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German Pages 360 Year 2022
Abhandlungen zum deutschen und internationalen Arbeits- und Sozialrecht Band 9
Regelungsoptionen des deutschen Gesetzgebers zum Whistleblower-Schutz in Umsetzung der EU-Richtlinie 2019/1937
Von
Carla Charlotte Schmidt
Duncker & Humblot · Berlin
CARLA CHARLOTTE SCHMIDT
Regelungsoptionen des deutschen Gesetzgebers zum Whistleblower-Schutz in Umsetzung der EU-Richtlinie 2019/1937
Abhandlungen zum deutschen und internationalen Arbeits- und Sozialrecht Band 9
Regelungsoptionen des deutschen Gesetzgebers zum Whistleblower-Schutz in Umsetzung der EU-Richtlinie 2019/1937
Von
Carla Charlotte Schmidt
Duncker & Humblot · Berlin
Der Fachbereich Rechtswissenschaft der Justus-Liebig-Universität Gießen hat diese Arbeit im Jahre 2022 als Dissertation angenommen.
Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.
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© 2022 Duncker & Humblot GmbH, Berlin Satz: 3w+p GmbH, Rimpar Druck: CPI books GmbH, Leck Printed in Germany
ISSN 2747-9021 ISBN 978-3-428-18724-9 (Print) ISBN 978-3-428-58724-7 (E-Book) Gedruckt auf alterungsbeständigem (säurefreiem) Papier entsprechend ISO 9706
Internet: http://www.duncker-humblot.de
Vorwort Die vorliegende Arbeit wurde von dem Fachbereich Rechtswissenschaft der Justus-Liebig-Universität Gießen im Jahr 2022 als Dissertation angenommen. Es wurden Literatur, Rechtsprechung und Gesetzgebung bis Mai 2021 berücksichtigt. Besonderer Dank gebührt meiner Doktormutter, Frau Professorin Dr. Lena Rudkowski, die mich während meines gesamten Promotionsvorhabens stets mit vollem Engagement unterstützt hat. Durch ihren fachlichen Rat und ihre kritischen wie hilfreichen Anregungen hat sie wesentlich zu dem Gelingen dieser Arbeit beigetragen. Herrn Professor Dr. Martin Gutzeit danke ich für die Übernahme und Erstellung des Zweitgutachtens. Mein größter Dank gilt meiner Familie und meinem Partner für ihre uneingeschränkte und fortwährende Unterstützung während der Erstellung dieser Arbeit. Frankfurt, im August 2022
Carla Charlotte Schmidt
Inhaltsverzeichnis Teil 1 Allgemeiner Teil
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A. Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 21 B. Definition des „Whistleblowings“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 26 C. EU-Richtlinie 2019/1937 als Wegweiser der künftigen Rechtslage in Deutschland . . 27 D. Kollision widerstreitender Interessen der Beteiligten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 28 I. Grundrechtsquellen und ihre Bedeutung für den Umsetzungsakt zu der EURichtlinie 2019/1937 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 29 1. Bedeutung des Grundgesetzes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 29 2. Bedeutung der Grundrechtecharta . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 29 a) Bindung des europäischen Gesetzgebers an die Grundrechtecharta . . . . . . . 30 b) Bindung des nationalen Gesetzgebers an die Grundrechtecharta . . . . . . . . . 30 3. Bedeutung der Europäischen Menschenrechtskonvention . . . . . . . . . . . . . . . . . 31 a) Bindung des europäischen Gesetzgebers an die Menschenrechtskonvention 32 b) Bindung des nationalen Gesetzgebers an die Menschenrechtskonvention . . 32 c) Völkerrechtliche Verantwortlichkeit der Mitgliedstaaten für Unionsrechtsakte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 34 II. Interessen der Beteiligten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 35 1. Interessen des Hinweisgebers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 35 a) Schutz des Hinweisgebers durch das Grundgesetz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 35 aa) Meinungsfreiheit nach Art. 5 Abs. 1 S. 1 Fall 1 GG . . . . . . . . . . . . . . . . 35 bb) Grundrechte in Abhängigkeit vom Adressaten der Meldung . . . . . . . . . 38 (1) Hinweise gegenüber staatlichen Stellen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 38 (a) Recht zur Erstattung einer Anzeige nach Art. 2 Abs. 1 i. V. m. Art. 20 Abs. 3 GG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 38 (b) Petitionsrecht nach Art. 17 GG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 39 (2) Hinweise gegenüber der Öffentlichkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 40 cc) Gewissensfreiheit nach Art. 4 Abs. 1 Fall 2 GG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 40 dd) Allgemeines Persönlichkeitsrecht nach Art. 2 Abs. 1 i. V. m. Art. 1 Abs. 1 GG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 41 b) Schutz des Hinweisgebers durch die Europäische Menschenrechtskonvention . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 41 c) Schutz des Hinweisgebers durch die Grundrechtecharta . . . . . . . . . . . . . . . . 42
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Inhaltsverzeichnis 2. Interessen des Unternehmens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 43 a) Schutz des Unternehmens durch das Grundgesetz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 43 b) Schutz des Unternehmens durch die Europäische Menschenrechtskonvention . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 46 c) Schutz des Unternehmens durch die Grundrechtecharta . . . . . . . . . . . . . . . . 48 3. Interessen der verdächtigten Person . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 49 a) Schutz der verdächtigten Person durch das Grundgesetz . . . . . . . . . . . . . . . . 49 b) Schutz der verdächtigten Person durch die Europäische Menschenrechtskonvention und die Grundrechtecharta . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 50 4. Interesse der Allgemeinheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 50 a) Das öffentliche Interesse im Kontext des Grundgesetzes . . . . . . . . . . . . . . . . 51 aa) Whistleblowing als Rechtsdurchsetzungsinstrument . . . . . . . . . . . . . . . . 51 bb) Whistleblowing als Beitrag zur öffentlichen Meinungsbildung . . . . . . . 52 b) Das öffentliche Interesse im Kontext der Europäischen Menschenrechtskonvention und der Grundrechtecharta . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 54
Teil 2 Schutz von Hinweisgebern – Voraussetzungen ihres Schutzanspruchs und Reichweite ihres rechtlichen Schutzes
56
A. Person des Hinweisgebers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 56 I. Potentielle Hinweisgeber de lege lata . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 56 II. Potentielle Hinweisgeber de lege ferenda . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 57 1. Vorgaben der EU-Richtlinie 2019/1937 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 57 a) Schutz von Hinweisgebern nach Art. 4 Abs. 1 EU-RL 2019/1937 . . . . . . . . 57 aa) Person des Hinweisgebers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 58 (1) Personen mit unmittelbarer Zugehörigkeit zum Unternehmen . . . . . 59 (a) Arbeitnehmer im Sinne des Art. 45 AEUV . . . . . . . . . . . . . . . . . 59 (b) Personen auf Arbeitgeberseite . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 60 (c) Freiwillige und Praktikanten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 61 (2) Externe Personen mit beruflicher Verbindung zum Unternehmen . . 61 bb) Informationserlangung im beruflichen Kontext . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 63 b) Zeitliche Dimension nach Art. 4 Abs. 2, 3 EU-RL 2019/1937 . . . . . . . . . . . 64 c) Schutz von Personen mit Verbindung zum Hinweisgeber . . . . . . . . . . . . . . . 65 d) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 65 2. Umsetzung auf nationaler Ebene . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 66 a) Umsetzungsempfehlung: Bestimmung des persönlichen Anwendungsbereichs durch eine Generalklausel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 66
Inhaltsverzeichnis
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b) Ausdehnung des persönlichen Anwendungsbereichs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 67 aa) Ausdehnung auf außenstehende Dritte: Verzicht auf das Kriterium des „beruflichen Kontextes“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 67 (1) Unionsrechtlicher Umsetzungsspielraum . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 67 (2) Verfassungsrechtliche Vorgaben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 68 (3) Umsetzungsempfehlung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 68 bb) Ausdehnung der zeitlichen Dimension . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 69 B. Zulässigkeit von Hinweisen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 70 I. Zulässigkeit von Hinweisen de lege lata . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 70 1. Normative Verankerung der Zulässigkeitsvoraussetzungen . . . . . . . . . . . . . . . . 71 2. Voraussetzungen der Zulässigkeit des (externen) Whistleblowings . . . . . . . . . . 72 a) Meldegegenstand de lege lata . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 72 aa) Rechtsverstöße . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 72 bb) Rechtmäßiges Fehlverhalten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 73 b) Zulässigkeitskriterien de lege lata . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 73 aa) Berechtigung der Meldung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 74 bb) Motivation des Hinweisgebers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 75 cc) Vorrang einer innerbetrieblichen Abhilfe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 75 (1) Subsidiariät externer (Behörden-)Meldungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . 75 (2) Zulässigkeit des Gangs an die Öffentlichkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . 77 dd) Öffentliches Interesse an den Informationen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 78 c) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 78 II. Zulässigkeit von Hinweisen de lege ferenda . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 78 1. Meldegegenstand de lege ferenda . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 79 a) Begrenzung des Meldegegenstands auf Unionsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 79 aa) Vorgaben der EU-Richtlinie 2019/1937 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 79 bb) Umsetzung auf nationaler Ebene . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 80 (1) Unionsrechtlicher Umsetzungsspielraum . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 80 (2) Überschießende Umsetzung des sachlichen Anwendungsbereichs 80 (a) Ausdehnung auf nationales Recht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 80 (aa) Pflicht zur Ausdehnung wegen verfassungsrechtlicher Vorgaben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 80 (a) Ungleichbehandlung nach Art. 3 Abs. 1 GG . . . . . . . . . 81 (b) Erfordernis der Rechtsklarheit nach Art. 20 Abs. 3 GG
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(bb) Ausdehnung des Anwendungsbereichs zur effektiven Durchsetzung der Richtlinie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 85 (cc) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 86 (b) Reichweite der „freiwilligen“ überschießenden Umsetzung . . . . 87 (aa) Verfassungsrechtliche Vorgaben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 87
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Inhaltsverzeichnis (bb) Folgerungen für die Umsetzung der EU-Richtlinie 2019/ 1937 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 89 (3) Umsetzungsempfehlung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 91 b) Begrenzung des Meldegegenstands auf Rechtsverstöße . . . . . . . . . . . . . . . . 91 aa) Vorgaben der EU-Richtlinie 2019/1937 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 92 (1) Verstoß im Sinne des Art. 2 Abs. 1 EU-RL 2019/1937 . . . . . . . . . . . 92 (2) Konkretisierung des Meldegegenstands durch den Begriff „Informationen über Verstöße“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 93 (a) Täter des Verstoßes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 93 (b) Verwirklichungsstadium des Verstoßes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 94 (aa) Vergangene, gegenwärtige und künftige Verstöße . . . . . . . . . 94 (bb) Zeitliche Anforderungen an künftige und vergangene Verstöße . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 94 bb) Umsetzung auf nationaler Ebene . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 95 (1) Unionsrechtlicher Umsetzungsspielraum . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 95 (a) Ausdehnung des Meldegegenstands auf rechtmäßiges Fehlverhalten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 95 (b) Einschränkungen des Meldegegenstands . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 96 (2) Verfassungsrechtliche Vorgaben – Unzulässigkeit der Ausdehnung des Meldegegenstands auf rechtmäßiges Fehlverhalten . . . . . . . . . . 96 (3) Umsetzungsempfehlung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 100 (a) Schutz bei Hinweisen auf Rechtsverstöße . . . . . . . . . . . . . . . . . . 100 (b) Kein Schutz bei Hinweisen auf rechtmäßiges Fehlverhalten . . . 101 (c) Anpassung des § 5 Nr. 2 GeschGehG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 102 2. Berechtigung der Hinweise de lege ferenda . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 104 a) Vorgaben der EU-Richtlinie 2019/1937 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 104 aa) Irrtumsprivileg nach Art. 6 Abs. 1 lit. a) EU-RL 2019/1937 . . . . . . . . . . 104 bb) Anforderungen an den „hinreichenden Grund zur Annahme“ . . . . . . . . 105 (1) Ausschluss vorsätzlicher Falschmeldungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 105 (2) Ausschluss leichtfertiger Falschmeldungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 106 (3) Schutz bei „einfach“ fahrlässigen Falschmeldungen . . . . . . . . . . . . . 107 (4) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 108 b) Umsetzung auf nationaler Ebene . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 108 aa) Unionsrechtlicher Umsetzungsspielraum . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 108 bb) Verfassungsrechtliche Vorgaben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 109 cc) Umsetzungsempfehlung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 111 3. Ordnungsgemäßes Verfahren: Subsidiarität externer Hinweise de lege ferenda 112 a) Begriffsbestimmung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 113
Inhaltsverzeichnis
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b) Gleichrang interner und externer Meldungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 114 aa) Vorgaben der EU-Richtlinie 2019/1937 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 114 (1) Direkte externe Meldung gemäß Art. 6 Abs. 1 lit. b) i. V. m. Art. 10 EU-RL 2019/1937 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 114 (2) Vereinbarkeit mit höherrangigem Recht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 116 (a) Vereinbarkeit mit der Europäischen Menschenrechtskonvention 117 (b) Vereinbarkeit mit der Grundrechtecharta . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 117 (aa) Verstoß der EU-Richtlinie 2019/1937 gegen die Grundrechtecharta trotz Umsetzungsspielraum der Mitgliedstaaten . . . 118 (bb) Mittelbare Berücksichtigung der Europäischen Menschenrechtskonvention gemäß Art. 52 Abs. 3 GRCh . . . . . . . . . . . 118 (cc) Unverhältnismäßige Beeinträchtigung der unternehmerischen Interessen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 121 (c) Widerspruch zwischen Völker- und Primärrecht . . . . . . . . . . . . . 125 (3) Kritische Würdigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 126 (4) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 126 bb) Umsetzung auf nationaler Ebene . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 126 (1) Unionsrechtlicher Umsetzungsspielraum nach Art. 7 Abs. 2 EU-RL 2019/1937: „Einsatz für eine Bevorzugung interner Meldekanäle“ 127 (a) Verpflichtung der Mitgliedstaaten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 127 (b) Inhaltlicher Umsetzungsspielraum . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 128 (c) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 129 (2) Umsetzungsempfehlung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 130 (a) Anreizschaffung durch (finanzielle) Vorteile . . . . . . . . . . . . . . . . 131 (aa) Verfassungsrechtliche Zulässigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 131 (bb) Rechtspolitische Betrachtung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 133 (b) Umfassende Information potentieller Hinweisgeber . . . . . . . . . . 134 c) Subsidiarität der Offenlegung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 135 aa) Vorgaben der EU-Richtlinie 2019/1937 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 135 (1) Offenlegung als „ultima ratio“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 135 (2) Ausnahmeregelungen im Einzelnen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 136 (a) Erfolglose vorausgegangene Meldung(en) . . . . . . . . . . . . . . . . . . 136 (aa) Vorrangige Meldungen: Intern und/oder extern? . . . . . . . . . . 136 (bb) Erfolglosigkeit der Meldung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 137 (b) Gefährdung des öffentlichen Interesses . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 138 (c) Drohende Repressalien und fehlende Erfolgsaussichten der Meldung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 139 (3) Vereinbarkeit mit höherrangigem Recht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 139 bb) Umsetzung auf nationaler Ebene . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 141 (1) Unionsrechtlicher Umsetzungsspielraum . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 141
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Inhaltsverzeichnis (2) Verfassungsrechtliche Vorgaben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 142 (a) Subsidiarität der Offenlegung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 142 (b) Folgerungen für die Umsetzung der EU-Richtlinie 2019/1937 144 (3) Widerspruch zu den Vorgaben des § 5 Nr. 2 GeschGehG . . . . . . . . . 145 (4) Umsetzungsempfehlung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 146 4. Motivation der Hinweisgeber de lege ferenda . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 147 a) Vorgaben der EU-Richtlinie 2019/1937 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 148 aa) Motivation als irrelevantes Kriterium . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 148 bb) Vereinbarkeit mit höherrangigem Recht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 148 cc) Kritische Würdigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 149 b) Umsetzung auf nationaler Ebene . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 149 5. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 150
C. Rechtlicher Schutz der Hinweisgeber . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 150 I. Rechtlicher Schutz der Hinweisgeber de lege lata . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 150 II. Rechtlicher Schutz der Hinweisgeber de lege ferenda . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 152 1. Regelungen zum Schutz von Hinweisgebern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 152 a) Repressalienverbot und Beweislastumkehr . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 152 aa) Vorgaben der EU-Richtlinie 2019/1937 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 152 (1) Repressalienverbot nach Art. 19 EU-RL 2019/1937 . . . . . . . . . . . . . 152 (a) Begriff der Repressalie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 153 (aa) Maßnahme im beruflichen Kontext . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 154 (bb) Nachteil . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 155 (cc) Kausalität zwischen hinweisgebendem Verhalten und Nachteil . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 156 (b) Veranlasser der Repressalie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 157 (2) Beweislastumkehr nach Art. 21 Abs. 5 EU-RL 2019/1937 . . . . . . . . 158 (a) Voraussetzungen des Art. 21 Abs. 5 S. 1 EU-RL 2019/1937 . . . 159 (aa) Beweis des hinweisgebenden Verhaltens und des erlittenen Nachteils . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 159 (bb) Behauptung der Kausalität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 160 (cc) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 161 (b) Gegenbeweis nach Art. 21 Abs. 5 S. 2 EU-RL 2019/1937 . . . . . 161 (3) „Einfallstor“ für Rechtsmissbrauch . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 164 bb) Umsetzung auf nationaler Ebene . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 166 (1) Unionsrechtlicher Umsetzungsspielraum . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 166 (2) Normierung eines Repressalienverbots mit Beweislastumkehr . . . . . 166 (a) Verweis auf § 612a BGB zur Umsetzung des Art. 19, 21 Abs. 5 EU-RL 2019/1937 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 167 (b) Verfassungsrechtliche Vorgaben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 168 (aa) Schutz der Unternehmen vor Rechtsmissbrauch . . . . . . . . . . 168
Inhaltsverzeichnis
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(bb) Inhaltliche Anforderungen an den „rechtfertigenden“ Grund 170 (c) Umsetzungsempfehlung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 171 (3) Gesetzliche Anordnung der Nichtigkeitsfolge . . . . . . . . . . . . . . . . . . 173 (4) Normierung einer Ordnungswidrigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 173 b) Maßnahmen zum Schutz vor Repressalien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 176 aa) Ausschluss der Haftung wegen der Informationsweitergabe . . . . . . . . . . 176 (1) Vorgaben der EU-Richtlinie 2019/1937 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 176 (a) Haftungsausschluss . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 176 (b) Verteidigung im Haftungsprozess . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 177 (2) Umsetzung auf nationaler Ebene . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 178 bb) Ausschluss der Haftung wegen der Informationsbeschaffung . . . . . . . . . 180 (1) Vorgaben der EU-Richtlinie 2019/1937 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 180 (2) Umsetzung auf nationaler Ebene . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 180 cc) Ausschluss eines Verstoßes gegen das Geschäftsgeheimnisgesetz . . . . . 181 (1) Vorgaben der EU-Richtlinie 2019/1937 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 181 (2) Umsetzung auf nationaler Ebene . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 181 dd) Abhilfemaßnahmen gegen Repressalien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 182 (1) Vorgaben der EU-Richtlinie 2019/1937 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 182 (2) Umsetzung auf nationaler Ebene . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 183 ee) Schadensersatzanspruch . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 185 (1) Vorgaben der EU-Richtlinie 2019/1937 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 185 (2) Umsetzung auf nationaler Ebene . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 189 2. Ausschluss wegen des Einwands des Rechtsmissbrauchs . . . . . . . . . . . . . . . . . 190 3. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 192
Teil 3 Implementierung unternehmensinterner Meldesysteme
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A. Pflicht zur Implementierung interner Meldesysteme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 194 I. Verpflichtung der Unternehmen de lege lata . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 194 II. Verpflichtung der Unternehmen de lege ferenda . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 196 1. Vorgaben der EU-Richtlinie 2019/1937 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 196 2. Umsetzung auf nationaler Ebene . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 197 a) Verpflichtung von „Kleinunternehmen“ zur Implementierung interner Meldesysteme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 197 aa) Gesetzliche Verpflichtung der „Kleinunternehmen“ . . . . . . . . . . . . . . . . 198 bb) Freiwillige Entscheidung der „Kleinunternehmen“ mit partiellen Pflichten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 199 b) Umsetzungsempfehlung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 200 aa) Adressat der gesetzlichen Verpflichtung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 200
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Inhaltsverzeichnis bb) Bestimmung des Schwellenwerts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 201
B. Inhaltliche Ausgestaltung der internen Meldekanäle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 202 I. Vorgaben für die Ausgestaltung interner Meldekanäle de lege lata . . . . . . . . . . . . 203 II. Vorgaben für die Ausgestaltung interner Meldekanäle de lege ferenda . . . . . . . . . 203 1. Öffnung des Meldekanals in persönlicher und sachlicher Hinsicht . . . . . . . . . . 203 a) Vorgaben der EU-Richtlinie 2019/1937 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 203 b) Umsetzung auf nationaler Ebene . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 204 aa) Unionsrechtlicher Umsetzungsspielraum . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 204 bb) Öffnung des Meldekanals für weitere Personen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 205 (1) Gesetzliche Verpflichtung der Unternehmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 205 (2) Freiwillige Entscheidung der Unternehmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 206 cc) Ausweitung des Meldegegenstands . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 207 dd) Umsetzungsempfehlung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 207 2. Zuständige Stelle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 208 a) Vorgaben der EU-Richtlinie 2019/1937 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 208 b) Umsetzung auf nationaler Ebene . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 209 3. Form der Meldung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 211 a) Vorgaben der EU-Richtlinie 2019/1937 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 211 b) Umsetzung auf nationaler Ebene . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 212 4. Wahl zwischen offenem, vertraulichem und anonymem Meldekanal . . . . . . . . 212 a) Vorgaben der EU-Richtlinie 2019/1937 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 212 b) Umsetzung auf nationaler Ebene . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 213 aa) Einführung anonymer Meldekanäle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 214 (1) Verfassungsrechtliche Vorgaben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 214 (a) Angemessener Ausgleich der Interessen von Hinweisgeber und verdächtigter Person . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 214 (aa) Zulässigkeit anonymer Meldekanäle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 214 (bb) Zulässige Alternative: Vertrauliche Meldekanäle? . . . . . . . . 216 (cc) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 217 (b) Vereinbarkeit mit den unternehmerischen Interessen . . . . . . . . . 217 (c) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 218 (2) Datenschutzrechtliche Zulässigkeit anonymer Meldekanäle . . . . . . . 218 (a) Vereinbarkeit anonymer Meldekanäle mit dem Grundsatz von Treu und Glauben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 219 (b) Vereinbarkeit anonymer Meldekanäle mit dem Erfordernis der Transparenz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 221 (c) Exkurs: Haftungsrisiko der Unternehmen bei der Einrichtung anonymer Meldekanäle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 223 (d) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 224
Inhaltsverzeichnis
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bb) Umsetzungsempfehlung: Einführung vertraulicher Meldesysteme . . . . . 224 (1) Vorgaben gegenüber Unternehmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 224 (a) Verpflichtung der Unternehmen: Vertraulichkeit der Meldesysteme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 224 (b) Verpflichtung der zuständigen Stellen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 226 (aa) Vertraulichkeitsgebot . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 226 (bb) Ausnahmen von dem Vertraulichkeitsgebot . . . . . . . . . . . . . . 227 (c) Normierung einer Ordnungswidrigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 228 (2) Gewährleistung der Vertraulichkeit gegenüber staatlichen Stellen 229 (a) Anpassung der Strafprozessordnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 231 (b) Ausnahme von dem Vertraulichkeitsgebot . . . . . . . . . . . . . . . . . . 233 (3) Datenschutzrechtliche Anpassungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 234 (a) Konflikt zwischen Vertraulichkeit und Informationspflicht . . . . 235 (aa) Information über die Identität des Hinweisgebers nach Art. 14 Abs. 2 lit. f) DS-GVO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 235 (bb) Ausnahme von der Informationspflicht nach der DS-GVO und dem BDSG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 236 (a) „Ausnahme“ nach Art. 14 Abs. 2 DS-GVO . . . . . . . . . . 236 (b) Ausnahme nach Art. 14 Abs. 5 lit. b) DS-GVO . . . . . . . 237 (c) Ausnahme nach Art. 14 Abs. 5 lit. c) DS-GVO i. V. m. der nationalen Umsetzungsnorm zu Art. 16 EU-RL 2019/1937 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 238 (d) Ausnahme nach § 29 BDSG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 239 (cc) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 241 (b) Konflikt zwischen Vertraulichkeit und Auskunftsanspruch . . . . . 242 (aa) Auskunft über die Identität des Hinweisgebers nach Art. 15 Abs. 1 lit. g) DS-GVO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 242 (bb) Ausnahme von dem Auskunftsanspruch nach der DS-GVO und dem BDSG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 243 (a) Ausnahme nach § 29 BDSG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 243 (b) Ausnahme nach Art. 15 Abs. 4 DS-GVO . . . . . . . . . . . 244 (cc) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 245 (c) Konfliktlösung durch Anpassung der Gesetzeslage . . . . . . . . . . . 245 (aa) Pflicht des Gesetzgebers zur Neu-Normierung . . . . . . . . . . . 245 (bb) Anpassung der Gesetzeslage über die Öffnungsklausel des Art. 23 DS-GVO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 245 (cc) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 247 C. Umgang mit Meldungen und Durchführung von Folgemaßnahmen . . . . . . . . . . . . . . . 248 I. Umgang mit Meldungen und Durchführung von Folgemaßnahmen de lege lata
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Inhaltsverzeichnis II. Umgang mit Meldungen und Durchführung von Folgemaßnahmen de lege ferenda 249 1. Dokumentation und Aufbewahrung der Meldung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 249 a) Vorgaben der EU-Richtlinie 2019/1937 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 249 b) Umsetzung auf nationaler Ebene . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 249 2. Eingangsbestätigung und Rückmeldungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 250 a) Vorgaben der EU-Richtlinie 2019/1937 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 250 b) Umsetzung auf nationaler Ebene . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 251 3. Einleitung ordnungsgemäßer Folgemaßnahmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 254 a) Vorgaben der EU-Richtlinie 2019/1937 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 254 aa) Zuständige Stelle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 254 bb) Anforderungen an die Folgemaßnahmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 255 b) Umsetzung auf nationaler Ebene . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 257 aa) Verpflichtung zur Einführung von Verfahren für Folgemaßnahmen . . . . 257 bb) Datenschutzrechtliche Anpassungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 260 (1) Informationspflicht gegenüber der verdächtigten Person . . . . . . . . . 260 (a) Konflikt zwischen Folgemaßnahme und Informationspflicht . . . 260 (b) Zeitlicher Aufschub der Informationspflicht . . . . . . . . . . . . . . . . 261 (aa) Ausnahme nach Art. 14 Abs. 5 lit. b) DS-GVO . . . . . . . . . . 261 (bb) Ausnahme nach § 33 BDSG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 263 (cc) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 263 (c) Konfliktlösung durch Anpassung der Gesetzeslage . . . . . . . . . . . 263 (2) Auskunftsanspruch des Hinweisgebers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 264 (a) Anspruch auf Auskunft über den Stand des Verfahrens . . . . . . . 265 (aa) Tatbestandliche Einschränkung des Art. 15 Abs. 1 DS-GVO 265 (bb) Anspruchsinhalt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 266 (cc) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 267 (b) Konflikt zwischen Folgemaßnahme und Auskunftsanspruch . . . 268 (c) Ausnahme der Auskunft nach Art. 14 Abs. 5 DS-GVO . . . . . . . 268 (d) Konfliktlösung durch Anpassung der Gesetzeslage . . . . . . . . . . . 269 (3) Umsetzungsempfehlung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 269 4. Verpflichtung zur Entgegennahme und Weiterverfolgung anonymer Meldungen 270 a) Vorgaben der EU-Richtlinie 2019/1937 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 270 b) Umsetzung auf nationaler Ebene . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 270 aa) Verfassungsrechtliche Vorgaben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 271 bb) Rechtspolitische Betrachtung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 272 cc) Umsetzungsempfehlung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 273
D. Datenschutzkonformität interner Meldesysteme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 274 I. Anwendbarkeit der Datenschutz-Grundverordnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 274 1. Begriff der Verarbeitung personenbezogener Daten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 275
Inhaltsverzeichnis
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2. Datenverarbeitungsvorgänge beim Betrieb interner Meldesysteme . . . . . . . . . . 275 a) Personenbezogene Daten der Beteiligten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 276 b) Einzelne Verarbeitungsvorgänge beim Betrieb interner Meldesysteme . . . . . 277 aa) Erste Erhebung der Daten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 277 bb) Weiterverarbeitung, Speicherung und Löschung der Daten . . . . . . . . . . 278 cc) Offenlegung der Daten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 279 c) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 280 II. Verantwortlichkeit im Sinne der Datenschutz-Grundverordnung . . . . . . . . . . . . . . 280 1. Verantwortlichkeit bei einer internen Meldestelle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 281 2. Verantwortlichkeit bei Auslagerung der Meldestelle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 283 a) Verantwortlichkeit bei der Einschaltung von Ombudsleuten . . . . . . . . . . . . . 283 b) Verantwortlichkeit bei einem elektronischen Meldesystem/Call-Center . . . . 284 3. Normierung der datenschutzrechtlichen Verantwortlichkeit . . . . . . . . . . . . . . . . 284 III. Rechtsgrundlagen für die Datenverarbeitungsvorgänge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 285 1. Anwendung bestehender Rechtsgrundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 286 a) Rechtsgrundlage für die Verarbeitung der Daten des Verdächtigten . . . . . . . 286 aa) Zulässigkeit nach § 26 Abs. 1 BDSG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 286 (1) Anwendungsbereich des § 26 Abs. 1 BDSG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 286 (a) Persönlicher Anwendungsbereich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 286 (b) Sachlicher Anwendungsbereich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 287 (2) Zulässigkeitsanforderungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 287 (a) Verhältnis von § 26 Abs. 1 S. 1 BDSG und § 26 Abs. 1 S. 2 BDSG zueinander . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 287 (aa) Präventive Maßnahmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 287 (bb) Repressive Maßnahmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 289 (b) Erfordernis eines Verdachtsgrads . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 290 (c) Abwägungsentscheidung im Einzelfall . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 291 (3) Folgerungen für die Datenverarbeitungsvorgänge im Rahmen interner Meldesysteme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 292 bb) Zulässigkeit nach Art. 6 Abs. 1 UAbs. 1 lit. f) DS-GVO . . . . . . . . . . . . 293 (1) Anwendbarkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 293 (2) Zulässigkeitsanforderungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 295 cc) Zulässigkeit nach Art. 6 Abs. 1 UAbs. 1 lit. a) DS-GVO und § 26 Abs. 2 BDSG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 297 dd) Zulässigkeit nach Art. 6 Abs. 1 UAbs. 1 lit. c) DS-GVO . . . . . . . . . . . . 298 b) Rechtsgrundlage für die Verarbeitung der Daten Dritter . . . . . . . . . . . . . . . . 299 aa) Zulässigkeit nach § 26 Abs. 1 BDSG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 300 (1) Zulässigkeit der Datenverarbeitung nach § 26 Abs. 1 S. 1 BDSG . . 300 (2) Zulässigkeit der Datenverarbeitung nach § 26 Abs. 1 S. 2 BDSG . . 300 bb) Zulässigkeit nach Art. 6 Abs. 1 UAbs. 1 lit. f) DS-GVO . . . . . . . . . . . . 301
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Inhaltsverzeichnis cc) Zulässigkeit nach Art. 6 Abs. 1 UAbs. 1 lit. a) DS-GVO und § 26 Abs. 2 BDSG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 302 dd) Zulässigkeit nach Art. 6 Abs. 1 UAbs. 1 lit. c) DS-GVO . . . . . . . . . . . . 302 c) Rechtsgrundlage für die Verarbeitung der Daten des Hinweisgebers . . . . . . 302 aa) Zulässigkeit nach Art. 6 Abs. 1 UAbs. 1 lit. a) DS-GVO und § 26 Abs. 2 BDSG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 303 bb) Zulässigkeit nach § 26 Abs. 1 BDSG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 304 cc) Zulässigkeit nach Art. 6 Abs. 1 UAbs. 1 lit. f) DS-GVO . . . . . . . . . . . . 304 dd) Zulässigkeit nach Art. 6 Abs. 1 UAbs. 1 lit. c) DS-GVO . . . . . . . . . . . . 305 d) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 305 2. Normierung einer Ermächtigung zur Datenverarbeitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . 305 a) Regelungsbefugnis der Mitgliedstaaten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 306 aa) Verhältnis von Art. 6 Abs. 2 DS-GVO und Art. 6 Abs. 3 DS-GVO zueinander . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 306 bb) Vorgaben der jeweiligen Öffnungsklausel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 308 (1) Vorgaben des Art. 6 Abs. 2 DS-GVO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 308 (2) Vorgaben des Art. 6 Abs. 3 DS-GVO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 311 (3) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 313 cc) Besonderheiten wegen der Vorgaben des Art. 10 DS-GVO? . . . . . . . . . 313 b) Nationale Regelung der Ermächtigung im Sinne des Art. 6 Abs. 1 UAbs. 1 lit. e) DS-GVO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 314
Teil 4 Form der Umsetzung der EU-Richtlinie 2019/1937 auf nationaler Ebene
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Teil 5 Entwurf eines Hinweisgeberschutzgesetzes
319
Teil 6 Resümee und Ausblick
330
Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 335 Stichwortverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 359
Abkürzungsverzeichnis a. A. AEUV a. F. AG AGG AktG Alt. Anm. ArbR Art. Az. BAG BDSG Begr. BGB BGH BNatSchG BRAO BRD bspw. BT-Drucksache BVerfG bzgl. bzw. DS-GVO DSK EGMR Einl. EMRK etc. EU EuGH EU-RL 2019/193 EUV f./ff. GeschGeG GG GmbHG GRCh HinSchG Hrsg.
andere Ansicht Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union alte Fassung Amtsgericht Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz Aktiengesetz Alternative Anmerkung Arbeitsrecht Artikel Aktenzeichen Bundesarbeitsgericht Bundesdatenschutzgesetz Begründer Bürgerliches Gesetzbuch Bundesgerichtshof Gesetz über Naturschutz und Landschaftspflege Bundesrechtsanwaltsordnung Bundesrepublik Deutschland beispielsweise Bundestagsdrucksache Bundesverfassungsgericht bezüglich beziehungsweise Datenschutz-Grundverordnung Datenschutzkonferenz Europäischer Gesetzhof für Menschenrechte Einleitung Europäische Menschenrechtskonvention etcetera Europäische Union Europäischer Gerichtshof Richtlinie (EU) 2019/1937 Vertrag über die Europäische Union folgende (Singular und Plural) Geschäftsgeheimnisgesetz Grundgesetz Gesetz betreffend die Gesellschaften mit beschränkter Haftung Charta der Grundrechte der Europäischen Union Hinweisgeberschutzgesetz Herausgeber
20 Hs. i. S. d. i. V. m. Kap. LAG LG lit. m. w. N. Nr. OLG OWiG Rn. S. StGB StPO StVG StVO u. u. a. UAbs. vgl. z. B.
Abkürzungsverzeichnis Halbsatz im Sinne des in Verbindung mit Kapitel Landesarbeitsgericht Landgericht littera mit weiteren Nachweisen Nummer Oberlandesgericht Gesetz über Ordnungswidrigkeiten Randnummer(n) Satz Strafgesetzbuch Strafprozessordnung Straßenverkehrsgesetz Straßenverkehrs-Ordnung und unter anderem Unterabsatz vergleiche zum Beispiel
Teil 1
Allgemeiner Teil A. Einführung Whistleblowing1 – ins Deutsche frei übersetzt mit „Blasen der Pfeife“2 – hat in Deutschland seit Jahren in den gesellschaftlichen und rechtlichen Diskurs thematisch Eingang gefunden. Sowohl die juristische Literatur3 als auch die nationale4 und europäische5 Rechtsprechung haben sich den Begriff des „Whistleblowings“ inzwischen zu Eigen gemacht. Whistleblower decken Missstände in einem Unternehmen oder einem Betrieb auf.6 Damit leisten sie einen wesentlichen Beitrag zur effektiven Rechtsdurchsetzung.7 Sie sind es regelmäßig, die – bedingt durch ihre enge berufliche Verbindung zu den Unternehmen bzw. Betrieben – als erstes und oftmals auch als Einzige von unternehmensinternen Missständen Kenntnis erlangen.8 Durch Whistleblower können Rechtsverstöße aufgedeckt und anschließend beseitigt werden, die ohne sie nie ans Tageslicht gebracht worden wären. Sie nehmen daher eine entscheidende gesellschaftliche Aufgabe wahr.9
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Englisch. Thüsing/Thüsing/Forst, § 6 Rn. 3; Schmolke, RIW 2012, 224, 226; Wisskirchen/Jordan/ Bissels, DB 2005, 2190, 2193; ähnlich Eufinger, NZA 2017, 619, 619; Wiedmann/Seyfert, CCZ 2019, 12, 12. 3 Bspw. MAH ArbR/Dendorfer-Ditges, § 35 Rn. 128; Boecken/Düwell/Diller/Hanau/ Kerwer, Gesamtes Arbeitsrecht, § 1 KSchG, Rn. 1051; Müller, NZA 2002, 424, 426. 4 Bspw. BAG, Urteil vom 27. 9. 2012 – 2 AZR 646/11, NJOZ 2013, 1064, 1068; LAG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 7. 11. 2013 – 10 Sa 1230/13, Rn. 41 auf juris.de. 5 Bspw. EGMR, Urteil vom 12. 2. 2008 – Nr. 14277/04 (Guja), BeckRS 2011, 77277 Rn. 60; EGMR, Urteil vom 21. 7. 2011 @ 28274/08 (Heinisch), NZA 2011, 1269, 1270; EGMR, Urteil vom 27. 2. 2018 – 1085/10 (Guja Nr. 2), NJW 2019, 1273, 1276. 6 KZDH/Bantle, Arbeitsrecht, § 95 Rn. 47; Bauschke, öAT 2019, 250, 250; Kölbel/Herold, Working Paper, 4, 4; Strack, CB 2014, 113, 113; Zimmermann, ArbRAktuell 2012, 58, 58; Whistleblowing beschreibe die Offenlegung von Missständen durch den Arbeitnehmer, vgl. EGMR, Urteil vom 21. 7. 2011 @ 28274/08 (Heinisch), NZA 2011, 1269, 1270 7 Whistleblowing als „Rechtsdurchsetzungsinstrument“ Gerdemann, RdA 2019, 16, 28; Schmolke, ZGR 2019, 876, 887 f.; Schmolke, NZG 2020, 5, 10. 8 Vgl. auch Erwägungsgrund (1), (2) zur RL 2019/1937, Amtsblatt der Europäischen Union, L 305/17. 9 Müllmann, ZRP 2019, 25, 26; ähnlich auch Wiedmann/Seyfert, CCZ 2019, 12, 12. 2
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Teil 1: Allgemeiner Teil
Dennoch genießen sie in Deutschland bis heute keine allgemeine Anerkennung. Die Gesellschaft begegnet ihnen und ihrem Handeln überwiegend mit Skepsis.10 Diese Skepsis kann mit den historischen Erfahrungen unter zwei Diktaturen auf deutschem Boden, der des Nationalsozialismus und der des DDR-Regimes, begründet werden.11 Totalitäre Systeme haben ein Interesse an Hinweisen aus der Gesellschaft, um (politisch) Andersdenkende ausfindig zu machen.12 Die Vergangenheit Deutschlands kann als Ursprung dafür gesehen werden, dass Whistleblower immer noch mit Denunziantentum in Verbindung gebracht werden.13 Medienwirksame Fälle wie beispielsweise der Fall „Snowden“14 rücken jedoch zunehmend die Bedeutung des Whistleblowings für die Allgemeinheit in das gesellschaftliche Bewusstsein und verdrängen entsprechend negative Assoziationen.15 Die bis heute bestehende gesellschaftliche Unentschiedenheit spiegelt sich auch in der Gesetzeslage wider.16 Obwohl die Thematik des Whistleblowings auf nationaler Ebene bereits bis in die Anfänge des 20. Jahrhunderts17 zurückgeht, fehlt bis dato in Deutschland eine umfassende rechtliche Regelung zum Umgang mit Whistleblowern. Deutschland liegt damit im internationalen Vergleich weit zurück.18
10 Vgl. hierzu Berndt/Hoppler, BB 2005, 2623, 2623; Schmolke, AG 2018, 769, 779 f.; Wiedmann/Seyfert, CCZ 2019, 12, 12; Wirth/Krause, CB 2015, 27, 28. 11 Forst, EuZA 2013, 37, 43; Mahnhold, NZA 2008, 737, 737; Schmolke, ZGR 2019, 876, 884 f. 12 Rabehl, „Denunzianten sind staatstragend“ vom 22. 7. 2000, abrufbar unter https://www. welt.de/print-welt/article524358/Denunzianten-sind-staatstragend.html, zuletzt abgerufen am 14. 2. 2021. 13 Forst, EuZA 2013, 37, 43. 14 Vgl. bspw. den Fall „Snowden“, hierzu bspw. die Berichterstattung des Spiegels, abrufbar unter https://www.spiegel.de/thema/edward_snowden/, zuletzt abgerufen am 28. 11. 2020; der Fall „Margrit Herbst“, vgl. bspw. https://www.zeit.de/digital/2014-02/whistleblower-skandalegeschichten/seite-5, zuletzt abgerufen am 24. 11. 2020; der Fall „Heinisch“, vgl. bspw. https: //www.sueddeutsche.de/karriere/whistleblower-prozess-gefeuerte-altenpflegerin-bekommt-ab findung-1.1366171, zuletzt abgerufen am 24. 11. 2020; der VW-Abgas-Dieselskandal, vgl. bspw. https://www.wiwo.de/unternehmen/auto/dieselskandal-mitarbeiter-warnte-vw-schon-2 011-vor-abgasmanipulationen/23650184.html, zuletzt abgerufen am 2. 12. 2020; die „PanamaPapers“, vgl. bspw. https://www.zeit.de/politik/ausland/2016-05/panama-papers-whistleblowerjohn-doe-steuerpolitik?utm_referrer=https%3A%2F%2Fwww.google.com%2F, zuletzt abgerufen am 2. 12. 2020; hierzu auch Wiedmann/Seyfert, CCZ 2019, 12, 12 f. 15 VGR/Thüsing/Fütterer, Whistleblowing im Spannungsfeld von Gesellschaftsrecht, Arbeitsrecht und Datenschutz, I. Einl.; Thüsing/Fütterer/Jänsch, RDV 2018, 133, 133; ähnlich auch Groß/Platzer, NZA 2017, 1097, 1097 f. 16 Schmolke, ZGR 2019, 876, 882 f. 17 Vgl. LG Berlin I, KGBL 1901: „[d]er Prinzipal […] gegenüber dem Handlungsgehilfen, welcher ihn wegen einer [vom Gericht demnächst festgestellten] strafbaren Handlung denunziert hat, keinen Entlassungsgrund [hat].“; vgl. auch BAG, Urteil vom 5. 2. 1959 – 2 AZR 60/57, NJW 1961, 44, 44 f. 18 Vgl. auch die Studie zum gesetzlichen Whistleblower-Schutz in den G20-Staaten, abrufbar unter https://www.transparency.de/aktuelles/detail/article/studie-zum-gesetzlichen-whist
A. Einführung
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Während in anderen Ländern19 bereits ein allgemeiner Whistleblower-Schutz gesetzlich normiert ist, konnte sich dieser hierzulande nicht durchsetzen.20 Sämtliche Gesetzesvorhaben21 zum Schutz von Whistleblowern der vergangenen Jahre blieben erfolglos.22 Gerade der Gesetzgeber könnte jedoch eine richtungsweisende Wertentscheidung treffen und damit Whistleblowing zu mehr Akzeptanz verhelfen.23 Es ist seine Aufgabe, durch ein gesetzgeberisches Tätigwerden eine klare Abgrenzung zwischen schutzwürdigem Whistleblowing und schutzlosem Denunziantentum vorzunehmen.24 Auch das Geschäftsgeheimnisgesetz, der Umsetzungsakt zur EU-Richtlinie 2016/ 943, begründet keinen umfassenden Schutz von Hinweisgebern. Zwar wurde in § 5 Nr. 2 GeschGehG eine spezielle Regelung zum Whistleblower-Schutz normiert, jedoch geht die Bedeutung der Vorschrift nicht über das Geschäftsgeheimnisgesetz hinaus.25 Nach § 5 Nr. 2 GeschGehG begründet die Erlangung, Nutzung oder Offenlegung eines Geschäftsgeheimnisses durch den Hinweisgeber keinen Verstoß gegen das Verbot des § 4 GeschGehG, wenn dies zur Aufdeckung einer rechtswidrigen Handlung oder eines beruflichen oder sonstigen Fehlverhaltens erfolgt und die Erlangung, Nutzung oder Offenlegung des Geschäftsgeheimnisses geeignet ist, das allgemeine öffentliche Interesse zu schützen. Bei Vorliegen der Voraussetzungen des § 5 Nr. 2 GeschGehG liegt im Einzelfall kein tatbestandlicher Verstoß gegen § 4 GeschGehG, dem Verbot der Erlangung, Nutzung oder Offenlegung eines Geschäftsgeheimnisses, vor.26 Dadurch werden die Ansprüche des Geheimnisinhabers nach §§ 6 ff. GeschGehG sowie das Risiko einer Strafbarkeit des Hinweisgebers nach § 23 GeschGehG ausgeschlossen.27 Die Ausnahmeregelung des § 5 GeschGehG schützt einen Hinweisgeber ausschließlich vor den Rechtsfolgen des Geschäftsge-
leblowerschutz-in-den-g20-staaten-veroeffentlicht-deutschland-weit-unt/, zuletzt abgerufen am 4. 12. 2020. 19 Bspw. Frankreich: Art. L. 1161-1 Code du travail; USA: Ss. 301 IV, 406, 806 SarbanesOxley-Act, Ss. 922 ff. Dodd-Frank-Act; UK: Public Interest Disclosure Act 1998. 20 Zum Vergleich des deutschen Whistleblower-Schutzes zu Frankreich, Schweiz und dem Vereinigten Königreich Forst, EuZA 2013, 37, 37 ff.; zum Vergleich mit dem US-Recht Groneberg, 55 ff. 21 BT-Drucksache 17/6492; BT-Drucksache 17/8567; BT-Drucksache 17/9782; BTDrucksache 18/3039; BT-Drucksache 18/3043; Ausschuss-Drucksache 16(10)849. 22 Zu den politischen Bemühungen in der deutschen Politik Wiedmann/Seyfert, CCZ 2019, 12, 13 f. 23 Schmolke, ZGR 2019, 876, 882 f., 886. 24 Thüsing/Thüsing/Forst, § 6 Rn. 3. 25 Hiéramente/Golzio, CCZ 2018, 262, 265; LKB/Krause, KSchG, § 1 Rn. 561; Naber/ Peukert/Seeger, NZA 2019, 583, 585. 26 Reinfeld, § 5 Rn. 6. 27 BeckOK GeschGehG/Hiéramente, § 5 Rn. 7.
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Teil 1: Allgemeiner Teil
heimnisgesetzes.28 Es handelt sich bei der Vorschrift gerade nicht um einen allgemeinen Whistleblower-Schutz.29 Mangels spezieller Vorschriften zum Umgang mit Whistleblowern kann deren hinweisgebendes Verhalten nach bisheriger Rechtslage, wenn auch mit einzelnen Ausnahmen30, somit allein anhand allgemeiner gesetzlicher Vorschriften beurteilt werden. In den vergangenen Jahren ergingen einzelne richtungsweisende Grundsatzentscheidungen zu der Thematik sowohl durch das Bundesverfassungsgericht31 und das Bundesarbeitsgericht32 als auch auf europäischer Ebene durch den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte33. Eine allgemeingültige, fachübergreifende und abschließende Lösung zum Schutz von Whistleblowern konnten aber auch sie nicht herbeiführen. Die Rechtspraxis sieht sich daher mit der Schwierigkeit konfrontiert, ausschließlich allgemeine, teils unbestimmte und auslegungsbedürftige Vorschriften zur Beurteilung des hinweisgebenden Verhaltens heranziehen zu müssen.34 Auf ein stimmiges gesetzliches Gesamtkonzept kann bisher nicht zurückgegriffen werden.35 Vor diesem Hintergrund wurden die Forderungen nach einem speziellen Whistleblower-Schutz in der juristischen Literatur lauter.36 Auf politischer Ebene konnten sie sich bisher jedoch nicht durchsetzen. Besondere, umfassende Regelungen zum Schutz von Whistleblowern wurden in Deutschland nicht erlassen. Dies wird sich künftig jedoch ändern (müssen). Anlass für ein gesetzgeberisches Tätigwerden gibt die Whistleblowing-Richtlinie (EU-Richtlinie 2019/1937), die auch in Deutschland umgesetzt werden muss. Der europäische Gesetzgeber hat gemeinsame Mindeststandards zur Gewährleistung eines wirksamen Whistleblower-
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LKB/Krause, KSchG, § 1 Rn. 561. Granetzny/Markworth, jurisPR-Compl 1/2020 Anm. 1; Reinfeld, § 3 Rn. 53. 30 Bspw. § 37 Abs. 2 Nr. 3 BeamtStG, § 67 Abs. 2 Nr. 3 BBG, § 4g Abs. 1 S. 2 BDSG, § 27 Abs. 1 AGG, § 25a KWG. 31 Vgl. BVerfG, Beschluss vom 2. 7. 2001 – 1 BvR 2049/00, NZA 2001, 888, 888 ff. 32 Vgl. insbesondere BAG, Urteil vom 3. 7. 2003 – 2 AZR 235/02, NZA 2004, 427, 427 ff.; BAG, Urteil vom 7. 12. 2006 – 2 AZR 400/05, NZA 2007, 502, 502 ff.; BAG, Urteil vom 15. 12. 2016 – 2 AZR 42/16, NZA 2017, 703, 703 ff. 33 Vgl. insbesondere EGMR, Urteil vom 12. 2. 2008 – 14277/04 (Guja), BeckRS 2011, 77277; EGMR, Urteil vom 21. 7. 2011 @ 28274/08 (Heinisch), NZA 2011, 1269, 1269 ff.; EGMR, Urteil vom 16. 2. 2021 – 23922/19 (Gawlik), BeckRS 2021, 1820. 34 Garden/Hiéramente, BB 2019, 963, 965. 35 Preis/Sagan, Der Arbeitsvertrag, Teil II, W 20, Rn. 17. 36 Deiseroth/Derleder, ZRP 2008, 248, 251; Fladung, BB 2011, 2996, 2996; Göpfert/ Landauer, NZA-Beilage 2011, 16, 21; Groß/Platzer, NZA 2017, 1097, 1104; Mengel, CCZ 2012, 146, 146; Müllmann, ZRP 2019, 25, 26; Schulz, ArbRAktuell 2017, 10, 12; Wiedmann/ Greubel, Newsdienst Compliance 2018, 72003; a. A. Koch, ZIS 2008, 500, 504; Leue, CB 2018, Umschlagteil I; Maschmann/Fritz, 111, 146; Sasse, NZA 2008, 990, 993; Simonet, RdA 2013, 236, 239; Stark/Christ, CB 2013, 301, 304; von Busekist/Fahrig, BB 2013, 119, 124; WeberRey, AG 2006, 406, 408; wohl auch Grimm/Windeln, ArbRB 2009, 21, 24. 29
A. Einführung
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Schutzes zur Verbesserung der Rechtsdurchsetzung geschaffen.37 Nach Ansicht des europäischen Gesetzgebers beeinträchtigt aktuell das in der Europäischen Union divergierende Schutzniveau von Whistleblowern in den einzelnen Mitgliedstaaten die Geltungskraft des Unionsrechts.38 Auch Deutschland als Mitgliedstaat der Europäischen Union muss innerhalb der vorgesehenen Frist bis zum 17. Dezember 202139 die europäischen Vorgaben auf nationaler Ebene umsetzen. Damit wird in absehbarer Zeit erstmalig in Deutschland ein allgemeiner gesetzlicher Schutz von Whistleblowern geschaffen. Ein erster Referentenentwurf eines Hinweisgeberschutzgesetzes zur Umsetzung der EU-Richtlinie 2019/1937 wurde bereits veröffentlicht.40 In der vorliegenden Dissertation werden die Regelungsoptionen des nationalen Gesetzgebers bei der Umsetzung der EU-Richtlinie 2019/1937 erarbeitet, um anschließend eine Empfehlung für den nationalen Umsetzungsakt auszusprechen und einen möglicherweise bestehenden Anpassungsbedarf des aktuellen Referentenentwurfs zu ermitteln. Im Folgenden werden, nach Darstellung der bisherigen Rechtslage zum Schutz von Hinweisgebern, die europäischen Vorgaben der Whistleblowing-Richtlinie erläutert und ermittelt, ob und wie weit den Mitgliedstaaten ein darüber hinaus gehender eigenständiger Umsetzungsspielraum eröffnet wurde. Sofern ein solcher besteht, wird daran anschließend dargestellt, wie der nationale Gesetzgeber hiervon Gebrauch machen darf und sollte. Unter Berücksichtigung der verfassungs- und völkerrechtlichen Vorgaben werden die Grenzen für die Umsetzung der EU-Richtlinie 2019/1937 herausgearbeitet, die bei der konkreten Umsetzung berücksichtigt werden müssen. Der Schwerpunkt liegt hierbei auf den Anforderungen, die an das hinweisgebende Verhalten eines Whistleblowers im privaten Sektor zur Begründung seines Schutzanspruchs gestellt werden und wie diesem Schutzbedürfnis rechtlich Rechnung getragen werden muss. Eng verbunden mit einem umfassenden Whistleblower-Schutz ist die Frage nach der Pflicht zur Einrichtung und Ausgestaltung interner Hinweisgebersysteme. Gegenstand der Dissertation sind insofern auch die zu normierenden Vorgaben gegenüber privatwirtschaftlichen Unternehmen zur Implementierung und zum Betrieb solcher internen Meldesysteme. 37
Art. 1 EU-RL 2019/1937; Erwägungsgrund (4), (5) zur RL 2019/1937, Amtsblatt der Europäischen Union, L 305/17. 38 Erwägungsgrund (4) zur RL 2019/1937, Amtsblatt der Europäischen Union, L 305/17. 39 Vgl. Art. 26 Abs. 1 EU-RL 2019/1937; nach Art. 26 Abs. 2 EU-RL 2019/1937 gilt jedoch eine Ausnahme für die Verpflichtung zur Einrichtung interner Meldekanäle gegenüber juristischen Personen mit 49 bis 249 Arbeitnehmern. 40 Referentenentwurf des Bundesministeriums der Justiz und fu¨ r Verbraucherschutz – Entwurf eines Gesetzes fu¨ r einen besseren Schutz hinweisgebender Personen sowie zur Umsetzung der Richtlinie zum Schutz von Personen, die Versto¨ ße gegen das Unionsrecht melden; abrufbar unter https://www.whistleblower-net.de/wp-content/uploads/2021/02/Referentenentwurf-BMJV-WB-RL-Umsetzungsgesetz-8.pdf, zuletzt abgerufen am 15. 4. 2021.
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Teil 1: Allgemeiner Teil
Daran anschließend wird erörtert, in welcher Form die europäischen Vorgaben der Whistleblowing-Richtlinie umgesetzt werden sollten. Schlussendlich wird, unter Berücksichtigung der vorausgegangenen Ausführungen, eine konkrete Vorlage für den Erlass eines Hinweisgeberschutzgesetzes dargestellt.
B. Definition des „Whistleblowings“ Ein Whistleblower weist (freiwillig41) auf Missstände in einem Unternehmen, die tatsächlich vorliegen oder die er nur behauptet42, hin.43 Teilweise wird ergänzend in die Definition aufgenommen, dass nur Personen, deren Motiv darauf gerichtet ist, Missstände offenzulegen, Whistleblower sein können.44 Andere wiederum stellen darauf ab, dass ein Whistleblower selbstlos und mit dem Ziel, Schäden für das Unternehmen zu verhindern, handeln müsse.45 Die überwiegende Ansicht geht dagegen davon aus, dass die Definition des Hinweisgebers kein besonderes Handlungsmotiv erfordert.46 Unter Berücksichtigung der mit einem subjektiven Kriterium wie das der Motivation einhergehenden Unsicherheit ist dies auch überzeugend.47 Nach bisherigem begrifflichem Verständnis bedurfte es zusätzlich einer Differenzierung zwischen internem und externem Whistleblowing. Im ersten Fall, dem internen Whistleblowing, gibt der Hinweisgeber Missstände an unternehmensinterne Stellen weiter.48 Internes Whistleblowing lag bisher bei Meldungen gegenüber einer beliebigen unternehmensinternen Stelle oder Person, die dem Unternehmen zugehörig oder jedenfalls in dessen Auftrag tätig war49, vor.50 Dazu gehörten insbesondere 41
Gerdemann, RdA 2019, 16, 16. Eufinger, NZA 2017, 619, 619; LKB/Krause, KSchG, § 1 Rn. 553; Vogel/Poth, CB 2019, 45, 45. 43 EGMR, Urteil vom 21. 7. 2011 @ 28274/08 (Heinisch), NZA 2011, 1269, 1270; KZDH/ Bantle, Arbeitsrecht, § 95 Rn. 47; Bauschke, öAT 2019, 250, 250; MHdB ArbR I/Reichold, § 54 Rn. 41; Strack, CB 2014, 113, 113; Zimmermann, ArbRAktuell 2012, 58, 58. 44 Tschöpe/Rinck, Arbeitsrecht, Teil 3 G Rn. 9. 45 Benne, CCZ 2014, 189, 189. 46 Berndt/Hoppler, BB 2005, 2623, 2624; MAH ArbR/Dendorfer-Ditges, § 35 Rn. 128; Seel, MDR 2012, 9, 9; ErfK/Preis, ArbR, § 611a BGB Rn. 716; Zimmermann, ArbRAktuell 2012, 58, 58; nicht eindeutig dagegen EGMR, Urteil vom 17. 9. 2015 – 14464/11 (Langner/ Deutschland), NZA 2017, 237, 239. 47 So auch Schweizer, 43. 48 MAH ArbR/Dendorfer-Ditges, § 35 Rn. 128; Fahrig, NJOZ 2010, 975, 976; KHBN/ Nebeling/Beisheim, § 70 Rn. 1; Simonet, RdA 2013, 236, 236. 49 Bspw. der Vorgesetzte, der Arbeitgeber selbst, Kollegen, der Betriebsrat, der Aufsichtsrat, speziell eingerichtete (ausgelagerte) Stellen. 50 Küttner/Kania, Personalbuch 2020, Whistleblowing Rn. 9; Boecken/Düwell/Diller/ Hanau/Kerwer, Gesamtes Arbeitsrecht, § 1 KSchG Rn. 1067; Schmolke, ZGR 2019, 876, 882; Schulz, BB 2011, 629, 630; Stark/Christ, CB 2013, 301, 302. 42
C. EU-Richtlinie 2019/1937 als Wegweiser der künftigen Rechtslage
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der Vorgesetzte51, die Geschäftsleitung, der Betriebsrat, andere Kollegen oder speziell eingerichtete Stellen des Unternehmens.52 Im zweiten Fall, dem externen Whistleblowing, werden dagegen unternehmensinterne Missstände gegenüber einer Behörde, den Medien oder einer anderen Stelle der Öffentlichkeit gemeldet.53 Mit Blick auf die Whistleblowing-Richtlinie wird künftig jedoch eine zentrale Neuerung eintreten. Nach der EU-Richtlinie 2019/1937 ist nicht nur zwischen internen und externen Meldungen zu unterscheiden, sondern zusätzlich auch noch zwischen beiden Meldeformen und der Offenlegung. Während eine interne Meldung die mu¨ ndliche oder schriftliche Mitteilung von Informationen u¨ ber Versto¨ ße innerhalb einer juristischen Person des privaten oder o¨ ffentlichen Sektors ist (Art. 5 Nr. 4 EU-RL 2019/1937)54, teilt der Hinweisgeber bei einer externen Meldung im Sinne der Richtlinie mu¨ ndlich oder schriftlich Informationen u¨ ber Versto¨ ße an die zusta¨ ndige Beho¨ rde mit (Art. 5 Nr. 5 EU-RL 2019/1937). Die „zuständige Behörde“ ist unter Berücksichtigung des Art. 5 Nr. 14 EU-RL 2019/1937 die nationale Beho¨ rde, die als externe Meldestelle im Sinne der Richtlinie benannt wurde. Demgegenüber beschreibt der Begriff der Offenlegung das öffentliche Zugänglichmachen von Informationen über Verstöße, Art. 5 Nr. 6 EU-RL 2019/1937. Insofern ist entgegen der bisherigen Rechtslage zusätzlich zwischen externen Meldungen gegenüber der zuständigen Behörde und der Offenlegung55 zu trennen.56
C. EU-Richtlinie 2019/1937 als Wegweiser der künftigen Rechtslage in Deutschland Die endgültige Fassung der Whistleblowing-Richtlinie wurde am 23. Oktober 2019 verabschiedet57 und am 26. November 2019 im Amtsblatt der Europäischen Union veröffentlicht. Die Umsetzungsfrist der Richtlinie für die Mitgliedstaaten endet am 17. Dezember 2021.
51
Hauschka/Moosmayer/Lösler/Buchert, Corporate Compliance, § 42 Rn. 9. KZDH/Bantle, Arbeitsrecht, § 95 Rn. 9; MAH ArbR/Dendorfer-Ditges, § 35 Rn. 128; Achenbach/Ransiek/Rönnau/Rotsch, 1. Teil 4. Kap. C. Rn. 63. 53 KZDH/Bantle, Arbeitsrecht, § 95 Rn. 47; MAH ArbR/Dendorfer-Ditges, § 35 Rn. 128; Fahrig, NJOZ 2010, 975, 976; Jauernig/Mansel, § 626 BGB Rn. 11; KHBN/Nebeling/Beisheim, § 70 Rn. 1; Simonet, RdA 2013, 236, 236. 54 Eine interne Meldung liegt somit nicht nur bei einer Meldung unter Inanspruchnahme des internen Meldekanals vor, sondern gegenüber jeder beliebigen internen Person. 55 Bspw. gegenüber der Presse oder im Internet. 56 Hierzu auch Bauschke, öAT 2019, 250, 251. 57 Siehe Unterzeichnung durch den Präsidenten des Europäischen Parlaments und den Präsidenten des Rates am 23. 10. 2019, abrufbar unter https://eur-lex.europa.eu/legal-content/ DE/TXT/?uri=consil:PE_78_2019_REV_1, zuletzt abgerufen am 18. 3. 2020. 52
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Teil 1: Allgemeiner Teil
Das Ziel der Richtlinie ergibt sich aus Art. 1 EU-RL 2019/1937: Durch geschaffene Mindeststandards zum Schutz von Whistleblowern soll die Durchsetzung von Unionsrecht und -politik verbessert werden. Durch die Richtlinie soll Personen, die Verstöße gegen das Unionsrecht aufdecken, ein besonderer Schutz zugebilligt und damit die Anzeigebereitschaft von solchen Hinweisgebern erhöht werden.58 Sie leisten nach der Einschätzung des europäischen Gesetzgebers einen grundlegenden Beitrag für die effektive Durchsetzung des Rechts der Union im Interesse der Allgemeinheit.59 Whistleblowing liegt nach der Wertung des europäischen Gesetzgebers im öffentlichen Interesse.60 Mit der Zunahme der Meldebereitschaft von Whistleblowern und der daraus resultierenden verbesserten Durchsetzung von Unionsrecht und Unionspolitik sollen Schäden und Risiken für das Gemeinwohl vermindert werden.61 Nach der Auffassung des europäischen Gesetzgebers kann dieses Ziel nur durch eine einheitliche Ausgestaltung der Rechtslage auf Unionsebene durch Angleichung des Rechts der Mitgliedstaaten und Politikbereiche erreicht werden.62 Die Richtlinie hat nur einen mindestharmonisierenden63 Charakter.64 Ausweislich des Art. 25 Abs. 1 EU-RL 2019/1937 steht es den Mitgliedstaaten zu, fu¨ r die Rechte von Hinweisgebern gu¨ nstigere Bestimmungen als die der Richtlinie einzufu¨ hren.
D. Kollision widerstreitender Interessen der Beteiligten Der deutsche Gesetzgeber bewegt sich bei Umsetzung der EU-Richtlinie 2019/ 1937 in einem Spannungsfeld verschiedener, teils gegenläufiger Interessenpositionen von Hinweisgebern, Unternehmen, verdächtigten Einzelpersonen und der Allgemeinheit. Er muss ihre grundrechtlich geschützten Rechtspositionen in einen angemessenen Ausgleich bringen.
58 59 60 61 62
17. 63
Erwägungsgrund (1) zur RL 2019/1937, Amtsblatt der Europäischen Union, L 305/17. Erwägungsgrund (5) zur RL 2019/1937, Amtsblatt der Europäischen Union, L 305/17. Ähnlich auch EuArbR/Fest, EU-RL 2019/366, Art. 1 Rn. 50. Erwägungsgrund (3) zur RL 2019/1937, Amtsblatt der Europäischen Union, L 305/17. Vgl. Erwägungsgrund (4) zur RL 2019/1937, Amtsblatt der Europäischen Union, L 305/
Zu dem Begriff der „Mindestharmonisierung“ vgl. Riehm, JZ 2006, 1035, 1035. Vgl. bspw. Erwägungsgrund (5) zur RL 2019/1937, Amtsblatt der Europäischen Union, L 305/17 und Erwägungsgrund (104) zur RL 2019/1937, Amtsblatt der Europäischen Union, L 305/33. 64
D. Kollision widerstreitender Interessen der Beteiligten
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I. Grundrechtsquellen und ihre Bedeutung für den Umsetzungsakt zu der EU-Richtlinie 2019/1937 Maßgebliche Bedeutung für die Umsetzung der EU-Richtlinie 2019/1937 haben sowohl die verfassungsrechtlich garantierten Grundrechte, als auch die Grundrechtecharta und die Menschenrechtskonvention. Fraglich ist, welche grundrechtlichen Vorgaben der nationale Gesetzgeber bei der Umsetzung der WhistleblowingRichtlinie berücksichtigen muss. 1. Bedeutung des Grundgesetzes Die verfassungsrechtlichen Grundrechte binden gemäß Art. 1 Abs. 3 GG die Gesetzgebung, die vollziehende Gewalt und die Rechtsprechung. Ihnen gegenüber kann sich grundsätzlich jedermann auf die Grundrechte berufen.65 Entsprechend ist auch der nationale Gesetzgeber bei der Umsetzung der Whistleblowing-Richtlinie an die Vorgaben der Verfassung gebunden. Er muss die Grundrechte des Grundgesetzes in einen angemessenen Ausgleich bringen. Sofern Grundrechtspositionen miteinander kollidieren, ist diese Kollision im Wege der praktischen Konkordanz aufzulösen.66 2. Bedeutung der Grundrechtecharta Wegen des unionsrechtlichen Ursprungs der Whistleblowing-Richtlinie ist zudem von Bedeutung, in welchem Umfang die Grundrechtecharta im Rahmen des nationalen Umsetzungsakts Einfluss nimmt. Fraglich ist, ob sowohl die EU-Richtlinie 2019/1937 selbst als auch der anschließende nationale Umsetzungsakt an den Vorgaben der Charta zu messen sind. Der Anwendungsbereich der Grundrechtecharta ergibt sich aus Art. 51 Abs. 1 S. 1 GRCh. Danach gilt die Charta für die Organe, Einrichtungen und sonstigen Stellen der Union und für Mitgliedstaaten ausschließlich bei der Durchführung des Rechts der Union. Sofern ein Grundrechtsverpflichteter im Sinne des Art. 51 Abs. 1 S. 1 GRCh den Gewährleistungsgehalt eines Grundrechts der Charta einschränkt, muss er die Vorgaben des Art. 52 Abs. 1 GRCh wahren. Dazu gehört insbesondere auch bei einer Kollision verschiedener Grundrechtspositionen, diese „miteinander in Einklang“ zu bringen und „zwischen ihnen ein angemessenes Gleichgewicht“ herzustellen.67
65
ErfK/Schmidt, ArbR, GG, Einleitung Rn. 4; bei juristischen Personen ist Art. 19 Abs. 3 GG zu berücksichtigen. 66 Dreier/Dreier, Vorbemerkung vor Art. 1 GG Rn. 65. 67 EuGH, Urteil vom 22. 1. 2013 – C-283/11 (Sky Österreich), Rn. 60 auf juris.de; Jarass, Charta der Grundrechte der EU, Art. 52 Rn. 43.
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Teil 1: Allgemeiner Teil
a) Bindung des europäischen Gesetzgebers an die Grundrechtecharta Grundrechtsverpflichtete sind sämtliche Stellen der Union bei ihren Aktivitäten, gleich welcher Art.68 Entsprechend war bereits der europäische Gesetzgeber bei dem Erlass der Whistleblowing-Richtlinie an die Charta gebunden. Die Regelungen der Richtlinie müssen daher den Vorgaben der Charta entsprechen. Vor diesem Hintergrund müssen auch bei der Auslegung der Richtlinie die unionsrechtlichen Wertungen Berücksichtigung finden.69 Es muss die Auslegung herangezogen werden, die nicht zu einer Kollision mit den Grundrechten der Charta führt.70 b) Bindung des nationalen Gesetzgebers an die Grundrechtecharta Fraglich ist, ob auch der nationale Umsetzungsakt de lege ferenda an den Vorgaben der Grundrechtecharta gemessen werden muss. Nach Art. 51 Abs. 1 S. 1 GRCh ist ein Mitgliedstaat an die Charta nur gebunden, wenn er das Recht der Union durchführt. Der Begriff des Unionsrechts bezieht sich auf das gesamte Spektrum primären, sekundären und tertiären Rechts der Union.71 Eine Durchführung von Unionsrecht im Sinne des Art. 51 Abs. 1 S. 1 GRCh kommt grundsätzlich in drei Bereichen in Betracht: Zum einen bei der Umsetzung oder Durchführung von Unionsrecht, zum anderen bei der Einschränkung von Grundfreiheiten und zuletzt auch bei mitgliedstaatlichen Handlungen im Kontext des Unionsrechts.72 Dem ersten Fall ist insbesondere die Umsetzung einer Richtlinie auf nationaler Ebene zuzuordnen.73 Es besteht jedoch nicht bei jedem gesetzgeberischen Tätigwerden auf nationaler Ebene im Zusammenhang mit einer Richtlinie eine Bindung an die Grundrechtecharta. Regelungen, die über eine Öffnungsklausel in einer Richtlinie erlassen werden oder die über die mindestharmonisierenden Regelungen hinausgehen, unterfallen nicht dem Anwendungsbereich der Charta.74 Dies führt zu einer gespaltenen Prüfung des Umsetzungsakts an den Vorgaben des Grundgesetzes und an denen der Grundrechtecharta.75 68
Jarass, Charta der Grundrechte der EU, Art. 51 Rn. 15 f. Preis/Sagan/Sagan, § 1 Rn. 1.91; Schmitt, RdA 2017, 365, 368. 70 EuGH, Urteil vom 29. 1. 2008 – C-275/06 (Poductores de Música de España), EuZW 2008, 113, 116. 71 PNH/Pache, Art. 51 GRCh Rn. 18; von der Groeben/Schwarze/Hatje/Terhechte, Art. 51 GRCh Rn. 8. 72 von der Groeben/Schwarze/Hatje/Terhechte, Art. 51 GRCh Rn. 10. 73 Herresthal, ZEuP 2014, 238, 251; von der Groeben/Schwarze/Hatje/Terhechte, Art. 51 GRCh Rn. 10; zu den Einzelheiten EuArbR/Schubert, GRCh, Art. 51 Rn. 22 ff. 74 Schubert, EuZA 2020, 302, 306. 75 Herresthal, ZEuP 2014, 238, 252. 69
D. Kollision widerstreitender Interessen der Beteiligten
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Anders ist dies dagegen bei solchen Regelungen, die im Rahmen einer in der Richtlinie vorgesehenen Wahlmöglichkeit oder als Ausübung bestehenden Ermessens- oder Gestaltungsspielraums ergehen. Hierbei bleibt die Bindung des nationalen Gesetzgebers an die Grundrechtecharta bestehen, sodass eine solche nationale Regelung auch an ihren Vorgaben zu messen ist.76 Trotz Eröffnung des Anwendungsbereichs der Charta müssen auf nationaler Ebene in Deutschland die Grundrechte der Verfassung weiterhin berücksichtigt werden. Es entsteht eine doppelte Bindung an beide Grundrechtsquellen.77 Das Bundesverfassungsgericht überprüft bei „europarechtlich vorgezeichneten“78 nationalen Regelungen, die auf vollständig unionsrechtlich determiniertes Recht zurückgehen, diese grundsätzlich79 anhand der Grundrechte der Charta.80 Sofern eine Vorschrift des sekundären Unionsrechts dagegen Gestaltungsspielraum für die Mitgliedstaaten eröffnet, werden die umgesetzten Regelungen in Deutschland nicht an den Grundrechten der Charta, sondern grundsätzlich primär an denen des Grundgesetzes beurteilt, auch wenn es sich hierbei um die Durchführung von Unionsrecht nach Art. 51 Abs. 1 S. 1 GRCh handelt.81 Aber auch in diesem Fall nehmen die Grundrechte der Charta dahingehend Einfluss, „dass […] die Grundrechte des Grundgesetzes im Lichte der Charta auszulegen sind.“82 Auch der Umsetzungsakt zur Whistleblowing-Richtlinie fällt somit in den Anwendungsbereich der Charta. In den dargestellten Konstellationen muss dieser nicht nur den Vorgaben des Grundgesetzes, sondern auch denen der Charta genügen. Daneben müssen auch bei Gesetzesvorhaben im Zusammenhang mit dem Datenschutzrecht und wegen des damit verbundenen Einflusses der DatenschutzGrundverordnung die Grundrechte der Charta berücksichtigt werden. 3. Bedeutung der Europäischen Menschenrechtskonvention Von Bedeutung ist zudem, ob sowohl die Whistleblowing-Richtlinie selbst als auch der zugehörige Umsetzungsakt auf nationaler Ebene mit den Vorgaben der Menschenrechtskonvention vereinbar sein müssen. Entscheidend ist somit, ob der nationale und der europäische Gesetzgeber an die Konvention gebunden sind. 76
EuGH, Urteil vom 19. 11. 2019 – C-609/17 u. C-610/17 (Terveys- ja sosiaalialan neuvottelujärjestö [TSN] ry u. Auto- ja Kuljetusalan Työntekijäliitto AKT ry), NJW 2020, 35, 37; Jarass, Charta der Grundrechte der EU, Art. 51 Rn. 28; Schubert, EuZA 2020, 302, 307. 77 Jarass, Charta der Grundrechte der Union, Art. 53 Rn. 15. 78 Muckel, JA 2020, 233, 237. 79 Zu den Ausnahmen BVerfG, Beschluss vom 6. 11. 2019 – 1 BvR 276/17, NJW 2020, 314, 317. 80 BVerfG, Beschluss vom 6. 11. 2019 – 1 BvR 276/17, NJW 2020, 314, 318. 81 BVerfG, Beschluss vom 6. 11. 2019 – 1 BvR 16/13, NJW 2020, 300, 301 f. 82 BVerfG, Beschluss vom 6. 11. 2019 – 1 BvR 16/13, NJW 2020, 300, 303.
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Teil 1: Allgemeiner Teil
a) Bindung des europäischen Gesetzgebers an die Menschenrechtskonvention Die Europäische Menschenrechtskonvention ist (noch) keine Quelle des Unionsrechts und entsprechend besteht auch keine direkte Bindung des europäischen Gesetzgebers an ihre Vorgaben.83 Gemäß Art. 6 Abs. 3 EUV handelt es sich lediglich um eine Rechtserkenntnisquelle84 und nicht um eine verpflichtende Rechtsquelle als unmittelbarer Rechtssatz.85 Aus Rechtserkenntnisquellen werden in Zusammenschau mit den Interessen der Union die Grundrechte und Verfahrensgrundsätze durch den Europäischen Gerichtshof unabhängig hergeleitet.86 Erst an die daraus entwickelten allgemeinen, ungeschriebenen Rechtsgrundsätze sind die Organe der Union gemäß Art. 6 Abs. 3 EUV gebunden. Soweit jedoch in der Charta ein Grundrecht ausdrücklich normiert ist, geht dieses den allgemeinen Grundsätzen vor.87 Eine unmittelbare Überprüfung der Whistleblowing-Richtlinie an den Vorgaben der Menschenrechtskonvention erfolgt daher nicht. Die Konvention nimmt gegenüber den weiteren Rechtserkenntnisquellen der Union jedoch eine Sonderstellung ein. Gemäß Art. 52 Abs. 3 S. 1 GRCh haben die Rechte der Charta die gleiche Bedeutung und Tragweite, wie sie ihnen in der Europäischen Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten verliehen werden, soweit sie Rechte enthält, die den durch die Konvention garantierten Rechten entsprechen. Im Einzelfall kann die Charta jedoch einen zu beachtenden höheren Schutzgehalt gewährleisten, vgl. Art. 52 Abs. 3 S. 2 GRCh. Die Menschenrechtskonvention begründet insofern einen Mindeststandard, der durch die Grundrechtecharta grundsätzlich überschritten werden kann.88 Wegen Art. 52 Abs. 3 GRCh sind die Vorgaben der Konvention im Rahmen der Charta, an der wiederum das Sekundärrecht der Union zu messen ist, regelmäßig zu berücksichtigen. b) Bindung des nationalen Gesetzgebers an die Menschenrechtskonvention Demgegenüber beansprucht der materielle Gewährleistungsgehalt der Menschenrechtskonvention im Verhältnis zu den einzelnen Mitgliedstaaten und damit auch gegenüber Deutschland unmittelbare Geltung.89 Das Bundesverfassungsgericht spricht der Konvention in ständiger Rechtsprechung zwar lediglich den Rang eines einfachen Bundesgesetzes unterhalb des Grundgesetzes zu, dennoch muss sie bei der Auslegung des nationalen Rechts, einschließlich der Grundrechte und rechtsstaat83
Matz-Lück/Hong/Sauer, 1, 16 f.; EuArbR/Schubert, EUV, Art. 6 Rn. 63. EuGH, Urteil vom 26. 2. 2013 – C-617/10 (Åkerberg Fransson), NJW 2013, 1415, 1417. 85 EuArbR/Schubert, EUV, Art. 6 Rn. 63. 86 Schwarze/Becker/Hatje/Schoo/Hatje, Art. 6 EUV Rn. 29; Streinz/Streinz, EUV, Art. 6 Rn. 25. 87 Vedder/Heintschel von Heinegg/Folz, EUV, Art. 6 Rn. 22; Schwarze/Becker/Hatje/ Schoo/Hatje, Art. 6 EUV Rn. 28. 88 Hoffmann, NVwZ 2020, 33, 36. 89 EuArbR/Schubert, EMRK, Art. 1 Rn. 88. 84
D. Kollision widerstreitender Interessen der Beteiligten
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lichen Garantien, grundsätzlich90 berücksichtigt werden.91 „Der Konventionstext […] dien[t] […] auf der Ebene des Verfassungsrechts als Auslegungshilfe für die Bestimmung von Inhalt und Reichweite von Grundrechten und rechtsstaatlichen Grundsätzen des Grundgesetzes […].“92 Dies gilt jedoch nicht uneingeschränkt. Eine völkerrechtsfreundliche Auslegung des Grundgesetzes darf nicht erfolgen, wenn diese mit den anerkannten Methoden der Gesetzesauslegung und der Verfassungsinterpretation nicht mehr vereinbar ist oder der Schutz der Grundrechte durch ihre völkerrechtliche Interpretation eingeschränkt würde.93 Letzteres erlangt insbesondere in mehrpoligen Grundrechtsverhältnissen Bedeutung, „in denen das ,Mehr‘ an Freiheit für den einen Grundrechtsträger zugleich ein ,Weniger‘ für einen anderen bedeutet.“94 Der Gewährleistungsgehalt der in der Konvention garantierten Rechte wird maßgebend durch die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte bestimmt. Seine Rechtsprechung legt die Rechte der Menschenrechtskonvention aus und bestimmt damit ihren Schutzgehalt.95 Losgelöst von dem durch den Gerichtshof zu entscheidenden Einzelfall, nehmen dessen Entscheidungen eine „faktische Orientierungs- und Leitfunktion“ für die Auslegung der Konvention ein, die damit auch auf nationaler Ebene entsprechend berücksichtigt werden.96 Die Konvention und die zugehörige Rechtsprechung beanspruchen daher auch bei der Umsetzung der Whistleblowing-Richtlinie Geltung. Zum einen nehmen sie bereits bei der Auslegung und Überprüfung der Richtlinie anhand der Grundrechtecharta zumindest mittelbar Einfluss.97 Zum anderen darf der nationale Umsetzungsakt grundsätzlich nicht zu der Konvention im Widerspruch stehen. Ihre Vorgaben sind bei der Auslegung der Grundrechte, an denen der Umsetzungsakt zu messen ist, regelmäßig zu berücksichtigen. 90 Zu den Ausnahmen BVerfG, Urteil vom 4. 5. 2011 @ 2 BvR 2365/09, 740/10, 2333/08, 1152/10, 571/10, NJW 2011, 1931, 1936; BVerfG, Urteil vom 12. 6. 2018 – 2 BvR 1738/12, 2 BvR 1395/13, 2 BvR 1068/14, 2 BvR 646/15, NJW 2018, 2695, 2700. 91 BVerfG, Beschluss vom 26. 3. 1987 – 2 BvR 589/79, NJW 1987, 2427, 2427; BVerfG, Beschluss vom 14. 10. 2004 – 2 BvR 1481/04, NJW 2004, 3407, 3408; BVerfG, Beschluss vom 27. 1. 2015 – 1 BvR 471/10, 1 BvR 1181/10, NJW 2015, 1359, 1368; BVerfG, Urteil vom 12. 6. 2018 – 2 BvR 1738/12, 2 BvR 1395/13, 2 BvR 1068/14, 2 BvR 646/15, NJW 2018, 2695, 2699. 92 BVerfG, Urteil vom 12. 6. 2018 – 2 BvR 1738/12, 2 BvR 1395/13, 2 BvR 1068/14, 2 BvR 646/15, NJW 2018, 2695, 2699. 93 BVerfG, Urteil vom 12. 6. 2018 – 2 BvR 1738/12, 2 BvR 1395/13, 2 BvR 1068/14, 2 BvR 646/15, NJW 2018, 2695, 2700. 94 BVerfG, Urteil vom 12. 6. 2018 – 2 BvR 1738/12, 2 BvR 1395/13, 2 BvR 1068/14, 2 BvR 646/15, NJW 2018, 2695, 2700. 95 Jarass, Charta der Grundrechte der EU, Art. 52 Rn. 65. 96 BVerfG, Urteil vom 4. 5. 2011 @ 2 BvR 2365/09, 740/10, 2333/08, 1152/10, 571/10, NJW 2011, 1931, 1935. 97 Garden/Hiéramente, BB 2019, 963, 965, 967; Gerdemann, NZA-Beilage 2020, 43, 44; Preis/Sagan, Der Arbeitsvertrag, Teil II, W 20, Rn. 12 f.; Schmitt, NZA-Beilage 2020, 50, 50 f.; Thüsing/Rombey, NZG 2018, 1001, 1003.
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c) Völkerrechtliche Verantwortlichkeit der Mitgliedstaaten für Unionsrechtsakte Es sind somit allein die Mitgliedstaaten an die Vorgaben der Konvention unmittelbar gebunden, nicht aber die Europäische Union selbst. Die Verantwortung der einzelnen Mitgliedstaaten für die Einhaltung der Vorgaben der Menschenrechtskonvention besteht, ungeachtet der Gründung der Europäischen Union und der daran anschließenden Übertragung hoheitlicher Befugnisse, fort.98 Dies kann im Einzelfall dazu führen, dass Mitgliedstaaten durch zwingendes Recht der Union zur Verletzung der Menschenrechtskonvention verpflichtet werden. Auch hierbei trägt dann der einzelne Mitgliedstaat für die Einhaltung der Konvention die Verantwortung. Eine andere Beurteilung widerspräche dem Ziel und Zweck der Konvention, da „ihre Garantien [andernfalls] […] nach freiem Belieben begrenzt oder ausgeschlossen werden [könnten], was ihren zwingenden Charakter beseitigen und ihre praktische Bedeutung und Wirksamkeit untergraben würde.“99 Entsprechend haften auch die Mitgliedstaaten für die Wahrung der Menschenrechtskonvention durch einen Rechtsakt der Europäischen Union.100 Konsequenz dieses Umstands ist, dass das Unionsrecht nicht nur einer Kontrolle durch den Europäischen Gerichtshof, sondern auch einer solchen des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (mittelbar über die Mitgliedstaaten) unterliegt.101 Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte hat jedoch seine gerichtliche Kontrolle eingeschränkt: Eine Beeinträchtigung der Konvention durch das Handeln der Union oder deren Durchführung durch einen Mitgliedstaat sei grundsätzlich gerechtfertigt, da die Europäische Union einen Schutz der Grundrechte gleichwertig dem der Konvention bietet.102 Erst wenn in einem konkreten Einzelfall angenommen werden muss, dass offensichtlich ein unzureichender Schutz der Rechte der Konvention besteht, müsse „das Interesse an internationaler Zusammenarbeit wegen der Rolle der Konvention als ein ,Verfassungsinstrument des europäischen ordre public‘ im Bereich der Menschenrechte zurückstehen.“103 Der Gerichtshof hat sich auf diese Weise jedoch zugleich offen gehalten, im Einzelfall seine Kontrollbefugnis wieder vollständig „aufleben“ zu lassen.104 Die derzeitige Rechtslage ist auf berechtigte Kritik gestoßen. Sollte der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte im Ausnahmefall in der vorliegenden Konstellation eine Verletzung der Konvention feststellen, muss der Mitgliedstaat den gerichtlichen Vorgaben nachkommen (Art. 46 Abs. 1 EMRK), ungeachtet, ob damit 98 EGMR, Urteil vom 18. 2. 1999 – 26083/94 (Waite u. Kennedy, NJW 1999, 1173, 1175; Matz-Lück/Hong/Sauer, 1, 16. 99 EGMR, Urteil vom 30. 6. 2005 – 45036/98 (Bosphorus), NJW 2006, 197, 202. 100 EGMR, Urteil vom 18. 2. 1999 – 24833/94 (Matthews), EuZW 1999, 308, 309. 101 Calliess/Ruffert/Kingreen, EUV, Art. 6 Rn. 23. 102 EGMR, Urteil vom 30. 6. 2005 – 45036/98 (Bosphorus), NJW 2006, 197, 202 f. 103 EGMR, Urteil vom 30. 6. 2005 – 45036/98 (Bosphorus), NJW 2006, 197, 202. 104 Vgl. bspw. EGMR, Urteil vom 6. 12. 2012 – 12323/11 (Michaud), NJW 2013, 3423, 3426.
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gleichzeitig wiederum ein Unionsrechtsverstoß verbunden ist105. Die Mitgliedstaaten werden auf diese Weise einem Konflikt zweier Pflichten ausgesetzt. Darüber hinaus bietet die Rechtsprechung des Gerichtshofs im Ergebnis die Grundlage einer völkerrechtlich nicht zu rechtfertigenden Privilegierung des Handelns der Union und dem der Mitgliedstaaten bei der Durchführung von Unionsrecht gegenüber rein nationalem Handeln der Staaten.106 Der Europäischen Union wurden gerade nicht nur punktuell, sondern umfassend Kompetenzen übertragen.107 Ihre damit verbundene Rechtssetzungskompetenz nimmt weitreichenden Einfluss auf eine Vielzahl an Rechtsgebiete und auch auf das Recht von insgesamt 27 Staaten.108 Das Handeln der Union hat somit eine erhebliche Bedeutung für die Menschenrechte. Es ist daher nicht sachgerecht, dass sie selbst keine unmittelbare Verantwortung für die Wahrung der Menschenrechtskonvention trägt. Mit Beitritt der Europäischen Union zur Konvention kann die bisherige Ungleichbehandlung jedenfalls nicht mehr aufrechterhalten werden.109
II. Interessen der Beteiligten Es bedarf einer näheren Betrachtung, welche Interessenpositionen bei der Umsetzung der Whistleblowing-Richtlinie Berücksichtigung finden müssen. Im Folgenden werden die grundrechtlich und konventionsrechtlich geschützten Interessen der Beteiligten – namentlich der Hinweisgeber, das gegenüberstehende Unternehmen, die verdächtigte Einzelperson und die Allgemeinheit – dargestellt. 1. Interessen des Hinweisgebers Erfährt ein potentieller Hinweisgeber von unternehmensinternen Missständen und entschließt er sich zur Aufdeckung dieser, wird sein Verhalten auf verschiedene Weise grundrechtlich geschützt. a) Schutz des Hinweisgebers durch das Grundgesetz aa) Meinungsfreiheit nach Art. 5 Abs. 1 S. 1 Fall 1 GG Von besonderer Relevanz hinsichtlich des hinweisgebenden Verhaltens eines Whistleblowers ist die durch Art. 5 Abs. 1 S. 1 Fall 1 GG garantierte Meinungs-
105 106 107 108 109
Vedder/Heintschel von Heinegg/Folz, EUV, Art. 6 Rn. 6. Grabenwarter/Pabel, Europäische Menschenrechtskonvention, § 4 Rn. 4. Dörr/Grote/Marauhn/Kraus, Kapitel 3 Rn. 5 f. Dörr/Grote/Marauhn/Kraus, Kapitel 3 Rn. 5 f. Klein, NVwZ 2010, 221, 224.
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freiheit. Danach kann jeder seine Meinung in Wort, Schrift und Bild frei äußern und verbreiten. Erfasst sind Werturteile und Tatsachenbehauptungen, weil und soweit sie der Meinungsbildung dienen.110 Ein Werturteil ist geprägt durch ein subjektives Element der Stellungnahme, des Dafürhaltens oder Meinens.111 Eine Tatsachenbehauptung ist im Vergleich zu einem Werturteil dem objektiven Beweis zugänglich.112 Sofern diese jedoch unwahr und der Äußernde sich dessen bewusst ist („bewusste Lüge“) oder aber die Unwahrheit bereits im Zeitpunkt der Äußerung erwiesen, mithin evident ist, entfällt der grundrechtliche Schutz des Art. 5 Abs. 1 S. 1 Fall 1 GG.113 Die Grenze der schutzwürdigen Meinungsfreiheit ist zudem dann erreicht, wenn es sich um eine Formalbeleidigung oder Schmähkritik handelt.114 Sobald die Äußerung in erster Linie auf die Herabwürdigung einer anderen Person und gerade nicht auf eine sachliche Auseinandersetzung gerichtet ist, handelt es sich um bloße Schmähkritik.115 Allein die Herabsetzung einer anderen Person oder auch ein „überzogene“ oder „ausfällige“ Kritik genügen noch nicht für die Annahme einer Schmähkritik.116 Davon zu trennen ist eine schutzlose Formalbeleidigung. Sie kann in engen Ausnahmefällen vorliegen, wenn sich die Äußerung auf Begriffe bezieht, „die ein ,zivilisierter‘ Mensch nicht verwenden würde“.117 Auch ein Hinweisgeber, der auf Missstände in einem Unternehmen hinweist, kann sich auf den Schutz des Art. 5 Abs. 1 S. 1 Fall 1 GG berufen.118 Dies erscheint dem ersten Anschein nach jedoch insofern bedenklich, als dass ein Whistleblower regelmäßig nur objektive Geschehnisse offenlegt.119 Da selbst ein solcher Hinweis aber meist der Meinungsbildung bei dem Adressaten dient120 oder sogar bereits durch das 110 BVerfG, Beschluss vom 9. 10. 1991 – 1 BvR 1555/88, NJW 1992, 1439, 1440; BVerfG, Beschluss vom 17. 9. 2012 – 1 BvR 2979/10, NJW 2012, 3712, 3713; Dreier/Schulze-Fielitz, Art. 5 Abs. 1, 2 GG, Rn. 63; Wiese, FS Otto, 2008, 621, 622 f. 111 BVerfG, Beschluss vom 22. 6. 1982 – 1 BvR 1376/79, NJW 1983, 1415, 1416; BVerfG, Beschluss vom 17. 9. 2012 – 1 BvR 2979/10, NJW 2012, 3712, 3713; BeckOK GG/Schemmer, Art. 5 Rn. 4. 112 BVerfG, Beschluss vom 17. 9. 2012 – 1 BvR 2979/10, NJW 2012, 3712, 3713; BeckOK GG/Schemmer, Art. 5 Rn. 5. 113 BVerfG, Beschluss vom 10. 11. 1998 – 1 BvR 1531/96, NJW 1999, 1322, 1324; BVerfG, Beschluss vom 23. 2. 2000 – 1 BvR 456/95, NJW-RR 2000, 1209, 1210; Grimm, NJW 1995, 1697, 1699; BeckOK GG/Schemmer, Art. 5 Rn. 6. 114 Wiese, NZA 2012, 1, 4. 115 BVerfG, Beschluss vom 26. 6. 1990 – 1 BvR 1165/89, NJW 1991, 95, 96; Dreier/SchulzeFielitz, Art. 5 Abs. 1 – 2 GG, Rn. 70, 179. 116 BVerfG, Beschluss vom 25. 2. 1993 – 1 BvR 151/93, NJW 1993, 1462, 1462. 117 Maunz/Du¨ rig/Grabenwarter, Grundgesetz-Kommentar, Art. 5 Rn. 62. 118 KZDH/Bantle, Arbeitsrecht, § 95 Rn. 47; Bauschke, öAT 2019, 250, 250; Zimmermann, ArbRAktuell 2012, 58, 58. 119 Müller, NZA 2002, 424, 430. 120 Klaas, CCZ 2019, 163, 164; Redder, 43.
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subjektive Element des Meinens oder Dafürhaltens geprägt ist121, ist er ebenfalls vom Schutz des Grundrechts erfasst. Unbeachtlich ist, gegenüber wem und in welcher Form122 der Hinweis erteilt wird. Ausreichend ist allein, dass der Äußernde seine Meinung an die Außenwelt willentlich kundtut.123 Dies gilt insbesondere auch für einen hinweisgebenden Arbeitnehmer. Das Bundesarbeitsgericht hat ausgeführt, dass „das Recht der freien Meinungsäußerung […] nicht an der Betriebsgrenze [endet]“.124 Ebenso ohne Bedeutung sind die Handlungsmotive des Hinweisgebers.125 Insbesondere greift die Meinungsfreiheit unabhängig davon, ob die Äußerung rational oder emotional, begründet oder grundlos war und ob sie von anderen als nützlich oder schädlich, wertvoll oder wertlos eingestuft wird.126 Fraglich ist, ob auch anonyme Hinweise eines Whistleblowers von dem Schutzbereich des Art. 5 Abs. 1 S. 1 Fall 1 GG erfasst sein können. Das Bundesarbeitsgericht geht davon aus, dass eine anonyme Meldung eines Hinweisgebers keine schutzwürdige Meinungsäußerung sei, da in diesem Fall das konstituierende Element der Meinungsäußerung – die Subjektivität der Äußerung – fehlen würde.127 Ein Whistleblower, der Hinweise unter dem Deckmantel der Anonymität weitergibt, könne nicht an einer geistigen Auseinandersetzung teilnehmen.128 Dazu steht die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, wonach auch anonyme Äußerungen vom Schutzbereich der Meinungsfreiheit erfasst sein müssen, im Widerspruch.129 Eine Pflicht zur Namensnennung würde dazu führen, dass der Einzelne aus Angst vor Nachteilen, anknüpfend an seine Äußerung, sich gegen eine Meinungsäußerung entscheiden würde.130 Die Meinungsfreiheit müsse eine solche Selbstzensur verhindern.131 Auch das Bundesverfassungsgericht hat eine ähnliche 121 BAG, Urteil vom 15. 12. 2016 – 2 AZR 42/16, NZA 2017, 703, 704: „[…] die in der Strafanzeige enthaltenen Werturteile [sind] vom Schutzbereich des Art. 5 Abs. 1 GG erfasst.“; Rudkowksi, CCZ 2013, 204, 205. 122 Sachs/Bethge, GG, Art. 5 Rn. 44 f.; ErfK/Schmidt, ArbR, Art. 5 GG Rn. 9. 123 Maunz/Du¨ rig/Grabenwarter, Grundgesetz-Kommentar, Art. 5 Abs. 1, 2 Rn. 80. 124 BAG, Urteil vom 31. 7. 2014 – 2 AZR 505/13, NZA 2015, 245, 251. 125 ErfK/Schmidt, ArbR, Art. 5 GG Rn. 11 f. 126 BVerfG, Beschluss vom 16. 10. 1998 – 1 BvR 1685/92, NZA 1999, 77, 77 f.; APS/Preis, 1. Teil J. Rn. 66. 127 BAG, Urteil vom 3. 7. 2003 – 2 AZR 235/02, NZA 2004, 427, 430; zustimmend Wiese, FS Otto, 2008, 621, 634. 128 BAG, Urteil vom 3. 7. 2003 – 2 AZR 235/02, NZA 2004, 427, 430. 129 BGH, Urteil vom 23. 6. 2009 – VI ZR 196/08, NJW 2009, 2888, 2892; zustimmend Maunz/Dürig/Grabenwarter, Grundgesetz-Kommentar, Art. 5 Abs. 1, 2 Rn. 86; Kersten, JuS 2017, 193, 196; Paschke/Berlit/Meyer/Kröner/Schulz, 5. Abschnitt, Rn. 19; v. Mangoldt/Klein/ Starck/Starck/Paulus, GG, Art. 5 Rn. 92. 130 BGH, Urteil vom 23. 6. 2009 – VI ZR 196/08, NJW 2009, 2888, 2892. 131 BGH, Urteil vom 23. 6. 2009 – VI ZR 196/08, NJW 2009, 2888, 2892.
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Linie eingeschlagen, indem es für die Pressefreiheit auch die Publizierung anonymer Beiträge als schutzwürdig eingestuft hat.132 Die Ausweitung des Schutzes auf anonyme Meldungen ist auch überzeugend, wenn man berücksichtigt, dass die Bedeutung der Äußerung für den gesellschaftlichen Diskurs maßgebend von dem Inhalt der Äußerung und nicht von der Person des Äußernden abhängt.133 Anonymität steht der Teilnahme an einer öffentlichen Diskussion nicht entgegen.134 Darüber hinaus würde die Verpflichtung zur Offenlegung der Identität zur Eröffnung des Schutzbereichs der Meinungsfreiheit das Risiko begründen, dass der Einzelne von seiner Äußerung zu Lasten des offenen Meinungsklimas und des demokratischen Meinungsdiskurses Abstand nehmen würde.135 Auch anonyme Meinungen sind daher grundsätzlich von Art. 5 Abs. 1 S. 1 Fall 1 GG geschützt.136 Im Einzelfall muss der Staat wegen seiner Schutzpflicht sogar anonyme Meinungsäußerungen ermöglichen, wenn andernfalls, bei Preisgabe der Identität, dem Äußernden (wirtschaftliche, rechtliche oder soziale) Repressalien drohen könnten.137 bb) Grundrechte in Abhängigkeit vom Adressaten der Meldung Neben der Meinungsfreiheit kann, je nach Adressat des hinweisgebenden Verhaltens, auch der Schutzbereich weiterer Grundrechte eröffnet sein.138 (1) Hinweise gegenüber staatlichen Stellen (a) Recht zur Erstattung einer Anzeige nach Art. 2 Abs. 1 i. V. m. Art. 20 Abs. 3 GG Sofern ein Whistleblower seinen Hinweis an staatliche Stellen richtet, wird sein Verhalten auch durch Art. 2 Abs. 1 i. V. m. Art. 20 Abs. 3 GG geschützt. Das Bundesverfassungsgericht führte aus, dass einem Hinweisgeber, der seine „Zeugenpflicht [als] […] eine allgemeine Staatsbürgerpflicht“ wahrnimmt, die grundrechtliche Garantie des Art. 2 Abs. 1 GG in Verbindung mit dem Rechtsstaatsprinzip, Art. 20 Abs. 3 GG, zugutekommt.139 Dem hat sich das Bundesarbeitsgericht ange132
BVerfG, Beschluss vom 8. 10. 1996 – 1 BvR 1183/90, NJW 1997, 386, 387. Klaas, CCZ 2019, 163, 164. 134 Redder, 47. 135 So auch Maunz/Dürig/Grabenwarter, Grundgesetz-Kommentar, Art. 5 Abs. 1, 2 Rn. 86; ähnlich auch Klaas, CCZ 2019, 163, 164; Paschke/Berlit/Meyer/Kröner/Schulz, 5. Abschnitt, Rn. 19. 136 So auch Bernreuther, AfP 2011, 218, 218 f.; Kersten, JuS 2017, 193, 196; Kühling, NJW 2015, 447, 448. 137 Kersten, JuS 2017, 193, 196. 138 So auch Redder, 50 ff. 139 BVerfG, Beschluss vom 2. 7. 2001 – 1 BvR 2049/00, NZA 2001, 888, 889; vgl. bereits auch BVerfG, Beschluss vom 25. 2. 1987 – 1 BvR 1086/85, NJW 1987, 1929, 1929. 133
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schlossen. Es hat angenommen, dass eine externe Meldung in Form der Erstattung einer Strafanzeige von diesem grundrechtlichen Schutz erfasst ist.140 Auch ein Whistleblower, der zwar nicht gegenüber einer Strafverfolgungsbehörde, aber gegenüber einer anderen staatlichen Behörde eine Anzeige erstattet, kann sich ebenfalls auf den Schutz des Art. 2 Abs. 1 i. V. m. Art. 20 Abs. 3 GG berufen.141 (b) Petitionsrecht nach Art. 17 GG Höchstrichterlich ungeklärt ist dagegen, ob ein Whistleblower sein Verhalten auch auf das Petitionsrecht nach Art. 17 GG stützen kann.142 Das Bundesarbeitsgericht hat diese Frage in seiner Grundsatzentscheidung im Jahr 2003 ausdrücklich offengelassen.143 Das Petitionsrecht schützt den freien, uneingeschränkten Zugang zum Staat.144 Es werden sowohl Beschwerden als auch Bitten an die zuständigen Stellen erfasst. Staatliche Stellen sind Behörden und öffentlich-rechtliche Einrichtungen.145 Die schriftliche Mitteilung muss mit einer Bitte oder Beschwerde verbunden sein146, das heißt, es muss ein künftiges Handeln oder Unterlassen begehrt werden147. Die Beschwerde oder Bitte richtet sich grundsätzlich gegen das Handeln einer staatlichen Stelle.148 Auch wenn mit einer Anzeige eines Hinweisgebers im privaten Sektor meist kein hoheitliches Handeln gerügt wird, wird aber in der Regel zumindest ihr Einschreiten gegen die aufgedeckten Missstände begehrt, sodass damit die Anwendung des Art. 17 GG begründet werden kann.149 Für den Schutz dieses Grundrechts gegenüber einem Whistleblower ist unbeachtlich, welche Interessen er geltend macht150, solange er nicht bloß auf einen Missstand hinweist, sondern auch eine bestimmte Bitte mitteilt.151
140
BAG, Urteil vom 3. 7. 2003 – 2 AZR 235/02, NZA 2004, 427, 429. Rudkowski, CCZ 2013, 204, 205. 142 Zur Problematik anonymer Petitionen Redder, 52 f.; Simonet, RdA 2013, 236, 239; Stein, BB 2004, 1961, 1963. 143 BAG, Urteil vom 3. 7. 2003 – 2 AZR 235/02, NZA 2004, 427, 430. 144 Klaas, CCZ 2019, 163, 164; von Münch/Kunig/Uerpmann-Wittzack/Edenharter, Art. 17 GG Rn. 5. 145 BeckOK GG/Brocker, Art. 17 Rn. 17. 146 Deiseroth, AuR 2002, 161, 166; Klaas, CCZ 2019, 163, 164. 147 BeckOK GG/Borcker, Art. 17 Rn. 6. 148 von Münch/Kunig/Uerpmann-Wittzack/Edenharter, Art. 17 GG Rn. 18. 149 Müller, NZA 2002, 424, 430; ähnlich Deiseroth, AuR 2007, 198, 198; ausführlich hierzu Redder, 51 f. 150 Redder, 52. 151 Rudkowski, CCZ 2013, 204, 205. 141
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(2) Hinweise gegenüber der Öffentlichkeit Einer anderen Beurteilung bedarf es dagegen, wenn ein Hinweisgeber sich nicht an staatliche Stellen, sondern an die Öffentlichkeit (bspw. Presse, Fernsehen, Radio, Internetplattform) wendet. Hierbei kommt ein Whistleblower keiner staatsbürgerlichen Pflicht nach, sodass lediglich ein Rückgriff auf Art. 2 Abs. 1 GG verbleibt.152 In diesem Fall tritt die allgemeine Handlungsfreiheit als bloßes „Auffanggrundrecht mit Anwendungssubsidiarität“153 jedoch hinter der Meinungsfreiheit des Whistleblowers, sofern einschlägig, zurück. Ein Schutz des Whistleblowers durch Art. 5 Abs. 1 S. 2 GG (Pressefreiheit) kommt bei Hinweisen an die Presse nicht in Betracht.154 cc) Gewissensfreiheit nach Art. 4 Abs. 1 Fall 2 GG Hinweisgeber werden zudem grundsätzlich durch die Gewissensfreiheit gemäß Art. 4 Abs. 1 Fall 2 GG geschützt.155 Erfasst ist davon „jede ernste sittliche, das heißt an den Kategorien von Gut und Böse orientierte Entscheidung, die der Einzelne in einer bestimmten Lage als für sich bindend und unbedingt verpflichtend innerlich erfährt, so dass er gegen sie nicht ohne ernste Gewissensnot handeln könnte“.156 Der grundgesetzliche Gewährleistungsgehalt erstreckt sich auch auf gewissensgeleitete Handlungen.157 Fühlt sich ein Hinweisgeber wegen seines Gewissens zum Whistleblowing verpflichtet, kann dieses Verhalten vom Schutzbereich des Art. 4 Abs. 1 Fall 2 GG erfasst sein.158 Schwierigkeiten ergeben sich jedoch daraus, dass das Vorliegen einer Gewissensentscheidung im Sinne des Art. 4 Abs. 1 Fall 2 GG als ein innerer geistig-seelischer Vorgang der Persönlichkeit von außen in der Regel nur schwer ermittelt werden kann.159 Die für die Eröffnung des Schutzbereichs erforderliche positive Feststellung einer Gewissensentscheidung ist daher nur schwer möglich. Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts bedarf es für diese positive Feststellung „eine[r] nach außen tretende[n], rational mitteilbare[n] und nach dem Kontext intersubjektiv nachvollziehbare[n] Darlegung der Ernsthaftigkeit, Tiefe und Unabdingbarkeit der Gewissensentscheidung“.160 Unter Beachtung dieser Grundsätze ist anzunehmen, dass an die Eröffnung des Schutzbereichs der Gewissens152
Rudkowski, CCZ 2013, 204, 207. Maunz/Dürig/Di Fabio, Grundgesetz-Kommentar, Art. 2 Abs. 1 Rn. 21. 154 Redder, 50 f. m. w. N. 155 Herbert/Oberrath, NZA 2005, 193, 197. 156 BVerfG, Beschluss vom 20. 12. 1960 – 1 BvL 21/60, NJW 1961, 355, 357. 157 Dreier/Morlok, Art. 4 GG Rn. 100. 158 Redder, 49. 159 BVerwG, Urteil vom 21. 6. 2005 – 2 WD 12/04, NJW 2006, 77, 89 f.; Maunz/Dürig/ Di Fabio, Grundgesetz-Kommentar, Art. 4 Rn. 74. 160 BVerwG, Urteil vom 21. 6. 2005 – 2 W 12/04, NJW 2006, 77, 90 m. w. N. 153
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freiheit strenge Voraussetzungen gestellt werden, die über die der Meinungsfreiheit hinausgehen.161 Dies lässt den Schluss zu, dass Art. 4 Abs. 1 Fall 2 GG regelmäßig dann erfüllt ist, wenn auch bereits Art. 5 Abs. 1 GG einschlägig ist.162 Vor diesem Hintergrund hat die Gewissensfreiheit als Schutz des Whistleblowings nur geringe Relevanz.163 dd) Allgemeines Persönlichkeitsrecht nach Art. 2 Abs. 1 i. V. m. Art. 1 Abs. 1 GG Von grundlegender Bedeutung ist zudem auch das allgemeine Persönlichkeitsrecht (Art. 2 Abs. 1 i. V. m. Art. 1 Abs. 1 GG) des Whistleblowers. Dies gilt zwar nicht mit Blick auf das hinweisgebende Verhalten als solches164, jedoch hinsichtlich der vom Hinweisgeber im Rahmen seiner Meldung über sich selbst preisgegebenen Informationen. Ein Whistleblower kann oder muss im Rahmen seiner Meldung regelmäßig eigene persönliche Daten offenlegen165, die anschließend vielfach sogar Gegenstand (unternehmensinterner) Datenverarbeitungsvorgänge werden. Hiervor schützt das allgemeine Persönlichkeitsrecht. Art. 2 Abs. 1 i. V. m. Art. 1 Abs. 1 GG gewährt dem Einzelnen ein Recht auf informationelle Selbstbestimmung.166 Die Entscheidung des Hinweisgebers über die Offenlegung von Informationen über sich selbst, einschließlich seiner Identität, fällt unter den grundrechtlichen Schutz des allgemeinen Persönlichkeitsrechts.167 Es ist ein grundrechtlich geschütztes Recht auf Anonymität anzuerkennen.168 b) Schutz des Hinweisgebers durch die Europäische Menschenrechtskonvention Der Hinweisgeber wird auch durch die Rechte der Europäischen Menschenrechtskonvention geschützt. Das Aufdecken unternehmensinterner Missstände fällt in den Schutzbereich des Art. 10 EMRK.169 Der Schutz des Art. 10 EMRK besteht unabhängig davon, ob sich der Whistleblower mit seinen Informationen an eine 161
Redder, 49. Hierzu ausführlich Redder, 49. 163 Redder, 49. 164 Es ist bisher nicht geklärt, ob Art. 2 Abs. 1 i. V. m. Art. 1 Abs. 1 GG auch das Whistleblowing erfasst. Jedenfalls tritt das Grundrecht aber hinter der Meinungsfreiheit zurück, vgl. Redder, 57 f.; so wohl Herbert/Oberrath, NZA 2005, 193, 197. 165 Dies kann bspw. durch die Offenlegung seiner Identität erfolgen, aber auch solcher Umstände, die auf seine Identität Rückschlüsse ermöglichen. 166 BVerfG, Urteil vom 15. 12. 1983 – 1 BvR 209/83 u. a., NJW 1984, 419, 421 f.; Dreier/ Dreier, Art. 2 Abs. 1 GG Rn. 79 f. 167 Kersten, JuS 2017, 193, 195; Steigert, 171; wohl auch Heckmann, NJW 2012, 2631, 2632. 168 Kersten, JuS 2017, 193, 195 m. w. N.; Heckmann, NJW 2012, 2631, 2632. 169 Der zudem einschlägigen Gewissensfreiheit nach Art. 9 Abs. 1 EMRK kommt, neben der der Meinungsfreiheit, dagegen nur geringe Relevanz zu, vgl. hierzu umfassend Redder, 61. 162
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staatliche Behörde oder an die Öffentlichkeit wendet.170 Art. 10 Abs. 1 S. 1 EMRK schützt sowohl Meinungsäußerungen als auch Tatsachenbehauptungen.171 Der Unterschied beider Formen liegt darin, dass Tatsachen dem Beweis zugänglich sind, Werturteile dagegen nicht.172 Art. 10 EMRK findet auch auf anonyme Meinungsäußerungen Anwendung.173 Nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte sei die „Anonymität […] seit Langem ein Mittel, Repressalien oder nicht gewünschte Aufmerksamkeit zu vermeiden“ und sie könne „den freien Fluss von Ideen und Informationen […] erheblich erleichtern.“174 Trotz der grundlegenden Bedeutung anonymer Meinungsäußerungen erkennt der Gerichtshof an, dass die Anonymität mit anderen Rechten und Interessen (insbesondere Art. 8 EMRK) abgewogen werden müsse – zwischen den beiden Position sei ein Ausgleich herzustellen.175 Wie auf nationaler Ebene kommt einem Hinweisgeber zudem auch das Recht auf informationelle Selbstbestimmung, gewährleistet durch Art. 8 Abs. 1 EMRK176, zugute.177 c) Schutz des Hinweisgebers durch die Grundrechtecharta Das hinweisgebende Verhalten eines Whistleblowers genießt auch im Anwendungsbereich der Grundrechtecharta Schutz, konkret durch Art. 11 GRCh (entsprechend Art. 10 EMRK).178 Art. 11 GRCh schützt die Freiheit der Meinungsäußerung. Erfasst sind Meinungen, Informationen, insbesondere Tatsachenbehauptungen und Ideen, ungeachtet von Inhalt und Qualität.179 Über Art. 8 GRCh wird dem Einzelnen zudem der Schutz seiner personenbezogenen Daten, einschließlich dem Recht auf informationelle Selbstbestimmung, 170
Zur Äußerung gegenüber der Öffentlichkeit EGMR, Urteil vom 12. 2. 2008 – Nr. 14277/ 04 (Guja), BeckRS 2011, 77277 Rn. 55; zur Äußerung gegenüber staatlichen Behörden EGMR, Urteil vom 21. 7. 2011 @ 28274/08 (Heinisch), NZA 2011, 1269, 1270; EGMR, Urteil vom 16. 2. 2021 – 23922/19 (Gawlik), BeckRS 2021, 1820. 171 Karpenstein/Mayer/Mensching, EMRK, Art. 10 Rn. 9. 172 EGMR, Urteil vom 15. 4. 2014 – 40877/07 (Yazici), NJW 2015, 759, 761. 173 Vgl. im Ergebnis EGMR, Urteil vom 16. 6. 2015 – 64569/09 (Delfi AS), NJW 2015, 2863, 2864, 2867. 174 Zu anonymen Äußerungen im Internet EGMR, Urteil vom 16. 6. 2015 – 64569/09 (Delfi AS), NJW 2015, 2863, 2864, 2867. 175 EGMR, Urteil vom 16. 6. 2015 – 64569/09 (Delfi AS), NJW 2015, 2863, 2864, 2867 mit Verweis auf EGMR, Urteil vom 2. 12. 2008 – 2872/02 (K.U.). 176 Karpenstein/Mayer/Pätzold, Art. 8 EMRK Rn. 28. 177 Die Frage, ob nach Art. 10 EMRK ein Anspruch auf anonyme Kommunikation besteht, hat der EGMR ausdrücklich offengelassen, vgl. EGMR, Urteil vom 30. 1. 2020 – 50001/12 (Breyer), NJW 2021, 999, 1000. 178 Schmitt, RdA 2017, 365, 367 f. 179 Jarass, Charta der Grundrechte der Union, Art. 11 Rn. 10 f.
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garantiert.180 Art. 8 GRCh vermittelt dem Grundrechtsträger einen Schutz vor der Verarbeitung seiner Daten.181 Der Gewährleistungsgehalt des Art. 8 GRCh nimmt insbesondere über die Anwendung der Datenschutz-Grundverordnung de lege ferenda Einfluss. 2. Interessen des Unternehmens Neben der grundrechtlich und konventionsrechtlich geschützten Position des Hinweisgebers sind auch die Interessen des gegenüberstehenden Unternehmens zu berücksichtigen. Es müssen die Grundrechtspositionen von Whistleblower und Unternehmen durch den Gesetzgeber in einen angemessenen Ausgleich im Wege der praktischen Konkordanz gebracht werden. a) Schutz des Unternehmens durch das Grundgesetz Das hinweisgebende Verhalten eines Whistleblowers steht regelmäßig im Widerspruch zu dem Gewährleistungsgehalt des Art. 14 GG, in Ausprägung des eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetriebs,182 und zu dem Gewährleistungsgehalt des Art. 12 Abs. 1 GG, namentlich der Berufsfreiheit183. Auch Unternehmen können sich auf den Schutz des Art. 12 Abs. 1 GG berufen.184 Eine Ausprägung der Berufsfreiheit ist die Unternehmerfreiheit185, der wiederum verschiedene Unteraspekte186 zuzuordnen sind.187 Auf die Größe des Unternehmens kommt es für den Schutz des Art. 12 Abs. 1 GG nicht an. Sowohl kleinere und mittlere Unternehmen als auch Großunternehmen und Konzerne werden geschützt.188 Der fehlende personale Bezug bei Großunternehmen und Konzernen, im Vergleich zu kleineren/ mittleren Unternehmen, nimmt jedoch Einfluss auf den Umfang der Regelungsbefugnis des Gesetzgebers.189 Greift der Gesetzgeber in die Unternehmerfreiheit kleinerer/mittlerer Unternehmen ein, müssen an die Verhältnismäßigkeit der ge180
PNH/Wolff, Art. 8 GRCh Rn. 3; ähnlich Roßnagel, ZD 2019, 157, 158. EuGH, Urteil vom 20. 5. 2003 – C-465/00, C-138/01 und C-139/01 (Österreichischer Rundfunk u. a.), EuR 2004, 276, 286; EuGH, Urteil vom 5. 5. 2011 @ C-543/09 (Deutsche Telekom AG), EuZW 2011, 484, 487; Jarass, Charta der Grundrechte der EU, Art. 8 Rn. 6 f., 9. 182 Klaas, CCZ 2019, 163, 165. 183 Greve, ZD 2014, 336, 337; Fahrig, NJOZ 2010, 975, 977; Klasen/Schaefer, BB 2012, 641, 647. 184 BVerfG, Beschluss vom 16. 7. 2012 @ 1 BvR 2983/10, NVwZ 2012, 1535, 1536. 185 BVerfG, Urteil vom 1. 3. 1979 – 1 BvR 532, 533/77, 419/78, 1 BvL 21/78, NJW 1979, 699, 708; Maunz/Dürig/Di Fabio, Grundgesetz-Kommentar, Art. 2 Abs. 1 Rn. 126; Ossenbühl, AöR 1990, 1, 12. 186 Zu den Teilfreiheiten Dreier/Wieland, Art. 12 GG Rn. 53. 187 v. Mangoldt/Klein/Starck/Manssen, GG, Art. 12 Rn. 69. 188 BVerfG, Urteil vom 1. 3. 1979 – 1 BvR 532 u. a., NJW 1979, 699, 708. 189 BVerfG, Urteil vom 1. 3. 1979 – 1 BvR 532 u. a., NJW 1979, 699, 708. 181
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setzlichen Regelung strengere Anforderungen gestellt werden. Die aus dem Eingriff in die unternehmerische Freiheit resultierenden Belastungen wiegen hier regelmäßig besonders schwer. Art. 12 Abs. 1 GG190 schützt unter anderem die Vertragsfreiheit, sofern der Bereich der beruflichen Betätigung betroffen ist.191 Die grundrechtlich geschützte Vertragsfreiheit erlangt vor allem im Rahmen arbeitsvertraglicher Beziehungen Bedeutung. Geschützt wird insbesondere das Interesse des Arbeitgebers, mit den Arbeitnehmern die Arbeitsbedingungen frei auszuhandeln.192 Daneben wird auch die Kündigungsfreiheit des Arbeitgebers von dem Schutzbereich des Art. 12 Abs. 1 GG erfasst.193 Durch die Berufsfreiheit wird das „Interesse des Arbeitgebers […] [geschützt], in seinem Unternehmen nur Mitarbeiter zu beschäftigen, die seinen Vorstellungen entsprechen“.194 Art. 12 Abs. 1 GG gewährleistet, dass der Arbeitgeber nur mit solchen Personen ein Beschäftigungsverhältnis aufrecht erhalten muss, die im unternehmerischen Interesse handeln und versuchen, Schädigungen zu verhindern.195 Dieses grundrechtlich geschützte Recht der Arbeitgeber ist einfach gesetzlich in der Rücksichtnahmepflicht der Arbeitnehmer gemäß § 241 Abs. 2 BGB konkretisiert.196 Durch das Whistleblowing eines Arbeitnehmers kann dieses unternehmerische Interesse auf verschiedene Weise nachteilig betroffen sein. Ungeachtet einer vertraglichen Abrede haben Unternehmen regelmäßig ein Interesse an der Geheimhaltung betriebsinterner Informationen, insbesondere hinsichtlich Strategien und Abläufen, selbst dann, wenn ein Gesetzesverstoß vorliegt, der dem Arbeitgeber nicht selbst wegen eigener Rechtswidrigkeit oder Kenntnis vorzuwerfen ist.197 Durch das Whistleblowing besteht das Risiko, dass geheime interne Informationen nicht nur der Allgemeinheit bekannt werden198, sondern insbesondere auch der Konkurrenz199, sodass diese sich einen wirtschaftlichen Vorteil verschaffen kann. Die Geheimhaltung betriebsinterner Informationen ist eine grundlegende Voraussetzung dafür, dass ein Unternehmen im Wettbewerb bestehen 190
In diesem Fall tritt die allgemeine Handlungsfreiheit (Art. 2 Abs. 1 GG) zurück. BVerfG, Beschluss vom 11. 7. 2006 – 1 BvL 4/00, NJW 2007, 51, 54; BVerfG, Beschluss vom 12. 12. 2006 – 1 BvR 2576/04, NJW 2007, 979, 979 f.; von Mu¨ nch/Kunig/Kämmerer, Art. 12 Rn. 77. 192 BVerfG, Beschluss vom 11. 7. 2006 – 1 BvL 4/00, NJW 2007, 51, 54; MHdB ArbR I/ Benecke, § 31 Rn. 3. 193 APS/Preis, 1. Teil A. Rn. 31. 194 BVerfG, Beschluss vom 27. 01. 1998 – 1 BvL 15/87, NZA 1998, 470, 471. 195 BAG, Urteil vom 3. 7. 2003 – 2 AZR 235/02, NZA 2004, 427, 430; Herbert/Oberrath, NZA 2005, 193, 195. 196 Seel, MDR 2012, 9, 10; zur Verschwiegenheitspflicht Rudkowski, CCZ 2013, 204, 205; zur Verschwiegenheits- und Loyalitätspflicht Klaas, CCZ 2019, 163, 165. 197 BAG, Urteil vom 3. 7. 2003 – 2 AZR 235/02, NZA 2004, 427, 430. 198 Schmolk, RIW 2012, 224, 227. 199 BAG, Urteil vom 3. 7. 2003 – 2 AZR 235/02, NZA 2004, 427, 430. 191
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kann.200 Das unternehmerische Interesse an der Geheimhaltung beschränkt sich nicht nur auf Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse, die losgelöst einer arbeitsvertraglichen Beziehung durch Art. 12 GG verfassungsrechtlichen Schutz genießen201. Es bezieht sich auch auf sonstige Umstände, die dem Arbeitnehmer im Rahmen seiner Arbeitstätigkeit bekannt geworden sind und an deren Geheimhaltung der Arbeitgeber ein Interesse hat (z. B. Rechtsverstöße).202 Durch Art. 12 Abs. 1 GG wird zudem die wirtschaftliche Betätigungsfreiheit des Unternehmens geschützt, die durch eine Störung des Betriebsfriedens beeinträchtigt werden kann.203 Ein Arbeitnehmer ist zur Wahrung des Betriebsfriedens verpflichtet.204 Der Betriebsfrieden „wird bestimmt von der Summe aller derjenigen Faktoren, die – unter Einschluss des Betriebsinhabers (Arbeitgeber) – das Zusammenleben und Zusammenwirken der in einem Betrieb tätigen Betriebsangehörigen ermöglichen, erleichtern oder auch nur erträgl. machen.“205 Eine Beeinträchtigung dessen wird angenommen, wenn ein störendes Ereignis eintritt, welches kollektiven Bezug aufweist, auch wenn nur wenige Arbeitnehmer davon betroffen sind.206 Auch bei einer Anzeige von unternehmensinternen Missständen muss ein Arbeitnehmer auf die Persönlichkeitsrechte der anderen Mitarbeiter des Unternehmens zur Wahrung des Betriebsfriedens Rücksicht nehmen.207 Je nach Inhalt einer Meldung durch den Whistleblower kann der betriebliche Frieden beeinträchtigt werden. Die Weitergabe von unternehmensinternen Informationen durch den Hinweisgeber kann sogar eine dem unternehmerischen Interesse zuwiderlaufende Stimmung der gegenseitigen Kontrolle und des Denunziantentums schaffen.208 Darüber hinaus folgt aus der Rücksichtnahmepflicht, dass ein Arbeitnehmer weder den Ruf noch das Geschäft seines Arbeitgebers schädigen darf.209 Ausgelöst durch die Bekanntmachung unternehmensinterner Missstände kann eine negative „Publicity“ entstehen210, die im Einzelfall sogar ein solches Gewicht erlangt, dass das Unternehmen in seiner Existenz gefährdet wird.211 200 BAG, Urteil vom 3. 7. 2003 – 2 AZR 235/02, NZA 2004, 427, 430; ähnlich auch Gänßle, KR 2007, 265, 268. 201 BVerfG, Beschluss vom 14. 3. 2006 – 1 BvR 2087/03 u. a., NVwZ 2006, 1041, 1042. 202 MHdB ArbR I/Reichold, § 54 Rn. 38; APS/Vossen, 2. Teil § 626 BGB Rn. 272. 203 BAG, Urteil vom 12. 1. 2006 – 2 AZR 21/05, NZA 2006, 917, 921. 204 Grobys/Panzer-Heemeier/Mohnke, Verhaltensbedingte Kündigung Rn. 39. 205 BAG, Urteil vom 9. 12. 1982 – 2 AZR 620/80, NJW 1984, 1142, 1143. 206 BAG, Urteil vom 9. 12. 1982 – 2 AZR 620/80, NJW 1984, 1142, 1143. 207 BAG, Urteil vom 27. 9. 2012 – 2 AZR 646/11, NJOZ 2013, 1064, 1068. 208 Bürkle, DB 2004, 2158, 2159; das negative Betriebsklima hemmt möglicherweise die Einsatzbereitschaft der Belegschaft, die Kooperation unter den Kollegen, die Identifizierung mit dem Unternehmen und birgt die Gefahr, dass die Belegschaft den Betrieb wechselt, vgl. Schmolke, RIW 2012, 224, 227. 209 BeckOK/Günther, § 626 BGB Rn. 466. 210 Bürkle, DB 2004, 2158, 2159; Gänßle, KR 2007, 265, 268; Schmolke, RIW 2012, 224, 227.
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Die Reputation eines Unternehmens wird zudem auch, losgelöst von einer arbeitsvertraglichen Beziehung, durch die Verfassung, konkret durch Art. 12 Abs. 1 GG212, geschützt.213 Der Schutz der Reputation, mithin das Ansehen und die Wahrnehmung in der Öffentlichkeit, ist für ein Unternehmen von erheblicher Bedeutung, da die Reputation maßgeblichen Einfluss auf den wirtschaftlichen Erfolg des Unternehmens nimmt.214 Mit Blick auf die Vorgaben der Whistleblowing-Richtlinie zur Einführung interner Meldekanäle muss auch die grundrechtlich durch Art. 12 Abs. 1 GG geschützte Organisationsfreiheit der Unternehmen215 berücksichtigt werden. Erfasst ist nicht nur die Freiheit des Einzelnen zur Gründung, sondern auch zur anschließenden Führung des Unternehmens.216 Die Entscheidung über die Führung des Unternehmens bezieht sich auf eine Vielzahl verschiedener Aspekte, beispielsweise Personalentscheidungen, Verwendung der Betriebsmittel oder auch die künftige Ausrichtung des Unternehmens.217 Art. 12 Abs. 1 GG schützt die Freiheit, die unternehmensinterne Organisation nach Belieben zu gestalten.218 Entsprechend können Unternehmen grundsätzlich auch die freie Entscheidung über die Implementierung und den anschließenden Betrieb eines internen Hinweisgebersystems treffen. b) Schutz des Unternehmens durch die Europäische Menschenrechtskonvention Fraglich ist, ob die Interessen des betroffenen Unternehmens auch durch die Menschenrechtskonvention geschützt werden. Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte bezieht in seinen Entscheidungen zur freien Meinungsäußerung auch die unternehmerischen Interessen der Gegenseite mit ein. Die Freiheit der Meinungsäußerung sei insbesondere durch „die Achtung des guten Rufs und der Rechte anderer und die Notwendigkeit, die Ver-
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BAG, Urteil vom 3. 7. 2003 – 2 AZR 235/02, NZA 2004, 427, 430. BVerfG Beschluss vom 28. 7. 2004 – 1 BvR 2566/95, NJW-RR 2004, 1710, 1711; BVerfG, Beschluss vom 8. 9. 2010 – 1 BvR 1890/08, GRUR-RR 2011, 224, 226; a. A. stellt auf Art. 2 Abs. 1 i. V. m. Art. 19 Abs. 3 GG, Art. 8 EMRK ab, BGH, Urteil vom 16. 12. 2014 – VI ZR 39/14, NJW 2015, 773, 774. 213 Umfassend zur dogmatischen Einordnung Ziegelmayer, GRUR 2012, 761, 762; Schmitt, NZA-Beilage 2020, 50, 50. 214 Ziegelmayer, GRUR 2012, 761, 762. 215 Ossenbühl, AöR 1990, 1, 16; Schwarze, FS Stern, 945, 947. 216 BVerfG, Urteil vom 1. 3. 1979 – 1 BvR 532, 533/77, 419/78, 1 BvL 21/78, NJW 1979, 699, 708; Ossenbühl, AöR 1990, 1, 12. 217 Ossenbühl, AöR 1990, 1, 18, 20; ähnlich auch Maunz/Dürig/Di Fabio, GrundgesetzKommentar, Art. 2 Abs. 1 Rn. 126. 218 Ossenbühl, AöR 1990, 1, 16. 212
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breitung vertraulicher Informationen zu unterlassen“, begrenzt.219 Dies gilt auch, wenn dem Äußernden ein Unternehmen gegenübersteht. Auch dessen geschäftliche Interessen und Ruf seien zu berücksichtigen.220 Obwohl der Gerichtshof diese Interessenposition nicht ausdrücklich einem Konventionsrecht zugeordnet hat, könnte erwogen werden, dass das Interesse eines Unternehmens an seinem guten Ruf221 und sein Recht auf informationelle Selbstbestimmung222 durch Art. 8 EMRK umfassend geschützt werden. Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte hat zu Art. 8 EMRK ausgeführt, dass „der Begriff ,Privatleben‘ nicht dahin ausgelegt werden darf, dass die beruflichen und geschäftlichen Tätigkeiten natürlicher und juristischer Personen hiervon ausgeschlossen sind.“223 Vor diesem Hintergrund ist anzunehmen, dass juristischen Personen der Schutz des Art. 8 EMRK jedenfalls dann einzuräumen ist, wenn die in Frage stehende Garantie auf sie anwendbar ist.224 Entsprechend schützt Art. 8 EMRK vor Beeinträchtigungen der unternehmerischen Interessen, insbesondere vor Ansehensverlusten im Zusammenhang mit Whistleblowing.225 Eine dementsprechende, eindeutige richterliche Entscheidung durch den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte ist bisher, soweit ersichtlich, jedoch nicht ergangen. Im Übrigen werden jedenfalls die Eigentumsrechte eines Unternehmens durch Art. 1 des ersten Zusatzprotokolls garantiert, aus denen weitere geschützte Rechtspositionen der Unternehmen wie die freie Unternehmensgründung hergeleitet werden.226 Die unternehmerischen Interessen werden durch die Konvention (Art. 8 EMRK) und das Zusatzprotokoll somit nur in Teilbereichen geschützt.227
219 EGMR, Urteil vom 15. 2. 2005 – 68416/01 (Steel und Morris), NJW 2006, 1255, 1258, m. w. N.; ähnlich auch EGMR, Urteil vom 21. 7. 2011 – 28274/08 (Heinisch), NZA 2011, 1269, 1271. 220 EGMR, Urteil vom 21. 7. 2011 – 28274/08 (Heinisch), NZA 2011, 1269, 1271. 221 Zum Schutz des guten Rufs durch Art. 8 EMRK im Allgemeinen EGMR, Urteil vom 15. 4. 2014 – 40877/07 (Yazici), NJW 2015, 759, 761; Karpenstein/Mayer/Pätzold, EMRK, Art. 8 Rn. 35. 222 EuArbR/Schubert, EMRK, Art. 8 Rn. 8. 223 EuGH, Urteil vom 14. 2. 2008 – C-450/06 (Varec SA), EuZW 2008, 209, 211. 224 Meyer-Ladewig/Nettesheim/von Reumer/Meyer-Ladewig/Nettesheim, EMRK, Art. 8 Rn. 9. 225 Zum Schutz juristischer Personen im Allgemeinen Dörr/Grote/Marauhn/Marauhn/ Thorn, Kapitel 16 Rn. 69; zum Schutz des guten Rufs eines Unternehmens auch BGH, Urteil vom 16. 12. 2014 – VI ZR 39/14, NJW 2015, 773, 774. 226 Frenz, Kap. 9 Rn. 2658. 227 EuArbR/Schubert, GRCh, Art. 52 Rn. 11.
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c) Schutz des Unternehmens durch die Grundrechtecharta In der Grundrechtecharta ist die unternehmerische Freiheit in Art. 16 GRCh verankert.228 Art. 16 GRCh erfasst alle Formen der wirtschaftlichen Betätigung vom Gründungsstadium bis hin zur Beendigung, einschließlich der Art und Weise der Unternehmensführung.229 Der Schutz erfasst sowohl die Aufnahme und Beendigung der unternehmerischen Tätigkeit, als auch sämtliche Aspekte der Durchführung.230 Neben der Vertragsfreiheit, einschließlich der Freiheit, seinen Vertragspartner frei zu wählen231, steht es dem Einzelnen auch zu, die Entscheidung über Unternehmensführung und -betrieb, insbesondere mit Blick auf die zur Verfügung stehenden Ressourcen wirtschaftlicher, technischer und finanzieller Natur232, zu treffen.233 Der Schutzgehalt des Art. 16 GRCh erstreckt sich auch auf den Schutz von Geschäfts- und Betriebsgeheimnissen.234 Zudem werden durch Art. 16 GRCh auch Geschäftsunterlagen235, mithin potentiell sensible Daten, geschützt236. Die Reputation eines Unternehmens genießt im Anwendungsbereich der Grundrechtecharta dagegen keinen Schutz. Vielmehr nimmt die europäische Rechtsprechung237 an, dass „[…] das Interesse eines Unternehmens […] daran, dass die Einzelheiten der ihm zur Last gelegten Zuwiderhandlung nicht der Öffentlichkeit preisgegeben werden, keinen besonderen Schutz angesichts des Interesses der Öffentlichkeit“ und insbesondere „der durch die Zuwiderhandlung geschädigten Personen […], um gegebenenfalls ihre Rechte gegenüber den mit der Sanktion belegten Unternehmen geltend machen zu können“, verdient.238
228 Es bestehen jedoch Überschneidungen mit dem Schutz der Berufsfreiheit nach Art. 15 GRCh, vgl. Meyer/Hölscheidt/Bernsdorff, GRCh, Art. 16 Rn. 8. 229 EuArbR/Schubert, GRCh, Art. 16 Rn. 9; Jarass, Charta der Grundrechte der EU, Art. 16 Rn. 10. 230 Jarass, Charta der Grundrechte der EU, Art. 16 Rn. 10. 231 EuGH, Urteil vom 22. 1. 2013 – C-283/11 (Sky Österreich), EuZW 2013, 347, 349; Schwarze, FS Stern, 945, 954. 232 EuGH, Urteil vom 27. 3. 2014 – C-314/12 (UPC Telekabel Wien GmbH), NJW 2014, 1577, 1579. 233 Jarass, Charta der Grundrechte der Union, Art. 16 Rn. 10; EuArbR/Schubert, GRCh, Art. 16 Rn. 11. 234 Jarass, Charta der Grundrechte der Union, Art. 16 Rn. 10; von der Groeben/Schwarze/ Hatje/Wollenschläger, Art. 16 GRCh Rn. 8; der EuGH erkennt den Schutz von Geschäftsgeheimnissen als allgemeinen Grundsatz an, vgl. EuGH, Urteil vom 14. 2. 2008 – C-450/06 (Varec SA), EuZW 2008, 2009, 211. 235 Frenz, Kap. 9 Rn. 2722. 236 EuGH, Beschluss vom 23. 9. 2004 – C-435/02 u. C-103/03 (Axel Springer AG u. a.), DStRE 2004, 1257, 1260. 237 Im Zusammenhang mit Verstößen gegen das Wettbewerbsrecht. 238 EuGH, Urteil vom 30. 5. 2006 – T-198/03 (Bank Austria Creditanstalt AG), CelexNr. 62003TJ0198, Rn. 78.
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3. Interessen der verdächtigten Person Bezeichnet der Hinweisgeber in seinen Vorwürfen eine konkrete natürliche Einzelperson als „Täter“ der wahrgenommenen Missstände, wird auch sie in ihrem Rechts- und Interessenkreis berührt. Insbesondere wenn die Vorwürfe sich im Nachhinein als fehlerhaft erweisen, wiegen die an eine Anschuldigung anknüpfenden Nachteile besonders schwer.239 a) Schutz der verdächtigten Person durch das Grundgesetz Auf nationaler Ebene wird die verdächtigte Person durch das allgemeine Persönlichkeitsrecht, Art. 2 Abs. 1 i. V. m. Art. 1 Abs. 1 GG, geschützt. Es vermittelt insbesondere den Schutz der Ehre und des sozialen Geltungsanspruchs.240 Dies bedeutet aber nicht, dass der Einzelne verlangen könnte, „nur so dargestellt zu werden, wie es ihm genehm ist“.241 Sofern Äußerungen jedoch ehrverletzenden Charakter haben oder diese „geeignet sind, sich abträglich auf das Ansehen des Einzelnen in der Öffentlichkeit auszuwirken“, ist der Gewährleistungsgehalt des allgemeinen Persönlichkeitsrechts beeinträchtigt.242 Dies ist regelmäßig bei verfälschenden oder entstellenden Darstellungen, die eine nicht gänzlich unerhebliche Bedeutung für die Entfaltung der Persönlichkeit des Grundrechtsträgers haben, gegeben.243 Jedenfalls die Meldung eines vermeintlichen Verstoßes durch den Whistleblower kann zu einer Beeinträchtigung des sozialen Geltungsanspruchs führen, die umso schwerer wiegt, desto weiter der Kreis der Adressaten. Wahre Vorwürfe sind dagegen grundsätzlich hinzunehmen, auch wenn sie nachteilige Auswirkungen für den Betroffenen haben können.244 Die verdächtigte Einzelperson wird zudem regelmäßig auch in ihrem Recht auf informationelle Selbstbestimmung, vermittelt durch Art. 2 Abs. 1 i. V. m. Art. 1 Abs. 1 GG245, beeinträchtigt. Dies ergibt sich daraus, dass ein Whistleblower nicht nur Informationen über sich selbst, sondern vielmehr auch Informationen über die verdächtigte Person preisgibt. Das Recht auf informationelle Selbstbestimmung gewährleistet dem Einzelnen „selbst zu entscheiden, wann und innerhalb welcher 239
Schmolke, RIW 2012, 224, 227. BVerfG, Beschluss vom 17. 8. 2010 – 1 BvR 2585/06, NJW 2011, 511, 511; von Münch/ Kunig/Kunig/Kämerer, Art. 2 GG Rn. 70. 241 BVerfG, Beschluss vom 17. 8. 2010 – 1 BvR 2585/06, NJW 2011, 511, 511. 242 BVerfG, Beschluss vom 25. 10. 2005 – 1 BvR 1696/98, NJW 2006, 207, 208; BVerfG, Beschluss vom 17. 8. 2010 – 1 BvR 2585/06, NJW 2011, 511, 511. 243 BVerfG, Beschluss vom 25. 10. 2005 – 1 BvR 1696/98, NJW 2006, 207, 208. 244 BVerfG, Beschluss vom 25. 1. 2012 @ 1 BvR 2499/09 u. 1 BvR 2503/09, NJW 2012, 1500, 1502. 245 BVerfG, Urteil vom 13.02. 2007 – 1 BvR 421/05, NJW 2007, 753, 754; ErfK/Schmidt, ArbR, Art. 2 GG Rn. 41; Creifelds/Werner, Datenschutz, 3. a). 240
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Grenzen persönliche Lebenssachverhalte offenbart werden“.246 Allein dem Rechtsinhaber steht es zu, über die Preisgabe und die Verwendung seiner persönlichen Daten zu entscheiden.247 Ob diese der Privat- oder Sozialsphäre zuzuordnen sind, ist für den Schutzgehalt ohne Relevanz. Der Schutz der informationellen Selbstbestimmung wird ungeachtet einzelner Sphären gewährleistet.248 Mit der Meldung eines Hinweisgebers ist damit in der Regel auch eine Beeinträchtigung des Art. 2 Abs. 1 i. V. m. Art. 1 Abs. 1 GG verbunden.249 b) Schutz der verdächtigten Person durch die Europäische Menschenrechtskonvention und die Grundrechtecharta Auf unionsrechtlicher Ebene erlangt der durch Art. 8 GRCh und Art. 8 Abs. 1 EMRK gewährleistete Schutz personenbezogener Daten Bedeutung. Zudem wird auch der gute Ruf des Einzelnen durch Art. 8 EMRK geschützt.250 In der Grundrechtecharta ist der Schutz des guten Rufs bzw. der Ehre in Art. 7 GRCh verankert.251 Diese grundrechtliche Interessenposition stellt einen legitimen Grund zur Einschränkung der durch Art. 10 EMRK und Art. 11 GRCh geschützten Meinungsfreiheit dar.252 4. Interesse der Allgemeinheit Von den Grundrechtspositionen der dargestellten „Einzelpersonen“ ist das Interesse der Allgemeinheit an den Informationen des Hinweisgebers zu trennen. Zu hinterfragen ist, ob auch dieses öffentliche Interesse bei der Umsetzung der EURichtlinie 2019/1937 von dem nationalen Gesetzgeber berücksichtigt werden muss und wann ein solches konkret anzunehmen ist.
246
BVerfG, Urteil vom 15. 12. 1983 – 1 BvR 209, 269, 362, 420, 440, 484/83, BVerfGE 65, 1, 42; Sachs/Murswiek/Rixen, GG, Art. 2 Rn. 73; BeckOK/Specht/Riemenschneider, § 823 BGB Rn. 1341. 247 BVerfG, Urteil vom 13. 2. 2007 – 1 BvR 421/05, NJW 2007, 753, 754; ErfK/Schmidt, ArbR, Art. 2 GG Rn. 41. 248 ErfK/Schmidt, ArbR, Art. 2 GG Rn. 60. 249 So auch Klaas, CCZ 2019, 163, 165 f. 250 EGMR, Urteil vom 15. 4. 2014 – 40877/07 (Yazici), NJW 2015, 759, 761; EGMR, Urteil vom 16. 6. 2015 – 64569/09 (Delfi AS), NJW 2015, 2863, 2866; Meyer-Ladewig/ Nettesheim/von Reumer/Daiber, EMRK, Art. 10 Rn. 39. 251 Jarass, Charta der Grundrechte der EU, Art. 7 Rn. 16. 252 Jarass, Charta der Grundrechte der EU, Art. 11 Rn. 31.
D. Kollision widerstreitender Interessen der Beteiligten
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a) Das öffentliche Interesse im Kontext des Grundgesetzes Das öffentliche Interesse erlangt im Kontext des Grundgesetzes Bedeutung. Die Wahrnehmung grundrechtlicher Positionen durch den Whistleblower erlangt im Einzelfall eine größere Bedeutung im Rahmen der Abwägung der sich gegenüberstehenden Grundrechte, wenn an seinem hinweisgebenden Verhalten ein öffentliches Interesse besteht.253 Das zusätzliche Gewicht der Grundrechtsposition eines Whistleblowers (Art. 5 Abs. 1 S. 1 Fall 1 GG, Art. 2 Abs. 1 GG) kann sich zum einen aus der Bedeutung seines Handelns für den Rechtsstaat – verfassungsrechtlich in Art. 20 Abs. 3 GG verankert – und zum anderen aus der Bedeutung für die Demokratie – verfassungsrechtlich in Art. 20 Abs. 1, 2 GG verankert – ergeben. aa) Whistleblowing als Rechtsdurchsetzungsinstrument Hinweisgeber, die sich zur Aufdeckung von Rechtsverstößen an staatliche Stellen wenden, leisten einen wesentlichen Beitrag zur Durchsetzung des Rechts.254 Durch das hinweisgebende Verhalten, bezogen auf Rechtsverstöße, wird die Rechtsdurchsetzung, als grundrechtlich verankerte Aufgabe des Staates (Art. 20 Abs. 3 GG) im Interesse der Allgemeinheit255, gefördert. Für das Strafrecht hat das Bundesverfassungsgericht ausgeführt, dass das Aufdecken von Rechtsverstößen im strafrechtlichen Bereich dem allgemeinen Strafverfolgungsinteresse dient und damit eine funktionsfähige Strafrechtspflege zur Durchsetzung der Gerechtigkeit gewährleistet wird.256 Auf „[d]ie […] Strafanzeige eines Bürgers […] [kann] der Rechtsstaat […] nicht verzichten. […] [Es] besteht eine verfassungsrechtliche Pflicht des Staates, eine funktionstüchtige Strafrechtspflege im Interesse der Allgemeinheit zu gewährleisten.“257 Whistleblower können regelmäßig auf mehr Informationen über betriebsinterne Vorgänge zugreifen als außenstehende, staatliche Behörden, sodass es für sie meist auch leichter ist, interne Vorkommnisse aufzudecken.258 Der Staat, der die Wahrung des Rechts sicherstellen muss, ist auf Hinweise von Privaten regelmäßig angewiesen.259 An der Aufdeckung von Verstößen gegen die Rechtsordnung durch den Hinweisgeber besteht damit auch ein öffentliches Interesse260, welches grundsätzlich 253
Meyer, HRRS 018, 322, 325; Schlachter, RdA 2012, 108, 112. Maume/Haffke, ZIP 2016, 199, 200; Meyer, HRRS 2018, 322, 324; Schmolke, AG 2018, 769, 770. 255 BVerfG, Beschluss vom 14. 9. 1989 – 2 BvR 1062/87, NJW 1990, 563, 564. 256 BVerfG, Beschluss vom 20. 10. 1977 – 2 BvR 631/77, NJW 1977, 2355, 2356. 257 BVerfG, Beschluss vom 25. 2. 1987 – 1 BvR 1086/85, NJW 1987, 1929, 1929. 258 Müller, NZA 2002, 424, 427; vgl. auch Erwägungsgrund (3) zur RL 2019/1937, Amtsblatt der Europäischen Union, L 305/17. 259 Schemmel/Ruhmannseder/Witzigmann, Hinweisgebersysteme, 4. Kapitel Rn. 149. 260 Maume/Haffke, ZIP 2016, 199, 201; Rudkowski, CCZ 2013, 204, 207; ähnlich auch Schmolke, AG 2018, 769, 770; strenger dagegen Becker, DB 2011, 2202, 2203. 254
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Teil 1: Allgemeiner Teil
in die Abwägung durch Verstärkung der Grundrechtsposition des Hinweisgebers Eingang finden muss. bb) Whistleblowing als Beitrag zur öffentlichen Meinungsbildung Daneben kann sich das Interesse der Allgemeinheit an der Aufdeckung unternehmensinterner Vorkommnisse auch aus demokratischen Erwägungen ergeben.261 Whistleblowing kann für den gesellschaftlichen Diskurs als Grundelement der Demokratie eine wesentliche Bedeutung zukommen.262 Das Grundrecht der freien Meinungsäußerung ist „[f]ür eine freiheitlich-demokratische Staatsordnung […] schlechthin konstituierend, denn es ermöglicht erst die ständige geistige Auseinandersetzung, den Kampf der Meinungen, der ihr Lebenselement ist.“263 Die Meinungsfreiheit ist nicht nur ein Grundrecht jedes Einzelnen, sondern sichert und ermöglicht gleichzeitig auch die freie Willensbildung der Gesellschaft, auf die der Einzelne, nicht nur durch Wahlen, sondern auch durch Teilnahme am Prozess der politischen Meinungsbildung, mithin an der Bildung einer öffentlichen Meinung, teilnimmt, die wiederum Einfluss auf die Entscheidungsfindung der Staatsorgane nimmt.264 Die Gewährleistung einer freien und öffentlichen Meinungsbildung setzt nicht nur das Recht zur Meinungsäußerung, sondern auch das Recht zur Informationserlangung voraus.265 Dieses erstreckt sich nicht nur auf das Informationsinteresse einer Einzelperson, sondern wird auch der Allgemeinheit zugesprochen.266 Die Verbindung zwischen Meinungsfreiheit und Informationsfreiheit führt zu einer Verstärkung der grundrechtlichen Position (Schutzbereichsverstärkung).267 Daraus folgt, dass Abstriche der Interessen der Gegenseite umso eher hingenommen werden können, desto gewichtiger das Interesse der Allgemeinheit an den Informationen ist.268 Das Interesse der Allgemeinheit an Informationen beschränkt sich nicht ausschließlich auf solche Informationen, die durch die Medien vermittelt werden.269 Auch jeder Einzelne kann einen Beitrag zur öffentlichen Meinungsbildung leisten.270 Allein entscheidend ist der Inhalt der weitergegebenen Informationen und damit die Frage, ob an ihnen ein Interesse der Öffentlichkeit bestehen kann. 261
Klaas, CCZ 2019, 163, 166. Redder, 181 f. 263 BVerfG, Urteil vom 15. 1. 1958 – 1 BvR 400/57, NJW 1958, 257, 258. 264 Stern/Sachs/Dietlein, § 114 Rn. 5 f. unter Verweis auf BVerfG, Urteil vom 19. 7. 1966 – 2 BvF 1/65, NJW 1966, 1499, 1502 f. 265 Sachs/Bethge, GG, Art. 5 Rn. 18. 266 BVerfG, Beschluss vom 9. 2. 2017 – 1 BvR 967/15, NJW 2017, 1376, 1376 f.; Beater, ZUM 2005, 602, 603; Klaas, CCZ 2018, 163, 166. 267 Kloepfer, FS Stern, 405, 415 f., 424. 268 Beater, ZUM 2005, 602, 603. 269 Stern/Becker/Fechner, Art. 5 GG Rn. 157. 270 So auch Redder, 180. 262
D. Kollision widerstreitender Interessen der Beteiligten
53
Von Bedeutung ist somit, wann ein solches Informationsinteresse der Allgemeinheit an der Äußerung eines Whistleblowers angenommen werden kann. Ein öffentliches Interesse besteht bei grundlegenden Fragen zu aktuellen politischen und gesellschaftlichen Ereignissen.271 Sofern sich die Information auf eine „für jede demokratische Gesellschaft wesentliche Frage“272 bezieht, ist auch ein öffentliches Informationsinteresse anzunehmen. Vor diesem Hintergrund kann nur in engen Ausnahmefällen an der Aufdeckung interner Missstände eines privatwirtschaftlichen Unternehmens ein öffentliches Informationsinteresse anerkannt werden. Ein solches ist im Fall begangener Straftaten und die zu ihrer Entstehung führenden Vorgängen anzunehmen.273 Das öffentliche Interesse kann jedoch in Abhängigkeit von dem Gewicht des Fehlverhaltens variieren. Bei leichten Verfehlungen ist regelmäßig ein geringeres Interesse der Allgemeinheit anzunehmen.274 Auf das Vorliegen eines (Straf-) Rechtsverstoßes kommt es für das Bestehen eines Informationsinteresses der Öffentlichkeit jedoch nicht zwingend an.275 Daneben begründen erhebliche wirtschaftliche Einbußen des Staates in der Gesamtheit oder einer Vielzahl einzelner Personen durch unternehmensinterne Missstände ein öffentliches Informationsinteresse. Ein Hinweisgeber kann durch seine Meldung einen volkswirtschaftlichen Schaden verhindern oder zumindest mindern.276 Dasselbe muss auch für solche Fälle gelten, in denen zwar nicht der Staat im Ganzen finanziell geschädigt wurde, jedoch eine breite Gruppe der Bevölkerung.277 Insbesondere setzt „[e]ine marktwirtschaftliche Ordnung […] voraus, dass die Marktteilnehmer über ein möglichst hohes Maß an Informationen über marktrelevante Faktoren verfügen“, sodass auch an wirtschaftlichen Themen ein öffentliches Informationsinteresse bestehen kann.278 Neben den finanziellen Risiken für die Allgemeinheit können im Einzelfall auch erhebliche Gefahren für Gesundheit oder sogar Leben der Menschen oder für die Umwelt ein öffentliches Interesse begründen, ohne dass es eines Rechtsverstoßes bedarf.279 Missstände insbesondere im Gesundheits- und Pflegesektor, hier eine
271 272 273 274 275
324. 276
Stern/Becker/Fechner, Art. 5 GG Rn. 153. Deiseroth, AuR 2007, 198, 200. BVerfG, Beschluss vom 10. 6. 2009 – 1 BvR 1107/09, NJW 2009, 2257, 3358. BVerfG, Beschluss vom 13. 6. 2006 – 1 BvR 565/06, NJW 2006, 2835, 2835. Branahl, HFR 1/2012, 1, 5; Redder, 182; im Ergebnis auch Meyer, HRRS 2018, 322,
Müller, NZA 2002, 424, 427. Vgl. auch BGH, Urteil vom 16. 12. 2014 – VI ZR 39/14, NJW 2015, 773, 775. 278 BVerfG, Beschluss vom 28. 7. 2004 – 1 BvR 2566/95, NJW-RR 2004, 1710, 1711 f.; BGH, Urteil vom 16. 12. 2014 – VI ZR 39/14, NJW 2015, 773, 775. 279 Göpfert/Landauer, NZA-Beilage 2011, 16, 21; Meyer, HRRS 2018, 322, 324; Schlachter, RdA 2012, 108, 112. 277
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Teil 1: Allgemeiner Teil
Vielzahl an (psychisch/physisch beeinträchtigten) Personen betreffend280, aber auch in all solchen Bereichen, die einen erheblichen Einfluss auf die Bevölkerung oder Umwelt nehmen können – sei es durch die Vielzahl an Produkten, die durch das Unternehmen vertrieben werden281 oder durch die schwerwiegenden Risiken ausgehend von ihrem Produkt282 – können eine erhebliche Bedeutung für die Öffentlichkeit begründen. Dasselbe gilt für den Bereich der Verkehrssicherheit283 oder sonstige wichtige Gemeinschaftsgüter284. Schäden oder Gefahren für das Gemeinwohl können somit in der Regel ein öffentliches Interesse begründen, welches dem grundrechtlichen Schutz des Hinweisgebers durch Art. 5 Abs. 1 S. 1 Fall 1 GG dann zusätzliches Gewicht einräumt. b) Das öffentliche Interesse im Kontext der Europäischen Menschenrechtskonvention und der Grundrechtecharta Das öffentliche Interesse an den Informationen verstärkt nicht nur die grundrechtliche Position des Whistleblowers im Rahmen der Verfassung. Vielmehr erlangt das öffentliche Interesse auch bei der durch Art. 10 EMRK, Art. 11 GRCh geschützten Meinungsfreiheit Bedeutung. Das öffentliche Interesse an den Informationen wird im Rahmen der Prüfung der Verhältnismäßigkeit eines Eingriffs in die Meinungsfreiheit berücksichtigt. Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs für Menschenrechte gibt „Art. 10 Abs. 2 EMRK […] kaum Raum für Einschränkungen der Diskussion über Fragen öffentlichen Interesses“.285 Die Meinungsäußerung zu Themen öffentlichen Interesses genießt einen besonders starken Schutz.286 Eine „Frage allgemeinen Interesses“287 liegt im Sinne der Rechtsprechung des Gerichtshofs nicht nur bei Rechtsverstößen vor, sondern im Einzelfall auch bei der 280
1271.
Vgl. hierzu EGMR, Urteil vom 21. 7. 2011 @ 28274/08 (Heinisch), NZA 2011, 1269,
281 Bspw. im VW-Diesel-Skandal: Es waren 2,8 Millionen Autos manipuliert, vgl. https: //www.focus.de/finanzen/boerse/volkswagen-abgas-skandal-dobrindt-2-8-millionen-vw-fahrzeu ge-in-deutschland-manipuliert_id_4973064.html, zuletzt abgerufen am 23. 9. 2020; hierzu auch EuGH, Urteil vom 9. 7. 2020 – C-343/19 (Verein für Konsumenteninformation), NVwZ 2020, 1257, 1259: „Eine Handlungsweise wie die im Ausgangsverfahren in Rede stehende, […] da sie die kollektiven Interessen der Verbraucher als Gruppe beeinträchtigen kann […]“. 282 Bspw. in der Lebensmittelbranche, Konsumgüter im Allgemeinen (giftbelastetes Kinderspielzeug), Manipulation gefährlicher Anlagen, vgl. Leuchten, ZRP 2012, 142, 144; Göpfert/Landauer, NZA-Beilage 2011, 16, 21; Schlachter, RdA 2012, 108, 112; Seel, MDR 2012, 9, 12; zur Gesundheitsschädigung von Konsumenten von Fleischprodukten bereits LAG BadenWürttemberg, Urteil vom 3. 2. 1987 – 7 (13) Sa 95/86, NZA 1987, 756, 756. 283 LAG Köln, Urteil vom 2. 2. 2012 @ 6 Sa 304/11, NZA-RR 2012, 298, 301. 284 Leuchten, ZRP 2012, 142, 144. 285 EGMR, Urteil vom 21. 7. 2011 – 28274/08 (Heinisch), NZA 2011, 1269, 1271. 286 Dörr/Grote/Marauhn/Grote/Wenzel, Kapitel 18 Rn. 106. 287 EGMR, Urteil vom 10. 12. 2007 – 69698/01 (Stoll), NJW-RR 2008, 1141, 1144.
D. Kollision widerstreitender Interessen der Beteiligten
55
Aufdeckung eines bloß unmoralischen Verhaltens.288 Die Frage, ob ein Interesse der Allgemeinheit an den Informationen besteht, richtet sich nach den Umständen des Einzelfalls und kann entsprechend auch nicht allgemeingültig definiert werden.289 Insbesondere kontrovers diskutierte gesellschaftliche Themen, Äußerungen mit politischem Bezug und solche, die sich auf die Funktionsfähigkeit staatlicher Einrichtungen und Systeme beziehen, können im öffentlichen Interesse liegen.290
288
EGMR, Urteil vom 15. 2. 2005 – 68416/01 (Steel und Morris), NJW 2006, 1255, 1258. Bezogen auf die Veröffentlichung eines Fotos oder Artikels in der Presse EGMR, Urteil vom 7. 2. 2012 – 40660/08 u. 60641/08 (Hannover), Rn. 109 auf juris.de. 290 Dörr/Grote/Marauhn/Grote/Wenzel, Kapitel 18 Rn. 107 ff. 289
Teil 2
Schutz von Hinweisgebern – Voraussetzungen ihres Schutzanspruchs und Reichweite ihres rechtlichen Schutzes Die dargestellten Interessenpositionen nehmen grundlegend Einfluss auf die rechtliche Beurteilung des Whistleblowings. Aus dem Erfordernis eines angemessenen Ausgleichs der beteiligten Interessen folgt, dass nicht jedes hinweisgebende Verhalten uneingeschränkt zulässig und damit schutzwürdig sein kann. Aus diesem Grund muss dieses Verhalten sowohl nach bisherigem als auch nach künftigem Recht Zulässigkeitsvoraussetzungen erfüllen.
A. Person des Hinweisgebers Bevor im Folgenden auf die Anforderungen an die Zulässigkeit eines Hinweises eingegangen wird, bedarf es einer näheren Betrachtung der Person des Whistleblowers. De lege lata ist seine rechtliche Stellung maßgeblich für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit seines Verhaltens und für die daraus resultierenden Rechtsfolgen. De lege ferenda kommt der Schutz nur solchen Personen zugute, die vom persönlichen Anwendungsbereich der Whistleblowing-Richtlinie erfasst sind.
I. Potentielle Hinweisgeber de lege lata Nach bisheriger Rechtslage kann nahezu jede Person Hinweisgeber sein.1 Es muss jedoch wegen der unterschiedlichen Anforderungen an die Zulässigkeit des hinweisgebenden Verhaltens und den daran anknüpfenden, möglichen Rechtsfolgen zwischen verschiedenen Personengruppen differenziert werden. Die von der Rechtsprechung entwickelten Kriterien zur Beurteilung der Rechtmäßigkeit des Whistleblowings beziehen sich auf den speziellen Fall eines hin-
1 Vgl. hierzu Berndt/Hoppler, BB 2005, 2623, 2624; Grützner/Jakob in Compliance von A – Z, Whistleblower; Rotsch/Rotsch/Wagner, Criminal Compliance, § 34 C. Whistleblowing Rn. 3; Schulz, BB 2011, 629, 630.
A. Person des Hinweisgebers
57
weisgebenden Arbeitnehmers2 unter Berücksichtigung seiner arbeitsvertraglichen Pflichten gegenüber dem Arbeitgeber.3 Höchstrichterlich ungeklärt ist, ob diese Kriterien auch auf ehemalige und künftige Arbeitnehmer übertragen werden konnten.4 Dieselbe Unsicherheit besteht bezüglich sonstiger Personen (bspw. Organmitglieder). Es ist de lege lata ungeklärt, unter welchen Voraussetzungen sie Hinweise über unternehmensinterne Missstände geben durften. Da ihre (Vertrags-) Verhältnisse und ihre Pflichten gegenüber dem betroffenen Unternehmen nicht vergleichbar mit denen eines hinweisgebenden Arbeitnehmers sind, können die von den Arbeitsgerichten aufgestellten Grundsätzen nicht ohne weiteres auf sie übertragen werden.5
II. Potentielle Hinweisgeber de lege ferenda Aus Art. 4 EU-RL 2019/1937 – die Regelung zum persönlichen Anwendungsbereich der Richtlinie6 – ergibt sich, welchen Personen der nationale Gesetzgeber künftig den Schutz der Whistleblowing-Richtlinie einräumen muss. 1. Vorgaben der EU-Richtlinie 2019/1937 Der Schutz der Richtlinie wird primär, aber nicht ausschließlich, Hinweisgebern zugesprochen. Es werden vom persönlichen Anwendungsbereich nach Art. 4 Abs. 4 EU-RL 2019/1937 auch solche Personen, die zwar selbst keine Hinweisgeber sind, aber in einer bestimmten Beziehung zu einem solchen stehen, erfasst. a) Schutz von Hinweisgebern nach Art. 4 Abs. 1 EU-RL 2019/1937 Gemäß Art. 4 Abs. 1 EU-RL 2019/1937 fallen Hinweisgeber in den persönlichen Anwendungsbereich der Richtlinie, die im privaten oder öffentlichen Sektor tätig sind und im beruflichen Kontext Informationen erlangt haben. Der persönliche Anwendungsbereich der Whistleblowing-Richtlinie wird damit maßgebend von zwei Kriterien abhängig gemacht. Zum einen von der Einordnung als Hinweisgeber, zum anderen von der Informationserlangung im beruflichen Kontext. 2 Auf die rechtliche Beurteilung nahm die berufliche Stellung des Arbeitnehmers keinen Einfluss, vgl. BAG, Urteil vom 7. 12. 2006 – 2 AZR 400/05, NJW 2007, 2204, 2205. 3 Vgl. insbesondere BAG, Urteil vom 3. 7. 2003 – 2 AZR 235/02, NZA 2004, 427, 427 ff.; EGMR, Urteil vom 21. 7. 2011 @ 28274/08 (Heinisch), NZA 2011, 1269, 1269 ff. 4 Hierzu Klinkhammer/Brungs, ArbRAktuell 2014, 520, 520 unter Bezugnahme auf die Entscheidung ArbG Berlin, Urteil vom 2. 9. 2014 – 31 Ga 11742/14. 5 Ähnlich auch Gerdemann, RdA 2019, 16, 18; Meyer, HRRS 2018, 322, 329. 6 Kritisch in Bezug auf den Begriff des persönlichen Anwendungsbereichs Forst, EuZA 2020, 283, 286 f.
58
Teil 2: Schutz von Hinweisgebern
aa) Person des Hinweisgebers Nach der Legaldefinition des Art. 5 Nr. 7 EU-RL 2019/1937 sind Hinweisgeber natürliche Personen, die im Zusammenhang mit ihrer Arbeitstätigkeit erlangte Informationen über Verstöße melden oder offenlegen. Die Legaldefinition der Person des Hinweisgebers knüpft an die Informationserlangung im Zusammenhang mit der Arbeitstätigkeit an. Wegen des zweiten Kriteriums des Art. 4 Abs. 1 EU-RL 2019/ 1937 (berufliche Kontext) erlangt die Formulierung in Art. 5 Nr. 7 EU-RL 2019/ 1937 keine eigenständige Bedeutung. Insbesondere Arbeitnehmer können Hinweisgeber im Sinne der Richtlinie sein, denen entsprechend auf nationaler Ebene der durch die Richtlinie vermittelte Schutz eingeräumt werden muss. Wegen der weiten Definition des Art. 5 Nr. 7 EU-RL 2019/ 1937 erschöpft sich der persönliche Anwendungsbereich darin jedoch nicht. Dies zeigt sich auch mit Blick auf Art. 4 Abs. 1 EU-RL 2019/1937, der einen nicht abschließenden7 Katalog von Personen vorsieht, die in den persönlichen Anwendungsbereich der Richtlinie fallen. Der nationale Gesetzgeber muss ihnen de lege ferenda ebenfalls den besonderen Whistleblower-Schutz zubilligen. Der europäische Gesetzgeber hat sich bei der Bestimmung des persönlichen Anwendungsbereichs von zwei Erwägungen leiten lassen: Der (wirtschaftlichen) Abhängigkeit8 der Personengruppen und ihrer Möglichkeit zur Kenntnisnahme9 von Informationen über Verstöße.10 Entscheidend für das Schutzbedürfnis sei nicht allein die konkrete Arbeitsbeziehung, sondern vielmehr die Gesamtumstände, sodass sämtliche Personen erfasst sein sollten, die im weitesten Sinne mit der Organisation verbunden sind, in der der Verstoß vorgefallen ist.11 Es handelt sich bei der Whistleblowing-Richtlinie daher nicht ausschließlich um arbeitsrechtliche Schutzvorschriften.12
7 8
23. 9
23.
Dies ergibt sich aus dem Wort „insbesondere“. Vgl. Erwägungsgrund (36) zur RL 2019/1937, Amtsblatt der Europäischen Union, L 305/ Vgl. Erwägungsgrund (37) zur RL 2019/1937, Amtsblatt der Europäischen Union, L 305/
10 So auch Gerdemann, RdA 2019, 16, 22; Gerdemann, NZA-Beilage 2020, 43, 47; a. A. Garden/Hiéramente, BB 2019, 963, 964: „Anknüpfungspunkt für den persönlichen Anwendungsbereich der Richtlinie ist somit nicht die individuelle Schutzbedürftigkeit des Hinweisgebers gegenüber dem Unternehmen, wie man es typischerweise in einer Arbeitnehmerschutzregelung erwarten würde, sondern vielmehr die Zugriffsmöglichkeit des Hinweisgebers auf Informationen über unternehmensinterne Vorgänge.“; Grimm/Singraven, ArbRB 2019, 241, 243. 11 Erwägungsgrund (37) zur RL 2019/1937, Amtsblatt der Europäischen Union, L 305/23. 12 Garden/Hiéramente, BB 2019, 963, 964.
A. Person des Hinweisgebers
59
(1) Personen mit unmittelbarer Zugehörigkeit zum Unternehmen (a) Arbeitnehmer im Sinne des Art. 45 AEUV Künftig können gemäß Art. 4 Abs. 1 lit. a) EU-RL 2019/1937 Arbeitnehmer, ungeachtet eines atypischen Beschäftigungsverhältnisses (bspw. Leiharbeitnehmer, befristete Beschäftigungsverhältnisse, Teilzeitbeschäftigte)13, schutzwürdige Hinweisgeber sein.14 Die Richtlinie knüpft den Arbeitnehmerbegriff ausdrücklich an die Definition des Art. 45 AEUV an, sodass diese auch im Rahmen des Umsetzungsakts Geltung beanspruchen wird.15 Der europarechtliche Begriff des Arbeitnehmers erfasst Personen, die „während einer bestimmten Zeit für einen anderen nach dessen Weisungen Leistungen erbringen, für die diese als Gegenleistung eine Vergütung erhalten“.16 Der europäische Arbeitnehmerbegriff ist gegenüber dem nationalen Begriff weiter, da er keine persönliche Abhängigkeit voraussetzt.17 Unter Berücksichtigung des europäischen Begriffs sind auch Fremdgeschäftsführer und grundsätzlich auch Gesellschafter-Geschäftsführer, die nur einen Minderheitsanteil innehaben18, vom persönlichen Anwendungsbereich nach Art. 4 Abs. 1 lit. a) EU-RL 2019/1937 erfasst, sodass ihnen auch auf nationaler Ebene der Schutz der Richtlinie eingeräumt werden muss.19 Anders ist dies dagegen grundsätzlich bei Mehrheits-Gesellschafter-Geschäftsführern20 und AlleingesellschafterGeschäftsführern21, weil beide Personengruppen nicht dem Arbeitnehmerbegriff unterfallen.22 Dasselbe gilt hinsichtlich anderer Organmitglieder, da auch sie ins-
13 Erwägungsgrund (38) zur RL 2019/1937, Amtsblatt der Europäischen Union, L 305/24; hierzu auch Dzida/Granetzny, NZA 2020, 1201, 1202; EuArbR/Fest, EU-RL 2019/366, Art. 4 Rn. 4. 14 Der Vollständigkeit halber ist darauf hinzuweisen, dass die Richtlinie auch Beamte und Personen, die im öffentlichen Bereich tätig sind, erfasst, vgl. Art. 4 Abs. 1 lit. a) EU-RL 2019/ 1937, Erwägungsgrund (38) zur RL 2019/1937, Amtsblatt der Europäischen Union, L 305/24. 15 Der unionsrechtliche Arbeitnehmerbegriff wird immer relevant, wenn unionsrechtliche Vorgaben hinsichtlich der rechtlichen Thematik bestehen, vgl. ErfK/Preis, ArbR, § 611a BGB Rn. 20. 16 EuGH, Urteil vom 21. 6. 1988 – 197/86 (Brown), Celex-Nr. 61986CJ0197, Rn. 21; EuGH Urteil vom 26. 2. 1992 – C-357/89 (Raulin), NJW 1992, 1493, 1493; EuGH, Urteil vom 11. 11. 2010 – C-232/09 (Dita Danosa), NZA 2011, 143, 145. 17 Forst, EuZW 2015, 664, 666. 18 Zu Einordnung dieser Personen als Arbeitnehmer im europäischen Sinne EuGH, Urteil vom 9. 7. 2015 – C-229/14 (Balkaya), NJW 2015, 2481, 2482 f.; EuGH, Urteil vom 10. 9. 2015 – C-47/14 (Holterman Ferho Exploitatie u. a.), NZA 2016, 183, 185; Arnold, NJW 2015, 2481, 2484. 19 Ähnlich auch Aszmons/Herse, DB 2019, 1849, 1850. 20 Oder wenn er jedenfalls über eine Sperrminorität verfügt. 21 EuGH, Urteil vom 27. 6. 1996 – C-107/94 (Asscher), NJW 1996, 2921, 2921. 22 Boemke, RdA 2018, 1, 6; Forst, EuZW 2015, 664, 666; Lunk, NZA 2015, 917, 919; Weber/Zimmer, EuZA 2016, 224, 238.
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Teil 2: Schutz von Hinweisgebern
besondere mangels Weisungsbindung keine Arbeitnehmer sind.23 Für diese Personengruppen ergibt sich die Pflicht des Gesetzgebers zur Gewährleistung des besonderen Hinweisgeberschutzes jedoch aus Art. 4 Abs. 1 lit. c) EU-RL 2019/1937. Danach sind auch Anteilseigner und Personen, die dem Verwaltungs-, Leitungs- oder Aufsichtsorgan eines Unternehmens angeho¨ ren, einschließlich der nicht gescha¨ ftsfu¨ hrenden Mitglieder, von dem Anwendungsbereich der Richtlinie erfasst. Die Umsetzung der Vorgaben der Whistleblowing-Richtlinie wird damit auch Auswirkungen auf das Gesellschaftsrecht nehmen. Unter den Arbeitnehmerbegriff des Art. 4 Abs. 1 lit. a) EU-RL 2019/1937 fallen zudem auch Betriebsratsmitglieder. In Erwägungsgrund Nummer 41 ist ausdrücklich ausgeführt, dass der Schutz der Richtlinie auch Arbeitnehmervertretern zugutekommen soll, wenn sie in ihrer Eigenschaft als Arbeitnehmer Meldungen erstatten.24 Betriebsratsmitglieder genießen zwar in Deutschland eine besondere Stellung, bleiben aber auch nach Amtsantritt (sogar nach dem engeren nationalen Begriffsverständnis) weiterhin Arbeitnehmer.25 Aus diesem Grund muss der nationale Gesetzgeber auch Betriebsratsmitgliedern uneingeschränkt den Schutz der Richtlinie einräumen. (b) Personen auf Arbeitgeberseite De lege ferenda müssen auch Personen auf Arbeitgeberseite schutzwürdige Hinweisgeber sein. Der nationale Gesetzgeber muss ihnen den durch die Whistleblowing-Richtlinie vermittelten Schutz ebenfalls einräumen. Dies ergibt sich aus Art. 4 Abs. 1 lit. c) EU-RL 2019/1937. Danach fallen in den persönlichen Anwendungsbereich der Richtlinie auch Anteilseigner einer europäischen Gesellschaft26 und Personen, die dem Verwaltungs-, Leitungs- oder Aufsichtsorgan eines Unternehmens angeho¨ ren, einschließlich der nicht gescha¨ ftsfu¨ hrenden Mitglieder.27 Eine Ausweitung des Schutzes der Whistleblowing-Richtlinie auch auf die Führungsebene eines Unternehmens ist zu befürworten, da allein ihre Zugehörigkeit zur Leitungsebene oder die Stellung als Anteilseigner dem Schutzbedürfnis nicht entgegensteht. Auch sie können durch viele der in Art. 19 EU-RL 2019/1937 genannten Repressalien nachteilig getroffen werden.28 Gleichzeitig erlaubt ihre Stellung auf Seiten des Arbeitgebers regelmäßig eine privilegierte Informationserlan23
Baeck/Winzer, NZG 2011, 101, 101; Grobys/Panzer/Kelber/Esskandari, Vorstand, Rn. 14; ErfK/Kiel, ArbR, § 17 KSchG Rn. 9; Lunk, NZA 2015, 917, 919; von Medem, ArbRAktuell 2010, 654, 654; Weber/Zimmer, EuZA 2016, 224, 237; vgl. auch § 76 Abs. 1 AktG und § 84 Abs. 3 S. 1 AktG. 24 Erwägungsgrund (41) zur RL 2019/1937, Amtsblatt der Europäischen Union, L 305/24. 25 Schaub/Koch/Koch, Arbeitsrecht, Betriebsratsmitglieder, II. 26 EuArbR/Fest, EU-RL 2019/366, Art. 4 Rn. 10. 27 Zu dem Whistleblowing durch Organmitglieder umfassend Gerdemann/Spindler, ZIP 2020, 1896, 1896 ff. 28 Vgl. Erwägungsgrund (39) zur RL 2019/1937, Amtsblatt der Europäischen Union, L 305/ 24.
A. Person des Hinweisgebers
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gung, sodass sie ebenfalls einen Beitrag zur effektiven Rechtsdurchsetzung leisten können.29 (c) Freiwillige und Praktikanten Daneben sind in Art. 4 Abs. 1 lit. c) EU-RL 2019/1937 weitere Personen genannt, die zwar unmittelbar dem Unternehmen angehören, jedoch nicht in jedem Fall als Arbeitnehmer angesehen werden können.30 Dazu gehören sowohl Freiwillige als auch bezahlte und unbezahlte Praktikanten. Auch ihnen muss künftig der Whistleblower-Schutz zugesprochen werden. Da auch diese Personen schutzbedürftig sind31, sie durch ihre Nähe zur Organisation Kenntnis von Missständen erlangen und diese zum Wohle der Allgemeinheit aufdecken können, ist eine Ausweitung des Anwendungsbereichs auf diese Personengruppe überzeugend. (2) Externe Personen mit beruflicher Verbindung zum Unternehmen Neben solchen Personen, die in die betroffene Organisation unmittelbar eingegliedert sind, werden darüber hinaus auch solche, die nur in einer beruflichen Verbindung zum Unternehmen stehen, als Hinweisgeber eingestuft, vgl. Art. 4 Abs. 1 lit. b), d) EU-RL 2019/1937. Sowohl Selbstständige (Art. 4 Abs. 1 lit. b) EU-RL 2019/1937) als auch Personen, die unter der Aufsicht und Leitung von Auftragnehmern, Unterauftragnehmern und Lieferanten arbeiten (Art. 4 Abs. 1 lit. d) EURL 2019/1937), können schutzwürdige Whistleblower sein. Selbstständige im Sinne des Art. 49 AEUV sind in Abgrenzung zu einem Arbeitnehmer all solche, die nicht weisungsgebunden handeln und sich in keinem Unterordnungsverhältnis befinden.32 Damit werden insbesondere Auftragnehmer, Unterauftragnehmer, Lieferanten, Berater, Freiberufler und auch Auftraggeber erfasst.33 Der europäische Gesetzgeber stützt dies auf den überzeugenden Gedanken, dass solche Personen meist sehr eng in das Geschehen eingebunden sind und damit auch leichter von Missständen Kenntnis erlangen können, gleichzeitig aber vielseitigen Gefahren34 ausgesetzt sein können.35 29
23.
Vgl. Erwägungsgrund (37) zur RL 2019/1937, Amtsblatt der Europäischen Union, L 305/
30 Ein Praktikant muss jedenfalls eine geringe Vergütung erhalten, um als Arbeitnehmer angesehen werden zu können, vgl. EuArbR/Steinmeyer, AEUV, Art. 45 Rn. 23; zur Einordnung eines Praktikanten als Arbeitnehmer vgl. auch EuGH, Urteil vom 30. 3. 2006 – C-10/05 (Cynthia Mattern, Hajrudin Cikotic), NZA 2006, 649, 649 f. 31 Vgl. Erwägungsgrund (40) zur RL 2019/1937, Amtsblatt der Europäischen Union, L 305/ 24. 32 GHN/Forsthoff, AEUV, Art. 45 Rn. 69; Calliess/Ruffert/Korte, EUV/AEUV, Art. 49 AEUV Rn. 16. 33 Erwägungsgrund (39) zur RL 2019/1937, Amtsblatt der Europäischen Union, L 305/24. 34 Bspw. einer vorzeitigen Kündigung, der Beendigung von Dienstleistungsvertrag, Lizenz oder Bewilligung, Auftrags- oder Einkommensverlusten, No¨ tigungen, Einschu¨ chterungen oder
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Teil 2: Schutz von Hinweisgebern
Selbstständige im Rahmen des Art. 4 Abs. 1 lit. b) EU-RL 2019/1937 können jedoch nur natürliche Personen sein.36 Der Begriff des Hinweisgebers (vgl. Art. 5 Nr. 7 EU-RL 2019/1937), auf den in Art. 4 Abs. 1 EU-RL 2019/1937 zu Anfang abgestellt wird, ist auf natürliche Personen begrenzt.37 Dies zeigt sich auch darin, dass in Art. 4 Abs. 1 lit. b) EU-RL 2019/1937 nur auf Art. 49 AEUV verwiesen wird, nicht aber auf Art. 54 AEUV, der erst die Anwendung der Vorschriften der Niederlassungsfreiheit auf Gesellschaften ausweitet.38 Unterstützt wird dieses Ergebnis zusätzlich durch den Umstand, dass der Kommissions-Entwurf ursprünglich nicht nur natürliche Personen, sondern auch juristische Personen als Hinweisgeber anerkannt hatte.39 Somit ist der persönliche Anwendungsbereich des nationalen Umsetzungsakts de lege ferenda ausschließlich auf selbstständige Privatpersonen, nicht aber auf Unternehmen40 zu erstrecken. Wegen dieser Vorgaben nimmt der Umsetzungsakt zu der EU-Richtlinie 2019/ 1937 auch Einfluss auf das allgemeine Zivilrecht. Art. 4 Abs. 1 lit. d) EU-RL 2019/1937 sieht zudem vor, dass Personen, die unter der Aufsicht und Leitung von Auftragnehmern, Unterauftragnehmern und Lieferanten arbeiten, ebenfalls in den persönlichen Anwendungsbereich der Richtlinie fallen und damit auch künftig schutzwürdige Hinweisgeber im Sinne des Umsetzungsakts sein müssen. Diese Personen können nicht nur Missstände „ihres“ Unternehmens, sondern auch solche des Unternehmens des Auftraggebers melden oder offenlegen.41 In beide Richtungen muss ihnen daher de lege ferenda der Schutz der Richtlinie zugutekommen. Auf eine Arbeitnehmerstellung wird an dieser Stelle, anders als im Rahmen des Art. 4 Abs. 1 lit. a) EU-RL 2019/1937, nicht abgestellt.42 Ausreichend ist allein die Aufsicht und Leitung seitens des Auftragnehmers, Unterauftragnehmers oder Lieferanten. Daher darf der nationale Gesetzgeber ihren Schutz nicht von einer Arbeitnehmereigenschaft abhängig machen. Insofern sind insbesondere auch Fälle des Fremdpersonaleinsatzes43, bei denen eine Person selbstständig ist und für den Auftragnehmer gegenüber dem auftraggebenden Unternehmen die vertragliche Leistung durch seine Dienste erfüllt, erfasst.
Mobbing, dem Setzen auf „schwarze Listen“, einem gescha¨ ftlichen Boykott oder einer Rufschädigung. 35 Erwägungsgrund (39) zur RL 2019/1937, Amtsblatt der Europäischen Union, L 305/24. 36 So auch EuArbR/Fest, EU-RL 2019/366, Art. 4 Rn. 8. 37 EuArbR/Fest, EU-RL 2019/366, Art. 4 Rn. 8. 38 EuArbR/Fest, EU-RL 2019/366, Art. 4 Rn. 8. 39 Vgl. Art. 3 Nr. 9 COD 2018/0106; hierzu noch Gerdemann, RdA 2019, 16, 22. 40 Mit Ausnahme des Art. 4 Abs. 4 lit. c) EU-RL 2019/1937. 41 So auch Forst, EuZA 2020, 283, 288. 42 A. A. EuArbR/Fest, EU-RL 2019/366, Art. 4 Rn. 13. 43 So auch Forst, EuZA 2020, 283, 288.
A. Person des Hinweisgebers
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bb) Informationserlangung im beruflichen Kontext Der persönliche Anwendungsbereich der Richtlinie wird zudem gemäß Art. 4 Abs. 1 EU-RL 2019/1937 davon abhängig gemacht, dass der Hinweisgeber die Informationen über Verstöße im beruflichen Kontext erlangt haben muss. Das Kriterium des beruflichen Kontexts ist in Art. 5 Nr. 9 EU-RL 2019/1937 legaldefiniert und fordert eine Erlangung von Informationen durch eine laufende oder fru¨ here Arbeitsta¨ tigkeit44, unabhängig von der Art der Tätigkeit, und die Gefahr, dass die Person sich Repressalien ausgesetzt sehen ko¨ nnte, wenn sie diese Informationen melden wu¨ rde. Zwingendes Erfordernis ist folglich eine Informationserlangung im Rahmen irgendeiner45 laufenden oder früheren Arbeitstätigkeit des Hinweisgebers. Es werden damit von vornherein Personen vom persönlichen Anwendungsbereich ausgeschlossen, die lediglich in einem privaten Kontakt zu dem Unternehmen stehen (bspw. privaten Kunden). Fraglich ist, ob der Hinweisgeber die Informationen selbst wahrnehmen muss, um ein schutzwürdiges Recht zur Meldung oder Offenlegung zu begründen. Da die Regelung nur irgendeinen beruflichen Kontext erfordert, erscheint es nicht ausgeschlossen, dass eine mittelbare Kenntniserlangung durch Information seitens eines Dritten (bspw. Kollegen) während der Ausübung der Arbeitstätigkeit ausreicht. Dies lässt jedoch unberücksichtigt, dass der berufliche Kontext dadurch definiert wird, dass die Person „durch“ eine laufende oder frühere Arbeitstätigkeit Informationen über Verstöße erlangt. Erfährt der Whistleblower nur durch die Mitteilung eines Dritten von den (vermeintlichen) Verstößen, ist davon nicht auszugehen. Vielmehr ergibt sich sogar aus Erwägungsgrund Nummer 43, dass eine Meldung von Gerüchten nicht schutzwürdig ist.46 Im Fall einer bloß mittelbaren Informationserlangung würde es sich im Ergebnis jedoch um nichts anderes handeln. Es wäre eine Meldung oder Offenlegung vom bloßen Hörensagen. Ein solcher Hinweis ist mit einer erheblichen Fehleranfälligkeit behaftet, sodass damit regelmäßig kein Beitrag für die effektive Rechtsdurchsetzung im öffentlichen Interesse geleistet wird. Vor diesem Hintergrund ist anzunehmen, dass sich die Richtlinie überzeugender Weise ausschließlich auf Hinweisgeber bezieht, die von den Informationen über die Verstöße unmittelbar selbst Kenntnis erlangt haben. Ohne Relevanz für die Eröffnung des persönlichen Anwendungsbereichs ist dagegen, ob der Hinweis auf einer rechtswidrigen Informationserlangung beruht. Da ein Whitsleblower nach Art. 21 Abs. 3 EU-RL 2019/1937 grundsätzlich nicht fu¨ r eine rechtswidrige Informationsbeschaffung haftbar gemacht werden kann, ist im Umkehrschluss anzunehmen, dass ein solches Vorverhalten keinen Ausschluss der 44 Zu der Ausweitung des beruflichen Kontextes auf den „vorvertraglichen“ Bereich unter Teil 2 C. II. 1. a) aa) (1) (a) (aa). 45 Zu den begrifflichen Divergenzen zwischen dem Begriff des Hinweisgebers (Art. 5 Nr. 7 EU-RL 2019/1937) und dem des beruflichen Kontexts (Art. 5 Nr. 9 EU-RL 2019/1937) Forst, EuZA 2020, 283, 287. 46 Erwägungsgrund (43) zur RL 2019/1937, Amtsblatt der Europäischen Union, L 205/24.
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Teil 2: Schutz von Hinweisgebern
Anwendung der Richtlinie begründet. Eine davon abweichende Umsetzung auf nationaler Ebene wäre nicht mit den Vorgaben der Richtlinie vereinbar. b) Zeitliche Dimension nach Art. 4 Abs. 2, 3 EU-RL 2019/1937 In zeitlicher Hinsicht sieht Art. 4 Abs. 2 EU-RL 2019/1937 vor, dass auch Hinweisgeber geschützt sind, deren Arbeitsverhältnisse bereits beendet sind. Dies überzeugt auch, da insbesondere nach Beendigung des Vertragsverhältnisses grundsätzlich die Meldebereitschaft zunimmt, gleichzeitig Arbeitgeber aber weiterhin die Möglichkeit haben, einem ehemaligen Arbeitnehmer Repressalien aufzuerlegen.47 Nach den Vorgaben der Richtlinien ist es unbeachtlich, wie weit das Vertragsverhältnis zeitlich zurückliegt. Dies kann damit begründet werden, dass, unabhängig einer zeitlichen Zäsur, im Einzelfall immer noch ein öffentliches Interesse an einem Verstoß bestehen kann.48 Auch wenn durchaus Argumente für eine zeitliche Einschränkung sprechen49, widerspräche eine solche nationale Umsetzung den mindestharmonisierenden Vorgaben der Richtlinie und wäre damit unzulässig. Spiegelbildlich ist der persönliche Anwendungsbereich der Richtlinie auch eröffnet, wenn das Arbeitsverhältnis des Hinweisgebers noch nicht begonnen hat, er aber während des Einstellungsverfahrens oder anderer vorvertraglicher Handlungen Informationen über Verstöße erlangt hat, vgl. Art. 4 Abs. 3 EU-RL 2019/1937. Fraglich ist jedoch, ob der europäische Gesetzgeber die dargestellte Ausdehnung des persönlichen Anwendungsbereichs in zeitlicher Hinsicht (Art. 4 Abs. 2, 3 EURL 2019/1937) auf den gesamten ersten Absatz des Art. 4 EU-RL 2019/1937 erstrecken oder ausschließlich hinweisgebende Arbeitnehmer erfassen wollte. Wegen des zugehörigen Erwägungsgrundes Nummer 39 könnte dies erwogen werden. An entsprechender Stelle wurde nicht nur auf Bewerber für eine Stelle, sondern ausdrücklich auch auf Personen, die eine Dienstleistung erbringen möchten, abgestellt.50 Es wird zudem ausgeführt, dass eine mögliche Repressalie im vor- und nachvertraglichen Bereich auch ein geschäftlicher Boykott sein könne.51 In Art. 4 Abs. 2, 3 EU-RL 2019/1937 wird jedoch ausdrücklich auf ein Arbeitsverhältnis verwiesen. Die Beziehung zwischen einem Arbeitnehmer im Sinne des Art. 45 AEUV und seinem Arbeitgeber wird in der europäischen Rechtsprechung
47
Hierzu auch Thüsing/Thüsing/Forst, § 6 Rn. 34. EuArbR/Fest, EU-RL 2019/366, Art. 19 Rn. 12. 49 Umso länger ein Arbeitsverhältnis zurückliegt, desto weniger ist eine zutreffende und zielführende Meldung oder Offenlegung noch zu erwarten. 50 Erwägungsgrund (39) zur RL 2019/1937, Amtsblatt der Europäischen Union, L 305/24. 51 Erwägungsgrund (39) zur RL 2019/1937, Amtsblatt der Europäischen Union, L 305/24. 48
A. Person des Hinweisgebers
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gerade als „Arbeitsverhältnis“ bezeichnet.52 Vor diesem Hintergrund ist anzunehmen, dass ausschließlich ehemalige und potentielle Arbeitnehmer des betroffenen Unternehmens schutzwürdige Hinweisgeber im Sinne der Richtlinie sein können. Die Anwendung des Art. 4 Abs. 2, 3 EU-RL 2019/1937 beschränkt sich somit ausschließlich auf Arbeitnehmer im Sinne des Art. 4 Abs. 1 lit. a) EU-RL 2019/1937. Den sonstigen Personen des Art. 4 Abs. 1 EU-RL 2019/1937 muss folglich nach unionsrechtlichen Vorgaben kein Schutz im „vor- und nachvertraglichen“ Stadium eingeräumt werden. c) Schutz von Personen mit Verbindung zum Hinweisgeber Die bisher dargestellten Personengruppen können selbst Hinweisgeber sein und durch ihr Verhalten einen Schutzanspruch begründen. Davon zu trennen ist die Regelung des Art. 4 Abs. 4 EU-RL 2019/1937. Danach wird bestimmten Personen der Schutz der Whistleblowing-Richtlinie nach den Art. 19 ff. EU-RL 2019/1937 (VI. Kapitel) zugesprochen, obwohl sie selbst keine Hinweisgeber sind, zu einem solchen aber in einer Verbindung stehen. Auf diese Personengruppe soll im Folgenden nicht eingegangen werden, sondern ausschließlich auf den Schutzanspruch potentieller Hinweisgeber. Der Vollständigkeit halber ist jedoch darauf hinzuweisen, dass Mittler (Art. 4 Abs. 4 lit. a), Art. 5 Nr. 8 EU-RL 2019/1937), Dritte, die selbst eine Repressalie im beruflichen Kontext erleiden können (Art. 4 Abs. 4 lit. b) EU-RL 2019/1937) und juristische Personen mit Verbindung zum Hinweisgeber (Art. 4 Abs. 4 lit. c) EU-RL 2019/1937) grundsätzlich geschützt werden müssen. d) Zwischenergebnis Die Richtlinie sieht einen weiten persönlichen Anwendungsbereich vor, der entsprechend auf nationaler Ebene fortgeführt werden muss. Die Weite des persönlichen Anwendungsbereichs überzeugt mit Blick auf das Ziel der Richtlinie. Whistleblowing wird von dem europäischen Gesetzgeber als effektives Mittel zur Verbesserung der Rechtsdurchsetzung angesehen. Aus diesem Grund ist es nur stringent, auch sämtlichen Personen den Schutz der Richtlinie zuzusprechen, die durch ihre berufliche Einbindung in der Lage sind, von unternehmensinternen Missständen Kenntnis zu erlangen. Außenstehende Dritte ohne berufliche Beziehung zum Unternehmen werden dagegen nicht geschützt. Dies wird vereinzelt kritisch gesehen, da insbesondere auch Dritte im privaten Kontext bedeutsame Informationen erlangen, anschließend aufdecken und ihnen daran anknüpfend ebenfalls schwerwiegende Nachteile drohen könnten.53 52 EuGH, Urteil vom 13. 12. 2012 – C-379/11 (Caves Krier Frères Sàrl), NZA 2013, 83, 84; EuGH, Urteil vom 19. 6. 2014 – C-507/12 (Jessy Saint Prix), NZA 2014, 765, 766. 53 Dilling, CCZ 2019, 214, 216.
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Teil 2: Schutz von Hinweisgebern
2. Umsetzung auf nationaler Ebene a) Umsetzungsempfehlung: Bestimmung des persönlichen Anwendungsbereichs durch eine Generalklausel Der nationale Gesetzgeber muss künftig sämtlichen in Art. 4 Abs. 1 EU-RL 2019/ 1937 genannten Personen den Schutz der Richtlinie einräumen. Zur Vermeidung von Schutzlücken sollte eine Generalklausel normiert werden, die die Person des Hinweisgebers allgemein bestimmt. Die Generalklausel sollte durch einen an Art. 4 Abs. 1 EU-RL 2019/1937 angelehnten Katalog potentieller Hinweisgeber ergänzt werden. Andernfalls können Whistleblower, meist juristische Laien, nur schwer erkennen, ob sie von dem persönlichen Anwendungsbereich des Gesetzes erfasst werden. Mit Umsetzung der Whistleblowing-Richtlinie sollte zudem eindeutig festgelegt werden, dass schutzwürdige Hinweisgeber Kenntnis von den Informationen über die Verstöße unmittelbar im beruflichen Kontext erlangt haben müssen. Der Gesetzesentwurf in seiner aktuellen Fassung entspricht dieser Empfehlung nur teilweise. In § 1 Abs. 1 HinSchG-Entwurf wurde zutreffend eine Generalklausel zur Bestimmung des persönlichen Anwendungsbereichs vorgesehen. Hinweisgeber sind nach dieser Regelung natürliche Personen, die im Zusammenhang mit ihrer beruflichen oder dienstlichen Tätigkeit Informationen über Verstöße erlangt haben und diese an Meldestellen melden oder offenlegen. Die Vorschrift sollte jedoch dahingehend überarbeitet werden, dass einzelne geschützte Personengruppen ausdrücklich benannt werden. Zudem fehlt in § 1 Abs. 1 HinSchG-Entwurf eine Klarstellung, dass es einer unmittelbaren Kenntniserlangung des Hinweisgebers von den Informationen über die Missstände bedarf. Der Gesetzgeber sollte an dieser Stelle entsprechend Nachbesserungen vornehmen: (1) Dieses Gesetz gilt für Hinweisgeber im Sinne des Absatzes 2. (2) Hinweisgeber sind natürliche Personen, die im beruflichen Kontext Informationen über vergangene, andauernde und unmittelbar bevorstehende Verstöße […], einschließlich der Verschleierung solcher Verstöße, selbst wahrgenommen haben und diese Informationen gegenüber den zuständigen Stellen im Sinne dieses Gesetzes melden oder diese offenlegen. Hinweisgeber können insbesondere folgende Personen sein a) Beschäftigte, b) Freiwillige und Praktikanten, c) Anteilseigner und Organmitglieder, d) Selbstständige und e) Personen, die unter der Aufsicht und Leitung von Auftragnehmern, Unterauftragnehmern und Lieferanten arbeiten.
A. Person des Hinweisgebers
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b) Ausdehnung des persönlichen Anwendungsbereichs Es könnte erwogen werden, den persönlichen Anwendungsbereich der Richtlinie auf nationaler Ebene in verschiedener Hinsicht auszudehnen. Denkbar wäre es insbesondere, den Schutz der Richtlinie in persönlicher Hinsicht auf außenstehende Dritte (bspw. private Kunden) zu erstrecken. Daneben könnte die in Art. 4 Abs. 2, 3 EU-RL 2019/1937 vorgesehene Beschränkung auf nationaler Ebene aufgehoben und Art. 4 Abs. 2, 3 EU-RL 2019/1937 auf sämtliche potentielle Hinweisgeber im Sinne des Art. 4 Abs. 1 EU-RL 2019/1937 erstreckt werden. aa) Ausdehnung auf außenstehende Dritte: Verzicht auf das Kriterium des „beruflichen Kontextes“ (1) Unionsrechtlicher Umsetzungsspielraum Fraglich ist zunächst, ob die EU-Richtlinie 2019/1937 dem nationalen Gesetzgeber dahingehend Umsetzungsspielraum eröffnet, dass er auch außenstehende Dritte, ohne berufliche Beziehung zu dem betroffenen Unternehmen, als potentielle Hinweisgeber einstufen kann. In Art. 4 Abs. 1 EU-RL 2019/1937 ist ausgeführt, dass die aufgezählten Personen „mindestens“ vom persönlichen Anwendungsbereich der Richtlinie erfasst sein müssen. Insofern steht es dem nationalen Gesetzgeber zu, weitere, in Art. 4 Abs. 1 EU-RL 2019/1937 nicht aufgezählte Personengruppen in den Schutz des Umsetzungsaktes einzubeziehen. Der durch Art. 4 Abs. 1 EU-RL 2019/1937 vermittelte Umsetzungsspielraum ist jedoch eingeschränkt. Es muss sich auch bei den weiteren Personen um Hinweisgeber im Sinne des Art. 5 Nr. 7 EU-RL 2019/1937 handeln, die im beruflichen Kontext Informationen erlangen. Eine Einbeziehung externer Dritter (wie bspw. private Kunden eines Unternehmens) in den Anwendungsbereich des Umsetzungsakts erscheint vor diesem Hintergrund problematisch. Außenstehende (private) Dritte haben keine berufliche Beziehung zu dem betroffenen Unternehmen, sodass sie auch gerade keine Informationen über Verstöße in diesem Unternehmen im Rahmen ihrer Arbeitstätigkeit erlangen können. Die Einbeziehung außenstehender Dritter in den persönlichen Anwendungsbereich des nationalen Umsetzungsakts zu der EU-Richtlinie 2019/ 1937 kann somit nicht auf Art. 4 Abs. 1 EU-RL 2019/1937 gestützt werden. Die Anwendung des Whistleblower-Schutzes auf hinweisgebende externe Dritte kann jedoch dadurch erreicht werden, dass auf das Kriterium des „beruflichen Kontextes“ verzichtet wird. Der nationale Gesetzgeber könnte de lege ferenda jede Kenntniserlangung für das geschützte Recht zur Meldung bzw. Offenlegung unternehmensinterner Missstände ausreichen lassen. Dies wäre unionsrechtlich zulässig. Es steht den Mitgliedstaaten der Europäischen Union grundsätzlich zu, den Regelungsgehalt einer Richtlinie auch auf weitere Sachverhalte zu erstrecken, auf die
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Teil 2: Schutz von Hinweisgebern
diese grundsätzlich keine Anwendung finden würde.54 Diese Möglichkeit besteht auch für den persönlichen Anwendungsbereich einer Richtlinie.55 (2) Verfassungsrechtliche Vorgaben Das grundgesetzliche Gleichheitsgebot (Art. 3 Abs. 1 GG56) verlangt von dem nationalen Gesetzgeber keine überschießende Umsetzung des persönlichen Anwendungsbereichs der Richtlinie auf außenstehende Dritte. Zwar wird diese Personengruppe mit Fortführung der Richtlinienbestimmungen schlechter gestellt als die von Art. 4 EU-RL 2019/1937 erfassten Personen. Sie können sich de lege ferenda nicht auf den umfassenden Whistleblower-Schutz, der in Umsetzung der Richtlinienvorgaben künftig gewährt wird und über den bisherigen Schutz von Whistleblowern hinausgeht57, berufen. Außenstehende Dritte sind jedoch gerade nicht in das Unternehmen eingebunden und von diesem auch nicht beruflich und damit ebenso wenig wirtschaftlich abhängig. Mit einer „1:1-Umsetzung“ der EU-Richtlinie in persönlicher Hinsicht würde keine nach Art. 3 Abs. 1 GG unzulässige Ungleichbehandlung entstehen, da die sich gegenüberstehenden Personengruppen bereits nicht vergleichbar sind. Umgekehrt wäre es aber genauso zulässig, auf das einschränkende Kriterium des beruflichen Kontextes zu verzichten. Zum Schutz der Grundrechtsbetätigung eines hinweisgebenden Dritten (Art. 5 Abs. 1 S. 1 Fall 1 GG; Art. 2 Abs. 1 i. V. m. Art. 20 Abs. 3 GG; Art. 17 GG), der ausnahmsweise tatsächlich von unternehmensinternen Missständen Kenntnis erlangen konnte, diese aufdeckt und damit ebenfalls einen Beitrag für die effektive Rechtsdurchsetzung im öffentlichen Interesse leistet, wäre es, unter Berücksichtigung der einschränkenden Anforderungen an seine Meldung bzw. Offenlegung, nicht unverhältnismäßig, ihm einen Schutzanspruch zu Lasten der unternehmerischen Interessen (Art. 12 Abs. 1 GG) zuzusprechen. (3) Umsetzungsempfehlung Dies bedeutet jedoch nicht, dass der Gesetzgeber die Richtlinie überschießend umsetzen sollte. Außenstehende Dritte erlangen mangels beruflicher Einbindung nur in seltenen Ausnahmefällen (selbst) Kenntnis von unternehmensinternen Missständen. Mit der Ausweitung des Schutzes der Richtlinie auf sonstige Dritte und dem damit verbundenen Anreiz zum Whistleblowing würden Unternehmen und auch die 54
GHN/Nettesheim, Art. 288 AEUV Rn. 131; ähnlich auch Burmeister/Staebe, EuR 2009, 444, 445, 450; zum Begriff der überschießenden Umsetzung auch Payrhuber/Stelkens, EuR 2019, 190, 195. 55 EuGH, Urteil vom 12. 7. 2012 – C-602/10 (SC Volksbank Romania SA), Rn. 67 auf juris.de; Leidenmühler, EuR 2019, 383, 387. 56 Zu der Problematik der unionsrechtlich induzierten Ungleichbehandlung und der Anwendung des Art. 3 Abs. 1 GG bzgl. des sachlichen Anwendungsbereichs unter Teil 2 B. II. 1. a) bb) (2) (a) (aa) (a). 57 Vgl. hierzu unter Teil 2 C.
A. Person des Hinweisgebers
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im Einzelnen bezichtigten Personen regelmäßig einem erhöhten Risiko falscher Vorwürfe ausgesetzt. Hinzu kommt, dass zumindest die externen staatlichen Stellen mit einem erheblichen Mehraufwand belastet würden, wenn im Ergebnis jeder beliebige Dritte, der vermeintlich von unternehmensinternen Missständen Kenntnis erlangt hat, Meldung erstatten könnte. Die Effektivität der Meldesysteme könnte zu Lasten der Rechtsdurchsetzung beeinträchtigt werden. Die Ausdehnung des persönlichen Anwendungsbereichs auf sonstige Dritte würde nur einen geringen Mehrwert für die Förderung der Rechtsdurchsetzung im öffentlichen Interesse bieten. Zudem ist ein außenstehender Dritter, der in keiner beruflichen Beziehung zu dem Unternehmen steht, nicht schutzbedürftig. Nachteile, die ihm bei einer Meldung oder Offenlegung drohen können, sind nicht vergleichbar mit denen für die in Art. 4 EU-RL 2019/1937 genannten Personen, da das angezeigte Unternehmen keinen maßgeblichen Einfluss auf den außenstehenden Dritten nehmen kann. Externe (Privat-) Personen befinden sich gerade in keinem Abhängigkeitsverhältnis zu dem gegenüberstehenden Unternehmen, welches das besondere Schutzbedürfnis begründen würde. Der nationale Gesetzgeber sollte daher den Schutz der Richtlinie nicht auf außenstehende Dritte ausweiten, sondern vielmehr an dem einschränkenden Kriterium des beruflichen Kontextes festhalten. Der aktuelle Gesetzesentwurf entspricht diesem Ergebnis. Nach § 1 Abs. 1 HinSchG-Entwurf sind Hinweisgeber nur solche Personen, die im Zusammenhang mit ihrer beruflichen oder dienstlichen Tätigkeit Informationen über Verstöße erlangt haben. Das maßgebliche Kriterium für die Einordnung als Hinweisgeber ist zwar nicht der berufliche Kontext. Durch das Erfordernis einer Informationserlangung im beruflichen Zusammenhang werden jedoch ebenfalls außenstehende Dritte vom persönlichen Anwendungsbereich des Hinweisgeberschutzgesetzes ausgeschlossen. An dieser einschränkenden Vorgabe darf und sollte dem Grunde nach festgehalten werden. bb) Ausdehnung der zeitlichen Dimension Der nationale Gesetzgeber kann zudem im Wege der überschießenden Umsetzung zur Förderung des Richtlinienziels die Regelung des Art. 4 Abs. 2 und Abs. 3 EU-RL 2019/1937 auf den gesamten ersten Absatz der Vorschrift ausweiten. Dieses Vorhaben ist auch mit dem Grundgesetz vereinbar. Es muss wegen Art. 3 Abs. 1 GG sogar erwogen werden, ob eine unterschiedliche Behandlung de lege ferenda verfassungsrechtlich zulässig wäre. Sämtliche Hinweisgeber im Sinne des Art. 4 Abs. 1 EU-RL 2019/1937 können sich, genauso wie ein Arbeitnehmer, erst nach Beendigung des Vertragsverhältnisses zum Whistleblowing entschließen. Gleichzeitig sind sie zu diesem Zeitpunkt weiterhin dem Risiko von Repressalien durch die betroffene Organisation ausgesetzt.58 Nichts anderes gilt für den vorvertraglichen Bereich. Die 58
Bspw. Rufschädigung, Setzen auf eine „Schwarze Liste“.
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Teil 2: Schutz von Hinweisgebern
sonstigen Personengruppen des ersten Absatzes sind wie Arbeitnehmer schutzbedürftig und können in gleicher Weise einen Beitrag für die effektive Rechtsdurchsetzung leisten. Ein Grund für eine Differenzierung zwischen diesen Personengruppen wäre nur schwer zu rechtfertigen. Zur Förderung der Rechtsdurchsetzung ist es in jedem Fall überzeugend, Art. 4 Abs. 2, 3 EU-RL 2019/1937 bei Umsetzung der Whistleblowing-Richtlinie auf den gesamten ersten Absatz auszuweiten.59 In der ersten Entwurffassung eines künftigen Hinweisgeberschutzgesetzes ist keine ausdrückliche Ausweitung des persönlichen Anwendungsbereichs auf den „vor- und nachvertraglichen“ Bereich vorgesehen. Denkbar ist, dass diese Fälle ebenfalls unter § 1 Abs. 1 HinSchG-Entwurf subsumiert werden können („Zusammenhang mit der beruflichen oder dienstlichen Tätigkeit“). In dem Gesetzesentwurf wird ausgeführt, dass auch die Fälle des Art. 4 Abs. 2, 3 EU-RL 2019/1937 von dem Begriff des Hinweisgebers erfasst sein sollen und der Terminus der „beruflichen und dienstlichen Tätigkeit“ weit zu verstehen sei.60 Nicht eindeutig ist jedoch, ob durch die weite Formulierung des § 1 Abs. 1 HinSchG-Entwurf sämtliche Personengruppen des Art. 4 Abs. 1 EU-RL 2019/1937 oder nur Arbeitnehmer im Sinne des Art. 45 AEUV auch im „vor- und nachvertraglichen“ Bereich geschützt werden sollen. Um diese Unsicherheit zu beseitigen, sollte der nationale Gesetzgeber an den wie folgt definierten Begriff des beruflichen Kontextes anknüpfen: Ein beruflicher Kontext ist eine laufende oder fru¨ here Arbeitsta¨ tigkeit, eine vorvertragliche Verhandlung oder eine ähnliche berufliche Beziehung, durch die die Person unabha¨ ngig von der Art der Ta¨ tigkeit Informationen u¨ ber Versto¨ ße erlangt und bei denen sich diese Person Repressalien ausgesetzt sehen ko¨ nnte, wenn sie diese Informationen melden oder offenlegen wu¨ rde.
B. Zulässigkeit von Hinweisen Allein der Umstand, dass eine Person Whistleblower sein kann, bedeutet nicht zwingend, dass sie auch geschützt wird. Der Schutzanspruch von Whistleblowern besteht nur, wenn ihr hinweisgebendes Verhalten bestimmte Zulässigkeitsanforderungen erfüllt.
I. Zulässigkeit von Hinweisen de lege lata Die Frage der Zulässigkeit des Whistleblowings durch Arbeitnehmer ist de lege lata sowohl Gegenstand von Diskussionen in der juristischen Literatur als auch Gegenstand höchstrichterlicher Rechtsprechung. Umfassende und spezielle gesetzliche Vorgaben zum Whistleblowing bestehen bisher nicht. Zur Beurteilung der 59 60
Wohl auch Forst, EuZA 2020, 283, 288. Referentenentwurf HinSchG, Zu § 1 (Persönliche Anwendungsbereich) Absatz 1, S. 36.
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Zulässigkeit hinweisgebenden Verhaltens muss zwischen dem internen und externen Whistleblowings differenziert werden.61 Wegen der ausschließlichen Relevanz der zum externen Whistleblowing entwickelten Grundsätze für die künftige Rechtslage62, wird sich die folgende Darstellung der Zulässigkeitskriterien de lege lata allein auf diese beschränken. 1. Normative Verankerung der Zulässigkeitsvoraussetzungen Anknüpfungspunkt der Beurteilung der Zulässigkeit des externen Whistleblowings nach bisheriger Rechtslage ist die arbeitsvertragliche Pflicht des Arbeitnehmers zur Rücksichtnahme gegenüber den geschäftlichen Interessen des Arbeitgebers nach § 241 Abs. 2 BGB, grundgesetzlich verankert in der Berufsfreiheit des Arbeitgebers (Art. 12 Abs. 1 GG).63 Sofern ein Arbeitnehmer mit der Aufdeckung unternehmensinterner Missstände gegenüber externen Stellen seine Rücksichtnahmepflicht verletzt, kann dies einen Kündigungsgrund begründen. Der Inhalt der Rücksichtnahmepflicht wird durch Herstellung eines angemessenen Interessenausgleichs zwischen den betroffenen Grundrechten der Parteien (Arbeitgeber und Arbeitnehmer64) im Wege der praktischen Konkordanz ermittelt.65 Eine Verletzung der Rücksichtnahmepflicht wird vor diesem Hintergrund angenommen, wenn es sich bei dem (externen) Whistleblowing um eine unverhältnismäßige Reaktion des Arbeitnehmers auf das Verhalten des Arbeitgebers oder seines Repräsentanten handelt.66 Um der mit dieser erforderlichen Einzelfallprüfung einhergehenden Unsicherheit Abhilfe zu leisten, hat das Bundesarbeitsgericht Kriterien aufgestellt, die bei der rechtlichen Beurteilung des hinweisgebenden Verhaltens berücksichtigt werden müssen.67 Diesen Kriterien kommt jedoch nur indizieller
61 Vgl. bspw. Küttner/Kania, Personalbuch 2020, Whistleblowing Rn. 2 ff.; Boecken/Düwell/Diller/Hanau/Kerwer, Gesamtes Arbeitsrecht, § 1 KSchG Rn. 1052 ff.; vgl. aber BAG, Urteil vom 27. 9. 2012 – 2 AZR 646/11, NJOZ 2013, 1064, 1068, danach würde „einiges dafür [sprechen], diese Grundsätze [zum externen Whistleblowing] sinngemäß auf den Bereich innerbetrieblicher ,Anzeigen‘ zu übertragen“. 62 Vgl. dazu sogar Erwägungsgrund (31) zur RL 2019/1937, Amtsblatt der Europäischen Union, L 305/23. 63 BAG, Urteil vom 3. 7. 2003 – 2 AZR 235/02, NZA 2004, 427, 429; Boecken/Düwell/ Diller/Hanau/Kerwer, Gesamtes Arbeitsrecht, § 1 KSchG Rn. 1055; Rudkowski, CCZ 2013, 204, 205. 64 Zu der Grundrechtsposition des hinweisgebenden Arbeitnehmers unter Teil 1 D. II. 1. 65 BAG, Urteil vom 3. 7. 2003 – 2 AZR 235/02, NZA 2004, 427, 429; so auch Boecken/ Düwell/Diller/Hanau/Kerwer, Gesamtes Arbeitsrecht, § 1 KSchG Rn. 1055; LKB/Krause, KSchG, § 1 Rn. 553. 66 BAG, Urteil vom 3. 7. 2003 – 2 AZR 235/02, NZA 2004, 427, 430; LKB/Krause, KSchG, § 1 Rn. 553; Rudkowski, CCZ 2013, 204, 205; Gallner/Mesterwedt/Nägele/Zimmermann, § 1 KSchG Rn. 363. 67 Gerdemann, RdA 2019, 16, 18 f.
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Teil 2: Schutz von Hinweisgebern
Charakter zu68, sodass es nicht ausgeschlossen ist, dass noch weitere, bis dato nicht benannte Kriterien Einfluss nehmen können.69 2. Voraussetzungen der Zulässigkeit des (externen) Whistleblowings Bevor auf die Kriterien zur Beurteilung der Zulässigkeit des (externen) Whistleblowings eingegangen wird, ist darzustellen, welche unternehmensinternen Missstände ein Whistleblower de lege lata melden kann. a) Meldegegenstand de lege lata aa) Rechtsverstöße Unter Berücksichtigung der höchstrichterlichen Rechtsprechung70 ist anzunehmen, dass Hinweisgeber de lege lata Straftaten zur Anzeige bringen dürfen. Sowohl Landesarbeitsgerichte71 als auch der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte72 haben Arbeitnehmern zudem das Recht zugesprochen, auch außerhalb des Strafrechts Rechtsverstöße gegenüber zuständigen Behörden anzuzeigen. Auch in der Literatur wird entsprechend angenommen, dass jegliche Rechtsverstöße73 (bspw. Verstöße gegen das Steuerstrafrecht, das „allgemeine Strafrecht“, Schutzvorschriften für Arbeitnehmer74, sozialversicherungsrechtliche Vorgaben75, das Kartellrecht, das Umweltrecht76) aufgedeckt werden dürfen.77 Höchstrichterlich ungeklärt ist jedoch, 68
BAG, Urteil vom 3. 7. 2003 – 2 AZR 235/02, NZA 2004, 427, 430. Ähnlich auch Gerdemann, RdA 2019, 16, 18; wohl auch Gallner/Mesterwedt/Nägele/ Zimmermann, § 1 KSchG Rn. 363. 70 BVerfG, Beschluss vom 2. 7. 2001 – 1 BvR 2049/00, NZA 2001, 888, 890; BAG, Urteil vom 3. 7. 2003 – 2 AZR 235/02, NZA 2004, 427, 429 f.; BAG, Urteil vom 15. 12. 2016 – 2 AZR 42/16, NJW 2017, 1833, 1833 ff.; EGMR, Urteil vom 21. 7. 2011 – 28274/08 (Heinisch), NZA 2011, 1269, 1271. 71 LAG Baden-Württemberg, Urteil vom 3. 2. 1987 – 7 (13) Sa 95/86, NZA 1987, 756, 756; LAG Köln, Urteil vom 5. 7. 2012 – 6 Sa 71/12, ZWH 2013, 84, 85; hierzu auch Däubler/Hjort/ Schubert/Wolmerath/Markowski, Arbeitsrecht, § 1 KSchG Rn. 312. 72 EGMR, Urteil vom 21. 7. 2011 – 28274/08 (Heinisch), NZA 2011, 1269, 1271. 73 KZDH/Bantle, Arbeitsrecht, § 95 Rn. 47; Herbert/Oberrath, NZA 2005, 193, 194; KHBN/Nebeling/Beisheim, § 70 Rn. 1; MAH ArbR/Reinfeld, § 30 Rn. 49. 74 Kritisch zu der Meldung von Verstößen gegen Vorschriften zum Arbeitsschutz dagegen Wiese, FS Otto, 2008, 621, 640 ff. 75 Eufinger, NZA 2017, 619, 619; Herbert/Oberrath, NZA 2005, 193, 194; Küttner/Kania, Personalbuch 2020, Whistleblowing Rn. 1; Preis/Seiwerth, RdA 2019, 351, 355. 76 Eufinger, NZA 2017, 619, 619; Küttner/Kania, Personalbuch 2020, Whistleblowing Rn. 1; Preis/Seiwerth, RdA 2019, 351, 355; kritisch dagegen Wiese, FS Otto, 2008, 621, 643. 77 Zu dem Recht zur Meldung von Bagatelldelikten vgl. Blassl, CB 2016, 298, 301; Rudkowski, CCZ 2013, 204, 207; zu einer Differenzierung zwischen Ordnungswidrigkeiten und Straftaten vgl. Boecken/Düwell/Diller/Hanau/Kerwer, Gesamtes Arbeitsrecht, § 1 KSchG Rn. 1066. 69
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inwieweit der Meldegegenstand bereits verwirklicht worden sein muss78 und ob auch jeder noch so weit zurückliegende Verstoß extern gemeldet werden darf79. bb) Rechtmäßiges Fehlverhalten Ebenso wenig kann de lege lata rechtssicher beurteilt werden, ob ein schutzwürdiges Recht zur Meldung rechtmäßigen, aber im Einzelfall verwerflichen Verhaltens80 besteht.81 Weder die nationalen Gerichte noch der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte haben bisher eine (eindeutige) Antwort auf die Frage gegeben. Während unter Berücksichtigung der englischen Fassung der Entscheidung „Heinisch“82 des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte ein solches Melderecht angenommen werden kann, steht die entsprechende deutsche Fassung dazu im Widerspruch, in der nur auf die Meldung „rechtswidrigen“ und „strafbaren“ Verhaltens83 Bezug genommen wird. Auch in der Literatur besteht weitgehend Uneinigkeit über das Recht zur Meldung rechtmäßigen Fehlverhaltens. Die herrschende Ansicht nimmt überzeugend an, dass ein Whistleblower im Fall der Aufdeckung rechtmäßigen Fehlverhaltens nicht schutzwürdig ist84, da auch die Bekanntmachung solcher Vorwürfe eine erhebliche Verschlechterung des Ansehens des Unternehmens und damit finanzielle Einbußen begründen kann.85 b) Zulässigkeitskriterien de lege lata Die Zulässigkeit der externen Meldung eines Rechtsverstoßes richtet sich nach bisheriger Rechtslage primär nach den vom Bundesarbeitsgericht aufgestellten Kriterien, die ein Hinweisgeber erfüllen musste.
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Hierzu Forst, EuZA 2013, 37, 67; Strack, CB 2014, 113, 113. Hierzu Forst, EuZA 2013, 37, 67; Thüsing/Thüsing/Forst, § 6 Rn. 41. 80 Bspw. Kinderarbeit, umweltschädliche Praktiken eines Unternehmens bei seiner Produktion im Ausland, die nach dortigem Recht rechtmäßig, aber dennoch als (ethisches) Fehlverhalten angesehen wird, vgl. zu diesem Beispiel BT-Drucksache 19/4724, S. 28. 81 Ähnlich auch Király, RdA 2012, 236, 239. 82 Vgl. die englische Fassung EGMR, Urteil vom 21. 7. 2011 – 28274/08 (Heinisch), Rn. 63, abrufbar unter https://www.hrr-strafrecht.de/hrr/egmr/08/28274-08.php, zuletzt abgerufen am 30. 9. 2020. 83 EGMR, Urteil vom 21. 7. 2011 – 28274/08 (Heinisch), NZA 2011, 1269, 1271. 84 Forst, EuZA 2013, 37, 66; Rotsch/Rotsch/Wagner, § 34 C. Rn. 5; wohl auch Eufinger, NZA 2017, 619, 619; ErfK/Preis, ArbR, § 611a BGB Rn. 716; Preis/Seiwerth, RdA 2019, 351, 355; a. A. Berndt/Hoppler, BB 2005, 2623, 2624; Müller, NZA 2002, 424, 426; Stück, CCZ 2013, 224, 224. 85 Rotsch/Rotsch/Wagner, § 34 C. Rn. 5. 79
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aa) Berechtigung der Meldung Das erste maßgebende Kriterium der Rechtmäßigkeit des Whistleblowings ist die Berechtigung86 der Meldung. Die Berechtigung kann sich aus zwei Aspekten ergeben: Einem objektiven Element, dem tatsächlichen Vorliegen eines Verstoßes, und einem subjektiven Element, der Überzeugung des Hinweisgebers.87 Sofern er gutgläubig ist, steht seinem Schutzanspruch die Unaufklärbarkeit oder die Fehlerhaftigkeit seiner Angaben nicht entgegen.88 Die subjektive Berechtigung zur Anzeige ist abzulehnen, wenn der Hinweisgeber wissentlich unwahre Angaben macht oder die Anzeige leichtfertig erstattet.89 Wissentlichkeit wird mit einer vorsätzlichen Falschmeldung gleichgestellt90, Leichtfertigkeit dagegen mit dem Vorliegen grober Fahrlässigkeit.91 Sofern der Hinweisgeber einem Rechtsirrtum92 unterliegt, muss wegen des Geltungsanspruchs des Rechts der (strenge) Maßstab des § 17 StGB herangezogen werden.93
86 Vgl. auch EGMR, Urteil vom 21. 7. 2011 @ 28274/08 (Heinisch), NZA 2011, 1269, 1272: In der deutschen Sprachfassung wird darauf abgestellt, „ob die Information fundiert war“. Die ursprüngliche (englische) Formulierung stellt dagegen auf die Glaubwürdigkeit der Informationen ab (vgl. die Übersetzung von „authenticity“, abrufbar unter https://www.dict.cc/ englisch-deutsch/authenticity.html, zuletzt abgerufen am 4. 11. 2020); EGMR, Urteil vom 16. 2. 2021 – 23922/19 (Gawlik), BeckRS 2021, 1820 Rn. 68. 87 Rudkowski, CCZ 2013, 204, 205 f.; vgl. hierzu auch MüKo/Henssler, Kommentar zum BGB, § 626 BGB Rn. 182; a. A. ErfK/Niemann, ArbR, § 626 BGB Rn. 64 f. 88 BAG, Urteil vom 3. 7. 2003 – 2 AZR 235/02, NZA 2004, 427, 429. 89 BVerfG, Beschluss vom 2. 7. 2001 – 1 BvR 2049/00, NZA 2001, 888, 889; BAG, Urteil vom 3. 7. 2003 – 2 AZR 235/02, NZA 2004, 27, 429; LAG Köln, Urteil vom 5. 7. 2012 – 6 Sa 71/ 12, Rn. 16 auf juris.de. 90 BVerfG, Beschluss vom 25. 2. 1987 – 1 BvR 1086/85, NJW 1987, 1929, 1929; Otto, Anmerkung zu BAG, Urteil vom 3. 7. 2003 – 2 AZR 235/02, AP KSchG 1969 § 1 Verhaltensbedingte Kündigung Nr. 45. 91 Rudkowski, CCZ 2013, 204, 206; Otto, Anmerkung zu BAG, Urteil vom 3. 7. 2003 – 2 AZR 235/02, AP KSchG 1969 § 1 Verhaltensbedingte Kündigung Nr. 45. 92 Vgl. zu Rechtsirrtümern eines Hinweisgebers BAG, Urteil vom 15. 12. 2016 – 2 AZR 42/ 16, NZA 2017, 703, 704; ähnlich auch LAG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 24. 10. 2007 – 7 Sa 451/07, Rn. 70 auf juris.de; hierzu auch KR/Rachor, § 1 KSchG Rn. 464; MHdB ArbR II/ Rachor, § 124 Rn. 43. 93 Gerdemann, RdA 2019, 16, 18, 23; Schmitt, NZA-Beilage 2020, 50, 55; ähnlich auch Garden/Hiéramente, BB 2019, 963, 966; dieses Ergebnis war jedoch nicht eindeutig, da das Gericht an anderer Stelle auch ausführte, dass die Arbeitnehmerin „es jedoch entgegen der gebotenen Sorgfalt und damit fahrlässig (§ 276 II BGB) unterlassen [hat], die […] Schädigungsabsicht […] kritisch zu hinterfragen.“, vgl. BAG, Urteil vom 15. 12. 2016 – 2 AZR 42/16, NZA 2017, 703, 705.
B. Zulässigkeit von Hinweisen
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bb) Motivation des Hinweisgebers Neben der Berechtigung der Meldung richtet sich die Zulässigkeit des Whistleblowings auch nach den Handlungsmotiven des Hinweisgebers.94 Die Anzeige unternehmensinterner Missstände durch einen Arbeitnehmer ist de lege lata, unter Berücksichtigung des aufgestellten Vorwurfs, unverhältnismäßig, wenn er hierbei mit Schädigungsabsicht handelt.95 Es ist jedoch ungeklärt, wie weit die Motive auf die Beurteilung der Zulässigkeit des Whistleblowings auch bei zutreffenden Vorwürfen Einfluss nehmen können96, welche Motive als unzulässig (verwerflich) angesehen werden müssen und wie mit einem Motivationsbündel zu verfahren ist97. In der zu treffenden Abwägungsentscheidung ist zu Gunsten des Hinweisgebers zu berücksichtigen, wenn er aus persönlicher Betroffenheit durch den Rechtsverstoß98 handelt; dies gilt zumindest bei Bestehen eines strafrechtlichen Antragsrechts.99 cc) Vorrang einer innerbetrieblichen Abhilfe (1) Subsidiariät externer (Behörden-)Meldungen Whistleblower müssen de lege lata grundsätzlich vorrangig eine innerbetriebliche Abhilfe versuchen, bevor sie sich zulässig an externe Stellen wenden dürfen.100 Der Vorrang der innerbetrieblichen Abhilfe besteht jedoch nicht uneingeschränkt, sondern nur, wenn diese dem Hinweisgeber zumutbar ist.101 94 BAG, Urteil vom 3. 7. 2003 – 2 AZR 235/02, NZA 2004, 427, 430; LAG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 24. 10. 2007 – 7 Sa 451/07, Rn. 63, 65, 70 auf juris.de; LAG Köln, Urteil vom 2. 2. 2012 @ 6 Sa 304/11, NZA-RR 2012, 298, 300 f.; EGMR 12. 2. 2008 – Nr. 14277/04 (Guja), BeckRS 2011, 77277 Rn. 77; EGMR, Urteil vom 21. 7. 2011 – 28274/08 (Heinisch), NZA 2011, 1269, 1271; EGMR, Urteil vom 27. 2. 2018 – 1085/10 (Guja Nr. 2), NJW 2019, 1273, 1275; MüKo/Henssler, Kommentar zum BGB, § 626 BGB Rn. 184; Müller, NZA 2002, 424, 435; ErfK/Niemann, ArbR, § 626 BGB Rn. 64a. 95 BAG, Urteil vom 3. 7. 2003 – 2 AZR 235/02, NZA 2004, 427, 430; ähnlich bereits BAG, Urteil vom 4. 7. 1991 – 2 AZR 80/91, Rn. 20, 28 auf juris.de. 96 MHdB ArbR I/Reichold, § 54 Rn. 46; Wendeling-Schröder, RdA 2004, 374, 377. 97 Mengel, CCZ 2012, 146, 151. 98 Zu der Problematik der eigenen Beteiligung eines Hinweisgebers an den Missständen Baranowski/Glaßl, CB 2018, 271, 271; Berndt/Hoppler, BB 2005, 2623, 2624; Forst, EuZA 2013, 37, 69; Gruppe von Staaten gegen Korruption im Europarat (GRECO), Seventh General Activity Report (2006), 2007, S. 13; Herbert/Oberrath, NZA 2005, 193, 198; Maume/Haffke, ZIP 2016, 199, 206; Rotsch/Rotsch/Wagner, Criminal Compliance, § 34 C. Whistleblowing Rn. 8. 99 BAG, Urteil vom 15. 12. 2016 – 2 AZR 42/16, NJW 2017, 1833, 1834; hierzu auch Gerdemann, RdA 2019, 16, 18. 100 BAG, Urteil vom 3. 7. 2003 – 2 AZR 235/02, NZA 2004, 427, 430. 101 BAG, Urteil vom 3. 7. 2003 – 2 AZR 235/02, NZA 2004, 427, 430; hierzu auch MüKo/ Henssler, Kommentar zum BGB, § 626 BGB Rn. 182, 185; Boecken/Düwell/Diller/Hanau/ Kerwer, Das gesamte Arbeitsrecht, § 1 KSchG Rn. 1063 f.; MAH ArbR/Reinfeld, § 30 Rn. 61 f.
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Teil 2: Schutz von Hinweisgebern
Unzumutbarkeit ist zum einen anzunehmen, wenn sich der Whistleblower durch die Nichtanzeige der Missstände gegenüber einer staatlichen Stelle selbst strafbar machen würde (bspw. wegen § 138 StGB102).103 Zum anderen kann ein Hinweisgeber de lege lata sich direkt an externe Stellen wenden, wenn er eine schwerwiegende Straftat zur Anzeige bringen will.104 Sofern es sich nur um ein Bagatelldelikt handelt, wird ihm dagegen ein innerbetrieblicher Abhilfeversuch zugemutet.105 Entscheidend für die Beurteilung im konkreten Einzelfall106 ist, ob es sich „bei den angezeigten Unregelmäßigkeiten um schwerwiegende Vorfälle“ handelt.107 Daneben wird einem Hinweisgeber kein vorheriger innerbetriebliche Abhilfeversuch abverlangt, wenn er eine Straftat, begangen durch den Arbeitgeber oder seinen gesetzlichen Vertreter, aufdecken will.108 Ob diese Ausnahme auch greift, wenn ein rechtsgeschäftlicher Vertreter oder ein anderer Mitarbeiter mit Kenntnis und Billigung seitens der Organisation gehandelt hat, ist bisher nicht geklärt.109 Hinweisgeber und auch die Gegenseite sehen sich an dieser Stelle vagen Anforderungen und damit einer erheblichen Unsicherheit konfrontiert.110 Eine direkte Meldung gegenüber staatlichen Stellen ist zudem auch zulässig, wenn eine Abhilfe trotz innerbetrieblicher Meldung berechtigterweise nicht zu erwarten ist.111 Durch die erforderliche Einzelfallprüfung anhand des unbestimmten112 Kriteriums der Zumutbarkeit und der Vielzahl offener Fragen kann ein Hinweisgeber nur schwer einschätzen, ob er im Einzelfall vorrangig eine innerbetriebliche Abhilfe versuchen muss.113 Zudem ist nicht ausgeschlossen, dass noch weitere Ausnahmen
102 Deiseroth/Derleder, ZRP 2008, 248, 249; Küttner/Kania, Personalbuch 2020, Whistleblowing Rn. 5; Seel, MDR 2012, 9, 10. 103 So auch Fuhlrott/Oltmanns, DB 2017, 2354, 2357; Hauschka/Moosmayer/Lösler/ Mengel, Corporate Compliance, § 39 Rn. 117; Staudinger/Preis, BGB, § 626 Rn. 132; KR/ Rachor, § 1 KSchG Rn. 462. 104 Ebenso SPV/Preis, 1. Abschnitt, § 22 Rn. 635. 105 Küttner/Kania, Personalbuch 2020, Whistleblowing Rn. 5; ähnlich auch Wiese, FS Otto, 2008, 621, 639. 106 Vgl. bspw. BAG, Urteil vom 7. 12. 2006 – 2 AZR 400/05, NZA 2007, 502, 503: Danach sei eine Untreue (§ 266 Abs. 1 StGB) eine schwerwiegende Tat, da ihr Strafmaß eine Freiheitsstrafe von bis zu fünf Jahren vorsehe und es sich damit nicht mehr um ein Bagatelldelikt handeln würde; daneben wurde berücksichtigt, dass in 30 Fällen eine Summe von über 50.000 DM veruntreut wurde. 107 BAG, Urteil vom 7. 12. 2006 – 2 AZR 400/05, NZA 2007, 502, 503. 108 BAG, Urteil vom 3. 7. 2003 – 2 AZR 235/02, NZA 2004, 427, 430; BAG, Urteil vom 7. 12. 2006 – 2 AZR 400/05, NZA 2007, 502, 503. 109 Dies befürwortend auch Gänßle, KR 2007, 265, 271. 110 So auch Gänßle, KR 2007, 265, 272. 111 BAG, Urteil vom 3. 7. 2003 – 2 AZR 235/01, NZA 2004, 427, 430. 112 Mengel, CCZ 2012, 146, 151. 113 Kritisch auch Mengel/Ullrich, NZA 2006, 240, 245 f.; Meyer, HRRS 2018, 322, 329; MAH ArbR/Reinfeld, § 30 Rn. 66; Steffen/Stöhr, RdA 2017, 43, 49.
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von dem Vorrang einer internen Meldung anerkannt werden müssen.114 Unsicherheit besteht zudem auch darüber, wie sich das Vorhandensein eines internen Hinweisgebersystems auf das externe Melderecht auswirkt.115 Jedenfalls die herrschende Literatur geht davon aus, dass ein Whistleblower in diesem Fall die Meldung grundsätzlich vorrangig gegenüber der speziellen internen Stelle erstatten muss.116 (2) Zulässigkeit des Gangs an die Öffentlichkeit Von dem Recht zur externen Behördenmeldung ist die Zulässigkeit des Gangs an die Öffentlichkeit des Hinweisgebers zu trennen. Trotz erheblicher Brisanz der Thematik fehlt bisher eine eindeutige gerichtliche Klärung nationaler Gerichte.117 Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte hat dagegen ausdrücklich ausgeführt, dass wegen der „Pflicht zur Loyalität und Vertraulichkeit [gegenüber dem Arbeitgeber] […] Informationen zunächst dem Vorgesetzten oder einer anderen innerbetrieblichen Stelle oder Einrichtung gegeben werden [müssen]. Nur wenn das eindeutig unmöglich ist, kann der Arbeitnehmer, als letztes Mittel, damit an die Öffentlichkeit gehen.“118 Die herrschende Ansicht in der Literatur geht ebenfalls davon aus, dass die „Flucht in die Öffentlichkeit“119 durch den Hinweisgeber nur als letztes Mittel in Betracht kommt.120
114 Bspw. bei einer Straftat gegen den Hinweisgeber, vgl. hierzu SPV/Preis, 1. Abschnitt, § 22 Rn. 635; Klasen/Schaefer, BB 2012, 641, 644; KR/Rachor, § 1 KSchG Rn. 462; in diese Richtung wohl auch BAG, Urteil vom 15. 12. 2016 – 2 AZR 42/16, NJW 2017, 1833, 1834: „Soweit die Revision meint, eine Obliegenheit zur zunächst innerbetrieblichen Klärung scheide bei Selbstbetroffenheit von einer Straftat aus, mag dies der Fall sein, wenn der Arbeitnehmer keinen Anlass hat, an der Berechtigung seines Vorwurfs zu zweifeln. Hier war aber das Gegenteil der Fall.“; bspw. bei einer Gefahr für Rechtsgüter Dritter, vgl. hierzu Fuhlrott/Oltmanns, DB 2017, 2354, 2357; Gallner/Mesterwedt/Nägele/Zimmermann, § 1 KSchG Rn. 367. 115 So auch Gerdemann, RdA 2019, 16, 18. 116 Bürkle/Hauschka/Buchert, Der Compliance Officer, § 10 Rn. 8; Küttner/Kania, Personalbuch 2020, Whistleblowing Rn. 5; Klasen/Schaefer, BB 2012, 641, 644; Wisskirchen/ Jordan/Bissels, DB 2005, 2190, 2193; Wybitul, ZD-Aktuell 2011, 9, 10; zum Vorrang innerbetrieblicher Kommunikationswege BAG, Urteil vom 31. 7. 2014 – 2 AZR 505/13, NZA 2015, 245, 251. 117 Vgl. jedoch BAG, Urteil vom 31. 7. 2014 – 2 AZR 505/13, NZA 2015, 245, 251. Es erscheint jedoch fraglich, ob das Gericht in der Entscheidung tatsächlich die Frage der Zulässigkeit des Gangs an die Öffentlichkeit entscheiden wollte. Kritisch dazu auch MAH ArbR/ Reinfeld, 4. Auflage, § 30 Rn. 51. 118 EGMR, Urteil vom 21. 7. 2011 – 28274/08 (Heinisch), NZA 2011, 1269, 1271. 119 SPV/Preis, 1. Abschnitt, § 22 Rn. 636; Staudinger/Preis, BGB, § 626 Rn. 133. 120 LAG Köln, 2. 2. 2012 – 6 Sa 304/11, NZA-RR 2012, 298, 300 unter Verweis auf die Entscheidung des EGMR, Urteil vom 21. 7. 2011 – 28274/08 (Heinisch), NZA 2011, 1269, 1271; Branahl, HFR 2012, 1, 6; Forst, EuZA 2013, 37, 74; Fuhlrott/Oltmanns, DB 2017, 2354, 2358; SPV/Preis, 1. Abschnitt, § 22 Rn. 636; Staudinger/Preis, BGB, § 626 Rn. 133; Schmitt, RdA 2017, 365, 366; Wesch, DB 2013, 994, 996; Gallner/Mesterwedt/Nägele/Zimmermann, § 1 KSchG Rn. 370.
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Teil 2: Schutz von Hinweisgebern
dd) Öffentliches Interesse an den Informationen Auf die Beurteilung der Zulässigkeit des Whistleblowings kann im Einzelfall auch das öffentliche Interesse an den Informationen Einfluss nehmen. Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte spricht diesem Kriterium in seinen Entscheidungen besondere Bedeutung zu.121 Die nationalen Gerichte haben dieses Kriterium jedoch nicht einheitlich übernommen.122 Daher ist es für einen Hinweisgeber de lege lata schwer absehbar, ob und wie weit die Bedeutung der Meldung für die Öffentlichkeit in die vom Gericht zu treffende Einzelfallentscheidung Einfluss nehmen würde. Zudem fehlt es zu Lasten der Rechtssicherheit an eindeutigen Vorgaben, wann ein solches Interesse angenommen werden kann.123 c) Zwischenergebnis Der Rechtsprechung ist es zwar gelungen, die grundlegenden Kriterien zur Beurteilung der Rechtmäßigkeit des Whistleblowings zu bestimmen, jedoch gibt es eine Vielzahl offener Fragen, die für die Beteiligten erhebliche Rechtsunsicherheit verursachen. Diese rechtliche Unsicherheit wird zusätzlich dadurch erschwert, dass die nicht abschließenden Kriterien durch unbestimmte Begriffe geprägt sind. Sie machen es einem Whistleblower teilweise unmöglich vorhersehen zu können, ob sein Verhalten als rechtmäßig angesehen wird.
II. Zulässigkeit von Hinweisen de lege ferenda Künftig ist die EU-Richtlinie 2019/1937 richtungsweisend für die Anforderungen an die Zulässigkeit des Whistleblowings. Während sich aus Art. 2 EU-RL 2019/1937 der sachliche Anwendungsbereich der Richtlinie ergibt, regelt Art. 6 Abs. 1 EU-RL 2019/1937, unter welchen weiteren Voraussetzungen einem Hinweisgeber ein Schutzanspruch im Sinne der Whistleblowing-Richtlinie zusteht. Es werden sowohl an interne und externe Meldungen als auch an die Offenlegung weitgehend dieselben Anforderungen gestellt.124
121
EGMR, Urteil vom 21. 7. 2011 – 28274/08 (Heinisch), NZA 2011, 1269, 1271. Bspw. LAG Hamm, Urteil vom 21. 7. 2011 – 11 Sa 2248/10, ZWH 2012, 253, 254; LAG Köln, Urteil vom 5. 7. 2012 – 6 Sa 71/12, ZWH 2013, 84, 85; so bereits auch BAG, Urteil vom 7. 12. 2006 – 2 AZR 400/05, NJW 2007, 2204, 2205; BAG, Urteil vom 15. 12. 2016 – 2 AZR 42/ 16, NJW 2017, 1833, 1834. 123 So auch Forst, NJW 2011, 3477, 3481; Groß/Platzer, NZA 2017, 1097, 1099; Mengel, CCZ 2011, 229, 231; Steffen/Stöhr, RdA 2017, 43, 49. 124 Besonderheiten für die jeweilige Form der Meldung/Offenlegung ergeben sich aus Art. 6 Abs. 1 lit. b) EU-RL 2019/1937. 122
B. Zulässigkeit von Hinweisen
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1. Meldegegenstand de lege ferenda Hinweisgeber können nach den Vorgaben der EU-Richtlinie 2019/1937 zur Begründung eines Schutzanspruchs nicht jeden beliebigen Missstand melden oder offenlegen. Der Kreis zulässiger Meldegegenstände ist vielmehr durch den sachlichen Anwendungsbereich der Richtlinie (Art. 2 Abs. 1 EU-RL 2019/1937) begrenzt. Aus Art. 2 Abs. 1 EU-RL 2019/1937 ergibt sich, dass sich der Hinweis auf einen Verstoß im Sinne der Richtlinie beziehen und sich dieser gegen das in der Vorschrift enumerativ aufgezählte Recht der Union richten muss. a) Begrenzung des Meldegegenstands auf Unionsrecht aa) Vorgaben der EU-Richtlinie 2019/1937 Gemäß Art. 2 Abs. 1 EU-RL 2019/1937 sollen durch die Richtlinie gemeinsame Mindeststandards fu¨ r den Schutz von Personen, die Versto¨ ße gegen das Unionsrecht melden, festgelegt werden. Vom sachlichen Anwendungsbereich der Richtlinie werden lediglich Verstöße gegen einen von Art. 2 Abs. 1 lit. a) EU-RL 2019/1937 in Verbindung mit den Anhängen II und III erfassten Rechtsakt, Verstöße gegen Vorschriften mit Bezug zu Art. 325 AEUV (Art. 2 Abs. 1 lit. b) EU-RL 2019/1937) sowie Verstöße gegen Binnenmarktvorschriften im Sinne des Art. 26 Abs. 2 AEUV (Art. 2 Abs. 1 lit. c) EU-RL 2019/1937) erfasst. Bei dem Verweis in Art. 2 Abs. 1 lit. a) EU-RL 2019/1937 auf die im Anhang aufgeführten Rechtsakte handelt es sich um eine dynamische Verweisung, sodass Veränderungen in den Rechtsakten und ihr vollständiger Austausch im Anwendungsbereich der Richtlinie berücksichtigt werden müssen.125 Rechtsakt in diesem Sinne ist nicht nur der Unionsrechtsakt selbst, sondern auch die Umsetzung durch die Mitgliedstaaten und durch die Union in Form erlassener Durchführungsmaßnahmen und delegierter Maßnahmen.126 Insofern sind auch Verstöße gegen nationale Umsetzungsgesetze der Aufdeckung durch einen Hinweisgeber zugänglich.127 Der sachliche Anwendungsbereich der Richtlinie und damit auch die Umsetzungspflicht der Mitgliedstaaten sind somit begrenzt. Der nationale Gesetzgeber muss Whistleblowern nur bei Hinweisen auf Verstöße gegen (umgesetztes) Unionsrecht, welches von Art. 2 Abs. 1 EU-RL 2019/1937 erfasst ist, den Schutz der EU-Richtlinie 2019/1937 einräumen. Der damit vermittelte Schutz von Hinweis-
125
Erwägungsgrund (19) zur RL 2019/1937, Amtsblatt der Europäischen Union, L 305/22; Forst, EuZA 2020, 283, 286. 126 Erwägungsgrund (19) zur RL 2019/1937, Amtsblatt der Europäischen Union, L 305/22. 127 Gerdemann, NZA-Beilage 2020, 43, 46; Preis/Sagan, Der Arbeitsvertrag, Teil II, W 20, Rn. 13.
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Teil 2: Schutz von Hinweisgebern
gebern ist zwar lückenhaft, folgt jedoch zwingend aus dem begrenzten Kompetenzbereich der Europäischen Union.128 bb) Umsetzung auf nationaler Ebene (1) Unionsrechtlicher Umsetzungsspielraum In Art. 2 Abs. 2 EU-RL 2019/1937 ist ausdrücklich festgelegt, dass die Mitgliedstaaten die Befugnis haben, den Schutz auf Bereiche oder Rechtsakte auszudehnen, die nicht unter den ersten Absatz der Vorschrift fallen. Der nationale Gesetzgeber kann insofern den in der Richtlinie vorgegebenen Anwendungsbereich lediglich in Form einer „1:1-Umsetzung“ fortführen oder diesen auf nationaler Ebene im Wege einer überschießenden Umsetzung ausdehnen. Letzteres wird vom europäischen Gesetzgeber befürwortet. Den Mitgliedstaaten soll es freistehen, den Anwendungsbereich auszuweiten und dadurch „einen umfassenden und koha¨ renten Rahmen fu¨ r den Hinweisgeberschutz“ zu schaffen.129 (2) Überschießende Umsetzung des sachlichen Anwendungsbereichs (a) Ausdehnung auf nationales Recht Vor dem Hintergrund des unionsrechtlichen Umsetzungsspielraums könnte erwogen werden, den sachlichen Anwendungsbereich des künftigen Hinweisgeberschutzgesetzes auch auf (ausschließlich) nationales Recht, welches von der EURichtlinie 2019/1937 generell ausgenommen ist, auszudehnen. Problematisch ist, ob der nationale Gesetzgeber hierzu wegen verfassungsrechtlicher Vorgaben gegebenenfalls sogar verpflichtet ist. (aa) Pflicht zur Ausdehnung wegen verfassungsrechtlicher Vorgaben Grundsätzlich steht es dem nationalen Gesetzgeber frei, den Anwendungsbereich unionsrechtlichen Sekundärrechts auf nationaler Ebene auszuweiten.130 Eine Pflicht zur Ausdehnung des sachlichen Anwendungsbereichs der Richtlinie ist jedoch anzunehmen, wenn die Alternative – die ausschließliche Fortführung der Vorgaben der Whistleblowing-Richtlinie – gegen das Grundgesetz verstoßen würde.
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So auch Dzida/Granetzny, NZA 2020, 1201, 1202; Forst, EuZA 2020, 283, 285; Garden/ Hiéramente, BB 2019, 963, 963; Schmitt, NZA-Beilage 2020, 50, 55. 129 Erwägungsgrund (5) zur RL 2019/1937, Amtsblatt der Europäischen Union, L 305/22. 130 Stelkens/Bonk/Sachs/Stelkens, Europäisches Verwaltungsrecht, Europäisierung des Verwaltungsrechts und Internationales Verwaltungsrecht, Rn. 68.
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(a) Ungleichbehandlung nach Art. 3 Abs. 1 GG Fraglich ist, ob eine „1:1-Umsetzung“ der Richtlinie mit Art. 3 Abs. 1 GG vereinbar wäre.131 Der grundrechtliche Gleichheitssatz gebietet, dass alle Menschen vor dem Gesetz gleich sind. Es muss danach „Gleiches gleich“ und „Ungleiches seiner Eigenart entsprechend verschieden“ behandelt werden, ohne dass hierbei jedoch jede Ungleichbehandlung zwingend ausgeschlossen wäre.132 Es dürfen gleiche Sachverhalte ungleich oder ungleiche Sachverhalte gleich behandelt werden, soweit dies gerechtfertigt ist.133 Eine Ungleichbehandlung im Sinne des Art. 3 Abs. 1 GG liegt vor, wenn zwei Sachverhalte, Personen oder Gruppen trotz Vergleichbarkeit auf Grund eines Differenzierungsmerkmals unterschiedlich behandelt werden.134 Auch der Gesetzgeber ist an die Vorgaben des Art. 3 Abs. 1 GG gebunden.135 Er muss für Menschen in einer ähnlichen Situation dieselben gesetzlichen Rechtsfolgen herbeiführen.136 Entscheidend ist somit, ob mit einer „1:1-Umsetzung“ der Richtlinie auf nationaler Ebene eine sachlich nicht zu rechtfertigende Ungleichbehandlung und damit ein Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 GG begründet würde. Beschränkt sich der nationale Gesetzgeber darauf, künftig Hinweisgebern nur den besonderen Schutz der Whistleblowing-Richtlinie einzuräumen, sofern sie einen Verstoß gegen Unionsrecht melden, wird damit eine Ungleichbehandlung begründet. Whistleblower, die Verstöße gegen ausschließlich nationales Recht aufdecken, würden nur in den Genuss des bisherigen unzureichenden Schutzes kommen137, der hinter dem der EU-Richtlinie 2019/1937 zurückbleibt. Ihr Schutzniveau wäre geringer gegenüber dem der Hinweisgeber im Anwendungsbereich des Umsetzungsgesetzes, obwohl beide Personengruppen im Ergebnis Rechtsverstöße melden. Whistleblower würden, anknüpfend an den Meldegegenstand, ungleich im Sinne des Art. 3 Abs. 1 GG behandelt. Lässt man den Unionsrechtsbezug des Umsetzungsakts zunächst außen vor, erscheint es fraglich, ob diese Ungleichbehandlung gerechtfertigt werden könnte. Die Anforderungen, die an eine Rechtfertigung nach Art. 3 Abs. 1 GG gestellt werden, können von „gelockerten, auf das Willkürverbot beschränkten Bindungen bis hin zu strengen Verhältnismäßigkeitserfordernissen“ reichen.138 Entscheidend für die Beurteilung des anzuwendenden Maßstabes sind insbesondere die durch eine Un131
Hierzu auch Schmitt, NZA-Beilage 2020, 50, 55; zur Ausweitung des Anwendungsbereichs einer Richtlinie zur Vermeidung einer sachlich nicht zu rechtfertigenden Differenzierung auch Leidenmühler, EuR 2019, 383, 387. 132 BVerfG, Urteil vom 16. 3. 2004 – 1 BvR 1778/01, NVwZ 2004, 597, 602. 133 v. Mangoldt/Klein/Starck/Wollenschläger, GG, Art. 3 Rn. 40. 134 Dreier/Heun, Art. 3 GG Rn. 24. 135 v. Mangoldt/Klein/Starck/Wollenschläger, GG, Art. 3 Rn. 60. 136 Maunz/Du¨ rig/Kirchhof, Grundgesetz-Kommentar, Art. 3 Abs. 1 Rn. 72. 137 Vgl. hierzu unter Teil 2 B. I. und Teil 2 C. I. 138 BVerfG, Beschluss vom 23. 6. 2015 – 1 BvL 13/11 u. 1 BvL 14/11, NJW 2015, 3221, 3224.
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gleichbehandlung eintretenden nachteiligen Auswirkungen auf die Ausübung der grundrechtlichen Freiheitsrechte und die Möglichkeit der Einflussnahme des Betroffenen auf das Vorliegen des Differenzierungsmerkmals.139 Dem Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers werden „um so engere Grenzen gesetzt, je stärker sich die Ungleichbehandlung […] auf die Ausübung grundrechtlich geschützter Freiheiten nachteilig auswirken kann“.140 Sieht man das Differenzierungsmerkmal nicht in dem hinweisgebenden Verhalten, sondern in dem Inhalt des Meldegegenstands, kann ein Whistleblower auf seine Behandlung keinen Einfluss nehmen. Darüber hinaus würde die Ungleichbehandlung nachteilige Auswirkungen auf die grundrechtlichen Freiheitsrechte von Hinweisgebern, die Verstöße gegen das nationale Recht melden (wollen), haben. Ihnen würde der mit dem Umsetzungsakt zur EU-Richtlinie 2019/1937 vermittelte Schutz für ihr hinweisgebendes Verhalten, grundrechtlich geschützt durch Art. 5 Abs. 1 S. 1 Fall 1 GG, Art. 2 Abs. 1 i. V. m. Art. 20 Abs. 3 GG und Art. 17 GG, nicht eingeräumt. Dieser mangelnde Schutz könnte sie davon abhalten, ihre Grundrechtsposition wahrzunehmen. Aus diesen Erwägungen folgt, dass eine mit Umsetzung der Whistleblowing-Richtlinie eintretende Differenzierung grundsätzlich nur zulässig ist, wenn hierfür sachliche „Gründe von solcher Art und solchem Gewicht bestehen, daß sie die ungleichen Rechtsfolgen rechtfertigen können“141. Whistleblowern wird im Rahmen der EU-Richtlinie 2019/1937 der besondere Schutz zugesprochen, da sie einen wesentlichen Beitrag zur Durchsetzung des Unionsrechts in Bereichen, in denen ein Rechtsverstoß erhebliche Risiken für das Gemeinwohl bergen kann, leisten können.142 Dieselbe Funktion haben Hinweisgeber, wenn sie lediglich nationales Recht ohne Unionsrechtsbezug in den Bereichen des Art. 2 Abs. 1 lit. a) EU-RL 2019/1937 oder vergleichbaren Bereichen (bspw. Strafrecht) aufdecken. Insbesondere an der Aufdeckung von Verstößen gegen strafrechtliche Vorschriften besteht ein gewichtiges Interesse der Allgemeinheit143, welches nicht hinter dem öffentlichen Interesse in den Rechtsbereichen des Art. 2 Abs. 1 lit. a) EU-RL 2019/1937 (vgl. bspw. Schutz personenbezogener Daten, Art. 2 Abs. 1 lit. a) x) EU-RL 2019/1937) zurücksteht. Whistleblower können die Rechtsdurchsetzung im öffentlichen Interesse in diesen Fällen ebenfalls effektiv fördern, auch wenn es sich hierbei ausschließlich um nationales Recht der Bereiche des Art. 2 Abs. 1 lit. a) EU-RL 2019/1937 oder um Strafrecht144 handelt. Warum ihnen in diesem Fall kein oder nur ein geringerer Schutz eingeräumt werden sollte, 139 BVerfG, Beschluss vom 26. 1. 1993 – 1 BvL 38/92 u. a., NJW 1993, 1517, 1517; BVerfG, Beschluss vom 23. 6. 2015 – 1 BvL 13/11 u. 1 BvL 14/11, NJW 2015, 3221, 3224. 140 BVerfG, Beschluss vom 26. 1. 1993 – 1 BvL 38/92 u. a., NJW 1993, 1517, 1517. 141 BVerfG, Beschluss vom 26. 1. 1993 – 1 BvL 38/92 u. a., NJW 1993, 1517, 1517. 142 Erwägungsgrund (3) zur RL 2019/1937, Amtsblatt der Europäischen Union, L 305/17. 143 Hierzu bereits unter Teil 1 D. II. 4. a). 144 Im Einzelfall kann auch ein strafrechtliches Delikt oder auch eine Ordnungswidrigkeit von dem sachlichen Anwendungsbereich der EU-Richtlinie 2019/1937 erfasst sein (bspw. §§ 325 ff. StGB, §§ 71 f. BNatSchG).
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wäre nicht zu erklären. Es sind keine Gründe (von solcher Art und solchem Gewicht) ersichtlich, die eine Differenzierung im Sinne des Art. 3 Abs. 1 GG zu rechtfertigen vermögen.145 Fraglich ist, ob es einer abweichenden Beurteilung bedarf, da die Ungleichbehandlung im Ergebnis aus den unionsrechtlichen Vorgaben der EU-Richtlinie 2019/ 1937 resultiert. Sachverhalte, die sich ausschließlich auf nationales Recht beziehen, würden anders behandelt als solche mit Unionsrechtsbezug. Diese unterschiedliche Behandlung ist jedoch schlussendlich gewollt und rechtlich zwingend veranlagt; sie folgt aus der begrenzten Kompetenz der Union („Prinzip der begrenzten Einzelermächtigung“, vgl. Art. 5 Abs. 1 S. 1, Abs. 2 EUV).146 Das Bundesverfassungsgericht geht davon aus, dass der deutsche Gesetzgeber nicht „[z]ur Beseitigung […] [einer] Ungleichbehandlung durch zwei unterschiedliche Normgeber […] verpflichtet“ ist.147 Es erscheint vor diesem Hintergrund daher zunächst stringent, eine nach Art. 3 Abs. 1 GG rechtfertigungsbedürftige Ungleichbehandlung generell abzulehnen. Würde man den nationalen Gesetzgeber anlässlich einer unionsrechtlich induzierten Ungleichbehandlung wegen Art. 3 Abs. 1 GG uneingeschränkt zur Ausweitung des Anwendungsbereichs einer Richtlinie auf das gesamte nationale Recht verpflichten, entstünde eine Einschränkung seiner Rechtssetzungsbefugnis148 und ein Widerspruch zu der begrenzten Kompetenzermächtigung des Art. 23 GG.149 Man könnte daher annehmen, dass der Gesetzgeber über Art. 3 Abs. 1 GG generell nicht zur überschießenden Umsetzung einer Richtlinie verpflichtet werden kann. Es wäre jedoch auch verfehlt, den nationalen Gesetzgeber entgegen Art. 1 Abs. 3 GG gänzlich von seiner Pflicht zur Rechenschaft hinsichtlich der geschaffenen Ungleichbehandlung zu befreien.150 Schließlich hat die Bundesrepublik Deutschland gemäß Art. 23 GG die Hoheitsrechte auf die Europäische Union übertragen, sodass sich die Bundesrepublik auch das Handeln der Union zurechnen lassen und hierfür im Ergebnis auch die Verantwortung tragen muss.151 Unter Berücksichtigung dieser Erwägungen wäre es nicht überzeugend, wenn man den nationalen Gesetzgeber generell von der Bindung an das grundrechtliche Gleichheitsgebot befreien würde, obwohl die Bundesrepublik Deutschland an der unionsrechtlich induzierten Ungleichbehandlung auf EU-Ebene sogar mitgewirkt hat. Weder der vollständige Ausschluss der Anwendbarkeit des Art. 3 Abs. 1 GG noch dessen uneingeschränkte Anwendung sind sachgerecht. 145
So im Ergebnis Brockhaus/Gerdemann/Thönnes, NVwZ 2021, 204, 210; Schmitt, NZABeilage 2020, 50, 55; ähnlich auch Gerdemann, Überlegungen zur nationalen Umsetzung, sub. 1. 146 So auch Colneric/Gerdemann, 156. 147 BVerfG, Beschluss vom 8. 6. 2004 – 2 BvL 5/00, NJW-RR 2004, 1657, 1660. 148 Zur „Inländerdiskriminierung“ ähnlich Riese/Noll, NVwZ 2007, 516, 520. 149 Colneric/Gerdemann, 156. 150 Brockhaus/Gerdemann/Thönnes, NVwZ 2021, 204, 209. 151 Brockhaus/Gerdemann/Thönnes, NVwZ 2021, 204, 207; zur „Inländerdiskriminierung“ Riese/Noll, NVwZ 2007, 516, 520 f.
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Eine „vermittelnde“ Lösung der Problematik kann in einer Übertragung der richterlichen Grundsätze zur ähnlichen Thematik der „Inländerdiskriminierung“ auf die vorliegende Konstellation gefunden werden.152 Im Fall einer „Inländerdiskriminierung“ werden EU-Ausländer besser gestellt als Inländer eines Mitgliedstaats.153 Diese Besserstellung beruht darauf, dass ein rein innerstaatlicher Sachverhalt seitens des Mitgliedstaats stärker reguliert wird als ein unionsrechtlicher Sachverhalt, bezüglich dessen dem Mitgliedstaat keine Regelungskompetenz zusteht.154 Während die (belastenden oder verpflichtenden155) mitgliedstaatlichen Vorschriften auf Inländer Anwendung finden, entfalten diese gegenüber EU-Ausländern, bedingt durch den Anwendungsvorrang des Unionsrechts156, keine Wirkung.157 Das Bundesverwaltungsgericht und der Bundesgerichtshof gehen davon aus, dass auch in Fällen der „Inländerdiskriminierung“ die bestehende Ungleichbehandlung einer sachlichen Rechtfertigung bedürfe – es sei die Willkürformel anzuwenden.158 Danach muss eine Ungleichbehandlung, um den Vorgaben des Art. 3 Abs. 1 GG zu genügen, (bloß) auf einen sachgerechten Grund gestützt werden können.159 Überträgt man diesen Prüfungsmaßstab auf die vorliegende Konstellation, ist entscheidend, ob für die Ungleichbehandlung, induziert durch die EU-Richtlinie 2019/1937, zumindest ein sachlicher Grund besteht. Jedenfalls für Hinweise bezogen auf das Strafrecht160 und auf Verstöße gegen ausschließlich nationales Recht, welches den in Art. 2 Abs. 1 lit. a) EU-RL 2019/1937 genannten Bereichen jedoch zuzuordnen ist (bspw. Bundesdatenschutzgesetz), ist ein solcher, wie die vorausgegangenen Ausführungen bereits gezeigt haben, nicht ersichtlich. Vor diesem Hintergrund ist anzunehmen, dass eine „1:1-Umsetzung“ des sachlichen Anwendungsbereichs in das deutsche Recht mit Art. 3 Abs. 1 GG nicht vereinbar und damit verfassungsrechtlich unzulässig wäre. (b) Erfordernis der Rechtsklarheit nach Art. 20 Abs. 3 GG Darüber hinaus bestehen Bedenken, ob der nationale Gesetzgeber mit einer bloßen „1:1-Umsetzung“ dem verfassungsrechtlich verankerten Grundsatz der Normenklarheit (Art. 20 Abs. 3 GG) Rechnung tragen würde. „Gesetzliche Rege152 So auch Colneric/Gerdemann, 156; im Ergebnis auch Brockhaus/Gerdemann/Thönnes, NVwZ 2021, 204, 209. 153 Streinz/Streinz, AEUV, Art. 18 Rn. 64. 154 Streinz/Streinz, AEUV, Art. 18 Rn. 64. 155 von Mu¨ nch/Kunig/Boysen, Art. 3 GG Rn. 100. 156 von Mu¨ nch/Kunig/Boysen, Art. 3 GG Rn. 100. 157 Streinz/Streinz, AEUV, Art. 18 Rn. 64. 158 BVerwG, Urteil vom 4. 9. 2007 – 1 C 43/06, NVwZ 2008, 333, 337; BVerwG, Urteil vom 31. 8. 2011 @ 8 C 9/10, NVwZ-RR 2012, 23, 27; BGH, Beschluss vom 19. 9. 2013 – IX AR (VZ) 1/12, NZI 2013, 1022, 1025. 159 BVerfG, Urteil vom 16. 3. 1955 – 2 BvK 1/54, NJW 1955, 625, 625. 160 So auch Colneric/Gerdemann, 157; im Ergebnis auch Schmitt, NZA-Beilage 2020, 50, 55.
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lungen müssen so gefasst sein, dass der Betroffene seine Normunterworfenheit und die Rechtslage so konkret erkennen kann, dass er sein Verhalten danach auszurichten vermag.“161 Es werden strengere Anforderungen an dieses Kriterium gestellt, wenn die andernfalls bestehende Unsicherheit die Grundrechtsbetätigung erschwert.162 Dem Adressaten eines Gesetzes soll der Inhalt der jeweiligen Vorschriften erkennbar sein, ohne dass er hierfür über besondere Kenntnisse verfügen muss.163 Der sachliche Anwendungsbereich der Whistleblowing-Richtlinie ist, insbesondere für juristische Laien, nur schwer zu durchdringen. Mit entsprechender Fortführung auf nationaler Ebene würde sich an diesem Umstand nichts ändern. Die eindeutige Bestimmung des sachlichen Anwendungsbereichs und die daraus folgenden Anforderungen an den Schutzanspruch eines Whistleblowers sind eine grundlegende Voraussetzung für seine Meldung als Ausdruck seiner Grundrechtsposition. Gleichzeitig müssen die gegenüberstehenden Unternehmen im Anwendungsbereich der Richtlinie nicht nur interne Meldesysteme einrichten (vgl. Art. 8 Abs. 1 EU-RL 2019/1937)164, sondern auch mit der Aufdeckung interner Informationen (Art. 12 Abs. 1 GG) rechnen, ohne dass sie anschließend gegen die Whistleblower rechtlich vorgehen könnten. Die Prüfung der Zulässigkeit eines Hinweises sowie die Beurteilung der Pflicht zur Bearbeitung einer eingegangenen Meldung wären mit erheblichem Aufwand verbunden und ohne hinreichenden Sachverstand kaum zu bewältigen. Aus diesen Gründen widerspräche eine „1:1-Umsetzung“ der Richtlinie dem Gebot der Rechtsklarheit nach Art. 20 Abs. 3 GG. (bb) Ausdehnung des Anwendungsbereichs zur effektiven Durchsetzung der Richtlinie Der Gesetzgeber hat bei seinen Erwägungen zudem nicht unberücksichtigt zu lassen, dass die Ausdehnung des Anwendungsbereichs grundlegende Bedeutung für die effektive Umsetzung der EU-Richtlinie 2019/1937 hat. Um das Whistleblowing im öffentlichen Interesse wirksam zu fördern, ist eine überschießende Umsetzung praktisch unabdingbar. Die bloße Fortführung des Art. 2 Abs. 1 lit. a) EU-RL 2019/1937 würde zu einem für sämtliche Beteiligte nur schwer zu überschauenden Anwendungsbereich des gesetzlichen Whistleblower-Schutzes führen.165 Es würden, bedingt durch die Regelungssystematik, eine Rechtszersplitterung und zusätzliche Rechtsunsicherheit
161
BVerfG, Beschluss vom 9. 4. 2003 – 1 BvL 1/01 u. a., NJW 2003, 2733, 2735. BVerfG, Beschluss vom 9. 4. 2003 – 1 BvL 1/01 u. a., NJW 2003, 2733, 2735. 163 Dreier/Schulze-Fielitz, Art. 20 GG (Rechtsstaat) Rn. 141. 164 Hierzu unter Teil 3 A. II. 165 Ähnlich auch Schröder, ZRP 2020, 212, 213; Wiedmann/Apel, Newsdienst Compliance 2019, 72007. 162
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entstehen.166 Bei Fortführung des Anwendungsbereichs der Richtlinie auf nationaler Ebene müsste ein potentieller Whistleblower das anzuzeigende Verhalten einem konkreten Rechtsgebiet zuordnen und zusätzlich differenzieren, ob es sich um (umgesetztes) Unionsrecht oder lediglich um nationales Recht handelt.167 Die Ermittlung der rechtlichen „Herkunft“ der Norm kann eine umfassende Prüfung erfordern.168 Ein Hinweisgeber, meist ein juristischer Laie, der regelmäßig zeitnah die Verstöße aufdecken möchte, wird dies kaum leisten können.169 So wäre ein Hinweisgeber beispielsweise nur geschützt, wenn er Verstöße gegen die DatenschutzGrundverordnung, nicht aber Verstöße gegen den Beschäftigtendatenschutz des Bundesdatenschutzgesetzes aufdecken würde.170 Die mit dem Anwendungsbereich verbundenen Schwierigkeiten der zu treffenden Beurteilung der Rechtslage wiegen umso schwerer, wenn man bedenkt, dass Sachverhalte oftmals vielschichtig sind. Es muss nicht nur ein einzelnes Rechtsgebiet betroffen sein.171 Für einen Hinweisgeber wäre es in einer solchen Situation kaum möglich, zutreffend festzustellen, ob und bezogen auf welchen Meldegegenstand ihm der Whistleblower-Schutz zugesprochen würde. Von einer Förderung der Bereitschaft zum Whistleblowing kann dann zu Lasten des Richtlinienziels – der Verbesserung der Rechtsdurchsetzung – nicht mehr ausgegangen werden.172 Eine bloße „1:1-Umsetzung“ würde der Förderung des Whistleblowings als Rechtsdurchsetzungsinstrument und damit dem Ziel der EURichtlinie 2019/1937 nicht gerecht. (cc) Zwischenergebnis Aus verfassungsrechtlichen Gründen darf der sachliche Anwendungsbereich der Richtlinie im Rahmen des nationalen Umsetzungsakts nicht bloß „1:1“ fortgeführt werden. Wegen der Vorgaben des Art. 3 Abs. 1 GG und denen des Art. 20 Abs. 3 GG muss angenommen werden, dass eine Ausdehnung des Whistleblower-Schutzes auf nationale Rechtsverstöße der in Art. 2 Abs. 1 lit. a) EU-RL 2019/1937 genannten Rechtsbereiche und auf das Strafrecht erforderlich ist. Selbst wenn diesen Überlegungen nicht gefolgt wird, sollte der nationale Gesetzgeber dennoch eine solche Ausdehnung des Anwendungsbereichs vornehmen.173 Nur auf diesem Weg kann der 166
sub. 1. 167
Gerdemann, RdA 2019, 16, 22; Gerdemann, Überlegungen zur nationalen Umsetzung,
So auch Garden/Hiéramente, BB 2019, 963, 964; Schröder, ZRP 2020, 212, 213; Sonnenberg, BB 2019, Heft 46 Umschlagteil I Erste Seite. 168 Garden/Hiéramente, BB 2019, 963, 964; ähnlich Wiedmann/Seyfert, CCZ 2019, 12, 19. 169 Ähnlich Sonnenberg, BB 2019, Heft 46 Umschlagteil I Erste Seite. 170 Zu diesem Beispiel Colneric/Gerdemann, 155. 171 Garden/Hiéramente, BB 2019, 963, 964. 172 Zu dem Irrtumsprivileg des Art. 6 Abs. 1 lit. a) EU-RL 2019/1937 unter Teil 2 B. II. 2. 173 So im Ergebnis auch Aszmons/Herse, DB 2019, 1849, 1849; Erlebach, CB 2020, 284, 285; Federmann/Racky/Kalb/Modrzyk, DB 2019, 1665, 1666; Garden/Hiéramente, BB 2019, 963, 964; Gerdemann, Überlegungen zur nationalen Umsetzung, sub. 1; Granetzny/Markworth, jurisPR-Compl 1/2020 Anm. 1; Richter, ArbRB 2018, 433, 435; Schmitt, NZA-Beilage 2020, 50, 55; Schmolke, NZG 2020, 5, 10; Sonnenberg, BB 2019, Heft 46 Umschlagteil I Erste Seite.
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Whistleblowing-Richtlinie umfassend zur Wirksamkeit verholfen werden.174 Gleichzeitig würde damit auch auf nationaler Ebene ein wesentlicher Beitrag zur Förderung der Rechtsdurchsetzung geleistet.175 Der aktuelle Gesetzesentwurf sieht eine solche Ausweitung des sachlichen Anwendungsbereichs vor, vgl. § 2 Abs. 1 Nr. 1 Alt. 1, Nr. 2 HinSchG-Entwurf. Vom Anwendungsbereich werden strafbewehrte Verstöße und Verstöße gegen Gesetze, Rechtsverordnungen und sonstige Vorschriften des Bundes und der Länder sowie unmittelbar geltende Rechtsakte der Europäischen Union und der Europäischen Atomgemeinschaft in den in Art. 2 Abs. 1 lit. a) EU-RL 2019/1937 genannten Rechtsbereichen erfasst. An dieser Regelung ist festzuhalten. (b) Reichweite der „freiwilligen“ überschießenden Umsetzung Eine Pflicht zur überschießenden Umsetzung der EU-Richtlinie 2019/1937 aus Art. 3 Abs. 1 GG besteht allein bezüglich Rechtsverstößen, die den Bereichen des Art. 2 Abs. 1 lit. a) EU-RL 2019/1937 zuzuordnen oder strafbewehrt sind. Außerhalb dessen steht es dem nationalen Gesetzgeber, zumindest unter dem Gesichtspunkt des verfassungsrechtlichen Gleichheitsgebots, grundsätzlich frei, weitere Rechtsverstöße in den sachlichen Anwendungsbereich des künftigen Hinweisgeberschutzgesetzes einzubeziehen. Bei der Entscheidungsfindung darf er jedoch die weiteren Vorgaben der Verfassung ebenfalls nicht unberücksichtigt lassen. Für die Beurteilung der Reichweite der überschießenden Umsetzung ist entscheidend, in welchen Fällen die unternehmerischen Interessen hinter denen des Hinweisgebers zurücktreten und damit eine (insbesondere auch direkte externe176) Meldung und eine Offenlegung unternehmensinterner Informationen als zulässig angesehen werden können. (aa) Verfassungsrechtliche Vorgaben An der Aufdeckung eines Rechtsverstoßes durch einen Hinweisgeber, sei es durch einen Arbeitnehmer oder eine andere Person im Sinne des Art. 4 Abs. 1 EU-RL 2019/ 1937, besteht ein öffentliches Interesse (Art. 20 Abs. 3 GG), welches der Grundrechtsausübung des Hinweisgebers (Art. 5 Abs. 1 S. 1 Fall 1 GG, Art. 2 Abs. 1 GG) zusätzliches Gewicht verleiht.177 Sofern jedoch lediglich ein Rechtsverstoß mit geringem Unrechtsgehalt im Raum steht, ist auch das Interesse der Allgemeinheit an seiner Aufdeckung von geringerer Bedeutung und entsprechend die Grundrechtsposition des Hinweisgebers – regelmäßig ein Arbeitnehmer – in der Abwägung geringer zu gewichten.178
174 Ähnlich auch Schröder, ZRP 2020, 212, 213; Wiedmann/Apel, Newsdienst Compliance 2019, 72007. 175 So auch Schmolke, NZG 2020, 5, 10. 176 Hierzu unter Teil 2 B. II. 3. b). 177 Hierzu unter Teil 1 D. II. 4. a). 178 Ähnlich zur bisherigen Rechtslage bereits Rudkowski, CCZ 2013, 204, 207.
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Teil 2: Schutz von Hinweisgebern
Dem stehen die grundrechtlich geschützten Interessen der betroffenen Unternehmen entgegen. Handelt es sich bei dem Hinweisgeber um einen Arbeitnehmer, wird die Grundrechtsposition des Unternehmens in der Funktion als Arbeitgeber durch die Anerkennung eines geschützten Rechts zur Aufdeckung interner Rechtsverstöße beeinträchtigt. Unternehmen haben ein grundrechtlich geschütztes Interesse (Art. 12 Abs. 1 GG) an der Geheimhaltung interner Informationen insbesondere durch ihre Belegschaft. Dies gilt, jedenfalls bei Unkenntnis, auch bezüglich unternehmensinterner Rechtsverstöße179 ; ein berechtigtes Geheimhaltungsinteresse des Arbeitgebers kann grundsätzlich auch an Rechtsverstößen bestehen180. Mit Blick auf die Umsetzung der Richtlinie ist auf Seiten des Unternehmens zu berücksichtigen, dass Hinweisgebern de lege ferenda das Recht zur Meldung und Offenlegung eines Verstoßes ungeachtet etwaiger Verantwortlichkeit des Unternehmens eingeräumt wird.181 Auf Kenntnis oder Billigung durch das Unternehmen kommt es für die Zulässigkeit eines (externen) Hinweises nicht an. Andererseits ist aber dem Interesse des Unternehmens an der Geheimhaltung der Informationen geringeres Gewicht zuzusprechen, wenn ein bedeutsamer Rechtsverstoß Gegenstand eines Hinweises ist.182 Umso gewichtiger der Unrechtsgehalt eines Rechtsverstoßes, desto eher muss auch eine (direkte) externe Meldung oder Offenlegung interner Missstände zulässig sein. Das öffentliche Interesse (als Drittinteresse) verstärkt in diesem Fall die Grundrechtsposition des Hinweisgebers. Spiegelbildlich bedeutet dies aber auch, dass es unangemessen wäre, einem hinweisgebenden Arbeitnehmer das geschützte Recht zur Aufdeckung unternehmensinterner Informationen anzuerkennen, obwohl die Aufdeckung des (ggfs. sogar weit zurückliegenden) Rechtsverstoßes für das öffentliche Interesse von geringerer Relevanz ist und der Rechtsverstoß ohne Kenntnis oder Billigung des Unternehmens verwirklicht wurde. Es widerspräche der Interessenposition des Unternehmens, wenn ein Arbeitnehmer (oder auch jeder weitere, eng mit dem Unternehmen verbundene potentielle Hinweisgeber im Sinne des Art. 4 EU-RL 2019/1937) wegen jeden beliebigen rechtlichen Fehlverhaltens, ungeachtet von der Kenntnis des Unternehmens, interne Informationen gegenüber staatlichen Stellen direkt melden oder sogar gegenüber der Allgemeinheit aufdecken dürfte. Unabhängig von der vertraglichen Beziehung zwischen Hinweisgeber und betroffenem Unternehmen ist auch zu berücksichtigen, dass mit dem geschützten Recht zum Whistleblowing regelmäßig eine Beeinträchtigung der Reputation des Unternehmens (Art. 12 Abs. 1 GG) verbunden wäre. Gerade für kleinere Unternehmen, die ebenfalls von der rechtlichen Wirkung des künftigen Hinweisgeberschutzgesetzes 179
BAG, Urteil vom 3. 7. 2003 – 2 AZR 235/02, NZA 2004, 427, 430; Boecken/Düwell/ Diller/Hanau/Brors, Gesamtes Arbeitsrecht, § 611 BGB Rn. 538. 180 Redder, 126; MHdB ArbR I/Reichold, § 54 Rn. 38; Henssler/Willemsen/Kalb/Thüsing, § 611a BGB Rn. 503; APS/Vossen, 2. Teil § 626 BGB Rn. 272. 181 Hierzu unter Teil 2 B. II. 1. b) aa) (2) (a). 182 Rudkowski, CCZ 2013, 204, 207.
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betroffen sein werden, können die aus dem Whistleblowing resultierenden (wirtschaftlichen) Folgen schwer wiegen. Die Ausdehnung des Whistleblower-Schutzes auf jeden Rechtsverstoß würde zudem eine dem Betriebsklima abträgliche Stimmung der gegenseitigen Kontrolle schaffen. Die Mitarbeiter eines Unternehmens müssten damit rechnen, wegen jeden Fehlverhaltens, ungeachtet des Unrechtsgehalts des in Frage stehenden Verstoßes, intern oder extern angezeigt zu werden. Dies würde nicht nur die betriebsinterne Stimmung beeinträchtigen, sondern würde auch eine erhebliche Verhaltensanpassung der gesamten Belegschaft verursachen; beides zu Lasten des wirtschaftlichen Erfolgs der Unternehmen. Der Gesetzgeber muss zudem berücksichtigen, dass mit einer Ausweitung des sachlichen Anwendungsbereichs auf nationaler Ebene jedenfalls bei Unternehmen, die zur Einrichtung interner Meldekanäle verpflichtet werden, eine, wenn auch geringfügige, zusätzliche Beeinträchtigung ihrer unternehmerischen Freiheit (Art. 12 Abs. 1 GG) eintreten würde. Umso weiter der Meldegegenstand gefasst wird, desto mehr Ressourcen muss ein Unternehmen zum Betrieb interner Meldesysteme einsetzen. Unter Berücksichtigung der dargestellten Grundrechtspositionen wäre es nicht angemessen, der Rechtsposition des Whistleblowers generell Vorrang zuzusprechen, mithin ihm das Recht einzuräumen, jeden denkbaren Rechtsverstoß (direkt extern) melden bzw. offenlegen zu dürfen. Entscheidend ist vielmehr, ob an der Aufdeckung eines rechtswidrigen Verhaltens ein Interesse der Allgemeinheit besteht, welches die grundrechtlichen Interessen der Unternehmen hinter denen des Hinweisgebers zurücktreten lässt und damit die geschützte Weitergabe der Informationen aus der „internen [privatrechtlichen] Sphäre“183 gegenüber externen staatlichen Stellen oder sogar der Allgemeinheit rechtfertigt. Außerhalb strafrechtlich relevanter Sachverhalte besteht ein solches gewichtiges184 Interesse der Öffentlichkeit an der Meldung bzw. Offenlegung interner Informationen nur in Ausnahmefällen.185 (bb) Folgerungen für die Umsetzung der EU-Richtlinie 2019/1937 Die überschießende Umsetzung der Richtlinie darf somit in keinem Fall durch einen generellen Verweis auf das gesamte nationale Recht erfolgen.186 Es könnte jedoch alternativ erwogen werden, zumindest sämtliche bußgeldbewehrte Rechtsverstöße der geschützten Meldung bzw. Offenlegung durch Hinweisgeber zugänglich zu machen. An einer solchen Ausdehnung des sachlichen 183
Bauschke, öAT 2012, 271, 272. Ähnlich auch Bauschke, öAT 2012, 271, 272; Simon/Schilling, BB 2011, 2421, 2426; vgl. auch Erwägungsgrund (3), (5) zur RL 2019/1937, Amtsblatt der Europäischen Union, L 305/17. 185 So auch Bauer, ArbRAktuell 2011, 404, 404; Seel, MDR 2012, 9, 12. 186 Im Ergebnis auch Schmolke, ZGR 2019, 876, 892; Schmolke, NZG 2020, 5, 10. 184
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Anwendungsbereichs würden jedoch verfassungsrechtliche Bedenken bestehen. Bei bloßen Ordnungswidrigkeiten ist der Unrechtsgehalt von geringerer Bedeutung als bei einem Strafrechtsverstoß und damit auch das an der Aufdeckung bestehende öffentliche Interesse (aus rechtsstaatlichen und demokratischen Gründen). Die Beeinträchtigung des „rechtsstaatlichen Gefüges“ durch einen Verstoß gegen bußgeldbewehrtes Recht wiegt weniger schwer.187 Die Grundrechtsposition des Unternehmens würde unangemessen beeinträchtigt, wenn Hinweisgebern das Recht zur direkten externen Meldung oder sogar zur Offenlegung von sämtlichen Ordnungswidrigkeiten188 zugesprochen würde. Eine pauschale Einbeziehung jedes bußgeldbewehrten Rechtsverstoßes in den sachlichen Anwendungsbereich des Umsetzungsgesetzes ist daher unzulässig. Es darf jedoch nicht verkannt werden, dass auch bußgeldbewehrte Rechtsverstöße, trotz ihres geringeren Unrechtsgehalts, im Einzelfall durchaus eine Bedeutung für die Allgemeinheit haben können und damit auch ein öffentliches Informationsinteresse anzuerkennen ist.189 Sofern der Gesetzgeber den Anwendungsbereich des künftigen Hinweisgeberschutzgesetzes auf bußgeldbewehrte Rechtsverstöße erstrecken möchte, muss er differenziert ermitteln, ob an einer Ordnungswidrigkeit in einem bestimmten Rechtsbereich, der nicht bereits von dem weiten Anwendungsbereich des Art. 2 Abs. 1 lit. a) EU-RL 2019/1937 erfasst ist, im Einzelfall ein solches Interesse bestehen kann. Eine Ausdehnung des künftigen Hinweisgeberschutzgesetzes auf bloße Vertragsverletzungen oder Verstöße gegen unternehmensinterne Regelungen, also auf privatrechtliche Verstöße, verbietet sich generell, da an deren Aufklärung kein öffentliches Interesse besteht.190 Bei diesem Fehlverhalten handelt es sich um eine rein privatrechtliche Angelegenheit, dessen Verfolgung gerade nicht den staatlichen Behörden obliegt. Ein staatliches Verfolgungsinteresse an solchen Verstößen besteht nicht. Die Durchsetzung des Privatrechts obliegt vielmehr allein den von den Rechtsverstößen betroffenen Privatrechtssubjekten. Die Aufgabe des Staates beschränkt sich in diesem Fall bloß auf eine etwaige gerichtliche Überprüfung des vom Privatrechtssubjekt im Wege einer Klage vorgebrachten Sachverhalts. Mangels öffentlichen Interesses an der Aufdeckung solcher Verstöße besteht auch keine Rechtfertigung dafür, dass der Hinweisgeber sich mit unternehmensinternen Informationen an externe staatliche Stellen oder sogar an die Öffentlichkeit wenden darf. Sie dürfen daher nicht vom Anwendungsbereich des künftigen Hinweisgeberschutzgesetzes erfasst werden.
187 188 189 190
Klaas, CCZ 2019, 163, 169. Bspw. § 24 StVG i. V. m. § 49 Abs. 1 Nr. 12 StVO, vgl. Colneric/Gerdemann, 163. Vgl. hierzu insbesondere unter Teil 1 D. II. 4. a) bb). So auch Colneric/Gerdemann, 161 f.; Schröder, ZRP 2020, 212, 214.
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(3) Umsetzungsempfehlung Wegen Art. 3 Abs. 1 und Art. 20 Abs. 3 GG muss der Gesetzgeber den sachlichen Anwendungsbereich auch auf das (ausschließlich) nationale Recht der in Art. 2 Abs. 1 lit. a) EU-RL 2019/1937 genannten Rechtsbereiche ausdehnen. Dies kann regulatorisch dadurch umgesetzt werden, dass an der Regelung des Art. 2 Abs. 1 lit. a) EU-RL 2019/1937 weitgehend festgehalten wird. Der Gesetzgeber kann die abschließende Aufzählung der erfassten Rechtsbereiche („[…] Versto¨ ße, die […] folgende Bereiche betreffen: […].“) auf nationaler Ebene fortführen, hierbei aber den Verweis auf die einzelnen Unionsrechtsakte („[…] Versto¨ ße, die in den Anwendungsbereich der im Anhang aufgefu¨ hrten Rechtsakte der Union fallen […].“) streichen und stattdessen sämtliche Verstöße gegen Gesetze, Rechtsverordnungen und sonstige Vorschriften des Bundes und der Länder sowie unmittelbar geltende Rechtsakte der Europäischen Union dieser Rechtsbereiche erfassen. Dies hat gleichzeitig den Vorteil, dass ein überschaubarer sachlicher Anwendungsbereich des künftigen Hinweisgeberschutzgesetzes geschaffen wird.191 Daneben ist Hinweisgebern de lege ferenda der besondere Schutz zuzusprechen, wenn sie Verstöße gegen das Strafrecht aufdecken. Eine Einbeziehung sämtlicher Ordnungswidrigkeiten in den Anwendungsbereich ist dagegen unzulässig und muss daher unterbleiben. Der sachliche Anwendungsbereich des gegenwärtigen Entwurfs des Hinweisgeberschutzgesetzes erstreckt sich zutreffend nicht auf jeden möglichen Rechtsverstoß. Außerhalb der Rechtsbereiche des Art. 2 Abs. 1 EU-RL 2019/1937 werden ausschließlich straf- und bußgeldbewehrte Rechtsverstöße erfasst, vgl. § 2 Abs. 1 Nr. 1 HinSchG-Entwurf. Unter Berücksichtigung der vorausgegangenen Erwägungen ist jedoch die zweite Alternative (bußgeldbewehrte Verstöße) aufzuheben. Es dürfen nicht sämtliche bußgeldbewehrte Rechtsverstöße der (externen) Meldung und Offenlegung zugänglich gemacht werden. Dieser Passus des § 2 Abs. 1 Nr. 1 HinSchG-Entwurf ist daher zu streichen. Im Übrigen kann an dem Gesetzestext festgehalten werden. b) Begrenzung des Meldegegenstands auf Rechtsverstöße Der Kreis zulässiger Meldegegenstände wird nicht nur durch die abschließende Auflistung der erfassten Rechtsakte und -bereiche in Art. 2 Abs. 1 EU-RL 2019/1937 begrenzt. Vielmehr ergibt sich aus der Vorschrift auch, dass ein Hinweisgeber Verstöße im Sinne der Richtlinie zur Begründung seines Schutzanspruchs aufdecken muss.
191
Kritisch dagegen Colneric/Gerdemann, 162 f.
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aa) Vorgaben der EU-Richtlinie 2019/1937 (1) Verstoß im Sinne des Art. 2 Abs. 1 EU-RL 2019/1937 Nach Art. 5 Nr. 1 i) EU-RL 2019/1937 liegt ein Verstoß im Sinne des Art. 2 Abs. 1 EU-RL 2019/1937 bei einer Handlung oder Unterlassung vor, die rechtswidrig ist und mit den Unionsrechtsakten, die von dem sachlichen Anwendungsbereich der Richtlinie erfasst sind, im Zusammenhang steht. Daneben handelt es sich gemäß Art. 5 Nr. 1 ii) EU-RL 2019/1937 bei Verhalten, welches dem Ziel oder dem Zweck dieser Vorschriften zuwiderläuft, um einen Verstoß. Weder auf ein Verschulden noch auf die rechtliche Einordnung des Rechtsverstoßes (bspw. als Straftat oder Ordnungswidrigkeit) auf nationaler Ebene kommt es hierfür an.192 Dies ist auch sinnvoll, da diese Beurteilung wesentlich von den Regelungen der Mitgliedstaaten abhängt193 und ein einheitlicher Mindeststandard zum Schutz von Hinweisgebern andernfalls nicht erreicht werden könnte. Bemerkenswert ist, dass nicht nur rechtswidriges Verhalten (Art. 5 Nr. 1 i) EU-RL 2019/1937), sondern auch solches, das dem Zweck oder Ziel der Rechtsvorschriften zuwiderläuft, der Meldung und Offenlegung zugänglich ist (Art. 5 Nr. 1 ii) EU-RL 2019/1937). Es soll Hinweisgebern das Recht eingeräumt werden, bloß missbräuchliche Praktiken im Sinne der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs aufdecken zu können.194 Nach der Beurteilung des Gerichtshofs besteht ein grundsätzliches Verbot der betrügerischen und missbräuchlichen Inanspruchnahme von Unionsrecht.195 Die Beurteilung, ob es sich um eine missbräuchliche Praxis handelt, ist auf europäischer Ebene durch eine umfassende Einzelfallkasuistik geprägt. Bereits die Vielzahl gerichtlicher Entscheidungen zu der Thematik zeigt, wie schwer es fällt, eine solche rechtliche Einordnung zu treffen. Ob ein Whistleblower als juristischer Laie dies leisten kann, ist anzuzweifeln.196 Auch wenn die Erweiterung des Meldegegenstands auf missbräuchliches Verhalten zur Vermeidung von Umgehungspraktiken197 nachvollziehbar ist, bietet die konturenlose198 Regelung nur einen geringen Mehrwert. Sie muss dennoch umgesetzt werden. Das Recht zur Meldung oder Offenlegung ist nach den Vorgaben der EURichtlinie 2019/1937 somit auf rechtswidriges und rechtsmissbräuchliches Verhalten beschränkt. Rechtmäßiges Verhalten, ungeachtet, ob dies im Einzelfall als unethisch, unmoralisch oder gemeinwohlschädlich eingestuft werden kann („recht192
Erwägungsgrund (3) zur RL 2019/1937, Amtsblatt der Europäischen Union, L 305/17. Thüsing/Rombey, NZG 2018, 1001, 1002. 194 Erwägungsgrund (42) zur RL 2019/1937, Amtsblatt der Europäischen Union, L 305/24. 195 EuGH, Urteil vom 3. 3. 2005 – C-32/03 (Fini H), UR 2005, 433, 436; EuGH, Urteil vom 21. 2. 2006 – C-255/02 (Halifax plc), UR 2006, 232, 237; EuGH, Urteil vom 22. 11. 2017 – C251/16 (Cussens, Jennings und Kingston), UR 2018, 241, 244. 196 Ähnlich DIHK, Stellungnahme, S. 4. 197 Schmolke, AG 2018, 769, 775. 198 Ähnlich auch Garden/Hiéramente, BB 2019, 963, 963; Thüsing/Rombey, NZG 2018, 1001, 1002. 193
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mäßiges Fehlverhalten“), stellt keinen Verstoß im Sinne der Richtlinie dar. Einem Hinweisgeber, der rechtmäßiges Verhalten aufdeckt, wird somit nach den Vorgaben der Richtlinie auch kein Schutzanspruch zugesprochen. Whistleblowing ist nach der Intention des Gesetzgebers ein Instrument zur Rechtsdurchsetzung.199 (2) Konkretisierung des Meldegegenstands durch den Begriff „Informationen über Verstöße“ Der Kreis inhaltlich zulässiger Hinweise wird zusätzlich durch die Vorgaben des Art. 6 Abs. 1 lit. a) EU-RL 2019/1937 konkretisiert und muss entsprechend in nationales Recht umgesetzt werden. Ein Whistleblower muss danach zur Begründung seines Schutzanspruchs Informationen über Verstöße melden oder offenlegen. Unter Berücksichtigung der zugehörigen Definition der „Informationen über Verstöße“ in Art. 5 Nr. 2 EU-RL 2019/1937 ergibt sich, dass er Informationen, einschließlich begru¨ ndeter Verdachtsmomente, in Bezug auf tatsa¨ chliche oder potenzielle Versto¨ ße200, die in der Organisation, in der der Hinweisgeber ta¨ tig ist oder war, oder in einer anderen Organisation, mit der der Hinweisgeber aufgrund seiner beruflichen Ta¨ tigkeit im Kontakt steht oder stand, aufdecken darf. Das Recht zur Meldung und Offenlegung bezieht sich auf bereits begangene Verstöße und auf solche, die sehr wahrscheinlich erfolgen werden. Daneben ist auch ein bloßer Versuch der Verschleierung eines Verstoßes der Meldung und Offenlegung zugänglich. (a) Täter des Verstoßes Eine einschränkende Regelung, durch wen der Verstoß verwirklicht worden sein muss, sieht die Richtlinie nicht vor. Nach Art. 6 Abs. 1 lit. a) i. V. m. Art. 5 Nr. 2 EURL 2019/1937 ist allein entscheidend, dass der Verstoß in der Organisation, für die der Hinweisgeber tätig ist/war oder zumindest zu ihr einen beruflichen Kontakt hat/ hatte, verwirklicht wurde. Wer den Verstoß konkret begangen hat, ist ohne Bedeutung. Auf Kenntnis, Billigung oder Veranlassung des Verhaltens des „Täters“ durch das angezeigte Unternehmen kommt es nach den Vorgaben der Richtlinie nicht an. Der Hinweisgeber muss zur Begründung seines Schutzanspruchs insbesondere auch nicht zwingend einen konkreten „Täter“ bezeichnen. Ausreichend ist, dass er Informationen über den Verstoß vorträgt. Die Bezeichnung des Verantwortlichen ist für das Recht des potentiellen Whistleblowers zur Meldung bzw. Offenlegung von Verstößen im Sinne der Richtlinie und für den daran anknüpfenden Schutzanspruch ohne Relevanz.
199 Vgl. insbesondere Erwägungsgrund (1) bis (5) zur RL 2019/1937, Amtsblatt der Europäischen Union, L 305/17. 200 „Die Tatbestandsalternative ist redundant, da vermeintliche Verstöße bereits durch das Erfordernis des (bloß) guten Glaubens des Meldenden […] geschützt sind.“, Gerdemann, RdA 2019, 16, 22.
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Teil 2: Schutz von Hinweisgebern
(b) Verwirklichungsstadium des Verstoßes Gemäß Art. 5 Nr. 2 EU-RL 2019/1937 kann ein Hinweisgeber tatsa¨ chliche und potenzielle Versto¨ ße, die bereits begangen wurden oder sehr wahrscheinlich erfolgen werden, aufdecken. In Erwägungsgrund Nummer 43 wird klargestellt, dass die zeitlichen Anforderungen an den Verstoß zur effektiven Durchsetzung des Unionsrechts weit zu verstehen sind. Es sollen nicht nur bereits eingetretene, sondern auch künftige Verstöße, die mit hoher Wahrscheinlichkeit zu erwarten sind, erfasst sein.201 Der Verstoß kann somit sowohl in der Vergangenheit liegen als auch erst in der Zukunft verwirklich werden. Nicht nur, dass dies eine effektive Rechtsdurchsetzung gewährleistet202, auch wird einem Hinweisgeber die Gefahr der Beweisnot weitgehend abgenommen.203 (aa) Vergangene, gegenwärtige und künftige Verstöße Ausgehend von der Formulierung der Richtlinie bezieht sich der Meldegegenstand auf zurückliegende Verstöße („bereits begangen wurden“) und ihre künftige Begehung („sehr wahrscheinlich erfolgen werden“). Ob auch gerade stattfindende Verstöße erfasst sein sollen, ergibt sich daraus nicht eindeutig. Unter Berücksichtigung der englischen Sprachfassung liegt es jedoch nah, dass die Vorgaben der Richtlinie sich auch auf gegenwärtige, mithin gerade andauernde Verstöße beziehen.204 Während die deutsche Formulierung darauf abstellt, dass der Verstoß bereits begangen „wurde“, genügt es nach der englischen Fassung („[…] about actual or potential breaches, which occurred […].“), dass der Verstoß „auftrat“205. Eine abweichende Auslegung widerspräche zudem auch dem Zweck der Richtlinie. Die Meldung oder Offenlegung noch andauernder Verstöße dient ebenfalls der effektiven Rechtsdurchsetzung. (bb) Zeitliche Anforderungen an künftige und vergangene Verstöße Fraglich ist, ob ein Hinweisgeber nach den Vorgaben der Richtlinie zur Begründung seines Schutzanspruchs jeden künftigen und jeden beliebig weit zurückliegenden Verstoß melden oder offenlegen kann.
201
Erwägungsgrund (43) zur RL 2019/1937, Amtsblatt der Europäischen Union, L 305/24. So auch Schmolke, AG 2018, 769, 770; Schmolke, ZGR 2019, 876, 878 f. 203 Thüsing/Rombey, NZG 2018, 1001, 1002 f. 204 Alternativ könnte man darauf abstellen, dass der europäische Gesetzgeber als entscheidendes Kriterium nicht die Beendigung, sondern die Begehung herangezogen hat. Letzteres könnte dahin gehend verstanden werden, dass der „Täter“ die den Rechtsverstoß/ Rechtsmissbrauch begründende Verhaltensweise begangen, nicht aber zur vollständigen Beendigung gebracht haben muss. 205 Vgl. die Übersetzung der englischen Fassung „occured“, abrufbar unter https://www.lin guee.de/englisch-deutsch/uebersetzung/occurred.html, zuletzt abgerufen am 2. 10. 2020. 202
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Eine zeitliche Begrenzung hinsichtlich vergangener Verstöße sieht die Richtlinie nicht vor. Ein Hinweisgeber kann nach Art. 6 Abs. 1 lit. a) EU-RL 2019/1937 somit jeden, noch so weit zurückliegenden Verstoß aufdecken. Künftige Verstöße sind gemäß Art. 5 Nr. 2 EU-RL 2019/1937 dagegen einer geschützten Meldung oder Offenlegung nur zugänglich, wenn der Verstoß „sehr wahrscheinlich“ erfolgen wird.206 Durch den Vergleich mit dem ursprünglichen Richtlinien-Vorschlag der Kommission207 wird deutlich, dass an die Wahrscheinlichkeit des Eintritts des Verstoßes strenge Anforderungen zu stellen sind. bb) Umsetzung auf nationaler Ebene Fraglich ist, ob die dargestellten Richtlinien-Vorgaben auf nationaler Ebene uneingeschränkt übernommen werden müssen. Dies hängt maßgeblich davon ab, ob den Mitgliedstaaten ein Umsetzungsspielraum seitens des europäischen Gesetzgebers überlassen wurde. Besteht ein solcher Spielraum, sind die Vorgaben des Grundgesetzes, die dem nationalen Gesetzgeber bei der Umsetzung der EU-Richtlinie Grenzen setzen, zu berücksichtigen. Mit Umsetzung der EU-Richtlinie in nationales Recht ist zu erwägen, ob nicht nur Rechtsverstöße, sondern auch rechtmäßiges, aber unmoralisches oder unethisches Fehlverhalten der geschützten Meldung bzw. Offenlegung durch Hinweisgeber zugänglich gemacht werden soll. In der juristischen Literatur wird teilweise vertreten, dass der Gesetzgeber einen Schutzanspruch anerkennen sollte, wenn ein Hinweisgeber rechtmäßiges, aber unethisches oder unmoralisches Verhalten, an dessen Aufdeckung ein öffentliches Interesse besteht, meldet oder gegenüber der Allgemeinheit offenlegt.208 Dadurch dürften Hinweisgeber beispielsweise gemeinwohlschädliches, aber rechtmäßiges Verhalten aufdecken. Als weitere Abweichung von den Vorgaben der Whistleblowing-Richtlinie käme die Normierung strengerer Vorgaben bezüglich der zeitlichen Anforderungen an den Meldegegenstand und der Person des Täters in Betracht. (1) Unionsrechtlicher Umsetzungsspielraum (a) Ausdehnung des Meldegegenstands auf rechtmäßiges Fehlverhalten Der europäische Gesetzgeber hat den Mitgliedstaaten in der WhistleblowingRichtlinie keine ausdrückliche Befugnis eingeräumt, den Schutz der Richtlinie auch auf die Meldung und Offenlegung rechtmäßigen Fehlverhaltens auszudehnen. Art. 2 Abs. 2 EU-RL 2019/1937 ermöglicht nur eine Ausdehnung des Anwendungsbe206
Vgl. auch Erwägungsgrund (43) zur RL 2019/1937, Amtsblatt der Europäischen Union, L 305/24. Danach wird auf eine „hohe“ Wahrscheinlichkeit abgestellt. 207 Danach musste der Verstoß lediglich „wahrscheinlich“ eintreten, vgl. Art. 3 Nr. 1, 5 COD 2018/0106. 208 Colneric/Gerdemann, 166 ff.; Schröder, ZRP 2020, 212, 215.
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reichs auf weitere Bereiche und Rechtsakte. Daraus kann jedoch nicht auf die Unzulässigkeit eines solchen Vorhabens geschlossen werden. Es handelt sich hierbei im Ergebnis um eine überschießende Umsetzung der Richtlinie (Ausweitung des sachlichen Anwendungsbereichs), der keine unionsrechtlichen Bedenken entgegenstehen. (b) Einschränkungen des Meldegegenstands Inwieweit dagegen einschränkende Abweichungen von den weiteren genannten Kriterien des Meldegegenstands (hier: Täter des Verstoßes; zeitliche Anforderungen an den Verstoß) zulässig sind, richtet sich nach dem konkreten Umsetzungsvorhaben. Den Mitgliedstaaten steht es im Rahmen der Umsetzung der Richtlinie grundsätzlich zu, für den Hinweisgeber günstigere Bestimmungen zu erlassen, vgl. Art. 25 Abs. 1 EU-RL 2019/1937. All solche Vorhaben, die das durch die Richtlinie vermittelte Schutzniveau absenken, sind wegen des mindestharmonisierenden Charakters der Richtlinie unzulässig. Nach den Vorgaben der Richtlinie kann ein Whistleblower jeden Rechtsverstoß aufdecken, ohne dass das betroffene Unternehmen von den internen Missständen Kenntnis erlangt, diese gebilligt oder sogar den „Täter“ dazu veranlasst hat. Die Einschränkung des Rechts zum Whistleblowing durch Zurechnungsgesichtspunkte würde die Rechtsposition des Hinweisgebers daher beschränken. Wegen der Unterschreitung des durch die Richtlinie vermittelten Schutzes wäre ein solches Vorhaben nach dem Unionsrecht unzulässig. Nichts anderes gilt für abweichende zeitliche Vorgaben bezüglich vergangener Meldegegenstände. Da die Richtlinie das Recht zur Meldung oder Offenlegung zeitlich zurückliegender Verstöße nicht einschränkt, verbietet sich eine zeitliche Begrenzung des Melderechts auf nationaler Ebene, auch wenn diese durchaus Argumente für sich hätte. (2) Verfassungsrechtliche Vorgaben – Unzulässigkeit der Ausdehnung des Meldegegenstands auf rechtmäßiges Fehlverhalten Die unionsrechtlich zulässige Ausdehnung des Meldegegenstands auf rechtmäßiges, aber unethisches oder unmoralisches Verhalten muss auch mit dem Grundgesetz vereinbar sein. Dies ist abzulehnen. Die Verfassung verbietet eine solche Ausdehnung des Meldegegenstands und die damit verbundene Ausdehnung des Whistleblower-Schutzes. Ein Whistleblower, der sich mit solchem Fehlverhalten an eine (staatliche) Meldestelle oder die Allgemeinheit wendet, wird durch die Meinungsfreiheit (Art. 5 Abs. 1 S. 1 Fall 1 GG, Art. 10 EMRK), das Petitionsrecht (Art. 17 GG) und die allgemeine Handlungsfreiheit (Art. 2 Abs. 1 GG) geschützt. An seiner Grundrechtsbetätigung besteht mangels Rechtsverstoßes jedoch kein öffentliches Interesse aus rechtsstaatlichen Gesichtspunkten (Art. 20 Abs. 3 GG). Sofern der Gesetzgeber ein uneingeschränktes, mithin von der Bedeutung für die Allgemeinheit unabhän-
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giges Recht zur Meldung bzw. Offenlegung rechtmäßigen Fehlverhaltens anerkennt, würden de lege ferenda damit im Ergebnis auch Hinweise zugelassen werden, an denen kein öffentliches Interesse besteht. Der Grundrechtsposition des Whistleblowers würde in diesem Fall auch unter demokratischen Gesichtspunkten keine zusätzliche Bedeutung zugesprochen werden können.209 Gleichzeitig würde mit diesem bedingungslosen Recht zur Aufdeckung rechtmäßigen, aber verwerflichen Verhaltens die Grundrechtsposition der gegenüberstehenden Unternehmen (Art. 12 Abs. 1 GG) schwerwiegend beeinträchtigt. Das betroffene Unternehmen müsste nicht nur mit der Bekanntmachung von Informationen, an denen seinerseits ein Geheimhaltungsinteresse besteht, rechnen, sondern würde zusätzlich dem Risiko erheblicher Reputationsschäden ausgesetzt210. Diese Beeinträchtigung wäre nicht sachgerecht, da das angezeigte Unternehmen sein Verhalten entsprechend der gesetzlichen Vorgaben ausgerichtet und auch nicht versucht hat, diese missbräuchlich zu umgehen. Es kann von Unternehmen grundsätzlich nur verlangt werden, sich rechtskonform zu verhalten, nicht aber, ihr Handeln zusätzlich an ethischen und moralischen Überzeugungen auszurichten211, deren einheitliche Bestimmung kaum möglich ist212. Darüber hinaus bestünde durch die Anerkennung eines geschützten Rechts zur Anzeige rechtmäßigen Fehlverhaltens die Gefahr, dass der wirtschaftliche Erfolg der Unternehmen beeinträchtigt würde: Die Mitarbeiter eines Unternehmens müssten immer damit rechnen, wegen rechtmäßigen, aber in den Augen des Hinweisgebers verwerflichen Fehlverhaltens „angezeigt“ zu werden. Es entstünde ein Klima der gegenseitigen Kontrolle und des Misstrauens.213 Sofern der Gesetzgeber rechtmäßiges Fehlverhalten in den sachlichen Anwendungsbereich des künftigen Hinweisgeberschutzgesetzes einbezieht, würde die unternehmerische Interessenposition unangemessen beeinträchtigt. Die Beseitigung etwaigen verwerflichen oder unmoralischen Verhaltens, welches keine Bedeutung für die Allgemeinheit hat und dessen Aufdeckung damit auch nicht im öffentlichen Interesse liegt, ist ausschließlich eine unternehmensinterne Angelegenheit, die entsprechend auch allein durch das Unternehmen zu bearbeiten ist. Entsprechend darf Hinweisgebern auch nicht das Recht zugesprochen werden, solches Fehlverhalten gegenüber externen Stellen zu melden oder gegenüber der Allgemeinheit offenzulegen. Um der Regelung zur Zulässigkeit zu verhelfen, könnte – wie in der juristischen Literatur teilweise gefordert214 – das Recht zur Aufdeckung rechtmäßigen Fehlverhaltens an das Bestehen eines öffentlichen Interesses (bspw. im Fall gemeinwohlschädlichen Verhaltens) geknüpft werden. 209 210 211 212 213 214
Hierzu unter Teil 1 D. I. 4. a) bb). Zu § 5 Nr. 2 GeschGehG auch Hiéramente/Golzio, CCZ 2018, 262, 264. Zu § 5 Nr. 2 GeschGehG auch Dann/Markgraf, NJW 2019, 1774, 1777. Forst, EuZA 2020, 283, 298; Schmolke, ZGR 2019, 876, 904. Hierzu bereits unter Teil 2 B. II. 1. a) bb) (2) (b) (aa). Colneric/Gerdemann, 166 ff.; Schröder, ZRP 2020, 212, 215.
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Teil 2: Schutz von Hinweisgebern
Der Grundrechtsposition des Hinweisgebers (Art. 5 Abs. 1 S. 1 Fall 1 GG, Art. 10 EMRK) muss in diesem Fall, bedingt durch das öffentliche Informationsinteresse, zusätzliches Gewicht zugesprochen werden. Dies gilt jedenfalls dann, wenn er die Informationen gegenüber der Allgemeinheit offenlegt. Ein öffentliches Informationsinteresse kann in engen Ausnahmefällen auch hinsichtlich rechtmäßigen Fehlverhaltens bestehen; auf einen Rechtsverstoß kommt es hierfür nicht zwingend an.215 Legt ein Hinweisgeber Missstände offen, an denen ein Interesse der Allgemeinheit besteht, kann er einen Beitrag zum öffentlichen Meinungsdiskurs, einem zentralen Element eines demokratischen Staats, leisten. Gerade dieser offene Meinungsaustausch in der Gesellschaft nimmt wesentlichen Einfluss auf die Entscheidungsprozesse staatlicher Organe216, insbesondere auch hinsichtlich der Frage was Recht und Unrecht sein soll. Die Beurteilung, welches Verhalten rechtswidrig oder rechtmäßig sein soll, unterliegt einer ständigen Entwicklung, Anpassung und Veränderung – es ist gerade nicht ausgeschlossen, dass ein Verhalten, welches bisher rechtmäßig war, künftig als rechtswidrig eingestuft wird. Der „rechtliche Status quo“217 unterliegt einem ständigen Wandel, beeinflusst durch den gesellschaftlichen Diskurs. Hierzu können Hinweisgeber einen Beitrag leisten, wenn sie rechtmäßiges Fehlverhalten, an dessen Aufdeckung aber ein Interesse der Allgemeinheit besteht, offenlegen. Die Funktion der Whistleblower erschöpft sich somit nicht allein in der Förderung der Durchsetzung des bisher geltenden Rechts. Vielmehr können sie durch die Aufdeckung von Missständen auch zur Fortentwicklung des Rechts beitragen.218 Aus diesem Grund kommt der Grundrechtsposition des Hinweisgebers hier besonderes Gewicht zu, welches die mit der Ausdehnung des Whistleblower-Schutzes verbundene Einschränkung der unternehmerischen Interessen219 rechtfertigen könnte.220 Dies entspricht im Ergebnis auch der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte. Die Verfassung ist grundsätzlich im Lichte der Konvention unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte auszulegen.221 Eine Meinungsäußerung, deren Inhalt im öffentlichen Interesse liegt, genießt nach der Konvention einen starken Schutz.222 Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte räumt dem öffentlichen Interesse an der Information für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit der Einschränkung der Meinungsfreiheit (auch im Arbeitsverhältnis223) besondere Bedeutung ein. Art. 10 215 216 217 218 219 220 221 222 223
Hierzu umfassend unter Teil 1 D. II. 4. a) bb). Vgl. hierzu bereits Teil 1 D. II. 4. a) bb). Colneric/Gerdemann, 168. Vgl. auch Colneric/Gerdemann, 168. Vgl. hierzu unter Teil 2 B. II. 1. b) bb) (2) (a). So im Ergebnis wohl Schröder, ZRP 2020, 212, 215. Hierzu umfassend unter Teil 1 D. I. 3. b). Dörr/Grote/Marauhn/Grote/Wenzel, Kapitel 18 Rn. 106. Teil 2 B. I. 2. b) dd).
B. Zulässigkeit von Hinweisen
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Abs. 2 EMRK biete „kaum Raum für Einschränkungen der Diskussion über Fragen öffentlichen Interesses“.224 Ein Hinweisgeber kann danach umso eher Missstände aufdecken, desto stärker das Interesse der Allgemeinheit betroffen ist.225 Für eine „Frage allgemeinen Interesses“226 kommt es nicht auf einen Rechtsverstoß an.227 Auch an der Aufdeckung bloß unmoralischen oder unethischen Verhaltens kann gegebenenfalls ein solches Interesse bestehen.228 Die dargestellten Erwägungen rechtfertigen jedoch nicht die in Frage stehende Ausdehnung des Whistleblower-Schutzes. Eine solche Regelung wäre mit den Grundsätzen der Rechtsstaatlichkeit nicht zu vereinbaren.229 Der Gesetzgeber würde ein Einfallstor für Gesinnungsjustiz schaffen.230 Die Beurteilung, ob ein Hinweisgeber schutzwürdig ist, würde im Ergebnis von subjektiven Einschätzungen des zuständigen Gerichts abhängen, konkret von dessen individuellen Vorstellungen von Moral und Ethik. Dies steht im grundlegenden Widerspruch zum Rechtsstaat. In Abhängigkeit von der subjektiven Beurteilung der Justiz hinsichtlich Moral und Ethik würden Unternehmen im Ergebnis schutzlos gestellt, obwohl ihr Handeln im Einklang mit der Rechtsordnung steht. Der Grundsatz der Rechtsstaatlichkeit verbietet dies. Der Schutz des Einzelnen im Rechtsstaat darf nicht von moralischen bzw. ethischen individuellen Wertentscheidungen staatlicher Stellen abhängig gemacht werden.231 Dem Staat obliegt gerade nicht die Durchsetzung von Ethik und Moral, sondern allein von geltendem Recht.232 In einem Rechtsstaat müssen Recht und subjektive Wertvorstellungen klar voneinander getrennt werden – der Gesetzgeber darf kein „moralisierendes“ Recht schaffen.233 Dies wäre bei der hier in Frage stehenden Ausdehnung des Whistleblower-Schutzes zu Lasten der Unternehmen jedoch gerade der Fall. Der nationale Gesetzgeber darf daher Hinweisgebern, die rechtmäßiges, aber unethisches oder unmoralisches Fehlverhalten aufdecken, keinen Schutzanspruch zusprechen.234 Das Grundgesetz begrenzt den Umsetzungsspielraum des Gesetzgebers. Unter verfassungsrechtlichen Gesichtspunkten verbietet sich die Ausdehnung des Meldegegenstands auf bloß unethisches und unmoralisches Verhalten. Das heißt: De lege 224
EGMR, Urteil vom 10. 12. 2007 – 69698/01 (Stoll), NJW-RR 2008, 1141, 1144; EGMR, Urteil vom 21. 7. 2011 – 28274/08 (Heinisch), NZA 2011, 1269, 1271. 225 Dzida/Naber, ArbRB 2011, 238, 240; Reinhardt-Kasperek/Kaindl, BB 2018, 1332, 1333. 226 EGMR, Urteil vom 10. 12. 2007 – 69698/01 (Stoll), NJW-RR 2008, 1141, 1144. 227 Dies gilt (wohl) auch im Rahmen eines Arbeitsverhältnisses, vgl. hierzu unter Teil 2 B. I. 2. a) bb). 228 EGMR, Urteil vom 15. 2. 2005 – 68416/01 (Steel und Morris), NJW 2006, 1255, 1258. 229 Zu § 5 Nr. 2 GeschGehG ebenfalls kritisch Passarge, CB 2018, 144, 147. 230 Vgl. zu § 5 Nr. 2 GeschGehG ebenfalls kritisch Passarge, CB 2018, 144, 147. 231 Vgl. zu § 5 Nr. 2 GeschGehG kritisch auch Passarge, CB 2018, 144, 147. 232 Vgl. zu § 5 Nr. 2 GeschGehG kritisch auch Passarge, CB 2018, 144, 147. 233 Vgl. zu § 5 Nr. 2 GeschGehG kritisch auch Passarge, CB 2018, 144, 147. 234 A. A. Colneric/Gerdemann, 166 ff.; Schröder, ZRP 2020, 212, 215.
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Teil 2: Schutz von Hinweisgebern
ferenda darf kein Schutzanspruch anerkannt werden, wenn ein Hinweisgeber rechtmäßiges Fehlverhalten meldet bzw. offenlegt. Dies gilt unabhängig davon, ob an der Aufdeckung dieses Fehlverhaltens ein öffentliches Interesse besteht. (3) Umsetzungsempfehlung (a) Schutz bei Hinweisen auf Rechtsverstöße Hinweisgeber müssen künftig Rechtsverstöße und Fälle von Rechtsmissbrauch aufdecken dürfen. Die Zulässigkeit des Whistleblowings darf nicht davon abhängig gemacht werden, wer den Rechtsverstoß begangen hat und wer davon Kenntnis hatte. Ausreichend ist, dass der Verstoß in dem Unternehmen, in dem bzw. für das der Hinweisgeber tätig ist, war oder sein wird, verwirklicht wurde. Es darf Whistleblowern de lege ferenda keine konkrete Bezeichnung des „Täters“ zur Begründung ihres Schutzanspruchs abverlangt werden. Es kommen unter Berücksichtigung der vorausgegangenen Ausführungen die folgenden Regelungen in Betracht: Ein Hinweisgeber hat einen Anspruch auf Schutz nach diesem Gesetz, wenn er Informationen über Verstöße […] meldet oder […] offenlegt […]. Informationen u¨ ber Versto¨ ße sind Informationen in Bezug auf tatsächliche oder mögliche Versto¨ ße […] sowie in Bezug auf Versuche der Verschleierung solcher Versto¨ ße. Verstöße sind Handlungen oder Unterlassungen, die rechtswidrig sind oder dem Ziel oder Zweck einer Rechtsvorschrift im Sinne dieses Gesetzes zuwiderlaufen und damit missbräuchlich sind.
Der aktuelle Gesetzesentwurf zur Umsetzung der EU-Richtlinie 2019/1937 entspricht diesen Erwägungen. Hinweisgeber werden gem. § 32 Abs. 1 HinSchGEntwurf geschützt, wenn sie Informationen melden bzw. offenlegen, die Versto¨ ße betreffen, welche in den Anwendungsbereich des Hinweisgeberschutzgesetzes fallen. Verstöße werden zutreffend als Handlungen oder Unterlassungen, die rechtswidrig sind und die Vorschriften oder Rechtsgebiete betreffen, die in den sachlichen Anwendungsbereich fallen, oder missbra¨ uchlich sind, weil sie dem Ziel oder dem Zweck der Regelungen in den Vorschriften oder Rechtsgebieten zuwiderlaufen, die in den sachlichen Anwendungsbereich fallen, definiert (vgl. § 3 Abs. 2 HinSchGEntwurf). Eine Anpassung dieser Regelungen ist nicht erforderlich. Der nationale Gesetzgeber muss zudem klarstellen, dass nicht nur eingetretene und künftige Verstöße, sondern auch gerade stattfindende Verstöße einer Meldung oder Offenlegung zugänglich sind. Das Recht zur Aufdeckung eines künftigen Verstoßes ist, insbesondere zum Schutz der Interessen der Unternehmen und der im Einzelnen bezichtigten Personen (Art. 12 Abs. 1 GG, Art. 16 GRCh; Art. 2 Abs. 1 i. V. m. Art. 1 Abs. 1 GG, Art. 8 EMRK, Art. 7, 8 GRCh) dadurch einzugrenzen, dass der Verstoß unmittelbar235 bevorstehen muss. 235 Im allgemeinen Sicherheitsrecht beschreibt die Unmittelbarkeit „eine Sachlage […], die bei ungehindertem Geschehensablauf mit hoher Wahrscheinlichkeit zu einem Schaden […] führt.“, vgl. BVerfG, Beschluss vom 19. 12. 2007 – 1 BvR 2793/04, NVwZ 2008, 671, 672.
B. Zulässigkeit von Hinweisen
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Diesem Umstand tragen die Regelungen des Entwurfs des Hinweisgeberschutzgesetzes unzureichend Rechnung. In § 3 Abs. 3 HinSchG-Entwurf wurde lediglich die Legaldefinition des Art. 5 Nr. 2 EU-RL 2019/1937 („Informationen über Verstöße“) übernommen. Gemäß § 3 Abs. 3 HinSchG-Entwurf sind Informationen über Verstöße begründete Verdachtsmomente oder Wissen über tatsächliche oder mögliche Verstöße sowie über Versuche der Verschleierung solcher Verstöße, die bereits begangen wurden oder sehr wahrscheinlich erfolgen werden. Aus der Vorschrift ergibt sich weder eindeutig, dass jedes Verwirklichungsstadium eines Rechtsverstoßes aufgedeckt werden darf. Noch werden die zeitlichen Kriterien für künftige Verstöße eindeutig benannt. Lässt man zudem die Gutgläubigkeit für die Begründung eines Schutzanspruchs de lege ferenda genügen, kommt es auf das Vorliegen begründeter Verdachtsmomente an vorliegender Stelle nicht an.236 Der Gesetzgeber sollte daher vielmehr in den Gesetzestext aufnehmen: Informationen u¨ ber Versto¨ ße sind Informationen in Bezug auf tatsächliche oder mögliche Versto¨ ße, die bereits begangen wurden, andauern oder unmittelbar bevorstehen sowie in Bezug auf Versuche der Verschleierung solcher Versto¨ ße.
(b) Kein Schutz bei Hinweisen auf rechtmäßiges Fehlverhalten Ungeachtet der verfassungsrechtlichen Unzulässigkeit überzeugt es auch aus rechtspolitischen Gründen nicht, Hinweisgebern einen Schutzanspruch einzuräumen, wenn sie rechtmäßiges, aber verwerfliches Fehlverhalten melden oder offenlegen. Gegenteilige Forderungen in der juristischen Literatur237 überzeugen nicht. Die Frage nach dem Bestehen eines öffentlichen Interesses und die nach der Verwerflichkeit des Verhaltens kann nur schwer beurteilt werden.238 Sowohl potentielle Hinweisgeber als auch Unternehmen sähen sich mit einer erheblichen Unsicherheit konfrontiert.239 Im Ergebnis könnte die Frage des Schutzes eines Whistleblowers nur durch eine gerichtliche Beurteilung eindeutig beantwortet werden, wobei auch diese im Ergebnis von der subjektiven Überzeugung des entscheidenden Richters abhängen würde. Darüber hinaus entstünde mit einer solchen Regelung, bedingt durch den unbestimmten Begriff des öffentlichen Interesses und dem der Ethik bzw. Moral, ein erhebliches Missbrauchsrisiko, welches die gesellschaftliche Anerkennung des Whistleblowings mindern und damit die effektive Rechtsdurchsetzung beeinträchtigen könnte.240 Whistleblowing könnte zu einem politischen, weltanschaulichen241 und im Ergebnis (arbeits-) rechtlichen Kampfmittel missbraucht werden. Der nationale Gesetzgeber kann vielmehr selbst, demokratisch legitimiert durch die Normierung rechtlicher Ge- oder Verbote, ein236 237 238 239 240 241
Hierzu unter Teil 2 B. II. 2. b) cc). Colneric/Gerdemann, 166 ff.; Schröder, ZRP 2020, 212, 215. Ähnlich Schmolke, ZGR 2019, 876, 904. Anerkennend auch Colneric/Gerdemann, 169. Schmolke, NZG 2020, 5, 10; Schmolke, ZGR 2020, 876, 892. Schmolke, NZG 2020, 5, 11.
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Teil 2: Schutz von Hinweisgebern
deutige Wertentscheidungen treffen, damit das öffentliche Interesse definieren und im Ergebnis rechtssichere Vorgaben schaffen. Gleichzeitig wird auf diesem Weg die eigentliche Funktion des Whistleblowings als Rechtsdurchsetzungsinstrument in den Mittelpunkt gerückt. Die aktuelle Entwurffassung eines Hinweisgeberschutzgesetzes verzichtet zutreffend auf eine solche Regelung.242 Eine Überarbeitung des Gesetzesentwurfs darf aus verfassungsrechtlichen Gründen nicht erfolgen und ist überdies auch aus rechtspolitischen Erwägungen in keiner Weise überzeugend. (c) Anpassung des § 5 Nr. 2 GeschGehG Bedeutung für die Rechtslage von Whistleblowern hat auch § 5 Nr. 2 GeschGehG. Es handelt sich bei dem Geschäftsgeheimnisgesetz um einfaches Recht, welches keine zwingenden Vorgaben für den Umsetzungsakt zur Whistleblowing-Richtlinie schafft. Dennoch muss der nationale Gesetzgeber die Vorgaben des Geschäftsgeheimnisgesetzes und die der Umsetzung der Whistleblowing-Richtlinie bestmöglich in Einklang bringen, um eine stimmige und nachvollziehbare Rechtslage zu schaffen.243 Er sollte divergierende Anforderungen, die an den Hinweisgeber gestellt werden, vermeiden. Nach § 5 Nr. 2 GeschGehG kann ein Hinweisgeber unter anderem sonstiges, insbesondere unethisches244 Fehlverhalten aufdecken, sofern die Offenlegung des Geschäftsgeheimnisses geeignet ist, das allgemeine öffentliche Interesse zu schützen. Die weite Fassung des § 5 Nr. 2 GeschGehG ist in der Literatur berechtigterweise auf Kritik gestoßen. Nicht nur, dass der Begriff des „sonstigen Fehlverhaltens“ kaum einer gerichtlichen Überprüfung zugänglich ist.245 Auch kann das Kriterium wegen des subjektiven Einschlags der Ethik nicht einheitlich bewertet werden.246 Damit wird ein Einfallstor für eine (unzulässige) Gesinnungsjustiz geschaffen.247 Zudem können Whistleblower nur selten beurteilen, ob ein Verhalten von der Allgemeinheit als unethisch angesehen und diese Beurteilung auch noch vom befassten Richter
242
Vgl. auch Referentenentwurf HinSchG, Zu § 3 (Begriffsbestimmung) Absatz 1 Nummer 1, S. 43. 243 Ähnlich auch Bauschke, öAT 2019, 133, 135; Bauschke, öAT 2019, 250, 252; Beukelmann, NJW-Spezial 2019, 312, 312; MüKo/Henssler, Kommentar zum BGB, § 626 BGB Rn. 188; Naber/Peukert/Seeger, NZA 2019, 583, 586; Preis/Sagan, Der Arbeitsvertrag, Teil II, W 20, Rn. 14; Ullrich, WiJ 2019, 52, 61. 244 BT-Drucksache 19/4724, S. 29. 245 Hiéramente/Golzio, CCZ 2018, 262, 264; Scherp/Rauhe, CB 2019, 227, 278. 246 Hiéramente/Golzio, CCZ 2018, 262, 264; Nöbel/Veljovic, CB 2020, 34, 38; ähnlich auch Ullrich, WiJ 2019, 52, 55 f. 247 Passarge, CB 2018, 144, 146 f.; Vogel/Poth, CB 2019, 45, 47.
B. Zulässigkeit von Hinweisen
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geteilt wird.248 Der Hinweisgeber sieht sich damit im Anwendungsbereich des § 5 Nr. 2 GeschGehG einer erheblichen Rechtsunsicherheit ausgesetzt.249 De lege lata ist § 5 Nr. 2 GeschGehG trotz überzeugender Kritik entsprechend seiner ausdrücklichen Vorgaben anzuwenden, sodass Hinweisgeber in dessen Anwendungsbereich zur Aufdeckung von rechtmäßigem Verhalten berechtigt sein können. Mit der Begrenzung des Melderechts auf Rechtsverstöße und Fälle des Rechtsmissbrauchs im Rahmen des speziellen Hinweisgeberschutzgesetzes würde somit ein Widerspruch zu den Vorgaben des § 5 Nr. 2 GeschGehG geschaffen. Wegen der dargestellten Bedenken gegenüber § 5 Nr. 2 GeschGehG250 sollte der nationale Gesetzgeber dies jedoch in keinem Fall zum Anlass nehmen, den allgemeinen Whistleblower-Schutz entsprechend § 5 Nr. 2 GeschGehG auszugestalten.251 Um eine, insbesondere für juristische Laien, unübersichtliche Rechtslage zu vermeiden252, könnte jedoch erwogen werden, die Vorgaben des § 5 Nr. 2 GeschGehG denen der Whistleblowing-Richtlinie anzupassen oder die Vorschrift sogar gänzlich zu streichen.253 Problematisch ist jedoch, dass § 5 Nr. 2 GeschGehG auf Art. 5 lit. b) EU-RL 2016/943 beruht. Bereits diese unionsrechtliche Vorschrift sah vor, dass eine Ausnahme von dem Verbot der Offenlegung eines Geschäftsgeheimnisses anerkannt werden muss, wenn dies zur Aufdeckung eines sonstigen Fehlverhaltens erfolgt. Da in den Erwägungsgründen zu der WhistleblowingRichtlinie eindeutig bestimmt wurde, dass beide Richtlinien nur als einander erga¨ nzend betrachtet werden und die in der EU-Richtlinie 2016/943 vorgesehenen Ausnahmen weiterhin gelten sollen254, verbietet sich eine Streichung oder Anpassung des unionsrechtlich determinierten § 5 Nr. 2 GeschGehG.255 Es muss daher an der, wenn auch unbefriedigenden, divergierenden Rechtslage zwischen Geschäftsgeheimnisgesetz und Hinweisgeberschutzgesetz festgehalten werden. Der derzeitige Gesetzesentwurf sieht zutreffend keine Anpassung des Geschäftsgeheimnisgesetzes vor. Er darf in dieser Hinsicht nicht verändert werden.
248 Hiéramente/Golzio, CCZ 2018, 262, 264; Nöbel/Veljovic, CB 2020, 34, 38; Scholtyssek/ Judis/Krause, CB 2020, 23, 25. 249 Dann/Markgraf, NJW 2019, 1774, 1777; Nöbel/Veljovic, CB 2020, 34, 38. 250 Zur Unbestimmtheit des § 5 GeschGehG kritisch Richter, ArbRAktuell 2019, 375, 377. 251 A. A. wohl Gerdemann, Überlegungen zur nationalen Umsetzung, sub. 1. 252 Gerdemann, Überlegungen zur nationalen Umsetzung, sub. 1. 253 Schröder, ZRP 2020, 212, 215; zur Anpassung des § 5 Nr. 2 GeschGehG auch Ullrich, WiJ 2019, 52, 56. 254 Erwägungsgrund (98) zur RL 2019/1937, Amtsblatt der Europäischen Union, L 305/32. 255 So auch Gerdemann, ZRP 2021, 37, 38.
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Teil 2: Schutz von Hinweisgebern
2. Berechtigung der Hinweise de lege ferenda Wie auch nach bisheriger Rechtslage wird künftig die Berechtigung der Meldung für die Annahme eines Schutzanspruchs des Hinweisgebers von Relevanz sein. Es stellt sich mit Blick auf die Vorgaben der EU-Richtlinie 2019/1937 die Frage, ob einem Whistleblower ausschließlich bei zutreffenden Vorwürfen der besondere Schutz zugesprochen wird. Entscheidend für diese Beurteilung ist das in Art. 6 Abs. 1 lit. a) EU-RL 2019/1937 normierte Irrtumsprivileg für Whistleblower. a) Vorgaben der EU-Richtlinie 2019/1937 aa) Irrtumsprivileg nach Art. 6 Abs. 1 lit. a) EU-RL 2019/1937 Die Whistleblowing-Richtlinie räumt Hinweisgebern gemäß Art. 6 Abs. 1 lit. a) EU-RL 2019/1937 bereits einen Schutzanspruch ein, wenn sie hinreichenden Grund zur Annahme haben, dass die aufgedeckten Informationen über Verstöße zum Zeitpunkt der Meldung der Wahrheit entsprachen und dass sie in den Anwendungsbereich der Richtlinie fallen. Damit wird künftig Whistleblowern die Möglichkeit eröffnet, auch falsche Angaben zu machen, ohne dass ihnen zwingend die Schutzwürdigkeit abgesprochen werden müsste. Der europäische Gesetzgeber wollte durch dieses weite Verständnis die wirksame Unterbindung von Verstößen gegen das Unionsrecht fördern.256 Er hat zur Beurteilung der Schutzwürdigkeit eines Whistleblowers das Erfordernis einer Gutglaubensprüfung eingeführt.257 Das vorgesehene Irrtumsprivileg erstreckt sich auf zwei Fehlerquellen. Für den Schutzanspruch des Hinweisgebers ist es unschädlich, wenn die mitgeteilten Informationen nicht der Wahrheit entsprechen und wenn tatsächlich kein Verstoß vorliegt, der in den sachlichen Anwendungsbereich der Richtlinie fällt. Entscheidend ist in diesen Fällen allein, dass der Hinweisgeber einen „hinreichenden Grund“ für seine gegenteilige „Annahme“ hatte. Der europäische Gesetzgeber hat hiermit tatsächliche und rechtliche Irrtümer privilegiert.258 An beide werden dieselben Voraussetzungen gestellt259, sodass sich jede unterschiedliche Handhabung des anzuwendenden Beurteilungsmaßstabs verbietet.260 Ein Hinweisgeber kann somit einen Anspruch auf Schutz im Sinne der Richtlinie haben, wenn er annimmt, dass seine Informationen – die vorgetragenen Tatsachen – und auch seine Schlussfolgerung – das Vorliegen eines Verstoßes, der von der 256
Erwägungsgrund (43) zur RL 2019/1937, Amtsblatt der Europäischen Union, L 305/24. Vgl. Erwägungsgrund (32) zur RL 2019/1937, Amtsblatt der Europäischen Union, L 305/23; Dilling, CCZ 2019, 214, 216; Gerdemann, RdA 2019, 16, 23; Vogel/Poth, CB 2019, 45, 46 f. 258 So auch Aszmons/Herse, DB 2019, 1849, 1850; Garden/Hiéramente, BB 2019, 963, 966; Gerdemann, RdA 2019, 16, 23. 259 Vgl. den ausdrücklichen Wortlaut in Art. 6 Abs. 1 lit. a) EU-RL 2019/1937. 260 So auch Gerdemann, RdA 2019, 16, 23. 257
B. Zulässigkeit von Hinweisen
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Richtlinie erfasst ist – der Wahrheit entsprechen.261 Es genügt insofern, dass er einen Verstoß behauptet, tatsächlich vorliegen muss er nicht.262 bb) Anforderungen an den „hinreichenden Grund zur Annahme“ Fraglich ist jedoch, unter welchen Voraussetzungen anzuerkennen ist, dass ein Hinweisgeber einen „hinreichenden Grund“ für seine „Annahme“ hatte und der Hinweis dann trotz fehlerhafter Beurteilung als zulässig angesehen werden muss. (1) Ausschluss vorsätzlicher Falschmeldungen Der Wortlaut des Art. 6 Abs. 1 lit. a) EU-RL 2019/1937 gibt darüber keinen eindeutigen Aufschluss. In Erwägungsgrund Nummer 32 ist jedoch ausgeführt, dass durch dieses Kriterium böswillige und missbräuchliche Meldungen vom Schutz ausgeschlossen werden sollen.263 Durch Art. 6 Abs. 1 lit. a) EU-RL 2019/1937 würde gewährleistet, dass wissentliche und willentliche Falschmeldungen oder Irreführungen keinen Schutzanspruch im Sinne der Richtlinie begründen würden.264 Vor diesem Hintergrund ist anzunehmen, dass eine (bedingt) vorsätzliche Falschmeldung dem Schutzanspruch des Hinweisgebers entgegensteht.265 Hierfür spricht auch Art. 23 Abs. 2 EU-RL 2019/1937. Danach sollen zum einen seitens der Mitgliedstaaten Sanktionen für einen Hinweisgeber vorgesehen werden, der wissentlich falsche Informationen meldet, und zum anderen soll in diesen Fällen der zu Unrecht verdächtigten Person ein Schadensersatzanspruch gegen den Hinweisgeber zugebilligt werden. Die Sanktion soll vor böswilligen Falschmeldungen abschrecken, um die Glaubwürdigkeit des Systems zu wahren.266 Der europäische Gesetzgeber hat mit Art. 23 Abs. 2 EU-RL 2019/1937 zum Ausdruck gebracht, dass vorsätzliche Falschmeldungen, die im Ergebnis auch keinen Beitrag zur Rechtsdurchsetzung leisten, in jedem Fall nicht schutzwürdig sind. Unterstützt wird dieses Ergebnis auch mit Blick auf den erläuternden Bericht der Empfehlungen des Ministerkomitees zu der Whistleblowing-Richtlinie, auf die in den Erwägungsgründen ausdrücklich Bezug genommen wird.267 Seitens des Mi261 Federmann/Racky/Kalb/Modrzyk, DB 2019, 1665, 1668; Garden/Hiéramente, BB 2019, 963, 966; Gerdemann, RdA 2019, 16, 23; Schmitt, NZA-Beilage 2020, 50, 55. 262 EuArbR/Fest, EU-RL 2019/366, Art. 2 Rn. 2; ähnlich auch Gerdemann, RdA 2019, 16, 23. 263 Erwägungsgrund (32) zur RL 2019/1937, Amtsblatt der Europäischen Union, L 305/23. 264 Erwägungsgrund (32) zur RL 2019/1937, Amtsblatt der Europäischen Union, L 305/23; so auch Dilling, CCZ 2019, 214, 216. 265 So auch Forst, EuZA 2020, 283, 297. 266 Erwägungsgrund (102) zur RL 2019/1937, Amtsblatt der Europäischen Union, L 305/ 33. 267 Erwägungsgrund (31) zur RL 2019/1937, Amtsblatt der Europäischen Union, L 305/23.
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Teil 2: Schutz von Hinweisgebern
nisterkomitees wurde empfohlen, für falsche Meldungen, in Kenntnis und Bewusstsein sämtlicher Umstände, keinen gesetzlichen Whistleblower-Schutz vorzusehen.268 (2) Ausschluss leichtfertiger Falschmeldungen Fraglich ist jedoch, ob auch leichtfertige fahrlässige Irrtümer ebenfalls den Schutzanspruch ausschließen können. Weder der Wortlaut des Art. 6 Abs. 1 lit. a) EU-RL 2019/1937 noch die bereits dargestellte deutsche Sprachfassung des Erwägungsgrundes Nummer 32 geben darüber Aufschluss. Erste Anhaltspunkte für die Beantwortung dieser Frage bietet jedoch die englische Fassung dieses Erwägungsgrundes. An entsprechender Stelle wird nicht auf den guten Glauben, sondern auf einen „honest mistake“ abgestellt.269 Ehrliche Irrtümer270 würden danach dem Schutzanspruch nicht entgegenstehen. Es erscheint zweifelhaft, ob eine leichtfertige Fehlbeurteilung noch als ein solcher ehrlicher Irrtum angesehen werden kann. Für die Ablehnung des Schutzanspruches im Fall leichtfertiger Falschmeldungen kann zudem die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte angeführt werden, auf die der europäische Gesetzgeber in Erwägungsgrund Nummer 31 ausdrücklich verwiesen hat. Die von ihm entwickelten Grundsätze zum Whistleblowing sollen als Grundlage der Richtlinie dienen.271 Dem Whistleblower wurde danach ebenfalls abverlangt, dass er vor seiner Meldung sorgfältig geprüft hatte, ob die Informationen genau und zuverlässig sind.272 Damit wurde den Interessen der Unternehmen, die durch eine Meldung des Hinweisgebers nachteilig betroffen sein konnten, Rechnung getragen. Unter Bezugnahme auf die nationale Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts bestätigte der Gerichtshof, dass der Schutzwürdigkeit des Whistleblowers auch leichtfertige Falschangaben entgegenstehen können.273 Für den Ausschluss des Schutzanspruchs im Fall grob fahrlässiger Falschmeldungen spricht auch Art. 6 Abs. 1 lit. a) i. V. m. Art. 5 Nr. 2 EU-RL 2019/1937, nach dem ein Hinweisgeber „begründete Verdachtsmomente“ melden darf. Eine leicht-
268 Europarat – Der Schutz von Whistleblowern, erläuternder Bericht zur Empfehlung, Nummer 84, abrufbar unter https://rm.coe.int/16805c5ea1#_ftnref11, zuletzt abgerufen am 6. 5. 2020. 269 Erwägungsgrund (32) zur RL 2019/1937, Amtsblatt der Europäischen Union, L 305/23, englische Sprachfassung. 270 Vgl. die Übersetzung von „honest mistake“, abrufbar unter https://www.linguee.de/eng lisch-deutsch/uebersetzung/honest+mistake.html, zuletzt abgerufen am 5. 10. 2020. 271 Erwägungsgrund (31) zur RL 2019/1937, Amtsblatt der Europäischen Union, L 305/23. 272 EGMR, Urteil vom 21. 7. 2011 – 28274/08 (Heinisch), NZA 2011, 1269, 1271, 1272. 273 EGMR, Urteil vom 21. 7. 2011 – 28274/08 (Heinisch), NZA 2011, 1269, 1272 f.
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fertige Behauptung „ins Blaue hinein“ wäre gerade nicht auf einen derartigen begründeten Verdachtsmoment gestützt.274 Gegen einen Ausschluss des Schutzanspruchs bei leichtfertigen Irrtümern könnte jedoch wiederum Art. 23 Abs. 2 EU-RL 2019/1937 sprechen. Danach sollen die Mitgliedstaaten für eine „wissentliche“ Falschmeldung des Hinweisgebers angemessene und abschreckende Sanktionen festlegen. Daraus könnte gefolgert werden, dass ein Whistleblower nur bei einer vorsätzlichen Falschmeldung als schutzlos angesehen wird. Dem muss jedoch entgegengehalten werden, dass Art. 23 Abs. 2 EU-RL 2019/1937 gerade nur besonders verwerfliches Verhalten eines Hinweisgebers sanktionieren soll. Ein Umkehrschluss dahingehend, dass jede fehlerhafte Informationsweitergabe des Hinweisgebers unterhalb der Schwelle des Vorsatzes einen Schutzanspruch begründet, kann nicht gezogen werden. Somit ist anzunehmen, dass nach den Vorgaben der Richtlinie Hinweisgebern kein Schutz eingeräumt werden muss, wenn sie leichtfertig falsche Angaben machen. (3) Schutz bei „einfach“ fahrlässigen Falschmeldungen Davon zu trennen ist die Frage, ob auch bloß („einfach“) fahrlässige Irrtümer der begründeten Annahme im Sinne des Art. 6 Abs. 1 lit. a) EU-RL 2019/1937 entgegenstehen. Für die Anerkennung der Zulässigkeit fahrlässig falscher Hinweise spricht wiederum Art. 6 Abs. 1 lit. a) i. V. m. Art. 5 Nr. 2 EU-RL 2019/1937. Sofern ein Hinweisgeber seinen Verdacht begründen kann, darf dieser auch offengelegt werden. Der Ausschluss des Schutzes bei bloß fahrlässigen Irrtümern wäre damit nicht vereinbar.275 Eine andere Beurteilung ließe zudem kaum Raum für Fälle, in denen trotz Fehlbeurteilung der Schutz über Art. 6 Abs. 1 lit. a) EU-RL 2019/1937 begründet werden könnte. Vielmehr entstünde eine abschreckende und damit dem Whistleblowing abträgliche Rechtslage, wenn Hinweisgeber bei bloß fahrlässigen Irrtümern vom Schutz ausgenommen würden. Um den Zweck der Richtlinie – die Förderung des Whistleblowings zur Verbesserung der Rechtsdurchsetzung – bestmöglich zur Wirksamkeit zu verhelfen („effet utile“), darf Art. 6 Abs. 1 lit. a) EU-RL 2019/1937 nicht derart einschränkend ausgelegt werden. Folglich stehen („einfach“) fahrlässige Irrtümer eines Hinweisgebers seinem Schutzanspruch nicht entgegen.
274 275
So auch Forst, EuZA 2020, 283, 297. So auch Forst, EuZA 2020, 283, 297.
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(4) Zwischenergebnis Nach den Vorgaben der Richtlinie schließen nur leichtfertige und vorsätzliche Falschmeldungen den Schutzanspruch aus.276 Ein Hinweisgeber, der grob fahrlässig oder vorsätzlich falsche Informationen oder einen nur vermeintlichen Verstoß im Sinne des Anwendungsbereichs der Richtlinie meldet oder offenlegt, ist künftig nicht schutzwürdig. Ihm steht somit insbesondere kein Schutzanspruch zu, wenn er bloß „ins Blaue hinein“ Vorwürfe erhebt.277 Der Maßstab der Richtlinie entspricht somit dem nationalen Verständnis278 des guten Glaubens.279 Maßgeblicher Beurteilungszeitpunkt ist, wie sich aus Art. 6 Abs. 1 lit. a) EU-RL 2019/1937 und Erwägungsgrund Nummer 32 ergibt, der Zeitpunkt der Meldung bzw. Offenlegung der Informationen („ex ante“).280 b) Umsetzung auf nationaler Ebene Nach den Vorgaben der Richtlinie muss der Schutz nur solchen Hinweisgebern zugesprochen werden, die zutreffende Vorwürfe erheben oder bei ihren (tatsächlichen/rechtlichen) Angaben einem fahrlässigen Irrtum unterlagen. Es könnte jedoch erwogen werden, dass Whistleblowern künftig auch bei Vorsatz und/oder grober Fahrlässigkeit der durch die Richtlinie vorgesehene Schutzanspruch eingeräumt wird. aa) Unionsrechtlicher Umsetzungsspielraum Gemäß Art. 25 Abs. 1 EU-RL 2019/1937 können die Mitgliedstaaten nur unbeschadet der Art. 22 und Art. 23 Abs. 2 EU-RL 2019/1937 fu¨ r Hinweisgeber gu¨ nstigere Bestimmungen einführen. In Art. 23 Abs. 2 EU-RL 2019/1937 ist normiert, dass jedenfalls für wissentliche Falschmeldungen von Hinweisgebern Sanktionen und in diesem Fall auch Ansprüche für die Wiedergutmachung von daraus entstandenen Schäden vorgesehen werden sollen. Die Vorschrift ist im Zusammenhang mit Erwägungsgrund Nummer 101 zu sehen. An entsprechender Stelle ist ausgeführt, dass der betroffenen Person im Sinne der Richtlinie (Art. 5 Nr. 10 EU-RL 2019/1937) bei wissentlichen und vorsätzlichen Falschmeldungen ein Schadensersatzanspruch eingeräumt werden muss.281 Vor diesem Hintergrund steht es dem nationalen Gesetzgeber nicht zu, die Zulässigkeit des Whistleblowings auf vorsätzliche Falschmeldungen zu erstrecken und 276 277 278 279 280 281
33.
Wohl auch Gerdemann/Spindler, ZIP 2020, 1986, 1900. Federmann/Racky/Kalb/Modrzyk, DB 2019, 1665, 1666. Vgl. bspw. § 932 Abs. 2 BGB. Colneric/Gerdemann, 61. Erwägungsgrund (32) zur RL 2019/1937, Amtsblatt der Europäischen Union, L 305/23. Erwägungsgrund (101) zur RL 2019/1937, Amtsblatt der Europäischen Union, L 305/
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damit im Ergebnis auch die Möglichkeit zur Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen der betroffenen Gegenseite auszuschließen. Ihre Rechte nach Art. 23 Abs. 2 EU-RL 2019/1937 würden unzulässig eingeschränkt. Anders muss dies dagegen bei grob fahrlässigen falschen Informationen beurteilt werden. Die Ausdehnung des Schutzes auf eine solche Meldung oder Offenlegung wäre jedenfalls nach den unionsrechtlichen Vorgaben nicht zwingend unzulässig. bb) Verfassungsrechtliche Vorgaben Problemtisch erscheint jedoch, inwieweit eine solche Umsetzung mit den verfassungsrechtlichen Vorgaben im Einklang stehen würde. Von Bedeutung ist insofern, ob der nationale Gesetzgeber mit der Anerkennung eines Schutzanspruchs auch bei grob fahrlässig falschen (tatsächlichen/rechtlichen) Angaben gegenüber den Meldestellen bzw. der Allgemeinheit die sich gegenüberstehenden Interessenpositionen hinreichend in Ausgleich bringen würde. Mit der in Frage stehenden Ausweitung des Whistleblower-Schutzes könnte ein Hinweisgeber de lege ferenda (schutzwürdig) jeden haltlosen Vorwurf (extern) melden oder sogar offenlegen. Das betroffene Unternehmen und die im Einzelnen verdächtigte Person würden auf Grundlage dieser falschen Vorwürfe jedenfalls vorübergehend Gegenstand eines behördlichen Verfahrens oder sogar einer öffentlichen Diskussion werden. Selbst wenn es ihnen gelingt, den unzutreffenden Vorwurf vollständig zu widerlegen, wird ein damit verbundener Reputationsverlust kaum ausgeglichen werden können. Das Ansehen der Einzelperson, geschützt durch Art. 2 Abs. 1 i. V. m. Art. 1 GG, Art. 8 EMRK, und die Reputation des Unternehmens (Art. 12 Abs. 1 GG) würden schwerwiegend beeinträchtigt. Zudem sähen sich Unternehmen, denen in der vorliegenden Konstellation gerade kein Fehlverhalten anzulasten ist, dem Risiko konfrontiert, dass interne Informationen – nach der gesetzgeberischen Wertung berechtigter Weise – an außenstehende Dritte herangetragen würden. Gerade die Geheimhaltung unternehmensinterner Informationen ist jedoch eine Grundvoraussetzung für die Wettbewerbsfähigkeit eines Unternehmens.282 Ein rechtfertigender Grund für diese schwerwiegende Einschränkung der Interessen von Unternehmen und Verdächtigten besteht nicht. Whistleblower, die leichtfertig falsche Vorwürfe erheben, leisten keinen Beitrag zur Förderung der Rechtsdurchsetzung. Jedem Staatsbürger steht zwar das durch Art. 2 Abs. 1 i. V. m. Art. 20 Abs. 3 GG geschützte Recht zu, sich mit seinen Informationen über einen Rechtsverstoß an staatliche Stellen zu wenden. Dies gilt jedoch dann nicht mehr, wenn sie wissentlich unwahre oder leichtfertig falschen Angaben über bloß ver-
282 BAG, Urteil vom 3. 7. 2003 – 2 AZR 235/02, NZA 2004, 427, 430; ähnlich auch Gänßle, KR 2007, 265, 268.
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meintliche Rechtsverstöße tätigen.283 Die Rechtsordnung darf nicht denjenigen schützen, der vorsätzlich oder grob fahrlässig andere zu Unrecht eines Rechtsverstoßes bezichtigt.284 Grob fahrlässig falsche Hinweise dürfen de lege ferenda daher nicht schutzwürdig sein. Diesem Ergebnis stehen auch nicht die Vorgaben des Völkerrechts entgegen.285 Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte stellt bei der Beurteilung der Zulässigkeit des hinweisgebenden Verhaltens (Art. 10 EMRK) maßgeblich auf die „Authentizität“, mithin auf den Wahrheitsgehalt der weitergegebenen Informationen286, ab.287 Art. 10 EMRK schützt grundsätzlich nur die Offenlegung wahrer Informationen.288 Im Einzelfall wird jedoch auch eine falsche Information vom Schutz des Art. 10 EMRK erfasst, insbesondere wenn sich ihre Unwahrheit erst im späteren Verlauf herausstellt oder ihre Wahrheit nicht bewiesen werden kann.289 Das Recht auf freie Meinungsäußerung sei jedoch auch mit Pflichten und Verantwortung verbunden.290 „[J]eder, der Informationen weitergeben will, muss – soweit nach den Umständen möglich – sorgfältig prüfen, ob sie genau und zuverlässig sind.“291 Der Gerichtshof stellt an die Wahrung dieser Sorgfaltspflicht jedoch hohe Anforderungen, wie die Entscheidung in der Sache „Gawlik“ verdeutlicht. Danach müsse ein Hinweisgeber, der interne Missstände aufdeckt, zuvor sämtliche verfügbaren Informationsquellen ausschöpfen.292 In der in Frage stehenden Entscheidung nahm der Gerichtshof an, dass der hinweisgebende Arzt seine Anzeige über die vermeintlichen internen Rechtsverstöße nicht nur auf Grundlage der ihm bereits zur Verfügung stehenden Informationen (elektronische Patientenakte) hätte erstatten dürfen, sondern, vor seiner Anzeigenerstattung, zusätzlich in weitere Akten (Papierakten) Einsicht nehmen müssen.293 283 Vgl. zu dieser Einschränkung BVerfG, Beschluss vom 25. 2. 1987 – 1 BvR 1086/85, NJW 1987, 1929, 1929; BVerfG, Beschluss vom 2. 7. 2001 – 1 BvR 2049/00, NZA 2001, 888, 889; BAG, Urteil vom 3. 7. 2003 – 2 AZR 235/02, NZA 2004, 427, 429. 284 Rudkowski, CCZ 2013, 204, 206. 285 Zu dem Einfluss des Völkerrechts auf den Umsetzungsakt umfassend unter Teil 1 D. I. 3. b). 286 EGMR, Urteil vom 21. 7. 2011 – 28274/08 (Heinisch), NZA 2011, 1269, 1272. 287 EGMR, Urteil vom 12. 2. 2008 – 14277/04 (Guja), BeckRS 2011, 77277 Rn. 75; EGMR, Urteil vom 16. 2. 2021 – 23922/19 (Gawlik), BeckRS 2021, 1820 Rn. 68. 288 Borck, öAT 2011, 243, 245; Redder, 186. 289 EGMR, Urteil vom 16. 2. 2021 – 23922/19 (Gawlik), BeckRS 2021, 1820 Rn. 75. 290 EGMR, Urteil vom 12. 2. 2008 – 14277/04 (Guja), BeckRS 2011, 77277 Rn. 75; EGMR, Urteil vom 21. 7. 2011 – 28274/08 (Heinisch), NZA 2011, 1269, 1271; EGMR, Urteil vom 16. 2. 2021 – 23922/19 (Gawlik), BeckRS 2021, 1820 Rn. 68. 291 EGMR, Urteil vom 21. 7. 2011 – 28274/08 (Heinisch), NZA 2011, 1269, 1271; ähnlich bereits EGMR, Urteil vom 20. 5. 1999 – 21980/93 (Bladet Tromsö u. Stensaas), NJW 2000, 1015, 1017 f. 292 EGMR, Urteil vom 16. 2. 2021 – 23922/19 (Gawlik), BeckRS 2021, 1820 Rn. 77 f.; hierzu auch Reufels/Volmari, ArbRB 2021, 83, 84. 293 EGMR, Urteil vom 16. 2. 2021 – 23922/19 (Gawlik), BeckRS 2021, 1820 Rn. 78.
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Diese völkerrechtlichen Vorgaben sind strenger als die der Verfassung. Nach dem nationalen Verständnis hätte, anlässlich des begründeten Anfangsverdachts, keine leichtfertig falsche Anzeige angenommen werden können, sodass der Whistleblower weiterhin durch Art. 2 Abs. 1 i. V. m. Art. 20 Abs. 3 GG geschützt gewesen wäre.294 Wegen der Informationen aus der elektronischen Akte hätte dem hinweisgebenden Arzt nicht unterstellt werden können, dass seine Anzeige völlig haltlos oder „ins Blaue hinein“ erhoben wurde. Es besteht insbesondere keine Verpflichtung des Hinweisgebers zur „detektivischen“ Nachforschung; dies ist die Aufgabe der staatlichen (Strafverfolgungs-) Behörden.295 Die Übertragung der völkerrechtlichen Wertung würde zu einer, von der Konvention ebenfalls nicht gewollten (Art. 53 EMRK)296, Einschränkung des verfassungsrechtlichen Grundrechtsschutzes potentieller Hinweisgeber führen und muss daher unterbleiben. cc) Umsetzungsempfehlung Es ist Hinweisgebern der in der Richtlinie vorgesehene Schutz auch bei Falschmeldungen einzuräumen, sofern sie nicht vorsätzlich oder grob fahrlässig handeln. Es kann daher der bisher geltende und im nationalen Recht anerkannte Maßstab der Gutgläubigkeit im Rahmen des Umsetzungsakts herangezogen werden.297 Aus Gründen der Rechtssicherheit sollte der Gesetzgeber diesen Maßstab eindeutig festlegen. Hierbei sollte er auf das Erfordernis des guten Glaubens298 abstellen und ausdrücklich darauf verweisen, dass der Schutz bei Vorsatz und Leichtfertigkeit (bzw. grober Fahrlässigkeit299) ausgeschlossen ist. Sowohl bei Tatsachen- als auch bei Rechtsirrtümern muss derselbe Gutglaubensmaßstab gelten. Eine divergente Handhabe verbietet sich wegen der Vorgaben der Richtlinie. In § 32 Abs. 1 Nr. 2 HinSchG-Entwurf wird, wie in Art. 6 Abs. 1 lit. a) EU-RL 2010/1937, für die Begründung eines Schutzanspruchs darauf abgestellt, ob die Informationen zutreffend waren oder der Hinweisgeber im Zeitpunkt seiner Meldung bzw. Offenlegung einen „hinreichenden Grund“ für die „Annahme“ hatte, dass die aufdeckten Informationen der Wahrheit entsprachen. Eine ähnliche Regelung ist für mögliche Rechtsirrtümer des Hinweisgebers vorgesehen. Gemäß § 32 Abs. 1 Nr. 3 HinSchG-Entwurf muss sich die Meldung bzw. Offenlegung auf Informationen über Verstöße beziehen, die in den Anwendungsbereich des Gesetzes fallen. Ausreichend 294 Brockhaus, „Wie sicher muss sich ein Whistleblower sein?“ vom 23. 2. 2021, abrufbar unter https://www.lto.de/recht/hintergruende/h/egmr-whistleblower-klinik-anzeige-bverfgkuendigung-bmjv-entwurf-richtlinie/, zuletzt abgerufen am 23. 3. 2021. 295 Seidel, DB 2021, M4 – M5. 296 Vgl. hierzu BVerfG, Urteil vom 12. 6. 2018 – 2 BvR 1738/12 u. a., NJW 2018, 2695, 2699 f. 297 Gerdemann/Spindler, ZIP 2020, 1896, 1900. 298 Gerdemann, Überlegungen zur nationalen Umsetzung, sub. 7. 299 In beiden Fällen wird derselbe Maßstab herangezogen, vgl. BeckOK StGB/Kudlich, § 15 Rn. 32; Schönke/Schröder/Sternberg-Lieben/Schuster, § 15 StGB Rn. 106.
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ist danach aber auch, dass die hinweisgebende Person zum Zeitpunkt der Meldung oder Offenlegung „hinreichenden Grund zu der Annahme“ hatte, dass dies der Fall sei. In Zusammenschau mit den weiteren Regelungen des Gesetzestextes und den zugehörigen Erwägungen300 ist anzunehmen, dass der Referentenentwurf einheitlich und zutreffend auf den guten Glauben im dargestellten Sinn abstellt.301 Nach § 32 Abs. 1 Nr. 2, 3 HinSchG-Entwurf stehen vorsätzliche und grob fahrlässige (tatsächliche/rechtliche) Falschangaben dem Schutzanspruch entgegen. Um die terminologischen Ungereimtheiten zu beseitigen, sollte der nationale Gesetzgeber die aktuelle Fassung des Gesetzesentwurfs jedoch nachbessern. Es ist ausdrücklich auf den Maßstab des guten Glaubens abzustellen, der durch eine weitere Regelung inhaltlich definiert werden sollte. Folgende Formulierung ist in den Gesetzestext aufzunehmen: (1) Ein Hinweisgeber hat einen Anspruch auf Schutz nach diesem Gesetz, wenn […] die Informationen über Verstöße zutreffend sind oder der Hinweisgeber dies im Zeitpunkt der Meldung oder Offenlegung gutgläubig annahm und sich die Informationen auf einen Verstoß im Sinne des § 3 beziehen oder der Hinweisgeber dies im Zeitpunkt der Meldung oder Offenlegung gutgläubig annahm. (2) Der Hinweisgeber handelt bei Vorsatz und grober Fahrlässigkeit nicht im guten Glauben.
3. Ordnungsgemäßes Verfahren: Subsidiarität externer Hinweise de lege ferenda Auch für die künftige Rechtslage ist von Bedeutung, ob ein Hinweisgeber zur Begründung seines Schutzanspruchs nach Belieben zwischen interner und externer Meldung sowie der Offenlegung wählen kann. Nach Art. 6 Abs. 1 lit. b) EU-RL 2019/1937 muss ein Hinweisgeber zur Begründung seines Schutzanspruchs intern gemäß Art. 7 EU-RL 2019/1937 oder extern gemäß Art. 10 EU-RL 2019/1937 Meldung erstattet oder eine Offenlegung nach Art. 15 EU-RL 2019/1937 vorgenommen haben.
300 Auf den Begriff des guten Glaubens abstellend in Referentenentwurf HinSchG, Zu § 31 (Offenlegen von Informationen) Nummer 2, S. 69 und zu § 32 (Voraussetzungen für den Schutz hinweisgebender Personen) Absatz 1 Nummer 2, S. 71; auf den Vorsatz/die grobe Fahrlässigkeit und auf das Wissen/die grobe Fahrlässigkeit unter Verweis auf § 32 Abs. 1 Nr. 2 HinSchG-Entwurf abstellend bspw. in Referentenentwurf HinSchG, Zu § 9 (Vertraulichkeitsgebot) Absatz 1, S. 53; auf den Vorsatz/die grobe Fahrlässigkeit abstellend in § 9 Abs. 1 HinSchGEntwurf. 301 Gerdemann, ZRP 2021, 37, 38 f.
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a) Begriffsbestimmung Künftig bedarf es einer strikten Trennung zwischen der internen Meldung, der externen Meldung und der Offenlegung. Wie sich aus der Definition des Art. 5 Nr. 4 EU-RL 2019/1937 ergibt, liegt eine interne Meldung vor, wenn der Hinweisgeber mündlich oder schriftlich eine Mitteilung von Informationen über Verstöße innerhalb einer juristischen Person des privaten oder öffentlichen Sektors mitteilt. Der Schutzanspruch im Sinne der Richtlinie wird jedoch nicht bei jeder Meldung gegenüber einer beliebigen internen Stelle (bspw. die Rechtsabteilung) oder Person (bspw. der Vorgesetzte) begründet. Vielmehr muss der Hinweisgeber gemäß Art. 6 Abs. 1 lit. b) Alt. 1 i. V. m. Art. 7 Abs. 1 EU-RL 2019/1937 hierfür unter Nutzung des speziellen internen Meldekanals und unter Wahrung des vorgegebenen Verfahrens die Meldung erstatten. Eine externe Meldung liegt dagegen bei einer solchen Mitteilung gegenüber der zuständigen Behörde vor, Art. 5 Nr. 5 EU-RL 2019/1937. Wie sich aus Art. 6 Abs. 1 lit. b) Alt. 2 EU-RL 2019/1937 und Art. 10 EU-RL 2019/1937 ergibt, muss auch hierbei der Hinweisgeber die vorgesehenen speziellen externen Meldekanäle unter Berücksichtigung der entsprechenden Verfahrensanforderungen in Anspruch nehmen. Eine Ausnahme gilt jedoch für Meldungen gegenüber zuständigen Organen, Einrichtungen oder sonstigen Stellen der Union von Verstößen, die in den Anwendungsbereich der Richtlinie fallen. Art. 6 Abs. 4 EU-RL 2019/1937 gibt für diesen Fall vor, dass der Hinweisgeber, sofern er jedenfalls die sonstigen Schutzvoraussetzungen (Art. 6 Abs. 1 lit. a) EU-RL 2019/1937) erfüllt, in gleicher Weise schutzwürdig ist, wie wenn er extern Meldung erstattet hätte. Im Übrigen begründen Meldungen gegenüber anderen Stellen, die nicht nach Art. 11 Abs. 1 EU-RL 2019/ 1937 als zuständig bestimmt wurden (bspw. die allgemeinen Strafverfolgungsbehörden), künftig keinen Schutzanspruch. Von den internen und externen Meldungen ist das Recht zur Offenlegung zu trennen. Offenlegen im Sinne der Richtlinie meint das o¨ ffentliche Zuga¨ nglichmachen von Informationen u¨ ber Versto¨ ße, Art. 5 Nr. 6 EU-RL 2019/1937. Einschränkungen, auf welchem Weg dies erfolgen kann, werden nicht gemacht. Ausreichend ist allein die Zugriffsmöglichkeit der Öffentlichkeit auf die Informationen. Eine von der Richtlinie erfasste Offenlegung kann somit sowohl bei einer eigenständigen Veröffentlichung der Informationen durch den Hinweisgeber (bspw. eigene Veröffentlichung im Internet) als auch indirekt durch die Weitergabe an Dritte (bspw. die Presse) erfolgen.302 Eine Offenlegung ist nur schutzwürdig, wenn der Hinweisgeber die Anforderungen des Art. 15 EU-RL 2019/1937 erfüllt.
302 Vgl. auch Erwägungsgrund (45) zur RL 2019/1937, Amtsblatt der Europäischen Union, L 305/25.
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Teil 2: Schutz von Hinweisgebern
b) Gleichrang interner und externer Meldungen Mit dem Recht des Whistleblowers zur internen und externen Meldung ist die Frage verbunden, ob er zur Begründung eines Schutzanspruchs nach seinem Ermessen zwischen den beiden Handlungsalternativen wählen kann oder die externe Meldung vielmehr subsidiär ist. Sofern nach der EU-Richtlinie 2019/1937 den Mitgliedstaaten auch an dieser Stelle Umsetzungsspielraum eingeräumt wurde, bedarf es in einem zweiten Schritt der Klärung, wie auf nationaler Ebene davon Gebrauch gemacht werden kann. aa) Vorgaben der EU-Richtlinie 2019/1937 (1) Direkte externe Meldung gemäß Art. 6 Abs. 1 lit. b) i. V. m. Art. 10 EU-RL 2019/1937 Nach Art. 6 Abs. 1 lit. b) EU-RL 2019/1937 kann ein Hinweisgeber die Informationen intern gema¨ ß Art. 7 EU-RL 2019/1937 oder extern gema¨ ß Art. 10 EU-RL 2019/1937 melden. In der Vorschrift werden interne und externe Meldungen gleichberechtigt nebeneinander aufgeführt.303 Danach können Hinweisgeber intern „oder“ extern Meldung erstatten. Bereits der Wortlaut der Vorschrift spricht für den gleichen Rang interner und externer Meldungen. Die Vorgaben des Art. 7 Abs. 1 EU-RL 2019/1937 begründen davon auch kein abweichendes Ergebnis. Es ist an entsprechender Stelle ausgeführt, dass Hinweisgeber unbeschadet der Art. 10 und Art. 15 EU-RL 2019/1937 Informationen u¨ ber Versto¨ ße grundsa¨ tzlich unter Nutzung der internen Meldekana¨ le und Verfahren nach Maßgabe des zweiten Kapitels melden können. Das Recht zur internen Meldung berührt gerade nicht die parallel bestehende Möglichkeit der externen Meldung. Missstände können vielmehr „unbeschadet“ des Art. 10 EU-RL 2019/1937 intern gemeldet werden. Auf das Recht zur externen Meldung nach Art. 10 EU-RL 2019/ 1937 nimmt die Möglichkeit zur internen Meldung nach Art. 7 Abs. 1 EU-RL 2019/ 1937 keinen Einfluss. Zwar ist in Art. 7 Abs. 1 EU-RL 2019/1937 geregelt, dass Informationen „grundsätzlich“ unter Nutzung der internen Meldekanäle gemeldet werden können. Diese Regelung muss aber vor dem Hintergrund gesehen werden, dass de lege ferenda nicht jedem Hinweisgeber ein interner Meldekanal zur Verfügung steht.304 Für die Fälle, in denen eine interne Meldestelle eingerichtet ist und 303
So auch Aszmons/Herse, DB 2019, 1849, 1850 f.; Forst, EuZA 2020, 283, 296; Granetzny/Markworth, jurisPR-Compl 1/2020 Anm. 1; Hiéramente/Ullrich, jurisPR-StrafR 25/ 2019 Anm. 1; Schmolke, NZG 2020, 5, 6. 304 Nicht jede Organisation ist zur Einführung eines internen Meldekanals verpflichtet, vgl. Art. 8 EU-RL 2019/1937, Erwägungsgrund (51) zur RL 2019/1937, Amtsblatt der Europäischen Union, L 305/25; aus Art. 8 Abs. 2 EU-RL 2019/1937 ergibt sich zudem, dass nicht jeder Hinweisgeber im Sinne des Art. 4 EU-RL 2019/1937 Meldung gegenüber den internen Kanälen erstatten kann. Dies hängt entscheidend von den nationalen Vorgaben und der Umsetzung durch die verantwortlichen Organisationen ab.
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die Meldung des Whistleblowers auch von ihr entgegengenommen wird, kann ein potentieller Hinweisgeber diese zusätzlich, neben der externen Meldung und Offenlegung, in Anspruch nehmen. Der Begriff „grundsätzlich“ bezieht sich lediglich auf das Vorhandensein interner Meldekanäle und nicht auf einen möglichen Vorrang interner Meldungen.305 Dies zeigt sich auch darin, dass nach dem Wortlaut des Art. 7 Abs. 1 EU-RL 2019/ 1937306 lediglich die Möglichkeit, nicht aber die Pflicht einer vorrangigen internen Meldung vorgesehen ist. Für dieses Ergebnis kann auch die englische Sprachfassung angeführt werden. An entsprechender Stelle ist ausgeführt: „As a general principle and without prejudice to Articles 10 and 15, information on breaches may be reported through the internal reporting channels and procedures provided for in this Chapter.“ Das Recht zur internen Meldung wird lediglich als allgemeiner Grundsatz307 angesehen, der ohne Beeinträchtigung308 der weiteren Handlungsoptionen besteht und gerade nicht als grundsätzlich vorrangiger Weg des Whistleblowings. Ebenso wenig ergibt sich aus Art. 7 Abs. 2 EU-RL 2019/1937 ein verpflichtendes Vorrangverhältnis zwischen interner und externer Meldung.309 Teilweise wird aus Art. 7 Abs. 2 EU-RL 2019/1937 geschlossen, dass nach den Vorgaben der Richtlinie bereits ein Rangverhältnis interner und externer Meldungen vorgesehen sei.310 Dies lässt jedoch unberücksichtigt, dass Art. 7 Abs. 2 EU-RL 2019/1937 erst noch einen „Einsatz“ der Mitgliedstaaten vorsieht. Unabhängig davon, wie ein solcher „Einsatz“ ausgestaltet sein muss und die Mitgliedstaaten diesen verpflichtend vollziehen müssen, bedarf es vorerst weiterer Handlungen auf nationaler Ebene.311 Eine grundsätzliche Subsidiariät der externen Meldung ergibt sich aus Art. 7 Abs. 2 EURL 2019/1937 nicht. Für einen Gleichrang interner und externer Meldungen sprechen auch die Vorgaben des Art. 10 EU-RL 2019/1937312 und des Art. 15 Abs. 1 lit. a) EU-RL 2019/ 1937. Auf beide Vorschriften wird in den Schutzanforderungen des Art. 6 Abs. 1 lit. b) EU-RL 2019/1937 und in Art. 7 Abs. 1 EU-RL 2019/1937 verwiesen. Art. 10 und 15 Abs. 1 lit. a) EU-RL 2019/1937 sehen jeweils die Möglichkeit einer direkten 305
A. A. Dilling, CCZ 2019, 214, 215. „Unbeschadet der Artikel 10 und 15 ,können‘ Informationen […] gemeldet werden.“ 307 Vgl. die Übersetzung von „general principles“, abrufbar unter https://www.linguee.de/ englisch-deutsch/uebersetzung/general+principles.html, zuletzt abgerufen am 14. 10. 2020. 308 Vgl. die Übersetzung von „prejudice“, abrufbar unter https://www.linguee.de/deutschenglisch/search?source=auto&query=prejudice, zuletzt abgerufen am 14. 10. 2020. 309 So auch Garden/Hiéramente, BB 2019, 963, 965; Ullrich, WiJ 2019, 52, 57; a. A. EuArbR/Fest, EU-RL 2019/366, Art. 5 Rn. 14; wohl auch Federmann/Racky/Kalb/Modrzyk, DB 2019, 1665, 1668. 310 EuArbR/Fest, EU-RL 2019/366, Art. 5 Rn. 14. 311 Vgl. auch Erwägungsgrund (47) zur RL 2019/1937, Amtsblatt der Europäischen Union, L 305/25; so auch Gerdemann, NZA-Beilage 2020, 43, 48; Schmitt, NZA-Beilage 2020, 50, 56. 312 Darauf verweisend auch Dzida/Granetzny, NZA 2020, 1201, 1203; Forst, EuZA 2020, 283, 295, 296; Ullrich, WiJ 2019, 52, 57. 306
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Teil 2: Schutz von Hinweisgebern
externen Meldung vor313 : In Art. 10 EU-RL 2019/1937 („Meldung über externe Meldekanäle“) heißt es ausdrücklich, dass ein Hinweisgeber Informationen über Verstöße unter Nutzung der externen Kanäle melden kann, nachdem er zuerst u¨ ber interne Meldekana¨ le Meldung erstattet hat, „oder“ indem er „direkt“ u¨ ber externe Meldekana¨ le Meldung erstattet. In Art. 15 Abs. 1 lit. a) EU-RL 2019/1937 ist normiert, dass ein Hinweisgeber Informationen über Verstöße offenlegen darf, wenn er zuna¨ chst intern und extern „oder auf direktem Weg extern Meldung erstattet“ hat. Auch die Gesetzgebungsgeschichte spricht für einen Gleichrang interner und externer Meldungen. In dem Richtlinienentwurf war ursprünglich vorgesehen, dass ein Hinweisgeber zur Begründung seines Schutzanspruchs grundsätzlich vorrangig intern Meldung erstatten muss. Nur bei Vorliegen einer Ausnahme konnte er Missstände direkt extern melden.314 Ziel des abgestuften Meldesystems war zum einen die effektive Beseitigung der Verstöße durch die primäre „Kontaktaufnahme“ mit den Verantwortlichen und zum anderen die Verhinderung ungerechtfertigter Rufschädigungen der betroffenen Personen.315 Mit der endgültigen Fassung der Whistleblowing-Richtlinie hat der europäische Gesetzgeber sich davon jedoch distanziert. Zwar hat er die ursprüngliche Argumentation der Kommission zumindest teilweise übernommen, geht jedoch davon aus, dass der Hinweisgeber den am besten passenden Meldekanal unter Berücksichtigung der Umstände des konkreten Falls auswählen können soll.316 Ein Rangverhältnis der Meldewege ist an entsprechender Stelle nicht mehr vorgesehen. Nach der Whistleblowing-Richtlinie wird einem Hinweisgeber somit auch ein Schutzanspruch zugesprochen, wenn er sich direkt an die externe Meldestelle wendet. Auf das Erfordernis einer grundsätzlich vorrangigen innerbetrieblichen Abhilfe wurde verzichtet. Interne und externe Meldungen stehen somit gleichberechtigt nebeneinander. Ob sich ein Hinweisgeber erst an eine interne Meldestelle oder direkt an eine externe Meldestelle wendet, liegt in seinem Ermessen. (2) Vereinbarkeit mit höherrangigem Recht Fraglich ist, ob dieser in der Richtlinie vorgesehene Gleichrang interner und externer Meldungen mit höherrangigem Recht, namentlich mit dem Primär- und Völkerrecht, vereinbar ist. Dies erscheint zweifelhaft. Anlass für die Bedenken bietet die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte zum Thema Whistleblowing. 313 Auch die englische Sprachfassung ist eindeutig: „[…] they reported either internally in accordance with Article 7 or externally in accordance with Article 10 […].“, vgl. Art. 6 Abs. 1 lit. b) EU-RL 2019/1937; „[…] after having first reported through internal reporting channels, or by directly reporting through external reporting channels.“, Art. 10 EU-RL 2019/1937; so auch Schmolke, ZGR 2019, 876, 908. 314 Vgl. Art. 13 Abs. 2 COD 2018/0106. 315 Erwägungsgrund (61) zu COD 2018/0106, S. 14. 316 Erwägungsgrund (33) zur RL 2019/1937, Amtsblatt der Europäischen Union, L 305/23.
B. Zulässigkeit von Hinweisen
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(a) Vereinbarkeit mit der Europäischen Menschenrechtskonvention Die herrschende Ansicht in der Literatur vertritt, dass nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte interne Meldungen grundsätzlich gegenüber einer Informationsweitergabe an außenstehende Dritte vorrangig sind.317 Es bedarf vor einer Anzeige in der Regel eines innerbetrieblichen Abhilfeversuchs durch den Whistleblower.318 Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte hat zum externen Whistleblowing als Ausdruck der freien Meinungsäußerung (Art. 10 EMRK) ausgeführt, dass ein Hinweisgeber sich mit den Informationen vorrangig an seinen Vorgesetzten, eine innerbetriebliche Stelle oder eine andere Einrichtung wenden muss.319 Nur wenn dies unmöglich sei, käme der Gang an die Öffentlichkeit als letztmögliches Mittel in Betracht.320 Es müsse „berücksichtigt werden, ob dem […] [Whistleblower] andere wirksame Mittel zur Verfügung standen, die Missstände abzustellen, die er offenbaren wollte.“321 Ein (unmittelbarer) Verstoß der EU-Richtlinie 2019/1937 gegen diese Grundsätze des Gerichtshofs zu Art. 10 EMRK ist nicht möglich. Der europäische Gesetzgeber ist nicht unmittelbar an die Vorgaben der Menschenrechtskonvention und an die darauf bezogene Rechtsprechung gebunden.322 Eine direkte Überprüfung des Sekundärrechts der Union an den Vorgaben der Menschenrechtskonvention erfolgt daher nicht. (b) Vereinbarkeit mit der Grundrechtecharta Es bedarf jedoch einer näheren Betrachtung, ob die EU-Richtlinie 2019/1937 mit der Grundrechtecharta als Teil des Primärrechts vereinbar ist. Der europäische Gesetzgeber ist gemäß Art. 51 Abs. 1 GRCh an die Vorgaben der Charta bei Erlass einer Richtlinie gebunden. Sofern eine Richtlinie gegen die Grundrechtecharta 317 Vgl. insbesondere EGMR, Urteil vom 16. 2. 2021 – 23922/19 (Gawlik), BeckRS 2021, 1820 Rn. 70, 81 f.; so auch Preis/Seiwerth, RdA 2019, 351, 357; Reinhardt-Kasperek/Kaindl, BB 2018, 1332, 1333; Rudkowksi, CCZ 2013, 204, 207; Schlachter, RdA 2012, 108, 112; Schmitt, RdA 2017, 365, 367; Schmitt, NZA-Beilage 2020, 50, 56; Seel, MDR 2012, 9, 11; Thüsing/Rombey, NZG 2018, 1001, 1003; Trebeck/Schulte-Wissermann, NZA 2018, 1175, 1178; zum Whistleblowing im öffentlichen Dienst auch Brock, öAT 2011, 243, 246; für einen Gleichrang interner und externer Meldungen nach der Rechtsprechung des EGMR dagegen Colneric, SR 2018, 232, 234 ff.; Gerdemann, NZA-Beilage 2020, 43, 44 f. 318 MüKo/Henssler, Kommentar zum BGB, § 626 BGB Rn. 185; zum Whistleblowing im öffentlichen Dienst auch Brock, öAT 2011, 243, 246. 319 EGMR, Urteil vom 21. 7. 2011 – 28274/08 (Heinisch), NZA 2011, 1269, 1271; ähnlich auch EGMR, Urteil vom 16. 2. 2021 – 23922/19 (Gawlik), BeckRS 2021, 1820 Rn. 70. 320 EGMR, Urteil vom 21. 7. 2011 – 28274/08 (Heinisch), NZA 2011, 1269, 1271; so auch EGMR, Urteil vom 12. 2. 2008 – Nr. 14277/04 (Guja), BeckRS 2011, 77277 Rn. 73; EGMR, Urteil vom 27. 2. 2018 – 1085/10 (Guja Nr. 2), NJW 2019, 1273, 1275. 321 EGMR, Urteil vom 21. 7. 2011 – 28274/08 (Heinisch), NZA 2011, 1269, 1271. 322 Hierzu unter Teil 1 D. I. 3. a).
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Teil 2: Schutz von Hinweisgebern
verstößt und keine primärrechtskonforme Auslegung möglich ist, ist diese nichtig (bzw. ungültig).323 Vorliegend erscheint es fraglich, ob der europäische Gesetzgeber die kollidierenden Interessen zwischen Unternehmen, Hinweisgeber und Allgemeinheit in einen angemessenen Ausgleich gebracht hat. Bedenken bestehen dahingehend, ob die Interessen des betroffenen Unternehmens (Art. 16 GRCh) durch den in der Richtlinie vorgesehenen Schutz eines Whistleblowers bei einer direkten externen Meldung unverhältnismäßig beeinträchtigt werden. (aa) Verstoß der EU-Richtlinie 2019/1937 gegen die Grundrechtecharta trotz Umsetzungsspielraum der Mitgliedstaaten Sekundäres Unionsrecht verstößt selbst nicht gegen das Primärrecht, sofern in dem jeweiligen Rechtsakt eine Regelung vorgesehen ist, die den Mitgliedstaaten so viel Spielraum einräumt, dass eine primärrechtskonforme Umsetzung möglich ist.324 Der europäische Gesetzgeber muss bei Erlass einer Richtlinie lediglich dafür Sorge tragen, dass durch Umsetzungsspielräume eine grundrechtskonforme Lösung auf nationaler Ebene geschaffen werden kann.325 Die Mitgliedstaaten sind bei der Umsetzung der Whistleblowing-Richtlinie dazu verpflichtet, Hinweisgebern auch bei einer direkten externen Meldung einen Schutzanspruch zuzusprechen. An dieser Stelle ist bereits darauf hinzuweisen, dass ihnen zwar über Art. 7 Abs. 2 EU-RL 2019/1937 ein gewisser Gestaltungsspielraum eingeräumt wird. Dieser reicht jedoch nicht so weit, dass von dem Gleichrang interner und externer Meldungen abgewichen werden dürfte.326 Daher muss die Richtlinie selbst bezüglich des geschützten Rechts zur direkten externen Meldung an den Vorgaben der Charta gemessen werden. (bb) Mittelbare Berücksichtigung der Europäischen Menschenrechtskonvention gemäß Art. 52 Abs. 3 GRCh Fraglich ist, ob und wie weit die Menschenrechtskonvention zumindest mittelbar auf die Beurteilung der Vereinbarkeit der EU-Richtlinie 2019/1937 mit dem Primärrecht Einfluss nimmt. Die besondere Bedeutung der Konvention im Anwendungsbereich der Grundrechtecharta ergibt sich aus Art. 52 Abs. 3 GRCh. Gemäß Art. 52 Abs. 3 S. 1 GRCh hat ein Recht der Charta, welches einem Recht der Europäischen Konvention entspricht, die gleiche Bedeutung und Tragweite, wie sie ihm in der Konvention verliehen wird. Hierbei muss auch die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte berücksichtigt werden, die den Gehalt 323 EuGH, Urteil vom 8. 4. 2014 – C-293/12 u. C-594/12 (Digital Rights Ireland Ldt), NJW 2014, 2169, 2169; Boecken/Düwell/Diller/Hanau/Heuschmid/Lörcher, Gesamtes Arbeitsrecht, Vorbemerkung GRCh, Rn. 38; EuArbR/Schubert, EUV, Art. 6 Rn. 32. 324 EuGH, Urteil vom 13. 7. 1989 – C-5/88 (Wachauf), Celex-Nr. 61988CJ0005, Rn. 22; EuGH, Urteil vom 27. 6. 2006 – C-540/03 (Europäisches Parlament), EuZW 2006, 566, 570; EuArbR/Schubert, EUV, Art. 6 Rn. 32. 325 EuArbR/Schubert, EUV, Art. 6 Rn. 32; Teetzmann, EuR 2016, 90, 97. 326 Hierzu unter Teil 2 B. II. 3. b) bb) (1) (b).
B. Zulässigkeit von Hinweisen
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der Konventionsrechte inhaltlich weiter konkretisiert.327 Die Rechtsfolge des Art. 52 Abs. 3 S. 1 GRCh bezieht sich sowohl auf den Schutzbereich als auch auf die Schrankenregelungen des in Frage stehenden Rechts der Charta.328 Es wird wegen Art. 52 Abs. 3 S. 1 GRCh in der Literatur zum Thema Whistleblowing teilweise angenommen, dass der vom Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte vorgesehene grundsätzliche Vorrang interner Meldungen auch auf Art. 11 GRCh übertragen werden muss.329 Aus Art. 52 Abs. 3 S. 1 GRCh ergäbe sich ein „Gleichlauf“ zwischen Art. 10 EMRK und Art. 11 GRCh, sodass auch im Anwendungsbereich des Art. 11 GRCh ein Vorrang interner Meldungen vorgesehen werden müsse.330 Art. 52 Abs. 3 GRCh findet auf die in der Charta garantierte Meinungsfreiheit (Art. 11 GRCh) Anwendung, da diese entsprechend in Art. 10 EMRK geschützt ist.331 Dies bedeutet jedoch nicht, dass die Vorgaben der Konvention und der Rechtsprechung des Gerichtshofs zu Art. 10 EMRK unverändert auf den Gewährleistungsgehalt der Charta übertragen werden müssen. Trotz Art. 52 Abs. 3 GRCh bleibt die Menschenrechtskonvention bloß eine – wenn auch gewichtige – Rechtserkenntnisquelle, die nicht die Eigenständigkeit der Union und ihrer einzelnen Organe einschränkt.332 Es soll durch Art. 52 Abs. 3 GRCh „die notwendige Kohärenz zwischen der Charta und der EMRK geschaffen werden […], ohne dass dadurch die Eigenständigkeit des Unionsrechts und des EuGH berührt wird.“333 Die Rechte der Grundrechtecharta sind lediglich gemäß Art. 52 Abs. 3 S. 1 GRCh anhand der entsprechenden Konventionsrechte „auszulegen“.334 Ihre Rechte und die der Konvention müssen hierbei aber nicht vollständig gleichlaufend ausgelegt werden.335 Ausreichend ist allein, dass der Gewährleistungsgehalt des Konventionsrechts als
327
Vedder/Heintschel von Heinegg/Folz, GRCh, Art. 52 Rn. 6; PNH/Pache, Art. 52 GRCh Rn. 44. 328 Naumann, EuR 2008, 424, 427; EuArbR/Schubert, GRCh, Art. 52 Rn. 16. 329 Garden/Hiéramente, BB 2019, 963, 965; Preis/Seiwerth, RdA 2019, 351, 357; Schmitt, RdA 2017, 365, 367; Schmitt, NZA-Beilage 2020, 50, 56; Thüsing/Rombey, NZG 2018, 1001, 1003; Trebeck/Schulte-Wissermann, NZA 2018, 1175, 1178. 330 Schmitt, RdA 2017, 365, 368. 331 Calliess/Ruffert/Kingreen, GRCh, Art. 52 Rn. 24. 332 Jarass, Charta der Grundrechte der Union, Art. 52 Rn. 64. 333 EuGH, Urteil vom 15. 2. 2016 – C-601/15 PPU (J. N.), NVwZ 2016, 1789, 1790; EuGH, Urteil vom 21. 12. 2016 – C-203/15 u. C-698/15 (Tele2 Sverige AB u. a.), NJW 2017, 717, 724. 334 Jarass, Charta der Grundrechte der EU, Art. 52 Rn. 64; Calliess/Ruffert/Kingreen, GRCh, Art. 52 Rn. 37; Michl, JuS 2019, 343, 344; PNH/Pache, Art. 52 GRCh Rn. 45; Meyer/ Hölscheidt/Schwerdtfeger, GRCh, Art. 52 Rn. 64; a. A. Boecken/Düwell/Diller/Hanau/Heuschmid/Lörcher, Gesamtes Arbeitsrecht, Art. 52 GRCh Rn. 23. 335 Michl, JuS 2019, 343, 344; im Ergebnis auch Calliess/Ruffert/Kingreen, GRCh, Art. 52 Rn. 37.
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Teil 2: Schutz von Hinweisgebern
Mindeststandard336 insgesamt nicht unterschritten wird.337 Jedenfalls oberhalb dieser Grenze sind eigenständige Auslegungsansätze und Erwägungen möglich.338 Dass es sich bei den Regelungen der Menschenrechtskonvention lediglich um eine Mindestschutzgarantie handelt, folgt aus Art. 52 Abs. 3 S. 2 GRCh.339 Gemäß Art. 52 Abs. 3 S. 2 GRCh kann das Recht der Union einen weitergehenden Schutz gewähren. Dies gilt nicht nur für die Grundrechte der Charta, bei denen der Schutzbereich weiter oder die Schranken enger ausgelegt werden können und im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung ein weitergehender Schutz durch eine stärkere Gewichtung des Grundrechts geschaffen werden kann.340 Auch das Sekundärrecht kann dem einzelnen Individuum einen höheren Schutz gewähren.341 Wegen Art. 52 Abs. 3 S. 2 GRCh durfte der europäische Gesetzgeber einem Hinweisgeber grundsätzlich auch das geschützte Recht zur direkten externen Meldung als Ausdruck seiner Meinungsfreiheit einräumen, ohne dass ihm eine vorherige interne Abhilfe abverlangt würde. Die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte steht einer solchen Regelung grundsätzlich nicht entgegen. Hierbei ist aber zu berücksichtigen, dass die Erhöhung des Schutzes des Whistleblowers zu einer weitergehenden Einschränkung der gegenüberstehenden Interessenposition des Unternehmens führt. Es handelt sich bei der vorliegenden Konstellation um ein sogenanntes „mehrpoliges Grundrechtsverhältnis“. Hierbei stehen sich kollidierende Grundrechtspositionen verschiedener Beteiligter gegenu¨ ber, die durch den Grundrechtsverpflichteten lenkend vermittelt werden müssen.342 Bei „mehrpoligen Grundrechtsverhältnissen“ besteht die Problematik, dass die Gewährleistung eines erhöhten Schutzes der einen Rechtsposition gleichzeitig zu einer Beeinträchtigung der Grundrechte der Gegenseite führt.343 In einem solchen Fall bietet Art. 52 Abs. 3 S. 2 GRCh für den Gesetzgeber, der einen angemessenen Interessenausgleich schaffen muss, keine geeignete Lösung.344 Vielmehr muss in diesem Fall zwischen den kollidierenden Grundrechtspositionen ein angemessener Ausgleich im Sinne einer praktischen Konkordanz hergestellt werden.345 Die Grundsätze des Gerichtshofs für Menschenrechte müssen hierbei jedoch nur berücksichtigt werden, wenn die kollidierende Grundrechtsposition, die EuGH, Urteil vom 15. 3. 2017 – C-528/15 (Policie Cˇ R’), NVwZ 2017, 777, 778; Meyer/ Hölscheidt/Schwerdtfeger, GRCh, Art. 52 Rn. 65. 337 Michl, JuS 2019, 343, 344; Meyer/Hölscheidt/Schwerdtfeger, GRCh, Art. 52 Rn. 66. 338 Michl, JuS 2019, 343, 344; hierauf verweisend auch Naumann, EuR 2008, 424, 428. 339 EuGH, Urteil vom 15. 3. 2017 – C-528/15 (Policie Cˇ R’), NVwZ 2017, 777, 778. 340 Streinz/Streinz/Michl, GRCh, Art. 52 Rn. 31. 341 Naumann, EuR 2008, 424, 431. 342 Matz-Lück/Hong/Sauer, 1, 42. 343 Matz-Lück/Hong/Sauer, 1, 42; EuArbR/Schubert, GRCh, Art. 52 Rn. 18. 344 Vedder/Heintschel von Heinegg/Folz, GRCh, Art. 52 Rn. 9. 345 Meyer/Hölscheidt/Schwerdtfeger, GRCh, Art. 52 Rn. 66. 336
B. Zulässigkeit von Hinweisen
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durch eine Ausweitung des Schutzniveaus beeinträchtigt würde (hier: die unternehmerischen Interessen), auch in der Konvention entsprechend geschützt wird.346 Eine bloß partielle Übereinstimmung in der Menschenrechtskonvention genügt für die Anwendung des Art. 52 Abs. 3 GRCh nicht.347 Durch die Erhöhung des Schutzes der Meinungsfreiheit werden die Interessen des betroffenen Unternehmens beeinträchtigt. Die unternehmerischen Interessen, die in der Grundrechtecharta durch Art. 16 GRCh umfassend Schutz genießen, werden durch die Konvention und ihre Zusatzprotokolle dagegen nur rudimentär und lückenhaft geschützt; das Recht der Konvention entspricht daher gerade nicht dem des Art. 16 GRCh und genügt somit auch nicht für eine Anwendung des Art. 52 Abs. 3 GRCh.348 Es muss und darf daher ein von der Konvention losgelöster Ausgleich zwischen der Meinungsfreiheit und den Interessen der Gegenseite durch den europäischen Gesetzgeber geschaffen werden. Der europäische Gesetzgeber kann daher auch eine vom Gerichtshof divergente Wertung vornehmen, sofern es ihm gelingt, die Meinungsfreiheit des Whistleblowers (Art. 11 GRCh), die Grundrechtsposition des betroffenen Unternehmens (Art. 16 GRCh) und das Ziel der Verbesserung der Rechtsdurchsetzung im Interesse der Allgemeinheit in einen angemessenen Ausgleich zu bringen349. (cc) Unverhältnismäßige Beeinträchtigung der unternehmerischen Interessen Durch die Gewährleistung eines besonderen Whistleblower-Schutzes bei einer direkten externen Meldung gemäß Art. 6 Abs. 1 lit. b) i. V. m. Art. 10 EU-RL 2019/ 1937 werden die Interessen des gegenüberstehenden Unternehmens in verschiedener Hinsicht beeinträchtigt. Unternehmen werden dem Risiko ausgesetzt, dass interne, sensible Daten sowie Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse gegenüber externen Meldestellen offengelegt werden. Es handelt sich hierbei um eine Beeinträchtigung der unternehmerischen Freiheit (Art. 16 GRCh) durch den europäischen Gesetzgeber. Ausreichend ist, wenn die Beeinträchtigung dem Grundrechtsverpflichteten zurechenbar ist.350 Eine Beeinträchtigung im Sinne des Art. 51 Abs. 1 GRCh liegt auch vor, wenn einem Dritten ein Recht zugesprochen wird, durch dessen Inanspruchnahme er („notwendig“ und „systematisch“) zur Belastung des Unternehmens veranlasst wird.351 346
EuArbR/Schubert, GRCh, Art. 52 Rn. 18. Calliess/Ruffert/Kingreen, GRCh, Art. 52 Rn. 26. 348 Frenz, Kap. 9 Rn. 2658. 349 EuGH, Urteil vom 22. 1. 2013 – C-283/11 (Sky Österreich), GRUR Int 2013, 288, 291. 350 Jarass, Grundrechte der Charta der Union, Art. 52 Rn. 13. 351 EuGH, Urteil vom 28. 4. 1998 – C-200/96 (Metronome), ZUM 1998, 490, 492; Jarass, Grundrechte der Charta der Union, Art. 52 Rn. 13, Art. 16, Rn. 14; EuArbR/Schubert, GRCh, Art. 16 Rn. 12. 347
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Teil 2: Schutz von Hinweisgebern
Daneben werden Unternehmen wegen der Schutzvorschriften des sechsten Kapitels, insbesondere Art. 19, 21 EU-RL 2019/1937, auch in ihrer durch Art. 16 GRCh geschützten Vertragsfreiheit und unternehmerischen Entscheidungsfreiheit beeinträchtigt. Die Rechtfertigung dieser Beeinträchtigungen richtet sich nach den Vorgaben des Art. 52 Abs. 1 GRCh.352 Art. 52 Abs. 1 GRCh setzt insbesondere voraus, dass mit der Einschränkung des Grundrechts ein von der Union anerkanntes, dem Gemeinwohl dienendes Ziel verfolgt wird und die Einschränkung unter Wahrung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit erforderlich ist.353 Der europäische Gesetzgeber hat mit der Whistleblowing-Richtlinie eine doppelte Zielrichtung verfolgt. Zum einen soll die grundrechtliche Betätigung von Hinweisgebern (Art. 11 GRCh) durch die Vorgaben der Richtlinie geschützt werden.354 Zum anderen soll ausweislich Art. 1 EU-RL 2019/1937 durch den vermittelten Whistleblower-Schutz im Ergebnis die Durchsetzung des Rechts gefördert werden. Der europäische Gesetzgeber hat den sachlichen Anwendungsbereich auf solche Bereiche beschränkt, in denen ein öffentliches Interesse durch die drohende Beeinträchtigung des Gemeinwohls an der Aufdeckung der Verstöße besteht.355 Der durch die Richtlinie vermittelte Schutz greift sowohl bei internen als auch bei direkten externen Meldungen. Der europäische Gesetzgeber hat das Recht zur direkten externen Meldung damit begründet, dass Hinweisgeber so den Meldeweg wählen können, der sich angesichts der fallspezifischen Umsta¨ nde am besten eignet, um frühzeitig und wirksam Beeinträchtigungen für das öffentliche Interesse zu verhindern.356 Insofern dienen die Einschränkungen des Art. 16 GRCh einem zulässigen Zweck im Sinne des Art. 52 Abs. 1 GRCh. Im Übrigen muss die Beeinträchtigung der unternehmerischen Interessen durch den Schutzanspruch des Hinweisgebers, auch bei einer direkten externen Meldung, verhältnismäßig gewesen sein. Dem europäischen Gesetzgeber wird bei der Einschränkung der unternehmerischen Freiheit ein weiter Ermessens- und Prognosespielraum eingeräumt, sodass sich die Überprüfung auf eine Evidenzkontrolle beschränkt.357 Die Rechtswidrigkeit einer unionsrechtlichen Regelung ist erst dann anzunehmen, wenn sie offensichtlich unverhältnismäßig ist.358 352
EuGH, Urteil vom 31. 1. 2013 – C-12/11 (Denise McDonagh), NJW 2013, 921, 924. EuGH, Urteil vom 31. 1. 2013 – C-12/11 (Denise McDonagh), NJW 2013, 921, 924. 354 Erwägungsgrund (45) zur RL 2019/1937, Amtsblatt der Europäischen Union, L 305/25. 355 Vgl. Erwägungsgrund (3), (5) zur RL 2019/1937, Amtsblatt der Europäischen Union, L 305/17. 356 Erwägungsgrund (33) zur RL 2019/1937, Amtsblatt der Europäischen Union, L 305/23. 357 EuArbR/Schubert, GRCh, Art. 16 Rn. 17 m. w. N. 358 EuGH, Urteil vom 13. 12. 1994 – C-306/93 (SMW Winzersekt GmbH), GRUR Int 1995, 251, 252; EuGH, Urteil vom 12. 5. 2005 – C-347/03 (Regione autonoma Friuli-Venezia Giulia und Agenzia regionale per lo sviluppo rurale [ERSA]), EuZW 538, 543; EuGH, Urteil vom 353
B. Zulässigkeit von Hinweisen
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An der Eignung der Regelung für die dargestellten Ziele bestehen keine Bedenken. Fraglich ist jedoch, ob die vorliegende Regelung erforderlich ist. Es muss, „wenn mehrere geeignete Maßnahmen zur Auswahl stehen, die am wenigsten belastende [gewählt]“ werden.359 Es wäre eine weniger belastende Maßnahme im Sinne des Art. 52 Abs. 1 GRCh, wenn der Schutzanspruch von einer generell oder zumindest grundsätzlich vorrangigen, erfolglosen internen Meldung abhängig gemacht würde. Ein genereller Vorrang interner Meldungen würde jedoch die Zielerreichung – die Durchsetzung des Rechts im öffentlichen Interesse – gefährden. Zum einen besteht die Gefahr, dass Hinweisgeber dann gerade die Missstände nicht aufdecken würden: An interne Stellen würden sie aus Sorge vor Nachteilen oder fehlenden Erfolgsaussichten nicht herantreten. Gegenüber externen Stellen würden sie mangels Schutzanspruches keine Meldung erstatten. Zum anderen besteht kein Grund die Aufgabe des Staates – die Durchsetzung des Rechts – (uneingeschränkt) vorrangig in die Hand des für die Rechtsverstöße meist verantwortlichen Unternehmens zu legen. Insbesondere bei solchen Verstößen, die mit einer Beeinträchtigung der Interessen der Allgemeinheit verbunden sind, bedarf es der Gewissheit, dass gegen sie effektiv vorgegangen wird. Es darf nicht dem verantwortlichen Unternehmen überlassen bleiben, zu entscheiden, ob der Staat von den Vorkommnissen in Kenntnis gesetzt wird und damit dem Missstand Abhilfe geleistet wird.360 Es wäre ebenso dem Ziel abträglich, wenn der Schutzanspruch an einen grundsätzlichen Vorrang interner Meldungen geknüpft würde. Ein Hinweisgeber, der vor seiner Meldung erst noch die unsichere Beurteilung treffen müsste, ob er im Einzelfall zur direkten externen Meldung berechtigt ist, könnte im Ergebnis von einer Meldung gänzlich abgehalten werden. Er würde aus Sorge vor Vergeltungsmaßnahmen von vornherein keine interne Meldung erstatten und wegen der für ihn nur schwer zu beurteilenden Zulässigkeit einer externen Meldung auch von dieser absehen.361 In beiden Fällen besteht ein erhebliches Risiko, dass der Rechtsverstoß nicht aufgedeckt und damit nicht beseitigt würde. Weniger belastende, aber ebenfalls geeignete Maßnahmen sind somit nicht offensichtlich erkennbar. Entsprechend sind die Vorgaben der EU-Richtlinie 2019/1937 auch erforderlich. Nichts anderes kann bezüglich ihrer Angemessenheit angenommen werden. Der europäische Gesetzgeber muss die sich gegenüberstehenden Interessenpositionen im 26. 10. 2017 – C-534/16 (BB construct s.r.o.), MwStR 2018, 67, 70; Jarass, Charta der Grundrechte der Union, Art. 16 Rn. 30. 359 EuGH, Urteil vom 11. 7. 1989 – 265/87 (Schräder), Rn. 21 auf juris.de. 360 Meyer, HRRS 2018, 322, 328. 361 Colneric/Gerdemann, 90 f.
124
Teil 2: Schutz von Hinweisgebern
Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung in einen angemessenen Ausgleich362 gebracht haben. Der sachliche Anwendungsbereich der Richtlinie bezieht sich nicht auf jedes beliebige Fehlverhalten, sodass dieses auch nicht einer geschützten externen Meldung zu Lasten der unternehmerischen Interessen zugänglich gemacht wird. Geschützt werden nur Hinweise, die sich auf einen Verstoß beziehen, dem eine erhebliche Bedeutung für die Allgemeinheit zugesprochen werden muss. Gerade in diesen Bereichen besteht ein großes öffentliches Interesse an den unternehmensinternen Vorkommnissen, welches einen umfassenden Schutz der Hinweisgeber, die sich auf Art. 11 GRCh berufen können, rechtfertigt und die Interessen der Gegenseite zurücktreten lässt. Unternehmen, denen rechtswidriges Verhalten vorzuwerfen ist, wird wegen des Informationsinteresses der Öffentlichkeit und dem Schutz der gegebenenfalls geschädigten Personen kein starker Schutz zugebilligt.363 Darüber hinaus sind die Beeinträchtigungen der Interessen der gegenüberstehenden Unternehmen gering, da sich Whistleblower bei externen Meldungen zur Begründung ihres Schutzanspruchs auch nur an die speziell eingerichteten Meldekanäle wenden dürfen. Diese unterliegen nach Art. 12 Abs. 1 lit. a), Art. 16 EU-RL 2019/1937 strengen Anforderungen bezogen auf den Umgang mit eingehenden Meldungen und den enthaltenen Informationen. Daneben ist zu berücksichtigen, dass Hinweisgeber grundsätzlich bereits von sich aus interne Kanäle bevorzugen364 und damit diese meist vorrangig in Anspruch genommen werden. Insbesondere werden die meisten Unternehmen künftig selbst zur Implementierung interner Meldesysteme verpflichtet werden365, sodass es auch in ihren Händen liegt, das Risiko externer Meldungen zu mindern, indem sie funktionsfähige und vertrauliche Meldewege schaffen. Das Risiko externer Meldungen wird zusätzlich dadurch eingeschränkt, dass die Mitgliedstaaten nach Art. 7 Abs. 2 EU-RL 2019/1937 dazu verpflichtet werden, sich für einen Vorrang interner Meldungen einzusetzen. Die Unternehmen werden ferner zusätzlich durch die Vorgaben der Art. 6 Abs. 1 lit. a) EU-RL 2019/1937 und Art. 21 Abs. 2 EU-RL 2019/1937 geschützt. Wendet sich ein Hinweisgeber im Einzelfall an externe Stellen, kann die Gefahr der Fehlerhaftigkeit der erhobenen Vorwürfe bestehen. In diesem Fall ist dem Unternehmen kein rechtswidriges Verhalten vorzuwerfen, sodass die Beeinträchtigung seiner Interessen in jedem Fall schwerer wiegt. Hinweisgeber dürfen nach den Vorgaben der Richtlinie jedoch nicht nach Belieben extern Meldung erstatten. Gemäß Art. 6 Abs. 1 lit. a) EU-RL 2019/1937 darf ein Verstoß nur (extern) gemeldet werden, wenn der
362
EuGH, Urteil vom 22. 1. 2013 – C-283/11 (Sky Österreich), GRUR Int 2013, 288, 291. EuGH, Urteil vom 30. 5. 2006 – T-198/03 (Bank Austria Creditanstalt AG), CelexNr. 62003TJ0198, Rn. 78. 364 Erwägungsgrund (33) zur RL 2019/1937, Amtsblatt der Europäischen Union, L 305/23; vgl. auch Bauschke, öAT 2019, 250, 250 f.; Kölbel/Herold, Working Paper, 4, 4 f. 365 Hierzu unter Teil 3 A. II. 363
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Hinweisgeber einen „hinreichenden Grund zur Annahme“ hatte, dass seine Angaben der Wahrheit entsprechen. Ergänzt wird der Schutz des Unternehmens durch Art. 21 Abs. 2 EU-RL 2019/ 1937, wonach eine Haftung des Whistleblowers auch nur ausgeschlossen ist, wenn er hinreichenden Grund zu der Annahme hatte, dass die Meldung der Information notwendig war, um einen Verstoß gema¨ ß dieser Richtlinie aufzudecken. Der europäische Gesetzgeber hat jedenfalls nicht offensichtlich den Interessen der betroffenen Unternehmen gegenüber dem Schutz der Meinungsfreiheit des Hinweisgebers zur Verbesserung der effektiven Rechtsdurchsetzung unangemessen Rechnung getragen. Vielmehr hat er die kollidierenden Grundrechtspositionen und das Interesse der Allgemeinheit hinreichend in Ausgleich gebracht, sodass Art. 16 GRCh nicht unverhältnismäßig beeinträchtigt wurde. Der in der Richtlinie vorgesehene Gleichrang interner und externer Meldungen und der damit verbundene Schutz des Hinweisgebers ist mit den Rechten der Grundrechtecharta vereinbar. (c) Widerspruch zwischen Völker- und Primärrecht Auch wenn die Richtlinie somit nicht gegen das Primärrecht der Union verstößt, darf dies nicht darüber hinwegtäuschen, dass ein Widerspruch zwischen den zwingenden Vorgaben der Richtlinie und den Grundsätzen der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte zu Art. 10 EMRK besteht. Im Ergebnis führt dies zu einer unbefriedigenden Rechtslage auf nationaler Ebene, da der Gesetzgeber weiterhin an die Konvention gebunden ist.366 Die Mitgliedstaaten werden durch die Vorgaben der Whistleblowing-Richtlinie dazu verpflichtet, sämtlichen Hinweisgebern, die sich direkt an einen externen Meldekanal wenden, einen Schutzanspruch einzuräumen. Der Gerichtshof geht jedoch von einem grundsätzlichen Vorrang interner Meldungen aus. Die von ihm aufgestellten Kriterien und Grundsätze zum Whistleblowing resultieren aus der besonderen Situation des Hinweisgebers – seiner untergeordneten arbeitsbezogenen Beziehung zu der angezeigten Gegenseite, aus der besondere Verpflichtungen folgen – und seien (nur) auf diese Konstellation anzuwenden.367 Jedenfalls bei Überschneidung des Anwendungsbereichs der vom Gerichtshof aufgestellten Grundsätze und dem Umsetzungsakt zu der Whistleblowing-Richtlinie besteht das Risiko eines Verstoßes gegen die konkretisierenden völkerrechtlichen Vorgaben zu Art. 10 EMRK.
366
Hierzu unter Teil 1 D. I. 3. b) und c). EGMR, Urteil vom 27. 06. 2017 – 17224/11 (Medzˇ lis Islamske Zajednice Brcˇ ko u. a.), NLMR 2017, 257, 259. 367
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Teil 2: Schutz von Hinweisgebern
(3) Kritische Würdigung Obwohl jedenfalls aus primärrechtlicher Sicht keine Bedenken an der Zulässigkeit einer direkten externen Meldung und dem damit verbundenen Schutz eines Whistleblowers bestehen, bedeutet dies nicht, dass die von dem europäischen Gesetzgeber gewählte Lösung überzeugend ist. Der Vorteil des Gleichrangs interner und externer Meldungen liegt darin, dass künftig die schwierige Beurteilung des Erfordernisses einer innerbetrieblichen Abhilfe entfällt und damit Hinweisgeber von dem Risiko nachteiliger Konsequenzen wegen einer Fehlbeurteilung befreit werden.368 Hinsichtlich der Intention der Richtlinie – die Verbesserung des Schutzes von Whistleblowern zur Förderung der Rechtsdurchsetzung – ist dieses Ergebnis in jedem Fall zielführend. Unternehmen können de lege ferenda vor der Bekanntmachung der Informationen gegenüber einer außenstehenden staatlichen Stelle jedoch nicht mehr zu den Vorwürfen Stellung beziehen und damit gegebenenfalls auch fehlerhafte Vorwürfe des Whistleblowers frühzeitig „aus der Welt schaffen“. Ebenso wenig wird es ihnen ermöglicht, die Vorwürfe selbst aufzuklären und zu beseitigen, obwohl sie dies wegen ihrer Sachnähe meist besonders effektiv leisten könnten.369 Dies hat der europäische Gesetzgeber ausweislich der Erwägungsgründe Nummer 33 und 47 selbst erkannt370, aber trotzdem, bedauerlicherweise, nicht umgesetzt. (4) Zwischenergebnis Trotz der dargestellten Kritik hat der europäische Gesetzgeber in der Richtlinie einen Gleichrang interner und externer Meldungen vorgesehen. Nach den Vorgaben der Richtlinie kann ein Hinweisgeber de lege ferenda auch mit einer direkten externen Meldung einen Schutzanspruch begründen. Auf eine vorrangige interne Meldung kommt es nicht mehr an. Die Richtlinie stellt somit eine Abkehr von dem bisher vorherrschenden Drei-Stufen-Modell dar.371 bb) Umsetzung auf nationaler Ebene Fraglich ist, ob diese unionsrechtlichen Vorgaben auch zwingend auf nationaler Ebene umzusetzen sind oder den Mitgliedstaaten Handlungsspielraum verbleibt, der eine von den Richtlinienvorgaben abweichende Umsetzung zulässt.
368
So auch Hiéramente/Ullrich, jurisPR-StrafR 25/2019 Anm. 1. So auch Hiéramente/Ullrich, jurisPR-StrafR 25/2019 Anm. 1; zur bisherigen Rechtslage ähnlich von Busekist/Fahrig, BB 2013, 119, 120. 370 Erwägungsgrund (33) zur RL 2019/1937, Amtsblatt der Europäischen Union, L 305/23; Erwägungsgrund (47) zur RL 2019/1937, Amtsblatt der Europäischen Union, L 305/25. 371 So auch Garden/Hiéramente, BB 2019, 963, 965; Granetzny/Markworth, jurisPRCompl 1/2020 Anm. 1; Szesny, BB 2019, Heft 16 – 17 Umschlagsteil I Erste Seite. 369
B. Zulässigkeit von Hinweisen
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Insbesondere mit Blick auf die bisherige Rechtslage, nach der einem Hinweisgeber wegen der gegenüberstehenden Interessen des Unternehmens im Einzelfall eine vorherige innerbetriebliche Abhilfe abverlangt wurde, könnte erwogen werden, auch künftig einen grundsätzlichen Vorrang interner Meldungen auf nationaler Ebene zu normieren. (1) Unionsrechtlicher Umsetzungsspielraum nach Art. 7 Abs. 2 EU-RL 2019/1937: „Einsatz für eine Bevorzugung interner Meldekanäle“ Der nationale Gesetzgeber kann ausweislich des Art. 25 Abs. 1 EU-RL 2019/ 1937 für Hinweisgeber grundsätzlich günstigere Bestimmungen als die der Richtlinie normieren. Eine Abweichung von dem bedingungslosen Gleichrang interner und externer Meldungen würde jedoch die Rechtsposition des Whistleblowers beschränken und kann daher nicht mit Art. 25 Abs. 1 EU-RL 2019/1937 begründet werden. Der erforderliche Umsetzungsspielraum könnte sich aber aus Art. 7 Abs. 2 EURL 2019/1937 ergeben. An entsprechender Stelle ist ausgeführt, dass sich die Mitgliedstaaten dafür einsetzen, dass eine Meldung u¨ ber interne Meldekana¨ le gegenu¨ ber der Meldung u¨ ber externe Meldekana¨ le in den Fa¨ llen bevorzugt wird, in denen intern wirksam gegen den Verstoß vorgegangen werden kann und der Hinweisgeber keine Repressalien befu¨ rchtet. Hierbei handelt es sich um eine Kompromisslösung, nachdem der in dem Entwurf der Kommission vorgesehene Vorrang interner Meldungen keine hinreichende Zustimmung fand.372 Es bedarf einer Klärung, ob und wenn ja, welcher Handlungsspielraum den Mitgliedstaaten bei der Umsetzung der Richtlinie bezogen auf das Verhältnis interner und externer Meldungen durch Art. 7 Abs. 2 EU-RL 2019/1937 eingeräumt wurde. (a) Verpflichtung der Mitgliedstaaten Bei Art. 7 Abs. 2 EU-RL 2019/1937 handelt es sich um eine für die Mitgliedstaaten verpflichtende Vorgabe, die sie auf nationaler Ebene umsetzen müssen. Dies ergibt sich aus dem Wortlaut der Vorschrift. Danach haben sich die Mitgliedstaaten für eine Bevorzugung interner Meldekanäle durch Hinweisgeber einzusetzen. Es wird ihnen gerade nicht die freie Entscheidung überlassen, ob sie von Art. 7 Abs. 2 EU-RL 2019/1937 Gebrauch machen. Dies wird auch mit Blick auf die sonstigen Vorschriften der Whistleblowing-Richtlinie deutlich. Sofern der europäische Gesetzgeber den Mitgliedstaaten die Entscheidung überlassen wollte, von den Vorgaben der Richtlinie abzuweichen, hat er dies terminologisch eindeutig zum Ausdruck gebracht. An entsprechenden Stellen hat er ausgeführt, dass die Mitgliedstaaten abweichende oder zusätzliche Regelungen erlassen „können“.373 372 373
1937.
2018/0106(COD), 7242/19 vom 14. 3. 2019, S. 3. Vgl. bspw. Art. 8 Abs. 7, 9 UAbs. 2, 3 EU-RL 2019/366, Art. 11 Abs. 4 EU-RL 2019/
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(b) Inhaltlicher Umsetzungsspielraum Obwohl die Mitgliedstaaten nach Art. 7 Abs. 2 EU-RL 2019/1937 verpflichtet werden, sich für eine Bevorzugung der internen Meldekanäle einzusetzen, ergibt sich aus der Richtlinie nicht eindeutig, wie die Mitgliedstaaten diesen fördernden Einsatz umsetzen sollen.374 Durch die unbestimmten Begriffe „Einsatz“ und „Bevorzugung“ besteht ein Spielraum bezogen auf das „Wie“ der Umsetzung des Art. 7 Abs. 2 EURL 2019/1937. Fraglich ist somit, wie weit dieser reicht. Es könnte erwogen werden, dass der nationale Gesetzgeber von dem in der Richtlinie vorgesehenen Gleichrang interner und externer Meldung abweichen und einen (grundsätzlichen) Vorrang interner Meldungen normieren könnte. Gegen eine solch weit reichende Regelungsbefugnis spricht der Wortlaut der Vorschrift. Die Mitgliedstaaten sollen sich für eine „Bevorzugung“ der internen Meldekanäle „einsetzen“. Die Terminologie der bloßen „Bevorzugung“ durch den Hinweisgeber bringt zum Ausdruck, dass er weiterhin die freie Entscheidung zwischen interner und externer Meldung treffen können soll. Bestärkt wird dies durch die englische Sprachfassung des Art. 7 Abs. 2 EU-RL 2019/1937. Danach sollen die Mitgliedstaaten nur zur vorrangigen Inanspruchnahme interner Kanäle „ermutigen“375. Der englische Begriff „encourage“ beschreibt eine Anreizschaffung, die den freiwilligen und selbstständigen Entscheidungsprozess nicht ausschließt.376 Ein gesetzlich vorgesehenes Stufenverhältnis würde die Entscheidungsfindung vorwegnehmen und würde nicht bloß zur Inanspruchnahme ermutigen. Bereits der Wortlaut spricht dafür, dass sich der Einsatz der Mitgliedstaaten bei der Umsetzung des Art. 7 Abs. 2 EU-RL 2019/1937 auf eine bloße Anreizschaffung beschränken muss. Bestärkt wird dies durch Erwägungsgrund Nummer 47. Dort ist zwar ausgeführt, dass zur effektiven Beseitigung der Missstände die Informationen schnell an die Personen herangetragen werden müssen, die der Ursache des Problems am nächsten und befugt sowie befähigt sind, die Missstände zu beseitigen.377 Aus diesem Grund soll ein Hinweisgeber aber nur dazu „bestärkt“378 und gerade nicht dazu verpflichtet werden, primär interne Meldewege in Anspruch zu nehmen. Darüber hinaus muss berücksichtigt werden, dass der europäische Gesetzgeber in Art. 6 Abs. 1 lit. b) i. V. m. Art. 7 Abs. 1, 10, 15 Abs. 1 lit. a) EU-RL 2019/1937 ausdrücklich einen Gleichrang interner und externer Meldungen vorgesehen hat. 374
52, 57.
Dzida/Granetzny, NZA 2020, 1201, 1203; Schmolke, NZG 2020, 5, 8; Ullrich, WiJ 2019,
375 Vgl. die Übersetzung von „encourage“, abrufbar unter https://www.dict.cc/?s=encoura ge, zuletzt abgerufen am 8. 10. 2020. 376 „To make someone more likely to do something, or to make something more likely to hap pen“, vgl. Cambridge Dictionary, Übersetzung von „encourage“, abrufbar unter https://dictio nary.cambridge.org/de/worterbuch/englisch/encourage, zuletzt abgerufen am 8. 10. 2020. 377 Erwägungsgrund (47) zur RL 2019/1937, Amtsblatt der Europäischen Union, L 305/25. 378 Erwägungsgrund (47) zur RL 2019/1937, Amtsblatt der Europäischen Union, L 305/25.
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Eine abweichende Regelung auf nationaler Ebene im Rahmen der Umsetzung des Art. 7 Abs. 2 EU-RL 2019/1937, die eine Subsidiarität externer Meldungen vorsehen würde, widerspräche dem Willen des europäischen Gesetzgebers. Er hat sich in Abkehr von dem vorherigen Kommissionsentwurf eindeutig von einem (grundsätzlichen) Vorrang interner Meldungen distanziert. Zu der Kompromisslösung wurde ausgeführt, dass Hinweisgeber zwar dazu ermutigt werden sollten, sich an die internen Kanäle zu wenden.379 Es müsse ihnen aber gleichzeitig ermöglicht werden, sich auch direkt an eine externe Stelle zu wenden.380 In jedem Fall würde ein Hinweisgeber, wenn er sich für eine direkte externe Meldung entschließt, den Schutz der Richtlinie nicht verlieren.381 Für die bloße Zulässigkeit der Schaffung von Anreizen spricht zudem auch das Ziel der Richtlinie. Mit der Richtlinie wurden Mindeststandards zum Schutz von Hinweisgebern geschaffen.382 Durch einen verpflichtenden Vorrang interner Meldungen würde der durch die Richtlinie vermittelte Schutz unterschritten. Darüber hinaus birgt, wie bereits dargestellt, ein grundsätzlicher Vorrang interner Meldungen das Risiko, dass ein Whistleblower von einer Meldung im Einzelfall gänzlich absieht. Eine solche Regelung würde das Whistleblowing, entgegen dem Ziel der Richtlinie, nicht fördern. Dies wäre gleichzeitig auch dem übergeordneten Ziel der Richtlinie – der Verbesserung der Durchsetzung des Rechts im Interesse der Allgemeinheit – abträglich. Vielmehr ermöglicht der Gleichrang interner und externer Meldungen dem Whistleblower den Meldeweg zu wählen, der sich angesichts der fallspezifischen Umsta¨ nde am besten eignet, um frühzeitig und wirksam Beeinträchtigungen für das öffentliche Interesse zu verhindern.383 Auch der Zweck der Richtlinie spricht somit dafür, dass über Art. 7 Abs. 2 EU-RL 2019/1937 lediglich Anreize für die Inanspruchnahme interner Kanäle geschaffen werden dürfen. Wegen der Vereinbarkeit des Gleichrangs interner und externer Meldungen mit der Grundrechtecharta bedarf es auch keiner abweichenden primärrechtskonformen Auslegung. (c) Zwischenergebnis Art. 7 Abs. 2 EU-RL 2019/1937 muss somit dahingehend ausgelegt werden, dass die Mitgliedstaaten sich zwar für eine Bevorzugung interner Meldekanäle einsetzen müssen. Bezogen auf das „Wie“ des Einsatzes wird ihnen jedoch ein umfassender Umsetzungsspielraum eingeräumt, sofern dieser sich auf eine bloße Anreizschaffung beschränkt. Hinweisgeber dürfen über Art. 7 Abs. 2 EU-RL 2019/1937 auf natio-
379 380 381 382 383
2018/0106(COD), 7242/19 vom 14. 3. 2019, S. 3. 2018/0106(COD), 7242/19 vom 14. 3. 2019, S. 3. 2018/0106(COD), 7242/19 vom 14. 3. 2019, S. 3. Erwägungsgrund (5) zur RL 2019/1937, Amtsblatt der Europäischen Union, L 305/17. Erwägungsgrund (33) zur RL 2019/1937, Amtsblatt der Europäischen Union, L 305/23.
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Teil 2: Schutz von Hinweisgebern
naler Ebene nicht zur vorrangigen internen Meldung verpflichtet werden.384 Vielmehr müssen sie den in der Richtlinie zwingend vorgesehenen uneingeschränkten Gleichrang beider Meldealternativen auch auf nationaler Ebene umsetzen. Die Mitgliedstaaten können im Übrigen gemäß Art. 25 Abs. 1 EU-RL 2019/ 1937 günstigere Bestimmungen für Hinweisgeber erlassen. So könnte insbesondere erwogen werden, die Anreize für eine vorrangige interne Meldung ungeachtet der Kriterien des Art. 7 Abs. 2 EU-RL 2019/1937 (Funktionsfähigkeit und keine drohenden Repressalien) zu gewähren. (2) Umsetzungsempfehlung Der nationale Gesetzgeber muss Hinweisgebern künftig den Schutzanspruch sowohl bei einer internen als auch bei einer direkten externen Meldung einräumen. In dem aktuellen Gesetzesentwurf ist dieser unionsrechtlich vorgegebene Gleichrang interner und externer Meldungen nicht hinreichend umgesetzt. Gemäß § 7 Abs. 1 S. 1 HinSchG-Entwurf können Personen, die beabsichtigen, Informationen über einen Verstoß zu melden, wählen, ob sie sich an eine interne Meldestelle oder eine externe Meldestelle wenden. In Satz 2 wird jedoch ausgeführt, dass es der hinweisgebenden Person unbenommen bleibt, sich an eine externe Meldestelle zu wenden, wenn einem intern gemeldeten Verstoß nicht abgeholfen wurde. Es wurde somit, entgegen der Ausführungen in den zugehörigen Erwägungen385, kein uneingeschränktes Wahlrecht der Hinweisgeber zwischen internen und externen Meldungen vorgesehen. Wegen des Widerspruchs zu den zwingenden unionsrechtlichen Vorgaben, muss der nationale Gesetzgeber § 7 Abs. 1 S. 2 HinSchG-Entwurf streichen. Um den Gleichrang interner und externer Meldungen eindeutig zum Ausdruck zu bringen, bieten sich folgende Normierungen an: Ein Hinweisgeber hat einen Anspruch auf Schutz nach diesem Gesetz, wenn er Informationen über Verstöße intern nach den Vorgaben des § 6 oder direkt extern nach den Vorgaben des § 7 meldet […]. § 6 Interne Meldung Der Hinweisgeber kann unter Inanspruchnahme eines Meldesystems im Sinne des § 16 intern Meldung erstatten. Das Recht zur direkten externen Meldung bleibt hiervon unberührt.
384
Im Ergebnis auch Colneric/Gerdemann, 86 f.; Dzida/Granetzny, NZA 2020, 1201, 1203; Forst, EuZA 2020, 283, 296; Hiéramente/Ullrich, jurisPR-StrafR 25/2019 Anm. 1; Schmolke, NZG 2020, 5, 9; wohl auch Gerdemann/Spindler, ZIP 2020, 1896, 1901; a. A. Preis/Sagan, Der Arbeitsvertrag, Teil II, W 20, Rn. 13; Schmitt, NZA-Beilage 2020, 50, 56. 385 Referentenentwurf HinSchG, Zu § 7 (Wahlrecht zwischen interner und externer Meldung) Absatz 1, S. 52.
B. Zulässigkeit von Hinweisen
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§ 7 Externe Meldung (1) Der Hinweisgeber kann direkt extern gegenüber der zuständigen Meldestelle im Sinne dieses Gesetzes386 Meldung erstatten. (2) Das Recht zur direkten externen Meldung darf nicht eingeschränkt oder ausgeschlossen werden. (3) Informationen über Verstöße im Sinne des § 3 dürfen auch direkt an zusta¨ ndige Organe, Einrichtungen oder sonstige Stellen der Union extern gemeldet werden.
Daneben ist der Gesetzgeber gemäß Art. 7 Abs. 2 EU-RL 2019/1937 verpflichtet, sich für eine Bevorzugung interner Meldekanäle einzusetzen. Ein Anreiz im Sinne der Vorschrift muss jedenfalls für die Fälle vorgesehen werden, in denen intern wirksam gegen den Verstoß vorgegangen werden kann und der Hinweisgeber keine Repressalien befu¨ rchtet. Es bleibt dem nationalen Gesetzgeber, wie bereits dargestellt, weitgehend selbst überlassen, wie er sich für eine Bevorzugung einsetzt. Es kommen daher verschiedene Möglichkeiten einer Anreizschaffung in Betracht. Sowohl eine umfassende Information potentieller Hinweisgeber als auch die Gewährung finanzieller Vorteile könnten als Umsetzungsmaßnahmen erwogen werden. (a) Anreizschaffung durch (finanzielle) Vorteile Der nationale Gesetzgeber könnte, um der Pflicht nach Art. 7 Abs. 2 EU-RL 2019/1937 nachzukommen, finanzielle staatliche Anreize für schutzwürdige Hinweisgeber, unter der Bedingung einer vorherigen internen Meldung, in Aussicht stellen.387 Durch eine solche Anreizschaffung wird die Bereitschaft zur internen Meldung gefördert und damit das Risiko externer Meldungen gemindert.388 Alternativ könnte er auch die Unternehmen zur Gewährung von (finanziellen) Anreizen gegenüber Whistleblowern verpflichten, wenn diese sich an die internen Meldestellen wenden. (aa) Verfassungsrechtliche Zulässigkeit Der ersten Alternative stehen, sofern finanzielle Vorteile jedenfalls nicht bei einer rechtswidrigen Informationserlangung gewährt werden389, keine verfassungsrechtlichen Bedenken entgegen. Whistleblower leisten künftig einen von der Rechtsordnung anerkannten und geschützten Beitrag zur effektiven Rechtsdurchsetzung im öffentlichen Interesse. Es besteht kein Grund, ihnen für ihr rechtmäßiges Verhalten keine finanziellen Vorteile zu gewähren.
386
Auf die Einrichtung externer Meldesysteme wird im Folgenden nicht eingegangen. Forst, EuZA 2020, 283, 296; Granetzny/Markworth, jurisPR-Compl 1/2020 Anm. 1; Hiéramente/Ullrich, jurisPR-StrafR 25/2019 Anm. 1; Schmolke, NZG 2020, 5, 11. 388 Schmolke, NZG 2020, 5, 11. 389 Hierzu umfassend Redder, 249 f. 387
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Teil 2: Schutz von Hinweisgebern
Demgegenüber ist die zweite Alternative – die Verpflichtung der Unternehmen zur Gewährung (finanzieller) Vorteile – mit den Vorgaben der Verfassung nicht vereinbar. Unternehmen werden vor einer staatlichen Auferlegung von Geldleistungs- und sonstigen Zahlungspflichten in einer vertraglichen Beziehung durch Art. 2 Abs. 1390 i. V. m. Art. 19 Abs. 3 GG geschützt. Überdies ist mit einer solchen Verpflichtung ein Eingriff in die unternehmerische Freiheit nach Art. 12 Abs. 1 GG verbunden. Durch die Verpflichtung zur Leistung (finanzieller) Anreize an Whistleblower, die sich an die internen Stellen wenden, wird die Grundrechtsposition der betroffenen Unternehmen unverhältnismäßig beeinträchtigt. Ziel der Verpflichtung wäre die Förderung interner Meldungen von Rechtsverstößen durch Hinweisgeber zur Verbesserung der Rechtsdurchsetzung. Dieses Ziel kann die mit der gesetzlichen Verpflichtung verbundenen schwer wiegenden Beeinträchtigungen der unternehmerischen Interessen nicht rechtfertigen. De lege ferenda müssen Unternehmen interne Meldesysteme einrichten. Bereits damit ist eine erhebliche finanzielle und auch organisatorische Belastung der Unternehmen verbunden.391 Es wäre unangemessen, sie zusätzlich zur Gewährung von (finanziellen) Anreizen gegenüber Hinweisgebern, die vorrangig die internen Meldesysteme in Anspruch nehmen, zu verpflichten. Dies würde eine zusätzliche Belastung begründen, die sowohl für kleine Unternehmen – bedingt durch die oft geringeren Ressourcen – als auch für große Unternehmen – bedingt durch die Gefahr einer Vielzahl eingehender Meldungen – schwer wiegen würde. Gleichzeitig muss berücksichtigt werden, dass die Förderung interner Meldungen im Ergebnis keinen wesentlichen Mehrwert für die Rechtsdurchsetzung bietet. Hinweisgeber können de lege ferenda – ungeachtet etwaiger (finanzieller) Anreize – uneingeschränkt Rechtsverstöße extern melden und dadurch einen Beitrag zur Rechtsdurchsetzung leisten. Bedingt durch den Gleichrang interner und externer Meldungen müssen sie sich gerade nicht erst an die unternehmensinternen Meldestellen wenden. Die (finanziellen) Anreize würden im Ergebnis lediglich die vorrangige Inanspruchnahme interner Meldekanäle fördern, was aber wiederum primär dem Schutz der unternehmerischen Interessen dient und weniger der Förderung der Rechtsdurchsetzung. Unternehmen und nicht der Staat haben regelmäßig ein Interesse daran, dass sich Hinweisgeber primär an die internen und nicht direkt an die externen Meldestellen wenden. Damit muss es aber auch ihnen überlassen bleiben zu entscheiden, ob und wie sie sich für eine vorrangige Inanspruchnahme ihrer Meldestellen einsetzen. Diese Entscheidung darf der Gesetzgeber nicht vorwegnehmen. Die andernfalls entstehenden zusätzlichen schwerwiegenden Belastungen der Unternehmen, sowohl finanzieller als auch organisatorischer Art, wären unverhältnismäßig. Der Gesetzgeber darf die Unternehmen daher nicht dazu verpflichten, die Inanspruchnahme der internen Meldesysteme zu fördern. Zulässig ist lediglich, dass der 390 391
Maunz/Du¨ rig/Di Fabio, Grundgesetz-Kommentar, Art. 2 Abs. 1 GG Rn. 113. Zu der Einführung interner Meldesysteme vgl. umfassend unter Teil 3.
B. Zulässigkeit von Hinweisen
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Staat selbst finanzielle Vorteile gegenüber Hinweisgebern, die vorrangig interne Meldung erstatten, gewährt. (bb) Rechtspolitische Betrachtung Aus rechtspolitischen Gründen überzeugt der Gedanke der Einführung staatlicher finanzieller Anreizsysteme.392 Die bisher gehegten Bedenken, dass durch eine staatliche Leistung unternehmensinterne Hinweisgebersysteme als Compliance-Maßnahme ausgehebelt würden393, sind künftig hinfällig, sofern der nationale Gesetzgeber die Zahlung an eine vorherige interne Meldung anknüpft. Bisher wurde der Einführung finanzieller Vorteile zwar entgegengehalten, dass damit ein Widerspruch zu der Bewertung eines Whistleblowers als uneigennützig Handelndem geschaffen würde.394 Dies ist de lege ferenda überholt. Hinweisgebern wird künftig ein Schutzanspruch ungeachtet ihrer Motivation zugesprochen.395 Bereits damit wird ein gesellschaftliches Umdenken angestoßen. Selbst ein Whistleblower, der sich durch seinen Hinweis einen (finanziellen) Vorteil verspricht, leistet nach der (gesetzgeberischen) Wertentscheidung einen anerkannten Beitrag für die Rechtsdurchsetzung im Interesse der Allgemeinheit. Die Einführung eines staatlichen Anreizsystems würde der Beseitigung der bisher vorherrschenden gesellschaftlichen Skepsis gegenüber solchen Whistleblowern zusätzlich Anschub leisten.396 Der wesentliche Vorteil eines jeden (finanziellen) Anreizsystems ist zudem, dass damit die Bereitschaft zum Whistleblowing als wirksames Rechtsdurchsetzungsinstrument generell gesteigert würde.397 Der aktuelle Referentenentwurf sieht in § 7 Abs. 3 HinSchG-Entwurf vor, dass Beschäftigungsgeber Anreize dafür schaffen sollen, dass sich hinweisgebende Personen vor einer Meldung an eine externe Meldestelle zunächst an die jeweilige interne Meldestelle wenden. Mit § 7 Abs. 3 HinSchG-Entwurf wird den verantwortlichen Unternehmen die freie Entscheidung („sollen“) darüber, ob sie tatsächlich solche Anreize für Hinweisgeber vorsehen, überlassen.398 Diese Regelung überzeugt nicht. Aus dargestellten Gründen darf der Gesetzgeber nicht den Unternehmen die Aufgabe übertragen, sich für eine vorrangige Inanspruchnahme der internen Meldesysteme einzusetzen. Dazu steht § 7 Abs. 3 HinSchG-Entwurf im Widerspruch. Aus diesem Grund ist § 7 Abs. 3 HinSchG-Entwurf aus dem Referentenentwurf zu streichen. 392 In welcher Form der Gesetzgeber finanzielle Anreizsysteme de lege ferenda gestalten kann und sollte, soll hier nicht weiter dargestellt werden. 393 Buchert, CCZ 2013, 144, 147. 394 Buchert, CCZ 2013, 144, 146. 395 Hierzu unter Teil 2 B. II. 4. b). 396 Schmolke, ZGR 2019, 876, 918 f. 397 Vgl. auch Schmolke, NZG 2020, 5, 11. 398 Vgl. auch Referentenentwurf HinSchG, Zu § 7 (Wahlrecht zwischen interner und externer Meldung) Absatz 3, S. 52.
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Teil 2: Schutz von Hinweisgebern
(b) Umfassende Information potentieller Hinweisgeber Eine weitere Maßnahme zur Förderung interner Meldungen ist die umfassende Information potentieller Hinweisgeber. Sowohl interne als auch externe Stellen sind nach der Richtlinie dazu verpflichtet, Informationen zu den Meldekanälen bereit zu stellen, vgl. Art. 7 Abs. 3, Art. 9 Abs. 1 lit. g) EU-RL 2019/1937. Dadurch soll gewährleistet werden, dass Personen, die Versto¨ ße melden wollen, eine fundierte Entscheidung daru¨ ber treffen ko¨ nnen, ob, wann und auf welche Weise sie Meldung erstatten.399 Daher sollten nicht nur die zusta¨ ndigen Beho¨ rden400, sondern auch die Unternehmen in klarer und leicht zuga¨ nglicher Weise Informationen zu den verfu¨ gbaren Meldekana¨ len, den anwendbaren Verfahren und den zusta¨ ndigen Mitarbeitern bereitstellen. Um Meldungen zu fo¨ rdern und Hinweisgeber nicht abzuschrecken, sollten sa¨ mtliche Informationen transparent, leicht versta¨ ndlich und zuverla¨ ssig sein.401 Diese Vorgaben sind auf nationaler Ebene verpflichtend und umfassend umzusetzen, um potentiellen Whistleblowern sämtliche Handlungsoptionen, insbesondere auch die der internen Meldung, vor Augen zu führen. In § 13 Abs. 2 HinSchG-Entwurf ist lediglich eine Verpflichtung vorgesehen, nach der die Beschäftigten von der jeweiligen Meldestelle über das externe Meldeverfahren informiert werden müssen. Eine Pflicht zur Information über die internen Meldekanäle ist nicht normiert. Die umfassende Information potentieller Hinweisgeber über die internen Meldekanäle ist allenfalls eine mögliche Form der (fakultativen) Anreizschaffung im Sinne des § 7 Abs. 3 HinSchG-Entwurf.402 Es handelt sich allein um eine freiwillige Handlungsoption der Unternehmen. Der Gesetzgeber sollte diese Regelungsstruktur überarbeiten und, um einen wirksamen Anreiz im Sinne des Art. 7 Abs. 2 EU-RL 2019/1937 zu schaffen, eine ausdrückliche Verpflichtung der Unternehmen wie folgt normieren: Beschäftigungsgeber403 müssen gegenüber Hinweisgebern verständliche und umfassende Informationen über den verfügbaren internen Meldekanal […] leicht zugänglich bereitstellen.
Daneben kann der Gesetzgeber auch rein tatsächlich tätig werden, indem er selbst Informationskampagnen durchführt und dort Hinweisgeber insbesondere auf die bestehenden internen Meldekanäle verweist.404
399
Erwägungsgrund (75) zur RL 2019/1937, Amtsblatt der Europäischen Union, L 305/29. Erwägungsgrund (75) zur RL 2019/1937, Amtsblatt der Europäischen Union, L 305/29. 401 Erwägungsgrund (75) zur RL 2019/1937, Amtsblatt der Europäischen Union, L 305/29. 402 Referentenentwurf HinSchG, Zu § 7 (Wahlrecht zwischen interner und externer Meldung) Absatz 3, S. 52. 403 Erfasst werden solche Beschäftigungsgeber, die zur Einrichtung interner Meldekanäle verpflichtet sind. 404 Forst, EuZA 2020, 283, 296. 400
B. Zulässigkeit von Hinweisen
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c) Subsidiarität der Offenlegung Von dem Verhältnis interner und externer Meldungen ist die Frage nach dem Recht zur Offenlegung zu trennen. Nach Art. 6 Abs. 1 lit. b) EU-RL 2019/1937 wird einem Hinweisgeber der Schutz der Richtlinie zugesprochen, wenn er die Informationen offenlegt. Fraglich ist, ob ein Hinweisgeber von dieser Möglichkeit uneingeschränkt Gebrauch machen kann oder diese gegenüber den anderen Meldealternativen vielmehr subsidiär ist. Bei einer internen und externen Meldung im Sinne der Richtlinie wird lediglich ein begrenzter Personenkreis über die unternehmensinternen Missstände unterrichtet. Bei einer Offenlegung gemäß Art. 6 Abs. 1 lit. b) i. V. m. Art. 15 Abs. 1 EURL 2019/1937 wird dagegen die breite Öffentlichkeit über die Vorkommnisse informiert. Das Recht eines Whistleblowers zur Offenlegung von Informationen richtet sich nach den Vorgaben des Art. 15 Abs. 1 EU-RL 2019/1937. aa) Vorgaben der EU-Richtlinie 2019/1937 Gemäß Art. 15 Abs. 1 EU-RL 2019/1937 hat ein Hinweisgeber, der Informationen offenlegt, einen Anspruch auf Schutz im Rahmen der Richtlinie, wenn eine der in der Vorschrift genannten Bedingungen erfu¨ llt ist. Das Recht zur Offenlegung besteht gemäß Art. 15 Abs. 1 lit. a) EU-RL 2019/1937, wenn der Whistleblower zuvor vergeblich intern und/oder extern Meldung erstattet hat. Daneben kann er in den in Art. 15 Abs. 1 lit. b) EU-RL 2019/1937 genannten Fällen sich direkt an die Öffentlichkeit wenden, ohne dass es einer vorherigen Meldung bedarf. Dies gilt zum einen bei einer unmittelbaren oder offenkundigen Gefährdung des öffentlichen Interesses, zum anderen, wenn der Hinweisgeber bei einer externen Meldung Repressalien befürchtet oder aufgrund der besonderen Umsta¨ nde geringe Aussichten bestehen, dass wirksam gegen den Verstoß vorgegangen wird. (1) Offenlegung als „ultima ratio“ In Art. 15 Abs. 1 EU-RL 2019/1937 ist ausdrücklich klargestellt, dass ein Hinweisgeber, der Informationen offenlegt, einen Schutzanspruch nur begründet, wenn eine der in der Vorschrift genannten Bedingungen erfüllt ist. Wie sich aus Art. 15 Abs. 1 lit. a) EU-RL 2019/1937 ergibt, ist die Offenlegung gegenüber den anderen beiden Meldealternativen grundsätzlich subsidiär. Sofern kein Tatbestand des Art. 15 Abs. 1 lit. b) EU-RL 2019/1937 erfüllt ist, muss ein Whistleblower Informationen vorrangig erfolglos intern und/oder extern melden. Nur in den Ausnahmefällen des Art. 15 Abs. 1 lit. b) EU-RL 2019/1937 darf eine direkte Offenlegung erfolgen. Der restriktive Umgang mit dem Recht zur Offenlegung wird auch durch einen Vergleich zu den anderen beiden in der Richtlinie geregelten Meldeoptionen deutlich, an die nach Art. 7 Abs. 1 EU-RL 2019/1937 und Art. 10 EU-RL 2019/1937 keine weiteren Bedingungen geknüpft werden.
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Nur bei dem Vorliegen eines „absoluten“405Ausnahmetatbestands ist der Gang an die Öffentlichkeit zur Begründung eines Schutzanspruchs zulässig. Nicht nur nach bisheriger Rechtslage406, sondern auch nach den Vorgaben der Richtlinie ist die Offenlegung das „ultima ratio“407. Whistleblower dürfen sich grundsätzlich nicht direkt an die Öffentlichkeit wenden.408 Vielmehr sind interne und externe Meldekanäle, sofern keine Ausnahme des Art. 15 Abs. 1 lit. b) EU-RL 2019/1937 greift, vorrangig in Anspruch zu nehmen.409 (2) Ausnahmeregelungen im Einzelnen (a) Erfolglose vorausgegangene Meldung(en) Nach Art. 15 Abs. 1 lit. a) EU-RL 2019/1937 hat ein Hinweisgeber das Recht zur Offenlegung, wenn er zuvor bereits intern und extern oder direkt extern Meldung erstattet hat und innerhalb der Fristen des Art. 9 Abs. 1 lit. f) EU-RL 2019/1937 oder Art. 11 Abs. 2 lit. d) EU-RL 2019/1937 keine geeigneten Maßnahmen ergriffen wurden. (aa) Vorrangige Meldungen: Intern und/oder extern? Nach der ersten Alternative des Art. 15 Abs. 1 lit. a) EU-RL 2019/1937 muss ein Hinweisgeber, der die Informationen intern gemeldet hat, sich zusätzlich an eine externe Meldestelle wenden. Der Wortlaut ist eindeutig: Die Bedingung ist erfüllt, wenn der Hinweisgeber zuna¨ chst intern „und“ extern Meldung erstattet. Eine ausschließlich interne Meldung genügt zur Begründung des Rechts zur Offenlegung nach den Vorgaben der Richtlinie nicht.410 Dies wird auch durch Erwägungsgrund Nummer 79 bestätigt. Dort wird ebenfalls ausgeführt, dass Hinweisgebern der Schutz der Richtlinie bei der Offenlegung zugesprochen werden soll, wenn die Informationen zuvor intern „und“ extern gemeldet wurden.411 Nach der zweiten Alternative des Art. 15 Abs. 1 lit. a) EU-RL 2019/1937 darf ein Hinweisgeber nach einer erfolglosen externen Meldung Informationen öffentlich
405
Garden/Hiéramente, BB 2019, 963, 964. Fuhlrott/Oltmanns, DB 2017, 2354, 2358; SPV/Preis, 1. Abschnitt, § 22, Rn. 636; Staudinger/Preis, BGB, § 626, Rn. 133; Schmitt, RdA 2017, 365, 366; ebenso LAG Köln, 2. 2. 2012 – 6 Sa 304/11, NZA-RR 2012, 298, 300 unter Verweis auf EGMR, Urteil vom 21. 7. 2011 – 28274/08 (Heinisch), NZA 2011, 1269, 1271. 407 Dzida/Granetzny, NZA 2020, 1201, 1203; Kerwer/Fischer, Anmerkung zu BAG, Urteil vom 5. 12. 2019 – 2 AZR 240/19, AP KSchG 1969 § 1 Verhaltensbedingte Kündigung Nr. 77. 408 So auch Garden/Hiéramente, BB 2019, 963, 964; Grimm/Singraven, ArbRB 2019, 241, 242. 409 Preis/Sagan, Der Arbeitsvertrag, Teil II, W 20, Rn. 13. 410 A. A. Forst, EuZA 2020, 283, 296; Schröder, ZRP 2020, 212, 212. 411 Erwägungsgrund (79) zur RL 2019/1937, Amtsblatt der Europäischen Union, L 305/29. 406
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zugänglich machen.412 Der Hinweisgeber muss zur Begründung seines Schutzanspruchs nicht zusätzlich intern Meldung erstatten. Das Recht zur Offenlegung nach Art. 15 Abs. 1 lit. a) EU-RL 2019/1937 wird somit von der Meldung gegenüber der externen Meldestelle abhängig gemacht. (bb) Erfolglosigkeit der Meldung Gemäß Art. 15 Abs. 1 lit. a) EU-RL 2019/1937 ist zudem erforderlich, dass die vorherige Meldung des Hinweisgebers erfolglos war. Es dürfen danach innerhalb der Frist des Art. 9 Abs. 1 lit. f) EU-RL 2019/1937 oder der des Art. 11 Abs. 2 lit. d) EURL 2019/1937 keine geeigneten Maßnahmen ergriffen worden sein. Bei einer ausschließlichen externen Meldung setzt das Recht zur Offenlegung somit voraus, dass innerhalb von drei bzw. sechs Monaten (Art. 11 Abs. 2 lit. d) EURL 2019/1937) keine geeigneten Maßnahmen eingeleitet wurden. Problematischer sind dagegen die Anforderungen der Richtlinie bezogen auf die erste Alternative der Vorschrift. Fraglich ist, ob das Recht zur Offenlegung nach Art. 15 Abs. 1 lit. a) Alt. 1 EU-RL 2019/1937 bereits dann besteht, wenn eine der beiden Meldestellen, sei es die interne oder externe, keine Maßnahmen fristgerecht einleitet. Wegen des Alternativverhältnisses der Fristenregelung („zu seiner Meldung wurden innerhalb des Zeitrahmens gema¨ ß Artikel 9 Absatz 1 Buchstabe f oder Artikel 11 Absatz 2 Buchstabe d keine geeigneten Maßnahmen ergriffen“) im Vergleich zu der Eingangsformulierung der Vorschrift („intern und extern“) könnte angenommen werden, dass bereits die Erfolglosigkeit einer Meldung für das Recht zur Offenlegung genügt. Dagegen spricht jedoch Erwägungsgrund Nummer 79, in dem ausdrücklich darauf abgestellt wird, dass Personen, die Informationen offenlegen, auch in den Fa¨ llen geschu¨ tzt werden, in denen nicht gegen den Verstoß vorgegangen wird, obwohl er intern und extern gemeldet wurde.413 Danach ist allein entscheidend, dass in keiner Weise Maßnahmen gegen den Verstoß eingeleitet werden. Für dieses Ergebnis spricht auch das Ziel der Richtlinie. Durch die Richtlinie soll die Durchsetzung des Rechts verbessert werden, um Gefahren für das Allgemeinwohl zu verhindern.414 Der europäische Gesetzgeber hat hierfür nicht nur externe, sondern auch interne Meldekanäle als taugliches Mittel angesehen. Durch beide Meldekanäle kann den Gefahren für die Öffentlichkeit durch einen Rechtsverstoß Abhilfe geleistet werden. Sofern bereits eine Meldestelle geeignete Maßnahmen gegen den Verstoß einleitet, bedarf es für die effektive Durchsetzung des Rechts keiner Offenlegung mehr. Eine andere Bewertung würde auch dem vom europäischen Gesetzgeber eingeschlagenen Weg – die Offenlegung als „ultima ratio“ – widersprechen. 412 Gerdemann, NZA-Beilage 2020, 43, 48; Schröder, ZRP 2020, 212, 212; Ullrich, WiJ 2019, 52, 57. 413 Erwägungsgrund (79) zur RL 2019/1937, Amtsblatt der Europäischen Union, L 305/29. 414 Erwägungsgrund (3) zur RL 2019/1937, Amtsblatt der Europäischen Union, L 305/17.
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Dem Recht zur Offenlegung steht es nach den Vorgaben der Richtlinie daher bereits entgegen, wenn jedenfalls eine der beiden Meldungen erfolgreich war.415 Entscheidend für die Anwendung des Art. 15 Abs. 1 lit. a) EU-RL 2019/1937 ist zudem, unter welchen Voraussetzungen anzunehmen ist, dass geeignete Maßnahmen im Sinne der Vorschrift ergriffen wurden. Es wird auf Art. 9 Abs. 1 lit. f) EU-RL 2019/1937 und auf Art. 11 Abs. 2 lit. d) EU-RL 2019/1937 verwiesen und gerade nicht auf die Vorschriften zur Einleitung von Folgemaßnahmen. Die genannten Vorschriften normieren die Vorgaben für die Erstattung einer Rückmeldung gegenüber dem Hinweisgeber. Zwar wird in Art. 15 Abs. 1 lit. a) EU-RL 2019/1937 terminologisch divergent auf die fristgerechte Ergreifung von Maßnahmen und nicht auf die fristgerechte Rückmeldung abgestellt. Würde man jedoch das Recht zur Offenlegung von der Einleitung von Folgemaßnahmen innerhalb der genannten Frist abhängig machen, würde dies im Ergebnis zu einer Fristbindung der Einleitung von Folgemaßnahmen führen. Der europäische Gesetzgeber ist jedoch ausweislich der Legaldefinition der Rückmeldung (Art. 5 Nr. 13 EU-RL 2019/1937) und des Erwägungsgrundes Nummer 58416 selbst davon ausgegangen, dass Folgemaßnahmen sogar noch nach der Frist durchgeführt oder sogar erst noch festgelegt werden können. Die Anknüpfung des Rechts zur Offenlegung an die Einleitung von Folgemaßnahmen würde im Ergebnis zu einer von den Richtlinienvorgaben abweichenden faktischen Fristbindung führen. Insbesondere für das Ziel der Richtlinie – die effektive Rechtsdurchsetzung – wäre eine Pflicht zur übereilten Einleitung von Folgemaßnahmen abträglich. Daher ist Art. 15 Abs. 1 lit. a) EU-RL 2019/1937 dahingehend auszulegen, dass es für das Recht zur Offenlegung auf eine fristgerechte Rückmeldung ankommt.417 Es muss jedoch der Inhalt der Rückmeldung einer sachlichen Prüfung unterworfen werden. In Art. 15 Abs. 1 lit. a) EU-RL 2019/1937 ist darauf abgestellt, dass „geeignete“ Maßnahmen ergriffen worden sein müssen. Stellt man im Rahmen der Vorschrift auf die fristgerechte Rückmeldung ab, muss sich die Frage der Eignung auf die in der Rückmeldung angegebenen (eingeleiteten oder künftigen) Folgemaßnahmen (vgl. Art. 5 Nr. 13 EU-RL 2019/1937) beziehen. (b) Gefährdung des öffentlichen Interesses Daneben kann sich ein Hinweisgeber nach Art. 15 Abs. 1 lit. b) i) EU-RL 2019/ 1937 auch direkt an die Allgemeinheit wenden, wenn er einen hinreichenden Grund zur Annahme hat, dass der Verstoß eine unmittelbare oder offenkundige Gefa¨ hrdung des o¨ ffentlichen Interesses darstellen kann. Hinsichtlich des Begriffs des „hinreichenden Grunds zur Annahme“ kann auf die Ausführungen im Rahmen des Art. 6
415 416 417
Im Ergebnis auch Gerdemann, NZA-Beilage 2020, 43, 48. Erwägungsgrund (58) zur RL 2019/1937, Amtsblatt der Europäischen Union, L 305/26. Gerdemann, NZA-Beilage 2020, 43, 48.
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Abs. 1 lit. a) EU-RL 2019/1937 verwiesen werden.418 Ausreichend ist insofern der gute Glaube des Whistleblowers.419 Fraglich ist jedoch, unter welchen Voraussetzungen eine Gefährdung im Sinne der Vorschrift vorliegt. Der europäische Gesetzgeber hat den sachlichen Anwendungsbereich der Richtlinie gerade auf die Bereiche erstreckt, in denen ein Rechtsverstoß das öffentliche Interesse ernsthaft schädigen kann.420 Vor diesem Hintergrund muss angenommen werden, dass für das Recht zur Offenlegung nach Art. 15 Abs. 1 lit. b) i) EU-RL 2019/1937 nicht jeder Rechtsverstoß ausreichen kann. Andernfalls würde Art. 15 Abs. 1 EU-RL 2019/1937 seinen Ausnahmecharakter verlieren und ein Hinweisgeber bei jeder Gefährdung der Öffentlichkeit durch einen Rechtsverstoß die Informationen offenlegen dürfen. Daher muss die Regelung des Art. 15 Abs. 1 lit. b) i) EU-RL 2019/1937, mit Blick auf die in der Vorschrift selbst genannten Beispiele (eine Notsituation oder ein irreversibler Schaden), eng ausgelegt werden. Art. 15 Abs. 1 lit. b) i) EU-RL 2019/1937 erfasst damit nur solche Fälle, in denen eine schwerwiegende, konkrete Gefahr für bedeutende Güter der Allgemeinheit (bspw. die Gesundheit der Menschen) besteht. Dieses Recht muss zu Lasten der Interessen der betroffenen Gegenseite unabhängig davon gewährleistet werden, ob eine interne und/oder externe Meldung die Gefahr ebenfalls hätte wirksam beseitigen können. Weder der Wortlaut des Art. 15 Abs. 1 lit. b) i) EU-RL 2019/1937 noch der zugehörige Erwägungsgrund Nummer 80 sehen eine derartige Einschränkung des Rechts zur (direkten) Offenlegung vor. (c) Drohende Repressalien und fehlende Erfolgsaussichten der Meldung Nach Art. 15 Abs. 1 lit. b) ii) EU-RL 2019/1937 kann ein Hinweisgeber zudem Verstöße direkt offenlegen, wenn er hinreichenden Grund zur Annahme hat, dass im Fall einer externen Meldung Repressalien zu befu¨ rchten sind oder aufgrund der besonderen Umsta¨ nde des Falls geringe Aussichten bestehen, dass wirksam gegen den Verstoß vorgegangen wird. Als Beispiel werden die Unterdrückung oder Vernichtung von Beweismitteln, die Möglichkeit des Bestehens von Absprachen zwischen einer Beho¨ rde und dem Urheber des Verstoßes oder der Beteiligung der Beho¨ rde an dem Verstoß genannt. (3) Vereinbarkeit mit höherrangigem Recht Wie auch bei dem Recht zur direkten externen Meldung stellt sich bezogen auf das Recht des Hinweisgebers nach Art. 15 Abs. 1 EU-RL 2019/1937 die Frage, ob diese Regelung mit höherrangigem Recht vereinbar ist.
418
Hierzu unter Teil 2 B. II. 2. a) bb); so auch EuArbR/Fest, EU-RL 2019/366, Art. 15 Rn. 17, 19; Forst, EuZA 2020, 283, 295. 419 So auch Gerdemann, NZA-Beilage 2020, 43, 48. 420 Vgl. Erwägungsgrund (5) zur RL 2019/1937, Amtsblatt der Europäischen Union, L 305/ 17.
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Die grundsätzliche Einordnung des Rechts zur Offenlegung als „ultima ratio“ verstößt nicht gegen die Grundrechtecharta. Durch Art. 15 Abs. 1 EU-RL 2019/1937 wird zwar der Schutz eines Hinweisgebers, der sich bei der Offenlegung der Informationen auf seine freie Meinungsäußerung (Art. 11 GRCh) berufen kann, eingeschränkt. Damit wird jedoch den unternehmerischen Interessen der Gegenseite (Art. 16 GRCh) Rechnung getragen. Ein uneingeschränktes Recht zur direkten Offenlegung würde die Grundrechtsposition des betroffenen Unternehmens unverhältnismäßig beeinträchtigen. Der Schutz der Richtlinie wird Whistleblowern wegen ihres Beitrags zur effektiven Durchsetzung des Rechts zugesprochen. Aus diesem Grund ist in der Abwägungsentscheidung ihrer Grundrechtsposition auch zusätzliches Gewicht zuzusprechen. Sofern ein Rechtsverstoß jedoch durch eine interne oder insbesondere externe Meldung beseitigt werden kann, besteht kein Grund zur Offenlegung. Diese ist dann weder notwendig noch für die Rechtsdurchsetzung besonders förderlich, sodass einem Hinweisgeber dann auch kein spezieller Schutz zuzusprechen ist. Mit dieser Abwägungsentscheidung wird auch nicht der durch die Konvention vermittelte Schutz der Meinungsfreiheit nach Art. 10 EMRK unzulässiger Weise (Art. 52 Abs. 3 GRCh) unterschritten. Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte hatte zu Art. 10 EMRK ebenfalls ausgeführt, dass der Gang an die Öffentlichkeit durch einen Hinweisgeber lediglich als letztes Mittel in Betracht kommen würde.421 Bedenken bezüglich der Vereinbarkeit des Art. 15 Abs. 1 EU-RL 2019/1937 mit dem höherrangigen Recht bestehen jedoch mit Blick auf Art. 15 Abs. 1 lit. a) Alt. 2 EU-RL 2019/1937 und Art. 15 Abs. 1 lit. b) ii) EU-RL 2019/1937. In beiden Fällen wird das Recht zur Offenlegung von der Funktionsfähigkeit des externen Meldesystems abhängig gemacht. Ohne Relevanz ist, ob eine interne Meldung die Verstöße ebenfalls hätte beseitigen können. Der Hinweisgeber kann sich vielmehr, ungeachtet des Bestehens interner Meldekanäle, direkt an die Allgemeinheit wenden. Es ist fraglich, ob der europäische Gesetzgeber mit diesen beiden Regelungen den Interessen der betroffenen Unternehmen (Art. 16 GRCh) hinreichend Rechnung getragen hat. Die Funktionsfähigkeit externer Meldesysteme, an die das Recht zur Offenlegung nach Art. 15 Abs. 1 lit. a) Alt. 2, lit. b) ii) EU-RL 2019/1937 anknüpft, liegt außerhalb des Einwirkungsbereichs des „angezeigten“ Unternehmens. Das betroffene Unternehmen ist in den Fällen des Art. 15 Abs. 1 lit. a) Alt. 2, lit. b) ii) EU-RL 2019/1937 der Leidtragende behördlichen Fehlverhaltens. Gewährleistet ein Unternehmen ein funktionsfähiges internes Meldesystem und drohen einem Hinweisgeber bei dessen Inanspruchnahme auch keine Repressalien, wäre es diesem zumutbar, sich zusätzlich an den internen Kanal zu wenden. Damit wäre auch keine Beeinträchtigung des öffentlichen Interesses an der Beseitigung der Rechtsverstöße
421
EGMR, Urteil vom 21. 7. 2011 @ 28274/08 (Heinisch), NZA 2011, 1269, 1271.
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verbunden, da diese immer noch durch die internen Stellen, meist besonders effektiv, beseitigt werden können. Da die mit einer Offenlegung verbundenen schwerwiegenden Nachteile auch nicht mit denen bei einer direkten externen Meldung vergleichbar sind, muss angezweifelt werden, ob der Gesetzgeber mit Art. 15 Abs. 1 lit. a) Alt. 2, lit. b) ii) EURL 2019/1937 die Interessen angemessen in Ausgleich gebracht hat.422 Nichts anderes gilt für die Regelung des Art. 15 Abs. 1 lit. b) i) EU-RL 2019/ 1937. Auch nach dieser zwingend umzusetzenden Vorgabe kann ein Hinweisgeber de lege ferenda Missstände offenlegen, ohne dass berücksichtigt werden muss, ob eine alternative, ebenfalls effektive Möglichkeit zur internen und/oder externen Meldung besteht. Bis zu einer Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs sind die Mitgliedstaaten jedoch dazu verpflichtet, die eindeutigen Vorgaben der Richtlinie umzusetzen. Ein Mitgliedstaat kann sich der Umsetzung einer Richtlinie nicht allein wegen bestehender Bedenken an der Rechtmäßigkeit des Unionsakts entziehen.423 Der Europäische Gerichtshof muss vielmehr im Rahmen einer Nichtigkeitsklage nach Art. 263 AEUVoder eines Vorabentscheidungsersuchens nach Art. 267 AEUV eine solche Regelung für nichtig erklären. Der Gerichtshof hat in der Union das Verwerfungs- und Auslegungsmonopol.424 Bis dahin werden die Mitgliedstaaten dazu gezwungen, gegebenenfalls auch grundrechtswidrige Richtlinienbestimmungen umzusetzen. bb) Umsetzung auf nationaler Ebene Der nationale Gesetzgeber muss somit sämtliche Vorgaben des Art. 15 Abs. 1 EURL 2019/1937 umsetzen. Fraglich ist jedoch, ob es ihm zusteht, von den genannten Tatbeständen abweichende oder darüber hinausgehende Regelungen zu treffen. Sofern dies der Fall ist, bedarf es einer Betrachtung, ob die Verfassung einem solchen Vorhaben Grenzen setzt. (1) Unionsrechtlicher Umsetzungsspielraum Der nationale Gesetzgeber darf das Recht eines Hinweisgebers zur Offenlegung nach Art. 15 Abs. 1 EU-RL 2019/1937 nicht weiter einschränken. Der in der Richtlinie vorgesehene Schutz für Whistleblower darf in seinem Gehalt nicht unterschritten werden. Unzulässig wäre daher ein Umsetzungsakt, durch den die Rechtsposition des Hinweisgebers und damit sein Schutz beschränkt würden. Aus 422
Vgl. aber auch EuGH, Urteil vom 30. 5. 2006 – T-198/03 (Bank Austria Creditanstalt AG), Celex-Nr. 62003TJ0198, Rn. 78. 423 EuGH, Urteil vom 29. 7. 2010 – C-189/09 (Kommission/Österreich), CelexNr. 62009CJ0189, Rn. 15. 424 Riesenhuber/Babusiaux, § 24 Rn. 9.
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diesem Grund verbietet sich, insbesondere das Recht des Whistleblowers zur Offenlegung auch in den Fällen des Art. 15 Abs. 1 lit. a) Alt. 2, lit. b) ii) EU-RL 2019/ 1937 von einer zusätzlichen internen Meldung oder in den Fällen des Art. 15 Abs. 1 lit. b) i) EU-RL 2019/1937 von einer zusätzlichen Prüfung des möglichen Erfolgs einer alternativen internen und/oder externen Meldung abhängig zu machen. Umgekehrt kann ausweislich des Art. 25 Abs. 1 EU-RL 2019/1937 von der Richtlinie dahingehend abgewichen werden, dass für Hinweisgeber günstigere Bestimmungen erlassen werden. Aus diesem Grund könnte der nationale Gesetzgeber erwägen, die in Art. 15 Abs. 1 EU-RL 2019/1937 genannten Tatbestände auszudehnen, zusätzliche Tatbestände aufzunehmen oder dem Hinweisgeber auch ein uneingeschränktes Recht zur Offenlegung einzuräumen. (2) Verfassungsrechtliche Vorgaben Auch wenn nach den Vorgaben der Richtlinie das Recht des Hinweisgebers zur Offenlegung dem Grunde nach ausgeweitet werden kann, bedeutet dies nicht, dass ein solches Vorhaben auf nationaler Ebene zulässig ist. Vielmehr muss der nationale Gesetzgeber eine verfassungskonforme und völkerrechtskonforme Umsetzung schaffen. (a) Subsidiarität der Offenlegung Ein Hinweisgeber, der sich mit den unternehmensinternen Informationen an die Allgemeinheit richtet, kann sich lediglich auf seine freie Meinungsäußerung (Art. 5 Abs. 1 S. 1 Fall 1 GG, Art. 10 EMRK) oder seine allgemeine Handlungsfreiheit nach Art. 2 Abs. 1 GG berufen. Wendet er sich an die Allgemeinheit, sei es mittelbar (bspw. durch die Presse) oder durch sein eigenes Handeln (bspw. Veröffentlichung im Internet) und gerade nicht an staatliche Stellen, erlangt seine Rechtsposition kein zusätzliches Gewicht aus Gründen der Bedeutung seines Handelns für den Rechtsstaat. Er nimmt in diesem Fall sein staatsbürgerliches Recht nicht wahr. Vielmehr missachtet er sogar mit der Bekanntmachung der Informationen gegenüber der Öffentlichkeit das staatliche Gewaltmonopol und das Rechtsstaatsprinzip im Allgemeinen, indem er gerade nicht den staatlichen Stellen die Aufdeckung, Verfolgung und Beseitigung eines Rechtsverstoßes anvertraut.425 Es setzt sich mit seinem Handeln über die staatlichen Berichts- und Verfahrenswege hinweg. Die grundrechtliche Gewichtung des hinweisgebenden Verhaltens kann sich im Einzelfall aber wegen dessen Bedeutung für die Allgemeinheit verstärken. Whistleblowing steht in einer engen Verbindung mit dem Informationsinteresse der Allgemeinheit. Sowohl die eigene unmittelbare als auch die mittelbare Verbreitung von Informationen durch die Presse kann im Einzelfall demokratische Bedeutung erlangen und damit der Grundrechtsbetätigung zusätzliches Gewicht verleihen.426 425 426
Rudkowski, CCZ 2013, 204, 207. Hierzu unter Teil 1 D. II. 4. a) bb).
B. Zulässigkeit von Hinweisen
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Wie bereits ausgeführt, wird im privatwirtschaftlichen Sektor jedoch nur in Ausnahmefällen ein öffentliches Interesse an der Information über unternehmensinterne Missstände bestehen427, welches die Interessen und Rechte der betroffenen Unternehmen zurücktreten lässt. Während der Grundrechtsbetätigung eines Hinweisgebers bei der Offenlegung von Verstößen im Vergleich zu der bei einer externen Meldung somit regelmäßig geringeres Gewicht zugesprochen werden muss, wiegt die Beeinträchtigung der Interessen der Gegenseite deutlich schwerer als bei den alternativen Handlungsformen – der internen und externen Meldung – eines Whistleblowers. Unternehmensinterne Informationen und solche über die verdächtigte Einzelperson (Art. 2 Abs. 1 i. V. m. Art. 1 Abs. 1 GG, Art. 8 EMRK) werden bei einer Offenlegung einem großen Kreis an Personen bekannt, für die diese nicht bestimmt waren. Gleichzeitig drohen erhebliche Reputationsschäden und Ansehensverluste, indem das Unternehmen und die Einzelperson ungewollt Gegenstand öffentlicher Diskussion werden. Im Vergleich dazu erlangt bei einer externen Meldung gegenüber einer staatlichen Stelle lediglich ein begrenzter Kreis an Personen über die unternehmensinternen Informationen Kenntnis. Zudem werden die zuständigen Mitarbeiter der Meldestelle, insbesondere bezogen auf die Vertraulichkeit der Information, strengen Vorgaben unterworfen (Art. 12 Abs. 1 lit. a), 16 EU-RL 2019/1937) und müssen die Vorwürfe an Hand eines gesetzlich normierten, den rechtsstaatlichen Grundsätzen entsprechenden Verfahrens überprüfen. Bei einer Offenlegung droht dagegen die Bekanntmachung der unternehmensinternen Informationen gegenüber einer unüberschaubaren Personenzahl. Die damit verbundene Beeinträchtigung der Reputation eines Unternehmens und auch des Ansehens der im Einzelnen bezichtigten Person erlangt ein erhebliches Gewicht, welches nicht mit den Nachteilen einer externen Meldung vergleichbar ist. Dieser Umstand wiegt umso schwerer, als dass die Informationen bei einer Offenlegung ohne Überprüfung durch eine unabhängige staatliche Stelle an die Öffentlichkeit gelangen. Der Hinweisgeber „beschreitet“ mit dem Gang an die Öffentlichkeit einen hinsichtlich der (nachteiligen) Folgen für die Gegenseite „nicht übersehbaren und beherrschbaren Weg“428. Insbesondere vor dem Hintergrund, dass ein Whistleblower nach Art. 6 Abs. 1 lit. a) EU-RL 2019/1937 künftig bereits auch bei gutgläubigen Falschmeldungen geschützt wird, besteht ein erhebliches Fehlerrisiko bezogen auf die erhobenen Vorwürfe. Eine vollständige Beseitigung der mit einer falschen Verdächtigung verbundenen Nachteile ist meist, selbst bei einer umfassenden Sachverhaltsaufklärung, nicht möglich: „Die Menschen glauben viel leichter eine Lüge, die sie schon hundertmal gehört haben, als eine Wahrheit, die ihnen völlig neu ist.“429 427
Hierzu unter Teil 1 D. II. 4. a) bb). Zum öffentlichen Dienst BVerfG, Beschluss vom 28. 4. 1970 – 1 BvR 690/65, NJW 1970, 1498, 1501. 429 Alfred Polgar (1873 – 1955), abrufbar unter https://www.die-stadtredaktion.de/2020/03/ diestadtredaktion/spruch-des-tages/die-menschen-glauben-viel-leichter-eine-luege-die-sie428
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Teil 2: Schutz von Hinweisgebern
Darüber hinaus ist zu berücksichtigen, dass Hinweisgebern de lege ferenda nicht nur interne Meldekanäle, sondern insbesondere auch spezielle staatliche Meldestellen mit der Gewährleistung der Vertraulichkeit zur Verfügung stehen. Ihnen obliegt speziell die Aufgabe der Entgegennahme von Meldungen durch Hinweisgeber und die anschließende Beseitigung eines gemeldeten Rechtsverstoßes. Sofern jedenfalls eine Meldung gegenüber einem externen Kanal möglich ist, besteht grundsätzlich keine Notwendigkeit, die Allgemeinheit zu informieren. Der Hinweisgeber kann das Ziel der Beseitigung und Aufklärung eines Rechtsverstoßes sowie das Sanktionieren regelmäßig auch auf diesem Weg erreichen.430 Aus diesen Gründen darf das Recht zur Offenlegung auf nationaler Ebene nur als „ultima ratio“ angesehen werden. Das Recht des Whistleblowers auf seine freie Meinungsäußerung bzw. seine allgemeine Handlungsfreiheit muss grundsätzlich hinter dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht der verdächtigten Einzelperson (Art. 2 Abs. 1 i. V. m. Art. 1 Abs. 1 GG, Art. 8 EMRK) und insbesondere den unternehmerischen Interessen (Art. 12 Abs. 1 GG) zurücktreten. Dies entspricht auch dem Völkerrecht. Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte hat ausdrücklich angeführt, dass ein Hinweisgeber nur als letztes Mittel mit den Informationen an die Öffentlichkeit gehen dürfe.431 (b) Folgerungen für die Umsetzung der EU-Richtlinie 2019/1937 Es verbietet sich daher eine über die Vorgaben der Richtlinie hinausgehende Umsetzung, bei der die Offenlegung ihren Charakter als „ultima ratio“ verlieren würde. Ein uneingeschränktes Recht des Whistleblowers, die Informationen öffentlich zugänglich zu machen, wäre nicht mit der Verfassung vereinbar. Aus denselben Gründen darf auf nationaler Ebene auch nicht der Tatbestand des Art. 15 Abs. 1 lit. a) EU-RL 2019/1937 und der des Art. 15 Abs. 1 lit. b) ii) EU-RL 2019/1937 dahingehend ausgedehnt werden, dass ein Hinweisgeber bereits nach oder bei einer zu vermutenden erfolglosen internen Meldung Informationen offenlegen kann. Sofern die Meldung gegenüber staatlichen Stellen noch möglich ist und Erfolg verspricht, besteht kein Grund, dass ein Whistleblower die Allgemeinheit über unternehmensinterne Missstände informiert. Es wird bereits durch die umzusetzenden Vorgaben des Art. 15 Abs. 1 lit. b) EU-RL 2019/1937 dem Fall Rechnung getragen, dass eine effektive und funktionsfähige oder auch rechtzeitige und ausreichende Abhilfe durch die externe Stelle nicht erwartet werden kann. Teilweise wird vorgeschlagen, den Tatbestand des Art. 15 Abs. 1 lit. b) ii) EU-RL 2019/1937 auf Fälle auszudehnen, in denen die externe Stelle zwar vorerst geeignete Folgemaßnahmen einleitet, diese aber nicht zum Abschluss bringt oder der Verstoß schon-hundertmal-gehoert-haben-als-eine-wahrheit-die-ihnen-voellig-neu-ist-alfred-polgar/, zuletzt abgerufen am 23. 8. 2020. 430 Klaas, CCZ 2019, 163, 166. 431 EGMR, Urteil vom 21. 7. 2011 @ 28274/08 (Heinisch), NZA 2011, 1269, 1271.
B. Zulässigkeit von Hinweisen
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unzureichend geahndet wird.432 Art. 15 Abs. 1 lit. b) ii) EU-RL 2019/1937 ist jedoch von seinem Regelungsgehalt nicht auf die beiden Fallkonstellationen ausgerichtet. Durch die Vorschrift wird einem Hinweisgeber das Recht zur direkten Offenlegung eingeräumt. Bei den vorliegenden Konstellationen hat ein Hinweisgeber jedoch bereits zuvor eine Meldung erstattet. Ebenso wenig erfasst Art. 15 Abs. 1 lit. a) EURL 2019/1937 diese Konstellationen, da danach das Recht zur Offenlegung an das Ausbleiben der „ersten“ Rückmeldung geknüpft wird. Es könnte daher erwogen werden, einen zusätzlichen Tatbestand für die dargestellten Fälle auf nationaler Ebene zu normieren. Ein solches Vorhaben wäre mit den verfassungsrechtlichen Vorgaben vereinbar. Es besteht kein Unterschied, ob eine externe Stelle von vornherein unberechtigterweise keine Maßnahmen gegen den Verstoß einleitet oder diese im späteren Verlauf ohne sachlichen Grund einstellt. In beiden Fällen wird die Durchsetzung des Rechts zu Lasten der Allgemeinheit gefährdet. Es kommt zudem erschwerend hinzu, dass ein Hinweisgeber gleichzeitig auch Informationen über die externe Stelle aufdecken würde. An der fehlerhaften Arbeitsweise und dem Umgang einer staatlichen Behörde mit einem gemeldeten Rechtsverstoß besteht regelmäßig ein öffentliches Interesse. In diesem Fall ist der Meinungsfreiheit des Hinweisgebers wegen des Informationsinteresses der Allgemeinheit und damit der Bedeutung seiner Grundrechtsausübung für die Demokratie zusätzliches Gewicht zuzusprechen.433 Bei den vorliegenden Konstellationen ist jedoch zu berücksichtigen, dass ein Hinweisgeber bereits eine externe Meldung erstattet hat und damit die Fehlerhaftigkeit des Behördenhandelns nicht mehr bloß in der Zukunft liegt. In diesem Fall besteht kein Grund, einem Whistleblower das Recht zur Offenlegung bereits bei seiner Gutgläubigkeit einzuräumen. Vielmehr ist, um den Interessen des betroffenen Unternehmens und der verdächtigten Einzelperson hinreichend Rechnung zu tragen, auf die objektive Sachlage abzustellen und zu fordern, dass die Fortführung des Verfahrens oder die Ahndung des Verstoßes durch die Behörde rechtswidriger Weise ausgeblieben ist. Darüber hinaus muss der nationale Gesetzgeber wegen der Interessen des Unternehmens einem Hinweisgeber in dieser Konstellation grundsätzlich einen zusätzlichen internen Abhilfeversuch abverlangen. Da der nationale Gesetzgeber mit der Ausweitung des Rechts zur Offenlegung über die Richtlinienvorgaben hinausgeht (Art. 25 Abs. 1 EU-RL 2019/1937), ist eine solche Umsetzung auch unionsrechtlich zulässig. (3) Widerspruch zu den Vorgaben des § 5 Nr. 2 GeschGehG Das in der Richtlinie vorgesehene Rangverhältnis der verschiedenen Adressaten des hinweisgebenden Verhaltens weicht von den Vorgaben des § 5 Nr. 2 GeschGehG ab. § 5 Nr. 2 GeschGehG steht als einfaches Recht dem Umsetzungsakt zu der EU432 433
Colneric/Gerdemann, 104 f. Klaas, CCZ 2019, 163, 169.
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Teil 2: Schutz von Hinweisgebern
Richtlinie 2019/1937 zwar nicht entgegen, jedoch entsteht bei einer Divergenz zwischen den gesetzlichen Vorgaben eine schwer zu überschauende Rechtslage. Nach § 5 Nr. 2 GeschGehG können Hinweisgeber Geschäftsgeheimnisse offenlegen, wenn dies zur Aufdeckung einer rechtswidrigen Handlung oder eines Fehlverhaltens erfolgt und die Offenlegung geeignet ist, das öffentliche Interesse zu schützen. Nach den (ausdrücklichen) Anforderungen des § 5 Nr. 2 GeschGehG ist nicht nur eine direkte externe Meldung, sondern sogar auch eine Offenlegung möglich. Auf etwaige vorherige Abhilfeversuche kommt es im Anwendungsbereich des § 5 Nr. 2 GeschGehG nicht an.434 Zwischen § 5 Nr. 2 GeschGehG und Art. 15 Abs. 1 EU-RL 2019/1937 besteht somit ein Widerspruch. Im Anwendungsbereich des Geschäftsgeheimnisgesetzes darf ein Hinweisgeber sich direkt an die Allgemeinheit wenden, während nach den umzusetzenden Vorgaben des Art. 15 Abs. 1 EU-RL 2019/1937 die Offenlegung lediglich das „ultima ratio“ ist. Wegen des unionsrechtlichen Ursprungs des § 5 Nr. 2 GeschGehG darf, wie bereits ausgeführt, jedoch keine Anpassung oder Streichung des § 5 Nr. 2 GeschGehG erfolgen.435 Der Widerspruch zwischen den beiden gesetzlichen Vorgaben muss, wenn auch zu Lasten der Rechtsklarheit, fortgeführt werden. (4) Umsetzungsempfehlung Der nationale Gesetzgeber muss Hinweisgebern künftig das Recht zur (subsidiären) Offenlegung einräumen, wenn sie zuvor intern und extern oder direkt extern Meldung erstattet haben und keine der zuständigen Stellen eine fristgerechte Rückmeldung über geeignete Folgemaßnahmen gegeben hat. Diese Vorgabe wurde in § 31 Nr. 1 HinSchG-Entwurf überzeugend umgesetzt, sodass an dieser festgehalten werden kann. Daneben ist in Ausnahmefällen eine direkte Offenlegung zuzulassen. Eine solche ist zum einen bei einer schwerwiegenden, konkreten Gefahr für bedeutende Rechtsgüter der Allgemeinheit und zum anderen, wenn der Hinweisgeber bei einer externen Meldung Repressalien befu¨ rchtet oder aufgrund der besonderen Umsta¨ nde des Falls geringe Aussichten bestehen, dass erfolgreich gegen den Verstoß vorgegangen wird, zuzulassen. Ausreichend für das Recht zur Offenlegung muss in den zuletzt genannten Fällen der gute Glaube des Hinweisgebers sein.
434 In der Literatur wird daher eine primärrechtskonforme Auslegung der Vorschrift gefordert, vgl. Köhler/Bornkamm/Feddersen/Alexander, § 5 GeschGehG Rn. 44 f.; BeckOK GeschGehG/Hiéramente, § 5 Rn. 46; Ohly, GRUR 2019, 441, 448 f.; Preis/Seiwerth, RdA 2019, 351, 357; Reinhardt-Kasperek/Kaindl, BB 2018, 1332, 1334 f.; Schmitt, RdA 2017, 365, 371; Trebeck/Schulte-Wissermann, NZA 2018, 1175, 1178 f.; a. A. wohl Eufinger, ZRP 2016, 229, 231; Kalbfus, GRUR 2016, 1009, 1015. 435 Hierzu unter Teil 2 B. II. 1. b) bb) (4) (c).
B. Zulässigkeit von Hinweisen
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Zwar sind die Bestimmungen des Art. 15 Abs. 1 lit. b) EU-RL 2019/1937 in § 31 Nr. 2 HinSchG-Entwurf gesetzlich verankert. Eine inhaltliche Konkretisierung der unionsrechtlichen Vorgaben wurde jedoch nicht vorgenommen. Der Gesetzgeber sollte daher künftig, unter Berücksichtigung der vorausgegangenen Erwägungen, die folgende Formulierung wählen: Der Hinweisgeber darf Informationen über Verstöße öffentlich zugänglich machen (Offenlegung), wenn eine schwerwiegende, konkrete Gefahr für bedeutende Rechtsgüter der Allgemeinheit durch den Verstoß besteht oder der Hinweisgeber dies im Zeitpunkt der Offenlegung gutgläubig annimmt oder bei einer externen Meldung Repressalien zu befu¨ rchten sind oder aufgrund der besonderen Umsta¨ nde des Falls geringe Aussichten bestehen, dass wirksam gegen den Verstoß vorgegangen wird oder der Hinweisgeber dies im Zeitpunkt der Offenlegung gutgläubig annimmt.
Darüber hinaus kann der Gesetzgeber erwägen, ob er weitere Fälle normiert, in denen der Whistleblower Informationen offenlegen darf. Die Offenlegung darf hierbei jedoch nicht den Charakter des „ultima ratio“ verlieren. Durch die ausschließliche Übertragung des Regelungsgehalts des Art. 15 Abs. 1 EU-RL 2019/1937 in § 31 HinSchG-Entwurf wird die Offenlegung zutreffend als „ultima ratio“ anerkannt. § 31 HinSchG-Entwurf sollte jedoch durch eine weitere Ausnahmeregelung ergänzt werden: Der Hinweisgeber darf Informationen über Verstöße öffentlich zugänglich machen (Offenlegung), wenn die in der fristgerechten Rückmeldung der externen Meldestelle angegebenen Folgemaßnahmen rechtswidriger Weise nicht durchgeführt oder eingestellt wurden und der Hinweisgeber anschließend zusätzlich intern Meldung erstattet hat und keine fristgerechte Rückmeldung über geeignete Folgemaßnahmen nach § 25 Absatz 2 und 3 erstattet wurde oder die interne Meldung nicht Erfolg versprechend ist.
4. Motivation der Hinweisgeber de lege ferenda Von dem guten Glauben sind die Beweggründe, die den Whistleblower zum Handeln veranlasst haben, zu trennen. Die Motivation eines Hinweisgebers kann verschiedener Natur sein. Ein abschließender Katalog denkbarer Handlungsmotive kann nicht benannt werden. Das Spektrum reicht von (gesellschaftlich) anerkannten und nachvollziehbaren Gründen (bspw. Gewissensnöte, Schutz von Rechtsgütern Dritter) über eigennützige, aber im Einzelfall anzuerkennende Motive (bspw. die persönliche Entlastung wegen der eigenen Beteiligung an den Verstößen, Erlangung eines Vorteils) bis hin zu einer verwerflichen, zu missbilligenden Motivation (bspw. Rache, Schädigungsabsicht).
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Teil 2: Schutz von Hinweisgebern
a) Vorgaben der EU-Richtlinie 2019/1937 aa) Motivation als irrelevantes Kriterium Während nach bisheriger Rechtslage dieses Kriterium maßgebend Einfluss auf die Zulässigkeit des Whistleblowings genommen hat, wird sich dies künftig ändern. Der europäische Gesetzgeber hat im Rahmen der EU-Richtlinie 2019/1937 einen von der Motivation des Hinweisgebers unabhängigen Schutzanspruch normiert.436 Die handlungsleitenden Beweggründe des Whistleblowers sind für den durch die Richtlinie vermittelten Schutz ohne Relevanz.437 Es wurde vollständig auf eine Gesinnungsprüfung verzichtet, allein der gute Glaube an die Wahrheit der weitergegebenen Informationen ist bedeutsam.438 Der Verzicht auf die Berücksichtigung der Handlungsmotive eines Hinweisgebers ergibt sich aus dem Ziel der Richtlinie. Durch die Schaffung eines einheitlichen Whistleblower-Schutzes soll die Durchsetzung des Unionsrechts und der Unionspolitik im Interesse der Allgemeinheit verbessert werden.439 Das öffentliche Interesse an der Aufdeckung und Beseitigung von Rechtsverstößen, die in den Anwendungsbereich der Richtlinie fallen, besteht unabhängig von den Handlungsmotiven des Hinweisgebers.440 bb) Vereinbarkeit mit höherrangigem Recht Wie bei dem Gleichrang interner und externer Meldungen weicht die EURichtlinie 2019/1937 auch an dieser Stelle von der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte ab. Bei der Beurteilung der Schutzwürdigkeit berücksichtigt der Gerichtshof auch die Beweggründe des Äußernden.441 Der Gerichtshof geht sogar davon aus, dass Informanten, die nicht handeln, um Missstände aufzudecken, sondern aus persönlicher Ablehnung gegenüber dem Betroffenen, keine Whistleblower seien.442 Whistleblower würden gerade einen besonderen Schutz nach Art. 10 EMRK genießen, weil sie handeln, um auf Missstände aufmerksam zu machen.443
436
Erwägungsgrund (32) zur RL 2019/1937, Amtsblatt der Europäischen Union, L 305/23. Schmolke, NZG 2020, 5, 6. 438 So auch Garden/Hiéramente, BB 2019, 963, 964; Vogel/Poth, CB 2019, 45, 47. 439 Vgl. Erwägungsgrund (1), (3), (5) zur RL 2019/1937, Amtsblatt der Europäischen Union, L 305/17. 440 So auch Meyer, HRRS 2018, 322, 326 f.; Schmitt, NZA-Beilage 2020, 50, 55; Schmolke, ZGR 2019, 876, 910. 441 EGMR, Urteil vom 21. 7. 2011 – 28274/08 (Heinisch), NZA 2011, 1269, 1271; EGMR, Urteil vom 12. 2. 2008 – 14277/04 (Guja), BeckRS 2011, 77277 Rn. 77. 442 EGMR, Urteil vom 17. 9. 2015 – 14464/11 (Langner), NZA 2017, 237, 239. 443 EGMR, Urteil vom 17. 9. 2015 – 14464/11 (Langner), NZA 2017, 237, 239. 437
B. Zulässigkeit von Hinweisen
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Wie bereits dargestellt, ist es dem europäischen Gesetzgeber jedoch nicht verwehrt, davon abweichende Vorgaben in der Whistleblowing-Richtlinie zu normieren.444 Dies ist jedenfalls so lange zulässig, wie die Erhöhung des Schutzniveaus der Meinungsfreiheit nach Art. 11 GRCh gegenüber Art. 10 EMRK durch die Richtlinie nicht zu einer unverhältnismäßigen Beeinträchtigung der gegenüberstehenden Grundrechtspositionen führt. Daran bestehen vorliegend, insbesondere wegen des gesetzgeberischen Gestaltungsspielraums, keine Bedenken. cc) Kritische Würdigung Der Ansatz des europäischen Gesetzgebers ist grundsätzlich überzeugend. Für die Durchsetzung des Rechts im öffentlichen Interesse hat es keine Bedeutung, ob ein Hinweisgeber aus verwerflichen Motiven handelt.445 Gleichzeitig entfällt mit dem Verzicht auf dieses subjektive Kriterium die bisher bestehende Unsicherheit. Eine Erforschung der Motivation ist oft nicht möglich oder zumindest mit erheblichen Schwierigkeiten verbunden.446 Dies gilt umso mehr, als dass es einem Whistleblower regelmäßig selbst daran gelegen ist, seine verwerflichen Motive zu verdecken.447 Gleichzeitig bietet die Richtlinie für einen Hinweisgeber die Sicherheit, dass ihm der Schutz nicht wegen etwaiger eigennütziger Motive abgesprochen werden kann. Diese Gefahr wäre andernfalls immanent, da Whistleblower in der Regel auch oder sogar insbesondere aus persönlichen Gründen handeln.448 Mit der EU-Richtlinie 2019/1937 wurde jedoch erneut ein Bruch zu der bisherigen Rechtslage geschaffen. Zwar sprechen durchaus Argumente dafür, dass die Motive eines Hinweisgebers bei der Beurteilung seines Schutzanspruchs unberücksichtigt bleiben. Dies ändert aber nichts an der weiterhin geltenden Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte zu Art. 10 EMRK, an dessen Vorgaben die Mitgliedstaaten gebunden sind. b) Umsetzung auf nationaler Ebene Der Schutzanspruch des Hinweisgebers darf de lege ferenda nicht von seinen Handlungsmotiven abhängig gemacht werden. Es würde sich hierbei um eine von den mindestharmonisierenden Vorgaben der Richtlinie abweichende Umsetzung auf nationaler Ebene handeln. Gemäß Art. 25 Abs. 1 EU-RL 2019/1937 dürfen nur für Hinweisgeber günstigere Bestimmungen erlassen werden. Die Berücksichtigung der Motivation eines Whistleblowers als Zulässigkeitskriterium seiner Meldung oder 444
Teil 2 B. II. 3. b) aa) (2). Ähnlich auch Schmitt, NZA-Beilage 2020, 50, 55 f. 446 Momsen/Grützner/Oonk, ZIS 2011, 754, 755; Müller-Petzer, CCZ 2018, 162, 163; Rotsch/Rotsch/Wagner, Criminal Compliance, § 34 C. Whistleblowing Rn. 35; Stein, BB 2004, 1961, 1962. 447 Brock, öAT 2011, 243, 245 f.; Müller-Petzer, CCZ 2018, 162, 163. 448 EuArbR/Schubert, EMRK, Art. 10 Rn. 31. 445
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Teil 2: Schutz von Hinweisgebern
Offenlegung würde den durch die Richtlinie vermittelten Schutz unzulässiger Weise unterschreiten. Dieser Vorgabe trägt der Gesetzesentwurf Rechnung. Für den Schutzanspruch eines Hinweisgebers sind dessen Beweggründe ohne Relevanz.449 5. Zwischenergebnis Sofern ein Whistleblower im Sinne des künftigen Hinweisgeberschutzgesetzes sämtliche Anforderungen, die an sein hinweisgebendes Verhalten gestellt werden, erfüllt, steht ihm de lege ferenda ein Anspruch auf Schutz zu. Der Gesetzgeber muss ihm in diesem Fall den, sogleich darzustellenden, rechtlichen Schutz, der in der Richtlinie vorgegeben ist, einräumen.
C. Rechtlicher Schutz der Hinweisgeber I. Rechtlicher Schutz der Hinweisgeber de lege lata Nach bisheriger Rechtslage kann der Schutz eines Whistleblowers ausschließlich durch die Anwendung bestehender, allgemeiner Vorschriften erreicht werden. Hierbei bedarf es einer Differenzierung zwischen den verschiedenen Personengruppen potentiellen Hinweisgeber. Der Schutz von Hinweisgebern richtet sich maßgeblich nach ihrem jeweiligen Status. Gegenüber hinweisgebenden Arbeitnehmern kommt als Konsequenz für ihr Verhalten insbesondere der Ausspruch einer (verhaltensbedingten450) Kündigung in Betracht.451 Grundsätzlich kann sowohl internes als auch externes Whistleblowing eine arbeitsvertragliche Pflichtverletzung begründen und damit Anlass zur Kündigung geben.452 Mangels spezieller Regelungen kann ein hinweisgebender Arbeitnehmer vor einer Kündigung wegen des Whistleblowings nur durch einen Rückgriff
449 Referentenentwurf HinSchG, Zu § 32 (Voraussetzungen für den Schutz hinweisgebender Personen) Absatz 1 Nummer 2, S. 71. 450 Gänßle, KJ 2007, 265, 267; Howald, ArbRAktuell 2013, 195, 197. 451 Hierzu bspw. LAG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 7. 11. 2013 – 10 Sa 1230/13 auf juris.de; MüKo/Henssler, Kommentar zum BGB, § 626 BGB Rn. 182 ff.; LKB/Krause, KSchG, § 1 Rn. 553 ff.; ErfK/Niemann, ArbR, § 626 BGB Rn. 64 ff.; SPV/Preis, 1. Abschnitt, § 22 Rn. 632 ff. 452 Zum externen Whistleblowing bspw. BVerfG, Beschluss vom 2. 7. 2001 – 1 BvR 2049/ 00, NZA 2001, 888, 888 ff.; BAG, Urteil vom 3. 7. 2003 – 2 AZR 235/02, NZA 2004, 427, 427 ff.; BeckOK ArbR/Rolfs, § 1 KSchG Rn. 295 ff.; zum internen Whistleblowing bspw. Küttner/Kania, Personalbuch 2020, Whistleblowing Rn. 9; Boecken/Düwell/Diller/Hanau/ Kerwer, Gesamtes Arbeitsrecht, § 1 KSchG Rn. 1068.
C. Rechtlicher Schutz der Hinweisgeber
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auf die allgemeinen Vorschriften, regelmäßig § 1 Abs. 2 KSchG453 und § 626 BGB, geschützt werden. Sofern die Kriterien der Zulässigkeit eines Hinweises erfüllt sind, liegt keine die Kündigung rechtfertigende Pflichtverletzung vor. Dasselbe gilt für den Fall, dass der Arbeitgeber den Arbeitnehmer wegen des Whistleblowings abmahnen will.454 Sonstige nachteilige Maßnahmen zu Lasten eines hinweisgebenden Arbeitnehmers, die auf das vorausgegangene Whistleblowing zurückgingen, können grundsätzlich durch die Anwendung des Maßregelungsverbots nach § 612a BGB ausgeschlossen werden. Schutzwürdiges Whistleblowing wird bisher als zulässige Rechtswahrnehmung angesehen, die damit die Wirkung des § 612a BGB begründen kann.455 Bei einem Verstoß gegen § 612a BGB wird sowohl ein Anspruch auf Schadensersatz als auch ein solcher auf Beseitigung bzw. Unterlassung anerkannt.456 Problematisch an der Anwendung des § 612a BGB ist, dass der Arbeitnehmer grundsätzlich457 darlegen und beweisen musste, dass er eine arbeitgeberseitige Benachteiligung, bedingt durch seine zulässige Rechtswahrnehmung, erfahren hat.458 Der Nachweis kann regelmäßig nur schwer erbracht werden459, sodass die Durchsetzung der Regelung in der Praxis mit erheblichen Schwierigkeiten verbunden ist.460 Da Whistleblowing auch erhebliche Schädigungen des betroffenen Unternehmens461 verursachen kann, sieht sich ein Hinweisgeber de lege lata zudem der Gefahr eines Schadensersatzanspruchs konfrontiert.462 Sowohl vertragliche als auch deliktische Ansprüche müssen jedoch bei Vorliegen der Schutzvoraussetzungen abgelehnt
453 Sofern das KSchG nicht anwendbar ist, ist auf § 612a BGB zurückzugreifen, vgl. Groneberg, 206; APS/Linck, 2. Teil § 612a BGB Rn. 16. 454 MAH ArbR/Dendorfer-Ditges, § 35 Rn. 160. 455 Klasen/Schaefer, BB 2012, 641, 644; Grobys/Panzer-Heemeier/Mengel, Whistleblowing Rn. 8; Rudkowski, CCZ 2013, 204, 208. 456 Boecken/Düwell/Diller/Hanau/Boecken, Gesamtes Arbeitsrecht, § 612a BGB Rn. 16; MüKo/Müller-Glöge, Kommentar zum BGB, § 612a BGB Rn. 21 ff. 457 Im Einzelfall kann in engen Grenzen jedoch dem Arbeitnehmer der „Beweis des ersten Anscheins“ zugutekommen, vgl. hierzu APS/Linck, 2. Teil § 612a BGB Rn. 29. 458 BAG, Urteil vom 18. 10. 2017 – 10 AZR 330/16, NZA 2017, 1452, 1456; Boecken/ Düwell/Diller/Hanau/Boecken, Gesamtes Arbeitsrecht, § 612a BGB Rn. 17; BeckOK ArbR/ Joussen, § 612a BGB Rn. 24; MüKo/Müller-Glöge, Kommentar zum BGB, § 612a BGB Rn. 24; ErfK/Preis, ArbR, § 612a BGB Rn. 22. 459 Benecke, NZA 2011, 481, 484; Gerdemann, RdA 2019, 16, 18; MüKo/Müller-Glöge, Kommentar zum BGB, § 612a BGB Rn. 24; Preis/Sagan, Der Arbeitsvertrag, Teil II, W 20, Rn. 18. 460 Benecke, NZA 2011, 481, 484; Gerdemann, RdA 2019, 16, 18; Preis/Sagan, Der Arbeitsvertrag, Teil II, W 20, Rn. 18; Thüsing/Thüsing/Forst, § 6, Rn. 56. 461 Daneben kann im Einzelfall auch die verdächtigte Person Ansprüche gegenüber dem Whistleblower geltend machen. 462 Hierzu auch VGR/Thüsing/Fütterer, Whistleblowing im Spannungsfeld von Gesellschaftsrecht, Arbeitsrecht und Datenschutz, V., 3. a).
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Teil 2: Schutz von Hinweisgebern
werden.463 Daneben kann das hinweisgebende Verhalten auch eine strafrechtliche Haftung begründen.464 Mangels Rechtsprechung ist dagegen weitgehend ungeklärt, wie sonstigen Hinweisgebern, die keine Arbeitnehmer sind, ein Schutz für ihr hinweisgebendes Verhalten gewährleistet werden kann.
II. Rechtlicher Schutz der Hinweisgeber de lege ferenda Demgegenüber sieht die Whistleblowing-Richtlinie einen allgemeingültigen, vom Arbeitsverhältnis losgelösten Schutz für Whistleblower vor. In dem sechsten Kapitel der Richtlinie hat der europäische Gesetzgeber umfassend Vorgaben zu verschiedenen Schutzmaßnahmen für Hinweisgeber aufgestellt. Die Maßnahmen setzen sich zusammen aus einem Verbot von Repressalien (Art. 19 EU-RL 2019/ 1937), unterstützenden Maßnahmen (Art. 20 EU-RL 2019/1937) und Maßnahmen zum Schutz vor Repressalien (Art. 21 EU-RL 2019/1937). Der Schwerpunkt der folgenden Darstellung liegt auf den Vorgaben des Art. 19 EU-RL 2019/1937 unter Berücksichtigung der Beweislastumkehr nach Art. 21 Abs. 5 EU-RL 2019/1937 und den weiteren Schutzmaßnahmen des Art. 21 EU-RL 2019/1937. 1. Regelungen zum Schutz von Hinweisgebern a) Repressalienverbot und Beweislastumkehr Grundlegende Bedeutung für das Schutzniveau der Whistleblower haben de lege ferenda das in Art. 19 EU-RL 2019/1937 normierte Verbot von Repressalien und die damit eng verbundene Beweislastumkehr nach Art. 21 Abs. 5 EU-RL 2019/1937. aa) Vorgaben der EU-Richtlinie 2019/1937 (1) Repressalienverbot nach Art. 19 EU-RL 2019/1937 Die Mitgliedstaaten müssen gemäß Art. 19 EU-RL 2019/1937 die erforderlichen Maßnahmen ergreifen, um jede Form von Repressalien gegen die in Artikel 4 EU-RL 463 Vgl. auch LAG Hamm, Urteil vom 21. 7. 2011 – 11 Sa 2248/10, ZWH 2012, 253, 254 f.; da der Anspruchssteller den Nachweis der Voraussetzungen eines Schadensersatzanspruchs erbringen musste, sei ein solcher Anspruch jedoch nur schwer durchsetzbar, vgl. Pacholski, öAT 2012, 19, 19. 464 Hierzu umfassend Gänßle, KJ 2007, 265, 267; Achenbach/Ransiek/Rönnau/Rotsch, 1. Teil 4. Kap. C. Rn. 65; Rotsch/Rotsch/Wagner, Criminal Compliance, § 34 C. Whistleblowing Rn. 52 ff.; Zimmermann, ArbRAktuell 2012, 58, 58 ff.; zum Geheimnisverrat durch den Whistleblower von Pelchrzim, CCZ 2009, 25, 25 ff.
C. Rechtlicher Schutz der Hinweisgeber
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2019/1937 genannten Personen, einschließlich der Androhungen und des Versuchs von Repressalien, zu untersagen. Für die Umsetzung der EU-Richtlinie 2019/1937 ist somit entscheidend, wann eine nach Art. 19 EU-RL 2019/1937 verbotene Repressalie vorliegt. (a) Begriff der Repressalie Repressalien sind gemäß Art. 5 Nr. 11 EU-RL 2019/1937 direkte oder indirekte Handlungen oder Unterlassungen in einem beruflichen Kontext, die durch eine interne oder externe Meldung oder eine Offenlegung ausgelo¨ st werden und durch die dem Hinweisgeber ein ungerechtfertigter Nachteil entsteht oder auch nur entstehen kann. Das Verbot von Repressalien ist somit weiter als das in § 612a BGB normierte Maßregelungsverbot. Für einen Verstoß gegen § 612a BGB muss die Vereinbarung oder Maßnahme (eine Handlung oder ein Unterlassen465) zu einem Nachteil führen.466 Ein solcher Nachteil liegt immer dann vor, wenn die Rechtsposition des Arbeitsnehmers durch eine Verkürzung seiner Rechte verschlechtert wird.467 Erforderlich ist, dass der Arbeitnehmer anlässlich seines zulässigen Verhaltens eine Einbuße erlitten hat; seine Situation muss sich wegen der vom Arbeitgeber eingeleiteten Maßnahme verschlechtert haben.468 Auch das Vorenthalten eines Vorteils kann eine unzulässige Benachteiligung im Sinne des § 612a BGB begründen.469 Erforderlich hierfür ist aber, dass dem Arbeitnehmer ein solcher Vorteil vorenthalten wird, der ihm – bei hypothetischer Betrachtung – ohne die Maßregelung zugutegekommen wäre.470 Der europäische Gesetzgeber geht davon aus, dass ein wirksamer Schutz der Hinweisgeber als Mittel der verbesserten Durchsetzung des Unionsrechts ein weites Verständnis des Begriffs der Repressalie erfordern würde.471 Der nicht abschließende472 Katalog des Art. 19 EU-RL 2019/1937 nennt eine Vielzahl möglicher Repressalien. Erfasst werden insbesondere arbeitsrechtliche Nachteile.473 Daneben sind auch weitere, vom Arbeitsverhältnis losgelöste Konsequenzen, die jeden potentiellen Hinweisgeber nachteilig treffen können, erfasst.474 465
MüKo/Müller-Glöge, Kommentar zum BGB, § 612a BGB Rn. 13. BAG, Urteil vom 21. 9. 2011 – 7 AZR 150/10, NZA 2012, 317, 320 f.; Boecken/Düwell/ Diller/Hanau/Boecken, Gesamtes Arbeitsrecht, § 612a BGB Rn. 9. 467 Boecken/Düwell/Diller/Hanau/Boecken, Gesamtes Arbeitsrecht, § 612a BGB Rn. 9. 468 BeckOK ArbR/Joussen, § 612a BGB Rn. 8. 469 BAG, Urteil vom 21. 9. 2011 – 7 AZR 150/10, NZA 2012, 317, 320 f. 470 BAG, Urteil vom 21. 9. 2011 – 7 AZR 150/10, NZA 2012, 317, 320 f.; Benecke, NZA 2011, 481, 483; Boecken/Düwell/Diller/Hanau/Boecken, Gesamtes Arbeitsrecht, § 612a BGB Rn. 9. 471 Erwägungsgrund (44) zur RL 2019/1937, Amtsblatt der Europäischen Union, L 305/25. 472 Vgl. den Wortlaut „insbesondere“. 473 Bspw. Suspendierung, Kündigung, Herabstufung, Versagung der Beförderung. 474 Bspw. Nötigung, Einschüchterung, Mobbing, Ausgrenzung, Diskriminierung, (Ruf-) Schädigungen, Erfassung eines Hinweisgebers auf einer „schwarzen Liste“. 466
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Teil 2: Schutz von Hinweisgebern
Für die Annahme einer verbotenen Repressalie müssen drei Kriterien vorliegen: Es bedarf einer „Maßnahme (Handlung oder Unterlassung) in einem beruflichen Kontext“, die „durch“ das hinweisgebende Verhalten ausgelo¨ st wird und durch die dem Hinweisgeber ein ungerechtfertigter475 „Nachteil“ entsteht oder jedenfalls entstehen kann. (aa) Maßnahme im beruflichen Kontext Zunächst bedarf es einer Handlung oder Unterlassung in einem beruflichen Kontext. Erfasst werden tatsächliche (bspw. Art. 19 lit. g), k) EU-RL 2019/1937) und auch rechtsgeschäftliche Maßnahmen (bspw. Art. 19 lit. a), j) EU-RL 2019/1937). Wie sich aus Art. 19 lit. m) Alt. 2 EU-RL 2019/1937 ergibt, können nicht nur einseitige Handlungen, sondern auch Vereinbarungen eine unzulässige Repressalie begründen. Durch das Kriterium des beruflichen Kontextes, legaldefiniert in Art. 5 Nr. 9 EURL 2019/1937, wird zudem vorausgesetzt, dass der Adressat der Repressalie im Rahmen seiner bisherigen oder zurückliegenden Arbeitstätigkeit Informationen über einen Verstoß erlangen kann und Adressat einer Repressalie werden könnte. Für letzteres genügt bereits eine „nicht ganz fernliegende Möglichkeit“.476 Problematisch ist jedoch, dass die Legaldefinition ausschließlich eine Informationserlangung im Rahmen einer andauernden und zurückliegenden Arbeitstätigkeit einbezieht, nicht aber eine solche im vorvertraglichen Bereich. Entsprechend wäre anzunehmen, dass Hinweisgeber im Sinne des Art. 4 Abs. 3 EU-RL 2019/1937 nach den Vorgaben der Richtlinie nicht vor Repressalien geschützt werden müssten, sofern sie ihre Arbeitstätigkeit nicht aufnehmen.477 Gegen dieses Verständnis spricht jedoch, dass der europäische Gesetzgeber den persönlichen Anwendungsbereich über Art. 4 Abs. 3 EU-RL 2019/1937 ausdrücklich auf den vorvertraglichen Bereich erstreckt hat. Begründet wurde diese Entscheidung damit, dass auch Hinweisgeber im Sinne des Art. 4 Abs. 3 EU-RL 2019/ 1937 Verstöße aufdecken und anschließend Repressalien erleiden könnten.478 Vor diesem Hintergrund wäre es widersprüchlich, wenn sie zwar von dem persönlichen Anwendungsbereich der Richtlinie erfasst würden, ihnen aber nicht der Schutz vor Repressalien uneingeschränkt zugesprochen werden sollte. Zudem ist anzuführen, dass der Gesetzgeber ausweislich Erwägungsgrund Nummer 39 die Fälle des Art. 4 Abs. 2 EU-RL 2019/1937 und die des Art. 4 Abs. 3 EU-RL 2019/1937 einheitlich 475 Der Begriff des „ungerechtfertigten“ Nachteils beschreibt lediglich den Umstand, dass ein schutzwürdiger Hinweisgeber wegen seiner Meldung oder Offenlegung einen Nachteil erfährt, vgl. EuArbR/Fest, EU-RL 2019/366, Art. 19 Rn. 18; damit ist dieses Kriterium im Ergebnis überflüssig, da seine Voraussetzungen bereits durch das Erfordernis der Kausalität („durch“) abgedeckt werden. 476 EuArbR/Fest, EU-RL 2019/366, Art. 19 Rn. 14. 477 So im Ergebnis EuArbR/Fest, EU-RL 2019/366, Art. 19 Rn. 13. 478 Erwägungsgrund (39) zur RL 2019/1937, Amtsblatt der Europäischen Union, L 305/24.
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behandeln wollte. Er hat die Ausdehnung des persönlichen Anwendungsbereiches nach Art. 4 Abs. 2, 3 EU-RL 2019/1937 auf eine Erwägung479 gestützt: Beide Personengruppen können Repressalien erleiden.480 Ein Grund dafür, dass dennoch allein Hinweisgebern, deren berufliche Beziehung zu dem Unternehmen beendet ist, Schutz vor Repressalien zugebilligt werden sollte, besteht nicht. Dies zeigt sich auch in Art. 19 EU-RL 2019/1937, der einheitlich auf Art. 4 EU-RL 2019/1937 abstellt und gerade nicht die Fälle des Art. 4 Abs. 3 EU-RL 2019/1937 ausnimmt. Es muss daher angenommen werden, dass es sich bei der lückenhaften Legaldefinition des Art. 5 Nr. 9 EU-RL 2019/1937 lediglich um ein redaktionelles Versehen handelt. Entsprechend ist Art. 19 i. V. m. Art. 5 Nr. 9 EU-RL 2019/1937 dahingehend auszulegen, dass sämtliche Personen des Art. 4 EU-RL 2019/1937 vor sämtlichen Repressalien im Sinne des Art. 19 EU-RL 2019/1937 geschützt werden müssen. Ausreichend ist somit auch eine mögliche Informationserlangung im Rahmen des Einstellungsverfahrens oder einer anderen vorvertraglichen Verhandlungsstufe.481 (bb) Nachteil Darüber hinaus setzt der Begriff der Repressalie voraus, dass dem Hinweisgeber durch die Maßnahme im beruflichen Kontext ein Nachteil entsteht oder zumindest entstehen kann. Einschränkungen hinsichtlich der Art des Nachteils sieht die Richtlinie nicht vor. Whistleblower sollen ausweislich Erwägungsgrund Nummer 44 vor jeder benachteiligenden Handlung oder Unterlassung im beruflichen Kontext geschützt werden.482 Mit Blick auf den Beispielkatalog möglicher Repressalien wird deutlich, dass ein Nachteil im Sinne der Richtlinie sowohl in dem Verkürzen einer rechtlichen Position als auch in der Beeinträchtigung eines geschützten (wirtschaftlichen oder ideellen) Interesses sowie in dem Vorenthalten eines Vorteils gesehen werden muss.483 Für die Beurteilung, ob eine Repressalie vorliegt, kommt es nicht auf einen Vergleich zu anderen Personen an.484
479 „Schutz sollte auch Personen mit beendetem Arbeitsverha¨ ltnis und Bewerbern fu¨ r eine Stelle oder Personen, die Dienstleistungen bei einer Organisation erbringen mo¨ chten, gewa¨ hrt werden, wenn sie wa¨ hrend des Einstellungsverfahrens oder einer anderen vorvertraglichen Verhandlungsstufe Informationen u¨ ber Versto¨ ße erhalten und Repressalien erleiden ko¨ nnten, etwa in Form negativer Arbeitszeugnisse oder indem sie auf ,schwarze Listen‘ gesetzt bzw. gescha¨ ftlich boykottiert werden.“ 480 Erwägungsgrund (39) zur RL 2019/1937, Amtsblatt der Europäischen Union, L 305/24. 481 Vgl. Erwägungsgrund (39) zur RL 2019/1937, Amtsblatt der Europäischen Union, L 305/24. 482 Erwägungsgrund (44) zur RL 2019/1937, Amtsblatt der Europäischen Union, L 305/25. 483 EuArbR/Fest, EU-RL 2019/366, Art. 19 Rn. 17; ähnlich auch Gerdemann, RdA 2019, 16, 25. 484 Colneric/Gerdemann, 112.
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Teil 2: Schutz von Hinweisgebern
(cc) Kausalität zwischen hinweisgebendem Verhalten und Nachteil Daneben erfordert der Begriff einer unzulässigen Repressalie eine kausale Verknüpfung zwischen dem benachteiligenden Verhalten und dem vorangegangenen Whistleblowing.485 Das benachteiligende Verhalten muss „durch“ eine interne oder externe Meldung oder eine Offenlegung ausgelöst werden, vgl. Art. 5 Nr. 11 EU-RL 2019/1937. Liegt diese Voraussetzung nicht vor, handelt es sich auch nicht um eine verbotene Repressalie. Damit ist jedoch nicht beantwortet, unter welchen Voraussetzungen von einer solchen Kausalität auszugehen ist. Fraglich ist, ob eine unzulässige Repressalie im Sinne der Richtlinie bereits vorliegt, wenn das hinweisgebende Verhalten für die nachteilige Maßnahme ein Begleitmotiv (mitursächlich) war oder nur, wenn dieses das handlungsleitende, wesentliche Motiv war. Vor dem Hintergrund des Ziels der Richtlinie – der Gewährleistung eines effektiven Schutzes von Whistleblowern – ließe sich argumentieren, dass eine unzulässige Repressalie bereits vorliegt, wenn das hinweisgebende Verhalten mitursächlich für die Benachteiligung war. Gegen dieses weite Verständnis spricht jedoch der Wortlaut der Legaldefinition der Repressalie (Art. 5 Nr. 11 EU-RL 2019/1937). Danach muss das benachteiligende Verhalten „durch“ den Hinweis des Whistleblowers „ausgelöst“ worden sein. Sieht sich ein Unternehmen primär aus anderen Gründen dazu veranlasst, eine solche, wenn auch benachteiligende Maßnahme einzuleiten, kann nicht davon gesprochen werden, dass sie „durch“ das Whistleblowing „ausgelöst“ wurde. Unterstützt wird dieses Ergebnis zusätzlich durch die englische Sprachfassung der Richtlinie. Danach sind nicht Repressalien, sondern „Vergeltungsmaßnahmen“ verboten.486 Nur wenn der tragende Grund der Benachteiligung in dem Whistleblowing liegt, kann von einer Vergeltung ausgegangen werden. War das hinweisgebende Verhalten nur ein untergeordnetes Begleitmotiv neben sachlich zulässigen Motiven, handelt es sich nicht um eine Vergeltung. Für dieses Ergebnis sprechen auch die Erwägungsgründe. Der europäische Gesetzgeber hat in Erwägungsgrund Nummer 44 ausgeführt, dass „ein enger Zusammenhang zwischen der Meldung und der unmittelbar oder mittelbar von dem Hinweisgeber erlittenen Benachteiligung bestehen [muss], damit die Benachteiligung als Repressalie angesehen werden kann“.487 Beruht das für den Hinweisgeber nachteilige Verhalten primär auf anderen sachlichen Gründe, besteht kein solch enger Zusammenhang zwischen Whistleblowing und Benachteiligung. Darüber hinaus würde bei einem weiten Verständnis des Kausalitätskriteriums (Mitursächlichkeit) das gegenüberstehende Unternehmen in seinen Handlungsmöglichkeiten erheblich eingeschränkt. Nahezu jede für einen Hinweisgeber 485
Ähnlich auch Forst, EuZA 2020 283, 299. Vgl. die Übersetzung von „retaliation“, abrufbar unter https://www.dict.cc/englischdeutsch/retaliation.html, zuletzt abgerufen am 8. 12. 2020. 487 Erwägungsgrund (44) zur RL 2019/1937, Amtsblatt der Europäischen Union, L 305/25. 486
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nachteilige Entscheidung könnte einen Verstoß gegen das Repressalienverbot begründen, selbst wenn die Entscheidung vorrangig auf rechtmäßige, vom Whistleblowing losgelöste Gründe gestützt wurde. Dieses Problem hat auch der europäische Gesetzgeber gesehen und ebenfalls angenommen, dass Arbeitgeber künftig nicht daran gehindert sein sollen, beschäftigungsbezogene Entscheidungen zu treffen, die nicht auf die Meldung oder Offenlegung zurückzuführen sind.488 Diesem Gedanken würde es widersprechen, wenn eine Repressalie bereits angenommen wird, wenn das Whistleblowing bloß ein untergeordnetes Begleitmotiv für die eingeleitete, nachteilige Maßnahme war. Nach den Vorgaben der Richtlinie genügt für die Annahme einer Repressalie daher nicht bereits die bloße Mitursächlichkeit. Sofern das Unternehmen seine Entscheidung primär auf ein rechtmäßiges Motiv stützt, ist es ohne Bedeutung, ob daneben die Meldung oder Offenlegung auf die Entscheidungsfindung ebenfalls (nachrangig) Einfluss genommen hat.489 (b) Veranlasser der Repressalie Von Bedeutung ist auch, wer die benachteiligende Maßnahme veranlasst haben muss, um einen Verstoß gegen Art. 19 EU-RL 2019/1937 annehmen zu können. Weder die Vorschrift selbst noch die Legaldefinition der Repressalie sehen eine Einschränkung bezüglich des Veranlassers der benachteiligenden Maßnahme vor. In Erwägungsgrund Nummer 87 ist jedoch ausgeführt, dass ein Hinweisgeber vor jeder Form von Repressalien geschützt werden soll, die von seinem Arbeitgeber, von einem Kunden, von dem Empfänger einer von ihm erbrachten Dienstleistung, von Personen, die für diese Personen arbeiten oder in ihrem Namen handeln490, mit denen der Hinweisgeber im Rahmen seiner beruflichen Tätigkeit im Kontakt steht, ergriffen, gefördert oder geduldet werden.491 Der Kreis möglicher Verantwortlicher für die Repressalien ist somit weit gefasst und ist allein durch das Erfordernis eines beruflichen Kontexts beschränkt. Das Verbot richtet sich somit an alle Personen, die jedenfalls in einem beruflichen Kontakt zu dem Hinweisgeber stehen und Repressalien einleiten könnten.492 Ob es sich hierbei um die „primäre“ berufliche Kontaktperson (Arbeitgeber, Kunde oder Empfänger der Dienstleistung) des Whistleblowers oder einen seiner Mitarbeiter oder Vertreter handelt, ist nach den Vorgaben der Richtlinie ohne Belang. Neben der Einleitung sind auch die Förderung und Duldung derartiger benachteiligender Maßnahmen unzulässig.
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Erwägungsgrund (44) zur RL 2019/1937, Amtsblatt der Europäischen Union, L 305/25. A. A. EuArbR/Fest, EU-RL 2019/366, Art. 19 Rn. 15; wohl auch Forst, EuZA 2020, 283, 299. 490 Bspw. Kollegen und Führungskräfte derselben Organisation oder anderer Organisationen. 491 Erwägungsgrund (87) zur RL 2019/1937, Amtsblatt der Europäischen Union, L 305/30. 492 So auch EuArbR/Fest, EU-RL 2019/366, Art. 19 Rn. 25. 489
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Teil 2: Schutz von Hinweisgebern
Diese weite Fassung ist sachgerecht, da ein Hinweisgeber von verschiedenen Seiten Nachteile auferlegt bekommen kann493 und andernfalls auch das Risiko bestünde, dass das Repressalienverbot ohne Schwierigkeiten umgangen werden könnte. Auch in dieser Hinsicht gehen die unionsrechtlichen Vorgaben über das nationale Maßregelungsverbot (§ 612a BGB) hinaus. Dieses richtet sich lediglich an Arbeitgeber und solche Personen, die in die Arbeitgeberstellung eingebunden sind und zumindest teilweise Arbeitgeberfunktionen gegenüber dem betroffenen Arbeitnehmer ausüben.494 (2) Beweislastumkehr nach Art. 21 Abs. 5 EU-RL 2019/1937 Neben dem Repressalienverbot ist in Art. 21 Abs. 5 EU-RL 2019/1937 eine Beweislastregelung vorgesehen. Dort ist geregelt, dass in einem Verfahren vor Gericht oder einer anderen Beho¨ rde, welches sich auf eine vom Hinweisgeber erlittene Benachteiligung bezieht und in dem der Hinweisgeber geltend macht, diese Benachteiligung infolge seiner Meldung oder der Offenlegung erlitten zu haben, vermutet wird, dass die Benachteiligung eine Repressalie fu¨ r die Meldung oder Offenlegung war (S. 1). In diesen Fa¨ llen obliegt es der Person, die die benachteiligende Maßnahme ergriffen hat, zu beweisen, dass diese Maßnahme auf hinreichend gerechtfertigten Gru¨ nden basierte (S. 2). Der europäische Gesetzgeber hat eine Beweislastumkehr bezüglich der Kausalität zwischen Whistleblowing-Handlung und Nachteil normiert.495 Entsprechend steht Art. 21 Abs. 5 EU-RL 2019/1937 in besonders enger Verbindung mit dem Repressalienverbot des Art. 19 EU-RL 2019/1937. Durch Art. 21 Abs. 5 EU-RL 2019/1937 soll den bestehenden Beweisschwierigkeiten des Hinweisgebers Rechnung getragen werden. Nur in den seltensten Fällen würde bei der Einleitung nachteiliger Maßnahmen darauf hingewiesen, dass diese auf die Meldung oder Offenlegung zurückzuführen sind.496 Gleichzeitig könnte die verantwortliche Organisation unter leichteren Bedingungen den Gegenbeweis erbringen.497 Der Anwendungsbereich der Beweislastregelung ist jedoch beschränkt. Sie findet ausschließlich in Verfahren Anwendung, deren Gegenstand eine Repressalie (im 493 Bspw. kann auch ein Arbeitnehmer des Kunden Missstände melden. Ihm drohen dann auch Repressalien seitens seines Arbeitgebers. 494 BeckOK ArbR/Joussen, § 612a BGB Rn. 2; APS/Linck, 2. Teil, § 612a BGB Rn. 4. 495 Vgl. auch Erwägungsgrund (93) zur RL 2019/1937, Amtsblatt der Europäischen Union, L 305/31 f.; Gerdemann, NZA-Beilage 2020, 43, 49. 496 Vgl. Erwägungsgrund (93) zur RL 2019/1937, Amtsblatt der Europäischen Union, L 305/31 f. 497 Vgl. Erwägungsgrund (93) zur RL 2019/1937, Amtsblatt der Europäischen Union, L 305/31 f.
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beruflichen Kontext) gegen den Hinweisgeber ist und sich gegen den Veranlasser der Repressalie richtet.498 (a) Voraussetzungen des Art. 21 Abs. 5 S. 1 EU-RL 2019/1937 Von Bedeutung ist zunächst, welche Voraussetzungen an das prozessuale Verhalten eines Hinweisgebers gestellt werden, damit dieser die Anwendung der Beweislastumkehr begründen kann. Dies richtet sich maßgebend nach Art. 21 Abs. 5 S. 1 EU-RL 2019/1937. Gemäß Art. 21 Abs. 5 S. 1 EU-RL 2019/1937 muss der Hinweisgeber geltend machen, dass er eine Benachteiligung infolge seiner Meldung oder Offenlegung erlitten hat. Der Begriff der Benachteiligung entspricht dem des Nachteils im Sinne der Legaldefinition der Repressalie (Art. 5 Nr. 11 EU-RL 2019/ 1937). Die Anwendung der Beweislastumkehr nach Art. 21 Abs. 5 S. 1 EU-RL 2019/ 1937 setzt somit voraus, dass der Hinweisgeber drei Kriterien geltend macht: Einen erlittenen Nachteil („Benachteiligung“), sein vorausgegangenes hinweisgebendes Verhalten („Meldung oder Offenlegung“) und die Kausalität („infolge“). Fraglich ist, welche Anforderungen an den prozessualen Vortrag des Whistleblowers, mithin an seine „Geltendmachung“, gestellt werden. Hierbei ist zwischen den drei genannten Kriterien zu differenzieren. (aa) Beweis des hinweisgebenden Verhaltens und des erlittenen Nachteils Nach dem Wortlaut der Vorschrift muss der Hinweisgeber „geltend machen“, dass er eine Benachteiligung infolge des Whistleblowings erlitten hat. Eine inhaltliche Konkretisierung des Begriffs der „Geltendmachung“ ergibt sich aus Art. 21 Abs. 5 EU-RL 2019/1937 nicht. Die englische Sprachfassung der Richtlinie499 sieht dagegen eindeutig vor, dass der Hinweisgeber einen „Nachweis“ über die Meldung bzw. Offenlegung und den erlittenen Nachteil „erbringen“500 muss. Dies spricht dafür, dass der Hinweisgeber nach Art. 21 Abs. 5 S. 1 EU-RL 2019/1937 dazu verpflichtet ist, die genannten Umstände umfassend darzulegen und zu beweisen. Diese Annahme wird auch durch Erwägungsgrund Nummer 93 bestätigt. Danach muss der Whistleblower darlegen, dass er Verstöße im Einklang mit der Richtlinie aufgedeckt und eine Benachteiligung erfahren hat.501 Der europäische Gesetzgeber hat sich damit klar von dem vorherigen Kommissions-Entwurf distanziert. In den zugehörigen Erwägungsgründen war noch vorgesehen, dass ein Hinweisgeber bloß glaubhaft machen müsse, dass er die Informationen im Einklang mit der Richtlinie 498
EuArbR/Fest, EU-RL 2019/366, Art. 21 Rn. 51 f. „In proceedings before a court or other authority relating to a detriment suffered by the reporting person, and subject to that person establishing that he or she reported or made a public disclosure and suffered a detriment […].“ 500 Vgl. die Übersetzung von „establishing“, abrufbar unter https://dict.leo.org/englischdeutsch/establishing, zuletzt abgerufen am 25. 10. 2020. 501 Erwägungsgrund (93) zur RL 2019/1937, Amtsblatt der Europäischen Union, L 305/ 31 f. 499
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gemeldet oder offengelegt und dafür eine Benachteiligung erfahren habe.502 Eine bloße Glaubhaftmachung503 genügt somit nicht.504 Es ist daher anzunehmen, dass der Hinweisgeber nach den Vorgaben der Richtlinie beweisen muss, dass er Verstöße gemeldet oder offengelegt und einen Nachteil erlitten hat.505 Er hat hierbei, wie sich aus Erwägungsgrund Nummer 93 ergibt, auch nachzuweisen, dass seine Meldung bzw. Offenlegung den Voraussetzungen nach Art. 6 Abs. 1 EU-RL 2019/1937 entsprach. In dem Erwägungsgrund ist ausdrücklich ausgeführt, dass der Whistleblower darlegen muss, dass er Versto¨ ße „im Einklang mit der Richtlinie“ gemeldet oder offengelegt hat.506 Dies ist überzeugend, weil der Gegenseite der erforderliche Nachweis über diese objektiven und subjektiven Kriterien nur schwer gelingen könnte. (bb) Behauptung der Kausalität Eine andere Beurteilung ist für die Kausalität zwischen hinweisgebendem Verhalten und Nachteil erforderlich. Teilweise wird in der Literatur angenommen, dass der Whistleblower die Kausalität glaubhaft (im unionsrechtlichen Sinne) machen müsste.507 Für die Glaubhaftmachung sei erforderlich, dass die Kausalität unter Berücksichtigung aller Umstände des konkreten Falls überwiegend wahrscheinlich und nicht nur möglich erscheint.508 Für die Tatsachen, die diese Annahme stützen, trage der Hinweisgeber die Darlegungs- und Beweislast.509 Gegen dieses Verständnis spricht jedoch der Wortlaut der Richtlinie. Nach dem deutschen Richtlinientext muss ein Hinweisgeber die Kausalität bloß „geltend machen“. Die englische und die französische Fassung des Art. 21 Abs. 5 S. 1 EU-RL 2019/1937 sind noch weiter, indem in ihren Formulierungen auf dieses Kriterium bezüglich der Kausalität gänzlich verzichtet wurde. Es wird allein gefordert, dass der Whistleblower einen Nachweis über seinen Hinweis und den Nachteil erbringt, nicht aber über die kausale Verbindung. Dies spricht dafür, dass an den Vortrag des Hinweisgebers geringere Anforderungen 502
Erwägungsgrund (70) zu COD 2018/0106, S. 16. Weder im Sinne des nationalen Verständnisses (§ 294 ZPO), noch im europarechtlichen Sinne (vgl. EuGH, Urteil vom 19. 4. 2012 @ C-415/10 (Meister), EuZW 2012, 462, 464). 504 So auch Preis/Sagan, Der Arbeitsvertrag, Teil II, W 20, Rn. 18; Schmitt, NZA-Beilage 2020, 50, 57; a. A. EuArbR/Fest, EU-RL 2019/366, Art. 21 Rn. 53: Danach müsse ein Hinweisgeber zwar das hinweisende Verhalten, seine Benachteiligung und die Kausalität glaubhaft machen, jedoch sei dies nicht mit dem nationalen Begriff der Glaubhaftmachung gleichzusetzen; vielmehr müssen dafür sprechende Vermutungstatsachen dargelegt und bewiesen werden. 505 So auch Schmitt, NZA-Beilage 2020, 50, 57; wohl auch Colneric/Gerdemann, 120. 506 Erwägungsgrund (93) zur RL 2019/1937, Amtsblatt der Europäischen Union, L 305/ 31 f. 507 EuArbR/Fest, EU-RL 2019/366, Art. 21 Rn. 53; Johnson, CCZ 2019, 66, 67. 508 EuArbR/Fest, EU-RL 2019/366, Art. 21 Rn. 53. 509 EuArbR/Fest, EU-RL 2019/366, Art. 21 Rn. 53. 503
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gestellt werden müssen als an den Vortrag hinsichtlich seiner Meldung bzw. Offenlegung und dem erlittenen Nachteil. Selbst das Erfordernis einer Glaubhaftmachung im unionsrechtlichen Sinne lässt sich in dem englischen und französischen Wortlaut der Vorschrift nicht verankern. Dies lässt den Schluss zu, dass jede Behauptung des Whistleblowers für seinen prozessualen Vortrag genügt. Dafür spricht auch Erwägungsgrund Nummer 93. Dort wird ebenfalls nur darauf abgestellt, dass der Whistleblower sein hinweisgebendes Verhalten und seine Benachteiligung darlegen muss.510 Bereits dann würde die Beweislast übergehen.511 Eine Glaubhaftmachung oder ein sonstiger Nachweis bezüglich der Kausalität wird nicht verlangt. Gegen das Erfordernis einer Glaubhaftmachung kann auch der vorherige Kommissions-Entwurf angeführt werden. Die Beweislastumkehr wurde danach ausdrücklich von einer Glaubhaftmachung der Kausalität abhängig gemacht.512 Der europäische Gesetzgeber hat in Art. 21 Abs. 5 S. 1 EU-RL 2019/1937 darauf dagegen verzichtet. Es ist daher anzunehmen, dass nach den Vorgaben der Richtlinie für die Anwendung der Beweislastumkehr die Behauptung der Kausalität zwischen Nachteil und Hinweis durch den Whistleblower genügen muss.513 (cc) Zwischenergebnis Für die Anwendung der Beweislastumkehr muss ein Whistleblower somit seine zulässige Meldung bzw. Offenlegung und seinen erlittenen Nachteil darlegen und beweisen. Die Kausalität zwischen beiden Kriterien muss er dagegen nur behaupten. Liegen diese Voraussetzungen vor, tritt in einem Verfahren vor Gericht oder einer Behörde, das sich auf die von ihm erlittene Benachteiligung bezieht, die Beweislastumkehr nach Art. 21 Abs. 5 EU-RL 2019/1937 ein. Es wird dann vermutet, dass es sich bei dem Nachteil um eine Repressalie für das hinweisgebende Verhalten gehandelt hat. (b) Gegenbeweis nach Art. 21 Abs. 5 S. 2 EU-RL 2019/1937 Liegen die Voraussetzungen nach Art. 21 Abs. 5 S. 1 EU-RL 2019/1937 vor, obliegt es der Person, die die nachteilige Maßnahme ergriffen hat, nachzuweisen, dass es sich hierbei nicht um eine Repressalie handelt. Hierfür hat sie gemäß Art. 21 Abs. 5 S. 2 EU-RL 2019/1938 zu beweisen, dass die eingeleitete nachteilige Maßnahme auf hinreichend gerechtfertigten Gru¨ nden basierte. Für die Umsetzung der 510
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Erwägungsgrund (93) zur RL 2019/1937, Amtsblatt der Europäischen Union, L 305/ Erwägungsgrund (93) zur RL 2019/1937, Amtsblatt der Europäischen Union, L 305/ Art. 15 Abs. 5 COD 2018/0106; vgl. auch Erwägungsgrund (70) zu COD 2018/0106, So auch Preis/Sagan, Der Arbeitsvertrag, Teil II, W 20, Rn. 18.
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Teil 2: Schutz von Hinweisgebern
EU-Richtlinie 2019/1937 in nationales Recht ist somit entscheidend, welche konkreten Anforderungen an die Beweislast des Veranlassers der (vermeintlichen) Repressalie nach Art. 21 Abs. 5 S. 2 EU-RL 2019/1937 gestellt werden. Die zu Art. 19 EU-RL 2019/1937 (Repressalienverbot) dargestellte Problematik hinsichtlich der Kausalität des hinweisgebenden Verhaltens für die Benachteiligung setzt sich an dieser Stelle fort. Auch im Rahmen des Art. 21 Abs. 5 S. 2 EU-RL 2019/ 1937 kommen grundsätzlich zwei Optionen in Betracht: Es könnte zum einen angenommen werden, dass Art. 21 Abs. 5 S. 2 EU-RL 2019/1937 dem Veranlasser der nachteiligen Maßnahme abverlangt, nachzuweisen, dass seine Maßnahme ausschließlich auf andere Gründe gestützt wurde und das Whistleblowing in keiner Weise von Bedeutung war („strenges Verständnis“).514 Zum anderen könnte es ausreichend sein, wenn er lediglich den Beweis darüber erbringt, dass andere zulässige Gründe im Sinne des Art. 21 Abs. 5 S. 2 EU-RL 2019/1937 für die Maßnahme vorgelegen haben. Für das „strenge Verständnis“ kann allein Erwägungsgrund Nummer 93 angeführt werden. In Erwägungsgrund Nummer 93 wird ausgeführt, dass der Verantwortliche nachweisen müsse, dass das Vorgehen „in keiner Weise“ mit der erfolgten Meldung oder Offenlegung in Verbindung stand.515 Andererseits sieht Art. 21 Abs. 5 S. 2 EU-RL 2019/1937 lediglich vor, dass die Person, die die benachteiligende Maßnahme ergriffen hat, beweisen muss, dass diese Maßnahme auf „hinreichend gerechtfertigten Gründen“ basierte. Das strenge Erfordernis des Erwägungsgrundes Nummer 93 wurde gerade nicht in den maßgeblichen Richtlinientext aufgenommen. Daraus kann gefolgert werden, dass es ausreicht, wenn der Veranlasser beweist, dass seine Maßnahme auf andere Gründe gestützt wurde. Ob das hinweisgebende Verhalten ein Begleitmotiv war, ist ohne Relevanz. Für diese Annahme spricht auch der Vergleich zum vorherigen RichtlinienEntwurf der Kommission.516 Danach war erforderlich, dass der Veranlasser nachweisen musste, dass die Benachteiligung „keineswegs“ aufgrund der Meldung erfolgt war, sondern „ausschließlich“ auf hinreichenden sonstigen Gru¨ nden basierte. Auch wenn der zugehörige Erwägungsgrund unverändert geblieben ist517, hat der europäische Gesetzgeber sich mit der endgültigen Fassung der Richtlinie eindeutig von dem strengen Kriterium des Kommissions-Entwurfs distanziert. Diese grundlegende Änderung des Richtlinientextes darf nicht allein durch einen Rückgriff auf die Erwägungsgründe übergangen werden.518 514
So Dilling, CCZ 2019, 214, 219; EuArbR/Fest, EU-RL 2019/366, Art. 21 Rn. 56; Johnson, CCZ 2019, 66, 67. 515 Erwägungsgrund (93) zur RL 2019/1937, Amtsblatt der Europäischen Union, L 305/ 31 f. 516 Vgl. Art. 15 Abs. 5 COD 2018/0106. 517 Vgl. den zugehörigen Erwägungsgrund (70) zu COD 2018/0106, S. 16. 518 A. A. Colneric/Gerdemann, 111 f.
C. Rechtlicher Schutz der Hinweisgeber
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Es muss zudem auch die Auslegung des Repressalienverbots, mit dem Art. 21 Abs. 5 EU-RL 2019/1937 eng verbunden ist, berücksichtigt werden. Wenn man für eine Repressalie nicht bereits bloße Mitursächlichkeit ausreichen lässt519, wäre es widersprüchlich, im Rahmen der Beweislast dem Verantwortlichen den dargestellten „strengen“ Nachweis abzuverlangen. Zuletzt kann dagegen auch angeführt werden, dass der europäische Gesetzgeber die verantwortliche Person durch die Vorgaben der Richtlinie nicht daran hindern wollte, weiterhin beschäftigungsbezogene Entscheidungen treffen zu können.520 Verlangt man dem Veranlasser einer Repressalie ab, dass er nachweist, dass das Whistleblowing in keiner Weise mit der nachteiligen Maßnahme im Zusammenhang steht, wird er diesen Nachweis nahezu nie erbringen können. Im Ergebnis würde er faktisch doch daran gehindert, beschäftigungsbezogene Entscheidungen zu treffen. Aus dargestellten Gründen ist Art. 21 Abs. 5 S. 2 EU-RL 2019/1937 somit dahingehend auszulegen, dass der Verantwortliche nach den Vorgaben des Unionsrechts der Obliegenheit seines Gegenbeweises bereits genügt, wenn er nachweist, dass er seine Maßnahme auf andere „hinreichend gerechtfertigte Gründe“ gestützt hat. Er muss gerade keinen Beweis darüber erbringen, dass die Maßnahme in keiner Kausalverbindung zu dem hinweisgebenden Verhalten steht.521 Fraglich ist, ob er jedoch zumindest nachweisen muss, dass der zulässige („hinreichend gerechtfertigte“) Grund handlungsleitend, mithin der primäre Beweggrund für die nachteilige Maßnahme gewesen sein muss. Für dieses Verständnis spricht zum einen der Vergleich zu der Auslegung des Begriffs der Repressalie. Eine Repressalie liegt gerade nur vor, wenn das Whistleblowing der wesentliche Beweggrund für die nachteilige Maßnahme war.522 Anders formuliert: Eine Repressalie kann dann nicht mehr angenommen werden, wenn ein anderer zulässiger Grund das wesentliche Motiv für die nachteilige Maßnahme war und das Whistleblowing, wenn überhaupt, hierfür bloß untergeordnete Bedeutung hatte. Entsprechend muss, um eine Widerlegung der Vermutung des Vorliegens einer Repressalie anzuerkennen, dem Verantwortlichen ein Nachweis darüber abverlangt werden, dass zulässige Gründe handlungsbestimmend waren. Für dieses Verständnis spricht auch der Wortlaut des Art. 21 Abs. 5 S. 2 EU-RL 2019/1937. Die Maßnahme muss danach auf diesem Grund „basiert“ haben. Sie muss somit primär auf den zulässigen Grund gestützt worden sein. Nach den Vorgaben der EU-Richtlinie 2019/1937 muss der Verantwortliche, um seiner Beweislast nach Art. 21 Abs. 5 S. 2 EU-RL 2019/1937 gerecht zu werden, somit beweisen, dass ihn überwiegend zulässige Gründe zum Handeln veranlasst haben. 519
Hierzu unter Teil 2 C. II. 1. a) aa) (1) (a) (cc). Vgl. Erwägungsgrund (44) zur RL 2019/1937, Amtsblatt der Europäischen Union, L 305/25. 521 A. A. Dilling, CCZ 2019, 214, 219; EuArbR/Fest, EU-RL 2019/366, Art. 21 Rn. 56; Johnson, CCZ 2019, 66, 67. 522 Hierzu unter Teil 2 C. II. 1. a) aa) (1) (a) (cc). 520
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Teil 2: Schutz von Hinweisgebern
Konkrete inhaltliche Anforderungen („hinreichend gerechtfertigt“) bezüglich der Zulässigkeit dieses Grundes sieht die Richtlinie nicht vor. Solange der genannte Grund keinen Bezug zum Whistleblowing hat, im Übrigen nach dem geltenden Recht zulässig ist und die Maßnahme begründen kann, wird dieser auch für den Gegenbeweis im Sinne des Art. 21 Abs. 5 S. 2 EU-RL 2019/1937 genügen. (3) „Einfallstor“ für Rechtsmissbrauch Die Beweislastumkehr in Verbindung mit dem Repressalienverbot birgt ein erhebliches Missbrauchspotential, insbesondere mit Blick auf das frühzeitige Recht zur Meldung und Offenlegung von Verstößen523 seitens des Whistleblowers gegenüber der betroffenen Organisation.524 Das Missbrauchsrisiko ergibt sich aus dem Zusammenspiel des wesentlichen Merkmals des Whistleblowings und den Vorgaben der EU-Richtlinie 2019/1937. Der Schutz der Richtlinie vor Repressalien knüpft an das hinweisgebende Verhalten des Whistleblowers an. Damit besteht ein grundlegender Unterschied zu dem Schutz vor Benachteiligungen wegen personenbezogener Merkmale. Ein Hinweisgeber kann den Schutz durch sein willentliches und zielgerichtetes Handeln begründen. Dieser Umstand muss bei der Betrachtung der Vorgaben des Art. 6, 19, 21 Abs. 5 EU-RL 2019/1937 berücksichtigt werden. Gemäß Art. 6 Abs. 1 lit. a) EU-RL 2019/1937 kann ein Hinweisgeber auch falsche Informationen melden. Ihm wird der Schutz der Richtlinie auch in diesem Fall zugesprochen, sofern ihm keine Bösgläubigkeit (Vorsatz oder grobe Fahrlässigkeit) zur Last fällt.525 Zudem hängt der Schutzanspruch nicht davon ab, aus welchen Gründen der Hinweisgeber Missstände aufdeckt.526 Entsprechend kann er die Anwendung des Art. 19, 21 Abs. 5 EU-RL 2019/1937 auch begründen, wenn er allein handelt, um sich selbst vor (anstehenden) nachteiligen Entscheidungen zu schützen. Ein hinweisgebender Arbeitnehmer könnte somit beispielsweise falsche Informationen melden, um einen zu erwartenden Arbeitsplatzverlust durch arbeitgeberseitige Kündigung zu verhindern. Würde der Arbeitgeber anschließend eine Kündigung aussprechen, könnte der Hinweisgeber gegen diese rechtlich vorgehen. In einem Kündigungsschutzprozess könnte er sich auf die Beweislastumkehr des Art. 21 Abs. 5 EU-RL 2019/1937 berufen. Würden an den nach Art. 21 Abs. 5 S. 2 EU-RL 2019/1937 zu erbringenden Gegenbeweis zu strenge Anforderungen gestellt, könnte der Arbeitgeber diesen nur schwer oder sogar faktisch gar nicht erbringen.527 523
Garden/Hiéramente, BB 2019, 963, 966. Dzida/Granetzny, NZA 2020, 1201, 1204; ähnlich auch Federmann/Racky/Kalb/Modrzyk, DB 2019, 1665, 1670. 525 Hierzu unter Teil 2 B. II. 2. 526 Hierzu unter Teil 2 B. II. 4. 527 Zum Kommissions-Entwurf bereits Schmolke, AG 2018, 769, 779; Thüsing/Rombey, NZG 2018, 1001, 1006; zur Richtlinie auch Federmann/Racky/Kalb/Modrzyk, DB 2019, 1665, 1670; Garden/Hiéramente, BB 2019, 963, 966; Grimm/Singraven, ArbRB 2019, 241, 245. 524
C. Rechtlicher Schutz der Hinweisgeber
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Dies wäre beispielsweise der Fall, wenn ihm abverlangt würde, nachzuweisen, dass die Maßnahme in keiner Weise mit dem Whistleblowing im Zusammenhang stand. Er müsste dann einen gerade nicht bestehenden, subjektiven Zusammenhang nachweisen. Gelingt ihm der erforderliche Beweis nicht, verstößt er gegen das Repressalienverbot des Art. 19 EU-RL 2019/1937. Die Maßnahme des Arbeitgebers wäre damit unzulässig, ungeachtet, ob sie grundsätzlich auf zulässige Gründe gestützt wurde. Der Arbeitnehmer könnte im Ergebnis einen faktischen Kündigungsschutz herbeiführen.528 Dasselbe wäre beispielsweise auch bei einer anstehenden Umsetzung möglich. Ein Whistleblower könnte die Unwirksamkeit nachteiliger Maßnahmen herbeiführen, indem er kurz vorher eine Meldung erstattet.529 Denkbare wäre zudem, dass ein befristet beschäftigter Hinweisgeber vor Ablauf seiner Beschäftigungsdauer einen (vermeintlichen) Verstoß zur Anzeige bringt. Sofern der Arbeitgeber das Arbeitsverhältnis entgegen der vom Hinweisgeber gehegten Erwartung anschließend nicht verlängert, könnte sich der hinweisgebende Arbeitnehmer darauf berufen, dass es sich um eine Repressalie (vgl. Art. 19 lit. i) EU-RL 2019/1937) handelt. In Abhängigkeit von der konkreten Ausgestaltung bietet Art. 19 i. V. m. Art. 21 Abs. 5 EU-RL 2019/1937 somit ein erhebliches Missbrauchsrisiko, dem der Gesetzgeber bei Umsetzung der Richtlinienvorgaben wirksam entgegentreten muss. Er muss Regelungen treffen, die das geschilderte Missbrauchsrisiko bestmöglich ausschließen.530 Ein bloßer Rückgriff auf den Einwand des Rechtsmissbrauchs nach § 242 BGB wird hierfür nicht genügen. Das Missbrauchsrisiko kann auf diese Weise de lege ferenda nicht wirksam ausgeschlossen werden. Dies folgt daraus, dass der Einwand des Rechtsmissbrauchs künftig nur in engen Grenzen anerkannt werden kann. Eigennützige Motive (bspw. Whistleblowing zur Begründung eines Schutzanspruchs wegen einer anstehenden Kündigung) werden regelmäßig nicht für die Anwendung des § 242 BGB genügen. Zudem wird ein Nachweis der Gegenseite über die subjektiven Motive nur schwer möglich sein, sodass die Bedeutung des § 242 BGB gering sein wird und in jedem Fall das geschilderte Missbrauchsrisiko nicht allein auffangen kann.531
528 Altenbach/Dierkes, CCZ 2020, 126, 131; Aszmons/Herse, DB 2019, 1849, 1850; Dzida/ Granetzny, NZA 2020, 1201, 1204; Federmann/Racky/Kalb/Modrzyk, DB 2019, 1665, 1670; Garden/Hiéramente, BB 2019, 963, 966; Grimm/Singraven, ArbRB 2019, 241, 245; Thüsing/ Rombey, NZG 2018, 1001, 1006. 529 Aszmons/Herse, DB 2019, 1849, 1850. 530 Hierzu unter Teil 2 C. II. 1. a) bb) (2) (b). 531 Hierzu unter Teil 2 C. II. 2.
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Teil 2: Schutz von Hinweisgebern
bb) Umsetzung auf nationaler Ebene Der nationale Gesetzgeber ist gemäß Art. 19 EU-RL 2019/1937 dazu verpflichtet, die erforderlichen Maßnahmen zu ergreifen, um jede Form von Repressalien gegen die in Art. 4 EU-RL 2019/1937 genannten Personen einschließlich der Androhung von Repressalien und des Versuchs von Repressalien zu untersagen. Daneben muss er auch die dargestellte Beweislastumkehr auf nationaler Ebene umsetzen. (1) Unionsrechtlicher Umsetzungsspielraum Ihm wird hierbei Umsetzungsspielraum eingeräumt. Dieser ergibt sich bereits unmittelbar aus Art. 19 EU-RL 2019/1937. In Art. 19 EU-RL 2019/1937 ist lediglich vorgegeben, dass erforderliche Maßnahmen ergriffen werden müssen, um jede Form von Repressalien zu untersagen. Wie dies erreicht werden soll, wird den Mitgliedstaaten überlassen. Eingeschränkt wird der Umsetzungsspielraum jedoch dadurch, dass der nationale Gesetzgeber das Ziel der Richtlinie mit seiner Umsetzung bestmöglich erreichen muss.532 Darüber hinaus steht es dem nationalen Gesetzgeber zu, für den Hinweisgeber günstigere Bestimmungen als die in Art. 19, 21 Abs. 5 EU-RL 2019/1937 vorgesehen zu erlassen, vgl. Art. 25 Abs. 1 EU-RL 2019/1937. Vor diesem Hintergrund wäre es insbesondere möglich, dass de lege ferenda eine unzulässige Repressalie bereits angenommen wird, wenn das Whistleblowing ein (untergeordnetes) Begleitmotiv für die nachteilige Maßnahme war. Dies fortführend könnte der nationale Gesetzgeber bei der Umsetzung der Beweislastregelung des Art. 21 Abs. 5 S. 2 EU-RL 2019/1937 dem Veranlasser der Repressalie auch den dargestellten „strengen“ Beweis abverlangen. Unionsrechtlich unzulässig wäre dagegen eine Regelung, bei der auf den Beweis verzichtet würde, dass ein zulässiger Grund (ohne Bezug zum Whistleblowing) „handlungsleitend“, mithin das überwiegende Motiv für die nachteilige Maßnahme war. Der Gesetzgeber darf nicht vorsehen, dass die verantwortliche Person bloß nachweisen muss, dass ein rechtmäßiger Grund (auch) ein Motiv für die Maßnahme war. Er würde damit die Vorgaben des Art. 21 Abs. 5 S. 2 EU-RL 2019/1937 zu Lasten des unionsrechtlich vorgesehenen Schutzniveaus der Whistleblower unterschreiten. Wegen des mindestharmonisierenden Charakters der Richtlinie (vgl. Art. 25 Abs. 1 EU-RL 2019/1937) muss eine solche Umsetzung unterbleiben. (2) Normierung eines Repressalienverbots mit Beweislastumkehr Um de lege ferenda Repressalien wirksam zu unterbinden, bedarf es auf nationaler Ebene eines ausdrücklichen Repressalienverbots.533 Dies befürwortet auch der eu532 533
EuGH, Urteil vom 8. 4. 1976 – 48/75 (Royer), NJW 1976, 2065, 2067. So auch Schmitt, NZA-Beilage 2020, 50, 56.
C. Rechtlicher Schutz der Hinweisgeber
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ropäische Gesetzgeber.534 Eine solche Verbotsnorm könne eine große abschreckende Wirkung entfalten.535 Das Verbot von Repressalien ist zudem um die in Art. 21 Abs. 5 EU-RL 2019/1937 vorgesehene Beweislastumkehr zu ergänzen. (a) Verweis auf § 612a BGB zur Umsetzung des Art. 19, 21 Abs. 5 EU-RL 2019/1937 Fraglich ist, ob der Gesetzgeber bereits mit einem bloßen Verweis auf § 612a BGB (Maßregelungsverbot) seiner Pflicht zur Umsetzung des Art. 19, 21 Abs. 5 EURL 2019/1937 genügen würde. Dies muss aus verschiedenen Gründen abgelehnt werden. Der persönliche Anwendungsbereich der Whistleblowing-Richtlinie und damit auch das vorgesehene Repressalienverbot gehen weit über den des § 612a BGB536 hinaus.537 Für alle Personen mit Ausnahme von Arbeitnehmern bedarf es somit in jedem Fall spezieller Vorschriften. Aber auch gegenüber einem hinweisgebenden Arbeitnehmer genügt § 612a BGB den unionsrechtlichen Vorgaben nicht.538 Das Repressalienverbot reicht, wie bereits ausgeführt, inhaltlich weiter als das arbeitsrechtliche Maßregelungsverbot. Darüber hinaus ist es zweifelhaft, ob der nationale Gesetzgeber mit einem (partiellen) Verweis auf bestehende Normen dem Erfordernis der Transparenz genügen würde.539 Das unionsrechtliche Erfordernis einer effektiven Richtlinienumsetzung („effet utile“) verlangt den Mitgliedstaaten ab, die Bestimmungen von Richtlinien rechtssicher, klar und transparent in nationales Recht umzusetzen.540 Diesem Erfordernis würde mit einem bloßen Verweis auf § 612a BGB unzureichend Rechnung getragen. Ohne hinreichende Fachkenntnis wäre es für einen hinweisgebenden Arbeitnehmer nämlich nur schwer zu erkennen, dass und wie weit ihm durch die allgemeine Regelung des § 612a BGB ein Schutz für seine Meldung oder Offenlegung zukommt.541 Zudem entspricht § 612a BGB auch nicht den Vorgaben des Art. 21 Abs. 5 EU-RL 2019/1937. In dem künftigen Hinweisgeberschutzgesetzes muss daher ein spezielles Repressalienverbot einschließlich einer Beweislastumkehr normiert werden.542
534
Erwägungsgrund (94) zur RL 2019/1937, Amtsblatt der Europäischen Union, L 305/32. Erwägungsgrund (88) zur RL 2019/1937, Amtsblatt der Europäischen Union, L 305/30. 536 Vgl. hierzu APS/Linck, 2. Teil § 612a BGB Rn. 3 f. 537 So auch Thüsing/Rombey, NZG 2018, 1001, 1006. 538 So auch Garden/Hiéramente, BB 2019, 963, 966; Schmitt, NZA-Beilage 2020, 50, 56 f.; Thüsing/Rombey, NZG 2018, 1001, 1006. 539 Thüsing/Rombey, NZG 2018, 1001, 1002. 540 EuGH, Urteil vom 23. 5. 1985 – 29/84 (Kommission/Deutschland), CelexNr. 61984CJ0029, Rn. 28. 541 Kritisch auch Colneric/Gerdeman, 116. 542 A. A. wohl Harrer-Kouliev, Working Paper, 32, 32. 535
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Teil 2: Schutz von Hinweisgebern
(b) Verfassungsrechtliche Vorgaben Von erheblicher Relevanz ist, wie der nationale Gesetzgeber diese Regelung (Repressalienverbot mit Beweislastregelung) ausgestalten muss. Nach den Vorgaben des Unionsrechts dürfte er eine verbotene Repressalie bereits bei bloßer Mitursächlichkeit des hinweisgebenden Verhaltens für die nachteilige Maßnahme annehmen und entsprechend dem Verantwortlichen im Prozess den dargestellten „strengen“ Beweis abverlangen. Diese Umsetzung ist jedoch nur zulässig, wenn sie auch mit den Vorgaben der Verfassung vereinbar ist. (aa) Schutz der Unternehmen vor Rechtsmissbrauch Der Gesetzgeber würde mit dieser überschießenden Regelung in die Unternehmerfreiheit (Art. 12 Abs. 1 GG), insbesondere in Ausprägung der Vertragsfreiheit, durch eine Berufsausübungsregel eingreifen. Diese Beeinträchtigung könnte mit der Gewährleistung eines umfassenden Whistleblower-Schutzes begründet werden. Dieser erhöhte Schutz würde im Ergebnis der Förderung der Rechtsdurchsetzung im Interesse der Allgemeinheit dienen, sodass es sich um ein legitimes Ziel handeln würde. Problematisch ist jedoch, ob der Eingriff auch verhältnismäßig wäre. Bedenken bestehen, ob die Schwere der Beeinträchtigung in einem angemessenen Verhältnis zu dem verfolgten Zweck stehen würde. Unternehmen könnten durch eine solche Umsetzung der Richtlinie gegenüber schutzwürdigen Hinweisgebern nur unter erschwerten Bedingungen nachteilige (vertragliche) Maßnahmen einleiten oder diese würden im Ergebnis sogar faktisch unmöglich gemacht. Aus dem Zusammenspiel zwischen Repressalienverbot und der Beweislastregelung entstünde, wie bereits dargestellt, ein erhebliches Missbrauchsrisiko der Schutzvorschriften zu Lasten der unternehmerischen Interessen.543 Nicht nur hinweisgebende Arbeitnehmer, sondern sämtliche Personen im Sinne des Art. 4 Abs. 1 bis Abs. 3 EU-RL 2019/1937 könnten unternehmerische Entscheidungen verhindern, obwohl diese auf zulässige sachliche Gründe gestützt wurden. Im Zusammenspiel mit dem weiten, nicht abschließenden Katalog möglicher Repressalien in Art. 19 EU-RL 2019/1937 hätte dies für den Arbeitgeber (Unternehmen) weitreichende Folgen. Der Umsetzungsakt zu der Whistleblowing-Richtlinie würde nicht nur zu einem „Freifahrschein“544 für jeden potentiellen Whistleblower werden, da er nahezu jede nachteilige organisatorische (vertragliche oder tatsächliche) Maßnahme des Unternehmens unwirksam machen könnte. Auch würde eine solche Umsetzung beispielsweise in Fällen befristeter Verträge (Art. 19 lit. i, j, m EU-RL 2019/1937) sogar zu einem Kontrahierungszwang führen.545 Die Beeinträchtigung der unternehmerischen Interessen wiegt besonders schwer, weil diese Folge auch eintritt, wenn das 543 544 545
Hierzu unter Teil 2 C. II. 1. a) aa) (3). Altenbach/Dierkes, CCZ 2020, 126, 131. Zu den Vorgaben der Richtlinie auch Gerdemann, NZA-Beilage 2020, 43, 49.
C. Rechtlicher Schutz der Hinweisgeber
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Unternehmen sich rechtmäßig verhält (bspw. nach den Vorgaben des Befristungsrechts) und sich entsprechend seiner Vertragsfreiheit von dem Vertragspartner grundsätzlich lösen darf. Die Verpflichtung zur vertraglichen Bindung würde allein daraus resultieren, dass der Verantwortliche seiner Beweislast nicht nachkommen kann. Die Unmöglichkeit des Nachweises wäre jedoch gerade nicht den tatsächlichen Umständen des Einzelfalls geschuldet, sondern im Ergebnis gesetzlich veranlagt. Auf Seiten des Unternehmens ist auch zu berücksichtigen, dass sich die Rechtsfolgen des inhaltlich weit gefassten Art. 19, 21 Abs. 5 EU-RL 2019/1937 nicht nur auf bestehende Arbeitsverhältnisse, sondern auf sämtliche Personen des Art. 4 EU-RL 2019/1937 beziehen würden. Die Wirkung des Repressalienverbots in Verbindung mit der Beweislastumkehr würde daher nicht nur die Personalplanung, sondern nahezu das gesamte Spektrum unternehmerischer Planung, Organisation, Ausrichtung und Ressourcenbindung betreffen. Es wäre beispielsweise denkbar, dass ein Unternehmen mit einem hinweisgebenden externen Vertragspartner (Art. 4 Abs. 1 lit. b) EU-RL 2019/1937) weiterhin zusammenarbeiten müsste, obwohl es für seine Dienste keine Verwendung mehr hat oder diese nicht wie versprochen erbracht wurden. Der Gesetzgeber würde durch die dargestellte Umsetzungsoption die Unternehmerfreiheit erheblich einschränken. Diese Beeinträchtigung würde insbesondere für kleinere Unternehmen, die ebenfalls von dem Umsetzungsakt der EU-Richtlinie 2019/1937 erfasst werden, ein erhebliches Gewicht erlangen. Fraglich ist, ob diese schwere Beeinträchtigung der unternehmerischen Interessen vor dem Hintergrund des Ziels angemessen wäre. Unter Berücksichtigung des weiten Gestaltungsspielraums des Gesetzgebers im Rahmen des Art. 12 Abs. 1 GG546 könnte dies angenommen werden, da Whistleblowing im sachlichen Anwendungsbereich des Umsetzungsgesetzes für die Allgemeinheit eine erhebliche Bedeutung hat und die untergeordnete Position eines Hinweisgebers gegenüber dem betroffenen Unternehmen einen umfassenden Schutz erfordert. Ohne diesen würde das Whistleblowing zu Lasten der Allgemeinheit nicht gefördert. Andererseits würde die „strenge“ Umsetzung der Richtlinienvorgaben für den zu schützenden („redlichen“) Hinweisgeber keinen erheblichen Mehrwert bieten. Auch nach dem Unionsrecht (Art. 19, 21 Abs. 5 EU-RL 2019/1937) muss ein Unternehmen seine Maßnahmen sachlich begründen. Es kann Whistleblower gerade nicht (verdeckt) Nachteile wegen der Meldung oder Offenlegung auferlegen, sondern muss diese ebenfalls auf zulässige Gründe primär stützen und dies nachweisen. Die Schwere der Einschränkung der unternehmerischen Interessen wäre unangemessen gegenüber dem zusätzlichen Mehr an Whistleblower-Schutz durch die 546 BVerfG, Beschluss vom 19. 7. 2000 – 1 BvR 539/96, NVwZ 2001, 790, 794; BAG, Urteil vom 18. 2. 2003 – 9 AZR 164/02, NZA 2003, 1392, 1395; ErfK/Schmidt, ArbR, Art. 12 GG Rn. 30.
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Teil 2: Schutz von Hinweisgebern
dargestellte Regelung. Die „strenge“ Umsetzung des Repressalienverbots in Verbindung mit der Beweislastumkehr würde die unternehmerische Freiheit unverhältnismäßig beeinträchtigen. Entsprechend darf der nationale Gesetzgeber dieses Vorhaben nicht umsetzen. (bb) Inhaltliche Anforderungen an den „rechtfertigenden“ Grund Darüber hinaus muss der Gesetzgeber auch bei Umsetzung des Art. 21 Abs. 5 S. 2 EU-RL 2019/1937 bezüglich der inhaltlichen Anforderungen an den „rechtfertigenden“ Grund die Vorgaben der Verfassung beachten. Fraglich ist, welche Voraussetzungen an den Vortrag des Verantwortlichen bezüglich der Gründe, die ihn zur Maßnahme gegenüber dem Hinweisgeber veranlasst haben, gestellt werden dürfen. Problematisch erscheint, dass Unternehmen wegen der Umsetzung des Art. 21 Abs. 5 S. 2 EU-RL 2019/1937 dazu verpflichtet werden könnten, auch solche Maßnahmen rechtfertigen zu müssen, die nach dem bisherigen Rechtsverständnis keinem Begründungserfordernis unterliegen.547 Jedenfalls im Arbeitsrecht bestehen zum einen für verschiedene arbeitgeberseitige Maßnahmen, die die Interessen- und Rechtsposition der Arbeitnehmer beschränken, echte Begründungspflichten im Sinne eines Wirksamkeitserfordernisses.548 Zum anderen sieht das geltende Arbeitsrecht teilweise vor, dass einem Arbeitgeber zumindest Nachteile entstehen können, wenn er eine für den betroffenen Arbeitnehmer nachteilige Maßnahme nicht begründen kann (bspw. die Nichterfüllung der bestehenden Darlegungs- und Beweislast im Prozess).549 In diesen Fällen ist die Anwendung des Art. 21 Abs. 5 S. 2 EU-RL 2019/1937 unproblematisch. Muss ein Arbeitgeber eine Maßnahme nach bereits geltendem Recht begründen oder obliegt ihm zumindest im Prozess die Darlegungs- und Beweislast hinsichtlich solcher Tatsachen, die die Zulässigkeit seiner Maßnahme bedingen, ist ihm auch das prozessuale Begründungserfordernis des Art. 21 Abs. 5 S. 2 EU-RL 2019/1937 zumutbar. Die Unternehmerfreiheit wird dadurch nicht unzumutbar beeinträchtigt. Einer anderen Beurteilung bedarf es bezüglich solcher Maßnahmen, die nach geltendem Recht keinen speziellen Rechtmäßigkeitsanforderungen und Begründungserfordernissen unterliegen. Um der unternehmerischen Freiheit und der damit verbundenen Vertragsfreiheit hinreichend Rechnung zu tragen, muss man es ausreichen lassen, dass die verantwortliche Stelle handlungsleitende sachliche, nachvollziehbare Gründe ohne Bezug zum Whistleblowing für die Durchführung der nachteiligen Maßnahme gegenüber dem Whistleblower vorträgt und nachweist.550
547 Aszmons/Herse, DB 2019, 1849, 1850; Garden/Hiéramente, BB 2019, 963, 966; Schmitt, NZA-Beilage 2020, 50, 57; wohl auch DIHK, Stellungnahme, S. 7. 548 Bspw. § 22 BBIG; § 17 MuSchG. 549 Bspw. § 1 KSchG; § 626 BGB; § 9 TzBfG; § 14 TzBfG; § 106 GewO. 550 So auch DIHK, Stellungnahme, S. 7.
C. Rechtlicher Schutz der Hinweisgeber
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(c) Umsetzungsempfehlung Der nationale Gesetzgeber muss, um den Vorgaben der EU-Richtlinie 2019/1937 gerecht zu werden, ein spezielles Repressalienverbot normieren. Aus Gründen der Rechtssicherheit sind die konkreten Anforderungen an eine Repressalie, insbesondere der Kausalitätsmaßstab, eindeutig zu bestimmen.551 Eine verbotene Repressalie darf nur vorliegen, wenn die nachteilige Maßnahme primär auf der vorausgegangenen Meldung bzw. Offenlegung und gerade nicht auf sachlich gerechtfertigten Gründen beruht. Der Gesetzestext muss die Annahme einer Repressalie im Fall der bloßen Mitursächlichkeit des hinweisgebenden Verhaltens für die nachteilige Maßnahme eindeutig ausschließen. Zur Illustration des weiten Begriffs der Repressalie sollte der Gesetzgeber ferner den in Art. 19 EU-RL 2019/1937 vorgesehenen Beispielkatalog auf die nationale Verbotsregelung übertragen. Unternehmen wird dadurch die Möglichkeit erschwert, sich darauf zu berufen, dass es sich bei einer nachteiligen Maßnahme nicht um eine Repressalie handeln würde.552 Hinweisgebern wird demgegenüber gleichzeitig vor Augen geführt, wie weit das Repressalienverbot und damit ihr Schutzanspruch reicht. Das Verbot muss sich an alle Personen, die jedenfalls in einem beruflichen Kontakt zu dem Hinweisgeber stehen und Repressalien einleiten könnten, richten. Das Einleiten, Dulden und Fördern einer Repressalie sind, ebenso wie der bloße Versuch und die Androhung einer Repressalie, zu verbieten. Daneben muss der nationale Gesetzgeber auch die Vorgaben des Art. 21 Abs. 5 EU-RL 2019/1937 durch eine spezielle Beweislastregelung umsetzen. Es ist zu normieren, dass das Vorliegen einer Repressalie vermutet wird, sofern ein Whistleblower einen Nachteil nach seiner zulässigen Meldung bzw. Offenlegung erlitten hat und er sich auf das Vorliegen einer Repressalie beruft. Die Beweislast für den erlittenen Nachteil und die Zulässigkeit des hinweisgebenden Verhaltens trägt der Whistleblower. Darüber hinaus muss der Whistleblower zumindest behaupten, dass seine Meldung bzw. Offenlegung für seine nachteilige Behandlung kausal war. Die Person, die die Vermutung widerlegen möchte, muss dann beweisen, dass die nachteilige Maßnahme überwiegend auf einen zulässigen, mithin vom Whistleblowing unabhängigen und die Maßnahme rechtfertigenden Grund, gestützt wurde. Ihm darf nicht abverlangt werden, nachzuweisen, dass ausschließlich andere Gründe (als das Whistleblowing) die Maßnahme bedingt haben bzw. keinerlei kausale Beziehung zwischen hinweisgebendem Verhalten und nachteiliger Maßnahme bestand.553 Auch in dem Entwurf des Hinweisgeberschutzgesetzes ist ein ausdrückliches Repressalienverbot normiert (§ 35 Abs. 1 HinSchG-Entwurf). Eine verbotene Re551
Ähnlich Altenbach/Dierkes, CCZ 2020, 126, 131. Dilling, CCZ 2021, 60, 65. 553 A. A. Colneric/Gerdemann, 111 f.; Federmann/Racky/Kalb/Modrzyk, DB 2019, 1665, 1670; EuArbR/Fest, EU-RL 2019/366, Art. 21 Rn. 56. 552
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Teil 2: Schutz von Hinweisgebern
pressalie wird nach § 3 Abs. 6 HinSchG-Entwurf als eine Handlung oder Unterlassung im Zusammenhang mit der beruflichen Tätigkeit, die eine Reaktion auf eine Meldung oder eine Offenlegung ist und durch die der hinweisgebenden Person ein ungerechtfertigter Nachteil entsteht oder entstehen kann, definiert. Überzeugend ist, dass das Repressalienverbot keine Einschränkung der Person des „Verantwortlichen“ vorsieht. Daran muss de lege ferenda festgehalten werden. Aus den dargestellten Regelungen ergibt sich jedoch nicht eindeutig, dass auch das bloße Fördern und Dulden einer Repressalie verboten sind. Dies sollte durch eine ausdrückliche Klarstellung ebenfalls in das Hinweisgeberschutzgesetz aufgenommen werden. Unklar ist zudem, ob eine unzulässige Repressalie bereits im Fall der bloßen Mitursächlichkeit des hinweisgebenden Verhaltens für die nachteilige Maßnahme angenommen werden kann. In § 3 Abs. 6 HinSchG-Entwurf wird lediglich bestimmt, dass es sich bei der Handlung oder Unterlassung um eine „Reaktion“ auf das hinweisgebende Verhalten handeln müsse. Auch in den zugehörigen Erwägungen wird ausschließlich ausgeführt, dass die Kausalität zwischen Meldung oder Offenlegung und Benachteiligung ein Tatbestandsmerkmal der Repressalie sei.554 Diese unklaren Vorgaben sind, insbesondere wegen der weitreichenden Bedeutung des Repressalienverbots für die Beteiligten, nicht hinzunehmen. An dieser Stelle muss der Gesetzgeber daher in jedem Fall nachjustieren und den Kausalitätsmaßstab eindeutig normieren. Wegen der dargestellten Unzulänglichkeiten sind die folgenden Formulierungen de lege ferenda zu wählen: Das Ergreifen, Fördern und Dulden einer Repressalie gegen einen Hinweisgeber sind verboten. Dasselbe gilt für den Versuch und die Androhung einer Repressalie. Repressalien können insbesondere […]. Eine Repressalie ist eine tatsächliche oder rechtsgeschäftliche, einseitige oder einvernehmliche Maßnahme im beruflichen Kontext wegen einer zulässigen Meldung oder Offenlegung, durch die dem Hinweisgeber ein Nachteil entsteht oder entstehen kann. Es handelt sich nicht um eine Repressalie, wenn die nachteilige Maßnahme wesentlich auf einen sachlich gerechtfertigten Grund gestützt und damit nicht wegen der Meldung oder Offenlegung eingeleitet wurde.
Der aktuelle Gesetzentwurf sieht richtigerweise eine spezielle Beweislastumkehr zu Gunsten der Hinweisgeber vor. Gemäß § 35 Abs. 2 S. 1 HinSchG-Entwurf wird vermutet, dass es sich bei der Benachteiligung um eine Repressalie handelt, wenn die hinweisgebende Person nach einer Meldung oder Offenlegung eine Benachteiligung im Zusammenhang mit ihrer beruflichen Tätigkeit erleidet. In diesem Fall müsse die Person, die die hinweisgebende Person benachteiligt hat, beweisen, dass die Benachteiligung auf hinreichend gerechtfertigten Gründen basierte oder dass sie nicht auf der Meldung oder Offenlegung beruht. Auch an dieser Stelle bleibt offen, welcher Kausalitätsmaßstab heranzuziehen ist.555 Der Gesetzgeber würde mit dieser Rege554
Referentenentwurf HinSchG, Zu § 3 (Begriffsbestimmungen) Absatz 6, S. 44. Vgl. § 35 Abs. 2 HinSchG-Entwurf; Referentenentwurf HinSchG, Zu § 35 (Verbot von Repressalien) Absatz 2, S. 75; so auch Gerdemann, ZRP 2021, 37, 39. 555
C. Rechtlicher Schutz der Hinweisgeber
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lung nicht nur eine erhebliche Unsicherheit, sondern wegen der unbestimmten Formulierung der Beweislastumkehr in Verbindung mit dem Repressalienverbot auch erhebliche Risiken für die unternehmerischen Interessen schaffen. Um diesem Umstand Abhilfe zu leisten, hat der Gesetzgeber zu regeln: Erleidet ein Hinweisgeber nach seiner Meldung oder Offenlegung einen Nachteil im beruflichen Kontext, so wird vermutet, dass dieser Nachteil eine Repressalie ist. Die Person, die die nachteilige Maßnahme verursacht hat, hat in diesem Fall zu beweisen, dass die Maßnahme wesentlich auf einen sachlich gerechtfertigten Grund gestützt wurde.
(3) Gesetzliche Anordnung der Nichtigkeitsfolge Die Normierung eines Repressalienverbots ist nicht die einzige Möglichkeit, um der Umsetzungspflicht nach Art. 19 EU-RL 2019/1937 nachzukommen. Der nationale Gesetzgeber könnte ergänzend eine spezielle Vorschrift erlassen, nach der Rechtsgeschäfte, die gegen das Repressalienverbot verstoßen, unwirksam sind.556 Bereits das Repressalienverbot wird unter Berücksichtigung seines Sinns und Zwecks ein Verbotsgesetz (§ 134 BGB) darstellen, sodass verbotswidrige Rechtsgeschäfte und Umgehungsgeschäfte557 ohnehin gemäß § 134 BGB nichtig wären. Der nationale Gesetzgeber muss bei der Umsetzung der Richtlinie jedoch Rechtssicherheit, Klarheit und Transparenz schaffen.558 Regelungen müssen derart ausgestaltet sein, dass die einzelnen Personen Kenntnis von ihren Rechten erlangen und diese auch durchsetzen können.559 Um dies hinreichend zu gewährleisten, sollte die Nichtigkeitsfolge in dem künftigen Umsetzungsakt speziell angeordnet werden.560 In dem derzeitigen Gesetzesentwurf zur Umsetzung der EU-Richtlinie 2019/1937 ist keine spezielle Nichtigkeitsregelung vorgesehen. Vielmehr wird in den Erwägungen lediglich darauf verwiesen, dass § 134 BGB anwendbar sei.561 Insofern bedarf es einer Korrektur des Gesetzestextes. Er ist durch die nachstehende Regelung zu ergänzen: Ein Rechtsgeschäft, welches gegen das Repressalienverbot verstößt, ist nichtig.
(4) Normierung einer Ordnungswidrigkeit Der Gesetzgeber ist zudem gemäß Art. 23 Abs. 1 lit. b) EU-RL 2019/1937 dazu verpflichtet, wirksame, angemessene und abschreckende Sanktionen für juristische 556
EuArbR/Fest, EU-RL 2019/366, Art. 19 Rn. 22. MüKo/Armbrüster, Kommentar zum BGB, § 134 BGB Rn. 11 ff. 558 EuGH, Urteil vom 23. 5. 1985 – 29/84 (Kommission/Deutschland), CelexNr. 61984CJ0029, Rn. 28. 559 EuGH, Urteil vom 23. 5. 1985 – 29/84 (Kommission/Deutschland), CelexNr. 61984CJ0029, Rn. 28; EuGH, Urteil vom 9. 9. 1999 – C-217/97 (Kommission/Deutschland), EuZW 1999, 763, 765. 560 EuArbR/Fest, EU-RL 2019/366, Art. 19 Rn. 22; wohl auch Schmitt, NZA-Beilage 2020, 50, 57. 561 Referentenentwurf HinSchG, Zu § 35 (Verbot von Repressalien) Absatz 1, S. 75. 557
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Teil 2: Schutz von Hinweisgebern
und natürliche Personen festzulegen, die Repressalien gegen die in Art. 4 EU-RL 2019/1937 genannten Personen ergreifen. Der europäische Gesetzgeber hat ausgeführt, dass der Verbotscharakter des Art. 19 EU-RL 2019/1937 durch Sanktionen gegen Personen, die zu Repressalien greifen, verstärkt würde.562 Auch die Sanktionierung eines Verstoßes gegen das Repressalienverbot kann eine Maßnahme im Sinne des Art. 19 EU-RL 2019/1937 darstellen.563 Eine Sanktion im Sinne des Art. 23 Abs. 1 lit. b) EU-RL 2019/1937 kann insbesondere durch die Normierung eines speziellen Straf- oder Ordnungswidrigkeitentatbestandes für den Verstoß gegen das Repressalienverbot erreicht werden. Mit Ausnahme solcher Fälle des Art. 19 EU-RL 2019/1937, die bereits vom geltenden Strafrecht erfasst werden564, kann der Gesetzgeber in den Grenzen der Verfassungsmäßigkeit frei entscheiden, ob er einen Verstoß gegen das Repressalienverbot als eine Ordnungswidrigkeit oder sogar als Straftat einstuft. Der Gesetzgeber hat hierbei zu berücksichtigen, dass das Strafrecht die schärfste ihm zur Verfügung stehende Waffe ist565. Durch das Strafrecht sollen gerade die „elementaren Werte des Gemeinschaftslebens“ geschützt werden.566 Resultierend aus dem Rechtsstaatsprinzip und dem darin verankerten Verhältnismäßigkeitsgrundsatz darf ein Rückgriff auf das Strafrecht durch den Gesetzgeber nur „behutsam und zurückhaltend“ erfolgen; Strafrecht ist das „ultima ratio“.567 Selbst unter Berücksichtigung des gesetzgeberischen Einschätzungs-, Wertungsund Gestaltungsspielraums568 wäre eine strafrechtliche Sanktionierung im Zusammenhang mit dem Repressalienverbot unverhältnismäßig. Im vorliegenden Fall bieten bereits das Ordnungswidrigkeitenrecht und die Möglichkeit zur Regelung abgestufter Bußgelder einen hinreichenden Schutz der Personen im Sinne des Art. 4 EU-RL 2019/1937 vor möglichen Repressalien und damit drohenden Beeinträchtigungen ihrer grundrechtlich geschützten Positionen (bspw. Art. 12 Abs. 1 GG der Arbeitnehmer569, Art. 5 Abs. 1 S. 1 Fall 1 GG570).571 Geldbußen können für Unternehmen und natürliche Personen erhebliches Gewicht erlangen und damit ausreichend abschreckende Wirkung entfalten. Für solche Fälle, in denen eine Repressalie 562
Erwägungsgrund (88) zur RL 2019/1937, Amtsblatt der Europäischen Union, L 305/30. So auch EuArbR/Fest, EU-RL 2019/366, Art. 21 Rn. 24. 564 Bspw. § 240 StGB, vgl. Gerdemann, RdA 2019, 16, 21; §§ 185 ff., 223 StGB. 565 BVerfG, Urteil vom 25. 2. 1975 – 1 BvF 1 – 6/74, NJW 1975, 573, 576. 566 BVerfG, Urteil vom 25. 2. 1975 – 1 BvF 1 – 6/74, NJW 1975, 573, 576. 567 BVerfG, Urteil vom 25. 2. 1975 – 1 BvF 1 – 6/74, NJW 1975, 573, 576. 568 BVerfG, Urteil vom 26. 2. 2020 – 2 BvR 2347/15 u. a., NJW 2020, 905, 909. 569 Zur staatlichen Schutzpflicht von Arbeitnehmern BVerfG, Beschluss vom 27. 1. 1998 – 1 BvL 15/87, NZA 1998, 470, 471; BeckOK GG/Ruffert, Art. 12 Rn. 19. 570 Zur staatlichen Schutzpflicht Maunz/Du¨ rig/Grabenwarter, Grundgesetz-Kommentar, Art. 5 Rn. 109; kritisch dagegen Stern/Sachs/Dietlein, § 108 Rn. 1430. 571 In diese Richtung auch Aszmons/Herse, DB 2019, 1849, 1854; a. A. Colneric/Gerdemann, 124. 563
C. Rechtlicher Schutz der Hinweisgeber
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(bspw. Art. 19 lit. g), k) EU-RL 2019/1937) eine besonders schwerwiegende Gefahr für die elementaren Rechtsgüter des Hinweisgebers birgt, bietet das Strafrecht bereits hinreichende Sanktionsmöglichkeiten. Aus diesem Grund darf der nationale Gesetzgeber keinen Straftatbestand normieren, sondern muss die Sanktion im Ordnungswidrigkeitenrecht verankern.572 Aus praktischer Sicht spricht hierfür auch, dass der andernfalls erforderliche strafrechtliche Kausalitätsnachweis zwischen Nachteil und hinweisgebendem Verhalten meist nicht erbracht werden könnte.573 Die zu erlassene Bußgeldvorschrift muss ebenfalls verhältnismäßig sein. Der Gesetzgeber hat den aus dem Rechtsstaatsprinzip folgenden Grundsatz des Übermaßverbots zu berücksichtigen.574 Die Strafe muss „in einem gerechten Verhältnis zur Schwere der Tat und zum Verschulden des Täters stehen“.575 Um dies zu erreichen, ist auf Rechtsfolgenseite Spielraum bei der Festlegung der Höhe des Bußgeldes in Abhängigkeit von dem vorgeworfenen, tatbestandlichen Verhalten und den konkreten Umständen des Falls vorzusehen. Die Vorschrift muss sich an sämtliche natürliche Personen richten, die eine Repressalie einleiten, dulden und fördern und damit gegen das Repressalienverbot verstoßen. Für die Sanktionierung von juristischen Personen und Personengesellschaften kann auf §§ 30, 130 OWiG zurückgegriffen werden. Der Referentenentwurf trägt diesen Erwägungen mit § 39 Abs. 1 Nr. 3 HinSchGEntwurf hinreichend Rechnung. Differenziert man im Rahmen des Repressalienverbots jedoch zwischen den verschiedenen Handlungsoptionen (Einleiten, Fördern, Dulden), ist diese Unterscheidung auch in den Tatbestand der Ordnungswidrigkeit aufzunehmen. Die Vorschrift sollte wie folgt normiert werden: (1) Ordnungswidrig handelt, wer eine Repressalie […] einleitet oder androht. Ordnungswidrig handelt auch, wer eine Repressalie […] vorsätzlich fördert oder duldet. […] (2) In den Fällen des Absatzes 1 Satz 1 […] kann auch der Versuch geahndet werden. (3) Die Ordnungswidrigkeit kann in den Fällen des Absatzes 1 Satz 1 […] mit einer Geldbuße bis zu hunderttausend Euro geahndet werden, in den Fällen […] des Absatzes 4 mit einer Geldbuße bis zu fünfundzwanzigtausend Euro.
572 Gegen eine strafrechtliche Sanktionierung auch Federmann/Racky/Kalb/Modrzyk, DB 2019, 1665, 1671. 573 Federmann/Racky/Kalb/Modrzyk, DB 2019, 1665, 1671; Gerdemann, RdA 2019, 16, 21. 574 BVerfG, Beschluss vom 13. 2. 1973 – 2 BvL 8/7, NJW 1973, 797, 797. 575 BVerfG, Beschluss vom 17. 1. 1979 – 2 BvL 12/77, NJW 1979, 1039, 1040.
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Teil 2: Schutz von Hinweisgebern
b) Maßnahmen zum Schutz vor Repressalien In Art. 21 Abs. 1 EU-RL 2019/1937 ist ergänzend zu Art. 19 EU-RL 2019/1937 vorgesehen, dass die Mitgliedstaaten die erforderlichen Maßnahmen ergreifen müssen, um sicherzustellen, dass die in Art. 4 EU-RL 2019/1937 genannten Personen vor Repressalien geschu¨ tzt sind. Die in Art. 21 Abs. 2 bis Abs. 8 EU-RL 2019/ 1937 vorgesehenen Maßnahmen müssen zwingend umgesetzt werden. Darüber hinaus kann der nationale Gesetzgeber weitere Maßnahmen zum Schutz vor Repressalien vorsehen. aa) Ausschluss der Haftung wegen der Informationsweitergabe (1) Vorgaben der EU-Richtlinie 2019/1937 Von grundlegender Bedeutung ist der in Art. 21 Abs. 2, 7 UAbs. 1 S. 1 EU-RL 2019/1937 vorgesehene Ausschluss der Haftung eines Hinweisgebers wegen der Weitergabe von Informationen durch seine Meldung oder Offenlegung. Hiermit ist die Regelung des Art. 21 Abs. 7 UAbs. 1 S. 2 EU-RL 2019/1937 eng verbunden, nach der den Personen des Art. 4 EU-RL 2019/1937 in einem Haftungsprozess ein Recht auf Klageabweisung zugesprochen wird. (a) Haftungsausschluss In Art. 21 Abs. 2 EU-RL 2019/1937 ist zum einen vorgesehen, dass die Weitergabe von Informationen über Verstöße durch eine zulässige Meldung bzw. Offenlegung nicht als Verletzung einer irgendwie gearteten Offenlegungsbeschränkung576 angesehen werden darf. Zum anderen muss jede Haftung anlässlich dieser Meldung oder Offenlegung ausgeschlossen sein. Der Begriff der Haftung ist weit zu verstehen. Wie sich aus Erwägungsgrund Nummer 91 ergibt, soll ein Whistleblower weder zivil-, straf- oder verwaltungsrechtlich noch in Bezug auf seine (bzw. ihre) Bescha¨ ftigung haftbar gemacht werden ko¨ nnen.577 Entsprechend ist, auch unter Berücksichtigung des Art. 21 Abs. 3 EU-RL 2019/1937, anzunehmen, dass eine etwaige Strafbarkeit wegen einer zulässigen Meldung oder Offenlegung ebenfalls ausgeschlossen werden muss.578 Die Regelung des Art. 21 Abs. 2 EU-RL 2019/1937 greift jedoch nur, wenn die Person einen hinreichenden Grund zu der Annahme hatte, dass die Meldung oder Offenlegung der Information notwendig war, um einen Verstoß gema¨ ß dieser Richtlinie aufzudecken. Zu dem Begriff des „hinreichenden Grunds zur Annahme“ kann auf die Ausführungen im Rahmen des Art. 6 Abs. 1 lit. a) EU-RL 2019/1937 verwiesen wer576 Vgl. auch Erwägungsgrund (91) zur RL 2019/1937, Amtsblatt der Europäischen Union, L 305/31. 577 Erwägungsgrund (91) zur RL 2019/1937, Amtsblatt der Europäischen Union, L 305/31. 578 Garden/Hiéramente, BB 2019, 963, 967; Gerdemann, NZA-Beilage 2020, 43, 49.
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den.579 Die Person muss somit gutgläubig annehmen, dass die Informationsweitergabe jedenfalls nützlich für die Aufdeckung oder Verhinderung eines Verstoßes ist.580 Völlig überflüssige Informationen, bei denen der Hinweisgeber auch keinen hinreichenden Grund zur Annahme hatte, dass sie notwendig für die Aufdeckung eines Verstoßes seien, können die Wirkung des Art. 21 Abs. 2 EU-RL 2019/1937 nicht begründen.581 Dies wird auch in Art. 21 Abs. 4 EU-RL 2019/1937 klargestellt.582 Art. 21 Abs. 7 UAbs. 1 S. 1 EU-RL 2019/1937 verweist ausdrücklich darauf, dass die Personen nach Art. 4 EU-RL 2019/1937 auch in einem Gerichtsverfahren, einschließlich privatrechtlicher, o¨ ffentlich-rechtlicher oder arbeitsrechtlicher Gerichtsverfahren wegen Verleumdung, Verletzung des Urheberrechts, Verletzung der Geheimhaltungspflicht, Verstoßes gegen Datenschutzvorschriften, Offenlegung von Gescha¨ ftsgeheimnissen sowie Schadensersatzverfahren, aufgrund von Meldungen oder von Offenlegungen im Einklang mit dieser Richtlinie in keiner Weise haftbar gemacht werden dürfen. Vor diesem Hintergrund kann zulässiges Whistleblowing als verfahrensübergreifender Rechtfertigungsgrund angesehen werden.583 (b) Verteidigung im Haftungsprozess Fraglich ist, welche Bedeutung Art. 21 Abs. 7 UAbs. 1 S. 2 EU-RL 2019/1937 hat. Der europäische Gesetzgeber hat vorgesehen, dass die Personen nach Art. 4 EURL 2019/1937 in einem Haftungsprozess (privatrechtliche, o¨ ffentlich-rechtliche und arbeitsrechtliche Gerichtsverfahren) das Recht haben, sich auf ihre Meldung oder Offenlegung zu berufen, um die Einstellung des Verfahrens zu erreichen.584 Wie auch im Rahmen des Art. 21 Abs. 2 EU-RL 2019/1937 wird dieses Recht daran angeknüpft, dass die betroffene Person einen hinreichenden Grund zu der Annahme gehabt haben muss, dass die Meldung oder Offenlegung notwendig war, um einen Verstoß gema¨ ß dieser Richtlinie aufzudecken. Mit dieser Regelung sollte dem Umstand Rechnung getragen werden, dass eine drohende gerichtliche Auseinandersetzung, selbst ohne Bezug zum beruflichen Kontext, abschreckende Wirkung für einen potentiellen Whistleblower entfalten könne.585
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Hierzu unter Teil 2 B. II. 2. a) bb). EuArbR/Fest, EU-RL 2019/366, Art. 21 Rn. 12; strenger wohl Garden/Hiéramente, BB 2019, 963, 967. 581 Erwägungsgrund (91) zur RL 2019/1937, Amtsblatt der Europäischen Union, L 305/31; so auch Garden/Hiéramente, BB 2019, 963, 967; Grimm/Singraven, ArbRB 2019, 241, 245. 582 Dies ergibt sich jedenfalls eindeutig aus der englischen Fassung der Richtlinie. Sowohl in Art. 21 Abs. 2 S. 2 EU-RL 2019/1937 als auch in Art. 21 Abs. 4 EU-RL 2019/1937 wird der Begriff „necessary“ verwendet. 583 Gerdemann, NZA-Beilage 2020, 43, 49. 584 Vgl. die englische Fassung des Art. 21 Abs. 7 UAbs. 1 S. 2 EU-RL 2019/1937. 585 Erwägungsgrund (97) zur RL 2019/1937, Amtsblatt der Europäischen Union, L 305/32. 580
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Teil 2: Schutz von Hinweisgebern
Für die Umsetzung des Art. 21 Abs. 7 UAbs. 1 S. 2 EU-RL 2019/1937 ist entscheidend, welchen konkreten Regelungsgehalt diese Richtlinienbestimmung hat. Unter Berücksichtigung des Erwägungsgrundes Nummer 97 könnte angenommen werden, dass Art. 21 Abs. 7 UAbs. 1 S. 2 EU-RL 2019/1937 Vorgaben zur Verteilung der Beweislast zu Gunsten der Personen nach Art. 4 EU-RL 2019/1937 enthält. In diesem Erwägungsgrund wird ausgeführt, dass in einem Haftungsprozess die Seite, die den Prozess angestrebt hat, den Beweis über die Unzulässigkeit der Meldung bzw. Offenlegung tragen muss.586 Für die Annahme einer vom europäischen Gesetzgeber vorgegebenen Beweisverteilung im Haftungsprozess würde zudem auch das Ziel der Regelung sprechen. Ohne diese Vorgabe würde kein umfassender Schutz in gerichtlichen Auseinandersetzungen587 geschaffen. Die Gegenseite könnte andernfalls ohne Schwierigkeiten Haftungsprozesse gegen Whistleblower anstreben, indem sie die Unzulässigkeit der Meldung oder Offenlegung behauptet.588 Die von dem europäischen Gesetzgeber getroffenen Erwägungen haben jedoch in keiner Weise Eingang in Art. 21 Abs. 7 UAbs. 1 EU-RL 2019/1937 gefunden. Der Wortlaut der Vorschrift gibt keinen Anlass für die Annahme einer solchen privilegierenden Beweisverteilung. Dies wird insbesondere im Vergleich zu der ausdrücklichen Formulierung der Beweislastumkehr in Art. 21 Abs. 5 EU-RL 2019/ 1937 deutlich. Es ist daher anzunehmen, dass Art. 21 Abs. 7 UAbs. 1 EU-RL 2019/1937 allein bestimmt, dass der betroffenen Person auf nationaler Ebene das Recht eingeräumt werden muss, sich zur Abweisung der Klage auf die Zulässigkeit ihrer Meldung bzw. Offenlegung berufen zu können. Den entsprechenden Nachweis muss, nach den Vorgaben des Art. 21 Abs. 7 UAbs. 1 EU-RL 2019/1937, aber auch sie und nicht die Gegenseite erbringen.589 Der Gegenseite wäre es andernfalls kaum möglich, den erforderlichen Beweis zu leisten, da sie in keiner Weise oder aber nur mit erheblichen Schwierigkeiten in Erfahrung bringen könnte, ob der Hinweisgeber die (subjektiven und objektiven) Schutzvoraussetzungen erfüllt hat. (2) Umsetzung auf nationaler Ebene Der nationale Gesetzgeber muss künftig ausschließen, dass ein Hinweisgeber wegen der Weitergabe von Informationen durch seine Meldung oder Offenlegung gegen eine Offenlegungsbeschränkung verstößt und er wegen seines hinweisgebenden Verhaltens haftbar gemacht wird. Eine Ausnahme gilt lediglich für die in Art. 3 Abs. 2, 3 EU-RL 2019/1397 genannten Personen. Insbesondere Berufsge586
Vgl. Erwägungsgrund (97) zur RL 2019/1937, Amtsblatt der Europäischen Union, L 305/32. 587 Vgl. Erwägungsgrund (97) zur RL 2019/1937, Amtsblatt der Europäischen Union, L 305/32. 588 So auch Dilling, CCZ 2019, 214, 219 f. 589 A. A. EuArbR/Fest, RL 2019/1937, Art. 21 Rn. 19.
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heimnisträger590 dürfen sich hinsichtlich ihrer Verschwiegenheitsverletzung nicht auf die Regelung des Art. 21 Abs. 2 EU-RL 2019/1937 berufen.591 Die Aufdeckung unternehmensinterner Missstände kann nach bisherigem Recht, in Abhängigkeit von der rechtlichen Position des Hinweisgebers, vertragliche Pflichten verletzen. Ein Arbeitnehmer ist gegenüber seinem Arbeitgeber zur Rücksichtnahme (§ 241 Abs. 2 BGB) verpflichtet. Die Meldung oder Offenlegung interner Verstöße kann insbesondere eine Verletzung der Verschwiegenheitspflicht, verankert in § 241 Abs. 2 BGB, begründen. In einer ähnlichen Situation befinden sich Organmitglieder. Auch sie unterliegen Verschwiegenheitspflichten, gegen die sie durch das Whistleblowing verstoßen können. Ein Vorstandsmitglied ist nach § 93 Abs. 1 S. 3 AktG und ein Aufsichtsratsmitglied nach § 116 S. 2 AktG, § 93 Abs. 1 S. 3 AktG zur Verschwiegenheit verpflichtet. Dasselbe gilt für einen Geschäftsführer. Wegen seiner organschaftlichen Treuepflicht muss er vertrauliche Informationen der Gesellschaft geheim halten.592 Bei Vorliegen einer Pflichtverletzung durch die Meldung oder Offenlegung von Verstößen können vertragliche Schadensersatzansprüche (§ 280 Abs. 1 BGB ggfs. i. V. m. § 241 Abs. 2 BGB) gegenüber Hinweisgebern entstehen. Daneben sieht das Deliktsrecht weitere Anspruchsgrundlagen vor, die insbesondere auch ohne vertragliche Beziehung zwischen Whistleblower und Unternehmen einschlägig sein können (insbesondere § 823 Abs. 1 BGB, ggfs. § 823 Abs. 2 BGB i. V. m. § 1 UWG, §§ 824, 826 BGB). Verletzt ein Organmitglied seine Verschwiegenheitspflicht, kann zudem ein Schadensersatzanspruch nach § 93 Abs. 2 AktG (i. V. m. § 116 AktG) und § 43 Abs. 2 GmbHG entstehen. Daneben kann das hinweisgebende Verhalten im Einzelfall eine Straftat darstellen. Es kommt beispielsweise eine Strafbarkeit593 nach § 404 AktG und § 85 GmbHG oder nach § 203 StGB in Betracht. Es muss de lege ferenda gewährleistet werden, dass die Annahme einer Pflichtverletzung, ungeachtet etwaiger Vereinbarungen oder einseitig auferlegter Vorgaben, und auch jede weitere Haftung, einschließlich einer Strafbarkeit, eines (schutzwürdigen) Hinweisgebers ausgeschlossen sind. Wegen des weiten persönlichen Anwendungsbereichs der Richtlinie und der Reichweite des Art. 21 Abs. 2, 7 UAbs. 1 S. 1 EU-RL 2019/1937 muss eine rechtsgebietsübergreifende (rechtfertigende) Regelung594 normiert werden, nach der die Informationsweitergabe im Rahmen einer zulässigen Meldung oder Offenlegung rechtmäßig ist und damit im Ergebnis jede Verantwortlichkeit ausgeschlossen wird, wenn die Weitergabe der Informationen zur Aufdeckung des Verstoßes notwendig war. 590
Vgl. auch Erwägungsgrund (27), (28) zur RL 2019/1937, Amtsblatt der Europäischen Union, L 305/22. 591 So auch Ullrich, WiJ 2019, 52, 53. 592 MüKo GmbHG/Fleischer, § 43 GmbHG Rn. 199. 593 § 23 GeschGehG wird durch Umsetzung des Art. 21 Abs. 7 UAbs. 2 EU-RL 2019/1937 ausgeschlossen. 594 So auch Colneric/Gerdemann, 74, 120.
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Teil 2: Schutz von Hinweisgebern
Die Beweislast über die Voraussetzungen der Zulässigkeit der Meldung bzw. Offenlegung und der Notwendigkeit der Informationsweitergabe für die Aufdeckung des Verstoßes in einem Haftungsprozess trägt der Hinweisgeber, der sich auf die in Frage stehende Regelung beruft. Die unionsrechtlichen Vorgaben sind in dem derzeitigen Gesetzesentwurf in § 34 Abs. 2 HinSchG-Entwurf umgesetzt. Die Formulierung des Art. 21 Abs. 2 EU-RL 2019/1937 wurde weitgehend übernommen. Wie auch an anderen Stellen in dem Gesetzesentwurf fehlt eine eindeutige inhaltliche Bestimmung, unter welchen Voraussetzungen der Hinweisgeber einen „hinreichenden Grund“ für seine Annahme – die Erforderlichkeit der Informationsweitergabe für die Aufdeckung des Verstoßes – hatte. Der Gesetzgeber sollte daher die nachstehende Vorschrift in den Gesetzestext übernehmen: Ein Hinweisgeber, der Informationen über Verstöße meldet oder offenlegt, handelt rechtmäßig, wenn diese Weitergabe der Informationen notwendig war, um einen Verstoß […] aufzudecken oder der Hinweisgeber dies im Zeitpunkt seiner Meldung oder Offenlegung gutgläubig annahm.
bb) Ausschluss der Haftung wegen der Informationsbeschaffung (1) Vorgaben der EU-Richtlinie 2019/1937 Darüber hinaus ergibt sich aus Art. 21 Abs. 3 EU-RL 2019/1937, dass Whistleblower künftig auch nicht fu¨ r die Beschaffung der oder den Zugriff auf Informationen, die gemeldet oder offengelegt wurden, haftbar gemacht werden dürfen, sofern die Beschaffung oder der Zugriff keine eigensta¨ ndige Straftat darstellt. Strafrechtlich relevantes Verhalten im Rahmen der Informationsbeschaffung wird überzeugender Weise von der Regelung nicht erfasst. (2) Umsetzung auf nationaler Ebene Der nationale Gesetzgeber muss de lege ferenda normieren, dass Vorgänge der Informationsbeschaffung, die gegen vertragliche oder sonstige Klauseln, gegen ziviloder verwaltungsrechtliche oder beschäftigungsbezogene Vorgaben verstoßen, künftig ebenfalls keine Haftung mehr begründen dürfen595. In dem aktuellen Gesetzesentwurf ist diese Regelung hinreichend in § 34 Abs. 1 HinSchG-Entwurf umgesetzt. Danach kann eine hinweisgebende Person nicht für die Beschaffung von oder den Zugriff auf Informationen, die sie gemeldet oder offengelegt hat, rechtlich verantwortlich gemacht werden, sofern die Beschaffung nicht als solche oder der Zugriff nicht als solcher eine Straftat darstellt.
595
Erwägungsgrund (92) zur RL 2019/1937, Amtsblatt der Europäischen Union, L 305/31.
C. Rechtlicher Schutz der Hinweisgeber
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cc) Ausschluss eines Verstoßes gegen das Geschäftsgeheimnisgesetz (1) Vorgaben der EU-Richtlinie 2019/1937 Daneben hat der europäische Gesetzgeber in Art. 21 Abs. 7 UAbs. 2 EU-RL 2019/1937 vorgesehen, dass die Meldung oder Offenlegung rechtma¨ ßig im Sinne von Art. 3 Abs. 2 der EU-Richtlinie 2016/943 sei, wenn eine Person Informationen u¨ ber Versto¨ ße, die Geschäftsgeheimnisse beinhalten, meldet oder offenlegt und hierbei die Bedingungen der Whistleblowing-Richtlinie erfu¨ llt. Beide Richtlinien sollen als ergänzend angesehen werden. Außerhalb der Vorgaben der Whistleblowing-Richtlinie soll es bei der Anwendbarkeit der Regelungen der EU-Richtlinie 2016/943 verbleiben.596 (2) Umsetzung auf nationaler Ebene Mit dem Geschäftsgeheimnisgesetz ist der nationale Gesetzgeber seiner Umsetzungspflicht aus der europäischen Richtlinie 2016/943 bereits nachgekommen. Durch die Whistleblowing-Richtlinie wird der Schutz des Hinweisgebers, der gleichzeitig auch Geschäftsgeheimnisse offenlegt, künftig erweitert. Sofern er die Voraussetzungen der Whistleblowing-Richtlinie oder die des § 5 Nr. 2 GeschGehG erfüllt, darf de lege ferenda kein Verstoß gegen die Verbote des § 4 GeschGehG angenommen werden. Um diesen Vorgaben der Whistleblowing-Richtlinie Rechnung zu tragen, kann die Zulässigkeit eines solchen Verhaltens über die Anwendung des § 3 Abs. 2 GeschGehG hergeleitet werden.597 Der Gesetzgeber hat hierfür zu normieren, dass eine Weitergabe oder eine Offenlegung von Geschäftsgeheimnissen rechtmäßig ist, wenn der Hinweisgeber zulässig Informationen gemeldet oder offengelegt hat und er zumindest gutgläubig annahm, dass diese Informationsweitergabe für die Aufdeckung des Verstoßes erforderlich598 war. Die Regelung muss sich auch auf die interne Meldung eines Hinweisgebers erstrecken. Eine verbotene Offenlegung nach § 4 Abs. 2 Nr. 1 GeschGehG kann bei der Weitergabe eines Geschäftsgeheimnisses an grundsätzlich jeden Dritten angenommen werden, sofern es sich nicht bereits um den Geheimnisinhaber oder eine Person handelt, die mit Willen des Geheimnisinhabers von dem Geheimnis Kenntnis hat.599 De lege ferenda können zwei Schutzvorschriften zu Gunsten eines Hinweisgebers, der Geschäftsgeheimnisse weitergibt, greifen – zum einen die Ausnahmeregelung des § 5 Nr. 2 GeschGehG und zum anderen § 3 Abs. 2 GeschGehG i. V. m. der Umsetzungsnorm zu Art. 21 Abs. 7 UAbs. 2 EU-RL 2019/1937. Der Anwendungsbereich beider Regelungen ist künftig nicht gleichlaufend. Auf § 3 Abs. 2 596
Erwägungsgrund (98) zur RL 2019/1937, Amtsblatt der Europäischen Union, L 305/32. Federmann/Racky/Kalb/Modrzyk, DB 2019, 1665, 1670; Garden/Hiéramente, BB 2019, 963, 967. 598 Erwägungsgrund (98) zur RL 2019/1937, Amtsblatt der Europäischen Union, L 305/32. 599 BeckOK GeschGehG/Hiéramente, § 4 Rn. 46. 597
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Teil 2: Schutz von Hinweisgebern
GeschGehG i. V. m. der Umsetzungsnorm kann sich ein Hinweisgeber de lege ferenda nur berufen, wenn er Geschäftsgeheimnisse gegenüber zuständigen internen oder externen Meldestellen oder der Allgemeinheit unter Beachtung der Voraussetzungen des künftigen speziellen Hinweisgeberschutzgesetzes weitergibt. Allein diese Handlung begründet dann keinen Verstoß gegen § 4 GeschGehG. Sowohl eine Erlangung oder Nutzung von Geschäftsgeheimnissen als auch eine Offenlegung von Geschäftsgeheimnissen gegenüber anderen als den genannten Stellen oder unter Missachtung der Schutzvoraussetzungen, die an den Hinweisgeber de lege ferenda gestellt werden, erlaubt § 3 Abs. 2 GeschGehG i. V. m. der nationalen Vorschrift zur Umsetzung des Art. 21 Abs. 7 UAbs. 2 EU-RL 2019/1937 nicht. In diesen Fällen verbleibt lediglich ein Rückgriff auf den Ausnahmetatbestand des § 5 Nr. 2 GeschGehG mit seinen teils weiter gefassten Voraussetzungen600. Den dargestellten Vorgaben genügt der derzeitige Referentenentwurf (§ 6 Abs. 1 HinSchG-Entwurf). In § 6 Abs. 1 HinSchG-Entwurf ist normiert: Beinhaltet eine interne oder eine externe Meldung oder eine Offenlegung ein Geschäftsgeheimnis im Sinne des § 2 Nr. 1 GeschGehG, so ist die Weitergabe des Geschäftsgeheimnisses an eine zuständige Meldestelle oder dessen Offenlegung erlaubt, sofern die hinweisgebende Person hinreichenden Grund zu der Annahme hatte, dass diese Weitergabe oder diese Offenlegung notwendig ist, um einen Verstoß aufzudecken. dd) Abhilfemaßnahmen gegen Repressalien (1) Vorgaben der EU-Richtlinie 2019/1937 Gemäß Art. 21 Abs. 6 EU-RL 2019/1937 muss den in Art. 4 EU-RL 2019/1937 genannten Personen Zugang zu geeigneten Abhilfemaßnahmen, einschließlich einstweiligem Rechtsschutz gegen Repressalien, eingeräumt werden. In Erwägungsgrund Nummer 94 ist dazu ausgeführt, dass Hinweisgeber, die sich einer Repressalie ausgesetzt sehen, Zugang zu Rechtsbehelfen haben sollen.601 Welcher Rechtsbehelf am besten geeignet ist, richte sich nach der Art der Repressalie.602 Der Begriff des Rechtsbehelfs ist im Lichte des Unionsrechts auszulegen und bezieht sich auf prozessuale Mittel603 und materielle Ansprüche.604 Von den möglichen Abhilfemaßnahmen ist der spezielle Fall der Gewährleistung eines Ersatzes für den aus einer Repressalie folgenden Schaden gemäß Art. 21 Abs. 8 EU-RL 2019/1937 zu trennen. Art. 21 Abs. 8 EU-RL 2019/1937 wurde im Trilogverfahren ausdrücklich durch eine eigenständige Regelung aufgenommen.605 600
Vgl. bspw. unter Teil 2 B. II. 1. b) bb) (4) (c) und Teil 2 B. II. 3. c) bb) (3). Erwägungsgrund (94) zur RL 2019/1937, Amtsblatt der Europäischen Union, L 305/32. 602 Erwägungsgrund (94) zur RL 2019/1937, Amtsblatt der Europäischen Union, L 305/32. 603 Auf die damit verbundenen Regelungsoptionen wird im Folgenden nicht eingegangen. Vgl. hierzu umfassend Colneric/Gerdemann, 120 ff. 604 EuArbR/Fest, EU-RL 2019/366, Art. 21 Rn. 43. 605 Vgl. EP-PE_TC1-COD (2018)0106, S. 92 f., 114. 601
C. Rechtlicher Schutz der Hinweisgeber
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(2) Umsetzung auf nationaler Ebene De lege ferenda müssen den in Art. 4 EU-RL 2019/1937 genannten Personen rechtliche Mittel zur Verfügung gestellt werden, damit sie gegen die ihnen gegenüber eingeleiteten Repressalien (Art. 19 EU-RL 2019/1937) im Einzelfall vorgehen können. Es muss auf nationaler Ebene somit insbesondere ein Anspruch vorgesehen werden, der auf die Beseitigung der andauernden benachteiligenden Maßnahme anlässlich des hinweisgebenden Verhaltens (Repressalie) gerichtet ist. Der Betroffene muss rechtlich geltend machen können, dass der für ihn nachteilige Zustand abgestellt wird. Um diese Vorgabe umzusetzen, ist ein allgemeiner Beseitigungsanspruch zu normieren. Es können dadurch sowohl rechtliche als auch tatsächliche Nachteile beseitigt werden. Weitere Nachteile, die aus dem Verstoß gegen das Repressalienverbot für den Betroffenen folgen, können de lege ferenda dagegen durch einen Schadensersatzanspruch (Umsetzung des Art. 21 Abs. 8 EU-RL 2019/1937606) beseitigt werden. Der Anspruch auf Beseitigung ist um einen Unterlassungsanspruch zu ergänzen.607 Dies gebietet das Erfordernis eines wirksamen Schutzes der Hinweisgeber vor Repressalien. Der Unterlassungsanspruch ermöglicht es dem Betroffenen, auch drohende, sich wiederholende oder erstmalige Nachteile von vornherein zu verhindern. Der aktuelle Gesetzesentwurf sieht, entgegen der unionsrechtlichen Vorgaben und zu Lasten des wirksamen Hinweisgeberschutzes, keine Regelung eines Beseitigungs- und Unterlassungsanspruchs vor. Es bedarf daher einer zusätzlichen Vorschrift: (1) Der Hinweisgeber kann bei einem Verstoß gegen das Repressalienverbot die Beseitigung des Nachteils von dem Verursacher der Repressalie verlangen. (2) Ist eine Repressalie zu besorgen, besteht ein Anspruch auf Unterlassung. (3) Absatz 1 und 2 gelten unbeschadet weiterer Ansprüche auf Beseitigung und Unterlassung.
Problematisch ist jedoch, dass, insbesondere im Fall eines hinweisgebenden Bewerbers (Art. 4 Abs. 3 EU-RL 2019/1937), der Beseitigungsanspruch auch dazu führen könnte, dass der Hinweisgeber einen Anspruch auf Einstellung geltend machen kann, die ihm wegen der Meldung oder Offenlegung etwaiger Rechtsverstöße verweigert wurde. Ein Beseitigungsanspruch ist auf die rechtliche oder tatsächliche Beseitigung der Störung für die Zukunft gerichtet.608
606
Hierzu unter Teil 2 C. II. 1. b) ee). Hierauf als Umsetzungsoption zu Art. 21 Abs. 6 EU-RL 2019/1937 ebenfalls verweisend MAH ArbR/Dendorfer-Ditges, § 35 Rn. 138. 608 Zu § 21 AGG Däubler/Bertzbach/Deinert, AGG § 21 Rn. 27 f. m. w. N. 607
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Teil 2: Schutz von Hinweisgebern
Liegt die Störung in der Weigerung, einen Vertrag abzuschließen, kann der Beseitigungsanspruch auf Begründung dieses Vertrages gerichtet sein, da hierdurch im Ergebnis die Störung unmittelbar beseitigt wird.609 Die Störung, hier die nachteilige Behandlung durch Verweigerung des Vertragsabschlusses, besteht so lange, bis der Vertrag abgeschlossen wird.610 Um diese Störung zu beseitigen, muss somit der verweigerte Vertrag abgeschlossen werden – die gegenteilige Rechtshandlung („actus contrarius“) zu der Verweigerung des Vertragsabschlusses (als verbotene Repressalie) ist die Begründung des vertraglichen Verhältnisses.611 Der Beseitigungsanspruch kann damit in einem Kontrahierungszwang münden.612 Fraglich ist, ob die Umsetzungsnorm zu Art. 21 Abs. 6 EU-RL 2019/1937 zum Schutz der unternehmerischen Interessen dahingehend einzuschränken ist, dass ein Anspruch auf Begründung eines Vertragsverhältnisses bei einem Verstoß gegen das Repressalienverbot nicht entsteht. Die unionsrechtlichen Vorgaben stehen dieser Einschränkung nicht entgegen. Zwar müssen auch Hinweisgeber im vorvertraglichen Bereich vor Repressalien geschützt werden.613 Ausweislich des Art. 21 Abs. 6 EU-RL 2019/1937 muss ihnen jedoch bloß der Zugang zu geeigneten Abhilfemaßnahmen gegen Repressalien eingeräumt werden. Den Mitgliedstaaten wird hinsichtlich der Wahl des Mittels Gestaltungsspielraum eingeräumt („geeignete“ Abhilfemaßnahmen). Sie sind lediglich dazu verpflichtet, wirksame Mittel gegen Repressalien vorzusehen.614 Die konkrete Ausgestaltung bleibt im Übrigen den Mitgliedstaaten überlassen.615 Für die konkrete Umsetzung auf nationaler Ebene ist somit allein entscheidend, ob die Rechtsposition der betroffenen Unternehmen ohne eine solche einschränkende Vorgabe unverhältnismäßig beeinträchtigt würde und diese daher zwingend geboten ist. Bei der Ausübung des durch Art. 21 Abs. 6 EU-RL 2019/1937 einge609
Zu § 21 AGG Däubler/Bertzbach/Deinert, AGG § 21 Rn. 28. Zu § 21 AGG Däubler/Bertzbach/Deinert, AGG § 21 Rn. 28. 611 Vgl. zu § 21 AGG auch MüKo/Thüsing, Kommentar zum BGB, § 21 AGG Rn. 17. 612 Zu § 21 AGG Däubler/Bertzbach/Deinert, AGG § 21 Rn. 28 m. w. N.; MüKo/Thüsing, Kommentar zum BGB, § 21 AGG Rn. 17 m. w. N. 613 Hierzu unter Teil 2 C. II. 1. a) aa) (1) (a) (aa). 614 Vgl. auch Erwägungsgrund (94), (95) zur RL 2019/1937, Amtsblatt der Europäischen Union, L 305/32. 615 Vgl. auch zu Art. 6 RL 76/207/EWG EuGH, Urteil vom 10. 04. 1984 – C 14/83, AP BGB § 611a Nr. 1: „Art. 6 verpflichtet die Mitgliedstaaten zum Erlaß der innerstaatl. Rechtsvorschriften, die notwendig sind, damit jeder, der sich durch eine Diskriminierung für beschwert hält, seine Rechte gerichtl. geltend machen kann‘. Aus dieser Bestimmung folgt, daß die Mitgliedstaaten verpflichtet sind, Maßnahmen zu ergreifen, die hinreichend wirksam sind, um das Ziel der Richtlinie zu erreichen, und dafür Sorge zu tragen, daß die Betroffenen sich vor den nationalen Gerichten tatsächl. auf diese Maßnahmen berufen können. […] Allerdings schreibt die Richtlinie keine bestimmte Sanktion vor, sondern beläßt den Mitgliedstaaten die Freiheit der Wahl unter den verschiedenen, zur Verwirklichung ihrer Zielsetzung geeigneten Lösungen. […] die Richtlinie 76/207 [schreibt] nicht [vor], […] den Arbeitgeber […] zum Abschluß eines Arbeitsvertrags […] zu verpflichten.“. 610
C. Rechtlicher Schutz der Hinweisgeber
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räumten Gestaltungsspielraums muss insbesondere der Privatautonomie der Unternehmen (Art. 12 Abs. 1 GG, Art. 16 GRCh) Rechnung getragen werden. Durch einen uneingeschränkten Beseitigungsanspruch besteht das Risiko, dass die betroffenen Unternehmen, bei Vorliegen einer verbotenen Repressalie, einem Kontrahierungszwang ausgesetzt würden. Sie müssten mit schutzwürdigen (gutgläubigen) Hinweisgebern (Arbeitnehmern, Lieferanten616 etc.) im Einzelfall eine dauerhafte vertragliche Bindung eingehen. Insbesondere im Fall eines Stellenbewerbers würde dem Unternehmen eine nicht gewollte und besonders enge vertragliche Beziehung aufgezwungen. Sofern Whistleblowern de lege ferenda neben dem Beseitigungsanspruch weitere Kompensationsmöglichkeiten (bspw. Schadensersatz) eingeräumt werden, kann das Erfordernis ihres Schutzes die schwerwiegende Beeinträchtigung nicht rechtfertigen. Die aufgezwungene vertragliche Bindung wäre für den Schutz der Whistleblower zur Förderung der Rechtsdurchsetzung nicht erforderlich. Der Gesetzgeber muss den Beseitigungs- und Unterlassungsanspruch folglich dahingehend einschränken, dass ein Anspruch auf eine Begründung eines vertraglichen Verhältnisses nicht entsteht. Dasselbe sollte für eine etwaige Beförderung gelten. Hierfür sprechen auch rechtspolitische Gründe. Mit der Annahme eines solchen Kontrahierungszwangs würde Unternehmen künftig im Einzelfall ein unliebsamer Vertragspartner aufgezwungen. Bedingt durch das vorausgegangene hinweisgebende Verhalten kann das Vertrauensverhältnis zwischen den Parteien von vornherein schwerwiegend gestört sein. Ein reibungsfreier Umgang miteinander wird regelmäßig nicht mehr möglich sein. Dieser Zustand wird meist weder dem Interesse des betroffenen Unternehmens, noch dem des (gutgläubigen und redlichen) Whistleblowers entsprechen. Der Beseitigungs- und Unterlassungsanspruch ist somit zwingend durch die folgende Regelung zu ergänzen: Ein Verstoß gegen das Verbot von Repressalien begründet keinen Anspruch auf Begründung eines Beschäftigungsverhältnisses, eines Berufsausbildungsverhältnisses oder eines anderen Vertragsverhältnisses oder auf einen beruflichen Aufstieg.
ee) Schadensersatzanspruch (1) Vorgaben der EU-Richtlinie 2019/1937 Die Mitgliedstaaten müssen zudem gemäß Art. 21 Abs. 8 EU-RL 2019/1937 die erforderlichen Maßnahmen ergreifen, um sicherzustellen, dass Rechtsbehelfe und eine vollsta¨ ndige Wiedergutmachung des erlittenen Schadens fu¨ r die genannten Personen entsprechend dem nationalen Recht vorgesehen sind. Sie müssen gewährleisten, dass der Schaden tatsa¨ chlich und wirksam ausgeglichen oder ersetzt wird, und zwar auf eine Art und Weise, die dem erlittenen Schaden angemessen und 616 Der unionsrechtlich determinierte persönliche Anwendungsbereich wird in zeitlicher Hinsicht de lege ferenda auf sämtliche Personen des Art. 4 Abs. 1 EU-RL 2019/1937 ausgedehnt, vgl. hierzu unter Teil 2 A. II. 2. b) bb).
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Teil 2: Schutz von Hinweisgebern
abschreckend ist.617 Es sind nach den Vorgaben der EU-Richtlinie 2019/1937 sowohl eingetretene als auch künftige finanzielle Verluste, einschließlich Gehaltsausfällen, durch einen Arbeitsplatzwechsel veranlasste Kosten, sonstiger wirtschaftlicher Schäden wie Rechtsschutzkosten, Kosten für medizinische Behandlung und immaterieller Schäden wie Schmerzensgeld, dem von einer Repressalie Betroffenem zu ersetzen.618 Mit der Normierung eines Schadensersatzanspruches gegenüber den Verantwortlichen einer Repressalie wird die Wirkung des Art. 19 EU-RL 2019/1937 verstärkt.619 Fraglich ist, ob der Anspruch auf Schadensersatz von einem Verschulden des Verantwortlichen abhängig gemacht werden darf. Anhaltspunkte dafür, dass das Verschulden für die Begründung eines Anspruchs erforderlich ist, bietet die Richtlinie nicht. Art. 21 Abs. 8 EU-RL 2019/1937 stellt gerade nicht auf ein etwaiges Verschulden des Verantwortlichen ab. Gegen eine Berücksichtigung des Verschuldens sprechen auch die Erwägungsgründe. Es soll auf nationaler Ebene sichergestellt werden, dass der Schaden „tatsa¨ chlich“ und „wirksam“ ausgeglichen oder ersetzt wird und dies auf eine Art und Weise, die dem erlittenen Schaden „angemessen“ und „abschreckend“ ist.620 Der europäische Gesetzgeber hat damit begrifflich eine Parallele zu diskriminierungsrechtlichen Vorschriften (bspw. Art. 8 Abs. 2 RL 2004/113/EG, Art. 15 RL 2000/43/ EG) gezogen, die wiederum auf die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs zu der diskriminierungsrechtlichen Richtlinie 76/207/EWG zurückgehen.621 Der Gerichtshof hat wiederholt angenommen, dass ein Entschädigungsanspruch wegen einer Diskriminierung nicht von dem Verschulden abhängig gemacht werden darf.622 Der Europäische Gerichtshof hat ausgeführt, dass eine Sanktion für Verstöße gegen das Diskriminierungsverbot geeignet sein muss, „einen tatsächlichen und wirksamen Rechtsschutz zu gewährleisten“ und „eine wirklich abschreckende Wirkung“ haben muss.623 Auch ein zivilrechtliches Haftungssystem kann nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs eine ausreichende Sanktion für Verstöße gegen den Grundsatz der Gleichbehandlung sein.624 Nach der Auffassung des Gerichtshofs wird die praktische Wirksamkeit der genannten Grundsätze jedoch erheblich beeinträchtigt, sofern diese Haftung von einem Verschuldensnachweis abhängig gemacht wird.625 Der Europäische Gerichtshof führte insofern aus, dass 617
Erwägungsgrund (95) zur RL 2019/1937, Amtsblatt der Europäischen Union, L 305/32. Erwägungsgrund (94) zur RL 2019/1937, Amtsblatt der Europäischen Union, L 305/32. 619 Erwägungsgrund (84) zur RL 2019/1937, Amtsblatt der Europäischen Union, L 305/30. 620 Erwägungsgrund (95) zur RL 2019/1937, Amtsblatt der Europäischen Union, L 305/32. 621 Colneric/Gerdemann, 110; Schmitt, NZA-Beilage 2020, 50, 57. 622 EuGH, Urteil vom 8. 11. 1990 – C-177/88, NJW 1991, 628, 629 (Dekker); EuGH, Urteil vom 22. 4. 1997 – C-180/95 (Draehmpaehl), NJW 1997, 1839, 1840. 623 EuGH, Urteil vom 8. 11. 1990 – C-177/88, NJW 1991, 628, 629 (Dekker). 624 EuGH, Urteil vom 8. 11. 1990 – C-177/88, NJW 1991, 628, 629 (Dekker). 625 EuGH, Urteil vom 8. 11. 1990 – C-177/88, NJW 1991, 628, 629 (Dekker). 618
C. Rechtlicher Schutz der Hinweisgeber
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„jeder Verstoß gegen das Diskriminierungsverbot für sich genommen ausreichen muß, um die volle Haftung seines Urhebers auszulösen, ohne daß die im nationalen Recht vorgesehenen Rechtfertigungsgründe berücksichtigt werden können.“626 Fraglich ist, welche inhaltliche Bedeutung dieser Rechtsprechung zugesprochen werden muss. Diese Frage wird de lege lata im Anwendungsbereich der §§ 15, 21 AGG in juristischer Literatur und Rechtsprechung umfassend diskutiert und uneinheitlich beantwortet. Nach §§ 15, 21 AGG kann eine benachteiligte Person bei einem Verstoß gegen das Benachteiligungsverbot des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes einen Anspruch auf Schadensersatz und Entschädigung geltend machen. Gemäß § 15 Abs. 1 S. 1 und § 21 Abs. 2 S. 1 AGG kann eine benachteiligte Person Ersatz für den (materiellen) Schaden, der ihr durch den Verstoß gegen das Benachteiligungsverbot entstanden ist, verlangen. Der Anspruch besteht jedoch nicht, wenn der Benachteiligende die Pflichtverletzung nicht zu vertreten hat (vgl. §§ 15 Abs. 1 S. 2, 21 Abs. 2 S. 2 AGG). Überdies steht der benachteiligten Person ausweislich §§ 15 Abs. 2 S. 1, 21 Abs. 2 S. 3 AGG ein verschuldensunabhängiger Anspruch auf Entschädigung wegen immaterieller Schäden zu. Unter Berücksichtigung der dargestellten Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs nimmt die überwiegende Ansicht in der juristischen Literatur an, dass das Verschuldenserfordernis im Rahmen der Schadensersatzansprüche nach §§ 15 Abs. 1, 21 Abs. 2 S. 1, 2 AGG mit dem Unionsrecht unvereinbar und damit unionsrechtswidrig ist.627 Der Anspruch auf Ersatz der materiellen Schäden dürfe gerade nicht von einem Verschulden abhängig gemacht werden.628 Das Bundesarbeitsgericht hat diese Frage bisher ausdrücklich offen gelassen.629 Demgegenüber geht das Bundesverwaltungsgericht davon aus, dass das Verschuldenserfordernis mit den Vorgaben des Unionsrechts vereinbar ist. Es hat dazu Folgendes ausgeführt: „Das Verschuldenserfordernis ist […] mit den Vorgaben des Rechts der Europäischen Union vereinbar. Art. 17 der Richtlinie schreibt keine bestimmten Sanktionen vor. Festgelegt ist lediglich, dass die Sanktionen wirksam, verhältnismäßig und abschreckend sein müssen. Diesen Anforderungen genügt das nationale Recht, das in § 15 AGG ein abgestuftes Sanktionssystem etabliert […]. Nach § 15 II AGG werden Entschädigungsansprüche verschuldensunabhängig gewährt. Damit ist sichergestellt, dass ein Verstoß gegen das Benachteiligungsverbot auch im Falle fehlenden Verschuldens nicht sanktionslos bleibt. […] Das Haftungsmodell des § 15 AGG differenziert […]. Während der Arbeitgeber sich im Falle eines Verstoßes gegen das Benachteiligungsverbot einer Entschädigungszahlung nicht entziehen kann, wird die 626
EuGH, Urteil vom 8. 11. 1990 – C-177/88, NJW 1991, 628, 629 (Dekker). Däubler/Bertzbach/Deinert, AGG § 15 Rn. 31, § 21 Rn. 44; BeckOK ArbR/Roloff, § 15 AGG Rn. 2 f.; Stoffels, RdA 2009, 204, 211; MüKo/Thüsing, Kommentar zum BGB, § 15 Rn. 24 m. w. N.; Boecken/Düwell/Diller/Hanau/von Steinau-Steinrück/Schneider, Gesamtes Arbeitsrecht, § 15 AGG, Rn. 4. 628 Däubler/Bertzbach/Deinert, AGG § 15 Rn. 44; ErfK/Schlachter, ArbR, § 15 AGG Rn. 1. 629 BAG, Urteil vom 18. 5. 2017 – 8 AZR 74/16, NZA 2017, 1530, 1537. 627
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Teil 2: Schutz von Hinweisgebern
Verpflichtung zum Ersatz des materiellen Schadens – der erheblich höhere Beträge umfassen kann – an das hierfür im deutschen Schadensrecht generell erforderliche Vertretenmüssen […] gebunden. Diese Abstufung entspricht dem Gebot der Verhältnismäßigkeit […].“630 Auch in der juristischen Literatur finden sich Stimmen, die diese Ansicht teilen. Wegen des verschuldensunabhängigen Anspruchs auf Ersatz immaterieller Schäden sei eine ausreichende Sanktion für Verstöße gegen das Benachteiligungsverbot gegeben; der Anspruch auf Ersatz materieller Schäden müsse daneben nicht noch zusätzlich als verschuldensunabhängiger Anspruch ausgestaltet sein.631 Diese Argumentation kann jedoch nicht überzeugen. Regelmäßig ist der materielle Schaden erheblich, wenn nicht sogar weitaus höher als der immaterielle Schaden der benachteiligten Person.632 Ein effektiver Schutz der benachteiligten Personen vor Diskriminierungen, wie von der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs gefordert, gewährleistet durch einen vollständigen Ausgleich der erlittenen Einbußen, kann daher nicht erreicht werden, wenn der Anspruch auf Ersatz der materiellen Schäden von einem Verschuldenserfordernis abhängig gemacht wird.633 Es wird kein wirksamer Ausgleich für materielle Schäden, regelmäßig gerade der besonders belastende Schadensposten, geschaffen.634 Der wirksame Schutz vor Diskriminierungen verbietet einen Schadensersatzanspruch, der von einem Verschulden abhängig gemacht wird. Dieses Ergebnis ist auf die Whistleblowing-Richtlinie zu übertragen. Dies folgt nicht nur aus der dargestellten terminologischen Parallele zwischen EU-Richtlinie 2019/1937 und der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs. Es muss zusätzlich berücksichtigt werden, dass auch die Whistleblowing-Richtlinie einen antidiskriminierungsrechtlichen Charakter aufweist.635 Whistleblower sollen vor einer Benachteiligung wegen ihres hinweisgebenden Verhaltens geschützt werden. Der effektive Schutz der Hinweisgeber verlangt, dass sie de lege ferenda sämtliche Schäden, resultierend aus Repressalien, unabhängig von einem Verschuldensnachweis und damit vollständig ersetzt bekommen. Im Anwendungsbereich der Whistleblowing-Richtlinie ist den Personen im Sinne des Art. 4 EU-RL 2019/1937 ein verschuldensunabhängiger Schadensersatzanspruch einzuräumen.636 Aus dem Wortlaut der Vorschrift und dem Erwägungsgrund Nummer 94 (der Schaden soll „tatsächlich und wirksam“ ausgeglichen werden)637 folgt zudem, dass der zu ersetzende Schaden sich nach den konkreten Umständen des Einzelfalls richten muss und ein Pauschalisieren unzulässig ist. Dies bestätigt sich auch mit 630 631 632 633 634 635 636 637
BVerwG, Urteil vom 25.7 2013 – 2 C 12/11, NVwZ 2014, 300, 304 f. Bauer/Evers, NZA 2006, 893, 893; Walker, NZA 2009, 5, 6. So auch Stoffels, RdA 2009, 204, 211. Däubler/Bertzbach/Deinert, AGG § 15 Rn. 31; Stoffels, RdA 2009, 204, 211. BeckOK ArbR/Roloff, § 15 AGG Rn. 3. Wohl auch Colneric/Gerdemann, 21, 110, 165, 172, 178, 179. Im Ergebnis auch EuArbR/Fest, EU-RL 2019/366, Art. 19 Rn. 38. Erwägungsgrund (94) zur RL 2019/1937, Amtsblatt der Europäischen Union, L 305/32.
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Blick auf die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs638, nach der bei vorgesehenen festen Schadenshöchstgrenzen im Rahmen eines Entschädigungsanspruchs dem Erfordernis eines „tatsächlichen und wirksamen Rechtsschutzes und einer wirklich abschreckenden Wirkung“ unzureichend Rechnung getragen würde.639 Die Normierung eines Schadensersatzanspruches soll gerade diesem Ziel – dem Rechtsschutz vor Repressalien640 und der Abschreckung vor der Einleitung von Repressalien641 – dienen. (2) Umsetzung auf nationaler Ebene Von Bedeutung ist, ob der nationale Gesetzgeber zur Umsetzung des Art. 21 Abs. 8 EU-RL 2019/1937 ausschließlich auf das nationale Schadensersatzrecht642 verweisen kann oder vielmehr eine eigenständige spezielle Regelung normieren muss. Der Verweis auf bestehende nationale Vorschriften würde, insbesondere für juristische Laien, zu einer unübersichtlichen Rechtslage führen. Der Gesetzgeber muss jedoch gerade dafür Sorge tragen, dass die Umsetzung einer Richtlinie derart bestimmt, klar und transparent643 ist, dass einzelnen Personen die Kenntnis und auch Durchsetzung ihrer Rechtsposition ermöglicht wird644. Ob dies durch einen bloßen Verweis hinreichend gewährleistet wird, muss zumindest angezweifelt werden. Erschwerend ist zu berücksichtigen, dass es sich nach den Vorgaben des Unionsrechts verbietet, den Anspruch auf Schadensersatz von einem etwaigen Verschulden abhängig zu machen. Die Anwendung des §§ 280 ff., 823 ff. BGB wäre, zu Lasten einer transparenten Rechtslage, ohne eine einschränkende Auslegung somit nicht möglich. Eine solche Umsetzung wäre der Rechtsklarheit und damit auch dem Whistleblower-Schutz zur Förderung hinweisgebenden Verhaltens zu Lasten der Förderung der Rechtsdurchsetzung („effet utile“) abträglich. Aus diesem Grund ist eine spezielle Regelung zu erlassen.645 Auf diese Regelung können dann die §§ 249 ff. BGB Anwendung finden, über die aus einer Repressalie folgende Schäden ersetzt werden müssen. Der nationale Gesetzgeber muss neben einem Anspruch auf Ersatz materieller Schäden auch einen 638
EuGH, Urteil vom 22. 4. 1997 – C-180/95 (Draehmpaehl), NJW 1997, 1839, 1841. EuArbR/Fest, EU-RL 2019/366, Art. 21 Rn. 39; a. A. Garden/Hiéramente, BB 2019, 963, 967. 640 Erwägungsgrund (96) zur RL 2019/1937, Amtsblatt der Europäischen Union, L 305/32. 641 Erwägungsgrund (88) zur RL 2019/1937, Amtsblatt der Europäischen Union, L 305/30. 642 Insbesondere §§ 280 ff., 823 ff. BGB. 643 Hierauf verweisend auch Schmitt, NZA-Beilage 2020, 50, 57. 644 EuGH, Urteil vom 23. 5. 1985 – C-29/84 (Kommission/Deutschland), CelexNr. 61984CJ0029, Rn. 28; EuGH, Urteil vom 9. 9. 1999 – C-217/97 (Kommission/Deutschland), EuZW 1999, 763, 765. 645 Im Ergebnis auch Colneric/Gerdemann, 116 f.; EuArbR/Fest, EU-RL 2019/366, Art. 21 Rn. 46. 639
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Teil 2: Schutz von Hinweisgebern
solchen für den Ersatz immaterieller Schäden vorsehen. Da Art. 21 Abs. 8 EU-RL 2019/1937 den Anspruch auf Ersatz immaterieller Schäden nicht von der Verletzung einzelner absoluter Rechte abhängig macht, kann nicht ausschließlich auf § 253 Abs. 2 BGB oder auf eine Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts (§ 253 Abs. 1 BGB) verwiesen werden.646 Über den speziellen Schadensersatzanspruch können, im Vergleich zu dem Beseitigungsanspruch, insbesondere auch Folgeschäden, resultierend aus der Repressalie, geltend gemacht werden. Der Anspruch auf Schadensersatz ist jedoch, wie auch der Beseitigungs- und Unterlassungsanspruch, einzuschränken: Ein Anspruch auf Beförderung oder Begründung eines Vertragsverhältnisses darf nicht entstehen. Dies ist, wie sich aus Art. 21 Abs. 8 EU-RL 2019/1937 („erforderliche“ Maßnahmen) ergibt, auch unionsrechtlich zulässig.647 In § 36 Abs. 1 HinSchG-Entwurf ist richtigerweise ein verschuldensunabhängiger Schadensersatzanspruch normiert. Zutreffend und überzeugend ist zudem die in § 36 Abs. 2 HinSchG-Entwurf vorgesehene Einschränkung, nach der kein Anspruch auf Begründung eines Vertragsverhältnisses oder auf einen beruflichen Aufstieg bei dem Vorliegen eines Verstoßes gegen das Repressalienverbot entsteht. Entgegen der Vorgaben der Richtlinie sieht die Vorschrift jedoch keinen umfassenden Anspruch auf Ersatz immaterieller Schäden vor. An dieser Stelle ist der Gesetzgeber wegen der zwingenden unionsrechtlichen Vorgaben zur Nachbesserung verpflichtet. Es ist zur Umsetzung der EU-Richtlinie 2019/1937 daher zu regeln: (1) Der Verursacher der Repressalie ist zum Ersatz des dem Hinweisgeber aus der Repressalie entstandenen Schadens verpflichtet. Wegen eines Schadens, der nicht Vermögensschaden ist, kann der Hinweisgeber eine angemessene Entschädigung in Geld verlangen. (2) § 14 Absatz 3648 gilt entsprechend.
2. Ausschluss wegen des Einwands des Rechtsmissbrauchs Fraglich ist, ob ein Rückgriff auf den Einwand des rechtsmissbräuchlichen Verhaltens nach § 242 BGB den Schutzanspruch eines Whistleblowers künftig im Einzelfall noch ausschließen kann.649 Die Ausübung gesetzlicher oder vertraglicher Rechte kann gegen Treu und Glauben verstoßen, wenn kein berechtigtes, mithin 646
Gerdemann, ZRP 2021, 37, 39; im Ergebnis auch Dilling, CCZ 2021, 60, 65. Vgl. zu dieser Problematik im Rahmen des Beseitigungs- und Unterlassungsanspruchs unter Teil 2 C. II. 1. b) dd) (2). 648 „Ein Verstoß gegen das Verbot von Repressalien begründet keinen Anspruch auf Begründung eines Beschäftigungsverhältnisses, eines Berufsausbildungsverhältnisses oder eines anderen Vertragsverhältnisses oder auf einen beruflichen Aufstieg.“, vgl. hierzu umfassend unter Teil 2 C. II. 1. b) dd) (2). 649 Hierzu auch Garden/Hiéramente, BB 2019, 963, 967; Gerdemann, RdA 2019, 16, 23; Grimm/Singraven, ArbRB 2019, 241, 245; Schmitt, NZA-Beilage 2020, 50, 56. 647
C. Rechtlicher Schutz der Hinweisgeber
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rechtlich anzuerkennendes Interesse an dem beabsichtigten Ergebnis besteht.650 Darlegungs- und beweislastpflichtig ist derjenige, der sich auf das Rechtshindernis beruft.651 Jedenfalls in solchen Fällen, in denen ein Hinweisgeber ausschließlich aus verwerflichen Motiven (bspw. Schädigungsabsicht) handelt, besteht grundsätzlich kein Grund, ihm dennoch den besonderen, umfassenden Schutz der Richtlinie zuzubilligen, sodass ein Rückgriff auf § 242 BGB möglich erscheint.652 Bedenken an der Anwendung der Vorschrift auf den Whistleblower-Schutz bestehen jedoch insoweit, als dass die Frage der Schutzwürdigkeit eines Hinweisgebers nach den Vorgaben der Richtlinie ohne Berücksichtigung seiner Handlungsmotive beurteilt wird. Allein durch das Kriterium der Gutgläubigkeit sollen missbräuchliche und böswillige Meldungen „herausgefiltert“ werden.653 Da jedoch die Gutgläubigkeit nicht zwingend jedes verwerfliche Motiv (bspw. Schädigungsabsicht) ausschließt, verbleibt weiterhin Raum für Fälle, in denen der Hinweisgeber ausschließlich solche Motive verfolgt und gleichzeitig die Schutzvoraussetzungen erfüllt.654 Ein Whistleblower könnte de lege ferenda, nach Umsetzung der unionsrechtlichen Vorgaben, gezielt Nachteile für die Gegenseite durch die Meldung oder Offenlegung (vermeintlicher) Verstöße verursachen.655 Wegen seines anzuerkennenden Schutzanspruchs dürfte die Gegenseite ihre berechtigte Interessenposition jedoch nicht geltend machen. Gleichzeitig besteht wegen der verwerflichen Beweggründe in diesem Fall auch kein oder jedenfalls nur ein geringes anerkennenswertes Schutzinteresse des Whistleblowers. Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte hatte ähnlich bereits angenommen, dass bei verwerflichen Motiven dem Hinweisgeber kein „besonders starker Schutz“ zuzubilligen sei.656 Vor diesem Hintergrund – die Wertungen des Gerichtshofs sind mittelbar im Rahmen der Auslegung der Richtlinie zu berücksichtigen – überzeugt es, dass die Motive eines Hinweisgebers zumindest „zweitrangig“, durch Anwendung des § 242 BGB in die rechtliche Bewertung des Whistleblowings einbezogen werden dürfen.657
650
BGH, Urteil vom 4. 3. 1993 – IX ZR 151/92, NJW 1993, 2041, 2043. BAG, Urteil vom 11. 8. 2016 – 8 AZR 4/15, NJW 2017, 1409, 1413; BAG, Beschluss vom 18. 6. 2015 – 8 AZR 848/13, NZA 2015, 1063, 1066. 652 Im Ergebnis auch Garden/Hiéramente, BB 2019, 963, 967; Gerdemann, RdA 2019, 16, 23; Grimm/Singraven, ArbRB 2019, 241, 245; Schmitt, NZA-Beilage 2020, 50, 56. 653 Vgl. Erwägungsgrund (32) zur RL 2019/1937, Amtsblatt der Europäischen Union, L 305/23. 654 Garden/Hiéramente, BB 2019, 963, 967; Gerdemann, RdA 2019, 16, 23; Schmitt, NZABeilage 2020, 50, 56. 655 So auch Szesny, BB 2019, Heft 16 – 17 Umschlagteil I Erste Seite. 656 EGMR, Urteil vom 21. 7. 2011 – 28274/08 (Heinisch), NZA 2011, 1269, 1271; so auch bereits EGMR, Urteil vom 12. 2. 2008 – 14277/04 (Guja), BeckRS 2011, 77277 Rn. 77. 657 Ähnlich Garden/Hiéramente, BB 2019, 963, 967. 651
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Teil 2: Schutz von Hinweisgebern
Dieses Vorgehen begründet auch im Übrigen, mit Blick auf die ständige Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs zu der Zulässigkeit des Einwands rechtsmissbräuchlichen Verhaltens, keine unionsrechtlichen Bedenken. Auch der Gerichtshof geht davon aus, dass sich niemand in betrügerischer oder missbräuchlicher Weise auf das Unionsrecht berufen darf.658 Voraussetzung für die Annahme des Rechtsmissbrauchs ist jedoch das Vorliegen eines objektiven und eines subjektiven Elements. Es muss bei Würdigung der objektiven Gesamtumstände angenommen werden, dass trotz formaler Unionsrechtskonformität das Ziel der Richtlinie nicht erreicht wurde und die Absicht erkennbar ist, dass sich die Person einen ungerechtfertigten Vorteil aus dem Unionsrecht verschaffen will, indem sie die entsprechenden Voraussetzungen willkürlich herbeiführt.659 Unter Berücksichtigung dieser Vorgaben darf der Einwand des Rechtsmissbrauchs nur in engen Ausnahmefällen angewandt werden. Er kann nur greifen, wenn der Whistleblower nachweislich aus verwerflichen Motiven handelt und falsche Vorwürfe erhebt. Diese restriktive Anwendung des § 242 BGB ergibt sich mit Blick auf das Ziel der Whistleblowing-Richtlinie. Danach soll Hinweisgebern ein umfassender Schutz zugutekommen, um eine bessere Durchsetzung von Unionsrecht und Unionspolitik zu erreichen, vgl. Art. 1 EU-RL 2019/1937. In all solchen Fällen, in denen der Hinweisgeber, wenn auch missbräuchlich, einen tatsächlich vorliegenden Verstoß offenlegt, wird das primäre Ziel der Richtlinie – die Durchsetzung des Rechts und der Politik der Union – erreicht. Es fehlt dann das konstituierende objektive Element des Rechtsmissbrauchs. Insofern kann dem Schutzanspruch eines Hinweisgebers nur im Einzelfall der Vorwurf des Rechtsmissbrauchs entgegengehalten werden. Dies wird allein dann möglich sein, wenn er mit (nachweislich) besonders verwerflichen Motiven bloß vermeintliche Verstöße gemeldet oder offengelegt hat.660 3. Zwischenergebnis Die Whistleblowing-Richtlinie normiert entgegen der bisherigen Rechtslage ein umfassendes rechtliches Schutzkonzept. Künftig werden Whistleblower, die die Schutzvoraussetzungen erfüllen, nicht nur vor Repressalien anlässlich ihres hinweisgebenden Verhaltens geschützt, sondern zusätzlich vor einer Vielzahl verschiedener Haftungsrisiken ungeachtet des betroffenen Rechtsgebiets. Der nationale 658 EuGH, Urteil vom 28. 1. 2015 – C-417/13 (ÖBB Personenverkehr AG), NZA 2015, 217, 220; EuGH, Urteil vom 28. 7. 2016 – C-423/15 (Nils-Johannes Kratzer), NZA 2016, 1014, 1015. 659 EuGH, Urteil vom 28. 1. 2015 – C-417/13 (ÖBB Personenverkehr AG), NZA 2015, 217, 220 f. 660 Vgl. zu dem Rechtsmissbrauch im AGG-Recht auch BAG, Urteil vom 11. 8. 2016 – 8 AZR 4/15, NJW 2017, 1409, 1412 ff.
C. Rechtlicher Schutz der Hinweisgeber
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Gesetzgeber hat, um den vorgesehenen Schutz hinreichend abzusichern, ausdrücklich klarzustellen, dass jeder Ausschluss des Whistleblower-Schutzes und sämtliche nachteilige abweichende Vereinbarungen661 unzulässig sind.662 Dem wurde in der aktuellen Fassung des Hinweisgeberschutzgesetzes (Entwurf) in § 38 HinSchG-Entwurf hinreichend Rechnung getragen. § 38 HinSchG-Entwurf sieht vor, dass Vereinbarungen, die die Rechte hinweisgebender Personen nach diesem Gesetz einschra¨ nken, unwirksam sind. Mit dieser Regelung wird abgesichert, dass die Schutzvorschriften des Referentenentwurfs zwingend sind und in keiner Weise zuungunsten der Hinweisgeber von diesen abgewichen werden darf.663 Eine alternative Regelungsoption ist die folgende Formulierung: Von den Vorschriften dieses Gesetzes darf nicht zum Nachteil der in § 2 genannten Personen abgewichen werden.
661 Dies bezieht sich insbesondere auch auf die Schutzvoraussetzungen, einschließlich des Gleichrangs interner und externer Meldungen, vgl. Colneric/Gerdemann, 88. 662 Vgl. auch Art. 24 EU-RL 2019/1937, Erwägungsgrund (91) zur RL 2019/1937, Amtsblatt der Europäischen Union, L 305/31. 663 Vgl. auch Referentenentwurf HinSchG, Zu § 32 (Verbot abweichender Vereinbarungen), S. 77.
Teil 3
Implementierung unternehmensinterner Meldesysteme Nicht nur nach bisheriger Rechtslage, sondern auch künftig kommt unternehmensinternen Meldesystemen sowohl für Hinweisgeber als auch für die Gegenseite als Betreiber eines solchen Systems eine grundlegende Bedeutung zu. Die Implementierung interner Hinweisgebersysteme steht im Zusammenhang mit der Zulässigkeit des Whistleblowings und auch mit dem bestehenden Schutzniveau für Hinweisgeber.1 Der rechtliche und praktische Schwerpunkt lag nach bisheriger Rechtslage auf unternehmensinternen Hinweisgebersystemen. Unternehmen haben sich bisher durch die Implementierung solcher Meldesysteme – eine Säule des ComplianceManagements – eine leichtere Aufdeckung2 und Verhinderung von innerbetrieblichem Fehlverhalten erhofft.3 Externe (behördliche) Meldestellen waren de lege lata dagegen nur vereinzelt vorhanden4, sodass deren Relevanz eher gering war. Auch die Richtlinie sieht, wenn auch begrifflich divergent, die Einführung interner (Art. 7 ff. EU-RL 2019/1937) und externer Meldekanäle (Art. 10 ff. EU-RL 2019/1937) vor, an die der Hinweisgeber sich wenden kann, um Verstöße zu melden. Im Folgenden wird lediglich auf die Pflicht zur Einrichtung und die Anforderungen an den Betrieb eines internen Meldesystems des privaten Sektors eingegangen.
A. Pflicht zur Implementierung interner Meldesysteme I. Verpflichtung der Unternehmen de lege lata Bisher besteht keine allgemeine Pflicht zur Implementierung eines Hinweisgebersystems.5 Vielmehr ist das deutsche Recht geprägt durch einzelne spezialge-
1
Ähnlich auch Wiedmann/Seyfert, CCZ 2019, 12, 18. Diepold, CB 2014, Heft 5 Umschlagteil I; Kempter/Steinat, NZA 2017, 1505, 1510. 3 Wirth/Krause, CB 2015, 27, 28. 4 Vgl. bspw. § 4d FinDAG; § 34d Abs. 12 GewO. 5 Baur/Holle, NZG 2017, 170, 172; Hauschka/Moosmayer/Lösler/Buchert, Corporate Compliance, § 42 Rn. 63; Egger, CCZ 2018, 126, 126; Moosmayer, Compliance, Rn. 181. 2
A. Pflicht zur Implementierung interner Meldesysteme
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setzliche6 Pflichten, die im Rahmen ihres Anwendungsbereichs die Einführung von Hinweisgebersystemen verlangen.7 Außerhalb dieser branchenspezifischen Regelungen gibt es bisher keine generelle Verpflichtung. Zwar sehen § 76 Abs. 1 AktG, § 93 Abs. 1 S. 1 AktG und § 130 OWiG vor, dass durch die Verantwortlichen im Unternehmen gewährleistet werden muss, dass das bestehende Recht eingehalten wird. Jedoch obliegt es den Unternehmen weitgehend frei zu entscheiden, wie dies erreicht werden soll. Eine Pflicht zur Implementierung eines Hinweisgebersystems ergibt sich daraus in der Regel nicht.8 Daneben sieht der amerikanische SarbanesOxley-Act (Section 301) vor, dass im Finanz- und Rechnungswesen interne Überwachungssysteme eingeführt werden müssen.9 Voraussetzung für die Anwendung der Regelung auf deutsche Unternehmen ist jedoch, dass die Wertpapiere des Unternehmens Gegenstand der Börse in Amerika sind oder zumindest auf anderem Weg in den USA öffentlich angeboten werden.10 Sofern ein Unternehmen keinen amerikanischen Sitz hat, bedarf es insbesondere der Notierung des Unternehmens an der amerikanischen Börse.11 Eine allgemeine, branchenunabhängige Pflicht folgt daher auch nicht aus dem Sarbanes-Oxley-Act. Auf nationaler Ebene ist im Deutschen Corporate Governance Kodex bloß eine Empfehlung zur Einführung eines Hinweisgebersystems vorgesehen.12 Adressaten dieser Empfehlung sind börsennotierte Gesellschaften und Gesellschaften mit Kapitalmarktzugang im Sinne des § 161 Abs. 1 AG; „sonstigen“ Unternehmen dient die Vorgabe nur zur Orientierung.13 Es handelt sich gerade nicht um verbindliche Regelungen.14 Eine Pflicht zur Implementierung eines Hinweisgebersystems für sämtliche deutsche Unternehmen besteht de lege lata somit nicht. Bei bestimmten Unterneh6
§ 25a Abs. 1 S. 6 Nr. 3 KWG; § 80 Abs. 1 WpHG i. V. m. § 25a Abs. 1 S. 6 Nr. 3 KWG; § 23 Abs. 6 VAG; § 18 Abs. 1 S. 2 Nr. 1, 9 KAGB; § 5 Abs. 8 BörsG; § 4d FinDAG; § 6 Abs. 5 GWG; § 53 Abs. 1, 3 GWG; § 55b Abs. 2 Nr. 7 Wirtschaftsprüferordnung für Berufsangehörige, die Abschlussprüfungen nach § 316 HGB durchführen; vgl. hierzu die umfassende Darstellung Helm, BB 2018, 1538, 1538 f. 7 Egger, CCZ 2018, 126, 126 f. 8 Baur/Holle, NZG 2017, 170, 172; Hauschka/Moosmayer/Lösler/Buchert, Corporate Compliance, § 42 Rn. 62; Egger, CCZ 2018, 126, 126; Eufinger, DB 2018, 891, 892; Schemmel/Ruhmannseder/Witzigmann, Hinweisgebersysteme, 3. Kapitel Rn. 13. 9 Hauschka/Moosmayer/Lösler/Buchert, Corporate Compliance, § 42 Rn. 66 f.; Egger, CCZ 2018, 126, 126; Mahnhold, NZA 2008, 737, 740; Moosmayer, Compliance, Rn. 181. 10 Hauschka/Moosmayer/Lösler/Buchert, Corporate Compliance, § 42 Rn. 67; Schemmel/ Ruhmannseder/Witzigmann, Hinweisgebersysteme, 3. Kapitel Rn. 10. 11 Hauschka/Moosmayer/Lösler/Buchert, Corporate Compliance, § 42 Rn. 67; Hütten/ Stromann, BB 2003, 2223, 2223, 2227; Mahnhold, NZA 2008, 737, 742; Moosmayer, Compliance, Rn. 181; Schemmel/Ruhmannseder/Witzigmann, Hinweisgebersysteme, 3. Kapitel Rn. 10. 12 Vgl. Deutscher Governance Kodex, Fassung vom 7. Februar 2017 4.1.3. 13 Präambel zur aktuellen Fassung, abrufbar unter https://dcgk.de/de/kodex/aktuelle-fas sung/praeambel.html, zuletzt abgerufen am 27. 5. 2020. 14 BGH, Urteil vom 16. 2. 2009 – II ZR 185/07, NZG 2009, 342, 346; Baur/Holle, NZG 2017, 170, 170.
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Teil 3: Implementierung unternehmensinterner Meldesysteme
men, abhängig von Größe und Risikoanfälligkeit, gehörte dies jedoch zur „BestPractice“.15
II. Verpflichtung der Unternehmen de lege ferenda Mit Umsetzung der Whistleblowing-Richtlinie wird sich dies grundlegend ändern. Der nationale Gesetzgeber wird künftig eine branchenunabhängige Pflicht zur Implementierung interner Meldekanäle einschließlich der Verfahren für Folgemaßnahmen normieren (müssen).16 1. Vorgaben der EU-Richtlinie 2019/1937 Art. 8 Abs. 1 Hs. 1 EU-RL 2019/1937 sieht vor, dass die Mitgliedstaaten sicherstellen müssen, dass juristische Personen des privaten und öffentlichen Sektors Kanäle und Verfahren für interne Meldungen und für Folgemaßnahmen (konkretisiert insbesondere durch Art. 9 EU-RL 2019/1937) einrichten. Die in Art. 8 Abs. 1 EU-RL 2019/1937 vorgesehene Verpflichtung muss jedoch nicht gegenüber jeder juristischen Person umgesetzt werden. Gemäß Art. 8 Abs. 3 EU-RL 2019/1937 sind nur juristische Personen des privaten Sektors mit 50 oder mehr Arbeitnehmern zur Einrichtung von Kanälen und Verfahren für interne Meldungen und Folgemaßnahmen zu verpflichten. Der genannte Schwellenwert gilt ausweislich Art. 8 Abs. 4 EURL 2019/1937 aber nicht fu¨ r juristische Personen, die unter die im Anhang in den Teilen I.B und II genannten Unionsrechtsakte fallen. Fraglich ist, welche Personen von dem Begriff des Arbeitnehmers in Art. 8 Abs. 3 EU-RL 2019/1937 erfasst sein können. Im Rahmen des persönlichen Anwendungsbereichs wird ebenfalls auf den Arbeitnehmer-Begriff abgestellt. Auch die englische Sprachfassung verwendet an dieser Stelle den Begriff „workers“ und die französische den Begriff „travailleurs“. In allen drei Sprachfassungen wird im Rahmen des Art. 4 Abs. 1 lit. a) EU-RL 2019/1937 einheitlich auf Art. 45 AEUV verwiesen. Anhaltspunkte dafür, dass ein und derselbe Begriff (Arbeitnehmer) an zwei Stellen in der Richtlinie unterschiedlich verstanden werden sollte, bestehen nicht. Daher ist anzunehmen, dass sich der Schwellenwert nach der Anzahl an Arbeitnehmern im Sinne des Art. 45 AEUV richtet.17 Art. 8 Abs. 3 EU-RL 2019/1937 stellt zudem darauf ab, dass es sich um eine juristische Person „mit“ mehr als 50 Arbeitnehmern handeln muss. Für die Berechnung des Schwellenwerts ist daher allein der Bestand eines Arbeitsverhältnisses des Arbeitnehmers zu der juristischen Person maßgeblich. 15 Baur/Holle, AG 2017, 379, 381; Eufinger, DB 2018, 891, 892; ähnlich auch Maume/ Haffke, ZIP 2016, 199, 200 f.; Rohde-Liebenau, CB 2016, 385, 388. 16 Im Folgenden: „Meldesystem“. 17 Im Ergebnis auch Colneric/Gerdemann, 38.
A. Pflicht zur Implementierung interner Meldesysteme
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Fraglich ist jedoch, wie der Begriff der juristischen Person in Art. 8 Abs. 3 EU-RL 2019/1937 zu verstehen ist. Unter Berücksichtigung des Richtlinienziels und der englischen Sprachfassung der Vorschrift ist anzunehmen, dass auch Personengesellschaften erfasst sind. Nach dem englischen Richtlinientext müssen „legal entities“ zur Einrichtung der internen Meldesysteme verpflichtet werden. Als „legal entities“ können sämtliche Rechtspersonen und -träger angesehen werden.18 Nicht nur juristische Personen, sondern auch Personengesellschaften müssen daher zur Implementierung der internen Systeme verpflichtet werden.19 2. Umsetzung auf nationaler Ebene Wegen der dargestellten Vorgaben der Whistleblowing-Richtlinie muss der deutsche Gesetzgeber künftig eine gesetzliche Pflicht zur Einrichtung interner Meldesysteme vorsehen. Nur auf diese Weise kann er sicherstellen, dass Unternehmen de lege ferenda Meldesysteme implementieren. Diese Verpflichtung muss sich auf sämtliche Unternehmen (juristische Personen und Personengesellschaften) beziehen, die den Schwellenwert des Art. 8 Abs. 3 EU-RL 2019/1937 überschreiten. Gemäß Art. 8 Abs. 7 EU-RL 2019/1937 kann der nationale Gesetzgeber darüber hinaus auch juristische Personen des privaten Sektors mit weniger als 50 Arbeitnehmern nach einer geeigneten Risikobewertung dazu verpflichten, interne Meldekana¨ le und Verfahren für Folgemaßnahmen einzurichten.20 Die Risikobewertung muss der Art der Ta¨ tigkeiten der juristischen Personen und dem von ihnen ausgehenden Risiko – insbesondere fu¨ r die Umwelt und die o¨ ffentliche Gesundheit – Rechnung tragen. a) Verpflichtung von „Kleinunternehmen“ zur Implementierung interner Meldesysteme Fraglich ist, ob der nationale Gesetzgeber, ungeachtet der erforderlichen Risikobewertung, von Art. 8 Abs. 7 EU-RL 2019/1937 Gebrauch machen sollte. Maßgeblich hierfür ist, ob eine gesetzliche Verpflichtung von Kleinunternehmen verfassungsrechtlich zulässig ist. Ist dies nicht der Fall, muss er sich von vornherein von einem solchen Vorhaben distanzieren.
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Vgl. die Übersetzung von „legal entities“, abrufbar unter https://www.dict.cc/englischdeutsch/legal+entity.html, zuletzt abgerufen am 2. 10. 2020. 19 So auch EuArbR/Fest, EU-RL 2019/366, Art. 8 Rn. 9; Forst, EuZA 2020, 283, 289. 20 Es muss der Kommission jede nach Art. 8 Abs. 7 EU-RL 2019/1937 gefasste Entscheidung mitgeteilt werden, vgl. Art. 8 Abs. 8 EU-RL 2019/1937.
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Teil 3: Implementierung unternehmensinterner Meldesysteme
aa) Gesetzliche Verpflichtung der „Kleinunternehmen“ Die Normierung einer Pflicht zur Einrichtung und zum Betrieb eines internen Meldesystems nach den Vorgaben des Umsetzungsgesetzes würde die Unternehmerfreiheit der „Kleinunternehmen“, geschützt durch Art. 12 Abs. 1 GG, Art. 16 GRCh, beeinträchtigen. Die freie unternehmerische Entscheidung über die Implementierung und den anschließenden Betrieb interner Hinweisgebersysteme würde völlig vorweggenommen. Unternehmen könnten nicht mehr frei über die Zweckbindung bestimmter Ressourcen entscheiden und die interne Organisation und Ausgestaltung des Unternehmens würden jedenfalls partiell vorgegeben. Bei der in Frage stehenden gesetzlichen Verpflichtung würde es sich um eine Berufsausübungsregelung handeln.21 Ein Eingriff in Art. 12 Abs. 1 GG durch den Gesetzgeber ist zwar nicht generell unzulässig. Er muss jedoch den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit wahren.22 Der nationale Gesetzgeber würde mit der Verpflichtung von Kleinunternehmen zur Einrichtung interner Meldesysteme im Anwendungsbereich des künftigen Hinweisgeberschutzgesetzes ein dem Gemeinwohl dienendes und damit zulässiges Ziel23 verfolgen. Interne Meldesysteme werden von potentiellen Hinweisgebern regelmäßig vorrangig in Anspruch genommen.24 Es wäre daher nicht ausgeschlossen, dass mit einer Pflicht zur Einrichtung interner Meldesysteme häufiger unternehmensinternes Fehlverhalten der, wenn auch kleineren Unternehmen im öffentlichen Interesse aufgedeckt würde. Die mit der gesetzlichen Verpflichtung einhergehende Beeinträchtigung der unternehmerischen Freiheit würde jedoch in keinem angemessenen Verhältnis zu dem Ziel stehen. In Abhängigkeit von der Größe des Unternehmens kann der durch die Einrichtung verbundene Aufwand in finanzieller, organisatorischer und personeller Hinsicht von erheblichem Gewicht sein. Auch wenn die Folgekosten für mittlere Unternehmen im Durchschnitt mit einer einmaligen ungefähren Summe in Höhe von 1.374,00 Euro und einer anschließenden jährlichen Summe in Höhe von 1.054,60 Euro25 (fragwürdig gering26) bemessen werden, handelt es sich um eine 21 Zu der Stufenlehre vgl. BVerfG, Urteil vom 11. 6. 1958 – 1 BvR 596/56, NJW 1958, 1035, 1038; zur Anwendung der Stufenlehre auch auf die Unternehmerfreiheit BVerfG, Urteil vom 1. 3. 1979 – 1 BvR 532 u. a., NJW 1979, 699, 708. 22 BVerfG, Beschluss vom 12. 10. 1977 – 1 BvR 216, 217/75, NJW 1978, 313, 313. 23 Es genügen für ein legitimes Ziel bereits sachgerechte und vernünftige Erwägungen des Gemeinwohls, vgl. BVerfG, Beschluss vom 4. 10. 1983 – 1 BvR 1633, 1549/82, NJW 1984, 556, 556. 24 Erwägungsgrund (33) zur RL 2019/1937, Amtsblatt der Europäischen Union, L 305/23; Bauschke, öAT 2019, 250, 250 f.; Kölbel/Herold, Working Paper, 4, 4 f. 25 COM(2018) 218 final, S. 12. 26 Hierzu berechtigterweise kritisch DIHK, Stellungnahme, S. 3; Gerdemann, RdA 2019, 16, 20.
A. Pflicht zur Implementierung interner Meldesysteme
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nicht unerhebliche Mehrbelastung. Gerade für kleine Unternehmen kann eine Pflicht zur Einrichtung interner Meldesysteme eine schwere Belastung darstellen. Ihnen wird es regelmäßig nur schwer möglich sein, mit den bestehenden Ressourcen die aus einer solchen gesetzlichen Verpflichtung resultierenden Aufgaben zu erfüllen. Regelmäßig werden sie zusätzliches Personal einstellen oder Abstriche bei ihrem regulären Arbeitsbetrieb wegen der Bindung des Personals für die Umsetzung der gesetzlichen Vorgaben hinnehmen müssen. Eine gesetzliche Pflicht zur Einrichtung interner Meldesysteme auch für Unternehmen, die weniger als 50 Arbeitnehmer beschäftigen, wäre unverhältnismäßig und darf daher nicht vorgesehen werden. bb) Freiwillige Entscheidung der „Kleinunternehmen“ mit partiellen Pflichten Auch wenn „Kleinunternehmen“ nicht zur Einrichtung interner Meldesysteme verpflichtet werden dürfen27, bedeutet dies nicht, dass sie bei der Umsetzung der EURichtlinie 2019/1937 gänzlich unberücksichtigt bleiben sollten. Der Gesetzgeber sollte vielmehr zur Förderung interner Meldesysteme und damit zur Förderung des (internen) Whistleblowings (deklaratorisch) normieren, dass auch den Kleinunternehmen das Recht zur Einrichtung interner Meldesysteme im Sinne der Richtlinie zusteht. Der europäische Gesetzgeber hat in Erwägungsgrund Nummer 49 diesen Aspekt ausdrücklich aufgegriffen. Danach sollen die Mitgliedstaaten „Kleinunternehmen“ in ihrer Entscheidung zur Einrichtung interner Meldekanäle samt Folgemaßnahmen bestärken.28 Dies entspricht auch dem Interesse der „Kleinunternehmen“. Hinweisgeber dürfen sich, wenn ihnen kein interner Meldekanal zur Verfügung steht, direkt an externe Meldestellen wenden.29 Die Einrichtung einer internen Meldestelle kann das Risiko der Weitergabe unternehmensinterner Informationen an externe Stellen oder sogar die Öffentlichkeit mindern. Von Bedeutung ist dann jedoch, ob und wenn ja, welche gesetzlichen Vorgaben „Kleinunternehmen“, die sich freiwillig für die Implementierung eines internen Meldesystems entscheiden, einhalten müssen. Eine uneingeschränkte Übertragung der Regelungen der Richtlinie auf diese würde der unternehmerischen Freiheit unzureichend Rechnung tragen. „Kleinunternehmen“ sind regelmäßig auf einen weiten Gestaltungsspielraum angewiesen, um die Funktionsfähigkeit ihrer Meldesysteme zu gewährleisten. Nur so können sie auf ihre Besonderheiten angepasste, effektive und funktionsfähige Systeme einführen. Umfassende Vorgaben wären dem verfolgten Ziel sogar abträglich und könnten daher die Beeinträchtigung der unter27 28 29
25.
Im Ergebnis auch Forst, EuZA 2020, 283, 290; Thüsing/Rombey, NZG 2018, 1001, 1003. Erwägungsgrund (49) zur RL 2019/1937, Amtsblatt der Europäischen Union, L 305/25. Vgl. Erwägungsgrund (51) zur RL 2019/1937, Amtsblatt der Europäischen Union, L 305/
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Teil 3: Implementierung unternehmensinterner Meldesysteme
nehmerischen Interessen nicht rechtfertigen. Der nationale Gesetzgeber darf somit nur solche verbindlichen Vorgaben gegenüber „Kleinunternehmen“ vorsehen, die für den Schutz der Hinweisgeber unabdingbar sind. In Anlehnung an die Erwägungen des europäischen Gesetzgebers30 sollten die Unternehmen daher lediglich zur Wahrung der Vertraulichkeit der Identität der Hinweisgeber verpflichtet werden. Eine diesen Vorgaben entsprechende Regelung sieht der Entwurf des Hinweisgeberschutzgesetzes nicht vor. Der Gesetzgeber sollte daher ergänzend normieren: Beschäftigungsgebern, die nicht […] verpflichtet sind, steht es frei, interne Meldesysteme einzurichten. Mit der freiwilligen Einrichtung eines internen Meldesystems findet § 1731 uneingeschränkt Anwendung.
b) Umsetzungsempfehlung aa) Adressat der gesetzlichen Verpflichtung Der nationale Gesetzgeber muss künftig Unternehmen, ungeachtet ihrer Rechtsform und branchenübergreifend, zur Implementierung interner Meldesysteme verpflichten. Diese Verpflichtung sollte und darf auch auf natürliche Arbeitgeber, die mehr als 50 Arbeitnehmer beschäftigen, erstreckt werden. Eine Ausweitung der Verpflichtung auf Unternehmen, die den Schwellenwert von 50 Arbeitnehmern unterschreiten, muss wegen der Vorgaben der Verfassung unterbleiben. Keine Bedeutung hat der Schwellenwert künftig für Unternehmen, die bereits in den Anwendungsbereich einer der im Anhang in den Teilen I.B und II genannten Unionsrechtsakte fallen. Sie müssen de lege ferenda, losgelöst von ihrer Beschäftigtenzahl, interne Meldekanäle und -verfahren vorsehen (vgl. Art. 8 Abs. 4 EU-RL 2019/1937).32 Es muss normiert werden: Beschäftigungsgeber […] mit […] mindestens 50 Beschäftigten müssen Meldekana¨ le und Verfahren fu¨ r Folgemaßnahmen (Meldesysteme) nach Maßgabe dieses Gesetzes einrichten. Beschäftigungsgeber im Sinne dieses Gesetzes sind, sofern mindestens eine Person bei ihnen beschäftigt ist, a) juristische Personen des Privatrechts, b) rechtsfähige Personengesellschaften, c) sonstige rechtsfähige Personenvereinigungen und d) natürliche Personen des Privatrechts.
In dem ersten Gesetzesentwurf sind die Vorgaben der EU-Richtlinie 2019/1937 zutreffend in § 12 Abs. 1 bis Abs. 3 HinSchG-Entwurf zusammengefasst. Die gesetzliche Verpflichtung zur Einrichtung interner Meldestellen wurde dem Grunde 30 31 32
Erwägungsgrund (49) zur RL 2019/1937, Amtsblatt der Europäischen Union, L 305/25. Zu § 17 (Vertraulichkeit der Meldesysteme) unter Teil 3 B. II. 4. b) bb) (1) (a). Vgl. hierzu die Umsetzung in § 12 Abs. 3 HinSchG-Entwurf.
A. Pflicht zur Implementierung interner Meldesysteme
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nach ausschließlich Beschäftigungsgebern mit mehr als 50 Beschäftigten auferlegt, vgl. § 12 Abs. 2 HinSchG-Entwurf. bb) Bestimmung des Schwellenwerts De lege ferenda ist die Pflicht zur Einrichtung interner Meldekanäle und zur Durchführung von Folgemaßnahmen von dem dargestellten Schwellenwert (50 Arbeitnehmer) abhängig zu machen. Das Erfordernis nach Rechtssicherheit und -klarheit gebietet es, diesen eindeutig zu regeln.33 Um eine sichere Rechtslage zu schaffen, sollte die Pflicht zur Einführung eines Meldesystems von der regelmäßigen Arbeitnehmeranzahl abhängig gemacht werden.34 Andernfalls bestünde für Unternehmen, die sich an der Schwelle der 50-Arbeitnehmer befinden, das Risiko eines ständigen Wechsels zwischen Pflichtenstellung und Befreiung. Es wäre zudem nicht mit dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit zu vereinbaren, wenn einem Unternehmen, welches nur vorübergehend den Schwellenwert erreicht, direkt die Verpflichtung zur Einführung eines Meldesystems auferlegt würde.35 Auch würde für Hinweisgeber eine nicht hinzunehmende Unsicherheit entstehen. Mangels Kontinuität und Übersichtlichkeit der konkreten Arbeitnehmerzahl wäre es für sie im Einzelfall nur schwer möglich, zu beurteilen, inwieweit ihnen die (ursprünglich) eingerichtete interne Meldestelle noch zur Verfügung steht. Da diese gesetzgeberische Maßnahme auch dem Schutz der Whistleblower dient, wäre sie auch mit der EU-Richtlinie 2019/1937 vereinbar. Bei dem maßgeblichen Schwellenwert muss der nationale Gesetzgeber den europäischen Arbeitnehmerbegriff zu Grunde legen, sodass auch atypische Beschäftigungsverhältnisse (Teilzeitkräfte, Leiharbeitnehmer, befristete Arbeitsverhältnisse) einbezogen werden. Hierbei könnte insbesondere auch erwogen werden (wie bspw. in § 23 Abs. 1 S. 4 KSchG), Teilzeitbeschäftigte entsprechend ihres Arbeitsumfangs zu berücksichtigen.36 Es muss jedoch angezweifelt werden, ob eine solche Einschränkung mit den Vorgaben der Richtlinie vereinbar wäre. Diese knüpft nur an die Anzahl der Arbeitnehmer (Art. 45 AEUV) eines Unternehmens an, ohne hierbei Einschränkungen vorzusehen. Teilzeitkräfte sind ebenfalls Arbeitnehmer im Sinne des Art. 45 AEUV37 und daher auch „vollständig“ im Rahmen des Schwellenwerts zu berücksichtigen. Ungeachtet dessen sollte eine solche Einschränkung auch unterbleiben, um die Einrichtung von Meldesystemen im Interesse der Rechtsdurchsetzung umfassend zu fördern. Teilzeitkräfte, genauso wie alle atypischen Beschäftigungsverhältnisse, müssen „vollständig“ mitgezählt werden. 33
Forst, EuZA 2020, 283, 290. Vgl. zu dem Begriff im deutschen Recht bereits § 23 Abs. 1 S. 2 KSchG, §§ 1 Abs. 1, 9, 99 BetrVG. 35 EuArbR/Fest, EU-RL 2019/366, Art. 8 Rn. 10. 36 EuArbR/Fest, EU-RL 2019/366, Art. 8 Rn. 11. 37 EuArbR/Steinmeyer, AEUV, Art. 45 Rn. 17. 34
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Teil 3: Implementierung unternehmensinterner Meldesysteme
Daneben könnte erwogen werden, ob Leiharbeitnehmer auch im Verhältnis zum Entleiher in den Schwellenwert einbezogen werden sollten. Andernfalls könnten Unternehmen sich durch den dauerhaften Einsatz von Fremdpersonal der Pflicht zur Einrichtung interner Meldesysteme entziehen. Zur Förderung ihrer Einrichtung im privatwirtschaftlichen Sektor sollten daher Leiharbeitnehmer beim Entleiher mitgezählt werden, soweit mit ihnen ein in der Regel bestehender Beschäftigungsbedarf abgedeckt wird. Dies ist anzunehmen, wenn die Leiharbeitnehmer zur Bewältigung der allgemeinen Beschäftigungslage des Unternehmens eingesetzt werden.38 Entscheidend ist allein, ob es sich um einen im Unternehmen dauerhaft eingerichteten Arbeitsplatz handelt, mit dem ein ständiges Arbeitsvolumen abgedeckt wird. Ist dies der Fall, ist es unerheblich, ob der Arbeitsplatz von einem Stammarbeitnehmer oder (ständig) wechselnden Leiharbeitnehmern besetzt wird. Demgegenüber bleiben Leiharbeitnehmer unberücksichtigt, wenn sie nur vorübergehend beschäftigt werden, beispielsweise zur Bewältigung von Auftragsspitzen, die den allgemeinen Geschäftsbetrieb nicht kennzeichnen, oder zur Vertretung eines ausgefallenen Stammarbeitnehmers. § 12 Abs. 2 HinSchG-Entwurf stellt richtigerweise auf die regelmäßige Beschäftigtenzahl ab. Zwar wurde auf eine anteilige Berücksichtigung einzelner Beschäftigtengruppen entsprechend der unionsrechtlichen Vorgaben zutreffend verzichtet, eine Berücksichtigung von Leiharbeitnehmern beim Entleiher ist jedoch nicht vorgesehen. Der nationale Gesetzgeber sollte daher die folgende Formulierung in das Gesetz aufnehmen: Beschäftigungsgeber […] mit in der Regel mindestens 50 Beschäftigten müssen Meldekana¨ le und Verfahren fu¨ r Folgemaßnahmen (Meldesysteme) nach Maßgabe dieses Gesetzes einrichten. Leiharbeitnehmer sind auch bei dem entleihenden Beschäftigungsgeber zu berücksichtigen, soweit mit ihnen ein regelmäßiger Beschäftigungsbedarf abgedeckt wird.
B. Inhaltliche Ausgestaltung der internen Meldekanäle Entscheidend ist zudem, welche Vorgaben Unternehmen bei dem Betrieb eines internen Meldekanals einhalten müssen. Die inhaltliche Ausgestaltung des Meldekanals ist auch eng mit der Position des Hinweisgebers verbunden. Whistleblower wurden bereits nach bisheriger Rechtslage als schutzwürdig angesehen, wenn sie sich entsprechend der Vorgaben des Unternehmens an die interne Stelle gewandt hatten.39 Dies wird auch mit Umsetzung der Whistleblowing-Richtlinie gelten. Nach Art. 6 Abs. 1 lit. b) EU-RL 2019/1937 muss ein Hinweisgeber zur Begründung seines Schutzanspruchs bei einer internen Meldung die Vorgaben des Art. 7 EU-RL 38
Vgl. zu § 23 KSchG auch BAG, Urteil vom 24. 1. 2013 – 2 AZR 140/12, NZA 2013, 726, 727 ff. 39 Küttner/Kania, Personalbuch 2020, Whistleblowing Rn. 10; Simonet, RdA 2013, 236, 238.
B. Inhaltliche Ausgestaltung der internen Meldekanäle
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2019/1937 beachten. Danach müssen die Informationen u¨ ber Versto¨ ße unter Nutzung des internen Meldekanals und des vorgesehenen Verfahrens gemeldet werden.
I. Vorgaben für die Ausgestaltung interner Meldekanäle de lege lata Abgesehen von einzelnen spezialgesetzlichen Vorgaben fehlte es nach bisherigem Recht an umfassenden Regelungen zur Ausgestaltung interner Meldesysteme. Mit Ausnahme des Einflusses allgemeiner Vorschriften40 konnten Unternehmen daher weitgehend frei entscheiden, welche Vorgaben sie Hinweisgebern machen würden. Vorteil der bisherigen Rechtslage war, dass bei der Einrichtung des Systems die jeweiligen Besonderheiten des Unternehmens (bspw. Unternehmensgröße, Branche, Internationalität) umfassend berücksichtigt werden konnten.41 Unternehmen wählten meist den Weg, der die größtmögliche Chance der Informationserlangung bot.42 Damit gab es nach bisherigem Recht nicht nur eine „Form“ von Hinweisgebersystemen, sondern es kamen verschiedene Ausgestaltungen in Betracht.43
II. Vorgaben für die Ausgestaltung interner Meldekanäle de lege ferenda Die Whistleblowing-Richtlinie sieht eine Vielzahl an Vorgaben für die Ausgestaltung interner Meldekanäle vor, die entsprechend auch auf nationaler Ebene künftig Eingang finden müssen. 1. Öffnung des Meldekanals in persönlicher und sachlicher Hinsicht a) Vorgaben der EU-Richtlinie 2019/1937 Von dem persönlichen Anwendungsbereich der Richtlinie (Art. 4 EU-RL 2019/ 1937) ist die Frage zu trennen, welche Personen gegenüber internen Kanälen Meldung erstatten können. Aus Art. 8 Abs. 2 S. 1 EU-RL 2019/1937 ergibt sich, dass 40
Bspw. das Datenschutzrecht, Betriebsverfassungsrecht. Hauschka/Moosmayer/Lösler/Buchert, Corporate Compliance, § 42 Rn. 5; Mahnhold, NZA 2008, 737, 737; Miege, CCZ 2018, 45, 46; Behringer/Waldzus, Whistleblowing in Deutschland: Ungeliebtes Stiefkind des Gesetzgebers?, 4.1. 42 Rübenstahl/Hahn/Voet van Vormizeele/von Coelln/Heuking, Kartell Compliance, 27. Kap. Rn. 82. 43 Gaschler, CB 2018, 81, 83; Moosmayer, Compliance, Rn. 184; Behringer/Waldzus, Whistleblowing in Deutschland: Ungeliebtes Stiefkind des Gesetzgebers?, 4.1; vgl. die Übersicht zu den unterschiedlichen Systemen von DAX-Unternehmen Thüsing/Fütterer/ Jänsch, RDV 2018, 133, 138 ff. 41
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Teil 3: Implementierung unternehmensinterner Meldesysteme
Arbeitnehmern der juristischen Personen (und Personengesellschaften) die Meldung über die unternehmensinternen Meldekanäle und -verfahren ermöglicht werden muss. Wie bereits ausgeführt, ist der Begriff des Arbeitnehmers in der Richtlinie einheitlich auszulegen, sodass auch an dieser Stelle der europäische Arbeitnehmerbegriff maßgeblich ist. Arbeitnehmern im Sinne des Art. 45 AEUV muss daher die interne Meldung ermöglicht werden. Einschränkende spezielle Regelungen bezüglich des Meldegegenstands für interne Meldekanäle sind in der Richtlinie nicht vorgesehen. Whistleblower dürfen daher nach den Vorgaben der EU-Richtlinie 2019/1937 jeden Verstoß, der von dem sachlichen Anwendungsbereich erfasst ist, gegenüber internen Stellen melden. b) Umsetzung auf nationaler Ebene Es müssen Unternehmen künftig dazu verpflichtet werden, den Meldekanal für ihre Arbeitnehmer (Art. 45 AEUV) und für jeden Verstoß, der von dem sachlichen Anwendungsbereich der Richtlinie erfasst ist, zu öffnen. aa) Unionsrechtlicher Umsetzungsspielraum Fraglich ist, ob den Mitgliedstaaten durch den europäischen Gesetzgeber Umsetzungsspielraum eingeräumt wurde, um von den dargestellten Vorgaben bezüglich der persönlichen und sachlichen Öffnung der Meldekanäle abzuweichen. Ein solcher könnte sich bezogen auf die Öffnung des Meldekanals in persönlicher Hinsicht aus Art. 8 Abs. 2 S. 2 EU-RL 2019/1937 ergeben. Danach ist vorgesehen, dass auch den in Art. 4 Abs. 1 lit. b), c) und d) und Art. 4 Abs. 2 EU-RL 2019/1937 genannten Personen, die im Rahmen ihrer beruflichen Ta¨ tigkeiten mit der juristischen Person im Kontakt stehen, die Meldung von Informationen u¨ ber Versto¨ ße ermo¨ glicht werden kann. Entscheidend ist somit, ob den Mitgliedstaaten oder vielmehr den einzelnen Unternehmen nach der Intention des europäischen Gesetzgebers die Entscheidung im Sinne des Art. 8 Abs. 2 S. 2 EU-RL 2019/1937 überlassen werden sollte. Der Wortlaut ist nicht eindeutig. In Art. 8 Abs. 2 S. 2 EU-RL 2019/1937 ist lediglich ausgeführt, dass „sie“ den genannten Personen die interne Meldung ermöglichen können. In Zusammenschau mit Art. 8 Abs. 1 EU-RL 2019/1937 muss angenommen werden, dass sich die Formulierung auf „die Kanäle und Verfahren“ bezieht: Die Kanäle und Verfahren können auch weiteren Personen die interne Meldung ermöglichen. Es wird somit jedenfalls nicht ausdrücklich auf die Regelungsbefugnis der Mitgliedstaaten abgestellt. Die Vorschrift weicht damit von anderen Regelungen44 der Richtlinie ab, in denen den Mitgliedstaaten ausdrücklich Umsetzungsspielraum zugesprochen wird. Gemäß Art. 8 Abs. 1 EU-RL 2019/1937 44
Vgl. bspw. Art. 8 Abs. 9 UAbs. 2 EU-RL 2019/1937: „Die Mitgliedstaaten können […]“.
B. Inhaltliche Ausgestaltung der internen Meldekanäle
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werden die Mitgliedstaaten jedoch gerade dazu verpflichtet, sicherzustellen, dass interne Kanäle eingerichtet werden. Der zweite Absatz der Vorschrift konkretisiert die Ausgestaltung dieser Kanäle weiter. Die Mitgliedstaaten „müssen“ nicht nur die Implementierung von Meldekanälen sicherstellen, bei denen Arbeitnehmern die Meldung ermöglicht wird, sondern sie „können“ zusätzlich auch den Meldekanal für weitere Personen öffnen. Es ist daher anzunehmen, dass dem nationalen Gesetzgeber an dieser Stelle Umsetzungsspielraum zugesprochen wurde, Unternehmen zur Entgegennahme und Bearbeitung von Meldungen der Personen des Art. 4 Abs. 1 lit. b), c) und d) und Art. 4 Abs. 2 EU-RL 2019/1937 zu verpflichten.45 Nach den ausdrücklichen Vorgaben des Art. 8 Abs. 2 S. 2 EU-RL 2019/1937 beschränkt sich der Spielraum der Mitgliedstaaten jedoch nur auf die in Art. 4 Abs. 1 lit. b), c), d), Abs. 2 EU-RL 2019/1937 genannten Personen. Bewerber im Sinne des Art. 4 Abs. 3 EU-RL 2019/1937 sind nicht erfasst. Ein Grund für eine Differenzierung zwischen beendetem Arbeitsverhältnis und künftigem Arbeitsverhältnis besteht jedoch nicht.46 Da es sich bei der Richtlinie nur um Mindestvorgaben handelt, die zugunsten der Whistleblower überschritten werden können, ist es nicht ausgeschlossen, über die des Art. 8 Abs. 2 S. 2 EU-RL 2019/1937 hinauszugehen und sämtliche Personen des Art. 4 Abs. 1 bis Abs. 3 EU-RL 2019/1937 einzubeziehen. Nichts anderes gilt wegen Art. 25 Abs. 1 EU-RL 2019/1937 hinsichtlich der sachlichen Öffnung des Meldekanals. Der nationale Gesetzgeber darf die Unternehmen auch zur Entgegennahme anderer Informationen als die im Sinne des Art. 6 Abs. 1 lit. a) i. V. m. Art. 2 Abs. 1 EU-RL 2019/1937 verpflichten oder ihnen an dieser Stelle Spielraum bei der Ausgestaltung der internen Meldekanäle einräumen. bb) Öffnung des Meldekanals für weitere Personen Durch den in Art. 8 Abs. 2 S. 2 EU-RL 2019/1937 vermittelten Umsetzungsspielraum ist es aus unionsrechtlicher Sicht ohne weiteres möglich, Unternehmen dazu zu verpflichten, nicht nur Meldungen von Arbeitnehmern, sondern auch von weiteren Personen (Art. 4 Abs. 1 lit. b), c), d), Abs. 2, 3 EU-RL 2019/1937) entgegenzunehmen und zu bearbeiten. (1) Gesetzliche Verpflichtung der Unternehmen Für die Entscheidung über die Wahrnehmung des unionsrechtlichen Umsetzungsspielraums ist von maßgeblicher Bedeutung, ob eine solche gesetzliche Regelung auch mit dem Grundgesetz vereinbar wäre. Die Verpflichtung gegenüber Unternehmen würde ebenfalls einen Eingriff (Berufsausübungsregel) in die unternehmerische Freiheit (Art. 12 Abs. 1 GG, Art. 16 GRCh) begründen. Mit Ausweitung des Kreises tauglicher Hinweisgeber gegenüber internen Stellen können 45 46
Im Ergebnis auch EuArbR/Fest, EU-RL 2019/366, Art. 8 Rn. 32. So auch Forst, EuZA 2020, 283, 293.
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Teil 3: Implementierung unternehmensinterner Meldesysteme
grundsätzlich auch mehr Personen intern Meldung erstatten, sodass damit regelmäßig auch die Anzahl der Meldungen sowie der damit verbundene Bearbeitungsaufwand steigen kann. Unternehmen könnten dadurch gezwungen werden, zusätzliche Ressourcen für die Meldestelle aufzuwenden. Fraglich ist, ob diese Einschränkung der unternehmerischen Freiheit für die Förderung des Whistleblowings und der damit verbundenen Verbesserung der Rechtsdurchsetzung erforderlich ist. Sämtliche Personen des Art. 4 Abs. 1 bis Abs. 3 EU-RL 2019/1937 könnten weiterhin insbesondere extern Meldung erstatten47 und damit die Rechtsdurchsetzung fördern. Es ist jedoch nicht ausgeschlossen, dass mit einem Verzicht auf die in Frage stehende Regelung rechtswidriges Fehlverhalten seltener aufgedeckt würde. Wegen des weiten Einschätzungs- und Gestaltungsspielraums des Gesetzgebers48 kann daher die Erforderlichkeit der gesetzlichen Verpflichtung nicht abgelehnt werden. An der Angemessenheit der Regelung bestehen ebenfalls keine Bedenken. Die Beeinträchtigung der unternehmerischen Freiheit durch die gesetzliche Verpflichtung würde gering wiegen: Bei kleineren bzw. mittelgroßen Unternehmen wird die Ausweitung der meldeberechtigten Personen regelmäßig nur zu einem geringen Zuwachs interner Meldungen führen; Großunternehmen, bei denen mit einem größeren Zuwachs interner Meldungen durchaus zu rechnen ist, werden den damit verbundenen Mehraufwand meist ohne erheblichen Aufwand bewältigen können. Zur Förderung der Rechtsdurchsetzung wäre eine verpflichtende Ausweitung der meldeberechtigten Personen angemessen. (2) Freiwillige Entscheidung der Unternehmen Dem nationalen Gesetzgeber ist dennoch anzuraten, den Unternehmen selbst die Entscheidung zu überlassen, ihren internen Meldekanal für weitere Personen zu öffnen. Für die Rechtsdurchsetzung und den Whistleblower-Schutz ist eine gesetzliche Verpflichtung nicht geboten. Gleichzeitig können Unternehmen, unter Abwägung der Gesamtumstände49, die Effektivität eines erweiterten Kreises meldefähiger Personen besser einschätzen und eine auf den Einzelfall angepasste Lösung schaffen. Es könnte andernfalls, wenn auch nur in Einzelfällen, das Risiko entstehen, dass Unternehmen mit der Anzahl eingehender Meldungen überfordert und damit ihre sachgerechte Bearbeitung in Mitleidenschaft gezogen wird. Im Interesse der Effektivität und Funktionsfähigkeit interner Kanäle sollte der Gesetzgeber den Unternehmen die Entscheidung übertragen, ob sie sämtlichen Hinweisgebern im Sinne des Umsetzungsgesetzes auch die interne Meldung ermöglichen.
47 Vgl. insbesondere auch Erwägungsgrund (51) zur RL 2019/1937, Amtsblatt der Europäischen Union, L 305/25. 48 BVerfG, Beschluss vom 22. 5. 1979 – 1 BvL 9/75, NJW 1980, 383, 383; Sachs/Mann, GG, Art. 12 Rn. 127. 49 Bspw. ihre verfügbaren Ressourcen und das für sie bestehende Risiko externer Meldungen oder Offenlegungen.
B. Inhaltliche Ausgestaltung der internen Meldekanäle
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cc) Ausweitung des Meldegegenstands Nach den Vorgaben der Whistleblowing-Richtlinie müssen Unternehmen nur dazu verpflichtet werden, Meldungen zu bearbeiten, die sich auf einen Verstoß im Sinne der Richtlinie beziehen. Sofern der nationale Gesetzgeber den sachlichen Anwendungsbereich der Richtlinie und damit das interne Melderecht von Hinweisgebern ausdehnt, erstreckt sich die Pflicht der Unternehmen auch auf den überschießenden Teil des Umsetzungsakts. Daneben sollte der Gesetzgeber Unternehmen das Recht einräumen, ihren internen Meldekanal auch für solche Meldegegenstände zu öffnen, die von dem Anwendungsbereich der Whistleblowing-Richtlinie und dem anschließenden Umsetzungsakt nicht erfasst sind.50 Dadurch kann eine auf das jeweilige Unternehmen und die jeweilige Wirtschaftsbranche angepasste Lösung51 geschaffen werden. Eine darauf bezogene Meldung fällt dann jedoch nicht in den Anwendungsbereich des gesetzlichen Whistleblower-Schutzes. Insofern darf es künftig auch im Ermessen der Unternehmen liegen, ob sie für diese Meldungen einen gesonderten Meldeweg vorsehen52 und wie sie mit diesen Meldungen verfahren. Es könnte aber erwogen werden, ob die Richtlinienvorgaben bezüglich Einrichtung und Betrieb interner Meldesysteme de lege ferenda auch auf Hinweise, die sich auf einen solchen zusätzlichen, freiwilligen Meldegegenstand beziehen, erstreckt werden können. Dies ist abzulehnen. Eine solche gesetzliche, die unternehmerische Freiheit einschränkende Vorgabe für den Umgang mit den Meldungen ist nicht erforderlich und muss daher unterbleiben. Unternehmen bringen mit einer Ausweitung des internen Melderechts regelmäßig ihr Interesse an der entsprechenden Informationserlangung zum Ausdruck. Damit wird ihnen auch an einem effektiven und sachgerechten Umgang mit einer solchen Meldung gelegen sein. Einer gesetzlichen Verpflichtung bedarf es dafür gerade nicht. dd) Umsetzungsempfehlung Der nationale Gesetzgeber muss Unternehmen dazu verpflichten, ihre internen Meldekanäle für Arbeitnehmer im Sinne des Art. 45 AUEV (Beschäftigte) zu öffnen. Im Übrigen sollte es den Unternehmen überlassen werden, den Kreis potentieller Hinweisgeber und zulässiger Meldegegenstände auszuweiten. Mit Meldungen seitens sonstiger Personen sollten die unternehmensinternen Stellen in gleicher Weise verfahren müssen wie mit Meldungen durch bei ihnen beschäftigte Personen. 50
Im Ergebnis auch Dilling, CCZ 2021, 60, 62. Bspw. die Öffnung des internen Meldekanals für Verstöße gegen unternehmensinterne Regeln oder für unethisches/unmoralisches Verhalten. 52 Vgl. auch Erwägungsgrund (22) zur RL 2019/1937, Amtsblatt der Europäischen Union, L 305/22: Danach sollen die Mitgliedstaaten entscheiden können, ob bloß zwischenmenschliche Beschwerden in ein anderes Verfahren übergeleitet werden. 51
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Teil 3: Implementierung unternehmensinterner Meldesysteme
Die bisherige Fassung des Gesetzesentwurfs zur Umsetzung der EU-Richtlinie 2019/1937 sieht dies nur partiell vor. Es wurde lediglich die Möglichkeit einer Öffnung des Meldekanals in persönlicher Hinsicht in § 16 Abs. 1 S. 2 HinSchGEntwurf aufgenommen. Danach kann der interne Meldekanal so gestaltet werden, dass er auch natürlichen Personen offensteht, die im Rahmen ihrer beruflichen Tätigkeiten mit dem zur Einrichtung der internen Meldestelle verpflichteten Beschäftigungsgeber in Kontakt stehen. Aus der Regelung ergibt sich nicht eindeutig, ob die Vorgaben der Richtlinie zu dem Umgang mit eingehenden Meldungen in diesem Fall ebenfalls uneingeschränkt Anwendung finden. Der Gesetzgeber hat an dieser Stelle den Gesetzestext zu überarbeiten. Eine Regelung zur Öffnung des Meldekanals in sachlicher Hinsicht ist in dem aktuellen Gesetzesentwurf dagegen nicht vorgesehen. Zwar muss eine solche Regelung nicht zwingend erlassen werden. Um den verantwortlichen Stellen diese Möglichkeit jedoch deutlich vor Augen zu führen, sollte die folgende klarstellende Bestimmung in den Gesetzestext aufgenommen werden: (1) Ein interner Meldekanal muss für die Meldung von Informationen über Verstöße im Sinne des § 3 durch Beschäftigte des Beschäftigungsgebers geöffnet sein. (2) Ein Meldekanal kann zusätzlich für sämtliche Hinweisgeber im Sinne des § 2 geöffnet werden. Sofern von diesem Recht Gebrauch gemacht wird, finden die Vorgaben dieses Gesetzes uneingeschränkt Anwendung. (3) Ein interner Meldekanal kann zusätzlich für Meldungen anderer Informationen als die über Verstöße im Sinne des § 3 geöffnet werden oder es kann ein gesonderter Meldekanal für diese Informationen eingerichtet werden.
2. Zuständige Stelle Während nach bisheriger Rechtslage keine gesetzlichen Vorgaben bezüglich der zuständigen Meldestelle – den Betreiber des Meldekanals – bestanden, wird sich dies de lege ferenda ändern. Vorgaben diesbezüglich ergeben sich insbesondere aus Art. 8 Abs. 5 EU-RL 2019/1937. a) Vorgaben der EU-Richtlinie 2019/1937 Gemäß Art. 8 Abs. 5 S. 1 EU-RL 2019/1937 kann ein Meldekanal intern durch eine benannte Person oder Abteilung betrieben werden oder ein externer Dritter kann diesen bereitstellen. Die konkrete Ausgestaltung hinsichtlich Person und Abteilung soll sich nach der Struktur des Unternehmens richten.53 Denkbare (interne) Personen und Abteilungen sind beispielsweise der Leiter der Personal- oder ComplianceAbteilung, eine speziell eingestellte Person oder auch ein Mitglied der Führungs-
53
Erwägungsgrund (56) zur RL 2019/1937, Amtsblatt der Europäischen Union, L 305/26.
B. Inhaltliche Ausgestaltung der internen Meldekanäle
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ebene.54 Externe Dritte können insbesondere Anbieter von Meldeplattformen, externe Berater, Pru¨ fer, Gewerkschaftsvertreter oder Arbeitnehmervertreter sein.55 Gemäß Art. 8 Abs. 6 S. 1 EU-RL 2019/1937 ist zudem vorgesehen, dass juristische Personen des privaten Sektors mit 50 bis 249 Arbeitnehmern fu¨ r die Entgegennahme von Meldungen und fu¨ r mo¨ glicherweise durchzufu¨ hrende Untersuchungen Ressourcen teilen können. Weitere einschränkende Vorgaben hat der europäische Gesetzgeber in Art. 8, 9 EU-RL 2019/1937 nicht vorgesehen. Die Vorgaben des Art. 9 Abs. 1 lit. c) EU-RL 2019/1937 sind, entgegen des Wortlauts, jedoch auch auf jede „Meldestelle“56 zu übertragen, sodass diese ebenfalls unparteiisch sein müssen. Dies folgt aus Erwägungsgrund Nummer 5457 und dem Ziel der Richtlinie (die Verbesserung der Rechtsdurchsetzung). Eine Schulungspflicht des Personals, wie sie für den Betrieb externer Kanäle vorgesehen ist (Art. 12 Abs. 5 EU-RL 2019/1937), hat der europäische Gesetzgeber für interne Meldestellen nicht normiert.58 b) Umsetzung auf nationaler Ebene Der nationale Gesetzgeber muss lediglich die dargestellten Vorgaben der Richtlinie entsprechend umsetzen. Ihm bleibt es wegen des mindestharmonisierenden Charakters jedoch überlassen, strengere Regeln gegenüber Unternehmen zur Verbesserung des Whistleblower-Schutzes zu erlassen. Unternehmen ist das Recht zuzusprechen, den Meldekanal durch interne Personen oder Stellen zu betreiben oder diesen durch externe Dritte bereitstellen zu lassen.59 Auf weitere Einschränkungen und damit verbundene Eingriffe in die Unternehmensfreiheit nach Art. 12 Abs. 1 GG ist zu verzichten. Der in der Richtlinie vorgesehene Spielraum ermöglicht unternehmensangepasste und damit meist effektive sowie funktionsfähige Lösungen im Interesse der Rechtsdurchsetzung. Einschränkende gesetzliche Vorgaben würden keinen zusätzlichen Schutz der Whistleblower bieten und wären der effektiven Rechtsdurchsetzung im Ergebnis abträglich, sodass die Beeinträchtigung der unternehmerischen Interessen unverhältnismäßig wäre. 54 Zu den verschiedenen möglichen Adressaten auch EuArbR/Fest, EU-RL 2019/366, Art. 8 Rn. 34. 55 Erwägungsgrund (54) zur RL 2019/1937, Amtsblatt der Europäischen Union, L 305/26. 56 Und nicht nur auf eine Meldestelle, die im Einzelfall auch für die Durchführung von Folgemaßnahmen zuständig ist. 57 Erwägungsgrund (54), (56) zur RL 2019/1937, Amtsblatt der Europäischen Union, L 305/26. 58 Hierzu kritisch Dilling, CCZ 2019, 214, 221; Dilling, CCZ 2020, 132, 137. 59 Im Folgenden: „Meldestelle“.
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Teil 3: Implementierung unternehmensinterner Meldesysteme
Es muss jedoch ausdrücklich normiert werden, dass die Unternehmen zur Gewährleistung der Unabhängigkeit der Meldestelle und zur Vermeidung von Interessenkonflikten verpflichtet sind.60 Aus dem Kriterium der „Unabhängigkeit“ folgt nicht, dass Unternehmen, die einem internen Aufsichtsorgan unterliegen, einen leitungsunabhängigen, isolierten Meldekanal zu diesem Organ einrichten müssten.61 Auch ohne einen solchen gesonderten Meldeweg können Verstöße der Leitungsebene durch das bestehende Recht zur direkten externen Meldung potentieller Hinweisgeber aufgedeckt werden.62 Die Unabhängigkeit und Neutralität der zuständigen Personen muss vielmehr, als Grundlage des Vertrauens potentieller Hinweisgeber in das System63, durch einzelfallgerechte (technische, rechtliche, organisatorische etc.) Lösungen als Ausdruck freier unternehmerischer Ermessensentscheidungen (Art. 12 Abs. 1 GG, Art. 16 GRCh) gewährleistet werden. Die nationale gesetzgeberische Tätigkeit hat sich insofern allein darauf zu beschränken, Unternehmen zur Gewährleistung der Unabhängigkeit und Neutralität der Meldestelle zu verpflichten.64 Im Übrigen ist den Unternehmen größtmöglicher Freiraum bei der Ausgestaltung des Systems einzuräumen.65 Die unionsrechtlichen Vorgaben wurden in §§ 14, 15 Abs. 1 HinSchG-Entwurf umgesetzt. Mit den offenen Formulierungen der Vorschriften wird den Unternehmen größtmöglicher Spielraum bezüglich der Gewährleistung der Unabhängigkeit und Neutralität der zuständigen Stellen eingeräumt. Als Alternative kann die folgende Regelung in den Gesetzestext aufgenommen werden: (1) Ein Meldekanal kann intern durch eine vom Beschäftigungsgeber benannte Person oder Abteilung betrieben (interne Meldestelle) oder durch einen externen Dritten (externe Meldestelle) bereitgestellt werden. (2) Eine interne Meldestelle darf nur durch Personen oder Abteilungen betrieben werden, die neutral und gegenüber dem Beschäftigungsgeber unabhängig sind. Die Wahrnehmung anderer Aufgaben bei dem Beschäftigungsgeber ist zulässig, wenn und soweit dadurch die Neutralität und Unabhängigkeit nicht beeinträchtigt werden. Satz 1 gilt entsprechend für externe Meldestellen. (3) Beschäftigungsgeber mit in der Regel mehr als 50 und weniger als 249 Beschäftigten können die Meldestelle gemeinsam mit anderen Beschäftigungsgebern betreiben oder gemeinsam durch einen Dritten bereitstellen lassen. 60
Colneric/Gerdemann, 47. A. A. Colneric/Gerdemann, 47 f.; Gerdemann, Überlegungen zur nationalen Umsetzung, sub. 3. 62 A. A. Gerdemann, Überlegungen zur nationalen Umsetzung, sub. 3. 63 Erwägungsgrund (56) zur RL 2019/1937, Amtsblatt der Europäischen Union, L 305/26. 64 Ähnlich auch Colneric/Gerdemann, 47; EuArbR/Fest, EU-RL 2019/366, Art. 9 Rn. 17. 65 Wohl auch Schmolke, NZG 2020, 5, 11; Frost, EuZA 2020, 283, 294; außerhalb des Erfordernisses eines leitungsunabhängigen Kanals auch Colneric/Gerdemann, 46 f. 61
B. Inhaltliche Ausgestaltung der internen Meldekanäle
211
Eine gesetzliche Schulungspflicht der Unternehmen hat wegen des andernfalls eintretenden Eingriffs in Art. 12 Abs. 1 GG zu unterbleiben. Es liegt regelmäßig bereits im Interesse der Unternehmen, ein funktionsfähiges internes Meldesystem zu schaffen, sodass sie meist selbst freiwillig für geschultes Personal Sorge tragen werden. Zum einen binden fehlerhafte oder langsame Bearbeitungen der Meldungen zusätzlich Ressourcen, zum anderen steigt das Risiko externer Meldungen oder sogar einer Offenlegung. Um dem entgegen zu wirken, wird es Unternehmen daran gelegen sein, für eine umfassende Fachkompetenz der Mitarbeiter Sorge zu tragen. Einer über die unionsrechtlichen Vorgaben hinausgehenden gesetzlichen Verpflichtung bedarf es für die Gewährleistung der Funktionsfähigkeit der Meldekanäle nicht. Die von diesen Vorgaben abweichende Regelung des § 15 Abs. 2 HinSchGEntwurf ist zu streichen. Gemäß § 15 Abs. 2 HinSchG-Entwurf müssen Beschäftigungsgeber dafür Sorge tragen, dass die mit den Aufgaben einer internen Meldestelle beauftragten Personen regelmäßig für diese Aufgabe geschult werden. 3. Form der Meldung a) Vorgaben der EU-Richtlinie 2019/1937 Von Bedeutung ist nicht nur, gegenüber wem Hinweisgeber intern Meldung erstatten können, sondern auch in welcher Form. Aus Art. 9 Abs. 2 EU-RL 2019/1937 ergibt sich, dass Meldungen kumulativ oder alternativ in schriftlicher und mu¨ ndlicher Form möglich sein müssen. Die mu¨ ndliche Meldung kann per Telefon oder mittels einer anderen Art der Sprachu¨ bermittlung sowie – auf Ersuchen des Hinweisgebers – im Wege einer physischen Zusammenkunft innerhalb eines angemessenen Zeitrahmens erfolgen. Wegen des eindeutigen Wortlauts der endgültigen Richtlinie, insbesondere im Vergleich zu dem vorherigen Kommissions-Entwurf66, könnte angenommen werden, dass Unternehmen nur für die Möglichkeit einer physischen Zusammenkunft Sorge tragen müssen, wenn sie einen mündlichen Meldekanal einrichten.67 In Erwägungsgrund Nummer 53 ist eine solche Differenzierung jedoch nicht vorgesehen. Dort ist vielmehr ausgeführt, dass „[a]uf Anfrage des Hinweisgebers […] es u¨ ber diese Kana¨ le auch mo¨ glich sein [sollte], […] im Rahmen von physischen Zusammenku¨ nften Meldung zu erstatten.“68 Es ist, insbesondere auch unter Berücksichtigung des Ziels der Richtlinie, anzunehmen, dass Unternehmen, die sich für ein schriftliches System entscheiden, ebenfalls physische Zusammenkünftige ermöglichen müssen. 66
Der Kommissions-Entwurf sah noch vor, dass neben der schriftlichen und/oder mündlichen Meldung auch eine physische Zusammenkunft möglich sein muss, vgl. Art. 5 Abs. 2 COD 2018/0106. 67 A. A. EuArbR/Fest, EU-RL 2019/366, Art. 9 Rn. 8. 68 Erwägungsgrund (53) zur RL 2019/1938, Amtsblatt der Europäischen Union, L 305/25.
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Teil 3: Implementierung unternehmensinterner Meldesysteme
Die schriftliche Meldeform bezieht sich nicht nur auf postalische Meldungen, sondern auch auf solche via Beschwerde-Briefkasten oder Online-Plattform im Intranet oder Internet.69 b) Umsetzung auf nationaler Ebene Im Interesse der unternehmerischen Freiheit und auch um die Implementierung effektiver Meldekanäle sicherzustellen, sollte das in der Richtlinie vorgesehene weitreichende Ausgestaltungsermessen auch auf nationaler Ebene fortgeführt werden. Dies ist dadurch zu erreichen, dass sich der Gesetzgeber an den Vorgaben der Richtlinie orientiert. Hierbei hat er ausdrücklich klarzustellen, dass sowohl bei mündlichen als auch bei schriftlichen Meldekanälen eine physische Zusammenkunft innerhalb eines angemessenen Zeitrahmens möglich sein muss. Um den Umständen des Einzelfalls Rechnung zu tragen, sollte auf eine strengere Zeitvorgabe verzichtet werden. Er muss zudem klarstellen, dass auch die Möglichkeit der elektronischen Meldung besteht und auf ein weites Verständnis der schriftlichen Form, über das nationale Verständnis hinausgehend70, verweisen. Durch das damit gewährte weite Ermessen bei der Ausgestaltung des Meldekanals obliegt es künftig im Wesentlichen den Unternehmen, eine praktikable Umsetzung zu schaffen71. Die aktuelle Fassung des Gesetzesentwurfs sieht diese Vorgaben umfassend und zutreffend vor. Nach § 16 Abs. 3 HinSchG-Entwurf müssen Meldekanäle interne Meldungen in mündlicher Form oder in Textform vorsehen. Durch den Verweis auf die Textform werden insbesondere auch elektronische Meldewege erfasst. Ein persönliches Ersuchen eines Hinweisgebers muss nach den Vorgaben des Gesetzesentwurfs bei jedem Meldekanal möglich sein. Richtig ist auch, dass auf Ersuchen der hinweisgebenden Person innerhalb einer „angemessenen“ Zeit eine persönliche Zusammenkunft mit den für die Entgegennahme einer Meldung zuständigen Personen der internen Meldestelle ermöglicht werden muss, ungeachtet, in welcher Form (mündlich, schriftlich, elektronisch) der Meldekanal im Übrigen ausgestaltet ist. Eine Anpassung der Vorschrift ist somit nicht erforderlich. 4. Wahl zwischen offenem, vertraulichem und anonymem Meldekanal a) Vorgaben der EU-Richtlinie 2019/1937 Aus Art. 9 Abs. 1 lit. a) und Art. 16 EU-RL 2019/1937 ergeben sich Vorgaben zu dem Umgang mit der Identität eines Hinweisgebers im Zusammenhang mit dem Betrieb interner Meldekanäle.
69 70 71
Erwägungsgrund (53) zur RL 2019/1937, Amtsblatt der Europäischen Union, L 305/25. EuArbR/Fest, EU-RL 2019/366, Art. 9 Rn. 6. So auch Gerdemann, RdA 2019, 16, 21.
B. Inhaltliche Ausgestaltung der internen Meldekanäle
213
Gemäß Art. 9 Abs. 1 lit. a) EU-RL 2019/1937 müssen Meldekanäle so sicher konzipiert, eingerichtet und betrieben werden, dass die Vertraulichkeit der Identität des Hinweisgebers und Dritter, die in der Meldung erwähnt werden, gewahrt bleibt und nicht befugten Mitarbeitern der Zugriff darauf verwehrt wird. Der europäische Gesetzgeber hat sich somit grundsätzlich für die zwingende Einrichtung vertraulicher Meldekanäle entschieden. Die Einrichtung offener Meldekanäle, bei denen die Identität des Hinweisgebers bei der Meldung bekannt gegeben wird und die zuständige Stelle keinerlei Verpflichtungen bezüglich der Geheimhaltung der Identität des Whistleblowers unterliegt72, ist folglich unionsrechtlich unzulässig. Darüber hinaus ist der Gesetzgeber gemäß Art. 16 EU-RL 2019/1937 dazu verpflichtet, für die Wahrung der Vertraulichkeit der Identität des Hinweisgebers Sorge zu tragen. Nach Art. 16 Abs. 1 EU-RL 2019/1937 müssen die Mitgliedstaaten sicherstellen, dass die Identita¨ t des Hinweisgebers und solche Informationen, aus denen die Identität direkt oder indirekt abgeleitet werden kann, ohne dessen ausdru¨ ckliche Zustimmung keinen anderen Personen als gegenu¨ ber den befugten Mitarbeitern, die fu¨ r die Entgegennahme von Meldungen oder fu¨ r das Ergreifen von Folgemaßnahmen zu Meldungen zusta¨ ndig sind, offengelegt werden. In Art. 16 Abs. 2, 3 EU-RL 2019/1937 sind Voraussetzungen normiert, unter denen eine Offenlegung der Identität auch ohne Zustimmung des Hinweisgebers zulässig ist. b) Umsetzung auf nationaler Ebene Der nationale Gesetzgeber muss nach den unionsrechtlichen Vorgaben die Wahrung der Vertraulichkeit der Identität von Whistleblowern gewährleisten. Hierzu gehört insbesondere, dass die Unternehmen zur Einrichtung vertraulicher Meldekanäle im Sinne des Art. 9 Abs. 1 lit. a) EU-RL 2019/1937 verpflichtet werden. Wegen Art. 25 Abs. 1 EU-RL 2019/1937 kann der Gesetzgeber von diesen Vorgaben zu Gunsten des Whistleblower-Schutzes abweichen. Er könnte daher erwägen, die Unternehmen zur Einrichtung anonymer Meldekanäle zu verpflichten.73 Bei einem solchen Meldekanal bleibt die Identität des Hinweisgebers auch gegenüber der Meldestelle unbekannt.
72
Schemmel/Ruhmannseder/Witzigmann, Hinweisgebersysteme, 1. Kapitel Rn. 72; Schweizer, 51; Thüsing/Thüsing/Forst, § 6 Rn. 23, 25. 73 Von der Frage der Einführung anonymer Meldekanäle ist die Frage der Verpflichtung zur Entgegennahme und Weiterverfolgung anonymer Meldungen zu trennen. Zu der zweiten Frage hat der europäische Gesetzgeber in Art. 6 Abs. 2 EU-RL 2019/1937 Vorgaben getroffen. Hierzu unter Teil 3 C. II. 4.
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Teil 3: Implementierung unternehmensinterner Meldesysteme
aa) Einführung anonymer Meldekanäle (1) Verfassungsrechtliche Vorgaben Bei der Umsetzung der Richtlinie setzen die Vorgaben des Grundgesetzes dem nationalen Gesetzgeber jedoch Grenzen. Fraglich ist, ob die Normierung anonymer Meldekanäle danach zulässig oder sogar geboten ist. (a) Angemessener Ausgleich der Interessen von Hinweisgeber und verdächtigter Person (aa) Zulässigkeit anonymer Meldekanäle Die verfassungsrechtliche Zulässigkeit anonymer Meldekanäle richtet sich zunächst danach, ob eine darauf gerichtete gesetzliche Vorgabe die betroffenen Grundrechte von Hinweisgeber und „angezeigter“ Einzelperson hinreichend in Ausgleich bringt. Sieht der Gesetzgeber verpflichtend anonyme Meldekanäle vor, wird der Grundrechtsposition potentieller Hinweisgeber umfassend Rechnung getragen. Ein Whistleblower kann sich nicht nur hinsichtlich dem Interesse an der Geheimhaltung seiner Identität auf sein Recht auf informationelle Selbstbestimmung (Art. 2 Abs. 1 i. V. m. Art. 1 Abs. 1 GG, Art. 8 EMRK) berufen, auch schützt Art. 5 Abs. 1 S. 1 Fall 1 GG, Art. 10 EMRK seine anonyme Meinungsäußerung.74 Art. 5 Abs. 1 GG (Art. 10 EMRK) verpflichtet den Gesetzgeber im Einzelfall sogar dazu, anonyme Meinungsäußerungen zu ermöglichen, wenn andernfalls, bei Preisgabe der Identität, dem Äußernden (wirtschaftliche, rechtliche oder soziale) Repressalien drohen und ihn im Ergebnis von seiner Meinungsäußerung abhalten könnten.75 In dieser „Gefahrenlage“ befinden sich regelmäßig Whistleblower. Wendet sich ein Hinweisgeber mit Nennung seines Namens an eine interne Meldestelle, um Missstände aufzudecken, können ihm im Einzelfall erhebliche berufliche und auch soziale Nachteile drohen.76 Dies kann einen gutgläubigen Hinweisgeber im Ergebnis von der Meldung, als Ausübung seiner freien Meinungsäußerung, zu Lasten der wirksamen Rechtsdurchsetzung abhalten. Eine gesetzliche Verpflichtung gegenüber Unternehmen, die darauf gerichtet ist, anonyme Meldekanäle einzurichten, würde dem grundrechtlichen Schutzbedürfnis der Whistleblower umfassend Rechnung tragen. Problematisch ist jedoch, ob mit einer solchen Bestimmung auch den gegenüberstehenden Interessen der verdächtigten Personen hinreichend Rechnung getragen würde. In diesem Zusammenhang erlangen die grundrechtlich geschützten Persönlichkeitsrechte der verdächtigten Personen Bedeutung. Die im Einzelnen beschuldigte Person hat insbesondere ein Interesse an dem Schutz ihres sozialen 74 75 76
Hierzu unter Teil 1 D. II. 1. a) aa) und dd). Kersten, JuS 2017, 193, 196. Ähnlich auch Rudkowski/Schreiber, 2.1.2.4.
B. Inhaltliche Ausgestaltung der internen Meldekanäle
215
Geltungsanspruchs und ihrer Ehre (Art. 2 Abs. 1 i. V. m. Art. 1 Abs. 1 GG, Art. 8 EMRK). Der nationale Gesetzgeber ist auch zum Schutz dieser Grundrechtsposition verpflichtet. Er muss daher zwischen den gegenläufigen Interessen einen angemessenen Ausgleich schaffen Die mit der Einführung anonymer Meldekanäle verbundene Möglichkeit zur uneingeschränkten Anonymität eines Hinweisgebers birgt ein erhebliches Missbrauchspotential.77 Jede beliebige Person könnte, ohne ihre Identität offenzulegen, andere denunzieren, falsche oder unsubstantiierte Behauptungen aufstellen und sich daraus folgenden Konsequenzen, insbesondere einer (sachlichen und rechtlichen) Auseinandersetzung mit der betroffenen Person, entziehen.78 Das Risiko falscher, zum Teil sogar böswilliger Meldungen würde zu Lasten der Persönlichkeitsrechte der verdächtigten Personen erheblich gesteigert.79 Des Weiteren könnte sich die verdächtigte Person im konkreten Einzelfall gegen die erhobenen Vorwürfe ohne Kenntnis der Identität auch nur eingeschränkt zur Wehr setzen.80 Sie wird den (missbräuchlichen) Behauptungen eines Hinweisgebers schutzlos ausgesetzt und zum Objekt seines Handelns.81 Die Einrichtung anonymer Meldekanäle auf Grundlage einer entsprechenden gesetzlichen Vorgabe würde im Ergebnis, zu Lasten der Persönlichkeitsrechte der verdächtigten Personen, nicht nur die gutgläubig, sondern auch die bösgläubig handelnden Hinweisgeber schützen. Hierin liegt jedoch gerade die unvermeidbare Problematik der Anonymität.82 Der Schutz gutgläubiger Hinweisgeber durch die gesetzliche Gewährleistung der Anonymität ist unabdingbar mit dem, wenn auch nicht gewollten, Schutz bösgläubiger Hinweisgeber verbunden. Die damit einhergehende Einschränkung der Interessenpositionen der im Einzelfall zu Unrecht verdächtigten Personen wäre jedoch, unter Berücksichtigung des gesetzgeberischen Gestaltungsspielraums, nicht unangemessen, sofern der Gesetzgeber weitere Vorkehrungen83 zum Schutz der Persönlichkeitsrechte der verdächtigten Einzelpersonen trifft. Das Ziel der in Frage stehenden gesetzlichen Regelung – der Schutz gutgläubiger Hinweisgeber zur Förderung der Rechtsdurchsetzung im öffentlichen Interesse – kann die damit im Einzelfall (durch eine bösgläubige, 77
448.
Zu dem Missbrauchspotential anonymer Äußerungen auch Kühling, NJW 2015, 447,
78 Ähnlich auch Wiedmann/Seyfert, CCZ 2019, 12, 18; zur bisherigen Rechtslage bereits auch Diepold/Loof, CB 2017, 25, 25; EDPS, Juli 2016, S. 6; Grambow, CB 2016, 245, 247; Hefendehl, FS Amelung, 2009, 617, 634; Rudkowski/Schreiber, 2.1.2.4.; Rotsch/Rotsch/ Wagner, Criminal Compliance, § 34 C. Whistleblowing Rn. 71; Schnelle/Kollmann, BB 2012, 1559, 1559. 79 Artikel-29-Datenschutzgruppe, WP 117, S. 12; Grobys/Panzer-Heemeier/Mengel, Whistleblowing Rn. 7; a. A. Hauser/Stühlinger, CB 2018, 443, 447. 80 Zu anonymen Bewertungen im Internet auch Wiese, JZ 2011, 608, 614. 81 Zu anonymen Bewertungen im Internet Wiese, JZ 2011, 608, 614. 82 Im Ergebnis auch Heckmann, NJW 2012, 2631, 2632. 83 Solche Vorkehrungen können in dem Umsetzungsakt zu Art. 22 Abs. 1 EU-RL 2019/ 1937 (Unschuldsvermutung) und in der Ausdehnung des Vertraulichkeitsgebots auf die Informationen über die Person des Verdächtigten gesehen werden.
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Teil 3: Implementierung unternehmensinterner Meldesysteme
missbräuchliche Meldung) entstehenden Beeinträchtigungen der Grundrechte der Gegenseite rechtfertigen. (bb) Zulässige Alternative: Vertrauliche Meldekanäle? Dies bedeutet aber nicht, dass der Gesetzgeber auf nationaler Ebene zwingend anonyme interne Meldekanäle vorsehen müsste. Maßgeblich ist, ob eine verfassungskonforme Alternative besteht. Als solche kommt eine gesetzliche Verpflichtung der Unternehmen zur Einrichtung vertraulicher Meldekanäle, entsprechend der unionsrechtlichen Vorgaben, in Betracht. Entscheidend ist somit, ob der Gesetzgeber mit dieser Vorgabe ebenfalls einen angemessenen Ausgleich der sich gegenüberstehenden Interessen von Hinweisgebern und verdächtigten Personen schaffen würde. Sieht der Gesetzgeber, zum Schutz der Persönlichkeitsrechte der verdächtigten Personen, lediglich verpflichtend vertrauliche Meldekanäle vor, müssen Hinweisgeber de lege ferenda, sofern sie nicht selbst für die Anonymität Sorge tragen, bei der Erstattung einer internen Meldung ihre Identität offenlegen. Die Beeinträchtigung der Grundrechtspositionen des Hinweisgebers durch eine derartige gesetzliche Vorgabe wiegt jedoch gering. Gutgläubigen Hinweisgebern wird de lege ferenda ein umfassender Schutz vor sämtlichen Repressalien auch bei internen Meldungen eingeräumt.84 Zudem müssen sie künftig wegen der zugesicherten Vertraulichkeit (Art. 9 Abs. 1 lit. a), 16, 23 Abs. 1 lit. d) EU-RL 2019/1937) keine Sorge haben, dass ihre Identität nach Belieben an unberechtigte Dritte außerhalb des Meldesystems weitergeben wird. Der Gesetzgeber verhindert durch diese gesetzlichen Vorgaben nahezu jede mögliche Form von (wirtschaftlichen, rechtlichen und sozialen) Repressalien, vor denen die Anonymität gerade schützen soll. Mit einem vertraulichen Meldekanal, eingebettet in ein umfassendes gesetzliches Schutzkonzept, würde den Interessen der (gutgläubigen) Whistleblower ebenfalls hinreichend Rechnung getragen.85 Zudem darf nicht unberücksichtigt bleiben, dass ein (gutgläubiger) Hinweisgeber auch ein Interesse an der Offenlegung seiner Identität haben kann. Die umfassende Ermittlung des Sachverhalts wird durch die Wahrung der Anonymität meist erheblich erschwert.86 Dies würde nicht nur dem Ziel des Umsetzungsakts zu der EURichtlinie 2019/1937 – Förderung der Rechtsdurchsetzung – abträglich sein. Vielmehr würde die Gefährdung der Sachverhaltsaufklärung regelmäßig auch dem Interesse eines (gutgläubigen) Whistleblowers widersprechen. Dieser möchte häufig durch sein Handeln gerade einen Beitrag zur Rechtsdurchsetzung leisten. Er84
Hierzu unter Teil 2 C. II. Wohl auch Ullrich, WiJ 2019, 52, 58; a. A. Federmann/Racky/Kalb/Modrzyk, DB 2019, 1665, 1669; Schmolke, NZG 2020, 5, 11. 86 Artikel-29-Datenschutzgruppe, WP 117, S. 11; EDPS, Juli 2016, S. 6; Rudkowski/ Schreiber, 2.1.2.4.; Rotsch/Rotsch/Wagner, Criminal Compliance, § 34 C. Whistleblowing Rn. 71. 85
B. Inhaltliche Ausgestaltung der internen Meldekanäle
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schwerend kommt hinzu, dass die Kenntnis von der Person des Hinweisgebers vielfach sogar entscheidend ist, um für dessen besonderen Schutz Sorge tragen zu können.87 Es wäre daher nicht unangemessen, de lege ferenda lediglich vertrauliche Meldekanäle gesetzlich vorzuschreiben, um damit die verdächtigten Personen vor böswilligen, falschen Meldungen zu schützen. (cc) Zwischenergebnis Eine Verpflichtung zur Einrichtung anonymer Meldekanäle würde die Kollision der Grundrechtspositionen angemessen auflösen.88 Nichts anderes gilt für die gesetzliche Normierung eines vertraulichen Meldekanals.89 Bei beiden Alternativen handelt es sich um verfassungskonforme Lösungen mit Blick auf die Interessen des Whistleblowers und denen der verdächtigten Person. (b) Vereinbarkeit mit den unternehmerischen Interessen Daneben muss der nationale Gesetzgeber bei der Umsetzung der Richtlinie auch die Grundrechte der Unternehmen berücksichtigen, da diese im Ergebnis die gesetzlichen Vorgaben erfüllen müssen. Fraglich ist, ob die Pflicht zur Einrichtung anonymer Meldekanäle mit der Unternehmerfreiheit (Art. 12 Abs. 1 GG) vereinbar wäre. Die über die Richtlinienvorgaben hinausgehende Verpflichtung der Unternehmen könnte mit dem Schutz von Whistleblowern und der daraus resultierenden Förderung der Meldebereitschaft im Interesse der Allgemeinheit begründet werden. Bedenken bestehen jedoch, ob es zur Erreichung dieses Ziels angemessen wäre, sämtliche Unternehmen, die künftig interne Meldesysteme einrichten, auch die Pflicht zur Schaffung anonymer Berichtswege aufzuerlegen. Mit der Einrichtung eines anonymen Meldekanals sind ein (organisatorischer) Mehraufwand und weitere Kosten verbunden, die gerade für kleinere Unternehmen eine erhebliche Belastung und damit eine Einschränkung ihrer Leistungsfähigkeit begründen können.90 Sämtliche Unternehmen, die nach den Vorgaben des künftigen Hinweisgeberschutzgesetzes zur Einrichtung interner Meldesysteme verpflichtet werden, müssten personelle, sachliche und insbesondere auch technische Ressourcen aufwenden, um die Anonymität eines Hinweisgebers umfassend zu gewährleisten. Gerade in kleineren Unternehmen kann dies jedoch nur schwer gelingen.91 Des Weiteren birgt das Missbrauchsrisiko
87 Artikel-29-Datenschutzgruppe, WP 117, S. 12; EDPS, Juli 2016, S. 6; Thüsing/Thüsing/ Forst, § 6 Rn. 24. 88 So auch Klaas, CCZ 2019, 163, 169; Momsen/Gützner/Oonk, ZIS 2011, 754, 756. 89 A. A. wohl Klaas, CCZ 2019, 163, 169. 90 Colneric/Gerdemann, 138. 91 Zur bisherigen Rechtslage bereits Wirth/Krause, CB 2015, 27, 30.
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Teil 3: Implementierung unternehmensinterner Meldesysteme
anonymer Meldungen die Gefahr, dass das Betriebsklima zu Lasten des unternehmerischen Erfolgs beeinträchtigt würde.92 Berücksichtigt man, dass dem Schutzbedürfnis von Hinweisgebern de lege ferenda bereits mit der Umsetzung der Vorgaben der EU-Richtlinie hinreichend Rechnung getragen wird, könnte die, mit der gesetzlichen Pflicht zur Einrichtung anonymer Berichtswege verbundene schwerwiegende Beeinträchtigung der unternehmerischen Freiheit, zumindest hinsichtlich kleinerer Unternehmen, nur schwer begründet werden. Die Verpflichtung dürfte sich, wenn überhaupt, allein an solche Unternehmen richten, die den Schwellenwert erheblich überschreiten oder besonders wirtschaftsstark sind und damit die finanziellen sowie organisatorischen Hürden, die mit der Einrichtung anonymer Meldekanäle verbunden sind, ohne weiteres bewerkstelligen können.93 (c) Zwischenergebnis Der Gesetzgeber kann nach den Vorgaben der Verfassung zwischen den zwei Alternativen – den vertraulichen und anonymen Meldekanälen – weitgehend frei wählen. Er kann (zumindest größere bzw. wirtschaftsstarke) Unternehmen zur Einrichtung eines anonymen Meldekanals verpflichten oder auch, entsprechend der Vorgaben der Richtlinie, bloß vertrauliche interne Meldekanäle gesetzlich vorsehen. (2) Datenschutzrechtliche Zulässigkeit anonymer Meldekanäle Auch wenn die Normierung eines anonymen Meldekanals nach den Vorgaben der Verfassung grundsätzlich zulässig ist, bedeutet dies nicht, dass der nationale Gesetzgeber eine darauf gerichtete Verpflichtung vorsehen sollte. Bei Umsetzung der EU-Richtlinie 2019/1937 sieht sich der Gesetzgeber mit der Aufgabe konfrontiert, die rechtlichen Bedingungen eines datenschutzkonformen Betriebs interner Meldesysteme (vgl. auch Art. 17 UAbs. 1 EU-RL 2019/1937) zu schaffen. Er hat systematische Widersprüche zwischen dem Umsetzungsakt zu der EU-Richtlinie 2019/ 1937 und den Vorgaben der Datenschutz-Grundverordnung zu vermeiden. Vorliegend erscheint es problematisch, ob die Einrichtung anonymer Meldekanäle und die damit verbundene Aufforderung zu anonymen Hinweisen mit den Vorgaben der Datenschutz-Grundverordnung, konkret mit denen des Art. 5 Abs. 1 lit. a) Alt. 2 („Treu und Glauben“) und des Art. 5 Abs. 1 lit. a) Alt. 3 DS-GVO („Transparenz“), vereinbar wäre.94 Mit der Einrichtung und Inanspruchnahme interner Meldekanäle werden die Daten der verdächtigten Personen erhoben und an92
Rudkowski/Schreiber, 2.1.2.4. Ähnlich auch Colneric/Gerdemann, 138; kritisch zur Verpflichtung von Unternehmen zur Einrichtung anonymer Meldesysteme außerhalb des Bankenaufsichtsrechts auch Rudkowski/Schreiber, 2.1.2.4. 94 Zu der Diskussion über die datenschutzrechtliche Zulässigkeit anonymer Meldungen auch Henssler, NZA-Beilage 2018, 31, 32 f. 93
B. Inhaltliche Ausgestaltung der internen Meldekanäle
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schließend weiterverarbeitet.95 Diese Verarbeitungsvorgänge müssen zum einen immer auf eine Rechtsgrundlage gestützt werden.96 Zum anderen sind auch die verpflichtenden Vorgaben97 des Art. 5 DS-GVO98 zu berücksichtigen.99 Beide Vorschriften begründen die Anforderungen an die Rechtmäßigkeit der Datenverarbeitung.100 (a) Vereinbarkeit anonymer Meldekanäle mit dem Grundsatz von Treu und Glauben Nach Art. 5 Abs. 1 lit. a) Alt. 2 DS-GVO muss die Datenverarbeitung nach Treu und Glauben erfolgen. Es soll sichergestellt werden, dass die Datenverarbeitung fair ist.101 Im Einzelfall kann durch die Anwendung des Grundsatzes von Treu und Glauben, trotz grundsätzlicher Regelkonformität des Vorgangs der Datenverarbeitung102, diese als unrechtmäßig eingestuft werden.103 Dies kommt insbesondere in Betracht, wenn das von der Datenschutz-Grundverordnung vorgesehene Gleichgewicht der Kräfte zwischen Verantwortlichem und betroffener Person beeinträchtigt ist.104 Der Begriff „Treu und Glauben“ ist einer inhaltlichen Konkretisierung zugänglich, wobei dies durch eine Abwägung der gegenüberstehenden Interessen105, unter Berücksichtigung der Wertentscheidungen der Charta der Grundrechte der Union106, erfolgt.
95
Hierzu umfassend unter Teil 3 D. I. Hierzu umfassend unter Teil 3 D. III. 97 Gola/Pötters, DS-GVO, Art. 5 Rn. 4; BeckOK Datenschutzrecht/Schantz, Art. 5 DSGVO Rn. 2; Taeger/Gabel/Voigt, DS-GVO, Art. 5 Rn. 1. 98 Umfassend hierzu Weidmann, DB 2019, 2393, 2395. 99 Ehmann/Selmayr/Heberlein, DS-GVO, Art. 5 Rn. 1, 5; Simitis/Hornung/Spiecker gen. Döhmann/Roßnagel, DS-GVO, Art. 5 Rn. 15. 100 Hamann, BB 2017, 1090, 1091; Sydow/Reimer, DS-GVO, Art. 6 Rn. 1. 101 Sydow/Reimer, DS-GVO, Art. 5 Rn. 14; Roßnagel, ZD 2018, 339, 340; Taeger/Gabel/ Voigt, DS-GVO, Art. 5 Rn. 13; von dem Bussche/Voigt/Voigt, Konzerndatenschutz, Teil 3 Kap. 2 B. Rn. 4. 102 Hierzu umfassend VGR/Thüsing/Fütterer, Whistleblowing im Spannungsfeld von Gesellschaftsrecht, Arbeitsrecht und Datenschutz, IV., 1.; Thüsing/Fütterer/Jänsch, RDV 2018, 133, 135. 103 Kühling/Buchner/Herbst, DS-GVO, Art. 5 Rn. 17; Auernhammer/Kramer, DS-GVO, Art. 5 Rn. 15; Sydow/Reimer, DS-GVO, Art. 5 Rn. 14; Roßnagel, ZD 2018, 339, 340. 104 Kühling/Buchner/Herbst, DS-GVO, Art. 5 Rn. 17; ähnlich auch Auernhammer/Kramer, DS-GVO, Art. 5 Rn. 15. 105 Roßnagel, ZD 2018, 339, 342 f.; Simitis/Hornung/Spiecker gen. Döhmann/Roßnagel, DS-GVO, Art. 5 Rn. 22. 106 von dem Bussche/Voigt/Voigt, Konzerndatenschutz, Teil 3 Kap. 2 B. Rn. 4; Sydow/ Reimer, DS-GVO, Art. 5 Rn. 14. 96
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Teil 3: Implementierung unternehmensinterner Meldesysteme
Um beurteilen zu können, ob eine Datenverarbeitung mit dem Grundsatz von Treu und Glauben107 zu vereinbaren ist, bedarf es somit einer umfassenden Abwägung der gegenüberstehenden Interessen des Verantwortlichen (regelmäßig das Unternehmen) und denen der verdächtigten Person.108 Entscheidend ist, ob bei einer Verarbeitung der Daten des Beschuldigten, veranlasst durch eine Meldung unter Inanspruchnahme eines anonymen Meldekanals, hinreichend Rücksicht auf seine Interessen genommen wird109. Die Einrichtung anonymer Meldekanäle und die damit verbundenen Verarbeitungsprozesse der Daten der verdächtigten Personen würden grundsätzlich, wie auch im Rahmen vertraulicher Meldekanäle, der Aufdeckung und Beseitigung unternehmensinterner Missstände dienen. Es darf jedoch nicht unberücksichtigt bleiben, dass die Möglichkeit der Anonymität missbräuchlichen, falschen Meldungen „Tür und Tor“ öffnet.110 Damit verringert sich zugleich das Interesse des Verantwortlichen an solchen Hinweisen und der damit verbundenen Datenverarbeitung.111 Demgegenüber wiegt die Beeinträchtigung der Interessen des Verdächtigten durch die Einrichtung anonymer Meldekanäle schwer. Mit Blick auf das dargestellte, erhöhte Missbrauchsrisiko anonymer Meldekanäle112 können die betroffenen Personen zu Lasten ihrer Persönlichkeitsrechte (Art. 7, 8 GRCh) Opfer falscher, böswilliger Vorwürfe werden.113 Selbst wenn der bezichtigten Person im Ergebnis kein Fehlverhalten vorzuwerfen ist, werden ihre Daten, ohne ihre Kenntnis oder Mitwirkung, vorerst verarbeitet. Die Berechtigung der Vorwürfe wird im Zeitpunkt der Meldung meist nicht ohne weiteres erkennbar sein, sondern sich regelmäßig erst im weiteren Verlauf der Sachverhaltsaufklärung herausstellen. Bedingt durch die Anonymität wird aber selbst dieser Vorgang der Wahrheitsermittlung erschwert: Die Aussicht einer erfolgreichen Aufdeckung der wahren Gegebenheiten wird durch die 107 Vgl. in diesem Zusammenhang bereits die Artikel-29-Datenschutzgruppe, wonach bei „anonyme[n] Meldungen ein besonderes Problem bezüglich der grundlegenden Anforderung […] personenbezogene Daten nur nach Treu und Glaube […]“ zu erheben, bestehe. Um diese datenschutzrechtliche Anforderung zu erfüllen, hat sich die Gruppe dafür ausgesprochen, dass nur Meldungen unter Namensnennung und keine anonymen Hinweise anerkannt werden sollten, vgl. Artikel-29-Datenschutzgruppe, WP 117, S. 12. 108 Im Ergebnis auch Mahnhold, NZA 2008, 737, 739 f.; Scheicht/Loy, DB 2015, 803, 807. 109 BeckOK Datenschutzrecht/Schantz, Art. 5 DS-GVO Rn. 8. 110 Ähnlich bereits Artikel-29-Datenschutzgruppe, WP 117, S. 12; Düsseldorfer Kreis, Whistleblowing-Hotlines: Firmeninterne Warnsysteme und Beschäftigtendatenschutz, S. 4; Franzen, Working Paper, 13, 19; Grobys/Panzer-Heemeier/Mengel, Whistleblowing Rn. 7. 111 Mahnhold, NZA 2008, 737, 740. 112 Hierzu unter Teil 3 B. II. 4. b) aa) (1) (a) (aa); so auch Artikel-29-Datenschutzgruppe, WP 117, S. 12; Düsseldorfer Kreis, Whistleblowing-Hotlines: Firmeninterne Warnsysteme und Beschäftigtendatenschutz, S. 4; Franzen, Working Paper, 13, 19; Grobys/Panzer-Heemeier/ Mengel, Whistleblowing Rn. 7; von Zimmermann, RDV 2006, 242, 246. 113 Zur bisherigen Rechtslage ebenfalls kritisch Diepold/Loof, CB 2017, 25, 25, 27; EDPS, Juli 2016, S. 6; Grambow, CB 2016, 245, 247; Rotsch/Rotsch/Wagner, Criminal Compliance, § 34 C. Whistleblowing Rn. 71; Schnelle/Kollmann, BB 2012, 1559, 1559.
B. Inhaltliche Ausgestaltung der internen Meldekanäle
221
Gewährleistung anonymer Meldungen nicht nur zu Lasten der unternehmerischen Interessen, sondern auch zu denen der verdächtigten Person erheblich verschlechtert.114 Erschwerend ist zu berücksichtigen, dass der verdächtigten Person zudem jede Möglichkeit abgeschnitten wird, rechtliche Konsequenzen gegenüber einem Hinweisgeber einzuleiten115; selbst wenn der Hinweisgeber bösgläubig eine falsche Meldung erstattet hat. Der Verantwortliche würde mit der Einrichtung anonymer Meldesysteme, konkret wegen der damit verbundenen Aufforderung zur Erstattung anonymer Hinweise und der damit einhergehenden Erhebung der Daten der (zu Unrecht) verdächtigten Person, deren Interessen unzureichend Rechnung tragen – die Verarbeitung wäre nicht fair und würde damit gegen Art. 5 Abs. 1 lit. a) Alt. 2 DS-GVO verstoßen. Die datenschutzrechtlichen Vorgaben des Art. 5 Abs. 1 lit. a) Alt. 2 DS-GVO („Treu und Glauben“) stehen somit der Einrichtung anonymer Hinweisgebersysteme entgegen. (b) Vereinbarkeit anonymer Meldekanäle mit dem Erfordernis der Transparenz Bedenken an der datenschutzrechtlichen Zulässigkeit anonymer Meldekanäle bestehen zudem wegen des Erfordernisses der transparenten Datenverarbeitung nach Art. 5 Abs. 1 lit. a) Alt. 3 DS-GVO.116 Dieser gebietet, dass personenbezogene Daten nur in einer für die betroffene Person nachvollziehbaren Weise verarbeitet werden dürfen. Der Betroffene muss rückblickend den Vorgang der Datenverarbeitung „Schritt für Schritt“ nachvollziehen können.117 Ziel dieser Regelung ist es, der betroffenen Person eine umfassende Kontrollmöglichkeit hinsichtlich der Datenverarbeitung zu bieten118 sowie eine Grundlage für eine etwaige Reaktion auf die erfolgte Datenverarbeitung und für eine Rechtswahrnehmung119 zu schaffen. Nur so kann der Betroffene seine Daten effektiv schützen.120 Es soll durch den Grundsatz des Art. 5 Abs. 1 lit. a) Alt. 3 DS-GVO gewährleistet werden, dass die betroffene Person Informationen über die Zwecke und den Umfang der Datenverarbeitung, die dadurch bedingten Risiken sowie über die Möglichkeiten der Geltendmachung ihrer Rechte
114 Artikel-29-Datenschutzgruppe, WP 117, S. 11; EDPS, Juli 2016, S. 6; Mahnhold, NZA 2008, 737, 740; Rudkowski/Schreiber, 2.1.2.4.; Rotsch/Rotsch/Wagner, Criminal Compliance, § 34 C. Whistleblowing Rn. 71. 115 Zu der Beeinträchtigung der Verteidigungsmöglichkeiten und der Geltendmachung der Rechtsposition des Verdächtigten auch Düsseldorfer Kreis, Whistleblowing-Hotlines: Firmeninterne Warnsysteme und Beschäftigtendatenschutz, S. 4 f. 116 So auch Düsseldorfer Kreis, Whistleblowing-Hotlines: Firmeninterne Warnsysteme und Beschäftigtendatenschutz, S. 4. 117 Paal/Pauly/Frenzel, DS-GVO, Art. 5 Rn. 21; Taeger/Gabel/Voigt, DS-GVO, Art. 5 Rn. 16. 118 Ehmann/Selmayr/Herberlein, DS-GVO, Art. 5 Rn. 11; BeckOK Datenschutzrecht/ Schantz, Art. 5 DS-GVO Rn. 11; Taeger/Gabel/Voigt, DS-GVO, Art. 5 Rn. 16. 119 Kühling/Buchner/Herbst, DS-GVO, Art. 5 Rn. 18. 120 Ehmann/Selmayr/Herberlein, DS-GVO, Art. 5 Rn. 11.
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Teil 3: Implementierung unternehmensinterner Meldesysteme
und Garantien erlangt.121 Die betroffene Person ist über sämtliche Umstände zu informieren, die für sie zur Überprüfung der Rechtmäßigkeit der Datenverarbeitung und ihrer Rechtswahrnehmung erforderlich sind.122 Konkretisierung hat der Grundsatz der Transparenz insbesondere in den Art. 12 bis Art. 15 DS-GVO gefunden.123 Ohne an dieser Stelle die rechtlichen Ansprüche nach Art. 12 ff. DS-GVO näher zu thematisieren, ist jedenfalls darauf hinzuweisen, dass dem Verdächtigten über Art. 14 Abs. 2 lit. f) DS-GVO grundsätzlich ein Informationsanspruch hinsichtlich der Quelle der verarbeiteten Daten und nach Art. 15 Abs. 1 Hs. 2 lit. g) DSGVO ein Auskunftsanspruch in Bezug auf die Herkunft der Daten zusteht.124 Wegen dieser Regelungen muss die verdächtigte Person über die Person des Hinweisgebers als Herkunft bzw. Quelle der Daten grundsätzlich informiert werden. Der Gewährleistungsgehalt des Grundsatzes der transparenten Datenverarbeitung und die konkretisierenden Vorgaben des Art. 14 Abs. 2 lit. f), Art. 15 Abs. 1 Hs. 2 lit. g) DS-GVO würden bei einer Datenverarbeitung im Rahmen eines anonymen Meldekanals grundlegend missachtet. Zum einen kann die betroffene Person den ersten Schritt der Datenverarbeitung – die Erhebung der Daten – nicht mehr nachvollziehen oder überprüfen. Zum anderen werden, mangels Kenntnis der Identität des Hinweisgebers, die Kontroll- sowie Reaktionsmöglichkeiten und die Rechtswahrnehmung des Verdächtigten erheblich beeinträchtigt. Selbst bei fehlender Schutzwürdigkeit des Whistleblowers könnte das Unternehmen keine Angaben über seine Person machen. Der durch die Transparenz geschaffene effektive Schutz der Daten125 würde jedenfalls partiell leer laufen, indem die durch die Art. 14 Abs. 2 lit. f), Art. 15 Abs. 1 Hs. 2 lit. g) DS-GVO vermittelten Ansprüche bewusst, ungeachtet ihres Regel-Ausnahme-Prinzips, von vornherein praktisch ausgeschlossen würden.126 Die Erhebung von Daten im Rahmen eines anonymen Meldekanals würde den Grundsatz des Art. 5 Abs. 1 lit. a) Alt. 3 DS-GVO („Transparenz“) verletzen und wäre daher rechtswidrig. Eine andere Beurteilung ergibt sich auch nicht mit Blick auf die Regelungsbefugnis des nationalen Gesetzgebers nach Art. 23 DS-GVO. Danach kann dieser unter strengen Vorgaben den Gewährleistungsgehalt der Art. 12 ff. DS-GVO einschränken und damit auch grundsätzlich den durch Art. 5 Abs. 1 DS-GVO entsprechend vermittelten Schutzgehalt unterschreiten. Da jedoch im Rahmen des Art. 23 DS-GVO die Offenlegung der Identität des Hinweisgebers nicht uneingeschränkt ausge121
Ehmann/Selmayr/Heberlein, DS-GVO, Art. 5 Rn. 12. Roßnagel, ZD 2018, 339, 340. 123 Paal/Pauly/Frenzel, DS-GVO, Art. 5 Rn. 22; Kühling/Buchner/Herbst, DS-GVO, Art. 5 Rn. 19. 124 Hierzu umfassend unter Teil 3 B. II. 4. b) bb) (3). 125 Ehmann/Selmayr/Herberlein, DS-GVO, Art. 5 Rn. 11. 126 Zur bisherigen Rechtslage bereits Arbeitsbericht des Düsseldorfer Kreises, Whistleblowing – Hotlines: Firmeninterne Warnsysteme und Beschäftigtendatenschutz, S. 4 f.; so auch DSK, Orientierungshilfe der Datenschutzbehörden zu Whistleblowing-Hotlines, S. 8 f. 122
B. Inhaltliche Ausgestaltung der internen Meldekanäle
223
schlossen werden darf127, darf dieses Ergebnis auch nicht durch die Regelung der Einrichtung eines anonymen Meldekanals umgangen werden. Eine Beschränkung des Art. 5 DS-GVO128 ist nur unter Einhaltung der Vorgaben des Art. 23 DS-GVO möglich.129 Die Regelung zur Einrichtung eines anonymen Meldekanals mit dem Ergebnis eines uneingeschränkten Ausschlusses der Information und Auskunft über die Person des Whistleblowers, ungeachtet seiner Schutzwürdigkeit, wäre folglich ebenfalls nicht mit den Vorgaben des Art. 23 DS-GVO vereinbar und muss daher unterbleiben. (c) Exkurs: Haftungsrisiko der Unternehmen bei der Einrichtung anonymer Meldekanäle Ungeachtet dessen widerspricht auch die Einrichtung eines anonymen Meldekanals der Pflicht des Verantwortlichen zur Sicherstellung der Einhaltung der Vorgaben der Datenschutz-Grundverordnung130. Nach Art. 24 Abs. 1 S. 1 DS-GVO muss der Verantwortliche geeignete organisatorische und technische Maßnahmen vorsehen, um sicherzustellen und den Nachweis darüber erbringen zu können, dass die Datenverarbeitung entsprechend der Verordnung erfolgt. Der Verantwortliche muss die Vorgaben der Verordnung einhalten und damit mittelbar auch die des Art. 8 GRCh.131 Durch Art. 25 Abs. 1 DS-GVO wird diese Verpflichtung dahingehend konkretisiert132, dass der Verantwortliche, unter Berücksichtigung der Gesamtumstände133, geeignete technische und organisatorische Maßnahmen treffen muss, die dafür ausgelegt sind, die Datenschutzgrundsätze wirksam umzusetzen und die notwendigen Garantien in die Verarbeitung aufzunehmen, um den Anforderungen dieser Verordnung zu genügen und die Rechte der betroffenen Personen zu schützen. Insbesondere muss auch dem Grundsatz der Transparenz hinreichend Rechnung getragen werden.134 Die Einrichtung eines anonymen Meldekanals ist von vornherein darauf ausgelegt, die Herkunft der Informationen zu verdecken. Die verantwortliche Stelle würde die Rechte der betroffenen Person nicht schützen, sondern vielmehr partiell vereiteln. Durch den damit verbundenen Widerspruch zu dem Grundsatz der Transparenz, 127
Hierzu unter Teil 3 B. II. 4. b) bb) (3) (c) (bb). Sofern Art. 5 DS-GVO dem Gewährleistungsgehalt der Art. 12 ff. DS-GVO entspricht. 129 Ehmann/Selmayr/Bertermann, DS-GVO, Art. 23 Rn. 1; Paal/Pauly/Paal, DS-GVO, Art. 23 Rn. 3. 130 BeckOK Datenschutzrecht/Schmidt/Brink, Vorbemerkung zu Art. 24 DS-GVO. 131 Ehmann/Selmayr/Bertermann, DS-GVO, Art. 24 Rn. 1. 132 Kühling/Buchner/Hartung, DS-GVO, Art. 25 Rn. 10; Paal/Pauly/Martini, DS-GVO, Art. 25 Rn. 1. 133 Dazu gehören der Stand der Technik, die Implementierungskosten, die Art, der Umfang, die Umstände und der Zweck der Verarbeitung sowie die unterschiedlichen Eintrittswahrscheinlichkeiten und die Schwere der mit der Verarbeitung verbundenen Risiken für die Rechte und Freiheiten natürlicher Personen. 134 Taeger/Gabel/Lang, DS-GVO, Art. 25 Rn. 34. 128
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Teil 3: Implementierung unternehmensinterner Meldesysteme
würde der Verantwortliche gegen die Vorgaben des Art. 25 DS-GVO verstoßen. Die Einrichtung eines anonymen Meldekanals würde den Anforderungen des Art. 24 Abs. 1 S. 1, 25 DS-GVO nicht gerecht, sodass sich der Verantwortliche (regelmäßig das Unternehmen) sogar nach Art. 83 Abs. 4 lit. a) DS-GVO dem Risiko eines Bußgeldes aussetzen würde. (d) Zwischenergebnis Die Vorgaben der Datenschutz-Grundverordnung, konkret der Grundsatz von Treu und Glauben und das Erfordernis einer transparenten Datenverarbeitung, stehen der Einrichtung anonymer Meldekanäle entgegen. Der Schutz der verdächtigten Personen gebietet es, dass Hinweisgeber grundsätzlich ihre Identität gegenüber der internen Stelle offenlegen, für den Fall, dass die betroffene Person zu Unrecht verdächtigt wurde. Würde der Gesetzgeber die Unternehmen zur Einrichtung anonymer Meldekanäle verpflichten, entstünde ein zu vermeidender systematischer Widerspruch zu den Vorgaben der Datenschutz-Grundverordnung. Aus diesem Grund sind die Unternehmen lediglich zur Einrichtung vertraulicher, nicht aber zur Einrichtung anonymer Meldekanäle zu verpflichten. Der aktuelle Entwurf des Hinweisgeberschutzgesetzes sieht ausschließlich die Pflicht zur Gewährleistung der Vertraulichkeit der Identität der Hinweisgeber vor. Unternehmen werden nicht zur Einrichtung anonymer Meldekanäle verpflichtet.135 Aus den dargestellten rechtlichen Gründen ist dieses Ergebnis richtig.136 Es bedarf daher an dieser Stelle keiner Überarbeitung des Gesetzestextes. bb) Umsetzungsempfehlung: Einführung vertraulicher Meldesysteme De lege ferenda muss der nationale Gesetzgeber die Vertraulichkeit hinsichtlich der Identität der Hinweisgeber gewährleisten. Aus Art. 9 Abs. 1 lit. a) EU-RL 2019/ 1937 und Art. 16 EU-RL 2019/1937 ergeben sich Vorgaben, die entsprechend auf nationaler Ebene umgesetzt werden müssen. Während Art. 9 Abs. 1 lit. a) EU-RL 2019/1937 spezielle Regelungen für interne Meldekanäle vorsieht, ist in Art. 16 EURL 2019/1937 ein allgemeines Gebot der Gewährleistung der Vertraulichkeit normiert. (1) Vorgaben gegenüber Unternehmen (a) Verpflichtung der Unternehmen: Vertraulichkeit der Meldesysteme Entsprechend den Vorgaben der Richtlinie nach Art. 9 Abs. 1 lit. a) EU-RL 2019/ 1937 muss der Gesetzgeber die Unternehmen dazu verpflichten, dass die Kanäle so sicher konzipiert, eingerichtet und betrieben werden, dass die Vertraulichkeit der 135 136
Vgl. auch Referentenentwurf HinSchG, S. 28. Kritisch zu der Regelung des HinSchG-Entwurfs Dilling, CCZ 2021, 60, 63.
B. Inhaltliche Ausgestaltung der internen Meldekanäle
225
Identita¨ t des Hinweisgebers und Dritter137, die in der Meldung erwa¨ hnt werden, gewahrt bleibt und nicht befugten Mitarbeitern der Zugriff darauf verwehrt wird. Unter Berücksichtigung des Art. 16 Abs. 1 S. 2 EU-RL 2019/1937 ergibt sich, dass sich die Pflicht zur Wahrung der Vertraulichkeit auch auf solche Informationen beziehen muss, die Rückschlüsse auf die Identität des Hinweisgebers zulassen. Wegen der einheitlichen Terminologie („befugte Mitarbeiter“) des Art. 16 Abs. 1 S. 1 EU-RL 2019/1937 und Art. 9 Abs. 1 lit. a) EU-RL 2019/1937 ist zudem anzunehmen, dass auf eingehende Meldungen sowohl die Meldestellen als auch die Personen bzw. Abteilungen, die für die Durchführung von Folgemaßnahmen zuständig sind, zugreifen dürfen. Dies ist auch überzeugend, da die andernfalls entstehende unzureichende Informationsversorgung die Durchführung der Folgemaßnahmen zu Lasten der Rechtsdurchsetzung erschweren und damit gefährden könnte. Diesen Personen bzw. Abteilungen darf und sollte daher ebenfalls das Recht eines Zugriffs auf die Meldung eingeräumt werden. Weitergehende Vorgaben als die der Richtlinie (Art. 9 Abs. 1 lit. a) EU-RL 2019/ 1937) hat der nationale Gesetzgeber gegenüber den Unternehmen nicht zu erlassen. Es sollte den Unternehmen weitgehend selbst überlassen bleiben, wie sie die Vertraulichkeit ihres internen Meldekanals gewährleisten.138 Die Art und Weise der Gewährleistung der Vertraulichkeit hängt maßgeblich von der konkreten Ausgestaltung des internen Meldekanals und der jeweiligen Unternehmensstruktur ab. Eine auf sämtliche Gestaltungsformen angepasste, funktionsfähige einheitliche gesetzliche Vorgabe könnte nur schwer erreicht werden. Vielmehr muss den Unternehmen Spielraum verbleiben, um die Identität des Hinweisgebers tatsächlich und auch effektiv zu schützen. Die mit weitergehenden gesetzlichen Vorgaben verbundenen Einschränkungen der unternehmerischen Freiheit wären für einen verbesserten Whistleblower-Schutz nicht zielführend. Sie wären zudem regelmäßig nicht erforderlich, da es den Unternehmen, wegen der Möglichkeit der Hinweisgeber zur geschützten direkten externen Meldung, meist selbst daran gelegen sein wird, die Vertraulichkeit des Systems als Anreizschaffung für interne Meldungen zu gewährleisten. Angelehnt an die Vorgaben des Art. 9 Abs. 1 lit. a) EU-RL 2019/1937 sollte daher nur normiert werden, dass der interne Kanal so eingerichtet und betrieben werden muss, dass die Identität des Whistleblowers allein den zuständigen Mitarbeitern (Meldestelle und Personen, die für die Durchführung von Folgemaßnahmen zuständig sind) bekannt sein darf. Sonstigen Dritten, sei es der Arbeitgeber, Kollegen oder unternehmensexterne Personen, dürfen Informationen über die Person des Hinweisgebers nicht weitergegeben werden. Zudem muss das Unternehmen dafür Sorge tragen, dass sonstige Dritte sich nicht selbst Zugriff auf die Informationen 137
Hierauf wird im Folgenden nicht weiter eingegangen. Der Schwerpunkt der Ausführungen liegt ausschließlich auf dem Schutz der Hinweisgeber. 138 So auch Forst, EuZA 2020, 283, 294; Schmolke, NZG 2020, 5, 11; a. A. Dilling, CCZ 2021, 60, 62.
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Teil 3: Implementierung unternehmensinterner Meldesysteme
verschaffen können. Wie die Vertraulichkeit technisch, organisatorisch und rechtlich abgesichert wird, muss dann den Unternehmen überlassen bleiben. Wegen Art. 16 Abs. 1 EU-RL 2019/1937 und zum Schutz der Hinweisgeber sollte die Verpflichtung der Unternehmen zur Gewährleistung der Vertraulichkeit auch auf das Verfahren der Durchführung von Folgemaßnahmen, mithin auf das gesamte Meldesystem, erstreckt werden. Diese Verpflichtungen müssen, wie bereits ausgeführt139, auch Unternehmen auferlegt werden, die freiwillig interne Meldesysteme einrichten. Der Regelungsgehalt des Art. 9 Abs. 1 lit. a) EU-RL 2019/1937 wurde in § 16 Abs. 2 HinSchG-Entwurf umgesetzt. Danach seien die Meldekanäle so zu gestalten, dass nur die für die Entgegennahme und Bearbeitung der Meldung zuständigen Personen Zugriff auf die eingegangenen Meldungen haben. Es wurde zutreffend140 darauf verzichtet, konkrete inhaltliche Vorgaben zu erlassen, wie die Vertraulichkeit im Einzelnen durch die Unternehmen abgesichert werden muss. Unter Berücksichtigung der vorausgegangenen Ausführungen bietet sich auch die folgende alternative Vorschrift an: (1) Beschäftigungsgeber haben die Vertraulichkeit ihrer Meldesysteme zu gewährleisten. Der Meldekanal und die Verfahren für die Folgemaßnahmen sind so zu konzipieren, einzurichten und zu betreiben, dass die Vertraulichkeit der Identität der Hinweisgeber gewahrt bleibt und nur berechtigte Stellen Kenntnis von und Zugriff auf Informationen über die Identität der Hinweisgeber haben. (2) Berechtigte Stellen im Sinne des Absatzes 1 sind ausschließlich die Meldestelle und solche Personen oder Abteilungen, die für die Durchführung von Folgemaßnahmen zuständig sind. (3) Informationen über die Identität der Hinweisgeber sind alle Angaben über deren Identität und solche, aus denen die Identität direkt oder indirekt abgeleitet werden kann.
(b) Verpflichtung der zuständigen Stellen (aa) Vertraulichkeitsgebot Daneben hat der Gesetzgeber ein allgemeines Vertraulichkeitsgebot zu normieren, welches sich an die zuständigen Meldestellen und die Personen bzw. Abteilungen, die für die Durchführung von Folgemaßnahmen zuständig sind, richtet. Es bedarf einer Verpflichtung beider Stellen, da de lege ferenda die Meldestelle nicht immer auch für die Durchführung der Folgemaßnahmen zuständig sein kann141. In § 8 Abs. 1 HinSchG-Entwurf ist ebenfalls ein allgemeines Vertraulichkeitsgebot vorgesehen, nach dem unter anderem die Vertraulichkeit der Identität des 139 140 141
Hierzu unter Teil 3 A. II. 2. a) bb). A. A. Dilling, CCZ 2021, 60, 62. Hierzu unter Teil 3 C. II. 3. a) aa).
B. Inhaltliche Ausgestaltung der internen Meldekanäle
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Hinweisgebers (Nr. 1) gewahrt bleiben muss.142 Meldestellen müssen gewährleisten, dass nur die Personen, die für die Entgegennahme der Meldungen und zur Durchführung der Folgemaßnahmen zuständig sind, von der Identität des Hinweisgebers Kenntnis haben. An diesen Vorgaben des Gesetzesentwurfs kann grundsätzlich festgehalten werden. In § 8 Abs. 1 HinSchG-Entwurf fehlt jedoch eine Klarstellung, dass sich das Vertraulichkeitsgebot auf jede Information bezieht, die Rückschlüsse auf die Person des Whistleblowers zulässt (vgl. lediglich die Ausnahmeregelungen des § 9 Abs. 2, 3 HinSchG-Entwurf). Um die Reichweite des Vertraulichkeitsgebots deutlich zu machen, empfiehlt sich die folgende Formulierung: Meldestellen […] und Personen oder Abteilungen […], die für die Durchführung von Folgemaßnahmen zuständig sind, haben die Vertraulichkeit der Identität der Hinweisgeber zu wahren. Informationen über die Identität des Hinweisgebers im Sinne des § 17 Absatz 3143 dürfen nur ihnen bekannt sein.
(bb) Ausnahmen von dem Vertraulichkeitsgebot Von dem Vertraulichkeitsgebot sind jedoch Ausnahmen zu machen – das Vertraulichkeitsgebot gilt de lege ferenda nicht uneingeschränkt. Eine Ausnahme ist für den Fall zu normieren, dass der Hinweisgeber ausdrücklich seine Zustimmung zur Offenlegung seiner Identität erteilt. Diese Ausnahme vom Gebot der Vertraulichkeit ist auch bereits in Art. 16 Abs. 1 S. 1 EU-RL 2019/1937 vorgesehen. Der aktuelle Gesetzesentwurf setzt diese Vorgaben mit § 9 Abs. 3 HinSchGEntwurf richtig um. Informationen über die Identität der hinweisgebenden Personen oder über sonstige Umstände, die Rückschlüsse auf die Identität dieser Person erlauben, dürfen gemäß § 9 Abs. 3 HinSchG-Entwurf weitergegeben werden, wenn die Weitergabe für Folgemaßnahmen erforderlich ist und die hinweisgebende Person zuvor in die Weitergabe eingewilligt hat. Die Einwilligung muss für jede einzelne Weitergabe von Informationen über die Identität gesondert und in Textform vorliegen. Die Ausnahme von dem Vertraulichkeitsgebot wird unter die Bedingung gestellt, dass die Weitergabe der Informationen über die Identität für die Durchführung von Folgemaßnahmen erforderlich sein muss (§ 9 Abs. 3 Nr. 1 HinSchGEntwurf). Eine solche Begrenzung ist in der EU-Richtlinie 2019/1937 zwar nicht vorgesehen. Zur Gewährleistung eines zusätzlichen Schutzes der Hinweisgeber ist diese einschränkende Vorgabe jedoch überzeugend. An der Regelung ist somit festzuhalten. 142 Richtig und wichtig ist, dass auch die Vertraulichkeit der Identität sonstiger Personen, insbesondere die der verdächtigten Person, geschützt wird. Dies hat der Gesetzgeber mit § 8 Abs. 1 Nr. 2, 3 HinSchG-Entwurf ebenfalls anerkannt. Auf diesen Aspekt wird im Folgenden jedoch nicht weiter eingegangen. 143 „Informationen über die Identität der Hinweisgeber sind alle Angaben über deren Identität und solche, aus denen die Identität direkt oder indirekt abgeleitet werden kann.“, vgl. hierzu unter Teil 3 B. II. 4. b) bb) (1) (a).
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Teil 3: Implementierung unternehmensinterner Meldesysteme
Daneben bedarf es einer Ausnahme von dem Vertraulichkeitsgebot für solche Fälle, in denen der Hinweisgeber bösgläubig war. Bei grober Fahrlässigkeit oder vorsätzlich falschen Angaben besteht nach der Intention des europäischen Gesetzgebers keine Schutzwürdigkeit des Whistleblowers.144 Entsprechend ist in dieser Konstellation die Garantie der Vertraulichkeit zu durchbrechen. Dies ist erforderlich, um der Interessenposition der zu Unrecht verdächtigten Gegenseite hinreichend Rechnung zu tragen. Sie hat im Fall einer bösgläubigen Falschmeldung ein anerkennenswertes und schutzwürdiges Informationsinteresse hinsichtlich der Person des (schutzlosen) Whistleblowers.145 Die in § 9 Abs. 1 HinSchG-Entwurf vorgesehene Regelung ist richtig. Gemäß § 9 Abs. 1 HinSchG-Entwurf wird die Identität einer hinweisgebenden Person, die vorsätzlich oder grob fahrlässig unrichtige Informationen über Verstöße meldet, nicht geschützt. Um eine einheitliche Terminologie des Hinweisgeberschutzgesetzes zu schaffen, sollte sie jedoch wie folgt umformuliert werden: Informationen über die Identität des Hinweisgebers dürfen abweichend von § 18 Absatz 1 an zuständige Stellen und Personen weitergegeben werden, wenn der Hinweisgeber nicht gutgläubige war.
(c) Normierung einer Ordnungswidrigkeit Abzusichern ist die Wahrung der Vertraulichkeit mit dem Tatbestand einer Ordnungswidrigkeit, der an die vorsätzliche oder fahrlässige Verletzung des Vertraulichkeitsgebots anknüpft (Art. 23 Abs. 1 lit. d) EU-RL 2019/1937). Auch der bloße Versuch der Weitergabe von Informationen über die Person des Hinweisgebers sollte geahndet werden. In § 39 Abs. 2 HinSchG-Entwurf ist ebenfalls eine Ordnungswidrigkeit für den Verstoß gegen das Vertraulichkeitsgebot normiert. Es kann in diesen Fällen eine Geldbuße bis zu 20.000 Euro erlassen werden. Die Höhe des Bußgeldes sollte wegen der grundlegenden Bedeutung der Vertraulichkeit für die Funktionsfähigkeit der Meldesysteme angehoben werden. Zudem hat der Gesetzgeber auch den bloßen Versuch der Weitergabe von vertraulichen Informationen zu sanktionieren. Die folgende Formulierung ist daher zu wählen: (3) Ordnungswidrig handelt auch, wer entgegen § 18 Informationen ohne Vorliegen einer Ausnahme nach § 19 vorsätzlich oder fahrlässig weitergibt. (4) In den Fällen des […] Absatzes 3 kann auch der Versuch geahndet werden. (5) Die Ordnungswidrigkeit kann in den Fällen des […] Absatzes 3 mit einer Geldbuße bis zu hunderttausend Euro geahndet werden, […] in den Fällen des Absatzes 4 mit einer Geldbuße bis zu fünfundzwanzigtausend Euro.
144
Hierzu unter Teil 2 B. II. 2. a) bb) (1), (2). Vgl. insbesondere auch Art. 23 Abs. 2 S. 2 EU-RL 2019/1937, Erwägungsgrund (101) zur RL 2019/1937, Amtsblatt der Europäischen Union, L 305/33. 145
B. Inhaltliche Ausgestaltung der internen Meldekanäle
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(2) Gewährleistung der Vertraulichkeit gegenüber staatlichen Stellen Der Gesetzgeber muss wegen Art. 16 Abs. 1 EU-RL 2019/1937 sicherstellen, dass die Vertraulichkeit der Identität des Whistleblowers generell gewahrt wird. Dies gilt auch grundsätzlich gegenüber staatlichen Stellen. Insbesondere in einem Strafverfahren besteht nach geltendem Recht für Hinweisgeber jedoch die Gefahr, dass ihre Identität offengelegt wird.146 Die zuständigen Strafverfolgungsbehörden können nach der geltenden Rechtslage im Rahmen strafprozessualer Ermittlungsmaßnahmen (bspw. Durchsuchung §§ 102 ff. StPO, Beschlagnahme § 94 StPO) auf Unterlagen und Aufzeichnungen, einschließlich solcher mit Bezug zur Identität der Whistleblower, zugreifen, die sich im Gewahrsam der Betreiber der Hinweisgebersysteme befinden. Die Vorschriften der Strafprozessordnung sehen keine Privilegierung für Hinweisgebersysteme vor, die einen Zugriff auf Informationen, die Rückschlüsse auf die Identität von Whistleblowern zulassen, ausschließen. Insbesondere findet das Beschlagnahmeverbot nach § 97 StPO, unabhängig von der konkreten Ausgestaltung des Hinweisgebersystems, grundsätzlich keine Anwendung. § 97 StPO verbietet unter bestimmten Voraussetzungen die Beschlagnahme von Unterlagen und Aufzeichnungen, die sich im Gewahrsam von zeugnisverweigerungsberechtigten Personen befinden. Werden unternehmensangehörige Personen mit dem Betrieb des Hinweisgebersystems betraut, können diese sich gerade nicht auf ein Zeugnisverweigerungsrecht147 und damit auch nicht auf § 97 StPO berufen. Dies gilt in der Regel auch, wenn ein Syndikusanwalt das Hinweisgebersystem betreibt. Wird ein Syndikusanwalt mit dem Betrieb eines unternehmensinternen Hinweisgebersystems betraut, handelt er regelmäßig weisungsgebunden für das Unternehmen, bei dem er angestellt ist. In einem solchen Fall wird ein Zeugnisverweigerungsrecht des Syndikusanwalts abgelehnt.148 Das Zeugnisverweigerungsrecht nach § 53 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 StPO und damit das Verbot nach § 97 StPO gelten gegenüber einem Syndikusanwalt nur im Ausnahmefall149, nämlich allein dann, wenn er typische anwaltliche Aufgaben (gegenüber einem Dritten) wahrnimmt und gerade nicht bloß für das Unternehmen,
146
Buchert, CCZ 2008, 148, 148; Hauschka/Moosmayer/Lösler/Buchert, Corporate Compliance, § 42 Rn. 13. 147 Vgl. hierzu auch Koreng/Lachenmann/Koglin, Formularhandbuch Datenschutzrecht, A. IV. 3. Anm. 1; Rotsch/Rotsch/Wagner, Criminal Compliance, § 34 C. Whistleblowing Rn. 84; Schemmel/Ruhmannseder/Witzigmann, Hinweisgebersysteme, Kapitel 7 Rn. 3 f. 148 LG Bochum, Beschluss vom 29. 9. 2005 – 37 Qs 27/05, NStZ 2007, 605, 606; MüKo StPO/Percic, § 53 Rn. 19. 149 Explizit LG Bochum, Beschluss vom 29. 9. 2005 – 37 Qs 27/05, NStZ 2007, 605, 606; vgl. auch BGH, Beschluss vom 7. 2. 2011 @ AnwZ (B) 20/10, NJW 2011, 1517, 1518; EuGH, Urteil vom 14. 9. 2010 – C-550/07 (P Akzo Nobel Chemicals Ltd), NJW 2010, 3557, 3560; Rotsch/Rotsch/Wagner, Criminal Compliance, § 34 C. Whistleblowing Rn. 85.
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Teil 3: Implementierung unternehmensinterner Meldesysteme
mit dem er einen Dienstvertrag abgeschlossen hat, weisungsgebunden und in wirtschaftlicher Abhängigkeit tätig wird.150 Nichts anderes gilt, wenn ein Unternehmen das Hinweisgebersystem auslagert, also externe Dritte mit dem Betrieb des Hinweisgebersystems beauftragt. Externe Anbieter (bspw. Betreiber internetbasierter Meldesysteme) können sich grundsätzlich nicht auf ein Zeugnisverweigerungsrecht und damit auch nicht auf das Beschlagnahmeverbot berufen; in einem Strafverfahren werden ihnen keine Privilegien zugesprochen.151 Dies gilt auch für einen vom Unternehmen als Ombudsperson beauftragten externen Rechtsanwalt. Einem Rechtsanwalt steht gem. § 53 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 StPO zwar ein Zeugnisverweigerungsrecht zu. Nach § 53 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 StPO ist er zur Verweigerung des Zeugnisses über das berechtigt, was ihm in seiner Eigenschaft als Rechtsanwalt anvertraut oder bekannt geworden ist. Daran anknüpfend greift ihm gegenüber grundsätzlich auch das Beschlagnahmeverbot des § 97 Abs. 1 Nr. 3 StPO. Gemäß § 97 Abs. 1 Nr. 3 StPO dürfen bei ihm solche Gegenstände nicht beschlagnahmt werden, auf die sich sein Zeugnisverweigerungsrecht erstreckt. Das Beschlagnahmeverbot ist jedoch einschränkend auszulegen: § 97 Abs. 1 Nr. 3 StPO schützt allein das Vertrauensverhältnis des Beschuldigten im Strafverfahren zu einem von ihm in Anspruch genommenen Rechtsanwalt und gerade nicht die Beziehung eines Nichtbeschuldigten zu dem Berufsgeheimnisträger.152 Unter Berücksichtigung dieser Auslegung des § 97 Abs. 1 Nr. 3 StPO ging das Landgericht Bochum davon aus, dass das Beschlagnahmeverbot gerade nicht im Verhältnis zu einem Whistleblower, der sich mit Hinweisen über unternehmensinterne Missstände an einen Rechtsanwalt als Ombudsperson wendet, greifen würde.153 Das Gericht nahm darüber hinaus an, dass zwischen Hinweisgeber und Ombudsperson auch keine „mandatsähnliche Vertrauensbeziehung“ bestehen würde, die eine Anwendung des § 97 StPO begründen könnte.154 Unter Beachtung dieser Rechtsprechung ist anzunehmen, dass hinsichtlich Informationen, die sich auf die Identität von Hinweisgebern beziehen, das Beschlagnahmeverbot nach § 97 StPO nicht greift155, sodass die staatlichen Ermittlungsbehörden auf diese Informationen zugreifen dürfen. Dies bedeutet, dass auch bei Einschaltung einer anwaltlichen Ombudsperson die Ver150
LG Bochum, Beschluss vom 29. 9. 2005 – 37 Qs 27/05, NStZ 2007, 605, 606. Buchert, CCZ 2008, 148, 151; Hoffmann/Sandrock, DB 2001, 433, 434; Koreng/Lachenmann/Koglin, Formularhandbuch Datenschutzrecht, A. IV. 3. Anm. 1; zu internetbasierten, externen Meldestellen auch Szesny, CCZ 2017, 25, 30. 152 LG Bochum, Beschluss vom 16. 3. 2016 – 6 Qs 1/16, NStZ 2016, 500, 500; vgl. auch BVerfG, Beschluss vom 27. 6. 2018 – 2 BvR 1405/17 u. 2 BvR 1780/17, ZD 2019, 28, 29 f. 153 LG Bochum, Beschluss vom 16. 3. 2016 – 6 Qs 1/16, NStZ 2016, 500, 500 f. 154 LG Bochum, Beschluss vom 16. 3. 2016 – 6 Qs 1/16, NStZ 2016, 500, 500 f. 155 Teilweise wird auch bereits das Bestehen eines Zeugnisverweigerungsrechts anwaltlicher Ombudspersonen abgelehnt, vgl. Kaiser, VW 1/2017, 53; Sotelsek, NStZ 2016, 500, 503 f.; a. A. Baranowski/Pant, CCZ 2018, 250, 254; Bernhard, CCZ 2014, 152, 156; Egger, CCZ 2018, 126, 129; Frank/Vogel, NStZ 2017, 313, 315; Szesny, CCZ 2017, 25, 31. 151
B. Inhaltliche Ausgestaltung der internen Meldekanäle
231
traulichkeit der Identität von Whistleblowern gegenüber Strafverfolgungsbehörden nicht garantiert werden kann.156 (a) Anpassung der Strafprozessordnung Fraglich ist, ob die Beibehaltung dieser Rechtslage unionsrechtskonform ist oder der nationale Gesetzgeber wegen Art. 16 Abs. 1 EU-RL 2019/1937 eine Anpassung der Strafprozessordnung vornehmen muss, die den staatlichen Behörden den Zugriff auf die Identität des Hinweisgebers ohne seine Zustimmung verwehrt.157 Eine uneingeschränkte Vertraulichkeit ist vom europäischen Gesetzgeber jedoch nicht gewollt.158 In Absatz zwei der Vorschrift ist eine Ausnahme vorgesehen: Die Identita¨ t des Hinweisgebers darf offengelegt werden, wenn dies nach Unionsrecht oder nationalem Recht eine notwendige und verha¨ ltnisma¨ ßige Pflicht im Rahmen der Untersuchungen durch nationale Beho¨ rden oder von Gerichtsverfahren darstellt, auch im Hinblick auf die Wahrung der Verteidigungsrechte der betroffenen Person. Die Vertraulichkeit wird nicht absolut gewährleistet.159 Der nationale Gesetzgeber darf daher unter den Voraussetzungen des Art. 16 Abs. 2, 3 EU-RL 2019/1937 die Aufdeckung der Identität zulassen. Die Vorschriften des deutschen Strafprozessrechts, die sich auf die Vernehmung von Personen (insbesondere §§ 161a StPO) sowie auf das Recht zur Durchsuchung (insbesondere § 103 StPO) und Beschlagnahme (insbesondere § 94 StPO) beziehen, genügen den Vorgaben des Art. 16 Abs. 2, 3 S. 1 EU-RL 2019/1937. Eine unionsrechtliche Pflicht zur Anpassung der Strafprozessordnung besteht somit nicht. Wegen Art. 25 Abs. 1 EU-RL 2019/1937 steht es dem nationalen Gesetzgeber jedoch zu, über die Vorgaben der Richtlinie zum Schutz der Whistleblower hinauszugehen. Es könnte eine Anpassung der Strafprozessordnung vorgenommen werden, die einen Zugriff auf Informationen über die Person des Hinweisgebers durch die staatlichen Stellen generell ausschließt. Denkbar wäre beispielsweise die Normierung einer Beschlagnahmefreiheit von dokumentierten Meldungen160 und die Anerkennung eines Schweigerechts der zuständigen Mitarbeiter.161 Dies wird teilweise befürwortet, da andernfalls die Funktionsfähigkeit der Meldesysteme beeinträchtigt würde.162 Ein potentieller Hinweisgeber würde auf eine Meldung verzichten, wenn er nicht sicher sein könne, dass seine Identität nicht bekannt wird.163 156 157 158 159 160 161 162
218. 163
So auch Franzen, Working Paper, 13, 17. Für eine Anpassung der Strafprozessordnung Dilling, CCZ 2019, 214, 218. Ähnlich auch Aszmons/Herse, DB 2019, 1849, 1854; Ullrich, WiJ 2019, 52, 59. So auch Dilling, CCZ 2019, 214, 217; Ullrich, WiJ 2019, 52, 59. Dilling, CCZ 2019, 214, 218; Vogel/Poth, CB 2019, 45, 49. Bittmann/Brockhaus/von Coelln/Heuking, NZWiSt 2019, 1, 5. Bittmann/Brockhaus/von Coelln/Heuking, NZWiSt 2019, 1, 5; Dilling, CCZ 2019, 214, Vogel/Poth, CB 2019, 45, 47; ähnlich auch Dilling, CCZ 2019, 214, 218.
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Teil 3: Implementierung unternehmensinterner Meldesysteme
Ohne Schutz vor dem Zugriff staatlicher Behörden fehle es an dem Vertrauen in das System, welches den Whistleblower zum Handeln veranlasst.164 Das Rechtsstaatsprinzip setzt einem solchen gesetzlichen Vorhaben jedoch Grenzen. „[D]er Grundsatz der Rechtsstaatlichkeit [enthält] die Idee der Gerechtigkeit als wesentlichen Bestandteil“.165 Das Gebot der Rechtsstaatlichkeit fordert, dass die Funktionsfähigkeit der Strafrechtspflege aufrechterhalten wird.166 Es besteht ein berechtigtes Interesse an der wirksamen Strafverfolgung, ein öffentliches Interesse an einer umfassenden Wahrheitsermittlung und auch ein Interesse des Gemeinwohls an der Aufklärung von Straftaten.167 Ein Ausschluss staatlicher Zugriffsrechte auf die internen Informationen könnte die Aufklärung von Straftaten erheblich erschweren. Es bestünde die Gefahr, dass die zuständigen staatlichen Stellen auf maßgebliche Informationen nicht zugreifen können. Die Arbeit der Behörden könnte dadurch schwerwiegend beeinträchtigt oder sogar vollständig unmöglich gemacht werden. Ein Grund, der diese Einschränkung rechtfertigen könnte, ist nicht ersichtlich. Es besteht kein zwingendes Bedürfnis zur Geheimhaltung sämtlicher interner Informationen mit Bezug zum Hinweisgeber gegenüber diesen Stellen. Die Geheimhaltung würde im Ergebnis primär dem Interesse des Unternehmens und gerade nicht dem Schutz des Hinweisgebers dienen.168 Ist ein Hinweisgeber gutgläubig, drohen ihm keine nachteiligen Konsequenzen aus der Offenlegung seiner Identität gegenüber den staatlichen Stellen. Entsprechend würde die Gewährleistung absoluter Vertraulichkeit gegenüber den Behörden auch keinen wesentlichen Anreiz zum (gutgläubigen) Whistleblowing im Interesse der Allgemeinheit begründen. Insbesondere ist auch das Verhältnis zwischen Whistleblower und Meldestelle nicht mit den anderen Berufsgruppen vergleichbar, denen ein Zeugnisverweigerungsrecht (vgl. § 53 Abs. 1 StPO) und entsprechend auch Beschlagnahmefreiheit (vgl. § 97 Abs. 1 StPO) ihrer vertraulichen Unterlagen zugebilligt wird. Ein Hinweisgeber wendet sich in der Regel gerade nicht mit einem (höchst-)persönlichen, ihn betreffenden Anliegen an die Meldestelle. Vielmehr dient die Kontaktaufnahme der „Anzeige“ einer dritten Person, auch wenn der Hinweisgeber regelmäßig beiläufig zusätzlich Informationen über sich selbst preisgibt. Es besteht kein hinreichender Grund, der die Einschränkung staatlicher Zugriffsbefugnisse entsprechend der verfassungsrechtlichen Vorgaben rechtfertigen könnte. Erschwerend kommt hinzu, dass nicht nur die wirksame Strafrechtspflege, sondern auch die Rechtsposition der verdächtigten Person erheblich beeinträchtigt würde. Das Rechtsstaatsprinzip fordert auch die Gewährleistung eines fairen Ver164 165 166 167 168
So bereits zur bisherigen Rechtslage Egger, CCZ 2018, 126, 132. BVerfG, Beschluss vom 19. 7. 1972 – 2 BvL 7/71, NJW 1972, 2214, 2216. BVerfG, Beschluss vom 19. 7. 1972 – 2 BvL 7/71, NJW 1972, 2214, 2216. BVerfG, Beschluss vom 19. 7. 1972 – 2 BvL 7/71, NJW 1972, 2214, 2216. Colneric/Gerdemann, 141.
B. Inhaltliche Ausgestaltung der internen Meldekanäle
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fahrens.169 Die Verteidigungsposition der (zu Unrecht) verdächtigten Person würde erheblich eingeschränkt, wenn die Person des Hinweisgebers nicht gegenüber den staatlichen Stellen bekannt gegeben werden dürfte. Sie könnten den Sachverhalt nur lückenhaft aufklären, das im Einzelfall befasste Gericht seine Entscheidung entsprechend nur auf eine unzureichende Tatsachengrundlage stützen170 und die verdächtigte Person sich nur begrenzt gegenüber den Vorwürfen zur Wehr setzen. Sämtliche Umstände, die durch die staatlichen Stellen nicht aufgedeckt werden dürfen, sind nicht nur der Anklage, sondern insbesondere auch der Verteidigung entzogen.171 Gründe, die für diese gewichtige Beeinträchtigung der durch das Rechtsstaatsprinzip vermittelten Rechtsposition der verdächtigten Person sprechen, bestehen nicht. Eine Anpassung der Strafprozessordnung muss daher unterbleiben. Die aktuelle Entwurffassung des Hinweisgeberschutzgesetzes stimmt mit diesen Erwägungen überein. Es sind keine Anpassungen der Strafprozessordnung vorgesehen. Zur Absicherung des Vertrauens potentieller Whistleblower in die internen Meldesysteme172, sollten die zuständigen Stellen jedoch dazu verpflichtet werden, Hinweisgeber (generell) vor ihrer Meldung auf das Risiko der Offenlegung ihrer Identität gegenüber staatlichen Stellen hinzuweisen.173 Eine solche allgemeine Informationspflicht über die Weitergabe der Informationen über die Identität des Hinweisgebers vor Erstattung der Meldung sieht der Gesetzesentwurf nicht vor. Er sollte daher wie folgt ergänzt werden: Die Meldestelle muss Hinweisgeber vor ihrer Meldung über die Möglichkeit der Weitergabe der Informationen über ihre Identität unterrichten.
(b) Ausnahme von dem Vertraulichkeitsgebot De lege ferenda muss der Gesetzgeber sicherstellen, dass den zuständigen Stellen kein Verstoß gegen das Vertraulichkeitsgebot zur Last fällt, wenn sie im Rahmen eines Strafverfahrens gegenüber den zuständigen staatlichen Stellen Informationen über die Person des Hinweisgebers weitergeben müssen. Es ist eine entsprechende Ausnahmeregelung vom Vertraulichkeitsgebot zu normieren, um Wertungswidersprüche zwischen den Pflichten der internen Meldestellen im Strafverfahren und den Vorgaben des künftigen Hinweisgeberschutzgesetzes zu vermeiden.
169 BVerfG, Urteil vom 17. 1. 2017 – 2 BvB 1/13, NJW 2017, 611, 614 f.; Sachs/Sachs, GG, Art. 20, Rn. 163. 170 Hierzu im Allgemeinen auch BVerfG, Beschluss vom 1. 10. 1987 – 2 BvR 1434/86, NJW 1988, 329, 330. 171 BVerfG, Beschluss vom 1. 10. 1987 – 2 BvR 1434/86, NJW 1988, 329, 330. 172 Mangelndes Vertrauen in interne Kanäle würde zum Scheitern des Whistleblowings führen, vgl. Wiedmann/Seyfert, CCZ 2019, 12, 17. 173 Aszmons/Herse, DB 2019, 1849, 1854.
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Teil 3: Implementierung unternehmensinterner Meldesysteme
Gemäß Art. 16 Abs. 3 S. 2, 3 EU-RL 2019/1937 muss ergänzend eine begründete Informationspflicht der Meldestelle normiert werden für den Fall, dass die Identität des Hinweisgebers offengelegt wird und die Information weder die Untersuchung noch das Gerichtsverfahren gefährdet. Keine (begründete) Information muss erfolgen, wenn und soweit diese das staatliche Verfahren beeinträchtigen kann. Die Mitteilung muss vor der Weitergabe der Informationen an die staatliche Stelle erfolgen. Dieser Problematik trägt der Referentenentwurf mit § 9 Abs. 2 HinSchG-Entwurf Rechnung. Danach dürfen Informationen über die Identität einer hinweisgebenden Person in Strafverfahren auf Verlangen der Strafverfolgungsbehörden und auf Grund einer Anordnung in einem Verwaltungsverfahren oder einer gerichtlichen Entscheidung an die zuständigen Stellen weitergegeben werden. An den Ausnahmeregelungen des § 9 Abs. 2 HinSchG-Entwurf ist künftig festzuhalten. Insbesondere wurde in § 9 Abs. 2 S. 2 HinSchG-Entwurf auch zutreffend eine Informationspflicht der Meldestelle gegenüber dem Hinweisgeber (Art. 16 Abs. 3 S. 2, 3 EU-RL 2019/1937) im Fall der Offenlegung der Identität normiert. Eine Ausnahme von dieser Verpflichtung wurde richtigerweise anerkannt, wenn die Mitteilung gegenüber dem Hinweisgeber die Untersuchungen oder das Gerichtsverfahren gefährden könnte, vgl. § 9 Abs. 2 S. 3 HinSchG-Entwurf. Zusätzlich muss die zuständige Stelle nach den Vorgaben des Gesetzesentwurfs die Gründe für die Weitergabe der Informationen schriftlich angeben (§ 9 Abs. 2 S. 4 HinSchG-Entwurf). Nicht eindeutig ist, ob die zuständige Stelle auch auf die Angabe einzelner Gründe gegenüber dem Hinweisgeber verzichten darf, wenn deren Mitteilung den Erfolg des staatlichen Verfahrens gefährden kann. In diesem Fall muss der zuständigen Stelle das Recht eingeräumt werden, diese Gründe im Rahmen der Mitteilung auszulassen. Der Gesetzgeber sollte daher die folgende Formulierung wählen: Die Meldestelle hat den Hinweisgeber zuvor über die Weitergabe der Informationen zu informieren und die Gründe dafür gegenüber dem Hinweisgeber schriftlich zu begründen. Die Pflicht […] besteht nicht, wenn und soweit die Information oder Begründung den Erfolg des staatlichen Verfahrens gefährden würde.
(3) Datenschutzrechtliche Anpassungen Die in Art. 16 EU-RL 2019/1937 verankerte Pflicht zur Gewährleistung der Vertraulichkeit der Identität des Hinweisgebers steht zudem im Konflikt mit den datenschutzrechtlichen Vorgaben. Der Konflikt zwischen Datenschutzrecht und Whistleblowing-Richtlinie ergibt sich aus der in Art. 14 DS-GVO vorgesehenen Informationspflicht gegenüber der verdächtigten Person174 und ihrem Auskunftsanspruch nach Art. 15 DS-GVO. 174 Da sie nicht die Quelle der zu verarbeitenden Daten ist, findet Art. 14 DS-GVO Anwendung. So auch Altenbach/Dierkes, CCZ 2020, 126, 128 f.; Franzen, Working Paper, 13, 20.
B. Inhaltliche Ausgestaltung der internen Meldekanäle
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Durch die Datenerhebung bei einem Dritten (Hinweisgeber) wird die Möglichkeit der verdächtigten Person, Einfluss auf den Vorgang der Verarbeitung zu nehmen, erheblich eingeschränkt und gleichzeitig eine stärkere Fehleranfälligkeit der erhobenen Daten geschaffen175. Die in Art. 14 DS-GVO vorgesehene Informationspflicht gleicht die durch die indirekte und damit weniger transparente Datenerhebung verursachte Schwere des Eingriffs in das Recht auf informationelle Selbstbestimmung aus.176 Der Verantwortliche muss gemäß Art. 14 Abs. 2 lit. f) DS-GVO die betroffene Person unter anderem über die Quelle, aus der die personenbezogenen Daten stammen, informieren. Neben der Informationspflicht sieht die Datenschutz-Grundverordnung auch einen Auskunftsanspruch der betroffenen Person vor. Gemäß Art. 15 Abs. 1 lit. g) DS-GVO hat diese das Recht auf Auskunft über die Herkunft der Daten. (a) Konflikt zwischen Vertraulichkeit und Informationspflicht (aa) Information über die Identität des Hinweisgebers nach Art. 14 Abs. 2 lit. f) DS-GVO Die Pflicht zur Information nach Art. 14 Abs. 2 lit. f) DS-GVO über die Quelle der Daten steht zu den Vorgaben der EU-Richtlinie 2019/1937 im Widerspruch. Der Begriff der Quelle im Sinne des Art. 14 Abs. 2 lit. f) DS-GVO erfasst sowohl Mittel als auch Gegenstand der Datenerhebung.177 Zweck dieser Regelung ist es, der betroffenen Person zu ermöglichen, die Datenerhebung auf ihre Rechtmäßigkeit hin zu überprüfen und gegebenenfalls auch ihre Rechte gegenüber der Quelle effektiv geltend machen zu können.178 Der Verantwortliche muss sämtliche Angaben machen, die die Identifizierung der Quelle bestmöglich gewährleisten.179 Sofern vorhanden, müssen daher Name und sogar Kontaktdaten an den Betroffenen weitergegeben werden.180 Angewandt auf den Betrieb interner Meldesysteme bedeutet dies, dass auch die verdächtigte Person, deren Daten verarbeitet werden, über die Quelle der Daten informiert werden muss. Die Person des Hinweisgebers ist als Quelle im Sinne der Regelung anzusehen und muss daher grundsätzlich gegenüber der betroffenen 175 Simitis/Hornung/Spiecker gen. Döhmann/Dix, DS-GVO, Art. 14 Rn. 1; Ehmann/Selmayr/Knyrim, DS-GVO, Art. 13 Rn. 2. 176 Kühling/Buchner/Bäcker, DS-GVO, Art. 13 Rn. 3; Simitis/Hornung/Spiecker gen. Döhmann/Dix, DS-GVO, Art. 14 Rn. 1. 177 Kühling/Buchner/Bäcker, DS-GVO, Art. 14 Rn. 19; Forgó/Helfrich/Schneider/Bierekoven, Betrieblicher Datenschutz, Teil III, Rn. 43; Taeger/Gabel/Mester, DS-GVO, Art. 14 Rn. 10. 178 Ehmann/Selmayr/Knyrim, DS-GVO, Art. 14 Rn. 38; ähnlich auch Kühling/Buchner/ Bäcker, DS-GVO, Art. 14 Rn. 19; Jandt/Steidle/Selzer, B. IV. Rn. 155. 179 Forgó/Helfrich/Schneider/Bierekoven, Betrieblicher Datenschutz, Teil III, Rn. 43. 180 Kühling/Buchner/Bäcker, DS-GVO, Art. 14 Rn. 20; Forgó/Helfrich/Schneider/Bierekoven, Betrieblicher Datenschutz, Teil III, Rn. 43.
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Teil 3: Implementierung unternehmensinterner Meldesysteme
Person offengelegt werden.181 Dies widerspricht nicht nur dem Interesse des Whistleblowers und der verantwortlichen Stelle.182 Auch der nationale Gesetzgeber muss nach Art. 16 Abs. 1 EU-RL 2019/1937 dafür Sorge tragen, dass die Identität des Hinweisgebers gewahrt und grundsätzlich nur mit seiner Zustimmung gegenüber Dritten offengelegt wird. Der durch die Richtlinie vermittelte Schutz der Vertraulichkeit droht durch die Anwendung des Art. 14 Abs. 2 DS-GVO untergraben zu werden.183 Die uneingeschränkte Anwendung der Vorschrift würde dem unionsrechtlichen Vertraulichkeitsgebot nicht genügen. Sofern die Vorschriften des Datenschutzrechts keine Ausnahme von der Informationspflicht für die vorliegende Konstellation bieten, würde der nationale Gesetzgeber ohne Anpassung der Gesetzeslage seiner Umsetzungspflicht unzureichend nachkommen. (bb) Ausnahme von der Informationspflicht nach der DS-GVO und dem BDSG Entscheidend ist somit, ob das bestehende Recht – die Datenschutz-Grundverordnung und das Bundesdatenschutzgesetz – eine Lösung des Konflikts zwischen datenschutzrechtlicher Informationspflicht und Vertraulichkeit der Identität des Hinweisgebers bietet. (a) „Ausnahme“ nach Art. 14 Abs. 2 DS-GVO Es könnte erwogen werden, ob bereits Art. 14 Abs. 2 DS-GVO eine Einschränkung der Pflicht bezüglich der Information über die Person des Whistleblowers vorsieht und damit den Vorgaben der EU-Richtlinie 2019/1937 Rechnung getragen werden kann. Gemäß Art. 14 Abs. 2 DS-GVO hat der Verantwortliche nur die zusätzlichen Informationen des zweiten Absatzes zur Verfügung zu stellen, die erforderlich sind, um der betroffenen Person gegenüber, eine faire und transparente Verarbeitung zu gewährleisten. Fraglich ist, ob über das Kriterium der „Erforderlichkeit“ des Art. 14 Abs. 2 DS-GVO eine Ausnahme von der Information der betroffenen Person hergeleitet werden kann. Über die rechtliche Bedeutung der Eingangsformulierung des Art. 14 Abs. 2 DS-GVO (und Art. 13 Abs. 2 DS-GVO184) besteht jedoch Uneinigkeit. Es wird zum Teil vertreten, dass dieses Kriterium im Rahmen des zweiten Absatzes ohne Relevanz ist; der erste und zweite Absatz sind im Ergebnis gleich zu behandeln.185 Diese Ansicht ist überzeugend. Andernfalls würden erhebliche Un181
So wohl auch Dzida/Granetzny, NZA 2020, 1201, 1206; Klaas, CCZ 2019, 163, 170. So auch Altenbach/Dierkes, CCZ 2020, 126, 128. 183 Dzida, BB 2019, 3060, 3066. 184 Der Streit wird parallel im Rahmen des Art. 13 Abs. 2 DS-GVO („notwendig“) geführt, vgl. Kühling/Buchner/Bäcker, DS-GVO, Art. 13 Rn. 20; Gola/Franck, DS-GVO, Art. 14 Rn. 3; Paal/Pauly/Paal/Hennemann, DS-GVO, Art. 14 Rn. 23; BeckOK Datenschutzrecht/SchmidtWudy, Art. 13 DS-GVO Rn. 59. 185 Artikel-29-Datenschutzgruppe, WP 260, S. 16; Kühling/Buchner/Bäcker, DS-GVO, Art. 13 Rn. 20; Simitis/Hornung/Spiecker gen. Döhmann/Dix, DS-GVO, Art. 13 Rn. 13; Gola/ 182
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klarheiten186 und damit auch Unsicherheiten entstehen. Gegen einen eigenständigen Bedeutungsgehalt kann zudem angeführt werden, dass auch Art. 15 Abs. 1 DS-GVO keine Differenzierung vorsieht.187 Anzuerkennen ist zwar, dass Art. 15 DS-GVO einen von den Informationspflichten unabhängigen Anspruch mit eigenständigem Bedeutungsgehalt vorsieht.188 Jedoch weisen Art. 14 DS-GVO und Art. 15 DS-GVO weitgehend eine ähnliche Regelungsstruktur auf, sodass dem Vergleich beider Normen jedenfalls ein indizieller Charakter zugesprochen werden kann. Für die „Bedeutungslosigkeit“ des Kriteriums der „Erforderlichkeit“ in Art. 14 Abs. 2 DSGVO spricht auch, dass die Informationen des zweiten Absatzes für die betroffene Person keine geringere Relevanz haben als die des ersten Absatzes.189 Es ist daher nicht überzeugend, sie dennoch von einer Erforderlichkeitsprüfung im Einzelfall abhängig zu machen. Für eine eigenständige Bedeutung der „Erforderlichkeit“ kann zwar angeführt werden, dass die eindeutige Differenzierung zwischen erstem und zweitem Absatz andernfalls völlig überflüssig wäre.190 Dies kann jedoch dahingehend verstanden werden, dass es sich um eine Zielrichtung, nicht aber um einen besonderen Maßstab der Beurteilung der Verarbeitung handelt.191 Jede Differenzierung zwischen erstem und zweitem Absatz ist vielmehr systemwidrig.192 Schließlich dient auch die Informationspflicht nach Art. 14 Abs. 1 DS-GVO der fairen und transparenten Verarbeitung193, ohne dass dies gesondert hervorgehoben werden muss.194 Art. 14 Abs. 2 DS-GVO hat daher keinen eigenständigen Regelungsgehalt, sodass sämtliche Informationen des zweiten Abschnitts ohne Prüfung der Erforderlichkeit der betroffenen Person mitzuteilen sind. Art. 14 Abs. 2 EU-RL 2019/1937 ermöglicht somit keine Lösung des dargestellten Konflikts. (b) Ausnahme nach Art. 14 Abs. 5 lit. b) DS-GVO Eine Ausnahme von der Pflicht zur Information könnte sich aus Art. 14 Abs. 5 lit. b) DS-GVO ergeben. Die Informationspflicht ist danach unter anderem ausge-
Franck, DS-GVO, Art. 13 Rn. 6; Taeger/Gabel/Mester, DS-GVO, Art. 13 Rn. 17; BeckOK Datenschutzrecht/Schmidt-Wudy, Art. 13 DS-GVO Rn. 59. 186 Artikel-29-Datenschutzgruppe, WP 260, S. 16. 187 Gola/Franck, DS-GVO, Art. 13 Rn. 6. 188 Simitis/Hornung/Spiecker gen. Döhmann/Dix, DS-GVO, Art. 15 Rn. 3; Ehmann/Selmayr/Ehmann, DS-GVO, Art. 15 Rn. 5; zur Richtlinie 95/46/EG EuGH, Urteil vom 7. 5. 2009 – C-553/07 (College van burgemeester en wethouders van Rotterdam), EuZW 2009, 546, 549 f. 189 Kühling/Buchner/Bäcker, DS-GVO, Art. 13 Rn. 20. 190 Paal/Pauly/Paal/Hennemann, DS-GVO, Art. 13 Rn. 22. 191 Taeger/Gabel/Mester, DS-GVO, Art. 13 Rn. 17. 192 Simitis/Hornung/Spiecker gen. Döhmann/Dix, DS-GVO, Art. 13 Rn. 13. 193 Paal/Pauly/Paal/Hennemann, DS-GVO, Art. 13 Rn. 22; Schantz, NJW 2016, 1841, 1845. 194 BeckOK Datenschutzrecht/Schmidt-Wudy, Art. 13 DS-GVO Rn. 59.
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schlossen, wenn und soweit die Erteilung dieser Informationen sich als unmöglich erweist. Die Unmöglichkeit der Informationserteilung im Sinne des Art. 14 Abs. 5 lit. b) DS-GVO kann sich auch auf die Quelle der Daten beziehen195, wobei die Information dann jedenfalls allgemein gehalten werden muss.196 Um von der Unmöglichkeit ausgehen zu können, müssen Faktoren vorliegen, die die verantwortliche Stelle tatsächlich daran hindern, die Informationen mitzuteilen.197 Sie darf zur Informationserteilung „nicht in der Lage“ sein.198 Die Offenlegung der Identität des Hinweisgebers wird regelmäßig nur bei anonymen Meldungen unmöglich sein, sofern der Rückgriff auf die Identität des Whistleblowers vollständig ausgeschlossen ist. Mit Ablehnung der Zulässigkeit anonymer Meldekanäle werden Unternehmen künftig jedoch in der Regel die Identität des Hinweisgebers erfahren. Damit wird die Offenlegung der Quelle der Daten meist auch möglich sein. Art. 14 Abs. 5 lit. b) DS-GVO bietet daher keine dem Erfordernis der Vertraulichkeit genügende Lösung. (c) Ausnahme nach Art. 14 Abs. 5 lit. c) DS-GVO i. V. m. der nationalen Umsetzungsnorm zu Art. 16 EU-RL 2019/1937 In der Literatur finden sich Ansätze, die davon ausgehen, dass mit der Umsetzung der Vorgabe des Art. 16 EU-RL 2019/1937 i. V. m. Art. 14 Abs. 5 lit. c) DS-GVO künftig eine Ausnahme von der Pflicht zur Information über die Identität des Whistleblowers vorliegen würde.199 Nach Art. 14 Abs. 5 lit. c) DS-GVO besteht kein Informationsanspruch, wenn die Erlangung oder Offenlegung durch Rechtsvorschriften, denen der Verantwortliche unterliegt und die geeignete Maßnahmen zum Schutz der berechtigten Interessen der betroffenen Person vorsehen, ausdrücklich geregelt ist. Die Rechtsvorschrift muss den Informationsgehalt des Unterrichtungsanspruchs vergleichbar ersetzen.200 Sie muss daher so umfassend sein, dass die Pflicht des Art. 14 DS-GVO praktisch abgelöst wird und der Betroffene allein auf Grundlage der Rechtsvorschrift die Reichweite und das Risiko der Erhebung und Verarbeitung seiner Daten beurteilen kann.201 195 Konkret geht es in dem Erwägungsgrund jedoch um die Unmöglichkeit der Information, woher die Daten stammen, weil verschiedene Quellen benutzt wurden. 196 Erwägungsgrund (61) zur VO 2016/679, Amtsblatt der Europäischen Union, L 119/12. 197 Artikel-29-Datenschutzgruppe, WP 260, S. 34. 198 Ehmann/Selmayr/Knyrim, DS-GVO, Art. 14 Rn. 43; ähnlich auch Gola/Franck, DSGVO, Art. 14 Rn. 15. 199 BeckOK Datenschutzrecht/Schmidt-Wudy, Art. 14 DS-GVO Rn. 103; Weidmann, DB 2019, 2393, 2397. 200 Kühling/Buchner/Bäcker, DS-GVO, Art. 14 Rn. 65. 201 Kühling/Buchner/Bäcker, DS-GVO, Art. 14 Rn. 64 f.; Taeger/Gabel/Mester, DS-GVO, Art. 14 Rn. 26.
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Art. 16 Abs. 2 EU-RL 2019/1937 regelt jedoch nur die Weitergabe der Daten des Hinweisgebers. Die verdächtigte Person kann Art. 16 Abs. 2 EU-RL 2019/1937 gerade nicht entnehmen, wann ihre Daten verarbeitet werden. Art. 14 Abs. 5 lit. c) DS-GVO begründet jedoch nur eine Ausnahme für den Fall, dass die Verarbeitung der Daten, über die die betroffene Person grundsätzlich informiert werden soll, ausdrücklich geregelt wurde.202 Bereits aus diesem Grund scheitert die Anwendung des Art. 14 Abs. 5 lit. c) DS-GVO. (d) Ausnahme nach § 29 BDSG Die Information über die Identität des Hinweisgebers kann dagegen durch § 29 Abs. 1 S. 1 BDSG ausgeschlossen werden. Danach besteht die Informationspflicht gemäß Art. 14 Abs. 1 bis Abs. 4 DS-GVO nicht, soweit durch ihre Erfüllung Informationen offenbart würden, die ihrem Wesen nach, insbesondere wegen der überwiegenden berechtigten Interessen eines Dritten, geheim gehalten werden müssen. Ob eine Information ihrem Wesen nach geheim gehalten werden muss, richtet sich insbesondere danach, ob der Zweck der Geheimhaltung nach der Rechtsordnung schutzwürdig ist und durch die Offenbarung schwerwiegend beeinträchtigt würde.203 Unter Heranziehung der Erwägungen zu der Vorgängervorschrift (§ 19 Abs. 4 Nr. 3 BDSG a. F.) wird versucht, den sehr unbestimmten Begriff204 inhaltlich weiter zu konkretisieren.205 Entscheidend sei ein überwiegendes berechtigtes Interesse einer dritten Person, welches den Ausschluss der Informationspflicht in Abwägung mit der gegenüberstehenden Interessenposition rechtfertigen könne.206 Auf Seiten des Dritten kann ein rechtliches, wirtschaftliches oder ideelles Interesse angeführt werden.207 Dem Interesse der verdächtigten Person an der Information über die Angaben des Art. 14 Abs. 2 lit. f) DS-GVO steht das berechtigte Interesse des Hinweisgebers an der Geheimhaltung seiner Identität entgegen. Letzteres folgt aus dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht des Whistleblowers208 und zudem aus dessen Sorge, bei Offenlegung seiner Person Nachteile beruflicher, persönlicher und gesellschaftlicher Art erleiden zu müssen. Verstärkt wird die Interessenposition des Hinweisgebers de lege ferenda durch die Umsetzung der Vorgaben des Art. 16 EU-RL 2019/1937 durch 202
So auch Simitis/Hornung/Spiecker gen. Döhmann/Dix, DS-GVO, Art. 14 Rn. 27. Kühling/Buchner/Herbst, BDSG, § 29 Rn. 7; Taeger/Gabel/Louven, BDSG, § 29 Rn. 6; BeckOK Datenschutzrecht/Uwer, § 29 BDSG Rn. 8. 204 Taeger/Gabel/Louven, BDSG, § 29 Rn. 6. 205 Taeger/Gabel/Louven, BDSG, § 29 Rn. 6; BeckOK Datenschutzrecht/Uwer, § 29 BDSG Rn. 9. 206 Kühling/Buchner/Herbst, BDSG, § 29 Rn. 7; BeckOK Datenschutzrecht/Uwer, § 29 BDSG Rn. 10; Sydow/Wilhelm, BDSG, § 29 Rn. 11. 207 Taeger/Gabel/Louven, BDSG, § 29 Rn. 6; BeckOK Datenschutzrecht/Uwer, § 29 BDSG Rn. 10. 208 Steigert, 171. 203
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Teil 3: Implementierung unternehmensinterner Meldesysteme
den nationalen Gesetzgeber. Der Schutz der Vertraulichkeit der Identität ist künftig ein berechtigtes Interesse im Sinne des § 29 Abs. 1 S. 1 BDSG. Fraglich ist jedoch, ob dieses das Interesse der verdächtigten Person überwiegen und damit die Pflicht nach Art. 14 Abs. 2 lit. f) DS-GVO ausschließen kann. Jedenfalls im Fall eines gutgläubigen Whistleblowers und der damit verbundenen Annahme seiner Schutzwürdigkeit rechtfertigt das dargestellte Geheimhaltungsinteresse die Ausnahme von der Informationspflicht. Mit Umsetzung der EU-Richtlinie 2019/9137 wird die verdächtigte Person selbst bei falschen Vorwürfen gegen den Hinweisgeber keine rechtlichen Schritte einleiten dürfen. Daher ist ihrem Informationsinteresse geringeres Gewicht zuzusprechen, sodass dieses hinter dem Geheimhaltungsinteresse des gutgläubigen Whistleblowers zurücktreten muss. Anders ist dies dagegen zu beurteilen, wenn der Hinweisgeber bösgläubig falsche Vorwürfe meldet und damit nicht schutzwürdig ist.209 Das Bundesverwaltungsgericht hat (zu § 19 Abs. 4 Nr. 1 BDSG a. F.) ebenfalls angenommen, dass die Vertraulichkeit von Informationsquellen gewährleistet werden muss.210 Dies gelte auch bei unzutreffenden Vorwürfen, nicht aber, wenn die Quelle wissentlich oder leichtfertig falsche Angaben gemacht hat.211 In diesem Fall muss dem Interesse der betroffenen Person an der Offenlegung der Identität des Hinweisgebers größere Bedeutung zugebilligt werden, da sie regelmäßig auf die Information angewiesen ist, um sich gegen die unberechtigten Vorwürfe zur Wehr setzen zu können. Hinzu kommt, dass ohne Kenntnis der Identität die in der Richtlinie vorgesehene und umzusetzende212 Möglichkeit der zu Unrecht verdächtigten Person abgeschnitten wird, gegen den bösgläubigen Whistleblower rechtlich vorzugehen. Gleichzeitig ist der Interessenposition des Hinweisgebers in der zu treffenden Abwägungsentscheidung in diesem Fall geringeres Gewicht zuzusprechen, da er nach der unionsrechtlichen Wertung und der entsprechenden Umsetzung auf nationaler Ebene de lege ferenda bei Annahme seiner Bösgläubigkeit nicht schutzwürdig ist. Hat der Hinweisgeber bösgläubig eine Falschmeldung gemacht, muss die zu Unrecht verdächtigte Person über die Identität informiert werden. Liegen diese Voraussetzungen dagegen nicht vor, sind die Daten des Hinweisgebers grundsätzlich zu schützen.213 Je nach Einzelfall kann das berechtigte Geheimhaltungsinteresse des Hinweisgebers somit die Ausnahme von der Informationspflicht rechtfertigen.214 209
So auch BeckOK Datenschutzrecht/Uwer, § 29 BDSG Rn. 10; Weidmann, DB 2019, 2393, 2397. 210 BVerwG, Urteil vom 3. 9. 1991 – 1 C 48/88, NJW 1992, 451, 452. 211 BVerwG, Urteil vom 3. 9. 1991 – 1 C 48/88, NJW 1992, 451, 452. 212 Vgl. Art. 23 Abs. 2 S. 2 EU-RL 2019/1937, Erwägungsgrund (101) zur RL 2019/1937, Amtsblatt der Europäischen Union, L 305/33. 213 So bereits auch Artikel-29-Datenschutzgruppe, WP 117, S. 15.
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Fraglich ist, ob die Anwendung des § 29 Abs. 1 S. 1 BDSG für die vom nationalen Gesetzgeber umzusetzende Gewährleistung der Vertraulichkeit nach Art. 16 Abs. 1 EU-RL 2019/1937 ausreichend ist. Keine Bedenken bestehen insoweit, als dass § 29 Abs. 1 S. 1 BDSG eine Ausnahme von Art. 14 Abs. 2 lit. f) DS-GVO nur ermöglicht, wenn der Hinweisgeber gutgläubig ist. Der europäische Gesetzgeber hat den Schutzanspruch für Whistleblower ebenfalls von ihrer Gutgläubigkeit abhängig gemacht.215 Es ist jedoch zu berücksichtigen, dass die internen Meldestellen zur Anwendung der Vorgaben des § 29 Abs. 1 S. 1 BDSG umfassend ermitteln müssten, ob ein Hinweisgeber gut- oder bösgläubig ist. Erst wenn sie sich darüber Kenntnis verschafft haben, können sie beurteilen, ob die Ausnahme nach § 29 Abs. 1 S. 1 BDSG einschlägig ist. Die verantwortliche Stelle wird hierbei, wegen der in Art. 14 Abs. 3 lit. a) DS-GVO normierten zeitlichen Grenze (maximal ein Monat) der Information, einem erheblichen Zeitdruck ausgesetzt. Eine zutreffende, sichere Beurteilung wird die Stelle in einer derart kurzen Zeit meist nicht leisten können. Zudem setzt sich der Verantwortliche im Fall einer fehlerhaften Beurteilung dem Risiko eines Bußgeldes nach Art. 83 Abs. 5 lit. b) DS-GVO aus. Vor diesem Hintergrund besteht die Gefahr, dass die Unternehmen vorsorglich oder wegen einer fehlerhaften Beurteilung die verdächtigte Person über die Identität des Hinweisgebers, ungeachtet seiner Schutzwürdigkeit (Gutgläubigkeit), informieren. Der in Art. 16 Abs. 1 EU-RL 2019/1937 verpflichtend vorgesehene Schutz der Vertraulichkeit wäre erheblich gefährdet. Das Risiko der Offenlegung der Person des Hinweisgebers wird zudem dadurch erhöht, dass an den prozessualen Vortrag des Verantwortlichen, der sich auf die Ausnahme nach § 29 Abs. 1 BDSG beruft, strenge Anforderungen gestellt werden.216 Aus diesen Gründen würde der nationale Gesetzgeber mit einem bloßen Verweis auf § 29 Abs. 1 S. 1 BDSG seiner unionsrechtlichen Verpflichtung nicht gerecht. (cc) Zwischenergebnis Jedenfalls § 29 Abs. 1 S. 1 BDSG ermöglicht grundsätzlich eine Lösung des Interessenkonflikts zwischen Informationsanspruch der verdächtigten Person und dem Geheimhaltungsinteresse der Gegenseite. Da es sich jedoch um eine allgemeine Regelung handelt, die nicht auf die spezielle Konstellation der internen Meldesysteme ausgerichtet ist, führen die damit weiterhin erforderliche Abwägungsentscheidung und die anzuwendende Beweisverteilung zu erheblichen Unsicherheiten.217 Es ist nicht garantiert, dass die dargestellten Grundsätze zu der Anwendung des § 29 Abs. 1 S. 1 BDSG in der Rechtspraxis geteilt und angewandt werden. Daher 214
Weidmann, DB 2019, 2393, 2397. Hierzu unter Teil 2 B. II. 2. a). 216 Hierzu umfassend unter Teil 3 B. II. 4. b) bb) (3) (b) (bb) (a). 217 Kritisch zu der Anwendung des § 29 BDSG im Zusammenhang mit Hinweisgebersystem auch Naber, Newsdienst Compliance 2019, 23027. 215
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Teil 3: Implementierung unternehmensinterner Meldesysteme
besteht die berechtigte Sorge, dass der unionsrechtlich gebotenen Vertraulichkeit (Art. 16 EU-RL 2019/1937) mit einem Verweis auf § 29 Abs. 1 S. 1 BDSG unzureichend Rechnung getragen wird. Die bestehenden datenschutzrechtlichen Vorschriften gewährleisten die Vertraulichkeit eines Hinweisgebers somit unzureichend. Aus diesem Grund bedarf es zwingend, im Rahmen des Zulässigen, einer Anpassung der Gesetzeslage auf nationaler Ebene.218 (b) Konflikt zwischen Vertraulichkeit und Auskunftsanspruch Neben der Informationspflicht sieht die Datenschutz-Grundverordnung in Art. 15 DS-GVO einen Auskunftsanspruch vor, den die verdächtigte Person gegenüber der verantwortlichen Stelle geltend machen kann. Der Anspruch bezieht sich unter anderem auf die Herkunft der Daten: Es müssen gemäß Art. 15 Abs. 1 lit. g) DSGVO der betroffenen Person alle verfügbaren Informationen über die Herkunft der Daten mitgeteilt werden, sofern die personenbezogenen Daten nicht bei ihr selbst erhoben wurden. (aa) Auskunft über die Identität des Hinweisgebers nach Art. 15 Abs. 1 lit. g) DS-GVO Der Begriff der Herkunft der Daten im Sinne des Art. 15 Abs. 1 Hs. 2 lit. g) DSGVO entspricht weitgehend dem der Datenquelle im Sinne des Art. 14 Abs. 2 lit. f) DS-GVO.219 Insofern bezieht sich auch der Auskunftsanspruch auf die Offenlegung der Identität des Whistleblowers.220 Das Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg221 hat dieses Ergebnis bestätigt.222 Inhalt der Entscheidung war unter anderem ein Auskunftsanspruch nach Art. 15 Abs. 1 DS-GVO eines Arbeitnehmers gegen seine Arbeitgeberin.223 Das Gericht billigte dem Arbeitnehmer sowohl einen (erweiterten) Auskunftsanspruch nach Art. 15 Abs. 1 Hs. 2 DS-GVO, einschließlich der Auskunft über die Herkunft der Daten, als auch einen Anspruch auf Herausgabe einer Kopie nach Art. 15 Abs. 3 S. 1 DS-GVO zu.224 Der im Rahmen der Informationspflicht bestehende Konflikt zwischen Gewährleistung der Vertraulichkeit der Identität und dem Informationsinteresse der
218 219 220 221
242 ff. 222 223
249 ff. 224
249 ff.
Hierzu unter Teil 3 B. II. 4. b) bb) (3) (c). Gola/Franck, DS-GVO, Art. 15 Rn. 17. So auch Dzida/Granetzny, NZA 2020, 1201, 1206. LAG Baden-Württemberg, Urteil vom 20. 12. 2018 – 17 Sa 11/18, NZA-RR 2019, 242, Hierzu auch Fassbach/Hülsberg, GWR 2020, 255, 256. LAG Baden-Württemberg, Urteil vom 20. 12. 2018 – 17 Sa 11/18, NZA-RR 2019, 242, LAG Baden-Württemberg, Urteil vom 20. 12. 2018 – 17 Sa 11/18, NZA-RR 2019, 242,
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verdächtigten Person wiederholt sich insofern auch bei der Anwendung des Art. 15 DS-GVO.225 (bb) Ausnahme von dem Auskunftsanspruch nach der DS-GVO und dem BDSG (a) Ausnahme nach § 29 BDSG Der Anspruch auf Ankunft ist jedoch nach § 29 Abs. 1 S. 2 BDSG ausgeschlossen, soweit durch die Auskunft Informationen offenbart würden, die nach einer Rechtsvorschrift oder ihrem Wesen nach, insbesondere wegen der überwiegenden berechtigten Interessen eines Dritten, geheim gehalten werden müssen. Die Ausnahmeregelung entspricht inhaltlich der des § 29 Abs. 1 S. 1 BDSG.226 Entsprechend der Ausführungen zu dem Ausschluss der Informationspflicht nach § 29 Abs. 1 S. 1 BDSG kann folglich auch der Auskunftsanspruch in Bezug auf die Identität des Hinweisgebers nach § 29 Abs. 1 S. 2 Alt. 2 BDSG227 ausgeschlossen werden.228 Unter Berücksichtigung der Entscheidung des Landesarbeitsgerichts BadenWürttemberg ist jedoch anzunehmen, dass die verantwortliche Stelle zur Begründung eines Geheimhaltungsinteresses nicht pauschal behaupten kann, dass sie auf den bedingungslosen Schutz des anonymen Hinweisgebersystems zur Aufrechterhaltung der Meldebereitschaft angewiesen sei.229 Sie muss zur Begründung der Ausnahme nach § 29 Abs. 1 S. 2 BDSG substantiiert darlegen, aus welchen Umständen sich ein überwiegendes Interesse eines Dritten ergibt.230 Unter Berücksichtigung der strengen Vorgaben, die an den prozessualen Vortrag des verantwortlichen Unternehmens gestellt werden, erscheint es zweifelhaft, ob es diesem in jedem Einzelfall gelingen wird, sich der Auskunftspflicht tatsächlich zu entziehen. Darüber hinaus besteht das unvermeidbare Risiko, dass der umfassende Vortrag, der dem Verantwortlichen im Rahmen seiner Darlegungslast abverlangt wird, im Ergebnis Rückschlüsse auf die Identität des Whistleblowers zulässt und damit der Schutz der Vertraulichkeit lückenhaft wird.231 Das in der Richtlinie vorgesehene Vertraulichkeitsgebot ist nicht mit einer solchen Begründungspflicht vereinbar.232
225
Vgl. auch Wybitul/Brams, NZA 2019, 672, 672. BeckOK Datenschutzrecht/Uwer, § 29 BDSG Rn. 14. 227 § 29 Abs. 1 S. 2 Alt. 1 BDSG bezieht sich auf eine Pflicht zur Geheimhaltung wegen eines Berufsgeheimnisses, vgl. hierzu Gola/Heckmann/Lapp, BDSG, § 29 Rn. 7 ff. 228 DSK, Orientierungshilfe der Datenschutzbehörden zu Whistleblowing-Hotlines, S. 11; Franzen, Working Paper, 13, 20 f.; Lembke, NJW 2020, 1841, 1844 f.; hierzu auch LAG BadenWürttemberg, Urteil vom 20. 12. 2018 – 17 Sa 11/18, NZA-RR 2019, 242, 250 f. 229 LAG Baden-Württemberg, Urteil vom 20. 12. 2018 – 17 Sa 11/18, NZA-RR 2019, 242, 251. 230 LAG Baden-Württemberg, Urteil vom 20. 12. 2018 – 17 Sa 11/18, NZA-RR 2019, 242, 251; hierzu auch Fassbach/Hülsberg, GWR 2020, 255, 256. 231 Ähnlich auch Fuhlrott, NZA-RR 2019, 242, 252; Wybitul, ZD 2019, 276, 279 f. 232 Dzida/Granetzny, NZA 2020, 1201, 1206. 226
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Des Weiteren handelt es sich auch im Rahmen des § 29 Abs. 1 S. 2 BDSG um eine Prüfung im Einzelfall, die immer mit erheblicher Unsicherheit verbunden ist. Es erscheint daher zweifelhaft, ob der Gesetzgeber mit einem Verweis auf § 29 Abs. 1 S. 2 BDSG der Umsetzungspflicht nach Art. 16 Abs. 1 EU-RL 2019/1937 genügen würde. (b) Ausnahme nach Art. 15 Abs. 4 DS-GVO Eine Ausnahme von dem Auskunftsanspruch könnte sich jedoch aus Art. 15 Abs. 4 DS-GVO ergeben. Danach darf das Recht auf Erhalt einer Kopie gemäß Art. 15 Abs. 3 DS-GVO die Rechte und Freiheiten anderer Personen nicht beeinträchtigen. Nach dem eindeutigen Wortlaut bezieht sich die Regelung des vierten Absatzes ausschließlich auf den Anspruch auf den Erhalt einer Kopie und gerade nicht auf den Auskunftsanspruch nach Art. 15 Abs. 1 DS-GVO. In Erwägungsgrund Nummer 63 zu der Datenschutz-Grundverordnung ist jedoch ausgeführt, dass das Recht auf Auskunft die Rechte oder Freiheiten anderer Personen nicht beeinträchtigen darf.233 Sofern dies der Fall sei, könnte eine Auskunft jedenfalls partiell eingeschränkt werden.234 Es ist daher anzunehmen, dass Art. 15 Abs. 4 DS-GVO sich auch auf die Auskunft nach Art. 15 Abs. 1 DS-GVO bezieht.235 Bei Vorliegen der Voraussetzungen des Art. 15 Abs. 4 DS-GVO kann somit auch eine Auskunft verweigert werden. Dies bedeutet jedoch nicht, dass auch die Auskunft über die Person des Hinweisgebers (Art. 15 Abs. 1 lit. g) DS-GVO) nach Art. 15 Abs. 4 DS-GVO ausgeschlossen werden könnte. Art. 15 Abs. 4 DS-GVO nimmt Bezug auf den Anspruch nach Art. 15 Abs. 3 DS-GVO. Die betroffene Person hat danach einen Anspruch auf Kopie der „personenbezogenen Daten“. Der Anspruch auf Kopie beschränkt sich allein auf die verarbeiteten personenbezogenen Daten im Sinne des Art. 15 Abs. 1 Hs. 2 Alt. 1 DS-GVO und nicht auf die Informationen des Art. 15 Abs. 1 Hs. 2 Alt. 2 DS-GVO.236 Nichts anderes kann dann für die Anwendung des Art. 15 Abs. 4 DS-GVO auf Art. 15 Abs. 1 DS-GVO gelten. Der Anspruch nach Art. 15 Abs. 1 Hs. 2 Alt. 2 DSGVO besteht selbstständig neben dem aus Art. 15 Abs. 1 Hs. 2 Alt. 1 DS-GVO („personenbezogene Daten und auf folgende Informationen“).237 233
Erwägungsgrund (63) zur VO 2016/679, L 119/12. Erwägungsgrund (63) zur VO 2016/679, L 119/12. 235 Simitis/Hornung/Spiecker gen. Döhmann/Dix, DS-GVO, Art. 15 Rn. 34; Lembke, NJW 2020, 1841, 1844; Paal/Pauly/Paal, DS-GVO, Art. 15 Rn. 41; Sydow/Specht, DS-GVO, Art. 15 Rn. 22; a. A. wohl Kühling/Buchner/Bäcker, DS-GVO, Art. 15 Rn. 33 ff., 42 ff. 236 Schulte/Welgel, NZA 2009, 1110, 1111. 237 So auch Kühling/Buchner/Bäcker, DS-GVO, Art. 15 Rn. 7; Ehmann/Selmayr/Ehmann, DS-GVO, Art. 15 Rn. 15; Engeler/Quiel, NJW 2019, 2201, 2201; Paal/Paulys/Paal, DS-GVO, Art. 15 Rn. 20; Schulte/Welge, NZA 2019, 1110, 1111. 234
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Da der Anspruch der verdächtigten Person auf Auskunft über die Identität des Whistleblowers konkret aus Art. 15 Abs. 1 Hs. 2 Alt. 2 lit. g) DS-GVO folgt, kann mit Art. 15 Abs. 4 DS-GVO keine Ausnahme von der Auskunft über die Identität des Whistleblowers begründet werden.238 (cc) Zwischenergebnis Der datenschutzrechtliche Auskunftsanspruch nach Art. 15 DS-GVO begründet ebenfalls das Risiko, dass die Identität des Whistleblowers offengelegt wird. Eine Anwendung des § 29 Abs. 1 S. 2 BDSG ermöglicht keine umfassende Garantie der Geheimhaltung der Identität schutzwürdiger Hinweisgeber. Wegen des allgemeinen Charakters des § 29 Abs. 1 S. 2 BDSG, der erforderlichen Abwägungsentscheidung im Anwendungsbereich der Vorschrift und der Anforderungen, die an den prozessualen Vortrag des Verantwortlichen gestellt werden, ist diese Ausnahmeregelung eine unzureichende Lösung zur Gewährleistung des Vertraulichkeitsgebots nach Art. 16 Abs. 1 EU-RL 2019/1937. (c) Konfliktlösung durch Anpassung der Gesetzeslage (aa) Pflicht des Gesetzgebers zur Neu-Normierung Der Rückgriff auf die bestehenden datenschutzrechtlichen Regelungen bietet, wie die vorausgegangenen Erwägungen zeigen, keine sichere Konfliktlösung. Unternehmen sehen sich erheblichen Schwierigkeiten ausgesetzt, zu beurteilen, ob, wann und wie weit sie zur Information und Auskunft gegenüber der verdächtigten Person verpflichtet sind.239 Die bestehenden Auskunfts- und Informationsrechte der verdächtigten Person lassen es nur schwer zu, ein vertrauliches, funktionsfähiges Meldesystem zu schaffen.240 Gemäß Art. 16 Abs. 1 EU-RL 2019/1937 muss der nationale Gesetzgeber aber gerade sicherstellen, dass die Identität des Hinweisgebers ohne dessen ausdrückliche Zustimmung keinen anderen Personen als gegenüber den befugten Mitarbeitern offengelegt wird. Um dieser Verpflichtung gerecht zu werden, darf er nicht bloß auf die bisher bestehenden Regelungen verweisen, sondern muss, im Zuge der Umsetzung der Whistleblowing-Richtlinie, gesetzliche Anpassungen vornehmen.241 (bb) Anpassung der Gesetzeslage über die Öffnungsklausel des Art. 23 DS-GVO Zur Beseitigung der bestehenden Spannungen kann auf die Öffnungsklausel des Art. 23 DS-GVO242 zurückgegriffen werden.243 Danach kann ein Mitgliedstaat durch 238
A. A. Simitis/Hornung/Spiecker gen. Döhmann/Dix, DS-GVO, Art. 15 Rn. 35. Ähnlich auch Thüsing/Fütterer/Jänsch, RDV 2018, 133, 138. 240 Ähnlich Ihwas, ArbRAktuell 2019, 227, 227; Tribess, GWR 2019, 155, 155; kritisch auch Fuhlrott, NZA-RR 2019, 242, 252. 241 So auch Dzida/Granetzny, NZA 2020, 1201, 1206; Garden/Hiéramente, BB 2019, 963, 966; Grimm/Singraven, ArbRB 2019, 241, 243. 242 Gola/Gola, DS-GVO, Art. 23 Rn. 1; Sydow/Peuker, DS-GVO, Art. 23 Rn. 1. 239
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Rechtsvorschriften unter anderem die Informationspflicht nach Art. 14 DS-GVO und den Anspruch auf Auskunft nach Art. 15 DS-GVO beschränken. Eine Einschränkung ist jedoch nur wegen eines in Art. 23 Abs. 1 lit. a) bis j) genannten Ziels zulässig. Die Normierung einer Ausnahme von der Auskunft und Information über die Person des Whistleblowers könnte auf Art. 23 Abs. 1 lit. i) Alt. 2 DS-GVO gestützt werden.244 Danach ist eine Einschränkung der Betroffenenrechte zulässig, wenn diese dem Schutz der Rechte und Freiheiten anderer Personen dient. Der nationale Gesetzgeber kann jedoch nicht nach Belieben Einschränkungen der Rechte nach Art. 12 ff. DS-GVO vornehmen. Art. 23 Abs. 1 DS-GVO sieht vor, dass die Beschränkung den Wesensgehalt der Grundrechte und Grundfreiheiten achtet und in einer demokratischen Gesellschaft eine notwendige und verhältnismäßige Maßnahme darstellen muss. Zum einen darf der unantastbare Kern eines Grundrechts oder einer Grundfreiheit nicht beeinträchtigt werden.245 Zum anderen muss auch im Rahmen der nationalen Regelung der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz Berücksichtigung finden.246 Dies bedeutet insbesondere, dass der Gesetzgeber sich für die Regelung entscheiden muss, die in die Rechte der betroffenen Person am geringsten eingreift.247 Aus Gründen der Verhältnismäßigkeit darf dem Interesse des Whistleblowers nicht generell Vorrang gegenüber dem der verdächtigten Person eingeräumt werden. Ein genereller Ausschluss der Information und Auskunft über die Identität des Hinweisgebers ohne Berücksichtigung der Besonderheiten des Einzelfalls würde der grundrechtlichen Position der verdächtigten Person unzureichend Rechnung tragen. Vielmehr gebietet das Erfordernis der Verhältnismäßigkeit, dass die Rechte nach Art. 12 ff. DS-GVO, als Ausgestaltung des Rechts aus Art. 8 GRCh248, nur so weit eingeschränkt werden dürfen, wie dies die Wahrung der in Art. 23 Abs. 1 DS-GVO genannten Rechtsgüter erfordert.249 Es besteht gerade kein schutzwürdiges Interesse des Hinweisgebers, wenn er böswillig falsche, zum Teil sogar verleumderische Vorwürfe gegenüber der verdächtigten Person erhoben hat. In diesem Fall hat die betroffene Person ein nachvollziehbares Interesse an der Offenlegung der Identität des Hinweisgebers: Zum einen, um sich gegen die verleumderische Meldung zur Wehr setzen zu können und 243
Erwägungsgrund (84) zur RL 2019/1937, Amtsblatt der Europäischen Union, L 305/30; Dzida/Granetzny, NZA 2020, 1201, 1206; Garden/Hiéramente, BB 2019, 963, 965; Ullrich, WiJ 2019, 52, 59; wohl auch Fassbach/Hülsberg, GWR 2020, 255, 256. 244 Vgl. auch Erwägungsgrund (84) zur RL 2019/1937, Amtsblatt der Europäischen Union, L 305/30. 245 BeckOK Datenschutzrecht/Stender-Vorwachs, Art. 23 DS-GVO Rn. 11. 246 Taeger/Gabel/Koreng, DS-GVO, Art. 23 Rn. 15; Sydow/Peuker, DS-GVO, Art. 23 Rn. 44. 247 Simitis/Hornung/Spiecker gen. Döhmann/Dix, DS-GVO, Art. 23 Rn. 18; Taeger/Gabel/ Koreng, DS-GVO, Art. 23 Rn. 16; Paal/Pauly/Paal, DS-GVO, Art. 23 Rn. 10. 248 Kühling/Buchner/Bäcker, DS-GVO, Art. 23 Rn. 6. 249 Paal/Pauly/Paal, DS-GVO, Art. 23 Rn. 10.
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zum anderen, um im Einzelfall bestehende eigene Rechtsansprüche gegenüber dem Hinweisgeber geltend machen zu können.250 Ohne Information über die Person des Whistleblowers ist es jedoch ausgeschlossen, diese Rechtsposition überhaupt wahrnehmen zu können.251 Jedenfalls bei Bösgläubigkeit des Whistleblowers muss sein Interesse an der Geheimhaltung seiner Person hinter dem Informationsinteresse der zu Unrecht verdächtigten Person zurücktreten.252 Mit Blick auf die zu gewährleistende Vertraulichkeit sind die Informationspflicht und das Auskunftsrecht dahingehend zu begrenzen, dass die Identität des Hinweisgebers und Informationen, die Rückschlüsse auf seine Identität ermöglichen, nur offengelegt werden dürfen, wenn der Whistleblower böswillig eine falsche Meldung erstattet hat. (cc) Zwischenergebnis Der nationale Gesetzgeber hat, um dem Gebot der Vertraulichkeit des Art. 16 EURL 2019/1937 Rechnung zu tragen, die datenschutzrechtliche Informationspflicht und den Auskunftsanspruch über die Öffnungsklausel des Art. 23 Abs. 1 DS-GVO einzuschränken. Der Gesetzgeber darf eine Weitergabe von Informationen über die Identität des Whistleblowers de lege ferenda gegenüber der verdächtigten Person nur zulassen, wenn dieser seine Zustimmung erteilt hat oder er bösgläubig Meldung erstattet hat. Spezielle datenschutzrechtliche Vorgaben im Umsetzungsakt zu der EU-Richtlinie 2019/1937 sind selbst dann überzeugend, wenn man annimmt, dass das Datenschutzrecht dem Grunde nach ausreichende Lösungsmöglichkeiten für die dargestellte Konfliktlage bietet. Unternehmen und auch die betroffenen Personen erkennen mangels juristischer Fachkenntnis nicht zwingend den datenschutzrechtlichen Bezug der internen Meldesysteme. Um die Bedeutung des Datenschutzrechts für die Pflichtenstellung des verantwortlichen Unternehmens und für die Rechte der betroffenen Personen erkennbar zu machen und eindeutige Handlungsanweisungen vorzugeben, bedarf es einer speziellen Regelung im Rahmen des Umsetzungsakts zu der EU-Richtlinie 2019/1937. Mit Fortführung des ersten Entwurfs eines Hinweisgeberschutzgesetzes würde der Gesetzgeber diese Problematik unzureichend lösen. In dem Gesetzestext ist keine Ausnahme von den Regelungen des Art. 14 Abs. 2 lit. f), Art. 15 Abs. 1 Hs. 2 lit. g) DS-GVO vorgesehen. Es wird in den Erwägungsgründen zur Lösung des Konflikts lediglich auf § 29 Abs. 1 BDSG verwiesen.253 Wie aufgezeigt, genügt eine An250
Ähnlich auch Garden/Hiéramente, BB 2019, 963, 966. So auch Dilling, CCZ 2019, 214, 222. 252 So auch Hiéramente/Ullrich, jurisPR-StrafR 25/2019 Anm. 1; a. A. Dzida/Granetzny, NZA 2020, 1201, 1206: Danach seien „in der Praxis kaum Fälle denkbar, in denen das Auskunftsinteresse des Betroffenen derart gewichtig ist, dass es das Interesse des Whistleblowers am Schutz seiner Identität einmal überwiegt.“ 253 Referentenentwurf HinSchG, Zu § 8 (Vertraulichkeitsgebot) Absatz 1, S. 53. 251
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wendung des § 29 Abs. 1 BDSG zur Gewährleistung der Vertraulichkeit jedoch gerade nicht. Der Gesetzgeber muss daher zwingend eine Anpassung des Gesetzesentwurfes vornehmen. Andernfalls droht, dass das für den effektiven Hinweisgeber-Schutz grundlegende Vertraulichkeitsgebot umgangen wird. Das Vertraulichkeitsgebot muss daher um die folgende Bestimmung ergänzt werden: Die Pflicht zur Information nach Art. 14 DS-GVO und der Auskunftsanspruch nach Art. 15 DS-GVO sind ausgeschlossen, wenn und soweit Informationen über die Identität des Hinweisgebers weitergegeben werden müssten. Satz 1 gilt nicht, wenn eine Ausnahme nach § 19 Absatz 1 vorliegt. § 19 Ausnahmen von dem Vertraulichkeitsgebot (1) Informationen über die Identität des Hinweisgebers dürfen […] weitergegeben werden, wenn der Hinweisgeber nicht gutgläubig war.
C. Umgang mit Meldungen und Durchführung von Folgemaßnahmen Mit der Einrichtung interner Meldekanäle ist die Frage verbunden, wie mit eingehenden Meldungen verfahren werden muss. Damit die unternehmensinternen Hinweisgebersysteme ihren Zweck – Aufdeckung und Beseitigung von Verstößen – wirksam erfüllen können, ist es erforderlich, dass nach Eingang interner Meldungen weitere Maßnahmen ergriffen werden.
I. Umgang mit Meldungen und Durchführung von Folgemaßnahmen de lege lata Nach bisheriger Rechtslage fehlten spezielle Vorschriften zum Umgang mit Meldungen im Rahmen von Hinweisgebersystemen. Sofern sich die zuständige Stelle zur Einleitung von Folgemaßnahmen254 entschieden hatte, musste sie lediglich allgemeine, vom Whistleblowing losgelöste, Vorschriften und Rechtsgrundsätze berücksichtigen. Die Garantie einer umfassenden Aufdeckung und Beseitigung unternehmensinterner Missstände bestand damit nicht. Gleichzeitig war für einen Hinweisgeber nicht ohne weiteres erkennbar, ob seiner Meldung tatsächlich hinreichend Beachtung geschenkt wurde. Das damit eng verbundene Recht zur externen Meldung255 konnte daher nur schwer zutreffend beurteilt werden. Damit sah sich nicht nur der Hinweisgeber, sondern auch das Unternehmen erheblicher Unsicherheit ausgesetzt.
254 255
Bspw. interne Untersuchungen. Hierzu Teil 2 B. I. 2. b) cc) (1).
C. Umgang mit Meldungen und Durchführung von Folgemaßnahmen
249
II. Umgang mit Meldungen und Durchführung von Folgemaßnahmen de lege ferenda Demgegenüber sieht die Whistleblowing-Richtlinie eine Vielzahl an Bestimmungen vor, die sich auf den Umgang mit eingehenden Meldungen und die Durchführung von Folgemaßnahmen beziehen. 1. Dokumentation und Aufbewahrung der Meldung a) Vorgaben der EU-Richtlinie 2019/1937 Von Bedeutung ist zunächst die in Art. 18 EU-RL 2019/1937 normierte Pflicht zur Dokumentation und Aufbewahrung eingehender Meldungen. Gemäß Art. 18 Abs. 1 EU-RL 2019/1937 müssen die Mitgliedstaaten sicherstellen, dass die Unternehmen alle eingehenden Meldungen im Einklang mit den Vertraulichkeitspflichten gema¨ ß Art. 16 EU-RL 2019/1937 dokumentieren. Die anschließende Aufbewahrung darf nicht länger andauern, als dies erforderlich und verha¨ ltnisma¨ ßig ist, um die von dieser Richtlinie auferlegten Anforderungen oder andere Anforderungen nach Unionsrecht oder nationalem Recht zu erfu¨ llen. Aus den Absätzen zwei bis vier ergibt sich, dass die Dokumentation bei jeder Meldung, unabhängig von der Form, erfolgen muss. b) Umsetzung auf nationaler Ebene Der nationale Gesetzgeber muss die Unternehmen künftig entsprechend Art. 18 EU-RL 2019/1937 zur Dokumentation und Aufbewahrung der eingehenden Meldungen verpflichten. Um dies umzusetzen, hat er diese Aufgabe den von den Unternehmen einzurichtenden internen bzw. externen Meldestellen256 zu übertragen. Die „Form“ der Dokumentation muss sich, wie auch in Art. 18 Abs. 2 bis Abs. 4 EURL 2019/1937 vorgesehen, nach der konkreten Ausgestaltung des Meldekanals richten. Der Gesetzgeber kann die Vorgaben des Art. 18 EU-RL 2019/1937 auf das nationale Recht entsprechend übertragen. Im Übrigen darf und sollte es de lege ferenda der freien Organisationsentscheidung der zuständigen Stellen unterliegen, ob und wenn ja, in welcher Form der an eine Meldung anschließende Prozess dokumentiert wird. Schwierigkeiten ergeben sich jedoch hinsichtlich der zu bestimmenden Dauer der Aufbewahrung. Nach den Richtlinienvorgaben ist diese von den Umständen des konkreten Einzelfalls, unter Berücksichtigung der zu erfüllenden Pflichten, abhängig. Vor diesem Hintergrund verbietet sich eine feste zeitliche Vorgabe. In jedem Fall muss es künftig jedoch zulässig sein, die dokumentierte Meldung für die Dauer der vollständigen Aufdeckung des Sachverhalts und der Durchführung sämtlicher Folgemaßnahmen aufzubewahren. Nicht nur, dass die Informationen der Meldung re256
Hierzu unter Teil 3 B. II. 2.
250
Teil 3: Implementierung unternehmensinterner Meldesysteme
gelmäßig als Grundlage einzuleitender Folgemaßnahmen dienen, auch können sie als Beweismittel für anschließende Durchsetzungsmaßnahmen herangezogen werden257. Ohne Rückgriffsmöglichkeit auf die vorhandenen Informationen kann das Ziel der Richtlinie – Durchsetzung des Unionsrechts und der Unionspolitik – nicht erreicht werden. Insofern ist die Speicherung der dokumentierten Meldungen für diese Dauer regelmäßig erforderlich und verhältnismäßig. Anschließend sind die Daten unverzüglich zu löschen. Dies fordern bereits die Bestimmungen des Datenschutzrechts, vgl. Art. 5 Abs. 1 lit. e) DS-GVO.258 Diese Vorgaben wurden richtig in § 11 HinSchG-Entwurf umgesetzt. In § 11 Abs. 1 HinSchG-Entwurf ist normiert, dass die Personen, die in einer Meldestelle fu¨ r die Entgegennahme von Meldungen zusta¨ ndig sind, alle eingehenden Meldungen in dauerhaft abrufbarer Weise unter Beachtung des Vertraulichkeitsgebots dokumentieren müssen. Dies hat durch eine Tonaufzeichnung, durch die Zusammenfassung ihres Inhalts in Form eines Vermerks oder durch die vollsta¨ ndige und genaue Niederschrift des Wortlauts in Form eines Protokolls zu erfolgen. Der Referentenentwurf sieht zudem in § 11 Abs. 2, 3 HinSchG-Entwurf vor, dass jedenfalls fu¨ r die Herstellung einer dauerhaft abrufbaren Tonaufzeichnung des Gespra¨ chs oder fu¨ r die Anfertigung eines Protokolls die Einwilligung der hinweisgebenden Person erforderlich ist und ihr die Gelegenheit gegeben werden muss, den Vermerk oder das Protokoll zu u¨ berpru¨ fen, gegebenenfalls zu korrigieren und unterschriftlich zu besta¨ tigen. Zuletzt ist in § 11 Abs. 4 HinSchG-Entwurf zutreffend eine Pflicht zur Löschung der Dokumentation vorgesehen, sobald das Verfahren abgeschlossen ist. Eine Überarbeitung der Vorschrift ist nicht erforderlich. 2. Eingangsbestätigung und Rückmeldungen a) Vorgaben der EU-Richtlinie 2019/1937 Weitere Bestandteile der internen Meldesysteme bilden die Eingangsbestätigung und die Rückmeldung gegenüber Hinweisgebern. Gemäß Art. 9 Abs. 1 lit. b) EU-RL 2019/1937 muss innerhalb einer Frist von sieben Tagen nach Eingang der Meldung diese bestätigt werden. Anschließend hat innerhalb eines angemessenen zeitlichen Rahmens, maximal nach drei Monaten ab Bestätigung des Eingangs der Meldung, beziehungsweise wenn der Eingang dem Hinweisgeber nicht bestätigt wurde, drei Monate nach Ablauf der Frist von sieben Tagen nach Eingang der Meldung, eine Rückmeldung an den Hinweisgeber zu erfolgen, vgl. Art. 9 Abs. 1 lit. f) EU-RL 2019/1937. Eine Rückmeldung im Sinne des Art. 9 Abs. 1 lit. f) EU-RL 2019/1937 umfasst die Unterrichtung des Hinweisgebers u¨ ber die geplanten oder bereits ergriffenen Folgemaßnahmen und die Gru¨ nde fu¨ r diese Folgemaßnahmen, vgl. Art. 5 Nr. 13 EU-RL 2019/1937. Wie sich aus Erwägungsgrund Nummer 57 ergibt, soll der 257 258
a) bb).
Erwägungsgrund (86) zur RL 2019/1937, Amtsblatt der Europäischen Union, L 305/30. Von dieser Vorgabe kann grds. auch nicht abgewichen werden, vgl. unter Teil 3 D. III. 2.
C. Umgang mit Meldungen und Durchführung von Folgemaßnahmen
251
Hinweisgeber auch im weiteren Verlauf über Fortschritte und Ergebnisse der Untersuchungen wiederholt informiert werden.259 Aus Art. 9 Abs. 1 lit. c) EU-RL 2019/1937 folgt zudem, dass die Meldestelle für die Bestätigung des Eingangs der Meldung und für die Erstattung der Rückmeldung zuständig sein muss. b) Umsetzung auf nationaler Ebene Entsprechend der dargestellten Vorgaben hat der nationale Gesetzgeber eine Pflicht der zuständigen Stellen zur Bestätigung des Eingangs der Meldungen und zur Erteilung von Rückmeldungen gegenüber den Hinweisgebern zu normieren. Die Entscheidung darüber, ob weitere Rückmeldungen über den Stand des Verfahrens erteilt werden260, sollte im Ermessen der zuständigen Stellen verbleiben. Die zuständigen Stellen sollten aber dazu verpflichtet werden, den Hinweisgebern zumindest den Abschluss des Verfahrens und die Gründe dafür mitzuteilen. Die Kenntnis hiervon ist für Hinweisgeber von zentraler Bedeutung, um entscheiden zu können, ob die internen Stellen den aufgedeckten Verstoß beseitigt haben und damit die interne Meldung erfolgreich war oder ob er vielmehr zusätzlich eine weitere externe Meldung zur Beseitigung der Missstände erstatten muss. Von besonderer Bedeutung ist die Pflicht zur ersten Rückmeldung. Wegen der unbestimmten Fristangaben – „angemessene zeitliche Rahmen“, maximal aber drei Monate – in Art. 9 Abs. 1 lit. f) EU-RL 2019/1937 könnte in Erwägung gezogen werden, auf nationaler Ebene strengere Vorgaben zu normieren. Diese Überlegung ist jedoch abzulehnen. Zu strenge Vorgaben in Bezug auf den Umgang der Verantwortlichen mit den eingegangenen Meldungen würden zu einem erheblichen, nicht zu unterschätzenden Mehraufwand261 und entsprechend zu einer zusätzlichen Ressourcenbindung führen. Je nach Unternehmensgröße kann dies einen erheblichen Eingriff in die unternehmerische Freiheit (Art. 12 Abs. 1 GG, Art. 16 GRCh) begründen. Gleichzeitig würde eine Verkürzung der Frist zur Rückmeldung keine Vorteile für die Aufdeckung vermeintlicher Verstöße bieten. Bereits durch die drei-Monats-Frist wird den Unternehmen die Möglichkeit verwehrt, ihr Handeln zu verzögern und damit verhindert, dass das Vertrauen der Hinweisgeber in die Funktionsfähigkeit der Meldesysteme erschüttert wird. Einer weiteren Verkürzung der zeitlichen Höchstgrenze bedarf es dafür nicht.262 Es besteht andernfalls vielmehr das Risiko, dass die zuständige Stelle in Zeitnot gerät und dies einer umfassenden Bearbeitung eingegangener Meldungen und damit der Rechtsdurchsetzung abträglich sein könnte. 259
Erwägungsgrund (57) zur RL 2019/1937, Amtsblatt der Europäischen Union, L 305/26. Vgl. Erwägungsgrund (58) zur RL 2019/1937, Amtsblatt der Europäischen Union, L 305/26. 261 Garden/Hiéramente, BB 2019, 963, 966. 262 In diese Richtung dagegen Wiedmann/Seyfert, CCZ 2019, 12, 17. 260
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Teil 3: Implementierung unternehmensinterner Meldesysteme
Um den Umständen des Einzelfalls sowohl hinsichtlich der (personellen) Ausstattung des internen Meldekanals als auch hinsichtlich des Meldegegenstands Rechnung tragen zu können, überzeugt es im Übrigen, unterhalb der drei-MonatsGrenze künftig auf die freie Entscheidung der Verantwortlichen abzustellen. Auch an dieser Stelle ist der Referentenentwurf überzeugend. In § 17 Abs. 2 S. 2 HinSchG-Entwurf wird zutreffend die Frist von drei Monaten (bzw. drei Monate und sieben Tage) fortgeführt und den zuständigen Stellen innerhalb dieser zeitlichen Vorgabe Freiraum für den konkreten Zeitpunkt der Rückmeldung gewährt. In inhaltlicher Hinsicht müssen die zuständigen Stellen entsprechend den Vorgaben der Richtlinie Angaben zu den geplanten oder bereits eingeleiteten Folgemaßnahmen und den diesen zugrunde liegenden Gründen machen. Ein Hinweisgeber ist ferner darüber zu informieren, inwieweit geeignete Folgemaßnahmen erst noch festgelegt werden und ob bzw. wenn ja, welche weiteren Ru¨ ckmeldungen263 noch zu erwarten sind.264 Daraus wird auch deutlich, dass die Folgemaßnahmen im Zeitpunkt der Rückmeldung noch nicht zum Abschluss gebracht worden sein müssen. Dies ist auch überzeugend, da eine umfassende Bearbeitung innerhalb eines solch kurzen Zeitraums regelmäßig nicht möglich ist265. Da insbesondere bei dem Eingang einer Vielzahl an Meldungen zu strenge Begründungsanforderungen zu einem erheblichen Mehraufwand führen können, ist den zuständigen Stellen nur abzuverlangen, dass durch ihre Rückmeldung dem Hinweisgeber ein Überblick über den bisherigen und weiteren Verlauf ermöglicht wird. Er muss durch die Rückmeldung nur beurteilen können, ob die Maßnahmen für die Beseitigung des gemeldeten Verstoßes überhaupt geeignet sind oder vielmehr Anlass zur externen Meldung (oder im Einzelfall sogar zur Offenlegung266) geben. Um den zuständigen Stellen eine hinreichende „Handlungsleitlinie“ an die Hand zu geben267, sollte der nationale Gesetzgeber jedoch konkrete Vorgaben bezüglich der zu erteilenden Rückmeldung normieren.268 § 17 Abs. 2 S. 2 HinSchG-Entwurf entspricht den dargestellten Anforderungen nur teilweise. Gemäß § 17 Abs. 2 S. 2 HinSchG-Entwurf sei eine Rückmeldung die Mitteilung geplanter sowie bereits ergriffener Folgemaßnahmen sowie die Gründe für diese. Es erscheint fraglich, ob mit dieser Regelung für die zuständigen Stellen eindeutige Bestimmungen für den Inhalt der Rückmeldungen geschaffen wurden.
263 Daraus ergibt sich, dass die verantwortliche Stelle auch im weiteren Verlauf weitere Rückmeldungen geben kann. Eine Pflicht dahingehend sieht die Richtlinie jedoch nicht vor. 264 Erwägungsgrund (58) zur RL 2019/1937, Amtsblatt der Europäischen Union, L 305/26. 265 So auch Dzida/Granetzny, NZA 2020, 1201, 1203. 266 Hierzu unter Teil 2 B. II. 3. c) bb) (4). 267 Dies gilt insbesondere gegenüber den externen Meldekanälen. Das Recht zur Offenlegung hängt künftig maßgeblich von der Rückmeldung durch die zuständige externe Stelle ab, vgl. hierzu unter Teil 2 B. II. 3. c) aa) (2) (a). 268 Ähnlich auch Aszmons/Herse, DB 2019, 1849, 1853.
C. Umgang mit Meldungen und Durchführung von Folgemaßnahmen
253
Unter Berücksichtigung der grundlegenden Bedeutung der Rückmeldung für das Verhalten des Hinweisgebers sollte die Pflicht zur Rückmeldung weiter konkretisiert werden: (1) Die Meldestelle hat innerhalb einer Frist von sieben Tagen nach Eingang der Meldung den Eingang dieser gegenüber dem Hinweisgeber zu bestätigen. (2) Die Meldestelle muss dem Hinweisgeber spätestens nach drei Monaten ab Bestätigung der Meldung im Sinne des Absatzes 1 eine Rückmeldung erstatten. Ist die Bestätigung der Meldung im Sinne des Absatzes 1 unterblieben, beginnt die Frist des Satzes 1 mit Ablauf von sieben Tagen nach Eingang der Meldung des Hinweisgebers. (3) In der Rückmeldung ist der Hinweisgeber u¨ ber die geplanten oder bereits ergriffenen Folgemaßnahmen und die Gru¨ nde fu¨ r diese zu unterrichten, sodass der Hinweisgeber die Eignung der Folgemaßnahmen beurteilen kann. Die Rückmeldung hat folgende Angaben zu enthalten a) die rechtliche Bewertung der mitgeteilten Informationen, b) die eingeleiteten und geplanten Folgemaßnahmen und eine darauf bezogene Begründung, c) im Fall geplanter Folgemaßnahmen ihr voraussichtlicher Zeitpunkt und d) ob und welche weiteren Rückmeldungen zu erwarten sind. (4) Der Hinweisgeber sollte zusätzlich regelmäßig über die Fortschritte der durchgeführten Folgemaßnahmen und über die Einleitung weiterer Folgemaßnahmen informiert werden […]. (5) Die Meldestelle muss den Hinweisgeber über den Abschluss des Verfahrens und die Ergebnisse unter Angabe der Gründe für die Entscheidung informieren.
Um zudem die effektive Durchführung der Folgemaßnahmen zu gewährleisten (Art. 8 Abs. 1 i. V. m. Art. 9 Abs. 1 lit. d) EU-RL 2019/1937), muss den Unternehmen künftig das Recht zugebilligt werden, auf einzelne Angaben in der Rückmeldung oder auf die Rückmeldung im Ganzen zu verzichten, wenn und soweit sie den Erfolg der Maßnahmen beeinträchtigen könnten. Eine weitere Ausnahme ist für den Fall vorzusehen, dass die Rechte der verdächtigten Person durch die Rückmeldung unverhältnismäßig beeinträchtigt würden.269 Sobald diese Umstände weggefallen sind, ist die Rückmeldung unverzüglich nachzuholen. Es besteht kein Grund, die Pflicht zur Rückmeldung in diesem Fall dauerhaft auszuschließen. Diese Problematik wird in dem Referentenentwurf ebenfalls aufgegriffen: Nach § 17 Abs. 2 S. 3 HinSchG-Entwurf darf eine Rückmeldung an die hinweisgebende Person nur insoweit erfolgen, als dadurch interne Nachforschungen oder Ermittlungen nicht berührt und die Rechte der Personen, die Gegenstand einer Meldung sind oder die in der Meldung genannt werden, nicht beeinträchtigt werden. Eine Pflicht gegenüber den zuständigen Stellen, die Rückmeldung bei Wegfall dieser 269 Vgl. auch Erwägungsgrund (57) zur RL 2019/1937, Amtsblatt der Europäischen Union, L 305/26; ähnlich auch EuArbR/Fest, EU-RL 2019/366, Art. 9 Rn. 26.
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Teil 3: Implementierung unternehmensinterner Meldesysteme
Voraussetzungen nachzuholen, ist jedoch nicht vorgesehen. De lege ferenda sollte die nachstehende Bestimmung erlassen werden: Die Pflicht zur Rückmeldung ist ausgeschlossen, wenn und soweit sie den Erfolg der Folgemaßnahmen gefährden würde oder die Rechte der Person, die Gegenstand der Meldung ist, oder die Rechte sonstiger Personen beeinträchtigt würden. Mit Wegfall dieser Voraussetzungen ist die Rückmeldung unverzüglich nachzuholen.
Die genannten Vorgaben müssen auch für die weiteren Rückmeldungen gegenüber dem Hinweisgeber gelten. Die Mitteilung über den Abschluss des Verfahrens und die fakultativen Rückmeldungen sind ebenfalls unter die Bedingung zu stellen, dass weder der Erfolg der Folgemaßnahmen, noch die Rechte Dritter beeinträchtigt werden. Daneben ist dem nationalen Gesetzgeber anzuraten, dass er die Form der Rückmeldung künftig der freien Ermessensentscheidung der zuständigen Stellen überlässt. Dadurch können die Stellen den administrativen Aufwand bestmöglich bewältigen und auch auf die entsprechende Meldeform des Hinweisgebers im Einzelfall bestmöglich reagieren. Die in § 17 Abs. 2 HinSchG-Entwurf vorgesehene Pflicht zur Rückmeldung sieht keine Vorgaben hinsichtlich der Form der Rückmeldung vor. An dem dadurch vermittelten Spielraum ist festzuhalten. 3. Einleitung ordnungsgemäßer Folgemaßnahmen a) Vorgaben der EU-Richtlinie 2019/1937 Ausweislich Art. 8 Abs. 1 EU-RL 2019/1937 müssen die Mitgliedstaaten zudem sicherstellen, dass die juristischen Personen des privaten Sektors nicht nur Kanäle und Verfahren für Meldungen, sondern auch Verfahren für anschließende Folgemaßnahmen, mithin für die Weiterverfolgung eingehender Hinweise, vorsehen. Die Verfahren für Folgemaßnahmen schließen zum einen die Benennung einer unparteiischen Person oder Abteilung, die fu¨ r die Folgemaßnahmen zusta¨ ndig ist (Art. 9 Abs. 1 lit. c) EU-RL 2019/1937), und zum anderen ordnungsgemäße Folgemaßnahmen dieser benannten Stelle (Art. 9 Abs. 1 lit. d) EU-RL 2019/1937) ein. aa) Zuständige Stelle Fraglich ist zunächst, welchen Stellen de lege ferenda die Zuständigkeit für die Durchführung von Folgemaßnahmen seitens der Unternehmen auferlegt werden darf. Ausweislich des Art. 9 Abs. 1 lit. c) EU-RL 2019/1937 sollen Folgemaßnahmen durch eine unparteiische270 Person oder Abteilung durchgeführt werden. Den Unternehmen bleibt es hierbei überlassen, ob ein und dieselbe Person für die Ent270
Hierzu bereits unter Teil 3 B. II. 2. b).
C. Umgang mit Meldungen und Durchführung von Folgemaßnahmen
255
gegennahme der Meldung, den Kontaktaustausch mit dem Hinweisgeber und die Durchführung von Folgemaßnahmen zuständig sein soll. Es obliegt nach den unionsrechtlichen Vorgaben dem unternehmerischen Ermessen, ob der Meldestelle zusätzlich die Aufgabe der Durchführung von Folgemaßnahmen auferlegt wird oder zwei voneinander getrennte Stellen eingerichtet werden. Problematisch ist jedoch, ob dieser Ermessensspielraum uneingeschränkt gilt. Grundsätzlich können, wie sich aus Art. 8 Abs. 5 S. 1 EU-RL 2019/1937 ergibt, auch externe Dritte Meldekanäle bereitstellen. Fraglich ist, inwieweit diese außenstehenden Stellen (bspw. Rechtsanwälte, Unternehmensberater) auch mit der Aufgabe der Durchführung von Folgemaßnahmen betraut werden dürfen. Aufschluss hierüber geben Erwägungsgrund Nummer 54 und 56 zu der EU-Richtlinie 2019/1937. In Erwägungsgrund Nummer 54 hat der Gesetzgeber ausdrücklich darauf verwiesen, dass auch Dritte dazu erma¨ chtigt werden können, die Meldungen von Versto¨ ßen im Namen der juristischen Personen entgegenzunehmen.271 Ausführungen dazu, dass diese Personen auch Folgemaßnahmen ergreifen dürfen, werden nicht getroffen. Demgegenüber ist in Erwägungsgrund Nummer 56 eindeutig ausgeführt, dass für die Durchführung der Folgemaßnahmen eine interne Stelle bestimmt wird.272 Es können nur Personen, die dem Unternehmen angehören, gegen Verstöße vorgehen.273 Außenstehenden Dritte darf somit nicht die Zuständigkeit für die Durchführung von Folgemaßnahmen übertragen werden.274 Entsprechend dürfen auch nur solche Unternehmen beide Funktionsstellen zusammenlegen, die sich gegen eine Auslagerung des Meldekanals, mithin gegen die Beauftragung einer externen Meldestelle entscheiden. bb) Anforderungen an die Folgemaßnahmen Das Verfahren für Folgemaßnahmen, zu dessen Einrichtung die Unternehmen verpflichtet werden müssen (Art. 8 Abs. 1 EU-RL 2019/1937), schließt gemäß Art. 9 Abs. 1 lit. d) EU-RL 2019/1937 ordnungsgemäße Folgemaßnahmen der nach Art. 9 Abs. 1 lit. c) EU-RL 2019/1937 benannten Person oder Abteilung ein. „Folgemaßnahmen“ werden in Art. 5 Nr. 12 EU-RL 2019/1937 dahingehend definiert, dass es sich um Maßnahmen zur Pru¨ fung der Stichhaltigkeit der in der Meldung erhobenen Behauptungen und gegebenenfalls zum Vorgehen gegen den gemeldeten Verstoß handelt. Erfasst sind unter anderem interne Nachforschungen, Ermittlungen, Strafverfolgungsmaßnahmen sowie Maßnahmen zur (Wieder-)Einziehung von Mitteln 271
Erwägungsgrund (54) zur RL 2019/1937, Amtsblatt der Europäischen Union, L 305/26. „Welche Personen oder Abteilungen innerhalb einer juristischen Person des privaten Sektors am besten geeignet sind, […] Folgemaßnahmen zu ergreifen, ha¨ ngt von der Struktur des Unternehmens ab […].“, vgl. Erwägungsgrund (56) zur RL 2019/1937, Amtsblatt der Europäischen Union, L 305/26. 273 EuArbR/Fest, EU-RL 2019/366, Art. 9 Rn. 16. 274 So auch EuArbR/Fest, EU-RL 2019/366, Art. 9 Rn. 16; a. A. Dilling, CCZ 2020, 132, 137. 272
256
Teil 3: Implementierung unternehmensinterner Meldesysteme
und auch der Abschluss des Verfahrens. Eine ähnliche Auflistung findet sich in Erwägungsgrund Nummer 57. Mögliche Folgemaßnahmen sind beispielsweise der Verweis auf andere Kana¨ le oder Verfahren bei Meldungen, die ausschließlich die individuellen Rechte des Hinweisgebers betreffen, der Abschluss des Verfahrens aufgrund mangelnder Beweise oder anderer Gru¨ nde, die Einleitung interner Nachforschungen oder die Befassung einer zusta¨ ndigen Beho¨ rde zwecks weiterer Untersuchung.275 Beurteilungsspielraum über die Frage des „Ob“ der Einleitung von Folgemaßnahmen erkennt die Richtlinie nicht an.276 Dies ergibt sich bereits aus den Vorgaben des Art. 8 Abs. 1 i. V. m. Art. 9 Abs. 1 lit. d) EU-RL 2019/1937. Danach schließen die einzurichtenden Verfahren nach Art. 8 Abs. 1 EU-RL 2019/1937 ordnungsgemäße Folgemaßnahmen ein. Anhaltspunkte für einen etwaigen Spielraum hinsichtlich des „Ob“ der Einleitung der Folgemaßnahmen ergeben sich aus dem Wortlaut nicht. Für dieses Verständnis spricht auch Art. 9 Abs. 1 lit. f) EU-RL 2019/1937. Danach muss jeder Hinweisgeber durch die internen Stellen über die „geplanten oder bereits ergriffenen“ Folgemaßnahmen (Art. 5 Nr. 13 EU-RL 2019/1937) anlässlich seiner Meldung informiert werden. Auch der Vergleich zu Art. 6 Abs. 2 EU-RL 2019/1937 kann dafür angeführt werden, dass den Unternehmen nach den Vorgaben der Whistleblowing-Richtlinie kein Spielraum hinsichtlich der Weiterverfolgung eingehender vertraulicher Meldungen zugestanden wird. Nach Art. 6 Abs. 2 EU-RL 2019/1937 dürfen die Mitgliedstaaten Unternehmen zur Entgegennahme und (uneingeschränkten) Weiterverfolgung anonymer Meldungen, mithin zur Einleitung von Folgemaßnahmen anlässlich dieser277, verpflichten.278 Unter Berücksichtigung dessen wäre es widersprüchlich, wenn der europäische Gesetzgeber bezüglich der Frage des „Ob“ der Weiterverfolgung bloß vertraulicher Meldungen – dem „Regelfall“ der EU-Richtlinie 2019/1937 – Beurteilungsspielraum anerkennen würde. Die internen Meldesysteme würden zudem ihre zentrale Funktion der Verbesserung der Rechtsdurchsetzung verlieren, wenn sich an eingehende Meldungen keine weiteren Maßnahmen anschließen würden.279 Es würde somit das Ziel der Richtlinie gefährdet, wenn den zuständigen Stellen Spielraum hinsichtlich der Frage des „Ob“ der Folgemaßnahmen zugesprochen würde. Daraus folgt, dass de lege ferenda verpflichtend vorgesehen werden muss, dass jede eingehende Meldung durch die zuständigen internen Stellen weiterverfolgt werden muss. Ihnen darf kein Ermessensspielraum eingeräumt werden.
275
Erwägungsgrund (57) zur RL 2019/1937, Amtsblatt der Europäischen Union, L 305/26. Im Ergebnis auch Colneric/Gerdemann, 40. 277 „[…] sollten die Mitgliedstaaten entscheiden können, ob juristische Personen […] verpflichtet sind, anonyme Meldungen von Verstößen […] entgegenzunehmen und Folgemaßnahmen zu ergreifen.“, vgl. Erwägungsgrund (34) zur RL 2019/1937, Amtsblatt der Europäischen Union, L 305/23. 278 Hierzu unter Teil 3 C. II. 4. 279 Ähnlich auch Garden/Hiéramente, BB 2019, 963, 968. 276
C. Umgang mit Meldungen und Durchführung von Folgemaßnahmen
257
Diese Verpflichtung erstreckt sich ausweislich der Legaldefinition der Folgemaßnahme auf zwei Stadien: Zunächst muss die Stelle die Stichhaltigkeit der Meldung überprüfen (bspw. durch Ermittlungen, interne Nachforschungen). Sofern sich aus diesen Ermittlungen ergibt, dass die erhobenen Vorwürfe zutreffen, sind anschließend weitere Maßnahmen zur Abstellung des Verstoßes einzuleiten.280 Demgegenüber wird den zuständigen Stellen hinsichtlich der Auswahl der konkreten Folgemaßnahme Spielraum zugebilligt. Wie die Untersuchungen durchgeführt und abgeschlossen werden müssen, bestimmt die Richtlinie im Einzelnen nicht.281 Eingeschränkt wird dieser Handlungsspielraum jedoch durch das Kriterium der „Ordnungsgemäßheit“. Entscheidend ist somit, wann eine Folgemaßnahme entsprechend der Richtlinienvorgaben als ordnungsgemäß anzusehen ist. Es können nur solche Maßnahmen ordnungsgemäß sein, die dazu geeignet sind, einen unternehmensinternen Verstoß abzustellen.282 Dies folgt bereits aus dem Ziel der Richtlinienbestimmungen. Der europäische Gesetzgeber geht gerade davon aus, dass Hinweise unter Inanspruchnahme der internen Meldesysteme besonders wirksam für eine Aufdeckung und Unterbindung von Verstößen gegen das Unionsrecht seien.283 Aus diesem Grund sieht die EU-Richtlinie 2019/1937 nicht nur eine Pflicht zur Einrichtung interner Meldekanäle, sondern auch ein Prüfverfahren anlässlich eingehender Meldungen vor.284 Die internen Meldesysteme würden ihren vom europäischen Gesetzgeber vorgesehenen Beitrag zur Rechtsdurchsetzung nicht leisten, wenn sie Maßnahmen einleiten dürften, die einen gemeldeten Verstoß überhaupt nicht beseitigen können bzw. dafür nicht einmal förderlich wären. Aus Erwägungsgrund Nummer 79285 ergibt sich zudem, dass die Maßnahme im Verhältnis zu Art und Schwere des erhobenen Vorwurfs in einem angemessen Verhältnis stehen muss, um als ordnungsgemäß eingestuft werden zu können.286 b) Umsetzung auf nationaler Ebene aa) Verpflichtung zur Einführung von Verfahren für Folgemaßnahmen Um sicherzustellen, dass die Unternehmen künftig die dargestellten unionsrechtlichen Vorgaben erfüllen, hat der Gesetzgeber diese zur Einrichtung von Verfahren für Folgemaßnahmen zu verpflichten. Diese Verpflichtung muss den Unter280
Ähnlich auch EuArbR/Fest, EU-RL 2019/366, Art. 9 Rn. 19. Colneric/Gerdemann, 40; ähnlich auch Garden/Hiéramente, BB 2019, 963, 968. 282 Vgl. auch Erwägungsgrund (65) zur RL 2019/1937, Amtsblatt der Europäischen Union, L 305/27; so auch EuArbR/Fest, EU-RL 2019/366, Art. 9 Rn. 20. 283 Erwägungsgrund (47) zur RL 2019/1937, Amtsblatt der Europäischen Union, L 305/25. 284 Im Ergebnis auch Garden/Hiéramente, BB 2019, 963, 968. 285 Erwägungsgrund (79) zur RL 2019/1937, Amtsblatt der Europäischen Union, L 305/29. 286 EuArbR/Fest, EU-RL 2019/366, Art. 9 Rn. 20. 281
258
Teil 3: Implementierung unternehmensinterner Meldesysteme
nehmen abverlangen, eine Stelle zu benennen, die für die Durchführung von Folgemaßnahmen zuständig ist. Zur Gewährleistung der Funktionsfähigkeit der internen Meldesysteme ist den Unternehmen in diesem Zusammenhang zudem die Pflicht aufzuerlegen, den zuständigen Stellen die notwendigen Befugnisse einzuräumen, die diese zur Durchführung der Folgemaßnahmen benötigen. Dies sieht der derzeitige Referentenentwurf ebenfalls vor, vgl. § 12 Abs. 4 HinSchG-Entwurf. Die Entscheidung darüber, ob die Folgemaßnahmen durch die Meldestelle oder eine eigenständige Person oder Abteilung durchgeführt werden, muss künftig im Ermessen der Unternehmen liegen. Gesetzliche Vorgaben würden die unternehmerische Freiheit (Art. 12 Abs. 1 GG, Art. 16 GRCh) unverhältnismäßig beeinträchtigen. Ein zwingendes Erfordernis zweier getrennter Stellen kann, insbesondere für kleinere Unternehmen, einen erheblichen finanziellen Mehraufwand begründen. Es entspricht meist dem Interesse (kleinerer) Unternehmen, die Aufgabe durch einen „Mitarbeiter in Doppelfunktion“ zu bewältigen.287 Gleichzeitig würden einschränkende gesetzliche Vorgaben keinen Mehrwert für den effektiven WhistleblowerSchutz und die damit verbundene Förderung der Rechtsdurchsetzung bieten. Sofern das Unternehmen die Vertraulichkeit, Unabhängigkeit und Unparteilichkeit der jeweiligen Stelle gewährleistet, wird die Zielerreichung nicht gefährdet. Einschränkende Vorgaben hinsichtlich der Organisation von Hinweisgebersystemen durch den Gesetzgeber bedarf es zur Förderung des Whistleblowings gerade nicht. Entsprechend der zwingenden Vorgaben der Richtlinie darf dieses Wahlrecht den Unternehmen jedoch nicht eingeräumt werden, wenn sie eine externe Meldestelle einrichten.288 Die Durchführung der Folgemaßnahmen muss dann einer internen, gesonderten Stelle obliegen. Der nationale Gesetzgeber würde diese Vorgabe mit Erlass des aktuellen Gesetzesentwurfs fehlerhaft umsetzen. Abweichend von den vorausgegangenen Erwägungen wird den Meldestellen generell die Zuständigkeit für die Durchführung der Folgemaßnahmen auferlegt. Wie sich aus § 13 Abs. 1 i. V. m. § 14 Abs. 1 HinSchG-Entwurf ergibt, kann auch eine externe Meldestelle für die Durchführung von Folgemaßnahmen zuständig sein. Damit wurde ein unzulässiger Widerspruch zu den unionsrechtlichen Bestimmungen geschaffen. Es muss daher eine Zuständigkeitsregelung erlassen werden, aus der sich eindeutig ergibt, dass die Durchführung der Folgemaßnahmen nur durch interne Stellen erfolgen darf. Der Gesetzgeber hat die nachstehende Regelung in das künftige Hinweisgeberschutzgesetz aufzunehmen: Beschäftigungsgeber haben eine neutrale und unabhängige interne Person oder Abteilung zu benennen, die für die Durchführung der Folgemaßnahmen zuständig ist. Wird der Meldekanal durch eine interne Meldestelle betrieben, kann dieser die Zuständigkeit für die Durchführung von Folgemaßnahmen übertragen werden. 287 288
Erwägungsgrund (56) zur RL 2019/1937, Amtsblatt der Europäischen Union, L 305/26. Vgl. hierzu unter Teil 3 B. II. 2.
C. Umgang mit Meldungen und Durchführung von Folgemaßnahmen
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Darüber hinaus muss der Gesetzgeber, um seiner Umsetzungspflicht nach Art. 8 Abs. 1 i. V. m. Art. 9 Abs. 1 lit. d) EU-RL 2019/1937 gerecht zu werden, normieren, dass die von den Unternehmen benannten Stellen anlässlich jeder Meldung Folgemaßnahmen einleiten müssen.289 Es darf den zuständigen Stellen kein Spielraum über das „Ob“ der Einleitung der Folgemaßnahmen eingeräumt werden. Hinsichtlich der Wahl der konkreten Mittel ist an dem unionsrechtlich vorgesehenen Beurteilungsspielraum grundsätzlich festzuhalten. Strengere, die Entscheidungsfreiheit weiter einschränkende Vorgaben sind zur Erreichung des Richtlinienziels – der Durchsetzung des Rechts – weder erforderlich noch förderlich. Es sind jedoch, entsprechend der Bestimmungen der EU-Richtlinie, nur solche Maßnahmen als zulässig einzustufen, die zur Beseitigung eines Verstoßes geeignet und angemessen sind. Diese Vorgaben sind zusätzlich durch das Kriterium der Erforderlichkeit zu ergänzen. Dies gebietet der Schutz der vom Hinweisgeber verdächtigten Person. Stehen der zuständigen Stelle mehrere geeignete Folgemaßnahmen zur Aufklärung bzw. Beseitigung eines Verstoßes zur Verfügung, hat sie die Folgemaßnahme zu wählen, die die Interessen der betroffenen Person am geringsten beeinträchtigt. Die Wahl der Folgemaßnahme muss de lege ferenda somit dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz genügen. Zusätzliche Grenzen der rechtlichen Zulässigkeit möglicher Folgemaßnahmen werden sich künftig auch aus bestehenden allgemeinen nationalen Rechtsvorschriften verschiedener Rechtsgebiete290 ergeben. Folgemaßnahmen werden künftig einen Bezug zu einer Vielzahl anderer rechtlicher Bereiche aufweisen, die die zuständigen Stellen bei der Durchführung der Folgemaßnahmen ebenfalls zu berücksichtigen haben.291 Von der Einhaltung dieser rechtlichen Grenzen werden sie durch die Umsetzung der EU-Richtlinie 2019/1937 nicht entbunden. Die in dem derzeitigen Entwurf des Hinweisgeberschutzgesetzes enthaltenen Bestimmungen entsprechen diesen Erwägungen zumindest teilweise. Gemäß § 17 Abs. 1 Nr. 5 HinSchG-Entwurf müssen angemessene Folgemaßnahmen ergriffen werden. Folgemaßnahmen sind die von einer internen Meldestelle ergriffenen Maßnahmen zur Prüfung der Stichhaltigkeit einer Meldung, zum weiteren Vorgehen gegen den gemeldeten Verstoß oder zum Abschluss des Verfahrens, vgl. § 3 Abs. 7 HinSchG-Entwurf. In § 18 HinSchG-Entwurf ist ein nicht abschließender Katalog möglicher Folgemaßnahmen aufgenommen. Eine ausdrückliche Einschränkung dahingehend, dass die Maßnahmen verhältnismäßig sein müssen, sehen die Vorgaben des Gesetzesentwurfs jedoch nicht vor. Der Gesetzgeber muss unter Berücksichtigung der vorausgegangenen Erwägungen normieren: (1) Nach Eingang der Meldung muss die zuständige Stelle […] verhältnismäßige Folgemaßnahmen durchführen. 289 290
1852 f. 291
Ähnlich auch EuArbR/Fest, EU-RL 2019/366, Art. 9 Rn. 21. Garden/Hiéramente, BB 2019, 963, 968; ähnlich Aszmons/Herse, DB 2019, 1849, Garden/Hiéramente, BB 2019, 963, 968.
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Teil 3: Implementierung unternehmensinterner Meldesysteme
(2) Folgemaßnahmen im Sinne des Absatzes 1 sind Maßnahmen zur Überprüfung der Stichhaltigkeit der eingehenden Meldungen, zur Beseitigung eines Verstoßes im Sinne des § 3 oder zum Abschluss des Verfahrens. Folgemaßnahmen können insbesondere sein a) interne Nachforschungen und Ermittlungen, b) die Kontaktaufnahme mit betroffenen Personen und Arbeitseinheiten, c) die Information zuständiger staatlicher Stellen oder die Übergabe des Verfahrens an diese zwecks weiterer Untersuchungen, d) rechtliche und tatsächliche Maßnahmen zur Beseitigung des Verstoßes und e) der Abschluss des Verfahrens aufgrund mangelnder Beweise oder anderer Gru¨ nde.
bb) Datenschutzrechtliche Anpassungen Die Pflicht zur Durchführung von Folgemaßnahmen weist ebenfalls einen Bezug zu den Vorgaben der Datenschutz-Grundverordnung auf. Fraglich ist, ob die in der Verordnung vorgesehene Informationspflicht nach Art. 14 DS-GVO gegenüber der verdächtigten Person und das Auskunftsrecht des Hinweisgebers nach Art. 15 DSGVO den Erfolg der eingeleiteten Maßnahmen gefährden können. Sofern dies der Fall ist und das Datenschutzrecht keine hinreichende Konfliktlösung bietet, muss der nationale Gesetzgeber bei Bestehen einer entsprechenden Regelungsbefugnis mögliche Widersprüche zwischen dem Umsetzungsakt zu der EU-Richtlinie 2019/ 1937 und der Datenschutz-Grundverordnung beseitigen. Er muss ausweislich Art. 8 Abs. 1, 9 Abs. 1 lit. d) EU-RL 2019/1937 sicherstellen, dass Unternehmen interne Meldesysteme einrichten und in diesem Rahmen ordnungsgemäße Folgemaßnahmen durchführen (können). Der nationale Gesetzgeber hat de lege ferenda eine solche Rechtslage zu schaffen, die es den zuständigen Stellen ermöglicht, erfolgreich Folgemaßnahmen zur Aufklärung und Beseitigung der Verstöße (vgl. Art. 5 Nr. 12 EU-RL 2019/1937) zu ergreifen und zum Abschluss zu bringen. Nur so kann den Richtlinienvorgaben zur vollen praktischen Wirksamkeit verholfen werden („effet utile“). (1) Informationspflicht gegenüber der verdächtigten Person (a) Konflikt zwischen Folgemaßnahme und Informationspflicht Wie bereits ausgeführt, muss die verantwortliche Stelle die verdächtigte Person nach Art. 14 DS-GVO über die Datenverarbeitung informieren. Gemäß Art. 14 Abs. 3 lit. a) DS-GVO muss, unter Berücksichtigung der spezifischen Umstände der Datenverarbeitung, die Information innerhalb einer angemessenen Frist nach Erlangung der personenbezogenen Daten erteilt werden, längstens jedoch innerhalb eines Monats.
C. Umgang mit Meldungen und Durchführung von Folgemaßnahmen
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Die Pflicht zur Information der verdächtigten Person bereits nach einem Monat kann unter Umständen die effektive Durchführung von Folgemaßnahmen gefährden. Ihre Durchführung dauert in der Regel, abhängig von Inhalt, Bedeutung und Komplexität des Vorwurfes, weit über einen Monat.292 Die verantwortliche Stelle wäre somit grundsätzlich dazu verpflichtet, während der andauernden Ermittlungen den Verdächtigten umfassend über die Verarbeitung seiner Daten und damit im Ergebnis insbesondere auch über den gegen ihn gerichteten Vorwurf (vgl. insbesondere Art. 14 Abs. 1 lit. c) DS-GVO) zu informieren. Insbesondere wenn dieser Vorwurf der Wahrheit entspricht, besteht die berechtigte Sorge, dass der Verdächtigte, sobald er von den Ermittlungen Kenntnis erlangt, versucht, die Aufdeckung des tatsächlichen Sachverhalts (Folgemaßnahmen) zu vereiteln, um sich nachteiligen Konsequenzen zu entziehen.293 Die zuständige Stelle wird daher oftmals darauf angewiesen sein, ihrer Pflicht zur Information zumindest verzögert nachkommen zu dürfen. Bei einer uneingeschränkten Anwendung des Art. 14 DS-GVO ist dies jedoch nicht möglich. Ein Interesse an der (zeitweiligen) Geheimhaltung wird im Rahmen der Fristbestimmung nicht berücksichtigt.294 Die Anwendung des Art. 14 DS-GVO birgt somit das Risiko, dass der Erfolg der Folgemaßnahmen und damit im Ergebnis das Ziel der EU-Richtlinie 2019/1937 – die Durchsetzung des Unionsrechts – im Einzelfall nicht erreicht würde. Entscheidend ist somit, ob andere Regelungen der Datenschutz-Grundverordnung oder des Bundesdatenschutzgesetzes eine Lösung für diese Problematik bieten. Ist dies nicht der Fall, muss der nationale Gesetzgeber im Rahmen des Zulässigen eine Anpassung des Datenschutzrechts vornehmen. (b) Zeitlicher Aufschub der Informationspflicht (aa) Ausnahme nach Art. 14 Abs. 5 lit. b) DS-GVO Die Pflicht zur Information könnte nach Art. 14 Abs. 5 lit. b) Alt. 3 DS-GVO ausgeschlossen sein, weil sie die Verwirklichung der Ziele der Datenverarbeitung voraussichtlich unmöglich macht oder ernsthaft beeinträchtigt. Um einen Ausschluss der Information begründen zu können, muss ein Geheimhaltungsbedürfnis, beruhend auf dem Zweck der Verarbeitung, bestehen, welches das Interesse der betroffenen Person an der rechtzeitigen Information überwiegt.295 Das Bedürfnis an der Geheimhaltung ergibt sich daraus, dass eine frühzeitige Information den Erfolg eingeleiteter Ermittlungsmaßnahmen vollständig vereiteln kann. Das Ziel der Datenverarbeitung – Aufklärung und Beseitigung von Verstößen – 292
Dies wurde vom europäischen Gesetzgeber ebenfalls anerkannt, vgl. hierzu unter Teil 3 C. II. 2. b). 293 Ähnlich auch Altenbach/Dierkes, CCZ 2020, 126, 128. 294 Kühling/Buchner/Bäcker, DS-GVO, Art. 14 Rn. 28. 295 Kühling/Buchner/Bäcker, DS-GVO, Art. 14 Rn. 58; Taeger/Gabel/Mester, DS-GVO, Art. 14 Rn. 24.
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Teil 3: Implementierung unternehmensinterner Meldesysteme
würde beeinträchtigt.296 So lange die verdächtigte Person noch auf die Ermittlung nachteilig einwirken kann, besteht ein Geheimhaltungsbedürfnis. Sobald sie die Aufklärung des Sachverhalts und die Beseitigung des aufgedeckten Verstoßes jedoch nicht mehr verhindern kann, entfällt auch der Grund für die Ausnahme von der Informationspflicht. In dem Zeitpunkt, in dem kein Risiko der Vereitelung der Folgemaßnahmen mehr besteht, dürfen dem Verdächtigten die Informationen auch nicht mehr vorenthalten werden. Dann überwiegt regelmäßig das Informationsinteresse der betroffenen Person.297 Die verdächtigte Person muss informiert werden, damit sie ihre gegebenenfalls bestehenden Ansprüche geltend machen, sich selbst zu den erhobenen Vorwürfen positionieren und ihr Ansehen wieder herstellen kann.298 Die Informationspflicht kann über Art. 14 Abs. 5 lit. b) DS-GVO somit im Einzelfall temporär ausgeschlossen werden. Fraglich ist, ob die Anwendung des Art. 14 Abs. 5 lit. b) DS-GVO für die Absicherung der Folgemaßnahmen im Sinne der Richtlinie ausreichend ist. Art. 14 Abs. 5 lit. b) DS-GVO ist eine allgemeine Vorschrift, die nicht speziell auf die vorliegende Konstellation ausgerichtet ist. Entsprechend sind mit ihrer Anwendung im Zusammenhang mit dem Betrieb interner Meldesysteme erhebliche Unsicherheiten verbunden. Die Beurteilung, ob im Einzelfall eine Gefährdung der Sachverhaltsaufklärung besteht, kann teilweise nur schwer getroffen werden. Nichts anderes gilt für die Frage, ob und wann diese Gefährdung weggefallen ist.299 Die damit bestehende Unsicherheit wird zusätzlich dadurch verstärkt, dass Art. 14 Abs. 5 lit. b) DS-GVO immer eine Abwägungsentscheidung im Einzelfall erfordert. Es besteht folglich die Gefahr, dass die verantwortliche Stelle im konkreten Fall eine fehlerhafte Beurteilung trifft, den Verdächtigten vorzeitig informiert und damit den Erfolg der Folgemaßnahme zu Lasten der Rechtsdurchsetzung vereitelt. Es ist daher anzunehmen, dass Art. 14 Abs. 5 lit. b) DS-GVO die (flächendeckende) Funktionsfähigkeit interner Meldesysteme unzureichend absichert.
296
Zu § 33 BDSG a. F. ähnlich Düsseldorfer Kreis, Whistleblowing-Hotlines: Firmeninterne Warnsysteme und Beschäftigtendatenschutz, S. 5. 297 So auch Altenbach/Dierkes, CCZ 2020, 126, 128 f.; Simitis/Hornung/Spiecker gen. Döhmann/Dix, DS-GVO, Art. 14, Rn. 25; Fassbach/Hülsberg, GWR 2020, 255, 256; Franzen, Working Paper, 13, 20; Grobys/Panzer-Heemeier/Mengel, Whistleblowing Rn. 10; Forgó/ Helfrich/Schneider/Schröder, Betrieblicher Datenschutz, Teil VI, Kap. 3 Rn. 67; Weidmann, DB 2019, 2393, 2397; noch zu § 33 BDSG a. F. DSK, Orientierungshilfe der Datenschutzbehörden zu Whistleblowing-Hotlines, S. 10; Düsseldorfer Kreis, Whistleblowing-Hotlines: Firmeninterne Warnsysteme und Beschäftigtendatenschutz, S. 5; Schürrle/Olbers, CCZ 2010, 178, 181; zu Ermittlungen im Allgemeinen Kühling/Buchner/Bäcker, DS-GVO, Art. 14 Rn. 59 f.; Taeger/Gabel/Mester, DS-GVO, Art. 14 Rn. 24. 298 Ähnlich auch Fassbach/Hülsberg, GWR 2020, 255, 256; Weidmann, DB 2019, 2393, 2397. 299 Altenbach/Dierkes, CCZ 2020, 126, 129.
C. Umgang mit Meldungen und Durchführung von Folgemaßnahmen
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(bb) Ausnahme nach § 33 BDSG Eine Ausnahme von der Informationspflicht könnte sich aus § 33 Abs. 1 Nr. 2 lit. a) BDSG ergeben. Danach besteht die Pflicht zur Information gemäß Art. 14 Abs. 1, 2 und 4 DS-GVO nicht, wenn die Erteilung der Information die Geltendmachung, Ausübung oder Verteidigung zivilrechtlicher Ansprüche beeinträchtigen würde oder die Verarbeitung Daten aus zivilrechtlichen Verträgen beinhaltet und der Verhütung von Schäden durch Straftaten dient, sofern nicht berechtigte Interessen der betroffenen Person an der Informationserteilung überwiegen. Nicht nur, dass auch diese Regelung eine Abwägung der Interessen der sich gegenüberstehenden Parteien im Einzelfall bedarf300, auch kann die zuständige Stelle, wegen des begrenzten Anwendungsbereichs der Regelung, sich nur in speziellen Fällen auf die Ausnahme stützen. Eine allgemeingültige und auch praxisgerechte Lösung für Auskunftsansprüche verdächtigter Personen gegenüber der verantwortlichen Meldestelle kann § 33 Abs. 1 Nr. 2 lit. a) BDSG insofern nicht bieten.301 (cc) Zwischenergebnis Die Vorgaben der Datenschutz-Grundverordnung und des Bundesdatenschutzgesetzes sehen somit keine hinreichende Lösung für den dargestellten Konflikt vor. Die Durchführung ordnungsgemäßer Folgemaßnahmen im Sinne der Richtlinie kann im Einzelfall durch die Informationspflicht nach Art. 14 DS-GVO gefährdet sein. Um diese Problematik zu beseitigen, muss der nationale Gesetzgeber, soweit ihm dies möglich ist, eine Anpassung des Datenschutzrechts durch Normierung einer speziellen Regelung vornehmen. (c) Konfliktlösung durch Anpassung der Gesetzeslage Das Recht zum Erlass einer speziellen Regelung durch den nationalen Gesetzgeber kann auf die Öffnungsklausel des Art. 23 DS-GVO302 gestützt werden.303 Vorliegend kommt eine Einschränkung des Art. 14 DS-GVO auf Grundlage des Art. 23 Abs. 1 lit. e) DS-GVO in Betracht. Danach ist eine Beschränkung der Informationspflicht zulässig, wenn diese dem Schutz sonstiger wichtiger Ziele des allgemeinen öffentlichen Interesses der Union oder eines Mitgliedstaats dient. Auch der europäische Gesetzgeber hat zu der vorliegenden Problematik ausgeführt, dass die Mitgliedstaaten erforderlichenfalls die Ausübung bestimmter Datenschutzrechte der betroffenen Person304 zur Gewährleistung der Wirksamkeit der Whistleblowing-Richtlinie einschränken müssen, soweit und solange dies notwendig 300
ErfK/Franzen, ArbR, § 33 BDSG Rn. 4; Paal/Pauly/Hennemann, BDSG, § 33 Rn. 19. So auch Thüsing/Fütterer/Jänsch, RDV 2018, 133, 137. 302 Gola/Gola, DS-GVO, Art. 23 Rn. 1; Sydow/Peuker, DS-GVO, Art. 23 Rn. 1. 303 Erwägungsgrund (84) zur RL 2019/1937, Amtsblatt der Europäischen Union, L 305/30; Dzida/Granetzny, NZA 2020, 1201, 1206; Ullrich, WiJ 2019, 52, 59. 304 Verwiesen wird auf die Möglichkeit der abweichenden Regelung über Art. 13 Abs. 3 lit. a), e), Art. 15 Abs. 1 lit. a), e), Art. 16 Abs. 4 lit. a), e) und Art. 31 Abs. 5 RL (EU) 2016/680. 301
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Teil 3: Implementierung unternehmensinterner Meldesysteme
ist, um Versuche, Folgemaßnahmen – insbesondere Untersuchungen – zu verhindern, zu unterlaufen oder zu verschleppen.305 Die Regelungen zur Durchführung von Folgemaßnahmen nach Meldungen u¨ ber Versto¨ ße gegen Rechtsvorschriften der Union dienen einem wichtigen Ziel des allgemeinen o¨ ffentlichen Interesses im Sinne von Artikel 23 Absatz 1 lit. e) DS-GVO.306 Die Maßnahmen sind für die Durchsetzung des Rechts und der Politik der Union in bestimmten Bereichen, in denen Versto¨ ße dem o¨ ffentlichen Interesse ernsthaft schaden ko¨ nnen, förderlich.307 Da sich die Ausdehnung des sachlichen Anwendungsbereichs auf nationaler Ebene de lege ferenda ebenfalls auf solche Rechtsverstöße beschränken wird, an deren Aufdeckung und Beseitigung ein (gewichtiges) öffentliches Interesse besteht, kann die Anwendung des Art. 23 Abs. 1 lit. e) DS-GVO auch für diese Bereiche begründet werden. Die Befugnis des Gesetzgebers wird nach Art. 23 Abs. 1 DS-GVO dadurch begrenzt, dass er den Wesensgehalt der Grundrechte und Grundfreiheiten achten und die Maßnahme notwendig und verhältnismäßig sein muss.308 Mit Blick auf die Garantie des unantastbaren Wesensgehalts des Schutzes der Rechte der betroffenen Person wäre es nicht vereinbar, wenn die Informationspflicht vollständig ausgeschlossen würde.309 Aus diesem Grund darf der nationale Gesetzgeber, in Übereinstimmung mit den bisherigen Erwägungen310, die Informationspflicht zur Gewährleistung der Wirksamkeit der Folgemaßnahmen lediglich temporär ausschließen. Mit Blick auf den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit ist anzunehmen, dass die Information nur so lange aufgeschoben werden darf, bis die verantwortliche Stelle aus ihrer Sicht sämtliche Möglichkeiten der Ermittlung ausgeschöpft hat und damit den Sachverhalt als umfassend aufgeklärt ansieht. Sobald dieser Umstand eintritt und daran anknüpfend sogar gegebenenfalls weitere (rechtliche) Maßnahmen gegenüber der verdächtigten Person eingeleitet werden sollen, muss diese über den Vorgang unverzüglich informiert werden. Der nationale Gesetzgeber hat daher den verantwortlichen Stellen ein spezielles Recht zur zeitlichen Verzögerung der Information einzuräumen. Wegen der dargestellten Unsicherheit bezüglich der Beurteilung, ob eine Gefahr der Vereitelung der Folgemaßnahmen besteht und wann diese wegfällt, sollte die Informationspflicht bis zum Ende der Sachverhaltsermittlungen generell ausgesetzt werden dürfen. Nach diesem Zeitpunkt ist die Information unverzüglich nachzuholen. (2) Auskunftsanspruch des Hinweisgebers Daneben ist problematisch, dass dem Hinweisgeber grundsätzlich ein datenschutzrechtlicher Auskunftsanspruch nach Art. 15 DS-GVO zusteht, da auch seine 305 306 307 308 309 310
Erwägungsgrund (84) zur RL 2019/1937, Amtsblatt der Europäischen Union, L 305/30. Erwägungsgrund (84) zur RL 2019/1937, Amtsblatt der Europäischen Union, L 305/30. Erwägungsgrund (84) zur RL 2019/1937, Amtsblatt der Europäischen Union, L 305/30. Hierzu unter Teil 3 B. II. 4. b) bb) (3) (c) (bb). So auch Kühling/Buchner/Bäcker, DS-GVO, Art. 23 Rn. 57. Hierzu unter Teil 3 C. II. 4. b) bb) (1) (b) (aa).
C. Umgang mit Meldungen und Durchführung von Folgemaßnahmen
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Daten bei dem Betrieb eines internen Meldesystems verarbeitet werden.311 Gemäß Art. 15 Abs. 1 DS-GVO hat die betroffene Person das Recht, von dem Verantwortlichen eine Bestätigung darüber zu verlangen, ob sie betreffende personenbezogene Daten verarbeitet werden und sofern dies der Fall, ein Recht auf Auskunft über diese personenbezogenen Daten und über die Informationen nach Art. 15 Abs. 1 lit. a) bis h) DS-GVO. Fraglich ist, ob ein Whistleblower gegenüber den Unternehmen gemäß Art. 15 Abs. 1 DS-GVO einen Anspruch auf Auskunft über den Stand des Verfahrens anlässlich seiner Meldung hat. Sofern dies der Fall ist, stellt sich die Frage, ob dadurch die Funktionsfähigkeit der internen Meldesysteme gefährdet werden könnte. (a) Anspruch auf Auskunft über den Stand des Verfahrens Entscheidend ist somit zunächst, ob sich die Auskunft nach Art. 15 Abs. 1 DSGVO gegenüber dem Whistleblower auch auf Angaben zu dem Stand des internen (Ermittlungs-)Verfahrens bezieht. Ein Anspruch auf Angaben über den Stand des Verfahrens könnte sich konkret aus Art. 15 Abs. 1 Hs. 2 Alt. 1 DS-GVO ergeben. Danach kann die betroffene Person Auskunft über die „sie betreffenden verarbeiteten personenbezogenen Daten“ verlangen. Die inhaltliche Reichweite der Auskunft bestimmt sich folglich danach, ob die Daten einen Personenbezug („personenbezogenen Daten“, vgl. Art. 4 Nr. 1 DS-GVO) aufweisen und ob sie verarbeitet („verarbeiteten“, vgl. Art. 4 Nr. 2 DS-GVO) wurden.312 Entscheidend ist somit, ob auch der Stand des Verfahrens als solche „verarbeiteten personenbezogenen Daten“ des Hinweisgebers angesehen werden kann. (aa) Tatbestandliche Einschränkung des Art. 15 Abs. 1 DS-GVO Fraglich ist, ob der Tatbestand des Art. 15 Abs. 1 DS-GVO bereits einschränkend auszulegen und damit ein Anspruch des Whistleblowers auf Auskunft über den Stand des Verfahrens von vornherein ausgeschlossen ist. In Literatur und Rechtsprechung besteht Uneinigkeit darüber, wie weit der Auskunftsanspruch nach Art. 15 Abs. 1 DS-GVO inhaltlich reicht. Vereinzelt wird vertreten, dass über Art. 15 Abs. 1 DS-GVO nur die Auskunft über einzelne Kategorien der Daten verlangt werden könne.313 Andere Stimmen in der Literatur und Rechtsprechung gehen wiederum davon aus, dass über Art. 15 Abs. 1 DS-GVO kein Anspruch auf Auskunft über interne Vorgänge (bspw. Vermerke, Telefon- und Gesprächsnotizen, Schriftverkehr, rechtliche Bewertungen oder Analysen) begründet werden könne.314
311
Hierzu unter Teil 3 D. I. Engeler/Quiel, NJW 2019, 2201, 2202. 313 Grau/Seidensticker, EWiR 2019, 443, 444. 314 LG Köln, Teilurteil vom 18. 3. 2019 – 26 O 25/18, ZD 2019, 313, 314; LG Köln, Urteil vom 19. 6. 2019 – 26 S 13/18, ZD 2019, 413, 414; Paal/Pauly/Paal, DS-GVO, Art. 15 Rn. 23a. 312
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Teil 3: Implementierung unternehmensinterner Meldesysteme
Art. 15 Abs. 1 DS-GVO bietet für derartige inhaltliche Einschränkungen jedoch keinen Anlass.315 Eine inhaltliche Begrenzung bezüglich der Auskunft über die verarbeiteten personenbezogenen Daten sieht Art. 15 Abs. 1 DS-GVO nicht vor. Der Begriff der „personenbezogenen Daten“ richtet sich nach der Legaldefinition des Art. 4 Nr. 1 DS-GVO. Danach handelt es sich bei solchen Daten um alle Informationen, die sich auf eine identifizierte oder identifizierbare natürliche Person beziehen. Es werden gerade „alle“ Informationen erfasst. Art. 15 Abs. 1 i. V. m. Art. 4 Nr. 1 DS-GVO sieht keine inhaltliche Einschränkung des Auskunftsbegehrens bezüglich einzelner Informationen vor.316 Auch der Zweck der Vorschrift spricht für ein weites Verständnis des Art. 15 Abs. 1 DS-GVO. Ausweislich Erwägungsgrund Nummer 63 zur DatenschutzGrundverordnung soll die betroffene Person ein Auskunftsrecht hinsichtlich der sie betreffenden personenbezogenen Daten, die erhoben worden sind, besitzen und dieses Recht wahrnehmen können, um sich der Verarbeitung bewusst zu sein und deren Rechtmäßigkeit überprüfen zu können.317 Art. 15 DS-GVO dient der Gewährleistung einer transparenten Datenverarbeitung und einer Rechtmäßigkeitskontrolle.318 Um dies zu erreichen, sind der betroffenen Person sämtliche auf sie bezogene Informationen mitzuteilen. Eine inhaltliche Einschränkung des Begriffs der „personenbezogenen Daten“ verbietet sich zudem auch, weil die Datenschutz-Grundverordnung ein weites Begriffsverständnis vorsieht.319 Wegen der „Entwicklung der Informationstechnologie mit ihren umfassenden Verarbeitungs- und Verknüpfungsmöglichkeiten gibt es keine belanglosen Daten mehr“.320 Entsprechend ist die Person auch über sämtliche sie betreffende verarbeitete personenbezogene Daten zu informieren. (bb) Anspruchsinhalt Für die Beurteilung, ob auch Angaben über den Stand des Verfahrens und die Einleitung von Folgemaßnahmen dem Hinweisgeber mitgeteilt werden müssen, ist entscheidend, wie weit der Auskunftsanspruch inhaltlich reicht. Entscheidend ist, ob die genannten Angaben „verarbeitete personenbezogene Daten“ des Whistleblowers sind. 315 Gegen eine inhaltliche Beschränkung auch OLG Köln, Urteil vom 26. 7. 2019 – 20 U 75/ 18, ZD 2019, 462, 462; Engeler/Quiel, NJW 2019, 2201, 2202; Lembke, NJW 2020, 1841, 1843; Riemer, ZD 2019, 413, 414 f.; BeckOK Datenschutzrecht/Schmidt-Wudy, Art. 15 DSGVO Rn. 52.2; Schulte/Welge, NZA 2019, 1110, 1111; wohl auch Kühling/Buchner/Bäcker, DS-GVO, Art. 15 Rn. 8. 316 So auch Riemer, ZD 2019, 413, 414 f. 317 Erwägungsgrund (63) zur VO 2016/679, Amtsblatt der Europäischen Union, L 119/12. 318 BeckOK Datenschutzrecht/Schmidt-Wudy, Art. 15 DS-GVO Rn. 2. 319 OLG Köln, Urteil vom 26. 7. 2019 – 20 U 75/18, ZD 2019, 462, 462. 320 OLG Köln, Urteil vom 26. 7. 2019 – 20 U 75/18, ZD 2019, 462, 462; ähnlich bereits BVerfG, Urteil vom 15. 12. 1983 – 1 BvR 209/83 u. a., NJW 1984, 419, 422; Lembke, NJW 2020, 1841, 1843 f.
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Der Begriff der personenbezogenen Daten ist weit gefasst.321 „Er ist nicht auf sensible oder private Informationen beschränkt, sondern umfasst potenziell alle Arten von Informationen sowohl objektiver als auch subjektiver Natur in Form von Stellungnahmen oder Beurteilungen, unter der Voraussetzung, dass es sich um Informationen ,über‘ die in Rede stehende Person handelt.“322 Die in Frage stehenden Informationen sind „über“ eine Person, wenn „die Information aufgrund ihres Inhalts, ihres Zwecks oder ihrer Auswirkungen mit einer bestimmten Person verknüpft ist“.323 Dieses weite Verständnis zeigt auch der Erwägungsgrund Nummer 63 zur Datenschutz-Grundverordnung. Der europäische Gesetzgeber hat, wenn auch zu Gesundheitsdaten, ausgeführt, dass Daten in Patientenakten, die Informationen wie beispielsweise Diagnosen, Untersuchungsergebnisse, Befunde der behandelnden ¨ rzte und Angaben zu Behandlungen oder Eingriffen enthalten, der betroffenen A Person mitgeteilt werden müssen.324 Angaben zum Stand des Verfahrens (bspw. Zwischenergebnisse, tatsächliche und rechtliche Beurteilungen, Stellungnahmen, Schlussfolgerungen) haben für die Rechtsstellung des Hinweisgebers eine grundlegende Bedeutung. Die Ermittlungsergebnisse, die rechtlichen und tatsächlichen Einschätzungen der zuständigen Stelle sowie die ergriffenen Folgemaßnahmen anlässlich der Meldung des Whistleblowers stehen in engem Bezug zu der Beurteilung seines Schutzanspruchs und seinem Recht zur Offenlegung. Diese Informationen sind wegen ihres Inhalts, ihres Zwecks und auch wegen ihrer Auswirkungen eng mit dem Hinweisgeber verknüpft. Entsprechend handelt es sich bei den Informationen zu dem Stand der internen Ermittlungen auch um personenbezogene Daten des Whistleblowers.325 Sofern diese verarbeitet werden (Art. 4 Nr. 2 DS-GVO), kann der Hinweisgeber auch über diese nach Art. 15 Abs. 1 DS-GVO Auskunft verlangen. (cc) Zwischenergebnis Dem Hinweisgeber steht damit gegenüber der verantwortlichen Stelle ein Auskunftsanspruch über den Stand des Verfahrens zu. Die Geltendmachung des Anspruchs richtet sich nach Art. 12 Abs. 2 bis Abs. 6 DS-GVO. Der Betroffene kann in dem von ihm zu stellenden Antrag entweder Auskunft über sämtliche Daten verlangen oder bei größeren Datenmengen darstellen, auf welche Angaben sich sein Begehren bezieht.326 Die zuständige Stelle muss dem Whistleblower gemäß Art. 12 Abs. 3 S. 1 DS-GVO unverzüglich, in jedem Fall aber innerhalb eines Monats nach 321 EuGH, Urteil vom 20. 12. 2017 – C-434/16 (Nowak), NJW 2018, 767, 767; so auch Lembke, NJW 2020, 1841, 1844. 322 EuGH, Urteil vom 20. 12. 2017 – C-434/16 (Nowak), NJW 2018, 767, 767 f. 323 EuGH, Urteil vom 20. 12. 2017 – C-434/16 (Nowak), NJW 2018, 767, 768. 324 Erwägungsgrund (63) zur VO 2016/679, Amtsblatt der Europäischen Union, L 119/12. 325 Zum Anspruch auf Auskunft über die Ergebnisse einer (Compliance-)Untersuchung auch Lembke, NJW 2020, 1841, 1844. 326 Kühling/Buchner/Bäcker, DS-GVO, Art. 15 Rn. 30; vgl. auch Erwägungsgrund (63) zur VO 2016/679, L 119/12.
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Eingang des Antrags, Auskunft erteilen. Eine mitzuteilende und zu begründende (Art. 12 Abs. 3 S. 3 DS-GVO) Fristverlängerung um zwei Monate ist nach Art. 12 Abs. 3 S. 2 DS-GVO nur vorgesehen, wenn dies unter Berücksichtigung der Komplexität und der Anzahl von Anträgen erforderlich ist. (b) Konflikt zwischen Folgemaßnahme und Auskunftsanspruch Mit der Anerkennung des Auskunftsanspruchs des Whistleblowers besteht zumindest in Einzelfällen das Risiko, dass die von der zuständigen Stelle eingeleiteten Folgemaßnahmen gefährdet werden könnten. Es ist unter Umständen möglich, dass der Erfolg der Maßnahmen von ihrer (vorläufigen) uneingeschränkten Geheimhaltung abhängt. Ebenso ist es denkbar, dass sich die Maßnahmen gegen den Hinweisgeber selbst richten und damit der Geheimhaltung bedürfen. Insbesondere im Rahmen der Sachverhaltsermittlung kann die zuständige Stelle ein Interesse daran haben, dass auch der Whistleblower keine Informationen über den Stand des Verfahrens erhält. Zu diesem Zeitpunkt steht die Wahrheit der von ihm erhobenen Vorwürfe noch nicht fest. Um zu gewährleisten, dass der Sachverhalt tatsächlich der Wahrheit entsprechend aufgeklärt wird, kann die zuständige Stelle darauf angewiesen sein, dass der Hinweisgeber keine Auskunft erhält. Es kann beispielsweise das Risiko bestehen, dass er die (geheim zu haltenden) Informationen zu Lasten des Erfolgs der Folgemaßnahmen an andere Personen weitergibt. Auch wäre es denkbar, dass ein Hinweisgeber die Aufklärung des Sachverhalts nach Kenntniserlangung zu Lasten der verdächtigten Person manipuliert. Insbesondere wenn der Verdacht besteht, dass er (bösgläubig) falsche Informationen intern gemeldet hat, besteht bei einer Auskunftserteilung die Gefahr, dass er die wirklichen Gegebenheiten und damit seine fehlende Schutzwürdigkeit versucht zu verdecken. Mit einem uneingeschränkten Auskunftsrecht des Whistleblowers kann im Einzelfall der Erfolg der Folgemaßnahmen vereitelt werden. Zudem entstünde ein Widerspruch zu der Pflicht zur Rückmeldung der zuständigen Stellen. Diese ist ausgeschlossen, wenn sie den Erfolg der Folgemaßnahmen konkret gefährden könnte.327 (c) Ausnahme der Auskunft nach Art. 14 Abs. 5 DS-GVO Entscheidend ist somit, ob das geltende Recht bereits Regelungen vorsieht, die den dargestellten Konflikt zwischen Auskunftsanspruch und Gewährleistung des Erfolgs der Folgemaßnahmen beseitigen können. Vorliegend kommt als Ausnahme von dem Anspruch des Hinweisgebers allein Art. 15 Abs. 4 DS-GVO in Betracht. Art. 15 Abs. 4 DS-GVO bietet jedoch eine unzureichende Lösung für die vorliegende Konfliktlage zwischen Datenschutzrecht und Umsetzung der EU-Richtlinie 2019/1937. Es muss bereits angezweifelt werden, ob Art. 15 Abs. 4 DS-GVO dem 327
Hierzu unter Teil 3 C. II. 2. b).
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Grunde nach für die vorliegende Konfliktlage überhaupt eine Lösung bieten kann. Gemäß Art. 15 Abs. 4 DS-GVO kann die Auskunft wegen der Rechte und Freiheiten anderer Personen eingeschränkt werden. Die Gewährleistung des Erfolgs der Folgemaßnahmen liegt jedoch primär im öffentlichen Interesse. Dieses Interesse wird von Art. 15 Abs. 4 DS-GVO nicht geschützt. Überdies ist die Anwendung des Art. 15 Abs. 4 DS-GVO mit erheblicher Unsicherheit verbunden, da Art. 15 Abs. 4 DS-GVO eine umfassende Güterabwägung im jeweiligen konkreten Einzelfall fordert.328 (d) Konfliktlösung durch Anpassung der Gesetzeslage Der nationale Gesetzgeber hat, um den dargestellten Risiken entgegen zu wirken und damit seiner Umsetzungspflicht hinreichend Rechnung zu tragen, auch den Auskunftsanspruch des Hinweisgebers einzuschränken. Art. 23 Abs. 1 lit. e) DSGVO bietet für eine solche nationale gesetzliche Regelung eine Grundlage. Die zu normierende Ausnahme von der Auskunft gegenüber dem Hinweisgeber würde dem Schutz wichtiger Ziele des allgemeinen öffentlichen Interesses dienen. Wie auch bereits die Informationspflicht gegenüber der verdächtigten Person darf auch der Auskunftsanspruch des Hinweisgebers, wegen der in Art. 23 Abs. 1 DS-GVO verankerten Wesensgehaltsgarantie, nicht generell ausgeschlossen werden. Da nur in Ausnahmefällen ein Auskunftsanspruch gegenüber dem Hinweisgeber den Erfolg der Folgemaßnahmen gefährden kann, darf der verantwortlichen Stelle nur das Recht eingeräumt werden, die Auskunft zu verweigern, wenn und soweit diese den Erfolg der Folgemaßnahmen vereiteln könnte. (3) Umsetzungsempfehlung Der nationale Gesetzgeber muss, um der Pflicht zur Umsetzung der EU-Richtlinie 2019/1937 ausreichend nachzukommen, die Unternehmen nicht nur zur Einleitung von Folgemaßnahmen verpflichten, sondern zusätzlich sowohl die datenschutzrechtliche Informationspflicht gegenüber der verdächtigten Person als auch den Auskunftsanspruch des Hinweisgebers einschränken. Aber auch losgelöst einer unionsrechtlichen Verpflichtung des nationalen Gesetzgebers überzeugt der Erlass spezieller datenschutzlicher Regelungen im Zusammenhang mit dem Betrieb interner Meldesysteme, um eine für die Beteiligten übersichtliche und nachvollziehbare Rechtslage zu schaffen. Diese Problematik wird in dem derzeitigen Entwurf zur Umsetzung der EURichtlinie 2019/1937 nicht berücksichtigt. Aus dargestellten Gründen müssen die folgenden speziellen datenschutzrechtlichen Regelungen in den Gesetzestext aufgenommen werden: Die Informationspflicht nach Art. 14 DS-GVO besteht gegenüber der Person, deren personenbezogene Daten Gegenstand der Meldung sind, bis zum Abschluss der Aufklärung des Sachverhalts nicht. Anschließend ist die Information unverzüglich nachzuholen. 328
Gola/Franck, DS-GVO, Art. 15 Rn. 34.
270
Teil 3: Implementierung unternehmensinterner Meldesysteme
Ein Anspruch des Hinweisgebers auf Auskunft nach Art. 15 DS-GVO besteht nicht, wenn und soweit sie den Erfolg der Folgemaßnahmen gefährden würde. Mit Wegfall dieser Voraussetzungen ist die Auskunft auf Verlangen des Hinweisgebers unverzüglich zu erteilen.
4. Verpflichtung zur Entgegennahme und Weiterverfolgung anonymer Meldungen Auch wenn Unternehmen de lege ferenda nicht zur Einrichtung anonymer Meldekanäle verpflichtet werden329, bedeutet dies nicht, dass jede anonyme Meldung ausgeschlossen ist. Vielmehr können Hinweisgeber von sich aus, unter dem Deckmantel der Anonymität, an die Meldestelle herantreten. Fraglich ist, ob in diesem Fall die Meldung entgegengenommen und, wie bei einer vertraulichen Meldung, auch Folgemaßnahmen eingeleitet werden müssen. a) Vorgaben der EU-Richtlinie 2019/1937 In der EU-Richtlinie 2019/1937 sind dazu keine verpflichtenden Vorgaben getroffen worden. In Art. 6 Abs. 2 EU-RL 2019/1937 ist allein vorgesehen, dass die Mitgliedstaaten entscheiden können, ob die juristischen Personen und zuständigen Behörden zur Entgegennahme und Weiterverfolgung anonymer Meldungen von Verstößen verpflichtet werden sollen. Entsprechend sieht Art. 9 Abs. 1 lit. e) EU-RL 2019/1937 vor, dass in diesem Fall ebenfalls ordnungsgemäße Folgemaßnahmen eingeleitet werden müssen.330 Art. 6 Abs. 2 EU-RL 2019/1937 bestimmt somit ein „Alles-oder-Nichts-Prinzip“: Entweder erlässt der Mitgliedstaat gar keine Verpflichtung hinsichtlich anonymer Meldungen oder er sieht vor, dass anonyme Meldungen entgegengenommen und anschließend weiterverfolgt, mithin ordnungsgemäße Folgemaßnahmen im dargestellten Sinn ergriffen331 werden müssen.332 b) Umsetzung auf nationaler Ebene Es ist somit zu erörtern, ob der nationale Gesetzgeber in Umsetzung des unionsrechtlichen Umsetzungsspielraums (Art. 6 Abs. 2 EU-RL 2019/1937) die Un-
329
Hierzu unter Teil 3 B. II. 4. b) bb). Vgl. hierzu auch Erwägungsgrund (34) zur RL 2019/1937, Amtsblatt der Europäischen Union, L 305/23. 331 Vgl. auch Erwägungsgrund (34) zur RL 2019/1937, Amtsblatt der Europäischen Union, L 305/23. 332 EuArbR/Fest, EU-RL 2019/366, Art. 9 Rn. 22. 330
C. Umgang mit Meldungen und Durchführung von Folgemaßnahmen
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ternehmen zur Entgegennahme333 und Weiterverfolgung anonymer Meldungen verpflichten darf und auch sollte. aa) Verfassungsrechtliche Vorgaben Problematisch ist, ob eine Verpflichtung gegenüber den Unternehmen zur Entgegennahme und Weiterverfolgung anonymer Meldungen mit Art. 12 Abs. 1 GG, Art. 16 GRCh vereinbar wäre. Die Entscheidung, ob eine anonyme Meldung bearbeitet und dem Vorwurf nachgegangen wird, wird von der grundrechtlich geschützten unternehmerischen Freiheit erfasst. Die dargestellte gesetzliche Verpflichtung würde diese Unternehmensentscheidung generell vorwegnehmen und damit einen Eingriff in Art. 12 Abs. 1 GG, Art. 16 GRCh begründen. Diese Einschränkung wäre jedoch wegen der damit verbundenen Förderung der Rechtsdurchsetzung im Interesse der Allgemeinheit gerechtfertigt. Der Verhältnismäßigkeit der in Frage stehenden Grundrechtsbeeinträchtigung steht insbesondere nicht entgegen, dass Hinweisgebern de lege ferenda neben internen auch externe Meldekanäle, zumindest unter Gewährleistung der Vertraulichkeit334, zur Verfügung stehen, an die sie sich mit ihren Informationen über unternehmensinterne Verstöße wenden könnten, wenn ihrer Meldung nicht nachgegangen wird. Zum einen besteht, wie bereits ausgeführt, in diesem Fall die Gefahr, dass der Hinweisgeber auf eine zusätzliche externe Meldung verzichtet. Zum anderen gebietet eine erfolgreiche Rechtsdurchsetzung meist eine zeitnahe und wirksame Bearbeitung der Hinweise, welche interne Stellen besonders wirksam und effektiv leisten können335. Ein zusätzliches Abwarten, bis der Hinweisgeber an die, für ihn meist unliebsameren336, externen Meldestellen herantritt, könnte den Erfolg der Rechtsdurchsetzung gefährden. Der Verzicht auf eine gesetzliche Verpflichtung zur Entgegennahme und Weiterverfolgung anonymer Meldungen und der Verweis auf die Möglichkeit zur externen Meldung würde zwar in jedem Fall die unternehmerische Freiheit geringer beeinträchtigen, wäre jedoch für die Zielerreichung nicht gleichermaßen geeignet. Auch im Übrigen bestehen an der Verhältnismäßigkeit einer solchen gesetzlichen Verpflichtung keine Bedenken. Zwar würden den Unternehmen de lege ferenda die freie Entscheidung über das „Ob“ der Entgegennahme und Bearbeitung der Meldung abgenommen. Hinsichtlich der Wahl der konkreten Folgemaßnahmen besteht jedoch ein weitreichender Spielraum, der es den zuständigen Stellen ermöglicht, der Anonymität (und ihrem Missbrauchsrisiko) hinrei333 „Entgegennahme“ im vorliegenden Sinn meint gerade nicht die Einrichtung eines anonymen Meldekanals. Es geht ausschließlich um das Recht der zuständigen Stelle, eine anonyme Meldung (für die Anonymität hat der Hinweisgeber selbst Sorge getragen) mit Verweis auf die Anonymität abzuweisen bzw. spiegelbildlich um die Pflicht, diesen entgegenzunehmen und weiterzuverfolgen. 334 Vgl. Art. 12 Abs. 1 lit. a), Art. 16 EU-RL 2019/1937. 335 Erwägungsgrund (33) zur RL 2019/1937, Amtsblatt der Europäischen Union, L 305/23. 336 Erwägungsgrund (33) zur RL 2019/1937, Amtsblatt der Europäischen Union, L 305/23.
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Teil 3: Implementierung unternehmensinterner Meldesysteme
chend Rechnung zu tragen. Die Verantwortlichen genügen de lege ferenda ihrer (nach dem Hinweisgeberschutzgesetz sanktionslosen) Verpflichtung zur Einleitung von Folgemaßnahmen auch dann, wenn sie zunächst Maßnahmen zur Überprüfung des Wahrheitsgehalts durchführen oder sogar das gesamte Verfahren einstellen, weil sich die Vorwürfe nicht bewahrheiten oder, bedingt durch die Anonymität des Whistleblowers, nicht weiter aufklären lassen.337 Vor diesem Hintergrund ist anzunehmen, dass eine Verpflichtung zur Weiterverfolgung anonymer Meldungen verfassungsrechtlich zulässig ist. bb) Rechtspolitische Betrachtung Fraglich ist, ob eine solche Verpflichtung auch rechtspolitisch überzeugt. Für eine derartige Verpflichtung ist anzuführen, dass auch anonyme Meldungen, ungeachtet des anzuerkennenden Missbrauchspotentials, durchaus bedeutsame Informationen über interne Missstände liefern können.338 Hinweise von anonymen Whistleblowern können im Einzelfall ebenfalls einen Beitrag zur Förderung der Rechtsdurchsetzung im Interesse der Allgemeinheit leisten. Entscheidend ist im Ergebnis allein der Wahrheitsgehalt der, wenn auch anonym, gemeldeten Informationen.339 Zwar bieten vertrauliche Meldesysteme, eingebettet in das gesetzliche Schutzkonzept, de lege ferenda einen umfassenden Schutz für Hinweisgeber, sodass diese nicht mehr auf anonyme Meldungen angewiesen sind.340 Es kann mit Umsetzung der EU-Richtlinie 2019/1937 jedoch nicht ausgeschlossen werden, dass, zumindest bis die umzusetzenden gesetzlichen Vorgaben in der Praxis „Fuß gefasst“ und die Meldesysteme bei potentiellen Hinweisgebern umfassend Vertrauen generieren konnten, weiterhin anonyme Hinweise über Verstöße bei den internen Meldestellen eingehen werden. Es wäre verfehlt, wenn die Unternehmen diese Meldungen, die sich – zumindest dem ersten Anschein nach – auf einen von dem Hinweisgeberschutzgesetz erfassten Rechtsverstoß beziehen, von vornherein vernachlässigen dürften. Verzichtet der Gesetzgeber auf eine Verpflichtung der Unternehmen zur Entgegennahme und Weiterverfolgung anonymer Meldungen, würde das Risiko begründet, dass interne Rechtsverstöße gänzlich unberücksichtigt bleiben. Gerade ein (gutgläubiger) Hinweisgeber, der sich zumindest unter dem Deckmantel der Anonymität dazu durchringen konnte, Fehlverhalten intern zu melden, wird nicht zwingend zusätzlich extern Meldung erstatten. Das mit der Umsetzung der EU-Richtlinie verfolgte Ziel der Förderung der Rechtsdurchsetzung im Interesse der Allgemeinheit könnte beeinträchtigt werden.
337
Colneric/Gerdemann, 137. So auch Hommel, CCZ 2021, 95, 96. 339 Ähnlich auch Colneric/Gerdemann, 137; Dilling, CCZ 2021, 60, 63; Hommel, CCZ 2021, 95, 96. 340 A. A. Dilling, CCZ 2021, 60, 63. 338
C. Umgang mit Meldungen und Durchführung von Folgemaßnahmen
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Zudem darf der Gesetzgeber auch nicht die Legalitätspflicht der Unternehmen unberücksichtigt lassen. Bereits die Legalitätspflicht verlangt diesen regelmäßig ab, anonymen Hinweisen, die auf ein internes Fehlverhalten hindeuten, nachzugehen.341 Vor diesem Hintergrund wäre es widersprüchlich, wenn der Gesetzgeber den Unternehmen im Anwendungsbereich des Hinweisgeberschutzgesetzes das Recht einräumen würde, anonyme Meldungen abzuweisen und keine Folgemaßnahmen einleiten zu müssen. Es bestehen auch keine datenschutzrechtlichen Bedenken342 an einer Verpflichtung der Unternehmen zur Entgegennahme und Weiterverfolgung anonymer Meldungen.343 Die in Frage stehende gesetzliche Regelung würde nicht dazu führen, dass Unternehmen potentielle Hinweisgeber de lege ferenda im Ergebnis zur Erstattung anonymer Meldungen auffordern würden. Ebenso wenig würden die internen Meldekanäle von vornherein darauf ausgelegt sein, die datenschutzrechtlichen Betroffenenrechte der verdächtigten Personen auszuschließen. Die bloße Weiterverfolgung anonymer Meldungen im Rahmen eines vertraulichen Meldesystems steht der Einrichtung eines anonymen Meldekanals nicht gleich. Eine Verpflichtung zur Entgegennahme und ordnungsgemäßen Bearbeitung anonymer Meldungen stünde nicht im systematischen Widerspruch zu Art. 5 Abs. 1 lit. a) Alt. 2, 3 DS-GVO. cc) Umsetzungsempfehlung Es ist somit zulässig und aus dargestellten Gründen auch überzeugend, die Pflicht zur Entgegennahme von Meldungen und zur Einleitung von Folgemaßnahmen auch auf eingehende anonyme Meldungen zu erstrecken.344 Die aktuelle Fassung des Entwurfs eines Hinweisgeberschutzgesetzes sieht eine solche Verpflichtung nicht vor.345 Es bedarf daher einer Ergänzung des Entwurfs des Hinweisgeberschutzgesetzes durch die folgenden Regelungen: Erstattet ein Hinweisgeber ohne Offenlegung seiner Identität eine Meldung (anonyme Meldung), ist diese ebenfalls entgegenzunehmen. Die Vorgaben dieses Gesetzes finden uneingeschränkt Anwendung. Die Pflicht zur Durchführung von verhältnismäßigen Folgemaßnahmen […] besteht auch, wenn die Meldung anonym erstattet wurde.
341
Dilling, CCZ 2021, 60, 63. Zu der Vereinbarkeit anonymer Meldekanäle mit dem Datenschutzrecht unter Teil 3 B. II. 4. b) aa) (2). 343 Zur bisherigen Rechtslage im Ergebnis auch Mahnhold, NZA 2008, 737, 740. 344 So auch Colneric/Gerdemann, 137; Dilling, CCZ 2019, 214, 218; Dilling, CCZ 2020, 132, 138; Hommel, CCZ 2021, 95, 96; Schmolke, NZG 2020, 5, 11. 345 Vgl. auch Referentenentwurf HinSchG, S. 31. 342
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Teil 3: Implementierung unternehmensinterner Meldesysteme
D. Datenschutzkonformität interner Meldesysteme Der Betrieb interner Meldesysteme steht, wie die bisherigen Ausführungen bereits gezeigt haben, in einer engen Verbindung zu datenschutzrechtlichen Regelungen. De lege lata ergaben sich aus der Datenschutz-Grundverordnung und dem Bundesdatenschutzgesetz Grenzen für den Betrieb von Hinweisgebersystemen.346 Sowohl bei einer internen als auch bei einer ausgelagerten Meldestelle mussten datenschutzrechtliche Anforderungen gewahrt werden.347 Auch die europäische Richtlinie 2019/1937 sieht in Art. 17 UAbs. 1 EU-RL 2019/ 1937 ausdrücklich vor, dass die nach dieser Richtlinie vorgenommenen Verarbei¨ bertungen personenbezogener Daten, einschließlich des Austauschs oder der U mittlung personenbezogener Daten durch die zusta¨ ndigen Beho¨ rden, im Einklang mit der EU-Verordnung 2016/679 (Datenschutz-Grundverordnung) und der EURichtlinie 2016/680 erfolgen müssen. Der nationale Gesetzgeber muss daher mit Umsetzung der Whistleblowing-Richtlinie eine datenschutzkonforme Rechtslage schaffen. Besondere Bedeutung erlangt in diesem Zusammenhang die DatenschutzGrundverordnung. Zwar handelt es sich bei dieser um eine europäische Regelung, die, wie sich aus Art. 288 Abs. 2 AEUV ergibt, jedoch auch auf nationaler Ebene angewandt werden muss.348 Aus Art. 6 Abs. 1 DS-GVO ergibt sich, dass eine Datenverarbeitung nur rechtmäßig ist, wenn eine der in diesem Artikel genannten Bedingungen erfüllt ist.349 Im Folgenden wird daher insbesondere näher erörtert, inwieweit mit dem Betrieb interner Meldesysteme Vorgänge einer Datenverarbeitung verbunden sind und ob diese auf eine Rechtsgrundlage gestützt werden können.
I. Anwendbarkeit der Datenschutz-Grundverordnung Die Vorgaben der Datenschutz-Grundverordnung müssen bei der Umsetzung der Whistleblowing-Richtlinie nur berücksichtigt werden, wenn die DatenschutzGrundverordnung überhaupt anwendbar ist. Entscheidend dafür ist insbesondere die Eröffnung des sachlichen Anwendungsbereichs der Verordnung.350 Nach Art. 2 Abs. 1 DS-GVO findet sie, sofern keine Ausnahmeregelung des zweiten Absatzes 346
Vgl. hierzu bspw. Groß/Platzer, NZA 2017, 1097, 1100 ff.; Küttner/Kania, Personalbuch 2020, Whistleblowing Rn. 17. 347 Hauschka/Moosmayer/Lösler/Buchert, Corporate Compliance, § 42 Rn. 96; Wybitul, ZD 2011, 118, 120. 348 Ströbel/Böhm/Breunig/Wybitul, CCZ 2018, 14, 14. 349 Es handelt sich um ein Verbot mit Erlaubnisvorbehalt, vgl. Grobys/Panzer-Heemeier/ Panzer-Heemeier, Datenschutz allgemein, Rn. 5, 14; Ziegenhorn/von Heckel, NVwZ 2016, 1585, 1586. 350 Daneben wird der Anwendungsbereich der Datenschutz-Grundverordnung durch den räumlichen Anwendungsbereich (Art. 3 DS-GVO) bestimmt.
D. Datenschutzkonformität interner Meldesysteme
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einschlägig ist, auf die ganz oder teilweise automatisierte Verarbeitung sowie die nichtautomatisierte Verarbeitung personenbezogener Daten, die in einem Dateisystem gespeichert sind oder gespeichert werden sollen, Anwendung. Fraglich ist somit zunächst, in welchen Situationen und wessen personenbezogene Daten im Rahmen interner Meldesysteme verarbeitet werden. 1. Begriff der Verarbeitung personenbezogener Daten Entscheidend ist hierfür, unter welchen Voraussetzungen eine Verarbeitung personenbezogener Daten angenommen werden kann. Nach der Legaldefinition des Art. 4 Nr. 1 DS-GVO sind „personenbezogene Daten“ alle Informationen, die sich auf eine identifizierte oder identifizierbare natürliche Person („betroffene Person“) beziehen. Eine Person ist als identifizierbar einzustufen, wenn sie direkt oder indirekt, insbesondere mittels Zuordnung zu einer Kennung wie einem Namen, zu einer Kennnummer, zu Standortdaten, zu einer Online-Kennung oder zu einem oder mehreren besonderen Merkmalen, die Ausdruck der physischen, physiologischen, genetischen, psychischen, wirtschaftlichen, kulturellen oder sozialen Identität dieser natürlichen Person sind, identifiziert werden kann. Die personenbezogenen Daten werden verarbeitet351, wenn sie durch einen Vorgang oder eine Vorgangsreihe, mit oder ohne Hilfe eines automatisierten Verfahrens, erhoben, erfasst, organisiert, geordnet, gespeichert, angepasst, verändert, ausgelesen, abgefragt, verwendet, offengelegt durch eine Übermittlung, Vermietung oder andere Form der Bereitstellung, abgeglichen, verknüpft, eingeschränkt, gelöscht oder vernichtet werden (Art. 4 Nr. 2 DS-GVO). Die Aufzählung der einzelnen Verarbeitungsvorgänge ist beispielhafter Natur.352 Im Ergebnis ist jeder Umgang mit personenbezogenen Daten, von der Erhebung bis zur Löschung, erfasst.353 Eine Differenzierung zwischen den einzelnen Verarbeitungsvorgängen ist jedoch von Bedeutung, da jeder Vorgang die Voraussetzungen der Rechtmäßigkeit erfüllen muss.354 2. Datenverarbeitungsvorgänge beim Betrieb interner Meldesysteme Mit dem Betrieb eines internen Meldesystems gehen Vorgänge der Datenverarbeitung hinsichtlich der Daten des Hinweisgebers und der verdächtigten Person einher.355 Daneben können, in Abhängigkeit von der Meldung des Whistleblowers, 351
Zu den Begriffen im Einzelnen Paal/Pauly/Ernst, DS-GVO, Art. 4 Rn. 20 ff. Gola/Gola, DS-GVO, Art. 4 Rn. 30. 353 Gola/Gola, DS-GVO, Art. 4 Rn. 30. 354 Vgl. Art. 6 Abs. 1 DS-GVO; vgl. auch Simitis/Hornung/Spiecker gen. Döhmann/Albrecht, DS-GVO, Einführung zu Art. 6 Rn. 1. 355 So auch Düsseldorfer Kreis, Whistleblowing-Hotlines: Firmeninterne Warnsysteme und Beschäftigtendatenschutz, S. 2; Fahrig, NZA 2010, 1223, 1223; Seffer/Mayer-Wegelin, ITRB 2009, 41, 43. 352
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Teil 3: Implementierung unternehmensinterner Meldesysteme
auch die Daten dritter Person verarbeitet werden, auch wenn diesen kein Fehlverhalten vorgeworfen wird (bspw. unverdächtige Kollegen, Lieferanten, Kunden, Organmitglieder). Ohne Bedeutung ist die (technische) Ausgestaltung des Meldesystems. Der Anwendungsbereich bezieht sich auf automatisierte Verfahren und auch auf die nichtautomatisierte Verarbeitung in einem Dateisystem.356 Insofern begründen sowohl Verarbeitungsvorgänge auf einem, vollständig oder teilweise, automatisierten Weg als auch manuelle Bearbeitungsvorgänge, sofern eine geordnete Datensammlung vorhanden ist, die Anwendung der Datenschutz-Grundverordnung.357 a) Personenbezogene Daten der Beteiligten Voraussetzung für jede Datenverarbeitung ist, dass diese sich auf personenbezogene Daten bezieht. Ein Hinweisgeber gibt bei der Meldung umfassend Informationen über sich selbst sowie über die seinerseits (vermeintlich) wahrgenommenen Missstände unter Bezugnahme der verdächtigten und gegebenenfalls dritten Personen weiter. Der Begriff der „Informationen“ im Sinne des Art. 4 Abs. 1 DS-GVO ist weit zu verstehen und erfasst neben persönlichen358 auch sachliche359 Angaben.360 Sofern der Hinweisgeber durch die namentliche Nennung einen eindeutigen Personenbezug herstellt oder jedenfalls aus den Angaben die Identität ermittelt werden kann, sind die Informationen auch personenbezogen.361 Für das Vorliegen personenbezogener Daten ist bereits ausreichend, wenn die Person aus den Gesamtumständen identifiziert werden kann. Vor diesem Hintergrund werden regelmäßig nicht nur die Daten des Hinweisgebers, sondern auch die der verdächtigten Person verarbeitet.362 Beziehen sich die Angaben auch auf dritte Personen, denen selbst kein Vorwurf zur Last fällt, werden auch ihre Daten verarbeitet. Es ist für die Anwendbarkeit der Verordnung somit ohne Belang, ob der Whistleblower seinen Namen, den Namen des Verdächtigten und den des Dritten ausdrücklich nennt oder nur durch den Inhalt der Meldung ein entsprechender Schluss auf die Personen gezogen werden kann.
356
Hierzu umfassend BeckOK Datenschutzrecht/Bäcker, Art. 2 DS-GVO Rn. 1 ff. BeckOK Datenschutzrecht/Bäcker, Art. 2 DS-GVO Rn. 2 ff.; Ehmann/Selmayr/Zerdick, DS-GVO, Art. 2 Rn. 3. 358 Hierzu gehören Identifikationsmerkmale (Name, Anschrift, etc.), äußere Merkmale (Geschlecht, Augenfarbe, etc.) und innere Zustände (Meinungen, Motive, etc.). 359 Hierzu gehören alle Beziehungen der betroffenen Person zu Dritten oder ihrer Umwelt. 360 OLG Köln, Urteil vom 26. 7. 2019 – 20 U 75/18, Rn. 304 auf juris.de; Kühling/Buchner/ Klar/Kühling, DS-GVO, Art. 4 Nr. 1 Rn. 8. 361 Gola/Gola, DS-GVO, Art. 4 Rn. 4 f. 362 Groß/Platzer, NZA 2017, 1097, 1101; Reufels/Deviard, CCZ 2009, 201, 206; Wisskirchen/Körber/Bissels, BB 2006, 1567, 1568. 357
D. Datenschutzkonformität interner Meldesysteme
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Besonderheiten ergeben sich im Fall einer anonymen Meldung. In Erwägungsgrund Nummer 26 zur Datenschutz-Grundverordnung wird klargestellt, dass der Datenschutz nicht für anonyme Daten gelten soll, also all solche Daten, die sich nicht auf eine identifizierte oder identifizierbare natürliche Person beziehen oder personenbezogene Daten, die in einer Weise anonymisiert worden sind, dass die betroffene Person nicht oder nicht mehr identifiziert werden kann.363 Anonyme Daten sind gerade das Gegenteil von personenbezogenen Daten.364 Eine Anwendung der Datenschutz-Grundverordnung gegenüber dem Hinweisgeber kommt im Fall einer anonymen Meldung damit grundsätzlich nicht in Betracht. Sobald jedoch aus den von ihm mitgeteilten Informationen oder aus den Umständen der Meldung, sei es auch nur durch Einsatz weiterer (technologischer) Mittel365, ein Rückschluss auf seine Identität möglich ist, handelt es sich um personenbezogene Daten. Entsprechend findet die Datenschutz-Grundverordnung dann auch Anwendung. Einer anderen Beurteilung bedarf es jedoch, wenn die Daten der Person nach Eingang der Meldung erst durch Anonymisierung unkenntlich gemacht werden. Auch wenn eine Anonymisierung den Personenbezug endgültig beseitigt366, handelt es sich bei dem Prozess selbst um eine Verarbeitung, da zu diesem Zeitpunkt noch personenbezogene Daten vorliegen.367 b) Einzelne Verarbeitungsvorgänge beim Betrieb interner Meldesysteme aa) Erste Erhebung der Daten Problemtisch ist, ob bei dem Betrieb von Meldekanälen Daten durch die zuständige (unternehmensinterne oder externe) Stelle erhoben werden. Dies erscheint insofern fraglich, als dass ein Hinweisgeber sich mit seiner Meldung aktiv an die zuständige Meldestelle wendet. Bei einer Datenerhebung werden Daten gerade zielgerichtet, im Sinne eines aktiven Tuns des Verantwortlichen, beschafft.368 Es bedarf eines vom Willen des Verantwortlichen getragenen Verhaltens, welches auf die Erlangung der personenbezogenen Daten gerichtet ist; das „Aufzwingen“ von Daten genügt für eine Datenerhebung nicht.369
363
Erwägungsgrund (26) zur VO 2016/679, Amtsblatt der Europäischen Union, L 119/5. So auch Taeger/Gabel/Arning/Rothkegel, DS-GVO, Art. 4 Rn. 47; Kühling/Buchner/ Klar/Kühling, DS-GVO, Art. 4 Nr. 1 Rn. 31. 365 Paal/Pauly/Ernst, DS-GVO, Art. 4 Rn. 10 f.; hierzu auch Spindler/Schuster/Spindler/ Dalby, 3. Teil Art. 4 DS-GVO Rn. 7 ff. 366 Simitis/Hornung/Spiecker gen. Döhmann/Hansen, DS-GVO, Art. 4 Nr. 5 Rn. 23. 367 Hierzu umfassend Hornung/Wagner, ZD 2020, 223, 223 ff. 368 Taeger/Gabel/Arning/Rothkegel, DS-GVO, Art. 4 Rn. 72; Kühling/Buchner/Herbst, DS-GVO, Art. 4 Nr. 2 Rn. 21. 369 Taeger/Gabel/Arning/Rothkegel, DS-GVO, Art. 4 Rn. 72. 364
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Teil 3: Implementierung unternehmensinterner Meldesysteme
Bei internen Meldekanälen kann bereits in ihrer Einrichtung und Inbetriebnahme zumindest eine konkludente370 Aufforderung durch das Unternehmen gegenüber potentiellen Hinweisgebern zur Inanspruchnahme des internen Meldewegs und damit der für die Datenerhebung erforderliche aktive Beitrag371 gesehen werden.372 Ein Unternehmen implementiert die Meldestelle regelmäßig mit dem Ziel, dass potentielle Whistleblower auf diesem Weg Missstände melden. Bereits mit erstmaliger Kontaktaufnahme des Hinweisgebers gegenüber dem Meldesystem, unter Mitteilung unternehmensinterner Vorkommnisse, geht damit regelmäßig eine Datenverarbeitung373 in Form der Datenerhebung einher. Auch nach Umsetzung der Whistleblowing-Richtlinie wird dies für den Fall gelten, dass Unternehmen zur Einrichtung und zur anschließenden Bearbeitung der eingegangenen Meldungen verpflichtet werden. Dies ergibt sich daraus, dass Hinweisgeber de lege ferenda auch direkt extern Missstände melden dürfen. Unternehmen wird daher auch künftig an der Inanspruchnahme ihres Hinweisgebersystems gelegen sein. Auch bei einer pflichtigen Einrichtung des Meldesystems werden Unternehmen regelmäßig zum Ausdruck bringen, dass sie Hinweise potentieller Whistleblower zur Aufdeckung und Beseitigung von unternehmensinternen Verstößen entgegennehmen möchten. Es werden somit grundsätzlich Daten von dem Whistleblower, von der verdächtigten Person und im Einzelfall auch solche von dritten Personen erhoben. bb) Weiterverarbeitung, Speicherung und Löschung der Daten Da eingehende Meldungen künftig nach Art. 18 EU-RL 2019/1937 dokumentiert und anschließend für eine gewisse Dauer aufbewahrt werden müssen, werden die Daten des Hinweisgebers, der verdächtigten Person und des Dritten auch gespeichert. Daten werden gespeichert, wenn sie zielgerichtet aufbewahrt werden.374 Dasselbe wird künftig für die Daten gelten, die im weiteren Verlauf der Folgemaßnahmen erhoben werden. Auch sie werden häufig gespeichert. 370
Eine verpflichtende Aufforderung zur (vorrangigen) Inanspruchnahme des internen Meldekanals wird künftig im Anwendungsbereich der Richtlinie nicht mehr möglich sein, vgl. hierzu unter Teil 2 B II. 3. b) bb) (2) (a) (bb) und Teil 2 C. II. 3. 371 So auch Franzen, Working Paper, 13, 18; vgl. auch Kühling/Buchner/Herbst, DS-GVO, Art. 4 Nr. 2 Rn. 21: Ausreichend sei, dass ein Kontaktformular zur Verfügung gestellt wird, mit dem der Verantwortliche dem Empfänger signalisiert, dass er Daten zu einem bestimmten Zweck entgegennimmt; Taeger/Gabel/Arning/Rothkegel, DS-GVO, Art. 4 Rn. 72: Das Zusenden ohne oder gegen den Willen der verantwortlichen Stelle genügt für eine Erhebung ebenso wenig wie das bloße Zurverfügungstellen von Kontaktdaten auf der Internetseite und Aufforderung zur Zusendung von Daten. 372 Ähnlich auch Franzen, Working Paper, 13, 18; zum BDSG a. F. bereits Schemmel/ Ruhmannseder/Witzigmann, Hinweisgebersysteme, Kapitel 6 Rn. 91; Steigert, 49. 373 Groß/Platzer, NZA 2017, 1097, 1101; Reufels/Deviard, CCZ 2009, 201, 206; Wisskirchen/Körber/Bissels, BB 2006, 1567, 1568. 374 Paal/Pauly/Ernst, DS-GVO, Art. 4 Rn. 23, 25.
D. Datenschutzkonformität interner Meldesysteme
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Daneben wird die verantwortliche Stelle mit Einleitung der Folgemaßnahmen regelmäßig die erhobenen Daten auch (weiter-)verarbeiten. Insbesondere werden die Daten künftig zweckgerichtet zur Aufdeckung und Beseitigung der Verstöße genutzt375 und damit verwendet. Es schließen sich an die erste Erhebung der Daten somit eine Vielzahl weiterer, wenn auch vom Einzelfall abhängige, Vorgänge der Datenverarbeitung an.376 Daneben werden künftig, im Rahmen der einzuleitenden Folgemaßnahmen, meist auch neue zusätzliche Daten erhoben. cc) Offenlegung der Daten Zuletzt wird auch die Offenlegung der Daten als Datenverarbeitungsvorgang im Sinne des Art. 4 Nr. 2 DS-GVO relevant.377 Je nach Ausgestaltung eines internen Meldesystems kooperieren verschiedene Stellen zur Bearbeitung eingegangener Meldungen miteinander und tauschen zu diesem Zweck auch personenbezogene Daten aus. Dies kann bspw. künftig der Fall sein, wenn die Stelle, die für die Entgegennahme der Meldung und die, die für die Durchführung der Folgemaßnahme verantwortlich ist, auseinanderfallen. Fraglich ist, ob in einem Informationsaustausch zwischen verschiedenen unternehmensinternen Stellen eine rechtfertigungsbedürftige Datenverarbeitung gesehen werden muss. Bei der Offenlegung werden Daten übermittelt, verbreitet oder auf sonstige Weise bereitgestellt378, sodass der Empfänger die Möglichkeit hat, die Daten zur Kenntnis zu nehmen379. Für die Annahme einer Offenlegung im Sinne der DatenschutzGrundverordnung ist entscheidend, ob der Adressat der Daten als Empfänger im Sinne von Art. 4 Nr. 9 DS-GVO angesehen werden muss.380 Ein Empfänger ist eine natürliche oder juristische Person, Behörde381, Einrichtung oder andere Stelle, der personenbezogene Daten offengelegt werden, unabhängig davon, ob es sich bei ihr um einen Dritten handelt. Auch erfasst sind Auftragsverarbeiter.382 Im Fall einer Datenübermittlung zwischen Auftraggeber und Auftragsverarbeiter gilt jedoch eine Besonderheit. Auch wenn es sich hierbei um eine Offenlegung von Daten im Sinne des Art. 4 Nr. 2 DS-GVO handelt, wird überwiegend auf ein Rechtfertigungserfor-
375
Paal/Pauly/Ernst, DS-GVO, Art. 4 Rn. 29. So auch Franzen, Working Paper, 13, 18. 377 Auf den Vorgang der Offenlegung von Daten gegenüber staatlichen Behörden wird im Folgenden nicht eingegangen. 378 Paal/Pauly/Ernst, DS-GVO, Art. 4 Rn. 30. 379 Taeger/Gabel/Arning/Rothkegel, DS-GVO, Art. 4 Rn. 231. 380 Taeger/Gabel/Arning/Rothkegel, DS-GVO, Art. 4 Rn. 83 f. 381 Hierbei ist jedoch die Ausnahme nach Art. 4 Nr. 9 S. 2 DS-GVO zu berücksichtigen. 382 Gola/Gola, DS-GVO, Art. 4 Rn. 78; Sydow/Regenhardt, DS-GVO, Art. 4 Rn. 155; Simitis/Hornung/Spiecker gen. Döhmann/Roßnagel, DS-GVO, Art. 4 Nr. 2 Rn. 26. 376
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Teil 3: Implementierung unternehmensinterner Meldesysteme
dernis verzichtet. Dieser Vorgang sei durch die Anwendung des Art. 28 Abs. 3 DSGVO datenschutzrechtlich zu privilegieren.383 Vor diesem Hintergrund ist für die Annahme einer Offenlegung von Daten im Rahmen eines internen Meldesystems entscheidend, wie dieses im konkreten Einzelfall ausgestaltet ist und wie die einzelnen beteiligten Stellen datenschutzrechtlich eingestuft werden müssen. c) Zwischenergebnis Der Betrieb eines internen Meldesystems ist, ungeachtet der konkreten Ausgestaltung, mit verschiedenen Vorgängen der Datenverarbeitung verbunden. Es werden Daten des Whistleblowers, der verdächtigten Person384 und im Einzelfall die Daten sonstiger Dritter verarbeitet. Es wird daher künftig in der Regel der (sachliche) Anwendungsbereich der Datenschutz-Grundverordnung im Zusammenhang mit internen Meldesystemen eröffnet sein. Der nationale Gesetzgeber muss diesen Umstand bei der Umsetzung der EURichtlinie 2019/1937 berücksichtigen. Er hat zum einen ausweislich Art. 17 UAbs. 1 EU-RL 2019/1937 die Datenschutzkonformität der Meldesysteme zu gewährleisten. Zum anderen besteht im Fall der Rechtswidrigkeit einzelner Datenverarbeitungsvorgänge die Gefahr, dass die Funktionsfähigkeit der Meldekanäle und der Erfolg der Folgemaßnahmen zu Lasten der effektiven Rechtsdurchsetzung gefährdet werden. Nicht nur, dass an eine rechtswidrige Datenverarbeitung die Pflicht zur Löschung der betroffenen Daten (Art. 17 Abs. 1 lit. d) DS-GVO) anknüpft, auch besteht gegebenenfalls das Risiko möglicher Beweisverwertungsverbote385, die die erfolgreiche Durchsetzung des Rechts und damit die Erreichung des Richtlinien-Ziels beeinträchtigen könnten.
II. Verantwortlichkeit im Sinne der Datenschutz-Grundverordnung Entscheidend ist zudem, wer bei dem Betrieb eines internen Meldesystems als Verantwortlicher im Sinne der Datenschutz-Grundverordnung angesehen werden
383 Albrecht/Jotzo, Teil 5 Rn. 22; EuArbR/Franzen, VO 2016/679, Art. 4 Rn. 13; Gola/ Gola, DS-GVO, Art. 4 Rn. 75; im Ergebnis auch Kühling/Buchner/Hartung, DS-GVO, Art. 28 Rn. 15; Maschmann/Fritz/Maschmann, Kap. 5 B. II. Rn. 44; a. A. Koós/Englisch, ZD 2014, 276, 284; BeckOK Datenschutzrecht/Spoerr, Art. 28 DS-GVO Rn. 30. 384 So auch Groß/Platzer, NZA 2017, 1097, 1101; Reufels/Deviard, CCZ 2009, 201, 206; Wisskirchen/Körber/Bissels, BB 2006, 1567, 1568. 385 Hierzu umfassend MAH ArbR/Dendorfer-Ditges, § 35 Rn. 293; Thüsing/Thüsing/ Pötters, § 21 Rn. 44 ff.
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muss. Dieser ist für den gesamten Prozess der Datenverarbeitung verantwortlich386 und Adressat sämtlicher Pflichten der Datenschutz-Grundverordnung387. Der Begriff des „Verantwortlichen“ wird in Art. 4 Nr. 7 DS-GVO definiert. Ein „Verantwortlicher“ ist eine natürliche oder juristische Person, Behörde, Einrichtung oder andere Stelle, die allein oder gemeinsam mit anderen über die Zwecke und Mittel der Verarbeitung von personenbezogenen Daten entscheidet. Auf eine selbst durchgeführte Datenverarbeitung kommt es für diese Einordnung nicht an.388 Der Zweck der Verarbeitung ist das „erwartete Ergebnis, das beabsichtigt ist oder die geplante Aktion leitet“.389 Das Mittel ist dagegen die „Art und Weise, wie ein Ergebnis oder Ziel erreicht wird“.390 Die Stellung der Verantwortlichkeit ist von einer „bloßen“ Auftragsverarbeitung zu unterscheiden. Ein „Auftragsverarbeiter“ ist eine natürliche oder juristische Person, Behörde, Einrichtung oder andere Stelle, die personenbezogene Daten im Auftrag des Verantwortlichen verarbeitet, Art. 4 Nr. 8 DS-GVO. In diesem Fall trägt nicht die verarbeitende Stelle, sondern weiterhin der Auftraggeber für die Einhaltung der datenschutzrechtlichen Anforderungen die Verantwortung.391 Die in Auftrag gegebene Verarbeitung wird dem Verantwortlichen zugerechnet.392 Abgrenzungskriterium ist die Weisungsbindung: Sobald die verarbeitende Stelle (unerlaubt) selbst über Mittel und Zwecke der Verarbeitung bestimmt, muss sie als Verantwortlicher eingeordnet werden.393 Für die Beurteilung der Verantwortlichkeit für Vorgänge der Datenverarbeitung im Zusammenhang mit der Einrichtung und dem Betrieb interner Meldesysteme ist die konkrete Ausgestaltung des Systems entscheidend. 1. Verantwortlichkeit bei einer internen Meldestelle Die Meldekanäle können künftig, unter anderem intern, durch die hierfür benannten Personen oder Abteilungen des Unternehmens betrieben werden.394 Die 386 Ehmann/Selmayr/Bertermann, DS-GVO, Art. 24 Rn. 1; Simitis/Hornung/Spiecker gen. Döhmann/Petri, DS-GVO, Art. 24 Rn. 1; Sydow/Rauschauer, DS-GVO, Art. 4 Rn. 114. 387 Sydow/Rauschauer, DS-GVO, Art. 4 Rn. 114. 388 Simitis/Hornung/Spiecker gen. Döhmann/Petri, DS-GVO, Art. 4 Nr. 7 Rn. 20; Sydow/ Raschauer, DS-GVO, Art. 4 Rn. 125. 389 Taeger/Gabel/Arning/Rothkegel, DS-GVO, Art. 4 Rn. 169; Artikel-29-Datenschutzgruppe, WP 169, S. 16. 390 Taeger/Gabel/Arning/Rothkegel, DS-GVO, Art. 4 Rn. 169; Artikel-29-Datenschutzgruppe, WP 169, S. 16. 391 Paal/Pauly/Martini, DS-GVO, Art. 28 Rn. 2; Sydow/Raschauer, DS-GVO, Art. 4 Rn. 121, Art. 28 Rn. 11; Seeling/Kanzenbach, CB 2013, 76, 77. 392 EuArbR/Franzen, VO 2016/679, Art. 4 Rn. 13. 393 Gola/Gola, DS-GVO, Art. 4 Rn. 75. 394 Hierzu unter Teil 3 B. II. 2.
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anschließende Durchführung der Folgemaßnahmen kann derselben Person/Abteilung obliegen oder von einer, davon zu trennenden internen Person/Abteilung übernommen werden.395 Fraglich ist, wer in diesem Fall die Verantwortung für die einzelnen Vorgänge der Datenverarbeitung trägt. Grundsätzlich sind einzelne Untereinheiten einer Gesamtorganisation dieser zuzurechnen, sodass sie damit auch nicht die Verantwortung der Datenverarbeitung tragen.396 Notwendig für eine Zurechnung ist jedoch eine Eingliederung der in Frage stehenden Stelle in den Organisationsbereich des Verantwortlichen und dass sie ihm unmittelbar rechtlich unterworfen ist.397 Allein die Benennung einzelner Stellen oder Personen als Verantwortliche durch das Unternehmen führt nicht zu einer Übertragung der Verantwortlichkeit entgegen der tatsächlichen Gegebenheiten.398 Auch bei der Implementierung interner Meldestellen, entsprechend den Vorgaben der Whistleblowing-Richtlinie, wird es sich regelmäßig bloß um die Benennung der Zuständigkeit handeln.399 Interne Stellen bleiben rechtlich und tatsächlich in das Unternehmen eingegliedert. Insbesondere die Mitarbeiter, die für die Entgegennahme der Meldung zuständig sind, werden zwar den Vorgang der Datenverarbeitung ausführen, hierbei jedoch meist den Vorgaben des Unternehmens unterliegen. Sie werden regelmäßig keine freie Entscheidung über Mittel und Zweck der Verarbeitung treffen können. Dasselbe gilt auch für die Stelle, die anschließend die Folgemaßnahmen durchführen wird. Auch sie wird sich meist nach den Zielvorgaben des Unternehmens richten müssen. Darüber hinaus trägt das Unternehmen, in seiner Rolle als Arbeitgeber, jedenfalls die Verantwortlichkeit für seine Mitarbeiter, einschließlich ihrer Daten.400 Insofern sind Unternehmen bei einer solchen Ausgestaltung regelmäßig als Verantwortliche im Sinne der Datenschutz-Grundverordnung anzusehen. Im Ergebnis handelt es sich jedoch immer um eine Frage des konkreten Einzelfalls, ausgerichtet nach der individuellen Ausgestaltung des Meldesystems durch das Unternehmen.401 Eine pauschale Beurteilung verbietet sich daher.
395
Hierzu unter Teil 3 C. II. 3. a) aa). Kühling/Buchner/Hartung, DS-GVO, Art. 4 Nr. 7 Rn. 9; ähnlich Gola/Gola, DS-GVO, Art. 4 Rn. 80. 397 Schantz/Wolff/Schantz, Das neue Datenschutzrecht, Rn. 359. 398 Artikel-29-Datenschutzgruppe, WP 169, S. 19; Kühling/Buchner/Hartung, DS-GVO, Art. 4 Nr. 7 Rn. 9. 399 Vgl. sogar die entsprechende Bezeichnung in der Whistleblowing-Richtlinie in Art. 8 Abs. 5, Art. 9 Abs. 1 lit. c) EU-RL 2019/1937. 400 Taeger/Gabel/Arning/Rothkegel, DS-GVO, Art. 4 Rn. 171. 401 Dies gilt insbesondere, da de lege ferenda die zuständigen Stellen zwar unabhängig sein müssen, den Unternehmen jedoch die freie Entscheidung darüber obliegen wird, wie sie diese Vorgabe umsetzen; vgl. hierzu unter Teil 3 B. II. 2. b) und Teil 3 C. II. 3. b) aa). 396
D. Datenschutzkonformität interner Meldesysteme
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2. Verantwortlichkeit bei Auslagerung der Meldestelle Eine abweichende rechtliche Beurteilung der Verantwortlichkeit bedarf es für den Fall einer Auslagerung der Meldestelle. Auch künftig kann ein externer Dritter als Anlaufstelle für Whistleblower402 dienen.403 Die bereits nach bisherigem Recht geführte Diskussion zur Einordnung der datenschutzrechtlichen Verantwortlichkeit ausgelagerter Meldestellen setzt sich damit auch künftig fort. Unternehmen können de lege ferenda wie nach bisherigem Recht insbesondere (anwaltliche) Ombudspersonen, Call-Center oder Internetdienstleister als Anlaufstelle benennen. Bei sämtlichen Stellen bedarf es einer Abgrenzung zwischen Auftragsverarbeitung und eigener Verantwortlichkeit. Maßgeblich ist auch hier, ob der externen Stelle Entscheidungskompetenz (hinsichtlich Zweck und Mittel) zukommt und sie damit selbst Verantwortlicher und nicht bloß Auftragsverarbeiter ist.404 a) Verantwortlichkeit bei der Einschaltung von Ombudsleuten Bezüglich Ombudsleuten bestand bereits vor Neufassung des Bundesdatenschutzgesetzes und der Datenschutz-Grundverordnung Uneinigkeit, ob gegenüber diesen Personen von einer Auftrags(daten)verarbeitung oder vielmehr von einer Funktionsübertragung gesprochen werden musste.405 Inzwischen wird der Begriff der Funktionsübertragung nicht mehr verwendet406, die Problematik der rechtlichen Einordnung einer externen Ombudsperson hat sich damit jedoch nicht erübrigt. Vielmehr bedarf es auch im Rahmen der Datenschutz-Grundverordnung einer Differenzierung zwischen der Verantwortlichkeit und einer bloßen Auftragsverarbeitung. Jedenfalls gegenüber einer anwaltlichen Ombudsperson steht dem auftraggebenden Unternehmen weder ein Weisungsrecht noch ein Recht zur Kontrolle zu, sodass es überzeugend ist, in diesem Fall von einer eigenständigen Verantwortlichkeit der Ombudsperson auszugehen.407
402 Die Zuständigkeit für die Folgemaßnahmen kann dagegen nicht ausgelagert werden; hierzu umfassend unter Teil 3 C. II. 3. a) aa). 403 Hierzu unter Teil 3 B. II. 2. 404 Die Entscheidungskompetenz ist das entscheidende Abgrenzungskriterium, vgl. EuArbR/Franzen, VO 2016/679, Art. 4 Rn. 40 f.; Sydow/Raschauer, DS-GVO, Art. 4 Rn. 123, 146. 405 Vgl. hierzu Hauschka/Moosmayer/Lösler/Buchert, Corporate Compliance, § 42 Rn. 44. 406 Kühling/Buchner/Hartung, DS-GVO, Art. 28 Rn. 43 f. 407 Hauschka/Moosmayer/Lösler/Buchert, Corporate Compliance, § 42 Rn. 44; Spindler/ Schuster/Nink, 3. Teil Art. 28 DS-GVO Rn. 5; Schemmel/Ruhmannseder/Witzigmann, Hinweisgebersysteme, 6. Kapitel Rn. 170; Forgó/Helfrich/Schneider/Schröder, Betrieblicher Datenschutz, Teil VI Kap. 3 Rn. 63.
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Gegenüber sonstigen nichtanwaltlichen Ombudspersonen verbietet sich dagegen eine allgemeingültige Einordnung.408 Vielmehr muss anhand der konkreten tatsächlichen und rechtlichen Ausgestaltung des Verhältnisses beurteilt werden409, inwieweit die beauftragte Stelle hinreichende Entscheidungskompetenzen hat. Im Einzelfall kann, wenn die externe Stelle losgelöst von dem Unternehmen einen Meldekanal einrichtet und diesen eigenverantwortlich betreibt, diese Stelle als Verantwortlicher angesehen werden.410 b) Verantwortlichkeit bei einem elektronischen Meldesystem/Call-Center Im Fall eines elektronischen Meldesystems und der Beauftragung eines (externen) Call-Centers muss die Beurteilung dagegen anders ausfallen. Stellt ein Dienstleister lediglich Hard- und Software zur Verfügung, handelt es sich um eine Auftragsverarbeitung, sodass die Verantwortung für die Einhaltung des Datenschutzrechts allein das Unternehmen trifft.411 Zu demselben Ergebnis muss man bei einem externen Call-Center kommen, welches lediglich die Meldungen aufnimmt und anschließend an eine zuständige Stelle des Unternehmens leitet. Auch hier handelt es sich mangels hinreichender Entscheidungsbefugnis um eine Auftragsverarbeitung.412 3. Normierung der datenschutzrechtlichen Verantwortlichkeit Um ein Mehr an Rechtssicherheit und Übersichtlichkeit für die Beteiligten zu schaffen, könnte der nationale Gesetzgeber im Zuge des Umsetzungsakts der Whistleblowing-Richtlinie in Erwägung ziehen, die Verantwortlichkeit der Datenverarbeitung eindeutig zu regeln. Eine entsprechende Anpassung der Gesetzeslage ist jedoch nur möglich, wenn eine darauf gerichtete Regelungsbefugnis des nationalen Gesetzgebers besteht. Aus Art. 4 Nr. 7 Hs. 2 DS-GVO ergibt sich, dass der Verantwortliche oder die Kriterien seiner Benennung durch das Recht der Mitgliedstaaten bestimmt werden können, wenn die Zwecke und Mittel der Verarbeitung durch das Unionsrecht oder das Recht der Mitgliedstaaten vorgegeben sind. Insofern bedarf es einer Öffnungsklausel, die sich auf die Bestimmung von Zweck und Mittel der Datenverarbeitung bezieht. Sofern der nationale Gesetzgeber von Art. 6 Abs. 1 UAbs. 1 lit. e) i. V. m. Art. 6 Abs. 3 DS-GVO Gebrauch macht413, kann er auch den 408 So auch Schemmel/Ruhmannseder/Witzigmann, Hinweisgebersysteme, 6. Kapitel Rn. 144 ff., 170 ff.; a. A. Breinlinger/Krader, RDV 2006, 60, 66. 409 Schemmel/Ruhmannseder/Witzigmann, Hinweisgebersysteme, 6. Kapitel VI. Rn. 148. 410 Franzen, Working Paper, 13, 17. 411 Wybitul, ZD 2011, 118, 122. 412 So auch Schemmel/Ruhmannseder/Witzigmann, Hinweisgebersysteme, 6. Kapitel Rn. 183. 413 Hierzu unter Teil 3 D. III. 2.
D. Datenschutzkonformität interner Meldesysteme
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Verantwortlichen bestimmen.414 Der nationale Gesetzgeber könnte auf diesem Weg Unternehmen, die Meldesysteme einrichten, unabhängig von der konkreten Ausgestaltung, die Verantwortlichkeit für sämtliche Vorgänge der Datenverarbeitung auferlegen. Von dieser Möglichkeit sollte der Gesetzgeber auch Gebrauch machen. Die Einordnung der datenschutzrechtlichen Verantwortlichkeit kann im Einzelfall Schwierigkeiten begründen. Wie bereits dargestellt, richtet sich diese Beurteilung maßgeblich nach den konkreten Umständen des Einzelfalls. Eine sichere Kenntnis hinsichtlich der Frage der datenschutzrechtlichen Verantwortlichkeit ist für die beteiligten Stellen der Meldesysteme jedoch von erheblicher Bedeutung, da an diese Stellung eine Vielzahl an Pflichten anknüpft. Daneben haben auch die betroffenen Personen ein Interesse daran, die datenschutzrechtliche Verantwortlichkeit ohne Schwierigkeiten zu erkennen, um gegenüber dem Verantwortlichen etwaige datenschutzrechtliche Ansprüche geltend machen zu können. Ohne eine spezielle Regelung der Verantwortlichkeit entstünde de lege ferenda erhebliche Unsicherheit für die Beteiligten. Mit Umsetzung der Whistleblowing-Richtlinie sollte daher auch die datenschutzrechtliche Verantwortlichkeit einheitlich den Unternehmen, die interne Meldesysteme einrichten, auferlegt werden. Eine solche Regelung wurde in den aktuellen Entwurf des Hinweisgeberschutzgesetzes nicht aufgenommen. Es wird ausschließlich in den Erwägungen zu § 14 HinSchG-Entwurf darauf verwiesen, dass eine interne Meldestelle – insbesondere bei einer solchen, die von einer Einzelperson betrieben wird – nicht als Verantwortliche für die Datenverarbeitung angesehen werden soll.415 Aus dargestellten Gründen sollte der Gesetzesentwurf durch eine ausdrückliche Regelung der datenschutzrechtlichen Verantwortlichkeit ergänzt werden: Beschäftigungsgeber […], die interne Meldesysteme einrichten, sind bei der Verarbeitung personenbezogener Daten Verantwortliche gemäß Art. 4 Nr. 7 DS-GVO.
III. Rechtsgrundlagen für die Datenverarbeitungsvorgänge Wie bereits ausgeführt, hat der Gesetzgeber für die Datenschutzkonformität der Meldesysteme Sorge zu tragen. Dies setzt insbesondere voraus, dass de lege ferenda sämtliche Datenverarbeitungsvorgänge, die mit dem Betrieb interner Meldesysteme (Meldekanäle und die Durchführung von Folgemaßnahmen) verbunden sind, auf eine Rechtsgrundlage gestützt werden können. Neben dem abschließenden Katalog
414
Gola/Gola, DS-GVO, Art. 4 Rn. 55; Kühling/Buchner/Hartung, DS-GVO, Art. 4 Nr. 7 Rn. 14; Simitis/Hornung/Spiecker gen. Döhmann/Petri, DS-GVO, Art. 4 Nr. 7 Rn. 24. 415 Referentenentwurf HinSchG, Zu § 14 (Organisationsformen interner Meldestellen) Absatz 1, S. 59.
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Teil 3: Implementierung unternehmensinterner Meldesysteme
möglicher Rechtsgrundlagen in Art. 6 Abs. 1 DS-GVO416, können sich solche auch aus dem Bundesdatenschutzgesetz ergeben. 1. Anwendung bestehender Rechtsgrundlagen Maßgeblich ist somit, ob das geltende Recht, ohne spezielles gesetzgeberisches Tätigwerden, bereits hinreichende Rechtsgrundlagen für die Verarbeitung von Daten im Zusammenhang mit dem Betrieb interner Meldesysteme vorsieht. a) Rechtsgrundlage für die Verarbeitung der Daten des Verdächtigten Von großer Relevanz ist regelmäßig die Verarbeitung der Daten des Verdächtigten. Dies beruht auf dem Umstand, dass die Datenverarbeitung nicht auf seine Veranlassung, sondern vielmehr auf die des Whistleblowers eingeleitet wurde. aa) Zulässigkeit nach § 26 Abs. 1 BDSG Die Rechtmäßigkeit der Datenverarbeitung im Zusammenhang mit einem internen Meldesystem könnte sich aus § 26 Abs. 1 BDSG ergeben. Nach § 26 Abs. 1 S. 1 BDSG dürfen personenbezogene Daten von Beschäftigten für Zwecke des Beschäftigungsverhältnisses verarbeitet werden, wenn dies insbesondere für die Entscheidung über die Begründung eines Beschäftigungsverhältnisses oder nach Begründung des Beschäftigungsverhältnisses für dessen Durchführung oder Beendigung erforderlich ist. § 26 Abs. 1 S. 2 BDSG regelt den speziellen Fall der Datenverarbeitung zur Aufdeckung einer Straftat. (1) Anwendungsbereich des § 26 Abs. 1 BDSG (a) Persönlicher Anwendungsbereich Der Anwendungsbereich des § 26 BGDS ist in persönlicher Hinsicht auf Beschäftigte begrenzt. Die entsprechende Definition findet sich in § 26 Abs. 8 BDSG. Auch wenn von dem Begriff des Beschäftigten eine Vielzahl verschiedener Personengruppen erfasst sind417, unterfallen insbesondere Organmitglieder418 nicht dem persönlichen Anwendungsbereich des § 26 Abs. 1 BDSG. Künftig können Hinweisgeber Verstöße, die in einem Unternehmen verwirklicht wurden, intern melden. Einschränkungen hinsichtlich der Person des Täters sind nicht vorgesehen. Insofern muss sich der erhobene Vorwurf auch nicht zwingend 416
Ehmann/Selmayr/Heberlein, DS-GVO, Art. 6 Rn. 4. Vgl. hierzu umfassend Kühling/Buchner/Maschmann, BDSG, § 26 Rn. 7 ff.; BeckOK Datenschutzrecht/Riesenhuber, § 26 BDSG Rn. 21 ff. 418 Kühling/Buchner/Maschmann, BDSG, § 26 Rn. 7; zu Geschäftsführern auch Dzida, BB 2019, 3060, 3063. 417
D. Datenschutzkonformität interner Meldesysteme
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gegen einen Beschäftigten des Unternehmens richten. § 26 Abs. 1 BDSG bietet daher von vornherein nur eine partielle Lösung für die vorliegende Konstellation. (b) Sachlicher Anwendungsbereich Die Anwendung des § 26 Abs. 1 BDSG setzt zudem voraus, dass die Daten der betroffenen Person für „Zwecke des Beschäftigungsverhältnisses“ verarbeitet werden. Die Zweckrichtung im Rahmen des § 26 Abs. 1 BDSG ist unter Berücksichtigung des Art. 88 DS-GVO, auf dem § 26 BDSG beruht, weit zu verstehen.419 Der Anwendungsbereich des § 26 Abs. 1 BDSG ist nicht allein auf solche Vorgänge der Datenverarbeitung begrenzt, die der Abwicklung des Beschäftigungsverhältnisses, konkret ihrer Hauptleistungspflichten420, dienen. Vielmehr fällt jede Datenverarbeitung, die im Rahmen eines Arbeitsverhältnisses erfolgt, in den Anwendungsbereich des § 26 BDSG.421 Sofern personenbezogene Daten von Beschäftigten im Rahmen eines internen Meldesystems verarbeitet werden, kann § 26 BDSG auch grundsätzlich Anwendung finden. (2) Zulässigkeitsanforderungen Für die Bestimmung der Zulässigkeitsvoraussetzungen ist zwischen § 26 Abs. 1 S. 1 BDSG und § 26 Abs. 1 S. 2 BDSG zu differenzieren. Die Abgrenzung beider Rechtsgrundlagen richtet sich maßgebend nach der jeweiligen Zweckrichtung der Datenverarbeitung. (a) Verhältnis von § 26 Abs. 1 S. 1 BDSG und § 26 Abs. 1 S. 2 BDSG zueinander Im Anwendungsbereich des § 26 Abs. 1 BDSG besteht in Literatur und Rechtsprechung jedoch Uneinigkeit darüber, in welchem Verhältnis beide Vorschriften zueinander stehen und wie weit ihr jeweiliger Regelungsgehalt reicht.422 Der Streit bezieht sich konkret auf die Fragen, ob § 26 Abs. 1 S. 1 BDSG auch eine Datenverarbeitung im Zusammenhang mit präventiven Maßnahmen und/oder eine solche zur Aufdeckung von sonstigem Fehlverhalten unterhalb der Schwelle der Strafbarkeit (repressive Maßnahmen) ermöglicht. (aa) Präventive Maßnahmen Eine Maßnahme ist präventiv, wenn sie anlassunabhängig, mithin ohne das Bestehen eines konkreten, personenbezogenen Anfangsverdachts erfolgt.423 Nach der 419
Taeger/Gabel/Zöll, BDSG, § 26 Rn. 22. Zu § 32 BDSG a. F. Joussen, NZA 2010, 254, 258. 421 Rudkowski/Schreiber, 2.2.4.1.; ähnlich auch Schwartmann/Jasper/Thüsing/Kugelmann/ Thüsing/Schmidt, BDSG, § 26 Rn. 32. 422 Vgl. hierzu auch Kort, ZD 2017, 319, 320 f. 423 Stück, CCZ 2020, 77, 78. 420
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Teil 3: Implementierung unternehmensinterner Meldesysteme
herrschenden Ansicht in Literatur und Rechtsprechung können Vorgänge der Datenverarbeitung anlässlich solcher Maßnahmen bezüglich Straftaten424 und sonstigen Pflichtverletzungen (unter der Schwelle der Straftat) auf § 26 Abs. 1 S. 1 BDSG gestützt werden.425 Dies wird teilweise, jedenfalls im Hinblick auf Straftaten, kritisch gesehen. Für solche Maßnahmen könnte nicht ohne Weiteres § 26 Abs. 1 S. 1 BDSG herangezogen werden, da andernfalls die besonderen Voraussetzungen des § 26 Abs. 1 S. 2 BDSG umgangen würden.426 Zumindest müssten die Vorgaben des § 26 Abs. 1 S. 2 BDSG (§ 32 Abs. 1 S. 2 BDSG a. F.) in diesen Fällen auch im Rahmen des § 26 Abs. 1 S. 1 BDSG (§ 32 Abs. 1 S. 1 BDSG a. F.) angewandt werden („erst RechtSchluss“).427 Ein Eingriff in Art. 2 Abs. 1 i. V. m. Art. 2 Abs. 1 GG durch eine repressive Maßnahme sei unter leichteren Voraussetzungen gerechtfertigt als ein Eingriff durch eine bloß präventive Maßnahme, sodass auch im Rahmen des § 26 Abs. 1 BDSG bei repressiven Maßnahmen (§ 26 Abs. 1 S. 2 BDSG) keine strengeren Anforderungen gelten könnten als bei präventiven Maßnahmen.428 Diese Argumentation ist jedoch nicht überzeugend. Die Beeinträchtigung der Persönlichkeitsrechte bei präventiven routinemäßigen Maßnahmen, denen viele Personen in gleicher Art unterworfen werden, wiegt weniger schwer als eine spezielle, situationsbezogene Maßnahme ausgerichtet auf eine Einzelperson.429 Darüber hinaus würde eine pauschale Übertragung der Anforderungen des § 26 Abs. 1 S. 2 BDSG die grundrechtlichen Garantien des Arbeitgebers (Art. 12, 14 GG) unverhältnismäßig beeinträchtigen, da für ihn keine Mittel, ungeachtet der Umstände des konkreten Einzelfalls, bestehen würden, das pflichtgemäße Verhalten seiner Mitarbeiter zu kontrollieren.430 Zudem bietet bereits das in § 26 Abs. 1 S. 1 BDSG
424 Auer-Reinsdorff/Conrad/Conrad/Treeger, § 34 Rn. 202; Thüsing/Schmidt, NZA 2017, 1027, 1027. 425 jurisPK-Internetrecht/Braun, Kap. 7 Rn. 93; ErfK/Franzen, ArbR, § 26 BDSG Rn. 36; Grobys/Panzer-Heemeier/Panzer-Heemeier, Datenschutz allgemein, Rn. 30 f.; BeckOK Datenschutzrecht/Riesenhuber, § 26 BDSG Rn. 130; Plath/Stamer/Kuhnke, BDSG, § 26 Rn. 77b; Stück, ArbRAktuell 2019, 216, 217; Sydow/Tiedemann, BDSG, § 26 Rn. 28; zu § 32 BDSG a. F. BAG, Urteil vom 28. 3. 2019 – 8 AZR 421/17, NZA 2019, 1212, 1216 f.; OVG Saarlouis, Urteil vom 14. 12. 2017 – 2 A 662/17, ZD 2018, 134, 136; Haußmann/Kaufmann, ArbRAktuell 2011, 186, 187; Kort, DB 2011, 651, 651 f. 426 Brink/Joos, jurisPR-ArbR 38/2019 Anm. 1; zu § 32 BDSG a. F. im Ergebnis auch Erfurth, NJOZ 2009, 2914, 2921; Mähner, MMR 2010, 379, 381. 427 Zu § 32 BDSG a. F. Heinson/Schmidt, CR 2010, 540, 545. 428 Zu § 32 BDSG a. F. Heinson/Schmidt, CR 2010, 540, 545; Mähner, MMR 2010, 379, 381. 429 BeckOK Datenschutzrecht/Riesenhuber, § 26 BDSG Rn. 138; ähnlich auch zu § 32 BDSG a. F. BAG, Urteil vom 28. 3. 2019 – 8 AZR 421/17, NZA 2019, 1212, 1216; Thüsing/ Schmidt, NZA 2017, 1027, 1029; Zikesch/Reimer, DuD 2010, 96, 97. 430 jurisPK-Internetrecht/Braun, Kap. 7 Rn. 95.
D. Datenschutzkonformität interner Meldesysteme
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vorgesehene Kriterium der „Erforderlichkeit“ ein ausreichendes Einfallstor für einen angemessenen Interessenausgleich im Einzelfall.431 Auch die Annahme, dass die präventive Überprüfung der Belegschaft zur Vermeidung von etwaigen Pflichtverletzungen gerade nicht zur Durchführung des Arbeitsverhältnisses erforderlich sei432, überzeugt nicht.433 Ein Beschäftigungsverhältnis hat gerade nicht nur eine individuelle Dimension, sondern auch betriebliche und kollektive Bezüge, sodass auch präventive Maßnahmen der „Durchführung des Beschäftigungsverhältnisses“ im Sinne des § 26 Abs. 1 S. 1 BDSG dienen können.434 Sämtliche präventive Maßnahmen des Arbeitgebers gegenüber seiner Belegschaft sind daher ausschließlich an den Vorgaben des § 26 Abs. 1 S. 1 BDSG zu beurteilen.435 (bb) Repressive Maßnahmen Uneinigkeit besteht zudem darüber, welche Rechtsgrundlage für repressive Maßnahmen herangezogen werden kann. § 26 Abs. 1 S. 2 BDSG regelt Maßnahmen zur Aufdeckung von (künftigen und vergangenen436) Straftaten auf Grund eines Anfangsverdachts. Demgegenüber bietet § 26 Abs. 1 S. 1 BDSG nach überwiegender Ansicht eine Rechtsgrundlage für den Fall, dass der Verantwortliche repressive Zwecke anlässlich sonstigen Fehlverhaltens (unterhalb der Schwelle der Strafbarkeit) verfolgt.437 § 26 Abs. 1 S. 2 BDSG bewirkt gegenüber dem repressiven Zweck der Aufdeckung sonstiger Pflichtverletzungen keine Sperrwirkung.438 Dem wird vereinzelt entgegengehalten, dass anlassbezogene Maßnahmen allein durch § 26 Abs. 1 S. 2 BDSG (§ 32 Abs. 1 S. 2 BDSG a. F.) geregelt seien und für
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jurisPK-Internetrecht/Braun, Kap. 7 Rn. 95. König, Beschäftigtendatenschutz, Besonderer Teil, § 5 Rn. 105; zu Mitarbeiterscreenings Brink/Schmidt, MMR 2010, 592, 593 f. 433 So auch BeckOK Datenschutzrecht/Riesenhuber, § 26 BDSG Rn. 138. 434 BeckOK Datenschutzrecht/Riesenhuber, § 26 BDSG Rn. 138. 435 Zu § 32 BDSG a. F. auch Kort, DB 2011, 651, 651. 436 Thüsing/Thüsing/Pötters, § 11 Rn. 45. 437 jurisPK-Internetrecht/Braun, Kap. 7 Rn. 93; Gola/Heckmann/Gola, BDSG, § 26 Rn. 125; Grobys/Panzer-Heemeier/Panzer-Heemeier, Datenschutz allgemein, Rn. 31; Plath/ Stamer/Kuhnke, BDSG, § 26 Rn. 77c; Stück, CCZ 2020, 77, 79; Wybitul, NZS 2017, 413, 416; zu § 32 BDSG a. F. BAG, Urteil vom 29. 6. 2017 – 2 AZR 597/16, NZA 2017, 1179, 1182; LAG Baden-Württemberg, Urteil vom 20. 7. 2016 – 4 Sa 61/15, ZD 2017, 88, 90; Hanloser, MMR 2009, 594, 597; Kort, DB 2011, 651, 651. 438 ErfK/Franzen, ArbR, § 26 BDSG, Rn. 3; Grobys/Panzer-Heemeier/Panzer-Heemeier, Datenschutz allgemein, Rn. 31; Stück, ArbRAktuell 2019, 216, 217; Thüsing/Rombey, NZA 2018, 1105, 1107; Sydow/Tiedemann, BDSG, § 26, Rn. 28; zu § 32 BDSG a. F. BAG, Urteil vom 29. 6. 2017 – 2 AZR 597/16, NZA 2017, 1179, 1182. 432
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Maßnahmen, die sich nicht auf eine Straftat beziehen, keine Möglichkeit eines Rückgriffs auf § 26 Abs. 1 S. 1 BDSG (§ 32 Abs. 1 S. 1 BDSG a. F.) bestehe.439 Dieser Ansatz berücksichtigt jedoch nicht, dass Maßnahmen, die auf eine Straftat gerichtet sind, für die betroffene Person, wie sich auch im Umkehrschluss zu Art. 10 DS-GVO ergibt, besonders eingriffsintensiv sind.440 Gerade für diese Fälle ist es konsequent, mit § 26 Abs. 1 S. 2 BDSG besonders strenge Voraussetzungen für eine Datenverarbeitung vorzusehen.441 Maßnahmen gerichtet auf eine sonstige Pflichtverletzung wiegen dagegen weniger schwer, sodass die Annahme ihrer Unzulässigkeit (durch eine Sperrwirkung) widersprüchlich und wegen der berechtigten Arbeitgeberinteressen unverhältnismäßig wäre.442 Der Arbeitgeber hat, wie auch jeder andere Gläubiger einer Leistung, ein berechtigtes Interesse daran, zu überprüfen, ob sich sein Vertragspartner entsprechend seiner vertraglichen Pflichten verhält.443 Durch die Annahme einer Sperrwirkung würde ihm diese Möglichkeit unberechtigterweise verwehrt. Es bedarf jedoch, zur Vermeidung von Wertungswidersprüchen, im Fall repressiver Maßnahmen anlässlich einer schwerwiegenden Pflichtverletzung (als Kriterium der Verhältnismäßigkeit) eines konkreten Verdachts.444 Bei weniger intensiven Eingriffen in das allgemeine Persönlichkeitsrecht (bspw. im Fall der gezielten Kontrolle vorsätzlicher Vertragsverletzungen durch Einsicht in nicht mit „privat“ gekennzeichneten Dateien) könne auf dieses Kriterium im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung dagegen verzichtet werden.445 (b) Erfordernis eines Verdachtsgrads Im Anwendungsbereich des § 26 Abs. 1 S. 2 BDSG bedarf es für eine Datenverarbeitung tatsächlicher, zu dokumentierender Anhaltspunkte für das Vorliegen einer Straftat. Erforderlich ist ein konkreter (einfacher) Verdacht.446 Grundlage der Beurteilung müssen tatsächliche, konkrete Anhaltspunkte sein, die für das Vorliegen 439
Brink, jurisPR-ArbR 36/2016 Anm. 2; im Ergebnis auch LAG Baden-Württemberg, Urteil vom 20. 7. 2016 – 4 Sa 61/15, ZD 2017, 88, 90; Düwell/Brink, NZA 2017, 1081, 1084. 440 Ströbel/Böhm/Breunig/Wybitul, CCZ 2018, 14, 18; zu § 32 Abs. 1 BDSG a. F. Grau/ Dzida, NZA 2017, 1515, 1517. 441 Ströbel/Böhm/Breunig/Wybitul, CCZ 2018, 14, 18; ähnlich auch Hanloser, MMR 2009, 594, 597. 442 Ströbel/Böhm/Breunig/Wybitul, CCZ 2018, 14, 18. 443 Zu § 32 Abs. 1 BDSG a. F. Grau/Dzida, NZA 2017, 1515, 1517. 444 Plath/Stamer/Kuhnke, BDSG, § 26 Rn. 77c; Ströbel/Böhm/Breunig/Wybitul, CCZ 2018, 14, 18; Stück, CCZ 2020, 77, 79; Thüsing/Rombey, NZA 2018, 1105, 1107; zu § 32 BDSG a. F. BAG, Urteil vom 29. 6. 2017 – 2 AZR 597/16, NZA 2017, 1179, 1182 ff. 445 BAG, Urteil vom 31. 1. 2019 – 2 AZR 426/18, NZA 2019, 893, 899; Grobys/PanzerHeemeier/Panzer-Heemeier, Datenschutz allgemein, Rn. 32. 446 BAG, Urteil vom 20. 10. 2016 – 2 AZR 395/15, NJW 2017, 1193, 1195; Gola/Heckmann/Gola, BDSG, § 26 Rn. 124; Kort, NZA 2018, 1097, 1099; Sydow/Tiedemann, BDSG, § 26 Rn. 34.
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einer verwirklichten Straftat sprechen.447 Ein darüber hinausgehendes Kriterium im Sinne eines dringenden Tatverdachts ist nicht erforderlich448, ebenso wenig genügen bloß unsichere Anhaltspunkte oder Mutmaßungen449. Der Betroffene soll durch dieses Kriterium vor Verarbeitungen seiner Daten „auf gut Glück“ oder „ins Blaue hinein“ geschützt werden.450 Unsubstantiierte Vorwürfe genügen daher nicht.451 Dasselbe gilt im Ergebnis für Maßnahmen zur Aufdeckung schwerwiegender Pflichtverletzungen nach § 26 Abs. 1 S. 1 BDSG. In diesem Fall richtet sich die Beurteilung der Verhältnismäßigkeit der in Frage stehenden Maßnahme auch danach, ob sie auf einen solchen Verdacht gestützt wurde. (c) Abwägungsentscheidung im Einzelfall Sowohl die Anwendung des § 26 Abs. 1 S. 1 BDSG als auch die des § 26 Abs. 1 S. 2 BDSG setzen eine vom Einzelfall abhängige Abwägungsentscheidung voraus, um die Rechtmäßigkeit der Datenverarbeitung zu begründen. Wegen des Kriteriums der Erforderlichkeit im Rahmen des § 26 Abs. 1 S. 1 BDSG bedarf es einer vollständigen Verhältnismäßigkeitsprüfung.452 Die Datenverarbeitung muss zur Zweckerreichung geeignet und das mildeste unter den gleich geeigneten Mitteln sein.453 Anschließend sind die sich gegenüberstehenden Interessen und Grundrechtspositionen (Art. 12 Abs. 1, Art. 14 GG; Art. 2 Abs. 1 i. V. m. Art. 1 Abs. 1 GG) der Beteiligten im Wege einer praktischen Konkordanz in einen möglichst schonenden Ausgleich zu bringen.454 Auf die Abwägungsentscheidung nimmt eine Vielzahl an Einzelkriterien Einfluss.455 Ähnliche Voraussetzungen sind auch in § 26 Abs. 1 S. 2 BDSG normiert. Danach muss die Verarbeitung zur Aufdeckung der Straftat erforderlich sein und das schutzwürdige Interesse des Beschäftigten an dem Ausschluss der Verarbeitung darf nicht überwiegen, insbesondere Art und Ausmaß dürfen im Hinblick auf den Anlass nicht unverhältnismäßig sein.456 Es bedarf stets einer Prüfung, ob andere mildere, 447
BAG, Urteil vom 20. 10. 2016 – 2 AZR 395/15, NJW 2017, 1193, 1195; Sydow/Tiedemann, BDSG, § 26 Rn. 34. 448 BAG, Urteil vom 20. 10. 2016 – 2 AZR 395/15, NJW 2017, 1193, 1195. 449 BAG, Urteil vom 20. 10. 2016 – 2 AZR 395/15, NJW 2017, 1193, 1195; ErfK/Franzen, ArbR, § 26 BDSG Rn. 38; Kort, NZA 2018, 1097, 1099. 450 Sydow/Tiedemann, BDSG, § 26 Rn. 34. 451 Albrecht, AnwZert-ITR 19/2009 Anm. 3; jurisPK-Internetrecht/Braun, Kap. 7 Rn. 93. 452 BAG, Urteil vom 23. 8. 2018 – 2 AZR 133/18, NZA 2018, 1329, 1332; Kühling/Buchner/ Maschmann, BDSG, § 26 Rn. 18 f.; Sydow/Tiedemann, BDSG, § 26 Rn. 20; Wybitul, NZA 2017, 413, 415; Taeger/Gabel/Zöll, BDSG, § 26 Rn. 15. 453 Kühling/Buchner/Maschmann, BDSG, § 26 Rn. 19; Wybitul, NZA 2017, 413, 415; Taeger/Gabel/Zöll, BDSG, § 26 Rn. 15. 454 Kühling/Buchner/Maschmann, BDSG, § 26 Rn. 18 f.; Wybitul, NZA 2017, 413, 415; Taeger/Gabel/Zöll, BDSG, § 26 Rn. 23. 455 Vgl. hierzu Sydow/Tiedemann, BDSG, § 26 Rn. 23. 456 Taeger/Gabel/Zöll, BDSG, § 26 Rn. 70.
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gleich geeignete Mittel zur Verfügung stehen457 und einer einzelfallbezogenen Interessenabwägung unter Berücksichtigung des Verdachtsgrads, der Deliktart und -schwere458. (3) Folgerungen für die Datenverarbeitungsvorgänge im Rahmen interner Meldesysteme Im Zusammenhang mit dem Betrieb interner Meldesysteme muss unter Berücksichtigung der Zweckrichtung des einzelnen Verarbeitungsvorgangs zwischen den beiden Zulässigkeitstatbeständen unterschieden werden.459 In Abhängigkeit von dem Zweck jeder einzelnen Datenverarbeitung muss die zuständige Stelle somit die divergierenden Anforderungen des § 26 Abs. 1 S. 1 BDSG oder die des § 26 Abs. 1 S. 2 BDSG erfüllen. Es bedarf einer differenzierten Betrachtung zwischen der Einrichtung der Meldekanäle und der anschließenden Durchführung der Folgemaßnahmen. Der Zweck der Einrichtung interner Meldekanäle und der damit verbundenen (ersten) Datenerhebungen kann in der (präventiven) Kontrolle der Belegschaft gesehen werden, sodass § 26 Abs. 1 S. 1 BDSG als Maßstab heranzuziehen ist.460 Die anschließenden Verarbeitungsvorgänge, insbesondere im Rahmen der durchzuführenden Folgemaßnahmen, dienen dagegen regelmäßig der (repressiven) Aufklärung des erhobenen Vorwurfs. Der Hinweisgeber begründet mit seiner internen Meldung bei der zuständigen Meldestelle den Verdacht, dass ein Beschäftigter des Unternehmens Pflichten aus seinem Beschäftigungsverhältnis verletzt oder eine Straftat begangen hat.461 Bezog sich die Meldung des Whistleblowers auf eine Pflichtverletzung eines anderen Beschäftigten, findet § 26 Abs. 1 S. 1 BDSG Anwendung462, im Fall einer (verwirklichten oder künftigen) Straftat463 dagegen § 26 Abs. 1 S. 2 BDSG.464 Da Hinweisgeber de lege ferenda keine Behauptungen „ins Blaue“ hinein aufstellen dürfen, sondern die Meldung auf eine hinreichende 457
BeckOK Datenschutzrecht/Riesenhuber, § 26 BDSG Rn. 136. Taeger/Göbel/Zöll, BDSG, § 26 Rn. 70; ähnlich zu § 32 BDSG a. F. Thüsing, NZA 2009, 865, 869. 459 So im Ergebnis auch Neuhöfer, jurisPR-Compl 3/2018 Anm. 2; zu § 32 BDSG a. F. Rotsch/Rotsch/Wagner, Criminal Compliance, § 34 C. Whistleblowing Rn. 69; Schemmel/ Ruhmannseder/Witzigmann, Hinweisgebersysteme, 6. Kapitel Rn. 69 ff. 460 MAH ArbR/Dendorfer-Ditges, § 35 Rn. 284. 461 Zu § 32 BDSG a. F. Hanloser, MMR 2009, 594, 597; Steigert, 144 f. 462 Zu § 32 BDSG a. F. auch Schemmel/Ruhmannseder/Witzigmann, Hinweisgebersysteme, 6. Kapitel Rn. 69. 463 Der erforderliche Beschäftigungsbezug liegt dann vor, da jede Straftat im Rahmen der Arbeitstätigkeit eine Pflichtverletzung begründet, vgl. APS/Vossen, 2. Teil § 1 KSchG Rn. 256. 464 Weidmann, DB 2019, 2393, 2395; wohl auch Kramer/Schulze Zumkley, IT-Arbeitsrecht, B. Rn. 1202; zu § 32 BDSG a. F. MAH ArbR/Dendorfer-Ditges, § 35 Rn. 286; Haußmann/ Kaufmann, ArbRAktuell 2011, 186, 187. 458
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Grundlage gestützt werden muss465, wird der erforderliche Verdachtsgrad für die repressiven Maßnahmen regelmäßig vorliegen. Problematisch an der Anwendung des § 26 Abs. 1 BDSG ist jedoch, dass es in jedem Fall einer Abwägungsentscheidung im Einzelfall unter Berücksichtigung der speziellen Vorgaben der jeweiligen Rechtsgrundlage bedarf. Diese muss für jeden einzelnen Verarbeitungsvorgang anlässlich jedes einzelnen Hinweises gesondert durchgeführt werden.466 Ohne eine spezielle gesetzliche Regelung der Zulässigkeit der Datenverarbeitung sehen sich die Beteiligten wegen der zu treffenden Einzelfallentscheidungen mit einer erheblichen Unsicherheit konfrontiert.467 Es besteht die Gefahr, dass einzelne Vorgänge der Datenverarbeitung rechtswidrig sind und damit die Funktionsfähigkeit der Meldesysteme gefährdet wird. § 26 Abs. 1 BDSG bietet nur eine unpraktikable und unsichere Lösung.468 bb) Zulässigkeit nach Art. 6 Abs. 1 UAbs. 1 lit. f) DS-GVO Die Zulässigkeit sämtlicher Datenverarbeitungsvorgänge könnte sich künftig aus Art. 6 Abs. 1 UAbs. 1 lit. f) DS-GVO ergeben. Danach ist eine Datenverarbeitung rechtmäßig, wenn sie zur Wahrung der berechtigten Interessen des Verantwortlichen oder eines Dritten erforderlich ist und die Interessen oder Grundrechte und Grundfreiheiten der betroffenen Person, die den Schutz personenbezogener Daten erfordern, nicht überwiegen. (1) Anwendbarkeit Grundsätzlich sind die Regelungen des § 26 BDSG gegenüber denen der Datenschutz-Grundverordnung vorrangig anzuwenden („lex specialis“).469 Sobald der für die Anwendung des § 26 BDSG erforderliche Beschäftigungsbezug bei der Datenverarbeitung fehlt, kann jedoch auf Art. 6 Abs. 1 UAbs. 1 lit. f) DS-GVO, auch bezüglich der Daten eines Beschäftigten470, zurückgegriffen werden.471 465
Hierzu unter Teil 2 B. II. 2. So auch Groß/Platzer, NZA 2017, 1097, 1101. 467 So auch Thüsing/Fütterer/Jänsch, RDV 2018, 133, 135 f.; zu § 32 BDSG a. F. Groß/ Platzer, NZA 2017, 1097, 1101. 468 Kritisch auch Altenbach/Dierkes, CCZ 2020, 126, 127; zu § 32 BDSG a. F. auch VGR/ Thüsing/Fütterer, Whistleblowing im Spannungsfeld von Gesellschaftsrecht, Arbeitsrecht und Datenschutz, IV., Einl. 469 Gola, BB 2017, 1462, 1463, 1465; BeckOK Datenschutzrecht/Riesenhuber, § 26 BDSG Rn. 20; wohl auch Plath/Stamer/Kuhnke, BDSG, § 26 Rn. 13. 470 Sydow/Tiedemann, BDSG, § 26 Rn. 19. 471 Gola, BB 2017, 1462, 1463, 1465; Grau/Dzida, NZA 2017, 1515, 1518; Kort, NZA 2018, 1097, 1099 f.; Kramer, NZA 2018, 637, 638; Forgó/Helfrich/Schneider/Schröder, Betrieblicher Datenschutz, Teil VI Kap. 3 Rn. 59; Schwartmann/Jasper/Thüsing/Kugelmann/ Thüsing/Schmidt, BDSG, § 26 Rn. 32; Taeger/Gabel/Zöll, BDSG, § 26 Rn. 46; zu § 32 BDSG a. F. Schemmel/Ruhmannseder/Witzigmann, Hinweisgebersysteme, Kapitel 6 Rn. 63, 70. 466
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Teil 3: Implementierung unternehmensinterner Meldesysteme
Vor diesem Hintergrund kann Art. 6 Abs. 1 UAbs. 1 lit. f) DS-GVO im Zusammenhang mit dem Betrieb eines Hinweisgebersystems472 daher nicht ohne weiteres als Rechtsgrundlage herangezogen werden.473 Möglich ist jedoch, die Einrichtung interner Meldesysteme als Mittel der Compliance474, losgelöst von einem Beschäftigungsverhältnis, zu verstehen, sodass die damit verbundenen Datenverarbeitungsprozesse auch nicht (primär) dem Beschäftigungszweck dienen.475 Compliance dient im Ergebnis der Wahrung des Rechts durch das Unternehmen, der Vermeidung etwaiger Haftung des Unternehmens und auch dem Schutz der unternehmerischen Reputation.476 Bereits die Datenschutzkonferenz hatte zu Art. 6 Abs. 1 UAbs. 1 lit. f) DS-GVO, ohne hierbei auf die Zweckbestimmung einzelner Arbeitsverhältnisse einzugehen, ausgeführt, dass die Einrichtung und der Betrieb von Hinweisgebersystemen der finanziellen Sicherheit auf den internationalen Finanzma¨ rkten, der Verhu¨ tung von Betrug und Fehlverhalten in Bezug auf die Rechnungslegung, internen Rechnungslegungskontrollen, Fragen der Wirtschaftspru¨ fung sowie der Beka¨ mpfung von Korruption, Banken- und Finanzkriminalita¨ t oder Insider-Gescha¨ ften diene.477 Eine solche Betrachtung ist auch nach Umsetzung der Whistleblowing-Richtlinie möglich und überzeugend. Das Ziel der Richtlinie liegt in der Förderung der Rechtsdurchsetzung. Durch die Implementierung von speziellen Meldesystemen soll Whistleblowern ein Anreiz zur Meldung geschaffen und entsprechend Rechtsverstöße (im Interesse der Allgemeinheit) aufgedeckt werden.478 Die künftige Einrichtung der Meldesysteme wird insofern der Aufdeckung und Beseitigung von Rechtsverstößen, verwirklicht durch Unternehmen, dienen und nicht primär der Überprüfung des regelkonformen Verhaltens der einzelnen Beschäftigten, auch wenn dies regelmäßig eng mit dem Vorliegen und der Beseitigung eines Rechtsverstoßes des Unternehmens verbunden ist. Es kann angenommen werden, dass die damit verbundenen Datenverarbeitungsprozesse entsprechend zur Gewährleistung der Regelkonformität des Unternehmens erfolgen. Bei dieser Zweckrichtung können sämtliche Vorgänge der Datenverarbeitung im Zusammenhang mit dem Betrieb eines internen Meldesystems einheitlich an Art. 6 Abs. 1 UAbs. 1 lit. f) DS-GVO beurteilt werden. 472
2394.
Küttner/Kania, Personalbuch 2020, Whistleblowing Rn. 17; Weidmann, DB 2019, 2393,
473 Differenzierend auch Taeger/Gabel/Zöll, BDSG, § 26 Rn. 46; im Ergebnis wohl auch Franzen, Working Paper, 13, 18 ff. 474 Zu Hinweisgebersystemen als Mittel der Compliance Bürkle/Hauschka/Buchert, Der Compliance Officer, § 10 Rn. 3; Egger, CCZ 2018, 126, 126; Sonnenberg, JuS 2017, 917, 920. 475 Forgó/Helfrich/Schneider/Schröder, Betrieblicher Datenschutz, Teil VI Kap. 3 Rn. 17, 59; zu §§ 28, 32 BDSG a. F. Boecken/Düwell/Diller/Hanau/Brink, Gesamtes Arbeitsrecht, § 32 BDSG Rn. 152. 476 Kremer u. a./Bachmann/Kremer, Teil 3 G5 Rn. 22 m. w. N. 477 DSK, Orientierungshilfe der Datenschutzbehörden zu Whistleblowing-Hotlines, S. 5. 478 Erwägungsgrund (3) zur RL 2019/1937, Amtsblatt der Europäischen Union, L 305/17.
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(2) Zulässigkeitsanforderungen Voraussetzung der Zulässigkeit der Datenverarbeitung nach Art. 6 Abs. 1 UAbs. 1 lit. f) DS-GVO ist, dass sie für die Wahrung der berechtigten Interessen des Verantwortlichen oder eines Dritten erforderlich ist und die Interessen, Grundrechte oder Grundfreiheiten der betroffenen Person überwiegen. Fraglich ist, ob jede Verarbeitung von Daten verdächtigter Personen auf Grundlage interner Meldung de lege ferenda diesen Anforderungen genügen wird. Auf Seiten des Verantwortlichen sind sämtliche rechtlichen, wirtschaftlichen und ideellen Interessen479, unter Einfluss seiner Grundfreiheiten480, zu berücksichtigen. Interessen der Allgemeinheit können auf die rechtliche Beurteilung dagegen keinen Einfluss nehmen.481 Die Absicherung der Regelkonformität des Unternehmens stellt ein berechtigtes Interesse im Sinne des Art. 6 Abs. 1 UAbs. 1 lit. f) DS-GVO dar. Die Datenverarbeitung muss zur Wahrung des berechtigten Interesses jedoch auch erforderlich sein. Entscheidend hierfür ist, dass die Verarbeitung zur Zweckerreichung objektiv geeignet ist und keine andere, mildere, dem Verantwortlichen zumutbare Handlungsoption besteht.482 Zuletzt müssen die Interessen und Rechte der betroffenen Person mit denen des Verantwortlichen im Einzelfall abgewogen werden.483 Die zu treffende Abwägungsentscheidung ist „grundsätzlich von den konkreten Umständen des betreffenden Einzelfalls abhängig“.484 Auf der Seite des Betroffenen sind sämtliche Interessen, Grundrechte und Grundfreiheiten, unter Beachtung der Schwere der Beeinträchtigung, berücksichtigungsfähig.485 Für die verdächtigte Person besteht insbesondere das Risiko der Viktimisierung und Stigmatisierung.486 Zur Beurteilung der Abwägungsentscheidung kann auf die von der Datenschutzkonferenz aufgestellten Grundsätze verwiesen werden. Sie hat ein abgestuftes Schutzkonzept entwickelt487, welches als Leitlinie bei dem Umgang mit den Daten 479 BeckOK Datenschutzrecht/Albrecht/Veit, Art. 6 DS-GVO Rn. 49; Kühling/Buchner/ Buchner/Petri, DS-GVO, Art. 6 Rn. 146a; Gola/Schulz, DS-GVO, Art. 6 Rn. 57; Spindler/ Schuster/Spindler/Dalby, 3. Teil Art. 6 DS-GVO Rn. 14. 480 Kühling/Buchner/Buchner/Petri, DS-GVO, Art. 6 Rn. 147. 481 Kühling/Buchner/Buchner/Petri, DS-GVO, Art. 6 Rn. 146a. 482 Gola/Schulz, DS-GVO, Art. 6 Rn. 20, 59; Schantz/Wolff/Wolff, Das neue Datenschutzrecht, Rn. 433 ff. 483 BeckOK Datenschutzrecht/Albers/Veit, Art. 6 DS-GVO Rn. 49, 51; Gola/Schulz, DSGVO, Art. 6 Rn. 58 f., 67. 484 EuGH, Urteil vom 4. 5. 2017 – C-13/16 (Rı¯gas satiksme), GRUR-RS 2017, 108615, Rn. 31. 485 Ehmann/Selmayr/Heberlein, DS-GVO, Art. 6 Rn. 28 f. 486 DSK, Orientierungshilfe der Datenschutzaufsichtsbehörde zu Whistleblowing-Hotlines, S. 5; Düsseldorfer Kreis, Whistleblowing-Hotlines: Firmeninterne Warnsysteme und Beschäftigtendatenschutz, S. 3. 487 So auch Baranowski/Glaßl, CB 2018, 271, 275.
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des Verdächtigten im Rahmen eines internen Meldesystems dient.488 Danach würde bei Verstößen gegen Straftatbestände zu Lasten des Unternehmens oder Verletzungen von Menschenrechten, Verstöße gegen den Umweltschutz oder das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz489 („harte Faktoren“) regelmäßig das unternehmerische Interesse überwiegen, da an diese Meldegegenstände auch rechtliche Konsequenzen geknüpft werden (Schadensersatzforderungen, Imageschäden, Strafverfolgung).490 Sofern dagegen bloß die von dem Unternehmen aufgestellten Ethikregeln missachtet würden („weiche Faktoren“), bedürfe es einer Abwägung im Einzelfall, wobei grundsätzlich davon auszugehen sei, dass die Interessen der betroffenen Person überwiegen.491 Zwar kann die Verarbeitung der Daten (Erhebung und (Weiter-)Verarbeitung) insofern im Einzelfall über Art. 6 Abs. 1 UAbs. 1 lit. f) DS-GVO gerechtfertigt werden. Mit Blick auf die künftig zulässigen Meldegegenstände (vgl. Art. 2 Abs. 1 EU-RL 2019/1937) wird es jedoch kaum möglich sein, bei jeder Meldung eine entsprechende Einordnung und eine zu treffende Abwägung vorzunehmen. Es ist vielmehr sogar fraglich, ob überhaupt jeder Rechtsverstoß, der nach den Vorgaben des künftigen Hinweisgeberschutzgesetzes intern gemeldet werden darf, den „harten“ Faktoren zugeordnet werden kann und eine Datenverarbeitung damit zulässig sein würde. Mit einer Interessenabwägung im Einzelfall geht auch immer eine Rechtsunsicherheit einher.492 Die Anwendung des Art. 6 Abs. 1 UAbs. 1 lit. f) DSGVO ist folglich mit einem erheblichen Risiko der Rechtswidrigkeit der Datenverarbeitungsvorgänge verbunden. Art. 6 Abs. 1 UAbs. 1 lit. f) DS-GVO bietet keine Garantie für eine zulässige Datenverarbeitung anlässlich jeder einzelnen Meldung. Es besteht somit ein berechtigtes Bedürfnis nach einer gesetzlichen Regelung speziell für den Fall interner Meldesysteme.493
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Neuhöfer, jurisPR-Compl 3/2018 Anm. 2. DSK, Orientierungshilfe der Datenschutzaufsichtsbehörde zu Whistleblowing-Hotlines, S. 3, 5; Düsseldorfer Kreis, Whistleblowing-Hotlines: Firmeninterne Warnsysteme und Beschäftigtendatenschutz, S. 3. 490 DSK, Orientierungshilfe der Datenschutzaufsichtsbehörde zu Whistleblowing-Hotlines, S. 5; Düsseldorfer Kreis, Whistleblowing-Hotlines: Firmeninterne Warnsysteme und Beschäftigtendatenschutz, S. 3. 491 DSK, Orientierungshilfe der Datenschutzaufsichtsbehörde zu Whistleblowing-Hotlines, S. 3, 5 f. 492 So auch Kühling/Buchner/Buchner/Petri, DS-GVO, Art. 6 Rn. 142 ff.; Groß/Platzer, NZA 2017, 1097, 1102; Simitis/Hornung/Spiecker gen. Döhmann/Schantz, DS-GVO, Art. 6 Abs. 1 Rn. 86; zu § 32 BDSG a. F. auch VGR/Thüsing/Fütterer, Whistleblowing im Spannungsfeld von Gesellschaftsrecht, Arbeitsrecht und Datenschutz, IV., Einl. 493 Groß/Platzer, NZA 2017, 1097, 1102 f.; VGR/Thüsing/Fütterer, Whistleblowing im Spannungsfeld von Gesellschaftsrecht, Arbeitsrecht und Datenschutz, IV., Einl. 489
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cc) Zulässigkeit nach Art. 6 Abs. 1 UAbs. 1 lit. a) DS-GVO und § 26 Abs. 2 BDSG Die Datenverarbeitung kann in der Regel auch nicht auf eine Einwilligung (Art. 6 Abs. 1 UAbs. 1 lit. a) DS-GVO bzw. § 26 Abs. 2 BDSG) gestützt werden.494 In Art. 6 Abs. 1 UAbs. 1 lit. a) DS-GVO ist eine „allgemeine“ Einwilligungslösung normiert, in § 26 Abs. 2 BDSG der spezielle Fall der Einwilligung eines Beschäftigten. Die zeitweise gerügten Bedenken hinsichtlich der Freiwilligkeit einer Einwilligung im Rahmen eines Beschäftigungsverhältnisses495 sind jedenfalls mit Einführung des § 26 Abs. 2 BDSG beseitigt.496 Die Zulässigkeit einer solchen Einwilligung entspricht auch der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts, wonach allein die Abhängigkeit des Arbeitnehmers und das Weisungsrecht des Arbeitgebers die Freiwilligkeit nicht ausschließen.497 Eine Einwilligung in eine Datenverarbeitung muss erst recht möglich sein, da die Zulässigkeit des Vorgangs über § 26 Abs. 1 BDSG (§ 32 BDSG a. F.) sogar ohne Einwilligung begründet werden kann.498 Dies ändert jedoch nichts daran, dass die Frage der Freiwilligkeit ausweislich des ausdrücklichen Kriteriums in § 26 Abs. 2 BDSG in jedem Einzelfall gesondert beurteilt werden und vorliegen muss. Ungeachtet dessen wird es meist nicht gelingen, die Verarbeitung der Daten der verdächtigten Person durch eine Einwilligung zu „rechtfertigen“499. Im Zeitpunkt der Datenerhebung (Meldung) liegt noch keine Zustimmung der betroffenen Person vor. Nichts anderes kann für die anschließenden Datenverarbeitungsprozesse angenommen werden. Die verantwortliche Stelle wird regelmäßig während des gesamten Vorgangs kein Interesse daran haben, die verdächtigte Person über die Vorwürfe zu informieren. Es bestünde das Risiko, dass diese die Aufklärung vereitelt oder erschwert.500 Die Einwilligung der verdächtigten Person und ihre damit verbundene Information wären dem Zweck der Datenverarbeitung abträglich. Diese Problematik könnte dadurch überwunden werden, dass eine Einwilligung bereits im Vorfeld (vor Durchführung der Datenverarbeitung) eingeholt würde. Eine vorsorgliche, auf die konkrete Datenverarbeitung bezogene Einwilligung ist jedoch 494
So auch Groß/Platzer, NZA 2017, 1097, 1101. Brink/Schmidt, MMR 2010, 592, 593; Mengel, CCZ 2008, 85, 89; zu dieser Problematik umfassend Riesenhuber, RdA 2011, 257, 261; von Zimmermann, RDV 2006, 242, 244. 496 So auch BeckOK Datenschutzrecht/Riesenhuber, § 26 BDSG Rn. 46; im Ergebnis auch Forgó/Helfrich/Schneider/Schröder, Betrieblicher Datenschutz, Teil VI Kap. 3 Rn. 55; a. A. Franzen, Working Paper, 13, 18 f. 497 BAG, Urteil vom 11. 12. 2014 – 8 AZR 1010/13, NZA 2015, 604, 607; BAG, Urteil vom 19. 2. 2015 – 8 AZR 1011/13, MMR 2015, 544, 546. 498 BAG, Urteil vom 19. 2. 2015 – 8 AZR 1011/13, MMR 2015, 544, 546. 499 Es handelt es bei der Einwilligung um ein tatbestandsausschließendes Einverständnis, vgl. Riesenhuber, RdA 2011, 257, 258; BeckOK Datenschutzrecht/Riesenhuber, § 26 BDSG Rn. 43. 500 So auch Diepold/Loof, CB 2017, 25, 27; von Zimmermann, RDV 2006, 242, 244. 495
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nicht möglich, da in diesem Zeitpunkt noch nicht absehbar ist, welche konkreten Daten künftig verarbeitet werden.501 Um dieses Hindernis zu überwinden, käme lediglich eine vorsorgliche „Global-Einwilligung“, also eine Einwilligung für alle eventuell später anfallenden Datenverarbeitungen502, in Betracht.503 Dem werden jedoch berechtigterweise erhebliche rechtliche Bedenken entgegengebracht.504 Eine Global-Einwilligung trägt dem Erfordernis der Bestimmtheit der Zustimmung zur konkreten Datenverarbeitung505 unzureichend Rechnung506 und wäre daher unwirksam507. dd) Zulässigkeit nach Art. 6 Abs. 1 UAbs. 1 lit. c) DS-GVO Die Zulässigkeit der Verarbeitung der Daten der verdächtigten Person könnte sich künftig aus Art. 6 Abs. 1 UAbs. 1 lit. c) DS-GVO ergeben.508 Gemäß Art. 6 Abs. 1 UAbs. 1 lit. c) DS-GVO ist eine Datenverarbeitung rechtmäßig, wenn die Verarbeitung zur Erfüllung einer rechtlichen Verpflichtung des Verantwortlichen erforderlich ist. Art. 6 Abs. 1 UAbs. 1 lit. c) DS-GVO gilt sowohl für den öffentlichen als auch für den privaten Bereich.509 Über Art. 6 Abs. 1 UAbs. 1 lit. c) DS-GVO finden (spezielle) Rechtsgrundlagen für die Datenverarbeitung außerhalb der DatenschutzGrundverordnung Anwendung.510 Es handelt sich um ein „Einfallstor“511 für nationale Vorschriften. Fraglich ist, ob die Unternehmen de lege ferenda einer Verpflichtung im Sinne des Art. 6 Abs. 1 UAbs. 1 lit. c) DS-GVO unterworfen werden, die sämtliche Datenverarbeitungsvorgänge im Zusammenhang mit dem Betrieb interner Meldesysteme rechtfertigen kann. Voraussetzung für die Zulässigkeit nach Art. 6 Abs. 1 UAbs. 1 lit. c) DS-GVO ist, dass sich die Pflicht unmittelbar auf die Datenverarbeitung be-
501
Küttner/Kania, Personalbuch 2020, Whistleblowing Rn. 17. Grimm/Kühne, ArbRB 2018, 218, 218. 503 Mengel, CCZ 2008, 85, 89. 504 Mengel, CCZ 2008, 85, 89. 505 BeckOK Datenschutzrecht/Riesenhuber, § 26 BDSG Rn. 46, 46a.1. 506 Mengel, CCZ 2008, 85, 89. 507 Schantz/Wolff/Wolff, Das neue Datenschutzrecht, Rn. 527; zum BDSG a. F. auch LG Berlin, Urteil vom 30. 4. 2013 – 15 O 92/12, ZD 2013, 451, 453. 508 Zu der Anwendung des Art. 6 Abs. 1 UAbs. 1 lit. c) DS-GVO auch Altenbach/Dierkes, CCZ 2020, 126, 127; Forst, EuZA 2020, 283, 294; Franzen, Working Paper, 13, 19; Weidmann, DB 2019, 2393, 2393 f. 509 BeckOK Datenschutzrecht/Albers/Veit, Art. 6 DS-GVO, Rn. 35. 510 BeckOK Datenschutzrecht/Albers/Veit, Art. 6 DS-GVO Rn. 35; Simitis/Hornung/Spiecker gen. Döhmann/Roßnagel, DS-GVO, Art. 6 Abs. 1 Rn. 52. 511 BeckOK Datenschutzrecht/Albers/Veit, Art. 6 DS-GVO Rn. 35. 502
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zieht.512 Spiegelbildlich bedeutet dies, dass es nicht genügt, wenn der Verantwortliche zur Erfüllung der rechtlichen Pflicht auch Daten verarbeiten muss.513 Teilweise wird in der Literatur vertreten, dass bereits in dem Umsetzungsakt zu Art. 8 Abs. 1 EU-RL 2019/1937 eine Verpflichtung im Sinne des Art. 6 Abs. 1 UAbs. 1 lit. c) DS-GVO für jede einzelne Datenverarbeitung, die mit dem Betrieb eines internen Meldesystems einhergeht, bestehen würde.514 Dies könnte jedoch, wenn überhaupt, nur für die Erhebung der Daten angenommen werden. Mit Umsetzung der Vorgaben des Art. 8 Abs. 1 EU-RL 2019/1937 auf nationaler Ebene werden Unternehmen (teilweise) zur Einrichtung und zum Betrieb interner Meldekanäle verpflichtet. Damit wird gleichzeitig eine Datenerhebung einhergehen, da bereits in der Einrichtung eines internen Meldekanals der ausreichende aktive Beitrag gesehen werden kann.515 Die Pflicht zur Implementierung und anschließenden Inbetriebnahme interner Meldekanäle ist daher mit einer unmittelbaren Verpflichtung zur Datenerhebung verbunden. Anders ist dies jedoch für sämtliche folgende Datenverarbeitungsprozesse zu beurteilen (bspw. Datenaustausch zwischen den eingebundenen Stellen, Folgemaßnahmen, zusätzliche (freiwillige)516 Dokumentation von Daten). Eine Verpflichtung, die sich unmittelbar auf jede mögliche Datenverarbeitung bezieht, wird de lege ferenda nicht bestehen. Ohne eine zusätzliche gesetzliche Regelung kann nur die erste Erhebung der Daten der verdächtigten Person auf Art. 6 Abs. 1 UAbs. 1 lit. c) DS-GVO in Verbindung mit der nationalen Vorschrift gestützt werden. Es handelt sich somit ebenfalls um eine lückenhafte und damit unzulängliche Lösung, um die Datenschutzkonformität der Meldesysteme umfassend zu gewährleisten. b) Rechtsgrundlage für die Verarbeitung der Daten Dritter Von Bedeutung im Zusammenhang mit dem Betrieb interner Meldesysteme ist zudem die Verarbeitung von Daten sonstiger Dritter, denen selbst kein Vorwurf zur Last fällt. Die Verarbeitung ihrer Daten muss ebenfalls auf eine Rechtsgrundlage gestützt werden können.
512 LSG Hessen, Beschluss vom 29. 1. 2020 – L 4 SO 154/19 B, Rn. 15 auf juris.de; Kühling/ Buchner/Buchner/Petri, DS-GVO, Art. 6 Rn. 76; Schantz/Wolff/Wolff, Das neue Datenschutzrecht, Rn. 595 f. 513 Kühling/Buchner/Buchner/Petri, DS-GVO, Art. 6 Rn. 76; Schantz/Wolff/Wolff, Das neue Datenschutzrecht, Rn. 595 f.; a. A. Sydow/Reimer, DS-GVO, Art. 6 Rn. 28. 514 Altenbach/Dierkes, CCZ 2020, 126, 127; Weidmann, DB 2019, 2393, 2393 f. 515 Hierzu unter Teil 3 D. I. 2. b) aa). 516 Hierzu unter Teil 3 C. II. 1. b).
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Teil 3: Implementierung unternehmensinterner Meldesysteme
aa) Zulässigkeit nach § 26 Abs. 1 BDSG Für die Verarbeitung der Daten einer dritten, nicht verdächtigten Person könnte § 26 Abs. 1 BDSG als Rechtsgrundlage herangezogen werden. Jedenfalls in Fällen, in denen der Dritte ein Beschäftigter im Sinne des § 26 Abs. 8 BDSG ist, kann § 26 Abs. 1 BDSG Anwendung finden. (1) Zulässigkeit der Datenverarbeitung nach § 26 Abs. 1 S. 1 BDSG Fraglich ist, ob § 26 Abs. 1 S. 1 BDSG eine taugliche Rechtsgrundlage für die Verarbeitung der Daten eines gänzlich unverdächtigen Dritten bietet. Wie bereits dargestellt, ermöglicht § 26 Abs. 1 S. 1 BDSG, bei Vorliegen der Voraussetzungen der Vorschrift, die anlassunabhängige Datenverarbeitung im Beschäftigungsverhältnis. Da im Zeitpunkt der Erhebung der Daten517 noch kein konkreter Verdacht gegenüber einer bestimmten Person besteht, kann § 26 Abs. 1 S. 1 BDSG dem Grunde nach als Rechtsgrundlage für die erste Erhebung der Daten der im Ergebnis unverdächtigen dritten Person herangezogen werden. Für die anschließenden Verarbeitungsprozesse bietet § 26 Abs. 1 S. 1 BDSG dagegen keine Rechtsgrundlage. Die an eine Meldung sich anschließenden Maßnahmen dienen der Aufdeckung und Beseitigung eines konkreten Verdachts, gerichtet gegen den in der Meldung Verdächtigten. Die Verarbeitung der Daten des unverdächtigen Beschäftigten sind nicht zur Begründung, Durchführung oder Beendigung seines Beschäftigungsverhältnisses erforderlich.518 Seine Daten dürfen daher, sofern keine weitere Rechtsgrundlage anwendbar ist, im Zuge der Folgemaßnahmen nicht verarbeitet werden. (2) Zulässigkeit der Datenverarbeitung nach § 26 Abs. 1 S. 2 BDSG Zumindest für den Fall repressiver Maßnahmen (Folgemaßnahmen) anlässlich des Verdachts einer Straftat könnte § 26 Abs. 1 S. 2 BDSG als Rechtsgrundlage in Betracht kommen. Dies wäre jedoch nur möglich, wenn § 26 Abs. 1 S. 2 BDSG auch eine Erlaubnis zur Verarbeitung der Daten sonstiger, unverdächtiger Dritter begründen kann. Zu § 32 Abs. 1 S. 2 BDSG a. F. wurde in der Literatur, unter Berufung auf den Wortlaut der Vorschrift („eines Beschäftigten […], wenn […] Anhaltspunkte den Verdacht begründen, dass der Betroffene […] eine Straftat begangen“), vertreten, dass § 32 Abs. 1 S. 2 BDSG a. F. ausschließlich als Rechtsgrundlage für die Verarbeitung der Daten der konkret verdächtigten Person und gerade nicht für die Verarbeitung der Daten von sonstigen (unverdächtigen) Dritten herangezogen werden
517
Die Meldung des Hinweisgebers unter Inanspruchnahme des Meldekanals. So auch Forgó/Helfrich/Schneider/Schröder, Betrieblicher Datenschutz, Teil VI. Kap. 3 Rn. 56; Weidmann, DB 2019, 2393, 2395. 518
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könne.519 Die Person, deren Daten verarbeitet wurden, hätte zugleich auch der Verdächtigte sein müsse.520 Andere Stimmen in der Literatur vertraten dagegen, dass § 32 Abs. 1 S. 2 BDSG a. F. trotz des Wortlauts auch die Datenverarbeitung sonstiger Dritter rechtfertigen könne.521 Diese Überlegung wird in der Literatur auch auf § 26 Abs. 1 S. 2 BDSG übertragen. Zumindest in solchen Fällen, in denen eine Datenerhebung bei dem Verdächtigten nicht ohne eine Datenerhebung bei dritten Personen möglich sei, würde sich die Erlaubnis des § 26 Abs. 1 BDSG auch auf letztere beziehen.522 Hierfür spricht neben der Gesetzesbegründung zu dem aktuellen Bundesdatenschutzgesetz523 auch der geänderte Wortlaut des § 26 Abs. 1 S. 2 BDSG.524 Obwohl § 26 Abs. 1 S. 2 BDSG somit in eng umgrenzten Einzelfällen auch die Verarbeitung der Daten eines unverdächtigen Beschäftigten grundsätzlich rechtfertigen kann, bietet diese Regelung im Zusammenhang mit dem Betrieb interner Meldesysteme eine unzulängliche Lösung. Nur in den seltenen Fällen, in denen der Verantwortliche bei der Durchführung einer Folgemaßnahme zwingend auf die Erhebung der Daten des unverdächtigen Dritten angewiesen ist, kann § 26 Abs. 1 S. 2 BDSG diese konkrete Datenverarbeitung rechtfertigen. bb) Zulässigkeit nach Art. 6 Abs. 1 UAbs. 1 lit. f) DS-GVO Art. 6 Abs. 1 UAbs. 1 lit. f) DS-GVO kann, wie bereits ausgeführt, als allgemeine Rechtsgrundlage – für Beschäftigte und für sonstige Dritte, bspw. Kollegen und Lieferanten – im Zusammenhang mit dem Betrieb interner Meldesysteme Anwendung finden, sofern die Einrichtung des Meldesystems nicht unter die Zweckbestimmung eines Beschäftigungsverhältnisses gefasst wird. Eine pauschale Annahme der Rechtmäßigkeit der Verarbeitung der Daten Dritter auf Grundlage des Art. 6 Abs. 1 UAbs. 1 lit. f) DS-GVO verbietet sich jedoch. Es muss für jeden Verarbeitungsvorgang unter Berücksichtigung der konkreten Umstände eine Abwägungsentscheidung getroffen werden. Kriterien sind neben den betroffenen Grundrechtspositionen und den allgemeinen Erforderlichkeitserwägungen unter anderem die Eingriffsintensität, die Art der verarbeiteten Daten, die Art 519
Brink, jurisPR-ArbR 47/2012 Anm. 1; Grimm/Freh, ZWH 2013, 89, 90; Schemmel/ Ruhmannseder/Witzigmann, Hinweisgebersysteme, Kapitel 6 Rn. 73; Vogel/Glas, DB 2009, 1747, 1750. 520 Vogel/Glas, DB 2009, 1747, 1750. 521 Pötters/Traut, RDV 2013, 132, 137; vgl. zur Videoüberwachung auch BAG, Urteil vom 27. 3. 2003 – 2 AZR 51/02, NZA 2003, 1193, 1995; BAG, Urteil vom 22. 9. 2016 – 2 AZR 848/ 15, NZA 2017, 112, 114. 522 BeckOK Datenschutzrecht/Riesenhuber, § 26 BDSG Rn. 132; ähnlich auch Thüsing/ Thüsing/Pötters, § 11 Rn. 50. 523 BT-Drucksache 18/11325, S. 96 f. 524 So auch Thüsing/Thüsing/Pötters, § 11 Rn. 50.
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Teil 3: Implementierung unternehmensinterner Meldesysteme
der betroffenen Person(en) (bspw. geringere Schutzbedürftigkeit von Lieferanten525), mögliche Aufgaben oder Pflichten, die Zwecke der Datenverarbeitung und Maßnahmen der Datensicherheit.526 cc) Zulässigkeit nach Art. 6 Abs. 1 UAbs. 1 lit. a) DS-GVO und § 26 Abs. 2 BDSG Es könnte zuletzt erwogen werden, ob auch seitens sonstiger Dritter eine Einwilligung (Art. 6 Abs. 1 UAbs. 1 lit. a) DS-GVO bzw. § 26 Abs. 2 BDSG) für die Verarbeitung ihrer Daten eingeholt werden könnte und damit auf das Erfordernis einer Abwägungsentscheidung verzichtet werden kann. Bezüglich der ersten Datenerhebung bieten Art. 6 Abs. 1 UAbs. 1 lit. a) DS-GVO bzw. § 26 Abs. 2 BDSG wie auch bereits im Fall der verdächtigten Person keine taugliche Lösung. Anders ist dies für die anschließenden Verarbeitungsprozesse zu beurteilen. Im Einzelfall wäre es möglich, dass die verantwortliche Stelle für diese die Zustimmung der betroffenen Person einholt. Dies kommt jedoch nur in solchen Fällen in Betracht, in denen eine Information der unverdächtigten Person nicht den Erfolg der anschließenden Folgemaßnahmen gefährden kann. dd) Zulässigkeit nach Art. 6 Abs. 1 UAbs. 1 lit. c) DS-GVO Die Zulässigkeit der Erhebung der Daten unverdächtiger Personen kann de lege ferenda mit der Pflicht zur Einrichtung interner Meldekanäle begründet werden. In diesem Fall kann Art. 6 Abs. 1 UAbs. 1 lit. c) DS-GVO als Rechtsgrundlage Anwendung finden. Da jedoch im Übrigen keine unmittelbare Pflicht zur anschließenden (Weiter-)Verarbeitung der Daten der unverdächtigen dritten Person bestehen wird, kann Art. 6 Abs. 1 UAbs. 1 lit. c) DS-GVO diese Datenverarbeitungsvorgänge nicht legitimieren. c) Rechtsgrundlage für die Verarbeitung der Daten des Hinweisgebers Von der Rechtmäßigkeit der Verarbeitung der Daten der (un)verdächtigten Person ist die des Hinweisgebers zu trennen. Die Verarbeitung seiner Daten unterliegt einer eigenständigen Rechtmäßigkeitskontrolle. Sämtliche Vorgänge der Verarbeitung seiner Daten müssen ebenfalls auf eine Rechtsgrundlage gestützt werden können. Entscheidend ist somit auch an dieser Stelle, ob das geltende Recht eine taugliche Rechtsgrundlage für die Verarbeitung der Daten von Hinweisgebern im Rahmen interner Meldesysteme bietet.
525 526
Forgó/Helfrich/Schneider/Schröder, Betrieblicher Datenschutz, Teil VI. Kap. 3 Rn. 22. Gola/Schulz, DS-GVO, Art. 6 Rn. 59.
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aa) Zulässigkeit nach Art. 6 Abs. 1 UAbs. 1 lit. a) DS-GVO und § 26 Abs. 2 BDSG Die Zulässigkeit der Verarbeitung der Daten des Hinweisgebers könnte sich aus einer Einwilligung nach Art. 6 Abs. 1 UAbs. 1 lit. d) DS-GVO und § 26 Abs. 2 BDSB ergeben.527 Eine Einwilligung setzt gemäß Art. 4 Nr. 11 DS-GVO eine freiwillig für den bestimmten Fall, in informierter Weise und unmissverständlich abgegebene Willensbekundung in Form einer Erklärung oder einer sonstigen eindeutigen bestätigenden Handlung, mit der die betroffene Person zu verstehen gibt, dass sie mit der Verarbeitung der sie betreffenden personenbezogenen Daten einverstanden ist, voraus. Sofern ein Hinweisgeber eine solche Erklärung nicht ausdrücklich abgibt, könnte bereits in der ersten Kontaktaufnahme des Whistleblowers gegenüber der Meldestelle eine entsprechende (konkludente) Erklärung gesehen werden.528 Es muss hierbei jedoch zwischen beschäftigten und sonstigen Hinweisgebern differenziert werden. Handelt es sich bei der hinweisgebenden Person um einen Beschäftigten, muss gemäß § 26 Abs. 2 S. 3 BDSG grundsätzlich die Schriftform oder elektronische Form gewahrt werden. Eine konkludente Einwilligung allein durch das Erstatten einer Meldung kommt dann nicht in Betracht. Anders ist dies für die Einwilligung eines sonstigen Hinweisgebers zu beurteilen. Die Rechtsgrundlage des Art. 6 Abs. 1 UAbs. 1 lit. a) DS-GVO erfordert lediglich eine Einwilligung nach Art. 4 Nr. 11 DSGVO, ohne weitere einschränkende Anforderungen an diese zu stellen. Eine ausdrückliche oder schriftliche Willensbekundung ist nicht erforderlich; es genügt eine unmissverständliche Bestätigungshandlung.529 Auch konkludente Erklärungen sind somit möglich.530 Entsprechend könnte zumindest in diesem Fall eine solche Einwilligung des Whistleblowers angenommen werden. Die zuständige Stelle muss jedoch, unabhängig davon, ob sie eine ausdrückliche Einwilligung einholt oder eine konkludente Erklärung genügen lässt, die weiteren formellen Anforderungen des Art. 7 DS-GVO einhalten.531 Zudem ist zu berücksichtigen, dass ein Whistleblower seine zunächst (freiwillig) erteilte Einwilligung im weiteren Verlauf widerrufen (Art. 7 Abs. 3 S. 1 DS-GVO) kann. Die Rechtfertigung der Datenverarbeitung durch 527 So auch DSK, Orientierungshilfe der Datenschutzbehörden zu Whistleblowing-Hotlines, S. 7; Franzen, Working Paper, 13, 19 f.; Neuhöfer, jurisPR-Compl 3/2018 Anm. 2; VGR/ Thüsing/Fütterer, Whistleblowing im Spannungsfeld von Gesellschaftsrecht, Arbeitsrecht und Datenschutz, IV., Einl.; Thüsing/Fütterer/Jänsch, RDV 2018, 133, 135. 528 Seffer/Mayer-Wegelin, ITRB 2009, 41, 43. 529 BeckOK Datenschutzrecht/Albers/Veit, Art. 6 DS-GVO Rn. 24; Paal/Pauly/Frenzel, DS-GVO, Art. 6 Rn. 11. 530 Moos/Rothkegel, MMR 2019, 732, 738; Gola/Schulz, DS-GVO, Art. 7 Rn. 42; BeckOK Datenschutzrecht/Stemmer, Art. 7 DS-GVO Rn. 81. 531 Franzen, Working Paper, 13, 19 f.; Neuhöfer, jurisPR-Compl. 3/2018 Anm. 2; Thüsing/ Fütterer/Jänsch, RDV 2018, 133, 135.
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Teil 3: Implementierung unternehmensinterner Meldesysteme
eine Einwilligung ist mit erheblichen Unsicherheiten verbunden.532 Für den erfolgreichen Betrieb eines Meldesystems bietet sie aus diesem Grund eine unzureichende Lösung.533 bb) Zulässigkeit nach § 26 Abs. 1 BDSG Fraglich ist, ob § 26 Abs. 1 BDSG als Rechtsgrundlage für die Verarbeitung der Daten des Hinweisgebers fungieren kann. Sofern ein Unternehmen künftig seinen Meldekanal für sämtliche Personen des Art. 4 Abs. 1 bis Abs. 3 EU-RL 2019/1937 öffnet534, würde § 26 Abs. 1 BDSG keine allgemein anwendbare Rechtsgrundlage bieten. Nur in den Fällen, in denen der Whistleblower ein Beschäftigter im Sinne des § 26 Abs. 8 BDSG ist, kann § 26 Abs. 1 BDSG herangezogen werden. Die Anwendung des § 26 Abs. 1 S. 1 BDSG (im Fall eines hinweisgebenden Beschäftigten) wäre zudem nur möglich, wenn der Hinweisgeber zur internen Meldung von Verstößen verpflichtet ist.535 Zumindest im Anwendungsbereich der Richtlinie ist eine Verpflichtung zur vorrangigen internen Meldung künftig ausgeschlossen536, sodass § 26 Abs. 1 S. 1 BDSG keine taugliche Rechtsgrundlage für die Erhebung der Daten des Hinweisgebers darstellt. Auch für die anschließenden Verarbeitungsprozesse kann § 26 Abs. 1 S. 1 bzw. S. 2 BDSG nicht als Rechtsgrundlage herangezogen werden, da diese gerade darauf abzielen, den Verstoß durch die verdächtigte Person aufzudecken und zu beseitigen.537 cc) Zulässigkeit nach Art. 6 Abs. 1 UAbs. 1 lit. f) DS-GVO Im Übrigen verbleibt, wie gegenüber der (un)verdächtigten Person, zur Rechtfertigung der Verarbeitung der Daten eines Hinweisgebers nur ein Rückgriff auf Art. 6 Abs. 1 UAbs. 1 lit. f) DS-GVO. Die Zulässigkeit der Verarbeitung seiner Daten im Rahmen interner Meldesysteme wird de lege ferenda leichter angenommen werden können. Seine Meldung dient gerade der Aufdeckung und Beseitigung von Verstößen. Er wird daher eine Verarbeitung seiner selbst weitergegebenen Daten 532
Altenbach/Dierkes, CCZ 2020, 126, 128; Mengel, CCZ 2008, 85, 89; Grobys/PanzerHeemeier/Mengel, Whistleblowing Rn. 13; Schürrle/Albers, CCZ 2010, 178, 179; Seffer/ Mayer-Wegelin, ITRB 2009, 41, 43; von Zimmermann, RDV 2006, 242, 244. 533 Kritisch auch Altenbach/Dierkes, CCZ 2020, 126, 128; Wisskirchen/Körber/Bissels, BB 2006, 1567, 1570. 534 Hierzu unter Teil 3 B. II. 1. b) bb) (2). 535 MAH ArbR/Dendorfer-Ditges, § 35 Rn. 284; Weidmann, DB 2019, 2393, 2394; zu § 32 a. F. bereits Fahrig, NZA 2010, 1223, 1223; Schemmel/Ruhmannseder/Witzigmann, Hinweisgebersysteme, 6. Kapitel Rn. 66; Steigert, 137 ff. 536 Hierzu unter Teil 2 B II. 3. b) bb) (2) (a) (bb) und Teil 2 C. II. 3. 537 Zu § 32 BDSG a. F. bereits Steigert, 139 f.
D. Datenschutzkonformität interner Meldesysteme
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zumindest zu diesem Zweck erwarten dürfen. Dies ist regelmäßig zumindest ein Indiz für das Überwiegen der Interessen des Verantwortlichen.538 dd) Zulässigkeit nach Art. 6 Abs. 1 UAbs. 1 lit. c) DS-GVO Art. 6 Abs. 1 UAbs. 1 lit. c) DS-GVO kann de lege ferenda lediglich als Rechtsgrundlage für die erste Erhebung der Daten eines hinweisgebenden Arbeitnehmers fungieren. Der Meldekanal muss mit Umsetzung der Richtlinienvorgaben auf nationaler Ebene ausschließlich für diese Personengruppe zwingend geöffnet werden.539 Anschließende Prozesse der Datenverarbeitung können mangels gesetzlicher Verpflichtung nicht auf Art. 6 Abs. 1 UAbs. 1 lit. c) DS-GVO gestützt werden. d) Zwischenergebnis Die Anwendung der dargestellten Vorschriften der Datenschutz-Grundverordnung und des Bundesdatenschutzgesetzes im Zusammenhang mit dem Betrieb interner Meldesysteme bietet keine rechtssichere Lösung. Die zuständigen Stellen würden sich der Schwierigkeit ausgesetzt sehen, für sämtliche Verarbeitungsvorgänge bezüglich der Daten von Hinweisgeber, verdächtigter Person und sonstigen Dritten divergierende gesetzliche Anforderungen berücksichtigen zu müssen. Dem ist die Gefahr immanent, dass einzelne Datenverarbeitungsprozesse im Zusammenhang mit den unternehmensinternen Meldesystemen rechtswidrig sind. Vor diesem Hintergrund muss angenommen werden, dass der Gesetzgeber, ohne regulatorisch tätig zu werden, die Datenschutzkonformität der internen Meldesysteme unzureichend gewährleisten würde. Dies würde nicht nur den Vorgaben des Art. 17 UAbs. 1 EU-RL 2019/1937 widersprechen, sondern auch die wirksame Richtlinienumsetzung gefährden. 2. Normierung einer Ermächtigung zur Datenverarbeitung Aus diesem Grund muss der Gesetzgeber regulatorische tätig werden. Er hat eine einheitliche Rechtsgrundlage für sämtliche Datenverarbeitungsvorgänge zu normieren. Er sollte die zuständigen Stellen der internen Meldesysteme, die die Unternehmen de lege ferenda einrichten müssen, zur Verarbeitung sämtlicher personenbezogener Daten (der verdächtigten Personen, der Hinweisgeber und der sonstigen Dritten) ermächtigen. Durch diese Regelung kann er die Anwendung des Art. 6 Abs. 1 UAbs. 1 lit. e) DS-GVO begründen. Gemäß Art. 6 Abs. 1 UAbs. 1 lit. e) Alt. 1 DS-GVO ist eine Datenverarbeitung rechtmäßig, wenn die Verarbeitung für die Wahrnehmung einer Aufgabe erforderlich ist, die im öffentlichen Interesse liegt. 538 539
Albrecht/Jotzo, Teil 3 Rn. 51. Hierzu unter Teil 3 B. II. 1. b) bb) (2).
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Teil 3: Implementierung unternehmensinterner Meldesysteme
Art. 6 Abs. 1 UAbs. 1 lit. e) Alt. 1 DS-GVO gilt auch für Personen des Privatrechts, denen eine solche Aufgabe übertragen wurde.540 Diese Regelung des Art. 6 Abs. 1 DS-GVO legitimiert für sich genommen jedoch noch keine Datenverarbeitung.541 Vielmehr muss die Datenverarbeitung im Sinne des Art. 6 Abs. 1 UAbs. 1 lit. e) DSGVO wiederum auf eine zusätzliche nationale Rechtsgrundlage gestützt werden können.542 a) Regelungsbefugnis der Mitgliedstaaten Problematisch ist jedoch, woraus sich die erforderliche Regelungsbefugnis des Gesetzgebers zum Erlass einer solchen nationalen (speziellen) Regelung im Anwendungsbereich der Datenschutz-Grundverordnung ergibt. Diese könnte aus Art. 6 Abs. 2 DS-GVO und/oder aus Art. 6 Abs. 3 DS-GVO folgen. Gemäß Art. 6 Abs. 2 DS-GVO können die Mitgliedstaaten spezifischere Bestimmungen zur Anpassung der Anwendung der Vorschriften dieser Verordnung in Bezug auf die Verarbeitung zur Erfüllung von Art. 6 Abs. 1 UAbs. 1 lit. e) DS-GVO einführen, indem sie spezifische Anforderungen für die Verarbeitung sowie sonstige Maßnahmen präziser bestimmen. Art. 6 Abs. 3 S. 1 DS-GVO bestimmt dagegen, dass die Rechtsgrundlage für die Verarbeitungen gemäß Art. 6 Abs. 1 UAbs. 1 lit. e) DS-GVO durch das Recht des Mitgliedstaates, dem der Verantwortliche unterliegt, festgelegt wird. In Art. 6 Abs. 3 S. 3 DS-GVO ist zudem normiert, dass diese Rechtsgrundlage spezifische Bestimmungen zur Anpassung der Anwendung der Vorschriften dieser Verordnung enthalten kann. In der juristischen Literatur besteht Uneinigkeit darüber, ob Art. 6 Abs. 2 DS-GVO und/oder Art. 6 Abs. 3 DS-GVO als Öffnungsklausel für nationale Regelungen im Rahmen des Art. 6 Abs. 1 UAbs. 1 lit. e) DS-GVO dient und wie weit der durch die Vorschriften jeweils vermittelte Regelungsspielraum reicht. aa) Verhältnis von Art. 6 Abs. 2 DS-GVO und Art. 6 Abs. 3 DS-GVO zueinander Zum Teil wird angenommen, dass in Art. 6 Abs. 2 und Abs. 3 DS-GVO gemeinsam die Regelungsbefugnis der Mitgliedstaaten gesehen werden müsste543, wobei dies weder begründet noch näher ausdifferenziert wird. Auch wird vereinzelt vertreten, dass allein Art. 6 Abs. 3 DS-GVO die maßgebliche Öffnungsklausel sei, neben der Art. 6 Abs. 2 DS-GVO lediglich eine klarstellende Funktion zugesprochen 540
BVerwG, Urteil vom 27. 3. 2019 – 6 C 2/18, NJW 2019, 2556, 2561; Ku¨ hling/Buchner/ Buchner/Petri, DS-GVO, Art. 6 Rn. 111; Ehmann/Selmayr/Heberlein, DS-GVO, Art. 6 Rn. 21. 541 BeckOK Datenschutzrecht/Albers/Veit, Art. 6 DS-GVO Rn. 42; Ku¨ hling/Buchner/ Buchner/Petri, DS-GVO, Art. 6 Rn. 120. 542 Ku¨ hling/Buchner/Buchner/Petri, DS-GVO, Art. 6 Rn. 120; Gola/Schulz, DS-GVO, Art. 6 Rn. 48. 543 Schantz, NJW 2016, 1841, 1842; Gola/Schulz, DS-GVO, Art. 6 Rn. 197; in diese Richtung wohl auch BVerwG, Urteil vom 27. 9. 2018 – 7 C 5/17, NVwZ 2019, 473, 475: „Auf die Öffnungsklausel in Art. 6 II und III DS-GVO […].“.
D. Datenschutzkonformität interner Meldesysteme
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werden könne.544 Demgegenüber wird zum Teil auch auf Art. 6 Abs. 3 DS-GVO abgestellt, wobei der daraus resultierende Regelungsspielraum durch die Vorgaben des Art. 6 Abs. 2 DS-GVO beschränkt werden müsste.545 Eine andere Ansicht verortet dagegen sowohl in Art. 6 Abs. 2 DS-GVO als auch in Art. 6 Abs. 3 DS-GVO selbstständige, voneinander unabhängige Öffnungsklauseln zu Gunsten mitgliedstaatlicher Regelungen.546 Eine wiederum andere Meinung in der Literatur nimmt dagegen eine „Verflechtung“ beider Absätze vor. Zwar sei Art. 6 Abs. 2 DS-GVO eine eigenständige Öffnungsklausel, diese würde aber wiederum durch Art. 6 Abs. 3 DS-GVO eine Konkretisierung erfahren.547 Es überzeugt nicht, der Regelung des Art. 6 Abs. 2 DS-GVO keine eigenständige Bedeutung zuzusprechen. Durch den zweiten Absatz wird den Mitgliedstaaten gerade das Recht zugebilligt, ihre innerstaatlichen Angelegenheiten selbst zu regeln.548 Art. 6 Abs. 2 DS-GVO wurde (nachträglich) auf Verlangen der Mitgliedstaaten eingeführt, um diesen im öffentlichen Sektor mehr Flexibilität einzuräumen.549 Durch diese Regelung wird den Mitgliedstaaten in übergreifender Weise grundsätzliche Regelungskompetenz zugesprochen; insbesondere auch dahingehend, dass sie lediglich mittelbar durch die Gestaltung der sachlichen Verwaltungskompetenzen und damit außerhalb von der Normierung von Datenschutzbestimmungen „spezifischere Bestimmungen zur Anpassung der Anwendung der Vorschriften dieser Verordnung“ beibehalten oder einführen können.550 Durch Art. 6 Abs. 3 DS-GVO wird den Mitgliedstaaten dagegen die Festlegung bestimmter Zulässigkeitsanforderungen an die Datenverarbeitung nach Art. 6 Abs. 1 UAbs. 1 lit. e) DS-GVO abverlangt.551 Beide Regelungen enthalten somit verschiedene Zielrichtungen, die es verbieten, eine Vorschrift gänzlich unberücksichtigt zu lassen. Dies spricht dafür, dass Art. 6 Abs. 2 DS-GVO der Rang einer Öffnungsklausel zugesprochen werden muss.
544
Kühling/Buchner/Buchner/Petri, DS-GVO, Art. 6 Rn. 120, 73, 83. Albrecht/Jotzo, Teil 3 Rn. 46. 546 Kühling/Martini, EuZW 2016, 448, 449; Simitis//Hornung/Spiecker gen. Döhmann/ Roßnagel, DS-GVO, Art. 6 Abs. 2 Rn. 7; Schantz/Wolff/Wolff, Das neue Datenschutzrecht, Rn. 621, 627 ff.; wohl auch Sydow/Reimer, DS-GVO, Art. 6 Rn. 45, 51; in diese Richtung wohl auch BVerwG, Urteil vom 27. 3. 2019 – 6 C 2/18, NJW 2019, 2556, 2562: „Daraus folgt, dass die Öffnungsklauseln des Art. 6 II und III für die Verarbeitung nach Art. 6 Abs. 1 UAbs. 1 lit. e DSGVO […].“; vgl. dagegen aber auch BVerwG, Urteil vom 27. 9. 2018 – 7 C 5/17, NVwZ 2019, 473, 475: „Auf die Öffnungsklausel in Art. 6 II und III DS-GVO […].“. 547 Benecke/Wagner, DVBl. 2016, 600, 601 f.; Ehmann/Selmayr/Heberlein, DS-GVO, Art. 6 Rn. 35 ff.; Plath/Plath, DS-GVO, Art. 6 Rn. 124, 127; Taeger/Gabel/Taeger, DS-GVO, Art. 6 Rn. 129. 548 Simitis/Hornung/Spiecker gen. Döhmann/Roßnagel, DS-GVO, Art. 6 Abs. 2 Rn. 18. 549 BeckOK Datenschutzrecht/Albers/Veit, Art. 6 DS-GVO Rn. 86 mit Berufung auf die Gesetzgebungsgeschichte. 550 BeckOK Datenschutzrecht/Albers/Veit, Art. 6 DS-GVO Rn. 86. 551 Simitis/Hornung/Spiecker gen. Döhmann/Roßnagel, DS-GVO, Art. 6 Abs. 2 Rn. 18. 545
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Teil 3: Implementierung unternehmensinterner Meldesysteme
Dieses Ergebnis kann auch damit begründet werden, dass in Art. 6 Abs. 2 DSGVO ausdrücklich die „Beibehaltung“ und die „Einführung“ spezifischer Bestimmungen vorgesehen sind, während sich die Ausführungen in Art. 6 Abs. 3 DS-GVO allein darauf beschränken, dass es einer nationalen Regelung bedarf und welchen Anforderungen diese genügen muss.552 Begrifflich setzt Art. 6 Abs. 3 DS-GVO das Bestehen einer Befugnis zum Erlass mitgliedstaatlichen Rechts voraus.553 Insofern ließe sich sogar annehmen, dass in Art. 6 Abs. 2 DS-GVO die Regelungsbefugnis der Mitgliedstaaten verankert sei und die Funktion des Art. 6 Abs. 3 DS-GVO sich in der Konkretisierung des zweiten Absatzes erschöpft.554 Dieser Ansatz lässt jedoch wiederum die Entstehungsgeschichte der Vorschrift gänzlich unberücksichtigt. Der zweite Absatz wurde erst nachträglich eingefügt, der dritte Absatz war dagegen von vornherein als Öffnungsklausel vorgesehen.555 Art. 6 Abs. 2 DS-GVO trägt dem Verlangen der Mitgliedstaaten der Europäischen Union Rechnung, im öffentlichen Bereich selbstständige Regelungsmöglichkeiten beizubehalten.556 Aus diesem Grund muss auch Art. 6 Abs. 3 DS-GVO, trotz missglückter Terminologie, als eigenständige Öffnungsklausel eingestuft werden. Der wesentliche Unterschied beider Vorschriften liegt darin, dass sich die Öffnungsklausel des Art. 6 Abs. 3 DS-GVO ausschließlich auf die Zulässigkeit der Datenverarbeitung bezieht und für diesen Fall spezieller gegenüber der Öffnungsklausel des zweiten Absatzes ist.557 bb) Vorgaben der jeweiligen Öffnungsklausel Geht man davon aus, dass in Art. 6 Abs. 2 DS-GVO und Art. 6 Abs. 3 DS-GVO zwei selbstständige Öffnungsklauseln zu verorten sind, stellt sich die Frage, wie weit die Regelungsbefugnis in ihrem jeweiligen Anwendungsbereich reicht. (1) Vorgaben des Art. 6 Abs. 2 DS-GVO Gemäß Art. 6 Abs. 2 DS-GVO können „spezifischere Bestimmungen zur Anpassung der Anwendung der Vorschriften dieser Verordnung mit Bezug auf die 552
Benecke/Wagner, DVBl. 2016, 600, 601. Schwartmann/Jaspers/Thüsing/Kugelmann/Schwartmann/Jacquemain, DS-GVO, Art. 6 Rn. 216. 554 Benecke/Wagner, DVBl. 2016, 600, 601; Schwartmann/Jaspers/Thüsing/Kugelmann/ Schwartmann/Jacquemain, DS-GVO, Art. 6 Rn. 216; Taeger/Gabel/Taeger, Art. 6 DS-GVO Rn. 129; wegen der unklaren Rechtslage auch Spindler/Schuster/Spindler/Dalby, 3. Teil Art. 6 DS-GVO Rn. 21; in diese Richtung auch Ehmann/Selmayr/Heberlein, DS-GVO, Art. 6 Rn. 39. 555 BeckOK Datenschutzrecht/Albers/Veit, Art. 6 DS-GVO Rn. 61; Kühling/Buchner/ Buchner/Petri, DS-GVO, Art. 6 Rn. 93. 556 Kühling/Buchner/Buchner/Petri, DS-GVO, Art. 6 Rn. 93. 557 Roßnagel, DuD 2018, 477, 479; Simitis/Hornung/Spiecker gen. Döhmann/Roßnagel, DS-GVO, Art. 6 Abs. 2 Rn. 7. 553
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Verarbeitung zur Erfüllung von Abs. 1 lit. c und e“ eingeführt werden. Erfolgen kann dies durch die Bestimmung spezifischer Anforderungen für die Verarbeitung oder präziserer Maßnahmen. Die Spezifizierung im Sinne des Art. 6 Abs. 2 DS-GVO muss dem Ziel dienen, eine rechtmäßige und nach Treu und Glauben erfolgende Verarbeitung zu gewährleisten. Durch die Regelung des Art. 6 Abs. 2 DS-GVO wird es den Mitgliedstaaten (im Rahmen der Rechtmäßigkeitstatbestände des Art. 6 Abs. 1 UAbs. 1 lit. c), e) DSGVO) ermöglicht, innerhalb der Grenzen der Vorschrift bereichsspezifische Vorschriften zum Datenschutzrecht zu schaffen558 und damit den zum Teil abstrakten Vorgaben der Datenschutz-Grundverordnung zur Konkretisierung im Interesse der Rechtssicherheit zu verhelfen.559 Obwohl Art. 6 Abs. 2 DS-GVO nur partiell auf die Vorgaben des Art. 5 Abs. 1 DS-GVO verweist, finden die gesamten Grundsätze des Art. 5 Abs. 1 DS-GVO auch gegenüber dem nationalen Gesetzgeber Anwendung und sind damit von ihm umfassend zu berücksichtigen.560 Fraglich ist jedoch, unter welchen Voraussetzungen es sich um eine „spezifischere Bestimmung“ im Sinne des Art. 6 Abs. 2 DS-GVO handelt. Gemäß Art. 6 Abs. 2 DSGVO können „spezifischere Bestimmungen zur Anpassung der Anwendung der Vorschriften dieser Verordnung“ getroffen werden. Wegen dieser Formulierung ist anzunehmen, dass der Regelungsspielraum des Art. 6 Abs. 2 DS-GVO sich auf sämtliche Vorschriften der Datenschutz-Grundverordnung beziehen kann.561 Andernfalls wäre es kaum möglich, auf nationaler Ebene in jedem speziellen Bereich eine „kohärente Gesamtregelung“ zu schaffen.562 Spiegelbildlich bedeutet dies aber auch, dass Regelungsbereiche, die von der Datenschutz-Grundverordnung nicht erfasst sind, auch nicht Gegenstand einer solchen Bestimmung sein können.563 Den Mitgliedstaaten soll es auf diesem Weg gerade nicht ermöglicht werden, ein „Nebeneinander“ von nationalem und europäischem Datenschutzrecht zu schaffen, sondern nur die Konkretisierung bestehender Vorgaben der Datenschutz-Grundverordnung, sodass damit auch jede Erweiterung oder Ergänzung der Verordnung ausgeschlossen ist.564 Dies spiegelt sich auch in der Terminologie des Art. 6 Abs. 2 558
Ehmann/Selmayer/Heberlein, DS-GVO, Art. 6 Rn. 35. Simitis/Hornung/Spiecker gen. Döhmann/Roßnagel, DS-GVO, Art. 6 Abs. 2 Rn. 21. 560 Simitis/Hornung/Spiecker gen. Döhmann/Roßnagel, DS-GVO, Art. 6 Abs. 2 Rn. 31; im Ergebnis wohl auch Taeger/Gabel/Taeger, DS-GVO, Art. 6 Rn. 129. 561 Roßnagel, DuD 2017, 290, 291; für einen weiten Regelungsbereich auch Sydow/Reimer, DS-GVO, Art. 6 Rn. 29 f.; so wohl auch Simitis/Hornung/Spiecker gen. Döhmann/Roßnagel, DS-GVO, Art. 6 Abs. 2 Rn. 26. 562 Zu der Möglichkeit der Schaffung einer „kohärenten Gesamtregelung“ durch die Weite des Regelungsspielraums Roßnagel, DuD 2017, 290, 292. 563 BeckOK Datenschutzrecht/Albers/Veit, Art. 6 DS-GVO Rn. 56; Benecke/Wagner, DVBl. 2016, 600, 601; Schwartmann/Jaspers/Thüsing/Kugelmann/Schwartmann/Jacquemain, DS-GVO, Art. 6 Rn. 198. 564 Ehmann/Selmayr/Heberlein, DS-GVO, Art. 6 Rn. 38; ähnlich auch Schantz/Wolff/ Wolff, Das neue Datenschutzrecht, Rn. 604 f. 559
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Teil 3: Implementierung unternehmensinterner Meldesysteme
DS-GVO dahingehend wider, dass lediglich eine „Spezifizierung“ und eine „Präzisierung“ vorgesehen sind. Nur bei Vorliegen einer Regelung in der DatenschutzGrundverordnung ist eine solche auf nationaler Ebene möglich.565 Die Verordnung setzt einen von dem nationalen Gesetzgeber zu berücksichtigenden Rahmen.566 Aus diesem Grund verbietet sich auch jede Über- oder Unterschreitung des durch die Verordnung vermittelten Schutzes.567 Ein Widerspruch zu den Vorgaben der Verordnung im Sinne ihrer Über- oder Unterschreitung durch eine spezifische Bestimmung wäre begrifflich bereits keine Anwendung der Vorschriften der Verordnung mehr.568 Hierfür spricht auch die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs zu der vorausgegangenen Datenschutz-Richtlinie (RL 95/46/EG).569 Dieser wurde, trotz bestehender Spielräume zur Konkretisierung, bereits eine vollharmonisierende Wirkung zugesprochen.570 Der Gedanke der Vollharmonisierung kann auch auf die Datenschutz-Grundverordnung übertragen werden571 und ist entsprechend im Rahmen des Art. 6 Abs. 2 DS-GVO zu berücksichtigen. Hierfür spricht insbesondere, dass in der endgültigen Fassung des Art. 6 Abs. 2 DS-GVO gerade nicht der eingebrachte Vorschlag der Zulässigkeit „strengerer“ Regelungen aufgenommen wurde.572 Darüber hinaus ist in anderen Vorschriften der Datenschutz-Grundverordnung ein ausdrückliches Recht zur Abweichung von dem in der Verordnung vorgesehenen Schutzniveau zugelassen.573 Dem nationalen Gesetzgeber ist es im Rahmen der Öffnungsklausel des Art. 6 Abs. 2 DS-GVO somit verwehrt, von dem Schutzniveau der Verordnung abzuweichen574, auch wenn in jedem Fall anzuerkennen ist, dass es schwierig sein wird, ein solches konkret zu bestimmen575. 565
Ähnlich auch BeckOK Datenschutzrecht/Albers/Veit, Art. 6 DS-GVO Rn. 56. Ehmann/Selmayr/Heberlein, DS-GVO, Art. 6 Rn. 38. 567 Ehmann/Selmayr/Heberlein, DS-GVO, Art. 6 Rn. 38; Pfeifer, Gewerbearchiv 2014, 142, 144; bezüglich der unzulässigen Unterschreitung auch Kühling/Buchner/Buchner/Petri, DS-GVO, Art. 6 Rn. 93. 568 Schantz/Wolff/Wolff, Das neue Datenschutzrecht, Rn. 604. 569 Hierauf verweisend im Zusammenhang mit Art. 88 DS-GVO Franzen, EuZA 2017, 313, 345. 570 EuGH, Urteil vom 24. 11. 2011 @ C-468, 469/10 (Asociación Nacional de Establecimientos Financieros de Crédito), EuZW 2012, 37, 39. 571 Franzen, EuZA 2017, 313, 345; so im Ergebnis auch Pfeifer, Gewerbearchiv 2014, 142, 144. 572 Gola/Schulz, DS-GVO, Art. 6 Rn. 200. 573 Vgl. bspw. Art. 9 Abs. 4 DS-GVO; hierzu auch Schantz, NJW 2016, 1841, 1842. 574 So auch Kühling/Buchner/Buchner/Petri, DS-GVO, Art. 6 Rn. 194; Ehmann/Selmayr/ Heberlein, DS-GVO, Art. 6 Rn. 38; Simitis/Hornung/Spiecker gen. Döhmann/Roßnagel, Art. 6 Abs. 2 Rn. 30; Schantz, NJW 2016, 1841, 1842; Schantz/Wolff/Wolff, Das neue Datenschutzrecht, Rn. 604. 575 So auch Simitis/Hornung/Spiecker gen. Döhmann/Roßnagel, Art. 6 Abs. 2 Rn. 30; Schantz/Wolff/Wolff, Das neue Datenschutzrecht, Rn. 604. 566
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Um dem Bedürfnis nach einer sektorspezifischen Sonderregel Rechnung zu tragen und wegen des Wortlauts, der lediglich eine „spezifischere“, nicht aber eine „identische“ Regelung erfordert, muss es jedoch ausreichend sein, wenn durch den gesamten Regelungsgehalt ein der Datenschutz-Grundverordnung entsprechendes Schutzniveau erreicht wird: Abweichungen nach unten können durch Abweichungen nach oben ausgeglichen werden.576 Sofern die Datenschutz-Grundverordnung ein Recht zur Abweichung normiert (bspw. Art. 23 DS-GVO), steht es dem Mitgliedstaat zu, von dem durch die Verordnung vermittelten Schutz abzuweichen.577 (2) Vorgaben des Art. 6 Abs. 3 DS-GVO Davon zu trennen sind die Vorgaben im Rahmen der Öffnungsklausel des Art. 6 Abs. 3 DS-GVO. Art. 6 Abs. 3 DS-GVO bestimmt, unter welchen Voraussetzungen sowohl die Europäische Union als auch die Mitgliedstaaten Erlaubnistatbestände im Sinne des Art. 6 Abs. 1 UAbs. 1 lit. e) DS-GVO erlassen können.578 Art. 6 Abs. 3 DSGVO bestimmt, welche Vorgaben eine Rechtspflicht im Sinne einer Rechtsnorm erfüllen muss, um ihre Geltung im Rahmen des Art. 6 Abs. 1 UAbs. 1 lit. e) DS-GVO begründen zu können.579 Während sich aus Art. 6 Abs. 3 S. 1 DS-GVO ergibt, dass die Verpflichtung zur Datenverarbeitung durch nationales Recht festgelegt werden kann, sind in Art. 6 Abs. 3 S. 2, 4 DS-GVO zwingende Anforderungen normiert.580 Im Gegensatz zu den Fällen des Art. 6 Abs. 1 UAbs. 1 lit. c) DS-GVO muss in denen des Art. 6 Abs. 1 UAbs. 1 lit. e) DS-GVO nach herrschender Ansicht in der Literatur der Zweck der Verarbeitung in der Rechtsgrundlage nicht festgelegt werden.581 Es genügt, wenn sich dieser aus dem Gesamtzusammenhang der zu erfüllenden Aufgabe ergibt.582 Nach Art. 6 Abs. 3 S. 4 DS-GVO ist jedoch erforderlich, dass die Rechtsgrundlage ein im öffentlichen Interesse liegendes Ziel verfolgt und in einem angemessenen Verhältnis zu dem verfolgten legitimen Zweck steht. Im Anwendungsbereich des Art. 6 Abs. 1 lit. e) DS-GVO kommt zwar dem ersten Kriterium (öffentliche Interesse) keine eigenständige Bedeutung zu, da sich die Rechtsgrundlage im Sinne des 576 Gola/Schulz, DS-GVO, Art. 6 Rn. 200; im Ergebnis auch Simitis/Hornung/Spiecker gen. Döhmann/Roßnagel, Art. 6 Abs. 2 Rn. 30. 577 BeckOK Datenschutzrecht/Albers/Veit, Art. 6 DS-GVO Rn. 56; Kühling/Buchner/ Buchner/Petri, DS-GVO, Art. 6 Rn. 194. 578 Simitis/Hornung/Spiecker gen. Döhmann/Roßnagel, DS-GVO, Art. 6 Abs. 3 Rn. 1. 579 Sydow/Reimer, DS-GVO, Art. 6 Rn. 45. 580 BeckOK Datenschutzrecht/Albers/Veit, Art. 6 DS-GVO Rn. 57, 61. 581 Paal/Pauly/Frenzel, DS-GVO, Art. 6 Rn. 41; Schwartmann/Jaspers/Thüsing/Kugelmann/Schwartmann/Jacquemain, DS-GVO, Art. 6 Rn. 215; Taeger/Gabel/Taeger, DS-GVO, Art. 6 Rn. 129; a. A. Simitis/Hornung/Spiecker gen. Döhmann/Roßnagel, DS-GVO, Art. 6 Abs. 3 Rn. 29. 582 Paal/Pauly/Frenzel, DS-GVO, Art. 6 Rn. 41; Schwartmann/Jaspers/Thüsing/Kugelmann/Schwartmann/Jacquemain, DS-GVO, Art. 6 Rn. 215; Taeger/Gabel/Taeger, DS-GVO, Art. 6 Rn. 129.
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Teil 3: Implementierung unternehmensinterner Meldesysteme
Art. 6 Abs. 1 lit. e) DS-GVO bereits auf eine Datenverarbeitung beziehen muss, die zur Erfüllung einer Aufgabe im öffentlichen Interesse erforderlich ist.583 Die normierte Datenverarbeitung muss jedoch zwingend verhältnismäßig sein. Hintergrund dieses Erfordernisses ist der mit der Datenverarbeitung verbundene Eingriff in die durch die Grundrechtecharta vermittelten Garantien, namentlich Art. 7, 8 GRCh.584 Neben den verpflichtenden Vorgaben ist in Art. 6 Abs. 3 S. 3 DS-GVO eine fakultative Regelungsbefugnis der Mitgliedstaaten vorgesehen.585 Die Elemente des Art. 6 Abs. 3 S. 3 DS-GVO können in der Rechtsgrundlage aufgenommen werden. Die Spezifizierungsmöglichkeit des Art. 6 Abs. 3 S. 3 DS-GVO ist gegenüber der des Art. 6 Abs. 2 DS-GVO präziser.586 Sie bezieht sich allein auf die Rechtmäßigkeit der Datenverarbeitung und gerade nicht auf sämtliche Vorschriften der DatenschutzGrundverordnung.587 Die Mitgliedstaaten können durch Art. 6 Abs. 3 S. 3 DS-GVO nicht nur die Verpflichtung zur Datenverarbeitung normieren, sondern diese auch inhaltlich angemessen und abgestimmt auf den jeweiligen Zusammenhang588 ausgestalten.589 Die (nicht abschließende)590 Aufzählung bietet Anhaltspunkte591 dafür, welche Regelungen erlassen werden können.592 Begrenzt wird die Regelungskompetenz jedoch durch die Vorgaben des Art. 5 DS-GVO und die des Art. 6 Abs. 3 DSGVO.593 Mit Blick auf die eng an Art. 6 Abs. 2 DS-GVO angelehnte Terminologie des Art. 6 Abs. 3 S. 3 DS-GVO darf auch im Rahmen dieser Regelungsmöglichkeit der Rahmen der Datenschutz-Grundverordnung nicht verlassen und ihr Niveau nicht unter- oder überschritten werden.594
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Simitis/Hornung/Spiecker gen. Döhmann/Roßnagel, DS-GVO, Art. 6 Abs. 3 Rn. 34. Kühling/Buchner/Buchner/Petri, DS-GVO, Art. 6 Rn. 94. 585 BeckOK Datenschutzrecht/Albers/Veit, Art. 6 DS-GVO Rn. 58; Ehmann/Selmayr/ Heberlein, DS-GVO, Art. 6 Rn. 6, 39. 586 BeckOK Datenschutzrecht/Albers/Veit, Art. 6 DS-GVO Rn. 58. 587 Simitis/Hornung/Spiecker gen. Döhmann/Roßnagel, DS-GVO, Art. 6 Abs. 3 Rn. 37. 588 Kühling/Buchner/Buchner/Petri, DS-GVO, Art. 6 Rn. 94; Simitis/Hornung/Spiecker gen. Döhmann/Roßnagel, DS-GVO, Art. 6 Rn. 38. 589 Paal/Pauly/Frenzel, DS-GVO, Art. 6 Rn. 43. 590 Vgl. der Wortlaut „unter anderem“. 591 Es muss jedoch angenommen werden, dass sich der Regelungsspielraum nahezu auf die genannten Beispiele beschränkt, vgl. Sydow/Reimer, DS-GVO, Art. 6 Rn. 26. 592 Kühling/Buchner/Buchner/Petri, DS-GVO, Art. 6 Rn. 94; Simitis/Hornung/Spiecker gen. Döhmann/Roßnagel, DS-GVO, Art. 6 Abs. 3 Rn. 39. 593 Paal/Pauly/Frenzel, DS-GVO, Art. 6 Rn. 43; ähnlich auch BeckOK Datenschutzrecht/ Albers/Veit, Art. 6 DS-GVO Rn. 58. 594 Schantz/Wolff/Wolff, Das neue Datenschutzrecht, Rn. 602, 604 f.; zur unzulässigen Unterschreitung des Schutzniveaus auch Kühling/Buchner/Buchner/Petri, DS-GVO, Art. 6 Rn. 93. 584
D. Datenschutzkonformität interner Meldesysteme
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(3) Zwischenergebnis Für das vorliegende gesetzgeberische Vorhaben – die Regelung der Zulässigkeit der Datenverarbeitung – stellt somit Art. 6 Abs. 3 DS-GVO die maßgebliche Öffnungsklausel dar. Der Gesetzgeber muss die Vorgaben des Art. 6 Abs. 3 S. 2, 4 DSGVO wahren und kann zusätzlich über Art. 6 Abs. 3 S. 3 DS-GVO spezifische Bestimmungen normieren. cc) Besonderheiten wegen der Vorgaben des Art. 10 DS-GVO? Problematisch erscheint, ob sich aus Art. 10 S. 1 Alt. 2 DS-GVO einschränkende Vorgaben hinsichtlich der zu normierenden Ermächtigung zur Datenverarbeitung ergeben. Art. 10 S. 1 Alt. 2 DS-GVO bestimmt, dass eine Verarbeitung personenbezogener Daten über strafrechtliche Verurteilungen und Straftaten oder damit zusammenhängende Sicherungsmaßregeln aufgrund von Art. 6 Abs. 1 DS-GVO nur vorgenommen werden darf, wenn dies nach dem Unionsrecht oder dem Recht der Mitgliedstaaten, das geeignete Garantien für die Rechte und Freiheiten der betroffenen Personen vorsieht, zulässig ist. Der Begriff der Straftat in Art. 10 DS-GVO ist unionsrechtlich auszulegen, sodass neben Straftatbeständen insbesondere auch Ordnungswidrigkeiten erfasst werden.595 Mit der (überschießenden) Umsetzung der EU-Richtlinie 2019/1937596 werden künftig im Einzelfall Informationen über strafrechtlich oder ordnungsrechtlich relevantes Verhalten an die internen Meldestellen weitergegeben. Es könnte daher angenommen werden, dass den privaten Stellen die Erlaubnis zur Verarbeitung dieser Daten nur über die Öffnungsklausel des Art. 10 S. 1 Alt. 2 DS-GVO unter Berücksichtigung der einschränkenden Vorgaben der Regelung übertragen werden dürfte. Art. 10 DS-GVO erfasst jedoch nur die Verarbeitung personenbezogener Daten „über Straftaten“ und gerade nicht die Verarbeitung von Daten über Handlungen der betroffenen Personen, die Strafdelikte verwirklichen.597 Art. 10 DS-GVO findet erst Anwendung, wenn eine staatliche Stelle eine hoheitliche Feststellung über das Vorliegen einer Straftat getroffen hat.598 Die Einrichtung interner Meldesysteme dient lediglich der Aufdeckung von Straftaten, sodass Art. 10 DS-GVO im Zusammenhang mit der Regelung von Datenverarbeitungsprozessen, die mit diesen Systemen einhergehen, keine Berücksichtigung finden muss.
595 596 597 598
Simitis/Hornung/Spiecker gen. Döhmann/Petri, DS-GVO, Art. 10 Rn. 13. Hierzu unter Teil 2 B. II. 1. a) bb) (2). BeckOK Datenschutzrecht/Bäcker, Art. 10 DS-GVO Rn. 4. BeckOK Datenschutzrecht/Bäcker, Art. 10 DS-GVO Rn. 4.
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Teil 3: Implementierung unternehmensinterner Meldesysteme
b) Nationale Regelung der Ermächtigung im Sinne des Art. 6 Abs. 1 UAbs. 1 lit. e) DS-GVO Der nationale Gesetzgeber kann somit über Art. 6 Abs. 3 DS-GVO die Zulässigkeit der Datenverarbeitung im Zusammenhang mit internen Meldesystemen umfassend regeln und damit die Anwendung des Art. 6 Abs. 1 UAbs. 1 lit. e) DSGVO ermöglichen. Der Gesetzgeber hat hierzu die zuständigen Stellen der Meldesysteme zur Datenverarbeitung zu ermächtigen. Fraglich ist jedoch, wie diese ermächtigende Regelung ausgestaltet sein muss, damit sie als Rechtsgrundlage (in Verbindung mit Art. 6 Abs. 1 UAbs. 1 lit. e) DS-GVO) für die Datenverarbeitungsvorgänge angesehen werden kann. Die Anwendung des Art. 6 Abs. 1 UAbs. 1 lit. e) DS-GVO setzt voraus, dass die zu normierende Rechtsgrundlage die Datenverarbeitung nur zulässt, wenn sie für die Wahrnehmung einer Aufgabe erforderlich ist, die im öffentlichen Interesse liegt.599 Mangels inhaltlicher Konkretisierung des Begriffs des öffentlichen Interesses durch die Datenschutz-Grundverordnung steht es den Mitgliedstaaten weitgehend frei, den Begriff selbst inhaltlich näher auszugestalten.600 Die Aufgabe im öffentlichen Interesse ist de lege ferenda in der Einrichtung der internen Meldesysteme, konkret in dem Betrieb der Meldekanäle und der Durchführung von Folgemaßnahmen entsprechend der Vorgaben des künftigen Hinweisgeberschutzgesetzes, zu sehen. Diese Aufgabe obliegt künftig den Stellen, die von den Unternehmen, welche zur Einrichtung interner Meldesysteme verpflichtet sind, dazu bestimmt werden. Mit Wahrnehmung dieser Aufgabe leisten sie einen Beitrag zur Rechtsdurchsetzung im öffentlichen Interesse. Diese Wertung hat der europäische Gesetzgeber mit Erlass der Richtlinienvorgaben bereits vorgegeben601 und ist auf nationaler Ebene fortzuführen. Diese Aufgabe muss zudem durch Rechtsvorschriften definiert werden.602 Es bedarf hierfür jedoch keiner ausdrücklichen Aufgabennorm; vielmehr ist es ausreichend, wenn sich die Aufgabe im öffentlichen Interesse aus dem Gesamtkontext des Gesetzestextes (Hinweisgeberschutzgesetz) ergibt.603 Die zu normierende Rechtsgrundlage muss zudem den Vorgaben des Art. 6 Abs. 3 DS-GVO gerecht werden. Zur Wahrung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes ist zu normieren, dass die Verarbeitung der Daten der betroffenen Personen nur erfolgen darf, wenn dies für den Betrieb des Meldekanals oder für die Durchführung der Folgemaßnahmen zur Aufdeckung und Beseitigung der Verstöße erforderlich ist. 599
Simitis/Hornung/Spiecker gen. Döhmann/Roßnagel, DS-GVO, Art. 6 Abs. 1 Rn. 71. Schwartmann/Jaspers/Thüsing/Kugelmann/Schwartmann/Jacquemain, DS-GVO, Art. 6 Rn. 200. 601 Vgl. insbesondere Erwägungsgrund (33) zur RL 2019/1937, Amtsblatt der Europäischen Union, L 305/23. 602 Paal/Pauly/Frenzel, DS-GVO, Art. 6 Rn. 23 f.; Schantz/Wolff/Wolff, Das neue Datenschutzrecht, Rn. 612. 603 Vgl. OLG Frankfurt a. M., Beschluss vom 19. 2. 2020 – 6 W 19/20, NJW-RR 2020, 691, 692. 600
D. Datenschutzkonformität interner Meldesysteme
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Zum Schutz der Interessen der betroffenen Personen sind weitere Vorgaben in die ermächtigende Vorschrift aufzunehmen: Die Datenverarbeitung muss unter Wahrung des Vertraulichkeitsgebots erfolgen und sämtliche Daten, die für die Bearbeitung einer Meldung offenbar nicht relevant sind, dürfen von vornherein nicht erhoben werden oder sind jedenfalls unverzüglich zu löschen, sofern sie zuvor unbeabsichtigt erhoben wurden (vgl. Art. 17 UAbs. 2 EU-RL 2019/1937). Darüber hinaus ist dem Gesetzgeber anzuraten, wie bereits ausgeführt, über Art. 6 Abs. 3 S. 3 DS-GVO die datenschutzrechtliche Verantwortlichkeit zu regeln.604 Der aktuelle Gesetzesentwurf sieht in § 10 HinSchG-Entwurf zutreffend ebenfalls eine spezielle Regelung zur Datenverarbeitung vor. Danach sind die Meldestellen befugt, personenbezogene Daten zu verarbeiten, soweit dies zur Erfüllung ihrer Aufgaben nach § 13 HinSchG-Entwurf erforderlich ist. Nach § 13 Abs. 1 HinSchGEntwurf betreiben die internen Meldestellen die Meldekanäle, prüfen die Stichhaltigkeit der Meldung und ergreifen Folgemaßnahmen. Durch die Anwendung dieser Vorschrift können sämtliche Datenverarbeitungsvorgänge im Zusammenhang mit dem Betrieb interner Meldekanäle gerechtfertigt werden, da die Meldestellen zur Datenverarbeitung ermächtigt werden. § 10 HinSchG-Entwurf genügt den Vorgaben des Art. 6 Abs. 2 bzw. 3 DS-GVO jedoch nicht, da in der Vorschrift weder ein spezieller Verweis auf die Wahrung des Vertraulichkeitsgebots605, noch eine Pflicht zur Löschung bedeutungsloser Daten vorgesehen wurde. Zudem fehlen Vorgaben zu der datenschutzrechtlichen Verantwortlichkeit. Unter Berücksichtigung der vorausgegangenen Erwägungen ist die Normierung folgender Rechtsgrundlage zu empfehlen: (1) Die zuständigen Stellen der Meldesysteme dürfen personenbezogene Daten unter Wahrung des Vertraulichkeitsgebots […] erheben und verarbeiten, wenn und soweit dies für den Betrieb des Meldekanals und die Durchführung von Folgemaßnahmen erforderlich ist. Personenbezogene Daten, die offenbar nicht relevant sind, sind, wenn sie zuvor unbeabsichtigt erhoben wurden, unverzüglich zu löschen. (2) Beschäftigungsgeber […], die interne Meldesysteme einrichten, sind bei der Verarbeitung personenbezogener Daten Verantwortliche gemäß Art. 4 Nr. 7 DS-GVO.
604
Hierzu unter Teil 3 D. II. 3.; vgl. auch Erwägungsgrund (45) zur VO 2016/679, Amtsblatt der Europäischen Union, L 119/8. 605 Vgl. hierzu allein den Verweis in den Erwägungen Referentenentwurf HinSchG, Zu § 10 (Verarbeitung personenbezogener Daten), S. 56.
Teil 4
Form der Umsetzung der EU-Richtlinie 2019/1937 auf nationaler Ebene Unter Berücksichtigung der dargestellten Vorgaben der Whistleblowing-Richtlinie und dem damit verbundenen Erfordernis der Anpassung der nationalen Rechtslage, bedarf es einer näheren Betrachtung, in welcher Form die unionsrechtlichen Vorgaben umgesetzt werden sollen. Es könnte eine Richtlinienumsetzung in Form eines speziellen, umfassenden Hinweisgeberschutzgesetzes oder im Wege eines Artikelgesetzes erwogen werden. Im letzten Fall müssten verschiedene bestehende Gesetze entsprechend der Vorgaben der EU-Richtlinie 2019/1937 angepasst werden. Eine Umsetzung der Richtlinie in einem Artikelgesetz würde dem Grundsatz des „effet utile“ widersprechen. Dieser Grundsatz bezieht sich auch auf Form und Mittel der Umsetzung einer Richtlinie.1 Der Gesetzgeber muss danach die Formen und Mittel zur Richtlinienumsetzung wählen, die sich zur Gewährleistung der praktischen Wirksamkeit der Richtlinie unter Berücksichtigung des mit ihr verfolgten Zwecks am besten eignen.2 Ziel der EU-Richtlinie 2019/1937 ist die Förderung des Whistleblowings zur Verbesserung der Rechtsdurchsetzung durch Schaffung eines einheitlichen Whistleblower-Schutzes in den Mitgliedstaaten der Europäischen Union. Durch eine Umsetzung der Richtlinie in Form eines Artikelgesetzes entstünde de lege ferenda eine unübersichtliche Rechtslage, die für die Beteiligten, regelmäßig juristische Laien, nur schwer durchdrungen werden könnte. Insbesondere wegen des Einflusses auf verschiedene Rechtsbereiche wäre der gesamte Regelungsgehalt, der mit dem Whistleblowing im Zusammenhang steht, kaum zu überblicken. Die daraus folgende rechtliche Unsicherheit und unzureichende Normenklarheit würden zudem durch das gleichzeitig bestehende Risiko divergierender Auslegungen der Normen verstärkt.3 Insbesondere für Hinweisgeber müssen die an sie gestellten Anforderungen, der daran anknüpfende Schutzanspruch und die (rechtlichen) Schutzmaßnahmen jedoch gerade ohne weiteres überprüfbar und nachvollziehbar sein. Allein dann können gesetzliche Schutzvorschriften auch einen Anreiz für potentielle Hinweisgeber bieten, Rechtsverstöße aufzudecken. Wie sich mit Blick auf die bis1 2 3
EUGH, Urteil vom 8. 4. 1976 – 48/75 (Royer), NJW 1976, 2065, 2067. EUGH, Urteil vom 8. 4. 1976 – 48/75 (Royer), NJW 1976, 2065, 2067. Schmolke, NZG 2020, 5, 9 f.
Teil 4: Umsetzung der EU-Richtlinie 2019/1937 auf nationaler Ebene
317
herige nationale Rechtslage zeigt, sind bestehende Rechtsunsicherheit und mangelnde Rechtsklarheit der Bereitschaft zum Whistleblowing abträglich.4 Dasselbe gilt mit Blick auf die verantwortlichen Stellen. Auch sie sehen sich mit umfassenden Pflichten, daran anknüpfendem unternehmensinternem Anpassungsbedarf und möglichen Repressalien konfrontiert. Gleichzeitig leisten sie durch die Einrichtung der internen Meldesysteme ebenso wie mit der Pflicht zur Berücksichtigung der Art. 19 ff. EU-RL 2019/1937 einen grundlegenden Beitrag für den effektiven Whistleblower-Schutz. Könnten sie den Regelungsgehalt der umgesetzten Richtlinie nicht erfassen, würde der Schutz der Hinweisgeber beeinträchtigt. Dies widerspricht dem Ziel der EU-Richtlinie 2019/1937. In Ausfluss des Gebots der effektiven Richtlinienumsetzung ist der nationale Gesetzgeber zudem dazu verpflichtet, Rechtssicherheit, Klarheit und Transparenz zu schaffen.5 Den einzelnen Personen soll dadurch die Kenntnis und auch die Durchsetzung ihrer Rechtsposition ermöglicht werden.6 Eine Umsetzung der EU-Richtlinie 2019/1937 in Form eines Artikelgesetzes würde de lege ferenda eine unklare Rechtslage schaffen. Dies würde das Risiko begründen, dass Hinweisgeber ihre durch die Richtlinie vorgesehenen Rechte und Ansprüche nicht geltend machen und damit ihr Schutz nicht erreicht würde. Die Durchsetzung des WhistleblowerSchutzes wäre damit jedenfalls gefährdet. Ein wirksamer Schutz von Hinweisgebern und die Förderung des Whistleblowings fordern de lege ferenda eine klare, verständliche und eindeutige Rechtslage. Diesem würde ein Artikelgesetz unzureichend Rechnung tragen.7 Durch ein Artikelgesetz würde vielmehr eine unüberschaubare Rechtslage entstehen, welche – bedingt durch den damit entstehenden abschreckenden Effekt für Whistleblower und dem Risiko eines unzureichenden Whistleblower-Schutzes – das Richtlinienziel erheblich gefährden.8 Fehlende Rechtssicherheit und -klarheit begründen nicht nur eine dem Whistleblowing abträgliche Rechtslage, sondern auch das Risiko eines unzureichenden Schutzes von Hinweisgebern. Anders ist dies bei einer Umsetzung in Form eines speziellen, umfassenden Hinweisgeberschutzgesetzes. Die dargestellten Risiken einer Umsetzung durch ein Artikelgesetz würden hierbei nicht bestehen. Ein einheitliches Gesetz ermöglicht eine übersichtliche Normierung der bedeutenden Regelungen, deren allgemeine Bekanntheit und Nachvollziehbarkeit grundlegende Voraussetzungen für den 4 Zur bisherigen Rechtslage auch Falter, CB 2015, Heft 5 Umschlagteil I; Göpfert/Landauer, NZA-Beilage 2011, 16, 21. 5 EuGH, Urteil vom 23. 5. 1985 – 29/84 (Kommission/Deutschland), CelexNr. 61984CJ0029, Rn. 28; Calliess/Ruffert/Calliess/Kahl/Puttler, EUV/AEUV, Art. 4 Rn. 56. 6 EuGH, Urteil vom 23. 5. 1985 – 29/84 (Kommission/Deutschland), CelexNr. 61984CJ0029, Rn. 28; EuGH, Urteil vom 9. 9. 1999 – C-217/97 (Kommission/Deutschland), EuZW 1999, 763, 765. 7 So auch Gerdemann, Überlegungen zur nationalen Umsetzung, sub. 6. 8 Ähnlich Gerdemann, Überlegungen zur nationalen Umsetzung, sub. 6.
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Teil 4: Umsetzung der EU-Richtlinie 2019/1937 auf nationaler Ebene
wirksamen Eingang des Whistleblower-Schutzes in die Rechtspraxis sind.9 Aus diesen Gründen verbietet sich eine Umsetzung der EU-Richtlinie 2019/1937 durch ein Artikelgesetz. Vielmehr muss der nationale Gesetzgeber die Vorgaben der Richtlinie künftig in einem speziellen Hinweisgeberschutzgesetz umsetzen. 10 Dieser verpflichtenden Vorgabe wird der Referentenentwurf, mithin der Entwurf eines speziellen Hinweisgeberschutzgesetzes, gerecht.
9
Ähnlich Schröder, ZRP 2020, 212, 213. Befürwortend auch EuArbR/Fest, EU-RL 2019/366, Art. 1 Rn. 73; Gerdemann, Überlegungen zur nationalen Umsetzung, sub. 6; Schmolke, NZG 2020, 5, 9; Schröder, ZRP 2020, 212, 213. 10
Teil 5
Entwurf eines Hinweisgeberschutzgesetzes Unter Berücksichtigung der bisherigen Erwägungen ist der folgende Entwurf eines Hinweisgeberschutzgesetzes mit der Beschränkung auf privatwirtschaftliche Unternehmen zu empfehlen. Abschnitt 1: Allgemeiner Teil § 1 Ziel des Gesetzes Dieses Gesetz regelt die Zulässigkeit der Meldung und Offenlegung von Rechtsverstößen, um Nachteile für Hinweisgeber anlässlich ihres hinweisgebenden Verhaltens zu verhindern und zu beseitigen. § 2 Persönlicher Anwendungsbereich (1) Dieses Gesetz gilt für Hinweisgeber im Sinne des Absatzes 2. (2) Hinweisgeber sind natürliche Personen, die im beruflichen Kontext Informationen über vergangene, andauernde und unmittelbar bevorstehende Verstöße im Sinne des § 3, einschließlich der Verschleierung solcher Verstöße, selbst wahrgenommen haben und diese Informationen gegenüber den zuständigen Stellen im Sinne dieses Gesetzes melden oder diese offenlegen. Hinweisgeber können insbesondere folgende Personen sein a) Beschäftigte, b) Freiwillige und Praktikanten, c) Anteilseigner und Organmitglieder, d) Selbstständige und e) Personen, die unter der Aufsicht und Leitung von Auftragnehmern, Unterauftragnehmern und Lieferanten arbeiten. § 3 Sachlicher Anwendungsbereich (1) Dieses Gesetz gilt für strafbewehrte Verstöße und sonstige Verstöße gegen Gesetze, Rechtsverordnungen und sonstige Vorschriften des Bundes und der Länder sowie unmittelbar geltende Rechtsakte der Europäischen Union und der Europäischen Atomgemeinschaft in den Bereichen a) des o¨ ffentlichen Auftragswesens, b) der Finanzdienstleistungen, Finanzprodukte und Finanzma¨ rkte sowie in Bereichen der Verhinderung von Geldwa¨ sche und Terrorismusfinanzierung, c) der Produktsicherheit und -konformita¨ t,
320
Teil 5: Entwurf eines Hinweisgeberschutzgesetzes d) der Verkehrssicherheit (Straßen-, Eisenbahn-, See- und zivile Luftverkehr, Beförderung gefährlicher Güter), e) des Umweltschutzes, f) des Strahlenschutzes und der kerntechnischen Sicherheit, g) der Lebensmittel- und Futtermittelsicherheit, der Tiergesundheit und des Tierschutzes, h) der o¨ ffentlichen Gesundheit, insbesondere bezogen auf Qualita¨ ts- und Sicherheitsstandards fu¨ r Organe und Substanzen menschlichen Ursprungs, Arzneimitteln und Medizinprodukten und der grenzu¨ berschreitenden Gesundheitsversorgung sowie bezogen auf die Herstellung, Aufmachung und den Verkauf von Tabakerzeugnissen und verwandten Erzeugnissen, i) des Verbraucherschutzes und j) des Schutzes der Privatspha¨ re und personenbezogener Daten sowie k) der Sicherheit von Netz- und Informationssystemen.
(2) Dieses Gesetz findet darüber hinaus Anwendung auf Verstöße gegen a) finanzielle Interessen der Union im Sinne von Artikel 325 AEUV sowie gema¨ ß den genaueren Definitionen in einschla¨ gigen Unionsmaßnahmen und b) Binnenmarktvorschriften im Sinne von Artikel 26 Absatz 2 AEUV einschließlich Verstöße gegen Unionsvorschriften u¨ ber Wettbewerb und staatliche Beihilfen sowie Verstöße gegen Binnenmarktvorschriften in Bezug auf Handlungen. (3) Verstöße sind Handlungen oder Unterlassungen, die rechtswidrig sind oder dem Ziel oder Zweck einer Rechtsvorschrift im Sinne dieses Gesetzes zuwiderlaufen und damit missbräuchlich sind. § 4 Begriffsbestimmungen (1) Beschäftigte im Sinne dieses Gesetzes sind a) Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen, b) die zu ihrer Berufsbildung Beschäftigte, c) Personen, die wegen ihrer wirtschaftlichen Unselbständigkeit als arbeitnehmerähnliche Personen anzusehen sind, einschließlich in Heimarbeit Beschäftigte und die ihnen Gleichgestellte.1 (2) Eine Repressalie ist eine tatsächliche oder rechtsgeschäftliche, einseitige oder einvernehmliche Maßnahme im beruflichen Kontext wegen einer zulässigen Meldung oder Offenlegung, durch die dem Hinweisgeber ein Nachteil entsteht oder entstehen kann. Es handelt sich nicht um eine Repressalie, wenn die nachteilige Maßnahme wesentlich auf einen sachlich gerechtfertigten Grund gestützt und damit nicht wegen der Meldung oder Offenlegung eingeleitet wurde. (3) Ein beruflicher Kontext ist eine laufende oder fru¨ here Arbeitsta¨ tigkeit, eine vorvertragliche Verhandlung oder eine ähnliche berufliche Beziehung, durch die die Person 1 Zu den weiteren Beschäftigten im Sinne des Hinweisgeberschutzgesetz-Entwurfs vgl. § 3 Abs. 8 HinSchG-Entwurf.
Teil 5: Entwurf eines Hinweisgeberschutzgesetzes
321
unabha¨ ngig von der Art der Ta¨ tigkeit Informationen u¨ ber Versto¨ ße erlangt und bei denen sich diese Person Repressalien ausgesetzt sehen ko¨ nnte, wenn sie diese Informationen melden oder offenlegen wu¨ rde. (4) Beschäftigungsgeber im Sinne dieses Gesetzes sind, sofern mindestens eine Person bei ihnen beschäftigt ist, a) juristische Personen des Privatrechts, b) rechtsfähige Personengesellschaften, c) sonstige rechtsfähige Personenvereinigungen und d) natürliche Personen des Privatrechts. (5) Informationen u¨ ber Versto¨ ße sind Informationen in Bezug auf tatsächliche oder mögliche Versto¨ ße, die bereits begangen wurden, andauern oder unmittelbar bevorstehen sowie in Bezug auf Versuche der Verschleierung solcher Versto¨ ße. Abschnitt 2: Schutzanspruch § 5 Schutzanspruch von Hinweisgebern (1) Ein Hinweisgeber hat einen Anspruch auf Schutz nach diesem Gesetz, wenn a) er Informationen über Verstöße b) intern nach den Vorgaben des § 6 oder direkt extern nach den Vorgaben des § 7 meldet oder sie unter den Voraussetzungen des § 8 offenlegt, c) die Informationen über Verstöße zutreffend sind oder der Hinweisgeber dies im Zeitpunkt der Meldung oder Offenlegung gutgläubig annahm und d) sich die Informationen auf einen Verstoß im Sinne des § 3 beziehen oder der Hinweisgeber dies im Zeitpunkt der Meldung oder Offenlegung gutgläubig annahm. (2) Der Hinweisgeber handelt bei Vorsatz und grober Fahrlässigkeit nicht im guten Glauben. (3) Beschwerde-, Anzeige- und Äußerungsrechte der in § 2 genannten Personen bleiben unberührt. (4) Die Meldung oder Offenlegung nach § 5 Absatz 1 darf nicht verhindert oder beeinträchtigt werden. § 6 Interne Meldung Der Hinweisgeber kann unter Inanspruchnahme eines Meldesystems im Sinne des § 16 intern Meldung erstatten. Das Recht zur direkten externen Meldung bleibt hiervon unberührt. § 7 Externe Meldung (1) Der Hinweisgeber kann direkt extern gegenüber der zuständigen Meldestelle im Sinne dieses Gesetzes2 Meldung erstatten. 2 Unter Berücksichtigung der vorausgegangenen Ausführungen sind in dem vorliegenden Vorschlag eines Hinweisgeberschutzgesetzes keine Vorschriften zu den externen Meldesystemen vorgesehen.
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Teil 5: Entwurf eines Hinweisgeberschutzgesetzes
(2) Das Recht zur direkten externen Meldung darf nicht eingeschränkt oder ausgeschlossen werden. (3) Informationen über Verstöße im Sinne des § 3 dürfen auch direkt an zusta¨ ndige Organe, Einrichtungen oder sonstige Stellen der Union extern gemeldet werden. § 8 Offenlegung Der Hinweisgeber darf Informationen über Verstöße öffentlich zugänglich machen (Offenlegung), wenn a) er zuvor extern Meldung erstattet hat und die zuständige Stelle keine fristgerechte Rückmeldung über geeignete Folgemaßnahmen gegeben hat, b) die in der fristgerechten Rückmeldung der externen Meldestelle angegebenen Folgemaßnahmen rechtswidriger Weise nicht durchgeführt oder eingestellt wurden und der Hinweisgeber anschließend zusätzlich intern Meldung erstattet hat und keine fristgerechte Rückmeldung über geeignete Folgemaßnahmen nach § 25 Absatz 2 und 3 erstattet wurde oder die interne Meldung nicht Erfolg versprechend ist, c) eine schwerwiegende, konkrete Gefahr für bedeutende Rechtsgüter der Allgemeinheit durch den Verstoß besteht oder der Hinweisgeber dies im Zeitpunkt der Offenlegung gutgläubig annimmt oder d) bei einer externen Meldung Repressalien zu befu¨ rchten sind oder aufgrund der besonderen Umsta¨ nde des Falls geringe Aussichten bestehen, dass wirksam gegen den Verstoß vorgegangen wird oder der Hinweisgeber dies im Zeitpunkt der Offenlegung gutgläubig annimmt. Abschnitt 3: Rechtlicher Schutz Unterabschnitt 1: Haftungsausschluss § 9 Ausschluss der Haftung wegen der Informationsweitergabe Ein Hinweisgeber, der Informationen über Verstöße meldet oder offenlegt, handelt rechtmäßig, wenn diese Weitergabe der Informationen notwendig war, um einen Verstoß im Sinne des § 3 aufzudecken oder der Hinweisgeber dies im Zeitpunkt seiner Meldung oder Offenlegung gutgläubig annahm. § 10 Ausschluss der Haftung wegen der Informationsbeschaffung Eine hinweisgebende Person kann nicht für die Beschaffung von oder den Zugriff auf Informationen, die sie gemeldet oder offengelegt hat, rechtlich verantwortlich gemacht werden, sofern die Beschaffung nicht als solche oder der Zugriff nicht als solcher eine Straftat darstellt. § 11 Weitergabe und Offenlegung von Geschäftsgeheimnissen Beinhaltet eine interne oder externe Meldung oder eine Offenlegung nach § 5 Absatz 1 ein Geschäftsgeheimnis im Sinne des § 2 Nummer 1 des Geschäftsgeheimnisgesetzes, so ist die Weitergabe an die zuständige Meldestelle oder die Offenlegung des Geschäftsgeheimnisses erlaubt, wenn der Hinweisgeber gutgläubig annahm, dass diese Weitergabe oder Offenlegung notwendig ist, um einen Verstoß aufzudecken.
Teil 5: Entwurf eines Hinweisgeberschutzgesetzes
323
Unterabschnitt 2: Schutz vor Repressalien § 12 Repressalienverbot (1) Das Ergreifen, Fördern und Dulden einer Repressalie gegen einen Hinweisgeber sind verboten. Dasselbe gilt für den Versuch und die Androhung einer Repressalie. Repressalien können insbesondere a)
Suspendierung, Ku¨ ndigung oder vergleichbare Maßnahmen,
b) Herabstufung oder Versagung einer Befo¨ rderung, c)
¨ nderung des Arbeitsortes, Gehaltsminderung, A ¨ nderung Aufgabenverlagerung, A der Arbeitszeit,
d) Versagung der Teilnahme an Weiterbildungsmaßnahmen, e)
negative Leistungsbeurteilung oder Ausstellung eines schlechten Arbeitszeugnisses,
f)
Disziplinarmaßnahme, Ru¨ ge oder sonstige Sanktionen einschließlich finanzieller Sanktionen,
g) No¨ tigung, Einschu¨ chterung, Mobbing oder Ausgrenzung, h) Diskriminierung, benachteiligende oder ungleiche Behandlung, i)
Nichtumwandlung eines befristeten Arbeitsvertrags in einen unbefristeten Arbeitsvertrag in Fa¨ llen, in denen der Arbeitnehmer zu Recht erwarten durfte, einen unbefristeten Arbeitsvertrag angeboten zu bekommen,
j)
Nichtverla¨ ngerung oder vorzeitige Beendigung eines befristeten Arbeitsvertrags,
k) Scha¨ digung (einschließlich Rufscha¨ digung), insbesondere in den sozialen Medien, oder Herbeifu¨ hrung finanzieller Verluste (einschließlich Auftrags- oder Einnahmeverluste), l)
Erfassung des Hinweisgebers auf einer „schwarzen Liste“ auf Basis einer informellen oder formellen sektor- oder branchenspezifischen Vereinbarung mit der Folge, dass der Hinweisgeber sektor- oder branchenweit keine Bescha¨ ftigung mehr findet,
m) vorzeitige Ku¨ ndigung oder Aufhebung eines Vertrags u¨ ber Waren oder Dienstleistungen, n) Entzug einer Lizenz oder einer Genehmigung und ¨ berweisungen sein. o) psychiatrische oder a¨ rztliche U (2) Ein Rechtsgeschäft, welches gegen das Repressalienverbot verstößt, ist nichtig. § 13 Beweislast Erleidet ein Hinweisgeber nach seiner Meldung oder Offenlegung einen Nachteil im beruflichen Kontext, so wird vermutet, dass dieser Nachteil eine Repressalie ist. Die Person, die die nachteilige Maßnahme verursacht hat, hat in diesem Fall zu beweisen, dass die Maßnahme wesentlich auf einen sachlich gerechtfertigten Grund gestützt wurde.
324
Teil 5: Entwurf eines Hinweisgeberschutzgesetzes
§ 14 Beseitigungs- und Unterlassungsanspruch (1) Der Hinweisgeber kann bei einem Verstoß gegen das Repressalienverbot die Beseitigung des Nachteils von dem Verursacher der Repressalie verlangen. (2) Ist eine Repressalie zu besorgen, besteht ein Anspruch auf Unterlassung. (3) Ein Verstoß gegen das Verbot von Repressalien begründet keinen Anspruch auf Begründung eines Beschäftigungsverhältnisses, eines Berufsausbildungsverhältnisses oder eines anderen Vertragsverhältnisses oder auf einen beruflichen Aufstieg. § 15 Schadensersatz (1) Der Verursacher der Repressalie ist zum Ersatz des dem Hinweisgeber aus der Repressalie entstandenen Schadens verpflichtet. Wegen eines Schadens, der nicht Vermögensschaden ist, kann der Hinweisgeber eine angemessene Entschädigung in Geld verlangen. (2) § 14 Absatz 3 gilt entsprechend. Abschnitt 4: Einrichtung interner Meldesysteme Unterabschnitt 1: Grundsätze § 16 Verpflichtung von Beschäftigungsgebern (1) Beschäftigungsgeber im Sinne des § 4 Absatz 4 mit in der Regel mindestens 50 Beschäftigten müssen Meldekana¨ le und Verfahren fu¨ r Folgemaßnahmen (Meldesysteme) nach Maßgabe dieses Gesetzes einrichten. Leiharbeitnehmer sind auch bei dem entleihenden Beschäftigungsgeber zu berücksichtigen, soweit mit ihnen ein regelmäßiger Beschäftigungsbedarf abgedeckt wird. (2) Beschäftigungsgeber nach Absatz 1 müssen gegenüber Hinweisgebern verständliche und umfassende Informationen über den verfügbaren internen Meldekanal und die externen Meldekanäle leicht zugänglich bereitstellen. (3) Beschäftigungsgebern, die nicht nach Absatz 1 verpflichtet sind, steht es frei, interne Meldesysteme einzurichten. Mit der freiwilligen Einrichtung eines internen Meldesystems findet § 17 uneingeschränkt Anwendung. (4) Abweichend von Absatz 1 gilt die Pflicht zur Einrichtung interner Meldesysteme unabhängig von der Zahl der Beschäftigten für a) Wertpapierdienstleistungsunternehmen im Sinne des § 2 Absatz 10 des Wertpapierhandelsgesetzes, b) Datenbereitstellungsdienste im Sinne des § 2 Absatz 40 des Wertpapierhandelsgesetzes, c) Börsenträger im Sinne des Börsengesetzes, d) Institute im Sinne des § 1 Absatz 1 Buchstabe b des Kreditwesengesetzes, e) Gegenparteien im Sinne des Artikels 3 Nummer 2 der Verordnung (EU) 2015/2365 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 25. November 2015 über die Transparenz von Wertpapierfinanzierungsgeschäften und der Weiterverwendung sowie zur Änderung der Verordnung (EU) Nr. 648/2012 (ABl. L 337 vom 23. 12. 2015, S. 1),
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f) Kapitalverwaltungsgesellschaften gemäß § 17 Absatz 1 des Kapitalanlagegesetzbuchs sowie g) Unternehmen gemäß § 1 Absatz 1 des Versicherungsaufsichtsgesetzes mit Ausnahme der nach den §§ 61 bis 66 Buchstabe a des Versicherungsaufsichtsgesetzes tätigen Unternehmen mit Sitz in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union oder einem anderen Vertragsstaat des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum.3 (5) Die zur Einrichtung interner Meldesysteme verpflichteten Beschäftigungsgeber erteilen den zuständigen Stellen nach § 22 und § 27 die notwendigen Befugnisse, um ihre Aufgaben nach diesem Gesetz wahrzunehmen. § 17 Vertraulichkeit der Meldesysteme (1) Beschäftigungsgeber haben die Vertraulichkeit ihrer Meldesysteme zu gewährleisten. Der Meldekanal und die Verfahren für die Folgemaßnahmen sind so zu konzipieren, einzurichten und zu betreiben, dass die Vertraulichkeit der Identität der Hinweisgeber gewahrt bleibt und nur berechtigte Stellen Kenntnis von und Zugriff auf Informationen über die Identität der Hinweisgeber haben. (2) Berechtigte Stellen im Sinne des Absatzes 1 sind ausschließlich die Meldestelle und solche Personen oder Abteilungen, die für die Durchführung von Folgemaßnahmen zuständig sind. (3) Informationen über die Identität der Hinweisgeber sind alle Angaben über deren Identität und solche, aus denen die Identität direkt oder indirekt abgeleitet werden kann. (4) Erstattet ein Hinweisgeber ohne Offenlegung seiner Identität eine Meldung (anonyme Meldung), ist diese ebenfalls entgegenzunehmen. Die Vorgaben dieses Gesetzes finden uneingeschränkt Anwendung. § 18 Vertraulichkeitsgebot (1) Meldestellen im Sinne des § 22 und Personen oder Abteilungen nach § 27, die für die Durchführung von Folgemaßnahmen zuständig sind, haben die Vertraulichkeit der Identität der Hinweisgeber zu wahren. Informationen über die Identität des Hinweisgebers im Sinne des § 17 Absatz 3 dürfen nur ihnen bekannt sein. (2) Die Pflicht zur Information nach Art. 14 DS-GVO und der Auskunftsanspruch nach Art. 15 DS-GVO sind ausgeschlossen, wenn und soweit Informationen über die Identität des Hinweisgebers weitergegeben werden müssten. Satz 1 gilt nicht, wenn eine Ausnahme nach § 19 Absatz 1 vorliegt. § 19 Ausnahmen von dem Vertraulichkeitsgebot (1) Informationen über die Identität des Hinweisgebers dürfen abweichend von § 18 Absatz 1 an zuständige Stellen und Personen weitergegeben werden, wenn a) dies für Folgemaßnahmen erforderlich ist und der Hinweisgeber in die Weitergabe eingewilligt hat. Die Einwilligung muss für jede einzelne Weitergabe von Informationen über die Identität gesondert und in Textform vorliegen. b) der Hinweisgeber nicht gutgläubig war. 3
Vgl. hierzu § 12 Abs. 3 HinSchG-Entwurf.
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Teil 5: Entwurf eines Hinweisgeberschutzgesetzes
(2) Informationen über die Identität des Hinweisgebers dürfen zudem gegenüber den zuständigen staatlichen Stellen weitergegeben werden a) in Strafverfahren auf Verlangen der Strafverfolgungsbehörden. b) auf Grund einer Anordnung in einem Verwaltungsverfahren oder einer gerichtlichen Entscheidung. Die Meldestelle hat den Hinweisgeber zuvor über die Weitergabe der Informationen zu informieren und die Gründe dafür gegenüber dem Hinweisgeber schriftlich zu begründen. Die Pflicht nach Satz 2 besteht nicht, wenn und soweit die Information oder Begründung den Erfolg des staatlichen Verfahrens gefährden würde. (3) Die Meldestelle muss Hinweisgeber vor ihrer Meldung über die Möglichkeit der Weitergabe der Informationen über ihre Identität unterrichten. § 20 Verarbeitung personenbezogener Daten (1) Die zuständigen Stellen der Meldesysteme dürfen personenbezogene Daten unter Wahrung des Vertraulichkeitsgebots nach § 18 erheben und verarbeiten, wenn und soweit dies für den Betrieb des Meldekanals und die Durchführung von Folgemaßnahmen erforderlich ist. Personenbezogene Daten, die offenbar nicht relevant sind, sind, wenn sie zuvor unbeabsichtigt erhoben wurden, unverzüglich zu löschen. (2) Beschäftigungsgeber im Sinne § 16, die interne Meldesysteme einrichten, sind bei der Verarbeitung personenbezogener Daten Verantwortliche gemäß Art. 4 Nr. 7 DS-GVO. Unterabschnitt 2: Meldekanäle § 21 Persönliche und sachliche Öffnung des Meldekanals (1) Ein interner Meldekanal muss für die Meldung von Informationen über Verstöße im Sinne des § 3 durch Beschäftigte des Beschäftigungsgebers geöffnet sein. (2) Ein Meldekanal kann zusätzlich für sämtliche Hinweisgeber im Sinne des § 2 geöffnet werden. Sofern von diesem Recht Gebrauch gemacht wird, finden die Vorgaben dieses Gesetzes uneingeschränkt Anwendung. (3) Ein interner Meldekanal kann zusätzlich für Meldungen anderer Informationen als die über Verstöße im Sinne des § 3 geöffnet werden oder es kann ein gesonderter Meldekanal für diese Informationen eingerichtet werden. § 22 Meldestelle (1) Ein Meldekanal kann intern durch eine vom Beschäftigungsgeber benannte Person oder Abteilung betrieben (interne Meldestelle) oder durch einen externen Dritten (externe Meldestelle) bereitgestellt werden. (2) Eine interne Meldestelle darf nur durch Personen oder Abteilungen betrieben werden, die neutral und gegenüber dem Beschäftigungsgeber unabhängig sind. Die Wahrnehmung anderer Aufgaben bei dem Beschäftigungsgeber ist zulässig, wenn und soweit dadurch die Neutralität und Unabhängigkeit nicht beeinträchtigt werden. Satz 1 gilt entsprechend für externe Meldestellen. (3) Beschäftigungsgeber mit in der Regel mehr als 50 und weniger als 249 Beschäftigten können die Meldestelle gemeinsam mit anderen Beschäftigungsgebern betreiben oder gemeinsam durch einen Dritten bereitstellen lassen.
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§ 23 Meldeweg für Hinweisgeber Interne Meldekanäle müssen Meldungen in mündlicher oder in Textform ermöglichen. Auf Ersuchen des Hinweisgebers ist für eine Meldung innerhalb einer angemessenen Zeit eine persönliche Zusammenkunft mit den für die Entgegennahme einer Meldung zuständigen Personen der internen Meldestelle zu ermöglichen. § 24 Dokumentation der Meldung (1) Eingehende Meldungen sind durch die Meldestelle in Abhängigkeit von dem durch den Hinweisgeber gewählten Meldeweg in dauerhaft abrufbarer Weise unter Wahrung des Vertraulichkeitsgebots nach § 18 zu dokumentieren. (2) Die Dokumentation der Meldung muss durch eine Tonaufzeichnung, durch eine vollsta¨ ndige und genaue Niederschrift in Form eines Protokolls oder durch eine Zusammenfassung des Gesprächs in Form eines Vermerks erfolgen. (3) Für die Herstellung einer dauerhaft abrufbaren Tonaufzeichnung des Gesprächs oder für die Anfertigung eines Protokolls ist die Einwilligung des Hinweisgebers erforderlich. (4) Dem Hinweisgeber ist die Möglichkeit einzuräumen, die Dokumentation zu überprüfen, gegebenenfalls zu korrigieren und durch seine Unterschrift zu bestätigen. (5) Die dokumentierte Meldung ist bis zum Abschluss des Verfahrens vertraulich und abrufbar aufzubewahren. Die dokumentierte Meldung wird gelöscht, sobald das Verfahren abgeschlossen ist. § 25 Bestätigung der Meldung und Rückmeldung (1) Die Meldestelle hat innerhalb einer Frist von sieben Tagen nach Eingang der Meldung den Eingang dieser gegenüber dem Hinweisgeber zu bestätigen. (2) Die Meldestelle muss dem Hinweisgeber spätestens nach drei Monaten ab Bestätigung der Meldung im Sinne des Absatzes 1 eine Rückmeldung erstatten. Ist die Bestätigung der Meldung im Sinne des Absatzes 1 unterblieben, beginnt die Frist des Satzes 1 mit Ablauf von sieben Tagen nach Eingang der Meldung des Hinweisgebers. (3) In der Rückmeldung ist der Hinweisgeber u¨ ber die geplanten oder bereits ergriffenen Folgemaßnahmen und die Gru¨ nde fu¨ r diese zu unterrichten, sodass der Hinweisgeber die Eignung der Folgemaßnahmen beurteilen kann. Die Rückmeldung hat folgende Angaben zu enthalten a) die rechtliche Bewertung der mitgeteilten Informationen, b) die eingeleiteten und geplanten Folgemaßnahmen und eine darauf bezogene Begründung, c) im Fall geplanter Folgemaßnahmen ihr voraussichtlicher Zeitpunkt und d) ob und welche weiteren Rückmeldungen zu erwarten sind. Die Pflicht zur Rückmeldung ist ausgeschlossen, wenn und soweit sie den Erfolg der Folgemaßnahmen gefährden würde oder die Rechte der Person, die Gegenstand der Meldung ist, oder die Rechte sonstiger Personen beeinträchtigt würden. Mit Wegfall dieser Voraussetzungen ist die Rückmeldung unverzüglich nachzuholen.
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Teil 5: Entwurf eines Hinweisgeberschutzgesetzes
(4) Der Hinweisgeber sollte zusätzlich regelmäßig über die Fortschritte der durchgeführten Folgemaßnahmen und über die Einleitung weiterer Folgemaßnahmen informiert werden, wenn und soweit dies den Erfolg der Folgemaßnahmen nicht gefährdet und die Rechte der Person, die Gegenstand der Meldung ist, oder die Rechte sonstiger Personen nicht beeinträchtigt werden. (5) Die Meldestelle muss den Hinweisgeber über den Abschluss des Verfahrens und die Ergebnisse unter Angabe der Gründe für die Entscheidung informieren. Absatz 3 Satz 3 und Satz 4 gelten entsprechend. (6) Die Meldestelle kann den Hinweisgeber zur Einholung weiterer Informationen kontaktieren. Eine Pflicht des Hinweisgebers zur Mitteilung weiterer Informationen wird damit nicht begründet. Unterabschnitt 3: Verfahren für Folgemaßnahmen § 26 Durchführung von Folgemaßnahmen (1) Nach Eingang der Meldung muss die zuständige Stelle im Sinne des § 27 verhältnismäßige Folgemaßnahmen durchführen. (2) Folgemaßnahmen im Sinne des Absatzes 1 sind Maßnahmen zur Überprüfung der Stichhaltigkeit der eingehenden Meldungen, zur Beseitigung eines Verstoßes im Sinne des § 3 oder zum Abschluss des Verfahrens. Folgemaßnahmen können insbesondere sein a) interne Nachforschungen und Ermittlungen, b) die Kontaktaufnahme mit betroffenen Personen und Arbeitseinheiten, c) die Information zuständiger staatlicher Stellen oder die Übergabe des Verfahrens an diese zwecks weiterer Untersuchungen, d) rechtliche und tatsächliche Maßnahmen zur Beseitigung des Verstoßes und e) der Abschluss des Verfahrens aufgrund mangelnder Beweise oder anderer Gru¨ nde. (3) Die Informationspflicht nach Art. 14 DS-GVO besteht gegenüber der Person, deren personenbezogene Daten Gegenstand der Meldung sind, bis zum Abschluss der Aufklärung des Sachverhalts nicht. Anschließend ist die Information unverzüglich nachzuholen. (4) Ein Anspruch des Hinweisgebers auf Auskunft nach Art. 15 DS-GVO besteht nicht, wenn und soweit sie den Erfolg der Folgemaßnahmen gefährden würde. Mit Wegfall dieser Voraussetzungen ist die Auskunft auf Verlangen des Hinweisgebers unverzüglich zu erteilen. (5) Die Pflicht zur Durchführung von verhältnismäßigen Folgemaßnahmen nach Absatz 1 besteht auch, wenn die Meldung anonym erstattet wurde. § 27 Zuständigkeit Beschäftigungsgeber haben eine neutrale und unabhängige interne Person oder Abteilung zu benennen, die für die Durchführung der Folgemaßnahmen zuständig ist. Wird der Meldekanal durch eine interne Meldestelle betrieben, kann dieser die Zuständigkeit für die Durchführung von Folgemaßnahmen übertragen werden.
Teil 5: Entwurf eines Hinweisgeberschutzgesetzes
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Abschnitt 5: Schlussvorschriften § 28 Bußgeldvorschriften (1) Ordnungswidrig handelt, wer eine Repressalie entgegen § 12 Absatz 1 einleitet oder androht. Ordnungswidrig handelt auch, wer eine Repressalie entgegen § 12 Absatz 1 vorsätzlich fördert oder duldet. (2) Ordnungswidrig handelt zudem, wer eine Meldung oder Offenlegung entgegen § 5 Absatz 4 verhindert oder vorsätzlich beeinträchtigt. (3) Ordnungswidrig handelt auch, wer entgegen § 18 Informationen ohne Vorliegen einer Ausnahme nach § 19 vorsätzlich oder fahrlässig weitergibt. (4) In den Fällen des Absatzes 1 Satz 1 und Absatzes 2 und 3 kann auch der Versuch geahndet werden. (5) Die Ordnungswidrigkeit kann in den Fällen des Absatzes 1 Satz 1 und Absatzes 2 und 3 mit einer Geldbuße bis zu hunderttausend Euro geahndet werden, in den Fällen des Absatzes 1 Satz 2 sowie in den Fällen des Absatzes 4 mit einer Geldbuße bis zu fünfundzwanzigtausend Euro. § 29 Unabdingbarkeit Von den Vorschriften dieses Gesetzes darf nicht zum Nachteil der in § 2 genannten Personen abgewichen werden.
Teil 6
Resümee und Ausblick Mit der Umsetzung der EU-Richtlinie 2019/1937 wird die nationale Rechtslage zum Thema Whistleblowing einen grundlegenden Wandel erfahren. Dies ergibt sich nicht nur aus den inhaltlichen Vorgaben der Richtlinie, sondern auch aus der zu erwartenden Abkehr von der bis heute bestehenden nationalen Rechtspraxis. Während bislang das hinweisgebende Verhalten an richterlichen Grundsätzen im Rahmen der Anwendung allgemeiner Vorschriften beurteilt werden musste, werden de lege ferenda umfassende gesetzliche Regelungen in das deutsche Rechtssystem Eingang finden. Diese beziehen sich sowohl auf die Anforderungen an die Schutzwürdigkeit von Whistleblowern und die Gewährleistung ihres Schutzanspruchs als auch auf die branchenunabhängige Einrichtung und den Betrieb interner Meldesysteme. Die bisherige Rechtslage war von erheblicher Rechtsunsicherheit und unzureichender Rechtsklarheit geprägt.1 Dies war der Bereitschaft zum Whistleblowing zu Lasten der Rechtsdurchsetzung abträglich.2 Mit Umsetzung der WhistleblowingRichtlinie kann diesem Zustand Abhilfe geleistet werden. Die EU-Richtlinie 2019/ 1937 ist ein erster Schritt hin zu mehr Rechtssicherheit.3 Der Gesetzgeber ist nun in der Pflicht, die unionsrechtlichen Vorgaben umzusetzen und eine kohärente4 sowie stringente Rechtslage zur Förderung des Whistleblowings in Deutschland zu schaffen. Der erste Gesetzesentwurf zur Umsetzung der EU-Richtlinie 2019/1937 ist zweifellos ein großer Schritt auf dem Weg hin zu einer Neuheit des deutschen Rechts, einem umfassenden gesetzlichen Schutz von Whistleblowern. Sofern noch einzelne, zwingend zu korrigierende Unzulänglichkeiten des Entwurfs des Hinweisgeberschutzgesetzes beseitigt werden, wird es gelingen, eine interessengerechte Rechtslage zur Förderung des Whistleblowings zu schaffen. Dem Gesetzgeber ist unter Berücksichtigung der vorausgegangenen Ausführungen Folgendes anzuraten:
1 So auch Abraham, ZRP 2012, 11, 13; Deiseroth/Derleder, ZRP 2008, 248, 249; Falter, CB 2015, Heft 5 Umschlagteil I; Nöbel/Veljovic, CB 2020, 34, 36. 2 Falter, CB 2015, Heft 5 Umschlagteil I; Göpfert/Landauer, NZA-Beilage 2011, 16, 21. 3 Ullrich, WiJ 2019, 52, 62. 4 Schmolke, NZG 2020, 5, 12.
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1. De lege ferenda muss, wie auch mit dem aktuellen Gesetzesentwurf in § 1 Abs. 1 HinSchG-Entwurf zutreffend vorgesehen, sämtlichen Personengruppen des Art. 4 Abs. 1 bis Abs. 3 EU-RL 2019/1937 der besondere Schutz der Whistleblowing-Richtlinie eingeräumt werden. Richtig ist zudem eine Einschränkung des persönlichen Anwendungsbereichs auf solche Personen, die im beruflichen Zusammenhang Informationen über Verstöße erlangt haben. Außenstehende Dritte sollten künftig keine schutzwürdigen Hinweisgeber sein können. Es sollte zudem ausdrücklich klargestellt werden, dass eine Informationserlangung im „vor- und nachvertraglichen“ Bereich ebenfalls für die Anwendung des Hinweisgeberschutzgesetzes ausreichend ist. 2. Die Richtlinie muss in sachlicher Hinsicht überschießend umgesetzt werden, indem Hinweisgebern künftig das Recht zugesprochen wird, nicht nur Verstöße gegen Unionsrecht, sondern auch gegen nationales Recht der Bereiche des Art. 2 Abs. 1 lit. a) EU-RL 2019/1937 und strafbewehrte Rechtsverstöße aufzudecken. Ein allgemeiner Verweis auf das Ordnungswidrigkeitenrecht ist dagegen unzulässig. Der derzeitige Entwurf des Hinweisgeberschutzgesetzes muss daher zwingend angepasst werden, indem die pauschale Einbeziehung sämtlicher bußgeldbewehrter Rechtsverstöße in den sachlichen Anwendungsbereich des Gesetzes gestrichen wird. 3. Whistleblower dürfen künftig nicht dazu berechtigt werden, rechtmäßiges Fehlverhalten zu melden bzw. offenzulegen. Da der Referentenentwurf des Hinweisgeberschutzgesetzes mit diesen Erwägungen im Einklang steht, bedarf es in dieser Hinsicht keiner Überarbeitung. 4. Gutgläubige Rechts- und Tatsachenirrtümer dürfen die Zulässigkeit der Meldung bzw. Offenlegung künftig nicht ausschließen. Vorsatz und grobe Fahrlässigkeit schließen den guten Glauben und damit den Schutzanspruch de lege ferenda aus. Diesem Ergebnis entspricht, trotz begrifflicher Divergenzen, auch der derzeitige Gesetzesentwurf. 5. Künftig müssen Hinweisgeber intern und direkt extern gegenüber den zuständigen Stellen Meldung erstatten dürfen. Das Recht zur direkten externen Meldung darf nicht eingeschränkt werden. Die unionsrechtswidrige Bestimmung des § 7 Abs. 1 S. 2 HinSchG-Entwurf muss daher zwingend angepasst werden. 6. Der nationale Gesetzgeber muss die Inanspruchnahme interner Meldekanäle fördern. Diese Aufgabe darf der Gesetzgeber nicht den Unternehmen übertragen, indem er ihnen abverlangt, dass sie gegenüber Whistleblowern (finanzielle) Anreize für eine vorrangige interne Meldung leisten. Der aktuelle Referentenentwurf steht hierzu im Widerspruch. Gemäß § 7 Abs. 3 HinSchG-Entwurf sollen die Unternehmen Anreize für die vorrangige Inanspruchnahme interner Meldekanäle schaffen. Diese Vorschrift des Referentenentwurfs ist zu streichen.
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7. Die Offenlegung darf de lege ferenda, in den unionsrechtlich vorgegebenen Grenzen, nur das „ultima ratio“ sein. Dem trägt der aktuelle Gesetzesentwurf mit § 31 HinSchG-Entwurf hinreichend Rechnung. 8. In Abkehr von der bisherigen Rechtslage muss auf eine Berücksichtigung der Handlungsmotive des Hinweisgebers verzichtet werden. Dies hat der Gesetzgeber mit dem derzeitigen Gesetzesentwurf ebenfalls zutreffend erkannt. Ein Rückgriff auf den Einwand des Rechtsmissbrauchs (§ 242 BGB) ist in engen Ausnahmefällen künftig jedoch weiterhin zulässig. Der Einwand des Rechtsmissbrauchs kann de lege ferenda geltend gemacht werden, wenn ein Whistleblower ausschließlich aus verwerflichen Motiven einen bloß vermeintlichen Verstoß aufdeckt. 9. Der nationale Gesetzgeber muss künftig, wie auch in § 35 Abs. 1 HinSchGEntwurf vorgesehen, Repressalien ausdrücklich verbieten. Das Verbot muss sich an sämtliche Personen richten, die in einem beruflichen Kontext Repressalien einleiten, dulden oder fördern können. Eine unzulässige Repressalie setzt künftig voraus, dass die nachteilige Maßnahme primär wegen der Meldung bzw. Offenlegung ergriffen wurde. Bloße Mitursächlichkeit darf die Annahme einer Repressalie nicht begründen. Da sich aus dem aktuellen Referentenentwurf der Kausalitätsmaßstab nicht eindeutig ergibt, bedarf es einer Überarbeitung des Gesetzestextes. 10. In Ergänzung zu dem Repressalienverbot muss eine Beweislastumkehr normiert werden, nach der das Vorliegen einer Repressalie vermutet wird, wenn der Whistleblower einen Nachteil im beruflichen Kontext nach seiner Meldung bzw. Offenlegung erlitten hat. Sofern der Verantwortliche der vermeintlichen Repressalie diese Vermutung widerlegen will, muss er lediglich beweisen, dass andere zulässige Gründe für die Maßnahme handlungsbestimmend waren. Ihm darf nicht der Nachweis darüber abverlangt werden, dass überhaupt keine Kausalverbindung bestand. Die unklare Regelung des § 35 Abs. 2 HinSchGEntwurf ist entsprechend dieser Erwägungen anzupassen. 11. Ein Hinweisgeber, der Informationen über Verstöße meldet oder offenlegt und diese Weitergabe der Informationen zur Aufdeckung eines Verstoßes notwendig ist, handelt de lege ferenda rechtmäßig. Dies gilt auch, wenn der Hinweisgeber die Notwendigkeit der Informationsweitergabe gutgläubig annimmt. Eine Haftung für eine Informationserlangung im Vorfeld einer Meldung bzw. Offenlegung ist auszuschließen, sofern es sich nicht um eine Straftat handelt. Der derzeitige Referentenentwurf, konkret § 34 Abs. 1 und 2 HinSchG-Entwurf, genügt diesen Vorgaben im Ergebnis. 12. Mit Umsetzung der Whistleblowing-Richtlinie ist Hinweisgebern ein Anspruch auf Beseitigung des aus einer Repressalie folgenden Nachteils zuzusprechen.
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Dieser sollte durch einen Unterlassungsanspruch ergänzt werden. Eine solche Regelung fehlt in dem Gesetzesentwurf und muss daher zusätzlich aufgenommen werden. 13. Darüber hinaus ist Hinweisgebern künftig ein verschuldensunabhängiger Anspruch auf Ersatz materieller und immaterieller Schäden, verursacht durch eine Repressalie, einzuräumen. § 36 Abs. 1 HinSchG-Entwurf ist durch einen ausdrücklichen Anspruch auf Ersatz immaterieller Schäden zu ergänzen. 14. De lege ferenda müssen Unternehmen mit mehr als 50 Arbeitnehmern (i. S. d. Art. 45 AEUV) dazu verpflichtet werden, interne Meldesysteme einzurichten. Der nationale Gesetzgeber darf kleineren Unternehmen eine solche Pflicht dagegen nicht auferlegen. Diesen Vorgaben entspricht § 12 Abs. 1 bis Abs. 3 HinSchG-Entwurf. 15. Unternehmen sind künftig dazu zu verpflichten, vertrauliche Meldesysteme vorzusehen. Zudem müssen die zuständigen Stellen dem Gebot der Vertraulichkeit unterworfen werden. Der derzeitige Gesetzesentwurf ist in dieser Hinsicht überzeugend, da er ebenfalls lediglich die Einrichtung vertraulicher und gerade nicht anonymer Meldesysteme verpflichtend vorsieht. 16. Zur Absicherung der Vertraulichkeit der internen Meldesysteme muss der nationale Gesetzgeber die datenschutzrechtliche Informationspflicht gegenüber der verdächtigten Person und ihren Auskunftsanspruch bezüglich der Identität des gutgläubigen Hinweisgebers ausschließen. Der Referentenentwurf ist entsprechend zu überarbeiten. Eine Anpassung der Strafprozessordnung hat dagegen zu unterbleiben. 17. Der nationale Gesetzgeber muss eine Pflicht zur Einleitung verhältnismäßiger Folgemaßnahmen anlässlich jeder eingegangenen Meldung normieren. Diese Verpflichtung ist auch auf anonyme Meldungen zu erstrecken. Letzteres sieht der derzeitige Gesetzesentwurf nicht vor, sodass eine solche Regelung zusätzlich aufzunehmen ist. 18. Zur Gewährleistung wirksamer Folgemaßnahmen muss die datenschutzrechtliche Informationspflicht nach Art. 14 DS-GVO gegenüber der verdächtigten Person bis zum Abschluss der Sachverhaltsaufklärung durch eine entsprechende gesetzliche Regelung ausgesetzt werden. Es ist zudem zu normieren, dass gegenüber einem Hinweisgeber die Auskunft über den Stand des Verfahrens nach Art. 15 Abs. 1 Hs. 2 Alt. 1 DS-GVO verweigert werden darf, wenn und soweit diese den Erfolg der Folgemaßnahmen gefährden kann. Mangels entsprechender Regelungen in dem aktuellen Referentenentwurf des Hinweisgeberschutzgesetzes bedarf es einer Überarbeitung.
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19. Über die Öffnungsklausel des Art. 6 Abs. 3 DS-GVO ist, wie auch zutreffend in § 10 HinSchG-Entwurf vorgesehen, eine spezielle Ermächtigung zu normieren, nach der die zuständigen Stellen der internen Meldesysteme Daten verarbeiten dürfen. Es sollte zusätzlich normiert werden, dass die Unternehmen, die interne Meldesysteme einrichten, Verantwortliche im Sinne des Art. 4 Nr. 7 DS-GVO sind. 20. Die Vorgaben der Whistleblowing-Richtlinie müssen durch ein spezielles Gesetz auf nationaler Ebene umgesetzt werden. Mit Fortführung des derzeitigen Entwurfs eines speziellen Hinweisgeberschutzgesetzes würde dieser Empfehlung genüge getan. Die Umsetzung der Richtlinie unter Berücksichtigung der dargestellten Vorgaben wird nicht nur Vorteile für Whistleblower bieten, indem ein Mehr an Rechtssicherheit und -klarheit sowie ein erhöhtes Schutzniveau für sie geschaffen werden. Vielmehr wirkt sich die damit verbundene Förderung des Whistleblowings auch positiv auf die effektive Rechtsdurchsetzung5 und die gesamtwirtschaftliche Lage, einschließlich die der einzelnen Unternehmen6, in Deutschland aus.7 Whistleblower-Schutz hat gesamtgesellschaftlichen Einfluss und damit Bedeutung für die Allgemeinheit. Es wird jedoch erst gelingen, einen tatsächlich vollumfänglichen Schutz von Whistleblowern zu erreichen, wenn diese Erkenntnis sich in der gesamten Gesellschaft durchgesetzt hat. Gesellschaftliche Ausgrenzung, sei es im privaten oder kollegialen Umfeld, kann nicht allein durch gesetzliche Verbote der Benachteiligung von Whistleblowern verhindert werden. Es bedarf eines gesellschaftlichen Umdenkens.8 Die Umsetzung der Whistleblowing-Richtlinie wird hierzu einen wesentlichen Beitrag leisten. Der nationale Gesetzgeber wird mit dem („aufgezwungenen“) Gesetzesvorhaben eine Wertung vornehmen9 : Whistleblower sind künftig keine Verräter mehr, sondern leisten einen wichtigen Beitrag zur Rechtsdurchsetzung im Interesse der Allgemeinheit und sind damit schutzwürdig. Wie schnell, eindeutig und konsequent der rechtliche und gesellschaftliche Wandel zum Thema Whistleblowing vollzogen wird, liegt nun in den Händen des nationalen Gesetzgebers. 5
Umfassend hierzu Meyer, HRRS 2018, 322, 324 f.; zur positiven Auswirkung auf die Korruptionsbekämpfung Koch, ZIS 2008, 500, 504. 6 Zu diesen positiven Auswirkungen eines speziellen Schutzgesetzes und der damit verbundenen Förderung des Whistleblowings Falter, CB 2015, Heft 5 Umschlagteil I; Göpfert/ Landauer, NZA-Beilage 2011, 16, 21. 7 Zu diesen positiven Auswirkungen eines speziellen Schutzgesetzes und der damit verbundenen Förderung des Whistleblowings Wiedmann, BB 2018, Heft 23 Umschlagteil I; unter Bezugnahme auf den Korruptionswahrnehmungsindex auch Wiedmann/Greubel, Newsdienst Compliance 2018, 72003. 8 Ähnlich auch Kölbel/Herold, Working Paper, 4, 7. 9 Vgl. auch Abraham, ZRP 2012, 11, 13; Reinhardt-Kasperek/Kaindl, BB 2018, 1332, 1335.
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Stichwortverzeichnis AGG 187 f. Anreize für Hinweisgeber 131 ff. Auskunftsanspruch, Datenschutzrecht 234 f., 242 ff., 264 ff. Beweislastumkehr
152, 158 ff., 172 f.
Datenverarbeitungsvorgänge 285 Drei-Stufen-Modell 126 Folgemaßnahmen
222,
41, 275 ff.,
254 ff., 170 ff.
Geschäftsgeheimnisgesetz 145 f., 181 f.
23 f., 102 f.,
Informationspflicht, Datenschutzrecht 235 ff., 246 ff., 260 ff., 269 f. Maßregelungsverbot 153, 158, 167 Meinungsfreiheit 35 ff., 52 ff. Meldegegenstand 72 f., 79 ff., 204, 207, 296 Meldesystem – anonym 213 ff., 217 ff. – vertraulich 212 f., 216 f., 224 ff.
Meldung – extern 26 f., 39, 112 ff. – intern 26 f., 112 ff., 196 ff. Mindestharmonisierung 28 Motivation 26, 75, 147 ff. Offenlegung
27, 113, 135 ff.
Rechtmäßiges Fehlverhalten 73, 95 ff., 101 f. Rechtsgrundlage, Datenverarbeitung 285 ff. Rechtsmissbrauch 100, 164 f., 168 ff. Repressalienverbot 152 ff., 167 ff. Schadensersatz 151 f., 179, 185 ff. Strafprozessordnung 231 ff. Überschießende Richtlinienumsetzung 68 f., 80 ff., 96, 313 Ultima ratio 135 ff. Verantwortlichkeit, Datenschutzrecht 280 ff. Vertraulichkeitsgebot 226 ff. Whistleblowing, Definition
26 f.