorzeichenkonvention eine Zugkraft auf den Stab (eine positive Kraft am ersten Knoten würde in Richtung des Stabs wirken!). Am zweiten Knoten ist die Kraft positiv, d. h. sie zieht ebenfalls am Element, deshalb wird der Stab auf Zug beansprucht. 2.3 Es wirken nur Kräfte in Längsrichtung des Stabs, sodass das Beispiel eindimensional betrachtet werden kann. Eine Transformation von lokalen auf globale Koordinaten entfällt. Das Bauteil muss mit minimal zwei Elementen vernetzt werden, da bei ℓ1 eine Kraft wirkt. Die Knoten werden von links aufsteigend mit 1, 2, 3 durchnummeriert. a) Die Elementsteifigkeitsmatrizen 𝑲 𝑒 : 𝑲1 =

𝐸𝐴 1 −1 𝐸𝐴 1 −1 = 4200[..] N/mm 𝑲 2 = = 3500[..] N/mm . ℓ1 [−1 1 ] ℓ2 [−1 1 ]

b) Vor dem Erstellen der Gesamtsteifigkeitsmatrix 𝑲 müssen die Faktoren vor den Elementsteifigkeitsmatrizen identisch sein. In diesem Fall werden die Faktoren der unterschiedlichen Längen in die Matrizen aufgenommen. Die Gesamtsteifigkeitsmatrix vor dem Einsetzen der Randbedingungen ergibt sich damit zu 1

⎡ ℓ1 ⎢ 𝑲 = 𝐸𝐴⎢− 11 ℓ ⎢ 0 ⎣

− ℓ11

1 ℓ1

+

− ℓ12

1 ℓ2

0 ⎤ ⎡ 4200 −4200 0 ⎤ ⎥ ⎢ ⎥ − ℓ12 ⎥ = ⎢−4200 7700 −3500⎥ N/mm . ⎢ ⎥ 1 ⎥ ⎣ 0 −3500 3500 ⎦ ℓ2 ⎦

Lösungen zu den Aufgaben

341

c) Am linken Knoten ist der Stab fest gelagert. Somit sind an diesem Punkt seine Freiheitsgrade gesperrt und der Vektor der Knotenverschiebungen ergibt sich zu 𝒖 = [0

𝑢2

𝑢3 ]T mm .

Die Einzelkraft liegt in negativer Richtung ausschließlich an Knoten 2 an. Das rechte Ende ist frei, damit ist dort die Kraft null. Links ist eine zunächst unbekannte Reaktionskraft anzusetzen. Der Knotenlastvektor 𝒇 ergibt sich so zu 𝒇 = [𝑓1

− 1000

0]T N .

d) Das zu lösende Gleichungssystem nach dem Einsetzen der Verschiebungsrandbedingungen erhält man durch Streichen der Zeilen und Spalten, die zu einer Lagerung korrespondieren, hier ist dies die Verschiebung 𝑢1 = 0. Deshalb werden Zeile und Spalte eins aus dem Gleichungssystem gestrichen: 7700 −3500 N 𝑢2 −1000 N. = [−3500 3500 ] mm [𝑢3 ] [ 0 ] e) Aus der zweiten Zeile folgt 𝑢2 = 𝑢3 . Aus der ersten Zeile folgt 𝑢2 = 𝑢3 = −0,2381 mm. Der Gesamtvektor der Knotenverschiebungen lautet damit: 𝒖 = [0

− 0.2381

− 0.2381]T mm .

f) Die Reaktionskraft folgt aus der gestrichenen ersten Zeile 𝑓1 = 𝐸𝐴(

1 1 𝑢1 − 1 𝑢2 ) = +1000 N . 1 ℓ ℓ

2.4 Hier handelt es sich um ein zweidimensionales Problem, da die Kraft nicht mehr in Richtung der Stäbe zeigt und die Stäbe gegeneinander verkippt sind. Zur Diskretisierung werden drei Elemente mit vier Knoten benötigt. a) Eine Skizze der Diskretisierung ist in Abb. B.3 angegeben. b) Für die Elementsteifigkeitsmatrizen im globalen Koordinatensystem (𝒙)𝑲 𝑒 sind die Transformationen nach Gl. (2.24) anzuwenden (Die (Ko-)Sinusfunktionen werden mit „c“ bzw. „s“ abgekürzt): োঢ়Ȧ

Abb. B.3 Diskretisierung zur Aufgabe 2.4





ঢ় 

56҉

োড়Ȧ  



246҉  ড়

342

Lösungen zu den Aufgaben 2 c(45°)s(45°) −c2 (45°) −c(45°)s(45°)⎤ ⎡ c (45°) 2 s (45°) −c(45°)s(45°) −s2 (45°) ⎥ 𝐸𝐴 ⎢ c(45°)s(45°) 𝑲1 = ⎢ −c2 (45°) −c(45°)s(45°) c2 (45°) c(45°)s(45°) ⎥⎥ √2ℓ ⎢ 2 c(45°)s(45°) s2 (45°) ⎦ ⎣−c(45°)s(45°) −s (45°) ⎡+1 +1 −1 −1⎤ 𝐸𝐴 ⎢+1 +1 −1 −1⎥ = ⎥ ⎢ √8ℓ ⎢−1 −1 +1 +1⎥ ⎣−1 −1 +1 +1⎦

Das Element 2 ist mit dem Winkel 𝛼 2 = 90° und das Element 3 mit dem Winkel 𝛼 3 = 135° zu berechnen, da der Winkel immer bez. der Horizontalen definiert wurde. ⎡0 𝐸𝐴 ⎢0 𝑲2 = ℓ ⎢⎢0 ⎣0

0 0 0⎤ 1 0 −1⎥ 0 0 0 ⎥⎥ −1 0 1 ⎦

⎡+1 𝐸𝐴 ⎢−1 𝑲3 = ⎢ √8ℓ ⎢−1 ⎣+1

−1 +1 +1 −1

−1 +1 +1 −1

+1⎤ −1⎥ −1⎥⎥ +1⎦

c) Für die Angabe der Gesamtsteifigkeit ist erneut zu beachten, dass die Vorfaktoren der Matrizen identisch sein müssen. Daher wird bei 𝑲 2 der Faktor 1/√8 herausgezogen. ⎡ 1 1 ⎢ 1 1 ⎢ ⎢ 0 0 ⎢ 𝐸𝐴 ⎢ 0 0 𝑲𝒖 = √8ℓ ⎢ 0 0 ⎢ 0 0 ⎢ ⎢−1 −1 ⎢ ⎣−1 −1

0 0 0

0 0 0

0 0 0 0 0 0

0 √8 0 0 0 0 1 −1 0 0 −1 1 0 0 −1 1 0 −√8

1 −1

−1⎤⎡𝑢1𝑥 ⎤ ⎡𝑓1𝑥 ⎤ −1⎥⎢𝑢1𝑦 ⎥ ⎢𝑓1𝑦 ⎥ ⎥ 0.0⎥⎢⎢𝑢2 ⎥⎥ ⎢⎢𝑓2 ⎥⎥ 𝑥 𝑥 0.0 −√8⎥⎢𝑢2𝑦 ⎥ ⎢𝑓2𝑦 ⎥ ⎥⎢ ⎥ = ⎢ ⎥ = 𝒇 . −1 1⎥⎢𝑢3𝑥 ⎥ ⎢𝑓3𝑥 ⎥ 1 −1⎥⎢𝑢3𝑦 ⎥ ⎢𝑓3𝑦 ⎥ ⎥⎢ ⎥ ⎢ ⎥ 1 + 0+1 1 + 0−1⎥⎢𝑢4 ⎥ ⎢𝑓4 ⎥ ⎥⎢ 𝑥 ⎥ ⎢ 𝑥 ⎥ 1 + 0−1 1 + √8+1⎦⎣𝑢4𝑦 ⎦ ⎣𝑓4𝑦 ⎦ −1 −1 0.0

d) Es werden alle Zeilen und Spalten aus dem zuvor aufgestellten Gleichungssystem gestrichen, welche mit einer Lagerung korrespondieren. Dies sind hier die ersten sechs Zeilen und Spalten. Das zu lösende Gleichungssystem lässt sich wie folgt darstellen: 𝑲𝑢𝑢 𝒖 =

𝑢4𝑥 𝑓𝑥̄ 0 𝐸𝐴 2 =𝒇 = . [𝑓𝑦̄ ] √8ℓ [0 2 + √8][𝑢4𝑦 ]

e) Um die Knotenverschiebungen zu berechnen, ist das verbleibende Gleichungssystem zu lösen: ⎡ 𝑓𝑥̄ ⎤ ⎡ ⎤ ⎢𝑢4𝑥 ⎥ √8ℓ ⎢ 2 ⎥ ⎢ ⎥. ⎢ ⎥= ⎢ ⎥ 𝐸𝐴 ⎢ 𝑓𝑦̄ ⎥ ⎢ 𝑢4 ⎥ ⎢ ⎥ ⎣ 𝑦⎦ ⎣ 2 + √8 ⎦ f) Für den Knoten 1 ergeben sich die Lagerreaktionen aus den gestrichenen Zeilen. in diesem Fall der ersten und zweiten Zeile

Lösungen zu den Aufgaben

343

𝑓𝑦̄ ⎤ 𝑓̄ ⎡ ⎤ ⎡ ⎤ ⎡⎢− 𝑥 − ⎥ 𝑓 −1 ⋅ 𝑢 − 1 ⋅ 𝑢 ⎢ 1𝑥 ⎥ ⎢ 2 4𝑥 4𝑦 ⎥ 2 + √8 ⎥ . ⎢ ⎥ = 𝐸𝐴 ⎢ ⎥ = ⎢⎢ ⎥ ⎢ ⎥ √8ℓ ⎢ ⎥ 𝑓𝑦̄ ⎥ 𝑓̄ ⎢𝑓1 ⎥ ⎢−1 ⋅ 𝑢4 − 1 ⋅ 𝑢4 ⎥ ⎢⎢− 𝑥 − ⎥ 𝑥 𝑦⎦ ⎣ 𝑦⎦ ⎣ ⎣ 2 2 + √8 ⎦ 2.5 Siehe elektronisches Zusatzmaterial zum Buch.

Aufgaben aus Kap. 3 3.1 Siehe elektronisches Zusatzmaterial zum Buch.

Aufgaben aus Kap. 5 5.1 a) Es gibt 𝑁 = 11 Systemknoten und 𝑛𝑒 = 5 Elemente. b) Da es sich um ein Scheibenelement handelt, hat jeder Knoten 𝑛FHG = 2 Freiheitsgrade, die Verschiebungen 𝑢𝑥 und 𝑢𝑦 . c) Mit Gl. (5.18) folgt 𝑁ges = 𝑛FHG ⋅ 𝑁 = 2 ⋅ 11 = 22 Zeilen und Spalten, d. h. Dim(𝑲)= [22 × 22]. d) Für jeden Freiheitsgrad auf dem Rand ist eine der beiden gesuchten Größen (hier Verschiebung oder Kraft) vorzugeben. In diesem Beispiel sind sechs Verschiebungsfreiheitsgrade und zwei Knotenkräfte gegeben. Die restlichen 12 Freiheitsgrade erhalten eine homogene Kraftrandbedingung. e) Die zu lösende Steifigkeitsmatrix 𝑲𝒖𝒖 ist um die Zeilen bzw. Spalten reduziert, die zu Verschiebungsrandbedingungen korrespondieren (Lagerungen oder tatsächliche Verschiebungen). In dieser Aufgabe sind drei Knoten fixiert, d. h. insgesamt sechs Freiheitsgrade: Dim(𝑲𝒖𝒖 ) = [22 − 6 × 22 − 6] = [16 × 16]. f) Die Inzidenztabelle bezieht sich auf die nebenstehende Diskretisierung. K

L



1 4 5 2 5 6 4 7 8 5 8 9 8 10 11

2 3 5 6 9



Element I 1 2 3 4 5

J

 

 

 

  



 





344

Lösungen zu den Aufgaben

5.2 Analog Gl. (5.15) ergibt sich die Linienlast durch Integration zu: 𝒇𝑉𝑒

2



ℓ 1 − 𝑥ℓ 𝑥 − 𝑥2ℓ 0.22 2 N. = 𝑵 𝑠 d𝑥 = = 𝑠0 ℓ = 𝑠0 d𝑥 = 𝑠0 𝑥 𝑥2 ] [ [ ] 0.22] ∫ ∫ ] [ [ 0 0 ℓ ℓ

T



2ℓ

2

0

Die Integration verteilt die kontinuierliche Last auf die Knoten, und zwar so, dass die verrichtete Arbeit entlang einer virtuellen Verschiebung identisch ist zu der der Linienlast. 5.3 Ein Scheibenelement mit der beschriebenen Lage und Indizierung ist in Abb. B.4 skizziert. Die Dicke ist mit 𝑡 gegeben. Da es sich um ein ebenes Problem handelt, ist die Verschiebungs-Verzerrungs-Beziehung durch Gl. (3.19) gegeben: 𝜕 ⎡ 𝜕𝑥 0 ⎤ ⎢ 0 𝜕 ⎥ 𝑫𝜀 = ⎢ 𝜕𝑦 ⎥ ⎢ 𝜕 𝜕 ⎥ ⎣ 𝜕𝑦 𝜕𝑥 ⎦

Die 𝑩-Matrix ergibt sich aus Gl. (5.4) zu 𝑩 = 𝑫𝜀 𝑵 in symbolischer Schreibweise zu 𝜕 ⎡ 𝜕𝑥 0 ⎤ ⎡𝑁I,𝑥 0 𝑁J,𝑥 0 𝑁K,𝑥 0 𝑁L,𝑥 0 ⎤ 𝜕 ⎥ 𝑁I 0 𝑁J 0 𝑁K 0 𝑁L 0 ⎢ 𝑩 = ⎢ 0 𝜕𝑦 ⎥ = ⎢ 0 𝑁I,𝑦 0 𝑁J,𝑦 0 𝑁K,𝑦 0 𝑁L,𝑦 ⎥ , ⎢ 𝜕 𝜕 ⎥ [ 0 𝑁I 0 𝑁J 0 𝑁K 0 𝑁L] ⎢⎣𝑁I,𝑦 𝑁I,𝑥 𝑁J,𝑦 𝑁J,𝑥 𝑁K,𝑦 𝑁K,𝑥 𝑁L,𝑦 𝑁L,𝑥⎥⎦ ⎣ 𝜕𝑦 𝜕𝑥 ⎦

wobei hier die kurze Schreibweise für Ableitungen in Indexnotation nach Gl. (A.4) genutzt wird. Im Einzelnen folgt: 𝑦 1 𝑁I,𝑥 = − (1 − ) ℎ ℎ 𝑦 1 𝑁J,𝑥 = (1 − ) ℎ ℎ 𝑦 𝑁K,𝑥 = 2 ℎ 𝑦 𝑁L,𝑥 = − 2 ℎ

1 𝑥 𝑁I,𝑦 = − (1 − ) ℎ ℎ 𝑥 𝑁J,𝑦 = − 2 ℎ 𝑥 𝑁K,𝑦 = 2 ℎ 𝑥 1 𝑁L,𝑦 = (1 − ) . ℎ ℎ

Das Materialgesetz wird über den ebenen Spannungszustand aus Gl. (3.23) bestimmt Abb. B.4 Scheibenelement für Aufgabe 5.3 mit Dicke 𝑡

ঢ় G

E

ω

A

ω

C



Lösungen zu den Aufgaben

𝑪=

345

𝐸 1 − 𝜈2

⎡1 𝜈 ⎢𝜈 1 ⎢ ⎣0 0

0 ⎤ ⎡ 𝐶1 𝐶2 0 ⎤ ⎥ = ⎢ 𝐶2 𝐶1 0 ⎥ . 0 ⎥ ⎥ ⎢ 1 (1 − 𝜈) ⎦ ⎣ 0 0 𝐶3 ⎦ 2

Für die Berechnung des Integranden des Koeffizienten 𝐾11 sind nicht alle Terme notwendig. Er wird gebildet aus dem Skalarprodukt der ersten Zeile von 𝑩 T und dem Ergebnis von 𝑪 multipliziert mit der ersten Spalte von 𝑩 (diese entspricht der ersten Zeile von 𝑩 T ): ⎡ 𝐶1 𝐶2 0 ⎤ ⎡ 𝑁I,𝑥 ⎤ (𝑩 T 𝑪𝑩)11 = [𝑁I,𝑥 0 𝑁I,𝑦 ] ⎢ 𝐶2 𝐶1 0 ⎥ ⎢ 0 ⎥ . ⎢ ⎥⎢ ⎥ ⎣ 0 0 𝐶3 ⎦ ⎣ 𝑁I,𝑦 ⎦ ⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟ ⎡ 𝑁I,𝑥 ⎢ ⎢ 𝑁I,𝑥 ⎢ ⎣ 𝑁I,𝑦

⋅ 𝐶1 ⎤ ⋅ 𝐶2 ⎥⎥ ⋅ 𝐶3 ⎥⎦

Ausführung der Produkte liefert den Integrand 2 2 (𝑩 T 𝑪𝑩)11 = 𝑁I,𝑥 ⋅ 𝐶1 + 𝑁I,𝑦 ⋅ 𝐶3 =

𝑦 2 1 𝐸 𝑥 2 1−𝜈 1 . 1 − ) ⋅ 1 + 2 (1 − ) ⋅ ( 2 2 [ ℎ ℎ 2 ] 1−𝜈 ℎ ℎ

Der Koeffizient 𝐾11 berechnet sich allgemein als Teil von Gl. (5.9). Dreifachintegration liefert zunächst: 𝑡/2 ℎ ℎ 𝑦 2 1−𝜈 1 − 𝜈2 𝑥 2 1 1 − ⋅ 𝐾11 = 1 − + d𝑥d𝑦d𝑧 ( ) ( 2 ∫ 𝐸 ℎ 2 ℎ) ] −𝑡/2 ∫ 0 ∫ 0 ℎ [

=

ℎ ℎ 𝑦 2 𝑥 3 1−𝜈 1 𝑡 (−ℎ) 1 − ⋅ 1 − 𝑥 + d𝑦 ( ]0 ℎ) 2 3( ℎ) ℎ2 ∫ 0 [

=

ℎ 𝑦 2 1−𝜈 1 𝑡 ⋅ (0 − 1) (−ℎ)) d𝑦 1− ) ℎ+( ( 2 ℎ 2 3 ℎ ∫ 0

ℎ ℎ 𝑦 3 𝑦 2 1−𝜈 𝑡 𝑡 1 1−𝜈 (−ℎ) d𝑦 = 1 − 𝑦 1 − + + ( ℎ∫ ℎ) 6 ℎ[3( ℎ) 6 ]0 0 1−𝜈 1 1 𝑡 1−𝜈 ℎ − (− ℎ)] = 𝑡 [ + ] . = [ ℎ 6 3 6 3

=

Der Eintrag in die Steifigkeitsmatrix ergibt sich dann als 𝐾11 =

𝐸𝑡 3 − 𝑣 . 1 − 𝜈2 6

Vergleichen Sie die Lösung mit dem symbolischen Rechenergebnis der Lösung 6.7 für Konfiguration 1 oder 2. Zusatzaufgabe: Die Herleitung der Formfunktionen im globalen Koordinatensystem gelingt hier durch die spezielle Lage des Elements ganz analog wie im natürlichen Koordinatensystem. Der Ansatz lautet für die globalen Raumrichtungen:

346

Lösungen zu den Aufgaben

𝑢𝑥̃ (𝑥, 𝑦) = 𝑎0 + 𝑎1 𝑥 + 𝑎2 𝑦 + 𝑎3 𝑥𝑦 𝑢𝑦̃ (𝑥, 𝑦) = 𝑏0 + 𝑏1 𝑥 + 𝑏2 𝑦 + 𝑏3 𝑥𝑦 . Die Koeffizienten berechnen sich über die vier Stützstellen an den Knoten. Da in alle Richtungen dieselben Formfunktionen benutzt werden (𝑎𝑖 = 𝑏𝑖 ), reicht es aus, die Berechnung z. B. für die Verschiebung 𝑢𝑥̃ durchzuführen 𝑢𝑥̃ (0, 0) = 𝑢I𝑥 = 𝑎0 𝑢𝑥̃ (ℎ, 0) = 𝑢J𝑥 = 𝑎0 + ℎ𝑎1 𝑢𝑥̃ (ℎ, ℎ) = 𝑢K𝑥 = 𝑎0 + ℎ𝑎1 + ℎ𝑎2 + ℎ2 𝑎3 𝑢𝑥̃ (0, ℎ) = 𝑢L𝑥 = 𝑎0 + ℎ𝑎2 . Stellt man dies analog Lösung 6.1 in einer Matrix dar, folgt für die Berechnung der Koeffizienten ⎡1 0 ⎢1 ℎ ⎢1 ℎ ⎢ ⎣1 0

0 0 ⎤⎡𝑎0 ⎤ ⎡ 𝑢I𝑥 ⎤ 0 0 ⎥⎢𝑎1 ⎥ ⎢ 𝑢J𝑥 ⎥ = ℎ ℎ2 ⎥⎥⎢⎢𝑎2 ⎥⎥ ⎢𝑢K𝑥 ⎥ ⎢ ⎥ ℎ 0 ⎦⎣𝑎3 ⎦ ⎣ 𝑢L𝑥 ⎦



0 0 ⎤⎡ 𝑢I𝑥 ⎤ 0 0 ⎥⎢ 𝑢J𝑥 ⎥ . 0 1/ℎ ⎥⎢𝑢K𝑥 ⎥ ⎥ 2 2 ⎥⎢ 1/ℎ −1/ℎ ⎦⎣ 𝑢L𝑥 ⎦

0 ⎡𝑎0 ⎤ ⎡ 1 ⎢𝑎1 ⎥ ⎢−1/ℎ 1/ℎ ⎢𝑎 ⎥ = ⎢−1/ℎ 0 ⎢ 2⎥ ⎢ 2 ⎣𝑎3 ⎦ ⎣ 1/ℎ −1/ℎ2

Symbolisches Invertieren der Matrix und Aufstellen der Ansätze analog zu Lösung 6.1 liefert die Formfunktionen: 𝑦 𝑥 𝑁I = (1 − ) (1 − ) , ℎ ℎ

𝑁J =

𝑦 𝑥 1 − ), ℎ( ℎ

𝑁K =

𝑥𝑦 , ℎ2

𝑥 𝑦 𝑁L = (1 − ) . ℎ ℎ

Weitere Herleitungsmöglichkeit: Es handelt sich um ein Lagrange-Element, s. Kap. 6.4.1.1. Somit liefert die Multiplikation der 1-D Formfunktionen für 𝑥 und 𝑦 aus Gl. (2.11) das gleiche Ergebnis. Der Nachteil der Aufstellung der Formfunktionen im globalen Koordinatensystem ist, dass bei einer anderen Lage des Elements diese Darstellung nicht mehr gilt und neu berechnet werden müsste. 5.4 Ein Freikörperbild ist in Abb. B.5 angegeben. Es enthält neben den Schnittkräften auch die äquivalenten äußeren Knotenlasten auf Grund des Eigengewichts. Zur Berechnung der Streckenlast 𝑠0 ist das Gesamtgewicht 𝐺 durch die Länge 𝐿0 zu teilen: 𝑠0 =

𝑚𝑔 𝜌𝐴𝐿0 𝑔 𝐺 = = = 𝜌𝐴𝑔 . 𝐿0 𝐿0 𝐿0

Analog zu Kap. 2.1.4 gilt für die Gleichgewichtsbedingungen an den drei Knoten der Diskretisierung, ergänzt um die äquivalenten Eigengewichtskräfte, Abb. B.5 Freikörperbild zu Aufgabe 5.4

ঽ2 2 ৗ1 ষ1 5





াA2

৊>2 ৗ1

াC2 ৗ1 ষ1 5

3

াA3 ৗ 1 ষ1 5

৊>3 ৗ1

াC3

4

োȦ ৗ 1 ষ1 5

Lösungen zu den Aufgaben

347

𝑠 𝐿 𝐸𝐴 1 𝑢I − 𝑢1J ) + 0 0 = 0 ( 𝐿0 /2 4 𝑠 𝐿 𝑠 𝐿 𝐸𝐴 𝐸𝐴 − −𝑢1I + 𝑢1J ) + 0 0 − 𝑢2I − 𝑢2J ) + 0 0 = 0 ( ( 𝐿0 /2 4 𝐿0 /2 4 𝑠 𝐿 𝐸𝐴 −𝑢2I + 𝑢2J ) + 𝑓 ̄ + 0 0 = 0 . − ( 𝐿0 /2 4 𝑅1 −

Mit der Kompatibilitätsbedingung 𝑢2 = 𝑢1J = 𝑢2I ergibt sich das Gesamtgleichungssystem in Matrixdarstellung zu 1 −1 0 ⎤ ⎡𝑢1 ⎤ ⎡𝑅1 ⎤ 𝑠 𝐿 ⎡ 1 ⎤ 2𝐸𝐴 ⎡⎢ −1 1 + 1 −1 ⎥ ⎢𝑢2 ⎥ = ⎢ 0 ⎥ + 0 0 ⎢1 + 1⎥ . ⎥⎢ ⎥ ⎢ ⎥ 𝐿0 ⎢ 0 4 ⎢ 1 ⎥ −1 1 ⎦ ⎣𝑢3 ⎦ ⎣ 𝑓 ̄ ⎦ ⎦ ⎣ ⎣ Wie die Steifigkeiten in der Matrix 𝑲, addieren sich die äquivalenten Knotenkräfte an benachbarten Elementen. Durch die Lagerungsbedingung am Knoten 1 können die erste Zeile und Spalte gestrichen werden. Das zu lösende Gleichungssystem lautet damit 𝑠 𝐿 2 0 2𝐸𝐴 2 −1 𝑢2 . = + 0 0 ̄ 1 ] [𝑢3 ] [𝑓] 𝐿0 [ −1 4 [1] Addieren der Zeilen liefert zunächst 𝑢2 =

2 2 ̄ 0 ̄ 0 𝑓𝐿 𝑓𝐿 3 𝑠 0 𝐿0 3 𝜌𝑔𝐿0 + = + . 2𝐸𝐴 8 𝐸𝐴 2𝐸𝐴 8 𝐸

Aus der zweiten Zeile folgt dann 𝑢3 = 𝑢2 +

̄ 0 1 𝜌𝑔𝐿20 ̄ 0 𝑠0 𝐿20 𝑓𝐿 𝑓𝐿 + = + . 2𝐸𝐴 8𝐸𝐴 𝐸𝐴 2 𝐸

Zur Darstellung der analytischen und numerischen Lösung, wird die Verschiebung auf den Faktor 𝑠0 𝐿20 /(𝐸𝐴) bezogen. Der dimensionslose Verschiebungsvektor lautet dann

𝒖 𝑠0 𝐿20 𝐸𝐴

0 ⎡ ⎤ 3⎥ ⎢ 𝑓̄ + = ⎢ 2𝑠0 𝐿0 8 ⎥ . ⎢ 𝑓̄ ⎥ 1 ⎢ + ⎥ ⎣ 𝑠 0 𝐿0 2 ⎦

Die Stabkräfte werden mit der lokalen Elementgleichung berechnet. Da lineare Ansätze für die Verschiebungen genutzt werden, müssen die Stabkräfte konstant sein. Wegen der Gleichgewichtsforderung muss für jedes Element 𝑆I = −𝑆J gelten, s. auch Gl. (2.15). Es folgt

348

Lösungen zu den Aufgaben

౬0

রব

ৗ1 ষ1 ব

3

৙0

ৗ1 ষ31

2/6

1

2 1

1/6 ড় 0 ষ1

2

1

Abb. B.6a Verschiebungsverlauf der analytischen ( ) und der numerischen Lösung für zwei Stabelemente ( ) für 𝑓 ̄ = 𝑠0 𝐿0

1/6 ড় 0 ষ1

2

Abb. B.6b Spannungsverlauf der analytischen ) und der numerischen Lösung für zwei ( Stabelemente ( ) für 𝑓 ̄ = 𝑠0 𝐿0

𝑺 1 = 𝑲 1 𝒖1 = 𝑲 1

1 𝐾12 𝑢1 = 0 −1 3 = 𝑢 = ( 𝑓 ̄ + 𝑠 0 𝐿0 ) , 1 [ 𝑢2 ] [𝐾22 ] 2 [ 1 ] 4

𝑺 2 = 𝑲 2 𝒖2 = 𝑲 2

−1 𝑢2 1 2𝐸𝐴 𝑢2 − 𝑢3 (𝑓 ̄ + 𝑠0 𝐿0 ) . = = ] [ ] [ [𝑢3 ] −𝑢 + 𝑢 1 𝐿0 4 2 3

Zur Berechnung der Spannung, müssen die Stabkraftvektoren durch den Querschnitt 𝐴 geteilt werden. Für eine dimensionslose Darstellung wird sie auf 𝑠0 𝐿0 /𝐴 bezogen. Es folgt 𝑓̄ 𝜎1 3 = + (𝑠0 𝐿0 /𝐴) 𝑠0 𝐿0 4

und

𝑓̄ 𝜎2 1 = + , (𝑠0 𝐿0 /𝐴) 𝑠0 𝐿0 4

wobei die Spannung konstant ist in jedem Element. Für eine grafische Darstellung wird zusätzlich 𝑓 ̄ = 𝑠0 𝐿0 gesetzt. Der analytische und numerische Verschiebungs- und Spannungsverlauf sind in Abb. B.6 gegenübergestellt. Es ist gut zu erkennen, dass durch die Hinzunahme einer Streckenlast das lineare Stabelement nicht mehr die analytische Lösung der Stabdifferenzialgleichung reproduziert, da diese nun in den Verschiebungen einen parabelförmigen Verlauf aufweist, s. Gl. (2.8). Besonders deutlich ist der Effekt in den Spannungen zu sehen, da der analytische Verlauf hier linear ist, das Stabelement aber nur einen stückweise konstanten Verlauf wiedergibt.

Aufgaben aus Kap. 6 6.1 a) quadratisches Stabelement: Der Ansatz in natürlichen Koordinaten lautet 𝑢𝑒̃ (𝜉) = 𝑎0 + 𝑎1 𝜉 + 𝑎2 𝜉 2 . Die Polynomkoeffizienten werden über das Einsetzen von Stützstellen an den Knoten des Elements berechnet. Hier gilt

Lösungen zu den Aufgaben

349

𝑢𝑒̃ (−1) = 𝑎0 − 𝑎1 + 𝑎2 ≡ 𝑢I 𝑢𝑒̃ (+1) = 𝑎0 + 𝑎1 + 𝑎2 ≡ 𝑢J 𝑢𝑒̃ (0) = 𝑎0 ≡ 𝑢K . Stellt man dieses Gleichungssystem in einer Matrixgleichung 𝑨𝒂 = 𝒖 dar ⎡1 −1 1⎤⎡𝑎0 ⎤ ⎡ 𝑢I ⎤ ⎢1 1 1⎥⎢𝑎1 ⎥ = ⎢ 𝑢J ⎥ , ⎢ ⎥⎢ ⎥ ⎢ ⎥ ⎣1 0 0⎦⎣𝑎2 ⎦ ⎣𝑢K ⎦ kann man durch Invertieren von 𝑨 die Darstellung der Koeffizienten ermitteln: 0 0 1⎤ 𝑢 ⎡𝑎0 ⎤ ⎡ 1 1 ⎡ I⎤ ⎢𝑎1 ⎥ = ⎢− 2 2 0 ⎥⎢ 𝑢J ⎥ . ⎢ ⎥ ⎢ 1 1 ⎥⎢ ⎥ ⎣𝑎2 ⎦ ⎣ 2 2 −1⎦⎣𝑢K ⎦ Aus der Inversen kann man nun direkt die Ansatzfunktionen ablesen. Die Ansatzfunktion 𝑁I wird mit 𝑢I multipliziert. Daher ergeben sich die einzelnen Anteile dieses Ansatzpolynoms, indem man die Spalte, die mit 𝑢I multipliziert wird, in obiger Gleichung aufsummiert und jeden Term mit einem Polynom in 𝜉 mit steigender Ordnung multipliziert: 𝑁I = 0 ⋅ 𝜉 0 − 12 ⋅ 𝜉 1 + 12 ⋅ 𝜉 2 = 12 (𝜉 2 − 𝜉). Die beiden anderen Polynome bleiben dem Leser zur Übung. Diese Art der Darstellung stellt einen allgemeinen Weg dar, für beliebige Elemente die Koeffizienten des Ansatzpolynoms zu berechnen. b) schubstarres lineares Balkenelement: Der Ansatz im natürlichen Koordinatensystem lautet ̃ = 𝑎 0 + 𝑎1 𝜉 + 𝑎 2 𝜉 2 + 𝑎3 𝜉 3 . 𝑤(𝜉) Die Polynomkoeffizienten werden über das Einsetzen von Stützstellen für die Verschiebungen und Verdrehungen an den Knoten des Elements berechnet. Die Berücksichtigung der Ableitung nach den globalen Koordinaten ist in Kap. 6.3.3.1 angegeben. Für die natürlichen Koordinaten gelten damit die vier Bestimmungsgleichungen 𝑤|̃ 𝜉=−1 = 𝑎0 − 𝑎1 + 𝑎2 − 𝑎3 ≡ 𝑤I d𝑤̃ = 𝑎1 − 2𝑎2 + 3𝑎3 d𝜉 |𝜉=−1



ℓ ′ 𝑤 2 I

𝑤|̃ 𝜉=+1 = 𝑎0 + 𝑎1 + 𝑎2 + 𝑎3 ≡ 𝑤J d𝑤̃ = 𝑎1 + 2𝑎2 + 3𝑎3 d𝜉 |𝜉=+1



ℓ ′ 𝑤 . 2 J

Stellt man dieses Gleichungssystem in einer Matrixgleichung 𝑨𝒂 = 𝒘 dar ⎡1 ⎢0 ⎢1 ⎢ ⎣0

−1 1 1 −2 1 1 1 2

−1⎤⎡𝑎0 ⎤ ⎡ 𝑤I ⎤ ℓ ′ 3 ⎥⎢𝑎1 ⎥ ⎢⎢ 2 𝑤I ⎥⎥ = , ⎥ ⎥ ⎢ 1 ⎥⎢𝑎2 ⎥ ⎢ 𝑤J ⎥ ⎢ ⎥ ℓ 3 ⎦⎣𝑎3 ⎦ ⎣ 𝑤′ ⎦ J 2

350

Lösungen zu den Aufgaben

kann man durch Invertieren von 𝑨 die Darstellung der Koeffizienten ermitteln: ⎡𝑎0 ⎤ ⎡2 1 ⎢𝑎1 ⎥ 1 ⎢−3 −1 ⎢𝑎 ⎥ = 4 ⎢ 0 −1 ⎢ 2⎥ ⎢ ⎣𝑎3 ⎦ ⎣1 1

2 −1⎤⎡ 𝑤I ⎤ ℓ ′ 3 −1⎥⎢⎢ 2 𝑤I ⎥⎥ . ⎥ 0 1 ⎥⎢ 𝑤J ⎥ ⎢ ⎥ ℓ −1 1 ⎦⎣ 𝑤′ ⎦ 2

J

Analog zu oben kann man nun direkt die Ansatzfunktionen ablesen. Die Ansatzfunktion 𝑁I wird mit 𝑤I multipliziert im Ansatz Gl. (6.21). Daher ergeben sich die einzelnen Anteile dieses Ansatzpolynoms, indem man die Spalte, die mit 𝑤I multipliziert wird, in obiger Gleichung aufsummiert und jeden Term mit einem Polynom in 𝜉 mit steigender Ordnung multipliziert: 𝑁I = 41 (2 ⋅ 𝜉 0 −3 ⋅ 𝜉 1 +0 ⋅ 𝜉 2 +1 ⋅ 𝜉 3 ). Die weiteren Polynome finden sich in Gl. (6.22). 6.2 Das System wird mit zwei Elementen und drei Knoten diskretisiert. Die Knoten werden von links nach rechts von 1 beginnend durchnummeriert. Da der Balken entlang der globalen Achsen orientiert ist, sind keine Transformationen notwendig. a) Der Verschiebungsvektor allgemein lautet: 𝒘 = [𝑤1 𝑤′1 𝑤2 𝑤′2 𝑤3 𝑤′3 ]T . b) Eine Elementsteifigkeitsmatrix mit Länge 𝐿/2 lautet (s. Gl. (6.23)) ⎡ 12 ⎢ 3𝐿 8𝐸𝐼 𝑲𝑒 = 3 ⎢ 𝐿 ⎢−12 ⎣ 3𝐿

3𝐿 −12 3𝐿 ⎤ 𝐿2 −3𝐿 𝐿2 /2⎥ . −3𝐿 12 −3𝐿⎥ 2 2 ⎥ 𝐿 /2 −3𝐿 𝐿 ⎦

Die Gesamtsteifigkeitsmatrix lautet: ⎡ 12 ⎢ 3𝐿 8𝐸𝐼 ⎢⎢−12 𝑲= 3 𝐿 ⎢ 3𝐿 ⎢ 0 ⎢ ⎣ 0

3𝐿 −12 𝐿2 −3𝐿 −3𝐿 24 𝐿2 /2 0 0 −12 0 3𝐿

3𝐿 0 0 ⎤ 𝐿2 /2 0 0 ⎥ 0 −12 3𝐿 ⎥⎥ . 2𝐿2 −3𝐿 𝐿2 /2⎥ ⎥ −3𝐿 12 −3𝐿 ⎥ 𝐿2 /2 −3𝐿 𝐿2 ⎦

c) Als gelagert sind die Verschiebung und Verdrehung am linken Knoten (hier 1) und die Verschiebung am rechten Knoten (hier 3) vorgegeben. Deshalb sind die Zeilen und Spalten 1, 2 und 5 aus der Gesamtmatrix für eine Lösung zu streichen. Das zu lösende Gleichungssystem mit eingesetzten äußeren Kraftgrößen lautet dann 24 0 3𝐿 ⎤⎡𝑤2 ⎤ ⎡𝑓⎤ 8𝐸𝐼 ⎡⎢ 0 2𝐿2 𝐿2 /2⎥⎢𝑤′ ⎥ = ⎢0⎥ . 𝐿3 ⎢3𝐿 𝐿2 /2 𝐿2 ⎥⎢𝑤2′ ⎥ ⎢0⎥ ⎣ ⎦⎣ 3 ⎦ ⎣ ⎦

Lösungen zu den Aufgaben

351

Durch Anwendung des Gauß’schen Eliminationsverfahrens (s. Kap. 5.6.1) lässt sich dieses in die folgende Form überführen: 24 0 3𝐿 ⎤⎡𝑤2 ⎤ ⎡ 𝑓 ⎤ 8𝐸𝐼 ⎡⎢ 0 2𝐿2 𝐿2 /2⎥⎢𝑤′ ⎥ = ⎢ 0 ⎥ . 𝐿3 ⎢ 0 0 𝐿2 /2⎥⎢𝑤2′ ⎥ ⎢− 𝑓 𝐿 ⎥ ⎦⎣ 3 ⎦ ⎣ 8 ⎦ ⎣ Durch Rückwärtssubstitution erhält man die Verschiebung am Mittelknoten (hier Knoten 2) zu 𝑤2 =

7 𝑓 𝐿3 768 𝐸𝐼

= 0,0384 mm.

6.3 Unabhängig vom Elementtyp lautet die Gleichung für eine Linienlast analog Gl. (5.15) 𝒇𝑉𝑒 =



∫ 0

𝑵 T 𝑠 d𝑥 .

Da Elemente (und damit deren Ansatzfunktionen) generell in natürlichen Koordinaten 𝜉 definiert werden, müssen auch die Integrale in diesem Koordinatensystem berechnet werden. Dazu ist eine Koordinatentransformation von 𝑥 auf 𝜉 mit dem isoparametrischen Konzept aus Kap. 6.2 anzugeben. Das Inkrement d𝑥 in globalen Koordinaten kann dabei durch die Determinante der Jacobi-Matrix auf d𝜉 umgerechnet werden (s. auch die Lösung 6.5): Allgemein gilt für ein quadratisches Stabelement mit Gl. (6.5) d𝑁J d𝑁K d𝑥 d𝑁I = 𝑥I + 𝑥J + 𝑥 . d𝜉 d𝜉 d𝜉 d𝜉 K Wir nehmen an, dass das Element im globalen Koordinatensystem bei 𝑥I = 0 beginnt (eine reine Verschiebung bewirkt keinen Unterschied, verifizieren Sie dies durch Nachrechnen). Der rechte Knoten ist dann 𝑥J = ℓ und der zusätzliche Mittenknoten bei 𝑥K = ℓ/2. Damit folgt für quadratische Ansatzfunktionen d𝑥 1 ℓ ℓ = ( + 𝜉)ℓ + (−2𝜉) = . d𝜉 2 2 2 Ersetzt man damit das Differenzial d𝑥 oben folgt mit 𝑠 = 𝑠0

𝒇𝑉𝑒 =

+1

1 3 1 2 − 𝜉)⎤ ⎡6𝜉 − 4𝜉 ⎤ ⎡1⎤ ⎡0.0733⎤ 𝑠 ℓ ℓ ⎥𝑠 d𝜉 = 0 ⎢ 1 𝜉 3 + 1 𝜉 2 ⎥ = 𝑠0 ℓ ⎢ ⎥ = ⎢ ⎥ + 𝜉)⎥ 0 ⎢6 ⎢1⎥ ⎢0.0733⎥N . 4 ⎥ 2 2 6 ⎥ ⎥ ⎢ ⎢ ⎥ ⎢ ⎥ 1 3 2 ⎣4⎦ ⎣0.2933⎦ ⎣ 1−𝜉 ⎦ ⎣ 𝜉 − 3 𝜉 ⎦−1

1 2 (𝜉 +1 ⎡ 2 ⎢1 2 ⎢ 2 (𝜉 ∫ −1 ⎢

Hinweis: Die eingebrachte Kraft, die eine äußere Last erzeugt, muss unabhängig von der Diskretisierung immer gleich sein. Bei einem Stabelement mit Linienlast 𝑠0 und Länge ℓ ist die Kraft 𝑓 = 𝑠0 ℓ = 0,22 ⋅ 2 = 0,44 N. Bildet man hier und bei Aufgabe 5.2 die Summe über die Ergebnisvektoren, kommt genau dieses Ergebnis heraus. Die Gesamtkraft wird durch diese Vorgehensweise auf die einzelnen Knoten verteilt. 6.4 Die Summe aller Formfunktionen muss an jeder Stelle eins im Intervall [−1, 1] sein: 𝑁I + 𝑁J + 𝑁K =

1 1 1 (1 − 𝜉)(1 − 𝜂) + (1 + 𝜉)(1 − 𝜂) + (1 + 𝜂) = 1 . 4 4 2

352

Lösungen zu den Aufgaben

6.5 Die 𝑩-Matrix ist über die Kettenregel zu ermitteln: 𝑩=

d𝑵(𝜉) d𝑁 (𝜉) = [ d𝜉I d𝑥̃

d𝑁K (𝜉) d𝜉 d𝜉 ] d𝑥̃

d𝑁J (𝜉) d𝜉

.

Die Berechnung der Ableitungen der Formfunktionen aus Gl. (6.15) erfolgt zu: d𝑁I (𝜉) d 1 2 = (𝜉 − 𝜉)) = 𝜉 − d𝜉 d𝜉 ( 2 d𝑁J (𝜉) d 1 2 = (𝜉 + 𝜉)) = 𝜉 + d𝜉 d𝜉 ( 2 d𝑁K (𝜉) d = 1 − 𝜉 2 ) = −2𝜉 . d𝜉 d𝜉 (

1 2 1 2

Für die Ermittlung der Ableitung der natürlichen Koordinate 𝜉 nach der globalen Koordinate 𝑥 ist eine Beziehung zwischen beiden Koordinaten herzustellen. Nach dem isoparametrischen Konzept aus Kap. 6.2 wird die Geometrie analog Gl. (6.12) über 𝑥̃ = 𝑁I 𝑥I + 𝑁J 𝑥J + 𝑁K 𝑥K =

1 1 1 2 (𝜉 − 𝜉)𝑥I + (𝜉 2 + 𝜉)𝑥J + (1 − 𝜉 2 )𝑥K = 𝑥K + 𝜉 (𝑥⏟ J − 𝑥I ) , 2 2 2 ℓ

approximiert. Ableiten nach 𝜉 und Einführen der Länge ℓ = 𝑥J − 𝑥I des Elements ergibt d𝑥/d𝜉 ̃ = ℓ/2. Die Umkehrfunktion lautet (identisch zum linearen Element): d𝜉/d𝑥̃ = 2/ℓ. Somit ergibt sich die 𝑩-Matrix zu (siehe Tab. 6.2) 𝑩=

2 1 − +𝜉 ℓ[ 2

1 2

+ 𝜉 −2𝜉] .

6.6 Die Konfiguration des Elements und die Lage der Knoten sind in Abb. B.7 dargestellt.

Abb. B.7 ElementKonfiguration und Lage der Knoten zu Aufgabe 6.6

ঢ় 



ਐA

ਐC  ਐE

ਐG ড়









Lösungen zu den Aufgaben

353

Die Jacobi-Matrix im 2-D ist nach Gl. (6.4) allgemein definiert als ⎡ 𝜕𝑥̃ ⎢ 𝑱 = ⎢ 𝜕𝜉 ⎢ 𝜕𝑥̃ ⎣ 𝜕𝜂

𝜕𝑦 ̃ ⎤ 𝜕𝜉 ⎥ . ⎥ 𝜕𝑦 ̃ ⎥ 𝜕𝜂 ⎦

Die Beschreibung der Geometrie mit dem isoparametrischen Konzept lässt sich nach Gl. (6.3) allgemein im Zweidimensionalen schreiben als ⎡ 𝑥I ⎤ ⎢ 𝑦I ⎥ ⎢ 𝑥J ⎥ ⎢𝑦 ⎥ 𝑁I (𝜉, 𝜂) 0 𝑁J (𝜉, 𝜂) 0 𝑁K (𝜉, 𝜂) 0 𝑁L (𝜉, 𝜂) 0 ⎢ J⎥. 𝒙̃𝑒 (𝜉, 𝜂) = [ 0 𝑁I (𝜉, 𝜂) 0 𝑁J (𝜉, 𝜂) 0 𝑁K (𝜉, 𝜂) 0 𝑁L (𝜉, 𝜂)]⎢ 𝑥K ⎥ ⎢ 𝑦K ⎥ ⎢𝑥 ⎥ ⎢ L⎥ ⎣ 𝑦L ⎦ Damit lassen sich die Ableitungen nach den natürlichen Koordinaten berechnen: 𝜕𝑥̃ 𝜕𝑁I = 𝑥 + 𝜕𝜉 𝜕𝜉 I 𝜕𝑥̃ 𝜕𝑁I = 𝑥 + 𝜕𝜂 𝜕𝜂 I

𝜕𝑁J 𝑥 + 𝜕𝜉 J 𝜕𝑁J 𝑥 + 𝜕𝜂 J

𝜕𝑁K 𝑥 + 𝜕𝜉 K 𝜕𝑁K 𝑥 + 𝜕𝜂 K

𝑁L 𝑥 𝜕𝜉 L 𝑁L 𝑥 . 𝜕𝜂 L

Terme für 𝑦 ̃ sind analog zu ermitteln. Die einzelnen Ableitungen lauten 𝜕𝑁I 1 = − (1 − 𝜂) 𝜕𝜉 4 𝜕𝑁I 1 = − (1 − 𝜉) 𝜕𝜂 4

𝜕𝑁J 1 = (1 − 𝜂) 𝜕𝜉 4 𝜕𝑁J 1 = − (1 + 𝜉) 𝜕𝜂 4

𝜕𝑁K 1 = (1 + 𝜂) 𝜕𝜉 4 𝜕𝑁K 1 = (1 + 𝜉) 𝜕𝜂 4

𝜕𝑁L 1 = − (1 + 𝜂) 𝜕𝜉 4 𝜕𝑁L 1 = (1 − 𝜉) . 𝜕𝜂 4

Mit den gegebenen Knotenortsvektoren folgt für die erste Spalte der Jacobi-Matrix: 3 4 6 7 − 11 5 = −1 𝐽11 = − (1 − 𝜂) + (1 − 𝜂) + (1 + 𝜂) − (1 + 𝜂) = 4 4 4 4 4 5 3 4 6 10 − 8 1 𝐽21 = − (1 − 𝜉) − (1 + 𝜉) + (1 + 𝜉) + (1 − 𝜉) = = . 4 4 4 4 4 2 Analoges Vorgehen liefert für 𝐽12 = − 12 und 𝐽22 = −1. Damit ergibt sich die JacobiMatrix und deren Determinante zu: 𝑱 =

−1 − 12 5 1 1 ⇒ det 𝑱 = −1 ⋅ (−1) − (− ) = . 1 2 2 4 [ 2 −1]

354

Lösungen zu den Aufgaben

Die Jacobi-Matrix ist in diesem Fall eine konstante Matrix. Da sie konstant ist, wird jeder Punkt des Elements gleich transformiert, es treten also keine Verzerrungen auf. Es kann sich also nur um eine reine Rotation handeln. Für die Berechnung der Fläche des rotierten Elements sind die Kantenlängen zu berechnen, z. B.: 6−4 2 = [3 − 2] [1]

⇒ 𝑙1 = √5⎫ ⎪ ⎬ 𝐴 = 𝑙1 𝑙2 = 5 . 6−5 1 𝒙L − 𝒙I = = ⇒ 𝑙2 = √5⎪ [3 − 5] [−2] ⎭

𝒙L − 𝒙K =

Damit lässt sich auch die Determinante interpretieren. Sie gibt das Verhältnis der Flächen des Elements im globalen Koordinatensystem ( = 5) zum natürlichen Koordinatensystem ( = 4) an. 6.7 Siehe elektronisches Zusatzmaterial zum Buch. 6.8 Für die Berechnung der Schubkorrektur wird die Annahme getroffen, dass die tatsächlich vorliegende Schubverzerrungsenergie identisch zu der unter der Annahme einer konstanten Schubspannung ist. Diese Energiedichte ist für linear-elastisches Materialverhalten gegeben als: i 𝜋Schub =

1 1 2 (𝑧)d𝐴 . 𝛾𝑥𝑧 𝜎𝑥𝑧 (𝑧)d𝐴 = 𝜎𝑥𝑧 ∫ 2∫ 2𝐺 𝐴 𝐴

Dabei ist zu beachten, dass die real auftretende Schubspannung 𝜎𝑥𝑧 (𝑧) von der Koordinate 𝑧 abhängt, also nicht konstant ist. In der Balkentheorie nach Timoshenko ergibt sich durch die Annahmen allerdings eine konstante Schubspannung 𝜎𝑥𝑧 = 𝑄/𝐴s , s. Kap. 6.3.3.2. Berechnet man für diese Schubspannung die Verzerrungsenergie, folgt = 𝜋Schub ̄i

𝑄 2 1 1 𝑄2 1 2 d𝐴s = 𝜎𝑥𝑧 d𝐴s = , 2𝐺 ∫ 2𝐺 ∫ 2𝐺 𝐴s 𝐴s 𝐴s ( 𝐴s )

wobei hier bezüglich der äquivalenten Schubfläche 𝐴s zu integrieren ist. i Setzt man 𝜋Schub ̄i = 𝜋Schub und beachtet die Definition des Schubkorrekturfaktors als Verhältnis der Schubfläche zur tatsächlichen Fläche, 𝜅 = 𝐴s /𝐴, ergibt sich 𝜅=

𝑄2 2 𝐴 ∫𝐴 𝜎𝑥𝑧 (𝑧)d𝐴

.

(B.1)

Um damit den Schubkorrekturfaktor angeben zu können, muss die Schubspannungsverteilung im Querschnitt bekannt sein. Ohne auf die Herleitung einzugehen (s. Gross u. a. [2, Kap. 4.6.1]), lautet die Formel für die Schubspannungsverteilung allgemein 𝜎𝑥𝑧 (𝑧) =

𝑄𝑆(𝑧) , 𝐼𝑦𝑦 𝑏(𝑧)

Lösungen zu den Aufgaben

355

Abb. B.8 Zur Berechnung des statischen Moments für einen Rechteck- und Kreisquerschnitt

ব҈ )৞* ঽ ঢ়



ω

৞ ৞҈

৞ ৞҈

৉৞҈

Eব҈ > ে৉৞҈

Eব҈> ে)৞҈ *৉৞҈ ে)৞҈ *



wobei 𝑄 die Querkraft an der Stelle 𝑥 des Balkens darstellt, 𝑆(𝑧) = ∫𝐴∗ 𝑧∗ d𝐴∗ das statische Moment (Flächenmoment erster Ordnung) der Fläche 𝐴∗ in Abb. B.8, 𝐼𝑦𝑦 das axiale Flächenträgheitsmoment und 𝑏(𝑧) die Breite des Querschnitts auf der Höhe 𝑧. Der Gleichung liegen als Annahmen zu Grunde, dass die Schubspannungskomponente 𝜎𝑥𝑦 (𝑧) vernachlässigbar ist und dass 𝜎𝑥𝑧 (𝑧) konstant über die Breite 𝑏 ist, d. h. nur von 𝑧 abhängt. Da die Schubspannungen immer tangential zum Rand verlaufen, trifft dies, vor allem beim Kreisquerschnitt, nur bedingt zu. a) Rechteck: Beim Rechteckquerschnitt ist die Breite 𝑏(𝑧) = 𝑏 konstant und das Flächenträgheitsmoment ist mit 𝐼𝑦𝑦 = 𝑏ℎ3 /12 gegeben. Das statische Moment 𝑆(𝑧) lässt sich durch Integration angeben, die hier besonders einfach ist, da die Koordinaten senkrecht aufeinander stehen: 𝑆(𝑧) =

∫ 𝐴∗

𝑧∗ d𝐴∗ =

ℎ 2

𝑏 2

∫ 𝑧 ∫ −𝑏

𝑧∗ d𝑦d𝑧∗ = 𝑏

2

ℎ 2

∫ 𝑧

𝑧∗ d𝑧∗ =

𝑏 ℎ 2 − 𝑧2 . ( ] 2 [ 2)

Einsetzen in die Formel für die Schubspannung ergibt mit 𝐴 = 𝑏ℎ 𝜎𝑥𝑧 (𝑧) =

3𝑄 𝑧 2 1−( . 2𝐴[ ℎ/2 ) ]

Man erkennt, dass in diesem Fall die Schubspannung parabelförmig verläuft, mit einem . Maximum bei 𝑧 = 0 von 𝜎𝑥𝑧,max = 32 𝑄 𝐴 Mit dieser Angabe lässt sich bereits eine andere Form des Schubkorrekturfaktors angeben. Bei Gere und Timoshenko [1] wird der sogenannte Schubkoeffizient als Verhältnis der maximalen Schubspannung im Querschnitt zur durchschnittlichen Schubspannung 𝜎̄𝑥𝑧 = 𝑄/𝐴 eingeführt. Dies wäre hier der Faktor 3/2 für den Rechteckquerschnitt. Gelegentlich wird in kommerzieller Software der Kehrwert des Schubkorrekturfaktors benutzt, sodass sich mit der hier eingeführten Definition der einzugebende Faktor als 𝜅̂  = 2/3 ergibt. Mit der Schubspannungsverteilung lässt sich durch nochmaliges Integrieren der Schubkorrekturfaktor für die Annahme gleicher Verzerrungsenergie berechnen. Dazu ist die quadrierte Schubspannungsverteilung über den Querschnitt zu integrieren: ℎ

∫ 𝐴

2 d𝐴 = 𝜎𝑥𝑧

2 2 2 𝑧 2 𝑧 2 8 9 𝑄2 9 𝑄2 9 𝑄2 1 − 𝑏 𝑏ℎ . 1 − d𝐴 = d𝑧 = ( ( ) ) 2 ∫ℎ [ 2 [ ] ] 4 𝐴2 ∫ ℎ/2 4 ℎ/2 4 15 𝐴 𝐴 𝐴 − 2

356

Lösungen zu den Aufgaben

Setzt man dies in Gl. (B.1) ein, folgt 𝜅 =

𝑄2 2 𝐴 𝑄𝐴 65

5 . 6

=

Der Unterschied der beiden Schubkorrekturfaktoren bezogen auf 𝜅  beträgt 20 %. In der Berechnungspraxis wird in der Regel der Faktor 𝜅  genutzt. b) Kreis: Beim Vollkreis ist die Breite nicht mehr konstant, sie ergibt sich nach Abb. B.8 zu 𝑏(𝑧) = 2√𝑅2 − 𝑧2 . Die Fläche ist durch 𝐴 = 𝜋𝑅2 gegeben, das axiale Flächenträgheitsmoment lautet 𝐼𝑦𝑦 = 𝜋𝑅4 /4. Das statische Moment 𝑆(𝑧) ist hier etwas aufwändiger, da die Koordinaten nicht unabhängig voneinander sind. 𝑆(𝑧) =

𝑧∗ d𝐴∗ =

∫ 𝐴∗

𝑅

√𝑅2 −𝑧∗2

∫ −√𝑅2 −𝑧∗2 𝑧 ∫

𝑧∗ d𝑦d𝑧∗ = 2

𝑅

∫ 𝑧

2 𝑧∗ √𝑅2 − 𝑧∗2 d𝑧∗ = √(𝑅2 − 𝑧2 )3 . 3

Die Schubspannungsverteilung ist dann in einem kreisförmigen Querschnitt (𝑧 ≤ 𝑅)

𝜎𝑥𝑧 (𝑧) =

𝑄 23 √(𝑅2 − 𝑧2 )3 𝜋𝑅4 2√𝑅2 4

=

− 𝑧2

4 𝑄 4𝑄 𝑧 2 (𝑅2 − 𝑧2 ) = 1−( ) . 3 𝜋𝑅4 3𝐴[ 𝑅 ]

Die Schubspannung verläuft auch hier parabelförmig, mit einem Maximum bei 𝑧 = 0 von . 𝜎𝑥𝑧,max = 43 𝑄 𝐴 Damit folgt der Schubkorrekturfaktor als Verhältnis von maximaler zu mittlerer Schubspannung nach Gere und Timoshenko [1] zu 𝜅̂ ○ = 3/4. Dieser Schubkorrekturfaktor wird z. B. auch bei Mahnken [3, Kap. 6.5.3, S. 260] angegeben. Um den Schubkorrekturfaktor auf Basis der Gleichheit der Verzerrungsenergien zu erhalten, ist wiederum die quadrierte Schubspannungsverteilung zu integrieren 2 2 √𝑅 −𝑧 16 𝑄2 𝑧 2 𝑧 2 16 𝑄2 𝑅 1 − 1 − d𝐴 = (𝑅) ] ( 𝑅 ) ] d𝑦d𝑧 9 𝐴2 ∫ 9 𝐴2 ∫ 𝐴[ −𝑅 ∫ −√𝑅2 −𝑧2 [ 2

∫ 𝐴 =

2 d𝐴 = 𝜎𝑥𝑧

2

2 2 𝑅 5 10 𝑄2 2 𝑧 2 √ 2 16 𝑄2 𝑅 2 2 2 2 d𝑧 = 16 𝑄 d𝑧 = (𝑅 − 𝑧 ) 𝜋𝑅2 . 1 − 𝑅 − 𝑧 2 ( ) 4 9 𝐴2∫ 𝑅 ] 9 𝐴2∫ 9 𝐴2 −𝑅 [ −𝑅 𝑅

Einsetzen in Gl. (B.1) ergibt 𝜅○ =

𝑄2 2 𝐴 𝑄𝐴 10 9

=

9 . 10

Für den Kreisquerschnitt unterscheiden sich die beiden Schubkorrekturfaktoren um ca. 17 %.

Lösungen zu den Aufgaben

357

Aufgaben aus Kap. 7 7.1 Mit der Simpson-Regel aus Kap. 7.2.1.2 folgt 1

𝐼=

∫ −1

(𝜉 + 1)2 d𝜉 =

1 4 1 1 4 1 8 ⋅ 𝑓 (−1) + ⋅ 𝑓 (0) + ⋅ 𝑓 (+1) = ⋅ 0 + ⋅ 1 + ⋅ 4 = . 3 3 3 3 3 3 3

Die analytische Lösung ist ebenfalls 8/3. Der Genauigkeitsgrad der Simpson-Regel ist 𝑛 − 1 = 3 − 1 = 2, damit wird das Polynom 2. Grads in diesem Beispiel exakt integriert. 7.2 Die Integrationspunkte sind jeweils 𝜉𝑖 , 𝜂𝑖 = ∓1/√3, die Gewichte 𝑤𝑖 = 1. Die Summenformel lautet zunächst 1

𝐼= =𝑓

1

∫ −1 ∫ −1

𝑓 (𝜉, 𝜂)d𝜉d𝜂 =

1 1 −1 1 1 −1 −1 −1 , ⋅1+𝑓 , ⋅1+𝑓 , ⋅1+𝑓 , ⋅1. ( √3 √3 ) ( √3 √3 ) ( √3 √3 ) ( √3 √3 )

Auswertung der einzelnen Funktionswerte liefert 3 + 1/√3 + 1/√3 + 1/3 + 1/3 + 1/3 4 + 2/√3 1 1 , = = ( √3 √3 ) 5 + 1/√3 + 1/3 16/3 + 1/√3 −1 1 10/3 𝑓 , = … = ( √3 √3 ) 16/3 − 1/√3 𝑓

𝑓

1

,

−1

=



( √3 √3 ) −1 −1 𝑓 , = ( √3 √3 )

10/3

=



=

16/3 + 1/√3 4 − 2/√3

.

16/3 − 1/√3

Durchführung der Summation liefert als Ergebnis 𝐼=

4 + 2/√3 + 10/3 16/3 + 1/√3

+

4 − 2/√3 + 10/3 16/3 − 1/√3

=

692 ≈ 2,735 177 87 . 253

7.3 Siehe elektronisches Zusatzmaterial zum Buch. 7.4 Zur Beantwortung integriert man ein allgemeines Polynom dritter Ordnung analytisch: 1

𝜉4 𝜉3 𝜉2 2 𝑚𝜉 3 + 𝑞𝜉 2 + 𝑟𝜉 + 𝑠) 𝑑𝜉 = 𝑚 + 𝑞 + 𝑟 + 𝑠𝜉 = 𝑞 + 2𝑠 . ( [ ] ∫ 4 3 2 3 −1 −1 1

𝐼=

Man sieht, dass derselbe Term in den Koeffizienten des Polynoms für das Integral entsteht, wie für ein Polynom zweiter Ordnung in Gl. (7.3).

358

Lösungen zu den Aufgaben

Begründung: der Term dritter Ordnung erhält durch die Integration eine Potenz vierter Ordnung. Da die Intervallgrenzen symmetrisch zum Nullpunkt liegen, kürzt sich dieser stets positive Term heraus.

Aufgaben aus Kap. 8 8.1 a) Die Matrixgleichung lautet mit der Massenmatrix nach Gl. (8.3) und der Steifigkeitsmatrix aus Gl. (2.16): 𝜌𝐴𝐿 2 1 𝑎1 𝑓1 (𝑡) 𝐸𝐴 +1 −1 𝑢1 . + = 6 [1 2][𝑎2 ] 𝐿 [−1 +1][𝑢2 ] [𝐹 ̂ sin 𝛺𝑡] Einführung der Randbedingungen 𝑢1 (𝑡) = 0, 𝑎1 (𝑡) = 0 erlaubt das Streichen der mit dem Index des Knotens verbundenen Spalte und Zeile und liefert 𝜌𝐴𝐿 𝐸𝐴 𝑎2 + 𝑢 = 𝐹 ̂ sin 𝛺𝑡 . 3 𝐿 2 Im Vergleich zur statischen Lösung kann man diese Gleichungen nicht direkt auflösen, da es sich um eine lineare zeitabhängige Differenzialgleichung handelt. Normiert man diese Gleichung entsprechend Gl. (8.14), indem man durch den Massenterm vor der Beschleunigung teilt, ergibt sich 𝑎2 +

𝐸𝐴/𝐿 𝐹̂ 𝑢2 = sin 𝛺𝑡 . 𝜌𝐴𝐿/3 𝜌𝐴𝐿/3

Der Koeffizient vor der Verschiebung 𝑢2 ist der Eigenwert der Differenzialgleichung und damit gilt für die Eigenkreisfrequenz 𝜔0 = √(3/𝐿2 )(𝐸/𝜌) = 2,9957 ⋅ 104 1/s. b) Einsetzen des harmonischen (reellen) Ansatzes Gl. (8.25) in die Differenzialgleichung der erzwungenen Schwingung ergibt (−𝛺2 + 𝜔20 ) 𝑢2̂ =

3𝐹 ̂ 𝜌𝐴𝐿



𝑢2̂ =

3𝐹 ̂ 1 . 2 𝜌𝐴𝐿 𝜔 − 𝛺2 0

Einführung des Frequenzverhältnisses (auch als Abstimmung bezeichnet) 𝜂 = 𝛺/𝜔0 erlaubt die Umformung 𝑢2̂ =

3𝐹 ̂ 3𝐹 ̂ 1 = 𝐻 𝜌𝐴𝐿𝜔20 1 − 𝜂 2 𝜌𝐴𝐿𝜔20



𝑢2 (𝑡) =

3𝐹 ̂ 𝐻 sin(𝛺𝑡) . 𝜌𝐴𝐿𝜔20

Der Term 𝐻 = 1/1 − 𝜂 2 ist der Frequenzgang oder die Vergrößerungsfunktion für ein eindimensionales Problem. Er ist in Abb. B.9 dargestellt. An der Stelle 𝜂 = 1 hat die Funktion eine Unendlichkeitsstelle und außerdem springen die Funktionswerte von positiven zu negativen Werten. An dieser Stelle wird das System in seiner Eigenkreisfre-

Lösungen zu den Aufgaben

359

Abb. B.9 Frequenzgang 𝐻 einer eindimensionalen, ungedämpften, erzwungenen Schwingung



2

1

1

2

3 ౠ > ౘ0౲1

4

5

quenz angeregt und dies führt zu unendlich großen Antwortamplituden. In diesem Fall spricht man von Resonanz. In praktischen Anwendungen werden die Amplituden aufgrund von immer vorhandener Dämpfung nicht unendlich groß, aber es kann trotzdem zu stark überhöhten Amplituden kommen. Außerdem tritt eine Phasenverschiebung der Antwortamplitude auf. Im unterkritischen Bereich (𝜂 < 1) sind Anregung und Antwort in Phase, im überkritischen Bereich (𝜂 > 1) gegenphasig. c) Siehe elektronisches Zusatzmaterial zum Buch. 8.2 Siehe elektronisches Zusatzmaterial zum Buch für ein LS-DYNA-Beispiel. Für diese Fragestellung ist ein Schalenelement das am besten geeignete Element, da die Platte dünn ist und ein gravierender Einfluss der Spannungen durch die Dicke nicht zu erwarten ist. Die Diskretisierung kann grob gewählt werden. Testen Sie verschiedene Kantenlängen auf Ihren Einfluss auf das Ergebnis. Für die Abbildungen wurde ℎ = 1,25 mm gewählt. Da es sich um eine lineare Berechnung handelt, werden nur zwei Integrationspunkte durch die Dicke eingesetzt: NIP=2. a) Zur Visualisierung der Eigenformen in LS-PrePost ist die Ergebnisdatei mit Endung *.d3eigv zu öffnen. Die Eigenwerte und -frequenzen kann man in der Datei *.eigout einsehen. Bei der Eigenmode in Abb. 8.2 handelt es sich um die 15. Eigenmode. b) Der Amplituden- und Phasengang sind in den Dateien *.frf_amplitude und *.frf_angle abgelegt. Sie können im LS-PrePost mit der Funktion Post → XYPlot dargestellt werden. Im hier genutzten Modell ergibt sich Abb. 8.4. c) Die Ergebnisse sind identisch. Dies bedeutet, dass die Frequenzgangmatrix 𝑯(𝛺) symmetrisch sein muss, da 𝐻𝑖𝑗 = 𝐻𝑗𝑖 . 8.3 Die Berechnungen wurden mit dem LS-DYNA-Beispiel aus Lösung 8.2 durchgeführt. a) Die Ergebnisse für 𝐷 = 0,01 sind in den folgenden Abbildungen enthalten. b) Die Eigenfrequenzen für die gelagerte Platte ergeben sich zu𝑓2 = 2,097 509⋅102 Hz und 𝑓4 = 6,788 372 ⋅ 102 Hz. Im folgenden MATLAB-Code werden daraus die Parameter 𝛼 und 𝛽 bestimmt:

360

Lösungen zu den Aufgaben

"NQMJUVEF า঳্ৎ า 0NN

7

1

97/98

31:/86 ো 0)[

Abb. B.10 Amplitudengang der Platte in Aufgabe 8.3 von 50 Hz bis 250 Hz: ungedämpft ( ), kon), Rayleigh-Dämpfung mit 𝐷 = 0, 01 angepasst an 𝑓2 stante Dämpfung aller Moden mit 𝐷 = 0, 01 ( und 𝑓4 ( ), rein massenproportional ( ), rein steifigkeitsproportional ( )

D=[0 .01; 0.01 ]; % Daempfungsgrade om =2* pi *[2 .097509E +02; 6 .788372E +02]; % Kreisfrequenzen A=0 .5 *[1./om om]; % Koeffizientenmatrix ray=A\D;% Ergebnis alpha=ray (1) , beta=ray (2) c)/d) Die Ergebnisse für den Amplitudengang für die verschiedenen Dämpfungsarten sind in Abb. B.10 für die ersten zwei Eigenfrequenzen von 50 Hz bis 250 Hz und in Abb. B.11 für die Eigenfrequenzen von 500 Hz bis 800 Hz dargestellt. Vergleicht man die konstante Dämpfung mit der Rayleigh-Dämpfung sieht man, dass bei 𝑓2 und 𝑓4 dieselben Amplituden erreicht werden. Dies liegt daran, dass die Faktoren 𝛼 und 𝛽 der Rayleigh-Dämpfung für diese beiden Frequenzen mit demselben Dämpfungsgrad eingestellt wurden. Für die Eigenfrequenz 𝑓3 dazwischen ist Rayleigh-Dämpfung geringfügig schwächer und außerhalb stärker, wie dies auch in Abb. 8.3 in Kap. 8.3.1.1 gezeigt wurde. Weiterhin ist gut zu erkennen, dass die massenproportionale Dämpfung vor allem in Abb. B.10 bei niedrigen Frequenzen eine dämpfende Wirkung hat, wo die steifigkeitspro-

Lösungen zu den Aufgaben

361

"NQMJUVEF า঳্ৎ า 0NN

3

1

789/95

63:/68

877/38

ো 0)[ Abb. B.11 Amplitudengang der Platte in Aufgabe 8.3 von 500 Hz bis 800 Hz: ungedämpft ( ), konstante Dämpfung aller Moden mit 𝐷 = 0, 01 ( ), Rayleigh-Dämpfung mit 𝐷 = 0, 01 angepasst an 𝑓2 ), rein massenproportional ( ), rein steifigkeitsproportional ( ) und 𝑓4 (

portionale Dämpfung wenig Wirkung zeigt. Dies kehrt sich in Abb. B.11 um, wo die steifigkeitsproportionale Dämpfung stärker dämpft. Insgesamt sind aber die Effekte geringer als bei vollständiger Rayleigh-Dämpfung oder konstanter Dämpfung aller Moden.

Aufgaben aus Kap. 9 9.1 a) Ein beliebiger Punkt in der Ausgangskonfiguration 𝗫 = [𝑋 𝑌 ]T bewegt sich nur horizontal und wird um den Winkel 𝛽 mal Höhe 𝑌 verschoben. Damit ist die Deformation ⎡𝑋⎤ ⎡tan 𝛽 𝑌⎤ ⎡1 tan 𝛽 𝞅(𝗫, 𝑡) = ⎢ 𝑌 ⎥ + ⎢ 0 ⎥ und der Deformationsgradient 𝗙 = ⎢0 1 ⎢ ⎥ ⎢ ⎢ ⎥ ⎣𝑍⎦ ⎣ 0 ⎦ ⎣0 0 b) Die Deformationstensoren sind

0⎤ 0⎥ . ⎥ 1⎦

362

Lösungen zu den Aufgaben 2 tan 𝛽 0⎤ ⎡ 1 ⎡tan 𝛽 + 1 tan 𝛽 0⎤ T 2 ⎢ ⎥ ⎢ 𝗖 = 𝗙 𝗙 = tan 𝛽 tan 𝛽 + 1 0 und 𝗯 = 𝗙𝗙 = tan 𝛽 1 0⎥ . ⎢ ⎥ ⎢ ⎥ 0 1⎦ 0 0 1⎦ ⎣ 0 ⎣ T

Die Verzerrungstensoren ergeben sich damit zu: 𝗘=

0 1 0⎤ 0 1 tan 𝛽 ⎡ tan 𝛽 ⎡ 1 ⎢1 tan 𝛽 0⎥ und 𝗲 = 1 (𝗜 − 𝗯−1 ) = ⎢1 − tan 𝛽 (𝗖 − 𝗜) = 2 2 ⎢0 0 0⎥ 2 2 ⎢0 0 ⎣ ⎣ ⎦

0⎤ 0⎥ . ⎥ 0⎦

c) Stellt man die Deformation formal über eine lineare Abbildung auf, zeigt sich, dass unterschiedliche Kantenlängen keinen Einfluss auf die Deformation bzw. den Deformationsgradienten haben. 9.2 Die Deformation und der Deformationsgradient lauten 0 ⎤ ⎡𝑋⎤ ⎡𝑋⎤ ⎡1 − 𝑐 0 𝞅(𝗫, 𝑡) = ⎢ 𝑌 ⎥ − 𝑐⎢ 𝑌 ⎥ und 𝗙 = ⎢ 0 1 − 𝑐 0 ⎥ . ⎢ ⎥ ⎥ ⎢ ⎥ ⎢ 0 1 − 𝑐⎦ ⎣𝑍⎦ ⎣𝑍⎦ ⎣ 0 9.3 Die Deformation und der Deformationsgradient lauten 0 ⎤ ⎡𝑋⎤ ⎡ 𝑋 ⎤ ⎡1 + 𝑐 0 𝞅(𝗫, 𝑡) = ⎢ 𝑌 ⎥ + 𝑐⎢ −𝜈𝑌 ⎥ und 𝗙 = ⎢ 0 1 − 𝜈𝑐 0 ⎥ . ⎢ ⎥ ⎢ ⎢ ⎥ ⎥ 0 1 − 𝜈𝑐⎦ ⎣𝑍⎦ ⎣−𝜈𝑍⎦ ⎣ 0

Aufgaben aus Kap. 10 10.1 Die doppelte Verjüngung bedeutet, dass alle Terme des Tensors quadriert und aufsummiert werden 𝑠𝑖𝑗 𝑠𝑖𝑗 = 𝑠2𝑥𝑥 + 𝑠2𝑦𝑦 + 𝑠2𝑧𝑧 + 𝑠2𝑥𝑦 + … + 𝑠2𝑧𝑦 . Jeder Term des Deviators berechnet sich durch Gl. (3.9) zu 𝑠𝑖𝑗 = 𝜎𝑖𝑗 − 31 𝜎𝑘𝑘 𝛿𝑖𝑗 . Wie bereits in der Fußnote auf Seite 220 erläutert, sind deswegen die Ableitungen nach den Nebendiagonalelementen des Spannungstensors einfach zu berechnen, da der Deviator hier dem Tensor selbst entspricht (𝛿𝑖𝑗 = 0 für 𝑖 ≠ 𝑗). Für Hauptdiagonalterme gilt dies so nicht. Man muss aber nicht die gesamte Summe betrachten, da die Ableitung der Nebendiagonalelemente des Deviators, z. B. 𝑠𝑥𝑦 = 𝜎𝑥𝑦 , nach Hauptdiagonaltermen, z. B. 𝜎𝑥𝑥 , immer null ergibt. Für die Summe verbleibt damit die Berechnung von 𝜕(𝑠𝑖𝑗 𝑠𝑖𝑗 ) 𝜕𝜎𝑥𝑥

=

𝜕(𝑠2𝑥𝑥 + 𝑠2𝑦𝑦 + 𝑠2𝑧𝑧 ) 𝜕𝜎𝑥𝑥

Die einzelnen Ableitungen lauten

𝜕𝑠𝑦𝑦 𝜕𝑠 𝜕𝑠 = 2 𝑠𝑥𝑥 𝑥𝑥 + 𝑠𝑦𝑦 + 𝑠𝑧𝑧 𝑧𝑧 . ( 𝜕𝜎𝑥𝑥 𝜕𝜎𝑥𝑥 𝜕𝜎𝑥𝑥 )

Lösungen zu den Aufgaben

363

𝜕 [𝜎𝑥𝑥 − 1/3(𝜎𝑥𝑥 + 𝜎𝑦𝑦 + 𝜎𝑧𝑧 )] 2 𝜕𝑠𝑥𝑥 = = , 𝜕𝜎𝑥𝑥 𝜕𝜎𝑥𝑥 3

𝜕𝑠𝑦𝑦 𝜕𝜎𝑥𝑥

=

𝜕𝑠𝑧𝑧 1 =− . 𝜕𝜎𝑥𝑥 3

Einsetzen in die gesuchte Ableitung ergibt damit: 𝜕(𝑠𝑖𝑗 𝑠𝑖𝑗 ) 𝜕𝜎𝑥𝑥

=

2 2𝑠 − 𝑠𝑦𝑦 − 𝑠𝑧𝑧 ) 3 ( 𝑥𝑥

Ergänzt man dieses Ergebnis mit −𝑠𝑥𝑥 + 𝑠𝑥𝑥 und beachtet, dass die Spur des Deviators 𝐽1 = 𝑠𝑥𝑥 + 𝑠𝑦𝑦 + 𝑠𝑧𝑧 = 0 ist, folgt das gesuchte Ergebnis. 10.2 Bei ideal-plastischem Verhalten findet keine Verfestigung des Werkstoffs statt, d. h. die Fließspannung bleibt konstant bei 𝜎F0 . Für 𝐽2 -Plastizität wurde die Materialtangente in Gl. (10.36) angeben. Für 𝐻 = 0 folgt daraus direkt ep

e 𝐶𝑖𝑗𝑘𝑙 = 𝐶𝑖𝑗𝑘𝑙 − 2𝐺 𝑛𝑖𝑗 𝑛𝑘𝑙 .

Anmerkung: Die Lamé’sche Elastizitätskonstante 𝜆 entspricht dem Schubmodul 𝐺.

Aufgaben aus Kap. 12 12.1 Siehe elektronisches Zusatzmaterial zum Buch. 12.2 Siehe elektronisches Zusatzmaterial zum Buch.

Aufgaben aus Kap. 13 13.1 Siehe elektronisches Zusatzmaterial zum Buch.

Literaturverzeichnis [1]

J. M. Gere und S. P. Timoshenko. Mechanics of materials. 2. SI Aufl. Boston: PWS Engineering, 1987. [2] D. Gross, W. Hauger, J. Schröder und W. A. Wall. Technische Mechanik 2. 14. Aufl. Berlin: Springer Vieweg, 2021. [3] R. Mahnken. Lehrbuch der Technischen Mechanik. Band 2, Elastostatik. 2. Aufl. Berlin: Springer-Verlag GmbH Deutschland, 2019.

Sachwortverzeichnis

Abstimmung, 358 Achsensymmetrie, 146 äquivalente Knotenkraft, 67, 104 aktuelle Fließspannung, 200 Almansi-Dehnung, 177 Almansi-Verzerrungstensor, 181 Amplitude, 164 Amplitudengang, 166 analytische Mechanik, 45 Anfangs-Randwertproblem, 150 Anfangsbedingung, 257 Anfangsspannungsmatrix, 248 Anfangssteifigkeitsverfahren, 253 Anfangsverschiebungsmatrix, 225, 249 Anisotropie, 199 planare, 290 Ansatzfunktion, 13, 63 bilineare, 102 Hermite-Polynom, 97 trilineare, 115 aperiodischer Grenzfall, 162, 164 A-posteriori-Fehlerschätzung, 125 Arbeit, 45 Endwert-, 54 virtuelle, 53 Formänderungs-, 56 äußerer Kräfte, 56 arbeitskonjugierte Spannung, 189, 191 assoziative Plastizität, 206, 216 asymmetrischer Kontakt, 240 Aufsprung, 314 Augmented-Lagrange-Verfahren, 241 Ausgangskonfiguration, 171 axialsymmetrischer Zustand, 101 Balkenelement, 93 Bandbreite, 75 Bandbreitenoptimierung, 77

Cuthill-McKee, 75 Metis, 76 Multiple-Minimum-Degree, 76 reverse Cuthill-McKee, 75 Bandspeichertechnik, 76 Bauschinger-Effekt, 218 Bequemlichkeitshypothese, 162 Bernoulli-Theorie, 94, 95 Betriebsschwingung, 149 BFGS-Verfahren, 254 Biegelinie, 94 Bilanzgleichung, 8 bilineare Ansatzfunktion, 102 Block-Lanczos-Iteration, 157 Bode-Diagramm, 166 Bogenlängenverfahren, 251, 255 Bucket-sort-Algorithmus, 237 𝐶 0 -stetig, 57, 59, 101, 113, 125, 136 𝐶 1 -stetig, 59, 96, 112 CAD, siehe Computer-Aided-Design CAE, siehe Computer-Aided-Engineering Cauchy’sches Fundamentaltheorem, 34 Cauchy-Green-Deformationstensor linker, 181 rechter, 181 Cauchy-Spannungstensor, 187 charakteristische Gleichung, 153 Cholesky-Zerlegung, 74, 269 𝐶 𝑛 -stetig, 57 Compressed-Row-Speicherung, 76 Computer-Aided-Design, 4 Computer-Aided-Engineering, 1 Coulomb’sche Reibung, 160, 233 Courant-Friedrichs-Levy-Stabilitätskriterium, 273 Courant-Zahl, 276 Cuthill-McKee-Verfahren, 75 Cutting-plane-Algorithmus, 227

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© Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2022 M. Wagner, Lineare und nichtlineare FEM, https://doi.org/10.1007/978-3-658-36522-6

366 Deformation, 32 Deformationsgradient, 174 Determinante, 186 Deformationsrate, 184 degeneriertes Element, 108, 115 degeneriertes Volumenelement, 115 Dehnratenabhängigkeit, 223 Cowper-Symonds, 224 Johnson-Cook, 224 Dehnung, 38 Normal-, 38 Schub-, 38 Determinante, 153, 325 Determinante des Deformationsgradienten, 186 DFP-Verfahren, 254 Dichte, 150 Dickenintegration, 134 Differenzenquotient, 2, 226 Newmark-𝛽-Verfahren, 262 Rückwärts-, 267 zentraler, 268 Differenzialgleichung schwache Form, 59 starke Form, 39, 59 Differenzialoperatormatrix, 40 direkte Zeitintegration, 149, 258 direkter Löser, 74 Direktorvektor, 111 diskrete Dämpferelemente, 161 Diskretisierung, 3, 61, 62 Diskretisierungsfehler, 122 Diskretisierungsverfahren, 2, 61 Divergenz, 39, 250 Divide-and-conquer-Prinzip, 3 doppelte Verjüngung, 191 3-Parameter-Formulierung, 111 Dreieckelement, 109 Dreieckszerlegung, 74 Druck hydrostatischer, 211 Durchdringung, 229 dyadisches Produkt, 324 dynamische Relaxation, 279 dynamische Steifigkeitsmatrix, 165 Dämpfung, 149, 160, 160 diskretes Element, 161 Kontakt-, 161, 240 massenproportionale, 163 Material-, 160 modale, 163 numerische, 160 proportionale, 162 Rayleigh, 162 steifigkeitsproportionale, 163 viskose, 160

Sachwortverzeichnis Dämpfungsgrad, 162 Dämpfungskonstante, 152 kritische, 162 modale, 162 E-Modul, 41 ebener Spannungszustand, 43, 101 ebener Verzerrungszustand, 42, 101 Eigenform, 152, 153 Eigenfrequenz, 152 Eigenkreisfrequenz, 153 Eigenmode, 152, 153 Eigenvektor, 35, 153 Eigenwert, 35, 72, 153 konjugiert-komplexer, 161 Eigenwertberechnung, 152 Eigenwertproblem, 149 spezielles, 154, 277 verallgemeinertes, 153 Einbettungsansatz, 59 Einfeldprinzip, 139 Eingangsdatenfehler, 121 eingeschwungener Zustand, 164 Einheitensystem, 143 Einheitsmatrix, 325 Einheitstensor, 327 Einstein’sche Summationskonvention, 326 Elastizitätslehre, 31 Elastizitätsmatrix, 41 Elastizitätsmodul, 41 elastoplastische Materialtangente, 219 Element ANS, 140 Assumend-natural-strain (ANS), 140 Balken schubstarrer, 95 schubweicher, 100 𝐶 0 −, 122 Constant-stress-triangle (CST), 110 CST, 110 degeneriertes, 108, 115 diskretes, 161 Dreieck-, 109 EAS, 139 eindimensionales, 11 Enhanced-assumed-strain (EAS), 139 Hexaeder lineares, 115 Serendipity-, 116 kollabiertes, 108 kompatibles, 122 konformes, 122 Lagrange, 103 Mittenknoten, 145 Platten-, 110

Sachwortverzeichnis reduziert integriertes, 140 Schale, 110 3-Parameter-, 111 5-Parameter-, 113 6-/7-Parameter-, 114 Dickenintegration, 134 schubstarre, 111 schubweiche, 112 Seitenlängenverhältnis, 145 selektiv-reduziert integriertes, 140 Serendipity-, 108 Stab-, 90 Struktur-, 11 unterintegriertes, 140 Verwindung, 145 vollintegriertes, 136 vollständig unterintegriertes, 140 Element-Steifigkeitsgleichung, 68 Elementauswahl, 144 elementfreie Galerkin-Methode, 3 Elementfreiheitsgrad, 18, 63, 69, 84 Elementknotenvektor, 64 Elementmassenmatrix, 151 Elementsteifigkeitsmatrix, 14, 65, 66 Elementversteifung, 137 Elementzusammenhang, 70 Endwertarbeit, 54 Endwertlast, 46, 54 Energie innere, 47 reversible, 47 Energienorm, 124 Energieprinzip, 2, 45 der virtuellen Arbeit, 54, 56 der virtuellen Kräfte, 123 der virtuellen Leistung, 190, 191, 192 der virtuellen Verschiebung, 54, 56 beim Stab, 56 dynamisches, 149 Einfeld-, 139 gemischtes, 139 Lagrange-d’Alembert’sches, 150 Mehrfeld-, 139 virtuelles, 53 vom Maximum der plastischen Dissipationsleistung, 207 vom Minimum des Gesamtpotenzials, 48 im 3-D, 52 Ergebnisdarstellung gemittelte, 134, 313 ungemittelte, 134, 313 erster Piola-Kirchhoff-Spannungstensor, 187 Euler’sche Beschreibung, 173 Euler-Rückwärtsverfahren, 226 Evolutionsgleichung, 203, 216

367 explizite Zeitintegration, 258, 269 extended Finite-Element-Method, 3 Faktorisierung, 74 Fehler Diskretisierungs-, 122 Eingangsdaten-, 121 Idealisierungs-, 121 Rundungs-, 121 Schätzung a-posteriori, 125 Fehlerschätzer, 124 FEM, siehe Finite-Elemente-Methode Fill-in, 76 Finite Elemente, 3 Finite-Differenzen-Verfahren, 2 Finite-Elemente-Methode, 2, 3 Fixpunktgleichung, 78 Fließbedingung, 202, 205, 210 Hill 48, 290 Fließfunktion, 205, 210 Fließkurve, 202, 288 Fließkurvenextrapolation, 288 Hockett-Sherby-, 288 Hollomon-, 288 Ludwik-, 288 Swift-, 288 Fließkörper, 211 Fließortfläche, 211 Fließortkurve, 214 Fließregel, 203, 206, 215 Fließspannung, 204 aktuelle, 200 initiale, 200 Fließvektor, 216 Flächenlast, 33 Folgelast, 170, 195, 243, 247 Formfunktion, siehe Ansatzfunktion Formfunktionsmatrix, 63 Formänderung, 32 Formänderungsenergie, 41, 49 3-D, 51 komplementäre, 49 spezifische, 50 Formänderungsenergiedichte, 50 free meshing, 144 freie Vernetzung, 144 freier Index, 327 Freiheitsgrad Element-, 18, 63, 69, 84 System-, 18, 69 Frequenz, 152 Frequenzgang, 166, 358 Frequenzganganalyse, 159, 164 Frequenzgangmatrix, 165, 166

368 Frequenzspektrum, 166 Frequenzverhältnisses, 358 Frequenzänderung numerische, 265, 274 Frontlöser, 76 5-Parameter-Formulierung, 113 Funktion gebrochen-rationale, 127 glatte, 122 Funktionalmatrix, siehe Jacobi-Matrix Gauß’scher Integralsatz, 191 Gauß’sches Eliminationsverfahren, 74 Gauß-Lobatto-Quadratur, 132 Gauß-Quadratur, 130 Gauß-Seidel-Verfahren, 78 gebrochen-rationale Funktion, 127 gemischtes Energieprinzip, 139 gemittelte Ergebnisdarstellung, 134, 313 Genauigkeitsgrad, 129 geometrisch lineare Betrachtung, 170 geometrisch nichtlineare Betrachtung, 170 geometrische Matrix, 248 Gesamtmassenmatrix, 151 Gesamtpotenzial, 48 Gesamtsteifigkeitsmatrix, 23, 24, 70 Gesamtverschiebungsvektor, 24 Geschichtsvariable, 203 Geschwindigkeitsgradient materieller, 183 räumlicher, 183 Gestaltänderungsenergiehypothese, 212 gewichtete Residuen, 58 glatte Funktion, 122 Gleichgewichtsbedingung, 9, 33 Gleichmaßdehnung, 201 Gleichung charakteristische, 153 implizite, 258 Gleichungslösung Cholesky-Zerlegung, 74, 269 direkte, 74 Gauß’sches Eliminationsverfahren, 74 iterative, 78 lineare, 74 statische, 74 Gleichungssystem eindeutig lösbares, 323 Gleitreibungskoeffizient, 234 Gleitung, 38 globaler Knoten, 18, 62 globales Koordinatensystem, 17 Green-Lagrange-Dehnung, 177 Green-Lagrange-Verzerrungstensor, 180 Grenzformänderungsdiagramm, 292

Sachwortverzeichnis Grenzformänderungskurve, 292 Guyan-Reduktion, 159, 165 ℎ-Verfahren, 124 Haftreibungskoeffizient, 233 Haigh-Westergaard-Koordinaten, 211 harmonische Analyse, 149, 164 harmonische Schwingung, 152 Hauptachsensystem, 35, 211 Hauptinvariante, 35 Hauptnormalspannung, 36 Hauptspannungsraum, 211 Hauptstreckungen, 182 Hencky-Dehnung, 177 Hencky-Verzerrungstensor, 182 Hermite-Polynom, 97 Hesse-Matrix, 247 Hexaederelement, 115 Hooke’sches Materialgesetz, 41 Hourglass-Energie, 142 Hourglassing, 141 Householder-Iteration, 157 hydrostatischer Druck, 211 hydrostatischer Spannungszustand, 36 Hyperelastizität, 192, 198 Hypoelastizität, 198 hängende Knoten, 124, 299 Idealisierung, 4 Idealisierungsfehler, 121 implizite Zeitintegration, 258, 263 Index freier, 327 stummer, 327 Indexnotation, 31, 326 Inertia relief, 320 infinitesimaler Verzerrungstensor, 176, 180 Ingenieurdehnung, 176 initiale Fließspannung, 200 Inkompressibilität, 41 Inkrement, 249, 316 innere Energie, 47 innere Knotenkraft, 195 Integral reguläres, 127 Integration durch die Dicke, 134 plastisch Cutting-plane-Algorithmus, 227 Radial-return-mapping, 226 reduzierte, 140 selektiv-reduzierte, 140 vollständig unterintegrierte, 140 Integrationsordnung zuverlässige, 136

Sachwortverzeichnis Invariante, 35 des Spannungsdeviators, 37 Inverse, 325 Inzidenztabelle, 69 isogeometrischer Kontakt, 235 isogeometrisches Konzept, 89, 235 isoparametrisches Konzept, 87 isotrope Verfestigung, 203, 217 Iteration, 317 iterativer Löser, 75, 78 𝐽2 -Plastizität, 214 Jacobi-Iteration, 78 Jacobi-Matrix, 88, 245, 325 Karush-Kuhn-Tucker-Bedingungen, 207, 216, 233 Kinematik, 33 kinematische Verfestigung, 218 kinematische Zwangsbedingung, 238 Kirchhoff-Love-Theorie, 111 Kirchhoff-Spannungstensor, 192 Knoten, 3, 7 globaler, 18, 62 hängender, 124 lokaler, 18, 62 System-, 18 Knoten-zu-Knoten-Kontakt, 235 Knoten-zu-Segment-Kontakt, 235 Knotenkraft äquivalente, 104 Knotenkraftvektor, 72 kollabiertes Element, 108 komplementäre Formänderungsenergie, 49 Kompressionsmodul, 42, 239 Kondensation statische, 80, 158 Konfiguration, 171 konjugiertes Gradientenverfahren, 79 Konnektivität, 70 konservative Kraft, 47 konsistente Massenmatrix, 151, 272 Konsistenzbedingung, 207, 218 Kontakt -segmente, 235 asymmetrischer, 240 Augmented-Lagrange-Verfahren, 241 Bucket-sort, 237 isogeometrischer, 235 kinematische Zwangsbedingung, 238 Knoten-zu-Knoten-, 235 Knoten-zu-Segment-, 235 kritischer Zeitschritt, 276 Lagrange-Multiplikator-Verfahren, 241 Mortar-, 236 Multi-Point-Constraint, 238

369 Penalty-Verfahren, 239, 276 Segment-zu-Segment-, 236 Skalierungsfaktor, 239 Suchverfahren, 236 symmetrischer, 240 Undurchdringlichkeitsbedingung, 229 Kontaktbedingung, 232 Kontaktdämpfung, 161, 240 Kontaktrauschen, 239 Kontaktsteifigkeit, 239 Kontinuum, 169 Kontinuumselement, 90, 110, 115 Kontinuumsmechanik, 169 konvektive Zeitableitung, 183 Konvergenz, 121, 250 monotone, 123 quadratische, 252 Konvergenzkriterium, 251 Konvergenzrate, 123 Konzept isogeometrisches, 89, 235 isoparametrisches, 87 subparametrisches, 87 superparametrisches, 86 Koordinate materielle, 171 räumliche, 172, 173 Koordinatensystem globales, 17 lokales, 18 natürliches, 85 Kopplungselement, 144 Kraft konservative, 47 Kraftdichte, 39 Kreisfrequenz, 152 kritische Dämpfungskonstante, 162 Kronecker-Delta, 327 Kugeltensor, 36 Körper, 169 Lagrange’sche Beschreibung, 172 Lagrange’scher Multiplikator, 241 Lagrange-d’Alembert’sches Prinzip, 150 Lagrange-Element, 103 Lagrange-Multiplikator-Verfahren, 241 Lagrange-Polynom, 103 Lanczos-Verfahren, 79 Last äquivalente, 67 Leapfrog-Verfahren, 271 linearer Gleichungslöser, 74 Linearisierung, 245, 246, 247 Linienlast, 33 linker Strecktensor, 175

370 Locking, siehe Elementversteifung Arten von, 137 Querschub-, 101 Logarithmische Dehnung, 177 Logarithmischer Verzerrungstensor, 182 lokaler Knoten, 62 lokales Koordinatensystem, 18 LS-DYNA-Keyword *BOUNDARY_PRESCRIBED_MOTION _RIGID, 306 *BOUNDARY_SPC_NODE, 319 *BOUNDARY_SPC_SET, 337 *CONSTRAINED_EXTRA_NODES_SET, 310 *CONSTRAINED_RIGID_BODY_STOPPERS, 307, 308 *CONTACT_AUTOMATIC_SINGLE_SURFACE, 336 *CONTACT_DRAWBEAD_ID, 309 *CONTACT_FORMING_ONE_WAY_SURFACE_TO_SURFACE, 304 *CONTROL_ADAPTIVE, 126, 299 *CONTROL_CONTACT, 299 *CONTROL_ENERGY, 302 *CONTROL_HOURGLASS, 302 *CONTROL_IMPLICIT_AUTO, 318 *CONTROL_IMPLICIT_DYNAMICS, 318 *CONTROL_IMPLICIT_GENERAL, 316 *CONTROL_IMPLICIT_INERTIA_RELIEF, 320 *CONTROL_IMPLICIT_SOLUTION, 317 *CONTROL_IMPLICIT_SOLVER, 318 *CONTROL_SHELL, 302 *CONTROL_TERMINATION, 317, 331 *CONTROL_TIMESTEP, 297 *DATABASE_BINARY_D3PLOT, 332 *DATABASE_EXTENT_BINARY, 300, 332 *DATABASE_GLSTAT, 332 *DATABASE_HISTORY, 332 *DATABASE_MATSUM, 332 *DATABASE_NODOUT, 332 *DATABASE_RBDOUT, 332 *DATABASE_RCFORC, 332 *DEFINE_BOX_DRAWBEAD, 310 *DEFINE_CURVE, 305, 307–309, 335 *ELEMENT_SHELL, 338 *ELEMENT_SOLID, 338 *END, 329 *INCLUDE, 310 *INITIAL_VELOCITY_NODE_SET, 337 *INTERFACE_SPRINGBACK_LSDYNA, 315 *KEYWORD, 329, 331 *LOAD_RIGID_BODY, 305 *MAT_3-PARAMETER_BARLAT, 302

Sachwortverzeichnis *MAT_PIECEWISE_LINEAR_PLASTICITY, 334 *MAT_RIGID, 335 *NODE, 337 *PART, 333 *SECTION_SHELL, 334 *SECTION_SOLID, 334 *SET_NODE_LIST, 333, 337 *SET_PART_LIST, 333 *TITLE, 331 LU-Zerlegung, 74 mapped meshing, 143 Masse modale, 152, 156 Massenmatrix, 151 Element-, 151 Gesamt-, 151 konsistente, 151, 272 Stab-, 151 Punktmassenmatrix, 272 Massenskalierung, 278 Material hyperelastisches, 192, 198 hypoelastisches, 198 Materialdämpfung, 160 Materialgesetz, 8, 33 Hooke’sches, 41 Materialtangente, 248 Materialverhalten inkompressibles, 41 isotropes, 41 linear-elastisches, 41 materielle Koordinate, 171 materielle Zeitableitung, 182 materieller Geschwindigkeitsgradient, 183 materieller Tensor, 180 Matrix 𝑩, 64 Determinante, 153, 325 diagonal-dominante, 71 dünn-besetzte, 71 Einheits-, 325 Hesse-, 247 Inverse, 325 positiv-definite, 73 positiv-semidefinite, 72 quadratische, 323 reguläre, 72 singuläre, 72 sparse, 71 Spur einer, 35 symmetrische, 324 Transposition, 324 Matrix-Vektor-Produkt, 78, 324

Sachwortverzeichnis Matrixmultiplikation, 325 Mehrfeldprinzip, 139 Mehrgitterverfahren, 79 Mehrschrittverfahren, 269 Membran-Locking, 137 Methode der gewichteten Residuen, 45, 58 mittlere senkrechte Anisotropie, 290 Modalanalyse, 149, 151 modale Dämpfung, 163 modale Dämpfungskonstante, 162 modale Masse, 156 modale Reduktion, 157, 165 modale Steifigkeit, 156 modale Transformation, 156 Modalmatrix, 155 Modellaufbereitung, 4 Modellreduktion, 156 Momentankonfiguration, 171 Mortar-Kontakt, 236 Multi-Point-Constraint, 238 Multiphysik-Anwendung, 4 Multiplikator plastischer, 216 Multiprozessorsystem Massenparallelrechner (MPP), 77 Nabla-Operator, 327 Nachgiebigkeit, 165 Nachschaltrechnung, 25, 73 Nanson’sche Formel, 187 natürliches Koordinatensystem, 85 Nennspannungstensor, 188 netzfreie Methode, 2 Netztopologie, 145 neutrale Faser, 94 Newmark-𝛽-Verfahren, 262, 319 Newton-Cotes-Quadratur, 128 Newton-Raphson-Verfahren, 244 gedämpftes, 254 inkrementell-iteratives, 249 modifiziertes, 253 nicht richtungstreue Last, 170 Nominalspannung, 188 Nominalspannungstensor, 188 Normalspannung, 34 Null-Energie-Moden, 141 Nullniveau, 47 numerische Dämpfung, 160 numerische Frequenzänderung, 265, 274 numerische Integration, siehe Quadraturverfahren 𝑛-Wert, 288 Näherungslösung, 2, 7 𝑝-Verfahren, 124 Parallelisierung, 311

371 Distributed-memory (DMP), 312 Shared-memory (SMP), 311 parasitäre Spannung, 138 partielle Integration, 59, 191 Partition of unity, siehe Zerlegung der Eins Pascal’sches Dreieck, 105 Patch-Test, 123 Penalty-Skalierungsfaktor, 239 Penalty-Verfahren, 238, 239, 276 kritischer Zeitschritt, 276 Phasengang, 166 Phasenverschiebung, 164, 166 planare Anisotropie, 290 plastische Vergleichsdehnung, 204, 215 plastische Volumenkonstanz, 212, 286 plastischer Multiplikator, 216 Plastizität 𝐽2 -, 214 Prandtl-Reuss-, 219 Plattenelement, 110 Poisson-Locking, 137 Polardekomposition, 175 Polynom vollständiges, 105 positiv-definite Matrix, 73 Postprozessor, 4, 6 Potenzial, 47 Gesamt-, 48 Potenzialfunktion, 47 Prandtl-Reuss-Plastizität, 219 Pre-processing, siehe Modellaufbereitung Prinzip der virtuellen Arbeit, 54, 56 Prinzip der virtuellen Kräfte, 123 Prinzip der virtuellen Leistung, 190, 191, 192 Prinzip der virtuellen Verschiebung, 54, 56 beim Stab, 56 Timoshenko-Balken, 100 Prinzip vom Maximum der plastischen Dissipationsleistung, 207 Prinzip vom Minimum des Gesamtpotenzials, 48 3-D, 52 Profilspeichertechnik, 76 proportionale Dämpfung, 162 Prädiktor-Korrektor-Verfahren, 226, 262 Präprozessor, 4, 6 Pull-back, 182 Punktlast, 33 Push-forward, 182 Quadratur durch die Dicke, 134 Gauß-, 130 Gauß-Lobatto-, 132 Genauigkeitsgrad, 129 geschlossener Typ, 128

372 Gewichtung, 128 Integrationspunkt, 128 offener Typ, 128, 130 Simpson-, 130, 357 Stützstelle, 128 Quadraturverfahren, 127 Quasi-Newton-Verfahren, 253 Querkontraktionszahl, 41 Querschub-Locking, 137 𝑟-Verfahren, 124 Radial-return-mapping, 226 radiale Rückprojektion, 226 Randbedingung Dirichlet’sche, 33 homogene, 33 kinematische, 33 kinetische, 33 natürliche, 33 Neumann’sche, 33 symmetrische, 147 wesentliche, 33 Randelemente-Methode, 3 Randwertproblem, 32 Ratenform, 190, 198, 201 Rayleigh-Dämpfung, 162 Rayleigh-Quotient, 158 rechter Strecktensor, 175 Reduktion Guyan-, 159, 165 modale, 157, 165 reduzierte Integration, 140 Referenzkonfiguration, 171 reguläre Matrix, 72 reguläres Integral, 127 Reibung, 229 Coulomb’sche, 160, 233 Reissner-Mindlin-Formulierung, 112 Relaxation dynamische, 279 Relaxationsparameter, 79 Residuum, 58, 245 Resonanz, 359 Resonanzstelle, 166 Reverse Cuthill-McKee-Verfahren, 75 Richtungsableitung, 247 Rotationsmatrix, 19 Orthogonalität, 19 Rotationssymmetrie, 147 Rundungsfehler, 121 räumliche Koordinate, 172, 173 räumlicher Geschwindigkeitsgradient, 183 räumlicher Tensor, 181 Rücksprung, 314 Rückwärtsdifferenzenquotient, 267

Sachwortverzeichnis Rückwärtssubstituieren, 74 Schalenelement, 110 Schalenkinematik, 111 Scheibe, 102 Scherung, 38 Schnittgröße, 90 Schub-Locking, 137 Schubdehnung, 38 Schubkorrekturfaktor, 99 Schubmodul, 42 Schubspannung, 34 schubstarres Element, 95, 111 Schubsteifigkeit, 95 schubweiches Element, 100, 112 schwache Form einer Differenzialgleichung, 59 Schwingung harmonische, 152 erzwungene, 149 freie, 149 Schwingungsdauer, 152 6-/7-Parameter-Formulierung, 114 Segment-zu-Segment-Kontakt, 236 Sekantenverfahren, siehe Quasi-Newton-Verfahren Selbstkontakt, 231, 337 selektiv-reduzierte Integration, 140 Separationsansatz, 150 Serendipity-Element, 108 Serendipity-Hexaederelement, 116 Simpson-Regel, 130, 357 Singularität, 57 Skalarprodukt, 324 Skyline, 71 Skyline-Speicherung, 76 Smooth-Particle-Hydrodynamics-Verfahren, 3 SOR-Verfahren, 79 Spannung parasitäre, 138 Spannungsdeviator, 36 Spannungsmaß arbeitskonjugiertes, 189, 191 Cauchy-, 187 erstes Piola-Kirchhoff-, 187 Kirchhoff-, 192 Nominal-, 188 wahres, 187 zweites Piola-Kirchhoff-, 188, 192 Spannungstensor, 34 Spannungsvektor, 33 Spannungszustand ebener, 43, 101 hydrostatischer, 36 Sparse-Multi-Front-Löser, 77, 318 Sparse-Speicherung, 76 Spektralmatrix, 156

Sachwortverzeichnis Spektralradius, 277 spezielles Eigenwertproblem, 154, 277 Spin-Tensor, 184 Splitting-Verfahren, 78 Spur einer Matrix, 35 Stabelement, 90 Stabilitätskriterium, 273 starke Form einer Differenzialgleichung, 39, 59 Starrkörperbewegung, 32, 122 Starrkörperfreiheitsgrade, 32 Starrkörpermode, 155 Starrkörperrotation, 175 statische Kondensation, 80, 158 Steifigkeit modale, 156 Steifigkeitsmatrix diagonal-dominante, 71 dynamische, 165 dünn-besetzte, 71 positiv-semidefinite, 72 singuläre, 141 Symmetrie der, 71 Stetigkeit 𝐶 0 , 57, 59, 101, 113, 125, 136 𝐶 1 , 59, 96, 112 𝐶 𝑛 , 57 Stoßvorgang, 160 Streckung, 176 Strukturdynamik, 149 Strukturelement, 11, 90, 110, 115 strukturierte Vernetzung, 117, 143 Strukturoptimierung, 4 stummer Index, 327 Stützstelle, 62 Submatrix, 66, 325 Submodellierung, 79 subparametrisches Konzept, 87 substanzielle Zeitableitung, 182 Substrukturtechnik, 80 Summationskonvention, 326 Superelement, 81 Superkonvergenz, 125 superparametrisches Konzept, 86 Superpositionsprinzip, 154, 243 Sweep-Vernetzung, 117, 143 symbolische Tensorschreibweise, 31, 326 Symmetrie Achsen-, 146 Rotations-, 147 zyklische, 147 Symmetriebedingung, 146, 147 symmetrische Matrix, 324 symmetrischer Kontakt, 240 synthetische Mechanik, 45 Systemfreiheitsgrad, 18, 69

373 Systemknoten, 18 Tangentenmodul, 202, 335 Tangentensteifigkeitsmatrix, 246 Tensor, 31, 326 2. Stufe, 34 materieller, 180 räumlicher, 181 Schreibweise Index-, 31, 326 symbolische, 31, 326 Testfunktion, 58 Timoshenko-Balken, 100 Timoshenko-Theorie, 94, 99 Totale-Lagrange-Formulierung, 189, 192 Totlast, 46, 54 Transformation modale, 156 transiente Analyse, 149 Transposition, 324 Trapezregel, 128, 259 Triangulierung, 74 trilineare Ansatzfunktion, 115 triviale Lösung, 153 Trägheit, 149 Trägheitsentlastung, 320 Trägheitskraft, 150 Übertragungsfunktion, 165 Umformgrad, 178, 286 Undurchdringlichkeitsbedingung, 229 ungemittelte Ergebnisdarstellung, 134, 313 unstrukturierte Vernetzung, 117, 144 unterer Totpunkt, 297 Unterintegration, 140 Upgedatete-Lagrange-Formulierung, 189, 190 UT, siehe unterer Totpunkt Uzawa-Algorithmus, 242 Vektor, 323 Vektoriteration, 157 verallgemeinertes Eigenwertproblem, 153 Verfestigung isotrope, 203, 217 kinematische, 218 Verfestigungsgesetz, 203 Verfestigungsparameter, 203 Verformung, siehe Verzerrung Vergleichsdehnung plastische, 204, 215 Vergleichsspannung, 210 Gestaltänderungsenergie-, 212 von-Mises-, 213 Vergrößerungsfunktion, 358 Vernetzer, 4

374 Vernetzung, 143 Entfeinerung, 125 free meshing, 144 freie, 144 mapped meshing, 143 strukturierte, 117, 143 Sweep, 117, 143 unstrukturierte, 117, 144 Verschiebung virtuelle, 53 Verschiebungs-Verzerrungs-Beziehung, 8, 38 2-D, 42 Verschiebungsgradient, 174 Verschiebungskompatibilität, 21, 62, 69, 122, 238 Verschiebungsmethode, 2 Verschiebungsrandbedingung, 33 Verzerrung, 32 Verzerrungsgeschwindigkeitstensor, 184 Verzerrungsmaß Almansi-, 177, 181 Green-Lagrange-, 177, 180 Hencky-, 177, 182 infinitesimales, 176, 180 Ingenieurdehnung, 176 linker Cauchy-Green-, 181 linker Strecktensor, 175 logarithmisches, 177, 182 rechter Cauchy-Green-, 181 rechter Strecktensor, 175 Streckung, 176 Verzerrungstensor, 37, 39 Verzerrungszustand ebener, 42, 101 virtuelle Arbeit, 53 Formänderungs-, 56 äußerer Kräfte, 56 virtuelle Geschwindigkeit, 190 virtuelle Leistung, 190 virtuelle Verschiebung, 53 virtuelles Energieprinzip, 53 viskose Dämpfung, 160 Voigt-Notation, 40 vollintegriertes Element, 136 vollständige Unterintegration, 140 vollständiges Polynom, 105 Vollständigkeitsbedingung, 123 Volumen-Locking, 137

Sachwortverzeichnis Volumenkonstanz plastische, 212, 286 Volumenlast, 33 Volumenänderung, 32 von-Mises-Vergleichsspannung, 213 Vorkonditionierung, 79 Vorwärtsdifferenzenquotient, 267 wahrer Spannungstensor, 187 Zahlendarstellung Genauigkeit doppelte, 311 einfache, 311 Zeitableitung konvektive, 183 materielle, 182 substanzielle, 182 Zeitintegration numerische Dämpfung, 264 Composite-Verfahren, 266 direkte, 149, 258 Einschrittverfahren, 260 Euler-Rückwärtsverfahren, 226 explizite, 258, 269 Fox-Goodwin-Verfahren, 264 HHT-Verfahren, 265, 319 Hilber-Hughes-Taylor-Verfahren, 265, 319 implizite, 258, 263 Leapfrog-, 271 Mehrschrittverfahren, 269 Houboult, 269 Wilson-𝛩, 269 Newmark-𝛽, 262 Stabilität, 264 bedingt stabile, 264 unbedingt stabile, 264 zentrales Differenzenverfahren, 264 Zeitschritt, 252, 258 zentraler Differenzenquotient, 268 Zerlegung der Eins, 103 Zero-energy-modes, siehe Null-Energie-Moden Zugfestigkeit, 201 Zweipunkt-Tensor, 174 zweiter Piola-Kirchhoff-Spannungstensor, 188, 192 zyklische Symmetrie, 147