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German Pages 419 [424] Year 1927
Reform des Strafrechts Kritische Besprechung des Amtlichen Entwurfs eines Allgemeinen Deutschen Strafgesetzbuchs Auf Veranlassung der Deutschen der
Internationalen
Landesgruppe
Kriminalistischen
Vereinigung
unter Mitwirkung von Rechtsanwalt Dr. A l s b e r g , Professor Dr. G r a f z u D o h n a , Professor Dr. F r e u d e n t h a l , Professor Dr. G r a f G l e i s p a c h , Professor Dr. G r ü n h u t , Professor Dr. H e i m b e r g e r , Generalprokurator Dr. H ö p l e r , Ministerialrat Professor Dr. K a d e i k a , Kammergerichtsrat Professor Dr. K l e e , Kammergerichtsrat a. D. Dr. K r o n e c k e r , Professor Dr. L i e p m a n n , Rechtsanwalt Dr. M a m r o t h , Privatdozent Dr. M a n n h e i m , Professor Dr. M e n d e l s s o h n B a r t h o l d y , Professor Dr. R a d b r u c h , Reichsgerichtsrat Dr. R o s e n b e r g , Senatspräsident Dr. W a r h a n e k , Privatdozent Dr. W e g n e r herausgegeben von
Dr. P. F. A s c h r o t t und Dr. Ed. K o h l r a u s c h L a n d g e r t c h t s d i r e k t o r a. D.
Berlin und Leipzig
P r o f e s s o r d e r Rechte
1926
Walter de Gruyter & Co. vormals
G . J . G ö s c h e n ' s c h e Verlagshandlung — J . G u t t e n t a g , V e r l a g s b u c h h a n d l u n g G e o r g R e i m e r — Karl J . T r ü b n e r — Veit & C o m p .
—
Amtlicher Entwurf eines Allgemeinen Deutschen Strafgesetzbuches nebst Begründung Veröffentlicht auf Anordnung des Reichsjustizministeriums. Erster Teil: Entwurf. Quart. 40 Seiten. 1925. RM. 1.— Zweiter Teil: Begründung. Quart. 195 Seiten. 1925. RM. 3.—
Der Entwurf 1925 Allgemeiner Teil Kritische Bemerkungen von
Professor Dr. Heinrich B. Gerland 1925.
gr. 8°.
96 Seiten.
RM. 5.—
Sozialbiologische Bemerkungen zum Strafgesetzentwurf 1925 Von
Dr. jur. Alexander Elster Sonderabdruck aus der „Zeitschrift für die gesamte Strafrechtswissenschaft" Bd. 46. Heft 2 1925. gr. 8°. 34 Seiten. RM. 1.—
Entwürfe zu einem
Deutschen Strafgesetzbuch Veröffentlicht auf Anordnung des Reichsjustizministeriums. 1921. 3 Bände. Lexikon-Oktav. Erster Teil: Entwurf der Strafrechtskommission (1913). RM. 2.10 Zweiter Teil: Entwurf von 1919. RM. 2.10 Dritter Teil: Denkschrift zu dem Entwurf von 1919. RM. 8.40
Verlag von Walter de G r u y t e r & Co. Berlin W 10 und Leipzig
Reform des Strafrechts Kritische Besprechung des Amtlichen Entwurfs eines Allgemeinen Deutschen Strafgesetzbuchs Auf Veranlassung der Deutschen der
Internationalen
Landesgruppe
Kriminalistischen
Vereinigung
{unter Mitwirkung von Rechtsanwalt Dr. A l s b e r g , Professor Dr. G r a f z u D o h n a , Professor Dr. F r e u d e n t h a l , Professor Dr. G r a f G l e i s p a c h , Professor Dr. G r ü n h u t, Professor Dr. H e i m b e r g e r , Generalprokurator Dr. H ö p l e r , Ministerialrat Professor Dr. K a d e i k a , Kammergerichtsrat Professor Dr. K l e e , Kammergerichtsrat a. D. Dr. K r o n e c k e r , Professor Dr. L i e p m a n n , Rechtsanwalt Dr. M a m r o t h , Privatdozent Dr. M a n n h e i m , Professor Dr. M e n d e l s s o h n B a r t h o l d y , Professor Dr. R a d b r u c h , Reichsgerichtsrat Dr. R o s e n b e r g , Senatspräsident Dr. W a r h a n e k , Privatdozent Dr. W e g n e r herausgegeben von
Dr. P. F. A s c h r o t t und Dr. Ed. K o h l r a u s c h Landgerichtsdirektor t . D.
Berlin und Leipzig
Professor der Rechte
1926
Walter de Gruyter & Co. vormals G . J . Göschen'sche Verlagshandlung — J . Guttentag, Verlagsbuchhandlung — Georg Reimer — Karl J . Trübner — Veit 8t Comp.
Druck von Walter de Gruyter & Co., Berlin W 10.
Vorwort. Es sind jetzt 24 Jahre, daß an der Reform des deutschen Strafgesetzbuchs gearbeitet wird. Die Arbeiten begannen 1902, in welchem Jahre ein freies wissenschaftliches Komitee auf Veranlassung des damaligen Staatssekretärs der Justiz, Dr. Nieberding, es unternahm, die Grundlagen für die Reform durch Herausgabe des großen Werkes »Vergleichende Darstellung des deutschen und ausländischen Strafrechts« herbeizuschaffen. Nachdem dann in den Jahren 1909, 19x3 und 1919 Vorentwürfe vorausgegangen waren, ist im Jahre 1925 der A m t l i c h e Entwurf eines Allgemeinen Deutschen Strafgesetzbuchs nebst Begründung erschienen. Die Reichsregierung hat im November 1924 dem ihr schon im Herbst 1922 vorgelegten, im Zusammenwirken der deutschen und österreichischen Justizverwaltung aufgestellten Entwurf mit einigen Änderungen zugestimmt und beschlossen, den Entwurf zu veröffentlichen, um der Kritik nochmals Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben. Der Amtliche Entwurf hat in der Öffentlichkeit nicht die Beachtung gefunden, wie sie den früheren Vorentwürfen, vor allem dem VE. 09, zuteil geworden war. Zum Teil mag das daran liegen, daß wichtige Reformwünsche durch Einzelgesetze inzwischen befriedigt wurden. Vielfach besteht wohl auch die Ansicht, daß im Laufe der Jahre an Kritik genug geleistet sei. Und doch enthält der Amtliche Entwurf zahlreiche Neuerungen gegenüber den früheren Entwürfen. Sie lassen es wünschenswert erscheinen, auch ihn einer Gesamtkritik zu unterziehen, die sich freilich angesichts des entscheidenden Stadiums, in das die Reformarbeit nunmehr getreten ist, nicht auf die letzten Änderungen beschränken kann.
IV
Vorwort.
A u f Veranlassung des Vorstandes der Deutschen Landesgruppe der Internationalen kriminalistischen Vereinigung haben wir es unternommen, ein Sammelwerk herauszugeben, in welchem, ähnlich wie in dem 1910 von Aschrott und v. Liszt herausgegebenen, von Juristen der verschiedenen Berufszweige die einzelnen Abschnitte des AE. 25 besprochen werden. Zu unserer besonderen Freude sind auch vier Österreicher unserer Aufforderung zur Mitarbeit nachgekommen. Den Umfang dieses Sammelwerks glaubten wir allerdings erheblich geringer bemessen zu sollen als den des früheren von 1910, da auf dieses vielfach verwiesen werden kann. Jedem Mitarbeiter ist in seinen Ausführungen volle Freiheit gelassen; er hat für den Inhalt seiner Arbeit die alleinige Verantwortung. Wir als Herausgeber haben den Arbeiten, sowohl des Allgemeinen wie des Besonderen Teils, je eine Einleitung vorausgeschickt, in der wir einen Überblick über den Entwurf zu geben versucht haben. Berlin im Februar 1926. Aschrott.
Kohlrausch.
Inhalt. Seite
I. Erstes Buch: Verbrechen und Vergehen. A. A l l g e m e i n e r T e i l
i—210
Kohlrausch, Der Allgemeine Teil des Entwurfs Mendelssohn Bartholdy, Abschnitt 1: Das Strafgesetz Alsberg, Abschnitt 2: Die strafbare Handlung (Schuld) . . . . Heimberger, Abschnitt 2 (Rechtswidrigkeit) Graf zu Dohna, Abschnitt 3: Versuch Wegner, Abschnitt 4: Teilnahme Liepmann, Abschnitt 5: Strafen Grünhut, Abschnitt 6: Bedingter Straferlaß Freudenthal, Abschnitt 7: Maßregeln der Besserung und Sicherung (§§ 42—50 AB) Grünhut, Abschnitt 7 (§§ 51—62 AE) Wegner, Abschnitt 8: Zusammentreffen mehrerer Gesetzes• Verletzungen Graf Gleispach, Abschnit 9: Strafbemessung Graf zu Dohna, Abschnitt 10: Verjährung B. B e s o n d e r e r T e i l Aschrott: Der Besondere Teil des Entwurfs Rosenberg: Abschnitt 1—6 Höpler: Abschnitt 7—10 Kadecfca: Abschnitt u — 1 3 Warhanek: Abschnitt 14—16 Radbruch: Abschnitt 17—20 Kronecker: Abschnitt 21—25 Mannheim: Abschnitt 26—29 Mamroth: Abschnitt 30—35
II. Zweites und Drittes Buch: Übertretungen. schädliches Verhalten.
Reform des Strafgesetzbuchs.
153—172 172—179 180—185 186—204 205—210 211—378 213 — 241 242—252 253—270 271—289 290—300 301—324 325—339 340—360 361—378
Gemein-
Klee, Übertretungen und gemeinschädliches Verhalten . . . .
Register
3—34 35—50 51—76 76—92 93—101 102—119 120—141 142—152
379—404
405—415
b
Erstes
Buch:
Verbrechen und Vergehen Allgemeiner Teil
Der Allgemeine Teil des Entwurfs 1925. Von
Professor Dr. Ed. Kohlrausch, Berlin.
I. Der Grundsatz der Individualisierung. I. Der amtliche Entwurf eines allgemeinen deutschen Strafgesetzbuches von 1925 ( A E . 25) bewegt sich auf derselben Linie wie seine deutschen Vorgänger und wie die strafgesetzlichen Arbeiten aller KultuTstaaten seit dem Ende des 19. Jahrhunderts: die f o r m a l - r e c h t s s t a a t l i c h e n B i n d u n g e n sollen wieder g e l o c k e r t w e r d e n , die dem Strafrichter seit der französischen Revolution und dem Code pénal auferlegt sind. Sie hindern ihn, der menschlichen Besonderheit des Falls wie dem Bedürfnis nach Schutz der Allgemeinheit genügend Rechnung zu tragen. Das Problem ist: dabei nicht in die W i l l k ü r des Polizeistaats zurückzufallen. Restlos geht dies Problem nie auf. Auch der AE. kann nicht mehr tun, als zwischen beiden an sich berechtigten Tendenzen einen gangbaren Mittelweg zu suchen. Dessen Richtung wird durch mancherlei politische und psychologische, kulturelle und staatliche Faktoren bestimmt werden. Der vielleicht wichtigste Faktor betrifft eine V e r t r a u e n s f r a g e , die genau besehen eine Doppelfrage ist: die nach dem Vertrauen, das der Strafrichter v e r d i e n t , und nach dem Vertrauen, das er findet. Äußere und innere Unabhängigkeit sowie psychologisch-kriminalpolitisches Verständnis des Strafrichters — das wäre die eine Voraussetzung dafür, daß, nachdem nun ein Jahrhundert rechtsstaatlicher Erziehung und Gewöhnung hinter uns liegt, der Strafjustiz einige formale Fesseln mit mehr Nutzen als Schaden wieder abgenommen werden dürften. Ihr muß aber gegenüberstehen eine gewisse Reife und Ausgeglichenheit aller Einzelnen in ihrer Einstellung zum Staat und seiner Justiz; Verständnis für die Kompromißnatur einer jeden Rechts-Entscheidung; innere Bereitschaft, sie sachlich aufzuneh-
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i . Buch.
Verbrechen und Vergehen.
Allgemeiner Teil.
men; Herabminderiing der Neigung, aus berufsständischen, parteipolitischen oder sonstigen Unterschieden heraus eine persönliche, sei es intellektuelle, sei es moralische, Beargwöhnung des Anderen herzuleiten. Beide Voraussetzungen stehen dabei in einer v e r h ä n g n i s v o l l e n W e c h s e l w i r k u n g . Es gibt nicht nur Mißgriffe der Justiz, die das Vertrauen in dieselbe geschädigt haben, sondern auch umgekehrt solche, die aus der Verletzung des obersten Grundsatzes aller Pädagogik folgen: daß wer den guten Willen eines Anderen zu Unrecht in Zweifel zieht, ihn dadurch erst ernsthaft gefährdet. Die Frage, ob es von diesem Standpunkt aus richtig ist, den zu Beginn des 20. Jahrhunderts betretenen Weg der Freierstellung des Richters zur Zeit weiter zu verfolgen, wird die Schicksalsfrage des AE. werden. Sie steht hier nicht zur Erörterung. Sie muß von der öffentlichen Meinung und letzten Endes von den politischen Faktoren der Gesetzgebung beantwortet werden. 2. Die Freierstellung des Strafrichters zum Einzelfall kann auf dem Gebiete der R e c h t s d o g m a t i k wie dem der Kriminalpolitik erfolgen. Für die deutsche Strafrechtsreform ist bezeichnend, daß sie auf dem ersten Gebiet konservativ, auf dem letzteren fortschrittlich gerichtet ist. Die Tatbestände des besonderen Teils sind nach wie vor auf scharfe begriffliche Formulierung abgestellt und nach der objektiven Rechtsgutsverletzung wie der objektiven Begehungsweise gegliedert. Auch in den dogmatischen Bestimmungen des Allgemeinen Teils des AE. ist nuir gelegentlich die Tendenz zur Psychologisierung durchzufühlen. Diesem Objektivismus stehen Vorschläge gegenüber wie die ungeheure Ausdehnung der richterlichen Freiheit bei der Strafzumessung und der ganze Komplex von Maßregeln der Besserung und Sicherung. Der scheinbare Zwiespalt zwischen konstruktiver Jurisprudenz und Kriminalpolitik war schon menschlich verkörpert in dem führenden deutschen Kriminalpolitiker: Franz v. Liszt. Klein und Feuerbach in seiner Person vereinigend kämpfte er für bedingte und für unbestimmte Verurteilung, Sicherungs- und Besserungsmaßregeln, drängte er aber gleichzeitig nach »scharfen, schneididigen Begriffen«. Es ist bezeichnend, wie er im Allgemeinen Teil überall (bes. bei Versuch und Teilnahme) die sog. »objektive«, kriminalpolitisch scheinbar rückständigere Theorie vertrat, in dem »Notstand« des § 54 keinen Entschuldigungsgrund, sondern einen Rechtfertigungsgrund sah, und jedes Zugeständnis an das »Bewußtsein der Rechtswidrigkeit« ablehnte. Auch den Besonderen
K o h l r a u s c h , Der Allgemeine Teil des Entwurfs.
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Teil anders als nach »Rechtsgütern« zu gliedern, lehnte er — nach einem interessanten Versuch, das »Motiv« zum Einteilungsmaßstab ziu nehmen — ab. Es mag darin zum Teil geradezu paradigmatisch der Zwiespalt zum Ausdruck gekommen sein, der viele »sozialpolitisch« eingestellte »Liberale« jener Ära nicht zur persönlichen Geschlossenheit gegenüber den drängendsten Problemen ihrer Zeit kommen ließ. Der Zwiespalt ist aber nicht nur allgemein-psychologisch begreiflich, sondern für das Strafrecht durchaus sachlich zu rechtfertigen und zu lösen. Der Bürger eines Rechtsstaats darf klare Regeln darüber fordern, was erlaubt und was verboten ist. F ü r ihn — so muß man Liszts bekannte Worte ändern — ist das Strafgesetzbuch eine M a g n a C h a r t a . Denjenigen jedoch, der es übertreten hat, nunmehr nach seiner G e s a m t e i n s t e l l u n g zu Staat und Gesellschaft zu beurteilen und zu behandeln, mag eine Standpunktsverschiebung scheinen, ist aber keine, über die sich der rechtswidrig Handelnde, auf die Garantiefunktion des Gesetzes pochend, beklagen darf. In diesem Sinne hat auch Liszt immer wieder betont, daß die Forderungen nach Abschaffung der kurzen Freiheitsstrafe, nach langdauernder Sicherungsstrafe, nach Unbestimmtheit des Strafurteils usw. nur g e g e n ü b e r e i n z e l n e n V e r b r e c h e r k a t e g o r i e n zu erheben seien: den, sei es erziehbaren sei es unerziéhbaren, Gewohnheitsverbrechern. »Zwischen den beiden Gruppen liegt das weite Gebiet der Fälle, in denen die Aufgabe der Strafe in der Bewährung des Rechts sich erschöpft, auf dem, wies bisher, Art und Maß der Strafe bestimmt werden mag nach der objektiven Schwere der Tat« (Aufsätze II 309). D a s war der sachliche Inhalt des von Liszt zunächst vorgeschlagenen » K o m p r o m i s s e s « zwischen den beiden »Schulen« (nicht etwa die äußerliche Aneinanderfügung von Strafe und Sicherungshaft im Einzelfall). Und dies auf absehbare Zeit unvermeidliche »Kompromiß« ist es, was in dem erwähnten scheinbaren Zwiespalt zwischen Dogmatik und Kriminalpolitik zum Ausdruck kommt. Der Vorwurf, daß unsre Entwürfe »auf zwei Schultern tragen«, kann also ein praktisches Gesetzgebungswerk ernsthaft nicht treffen. Es muß zwischen Begriffsschärfe und Richterfreiheit einen Mittelweg suchen, der den kriminalpolitischen wie den rechtsstaatlichen Bedürfnissen in einer Weise Rechnung trägt, die den größten Nutzen mit dem geringsten Schaden verbindet. Wer das nicht will, der muß — darüber müssen wir uns klar sein — entweder zum Code pénal zurückkehren, ja ihn noch formalisieren, oder aber zum Entwurf Ferri kommen,
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i . Buch.
Verbrechen und Vergehen.
Allgemeiner Teil.
ja noch über ihn hinausgehen. Alles, was dazwischen liegt, ist bereits ein Kompromiß. 3. Immerhin wird sich der »Besondere Teil« der Tendenz der Individualisierung soweit anpassen müssen, als dies ohne Schaden für das allgemeine Bewußtsein davon, was erlaubt und was verboten ist, geschehen kann. Im Einzelnen habe ich mich hier über den Besonderen Teil nicht auszusprechen. Daß aber in Auflockerung und Psychologisierung seiner »Tatbestände« und in Abtötung bloßer Doktorfragen noch einiges geschehen könnte, glaube ich. Ein Beispiel: Die Unterscheidung von »Diebstahl« und »Unterschlagung« nebst der 1912 hinzugetretenen »Entwendung« bleibt; hinzutritt die »Veruntreuung« (§ 300) und die »dauernde Entziehung« (§ 304). Aus den zwei Eigentumsverbrechen des alten StGB, werden deren fünf! Eine Fülle überflüssigster Grenzstreitigkeiten bleibt also und neue treten hinzu, überdies auch wegen der eigenartigen Fassung des Diebstahlsparagraphen selber, obwohl solche dogmatische Feinheiten angesichts der durch den Allgemeinen Teil fast restlos ausgeglichenen Strafmöglichkeiten praktisch ziemlich bedeutungslos werden. Die Kasuistik ferner der »schweren Diebstähle«, heute schon zum Teil lächerlich, wird in § 297 noch um eine Nummer vermehrt. Ich verweise auf die berechtigte Kritik von Mannheim. Aber während sie jetzt immerhin in Normalfällen für die Grenze zwischen Zuchthaus und Gefängnis entscheidend ist und beim Rückfall bedeutsam wird, kann bei dem »schweren Diebstahl« des AE. auf Gefängnis von einem Monat, folglich auch auf Geldstrafe hinuntergegangen und nur in einem sog. besonders schweren Fall auf Zuchthaus erkannt werden. Für den Erstfall ist also jene Kasuistik nahezu und für den Rückfall {AE. § 77) völlig bedeutungslos., letzteres insbesondere deshalb, weil nach § 10 Abs. 3 auch in »besonders schweren« Fällen nur ein »Vergehen« vorliegt. Den Richter belastet sie künftig mit gänzlich überflüssiger Arbeit, sie lenkt ihn von den kriminologisch wesentlichen Unterscheidungen (die natürlich bei den »Dieben« andere wären) ab und mit den verständigen Strafbemessungsregeln des § 67 wie mit der ebenso verständigen Begr. zu § 76 steht sie im Widerspruch. Ein »besonders schwerer Fall« ist auch außerhalb des § 297 möglich! Hier und an vielen anderen Stellen des Besonderen Teils muß vereinfacht und dabei der psychologischen Haltung des Allgemeinen Teils Rechnung getragen werden. Rechnung getragen wird ihr an einigen Stellen des Besonde-
K o h l r a u s c h , Der Allgemeine Teil des Entwurfs.
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ren Teils. So bei der Unterscheidung von Mord und T o t s c h l a g (im Einzelnen vgl. die begründeten Bedenken von Radbruch). Auch die Ersetzung der Aneignungsabsicht beim Diebstahl durch die B e r e i c h e r u n g s a b s i c h t bedeutet eine Entformalisierung und Ethisierung dieses Tatbestands, wenn es mir auch (ähnlich Mannheim) richtiger scheinen würde, die Aneignungsabsicht nicht fallen zu lassen, wohl aber die Bereicherlingsabsicht als Straferhöhungsgrund zu verwerten. Hingewiesen sei ferner auf den »gewissenhaften Arzt« des § 238; auf die gewissenlose Lebensgefährdung des § 231; auf die Bestrafung dessen, der einen Einwilligenden verletzt, falls die Einwilligung gegen die guten Sitten verstößt (§ 239), und auf die Verwendung des gleichen Begriffes in § 254. Auch die Straflosigkeit sowohl der üblen Nachrede wie des Verrats von Privatgeheimnissen, falls der Täter »die einander gegenüberstehenden Interessen p f l i c h t m ä ß i g a b g e w o g e n hat« (§§ 286, 293), gehört zu den interessanten Versuchen, die Dogmatik des Besonderen Teils durch etwas Täterpsychologie zu beleben. Wobei freilich die Frage auftaucht, ob aus der gelegentlichen ausdrücklichen Verwertung dieses Kriteriums der »pflichtmäßigen Interessenabwägung« geschlossen werden muß, daß es keinesfalls als allgemeiner strafrechtlicher Grundsatz in Betracht kommt. Ich halte den Schluß für geboten, zumal jenes Unterscheidungsmerkmal als allgemeines Notstandsprinzip, wie es noch in E. 19 § 22 verwendet wurde, von AE. 25 § 22 aufgegeben ist 1 ). ') Dabei muß aufmerksam gemacht werden auf die unerklärliche Rollenvertauschung zwischen »Notstand« und ehrverletzender »Wahrnehmung berechtigter Interessen«. Heute ist es herrschende und für die Auslegung wichtige Ansicht, daß § 193 StGB, notstandsähnliche Fälle treffen soll. Schon in E. 19 war der Parallelismus zweifelhaft: Die Notstandstat war straflos bei pflichtmäßiger Interessenabwägung (§ 22), die beleidigende Interessenwahrnehmung teils bei naher Beziehung des Täters zu dem wahrgenommenen Interesse, teils bei gutem Glauben (§ 345). Im AE. 25 ist die Zerreißung vollzogen, dabei ist die Regelung aber umgekehrt wie im E. 19: nach § 286 ist bei beleidigender Interessenwahrung gerade die pflichtmäßige Interessenabwägung das straflos machende Moment, beim Notstand aber die psychologische Nichtzumutbarkeit rechtmäßigen Handelns. Ob die Ablösung der »Interessenwahrung« vom Notstandsgedanken beabsichtigt ist, weiß ich nicht. Ebensowenig, ob die zweimalige Rollenvertauschung beabsichtigt ist, oder ob hier der Referent für »Beleidigung« um eine Entwurfslänge hinter dem für »Notstand« herkam. Und was aus der Trennung folgt, ob AE. 25 § 286 jetzt noch (wie § 193 StGB.) die »Rechtswidrigkeit« oder aber (wie AE. 19 § 345) nur die »Schuld« ausschließt, habe ich hier nicht zu untersuchen.
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I. Buch.
Verbrechen und Vergehen.
Allgemeiner Teil.
4. Im »Allgemeinen Teil« ist die Linie von der Tatstrafe zur Täterstrafe deutlicher sichtbar. a) Am deutlichsten natürlich bei den k r i m i n a l p o l i t i s c h e n Vorschlägen, die teils (wie der bedingte Straferlaß, die Zurückstellung der kurzen Freiheitsstrafe hinter die Geldstrafe, die Geldzusatzstrafe bei Gewinnsucht) an jüngste Reformen anknüpfen, teils aber Neues bringen: so die Privilegierung des Überzeugungsverbrechers (§ 71); die Möglichkeit der Strafmilderung bei Nicht vorwerfbarkeit der Hauptverbredhensursachen (§ 73); die Berücksichtigung eines ungewöhnlich starken und verwerflichen verbrecherischen Willens (§ 76); die Strafschärfung bei dem Rückfälligen, soweit er als ein »für die öffentliche Sicherheit gefährlicher Gewohnheitsverbrecher« (§ 77) erscheint. Auch die theoretisch und praktisch wichtigsten kriminalpolitischen Neuerungen des Allgemeinen Teils, die »Maßregeln der Besserung und Sicherung«, knüpfen durchweg an psychologische Merkmale an. b) Aber auch die s t r a f r e c h t s d o g m a t i s c h e n Vorschläge des. A l l g e m e i n e n T e i l s — die zunächst das »ob«, nicht das »wie« der Strafbarkeit regeln sollen — zeigen gelegentliche Wendungen zum subjektivistischen. So bei der reineren Durchführung des Schuldgedankens (§§ 13, 15), wozu auch die Anerkennung einer »verminderten« Zurechnungsfähigkeit (§ 17) und die Berücksichtigung der »Nichtzumutbarkeit« rechtmäßigen Handelns in Notlagen (§ 22) gehört. Ebenfalls hierher sind zu rechnen die Legalisierung der subjektiven Versuchstheorie (§ 23) und die Lockerung des Akzessoritätsgrundsatzes bei der Teilnahme (§§ 25ff.). Bei den letztgenannten beiden Problemen habe ich freilich (nachher auszuführende) Zweifel, ob das Streben von der Tatstrafe zur Täterstrafe nicht auf einen falschen Weg geführt hat. Psychologische Anpassung der Unrechtsfolge hat keineswegs zur Voraussetzung, daß man das Prinzip objektiver Tatbestandsmäßigkeit preisgibt. c) Ganz verkannt ist aber, in welcher Beziehung das Konkurrenzproblem zu der Frage »Tat oder Täter?« steht. Der Unterschied zwischen Ideal- und Realkonkurrenz durfte nicht preisgegeben, sondern mußte vertieft werden. Er enthält Entwicklungsmöglichkeiten, die das geltende Recht nicht ausnutzt, der AE. aber, für den sie wesentlich sein mußten, ganz übersieht. Ob auf eine einzige Handlung mehrere Paragraphen anwendbar sind, ist freilich häufig eine Doktorfrage. Aber ob der Täter mehrere selbständige Handlungen begangen hat, ist für die Beurteilung seiner kriminellen Persönlichkeit oft von entscheidender Bedeutung. Der
K o h l r a u s c h , Der Allgemeine Teil des Entwurfs.
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letztere Fall ist etwas dem Rückfall ähnliches, durch die §§ 77, 45 aber nicht gedeckt. Wenn § 15 Abs. 2 bei jeder Konkurrenz eine Strafsteigerung bis zu 1 5 Jahren gestattet, so wäre das bei Idealkonkurenz doktrinäre Paragraphen-Vergeltung. Für Realkonkurrenz ist es aber nicht immer genügend. Über die verwirkte schwerste Strafart würde nicht hinausgegangen werden dürfen, auch dann nichit, wenn aus der Verbindung aller Taten hervorgeht, daß der Täter ein für die öffentliche Sicherheit gefährlicher Gewohnheitsverbrecher ist. Oft wird dieser sich von dem im technischen Sinne »Rückfälligen«, der unter gleicher Voraussetzung ohne Rücksicht auf die Art der Einzeltat mit Zuchthaus bestraft werden kann (§ 77), nur dadurch unterscheiden, daß er eben nicht »vorbestraft« ist. Aber nicht die Tatsache der Vorbestrafung darf es sein, die eine höhere »Schuld« begründet. Der Rückfällige büßt nicht deshalb schwerer, weil der Staat sich vergebens bemüht hat! Und der, dessen umfangreiches Kerbholz auf einmal bereinigt wird, darf nicht deshalb besser wegkommen, weil er sich zwischendurch nicht hat erwischen lassen! Es zeigt sich hier eine Überschätzung der Besserungsidee, die doch nur bei bestimmten, nicht allzu zahlreichen Verbrecherklassen einen Sinn hat. Die Erwägung, aus der der AE. den Unterschied zwischen Ideal- und Realkonkurrenz preisgegeben hat — : die Unterscheidung sei oft schwierig und zweifelhaft, aber praktisch wertlos — paßt hier nicht. Praktisch wertlos ist die Unterscheidung, wie gesagt, nicht. »Schwierig und zweifelhaft« ist aber nicht die Unterscheidung zwischen Ideal- und Realkonkurrenz, sondern zwischen Ideal- und sog. Gesetzeskonkurrenz. Diese bleibt schwierig und wird wegen § 65 Abs. 2 wichtiger noch als jetzt werden. Darin endlich, daß § 64 Abs. 3 unannehmbar ist, trete ich Wegner bei. Für Idealkonkurrenz mag er diskutabel sein. Für Realkonkurrenz aber überschlägt sich hier der Gedanke der Täterbewertung. Totschläge, Diebstähle, Körperverletzungen auch eines »Edelverbrechers« können nicht ungesühnt bleiben. Dem Kumulationsprinzip des § 75 StGB, ist hier unbedingt der Vorzug zugeben. II. Die Systematik des Entwurfs. Ein Gesetz ist kein Lehrbuch. Es soll nicht deduzieren. Aber es soll klassifizieren. Fühlt man sein System nicht an jeder Stelle durch, so findet man sich nicht nur schwer zuredht — und so ist es im AE. —, auch das wichtige Auslegungsmittel des »Zusammenhangs« geht verloren. Von Alsberg (S. 51) weiche ich hier weit ab. Und zwar nicht als »Theoretiker« von dem »Praktiker«, sondern weil die Systematik praktische Folgen hat. Zudem pflegt
IO
i . Buch.
Verbrechen und Vergehen.
Allgemeiner Teil.
klarer Gesagtes klarer gedacht z,u sein und das Nach-Denken zu erleichtern. Und überhaupt: warum soll man nicht das logisch Saubere dem logisch Unsauberen vorziehen ? i. Bei der E i n t e i l u n g des Entwurfs in drei Bücher handelt es sich natürlich nicht um bloß formale Systemfragen, sondern um grundlegende sachliche Probleme. Der Schönheitsfehler der äußeren Ungleichmäßigkeit mag dabei auf sich beruhen. Nach der Begr. (S. 6) soll der AE. hier offenbar kein Definitivum schaffen. Es handelt sich mehr um zwei Fühler in der Richtung auf ein großes »Reichspolizeistrafgesetz« und ein allgemeines »Fürsorge- und Verwahrungsgesetz«. Die Möglichkeit solcher Gesetze steht hier nicht zur Erörterung; nur der Einfluß, den die scharfe Trennung auf das Straf recht haben würde. a) Der Ausscheidung der Übertretungen aus dem kriminellen Unrecht liegt angeblich ein klares Volksgefühl zugrunde für die Verschiedenheit von Rechtsgutsverletzungen und Ordnungswidrigkeiten; oder aber (näheres gehört nicht hierher) der konstruktive Unterschied von Justizunrecht und Verwaltungsuinrecht. Dort Sühne und solenner Strafprozeß, hier Ordnungsstrafe und eine Art Verwaltungsstrafverfahren. Aber das Rechtsgefühl reagiert hier nur in ganz extremen Fällen eindeutig. Und ob es dabei ausgeht von einer verschiedenen materiellen Bedeutung der Straftaten (Rechtsguts- und bloße Ordnungsverletzungen) oder aber von dem Bedürfnis nach verschiedenen Rechtsfolgen oder von der Zweckmäßigkeit verschieden gearteter Prozesse — das wird schwer und für die verschiedenen Tatbestände kaum einheitlich zu entscheiden sein. Auch die Grundsätze, nach denen der AE. die Grenze zieht, sind nicht leicht zu erkennen. Vom Mord und Totschlag bis zur leichtesten Körperverletzung, vom schwersten Straßenraub bis zur harmlosesten Nahrungsmittelentwendung: kriminelles Unrecht. Maßgebender Gesichtspunkt also offenbar: Rechtsgutsverletzung. Aber das Bedürfnis nach verschiedenen Strafprozessen beginnt sicher bereits innerhalb dieser Linie (vgl. auch StPO. § 212) und rechfertigt nicht ein besonderes »Buch«. Der Gedanke der Rechtsgutsverletzung ist ernhaft auch gar nicht durchgeführt. Die polizeistaatliche Tendenz der Zeit, und damit auch des AE., hat die Pönalisierung einer ganzen Reihe abstrakter Vorbereitungshandlungen mit sich gebracht (z. B. §§ 162—165, 2i7f., 322ff., i82ff., bes. § 183 Abs. 2), die, ohne daß von Verletzung oder auch nur Gefährdung bestimmter Rechtsgüter gesprochen werden kann, den
Kohl rausch,
Der A l l g e m e i n e T e i l des Entwurfs.
j i
Verbrechen und Vergehen eingereiht wurden. Die meisten Straftaten des II. Buchs stehen der Rechtsgutsverletzung weit näher, als jene Verbrechen und Vergehen. Femer: Bruch des Wirtshausverbots, ja sogar Verabreichen geistiger Getränke an Betrunkene soll kriminelles, Übertretung der Polizeistunde polizeiliches Unrecht sein; beschimpfender (wen?) Unfug in einer Kirche kriminelles, öffentliche Ruhestörung polizeiliches Unrecht. Auffordern oder sich Erbieten zur Unzucht (§ 271) kriminelles Unrecht: es wäre richtig, wenn etwa die sittliche Gefährdung Jugendlicher zum Tatbestandsmerkmal gemacht wäre; aber lediglich »öffentlich in einer andern belästigenden Weise« — hier fehlt jeder Artunterschied etwa zu § 362. Auch das Bedürfnis nach andersgearteter S t r a f e besteht nur in extremen Fällen. Wird wohl jemals auf Grund von 336 Abs. 2 oder 338 Abs. 2 auf Gefängnis erkannt werden ? Man kann eine beliebige Übertretung des II. Buchs herausgreifen und sich leicht Fälle denken, in denen ein stärkeres Strafbedürfnis besteht. So sind die Übertretungen bald unter dem Gesichtswinkel der »Ordnungswidrigkeit«, bald dem geringerer Strafe, bald qualitativ, bald quantitativ abgegrenzt. Ist dem aber so — und ich glaube, anders wird es niemals gehen —, dann ist es doch zweifelhaft, ob man die Fragen des »Allgemeinen Teils« (also bes. betreffend Fahrlässigkeit, Teilnahme, Anwendung von Besserungsmaßregeln) bei dem sog. kriminellen und dem sog. polizeilichen Unrecht derart grundsätzlich verschieden regeln darf, wie AE. es vorschlägt; ob es namentlich angeht, bei letzteren sowohl Freiheitsstrafe wie Besserungs- und Sicherungsmaßregeln auszuschließen, einen Sprung also zu machen, der zwar dem Unterschied zwischen einem Mörder und einem, der auf dem Bürgersteig radelt, entspricht, nicht aber dem Unterschied zwischen einem Tierquäler und einem, der »vorsätzlich durch ungebührliches Verhalten das Publikum belästigt«. Auf die schwer widerleglichen Bedenken, die Klee ferner über die notwendig verschiedene Behandlung der sog. Rechtsfahrlässigkeit erhebt, möchte ich dabei besonders hinweisen. b) Strafrechtlich ganz in der Luft schweben die Tatbestände des gemeinschädlichen Verhaltens (III. Buch). Sollen z. B. die Vorschriften über Zurechnungsfähigkeit, über Teilnahme hier gelten oder nicht? Wie steht es mit der Irrtumsfrage bei § 382? Auf die Unstimmigkeiten ferner, die sich aus dem Wegfall jeder »Strafe« hier ergeben, und auf die Widersprüche zwischen § 382 und §§ 271 ff. gegenüber der Prostitution hat Klee mit Recht aufmerksam gemacht. —
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i. Buch.
Verbrechen und Vergehen.
Allgemeiner Teil.
Ich fürchte, der mit dem II. und III. Buch ausgestreckte Fühler wird »Entwurf« bleiben müssen. 2. Es ist üblich und richtig, den A l l g e m e i n e n T e i l des Strafrechts um drei G r u n d b e g r i f f e zu gruppieren: Strafgesetz, Straftat, Strafe. Auch der AE. geht so vor. Unrichtig steht hierbei freilich der 8. Abschnitt. Man kann in den »Konkurrenz«-Bestimmungen Modalitäten des »Tatbestandes« sehen: dann gehören sie hinter den 2. oder 4. Abschnitt. Man kann sie auch als Strafzumessungsregeln auffassen: dann gehören sie hinter den 9. Abschnitt. Man kann auch — und das halte ich für richtig — die Idealkonkurrenz für eine Tatbestands*, die Realkonkurrenz für eine Strafbemessungs-Frage halten: dann müssen sie entsprechend aufgeteilt werden. Aber zwischen Besserungsmaßregeln und Strafbemessung stehen sie keinesfalls richtig. Die schon oben bemerkte Unsicherheit des AE. über die grundsätzliche Bedeutung der Konkurrenzregeln kommt auch in dieser Verlegenheitsplazierung zum Ausdruck. 3. Im Abschnitt über das S t r a f g e s e t z ist dessen zeitliche und räumliche Geltung geregelt. Hierher würde auch ein Wort über seine persönliche Geltung gehören, insbesondere gegenüber dem Militärstrafrecht und dem Jugendstrafrecht. § 19 Abs. 2 sollte dabei in den 1. Abschnitt versetzt oder aber die ganze Frage, unter Streichung von § 19 Abs. 2, dem Einführungsgesetz vorbehalten werden. Nicht hierher gehören aber Bestimmungen über Ort und Z e i t (§ 9). Sie sind nicht nur für die räumliche und zeitliche Geltung des »Strafgesetzes«, sondern auch anderwärts bedeutsam: bei der Zurechnungsfähigkeit (wann muß sie gegeben sein?), der Verjährung (wann beginnt sie?), der Gerichtsstandsbestimmung (forum delicti commissi) usw. Es sind nicht Fragen des »Strafgesetzes«, sondern Modalitäten des Tatbestands, nicht unverwandt der Unterscheidung von Handlung und Unterlassung, und stehen am besten im zweiten (so E. 13), oder allenfalls (so E. 19) in einem besonderen Abschnitt. Noch unrichtiger steht hier § 8. Mit der »Geltung des Strafgesetzes« hat die prozessuale V e r f o l g b a r k e i t nichts zu tun. Denn nicht darauf kommt es an, daß trotz Unverfolgbarkeit einer Tat »das Strafgesetz gilt«, sondern daß hier trotzdem eine »strafbare Handlung« vorliegt. Nebenbei ist § 8 unrichtig. Verjährung z. B. schließt nicht die Bestrafung, sondern die prozessuale Verfolgung aus: es ist nicht freizusprechen, sondern einzustellen (RGStr. 41, 167). Und doch sind ihre Voraussetzungen — mit
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Recht — im StGB, und im AE., aber nicht, wie § 8 sagt, in »den Prozeßgesetzen« geregelt. Warum die Bestimmungen über den Strafantrag, laut Begr. S. 5, anders plaziert werden sollen, weiß ich nicht. Es kommt nicht viel darauf an. Aber § 8 jedenfalls ist nicht nur fehl am Ort, sondern unrichtig und nebenbei überflüssig. 4. Der Abschnitt über das Strafgesetz bringt seit VE. 09 L e g a l d e f i n i t i o n e n . Mit jedem Entwurf wurden es mehr. Verschwunden freilich ist die Definition der »Sache«. Mit Recht. VE. 09 hatte sie auf »Energien« ausgedehnt. Seinem Verfasser waren offenbar die schwierigen Überlegungen, die dem Elektrizitätsdiebstahlsgesetz vorausgingen, nicht gegenwärtig. E s hatte sich herausgestellt, daß man durch Gleichstellung von »Energie« mit »Sache« prinziplos in das Gebiet des Gebrauchsdiebstahl hineingleiten würde, ja daß schon die Gleichbehandlung der elektrischen Energie mit den übrigen Energieformen unmöglich war. Daß freilich der AE. nicht den Versuch macht, die Energieentwendung wenigstens im »Besonderen Teil« zu regeln, bleibt ein Mangel. Im übrigen wird man sich stets der Willkürlichkeit der Auswahl wie der geringen Leistungsfähigkeit, ja der Gefahr von Legaldefinitionen bewußt bleiben müssen. Man definiert nur zu oft eine unbekannte Größe durch eine andere, löst begriffliche Abstraktionen in Unterbegriffe auf, bei denen aber das Irrationale dann nur an neuer Stelle auftaucht. Der Anschein aber, der Begriff sei definiert, täuscht leicht über die entscheidenden Schwierigkeiten hinweg. Ich verweise z. B. auf das, was Alsberg über »Schuld«-Definitionen schreibt. Aus § 11 einige Beispiele: Daß » J u g e n d l i c h e « hier als Sprachgebrauchsangelegenheit behandelt werden, mag angehen. Aber neben dem ohnedies klaren »Jugendlichen« spricht § 267 Abs. 2 vom »Erwachsenen«. Ist es der Großjährige oder der Strafmündige oder der Geschlechtsreife ? Nach dem sprachlichen Zusammenhang in § 267 Abs. 2 neigt man zu dem Strafmündigen. Sichergestellt ist die Auslegung nicht. Im JGG. wird der Ausdruck offenbar verschieden gebraucht: als Strafmündige z. B. im § 26, anders z. B. in § 23. Nach den »besonderen Umständen des einzelnen Falls« legt E. 47, 374 den Begriff für GVG. § 175 aus. Vielleicht soll das auch für § 267 Abs. 2 gelten. Ich weiß es nicht. »Frau« soll »auch eine unverheiratete Person weiblichen Geschlechts« sein. Wäre sie es ohne § 1 1 nicht ? Bei Art. 109 RVerf., bei dem Gesetz, das die »Frauen« zur Rechtspflege zuläßt, usw., hat noch niemand daran gezweifelt. Auch bei AE. §§ 228,
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255, 276f. usw. würde es niemand tun. Nun heißt in § 261 eine solche »Frau« ein »Mädchen«. Natürlich. Aber schon ist der Zweifel entstanden, ob durch diesen Wechsel des Ausdrucks etwa das bisherige Erfordernis der Unbescholtenheit beibehalten werden sollte, ein Zweifel, der ohne jene Legaldefinition nicht entstanden wäre! — Warum definiert man übrigens dann nicht auch den »Mann«? Nach § 267 Abs. 1 ist offenbar auch ein kleiner Junge ein Mann. Und der Begriff des »Menschen« ist keineswegs einfacher und wegen Abgrenzung von Kindestötung und Abtreibung wichtig genug. Die Ansichten gehen bekanntlich auseinander. Aber weder hier noch im Tötungsabschnitt benutzt der Entwurf die Gelegenheit, die Zweifel zu beheben (z. B.: »mit dem Beginn der Geburt«), »ölfentlich« begangen soll auch eine Handlung sein, die »in einer geschlossenen Versammlung« begangen wurde. Das Gesetz ist souverän und kann auch einen Tisch einen Stuhl nennen. Es wird aber sorgfältig zu prüfen sein, ob es überall paßt. Die §§ 323 Abs. 2, 324 führen z. B. zu dem Ergebnis, daß in einem Verein und in einer geschlossenen Gesellschaft das Glücksspiel nur bestraft wird, wenn dort gewohnheitsmäßig gespielt wird; in einer geschlossenen Versammlung dagegen schlechthin. Ob das beabsichtigt und ob, wenn beabsichtigt, es zweckmäßig ist, weiß ich nicht. Eine solche »geschlossene Versammlung« kann sich, wie sich gezeigt hat, unschwer die Rechtsform eines Vereins geben; und wie sie von der »geschlossenen Gesellschaft« zu unterscheiden ist, dürfte noch schwerer zu sagen sein. Die Kriminalpolizei bekömmt hier manche Gelegenheit zu Mißgriffen! — Und soll wirklich in den Fällen etwa der §§ 156, 167, 229, 248 Abs. 2, 268, 271 die Strafbarkeit auf geschlossene Versammlungen ausgedehnt werden ?! Und wie steht es hier mit einer »geschlossenen Gesellschaft«, auf deren Unterscheidbarkeit von einer »geschlossenen Versammlung« an sich ja niemand kommen würde, wenn sie nicht durch die oben berührten Bestimmungen nahegelegt würde ? Wird ferner auch die geschlossene Vereinsversammlung betroffen ? Heißt das nicht, die »Vereine« wieder unter Polizeiüberwachung stellen ? Warum ist z. B. in den §§ 1 59, 160 überhaupt noch eine »Versammlung« nötig, warum genügt dann nicht — unter Preisgabe des Akzessoritätsgrandsatzes der Teilnahme — die Aufforderung an mehrere Menschen? Soviele Fragen, soviele — Themata für Doktorarbeiten! Verwandt hiermit ist die Frage, ob es richtig ist, Gemeing e f a h r bei »Gefahr für Menschenleben« schlechthin (also auch
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bei Gefährdung eines bestimmten Einzelnen!) anzunehmen, bei Gefährdung für fremdes Eigentum aber nur, falls sie »in bedeutendem Umfang« droht. Ist nicht hier, wie bei der »Öffentlichkeit«, der maßgebende Gedanke der Unbeherrschbarkeit des Verlaufs übersehen ? Wie wenig die wirklichen Zweifel gelöst werden, zeigt auch die Definition des » E n t g e l t s « . Daß es ein Vorteil sein muß, ist ohnehin klar. Aber was als solcher anzusehen ist, ob z. B. auch die Gewährung einer Liebesgunst (zwecks Bestechung), ist streitig und bleibt es auch. Erwähnt sei endlich, daß ausdrücklich zu einer Angelegenheit des »Sprachgebrauchs« auch die Begriffe Verbrechen und Vergehen herabgesunken sind. Der Abschluß einer unter stolzeren Zeichen begonnenen Entwicklung! 5. Die Begriffsmerkmale der Straftat ordnet der 2. Abschnitt unter der Überschrift: »Die strafbare Handlung«. Darin liegt gegenüber dem StGB., das in seinen negativen »Gründen, welche die Strafe ausschließen oder mildern« wichtigste Fragen offen ließ, ein sachlicher und systematischer Fortschritt, der zuerst im K.E. 13 getan wurde. Zur Sache nachher. Zunächst erfordert die Systematik Kritik. Sie ist hier mehr als anderswo Voraussetzung klarer und richtiger Lösungen, ja sie stellt selber einen Teil dieser Lösungen dar. Leider hat man nicht den Eindruck, als ob der AE. diese ihre Bedeutung erkannt und von den tiefdringenden wissenschaftlichen Arbeiten auf diesem Gebiet Notiz genommen hätte. a) Die Begriffsmerkmale der Straftat sind Rechtswidrigkeit und Schuld. Es kann also auch negativ nur Rechtwidrigkeitsausschließungsgründe und Schuldausschließungsgründe (Rechtfertigungs- und Entschuldigungsgründe) geben. Dabei mag zunächst dahingestellt bleiben, ob die Unzurechnungsfähigkeit die Schuld ausschließt oder die Schuldfähigkeit, jedenfalls gehört sie auf die subjektive Seite. Darüber hinaus kann es »persönliche Strafausschließungsgründe« geben (wie Exterritorialität, Abgeordnetenimmunität usw.), die aber Rechtswidrigkeit und Schuld unberührtlassen. Unter einen dieser drei Begriffe muß jeder Grund, der eine Handlung nicht »strafbar« erscheinen läßt, gebracht werden können. Solange das nicht eingesehen wird, ist Klarheit nicht zu erlangen. Welche weittragende Bedeutung für die Entscheidung des Einzelfalls die Dreiteilung hat, darf als bekannt vorausgesetzt werden. Unnennbar oft aber laufen die Begriffe in der »Begründung« ineinander; man lese als Beispiel nur die Begr. zu
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§ 22, oder versuche sich die Bedeutung des Wortes »strafbar« in den §§ 25—27 klar zu machen! Ich kann auch Heimberger nicht zustimmen, wenn er in § 22 zwar einen »Entschuldigungsgrund«, nicht aber einen »Schuldausschließungsgrund« (Unterschied?), also — nur einen »persönlichen Strafausschließungsgrund« sieht! Das ist das Gegenteil von Klärung. Untereinander stehen Rechtswidrigkeit und Schuld in dem Verhältnis logischer A b h ä n g i g k e i t der Schuld von der R e c h t s w i d r i g k e i t : Es gibt rechtswidrige, aber schuldlose Taten; nicht jedoch rechtmäßige, aber schuldhafte, es sei denn, daß man »Schuld« in dem unheilvollen, rein psychologischen, wertfreien Sinn von bloßem Wollen oder Vorstellen des Erfolges oder der äußeren Kausalität faßt, einem Sinn, der jede Klärung des Schuldbegriffs ausschließt. Schon aus jenem Abhängigkeitsverhältnis folgt, daß die Rechtswidrigkeit vor der Schuld nicht nur im Einzelfall festgestellt, sondern auch vom Gesetz behandelt werden muß. Die wichtigste Frage der »Schuld«: wieweit sie sich auch auf die »Rechtswidrigkeit« beziehen, ob die Schuld das Bewußtsein der Rechtswidrigkeit mit umfassen müsse, kann nicht beantwortet werden, bevor nicht die Frage der Rechtswidrigkeit geklärt ist. Putativnotwehr z. B. kann die Schuld ausschließen; zunächst muß man aber wissen, was echte Notwehr ist. Die frühere Auffassung ferner, daß jeder »Notstand« die Rechtswidrigkeit ausschließe, ist vom AE. zugunsten der Auffassung des Schuldau&schließungsgrundes aufgegeben: Dann muß aber insoweit auch äußerlich der Notstand von der Notwehr gelöst werden. Jetzt ist es so, daß der 2. Abschnitt am Anfang (§§ 12, 13), in der Mitte (§§ 15—19) und am Ende (§ 22) Entschuldigungsgründe regelt, dazwischen (§§ 20, 21) Rechtfertigungsgründe. Der Verdacht entsteht, daß die innere Verwandtschaft der Entschuldigungsgründe nicht klar erkannt ist, und die bestimmte Aussicht, daß sie dem Leser nicht klar wird. b) Auch bezüglich der U n z u r e c h n u n g s f ä h i g k e i t werden die Auslegungsvorteile, die sich aus einem korrekt systematischen Aufbau ergeben, vom AE. nicht wahrgenommen. Zunächst muß man ersehen können, ob der Unzurechnungsfähige »rechtswidrig« handeln kann oder nicht. Im ersteren Fall gibt es z. B. Notwehr gegen seinen Angriff, im letzteren nicht. Beide Auffassungen lassen sich vertreten. Das Gesetz muß aber sagen, von welcher es ausgeht. Und es kann es sagen durch die Stellung. Nach manchen Äußerungen der »Begründung« hält es offenbar die erstere Ansicht für richtig: dann aber muß die
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R e c h t s w i d r i g k e i t (also die §§ 20, 21) v o r der Z u r e c h n u n g s f ä h i g k e i t geregelt werden. Sodann muß man wissen, ob der Unzurechnungsfähige » s c h u l d h a f t « handeln kann oder nicht. Im ersteren Fall ist z. B. Teilnahme an seiner Tat strafbar, im letzteren nicht. Der VE. 09 wollte, um die Strafbarkeit der Teilnahme zu ermöglichen, der ersteren Meinung folgen. Der f . 19 statuierte, daß der Unzurechnungsfähige zwar vorsätzlich und fahrlässig, nicht aber sch'uldhaft handeln könne: die schiefste aller Lösungen. Der AE. 25 will offenbar auf das richtige Ergebnis hinaus, daß der Unzurechnungsfähige nicht »schuldhaft« handle. Aber er s a g t es nicht. Er kehrt zu der Fassung des § 51 StGB, zurück: »nicht strafbar«. Hierbei bleiben die alten Schwierigkeiten der »Teilnahme« (die §§ 25, 26 fordern beim Haupttäter eine «strafbare Handlung«), die dann durch den logisch höchst unsauberen § 28 beseitigt werden sollen. Wieder ist es eine isolierte Zweckerwägung, die zu dem Verzicht auf eine Lösung geführt hat: die Möglichkeit von Besserungs- und Sicherungsmaßregeln gegenüber Unzurechnungsfähigen soll sichergestellt werden {Begr. S. 17). Als ob diese nicht auch gegenüber »schuldlos« handelnden für zulässig erklärt werden dürften! Die »Klassiker« gewinnt der AE. doch nicht! Die Zurechnungsfähigkeit gehört also zur Schuld, und zwar vor die Zurechnung derEinzeltat. DasPotentiellegehörtvor das Aktuelle. Den Einwand von Alsberg, daß der Normalfall vor die Ausnahme gestellt werden müsse, daß ja die Zurechnungsfähigkeit auch nicht positiv, sondern negativ formuliert werde, und daß in der Praxis der Normalfall Schuld bei gegebener Zurechnungsfähigkeit sei, halte ich nicht für durchschlagend. Zunächst ist zu beachten, daß, unter Billigung von Alsberg, auch die Einzelschuld im AE. nur negativ, als »Irrtum«, behandelt wird. Aber auch wenn dem anders wäre, würde das mit der Notwendigkeit richtiger Systematik nichts zu tun haben. Denn ob derartige Begriffe positiv oder negativ geregelt werden, hängt zum Teil von sprachlichen Zweckmäßigkeiten, zum Teil in der Tat von dem im Leben bestehenden Verhältnis von Regel und Ausnahme ab (daß die »Zurechnungsfähigen« die Mehrheit bilden, ist geradezu definitionsgemäß richtig!) —, mit dem Inhalt des Begriffs hat es nichts zu tun. Im Einzelfall muß die Zurechnungsfähigkeit des Täters ebenso positiv feststehen, wie die Zurechenbarkeit der Tat, woran die Tatsache nichts ändert, daß sie nur in einer Minderzahl von Fällen R e f o r m des Strafgesetzbuchs.
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in Zweifel gezogen wird. Bisher hat auch noch niemand daran Anstoß genommen, daß § 51 vor § 59 StGB, steht. — Im Ganzen würde sich also für den 2. Abschnitt folgendes System ergeben: I. Handlung und Unterlassung: § 14. II. Ort und Zeit: § 9. III. Rechtswidrigkeit: §§ 20, 21; dazu ein nachher zu fordernder Paragraph über Wahrung überwiegender Interessen. IV. Zurechnungsfähigkeit: §§ 16—19. V. Zurechnung zur Schuld: §§ 12, 13, 15, 22. 6. Die R e c h t s f o l g e n der Tat sind nach AE. Strafen, sowie Besserungs- und Sicherungsmaßregeln. Darüber, ob diese Zweispurigkeit empfehlenswert ist, nachher. Bleibt sie aber, so müssen die Bestimmungen folgerichtig angeordnet werden, d. h.: I. Strafen (5. Abschnitt), Strafbemessung einschl. Realkonkurrenz (9. und ein Teil des 8. Abschnitts), Bedingter Straferlaß (6. Abschnitt); II. Maßregeln der Besserung und Sicherung (7. Abschnitt). Die jetzige Stoffverteilung ist ein Irrgarten. Freilich, sie hat einen inneren Grund, und dieser ist bezeichnend: Der AE. traut der Durchführbarkeit seiner Trennung von Strafe und anderen Maßregeln nicht! Er geht offenbar davon aus, daß der die Strafe bemessende Richter bei dieser Tätigkeit mit einem Auge bereits auf die Möglichkeit bzw. Notwendigkeit von Präventivmaßregeln schauen muß! Dann natürlich liegt es nahe, ihre Regelung zwischen die der Strafe und der Strafbemessung einzuschieben. Meines Erachtens ist das ein Beweis mehr für die Unmöglichkeit, jene Zweispurigkeit praktisch durchzuführen. III. Die Rechtswidrigkeit. 1. Daß der AE. auf eine positive Bestimmung verzichtet und sich mit der Erwähnung von R e c h t f e r t i g u n g s g r ü n d e n begnügt, muß man billigen. Die wissenschaftlich wertvolle Theorie von der materiellen Rechtswidrigkeit gibt mindestens zurzeit noch nichts, was in einer Gesetzesbestimmung ausprägbar wäre. 2. Da es unbestrittener Maßen einerlei ist, in welchem Rechtsteil eine Handlung für rechtmäßig erklärt ist, erscheint § 20 überflüssig. Streng genommen ist er sogar falsch: Die §§ 228 f., 904 BGB. sind, insoweit sie gewisse Handlungen für »nicht rechtswidrig« erklären, nicht Bestimmungen des »Bürgerlichen« Rechts, sondern — im BGB. ausgesprochene — »Rechts«Sätze schlechthin. Nur die Rechtsfolgen können bürgerlich-recht-
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lieh oder öffentlich-rechtlich oder strafrechtlich sein. Bekannt ist auch, daß eine verbreitete Ansicht die Unterscheidbarkeit von »bürgerlichem« und »öffentlichem« Recht leugnet. Wenn aber — was ich trotz Löffler nicht glaube — der § 20 der österreichischen Praxis Dienste leisten kann, mag er bleiben. 3. Daß die N o t w e h r die »Rechtswidrigkeit« ausschließt, ist nun klar gesagt. Einen zwingenden Grund aber, von der bisherigen Fassung so weit abzugehen, wie § 21 es vorschlägt, sehe ich nicht ein. Es ist ein gesunder Gedanke, daß, wenn R e c h t g e g e n a n g r e i f e n d e s U n r e c h t steht, eine Verteidigung ohne weiteres erlaubt, wenn aber R e c h t g e g e n R e c h t steht, ihre Angemessenheit im Einzelfall zu prüfen ist. § 21 fordert ein richterliches Moralisieren gegenüber einer Situation, in der von keinem Täter, der das Herz auf dem rechten Fleck hat, verlangt werden kann, daß er Moralerwägungen angestellt habe. Und die Geschichte von dem gelähmten Mann, der den Apfeldieb abschießt, steht doch wohl nur in Lehrbüchern. Zweifellos ist, daß, wenn § 21 Gesetz würde, der § 227 BGB. damit irgendwie in Einklang gebracht werden müßte. Daß der § 21 die streitige (vgl. jetzt RGStr. 58, 27) Frage, wieweit D r i t t e durch die Notwehrhandlung verletzt werden dürfen, befriedigend entscheide, wird behauptet. Ich finde es nicht. Er läßt sie wiederum offen. Sie muß vom Notstandsgesichtspunkt aus geregelt werden. 3. Ob und inwieweit ein N o t s t a n d eine Handlung »rechtfertigen« kann, ist zurzeit bekanntlich streitig. Für die §§ 228, 904 BGB. wird es jetzt fast einstimmig angenommen, für § 54 StGB, überwiegend geleugnet. AE. § 22 statuiert, im Gegensatz zu den früheren Entwürfen, einen Schuldausschließungsgrund. Wenn dem Grundgedanken von § 22 auch zuzustimmen ist (darüber nachher), so genügt er doch nicht. Es gibt auch »gerechtfertigte« Notstandstaten, was sich zeigt, wenn man vom Verteidigungsrede des Betroffenen ausgeht. Nach § 22 hat dieser ein solches Recht nie. Für viele Fälle ist das richtig (darin liegt ein Vorzug des § 22), aber nicht für alle. Es ist richtig, soweit der Notstandstäter bloß wegen »Nichtzumutbarkeit« rechtmäßigen Handelns »entschuldigt« ist; nicht aber, soweit er ü b e r w i e g e n d e I n t e r e s s e n wahrt. Hier muß der inzwischen bewährte Gedanke der §§ 228,,904 BGB. über Sachbeschädigungen hinaus erweitert werden auf Verletzung persönlicher Rechtsgüter (Körperintegrität, Ehre usw.), soweit der drohende Schaden (sei es ein Leibes- oder 2*
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nur ein Vermögensschaden) unverhältnismäßig groß sein würde. Ein derartiger neuer Paragraph wäre dem Notwehrparagraphen anzugliedern, während der § 22 dem Irrtumsparagraphen zu folgen hätte. 4. Im Allgemeinen Teil nicht erwähnt ist die E i n w i l l i g u n g des V e r l e t z t e n . § 239 regelt sie für die Körperverletzung, und zwar, wie man annehmen muß, im Sinne eines Rechtfertigungsgrundes (Begr. S. 124). Ich habe mich darüber hier nicht auszusprechen. Die Frage, ob es zweckmäßig wäre, die Einwilligung a l l g e m e i n zu regeln, ist m. E. zu verneinen. Daß sie bei Antragsverbrechen die Rechtswidrigkeit ausschließt, ist herrschende Lehre; dabei wird es bleiben. Hier außerdem noch zu fordern, daß die Einwilligung »nicht gegen die guten Sitten verstößt« (so Heimberger), halte ich nicht für richtig. Es verstößt noch mehr gegen die guten Sitten, zuerst in die Verletzung (z. B. in eine Ohrfeige) einzuwilligen und dann Strafantrag zu stellen. Über Antragsverbrechen andrerseits aber noch hinauszugehen, besteht kein berechtigter Anlaß. Darin trete ich Heimberger bei. 5. Für ungemein gefährlich aber würde ich es halten, wenn der Gedanke der G e s c h ä f t s f ü h r u n g ohne A u f t r a g , also der Koinzidenz der Interessen, gesetzgeberisch verwertet würde. Zitelmann, Mezger, Heimberger haben sich um ihn bemüht, wobei aber unerklärt blieb, wieso dieser zunächst nur auf das Verhältnis zum Verletzten zugeschnittene Gedanke das Verhältnis zum Staat berühren soll. Graf Dohna und Frank haben ihn dahin zu wenden gesucht, daß ein Handeln im Interesse des geschützten Rechtsguts niemals im Sinne der dieses schützenden Norm rechtswidrig sein könne. Alle Vorschläge dürften letzten Endes wohl auf v. Lilienthal in Z. 20, 44off. zurückgehen. Alle Vorschläge bedeuten aber eine Anerkennung des Satzes, daß der Zweck das Mittel heiligt, und enthalten eine unerträgliche Unbestimmtheit in dem Begriff des »Verletzten«. Man vergleiche die Schwierigkeiten, die StPO. § 172 bereitet, dort aber belanglos sind! Das an sich gesunde Prinzip der Individualisierung der Strafrechtspflege würde schwer diskreditiert werden. Denn die Anwendung dieses Grundsatzes auch hier auf Antragsverbrechen zu beschränken (so Heimberger), bestände kein Anlaß. Es würde, einmal anerkannt, diesen Damm schnell überfluten. Und was das gerade bei politischen Verbrechen bedeuten würde, braucht nicht näher ausgeführt zu werden.
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Die Gefahr würde vervielfacht dadurch, daß die irrige Annahme der Interessenkoinzidenz, so wie diese selber die Rechtswidrigkeit, ihrerseits die Schuld ausschlösse. § 22 bietet in dieser Richtung gerade genug! IV. Die Schuld. Hier liegen bedeutsame Neuerungen vor, die sich praktisch vielleicht als die wichtigsten innerhalb der eigentlich juristischen Bestimmungen des Allgemeinen Teils auswirken werden. Vor hundert Jahren waren wir schon einmal weiter als heute. Aber der von Feuerbach und seinen Gegnern um die Grundlegung des Strafrechts und damit auch der Schuldlehre geführte Kampf war für den Gesetzgeber unfruchtbar geblieben. Die Hegelianer hatten die Schuldidee spekulativ vertieft, aber praktisch verwirrt. Die ihnen folgende Abneigung gegenüber aller Spekulation kam strafgesetzlich darin zum Ausdruck, daß die »Schuld«-Bestimmungen der Gesetzbücher immer magerer wurden bis zu unserem § 59 StGB, hin, ihrem einzigen Überbleibsel. Auf seinem dürren Boden wuchsen dann so blutleere Theoreme, wie die extreme »Vorstellungstheorie«, die eine Zeitlang die Wissenschaft blendete und zu einer übertriebenen Ausdehnung des Eventualvorsatzes führte; und andrerseits der Satz von der Irrelevanz des »außerstrafrechtlichen Rechtsirrtums«, an dem das Reichsgericht wie an einem Dogma festhält, und mit dessen Scheinlogik es unzählige Entscheidungen subjektivsten Ermessens zudeckt. Schon die ungeheure Zahl dieser Entscheidungen zeigt, daß die Tatgerichte mit jenem Satz offenbar nichts anzufangen wissen. Es war ein übler Auftakt der Strafrechtsreform, daß VE. 09 diesen Satz naiv legalisierte und andrerseits den dolus eventualis gerade in seiner anfechtbarsten Fassung definierte. In dem K.E. 13 war der dolus eventualis richtig gestellt und der außerstrafrechtliche Rechtsirrtum verschwunden. E. 19 tat dann den entscheidenden Schritt, anzuerkennen, daß der Täter sich nicht nur zu dem »Sein«, sondern auch zu dem »Nicht-sein-sollen« der Tat irgendwie innerlich in Beziehung gesetzt haben müsse, wenn von »Schuld« die Rede sein solle. Denk- und Ausdrucksweise waren noch reichlich verzwickt; der Gedanke war zu ausschließlich auf den (am wenigsten streitigen) Fall des Irrtums über negative Tatumstände {Putativnotwehr u. dgl.) abgestellt. Das Ergebnis — daß nämlich Fälle »unverschuldeter Schuld« herauskamen — zeigte, daß irgendwo ein Fehler stecken mußte. Aber immerhin war ein Anfang auf dem richtigen Weg gemacht.
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Der AE. 25 verzichtet wieder auf den gemeinsamen Namen »Schuld«, und sieht auch davon ab, die Begriffe Schuld, Vorsatz und Fahrlässigkeit positiv zu umgrenzen. Technisch kehrt er zum StGB, zurück, negativ Schuldausschließungsgründe aufzustellen. Inhaltlich liegt aber die Neuerung darin, daß AE. 25 einmal den versteinerten § 59 StGB, in § 13 aufweicht; sodann darin, daß er die Zurechnungsfähigkeit sprachlich und damit auch sachlich in enge Beziehung zur Schuld setzt; endlich darin, daß er in § 22 Fälle anerkennt, in denen ein Notstand die Schuld ausschließt. Wie man sich zu diesen Neuerungen stellt, hängt natürlich davon ab, wie man grundsätlich über die Schuldidee denkt. Ich sehe in ihnen Fortschritte, die freilich zu Ende getan werden müssen. »Schuldhaft« begeht derjenige eine rechtswidrige Handlung, von dem rechtmäßiges Handeln erwartet und folglich gefordert werden durfte. In zwei Gruppen von Fällen ist es nicht zu erwarten : 1. wenn der Täter seiner ganzen seelischen B e s c h a f f e n heit nach nicht zu den Menschen gehört, von denen wir erwarten dürfen, daß sie ihr individuelles Triebleben nach den Anforderungen der Umwelt regulieren, wenn er also »unzurechnungsfähig« ist; 2. wenn solche Erwartung nach Lage des E i n z e l f a l l s ausgeschlossen, die Tat also nicht »zurechenbar« ist. In beiden Fällen können die Gründe der Nicht-Erwartbarkeit und damit der Nicht-Zumutbarkeit rechtmäßigen Handelns doppelter Natur sein: a) es kann sein, daß die Vorstellung einer Divergenz zwischen Trieb und Norm gar nicht auftauchen konnte; und b) es kann sein, daß sie zwar auftauchte, daß aber vom Gesetzgeber und Richter der Übermächtigkeit des Triebs Rechnung getragen werden muß. In diesem Sinne fordert § 17 die Fähigkeit, das Unerlaubte der Tat einzusehen ( i a ) und dieser Einsicht gemäß zu handeln (ib). Und ebenso § 13 für 2a und §22 für 2b. In den §§ 13, 22 steckt also der Gedanke, den der § 17 in potentieller Fassung ausspricht, in aktueller Wendung wieder. Daß sich hieraus mit Notwendigkeit eine bestimmte andere Anordnung ergibt, wurde oben S. 17 gesagt. Im Einzelnen mögen hier die Formulierungen der Zurechnungsfähigkeit ebenso wie die Beseitigung der Erfolgshaftungsreste durch § 15 unerörtert bleiben. Für die ersteren ist der Jurist nicht ganz zuständig und mit § 15 wird jeder einverstanden sein.
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Von Interesse sind aber die obigen Fragen 2 a und b, also I r r t u m und N o t s t a n d als Schuldausschließungsgründe. 1. Gegen den Irrtumsparagraphen 13 pflegt man einzuwenden, durch ihn werde die Ausrede des Täters, er habe nicht das Bewußtsein der Rechtswidrigkeit gehabt, geradezu herausgefordert. Aber das ist ein Kinderschreck. Welcher Strafrichter würde mit solcher Ausrede auf Grund seines Rechts zu freier Beweiswürdigung nicht ebenso fertig, wie mit anderen Schwierigkeiten des subjektiven Tatbestands! E s muß wundernehmen, daß gerade auch Richter solche Bedenken geltend machen. Zudem beruhen sie auf einem fundamentalen Mißverständnis, das freilich durch § 13 selber und seinen noch zu streifenden Abs. 2 sowie durch die (hier überhaupt anfechtbare) Begr. mitverschuldet ist: § 1 3 f o r d e r t g a r n i c h t d a s B e w u ß t s e i n d e r R e c h t s w i d r i g k e i t . E r schließt die Schuld nur aus, wenn ein Irrtum den Täter das Unerlaubte seiner T a t » n i c h t e r k e n n e n l ä ß t « , wenn er es ihm u n m ö g l i c h machte, das Unerlaubte seiner Tat zu erkennen. Denn zur Schuld ist erforderlich, aber auch genügend, die M ö g l i c h k e i t , das Unerlaubte seiner Tat zu erkennen 1 ). Mehr fordert auch § 13 nicht. E r stellt nur — gegenüber dem § 59 S t G B , und der Reichsgerichtsrechtsprechung — sicher, daß es gleichgültig ist, ob die Unmöglichkeit auf Tat- oder auf Rechtsirrtum beruhte. Dies muß schon deshalb gleichgültig sein, weil es in vielen Fällen sich gar nicht unterscheiden läßt, ob ein Irrtum über die äußere Sachlage oder über Rechtsbegriffe zugrunde lag. E b e n darum war ja die Judikatur so unerfreulich. Man sehe — als Beispiel unter vielen — nur die geistigen Verrenkungen, die R G S t . 57, 235 wieder nötig hat, um einen releten Irrtum über den Begriff der »Urkunde« von einem irrelevanten zu unterscheiden! § 13 würde hier von Segen werden: statt daß die Begriffswelt der angeklagten Haushälterin wie die eines gewiegten Juristen daraufhin seziert wird, ob der Irrtum »die Wirksamkeit des ihr erteilten Auftrags« oder aber die »Gültigkeit des Testaments« betraf; und statt daß (was auch gewiegte Juristen nicht verstehen werden) ersterer als schuldausschließender Irrtum über Grundsätze des bürgerlichen Rechts, letzterer aber (und das ') Von Alsberg weiche ich hier also grundsätzlich ab. Beachtlich: Gleispach, Schuld nach dem AE. (in Asch. Mon. Sehr. Bd. 16, S. 225 IT.). Auch er betont, daß § 1 3 keineswegs das B e w u ß t s e i n des Unerlaubten fordert. Ich begnüge mich aber mit der M ö g l i c h k e i t d e s B e w u ß t s e i n s , während er das B e w u ß t s e i n v o n d e r M ö g l i c h k e i t der Unerlaubtheit fordert. Der Unterschied ist wichtiger als er scheint. Ihn näher zu verfolgen ist hier nicht möglich. Vorzüglich M. E. Mayer, Strafrecht Allg. Teil, S. 233 ff.
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sei der Irrtum der Angeklagten gewesen! ?) als belangloser Irrtum über den Straftatbestand der Urkundenfälschung erklärt wird — wäre nach § 13 einfach, kurz und gerecht freizusprechen. Vgl. auchRGSt. 58, 247 und 321 und die berechtigte Kritik von Alsberg. Sorgfältiger Überlegung wird es freilich bedürfen, ob der BeBegriff »unerlaubt« nicht zu unbestimmt ist. Es mag sein, daß hier grundsätzliche und praktische Erwägungen nicht zusammenstimmen. Grundsätzlich halte ich den Ausdruck für richtig. Hat der Täter die Abträglichkeit seiner Tat für das zu schützende Rechtsgut gekannt, dann hat er sie, falls er zurechnungsfähig war, für — sei es rechtlich, sei es nur sittlich — »unerlaubt« halten können und müssen. Das begründet seine Schuld. Sein Glaube, durch eine Gesetzeslücke schlüpfen zu können, darf ihm ebensowenig zugute kommen, wie seine umgekehrte Annahme, etwas gesetzlich Unerlaubtes sei sittlich erlaubt (Beweis für letzteres auch § 71). Aber ich will die praktischen, von Alsberg eindrucksvoll geschilderten Bedenken nicht in Abrede stellen. Von meinem Standpunkt aus — wonach § 13 nur die M ö g l i c h k e i t des Bewußtseins des Unerlaubten fordert — würden auch grundsätzliche Bedenken gegen den Ersatz des »Unerlaubten« durch das »Rechtswidrige« (dann freilich auch in § 17) nicht zu erheben sein. Der Pferdefuß des § 13 ist sein Abs. 2. Entscheidend ist aber nicht der Einwand, daß die Auswahl der Fahrlässigkeitsdelikte doch unter dem Gesichtswinkel der Tatfahrlässigkeit, nicht der Rechtsfahrlässigkeit getroffen sei, daß also die letztere in vielen Fällen (z. B. bei Sittlichkeits- und Vermögensverbrechen) straflos bleiben müsse. Dies Bedenken könnte leicht dadurch behoben werden, daß statt auf »die Vorschriften über fahrlässige Handlungen« allgemein auf § 72 verwiesen würde. Der Kern des Fehlers steckt, wie mir scheint, tiefer. § 13 geht davon aus, daß das »Unerlaubte« gewissermaßen neben der »Tat« stehe; daß T a t s c h u l d und R e c h t s s c h u l d also auch neb en einander geprüft werden könnten und müßten. Der schuldhafte Vorsatz setze sich aus Tatvorsatz und Rechtsvorsatz zusammen. So erscheint es dann folgerichtig, daß, wenn entweder die »Tat« oder das »Unerlaubte« nur auf Fahrlässigkeit beruhe, auch nur eine Fahrlässigkeitsstrafe angedroht wird, insbesondere in den Fällen einer Verbindung von Tatvorsatz mit Rechtsfahrlässigkeit. Diese Lehre von der Rechtsfahrlässigkeit dürfte auf mehrfache Ausführungen von v. Hippel und diese wieder auf den Holländer van Hamel jun. zurückgehen. Auch der Rechtsirrtumsverordnung vom 18. 1. 1917 liegt sie zugrunde, wo ihr aber die Spitze
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dadurch abgebogen wurde, daß das Reichsgericht — begreiflicherweise — bei mangelnder Rechtskenntnis gar keinen Schuldausschließungsgrund, sondern nur einen persönlichen Strafausschließungsgrund annahm. So verdienstlich die Theorie von der Rechtsfahrlässigkeit insofern war, als sie die erstarrte Schuld-Materie wieder in Fluß brachte, ist sie doch noch in der auf dem Boden des § 59 StGB, gewachsenen Ansicht befangen, als ob an sich der »Vorsatz« sich nur auf das Äußere, das sinnlich Wahrnehmbare der »Tat« bezöge. Und diese Ansicht wiederum kommt daher, daß immer noch oft — gerade auch von den Vertretern jener Theorie — der »Vorsatz« wertfrei, psychologisch, nicht aber als eine Art des wertbetonten Gattungsbegriffs »Schuld« untersucht wird. Ein Vorsatz, der nicht schuldhafter Vorsatz ist, interessiert das Strafrecht gar nicht. Und dieser erfordert begrifflich die Möglichkeit des Bewußtseins der Pflichtwidrigkeit. Er erfordert sie und sie ist genügend. So schon Ad. Merkel u. a., und ähnlich jetzt Frank. Daß trotz der Möglichkeit, das Unerlaubte zu erkennen, dieses nicht erkannte wurde — darin gerade liegt die Schuld. Darin — und nur darin — liegt ja auch der Schuldcharakter der sog. unbewußten Fahrlässigkeit, die sonst als bloße Erfolgshaftung angesprochen werden müßte. Für § 13 f o l g t d a r a u s , d a ß A b s . 2 zu s t r e i c h e n und in A b s . 1 statt » v o r s ä t z l i c h e r « zu setzen i s t : » s c h u l d h a f t e r « . 2. Wie ein Irrtum die intellektualistischen, so kann ein N o t s t a n d die v o l u n t a r i s t i s c h e n Elemente der »Schuld« ausschließen. In b e i d e n Fällen war rechtmäßiges Handeln n i c h t zumutbar. Dies erkannt und, im Anschluß an Schweiz. E. 18 und OeGE. 22, ausgesprochen zu haben, ist der Fortschritt, den der § 22 AE. bringt. Daß der Grundsatz des § 22 der E r g ä n z u n g bedarf durch Anerkennung g e r e c h t f e r t i g t e r Notstandstaten, wurde oben ausgeführt. Ob § 22 den Grundsatz der Zumutbarkeit richtig ausdrückt und abgrenzt, wird genau geprüft werden müssen. Ganz unbegründet erscheint mir aber der geradezu mit Leidenschaft erhobene Vorwurf, daß der § 22 die Strafvoraussetzungen in gefährlicher Weise subjektiviere. Man hat ihn den »ersten Schritt zu einer anarchistischen Leugnung der Strafrechtspflege überhaupt« genannt, sieht in ihm die Notwendigkeit, den Kriegsdienstverweigerer, den Duellanten, ja schließlich jeden Überzeugungsverbrecher (heute also vielleicht den »Fememörder«) freizusprechen. Ein seltsames
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Mißverständnis! J e d e s »Schuld«-Urteil geht zwar von der eindeutig gegebenen Motivenlage in der Psyche des Täters aus, fordert aber, falls es überhaupt ein Werturteil sein soll, eine G e n e r a l i s i e r u n g , d. h. eine Vergleichung jener individuellen psychologischen Situation mit einem zu fordernden Durchschnittsmaß an Einsicht und Widerstandskraft. Wenn man einen »fahrlässigen« Täter denjenigen nennt, der den Erfolg hätte vorhersehen müssen, so muß man doch auch darüber hinwegkommen, daß er ihn eben rebus sie stantibus nicht vorhergesehen hat. Und man kommt darüber hinweg, wenn man sich klar macht, daß die »Schuld« des Täters gerade in der Abweichung seiner Individualität von jenem Durchschnitts typ liegt. Daß eine Tat psychologisch zwangsläufig erfolgte, ist stets zweifellos, für die wertende Betrachtung aber stets belanglos. Jenes Mißverständnis ist ebenso handgreiflich, wie es dasjenige war, das einst zu dem unfruchtbarsten Kriminalistenstreit geführt hatte: daß nämlich mit einer deterministischen Grundauffassung ein Strafrecht unvereinbar sei. Zur Klärung solcher Mißverständnisse hat seinerzeit A. Merkel und seine Schule, besonders Liepmann in seiner »Einleitung in das Strafrecht« (1899) beigetragen, wo ein deterministisches Strafrecht wissenschaftlich begründet, dabei die Notwendigkeit eines objektiven Fahrlässigkeitsmaßstabes dargelegt und überhaupt auf Objektivierung und Generalisierung der Strafrechtsbegriffe hingewirkt wurde, die erst hierdurch zu »Rechts«-Begriffen werden. Hält man es aber wirklich für nötig, solchem Mißverständnis ausdrücklich zu begegnen, so braucht — nach dem Vorschlag von Wegner in »Juristische Rundschau« I (1925) S. 578 — ja nur im § 22 an Stelle des Wortes »ihm« gesagt zu werden: »einem Menschen«. Auch ist zu überlegen, ob der Gedanke der pflichtmäßigen Abwägung der sich gegenüberstehenden Interessen dem der Nichtzumutbarkeit noch hinzugefügt werden soll. Schwerer aber wiegt das Bedenken, daß in § 22 die N o t h i l f e einem falschen Gesichtspunkt unterstellt ist. Gewiß ist § 54 StGB, hier zu eng. Aber wenn auch der dortigen Beschränkung auf »Angehörige« bereits unausgesprochen der Gedanke der »Nichtzumutbarkeit« zugrunde liegen mag, so geht es doch nicht an, ihn nun hier zum allein herrschenden Prinzip zu machen. Wenn jemand ein fremdes Kind aus einem brennenden Haus rettet und zu dem Zweck ein fremdes Grundstück gegen den Willen des Eigentümers betritt oder diesen gewaltsam zurückstößt, so kann seine Straflosigkeit nicht davon abhängen, daß ihm »nicht zugemutet« werden konnte, den Tod des Kindes mit anzusehen. Das Motiv z. B., sich
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bei der Rettung auszuzeichnen, eine Wette zu gewinnen usw., darf seine Straflosigkeit nicht berühren. Auch bei der ärztlichen Hilfe wird nicht immer gerade Nächstenliebe der ausschlaggebende Beweggrund sein; für die strafrechtliche Beurteilung jedenfalls wäre es gleichgültig. Die N o t h i l f e muß der neu vorgeschlagenen Bestimmung über W a h r u n g ü b e r w i e g e n d e r I n t e r e s s e n unterstellt werden. V. Versuch. Jeder Strafgesetzgeber steht hier vor der Aufgabe, sich entweder für die o b j e k t i v e oder für die s u b j e k t i v e Auffassung entscheiden zu müssen. Eine recht doktrinäre Angelegenheit, wie es scheint. In Wahrheit ist es mehr und mehr in Vergessenheit geraten, daß es sich um eine Entscheidung von grundsätzlicher Bedeutung handelt. Mit der Versuchsstrafe die irgendwie dokumentierte verbrecherische G e s i n n u n g treffen zu wollen, war das Streben des P o l i z e i s t a a t s . Ein Problem des »Versuchs« als solchen kannte er nicht; abgesehen von der Zweckmäßigkeitserwägung, ob man nur den conatus proximus oder schon den c. propinquus oder gar schon den c. remotus strafen solle. Erst als im R e c h t s s t a a t die Schutzfunktion des »Gesetzes« und damit die Bedeutung des o b j e k t i v e n T a t b e s t a n d s zum Bewußtsein kam, entstand die Frage, ob ein solcher auch für den »Versuch« nötig sei, oder ob man sich hier nach wie vor mit einer irgendwie zutage getretenen verbrecherischen Gesinnung begnügen wolle. So hatte namentlich Feuerbach das Problem erkannt, der den objektiven Versiuchstatbestand in seiner »Gefährlichkeit« fand. Rechtsstaatstheoretiker schlössen sich ihm an, Polizeistaatstheoretiker traten ihm entgegen. Auch die Eartikulargesetzgebungen traten teils auf die eine, teils auf die andere Seite. Die eine die der »Subjektivisten«, die andere die der »Objektivisten« zu nennen, ist späterer Sprachgebrauch, der nur die gesetzgeberische Auswirkung, nicht aber den Kern der Sache trifft, insofern übrigens auch irreführt, als kein »Objektivist« die Notwendigkeit eines subjektiven, wohl aber der »Subjektivist« die eines objektiven Tatbestands l e u g n e t . In der jahrzehntelangen Vorgeschichte des Preuß. StGB, spiegelt sich diese Entwicklung wider. Wer sich die Mühe macht, nicht nur im »Goltdammer«, sondern in den »Materialien« selber zu lesen, sieht, daß in den Entwürfen bis 1843 die Versuchsstrafe als Gesinnungsstrafe im Sinne des A L R . gedacht war; daß dann
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aber, unter dem Einfluß der rheinpreußischen Juristen, energisch ein objektiver Versuchstatbestand gefordert wurde. Die letztere Richtung siegte. So entstand (im Anschluß an § 2 Code pénal) der § 31 Pr. StGB., der auch vom Obertribunal o b j e k t i v i s t i s c h ausgelegt wurde; und aus ihm § 43 StGB. Es stand schon nicht ganz im Einklang mit dieser Entwicklung, wenn die Motive zum StGB. f. d. Nordd. Bund (S. 87) schrieben, daß man im §43 die Frage des »untauglichen« Versuchs nicht habe regeln wollen. Sein Vorbild, der § 31 PrStGB., »wollte« sie zweifellos objektivistisch regeln, mindestens die des »absolut« untauglichen Versuchs. Eine geradezu unbegreifliche Verkennung der Entwicklung war es aber, als ein Jahrzehnt später die bekannte Plenarentscheidung des Reichsgerichts (RGStr. 1, 439) ihren extremen Subjektivismus, zu dem sie sich »logisch« angeblich durch die Burische Kausalitätslehre genötigt glaubte (nichts war verkehrter), geradezu auf die Geschichte stützte! Sie nannte einige subjektivistische Partikularstrafgesetzbücher ; aber daß der für § 43 allein m a ß g e b e n d e Vorgänger, der §31 PrStGB., im Objektivismus wurzelt und auch ganz überwiegend so ausgelegt worden war, blieb unerwähnt! Jene Entscheidung ist das Evangelium der Praxis geworden. Der VE. 09 sah auch hier seine Aufgabe nur darin, die reichsgerichtliche Praxis zu legalisieren und die Entwürfe 1913, 1919, 1925 folgen ihm. Heute, wo alles darauf ankommt, das Prinzip der Individualisierung im Strafrecht, soweit es vernünftig ist, zu fördern, muß allem, was dieses Streben diskreditieren kann, um so nachdrücklicher entgegengetreten werden. In diesem Sinne ist aufs bestimmteste zu betonen, daß die gesetzliche Anerkennung der subjektiven Versuchstheorie die L e g a l i s i e r u n g eines krassen historischen Irrtums und die E n t s c h e i d u n g eines alten S t r e i t s zwischen Polizeistaats- und R e c h t s s t a a t s a n h ä n g e r n zu gunsten der ersteren bedeuten würde. Natürlich kann man mit der Begr. (S. 22) sagen: »daß für die Strafwürdigkeit in erster Linie die Persönlichkeit des Täters, sein böser Wille entscheidend ist«. Aber hiermit könnte man die Erforderlichkeit objektiver Tatbestände überhaupt, auch bei Vollendung, verneinen' und zum italienischen Entwurf Ferris, ja noch über ihn hinausgehen. Der Verzicht auf einen objektiven Versuchstatbestand — und das ist das Wesen der subjektiven Versuchstheorie und des AE. § 23 — bedeutet die Zerlegung des ganzen Strafrechts in zwei Teile: in ein rechtsstaatliches, auf objektive Tatbestände abgestelltes, Voll-
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endungsstrafrecht und in ein polizeistaatliches, auf die Gesinnung abgestelltes, Versuchsstrafrecht. Das Reichsgericht konnte sich seinerzeit allenfalls noch auf die Gespaltenheit der »Wissenschaft« berufen und in 34, 221 die eigenartige Unfehlbarkeitskundgebung an die Instanzgerichte erlassen. Daß aber die Begründungen zu den Entwürfen übereinstimmend den resignierten Hinweis auf das Versagen der Wissenschaft nachsprechen, wurde mit jedem Male unzeitgemäßer. Zur Gefolgschaft des Reichsgerichts gehörten einst Buri (selbstverständlich), Hälschner, Stenglein, auch Lammasch und Bierling. Objektivisten aber sind Binding, Liszt, Merkel, Liepmann, Oetker, Beling, Allfeld, Finger, M. E. Mayer und viele andere, unter denen als hervorragende Praktiker Olshausen und Lobe genannt seien. Angefügt seien die in vieler Hinsicht noch weitergehenden Vertreter der Lehre vom »Mangel am Tatbestand« (Mittermaier sen. und Zachariä, Graf Dohna, Frank, Lobe, Gerland) — einer höchst beachtlichen Lehre, die in den Entwürfen und ihren Begründungen auch nicht aufs leiseste anklingt. Nun mag es praktisch, was den »untauglichen« Versuch betrifft, vielleicht nicht allzu schlimm werden, falls — der Abs. 4 des § 23 sich vernünftig auslegen läßt. Aber erstens zweifle ich daran, daß die Praxis mit dem »Irrtum über Naturgesetze«, über den die Begr. sich nicht weiter ausläßt, etwas wird anfangen können. Denn jeder ontologische Irrtum läßt sich in einen nomologischen umdeuten, auch in den beiden von der Begr. benutzten (seit Feuerbach abgenutzten) Beispielen des Abtreibungsversuchs und des Totbetens. Von dem fassungslosen Gesicht, das die Schöffen bei der Bekanntschaft mit Abs. 4 machen werden, ganz zu schweigen! Zweitens aber ist schwer einzusehen, warum nicht das, was nach Abs. 4 praktisch zur Regel werden wird, auch grundsätzlich als Regel hingestellt wird; zumal mit den Worten »überhaupt nicht« ohnehin schon eine unverzeihliche Sünde gegen den Geist Buris begangen und ein entscheidender Schritt zum Objektivismus getan ist. Praktisch schlimmer als mit dem »untauglichen« Versuch steht es mit der Abgrenzung der straflosen V o r b e r e i t u n g s h a n d l u n g . Die Begr. (S. 23) sagt, sie sei »die gleiche wie im geltenden Recht«. Das ist einfach nicht richtig. Die Worte des § 23: »nach seiner Vorstellung« beziehen sich ebenso auf die Vorbereitungshandlung wie auf den untauglichen Versuch. Ist die eine Abgrenzung von der Vorstellung des Täters abhängig, so ist es auch die andere. Das Reichsgericht aber zieht die Grenze zwischen V o r -
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b e r e i t u n g und Versuch (im Gegensatz zu der zwischen tauglichem und untauglichem Versuch) nach o b j e k t i v e n Kriterien! Vgl. Lobe bei Ebermayer Anm. 4 zu § 43. Jene Bemerkung der Begr., die Grenze sei dieselbe wie jetzt, ist also falsch. Daß der gleiche Fehler schon in Begr. zu VE. 09, S. 285, steht, kann ihn nicht rechtfertigen. Aber nicht auf die Begründung kommt es an; sondern darauf, daß der Subjektivismus der heutigen Praxis noch weiter ausgedehnt wird. Kein Gericht kann gehindert werden, die Beschaffung des Verbrechenswerkzeugs oder den Gang zum Tatort künftig als Versuch zu bestrafen. Damit wäre nicht ein Rückfall ins 18. Jahrhundert vollzogen (wo man sich immerhin noch über conatus remotus, propinquus und proximus Gedanken machte), sondern in ein Gesinnungsstrafrecht in Reinkultur. Und angesichts einer derartigen Ausdehnung des Tatbestands, einer derartigen Verflüchtigung aller objektiven Kriterien der Strafbarkeit soll der Versuch grundsätzlich gleich der Vollendung b e s t r a f t werden! Wenn der Code pénal dies tat, so konnte er es wagen, weil er objektiv ein commencement d'éxécution forderte. Nach dem AE. aber ist die Gleichstellung unerträglich. Keinesfalls darf der »Versuchs«-Abschnitt bleiben, wie er ist. Scheinbar einem hier nicht hergehörigen Individualisierungsprinzip nachgehend, stellt er in Wahrheit eine unerfreuliche Mischung dar von doktrinärem Traditionalismus und Verkennung der wahren »Geschichte« des Rechts. VI. Teilnahme. Hier weht ein frischerer, allzu frischer Wind. Der 4. Abschnitt will mit überflüssigen Distinktionen und Streitfragen aufräumen, unbekümmert um Traditiqnen, allerdings auch unbeschwert von »Wissenschaft«. Besonders abgeneigt ist der AE. den Begriffen der Mittäterschaft und der m i t t e l b a r e n T ä t e r s c h a f t . Ob es aber ohne sie gehen wird ? ] 1. Die Schwierigkeiten der M i t t ä t e r s c h a f t , besonders ihrer Abgrenzung gegen die Beihilfe (subjektiv oder objektiv ?) werden durch eine Radikalkur beseitigt: der Begriff wird gestrichen. Bibliotheken werden Makulatur. Natürlich kann man sich auf den Standpunkt stellen, daß jeder nur nach dem, was er gewollt und getan hat, beurteilt werde. Man wird überlegen müssen, wohin das führt. Eines nur ist sicher : es führt zu anderen Entscheidungen als das jetzige Recht. Die
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Begr. (S. 25) meint das Gegenteil: es »kann auch ohne eine Definition des Mittäters kein Zweifel bestehen, daß ein Mittäter auch dann wegen vollendeten Verbrechens zu bestrafen ist, wenn der Erfolg nicht durch seine eigene Handlung, sondern durch die Handlung eines anderen Mittäters herbeigeführt worden ist«. Bei mir ist dieser »Zweifel«, der »nicht bestehen kann«, sehr stark. Der angeführte »Fall« ist das Gegenteil eines Beweises, denn wenn über etwas »kein Zweifel bestehen kann«, so darüber, daß er falsch entschieden ist: »wenn A und B auf N in der Absicht, ihn zu töten, losgestochen haben, A den N nur leicht verwundet und der Tod des N b l o ß infolge einer Verletzung eingetreten ist, die ihm B zugefügt hat, so ist auch A wegen vollendeten Mordes strafbar«. Hätte die Begr. geschrieben: »... so ist A zwar nur wegen Mordversuchs strafbar, er kann aber nach § 23 mit der Strafe des vollendeten Mordes belegt werden«, so hätte sie Recht. Wie aber bei fehlendem Kausalzusammenhang ohne besondere Bestimmung vollendeter Mord angenommen werden kann, ist mir unverständlich. Nach dem RStGB. würde das Reichsgericht vollendeten Mord vielleicht (?) annehmen. Aber wenn, dann doch nur auf Grund von § 47! Es gibt eben zwei Fälle von Mittäterschaft: solche, bei denen jeder Mittäter alle objektiven und subjektiven Tatbestandsmerkmale in seiner Person verwirklicht, und bei denen § 47 in der Tat ü b e r f l ü s s i g ist; und solche, bei denen dies nicht der Fall ist, bei denen aber wegen der »gemeinschaftlichen Ausführung« k r a f t der positiven Bestimmung des § 47 das Tun des einen dem des anderen hinzugerechnet wird (wobei dann die bekannte Streitfrage über das Wesen der »gemeinschaftlichen Ausführung« auftaucht): »A erbricht das Behältnis, B leert es aus« (Frank). Nach § 47 StGB, werden A und B wegen schweren Diebstahls gestraft; nach dem AE. aber A wegen Sachbeschädigung, B wegen einfachen Diebstahls. Es läßt sich natürlich überlegen, ob man angesichts der weit gespannten Strafrahmen des Entwurfs sich mit dieser Lösung begnügen will. Aber daß sie dieselbe sei, wie jetzt, kann man unmöglich sagen. 2. Auch von dem Begriff der mittelbaren T ä t e r s c h a f t sagt die Begr.: er »wird entbehrlich«; und zwar dadurch, daß »die Strafbarkeit des Anstifters und des Gehilfen unabhängig ist von der Strafbarkeit dessen, der die Tat ausführt« (§ 27); wenn diese nur »mindestens rechtswidrig« war {Begr.). Es mag davon abgesehen werden, daß es danach in den §§ 25, 26 statt »strafbaren« heißen müßte: »rechtswidrigen Handlung«. Auch davon, daß es
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wohl nicht angängig ist, den Anstifter zu einer nach § 22 schuldlosen Notstandstat zu strafen, und nach § 22 auch den Gehilfen zu strafen, falls es »ihm zuzumuten« war, untätig zu bleiben. Aber auch abgesehen von diesen Unstimmigkeiten, die sich beseitigen ließen, glaube ich nicht daran, daß der Begriff der »mittelbaren Täterschaft« durch jene Lockerung des Akzessorietätsgrundsatzes entbehrlich wird. Denn einmal dehnt der AE. die Begriffe »Anstiftung« und »Beihilfe« zu einem Umfang aus, der, wenn auch das praktische Ergebnis unberührt bleibt, sich mit der volks-ethischen Wertung nicht mehr deckt (so auch Wegner). Wer ein kleines Kind veranlaßt, einem anderen Gift (von dem er dem Kind sagt, es sei Zucker) in den Kaffee zu schütten, kann unmöglich wegen »Anstiftung zum Mord« (wenn auch g l e i c h einem Mörder), sondern muß »wegen Mordes« bestraft werden. Namentlich aber kommt der AE. in § 28 in eine eigenartige Bedrängnis. Auch hier will er den A k z e s s o r i e t ä t s g r u n d s a t z einschränken, und zwar indem er den Gedanken des § 50 StGB, ausdehnt auf Umstände, die die Strafbarkeit begründen oder ausschließen. Das Ergebnis ist, daß wegen »Anstiftung« und »Beihilfe« zu einem rechtlichen Nichts, zu einer gar nicht straftatbestandsmäßigen Handlung gestraft werden kann. Der Beamte, der einen Nichtbeamten zu einer »Falschbeurkundung im Amt« veranlaßt, soll bestraft werden wegen »Anstiftung« — wozu? Wer das Bedenken schulmeisterlich findet, mag versuchen, die Urteilsformel zu entwerfen! Und selbst wenn man darüber hinwegkäme, so bleibt doch, daß heute jener Nichtbeamte mit Fug und Recht wegen Beihilfe (zu einem in mittelbarer Täterschaft begangenen Amtsverbrechen) bestraft wird, nach dem AE. aber straflos bleibt! Und wenn ein Verheirateter einen Unverheirateten zum Geschlechtsverkehr veranlaßt, so sehe ich — trotz der Begr. •— nicht, wie man nach § 28 um das sinnlose Ergebnis herumkommen will, ihn wegen Anstiftung zum Ehebruch zu strafen. Wenn die Begr. schreibt, daß das heutige Recht solchen Fällen »nur durch die Fiktion der mittelbaren Täterschaft beikommen« könne, so hat sie Recht, wenn man die Worte »nur« und »Fiktion« streicht I Dieser Begriff ist weder unvolkstümlich noch schwierig. Aufgegeben werden soll er, soviel ich sehe, um drei »Streitfragen« zu erledigen: die der Anstiftung zum Sonderdelikt, die des dolosen Werkzeugs und die Frage, welche Straftaten nur »eigenhändig« begangen werden können. Aber die erste ist kaum mehr streitig; die zweite fängt an, sich zu klären, hat auch geringe praktische Bedeutung;
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und die dritte entsteht für § 28 erst recht, und zwar ohne jeden Anhalt für eine Lösung. Der grundsätzliche Fehler liegt darin, daß der AE. zwei Begriffe gleichzeitig beseitigen will, die aber hinsichtlich ihrer Unentbehrlichkeit in einem Alternativverhältnis stehen: sowohl den der mittelbaren Täterschaft wie den der Akzessorietät der Teilnahme. Je mehr man den einen einschränkt (m. E. muß es der Akzessorietätsgrundsatz sein), desto mehr muß man den andern ausdehnen. Sonst baut man, wie § 28, in die Luft. VII. Strafen und Präventivmaßnahmen.
1. Von einem näheren Eingehen auf Strafen und Strafbem e s s u n g sei in diesem Überblick abgesehen. Die Ausdehnung der Richterfreiheit in der Bemessung der Strafe wird den einen Punkt bilden, von dessen befriedigender Regelung das Schicksal des Entwurfs abhängen wird. Bleibt die heutige Gebundenheit, so fällt das eine Hauptinteresse am ganzen Entwurf fort. Daß die Strafzumessungsrahmen des AE. noch wesentlich vereinfacht und daß, unbeschadet der Möglichkeit der Individualisierung, die Zügel etwas straffer angezogen werden können und müssen, dürften Gleispach und Aschrott überzeugend dargetan haben. Vgl. auch den Bamberger Juristentag von 1921. 2 Der zweite kritische Punkt des Allgemeinen Teils liegt in der Einführung von »Maßregeln der Besserung und Sicherung«. Fällt der 7. Abschnitt, so hat der Rest einen höchst problematischen Wert. Hier wiederum sind es die Maßregeln gegen Gemeingefährliche, die im Vordergrund sowohl des theoretischen wie des praktischen Interesses stehen. Maßregeln zugunsten Erziehbarer hat die Novellengesetzgebung der letzten Jahre (Jugendgerichtsgesetz, Geldstrafengesetz, Verordnungen über den bedingten Straferlaß, Straftilgungsgesetz) in solchem Umfang gebracht, daß es jetzt darauf ankommt, sie praktisch zu bewähren. Aber Maßregeln zum Schutz gegen das gewerbsmäßige Verbrechertum müssen, wenn jene Novellengesetzgebung nicht einseitig wirken soll, folgen. Es bestehen drei Möglichkeiten der Regelung: Ausdehnung der Strafe, die die Funktion der Sicherung und Besserung mitübernimmt. Ersatz der Strafe durch Sicherungshaft, die gleichzeitig als Strafe gefürchtet und empfunden wird. Kumulierung beider Maßregeln. Den ersten Weg ging VE. 09, den zweiten z. B. der SchwE. 18, den dritten, Österreich folgend, unsere Entwürfe 13, 19 und 25. Reform des Strafgesetzbuchs.
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Ich habe mich schon mehrfach für den ersten Weg ausgesprochen, zuletzt in Z. 44, 21 ff. und darf mich darauf beziehen. Ich halte das Kumulationsprinzip, das den »Schulensöreit« durch eine Art Vergleich abschließen soll, zunächst für doktrinär. »Erst muß dem Vergeltungsbedürfnis Rechnung getragen werden, dann dem Sicherungsbedürfnis« schrieb Birkmeyer! Ich halte es zweitens für ungerecht (wer durch die Strafe gebüßt hat, wird nicht verstehen, daß er nicht entlassen wird); drittens für eine Gefährdung der S t r a f i d e e (wenn nicht auch ihr der Sicherungs- und Besserungszweck begriffswesentlich ist, wird sie zur leeren Vergeltungsstrafe); viertens für praktisch u n d u r c h f ü h r b a r (alle Praktiker des Strafvollzugs bezeugen, daß der Vollzug nicht wesentlich wird differenziert werden können); fünftens für finanziell undurchführbar. Außer der deutschen Landesgruppe der IKV. hat sich nun auch der Preußische Richterverein, auf seiner Tagung in Hirschberg am 10. Oktober 1925 in diesem Sinne ausgesprochen (vgl. das Referat von Klee in Mitt. d. PrRV. III 10 vom 15. i i . 25). Dem gemeingefährlichen Gewohnheitsverbrecher gegenüber muß das Ziel das unbestimmte StrafuTteil mit prog r e s s i v e m S t r a f v o l l z u g sein. Der Deutsche Juristentag von 1921 hat beschlossen, es »in Erwägung zu ziehen«, die deutsche Landesgruppe der IKV. hat sich 1922 dafür ausgesprochen, der Preußische Richterverein von 1925, ebenso die kurz vorher in London tagende Internationale Gefängnisgesellschaft haben es angenommen. Allzuviel Mut ist also nicht mehr nötig. Ich gebe Freudenthal zu, daß die Vorschläge des AE. 25 sich im Ergebnis dem Gedanken des unbestimmten Strafurteils mit Stufenvollzug nähern. Werden sie Gesetz und — sind sie technisch und finanziell durchführbar, so bedeuten sie einen entscheidenden Fortschritt gegen heute. Mögen sie sich dann wirklich als eine Etappe zum Ziel erweisenI Und mögen sie dem Ausbau des »Straf«-Vollzugs in der Richtung s o z i a l p ä d a g o g i s c h e r E r z i e h u n g nicht im Wege stehenl
Abschnitt 1: Das Strafgesetz. Von
Geh. Hofrat Professor Dr. A. Mendelssohn Bartholdy, Hamburg.
I. Zeitliche Geltung. Die Fassung, die dem § i, abweichend von § 2 A,bs. 1 RStGB. gegeben wird, ist durch Art. 116 RV. bestimmt. Sie wäre auch ohnedies vor dem älteren Text zu bevorzugen. Es ist — sofern man überhaupt »Belegung einer Handlung mit Strafe« und »Strafbarkeit der Handlung« unterscheiden darf — eben die Strafbarkeit und nicht die Strafe, die gesetzlich bestimmt gewesen sein muß. Davon wird zu § 2 Abs. 1 noch einiges zu sagen sein. Daß das Strafgesetz den Grundsatz der Verfassung wiederholt, ist technisch richtig. § 2 Abs. 1 und § 3, der letztere eine neue Vorschrift, stellen in offenbarem Zusammenhang die beiden einander entgegengesetzten Regeln des intertemporalen Rechts: Maßgeblichkeit des jetzt, d. h. zur Zeit des Urteils geltenden Gesetzes und Maßgeblichkeit des Gesetzes, das zur Zeit der Tat galt, für Strafen einerseits und Maßregeln der Besserung und Sicherung andererseits gegeneinander: für die Strafe das Gesetz der Tatzeit, für die BesserungsSicherungsmaßregel das Gesetz der Urteilszeit. Ob dabei der Entwurf, in § 42, die richtige Gruppierung gefunden hat und nicht in § 42 Maßnahmen aufführt, die dem Wesen nach Strafen sind, ist an dieser Stelle nicht zu untersuchen; es ist nur darauf hinzuweisen, daß § 42 gerade im Hinblick auf den praktisch doch sehr bedeutsamen Gegensatz von § 3 und § 2 Abs. 1 nachgeprüft werden muß: man wird ja damit zu rechnen haben, daß gerade im Punkt der Sicherungsmaßnahmen künftige Zusätze und Änderungen des StGB, nicht unwahrscheinlich sind, intertemp orales Recht also hier häufiger anzuwenden sein wird als es sonst der Fall ist. Gesetzt aber, der Entwurf schiede klar und richtig zwischen 3*
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den eigentlichen Strafen und den Maßnahmen der Besserung and Sicherung, so scheint mir, so wenig dafür auch die Meinung anderer angeführt werden kann, doch erwägenswert, ob der Unterschied zwischen den verschiedenen Formen staatlicher Reaktion auf die Straftat im intertemporalen Recht überhaupt begründet ist. Dabei fasse ich das Wort »Strafe« im § 2 Abs. i im engen Sinn, also nicht im intertemporalrechtlichen Sinn des § 2 Abs. 1 RStGB., sondern in dem Sinn, in dem es im § 1 E. nicht mehr gebraucht ist. Wenn § 2 sagen wollte, daß die S t r a f b a r k e i t sich nach dem Gesetz bestimmt, das zur Zeit der Tat gilt, so wäre das, wie im § 1, mit diesem Wort ausgedrückt. Da statt dessen § 2 von Strafe spricht, muß angenommen werden, daß damit die Strafe im engern Sinn, nach Art und Maß, im kontradiktorischen Gegensatz zur Maßregel der Besserung und Sicherung gemeint ist. Diese »Strafe« aber müßte sich, logisch wie praktisch, genau so wie die Maßregel der Besserung und Sicherung, nach dem Gesetz der Urteilszeit, ja bis zu einem gewissen Grad sogar nach dem Gesetz der Vollstreckungszeit bestimmen. Wenn zwischen dem Urteil und der Vollstreckung die Todesstrafe oder die Prügelstrafe oder eine besondere Art der Freiheitsstrafe abgeschafft wird, so bestimmt sich von jetzt ab die Strafe nach dem neuen Recht. Das ist eine Binsenwahrheit, die im Gesetz nicht ausgesprochen zu werden braucht. § 2 denkt ja auch nicht an die wirklich zu vollstreckende, er denkt nur an die im Urteil zu verhängende Strafe. Aber auch hier zeigt das eben gebrauchte Beispiel der Abschaffung einer ganzen Strafart, daß logisch die Strafe im engeren Sinn dem Gesetz des Urteils zu entnehmen ist. Das gleiche gilt aber auch von der Einführung neuer Strafarten zwischen Tat und Urteil; es gilt von der Verschärfung oder Milderung der Strafdrohungen. Wenn man das bestreiten will, so muß man sich zu der Auffassung bekennen, daß der Täter sich durch die Begehung der Tat eine ganz bestimmte Strafe verdient habe. Man müßte ihm das Recht zuerkennen, zu sagen: »ich habe die Tat in Kenntnis nicht nur ihrer Strafbarkeit, sondern in Kenntnis der gesetzlichen Strafdrohung begangen; ich wußte, daß ich für eine Tierquälerei nur eine mäßige Geldstrafe bekäme, und habe gefunden, daß ich mich dadurch nicht abhalten zu lassen brauche. Daß der Gesetzgeber neuerdings Gefängnis oder Prügel auf dieselbe Tat gesetzt hat, kann mich in meinem wohlerworbenen Recht auf die Geldstrafe nicht beeinträchtigen.« Damit ist allerdings schon § 2 Abs. 2 Satz 1, der »Grundsatz der Rückwirkung des dem Täter günstigsten Strafgesetzes« be-
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rührt. Denn die allgemeine Meinung bringt, mit dem bisherigen Recht und dem Entwurf, für einen Teil der oben gegebenen Beispiele das Gesetz mit der Wirklichkeit in Einklang eben durch die Regel der Anwendung des milderen, des dem Täter günstigsten Gesetzes. Kennt das neue Recht die Todesstrafe nicht mehr, so ist es in den Fällen, in denen das Gesetz der Tatzeit sie androhte, dem Täter günstiger; führt es körperliche Züchtigung oder schärfere Nebenstrafen, oder, wie der Entwurf vorschlägt, teilweise sehr empfindliche Maßregeln der Sicherung ein, so wäre das Gesetz der Tatzeit, das diese Verschärfungen nicht kannte, dem Täter günstiger und deshalb anzuwenden. Die Begründung ? »Der Grundsatz der Rückwirkung des dem Täter günstigsten Strafgesetzes beruht auf dem Gedanken, daß in dem neuen Gesetz eine geläuterte Rechtsauffassung zum Durchbruch gelangt« {Begr. S. 7) 1 ). Dieses Argument beweist zu viel. Denn die geläuterte Rechtsauffassung des jüngsten Gesetzgebungswerks zeigt sich natürlich in seiner Energie der Strafreaktion ebensosehr, wo nicht mehr, wie in seiner Lässigkeit oder Milde. Man führt hier oft das Beispiel des § 175 an; sollte er wirklich abgeschafft werden, so müßte mit viel größerer Entschiedenheit darauf gedrungen werden, daß die Fälle eines Mißbrauchs Jugendlicher, Gewaltuntergebener, Schwachsinniger aufs rücksichtsloseste erfaßt und zertreten werden, und dann würde sich die geläuterte Rechtsauffassung wiederum gerade in dieser Strenge am rechten Ort zeigen2). So kommt man dann aber zur Anwendung der Strafe, die das Gesetz der Urteilszeit androht, ohne Rücksicht darauf, ob sie nach dem alten Recht, dem Gesetz der Tatzeit, ein größeres oder kleineres Übel für den Täter geworden wäre. Nicht das dem Täter günstigste Gesetz ist anzuwenden, sondern das Gesetz der »geläuterten Rechtsauffassung« — sofern nur die Strafbarkeit der Tat selbst nach dem Gesetz der Tatzeit gegeben war. Dazu kommt, daß auch nach der Ansicht der Anhänger des § 2 Abs. 2 RStGB. und des § 2 Abs. 2 Satz 1 E. diese Bestimmungen notwendig zu Formalismus, zu ungerechter Ungleichheit der Praxis je nach der verschiedenen Gesetzesauslegung und vielfach geradezu zum Widersinn führen 3 ). Das wird um so deutlicher, je ') So auch Traeger. VDA. VI 334. ) Ähnlich Traeger a. a. O. 358, 371 ff. 3) Hierüber besonders Käckell, Bedeutung des Strafgesetzbegriffs in der Lehre von der strafrechtlichen Rückwirkung (Kieler Diss. 1915) und dazu Baumgarten Z. Schw. Strafr. 29 (1916) 313 ff. Vgl. auch M. E. Mayer, Lehrbuch S. 28 ff.; Traeger a. a. O. S. 361 ff. J
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mehr das Strafgesetz sich in der Strafe das Gemeinwohl, den Schutz der Gesellschaft, Erziehung und Besserung des Bestraften vor Augen hält statt nur durch die Strafe dem Täter ein Übel zufügen zu wollen. Wenn man kriminalpolitisch dazu kommt, die kurzfristigen Freiheitsstrafen zu verwerfen und längere — vielleicht mit anschließender Schutzaufsicht — einzuführen, weil nur sie eine Einwirkung zum Guten auf den Täter gestatten, kann man dann noch ernstlich mit dem Gedanken operieren, das alte System der kurzen Freiheitsstrafe, die den Täter nur schädigt, in Gefahr des inneren Ehrverlusts und des schlechten Umgangs bringt, ihm aber so wenig wie der Gesellschaft etwas helfen kann, sei im einzelnen Fall eben doch als das dem Täter »günstigere« Gesetz anzuwenden ? So komme ich zu einem Gegenvorschlag, der allerdings nur diskutierbar ist, wenn man sich radikal zum Preisgeben dessen entschließt, was heute fast allgemeine Meinung und geltendes Recht ist: § i enthält als Abs. 2 den Zusatz: »Art und Höhe der Strafe sowie Maßregeln der Besserung und Sicherung bestimmen sich nach dem Gesetz, das zurZeit der Entscheidung gilt«. Dadurch erübrigten sich § 2 und § 3 f . Will neues Strafgesetz das bisher geltende Recht reprobierend ändern, so muß die künftige Unzulässigkeit der Strafverfolgung von Handlungen, die unter der Herrschaft des alten Rechts begangen wurden, ausdrücklich, als lex specialis, ausgesprochen werden, falls der Gesetzgeber diese Unzulässigkeit will. Will der Gesetzgeber am Grundgedanken des geltenden Rechts festhalten, so ist gegen die Fassung im § 2 Abs. 1, Abs. 2 Satz 1 nichts einzuwenden 1 ). Im § 3 kommt dann wenigstens für die Maßregeln der Sicherung und Besserung das zum Ausdruck, was mir allgemein für die Strafe richtig scheint. Auch in diesem Fall aber befürworte ich den Wegfall des § 2 Abs. 2 Satz 2, ohne mich dabei der Inkonsequenz schuldig zu fühlen. Denn diese Vorschrift ist ein Kautschukgesetz, das gefährlichen Anlaß zu politisierender Justiz gibt, und das, was praktisch an ihr richtig ist, gehört nicht in die allgemeinen Vorschriften des StGB., sondern in die Übergangsvorschriften der Spezialgesetzgebung. Wenn der Gesetzgeber ein »wegen besonderer tatsächlicher Verhältnisse« erlassenes Strafgesetz aufhebt und ' ) A . M. Baumgarten a. a. O. S. 324, der gerade in der Verwendung Wortes milder in § 2 Abs. 2 StGB, den Hinweis auf die ratio legis
findet.
des Mir
scheint der Gedankenfehler bei der einen Wendung so groß wie bei der anderen.
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der Ansicht ist, daß die unter der Herrschaftszeit des Gesetzes begangenen Straftaten auch fernerhin nach seinen Vorschriften verfolgt und abgeurteilt werden sollen, so mag er das, mit oder ohne zeitliche Schranke, jeweils ausdrücklich aussprechen; das gibt ihm selbst Anlaß, die Frage zu überdenken und gibt der Regierung Anlaß, die gesetzgebenden Körperschaften vor die Entscheidung zu stellen, ob gerade in diesem Fall das alte Recht, als nicht durch die Abschaffung oder Beendigung seiner Geltung reprobiert, weiter für die Straftaten seiner Geltungszeit maßgebend bleiben soll. Angesichts des Unwesens der Amnestien in unserer Zeit mutet die Begründung, die gerade den Fall der kriegswirtschaftlichen Verordnungen anführt, um die Notwendigkeit einer Fortgeltung aufgehobenen Strafgesetzes zu veranschaulichen, nicht ganz glaubhaft an. Traeger, der in der Vergleichenden Darstellung zu dem Ergebnis gekommen war, daß das neue Gesetz schlechthin auch auf die Straftaten aus früherer Zeit anzuwenden sei, wofern nur die Handlung überhaupt zur Zeit ihrer Begehung mit Strafe bedroht War (A. T. VI 386), hält noch zwei Vorschriften über die Rückwirkung des neuen Strafgesetzes im Fall rechtskräftig entschiedener Sache für geboten. Einmal soll die Strafe entfallen, wenn die Handlung infolge eines neuen Gesetzes aufhört, strafbar zu sein. Das scheint mir kein allgemeiner Satz des intertemporalen Rechts sein zu können. Der Gesetzgeber, der von jetzt ab die Handlung straflos lassen will, kann dabei durchaus anerkennen, daß der Verstoß gegen das bisherige Recht eine strafbare Handlung war, und er muß sogar immer anerkennen, daß dieser Verstoß ein Rechtsbruch war. Wird § 175 RStGB. abgeschafft, weil die Erpressungen, zu denen sein Bestehen Anlaß gibt, dem Gesetzgeber ein größeres Übel scheinen als die Straflosigkeit der in ihm pönalisierten Handlungen, so werden dadurch keineswegs die unter der Herrschaft des bisherigen Rechts begangenen Handlungen des Geschlechtsverkehrs unter Männern sanktioniert. Für den Wegfall einer schon verhängten Strafe besteht gar kein Grund — sonst müßte man am Ende noch denen, die unter der Herrschaft des alten Gesetzes ihre Strafe voll verbüßt hatten, eine angemessene Entschädigung wegen Unschuldig-Verurteiltseins gewähren! In anderen Fällen, etwa bei der Schmähung politischer Einrichtungen, die inzwischen durch Staatsstreich oder Revolution beseitigt worden sind, mag das anders liegen; hier ist dann ausdrücklich vom neuen Recht auszusprechen, daß nicht nur künftige Strafverfolgungen unzu-
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lässig sind, sondern auch der Vollzug früher verhängter Strafen einzustellen ist. Zum andern will Traeger (a. a. O. 407) Bestimmungen des neuen Gesetzes über Ehrenstrafen, Unfähigkeit zum Amt, Polizeiaufsicht u. dgl. Anwendung im Fall früherer Verurteilung und fortdauernden Strafvollzugs oder fortdauernder Straffolge finden lassen, sofern sie für den Verurteilten günstiger sind. Auch dies eignet sich m. E. nicht zur Aufnahme in die allgemeinen Vorschriften des Strafgesetzes. Würde etwa § 42 E. Gesetz und man machte mit einer der Sicherungsmaßnahmen schlechte Erfahrungen und beseitigte sie später wieder, so müßte das Spezialgesetz auch Übergangsvorschriften enthalten, die den weiteren Verlauf der im Gang befindlichen Maßnahmen der betreffenden Art regelten. Im übrigen handelt es sich hier nicht um die Strafbarkeit oder die Strafe selbst, sondern um Strafvollzugsrecht. II. Räumliche Geltung. Zu den §§ 4—9 Abs. 1 AE. 25 sind grundsätzliche Bedenken nicht geltend zu machen. Die vorgeschlagenen Bestimmungen finden im allgemeinen die richtige Mitte zwischen dem Ziel allen internationalen Rechts, der technisch sog. Einheit der Anknüpfung und der vollkommen gegenseitigen Rechtshilfe einerseits und dem praktischen Bedürfnis eines offensichtlich wirksamen Zugreifens des Staates mit seinem Strafanspruch bei allen Verletzungen strafschutzwerter Rechtsgüter des Staates andererseits. Man muß darüber klar sein, daß die beiden Ziele sich, besonders beim heutigen Stand der öffentlichen Meinung, nicht gleichzeitig und gleichmäßig verwirklichen lassen. Der Grundsatz des Rechtsgüterschutzes (als Kriterium für die räumliche Tragweite der Strafgesetze), das sog. Realprinzip, ließe sich an und für sich wohl, wenn es in allen Strafgesetzbüchern zur Geltung gelangte, so durchgeführt denken, daß jeder Staat die ihm strafschutzwerten Güter in einem Bereich zusammenfaßte, über dessen Grenzen der Schutzwille eines anderen Staates nicht hinübergriffe. Indessen wäre dabei nicht nur ein vorheriges Einverständnis zum mindesten aller europäischen Rechtsstaaten erforderlich, zu dessen Herstellung bedauerlicherweise der Völkerbund noch nicht einmal einen wirksamen Anfang gemacht hat und dem auch vermutlich in England und Rußland starke Widerstände begegnen würden, sondern auch in der Sache selbst liegen unüberwindliche Schwierigkeiten. Denn das Realprinzip hat sich, nach dem heute vorwiegenden Sprachgebrauch, in den Entwürfen und in der Literatur
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darauf zurückgezogen, daß es — im Unterschied zu anderen grundsätzlichen Auffassungen — die Strafgewalt jedes Staates ausdehnen will auf Auslanddelikte gegen Staatsangehörige dieses Staats. Das Realprinzip hat sich mit dem Prinzip der »passiven Personalität« identifiziert. Danach erscheinen unter inländische Strafgewalt gestellt »die sämtlichen, inländischen Rechtssubjekten gehörenden Rechtsgüter, ohne Rücksicht auf ihre Lage, also auch die im Ausland befindlichen« oder, anders ausgedrückt »die Handlungen von Ausländern im Auslande, die sich gegen inländische oder Inländern zugehörende ausländische Rechtsgüter richten« 1 ). In dieser Gestalt aber ist das Realprinzip schlechterdings zu verwerfen, sofern man überhaupt noch am Gedanken des internationalen Strafrechts festhalten will, sofern man nicht in den Vorschriften über die räumlichen Grenzen der Gesetzesgeltung Kollisionen, statt sie rechtlich zu vermeiden oder zu mildern, geradezu herausfordernd sucht. Das Realprinzip in dieser Form wäre der »rücksichtslose U-Boot-Krieg« auf dem Gebiete eines Rechts, das dem friedlichen Ausgleich ganz besonders und sinngemäß zu dienen bestimmt ist. Indessen verdient der Entwurf , dafür, daß er die »passive Personalität« nicht angenommen hat, doch eine besondere Anerkennung deshalb, weil für diese Überspannung des Schutzprinzips, wie Delaquis sie richtig bezeichnet hat 2 ), sowohl die Autorität Bindings 3 ), der unser VE. § 4 folgte, als das schweizerische Recht angeführt werden kann. In der Schweiz ist man zwar von der Fassung des Entwurfs von 1908 Art. 8 Abs. 2 einigermaßen zurückgekommen; danach sollte das von einem Ausländer im Ausland gegen einen Schweizer begangene Verbrechen dem schweizerischen Strafrecht unterworfen sein, wenn es nur ein Verbrechen wäre, wegen dessen nach schweizerischem Recht die Auslieferung bewilligt werden könnte. »Der Schweizer« war also, gleichviel wo er sich aufhielt oder gar niedergelassen hatte, das strafschutzwerte Rechtsgut des Schweizerstaats im Sinne dieses Entwurfs: man sieht den starken Nationalismus einer Demokratie, die mehr an das aus allen Volksgenossen bestehende Menschenvolk als an die politische Organisation des Staats denkt, wenn sie die Güter dieses Staats in ihrer Bedeutung abschätzt. Eigentümlicherweise ist gegen diesen Vorschlag weniger die Schwierigkeit *) Beide Formulierungen des Prinzips bei Koenig, Grundzüge des interaationalen Strafrechts. Bern 1915. 3. 17, 18. l ) Die parlamentarischen Arbeiten am Schweizerischen Strafgesetzbuch. Schweiz. Z. f. Strafr. 34, 177. 3) Handbuch I, 389 fr.; dazu VDA. VI, 313 Anm. 2.
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eingewandt worden, die sich doch bei näherer Bestimmung dessen, was hier als Verbrechen eines Ausländers gegen einen Schweizer bezeichnet ist, herausstellen mußte, als das allgemeine Bedenken, daß der Entwurf den natürlichen Grundgedanken der Territorialität zu sehr ignoriere, und so hat man in der Fassung von 1 9 1 2 (Art. 8 bis) den Vorbehalt hinzugefügt, daß die Tat auch am Begehungsort strafbar gewesen sein müsse und ist dabei auch in der nationalrätlichen Strafrechts-Kommission von 1921 zur Beratung des Entwurfs von 1918 geblieben 2 ), hat sogar die Maßgeblichkeit der Gesetze des Begehungsortes noch unterstrichen dadurch, daß das Gesetz des Begehungsortes bei der schweizerischen Strafverfolgung anzuwenden ist, wenn es für den Täter das mildere ist. Bleibt es bei dieser Regelung, dann ist freilich auch die Schweiz vom echten Grundsatz der passiven Personalität und vom Realprinzip abgekommen; die schweizerische Strafverfolgung vollzieht sich im Dienst der Herrschaft des ausländischen, territorial zuständigen Gesetzes, mit dem selbstverständlichen Vorbehalt, daß sie keine strengeren Strafen aussprechen lassen und vollstrecken kann als nach schweizerischem Recht für die Tat eintreten könnten; aus dem Gedankenkreis des Realprinzips sind wir jetzt in den des »stellvertretenden Strafrechts« gerückt, und der Umstand, daß die Tat gegen einen Schweizer begangen wurde, ist nicht sowohl Grund für die Geltung des schweizerischen Strafrechts als Grund für die Opportunität der Strafverfolgung in der Schweiz. In den gleichen Bereich der Opportunitätserwägungen gehört es ja auch, daß bei diesen Tatbeständen die Auslieferung des Täters an den Staat des Begehungsortes mit der inländischen Verfolgung zur Wahl steht, wenn ein Auslieferungsantrag gestellt ist; denn da kann das Kriterium dieser Wahl ja auch überhaupt nur in dem größeren oder geringeren Zutrauen zur Justiz des Territorialstaats gefunden werden — eine sehr mißliche Überlegung, wenn man bedenkt, daß sogar zwischen großen Rechtsstaaten gelegentlich viel Mißtrauen besteht: Frankreich hat z. B. in den letzten Jahren häufig das englische Strafverfahren mit seiner energischen Durchführung des ') »Sofern die Tat auch am Begehungsort strafbar ist«, bedeutet in Wirklichkeit »sofern die Tat auch am Begehungsort zur Zeit ihrer Begehung strafbar war«.
Denn der einzig denkbare Grund für diesen Vorbehalt besteht darin, daß
nach allgemeiner Auffassung sine lege nulla poena statthat und daß also
das
Strafgesetz, unter dem (allein oder in Verbindung mit einem anderen Strafgesetz) die Tat als Delikt steht, den Täter schon bedroht haben muß, als er sie beging. ") Delaquis a. a. O.
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in dubio pro reo, mit seinem formalistischen Beweisrecht und mit der bei aller Ruhe der Leitung doch überragend starken Stellung des Richters an einzelnen Fällen scharf kritisiert, und umgekehrt ist es bekannt, daß der englischen Vorstellung eines guten Strafverfahrens der kontinentale Staatsanwalt, das Verhören des Angeklagten durch den Richter und überhaupt der Mangel an Bürgschaften für die Zweifellosigkeit des Schuldspruchs ganz unbegreiflich erscheinen. Billigen wir also die grundsätzliche Haltung des Entwurfs, der hierin ganz mit dem trefflichen OeOE. 22 übereinstimmt und sich den Ergebnissen der rechtsvergleichenden Darstellung 1 ) anschließt, so ist damit zugleich notwendig der Wunsch verbunden, daß es der deutschen und der österreichischen Regierung gelingen möchte, ein allgemeines Übereinkommen zunächst wenigstens der europäischen Staaten über die Ausschaltung der »passiven Personalität« aus ihren Regeln des internationalen Strafrechts zu erreichen. Der große und in seiner Rechtswissenschaft, in seiner Gesetzgebung, in seiner Rechtspflege vielfach in der Weiterentwicklung des europäischen Rechts tätig und wirksam gewesene Staat, der bewußt darauf verzichtet, Auslanddelikte gegen seine Staatsangehörigen aus Mißtrauen gegen die Justiz anderer Staaten unter seine eigene Strafgewalt zu ziehen, kann auch mit vollem Recht fordern, daß, einer gesunden internationalen Rechtsordnung zuliebe, die übrigen Staaten das gleiche tun und sich nicht anmaßen, jeden ihrer Staatsangehörigen in der ganzen Welt unter der Flagge seines nationalen Strafrechts herumsegeln zu lassen 2 ). Richtig ist auch die Haltung des Entwurfs zum Problem des stellvertretenden Strafrechts. Die Hoffnung auf eine international gegenseitige gesetzliche Regelung der Auslieferung und der Ausweisung, der ich noch in der Vergleichenden Darstellung A usdruck geben konnte 3 ), mußte im Krieg und unter der Herrschaft des Versailler Vertrags begraben werden. Die Auslieferung eigener Staatsangehöriger ist, soviel sich sachlich bei voller Gegenseitigkeit und genügenden Bürgschaften inländischer Vorprüfung für sie sagen ließ, seit dem Versailler Vertrag für Deutschland, solange die Erinnerung an diese Zeit noch lebt, unmöglich geworden. •) Mendelssohn Bartholdy, VDA. VI, 85 fr., bes. 310 fr. ) Vgl. auch meine Ausführungen in Festgabe für Köhler 1919, S. 70 ff. 3) a. a. O. 310. ä
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Solange aber Fälle der Nichtauslieferung bestehen bleiben, seien sie Fälle der grundsätzlichen Nichtauslieferung eigener Staatsangehöriger oder Fälle der kasuellen Nichtauslieferung wegen Fehlens des Auslieferungsverkehrs oder wegen Unmöglichkeit der Durchlieferung durch einen dazwischenliegenden Staat, solange muß auch im internationalen Strafrecht, gedeckt durch »das gemeinsame Interesse der Staaten an der Bekämpfung des Verbrechens« {Begr. S. 9) ein stellvertretendes Eingreifen der Strafgewalt des nichtausliefernden Staats vorgesehen sein: § 6 AE. 25, § 4 OeOE. 22. Denn in diesen Fällen wäre zwar ideolologisch zu fordern, daß der Richter das primär zuständige Strafrecht anwendete, d. h. das Strafrecht des Staats, in dem bei zulässiger und möglicher Auslieferung der Täter zur Aburteilung nach dem Recht dieses Staats ausgeliefert würde. Nach diesem; Straf recht ist der Handelnde schuldig geworden; kraft dieses Strafrechts allein kann man von seiner Handlung als einer strafbaren sprechen, als einem Verbrechen, an dessen Bekämpfung die Staaten — d. h. der primär zuständige Staat und der Staat, in dessen Händen der Beschuldigte sich befindet — ein gemeinsames Interesse haben. Aber der Anwendung ausländischen Strafrechts auf die Tat durch den inländischen Richter stellen sich nicht nur nationale Vorurteile und Empfindlichkeiten, sondern so ernste praktische und theoretische Gründe entgegen, daß sie zurzeit nicht als praktikabel gelten kann. Wir wissen von der Ziviljustiz und dem internationalen Privatrecht her, wie schwierig selbst in bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten die Entscheidung nach ausländischem Recht fast immer ist und wie unsicher auch die höchsten Gerichtshöfe darin judizieren; der Richter muß sein Amt der Rechtsfindung meist an Sachverständige, oft an ausländische Sachverständige abgeben; die Feststellung des Tatbestands, die ihm verbleibt, und die Rechtsanwendung auf den festgestellten Tatbestand, die er meist nicht selbst vornehmen kann, trennen sich so zum Schaden der Gerechtigkeit des Urteils, das stets aus engster Verbindung der Tatsachen mit dem Recht erwachsen sollte. Das alles wäre in der Strafjustiz vollends unerträglich. Dazu kommt, daß überall, besonders stark auch in dem großen anglo-amerikanischen Rechtsgebiet, materielles Strafrecht und Strafprozeßrecht durch das Beweisverfahren und durch die Besonderheiten des Präjudizien-Systems so eng miteinander verflochten sind, daß ein gerechter Spruch unter dem Strafgesetz nur durch den Richter desselben Staates in seinem eigenen Strafverfahren gefällt werden kann. Auch dieser innerliche Zusam-
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menhang wäre aber zerrissen, wenn man den Richter des inländischen Prozesses ausländisches Strafrecht anwenden ließe. So rechtfertigt sich auch in den Fällen des stellvertretenden Strafrechts, d. h. in den Fällen der Nichtauslieferung bei ausländischem Delikt (über den besonderen Fall, in dem sich beides nicht deckt, § 6 Abs. 2, ist noch zu sprechen) die Geltung des inländischen Rechts; ihr stellvertretender Charakter aber wird dadurch gekennzeichnet, daß die hier verfolgte Tat »durch die Gesetze des Tatorts mit Strafe bedroht« gewesen ist: nur dann ist sie eine strafbare Handlung. § 6 ergänzt § 5 in mehrfach verschiedener Weise. Die Delikte des § 5 Ziffer 1—3 sind dem deutschen Strafgesetz unmittelbar unterstellt; das Recht des Begehungsorts ist gleichgültig (echtes Realprinzip). Die Delikte des § 5 Ziffer 4, 5 sind überall strafbar; die verletzten Rechtsgüter sind Gemeingüter wenigstens einer so großen Mehrzahl von Staaten, daß nach dem Begehungsort nicht gefragt zu werden braucht. Wie steht es aber mit den Delikten, die zwar nicht nach dem Recht des Begehungsorts, wohl aber nach dem Recht eines dritten Staats, den sie vom Ausland her verletzten, strafbar sind, und deren Täter im Inland ergriffen und abgeurteilt, nicht aber ausgeliefert werden kann? Soll hier das stellvertretende Strafrecht nicht gelten? Ein Meineid, der in England geleistet ist für ein bei einem französischen Gericht anhängiges Verfahren, könnte nicht verfolgt werden, während ein in Frankreich selbst für den französischen Prozeß geleisteter Meineid unter die Geltung der deutschen Gesetze fiele? Ein Deutscher oder ein nichtauszuliefernder Ausländer sollte an der österreichisch-schweizerischen Grenze einen schweizerischen Beamten auf österreichischen Boden oder einen österreichischen auf schweizer Boden bestechen können, ohne daß ihn die deutsche Strafgewalt ergriffe; wohl aber träfe ihn die Strafe des deutschen Gesetzes, wenn er den schweizer Beamten in der Schweiz, den österreichischen in Österreich bestochen hätte? Ein Grund für den Unterschied ist nicht ersichtlich. Denn »das gemeinsame Interesse der Staaten an der Bekämpfung des Verbrechens« ist in einem Fall wie im anderen gegeben, oder anders ausgedrückt: ein Verbrecher, der keinen Nutzen von der Nichtauslieferung haben darf, ist der Täter, falls ihm die Tat nachgewiesen wird, im einen wie im anderen Fall. Wenn man also nicht den Standpunkt einnehmen will, daß ein Meineid vor einer fremden Behörde nach deutschem Strafrecht überhaupt nie ein Meineid sein könne und daß die Bestechung eines nichtdeutschen Amtstragers oder Richters nicht.
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unter §§ 122, 124 vgl. § 11 Ziffer 3, 4 1 ) falle, dann müßte durch die Vorschrift, die dem stellvertretenden Strafrecht gilt, eine Tat, die von irgend einem ausländischen Strafgesetz mit Strafe bedroht ist, ergriffen werden, nicht nur die Tat, die dem Strafgesetz des Begehungsorts als strafwürdig gilt 2 ). So komme ich hier zu dem Abänderungsvorschlag, daß a) die NichtVerfolgbarkeit der Amtsdelikte und des Meineides bei ausländischem Amt und ausländischem Verfahren völlig klar gestellt wird dadurch, daß bei den Legaldefinitionen des § 11 als Amtsträger und Richter der deutsche Amtsträger und Richter, als Behörde die deutsche Behörde, als Verfahren das deutsche Verfahren und (Ziffer 10) als eine mit öffentlichem Glauben versehene Person der deutsche Notar usw. bezeichnet werden, oder b) daß in § 6 hinter »die Gesetze des Tatorts« eingeschaltet wird »oder in den Fällen der strafbaren Handlungen in Ausübung eines Amtes oder in bezug auf ein Amt und den Fällen des Meineides durch die Gesetze des verletzten Staats mit Strafe bedroht sind«3). Wäre dadurch eine Erweiterung des Bereichs der stellvertretenden Strafgewalt gegeben, so scheint mir zum mindesten noch erwägenswert zu sein, ob nicht der vorgeschlagene Bereich durch Streichung des § 6 Abs. 2 zu verengen wäre. Wenn der Ort der Tat keiner Staatsgewalt unterworfen ist, also etwa im Polargebiet oder im offenen Meer außerhalb eines Schiffs oder in einem staatlich noch nicht organisierten Teil Afrikas liegt, so kann man von stellvertretendem Straf recht nicht mehr sprechen; der einzige Grund für das Zugreifen der deutschen Strafgewalt ist hier die Nichtauslieferung. Die Begr. 25 beschränkt sich darauf (S. 10) zu sagen, daß diese Regelung der Natur der Sache ent') Man beachte in § 11 Ziffer 3 »Amtsträger« im Vergleich mit § 5 Ziffer 2 »Träger eines deutschen Amtes«, woraus sich bei richtiger Technik des Gesetzes ergäbe, daß in § 11 und demnach im speziellen Teil des Gesetzes unter dem Amtsträger auch der zur Ausübung eines öffentlichen Amts des Auslandes Berufene zu verstehen wäre. *) Anders Hofacker, Reform des Strafgesetzbuchs, 1921, S. 13 fgde. 3) Dies, um die Fälle zu decken, in denen die Bestechung eines ausländischen Beamten oder der Meineid für einen ausländischen Prozeß in einem Land vorgekommen ist, dessen Gesetze nur die Bestechung seiner eigenen Beamten und die Meineide seiner eigenen Prozesse mit Strafe bedrohen, während das Strafgesetz des Staates, dem der Beamte angehört oder für dessen Prozeß der Eid geleistet ist, die Tat für strafbar erklärt entsprechend § 5 Ziffer 2 und 3.
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spreche, was immerhin als ein Indiz für das Fehlen einer klaren ratio legis gelten kann. An anderer Stelle wird angeführt, es sei unerträglich, gegen die Täter abscheulicher Handlungen im Inland nicht vorgehen zu können, wenn sie sich da aufhielten; es wird auf Mitglieder von Räuberbanden exemplifiziert, die sich in Deutschland aufhielten, um jenseits der Grenze ihr Unwesen zu treiben — ein Beispiel, das für die herrenlosen Gebiete des § 6 Abs. 2 nicht zutrifft — und es wird gesagt, diese Mißstände seien nicht mehr zu tragen, »wenn, wie es gerade in den Jahren nach dem Kriege mehrfach geschehen ist, auch eine Ausweisung des Verbrechers auf Schwierigkeiten stößt«, {Begr. 25 S. 9 Spalte 2). Das kann ich nicht gelten lassen. Politische, von Fall zu Fall eintretende Schwachheiten im Ausweisungsrecht können kein Grund sein, das räumliche Geltungsgebiet des Strafgesetzes zu erweitern, über die natürlichen Grenzen der inländischen Strafg>ewalt hinaus. Inländer allerdings können nicht ausgewiesen werden; aber auch bei ihnen überwiegen die Gründe gegen die deutsche Strafgewalt über die im »no man's land« begangenen Handlungen. Man wird ja sicher für die Beibehaltung des § 6 Abs. 2 das Argument geltend machen, daß all diese Auslanddelikte im Inland nur verfolgt werden können, nicht verfolgt werden müssen; das sei durch den mir höchst bedenklich erscheinenden, aber nicht in den Kreis dieser Erörterung gehörenden § 8 AE. 25 angedeutet. Ich beschränke mich darauf, wenn es auch peinlich ist, das auszusprechen, daß ich kein unbedingtes Vertrauen zur gerechten und vernünftigen Handhabung des Opportunitätsprinzips Seitens der Strafverfolgungsorgane habe, ja, daß ich angesichts der Dinge, die, um mit der Begründung zu sprechen, »gerade in den Jahren nach dem Kriege mehrfach geschehen sind«, geradezu Mißtrauen gegenüber der aequitas unserer Strafjustiz habe. Die Möglichkeit, daß ein Deutscher wegen einer an einem keiner Staatsgewalt unterworfenen Ort begangenen Beschimpfung einer Religionsgesellschaft oder einer Beschimpfung der Reichsfarben oder (bei einer Expedition) Nötigung, Freiheitsberaubung, Körperverletzung leichterer Art von einer übereifrigen Anklagebehörde in Deutschland verfolgt werden k a n n , genügt mir, um den § 6 Abs. 2 unannehmbar zu machen. Menschen, die sich außerhalb der Grenzen eines staatlich organisierten Gebietes befinden, haben nun einmal nicht die Vorstellung und können sie nicht haben, daß sie unter den Strafgesetzen ihres zivilisierten, ihnen wahrscheinlich sogar überzivilisiert erscheinenden Heimatstaates stehen. Wenn der § 6 Abs. 2 richtiges Recht wäre und deshalb
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von allen Strafgesetzgebern angenommen würde, ständen diese Polarforscher oder Wüstenexpeditionsteilnehmer oder in einem Boot auf dem Weltmeer ausgesetzten Schiffbrüchigen sogar unter sämtlichen Strafgesetzen der Weltl Daher der Vorschlag, den § 6 Abs. 2 entweder ganz zu streichen oder ihn doch auf die Fälle zu beschränken, in denen ein Deutscher im staatenlosen Gebiet bestimmte, einzeln angeführte schwere Verbrechen begangen hat: §§ 202—205 vgl. 211, 221, 226, 227, 234, 236, 255—260, vielleicht auch § 231 (Lebensgefährdung) und § 306 (Erpressung). In diesen Fällen könnte die Strafgewalt auch ausnahmsweise erstreckt werden auf den Ausländer, der im außerstaatlichen Gebiet eines dieser Delikte gegen einen Deutschen verübt hat. Grundsätzlich lehne ich, aus dem Zweck der Kollisionsnormen und alles internationalen Rechtes heraus, die Bestimmungen ab, die eine Mehrheit der Anknüpfungen schaffen. Darunter fällt § 9 Abs. 1 mit den Worten »ganz oder zum Teil«. Eine Fiktion? Eine Verlegenheitsregel, durch die man aus den Schwierigkeiten der richterlichen Bestimmung des Begehungsorts, besonders bei Distanzdelikten und bei Dauerdelikten, herauskommen will? Ein Schlendrian der Überlieferung? Gleichviel: die Bestimmung sollte fallen. Denn ein Teil eines Tatbestandes einer Handlung, die, wenn noch andere Teile dazutreten, eine strafbare Handlung im Sinn eines bestimmten Strafgesetzes darstellt, ist zweifellos selbst noch keine strafbare Handlung. Der Strafrichter muß eben den Ort feststellen können, an dem die strafbare Handlung als solche begangen ist; diese Verantwortung kann ihm kein Ausweichen des Gesetzgebers vor dem Problem abnehmen. Zu den Einzeltatbeständen des § 5 ist nicht endgültig Stellung zu nehmen, solange die Bestimmungen des speziellen Teils noch nicht feststehen; das wird auch bei der parlamentarischen Beratung des Entwurfs zu beachten sein. Deshalb soll hier nur kurz eine kritische Betrachtung darüber angeschlossen werden, wie § 5 ausgestaltet werden sollte, falls der jetzige Entw. des besonderen Teils unverändert Gesetz würde. Allgemein würde ich die Bezeichnung der Delikte mit den Paragraphenzahlen des RStGB. den Gruppenbezeichnungen des jetzigen § 5 vorziehen. Der Gesetzgeber muß ja doch die Geltung der einzelnen, deutschen Strafdrohungen für Auslanddelikte
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sich klargemacht haben, ehe er sie anordnet; so spreche er das auch aus. Er darf hier nicht nur Direktiven geben. Zu § 5 Ziffer i : gehört auch Aufforderung zum Hochverrat (§ 86) und Vorbereitung des Hochverrats (§ 87) hierher? Ich würde auf § 85 beschränken. Die jetzige Fassung ist zweideutig, da sowohl der erste Abschnitt des besonderen Teils (§§ 85—88) als der § 85 allein die Überschrift »Hochverrat« tragen. Ferner: soll beim »Landesverrat« (der nur in der Überschrift des 2. Abschnitts so genannt ist) gleichmäßig der Landesverrat des Deutschen (§§ 89, 92, 94 Ziffer 2) und der des Ausländers (oder Deutschen) §§ 90, 91, 93, 94 Ziffer 1 und 3, 95 unter § 5 Ziffer 1 fallen? Ich halte das für völlig ausgeschlossen. Man kann den echten Landesverrat im Inland bestrafen, auch wenn er im Ausland begangen ist; der Pseudo-»Landesverrat« eines Ausländers aber kann nur strafwürdig werden dadurch, daß er im Inland begangen wird; der Aufenthalt des Täters im Inland zur Zeit der Tat stellte dann wenigstens einen schwachen Ersatz für jene die Treupflicht begründende und den Verrat des Vaterlands 1 ) begrifflich erst möglich machende Staatszugehörigkeit des inländischen Täters dar (subditi temporanei des § 91 Abs. 2 RStGB.). Andererseits sollte m. E. die Neutralitätsverletzung (§ 113), die übrigens begrifflich auch nur vom Inländer begangen werden kann, unter die Delikte des § 5 Ziffer 1 gestellt werden. Als strafbares Auslanddelikt kann das einzige »Vergehen gegen die Volkskraft« des AE. 25 (§ 119) nur dann gelten, wenn ein Deutscher durch Täuschung zur Auswanderung bestimmt worden ist. Wenn eine amerikanische Agentur einen in Deutschland wohnenden Russen, Polen oder Rumänen zur Auswanderung verleitet, ist doch gewiß kein deutsches Rechtsgut verletzt, falls die Handlung nicht im deutschen Gebiet stattfand. Sollte nicht andererseits § 219, vielleicht auch § 267 zu den Vergehen gegen die Volkskraft gerechnet werden, die uns als Auslanddelikte strafwürdig erscheinen ? Zu § 5 Ziffer 2: hier sind die Delikte der Amtsträger selbst im allgemeinen zweifelsfrei zu bestimmen; §§ 121, 122, 123 (aber nicht für den Schiedsrichter, der kein Amtsträger in diesem Sinn ist), 126—128, 130—133, 135, 266. Zweifelhaft ist l ) Man kann nicht, wie die Begr. 25 S. 60 tut, vom Verrat des «eigenen Vaterlands« als einer Besonderheit sprechen. Ein anderes Vaterland als das eigene Vaterland gibt es nicht, und ein fremdes Land kann man angreifen, aber nicht verraten.
Reform des Strafgesetzbuchs.
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das Verhältnis des § 134 zu § 5 Ziffer 2: der bloße Beauftragte des § 134 Abs. 2 ist sicher kein Amtsträger, sein Delikt sollte aber unter § 5 Ziffer 2 fallen; das gleiche gilt von dem, der früher Beamter des Auswärtigen Amtes war (§ 134 Abs. 1 ) : ein Beispiel dafür, wie nötig es ist, die einzelnen Paragraphen aufzuzählen. Zu den Amtsdelikten, die auch als Auslanddelikte strafwürdig sind, wäre noch § 129 zu stellen, falls die gebrauchte |unrichtige öffentliche Urkunde eine deutsche öffentliche Urkunde zu sein vorgab; ebenso die Delikte der §§ 138—140 (Amtsanmaßung), falls es sich um ein deutsches Amt handelte. Unter allen Umständen ist zu fordern, daß die Handlungen »gegen den Träger eines Amtes während der Ausübung seines Amtes oder in Beziehung auf sein Amt« genau bezeichnet werden. Ich würde zunächst vorschlagen, das Wort »oder« hier zu streichen. Dann wären Bestechung, Widerstand, Nötigung, Beleidigung, vielleicht auch Hausfriedensbruch hierher zu rechnen. Bleibt das »oder« stehen, so muß klar gestellt werden, ob Tötung, Körperverletzung, Raub hierher gehören, wenn der Beamte während des Dienstes ihr Opfer wurde. Zu § 5 Ziffer 3: hier wären dem Meineid gleichzustellen die Verleitung zum Meineid und die Delikte der §§ 180, 181 (falsche Anschuldigung und Parteiverrat), falls es sich um ein deutsches Verfahren handelt, und des § 3 1 4 (Untreue), falls die mißbrauchte Befugnis durch deutsches Gesetz verliehen war. Endlich ist hier zu bemerken, daß, wenn § 346 (Übertretungen) nicht überhaupt wegfällt, jedenfalls die Handlungen der §§ 358, 359 zu denen zu zählen sind, für die nach § 5 die deutschen Strafgesetze unabhängig von den Gesetzen des Tatorts zu gelten haben. Sie sind, im Ausland begangen, erheblich ernster zu nehmen als bei Begehung im Inland, selbstverständlich bei § 3 5 9 Ziffer 1 und 2 nur, sofern es sich um deutsche Titel usw. handelt. Aus Gründen der legislativen Technik wäre § 4 Abs. 2 zu den Legaldefinitionen des § 1 1 zu stellen. Die Bestimmung ist deklaratorisch, nicht konstitutiv gemeint; die Wendung »gelten als« wird deshalb besser vermieden.
Abschnitt 2: Die strafbare Handlung. A. Die Schuld (§§ 12—19 AE.). Von
Rechtsanwalt Dr. M. Alsberg, Berlin.
I. Zur Systematik.
Der AE. 25 behandelt die Schuldformen in den §§ 12, 13 und 15, die Schuldfähigkeit (Zurechnungsfähigkeit) in den §§ 16—19. Damit folgt er in der Disposition dem VE. 09, f(E. 13, E. 19, während der GE. 11 geistige Mängel und jugendliches Alter der Schuld voransetzt. Fast allgemein hält die Kritik die Systematik des AE. 25 für verfehlt 1 ). Die Zurechnungsfähigkeit als Voraussetzung der Zurechnung gehöre an den Anfang. Man kann diese Einwände nur dann als berechtigt anerkennen, wenn man an ein Strafgesetzbuch die Forderung stellen darf: es müsse streng systematischaufgebaut sein. Ein Strafgesetz verfolgt aber andere Zwecke als ein Lehrbuch, bei dem man durch die Lektüre in der Erkenntnis der gesamten Erfordernisse fortschreitet. Das Gesetz ordnet die Vorschriften zweckmäßig so, wie sie nach ihrer Wichtigkeit in der praktischen Anwendung aufeinander folgen. Die einzelne Bestimmung muß unter Einbeziehung nicht nur der vorangegangenen, sondern auch der folgenden verstanden werden. Von dieser Einstellung aus erscheint es aber ganz folgerichtig, den normalen Fall, die Schuld bei gegebener Zurechnungsfähigkeit, voranzustellen. Im Gesetz wird nicht die Zurechnungsfähigkeit, sondern die Unzurechnungsfähigkeit definiert. Sie ist in der Praxis die Ausnahme. Sie wird im Verfahren nur erörtert, wenn besondere Umstände die Schuldfähigkeit zweifelhaft erscheinen lassen. Im alten schwurgerichtlichen Verfahren wurde gefragt: Ist der ») G e r l a n d , Der Entwurf 1925 S. 31; v. H i p p e l Z. 42 S. 425; M e r k e l Z. 43 S. 303; K o h l r a u s c h Schweizerische Ztschr. f. StrR. 34 (1921) S. 157; G o l d s c h m i d t JW. 1922 S. 253; W a c h e n f e l d GA. 1925 S. 262/3.
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Angeklagte schuldig ? Die Bejahung der Zurechnungsfähigkeit war als selbstverständlich vorausgesetzt. Als logischen Fehler kann man daher die Systematik des AE. 25 nicht auffassen. Wenn man Gewicht darauf legt, die allgemeine strafrechtliche Handlungsfähigkeit vor dem Verschulden zu behandeln, so müßte man auch alle diejenigen Bestimmungen, die den Ausschluß der Rechtswidrigkeit betreffen, vorwegnehmen1). Denn die Frage, ob die Tat objektiv verboten ist, geht bei logischer Systematik der Frage vor, inwieweit sie subjektiv zuzurechnen ist. Aber auch hier kann der AE. 25 sich mit Recht darauf berufen, daß im Regelfälle durch Verwirklichung des objektiven Tatbestandes die Rechtswidrigkeit feststeht, wenn an die Prüfung der Schuldfrage heranzutreten ist. Die Fälle, in denen die objektive Rechtswidrigkeit durch Notwehr usw. ausgeschlossen wird, sind in der Praxis Ausnahmen. Es bleibt die Einfügung des § 14 — Kausalität der Unterlassung — in die Bestimmungen über die Schuld als bedenklich bestehen. Richtiger stände er vor den Schuldbegriffen oder nach § 1 5 . Es ist aber zu bedenken, daß § 14 nur ein Teilproblem der Verursachung gesetzlich regeln will, und daß der allgemeine Grundsatz, nach dem die Herbeiführung des Erfolges Voraussetzung der Strafbarkeit ist, in der Formulierung des § 12 eingeschlossen ist. Die kritischen Einwände gegen die Systematik des AE. 25 treffen m. E. höchstens Schönheitsfehler, die unerheblich sind und im wesentlichen geleugnet werden müssen. Zu § 12.
1. Vorsatz und Fahrlässigkeit. Im Gegensatz zum KE. 13 und E. 19 sieht der AE. 25 von einer Begriffsbestimmung des Vorsatzes und der Fahrlässigkeit ab. Das wird ihm von manchen als Mangel angerechnet2). Ich kann mich dieser Meinung nicht anschließen. Die Definition eines gesetzlichen Begriffs erweist sich dann als erforderlich, wenn eine in der bisherigen Rechtsprechung vertretene Auslegung korrigiert werden soll (z. B. § 15 AE. 25). Wenn etwa für die Praxis von Wichtigkeit wäre, ob die Willens- oder die Vorstellungstheorie ' ) Dies fordert K o h l r a u s c h a . a . O . S. 158. ) v. L i l i e n t h a l Asch. 16 S. 1 1 7 f.; E b e r m a y e r LZ. 1925 S. 173; W a c h e n f e l d GA. 1925 S. 262/3; R i e h . S c h m i d t , Grundriß des Deutschen Strafrechts 1925, Anhang S. 9. J
A l s b e r g , Abschn. 2 : Schuld. §§ 12—19 AE.
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fortan herrschen soll, so wäre es Aufgabe des Entwurfs, hier Klarheit zu schaffen. Das kommt aber nicht in Frage. In der Praxis führt die richtig gehandhabte Vorstellungstheorie zu denselben Urteilen wie die richtig gehandhabte Willenstheorie 1 ). In der Kritik wird die Wiederherstellung des E. 19 auch nicht mit solchen grundsätzlichen Erwägungen gefordert. Eine gesetzliche Begriffsbestimmung wird dann wünschenswert, jedenfalls unbedenklich sein, wenn die Formulierung so klar gegeben werden kann, daß die Definition auch ohne Kenntnis der wissenschaftlichen Probleme zu verstehen ist. Weder Vorsatz noch Fahrlässigkeit lassen sich aber eindeutig in allen Einzelheiten in eine gesetzliche Definition bringen, die jeden Zweifel lösen kann. Denn diese Probleme gehören zu sehr der allgemeinen Theorie des Strafrechts an. Der E. 19 hatte eine Begriffsbestimmung vorgeschlagen, die vielfach als erheblicher Fortschritt gebilligt wurde 2 ). Indessen mußte selbst die zustimmende Kritik auf mögliche Mißverständnisse hinweisen 3 ). Diejenigen, die von vornherein die Definition mit Skepsis betrachteten, haben die Quellen neuer Streitfragen auch gefunden 4 ). Auffällig und zugleich charakteristisch ist, daß viel mehr die in der Denkschrift 1919 gegebenen Erläuterungen für die Auslegung der Begriffe erörtert wurden als die Formulierungen des E. 19 selbst. Schon hieraus folgt, wie kompliziert trotz ihrer scheinbaren Einfachheit diese Definitionen waren. In der Praxis müssen aus dem Versuch, allgemeingültige Begriffsbestimmungen der Schuldformen zu schaffen, Schwierigkeiten und Hemmnisse erwachsen. Denn die Tragweite der Definition wird erst an der praktischen Anwendung ermessen. Rechtsbegriffe, die zugleich dem psychologischen Gebiet angehören, lassen sich ohne Berücksichtigung von Rechtatatsachen nicht klären. Sie müssen an Hand von Beispielen erläutert werden. Zieht man die Rechtsprechung des RG. heran, so erkennt man, wie sehr im Entscheidungsfalle eine Analyse der einzelnen Elemente des Vorsatzes mit dem speziellen Tatbestand verknüpft ist. Die Entsch. des 1. StrS. vom 13. April 1891 E. 21 42of. ist hier besonders in' ) So B i n d i n g , Normen 2. A. II. Bd. S. 391. 1) v. H i p p e l Z. 42 S. 430; M e r k e l Z.43 8 . 3 1 3 ; E b e r m a y e r J W . 1921 S. 366; G r a f z u D o h n a J W . 1921 S. 368 f.; G e r l a n d , Der Entwurf 1919 S. t 5 £. 3) G r a f z u D o h n a a . a . O . S. 369 sieht die vom E . 19 erstrebte Gleichsetzung von Tatsachen- und Rechtsirrtum immer noch als zweifelhaft an. 4) K o h l r a u s c h Schweiz. Ztschr. 34 S. 165f.; G o l d s c h m i d t J W , 1922 S. 254.
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struktiv. Nach allen Richtungen hin werden die Möglichkeiten des Vorsatzes für das Verbrechen aus. § 176 Nr. 3 StGB, erörtert, ausgehend von der tatsächlichen Feststellung des Vorderrichters, daß der Angekl. sich über das Alter des Kindes überhaupt keine Vorstellungen gemacht habe. Was bei dieser Konstellation zur Untersuchung der Tatfrage und was zur rechtlichen Beurteilung gehört, wird hier im Einzelnen dargelegt. Daß die Vorstellung einer Vermögensbeschädigung zur Konstruktion eines strafbaren Betrugsversuches nicht genügt und welcher Schritt von der Vorstellung zum Willen führt, ist Thema der Entsch. des 2 StrS. vom 8. 12. 1893 E. 25, 5. Man vergleiche weiter die Behandlung des Problems, ob ein Erfolg vorsätzlich gewollt ist, wenn er mit einem anderen Erfolg notwendig oder höchstwahrscheinlich verbunden ist, in E. 31, 217. Solche Unterscheidungen, wie sie in E. 33, 4 bezüglich des Vorsatzes beim Betrüge angestellt sind, darüber, wann die Vorstellung des Erfolges als Wollen des Erfolges zu deuten ist, wann ein innerliches Ablehnen des Erfolges vorliegt und statt Vorsatz nur Fahrlässigkeit in Frage kommt, werden nur auf der Grundlage eines konkreten Tatbestandes verständlich. Ein so subtiler Fall, wie er in E. 37, 321 f. behandelt ist — Beihilfe durch Raterteilung seitens eines Anwalts —, wird an die Instanz gerichte immer wieder die größten Anforderungen hinsichtlich richtiger psychologischer Erfassung stellen, gleichgültig, ob der Begriff der »Wissentlichkeit« im Allgemeinen Teil definiert ist oder nicht. Schon wenige charakteristische Urteile des RG. zeigen somit, daß der Vorsatzbegriff im Einzelfall immer wieder neue Probleme aufwirft. Die Schwierigkeiten, denen die Instanzgerichte sich so oft nicht gewachsen zeigen, liegen aber nicht darin, daß ihnen die richtige Vorsatzdefinition fehlte. Gerade aus den RG. Urteilen läßt sich entnehmen, daß die herkömmliche Formulierung der Judikatur des RG. den Vorderrichtern gegenwärtig war, daß sie auch offenbar bemüht waren, sie in den Feststellungen erscheinen zu lassen. Was ihnen mangelte und was das RG. vermißte, war das richtige Durchdenken dieser Begriffe, ihre Analyse im Tatbestande. Die Urteile würden sicher nicht anders ausgefallen sein, wenn die Definitionen des E. 19 — die ja ausgesprochenermaßen sich an die Rechtsprechung des RG. anlehnen — schon im StGB, gestanden hätten. Unzählige Male hat seit diesen Urteilen das RG. seine Definition z. B. des bedingten Vorsatzes in veröffentlichten Entscheidungen wiederholt. Daß trotzdem sich die Instanzgerichte über Erfordernisse irren, indem sie eben im gege-
A l s b e r g , Abschn. 2: Schuld. §§ 12—19 AE.
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benen Tatbestände das Wesentliche der Formulierungen nicht richtig erkennen, zeigen jüngste Entscheidungen1). Durch eine gesetzliche Definition wird nur eine Scheinlösung, nicht eine wirkliche Lösung erzielt. Ist eine Kodifikation der Begriffsbestimmung von Vorsatz und Fahrlässigkeit somit nicht geboten, so kann sie, wenn man die Wirkungen der Gesetzesworte auf die Praxis erwägt, sogar bedenklich sein. Keine Definition kann zu allen Streitfragen Stellung nehmen. Die Fragen z. B., ob die Vorstellung des Täters sich auf den wirklich eingetretenen Kausalverlauf beziehen muß, wie die besonderen Fälle eines error in objecto und einer aberratio ictus zu entscheiden sind, werden auch durch die Formulierungen des E. 19 nicht beantwortet. Solche negative Stellungnahme des Gesetzes zu einer Streitfrage verführt die Praxis aber leicht zu der Meinung, daß es auf den betreffenden Punkt nicht ankomme. Die Gefahr, daß eine gesetzliche Begriffsbestimmung der weiteren wissenschaftlichen Entwicklung einen Riegel vorschiebt, ist auch nicht von der Hand zu weisen. Unter den Mitgliedern des RG. bestehen, wie der Leipz. Komm. (s. Vorwort zur 3. Aufl.) zeigt, gerade auf dem Gebiete der Vorsatzlehre starke grundsätzliche Bedenken gegen die herrschende Judikatur. Es kann eine Frage der Zeit sein, daß diese Ansichten durchdringen und die Rechtsprechung ändern, wie dies hinsichtlich der Interpretation des Absichtbegriffes geschehen ist (vgl. E. 50, 261; 51 24). Durch eine Festlegung der bisherigen Rechtsprechung im Gesetz könnte die Entwicklung unterbunden werden. Aus allen diesen Gründen erscheint mir der Standpunkt des AE. 25, von jeder Definition von Vorsatz und Fahrlässigkeit abzusehen, richtig. Das Gegenargument v. Lilienthals 2 ), daß die Gesetzesdefinitionen deshalb erforderlich seien, weil die Rechtsprechung sehr wesentlich mit in den Händen der Laienrichter ruhe, ist durchaus abzulehnen. Mit einer Definition, die die Kenntnis juristischer Begriffe voraussetzt, kann der Laienrichter nichts anfangen. Bezeichnet doch Kohlrausch 3 ) nicht mit Unrecht die Vorschläge des E. 19 als Formeln, in denen immer eine Unbekannte mit einer anderen Unbekannten definiert wird. Der Laie ist hier stets auf die Rechtsbelehrung der Juristen angewiesen. 0 Vgl. z. B. JW. 1925, 957, 977. ») Asch. 16 S. 117 f. }) Schweiz. Ztschr. 34 S. 168.
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Auch der Ansicht v. Hippels 1 ), daß der dolus eventualis ausdrücklicher Erwähnung im Gesetze bedürfe, um bedenkliche, die öffentliche Meinung aufregende Gerichtsentscheidungen zu vermeiden, kann ich nicht beipflichten. Nicht der Begriff des dolus eventualis hat in einzelnen Fällen die Kritik der Öffentlichkeit hervorgerufen, sondern seine formalistische Anwendung, vor der das RG. die Praxis im Allgemeinen zu bewahren strebt. Gerade dasjenige Urteil, das in der letzten Zeit zu den lebhaftesten Mißfallskundgebungen Veranlassung gegeben hat, das Urteil des Magdeburger Schöffengerichts in dem Prozeß wegen Beleidigung des Reichspräsidenten Ebert, hat wieder gezeigt, wie unmöglich es ist, den Vorsatzbegriff durch eine generelle umfassende Definition festzulegen. Die besten Formulierungen der Literatur, die sorgfältigsten Erläuterungen der Kommentare hatten das Problem nicht berührt, das in diesem Prozeß für die Entscheidung grundlegend wurde, aber vom Gericht — was man ihm weder als Intellekt* noch als Willensfehler zur Last legen dürfte — nicht erkannt wurde, das Problem, das ich in die Frage fassen möchte: darf von der vorsätzlichen Herbeiführung eines strafrechtlich verpönten Erfolges da gesprochen werden, wo das von vornherein gewollte weitere Handeln diesen primären Erfolg vernichten sollte? 2). Immer wieder wirft die Vorsatzlehre neue Probleme auf. Keine gesetzgeberische Definition kann dieses wichtige Fragegebiet einer abschließenden Klärung zuführen. 2. Absicht. Die Begründung zum § 12 AE. 25 erklärt, daß der Entwurf die Worte: »absichtlich« oder »in der Absicht« usw. gebrauche, um auszudrücken, daß die Verwirklichung eines bestimmten Tatbestandsmerkmals oder des Tatbestandes ein Beweggrund für den Täter sein muß. Daß diese Erläuterung der Motive für die künftige Praxis maßgebend sein wird, ist sehr zu bezweifeln. Gerade in der neueren Rechtsprechung des RG. ist die im Leipz. Komm, vertretene Ansicht teilweise zum Durchbruch gelangt, daß die Absicht nichts weiter ist als bestimmter Vorsatz3). Das Ziel, ' ) Z. 42, 429. J ) Siehe dazu meinen Aufsatz »Die Lehren von Magdeburg« in »Recht und Leben«, Wochenbeilage der Voss. Ztg. vom 8. I. 25. 3) E. 50, 261 auf 273; 51, 24 auf S. 29. Vgl. hierzu mein Preistreiberei-Strafr. 7. A. S. 143 Anm. 15.
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dessen Vorstellung auf den Willen als Beweggrund wirkt, kann nach dieser Auffassung auch außerhalb des Tatbestandes liegen; »absichtlich« handelt der Täter, wenn er den gesetzlichen Erfolg als notwendiges Mittel seines erstrebten Zieles ebenfalls verwirklichen will. Es ist zuzugeben, daß im geltenden Recht der Sinn und Zweck einzelner Vorschriften dazu zwingt, dem Begriff der Absicht die einschränkende Bedeutung des dolus determinatus beizulegen, z. B. im § 266 StGB. Die grundsätzliche juristische und psychologische Verschiedenheit der Begriffe von Vorsatz und Absicht muß aber auch im geltenden Recht aufrechterhalten werden 1 ). Es genügt nicht, daß der AE. 25 bei den einzelnen Tatbeständen jetzt die Unterscheidung durchführt. Hier haben wir eine Streitfrage vor uns, die anders als durch eine gesetzliche Definition nicht entschieden werden kann. Ich würde die vom GE. 11 § 21 vorgeschlagene Fassung empfehlen, die das, was. die Begründung erreichen will, besser ausdrückt als der KE. 13 und E. 19, die beide die farblose und nur neuen Zweifeln Raum gebende Wendung haben: »dem es darauf ankommt«. Zu § 13.
In den Versuchen der bisherigen Entwürfe, das Problem des Irrtums im Straf recht zu lösen, spiegelt sich der Widerstreit der Meinungen wieder, von dem Rechtsprechung und Theorie von jeher lebbhaft bewegt worden sind. Kein Entwurf gleicht in dieser Materie den Vorgängern. Am nächsten kommt § 1 3 d e m ö f . 11, obwohl von einer Übereinstimmung, wie noch zu zeigen sein wird, nicht die Rede sein kann. Der § 13 erledigt die Vorsatzlehre »vom negativen Standpunkt aus«2) nicht voll im Sinne des geltenden Rechts. Er befaßt sich nur mit dem Irrtum über »das Unerlaubte« der Tat. Wie zu urteilenist, wenn der Täter ein Tatbestandsmerkmal nicht kennt, also einem Tat- oder außerstrafrechtlichem Rechtsirrtum verfällt, soll nach der Begründung aus dem Vorsatzbegriff zu entwickeln sein. Es ist wahrscheinlich, daß die Praxis auf dem Wege, der durch die Judikatur über den § 59 StGB, geschaffen ist, verbleibt. Zweifel darüber, daß der außerstrafrechtliche Irrtum erheblich ist, sind kaum zu besorgen. Die Frage aber, wann der Irrtum das Tatbe») Mein Aufsatz JW. 1918, 713; vgl. Weber LZ. 1919, 413f.; 1922, 317 f.; 1925, 1 1 7 7 L ») Wie F r a n k Komm, die Irrtumslehre des § 59 treffend nennt (unter VII zu § 59).
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standsmerkmal betrifft und wann »das Unerlaubte«, wird immer akut bleiben, auch wenn dem Tatirrtum ausdrücklich dieselben Wirkungen beigelegt werden wie dem im § 13 geregelten Irrtum. Es erscheint also eine Wiederherstellung des § 59 StGB, nicht erforderlich. Dem Strafrechtsirrtum versagt die ständige Praxis des RG. grundsätzlich die Anerkennung. Daß diese Lehre in ihrer Anwendung auf den Einzelfall häufig durchaus nicht befriedigt, muß man zugeben, selbst wenn man der Überzeugung ist, daß die Anwendung dieser Lehre in der Mehrzahl der Fälle doch zu praktisch brauchbaren Resultaten gelangt 1 ). Als Beispiel einer das Rechtsgefühl besonders wenig befriedigenden Entscheidung muß gerade eine neuere Entscheidung, das Urteil in E. 58, 247, hervorgehoben werden. Der angeklagte Anwalt ist überzeugt, daß er die entgegengesetzten Interessen der beiden Parteien vertreten durfte, da es sich nicht um »dieselbe Rechtssache« ¡handele. Diesen Irrtum erklärt das RG. für einen unbeachtlichen Strafrechtsirrtum, ja es läßt sogar das Bewußtsein der Pflichtwidrigkeit mit der Kenntnis des objektiv die Pflichtwidrigkeit begründenden Sachverhalts gegeben sein. Der Einwand der Gegner des RG., daß die Durchführung der Lehre des RG., die kasuistische Unterscheidung von strafrechtlichem und außerstrafrechtlichem Irrtum, den Eindruck der Willkür erwecke2), erscheint angesichts dieses und anderer Fälle nicht unbegründet. Aber gerade weil die bisherige Praxis gezeigt hat, wie schwierig es ist, eine Theorie über diese Frage befriedigend durchzuführen, wie sehr strafpolitische Erwägungen bei jeder Einzelentscheidung mitsprechen müssen, ist jede gesetzliche Regelung mit großer Skepsis zu betrachten. Der AE. 25 strebt die Lösung des Problems in einer etwas radikalen Weise an, indem er tatsächlichen Irrtum und Straf rechtsirrtum in ihren Wirkungen gleichsetzt. Damit scheint auf den ersten Blick das Ziel erreicht, das namentlich Binding 3 ) als Grundsatz des Strafrechts proklamiert hat: Zum Vorsatz gehört das Bewußtsein der Rechtswidrigkeit4). Die Begründung zum AE. 25 lehnt es allerdings ab, die Streitfrage in diesem Sinne gelöst zu haben. Sie spricht nur aus, daß die Regelung der Auf*) Siehe dazu mein Preistreibereistrafr. 7. Aufl. S. 270. ») v. Hippel DStrZ. 1917, 18. 3) Normen II S. 161 f., III S. 387 f. 4) v. B e l i n g G S . 1925, 367; Bumke DJZ. 1925, 24; G e r l a n d Entwurf 1925 S. 34; W a c h e n f e l d GA. 25, 260.
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fassung derer sehr nahe komme, die das Bewußtsein der Rechtswidrigkeit zu einem Bestandteil des Vorsatzes machen oder neben dem Vorsatz zur Strafbarkeit erfordern wollen. Tatsächlich läuft theoretisch die Regelung des AE. 25, dem Einwand des Irrtums über »das Unerlaubte« der Tat Beachtung zu verschaffen, auf anderes hinaus, als auf das Erfordernis des »Bewußtseins derRechtswidrigkeit«. Die Bindingsche Forderung, daß zum Vorsatz das Bewußtsein der Rechtswidrigkeit gehöre, hat die Konsequenz, daß im einzelnen Fall positiv festgestellt werden muß, daß der Täter mit dem Bewußtsein der Rechtswidrigkeit handelte. Aus der Formulierung des § 13 aber folgt, daß das Bewußtsein des p Unerlaubten« nur zu erörternist, wenn Zweifel auftauchen, d.h., wenn der Täter einen Irrtum über die Unerlaubtheit behauptet oder die Umstände die Möglichkeit eines solchen Irrtums nahe legen. Man wird sich mit dieser Fassung einverstanden erklären können 1 ). Der AE. 25 geht weiter als die IrrtumsVO. und § 358 RAO. Nach diesen Vorschriften muß, wenn Straffreiheit eintreten soll, konstatiert werden, daß der Täter seine Handlung »für erlaubt hielt«. Diese positive Überzeugung von der Rechtsmäßigkeit der Tat ist aber etwas anderes als das negative Bewußtsein, nichts Unerlaubtes zu tun. Schon Zweifel an der Erlaubtheit der Tat schließen regelmäßig den Schutz der IrrtumsVO. aus8). Daß der dolus eventualis bezüglich des Unerlaubten dagegen der Kenntnis gleichzusetzen ist, wird in der Begr. richtig hervorgehoben. Vor allem aber verläßt der Entwurf die konsequente Bindingsche Theorie darin, daß er an Stelle der Rechtswidrigkeit den höchst verschwommenen Begriff des »Unerlaubten« einführt. Nach Bindings Lehre ist die Norm das aus dem positiven Recht zu entnehmende Gebot oder Verbot, wie es der Staatsbürger aus den Erfahrungen des Lebens als eine vom Staat aufgestellte Forderung kennt8). Das Bewußtsein, daß die Handlung nur sittlich verboten sei, genügt nicht. Die Praxis aber wird unvermeidlich der Begründung folgen, die, als ob es sich von selbst verstünde, definiert: Unerlaubt ist, was das Recht oder das Sittengesetz verbietet. — Selbst nach den gesetzlichen Vorbildern, auf die die ') Dem Verlangen Rieh. Schmidts, Grundriß S. 121 Anhang S. 10, daß der Rechtsirrtum im Gesetz als Ausnahmeerscheinung klargestellt werden müsse, ist damit genügt. a ) Vgl. E. 51, 34. 3) Vgl. Normen II 148 f.
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Begründung hinweist, der BRVO. vom 18. i. 1917 und dem § 358 RAO., ist dies bisher nicht der Sinn des »Unerlaubten« gewesen. In keiner der dazu ergangenen Entscheidungen fragt das RG. danach, ob der Täter Bedenken wegen der s i t t l i c h e n Zulässigkeit der Tat haben mußte. Es handelt sich immer nur um die rechtliche Erlaubtheit. So wird in f . 51, 397 der Einwand des Angeklagten, er habe den Verkauf zum Markpreise für zulässig gehalten, dahin umschrieben, daß er den so erzielten Gewinn nicht für einen übermäßigen im Sinne der PreissteigVO. erachtet habe. In E. 57, 180 führt der 1. StrS. aus, daß der strafrechtliche Irrtum darüber, daß Handel ohne Handelserlaubnis als Schleichhandel bestraft werden könne, auch nach der IrrtumsVO. unerheblich sei. Denn nicht auf den Irrtum über das anzuwendende schärfere Strafgesetz komme es an, sondern auf das »Bewußtsein des Unerlaubtseins, der Rechtswidrigkeit«, das mit dem Handel ohne Erlaubnis gegeben sei. Bei dem guten Glauben an die Ungültigkeit einer Verordnung (E. 56, 254) steht gleichfalls nur zur Debatte, ob die Handlung rechtlich verboten ist, nicht, ob sie sittlich unzulässig ist. Selbst in der Kreditwucherentscheidung vom 24. Oktober 24 (£. 58, 321 f.) definiert der 1. StrS. das »Bewußtsein der Unerlaubtheit« dahin, daß der Täter des Glaubens war, nicht gegen ein Strafgesetz oder eine öffentlichrechtliche Norm zu verstoßen. — Daß schließlich für den § 358 RAO. das »Sittengesetz« keine Rolle spielt, kann nicht bezweifelt werden. Wenn nach § 13 die Berufung auf Rechtsirrtum mit der Begründung verworfen werden kann, daß der Täter die Handlung zwar nicht für rechtlich, aber doch für sittlich verboten hielt, so büßt der § 13 ziemlich jede Bedeutung ein. Die Begründung glaubt, daß vor allem auf dem Gebiet der wirtschaftlichen Nebengesetze die Berücksichtigung des Rechtsirrtums Härten vermeiden könne. Gerade auf diesem Gebiete aber liegt für den Berufsrichter, dem die Denkweise des Kaufmanns mehr oder minder fremd ist, der Einwurf zu nahe, daß der Kaufmann seine Tat jedenfalls für sittlich verboten habe halten müssen, da er ja Glied der Volksgemeinschaft sei, das allgemeine Wohl über das private gehe usw. Bei allen Sittlichkeitsdelikten ist nach der Definition des § 13 im Sinne der Begründung ein beachtlicher Rechtsirrtum geradezu begrifflich ausgeschlossen. Hier ereignen sich aber Fälle, in denen die bisherige Unbeachtlichkeit des Rechtsirrtums sdhon oft als unbillig empfunden worden ist 1 ). Bei der weiten Auslegung, die der 0 Vgl. LZ. 1915, 291; 1916 245; E. 31, 203.
A l s b e r g , Abschn.2: Schuld.
§§ i a — 1 9 AE.
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Begriff der Pflegeeltern, Lehrer, Erzieher im § 174 Nr. 1, 181 Nr. 2 StGB, in der Rechtsprechung gefunden hat, ist der Irrtum über das rechtliche Verbotensein der Tat nicht selten vorhanden und entschuldbar. Welches Gericht wird aber die Existenz eines sittlichen Verbots und Unkenntnis des Täters von ihm verneinen ? Ähnlich hat die Praxis des Zuhälterparagraphen 181 a StGB, zu Bestrafungen jugendlicher Personen geführt, die mit dem Typ des Zuhälters, wie ihn die lex Heinze treffen wollte, nichts gemein haben. Es genügt der zeitweilige Bezug des Lebensunterhalts (in sehr weitem Sinne) von einer Dirne, ohne daß sonst ein Abhängigkeitsverhältnis oder ein Einfluß auf ihren unsittlichen Erwerb besteht 1 ). Der Irrtum über die Rechtswidrigkeit der Handlung würde hier in geeigneten Fällen helfen, der Irrtum über die sittliche Erlaubtheit wird aber praktisch nie bejaht werden. Soll § 13 eine brauchbare Verbesserung der bisherigen Rechtsprechung bringen, so muß der Ausdruck des »Unerlaubten« ersetzt werden »durch Rechtswidrigkeit«. Abzulehnen ist der Begriff »Pflichtwidrigkeit«, den v. H i p p e l 2 ) einführen will, da er ebenfalls mehr oder minder auch das Sittliche umschließt. Die grundsätzlichen Bedenken, die gegen jede Anerkennung des Irrtums über die Rechtswidrigkeit erhoben worden sind, kann ich nicht teilen. E b e r m a y e r 3 ) befürchtet, daß die Straffreiheit zu weit ausgedehnt würde, und W a c h e n f e l d 4 ) zitiert aus der Begründung zum VE. 09, daß keine staatliche Ordnung bestehen könne, wenn der Staat nicht davon ausgehe, daß jedermann seine Strafgesetze kennen müsse. Gegen die Annahme, daß affektierte Unkenntnis der Norm von den Gerichten nicht durchschaut werden könnte, hat sich schon Binding temperamentvoll gewandt®). Im Leipz. Komm, wird in ähnlicher Weise dieser Einwurf zurückgewiesen: »Der Einwand aber, lügenhafte Berufung auf Unkenntnis des Verbots würde die Justiz lahmlegen, ist nicht ernst zu nehmen. Als ob der Richter dieser Lüge glauben müßte!« Conrad 6 ) hat schon 1914 gesagt, daß die Fälle, in denen eine Unkenntnis vom Verbot ') Siehe dazu meinen Aufsatz »Das Sexualstrafrecht ein Entwurf« Asch. 16, 321 f. *) Siehe VDA. 3, 586 t., insbesondere 590, 593; gegen ihn gut B e l i n g , »Die Lehre vom Verbrechen« S. 183t. 3) LZ. 1925, 169. 4) GA. 1925, S. 260. 3) Normen II S. 148. 6)
DJZ. 1914, 1492-
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mit Recht behauptet wird, kaum einen erheblichen Umfang annehmen können. Eine sehr erhebliche Änderung der bisherigen Praxis bezüglich der Berücksichtigung des Rechtsirrtums darf man von der hier vorgeschlagenen Fassung nicht erwarten. Das zeigt die Handhabung der jetzt über 9 Jahre lang geltenden IrrtuimsVO. vom 18. 1. 1917. Daß diese VO. zur Zeit ihrer Einführung eine durch die Gesetzgebung hervorgerufene Rechtsnot beenden sollte, ist s. Zt. einmütig anerkannt worden. Die Überproduktion an Wirtschaftsgeset2en und die Schwierigkeit ihrer Auslegung mußte Bestrafungen veranlassen, die als ungerecht empfunden wurden, so wenn z. B. der Täter im Vertrauen auf eine behördliche Auskunft, vielleicht sogar des Staatsanwalts selbst, gehandelt hatte und diese Rechtsansicht nachher vom Gericht mißbilligt wurde, oder wenn er die betreffende Nummer des Gesetzblattes noch nicht erhalten haben konnte, als er der schon in Kraft getretenen Verordnung zuwider handelte. Obgleich das Bedürfnis für die Anerkennung des Rechtsirrtums auf diesem Sondergebiete auch den Gerichten zu Bewußtsein kam, ist doch eine ängstliche Einschränkung in der Handhabung der VO. vom 18. Januar 1917 zu konstatieren. Von der tatsächlich geübten Judikatur gibt die Rechtsprechung des RG. nur ein unvollkommenes Spiegelbild. Charakteristisch ist, daß in den meisten Urteilen über diese Frage das RG. der Neigung der unteren Instanzen entgegentreten muß, zu scharfe Anforderungen an den unverschuldeten Irrtum zu stellen 1 ). Bisweilen erscheinen aber auch die Voraussetzungen, die das RG. macht, der einengenden Tendenz Vorschub zu leisten 2 ). Vielfach hat man den Eindruck, daß das RG. da auf die IrrtumsVO. hinweist, wo ihm das Urteil als solches ungerecht erscheint, um die Möglichkeit zur Abänderung zu geben. Die Instanzgerichte, die die Grundsätze des RG. beherrschen, sind regelmäßig in der Lage, das ihnen innewohnende Mißtrauen gegen den Einwand des Rechtsirrtums bei der Würdigung des Sachverhalts walten zu lassen und durch die tatsächlichen Feststellungen Rechtsfehler zu meiden. E s ist verhältnismäßig leicht, einen Zweifel des Täters an der Richtigkeit seiner Meinung zu entdecken, oder festzustellen, daß der Täter aus einzelnen Umständen auf Zweifel hätte kommen müssen. Daraus entsteht für den Schuldigen aber eine Erkundigungspflicht; ' ) Vgl. z . B . E . 51, 1 5 8 f . ; 244; 3 5 0 f . ; 397; 52, 225; 328; 56, 254; 57, 329 (zu § 358 RAO.); J W . 1925, 2250 Nr. I. *) Vgl. E . 51, 34 (Meinung der »Interessenten-Kreise«); 50, 309 f. (Erkundigung bei zuständiger Behörde).
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genügt er ihr nicht, so war sein Rechtsirrtum verschuldet und die IrrtumsVO. scheidet überhaupt aus, er muß wegen Vorsatzes verurteilt werden. Es ist psychologisch ganz verständlich, daß der Berufsrichter, dem eine bestimmte Auslegung des Gesetzes seit gewisser Zeit aus Judikatur und Fachliteratur bekannt ist, schwer nachfühlen kann, wie der Laie auf diese Lösungen nicht kommt. Hier ist aus jüngster Zeit charakteristisch die Rechtsprechung über den Zinswucher. Man kann wohl sagen, daß die Idee, § 4 der PreistrVO. vom 13. Juli 1923 gelte auch für Darlehnszinsen, sich dem Kaufmann nicht aus eigener Überlegung erschließen kann. Während des Jahres 1923 wird der § 4, trotz der Klagen über die hohen Inflations- und Deflationszinsen, von den Behörden auch nicht angewandt, zumal in der ausführlichen amtlichen Begründung jeder Hinweis fehlt. Erst Anfang 1924 taucht diese Theorie vereinzelt bei amtlichen Stellen auf, wird von Strafverfolgungsbehörden aber nur zaghaft benutzt und findet in der Theorie lebhaften Widerspruch 1 ). Endlich im Oktober 1924 spricht sich das RG. für den Grundsatz aus, weist aber hier gerade wegen der bisherigen Unsicherheit der Rechtslage mit Nachdruck auf die IrrtumsVO. hin 2 ). Schon früher hatte das RG. im Preistreibereistrafrecht die Entschuldbarkeit des Irrtums über die Bedeutungslosigkeit des Marktpreises prinzipiell anerkannt für die Zeit, zu der die gegenteilige Rechtsprechung des RG. noch nicht bekannt war 3 ). In der Praxis ist diese erkennbare Absicht des RG., mit einem neuen Grundsatz auch einen Trennungsstrich zu machen und alles Vorhergehende regelmäßig mit Rechtsirrtum zu entschuldigen, nicht verwirklicht worden. Je mehr sich die tatsächlichen Verhältnisse verändern, je mehr früher die Notmarktlage den Marktpreis zerstörte und je mehr jetzt bei sinkendem Zinsfuß die früheren Zinssätze dem Richter unbegreiflich werden, um so weniger ist er geneigt, an einen Rechtsirrtum auch bei Handlungen, die sich vor der Schwenkung der Judikatur ereigneten, zu glauben. Nicht vorbeigehen dürfen wir an einer Erscheinung, die die Praxis der RechtsirrtumsVO. gezeitigt hat. Es hat sich gezeigt, daß der höchste Gerichtshof seit der Geltung dieser Regelung zu einer Weiterbildung des S t r a f r e c h t s im Wege der A n a l o g i e
889 f.
') K o h l r a u s c h Bankarchiv 1934, 193. L e h m a n n ebenda 1680. *) E. 58, 3 a i f. 3) LZ. 1918 S. 904 Nr. 6.
Meine Ausführungen JW. 1924,
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tendiert hat. Einer der Grundpfeiler des Strafrechts ist die Regel, daß nur diejenige Tat bestraft werden kann, die im Gesetz erkennbar 'unter Strafe gestellt ist. Schon bei der Interpretation des Begriffs der Gegenstände des täglichen Bedarfs verließ das R G . m. E. diese Richtschnur 1 ), indem es entsprechend den späteren, nach dem Erlaß des Gesetzes erst hervortretenden wirtschaftlichen Verhältnissen den Begriff erweiterte. Dasselbe tritt in dem schon mehrfach erwähnten, für diese Frage bedeutungsvollen Urteil des RG. über denZinswucher zutage. DiePreistreibereiVO. vom 13. Juli 1923 hat ersichtlich die Erstreckung des § 4 auf Kreditgeschäfte nicht im Auge gehabt 2 ). Erst die Deflationszeit ruft die Tendenz der Gerichte wach, die als untragbar angesehenen Zinsbelastungen mit dem Strafrecht zu bekämpfen. Die IrrtumsVO. aber erleichterte den Schritt z-ur analogen Ausdehnung des Gesetzes. Man wird, wenn man die Entscheidung des 1. Strafsenats vom 21. Oktober 1924 E. 58, 321 f. liest, den Eindruck nicht los, daß der höchste Gerichtshof sich gesagt hat: Für die bisherigen Fälle ist in weitgehendem Umfange Straflosigkeit durch die IrrtumsVO. gesichert. Dann darf für die Zukunft eine Verbotsnorm aufgestellt werden, die von jetzt ab wie ein neues Gesetz gelten kann. Ich kann mir nicht denken, daß das RG. diese juristisch so überaus bedenkliche Entscheidung 3 ) erlassen hätte, wenn es damit hätte rechnen müssen, daß nunmehr wegen Unbeachtlichkeit des Rechtsirrtums auch alle Fälle aus der »Zeit allgemeiner Begriffsverwirrung«4) vor den Strafrichter gelangen würden. Auch noch in anderer Beziehung läßt diese Entscheidung die Richtung auf analoge Weiterbildung erkennen. Hatte gerade der 1. StrS. bisher betont, daß es sich bei dem Irrtum im Sinne der VO. vom 18. Januar 1917 um einen solchen über die betreffende Norm handele, (der Täter muß in Beziehung auf die übertretene Vorschrift geirrt haben 5 ), so erklärt er im Urteil vom 21. Oktober 1924, daß der gute Glaube sich darauf beziehen müsse, allgemein gegen kein Strafgesetz oder keine öffentliche Norm zu verstoßen6). So kann die Neigung verstärkt werden, in bestehende ») Vgl. m e i n e grundsätzlichen Ausführungen hierüber J W . 1918. S, 7 1 3 f. siehe m e i n e Ausführung J W . 1924 S. 889 f. 3) siehe meine Kritik dieser Entscheidung i. J W . 1924 S. 1744 f. 4) Vgl. RGZ. 1 1 0 , 251. 5) E 51, 368; LZ. 1918, 442 Nr. 9. 6 ) Das Bewußtsein der Unsittlichkeit wird aber noch ausdrücklich für unbeachtlich erklärt.
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Strafgesetze Normen hineinzulegen, die nach richterlicher Anschauung irgendwie als wünschenswerte Gesetze zu gelten hätten. Auch darauf muß man aufmerksam machen, daß, wenn der Einwand des Rechtsirrtums bei den Gerichten Beachtung findet, der Eindruck einer gewissen Willkür in den Entscheidungen nicht zu vermeiden sein wird, und daß eine mindestens ebenso unerfreuliche Kritik an der Rechtsprechung einsetzen wird, wie sie die bisherige prinzipielle Ablehnung des Rechtsirrtums gezeitigt hat. In politischen Prozessen wird Zubilligung oder Versagung des Rechtsirrtums gegenteilige Empfindungen der anderen Partei auslösen. Es ist aber auch zu besorgen, daß, wenn auch vereinzelt, der Rechtsirrtum nach Gesichtspunkten zugebilligt wird, die im Widerspruch zu dem stehen, was als recht und billig anzusehen ist. Die Gerichte neigen z. B. allzusehr dazu, dem Beamten vor den übrigen Staatsbürgern eine Sonderstellung einzuräumen, nicht nur in der Bewertung seiner eidlichen Aussage, sondern auch bei Beurteilung der ihm vorgeworfenen strafbaren Handlungen. W a s in dieser Beziehung möglich ist, zeigt ein Urteil des O L G . J e n a 1 ) , das einem Polizeibeamten Entschuldbarkeit seines vorgeschützten Rechtsirrtums hinsichtlich der Berechtigung, einen Verhafteten drei Wochen lang ohne richterliche Vernehmung im Polizeigewahrsam zu belassen, zubilligte. Diese Tendenz kann, wenn allgemein der Rechtsirrtum für erheblich erklärt wird, zu höchst bedenklicher Praxis führen. Es wird zu leicht unterstellt, daß der Beamte regelmäßig aus ideellen Gründen handelt und deshalb seine Tat, mag sie Körperverletzung, Beleidigung, Nötigung und dgl. sein, für erlaubt ansieht. Die Versagung des Rechtsirrtums gegenüber anderen Angekl. wird um so aufreizender empfunden werden. Trotz dieser Bedenken wird jedoch die Lösung der Streitfrage, wie sie der Entwurf vorschlägt, im Prinzip zu billigen sein, falls das dem Recht fremde Element des S i t t e n g e s e t z e s ausgeschieden wird. Die Strafgesetze werden, das zeigt der Entwurf im besonderen Teil, im Laufe der Entwicklung komplizierter und umfassender. Die Behauptung, daß jeder Staatsbürger die Rechtswidrigkeit seiner Handlungen von vornherein erkennen muß, läßt sich nicht mehr aufrecht erhalten. Eine Bestrafung von Personen, die nicht geahnt haben, etwas Rechtswidriges zu tun, wirkt als eine Verurteilung Unschuldiger. Wenn auch solche Verurteilungen tat1) JW. 1925 S. 1541 Nr. 6 u. meine Anmerkung zu dieser Entscheidung. Keiortn des Strafgesetzbuchs.
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sächlich nicht in so erheblichem Umfange stattfinden, und wenn auch in Zukunft das Anwendungsgebiet des § 13 nicht sehr groß sein wird, so ist doch der Gedanke des § 1 3 richtig. Eine Gefährdung der staatlichen Sicherheit braucht man von ihm nicht zu befürchten. Der § 13 beschreitet allerdings damit, daß er den Strafrechtsirrtum ebenso wie er den tatsächlichen Irrtum behandeln will, neue Bahnen. Er unterscheidet sich darin sehr scharf von der IrrtumsVO. und von § 358 RAO. Bei vorsätzlichen Delikten wird nach den Ursachen des Irrtums und der E n t s c h u l d b a r k e i t des Irrtums überhaupt nicht gefragt. Anders in der IrrtumsVO.: Hier befreit nur der entschuldbare Irrtum von Strafe, während der auf Fahrlässigkeit beruhende Irrtum die volle Strafe für den Vorsatz nach sich zieht. Wenn man der Auffassung wäre, daß in der Praxis der Einwand des Rechtsirrtums den Gerichten besondere Schwierigkeiten machen wird, daß dem Delinquenten hierdurch ein Ausweg gegeben wird, sich der Strafe durch lügenhafte Einwendungen mit Erfolg zu entziehen, so müßte man fordern, in jedem Falle die E n t s c h u l d b a r k e i t des Rechtsirrtums zu untersuchen; nur wenn er entschuldbar ist, müßte die Bestrafung ausgeschlossen sein, bei unentschuldbarem Rechtsirrtum müßte bei vorsätzlichen Delikten Strafmilderung eintreten. Ich glaube aber nicht, daß die Berufung auf den Rechtsirrtum zu einem sehr bedeutungsvollen Verteidigungsmittel werden kann. Nur in ganz besonders gelagerten Fällen wird es dem Gericht glaubhaft erscheinen, daß ein Täter, der irgend einen Schaden mit Wissen und Willen angerichtet hat, von der Rechtmäßigkeit der Tat überzeugt war. Dann aber besteht kein Grund, den Rechtsirrtum anders zu behandeln als den tatsächlichen Irrtum. Auch bei diesem wird nicht danach gefragt, wie der Irrtum entstanden ist, wenn eine Bestrafung nur wegen vorsätzlicher Begehung eintreten kann. Auch grobe Fahrlässigkeit bewahrt hier vor Strafe. Wird die Rechtswidrigkeit der Handlung verkannt, so liegt deshalb eine höhere Strafwürdigkeit nicht vor, und es ist, wenn man von der Idee der Rechtssicherheit hier abseihen kann, kein Grund ersichtlich, auis dem in solchem Falle der Rechtsirrtum anders behandelt werden sollte, als der tatsächliche Irrtum. § 13 Abs. 2 besagt, daß, wenn der feststehende Strafrechtsirrtum auf Fahrlässigkeit beruht, die Tat nur strafbar ist, wenn sie als fahrlässige Handlung ausdrücklich mit Strafe bedroht ist. Kann ein Delikt nur vorsätzlich begangen werden, wie z. B. Widerstand gegen die Staatsgewalt, § 141 AE. 25, so schließt auch
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der unentschuldbare Irrtum über die Unerlaubtheit jede Bestrafung aus. Diese Konsequenz ergibt sich schon aus § 13 Abs. 1. Sie ist notwendig, wenn überhaupt die Irrtuinsfrage einheitlich gelöst werden soll. Denn auch beim tatsächlichen Irrtum wird nach dem Verschulden bezüglich des Irrtums nur gefragt, wenn fahrlässige Delikte vorliegen, nicht bei vorsätzlichen Straftaten, so daß z. B. auch bei fahrlässiger Verkennung der Beamteneigenschaft eine Strafe aus § 1 1 3 StGB, nicht verwirkt ist. Logisch ist somit der Abs. 2 des § 13 bereits in Abs. 1 enthalten, da der Rechtsirrtum, wenn er bei Vorsatzdelikten den Vorsatz ausschließt, bei Fahrlässigkeitsdelikten nur durchgreifen kann, wenn er nicht auf Fahrlässigkeit beruht. Es ist aber vielleicht aus praktischen Gründen richtig, diese Folge ausdrücklich hervorzuheben. Damit wird klar gestellt, daß der Rechtsirrtum auch bei fahrlässigen Straftaten zu berücksichtigen ist und daß er zur Freisprechung zu führen hat, wenn er entschuldbar ist. Zu § 15. Der § 15 beseitigt die E r f o l g s h a f t u n g des geltenden Rechts. Im Gegensatz zum VE. 09 und £".19 schließt er sich in der Formulierung den Vorschlägen v. L i s z t s und B i n d i n g s 1 ) an; der Erfolg muß »wenigstens fahrlässig« herbeigeführt sein. Diese folgerichtige Durchführung des Schuldprinzips entspricht den einmütigen Forderungen der Wissenschaft 2 ). Die Zufallshaftung des StGB, ist antiquiert. Bei den verhältnismäßig wenigen Tatbeständen, in denen die Erfolgshaftung im Sinne des § 1 5 noch eine Rolle spielt, ist überall auf diese Vorschrift verwiesen. Mißverständnisse der Praxis über den jeweils wechselnden Sinn des Hinweises sind nicht zu besorgen. E s ist klar, daß die Todesfolgen in § 211, § 234 I, § 305 Bestrafung nach diesen Vorschriften nur herbeiziehen, wenn sie f a h r l ä s s i g verschuldet sind, da bei Vorsatz ein selbständiges schwereres Delikt (§§ 221/2) erfüllt ist. Anders allerdings im Falle des § 245 Abs. 2 (Zweikampf mit Todeserfolg). Bei einem Zweikampf mit tödlichen Waffen (wozu die studentische Mensur nicht gerechnet werden dürfte) muß umgekehrt angenommen werden, daß der tatsächlich eingetretene Todesfall vielfach dem Täter zum, wenngleich vielfach nur bedingten, V o r s a t z zuzurechnen ist. Schon deshalb ist hier die Idee 0 Z. 30, 264; G. S. 77, 44. >) W a c h . DJZ. 1910, 108/9; v. H i p p e l Z. 42, 525; G r a f zu D o h n a JW. 1921, 369; Ebermayer JW. 1922, 244. 5*
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des § i 5 nicht am Platze. Wenn nach der Natur des Deliktes der Wille in der Regel einen bestimmten Erfolg erstrebt, können Unterschiede im Willen des Täters nicht danach gemacht werden, ob der Erfolg auch erreicht wird oder nicht. Ob bei einem Zweikampf mit tödlichen Waffen der Todeserfolg eintritt, hängt vielfach vom Zufall ab. Ein Gesetz, das Strafe von einer Schuld abhängig macht und je nach dem Grade der Schuld straft, muß notwendig in diesem Tatbestand die Erfolgshaftung als straferhöhendes Moment streichen. Zu §§ 16—19. Bei der Begriffsbestimmung der U n z u r e c h n u n g s f ä h i g k e i t (§ 17) folgt der AE. 25 der sogen, biologisch-psychologischen Methode: Es müssen gewisse Ursachen festgestellt werden, Bewußtseinsstörung, krankhafte Störung der Geistestätigkeit, Geistesschwäche, und es muß ebenso die Wirkung dieser Ursachen vorhanden sein, die Unfähigkeit, das Unerlaubte der Tat einzusehen oder dieser Einsicht gemäß zu handeln. In der Konstruktion weicht dieser Vorschlag von § 51 StGB, nicht ab. Die biologischen oder psychologischen Zustände sind fast die gleichen. Mit Recht hebt die Begr. hervor, daß der Ersatz des Begriffs »Bewußtlosigkeit« durch »Bewußtseinsstörung« keine Rechtsänderung bedeutet, da schon jetzt von der Praxis jede erhebliche Beeinträchtigung des Bewußtseins als Bewußtlosigkeit aufgefaßt wird. Auch die Aufnahme der Geistesschwäche hat gegenüber dem geltenden Recht keine große Bedeutung. Schon nach den Motiven zum StGB, fällt die angeborene Geistesschwäche unter die krankhafte Störung der Geistestätigkeit1). Daß der AE. 25 eine Definition der Unzurechnungsfähigkeit, nicht positiv eine solche der Zurechnungsfähigkeit gibt, entspricht gebräuchlicher legislatorischer Technik und ist jedenfalls kein Fehler2). Eine Ungenauigkeit, auf die Wachenfeld 3 ) hinweist, kann leicht richtiggestellt werden: Die Unzurechnungsfähigkeit muß zur Zeit der »Handlung« bestehen (wie im § 51 StGB.), nicht zur Zeit der »Tat«. Doch es ist kaum anzunehmen, daß hieraus Mißverständnisse entstehen. Die grundsätzliche Frage, ob der Gesetzgeber nicht überhaupt E. 15, 98. ») A. A. W a c h e n f e l d GA. 1925 S. 257; v. H i p p e l Z. 42, 426 sagt richtig, daß beide möglichen Fassungen dasselbe sagen. 3) a. a. 0 .
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der reinen psychologischen Methode folgen und auf Benennung der biologischen Ursachen ganz verzichten soll 1 ), ist m. E. für die Praxis zu verneinen. Zuzugeben ist, daß mit der kasuistischen Anführung von krankhaften Bewußtseinszuständen die Möglichkeit der Unvollständigkeit verknüpft ist. Daß hieraus aber schon bisher der Judikatur erhebliche Schwierigkeiten erwachsen wären, muß verneint werden. Angenommen, das Gesetz stelle als Kriterium der Unzurechnungsfähigkeit nur die Unfähigkeit auf, das Unerlaubte der Tat einzusehen usw., so wird in jedem praktischen Falle notwendig gefragt werden müssen, wie diese psychologische Unfähigkeit zu erklären ist. Beruht sie nicht auf anormalen Geisteszuständen, so kann allenfalls ein Rechtsirrtum in Frage kommen, niemals aber eine Unzurechnungsfähigkeit, da das Strafgesetz von dem Postulat ausgehen muß, daß der geistig gesunde Mensch auch anders hätte handeln können. Eine Abweichung von der biologischen Norm, eine irgendwie krankhafte Veranlagung, wird als Ursache der Unfähigkeit gesucht werden müssen. Es ist undurchführbahr, in der Praxis nur die Wirkungen zu konstatieren, ohne den Grund zu erkennen. Diese causa aber mit einem vagen Begriff wie »mangelnde Verstandesreife«2) zu bezeichnen, ist mindestens ebenso gefährlich, wie sie überhaupt nicht zu nennen. Das Gesetz darf den Richter und Sachverständigen in diesem Punkte nicht im Stiche lassen 3 ). Die Praxis kann sich ohne solche Anleitung ebenso zu einer unzuträglichen Erweiterung wie Einschränkung der Unzurechnungsfähigkeit entwickeln. Es besteht aber gar kein Bedürfnis dafür, die bisherige Praxis wesentlich zu ändern. Selbst a«f die Gefahr hin, daß alle Jahrhunderte einmal sich ereignende Ausnahmefälle wie der eines K a s p e r H a u s e r nicht richtig beurteilt werden sollten 4 ), muß ein solches Experiment unterlassen werden. Die psychologische Wirkung der krankhaften Geisteszustände wird vom AE. 25 formuliert als die Unfähigkeit, das Unerlaubte der Tat einzusehen oder dieser Einsicht gemäß zu handeln. Prinzipiell ist diese Fassung der früheren »Ausschluß der freien Willensbestimmung« vorzuziehen. Sehr groß ist der Unterschied aber nicht. Die herrschende Praxis 5 ) fordert, daß der Täter im Besitz der geistigen Fähigkeiten sein muß, die ') So W a c h e n i e l d a . a . O . ; G e r l a n d , Entwurf 1925 S. 32. 2) v. H i p p e l Z. 32, 115 f. 3) B i n d i n g Normen II S. 171. 4) W a c h e n f e l d a. a. 0. 5) Leipz. Komm. A. 3 zu § 51.
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die Erkenntnis der Rechtspflichten als Elemente für die Willensbildung ermöglichen. In diese einheitliche Auffassung der Unzurechnungsfähigkeit aber bringt § 17 AE. 2 5 durch ein Wort eine höchst bedenkliche Verwirrung. Die Einsicht soll sich auf »das Unerlaubte« der Tat beziehen, wobei nach der Begründung dieser Begriff ebenso wie im § 1 3 auch das s i t t l i c h Verbotene umfassen soll 1 ). Weder in den Vorschlägen der früheren Entwürfe noch der Literatur findet sich hierfür ein Vorbild. KE. 13 und E. 19 verwandten den Ausdruck »das Ungesetzliche«. In den Vorschlägen des 27. Deutschen Juristentages und bei Kahl 2 ) wird vom Verständnis für »die Strafwürdigkeit« gesprochen. Selbst der von v. B a r 3 ) gewählte Ausdruck der »Unzulässigkeit« wird dahin erklärt, daß die Handlung dem Täter als eine gegen die soziale Ordnung gerichtete erscheinen müsse, und die Moralwidrigkeit als solche wird ausdrücklich ausgeschieden. Überhaupt muß man v. Hippel 4 ) beipflichten, daß trotz der verschiedenen Formulierungen der fraglichen Fähigkeit man sich bisher wesentlich Verschiedenes darunter nicht vorgestellt hat. Der AE. 25 aber zwingt dazu, in die Untersuchung der Unzurechnungsfähigkeit wesensfremde und schwer zu beurteilende Momente einzuführen. Ich halte diese Änderung der früheren Entwürfe für alles andere als eine Verbesserung6). Die Gründe, die bei der Kritik des § 13 gegen die Vermischung von Rechit und Moral sprechen, gelten auch hier. Die Straftat interessiert objektiv als Verstoß gegen die Rechtsordnung, nicht als solcher gegen das Sittengesetz. Die Rechtspflichten sind mit dem Gesetz gegeben, über Moralgebote läßt sich immer streiten. Soll nun bei Beurteilung des subjektiven Tatbestandes nicht allein die Erkenntnis der Rechtspflicht, sondern auch diejenige der sittlichen Pflicht geprüft werden, so ist eine willkürliche Praxis unvermeidlich. Gerade in Grenzfällen, in denen der Mediziner die Erkennbarkeit der Rechtspflicht verneint, wird das Gericht geneigt sein, das Bewußtsein der Moralwidrigkeit anzunehmen, und die Gefängnisse werden sich mit Psychopathen füllen, was der AE. 2 5 doch im Prinzip vermeiden will. ') G e r l a n d , Entwurf 1925 S. 32 berücksichtigt die Begründung noch nicht, wenn er als selbstverständlich das Unerlaubte dem Ungesetzlichen gleichsetzt. ») VDA. I S. 77. 3) Gesetz und Schuld II 34 f. 4) Z. 32, 131. 5) A. A. Wach DJZ. 1925, 534.
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Daß die Vorschriften über Jugendliche, soweit sie materiellrechtlicher Art sind, aus dem StGB, ausgeschieden werden sollen, halte ich für einen Fehler. Schon jetzt ergeben sich nicht unerhebliche Differenzen in der gesetzlichen Regelung. Die Formulierung des § 3 des Jugendgerichtsgesetzes vom 16. Februar 1923 ist eine andere als diejenige im § 17, indem hier »das Ungesetzliche«, dort das »Unerlaubte« Kriterium der fraglichen Handlungsfähigkeit sein soll. Die Fähigkeit der Einsicht und Willensbestimmung kann aber sicherlich bei Erwachsenen und Jugendlichen nur einheitlich begrifflich festgelegt werden. Ein offenbarer Fehler ist es auch, daß der Strafmilderungsgrund der verminderten Zurechnungsfähigkeit bei Jugendlichen überhaupt fehlt. Ein Strafgesetzbuch., das in sehr weitem Umfange neben den Strafen Maßregeln der Besserung und Sicherung einführt, kann den Begriff der v e r m i n d e r t e n Z u r e c h n u n g s f ä h i g k e i t nicht mehr entbehren. Eine Auseinandersetzung mit den ganz vereinzelten Gegnern jeder Anerkennung der verminderten Zurechnungsfähigkeit liegt außerhalb des praktischen Zweckes dieser Ausführungen. Es ist sicher, daß die von Kriminalisiten aller Richtungen und Medizinern1) befürwortete Reform im neuen Strafrecht verwirklicht werden wird. Der AE. 25 schreibt im Falle verminderter Zurechnungsfähigkeit bindend Strafmilderung vor, ebenso wie schon der K.E. 1 3 und E. 19. Diese Regelung ist der nur fakultativen Berücksichtigung 2 ) des fraglichen Geisteszustandes vorzuziehen. Denn das Gesetz straft nach dem Grade der Schuld. Wie Unzurechnungsfähigkeit die Schuld aufhebt, so ergibt verminderte Zurechnungsfähigkeit einen geringeren Schuldgrad. Allerdings werden auch in Zukunft Delikte von vermindert Zurechnungsfähigen verübt werden, die auf die Öffentlichkeit besonders abstoßend wirken und im Volke kein Verständnis für eine mildere Gesetzesanwendung erwecken. Aber wenn der Gesetzgeber bei einer Strafrechtsreform den Gefühlen der breiten Masse entscheidende Bedeutung einräumen wollte, so würden viele unzweifelhaft berechtigte Forderungen der Wissenschaft, die den Volksstimmungen vorauseilt, unerfüllt bleiben. Um vereinzelter krasser Untaten willen darf man nicht die Gefahr heraufbeschwören, die zahlreichen vermindert Zurechnungsfähigen zum größten Teil falsch zu behandeln. Das wäre ') Siehe Kahl VDA. I 1 f.; L e p p m a n n im Offiz. Bericht des Preuß. Medizinalbeamten-Vereins für 1910 S. 14 f. J ) Dies schlägt Kahl a. a. 0. S. 77 vor.
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Verbrechen und Vergehen.
Allgemeiner T e i l .
zu erwarten, wenn die Entscheidung, ob volle oder mildere Strafe eintreten soll, im Ermessen des Gerichts läge. Es sind Bedenken dagegen erhoben worden 1 ), für die schuldmindernden Anormalitäten den Ausdruck »verminderte Zurechnungsfähigkeit« zu verwenden. Es wird befürchtet, daß die Grenze zwischen Zurechnungsfähigkeit und Unzurechnungsfähigkeit verwischt wird, und es soll der Ausdruck »geistige Minderwertigkeit« vor dieser Gefahr behüten. Ich halte diesen Einwand für unzutreffend. Nicht auf das Wort, sondern auf die Sache kommt es an, und materiell läßt es sich gar nicht leugnen, daß es sich durchweg um Grenzfälle zwischen Zurechnungsfähigkeit und Unzurechnungsfähigkeit handelt. In der forensischen Praxis spielt sich von je die Konstatierung der geminderten Zurechnungsfähigkeit in der Hauptsache so ab, daß der Täter sich auf Unzurechnungsfähigkeit beruft, das Gutachten der Ärzte nur auf geminderte Zurechnungsfähigkeit lautet. Tatsächlich wird im konkreten Fall die Grenze zur Unzurechnungsfähigkeit einerseits und zur Zurechnungsfähigkeit andererseits gezogen werden müssen. Daß diese Grenzziehung anders ausfällt, wenn »geistige Minderwertigkeit« festgestellt werden soll, kann doch wohl nicht behauptet werden. Die Fähigkeit, »das Unerlaubte der Tat einzusehen oder dieser Einsicht gemäß zu handeln«, muß nach AE. 25 in »hohem Grade« vermindert sein. Diese Formulierung hat, worauf W a c h e n f e l d 2 ) hinweist, erhebliche Bedenken gegen sich. Die Grenze ist unzweifelhaft flüssig, und sie kann in der Praxis auch leicht zuungunsten, der wirklich Unzurechnungsfähigen verschoben werden. Bei dem feststehenden Mißtrauen der Judikatur 3 ) gegen den Einwand geistiger Störungen ist damit zu rechnen, daß infolge dieser Fassung sowohl die verminderte Zurechnungsfähigkeit wie die Unzurechnungsfähigkeit unzweckmäßig eingeschränkt werden. Die Streichung dieser Worte: »in hohem Grade« wird sicherlich nicht zu einer Beeinträchtigung der Strafjustiz beitragen. Man darf nicht vergessen, daß diese Art der Minderung der Deliktsfähigkeit ebenfalls beruhen muß auf Bewußtseinstörungen, krankhafter Störung der Geistestätigkeit oder Geistesschwäche. Diese krankhaften Geisteszustände bedingen an sich eine erhebliche Abweichung von dem normalen psychischen Leben. Aber auch der ' ) B e l i n g , Methodik der Gesetzgebung S. 137; T r ä g e r Z. 43, 136. *) G A . 1925 S. 259. 3) siehe L e i p z . K o m m . A. 7 zu § 51.
A l s b e r g , Abschn. 2 : Schuld. §§ 12—19
AE.
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Ausdruck »Verminderung« kann nicht, und wird namentlich in der Praxis nicht so ausgelegt werden, als ob schon geringe Beeinträchtigungen genügten. Der Zustand der Zurechnungsfähigkeit umfaßt die verschiedensten Grade geistiger Fähigkeiten, oberhalb und unterhalb der schwer festzustellenden normalen Mittellinie. Wenn auf der Basis krankhafter Geisteszustände eine Minderung festgestellt werden soll, muß die Abweichung erheblich sein. Auch K a h l 1 ) begnügt sich in seinem Vorschlage mit einer unqualifizierten Verminderung, während allerdings die GE. 11, KE. 19 und E. 19 eine »wesentliche« oder »hochgradige« Beeinträchtigung erfordern. Was oben gegen den Begriff des »Unerlaubten« eingewandt ist, gilt selbstverständlich auch für die verminderte Zurechnungs.fähigkeit. Besonders bedenklich erscheint mir aber die weitere Bestimmung, daß die Strafmilderung entfällt, wenn die Bewußtseinsstörungen auf s e l b s t v e r s c h u l d e t e r T r u n k e n h e i t beruhen. Die Konsequenz dieser Regelung ist, daß, wenn der Täter sich in einem Zustand befunden hat, der die Handlungsfähigkeit ausschloß, die Selbstverschuldung gleichgültig ist, während, wenn er nicht in dem Maße betrunken war, die Selbstverschuldung ihm die Vergünstigung nimmt, nur als vermindert zurechnungsfähig behandelt zu werden. Für eine einzige, allerdings häufige Art der Bewußtseinsstörung wird hier eine folgenschwere Entscheidung gefordert, die im konkreten Fall sehr schwer zu treffen ist. Die Grenze zwischen einer Trunkenheit, die den Täter unzurechnungsfähig macht, und einer solchen, die die Zurechnungsfähigkeit nicht völlig aufhebt, ist außerordentlich schwierig zu ziehen. Die Gerichte neigen schon jetzt dazu, an Bewußtseinsstörungen, die durch Trunkenheit veranlaßt sind, einen sonders scharfen Maßstab anzulegen. Das R G . weist demgegenüber darauf hin 2 ), daß dieser Zustand geistiger Störung nicht anders betrachtet werden darf wie sonstige geistige Erkrankungen. Die Anwendung des § 51 StGB, hängt allein davon ab, ob der Zustand der Trunkenheit die bei Begehung der Tat obwaltenden Hemmungsvorstellungen nicht mehr zur Geltung kommen läßt. Eine »sinnlose Trunkenheit« ist daher nicht erforderlich; auch bei einem geringeren Grade können die Einwirkungen des Alkohols die »freie Willensbestimmung« aufheben. E s genügt auch bei der allgemeinen Unzurechnungsfähig1) V D A . I 77. *) siehe J W . 1924 S. 1727 Nr.12.
i . Buch.
Verbrechen und Vergehen.
Allgemeiner Teil.
keit nicht, daß der Täter wußte, was er tat. Der Einfluß des Geisteszustandes auf den Willen ist zu prüfen. Es ist zu fragen, ob er unfähig war, seinen Willen gemäß dieser Einsicht zu bestimmen 1 ). So hat schon jetzt das RG. Definitionen herausgearbeitet, die sich im wesentlichen mit den Begriffsbestimmungen des AE. 2 5 decken, und hat auf die Anwendung des Begriffs auch auf die Fälle der Trunkenheit gedrungen. Der § 17 Abs. 2 S. 2 bedeutet eine Gefährdung dieser richtigen Gesetzesauslegung, die doch durchaus im Sinne des § 17 Abs. 1 liegt. Denn wenn das Gesetz erkennen läßt, daß es im Prinzip die Trunkenheit bestraft — eine Strafe ist es, wenn der Zustand selbstverschuldeter Trunkenheit den Milderungsgrund verminderter Zurechnungsfähigkeit ausschließt —, so muß notwendig bei der Konstatierung der Trunkenheit eine härtere Beurteilung als bisher Platz greifen. Die Fälle, in denen Trunkene für unzurechnungsfähig erklärt werden, werden noch mehr beschränkt werden. Im Zweifel wird nur verminderte Unzurechnungsfähigkeit angenommen werden, und der Richter wird sich in seinem Gewissen beruhigt fühlen, wenn er in solchen Grenzfällen bestraft, da er sich sagt, daß der Gesetzgeber eine Strafe für solche Person will. Aber nicht allein solche rein praktischen Bedenken müssen gegen die Vorschrift geltend gemacht werden. Die Idee ist mit der Schuldlehre, wie sie den AE. 25 beherrscht, völlig unvereinbar. Es wird hier ein gesetzgeberischer Zweck, Bekämpfung der Trunksucht, der durch alle möglichen sonstigen Spezialmaßnahmen verfolgt werden kann, in eine ganz andersartige Zweckreihe hineingebracht, so daß deren Sinn und Erfolg dadurch verwirrt wird. Die Strafe soll dem Grade der Schuld, wie sie bei der Tat obwaltet, entsprechen, und bei verminderter Schuld infolge von Bewußtseinsstörungen soll mildere Strafe auszuwerfen sein. Man verläßt diesen Grundsatz und führt die vom Entwurf verpönte Erfolgshaftung wieder ein, wenn man allein bei selbstverschuldeter Trunkenheit die Schuld an der Trunkenheit, nicht die Schuld an der T a t für die Strafe entscheidend sein läßt. Die selbstverschuldete Trunkenheit, die bekämpft werden soll, wird nur dann bestraft, und zwar u. U. sehr schwer, wenn sie den Anlaß zu einem Delikt gibt. Eine solche Ausnahmebestimmung kann zudem nicht ohne Rückwirkung auf die Handhabung des Begriffs der verminderten Zurechnungsfähigkeit überhaupt in der Praxis bleiben. Warum 0 Siehe JW. 1923 S. 606 Nr. 1; E . 57, 76.
A l s b e r g , Abschn. 2: Schuld.
§§ 12—19 AE.
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soll allein bei verminderter Zurechnungsfähigkeit infolge Trunkenheit nach der Verschuldung dieses Zustandes gefragt werden ? Es ist unausbleiblich und letzten Endes auch gerecht, überall nach den Gründen der verminderten Zurechnungsfähigkeit zu fragen. Es ist gar kein Grund einzusehen, warum bei Herbeiführung verminderter Zurechnungsfähigkeit durch Genuß von Rauschgiften, Kokain, Morphium usw., nicht ebenfalls die Frage der Verschuldung geprüft werden soll. Wird der schuldmindernde Geisteszustand aber erst einmal von diesem Gesichtspunkt aus betrachtet, dann wird sich das in der Praxis dahin auswirken, daß die verminderte Zurechnungsfähigkeit in weitem Umfange nicht anerkannt wird, so daß der ganze Begriff allgemein oder jedenfalls ad hoc stark eingeschränkt wird. Der Begriff der s e l b s t v e r s c h u l d e t e n T r u n k e n h e i t ist außerordentlich weit. Stellt man die Frage so, ob der Täter den Zustand hätte vermeiden können und sollen, so lange er nüchtern war, lediglich um nicht in diesen Zustand zu verfallen, so liegt nur in Ausnahmefällen eine Schuldlosigkeit hinsichtlich der Trunheit vor. Nur schon bestehende krankhafte Veranlagung, Heredität, oder die seltenen Fälle, in denen der Täter wider seinen Willen betrunken gemacht wird, werden die Selbstverschuldung ausschließen. Je nach dem persönlichen Standpunkt des Richters zur Alkoholfrage überhaupt wird auch hier noch die Tatfrage verschieden beurteilt werden. So wird selbst hochgradige Trunkenheit nur in vereinzelten Fällen bei der Bestrafung berücksichtigt werden. Man braucht nicht zu fürchten, daß der Fortfall des § 17 Abs. 2 sich als eine Begünstigung der Alkoholexzesse auswirkt. Schon bisher wird, wie erwähnt, die bis zur Unzurechnungsfähigkeit gesteigerte Trunkenheit in der Praxis sehr kritisch betrachtet. Für den Zustand verminderter Unzurechnungsfähigkeit ist aber nicht jede Angetrunkenheit genügend, auch wenn man von dem Erfordernis des Entwurfs, daß die Handlungsfähigkeit hochgradig vermindert sein müsse, ganz absieht. E s ist zu berücksichtigen, daß die Trunkenheit sich als Bewußtseinsstörung oder krankhafte Störung der Geistestätigkeit bemerkbar machen muß, und daß die Fähigkeit, besserer Einsicht gemäß handeln zu können, aus diesem Grunde beeinträchtigt sein muß. Diese Voraussetzungen werden in der Praxis wie bisher streng genommen werden. Ich bin mit W a c h e n f e l d 1 ) der Ansicht, daß die Behandlung der Trun•) GA. 1925 S. 259.
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Buch.
Verbrechen und V e r g e h e n .
Allgemeiner
Teil,
kenheit im AE. 25 oft zur Verhängung einer unverdient hohen, oder gar einer unverdienten Strafe führen kann, und daß dieser Vorschlag aus prinzipiellen theoretischen und praktischen Gründen abzulehnen ist.
B. Der Ausschluß der Rechtswidrigkeit und Verwandtes (§§ 2 0 - 2 2 AE). Von
Professor Dr. J. Heimberger, Frankfurt a. M.
I. Allgemeines. Die Widerrechtlichkeit ist ein selbstverständliches Merkmal des Verbrechensbegriffs. Der AE. 25 hat daher mit Recht dort, wo sich bisher das Wort »rechtswidrig« oder »widerrechtlich« im besonderen Tatbestand strafbarer Handlungen fand, darauf verzichtet, es wieder aufzunehmen (so in §§ 249, 251, 253, 294). Ebenso selbstverständlich ist es .umgekehrt, daß eine Handlung nicht Verbrechen ist, wenn es ihr trotz äußerer Tatbestandsverwirklichung an der Rechtswidrigkeit fehlt, sei es, daß diese durch einen Satz des geschriebenen oder des ungeschriebenen, des öffentlichen oder des Privatrechts ausgeschlossen ist. Trotz dieser Selbstverständlichkeit hält es der AE. in Übereinstimmung mit K.E. 13, E. 19 und ÖGE. 21 für geboten, in § 20 dies eigens zum Ausdruck zu bringen. Warum es geschieht, läßt sich weder der Begr. 25 noch der Denkschr. 19 entnehmen. Letztere bemerkt nur nebenbei auf S. 34 Abs. 2, die Fassung der Vorschrift stelle klar, daß straflos bleibe, wer nur glaube, rechtswidrig zu handeln, während es in Wirklichkeit an der Rechtswidrigkeit der Tat fehle — mit anderen Worten: sie enthalte eine Strafloserklärung des Putativdeliktes. Dies kann aber nur als eine Nebenwirkung der Vorschrift betrachtet werden, die auch auf anderem Weg zu erreichen wäre. Die Bestimmung ist daher, weil sie Selbstverständliches sagt, an sich überflüssig. Allein der Entwurf soll zugleich ein Entwurf für Österreich sein,
H e i m b e r g e r , A b s c h n . 2 : Rechtswidrigkeit.
§§ 20—22
AE.
und dort habe, sagt L ö f f l e r u n t e r Anführung von Beispielen, die Praxis gezeigt, daß es eines solchen Hinweises, wie ihn § 20 enthalte, bedürfe. Daher mag mit Rücksicht auf die Bedürfnisse der österreichischen Rechtsprechung der § 20 stehen, bleiben, zumal seine Aufnahme in das Gesetz jedenfalls keinen Schaden bringen kann. II. Notwehr. Der allgemeinen Regel in § 20 folgt im AE. selbst nur ein einziger Rechtfertigungsgrund: die Notwehr. A. Die neue Fassung des Notwehrbegriffs in § 21 bedeutet einen Fortschritt gegenüber der bisherigen: 1. Statt des farblosen Ausdrucks »nicht strafbar« gebraucht der AE. zur Charakterisierung der Notwehr den bezeichnenderen und der einhelligen Auffassung in Wissenschaft und Rechtsprechung entsprechenden Ausdruck »nicht rechtswidrig«. 2. Eine Verbesserung ist es, daß nur demjenigen die Berufung auf Notwehr zugebilligt wird, der »sich in einer den Umständen angemessenen Weise verteidigt«. Manche sehen darin allerdings eine Verschlechterung, m. E. mit Unrecht, da durch diese Fassung verschiedenen, vielfach gerügten Mißständen abgeholfen wird. a) Es ist ein Fehler des geltenden Rechts, daß es. zum Schutz der geringwertigsten Dinge die wertvollsten Güter des Angreifers zu vernichten gestattet, wenn dies zur Abwehr des Angriffs erforderlich ist. Man empfindet dies als eine Überspannung des Rechts — auch wenn es sich um einen rechtswidrig Angreifenden handelt. Trotzdem möchte ich die Zulässigkeit der Notwehr nicht von einem bestimmten Wertverhältnis zwischen angegriffenem und durch die Abwehr verletztem Rechtsgut abhängig machen; denn einem frechen Rechtsbrecher gegenüber muß auch ein Rechtsgut von geringerem Wert nachdrücklich verteidigt werden dürfen. Aber die neue Fassung des Notwehrbegriifs gibt dem Richter die Möglichkeit, den verschieden gearteten Umständen des einzelnen Falls, wenn nötig auch einem Mißverhältnis im Wert des angegriffenen und des verletzten Rechtsguts, Rechnung zu tragen. b) Man wirft dem geltenden Recht auch vor, daß es bei der Zulassung der Abwehr keinen Unterschied mache, von wem ') Der Deutsche Strafgesetz-Entwurf. Gleispach, Leipzig 1921 S. 27.
Berichte der Ö K V . herausg. von W._
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i. Buch.
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Allgemeiner Teil.
der Angriff ausgehe, ob von einem Zurechnungsunfähigen oder einem geistig Gesunden, ob von einem Kind oder einem gewalttätigen Verbrecher, ob von einem fahrlässig oder vorsätzlich Handelnden. Die neue Fassung schafft auch hier Abhilfe. Es ist keine den Umständen angemessene Verteidigung, einen Geisteskranken, den man als solchen erkannt hat, oder ein Kind niederzuschießen, dessen Angriff man ausweichen kann, ebenso wie es unangemessen wäre, einen solchen Angreifer, falls man ihm nicht ausweichen kann, um eines unbedeutenden Rechtsgutes willen zu töten oder schwer zu verletzen, statt das Rechtsgut preiszugeben. c) Ferner bietet die neue Fassung die Möglichkeit einer befriedigenden Entscheidung in Fällen, in welchen die Verteidigungshandlung in rechtlich geschützte Interessen eines unbeteiligten Dritten eingreift. Vielfach will man die Verletzung des Dritten nicht durch Notwehr gedeckt sein lassen, sondern sie nur aus dem Gesichtspunkt des Notstands. beurteilt wissen. Die über den Angreifer hinauswirkende Abwehrhandlung müßte also in zwei Teile zerlegt werden, deren erster eine Verteidigung gegen den Angreifer, deren zweiter ein Angriff gegen den unbeteiligten Dritten wäre — jener rechtmäßig, dieser nach AE. 25 rechtswidrig und unter Umständen strafbar. Da der erste nicht vorgenommen werden kann ohne den zweiten, würde der Gesetzgeber, wenn er den zweiten als strafbar erklärte, mit der andern Hand nehmen, was er mit der einen gegeben hat. Vernünftigerweise kann man die Abwehrhandlung nur als ein Ganzes betrachten. Greift sie in Rechtsgüter eines Dritten ein, so wird zu prüfen sein, ob es den Umständen angemessen "war, daß der Angegriffene sie dennoch vornahm. Man wird eine solche Angemessenheit verneinen müssen, wenn man dem Angegriffenen unter den gegebenen Umständen zumuten konnte, daß er lieber dem Angriff ausweiche oder das eigene gefährdete Rechtsgut opfere, als jenes eines unbeteiligten Dritten verletze. B. In anderer Richtung bedarf § 21 einiger Abänderung und Ergänzung: 1. Streitig ist immer noch die Frage, ob Notwehr gegen Tiere zulässig ist. M. E. muß die Frage bejaht werden. § 228 BGB. kann daran nicht irre machen. Zur Begründung mag der Hinweis auf ötkers Ausführungen in der VD. A II S. 263 ff. genügen. Wäre man gegenüber Tieren auf Notstandshandlungen beschränkt, so würde dies, wie oft genug gezeigt, zu dem ungereimten Ergebnis führen, daß dem Tier ein weitergehender Schutz
H e i m b e r g e r , Abschn. 2 : Rechtswidrigkeit.
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zugebilligt wäre als dem Menschen. Dies kann der Gesetzgeber unmöglich gewollt haben. Der formalistische Grund, von einem Tiere könne kein rechtswidriger Angriff ausgehen, da Tiere duTch Rechtsnormen nicht gebunden sein könnten, schlägt nicht durch. Man müßte sonst auch die Angriffe Geisteskranker als nicht rechtswidrig ansehen; denn für diese sind die Strafgesetze auch nicht geschrieben. Da die Rechtsprechung und die Theorie nicht zur Klarheit kommen, soll der Gesetzgeber sie schaffen, indem er den Tierangriff ausdrücklich in den § 21 Abs. 2 aufnimmt. Wenn man sich scheut, von rechtswidrigem Angriff eines Tieres zu sprechen, obwohl der Angriff eines Tieres, der sich gegen Rechtsgüter eines Menschen richtet, sicher materiell rechtswidrig ist, so mag man die Bestimmung folgendermaßen fassen: »In Notwehr handelt, wer sich oder einen anderen gegen einen gegenwärtigen rechtswidrigen Angriff eines Menschen oder gegen einen gegenwärtigen Angriff eines Tieres in einer den Umständen angemessenen Weise verteidigt«. 2. Der Bestimmung über den Notwehrexzeß in § 21 Abs. 3 kann ich nicht durchweg zustimmen. Der Grund, weshalb für eine Überschreitung der Notwehr Strafmilderung oder auch Straffreiheit eintreten soll, kann nur die durch den Angriff hervorgerufene Aufregung oder Bestürzung sein. Schlechtweg bei jeder Überschreitung, mag sie aus welchem Grund immer stattgefunden haben, Strafmilderung zu gestatten, halte ich nicht für angebracht. Mit Recht sagen die Vorschläge der 'Münchener Jurist. Studiengesellschaft (S. 19), man denke auch bei Überschreitung sonstiger Befugnisse wie etwa des Züchtigungsrechts nicht daran, sie zu privilegieren. Aber selbst eine wegen Aufregung oder Bestürzung entschuldbare Überschreitung auf alle Fälle straflos zu lassen, scheint mir nicht gerechtfertigt 1 ). Sie kann mehr oder minder entschuldbar sein und im letzteren Fall immer noch eine Strafe verdienen. Es empfiehlt sich daher, hier dem richterlichen Ermessen Spielraum zu gewähren und etwa zu sagen: »Hat der Täter die Grenzen der Notwehr aus Aufregung oder Bestürzung überschritten, so kann die Strafe gemildert oder der Täter für straffrei erklärt werden«. 4
Eine schon unter der Herrschaft des geltenden Rechts vertretene Meinung (vgl. z. B. von Hippel, Z. 42 S. 417 und die bei Goldschmidt, Der Notstand ein Schuldproblem, S. 52 A. 26
') Ebenso Wachenfeld, Der Allgemeine Teil des Strafgesetzentwurfs von 1925 S. 20.
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i . Buch.
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Allgemeiner Teil.
angegebene Literatur) versagt demjenigen das Recht der Notwehr, der einen Anderen vorsätzlich zum Angriff reizt, um ihn dann unter dem Vorwand der Notwehr zu verletzen. Ich halte diese Ansicht für richtig. Bei Licht betrachtet ist der Anreizende der eigentliche Angreifer. Der Fall hat eine gewisse Ähnlichkeit mit jenem der actio libera in causa. Goldschmidt (S. 53) nennt ihn eine quasi-actio 1. i. c. Der Gesetzgeber soll für die Zukunft die Möglichkeit, in derartigen Fällen das Recht der Notwehr zuzubilligen, abschneiden, indem er zwischen Abs. 2 und 3 des § 21 etwa folgende Bestimmung einfügt: »Auf Notwehr kann sich nicht berufen, wer den Angriff vorsätzlich herbeiführte, um unter dem Vorwand der Notwehr den Angreifer zu verletzen.« Die Münchner Jurist. Studiengesellschaft (S. 17 und 20) will für diesen Fall das Gericht ermächtigen, statt freizusprechen die Strafe zu mildern. Ich sehe keinen Grund zur Strafmilderung. Wenn der Täter den Angriff absichtlich herbeiführte, muß er ihm entweder ausweichen oder ihn ohne Gegenwehr über sich ergehen lassen, genau so gut, wie er nach geltendem Recht den selbstverschuldeten Notstand ertragen muß. E s bleibt in Fällen, in welchen dies zu hart erscheinen könnte, immer noch die Möglichkeit der Anwendung der neuen Bestimmungen über den Notstand in § 22 AE. 25. 3. Nach den vorstehenden Ausführungen hätte § 21 künftig etwa folgendermaßen zu lauten: »Eine Tat, die in Notwehr begangen ist, ist nicht rechtswidrig. In Notwehr handelt, wer sich oder einen anderen gegen einen gegenwärtigen rechtswidrigen Angriff eines Menschen oder gegen einen gegenwärtigen Angriff eines Tieres in einer den Umständen angemessenen Weise verteidigt. Auf Notwehr kann sich nicht berufen, wer den Angriff vorsätzlich herbeiführte, um unter dem Vorwand der Notwehr den Angreifer zu verletzen. Hat der Täter die Grenzen der Notwehr aus Aufregung oder Bestürzung übetschritten, so kann die Strafe gemildert oder der Täter für straffrei erklärt werden.« 4. Erfährt der Notwehrbegriff des geltenden Strafrechts eine Abänderung, so versteht es sich von selbst, daß auch § 227 BGB. mit dem entsprechenden Paragraphen des künftigen Strafgesetzbuchs in Übereinstimmung gebracht werden muß.
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C. Für nicht annehmbar halte ich Gerlands Vorschlag 1 ), auf eine Regelung der Notwehr im Strafgesetzbuch zu verzichten, solange das Notwehrrecht im BGB. geregelt sei. Die Notwehr ist ein Rechtsinstitut, das sich hauptsächlich auf dem Gebiete des Strafrechts entwickelt hat. Tötung, Körperverletzung, Sachbeschädigung, die bei der Notwehr in erster Linie in Betracht kommen, spielten von jeher ihre Hauptrolle im Strafrecht; in zweiter Reihe stand erst die zivilrechtliche Verpflichtung zum Schadensersatz. Wird durch Zulassung der Notwehr eine Ausnahme von den Strafdrohungen gegen jene Handlungen geschaffen, so ist es selbstverständlich, daß man die Bestimmung über die Ausnahme in jenes Gesetz einreiht, in welchem die Regel d. h. die Strafdrohung aufgestellt ist. III. Notstand.
§ 52 des geltenden StGB, ist mit Recht als entbehrlich in den AE. 25 nicht aufgenommen worden. Den am § 54 StGB, vorgenommenen Änderungen ist im Ganzen zuzustimmen. Doch bedarf Einzelnes gegenüber Angriffen und Ausstellungen der Erwägung. 1. Ist der Notstand im Gesetz als ein Grund zu bezeichnen, der die Rechtswidrigkeit ausschließt, oder nicht? Der AE. 25 § 22 entscheidet im Gegensatz zu § 21 nicht ausdrücklich die Frage, ob die Notstandstat rechtswidrig sei oder nicht. E s läßt sich aber aus einem Vergleich mit § 21 schließen, daß bei der Notstandshandlung, wenn sie auch straflos ist, die Rechtswidrigkeit nicht als ausgeschlossen gelten soll. In der Begr. 25 S. 19 ist dies ausdrücklich gesagt. Von mancher Seite, so von Gerland (S. 43ff.), wird diese Stellungnahme des AE. bedauert; ich halte sie für gerechtfertigt. Es läßt sich ein allgemeines N o t r e c h t nicht aufstellen — von vornherein nicht, wenn es sich um eine Kollision gleichwertiger Güter oder gleichstehender Pflichten handelt. Es ist aber auch bedenklich, allgemein als R e c h t zu erklären, daß sich das höherwertige Gut auf Kosten des geringerwertigen erhalte, und so dem an der Gefahr unschuldigen Anderen die Pflicht aufzuerlegen, daß er mit gebundenen Händen dem Untergang oder der Schädigung seines Rechtsgutes zusehe. Ein solches Recht mag dann zugestanden werden, wenn es sich um die Erhaltung persönlicher Rechtsgüter wie Leben, ') Der Entwurf 1925 S. 41. Reform des Strafgesetzbuchs.
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körperliche Unversehrtheit, Freiheit, Ehre auf Kosten von Sachgütern oder um Erhaltung höherwertiger auf Kosten geringerwertiger Sachgüter handelt. In anderen Fällen aber kann nur von einer Entschuldbarkeit der Notstandshandlung gesprochen werden 1 ). Diese Entschuldbarkeit ist aber nicht etwa gleichbedeutend mit Schuldausschließung, und ihr Vorliegen ist kein Schuldausschließungsgrund, welcher der Handlung den Verbrechenscharakter nimmt. Dies entspräche nicht dem hergebrachten Sinn des Wortes »entschuldbar«. Entschuldbar bedeutet etwa so viel wie begreiflich und daher verzeihlich. Der unter gewissen Voraussetzungen verzeihlichen Notstandshandlung gewährt man Straflosigkeit. Der Notstand ist hier nur persönlicher Strafausschließungsgrund. Man besorgt, daß aus der verschiedenen Behandlung des Notstandes im BGB. (§§ 228 und 904) und im künftigen StGB. Schwierigkeiten entstehen könnten, und wünscht eine einheitliche Behandlung der Gesamtmaterie des Notstands und daher Rückkehr zu den Bestimmungen des E. 19. Abgesehen davon» daß eine einheitliche Behandlung der sehr verschieden gelagerten Notstandsfälle elementare Forderungen der Gerechtigkeit verletzen würde, sind solche Besorgnisse kaum begründet. Soweit im Notstand in fremde Sachgüter eingegriffen wird, ist der Eingriff unter den Voraussetzungen der §§ 228 und 904 BGB. nidht rechtswidrig und daher nach § 20 AE. 25 nicht strafbar. Soweit ein Eingriff in andere Rechtsgüter stattfindet, ist er unter den im StGB, festzulegenden Bedingungen zwar nicht rechtmäßig, aber straflos. Aber auch ein Eingriff in Sachgüter kann, obwohl den Voraussetzungen der §§ 228 und 904 BGB. nicht entsprechend und daher rechtswidrig, dennoch nach § 22 AE. straflos sein, wenn dem Täter trotz geringeren Wertes seines Rechtsgutes nach den Umständen nicht zuzumuten war, den drohenden Schaden zu dulden. Das Verhältnis zwischen §§ 228 und 904 BGB. einerseits und § 22 AE. 25 scheint mir klar zu sein und Widersprüche nicht zu enthalten. Auch die Konflikte, welche aus der Zulässigkeit der Notwehr gegen die den Charakter der Rechtswidrigkeit tragende Notstandshandlung gefürchtet werden, kommen wohl mehr in der Theorie als in der Praxis vor. 2. Die E r w e i t e r u n g des Kreises der n o t s t a n d s f ä h i g e n ') Auch Graf zu Dohna, Recht und Irrtum
1925 S. 12/13 hält eine ein
heitliche Regelung der Notstandsfälle nicht für möglich.
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Güter hat ebenfalls Widerspruch erfahren, so von Wachenfeld 1 ), zum Teil auch von Hellmuth von Weber 8 ). Ich halte sie für durchaus berechtigt. Die Beschränkung auf Leib und Leben ist von jeher mit Grund beklagt und sogar im Weg der Analogie zu überwinden versucht worden. Man denke an Binding. Zum Teil ist dem längst empfundenen Bedürfnis durch §§ 228 und 904 BGB. schon Rechnung getragen; soweit dies nicht geschehen, soll durch die neue Fassung der Bestimmung über den Notstand geholfen werden. 3. Zweifellos ein Fortschritt ist die Ausdehnung der Zulässigkeit der N o t h i l f e . Ihre bisherige Beschränkung auf Angehörige hat zu großen Schwierigkeiten Veranlassung gegeben; ich brauche nur an die Frage der Perforation zu erinnern. Doch scheint es mir überflüssig, das Wort »Nothilfe« in die Überschrift des § 22 aufzunehmen. Man hat es auch in der Überschrift des § 2 1 für entbehrlich gehalten. 4. Mit Recht wird die Gefahr eines »erheblichen« Schadens gefordert. Man hat zwar kein bestimmtes Wertverhältnis zwischen gefährdetem und verletztem Rechtsgut verlangt, aber es kann nicht um geringfügiger Dinge und Interessen willen die Verletzung von Rechtsgütern und Interessen Unbeteiligter zugelassen werden. 5. Zur Bemessung und Abwägung der verschiedenen Verhältnisse, die bei einem Notstand zu würdigen sind, gibt der AE. 25 dem Richter den Gesichtspunkt der Zumutbarkeit an die Hand, indem er Straffreiheit gewährt, wenn dem Täter nach den Umständen nicht zuzumuten war, den drohenden Schaden zu dulden. Der Richter hat infolgedessen die Möglichkeit, Straffreiheit zu versagen, wenn der an sich erhebliche Schaden trotzdem unbeträchtlich erscheint gegenüber demjenigen, der durch die Notstandshandlung verursacht wird, oder wenn für den Gefährdeten eine Rechtspflicht zur Duldung des Schadens besteht, sei es auf Grund einer öffentlich- oder privatrechtlichen Verpflichtung (Amt, Beruf, Dienstvertrag). Die Verwendung des Begriffs der Zumutbarkeit ist zweckmäßiger als die Formel des E. 19 »pflichtmäßige Berücksichtigung der sich gegenüberstehenden Interessen (seil, durch den ' ) Der allgemeine Teil des Strafgesetzentwurfs von 1925 S. 19. *) Das Notstandsproblem.
Leipziger rechtswissenschaftl. Studien.
1 9 1 5 S. 136. 6*
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i . Buch.
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Allgemeiner Teil.
Täter)«, eine Formulierung, die zu Zweifeln und Unklarheiten reichlich Anlaß gibt. Man kann natürlich auch hier einwenden, daß dem richterlichen Ermessen zuviel Freiheit eingeräumt werde, wenn man ihm die Entscheidung überlasse, was ein erheblicher Schaden und was zumutbar sei und was nicht. Dieser Einwand läßt sich bei allen Gesetzesbestimmungen bringen, die dem Richter die Beurteilung irgend eines Sachverhaltes übertragen, besonders aber bei Bestimmungen genereller Art, wie es die hier in Frage stehenden sind. Aber wenn bei der Fassung jedes Gesetzesparagraphen die erste Sorge immer sein soll, daß man ja der Einsicht und der Vernunft des Richters nicht 'zuviel zutraue, dann hört jede Gesetzgebung auf. 6. Der AE. 25 hat das Erfordernis des Unverschuldetseins des Notstands fallen lassen. Auch hiegegen sind Bedenken ausgesprochen worden 1 ). Ich teile sie nicht. Ist der Notstand vorsätzlich herbeigeführt worden, um in demselben ein fremdes Rechtsgut vernichten oder eine Rechtspflicht nicht erfüllen zu können, so verstellt es sich von selbst, daß die Tat nicht entschuldigt, sondern als vorsätzliche bestraft wird. Zu aller Sicherheit kann man für diesen Fall eine entsprechende Bestimmung wie die bei der Notwehr vorgeschlagene in '§ 22 aufnehmen. Ist aber der Notstand nicht mit diesem Vorsatz oder durch Fahrlässigkeit herbeigeführt, so kann man es begreifen, wenn der Gefährdete sich aus der Notlage, sei es auch auf fremde Kosten, zu befreien sucht, und er wird sich davon auch durch die Aussicht auf Strafe kaum abhalten lassen. Immerhin können die Umstände so liegen, daß der Eingriff in fremde Rechtskreise oder die Verletzung einer Rechtspflicht auch hier als unentschuldbar erscheinen. Für diesen Fall hat der Richter die Möglichkeit der Bestrafung, weil die Duldung des Schadens zumutbar war. — Auch mit Rücksicht auf den Fall der Nothilfe ließ sich das Erfordernis des Unverschuldetseins nicht aufrecht erhalten, da man dem Nothelfer keine Untersuchungen darüber zumuten kann, ob der in Gefahr Schwebende die Gefahr verschuldet habe oder nicht. 7. Die Formel »wenn ihm nach den Umständen nicht zuzumuten war, den drohenden Schaden zu dulden« scheint auf den ersten Blick, soweit sie sich auf den Nothelfer bezieht, an einem Versehen zu leiden. Man glaubt zunächst, es komme nicht dar') V g l . Gerland a. a. O. S. 43.
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auf an, ob dem Nothelfer zuzumuten war, den Schaden zu dulden, sondern ob dies dem Gefährdeten zugemutet werden konnte 1 ). Die Begründung sagt nun auf S. 21 Spalte 2 Abs. 2 a. E., die Frage der Zumutbarkeit sei nach der Person zu beurteilen, die den Schutz des § 22 in Anspruch nehme; bei der Nothilfe komme es also darauf an, ob dem Nothelfer zugemutet werden könne, mitanzusehen, wie der andere Schaden leide. Die Begründung scheint mir recht zu haben. So wenig man von dem Nothelfer bei einer gegenwärtigen Gefahr verlangen kann, daß er Untersuchungen darüber anstelle, ob der Notstand von dem Gefährdeten verschuldet sei, ebensowenig läßt sich von ihm eine Prüfung fordern, ob die Duldung des Notstandes dem Gefährdeten zuzumuten sei. Man kann den Nothelfer nur aus seiner eigenen Stellung heraus beurteilen. Der Wortlaut muß also unverändert bleiben. 8. In der Fassung des § 22 Abs. 1 ist mir nicht klar geworden, warum es heißen soll »bleibt von der auf die vorsätzliche Begehung der Tat gesetzten Strafe frei« und nicht einfach »bleibt von Strafe frei«. Wenn die Voraussetzungen des Abs. 1 vorliegen, wird überhaupt nicht gestraft, weder wegen vorsätzlicher noch wegen fahrlässiger Begehung. Was die Begründung S. 22 Abs. 4 über Notstand und Irrtum über die Erlaubtheit der Tat sagt,; rechtfertigt die Beibehaltung des ausführlicheren Wortlauts nicht. Ich schlage vor, in § 22 Abs. 1 die Worte »der auf die vorsätzliche Begehung der Tat gesetzten« zu streichen. < 9. Im Gegensatz zu § 22 f . 19 enthält AE. 25 keine Bestimmung über den Notstandsexzeß. Warum sie gestrichen wurde, ist nicht ersichtlich. Ich sehe keinen Grund dafür und empfehle ihre Wiederaufnahme durch Anfügung eines Abs. 4, der, falls Abs. 3 des § 21 nach meinem Vorschlag angenommen werden sollte, lauten könnte: »§ 21 Abs. 4 findet entsprechende Anwendung«. 10. Der § 22 wäre nach den vorstehenden Ausführungen etwa so zu fassen: »Notstand. § 22. Wer eine mit Strafe bedrohte Handlung begeht, um die gegenwärtige, nicht anders abwendbare Gefahr eines erheblichen ') Auch Gerland S. 43 A. 1 ist dieser Meinung • und schlägt vor, nach dem Worte »ihm« einzuschalten »oder dem anderen«.
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Schadens von sich oder einem anderen abzuwenden, bleibt von Strafe frei, wenn ihm nach den Umständen nicht zuzumuten war, den drohenden Schaden zu dulden. Auf Notstand kann sich nicht berufen, wer die Gefahr vorsätzlich herbeiführte, um unter dem Vorwand des Notstands straflos handeln zu können. Hat der Täter die Gefahr irrtümlich angenommen, und beruht der Irrtum auf Fahrlässigkeit, so finden die Vorschriften über fahrlässige Handlungen Anwendung. »§ 21 Abs. 4 findet entsprechende Anwendung.« 11. Im VE. 09 bzw. in der Begr. 09 S. 254 unten und im f . 19 bzw. in der Denkschr. 19 S. 38 tritt eine merkwürdige Ausdehnung des Notstandsbegriffs zutage, die sich vorher schon bei Radbruch, Abtreibung, in VDB. V S. 174 findet, nämlich daß ein rettender Eingriff in die eigenen Güter des Gefährdeten ebenfalls als Notstandshandlung zu betrachten sei. Ich bin dieser Auffassung schon in VDA. IV S. 74 entgegengetreten und halte sie auch jetzt noch für unrichtig. Unter einem Notstand hat man niemals etwas anderes verstanden als eine Kollision der Interessen des Gefährdeten mit fremden, nicht mit eigenen Interessen. Daß ich mir auf meine eigenen Kosten helfen kann, versteht sich von selbst. Und wenn ein Anderer dem Gefährdeten hilft durch Eingriff in dessen eigene Rechtsgüter, so ist dieser fremde Eingriff auch nicht aus dem Gesichtspunkte des Notstands zu beurteilen. Dies wäre eine falsche Konstruktion. Hier kommen die gewöhnlichen Regeln über ausdrückliche oder zu vermutende Einwilligung zur Anwendung. Als man diese absonderliche Ausdehnung des Notstandsbegriffs erfand, hatte man die ärztlichen Eingriffe im Auge und glaubte deren Straflosigkeit aus dem Gesichtspunkte des Notstands begründen zu können. Zu diesem Zweck bedarf der AE. 25, der die ärztlichen Eingriffe anders beurteilt, der Heranziehung des Notstandsbegriffs überhaupt nicht, und in der Begr. 25 findet sich jene befremdende Auffassung des Notstands auch nicht. Aber es wäre möglich, daß man sie im Anschluß an Begr. 09 und Denkschr. 19 für selbstverständlich hielte und Folgerungen aus ihr zöge. Deshalb soll hier gegen diese Auffassung ausdrücklich Widerspruch erhoben werden 1 ). ') Gegen sie auch Hegler S. 421.
in Z. 36 S. 42/43 und v. Hippel in Z. 42
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IV. Die Einwilligung des Verletzten. Die Frage der Einwilligung des Verletzten hat in den verschiedenen Entwürfen eine sehr entgegengesetzte Behandlung erfahren. Im VE. 09 war die Einwilligung überhaupt nicht erwähnt, im KE. 13 war sie im Abschnitt von den Körperverletzungen (§ 293) als ein Grund genannt, der die Rechtswidrigkeit der Körperverletzung ausschließe, im f . 19 wurde sie vollständig übergangen, während der AE. 25 ihr wiederum eine Bestimmung widmet. Freilich wird ihrer nicht im Allgemeinen Teil gedacht, sondern wieder wie im KE. 13 im Abschnitt »Körperverletzung«. Hier (§ 239) ist aber nicht gesagt, ob sie die Rechtswidrigkeit oder nur die Strafe ausschließe. 1 Aus der Begr. 25 S. 124 ergibt sich jedoch, daß das erste der Fall sein soll, wenn es dort heißt: »Daß es sich trotzdem aus anderen Gründen empfiehlt, den R e c h t f e r t i g u n g s g r u n d (nämlich die Einwilligung des Verletzten — Einschaltung des Verfassers) im Gesetze besonders zu regeln, ist oben S. 122 dargelegt worden«. Warum der AE. den Charakter der Einwilligung als eines Rechtfertigungsgrundes in § 239 nicht zum Ausdruck bringt, ist nicht ersichtlich. Die beiläufige Bemerkung in der Begründung ist ohne Bedeutung. Man wird am besten auf den Wortlaut des § 293 KE. 13 zurückgreifen und sagen: »Nicht rechtswidrig handelt, wer eine Körperverletzung mit Einwilligung des Verletzten vornimmt. Dies gilt nicht, wenn die Tat trotz der Einwilligung gegen die guten Sitten verstößt«. Es ist erfreulich, daß mit einer derartigen Bestimmung eine alte Streitfrage, über deren Entscheidung man sich nicht einigen konnte, endlich aus der Welt geschafft werden soll. Auch der Sinn, in dem dies geschieht, ist zu billigen. Doch wird die Vorschrift noch einer Ergänzung insofern bedürfen, als gesagt werden muß, wer die Einwilligung zu erteilen berechtigt ist. Man wird eine Altersgrenze feststellen müssen, unterhalb deren die Einwilligung nicht wirksam erteilt werden kann. Das Alter der Volljährigkeit wäre wohl zu hoch gegriffen; ich hielte es für zweckmäßig, das Alter der Berechtigung zum Strafantrag, das vollendete 18. Jahr, als Grenze zu wählen. Nicht erforderlich scheint es mir, eine Vertretung zuzulassen; eher wäre ein ausdrückliches Verbot derselben angezeigt. Denn es handelt sich bei Körperverletzungen nicht um Eingriffe, die im Interesse des Verletzten vorgenommen werden, und deren Genehmigung als ein Akt der Sorge für die Person des Vertretenen zu be-
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trachten wäre. Heileingriffe kommen hier nicht in Betracht; sie sind, wie sich weiter unten zeigen wird, aus anderem Gesichtspunkt zu beurteilen. Ein Vertretungsrecht könnte, soweit ich sehe, nur erwünscht sein, wenn jüngere als achtzehnjährige Personen mit der Einwilligung in eine Körperverletzung etwa eine Tat der Nächstenliebe vornehmen wollen — Hingabe von Blut zum Zweck der Transfusion oder von Haut zur Transplantation. Es wäre aber eine überflüssige Belastung des Gesetzes, wegen solcher vereinzelt vorkommender Fälle eine besondere Bestimmung zu treffen. Äußersten Falles ließe sich hier mit der Vorschrift über den Notstand helfen. Das Gleiche gilt in bezug auf Entmündigte. Nur könnte man denjenigen, die nicht wegen Geisteskrankheit, Geistesschwäche oder Trunksucht, sondern wegen Verschwendung entmündigt sind, ein selbständiges Bestimmungsrecht zugestehen wie den bereits Achtzehnjährigen. Die vielbesprochene Frage, ob nicht in den Allgemeinen Teil des Strafgesetzbuchs eine Vorschrift über die Einwilligung als Rechtfertigungsgrund aufzunehmen sei, hat der AE. 25 durch sein Schweigen in verneinendem Sinn beantwortet. Es läßt sich zweifeln, ob er damit recht getan hat. Man kann daran denken, den § 239 zu verallgemeinern und der Einwilligung schlechtweg unrechtausschließende Wirkung zuzugestehen, außer wenn die Tat trotz der Einwilligung gegen die guten Sitten verstößt. Eine solche Bestimmung bedürfte aber sofort einer weitgehenden Einschränkung, da der zunächst Verletzte in vielen Fällen nicht der allein Verfügungsberechtigte ist. In welchen Fällen er dies aber ist, läßt sich natürlich in einer einheitlichen Formel nicht sagen oder doch nur in einer so allgemein gehaltenen, daß damit für die Rechtsprechung kaum viel gewonnen wäre. Die Verfügungsmacht des Verletzten und damit die rechtliche Wirksamkeit seiner Einwilligung ließe sich davon abhängig machen, ob die Verletzung überwiegend im Interesse des Verletzten oder in jenem der Allgemeinheit mit Strafe bedroht ist. Aber wenn diese Frage auch in einzelnen Fällen zweifelsfrei beantwortet werden könnte, bliebe eine Reihe anderer übrig, in denen der Zweifel kaum zu allgemeiner Zufriedenheit zu lösen wäre. Der Gesetzgeber müßte durch irgend ein Merkmal zu erkennen geben, welche Delikte er im wesentlichen im Interesse des Verletzten bedroht. Dies könnte er dadurch tun, daß er sie zu Antragsdelikten macht. Es ließe sich dann die Bestimmung treffen, daß bei Antragsdelikten die Einwilligung des Verletzten die Rechtswidrigkeit der Tat ausschließe, wenn diese nicht trotz der Einwilligung gegen die guten
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Sitten verstoße. Zur Erteilung der Einwilligung dürfte nur berechtigt sein, wer das 18. Jahr zurückgelegt hat. Vertretung wäre nicht zuzulassen. Bei Entmündigten hätte das oben für diese Gesagte zu gelten. Einer besonderen Bestimmung über die Einwilligung in Körperverletzungen bedürfte es dann nicht mehr. Würde gegen den Willen des Täters ein Erfolg eintreten, in welchen der Verletzte nicht eingewilligt hat z. B. bei einer Körperverletzung eine der Folgen des § 234 AE. 25, so wäre dieser durch die Einwilligung natürlich nicht gedeckt, und der Täter hätte für ihn zu haften, wenn ihm Fahrlässigkeit vorzuwerfen ist. Die Bestimmung, welche in den Allgemeinen Teil als § 23 einzustellen wäre, könnte etwa folgendermaßen gefaßt werden: »Nicht rechtswidrig handelt, wer eine Tat, die nur auf Verlangen des Verletzten verfolgt wird, mit dessen Einwilligung vornimmt. Dies gilt nicht, wenn die Tat trotz der Einwilligung gegen die guten Sitten verstößt. Die Einwilligung ist nur rechtswirksam, wenn der Einwilligende das 18. Lebensjahr vollendet hat. Wegen Verschwendung Entmündigte können die Einwilligung erklären. Der gesetzliche Vertreter ist zur Erteilung der Einwilligung nicht berechtigt. Ist durch Fahrlässigkeit des Täters ein Erfolg eingetreten, in welchen der Verletzte nicht eingewilligt hat, so finden die Vorschriften über fahrlässige Handlungen Anwendung.« V. Geschäftsführung ohne Auftrag.
Es gibt Fälle, in denen äußerlich ein strafbarer Tatbestand verwirklicht ist, eine Bestrafung aber unvernünftig wäre und in der Praxis auch nicht eintritt, Fälle, in denen aber keiner der herkömmlich verwandten Rechtfertigungsgründe zutrifft. Es handelt sich zum Teil um Fälle, in welchen der Gefährdete und jener, auf dessen Kosten die Gefahr abgewendet wird, eine und dieselbe Person sind, in welchen also zwei Interessen derselben Person kollidieren. (Vgl. oben unter III Z. 11.) Beispiele: Einbruch in das verschlossene Haus des verreisten Nachbars, um in dessen Interesse eine offen gelassene oder geplatzte Wasserleitung zu schließen. Rettung eines ertrinkenden, schon bewußtlosen Menschen mittels eines eisernen Hakens, bei dessen Anwendung man ihn verletzen muß. Öffnung eines verschlossenen
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für den abwesenden Freund eintreffenden Eilbriefes, um an seiner Stelle die nötigen Maßnahmen zu treffen. Es gehört hierher auch der Fall der Rettung des Selbstmörders gegen seinen Willen durch Eingriff in seine Rechtskreise. Ferner wird in diesem Zusammenhang noch die Züchtigung eines ungezogenen Jungen in Abwesenheit seines gesetzlichen Vertreters genannt. Man hat auf diese Fälle den bürgerlichrechtlichen Gesichtspunkt der Geschäftsführung ohne Auftrag angewendet und diese als den Rechtfertigungsgrund bezeichnet. Nachdem anfangs viele diesem Zitelmann'schen Gedanken, mit dessen Hilfe in der Tat eine verständige Lösung zahlreicher Schwierigkeiten möglich wurde, zugestimmt hatten, erhob sich späterhin Widerspruch gegen die Übertragung dieser bürgerlichrechtlichen Figur auf das Strafrecht. Hegler stellt dem Zitelmannschen Gedanken das »Prinzip des wahren Wohl« entgegen 1 ), Mezger den Rechtfertigungsgrund der »mutmaßlichen Einwilligung 2 )«. Man mag die Sache nennen, wie man will; für den Gesetzgeber kommt es darauf an, mit welchem Gedanken er der Schwierigkeiten am besten Herr wird. In den oben angeführten Fällen hatte der »Täter« nicht die Einwilligung des Verletzten, im Fall der Züchtigung nicht die maßgebende Einwilligung des gesetzlichen Vertreters. Sicher aber ist, daß er im Interesse oder zum wahren Wohl der Verletzten, im letzten Fall im Interesse des gesetzlichen Vertreters (und natürlich auch zum wahren Wohl des Vertretenen) gehandelt hat. Auch bei der Rettung des Selbstmörders hat er — nach den Anschauungen der Moral — in dessen Interesse gehandelt. Dieses Handeln im Interesse oder zum wahren Wohl des Verletzten ist für sich allein aber kein Rechtfertigungsgrund. Man braucht sich den Eingriff in die eigenen Rechtskreise gegen seinen Willen auch nicht zu seinen Gunsten gefallen zu lassen. Es muß noch die Einwilligung des Verletzten dazu kommen. Ausdrücklich ist sie in den erwähnten Fällen nicht erteilt worden; aber sie muß als vorhanden vermutet werden, da vernünftiger und normaler Weise niemand das ihn rettende oder Schaden von ihm abwendende oder nach Lage der Sache gebotene Handeln eines Andern ablehnen wird. Der etwa entgegenstehende Wille des Selbstmörders ist — als nach allgemeiner Anschauung ungesund oder unmoralisch — nicht zu ') z. 36 S. 42. ) GS. 89 S. 287 ff.
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beachten, wie nach BGB. unter den Voraussetzungen des § 679 ein entgegenstehender Wille des Geschäftsherrn. Geht der Gesetzgeber von. diesen Gesichtspunkten aus, die in der einen oder anderen Form seit längerer Zeit in der Literatur und stellenweise in der Praxis vertreten werden, so wird er manche Schwierigkeit einer Lösung zuführen, um die man sich vergeblich bemüht hat, so lange nicht der Gedanke der Geschäftsführung ohne Auftrag auf das strafrechtliche Gebiet übertragen wurde. Ich meine, man dürfte es wagen, den Gedanken jetzt in eine gesetzgeberische Form zu bringen, indem man in einem § 24 etwa sagt: »Nicht rechtswidrig ist auch eine nur auf Verlangen des Verletzten zu verfolgende Tat, wenn sie ohne seinen Auftrag in seinem Interesse und seinem mutmaßlichen Willen entsprechend vorgenommen wurde. Ist durch Fahrlässigkeit des Täters ein Erfolg eingetreten, der nicht als von dem mutmaßlichen Willen des Verletzten umfaßt angesehen werden kann, so finden die Vorschriften über fahrlässige Handlungen Anwendung.« Dieser Rechtfertigungsgrund ist auf Antragsdelikte beschränkt, da ja auch bei ihm die Einwilligung, hier in Gestalt des mutmaßlichen Willens, das Ausschlaggebende ist und durch das Erfordernis des Strafantrags zum Ausdruck gebracht wird, daß dem Träger des Rechtsgutes eine Verfügungsmacht darüber zusteht. VI. Ärztliche Eingriffe. Es ist zu begrüßen, daß der AE. 25 durch die Bestimmung in § 238 mit der Auffassung des ärztlichen Eingriffs als einer Körperverletzung, für die es eines Rechtfertigungsgrundes bedürfte, und den daraus sich ergebenden unhaltbaren Folgerungen aufräumt. Aber ohne Bedenken ist die jetzige Regelung auch nicht, insofern als ein dem ärztlichen Eingriff etwa entgegenstehender Wille des Patienten nicht genügend Berücksichtigung findet. Die Vorschriften über Nötigung und Freiheitsberaubung reichen nicht aus 1 ). Gerland 2 ) glaubt helfen zu können, indem er dem § 238 den Zusatz anfügen will: »sofern sie« — d. h. die *) Vgl. meine eingehende Erörterung hierüber in VDA. IV S. 58/59. ') Der Entwurf 1925 S. 38,
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ärztlichen Eingriffe — »nicht gegen den ausdrücklichen Willen des Behandelten oder seines gesetzlichen Stellvertreters erfolgen«. Aber mit diesem Zusatz käme man wieder zu der unrichtigen Auffassung auch des gebotenen und gelungenen ärztlichen Eingriffs als einer Körperverletzung oder Mißhandlung. Vom Willen des Kranken kann es unmöglich abhängen, ob der ärztliche Eingriff eine Körperverletzung sein soll oder nicht. Nach meiner Meinung war die ganze Frage des ärztlichen Eingriffs besser gelöst im E. 19 durch die Aufstellung eines Delikts der »eigenmächtigen Heilbehandlung« in § 313. Durch jene Vorschrift war einerseits das Bestimmungsrecht des Kranken entsprechend berücksichtigt, andrerseits implicite die Auffassung des gebotenen und gelungenen ärztlichen Eingriffs als einer Körperverletzung ausgeschlossen. Gegen diesen § 313 ist aber von medizinischer Seite lebhaft Widerspruch erhoben worden. Da jetzt durch § 238 ausdrücklich festgestellt wird, daß solche ärztliche Eingriffe keine Körperverletzungen sind, wird vermutlich weniger Widerspruch laut werden, wenn in dem 20. Abschnitt »Verbrechen und Vergehen gegen die persönliche Freiheit oder Sicherheit« nach § 254 wiederum eine Bestimmung gegen »eigenmächtige ärztliche Behandlung« eingefügt wird ungefähr folgenden Inhalts: »Wer eine ärztliche Behandlung an einem andern in bewußtem Widerspruch mit dem wirklichen oder mutmaßlichen Willen des Behandelten vornimmt, wird wegen eigenmächtiger ärztlicher Behandlung . . . bestraft. Hat der Beihandelte, abgesehen vom Fall der Entmündigung wegen Verschwendung, einen gesetzlichen Vertreter, so ist dessen wirklicher oder mutmaßlicher Wille entscheidend, außer wenn der Vertretene selbst die zur Beurteilung der Sachlage erforderliche Einsicht besitzt. Die Verfolgung tritt nur auf Verlangen des Behandelten oder seines gesetzlichen Vertreters ein.«1) Die Frage der Perforation bedurfte im AE. 25 keiner besonderen Behandlung, da bei der künftigen Fassung der Bestimmung über den Notstand Schwierigkeiten sich kaum mehr ergeben werden. ') Vgl. zu diesem Gesetzvorschlag S. 60ff.
die nähere Begründung in VDA. IV
Abschnitt 3: Versuch. Von
Professor Dr. Graf A. zu Dohna, Heidelberg. Die gesetzlichen Bestimmungen über den Versuch müssen so gefaßt sein, daß sie in einer Zweifel ausschließenden Weise erkennen lassen: 1. wie sich der Versuch gegen das vollendete Verbrechen abhebt; 2. durch welche Merkmale sich der Versuch von der bloßen Vorbereitung unterscheidet; 3. wo die Grenzen des strafbaren Versuchs nach Seiten des straflosen laufen; 4. ob und wie zwischen Versuch und Mangel am Tatbestand unterschieden wird; 5. welcher Strafrahmen auf den Versuch Anwendung finden soll; 6. in welchen Grenzen die Aufgabe des Verbrechensplanes Straflosigkeit bewirken soll. Es sollen im folgenden die Bestimmungen des AE. 25 daraufhin geprüft werden, ob sie diesen Anforderungen genügen, und ob die Art, in der sie es tun, als befriedigend gelten darf. I. Versuch und Vollendung. Daß der Gegensatz von Versuch und Vollendung rein formaler Natur ist, bedarf hier keines erneuten Nachweises. Ein Delikt ist vollendet, wenn der gesetzliche Tatbestand desselben restlos erfüllt ist. Wann das der Fall ist, kann nur aus dem besonderen Teil entnommen werden. Daß der Gesetzgeber es in der Hand hat. Handlungen, welche das zu schützende Rechtsgut noch nicht verletzen, sondern bloß erst gefährden — sog. »materielle Versuchshandlungen« — zu formal vollendeten Verbrechen zu erklären, und daß eine willkürliche Handhabung dieser Macht Mißstände aller Art zeitigen kann, ist bekannt. Ob der AE. 25 nach dieser Richtung Lob oder Tadel verdient, kann im Rahmen dieses Beitrags nicht untersucht werden. Als unbedingter Vorzug darf gebucht
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werden, daß er von einer Verwendung der Begriffe »Versuch« und »Unternehmen« bei Aufbau der Tatbestände des besonderen Teils absieht. Damit entfallen eine Reihe von Zweifelsfragen, zu denen diese Verwendung Anlaß gab. Eine Ausnahme machen jedoch die Fälle, in denen der Gesetzgeber die fehlgeschlagene Anstiftung der Bestrafung zugänglich machen will. Da der Entw. den akzessorischen Charakter der Teilnahme zwar nur noch insoweit, aber doch eben insoweit anerkennt, daß ein objektiv strafbarer Tatbestand vorliegen muß, bedurfte es hier besonderer Strafdrohungen. Sie richten sich in typischer Wendung gegen denjenigen, der »zu verleiten sucht« (§§ 116, 117, 136, 173, 182). Zwar meint die Begr. zu § 23, es handele sich dabei, wie der abweichende Ausdruck deutlich zeige, nicht um eine Anwendung des Versuchsbegriffs im technischen Sinne. Die Auslegung, welche jene Wendung an den entsprechenden Stellen der Begr. erfährt, straft indessen ihre eigene Auffassung Lügen. Es ist nichts anderes wie der Anstiftungsversuch gemeint; es wäre deshalb sehr zu empfehlen, die Doktrin nicht erst unnötigerweise auf die Fährte nach dem Unterschied zwischen »suchen« und »versuchen« zu hetzen. Die Strafdrohungen gegen den Versuch erweitern den Umkreis der strafbaren Handlungen über den durch die besonderen Tatbestände gezogenen Rahmen hinaus auf Fälle, in denen die auf Verwirklichung eines solchen gerichteten Handlungen zu dieser Verwirklichung nicht geführt haben. Ob jede solche Handlung sich als Versuch darstellt und als solcher Strafe verdient, wird noch zu prüfen sein. Negativ steht einstweilen fest, daß, wo Versuch vorliegt, am vollendeten Verbrechen etwas fehlen muß; und es ist unbestritten, daß dieses Manko dem objektiven Tatbestand anhaften muß. Der subjektive Tatbestand muß im vollen Umfang verwirklicht sein. Es liegt nicht deshalb Versuch vor, weil der Täter zurechnungsunfähig war oder schuldlos handelte. Der Versuch verlangt Vorsatz und zwar einen auf den vollen objektiven Tatbestand gerichteten Vorsatz. Einen besonderen Versuchsvorsatz gibt es nicht. Dagegen darf das Verbrechen in objektiver Hinsicht nicht zur Vollendung gediehen sein. Die bisherigen deutschen Entwürfe wie auch der OeOe. 22 hoben dieses Erfordernis entsprechend der lex lata besonders hervor. AE. 25 tut es nicht mehr; warum, wird nicht gesagt. Ich halte das für keine Verbesserung. Auch wer wegen vollendeten Delikts zu bestrafen ist, hat möglicherweise »den Entschluß, eine strafbare Handlung zu begehen, durch Handlungen betätigt, die nach seiner Vorstellung den Anfang der Ausführung bilden« — dann nämlich, wenn er den Ein-
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tritt des Erfolges von der bisher aufgewandten Tätigkeit noch nicht erwartet hatte. Oder soll dann etwa nur Versuch vorliegen? Das kann nicht gemeint sein. Dann aber empfiehlt sich dringend, das negative Merkmal in die Begriffsbestimmung wieder einzusetzen. II. Versuch und Vorbereitung. Das entscheidende Kriterium bietet der Begriff der Ausführungshandlung. Ausführungshandlung heißt »diejenige Willensbetätigung, die im Einzelfalle der vom Gesetz unter Strafe gestellten Tätigkeit entspricht« (v. Liszt). Der Begriff kehrt in der Teilnahmelehre wieder und bietet hier das einzig brauchbare Kriterium der Abgrenzung von Mittäterschaft und Beihilfe. Vorbereitungshandlungen und Gehilfenhandlungen sind solche Förderungen des vom Täter erstrebten Zwecks, denen der spezifisch tatbestandliche Charakter abgeht. Müßte das Gesetz nicht Sorge tragen, eine gar zu doktrinäre Sprache zu meiden, so ließe der Versuch sich am genauesten dahin präzisieren: Wer den Vorsatz, einen gesetzlichen Tatbestand zu erfüllen, durch Handlungen betätigt, durch welche Merkmale dieses Tatbestands verwirklicht werden, Genau in diesem Sinne ist der »Anfang der Ausführung« gemeint. Der Ausdruck hat den doppelten Vorzug: international anerkannt zu sein und sich in der Praxis bewährt zu haben. Daß die Subsumtion im Einzelfall Zweifel übrig lassen kann, darf kein Gegenargument bilden. »Unverständiges fordert hier wie anderwärts, wer nur Auslegungen gelten läßt, die in jedem zu entscheidenden Fall eindeutige Resultate mit Sicherheit indizieren« (M. E. Mayer). Darauf, daß das nicht möglich ist, beruht zu einem wesentlichen Teile die Würde des Richteramts. Soll also wegen Versuchs gestraft werden, so muß mit der Ausführung in diesem Sinne begonnen worden, und es darf, da sonst Vollendung vorläge, diese Ausführung nicht bis zu Ende gediehen sein. Ob nun gesagt wird: der Täter müsse die Ausführung begonnen haben ( V f . 09 § 75, OE. 11 § 27); oder aber: er müsse Handlungen getätigt haben, die einen Anfang der Ausführung bilden (AE. 25 § 23), scheint mir nebensächlich. Wenn dagegen KE. 13 § 29, E. 19 § 23 und OeGe. 22 § 24 von Handlungen sprechen, welche die Tat zur Ausführung bringen sollen, so ist die scharfe Scheidelinie offenbar verwischt; denn diese Zweckbestimmung kommt auch den Vorbereitungshandlungen zu. Glaubt man die Einbeziehung des untauglichen Versuchs in den Strafbereich schon in der Begriffsbestimmung des Versuchs zum Ausdruck bringen zu müssen, so verdient die Art, in der AE. 25 dies tut, unzwei-
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felhaft den Vorzug. Ich glaube indessen, daß es technisch zweckmäßiger ist, zu dieser Frage in gesonderten Sätzen Stellung zu nehmen. Der Einwand, daß man Handlungen, die der Beendigung nicht zugänglich sind, auch nicht beginnen könne, scheint mir auch in der Deutung, die M. E. Mayer ihm gegeben hat, nicht unüberwindlich zu sein. — Neulich hatte jemand ausgerechnet, wieviel tausend Jahre nötig sein würden, um eine Milliarde durchzuzählen. Hätte nun einer in naivem Selbstvertrauen zu zählen begonnen und sich erst im weiteren Fortgang von der Unmöglichkeit überzeugt, sein Vorhaben durchzuführen, so läge doch eben ein Anfang der Ausführung vor. Dieser steht ja doch immer unter der Vorstellung des Handelnden. Über logische Zwirnsfäden aber soll der Gesetzgeber nicht stolpern. III. Der untaugliche Versuch. Wer ein Gewehr, das er selber zuvor geladen und das ein anderer zwischendurch hinter seinem Rücken entladen hatte, in Tötungsabsicht auf einen Menschen abdrückt, hat die Strafe des Mordversuchs verwirkt. Ein Gesetz, das in solchem Falle den Richter anwiese, den Täter frei zu sprechen, böte unzweifelhaft unrichtiges Recht. Ist das richtig, dann kann die Strafbarkeit des Versuchs nicht abhängig sein von der objektiven Tauglichkeit der Handlung zur Herbeiführung des Erfolges. Denn ein untauglicheres Mittel, einen Menschen zu erschießen, als ein ungeladenes Gewehr ist nur schwer vorstellbar. Es steht also fest, daß die Frage der Geeignetheit der Handlung zur Erfolgsverwirklichung nur von dem Boden des Tatsachenwissens des Täters aus gestellt und beantwortet werden darf. Der Anfang der Ausführung steht eben immer unter der Vorstellung des Handelnden. Was das Gesetz von ihm fordert, ist ja gerade, Handlungen zu unterlassen, die (nach seinem Urteil — denn nach wessen wohl sonst ?) geeignet sind, rechtswidrige Erfolge zu zeitigen. Indessen bedarf dieser Satz gleichwohl einer gewissen Modifikation. Wer mit dem Fuße aufstößt in der Meinung, er könne auf diese Weise seinen Antipoden in die Luft sprengen, ist des Mordversuchs nicht schuldig; und ein Gesetz, das den Richter anwiese, auch hier auf Strafe zu erkennen, wäre dem Fluche der Lächerlichkeit verfallen. Daraus aber folgt, daß die Frage, ob von dem Boden des Tatsachenwissens des Täters aus die von ihm vorgenommene Handlung überhaupt eine Möglichkeit bietet, den beabsichtigten Erfolg zu zeitigen, nach Maßgabe des Erfahrungswissens des mit
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durchschnittlichem Einsichtsvermögen begabten Mitglieds unserer Kulturgemeinschaft beantwortet werden muß. Wieder kann dem Gesetzgeber nicht angeraten werden, den allzu doktrinären Gegensatz vom ontologischen und nomologischen Irrtum zu verwerten, obwohl er genau das besagt, was gemeint ist. E r muß deshalb eine Ausdrucksweise wählen, die diesen Gegensatz in verständlicher Form wiedergibt und es sicherstellt, daß ein Mädchen, welches zum Zweck der Abtreibung ihrer Leibesfrucht ein Mittel einnimmt, das sie sich von einem Apotheker zu diesem Zweck hat verschreiben lassen, auch dann der Strafe verfällt, wenn ihr jener absichtlich ein ganz harmloses Mittel verabfolgt hat; daß sie aber freigesprochen wird, wenn sie ein Glas Zuckerwasser ausgetrunken hat, nachdem ihr mit E r f o l g eingeredet worden war, Zuckerwasser leiste ihr diesen Dienst. In kritischen Besprechungen kann man immer wieder lesen, jene erste Entscheidung sei mit der objektiven, die zweite sei mit der subjektiven Theorie unverträglich. Als ob es darauf ankomme, die letzten Konsequenzen einer Theorie zu ziehen, und nicht vielmehr darauf, angemessene Ergebnisse zu erzielen. Freilich: wer die eben dargelegten Ergebnisse mißbilligt, mit dem hört die Möglichkeit der Verständigung auf. Denn Vorschläge de lege ferenda setzen voraus, daß das Ziel feststeht, zu dem das künftige Gesetz die W e g e weisen soll. Welches Ziel er nun aber ins Auge fassen, welche Handlungen er für strafbar und welche er für straflos erklären soll, darüber läßt sich logisch nichts ausmachen. Insoweit ist Zustimmung und Ablehnung gefühlmäßig bedingt. Ich halte somit die Tendenz des § 23 AE. für richtig, seine Fassung aber für wenig glücklich. Schon Gerland hat in seinen kritischen Bemerkungen darauf aufmerksam gemacht, daß nach Abs. 1 der Täter, welcher der Ansicht ist, seine Handlung bilde noch keinen Anfang der Ausführung, der Strafe entgeht. Die subjektive Wendung ist also auch aus diesem Grunde zu verwerfen. Vor allem aber bedarf Abs. 4 der Vereinfachung, wofür freilich § 24 Abs. 2 OeGe. 22 nicht zum Vorbild dienen kann. A m besten scheint mir in dieser Hinsicht § 29 QE. 11 gelungen zu sein. In Kombination mit § 29 Abs. 1 Satz 2 K.E. 13 wäre dann zu sagen: »Wer den Entschluß, eine strafbare Handlung zu begehen, durch Handlungen betätigt, die den Anfang der Ausführung bilden, ist wegen Versuchs zu bestrafen. Dies gilt auch dann, wenn der Versuch nicht zur Vollendung führen konnte. — D e r Versuch ist straflos, wenn der Täter die Ausführung unter R e f o r m des S t r a f g e s e t z b u c h s .
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Umständen, welche die Vollendung als ausgeschlossen erscheinen ließen, in Kenntnis dieser Umstände vorgenommen hat.« IV. Der Mangel am
Tatbestand.
Wer ein 16 jähriges Mädchen, das er für 15 jährig gehalten, zum Beischlaf verführt hat, hat geglaubt, aber nicht versucht, ein x 5 jähriges Mädchen zu verführen. Schon die Sprache lehnt sich dagegen auf, hier den Versuchsbegriff überhaupt hineinzuziehen. Nun gar von untauglichem Versuch zu reden, bedeutet vollendeten Widersinn. Warum sollte ein 16 jähriges Mädchen nicht ein taugliches Objekt der Verführung abgeben können ? Daß diese gelang, liefert den bündigsten Beweis ihrer Tauglichkeit. Man müßte sonst im Hinblick auf die Strafdrohung des § 243 Z. 3 sich zur Behauptung versteigen, der falsche Schlüssel sei ein taugliches, der echte ein untaugliches Mittel zur Eröffnung eines Behältnisses. De lege lata hätte ferner niemals verkannt werden sollen, daß § 43 auf die Fälle des Mangels am Tatbestand keine Anwendung finden kann. Dieser spricht von Handlungen, die einen Anfang der Ausführung enthalten. Den Gegensatz bilden Handlungen, in denen die Ausführung ihren Abschluß findet. Sollte es wirklich möglich sein, die Ansicht zu vertreten, die Verführung einer 16 jährigen verhalte sich zur Verführung einer 15 jährigen wie der Anfang zum Ende der Verführungshandlung ? Trotz aller dieser handgreiflichen Widersprüche hat bekanntlich das RG. in ständiger Rechtsprechung die Anwendbarkeit des § 43 bejaht und in Bd. 47 Nr. 59 den Angeklagten, der mit seiner Stieftochter in der Annahme verkehrt hatte, sie sei sein leibliches Kind, wegen Versuchs aus § 173 Abs. 1 verurteilt. Ich habe mich über das Problem in der Festgabe für Güterbock (1910) des längeren verbreitet und zu dem zitierten Urteil in MonSchrKrimPsych. Bd. 13 S. 228 ff. noch einmal im besonderen Stellung genommen. Angesichts der Zahl und des Gewichts der Stimmen, welche die von mir vertretene Ansicht teilen, ist es eigentlich ein starkes Stück, daß AE. 25 weder im Text noch auch in der Begründung der Streitfrage überhaupt Erwähnung tut. Nur zwischen den Zeilen läßt sich die Ablehnung der Theorie vom Mangel am Tatbestand ablesen. »Hierher (nämlich unter Abs. 4) gehören auch die Fälle, in denen die Abtreibende bei Kenntnis der einfachsten Naturgesetze hätte wissen müssen, daß sie garnicht schwanger war oder daß die Schwangerschaft mit dem angewandten Mittel unter keinen Umständen beseitigt werden konnte« {Begr. zum 3. Abschnitt). Die Verfasser mögen geglaubt haben, durch die subjektive Fas-
G r a f A. zu D o h n a , Abschn. 3: Versuch.
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sung in § 23 Abs. 1 dem Zweifel die Spitze abgebogen zu haben; aber sie täuschen sich. Der Verführer von dem wir oben sprachen, hat, wenn er zum Ziele gelangte, gewiß nicht die Vorstellung gehabt, seine Handlung bilde einen bloßen Anfang der Ausführung. Was hätte denn noch folgen sollen? Also auch hier bewährt sich jene Wendung nicht. Es muß aber außerdem ganz prinzipiell mit allem Nachdruck die Forderung erhoben werden, die Fälle des Versuchs von denen des Mangels am Tatbestand abzutrennen. Sie sind von ganz verschiedener Natur. Zunächst muß man sich über die Strafwürdigkeit der letzteren einig werden. Dabei kann nicht übersehen werden, daß von einer Gefährdung eines Rechtsguts hier keine Spur zu entdecken ist. Was geschieht, ist durchaus unverboten, während allen Versuchshandlungen doch ein Angriff auf Rechtgüter eigen ist. »Daß der Irrtum, ein Deliktsmerkmal sei vorhanden, dieses nicht zu schaffen vermag, kann kein denkender Mensch bestreiten« — sagt Binding. Das beweist natürlich nicht, daß es dem Gesetzgeber verwehrt wäre, denjenigen in Strafe zu nehmen, der eine rechtlich unverbotene Handlung vornimmt in der Überzeugung, es lägen die Voraussetzungen vor, unter denen sie verboten sein würde. Aber es ist offensichtlich, daß dann die bloße böse Gesinnung den Grund zur Bestrafung liefert. Zuzugeben ist, daß es in den Fällen des absolut untauglichen Versuchs nicht viel anders liegt, und daß es keinen wesentlich Unterschied ausmacht, ob die Tauglichkeit des zum Zwecke der Abtreibung eingenommenen Mittels oder ob darüber hinaus die ganze Schwangerschaft nur in der Einbildung der Täterin bestand. Dieser Fall, dessen Behandlung besonders schweren Anstoß erregt hat, liegt überhaupt in mehrfacher Hinsicht eigenartig. Zunächst hat hier das Fehlen des Angriffsobjektes die Wirkung, daß der Erfolg der Handlung ausbleibt, womit der Tatbestand sich demjenigen des Versuchs nähert, während es gerade ein Kennzeichen der Fälle des M. a. T. ist, daß der Handlungserfolg gerade eintritt und nur der besonderen juristischen Qualifikation ermangelt. Sodann gilt es zu bedenken, daß Abtreibungshandlungen meist gleich bei auftauchendem Verdacht der Schwangerschaft vorgenommen werden, und hinterdrein sehr häufig auch der Sachverständige nicht mehr mit Sicherheit entscheiden kann, ob wirklich eine Frucht abgegangen oder bloß eine Blutstockung beseitigt worden ist. Macht man also ernst mit dem Satze »in dubio pro reo«, so besteht die Gefahr, daß sich Verurteilungen wegen Abtreibung nur noch in den seltensten Fällen erzielen lassen. 7*
lOO
i . Buch.
Verbrechen und Vergehen.
Allgemeiner Teil.
Hier könnte nun aber durch anderweite Fassung ¿er Strafdrohungen gegen die Abtreibung leicht geholfen werden. Im übrigen halte ich Straflosigkeit für geboten. Will sich der Gesetzgeber dazu nicht entschließen, so muß er es jedenfalls unzweideutig sagen, was in folgender Form etwa geschehen könnte: »Wer eine Handlung in der irrigen Meinung vornimmt, sie erfülle einen gesetzlichen Tatbestand, ist nach den Grundsätzen über den Versuch zu bestrafen.« V . Die Bestrafung des Versuchs.
In Übereinstimmung mit dem Gesetz erklärt AE. 25 den Versuch eines Verbrechens stets, den eines Vergehens nur dann für strafbar, wenn ihn das Gesetz ausdrücklich mit Strafe bedroht. Über die Abweichungen des Entwurfs vom geltenden Recht in Hinsicht auf die Bedrohung von Vergehensversuchen belehrt die Anm. auf S. 22 der Begr. Ich scheide diese Betrachtung hier aus. Uns interessiert eine andere Abweichung. Bisher galt der Satz: »Das versuchte Verbrechen oder Vergehen ist milder zu bestrafen als das vollendete«. In AE. 25 § 23 Abs. 2 soll es nun heißen: »Der Versuch kann milder bestraft werden als die vollendete Tat«. Darüber zeigen sich Richard Schmidt und Gerland sehr aufgebracht: es gehe nicht an, diese wichtige Frage in das Ermessen des Richters zu stellen. Hier gilt es zunächst, einige Mißverständnisse auszuräumen. Der Grundsatz des § 44 Abs. 1 StrGB. besagt nicht, daß die Versuchsstrafe unterhalb des Rahmens der Vollendungsstrafe auszumessen sei; auch nicht etwa, daß der Richter erst die Strafe auszuwerfen habe, welche der Täter verwirkt haben würde, wenn sein Anschlag gelungen wäre, um nun diese Strafe zu mildern; der Satz besagt weiter garnichts, als daß das Höchstmaß der Vollendungsstrafe im Fall des Versuchs keine Anwendung finden dürfe. Danach steigt der Strafrahmen des Versuchs nach geltendem Recht bis zu dem um eine Strafeinheit gekürzten Höchstmaß der Vollendungsstrafe hinauf. Das System des AE. 25 ist ein ganz anderes. Hieße es in § 23 Abs. 2 nicht »kann« sondern »muß«, so würde nach § 72 das Höchstmaß der Strafe wegen des versuchten auf die Hälfte des Höchstmaßes der Strafe wegen des vollendeten Verbrechens sinken. Statt dessen stellt der Gesetzgeber dem Richter die beiden Strafrahmen zur Verfügung. Das Mindestmaß des bisherigen § 44 wird ersetzt durch die bezüglichen Normierungen des § 72. Das gehört in das Kapitel der Strafzumessung. Die eigentliche Streitfrage reduziert sich mithin darauf, ob es dem Richter in Zukunft gestattet sein soll, auf das gesetzliche
G r a f A . z u D o h n a , Abschn. 3 : Versuch.
joi
Höchstmaß der Vollendungsstrafe zu erkennen. D a ß das jemals geschehen sollte, ist völlig ausgeschlossen. Die gesetzlichen Höchstmaße stehen heute ohnehin nur noch auf dem Papier; die Praxis kennt sie auch in den Fällen der Deliktsvollendung nicht. (Der einzige Fall der Todesstrafe verliert künftig seine bisherige Sonderstellung.) Die ganze Frage ist also eine völlig akademische. Aber gerade deshalb wird man dem Gesetzgeber anraten müssen, den Stein des Anstoßes zu beseitigen und dem Richter ausdrücklich zu verbieten, was er ohnehin niemals tun würde. Denn starke Gefühlswerte soll der Gesetzgeber nicht ohne Not verletzen. VI. Die Aufgabe des Verbrechensplans. Gegen die Formulierung des § 24 AE. 25 ist m. E. nichts zu erinnern. D e r Fortschritt, der in der Überwindung der erst in Negativen schwelgenden, dann an objektive Kriterien anknüpfenden Umschreibung des Merkmals der Freiwilligkeit des Rücktritts liegt, ist unverkennbar und längst anerkannt. D a ß die Furcht vor Entdeckung der Freiwilligkeit entgegensteht, hält die Begründung für selbstverständlich, und sie hat Recht: »Denn kein Verbrecher will die Tat um den Preis der Strafe vollenden« (M. E . Mayer). Ein weiterer Vorzug besteht darin, daß künftig in den Fällen des völlig untauglichen Versuchs das ernsthafte Bemühen, den E r f o l g abzuwenden, genügen soll; denn es ist nicht zu verantworten, die strafbefreiende Betätigung der Reue demjenigen zu verwehren, dessen Tun objektiv den Charakter besonderer Harmlosigkeit trägt. Die Begründung verrät weiter, daß die Wendung: »wer — aufgibt oder verhindert« bzw.: »wer — abwendet« die Möglichkeit bieten soll, dem Rücktritt des Teilnehmers gebührend Rechnung zu tragen; und sie gibt für das strittige Problem, welche Wirkung der freiwillige Rücktritt vom Versuch auf eine bereits verwirkte Strafe wegen Vorbereitung des Verbrechens üben soll, soweit es nicht im besonderen Teile ausdrücklich entschieden wird, die folgende bemerkenswerte Lösung an die Hand: Die konsumierende K r a f t des Rücktritts reiche soweit, wie die konsumierende Kraft der Versuchsstrafe; denn hier war im Augenblick des Rücktritts die Vorbereitungsstrafe schon durch die einsetzende Ausführungshandlung getilgt. Wann nun aber eine solche Einheit vorliege und wann nicht, lasse sich nur auf Grund der in Betracht kommenden Strafbestimmungen unter Berücksichtigung der Verhältnisse des Einzelfalls entscheiden. Das letzte Wort also hat auch hier der Richter zu fällen.
Abschnitt 4: Teilnahme. Von
Privatdozent Dr. A . Wegner, Hamburg.
Das den ganzen Entwurf beherrschende Streben nach Vereinfachung will von den Formen der Beteiligung mehrerer am Verbrechen nur zwei im Gesetz stehen lassen: Anstiftung und Beihilfe. Alles andere sei überflüssig (so die von der Praxis seit langem anerkannte mittelbare Täterschaft) oder verstehe sich von selbst (wie Täter- und Mittäterbegriff). Nur in der Nichthervorhebung des Täterbegriffs im Teilnahmeabschnitt befindet sich der Entwurf in Übereinstimmung mit dem geltenden Recht. Und nur hier, beim Alleintäter, kann die Nichterwähnung damit begründet werden, daß es sich um eine Selbstverständlichkeit handele 1 ), deren Definition im System eines Lehrbuchs um der logischen Geschlossenheit willen weiterhin ihren Platz haben mag, doch nicht in das Gesetzbuch gehört. Kann man nun aber wirklich behaupten, daß die vom geltenden Recht in § 47 S t G B , getroffene Regelung der Mittäterschaft ihr Dasein der Lust an überflüssigen Distinktionen verdanke 2 ) ? Die Begründung •) a. M. B i n d i n g , Abh. I, 348, 400.
Karl
Die drei Grundformen des verbrecherischen Subjekts Th.
Kipp,
der dem Entwurf von 1 9 1 9 zum Ver-
dienst anrechnet, daß er den Täterbegriffe zu bestimmen unternahm: »Die Lehre von der Teilnahme nach dem Strafgesetzentwurf von 1 9 1 9 . « Ungedruckt.
J W . 1 9 2 2 , S. 2 5 3 . 2
Berliner Diss. 1 9 2 2 .
(Im folgenden zitiert: K . Th. K i p p , Teilnahme).
Goldschmidt,
M e z g e r , D S t Z . 1 9 2 1 , S. 207.
) Auf S. 25 der Begründung steht Mittäterschaft (nach geltendem Recht)
mit Anstiftung und Beihilfe in einer Reihe und wird wie diese als akzessorische Form der Teilnahme bezeichnet I Trotz R G S t . 40, S. 96 darf das nicht mehr als herrschende
Meinung
n a c h § 47 S t G B . Kommentar Abh. I 347.
§ 47,
gelten. Frank
1.
Mittäterschaft
ist
Täterschaft
§ 47 II. v. L i s z t - S c h m i d t
»Akzessorisch
ist
schon
§ 5 0 III. Leipziger
die Mittäterschaft
nie«:
Binding,
W e g n e r , Abschn. 4 : Teilnahme.
I03
sagt: ja. Der Mittäter ist Täter. »Das ist so selbstverständlich, daß es nicht gesagt zu werden braucht.« 1 ) Nun wird allerdings nach der Tatbestandstechnik unseres Strafrechts von der Verursachung des Erfolges unmittelbar auf den Täter geschlossen. Wenn aber von mehreren Beteiligten nur einer den E r f o l g unmittelbar oder keiner ihn ganz verursacht hat ? Die Begründung meint: auch hier könne »ohne eine Definition des Mittäters kein Zweifel bestehen, daß ein Mittäter auch dann wegen vollendeten Verbrechens zu bestrafen ist, wenn der E r f o l g nicht durch seine eigene Handlung, sondern durch die Handlung eines andern Mittäters herbeigeführt worden ist. Wenn also z. B. A und B auf N in der Absicht, ihn zu töten, losgestochen haben, A den N nur leicht verwundet hat und der T o d des N bloß in Folge einer Verletzung eingetreten ist, die ihm B zugefügt hat, so ist A wegen vollendeten Mordes strafbar.« Ergibt sich das wirklich zweifellos aus dem Täterbegriff 2 ) ? Oder ist hier nicht vielmehr eine Ausdehnung dieses Begriffs, eine Ausweitung der engen, auf den Alleintäter zugeschnittenen Tatbestandsmäßigkeit für den Fall nötig, in dem ein Beteiligter nur einen Teil der Straftat verwirklicht, ihm aber aus bestimmten Gründen der Anteil seines Komplizen so zugerechnet werden muß, als hätte er ihn in mittelbarer Täterschaft selbst vollbracht ? Schon das primitive Beispiel der Begründung, dieser einfache Totschlagsfall, mit dem bereits Albertus Gandinus experimentierte, wirft ') Die Begründung
meint,
ausländische
n u n g der Mittäterschaft im Gesetze aus.
Rechte
kämen
gut
ohne Erwäh-
E s ist da vor allem an das französische
Recht zu denken (das v o n dem Grundsatz der Gleichbestrafung aller K o m p l i z e n ausgeht).
C o d e penal a. 59. sq.
Dort aber müht sich das Schrifttum sehr um
die genaue B e g r e n z u n g des vom Gesetz vernachlässigten Begriffes des coauteur. Vgl.
Garraud,
tome
3, 901
(p.
55).
(3iime
ed.
1916.)
Das
norwegische
R e c h t kann kein V o r b i l d s e i n : es f o l g t einem heute überwundenen Radikalismus, dessen schärfster
Vertreter
damals
Getz
Mitt.
IK.V. V 348fr. war.
(s. unten
A n m . 22.) a)
D a ß es k e i n e s w e g s zweifellos ist, erweist die Tatsache, daß v. L i l i e n -
t h a l , Aschaff.
Monatsschr. 1925.
S. 1 2 1 ,
vor dem Erscheinen der B e g r ü n d u n g
eine g a n z andere, nach dem Wortlaut des Entwurfs durchaus mögliche A u s l e g u n g gab:
die N i c h t e r w ä h n u n g
der Mittäterschaft legt die Annahme nahe, »daß die
Mittäterschaft 111 der Beihilfe aufgehen soll. Mittäter
dem
anderen
die A u s f ü h r u n g
D e n n zweifellos erleichtert der eine
einer strafbaren Handlung.
W e n n man
Beihilfe und Täterschaft g l e i c h bestrafen will, so wäre es ja vielleicht u n b e d e n k lich,
die bei einer T a t Mitwirkenden nicht weiter zu unterscheiden, sondern als
g e g e n s e i t i g e Gehilfen
zu behandeln . . . « ; immerhin sei zweifelhaft ob man an
eine so radikale Ä n d e r u n g gedacht hat.
S. a. G e r l a n d ,
Der Entwurf 1925, S. 55.
ic>4
i . Buch. Verbrechen und Vergehen. Allgemeiner Teil.
diese Frage auf und läßt erkennen, wie wichtig es ist, d a ß der Gesetzgeber die Gründe angibt, aus denen jemand, obgleich er nicht alles allein gemacht hat, doch so angesehen wird, als hätte er es selber getan. Und wenn man statt des primitiven Totschlagfalles etwa einen modernen Einbruch nimmt, der bandenmäßig und nach solchen Prinzipien der Arbeitsteilung organisiert ist wie die Herstellung eines Fordschen Automobils, dann wird diese Notwendigkeit noch klarer. W e r von den hundert oder mehr Ausführern eines bestimmten Handgriffs baut mit am Automobil ? Die Antwort muß lauten: W e r irgendeinen Handgriff tut, der als Teil einer hier unter hundert Hände aufgeteilten Automobilschlosserarbeit gelten kann. Wollten Hausreiniger und Fensterputzer sich als Erbauer, als Automobilschlosser ausgeben, weil sie doch auch beim Betrieb helfen, so würde man sie auslachen. Lachen würde auch die Einbrecherbande, wenn die blinde Großmutter des Kaschemmenwirtes prahlen wollte, sie hätte doch neulich den großen Einbruch mit der berühmt gewordenen Fassadenkletterei »mitgemacht«, — bloß weil sie vorher die Strickleitern geknüpft hatte! i. D i e U n t e r s c h e i d u n g v o n M i t t ä t e r s c h a f t und B e i h i l f e ist ein alle T a g e wichtig werdendes Problem der Strafrechtsprechung. Der Schwierigkeit dieses Problems trägt eine gesetzliche Regelung nicht genügend und nicht klar genug Rechnung, wenn sie die Mittäterschaft nur negativ bestimmt, nur sagt, was n i c h t Mittäterschaft, sondern Beihilfe ist. Die Stelle des Entwurfs über Beihilfe (§ 26) kann indessen, ergänzt durch eine entsprechende Bestimmung über Mittäterschaft die Grundlage einer Neuregelung bilden, die allen, die nicht gerade in extrem subjektiver Teilnahmetheorie das letzte Heil sehen, praktikabel erscheinen wird. Die Bestimmung über Mittäterschaft ist nötig 1 ), weil der Gesetzgeber sagen muß, wann und weshalb er trotz der Arbeitsteilung unter mehreren Tätern jeden so behandelt, als hätte er alles allein getan. Ohne solche Bestimmung würde in Rechtsprechung und Schrifttum späterer T a g e Streit darüber entstehen, ob die Gesetzesworte »wer einen Menschen tötet«, ohne weiteres auch auf ') S c h o n d e r VE. v o n 1909, d e r d i e k ü r z e s t e T e i l n a h m e r e g e l u n g i n d r e i P a r a g r a p h e n — 78—80 — v o n j e e i n e m S a t z b r a c h t e , v e r z i c h t e t e a u f e i n e D e f i n i t i o n der M i t t ä t e r s c h a f t . Daran übten berechtigte Kritik: W a c h , DJZ. XV, 109; M. E. M a y e r , Aschrott-Liszt S. 368 — mit dem Erfolg, daß GE. 1911, § 31, KE. 1913 § 34 und E. 1919 e i n e B e s t i m m u n g ü b e r d e n M i t t ä t e r w i e d e r a u f n a h m e n . D e r A m t s e n t w u r f v o n 1925 s t e l l t d a n a c h e i n e n R ü c k s c h r i t t z u m VE. 1909 dar.
W e g n e r , Absehe. 4 : Teilnahme.
105
den Anwendung finden, der nur den Betäubungsschlag führt, damit der Komplize in Ruhe das Opfer aufhängen und so einen Selbstmord des Getöteten vortäuschen kann. Eine solche Bestimmung, die in Einklang mit § 26 wäre, hätte etwa so zu lauten: Wenn mehrere zu einer S t r a f t a t zusammenwirken, so wird a l s T ä t e r b e s t r a f t 1. j e d e r , der selbst eine A u s f ü h r u n g s h a n d l u n g vornimmt. Damit wäre (wie ja auch der Entwurf nach der Begründung zu § 26 will) in aller Klarheit zugunsten einer objektiven Teilnahmeregelung Stellung genommen. Allerdings handelt es sich dabei nur um die Übernahme gewisser Resultate der objektiven Theorie, nicht um ein volles Einverständnis mit den ihr von den Hauptvertretern der Wissenschaft gegebenen gedanklichen Grundlagen. Bedenklich an den meisten Ausprägungen der objektiven Teilnahmetheorie, auch gerade in der umfassendsten Darstellung, die sie bei v. B i r k m e y e r 1 ) gefunden hat, ist das einseitige Abstellen auf die Verursachungsfrage. Man wird sagen dürfen, daß gegenüber diesen gelehrten Ausführungen über den verschiedenen kausalen Anteil von Mittäter und Gehilfen die subjektive Theorie eine gewisse Schlichtheit, ja Volkstümlichkeit für sich in Anspruch nehmen kann: weil sie von dem einfachen Grundgedanken ausgeht, daß zwischen den verschiedenen Beteiligten nach dem G r a d e i h r e r S c h u l d , nach ihrem seelischen Anteil an der Tat unterschieden werden muß. Aber es entspricht nicht der Technik unserer rechtsstaatlichen Gesetze zu sagen: Du bist Täter und nicht nur Gehilfe, weil du innerlich am meisten beteiligt warst — mit andern Worten also: du bist der Hauptschuldige, weil ich dich für hauptsächlich schuldig halte. Gegen solche Art des Richtens lehnen sich rechtliches Gefühl und rechtlicher Verstand auf 2 ). Wir fordern die wesentlich andere Art der Schuldfeststellung: du bist der Hauptschuldige, weil du die H a u p t s a c h e getan hast; weil die Art deines Tuns erweist, daß du den stärksten innerlichen Anteil an der strafbaren Handlung hattest. Damit scheint es aller') Die Lehre von der Teilnahme und die Rechtsprechung des deutschen Reichsgerichts, 1890 und VDA. II. ' ) Vgl. z . B . v. H i p p e l s scharfe, aber berechtigte Kritik am Entwurf von 1 9 1 9 ZStW. 42. S. 534. (Vgl. f. unsern Zusammenhang auch daselbst S. 532 Anm. 28.) L i e p m a n n , Reform d. deutschen Strafrechts, Hamb. Schriften 2, 1 9 2 1 , S. 54 f.
106
i• Buch.
Verbrechen und Vergehen.
Allgemeiner Teil.
dings einen Augenblick so, als seien wir hier doch auch wieder auf die Verursachungsfrage, auf den Streit der Verursachungslehren zurückgeworfen. Denn muß nicht vom Standpunkt der Äquivalenztheorie aus behauptet werden: daß sich rein objektiv niemals feststellen lasse, wer die Hauptsache bei einer Straftat gemacht hat, da ja alle Bedingungen zu dem strafbaren Erfolg gleichwertig seien und somit alle Beteiligten gleichviel getan haben ? Führt somit die Lehre von der Gleichwertigkeit aller conditiones sine qua non nicht mit Notwendigkeit zur subjektiven Teilnahmelehre, zu den Begriffen animus auctoris und animus socii als einzigen Unterscheidungsmerkmalen ? Man wird das verneinen müssen. Die Lehre von der Gleichwertigkeit aller Bedingungen will nicht eine letzte und allgemeingültige philosophische Wahrheit geben, sondern eine auf einen bestimmten Zweck zugeschnittene strafrechtliche Arbeitshypothese. Der Zweck aber, dem allein sie dienen soll, ist die bloß vorläufige Feststellung, ob ein Ereignis, das so aussieht wie ein Straftatbestand, überhaupt in einer zunächst noch so äußerlichen Weise auf das Verhalten eines Menschen irgendwie zurückgeführt werden kann. Ist diese ( r e c h t vorläufige) Feststellung positiv, d. h. zuungunsten eines Verdächtigen ausgefallen, so setzt eine Reihe weiterer Nachforschungen ein, bei denen jene Verursachungslehre, jene Arbeitshypothese der conditio sine qua non k e i n e Verwendung mehr findet. Die Nachforschung, die jener ersten vorläufigen Feststellung eines gewissen kausalen Anteils des Verdächtigen an der Tat am nächsten zu folgen hat, ist die Frage nach seinem Schuldanteil. Daß bei dem einfachen Fall des Alleintäters die Frage nach diesem Schuldanteil, die hier in der Form des Fragens nach Vorsatz oder Fahrlässigkeit auftritt, ein K o r r e k tiv der Feststellung des sogenannten Kausalzusammenhanges ist, wurde schon oft betont und am wirkungsvollsten wohl von M. E. M a y e r 1 ) vertreten. D a ß aber die Verteilung der Verantwortlichkeit zwischen mehreren Beteiligten, d. h. die Feststellung der gesetzlichen Teilnahmeform (Mittäterschaft, Anstiftung oder Beihilfe) auch weiter nichts ist als eine bestimmte Art des Fragens nach dem Schuldanteil: darüber scheint weniger Klarheit zu bestehen. Hat man jedoch die Teilnahmefrage erst einmal richtig als Schuldfrage erkannt, dann fühlt man bei dem Versuch ihrer Lösung, wie vollkommen unabhängig man hier von jener Arbeitshypothese ist, die dem ganz anderen Zwecke dient, ein erstes ober') Allg. Teil S. 142.
Wegner,
Abschn. 4 : Teilnahme.
107
flächliches Bedingungsverhältnis zwischen dem Verdächtigen und dem strafbar scheinenden Erfolge festzustellen 1 ). Die Schuldfrage, als Korrektiv dieser Feststellung eines äußereil Bedingungsverhältnisses, wird nun aber auch beim Alleintäter nicht so unvermittelt aufgeworfen, daß etwa gefragt wird: trifft dich dafür, daß du an dem eingetretenen Unrecht nicht unbeteiligt bist, ein Vorwurf ? U m den Richter vor der Fällung eines bloßen Werturteils zu bewahren, macht man ihm die vorherige Feststellung ganz bestimmter Vorgänge zur Pflicht, die er als — aus gewissen anderen Erwägungen wie Notstand usw. widerlegbare — Symptome der Schuld werten soll. Diese Vorgänge sind, soweit es sich um die Vorsatzfrage handelt, allerdings rein innerer Natur. Aber als auf äußere Dinge bezügliche Bewußtseinsvorgänge sind sie auf jeden Fall etwas leichter Feststellbares, etwas sozusagen Objektiveres als die Begriffe der subjektiven Teilnahmetheorie, animus auctoris und animus socii, die wohl überhaupt nicht mehr bestimmt feststellbare Vorgänge sind, sondern bloßes, unbegründetes Werturteil über einen Menschen — also gerade das, wovor der Gesetzgeber durch seine Anweisungen den Richter bewahren will. — Bei der Frage nach der Fahrlässigkeit haben wir es zum großen Teile — obgleich es sich bei diesem Schuldsymptom doch auch um die Feststellung des sogenannten s u b j e k t i v e n Tatbestands hand e l t — m i t Erhebungen o b j e k t i v e r Art zu tun: mit Dingen wie Verkehrssitte und Sorgfalt des Durchschnittsmenschen. Und bei der Frage nach dem verschiedenen Schuldanteil mehrerer Beteiligter an derselben Tat (die rein ursächlich betrachtet eben ihrer aller Tat ist), haben wir es l e d i g l i c h mit der objektiven Feststellung zu tun: ob das vorliegt, was nach dem Sprachgebrauch des Lebens als »Ausführungshandlung« angesehen werden kann. »Ausführungshandlung« ist kein logisch scharf umrissener Beg r i f f ; das muß den Vertretern der subjektiven Teilnahmelehre ohne weiteres zugegeben werden. Auch »Sorgfalt des Durchschnittsmenschen« und »Verkehrssitte«, womit wir doch täglich arbeiten, sind es nicht. Aber vor den von Werturteil und Charakterbeurteilung untrennbaren Begriffen animus auctoris und animus socii verdient der von allgemeiner Lebenserfahrung gebildete Begriff d e r *) Das ist angedeutet, aber in keiner Weise durchgeführt bei S t ü b e l , Über die Teilnahme mehrerer Personen an einem Verbrechen, (828) S. 39 f.
Zu den
gleichen Resultaten wie die hier vertretene Auffassung gelangt die Lehre, die scharf zwischen
logischer
Gleichheit
und teleologischer
(soziologischer) Ver-
schiedenheit der Bedingungen scheidet: vgl. M i t t e r m a i e r ZStW. 21, S. I97ffKonsequent durchgeführt bei K. Th. K i p p , Teilnahme, S. 48.
I08
i . Buch.
Verbrechen und Vergehen.
Allgemeiner Teil.
Ausführungshandlung den Vorzug 1 ). Vornahme der Ausführungshandlung ist uns ein Indiz für den höchsten Grad verbrecherischer Energie. Es ist eine kühle, von Sympathie und Antipathie unberührte Vorstellung, die wir mit bestimmten Handlungen verbinden, ohne dabei an die ausführenden Menschen zu denken. Und deshalb (so lautet der ernsteste Einwand) ist dieser Begriff viel zu generalisierend, zu sehr bloß zugeschnitten auf die unproblematischen, klarliegenden Fälle — deshalb vergewaltigt er die komplizierteren Arten des Zusammenwirkens mehrerer zur selben Tat. Ein Beispiel mag diesen Einwand näher erläutern: Der A und die B haben beschlossen, den C zu vergiften. A streut das Gift in die Suppe, und die B entfaltet alle Reize ihrer Plauderkunst, um C's Aufmerksamkeit von dem merkwürdigen Geschmack des Giftgebräus abzulenken. Wendet die Plauderin nicht mehr verbrecherische Energie auf, wenn sie das Opfer zwingt, krampfhafte Festigkeit zu zeigen und aufsteigendes Unwohlsein zu bezwingen? Und doch »führt sie nicht aus«; die Ausführungshandlung setzte der A., der vielleicht gleich nach dem Einstreuen des Giftes hinausging, weil er nicht kaltblütig genug war, sich »die Sache mitanzusehen«. In ähnlicher Weise fragen wir bei dem alltäglicheren Fall des »Schmierestehens«, ob nicht, obgleich von »Ausführung« keine Rede sein kann, die gleiche Schuld wie bei dem Dieb selber gegeben ist 2 ). Der Gegenentwurf von 1911 suchte hier in der Weise zu helfen, daß er (v. Birkmeyers Vorschlag in der VDA. II. S.i5of. folgend) die während der Ausführung geleistete Beihilfe zur Mittäterschaft rechnet und demnach die mildere Bestrafung auf die Beihilfe zur Vorbereitung beschränkt. § 31 GE. lautet daher: »Als Täter wird auch derjenige bestraft, der bei Ausführung der ihm zurechenbaren strafbaren Handlung mitwirkt...«. Dieser Vorschlag kann sich auf das Vorbild des englischen und amerikanischen Rechts berufen. Die Erfahrungen, die England und Amerika mit diesem Recht gemacht haben, sind aber in keiner Weise ermutigend: das Erfordernis der Mitwirkung zur Zeit der T a t hat zu ganz äußerlichen und formalistischen, innerlich unbegründeten Entscheidungen geführt 3 ). ') Vgl. M e r k e l - L i e p m a n n , S. 163 f. P e r t e n , Die Beihilfe zum Verbrechen, v. Lilienthalsche Abhandlungen Heft 198 und Österr. Ztschr. f. Strafrecht 1911, S. 437, 438 f. l
) Daß Schmierestehen verbunden sein kann mit mittelbarer Täterschaft, ist «ine andere Frage. 3) v. Birkmeycr VDA. II, 96. In England hat man die Unterscheidung aus
W e g n e r , Abschn. 4 : Teilnahme.
E s wird, scheint mir, dabei bleiben müssen, daß Schmierestehen der Art nach Beihilfe und nicht Mittäterschaft ist. Der Tatsache aber, daß der Gehilfe in besonderen Fällen eben so schuldig sein kann wie der Täter, muß Rechnung getragen werden durch die M ö g l i c h k e i t g l e i c h e r B e s t r a f u n g . Insofern er diese Möglichkeit vorsieht, ist § 26 zu begrüßen. E r g e h t i n d e s s e n z u w e i t , i n d e m er s e i n e r F o r m u l i e r u n g n a c h die G l e i c h b e s t r a f u n g zur N o r m , die S t r a f m i l d e r u n g f ü r den G e h i l f e n zur A u s n a h m e macht. Gerade das Umgekehrte wäre richtig. Ich würde daher die Bestimmung über Beihilfe so fassen: W e r v o r s ä t z l i c h , ohne a n der A u s f ü h r u n g s e l b s t b e t e i l i g t zu s e i n , die T a t des a n d e r n b l o ß u n t e r s t ü t z t o d e r v o r b e r e i t e t h a t 1 ) , w i r d als Gehilfe grundsätzlich milder b e s t r a f t als der Täter. N u r wenn b e i d e r S c h u l d g l e i c h i s t , s o l l auf g l e i c h e S t r a f e erkannt werden. Die grundsätzliche Milderbestrafung des Gehilfen scheint mir mit der Unterscheidung von Mittäterschaft und Beihilfe von selbst gegeben. Die Möglichkeit, in Ausnahmefällen Täter und Gehilfen gleich zu bestrafen, hat nach der hier vorgeschlagenen Formulierung natürlich zur Folge, daß dem freien richterlichen Ermessen überlassen bleibt, die Ausnahmefälle zu bestimmen. Wem das bedenklich scheint, wird sich nach einer festen Norm (wenn auch nicht nach einer Aufzählung) umsehen, die der Gesetzgeber dem Richter an die Hand geben könnte. Und man mag einen Augenblick daran denken, die englische Regel hier zu verwenden: daß der G e h i l f e , d e r b e i d e r T a t a u s f ü h r u n g g e g e n w ä r t i g ist, dem Täter gleich zu strafen ist. Aber dieselben Gründe, die uns bei der Bestimmung der Mittäterschaft diese Regel ablehnen diesen Erwägungen durch Einführung der Gleichbestrafung praktisch preisgegeben: Accessories and Abettors Act von 1 8 6 1 vgl. Russell, Crimes and Micsdemeanors 7 t h ed 1909 p. 1 0 6 sq. S t e p h e n , A Digest of the Criminal L a w , 6 t h ed. London 1904, p. 36.
Schon vor der Einführung der Gleichbestrafung half man sich
über das leidige Erfordernis der Gegenwärtigkeit durch den Satz hinweg: T h e presence need not be actual; it may be constructive, s. H a r r i s Principles of the Criminal L a w 1 3 t h ed. London, 1 9 1 3 . of England. Gattie).
S t e p h e n ' s Commentaries on the laws
8th edition by Jenks, Vol IV Crimes and Criminal Procedure (by
London, 1 9 2 5 , p. 32 f.
' ) Die
Formulierung
des
Entwurfs:
»wer
vorsätzlich
einem andern die
Ausführung einer strafbaren Handlung erleichtert«, ist bereits von zwei berufenen Auslegern anders gedeutet worden, als die Begründung will: v. L i l i e n t h a l , Aschaff. Monatsschrift 1 9 2 5 ,
S. 1 2 1
und G e r l a n d S. 55, glaubten, daß damit-
der Entwurf die Mittäterschaft in der Beihilfe aufgehen lassen wolle.
I IO
i . Buch.
Verbrechen und Vergehen.
Allgemeiner Teil.
ließen, machen sich auch hier geltend: es ist ein zu äußerliches Kriterium. Auch das deutsche Reichsgericht hat mit ihm arbeiten wollen, hat aber ebenso wie die englische und amerikanische Rechtsprechung dabei das Erfordernis der Gegenwärtigkeit recht weitherzig auslegen müssen, um bei der Billigkeit zu bleiben 1 ). Ebensowenig sehe ich eine andere Regel, die imstande wäre, genau und doch ohne willkürliche, weil innerlich unbegründete Grenzziehung das Gebiet der Fälle anzugeben, in denen gleiche Strafe für Täter und Gehilfen geboten ist. Die Fälle sind aber da. Und kein Vertreter der subjektiven Theorie wird sich mit der objektiven Teilnahmeregelung des Entwurfs zufrieden geben, wenn nicht wenigstens durch den Strafrahmen der Beihilfe die Möglichkeit gegeben ist, in den Fällen, wo trotz fehlender Ausführungshandlung die Schuld des Gehilfen offensichtlich nicht geringer erscheint als die Schuld des Täters, praktisch zu demselben Ergebnis zu kommen wie bisher die beständige Rechtsprechung des höchsten Gerichtshofs. Dieses Zugeständnis wird man der Auffassung machen müssen, die bisher die Praxis beherrscht: daß man sie nicht gänzlich beiseite schieben darf, sondern nur das Anwendungsgebiet ihrer lediglich subjektiven Maßstäbe einengen, auf die Strafzumessung bei besonders schweren Beihilfefällen einschränken muß. Wer grundsätzlich von Mißtrauen und Widerwillen gegen freies richterliches Ermessen sich leiten läßt, kann natürlichkeinem derartigen Versuche zustimmen, die richtigen Gesichtspunkte der •beiden entgegengesetzten Teilnahmelehren im neuen Gesetz zu vereinigen. Mir scheint aber, daß diese Gegner überhaupt kein neues Gesetz, keine Strafrechtsreform wünschen dürfen, da ja das geltende Recht der klassische Ausdruck ihres Mißtrauens gegen den Richter ist. Die Reform kann demgegenüber unter keinem andern Leitwort stehen als diesem: objektive, äußerlich, feststellbare Frenzen, soweit es geht, aber nicht um jeden Preis. Generalisierende Regelung für die typischen Fälle, richterliche Freiheit für den Ausnahmefall. Besteht wirklich so große Gefahr, daß die Richter ohne starken Grund, ohne Gewissensdrang die bequeme Alltagsregel verlassen werden, um die Verantwortung freier Rechtsschöpfung auf sich zu nehmen ? 2. A n s t i f t u n g und m i t t e l b a r e T ä t e r s c h a f t . Die vorstehenden Ausführungen über Mittäterschaft und Beihilfe liefen mehr auf eine Begründung des Entwurfs als auf Kritik ») Vgl. RGSt. 1 4 , 2 8 ; 1 5 , 2 9 5 ; 26, 3 5 2 ; 28, 3 0 5 ; 54, 1 5 3 .
W e g n e r , Abschn. 4 : Teilnahme.
III
hinaus. Der Vorschlag, eine Bestimmung über Mittäterschaft einzufügen, fordert keine sachliche Änderung, sondern eine notwendige Ergänzung und Erläuterung. Bei der Anstiftung ( § 2 5 ) liegt es anders. Die Begründung hebt (S. 27) ausdrücklich hervor, daß durch eine vom Entwurf vorgenommene Erweiterung des Gebiets der Anstiftung der Begriff der mittelbaren Täterschaft überflüssig geworden sei. Diese These zwingt zu ernster Nachprüfung. a) W e l c h e s ist die g r u n d s ä t z l i c h a n d e r e R e g e l u n g v o n A n s t i f t u n g und B e i h i l f e , d u r c h w e l c h e die m i t t e l b a r e T ä terschaft überflüssig werden soll ? Die Neuerung besteht in der Aufgabe der extrem akzessorischen Ausgestaltung der echten, sog. unselbständigen Teilnahmeformen. Das ist die Erfüllung einer fast einmütig seit langem erhobenen Forderung, über die heute nicht mehr viel Worte zu machen sind: Keiner will, daß der Anstifter straflos bleibt, bloß weil sich in der Hauptverhandlung herausstellt, daß der Angestiftete wegen Unzurechnungsfähigkeit freigesprochen werden muß und also wegen fehlender Schuld eine Straftat ebensowenig wie deren Akzessorium, die strafbare Teilnahme, vorliegen kann. Der Streit von vor zwanzig Jahren über die Akzessorietät der Teilnahme ist heute überwunden, jener Streitstand, der durch die beiden schroff gegenüberstehenden Meinungen bezeichnet wurde: das Dogma von der Akzessorietät sei bloße Erfindung; und: die volle Abhängigkeit von der Haupttat sei mit der Natur der Teilnahme von selbst gegeben und mit ihr untrennbar verbunden 1 ). M. E . M a y e r hat die vermittelnde Formulierung gefunden 8 ): Eine gewisse Abhängigkeit von der Haupttat ist allerdings mit der Natur der Teilnahme gegeben: zumindest muß der Angestiftete äußerlich einen deliktischen Tatbestand verwirklicht haben (minimal akzessorische Natur der Teilnahme). Der Gesetzgeber wird aber sogar über diesen minimalen Grad der Abhängigkeit hinausgehen, er wird verlangen müssen, daß sich die Tat des Angestifteten nicht nur äußerlich als Tötungsverbrechen darstelle, sondern auch in Wahrheit eine r e c h t s w i d r i g e Tötung sei. Wer dem bedrohten Eigentümer zuruft »schießen Sie doch den Kerl nieder, wenn er nicht augenblicklich Ihr Grundstück verläßt«, fordert zu berechtigter Notwehr auf und darf nicht als Anstifter zum Morde bestraft *) V g l . Binding, Abh. I S. 347 oben einerseits und B i r k m e y e r andererseits. J
) In Aschrott-Liszt S. 3 5 5 f.
a.a.O.
112
i . Buch. Verbrechen und Vergehen.
werden.
Allgemeiner Teil.
D i e T e i l n a h m e ist a l s o a u c h i n s o f e r n a k z e s s o r i s c h ,
sie e i n b e g a n g e n e s
Unrecht
Natur der Teilnahme.
voraussetzt:
als
limitiert-akzessorische
H i e r a b e r endet d i e A b h ä n g i g k e i t v o n d e r
Haupttat nach M. E . M a y e r s Vorschlag, dem der Entwurf f o l g t : die »Limitierung« g e g e n ü b e r d e m g e l t e n d e n R e c h t b e s t e h t
darin,
d a ß die S t r a f b a r k e i t d e s A n s t i f t e r s u n d G e h i l f e n n i c h t m e h r v o n d e r S c h u l d des H a u p t t ä t e r s a b h ä n g t , es a l s o g l e i c h ist, o b d i e s e r s c h u l d u n f ä h i g oder ( e t w a d u r c h N o t s t a n d ) e n t s c h u l d i g t w a r . M i t der B e s c h r ä n k u n g d e r A k z e s s o r i e t ä t b r i n g t d e r E n t w u r f in § 27 einen n o t w e n d i g e n
F o r t s c h r i t t , der i m
bereits 1923 durch § 4 J G G . g e t a n wurde.
Jugendstrafrecht
Mit diesem Fortschritt
verbindet sich der irrige Glaube der Begründung, d a ß
nunmehr
d e r v o n L e h r e und R e c h t s p r e c h u n g stetig v e r w a n d t e B e g r i f f m i t t e l b a r e n T ä t e r s c h a f t ü b e r f l ü s s i g g e w o r d e n sei.
der
Hier wird also
die g a n z e K o n s t r u k t i o n l e d i g l i c h a l s L ü c k e n b ü ß e r
für die
Fälle
g e w e r t e t , die w e g e n d e r e x t r e m - a k z e s s o r i s c h e n A u s g e s t a l t u n g d e r Teilnahme nach geltendem
R e c h t a l s A n s t i f t u n g nicht
gestraft
werden konnten. D e m m u ß entgegengestellt werden der Satz: b) D u r c h d i e L i m i t i e r u n g
der »akzessorischen
der Teilnahme« wird die mittelbare T ä t e r s c h a f t
Natur
nicht ü b e r -
flüssig. In einer
Irrenanstalt trachtet der Patient A dem
B nach dem Leben.
Patienten
D i e A n s t a l t s l e i t u n g w e i ß d a v o n u n d ist d a h e r
b e s o r g t , die b e i d e n stets g e t r e n n t zu h a l t e n .
E i n m a l geht der
B
a b e r d o c h g e r a d e ü b e r d e n H o f , auf d e m A mit a n d e r n P a t i e n t e n zusammen irgendein
den Mittagsspaziergang Interesse a m T o d e
S c h u l t e r u n d zeigt a u f
des
macht.
Der Wärter
B h a t , tippt d e m A
C,
der
auf
B : w i e ein p l ö t z l i c h e i n g e s c h a l t e t e r
die Ma-
s c h i n e n h a m m e r stürzt A auf B und tötet ihn a u g e n b l i c k l i c h d u r c h S c h l a g auf die S c h l ä f e und E r w ü r g e n . N a c h geltendem Rechte kann hier ebensowenig wie nach dem Sinn, den das Volk mit dem W o r t e verbindet, von Anstiftung die R e d e s e i n : d e r W ä r t e r »bestimmte« d e n P a t i e n t e n nicht zur T a t
—
den schon Entschlossenen, den omnimodo facturus kann man nicht anstiften.
A l l a b e n d l i c h w e r d e n in d e r S t a m m s p e l u n k e einer V e r -
brecherkneipe Wortführer
die
Chancen
des A b e n d s
neuer
Einbrüche
den gewerbs- und
erörtert: hat
der
gewohnheitsmäßigen
G e l d s c h r a n k k n a c k e r a n g e s t i f t e t , d e r a u f die z w a n z i g m a l f ü r v e r s c h i e d e n e F ä l l e s t e r e o t y p a u f g e w o r f e n e F r a g e »wer m a c h t
mit?«
f ü n f m a l f ü r f ü n f »ihm b e s o n d e r s l i e g e n d e S a c h e n « mit »ich« g e antwortet hat ?
W e g n e r , Abschn. 4 : Teilnahme.
113
Der Entwurf spricht nicht von »Bestimmen« zur Tat, sondern von » V e r a n l a s s e n « . Hat der Wärter veranlaßt, daß der Patient A den Patienten tötet? Muß man dies bejahen 1 ), dann hat der Entwurf den Begriff der Anstiftung überhaupt aufgegeben; hat nur das Wort stehen lassen, der Sache nach aber das gemeint, was der österreichische Gegenentwurf Urheberschaft 2 ) nannte. Und es liegt ja die Annahme nahe genug, daß man hier ein Kompromiß hat schließen wollen: die neue Sache übernahm, es aber bei dem alten Namen beließ. Der Urheberbegriff 3 ) ist Gelehrtenwerk, das Wort Anstifter aber lebensvolle Schöpfung der Volkssprache 4 ). Der Urheberbegriff verdankt sein Dasein der logischen Erwägung, daß, wer irgendwie kausal geworden ist für einen Erfolg, doch auch dafür haften müsse. Das ist eine einseitige, nur kausal gedachte Verknüpfung, eine Abstraktion, die das geschichtlich gewordene Wesen unserer Strafgesetze außer Acht läßt. Diese Strafgesetze haben, seit die heute gang und gäbe und vom Entwurf doch beibehaltene Tatbestandstechnik da ist, zunächst den die Tat körperlich ausführenden Alleintäter im Auge. Die Aufgabe der Teilnahmebestimmungen aber ist es, zu sagen, wer dem Alleintäter rechtlich der Schuld nach gleichsteht und wer gesetzlich nach Art und Strafmaß von ihm geschieden werden muß. Dem Alleintäter völlig gleich stellt unser Rechtsbewußtsein den Gleichartiges 5 ), nämlich zur Ausführungshandlung Gehöriges tuenden Mittäter. Der Art nach sondert es davon den Anstifter. In der Strafe allerdings steht er dem Täter gleich. Zwar ist oft für den Anstifter charakteristisch, ') Entgegen der Begründung S. 26, die es ausdrücklich verneint und betont, daß zur Anstiftung nach wie vor Erweckung des Entschlusses gehört. *) Vgl. auch M. E. Mayer in Aschrott-Liszt S. 369. Auch G o l d s c h m i d t ' s »Gegenentwurf« zum Entwurf von 1 9 1 9 (JW. 1922 S. 253) arbeitet mit einem »Urhebersbegriff. Aber ganz im Gegensatz zum AE. 25 läßt er den Urheberbegriff nur subsidiär sein gegenüber der von ihm § 26 seines GE. definierten mittelbaren Täterschaft. Er folgt damit dem Vorbilde B i n d i n g s (die drei Grundformen d. verbr. Subj. Abh. I 253—401), der aber im Gegensatz zu Goldschmidt und zum Entwurf von 1925 nicht von »Veranlassen« sondern wie § 48 StrGB. von » B e stimmen« zu einer Tat spricht (S. 400). 3) Soweit Überhaupt nach den vielen verschiedenen Bestimmungen des Urhebers — von deren Mannigfaltigkeit die wenigen Verweisungen der vorstehenden Anmerkung nur eine schwache Vorstellung geben können — die Rede von e i n e m solchen Begriffe sein darf! 4) A. M. vor allen B i n d i n g , 5) P e r t e n , a. a. O. Reform des Strafgesetzbuchs.
Abh. I S. 355ff. 8
i . Buch.
Verbrechen und Vergehen.
Allgeraeiner Teil.
daß er selbst n i c h t die Täterenergie hat. Aber dieses Minus an verbrecherischer Energie wird ersetzt durch ein Stück Erfolgshaftung — weil der schlimme Erfolg hier ein doppelter ist: einmal der gewöhnliche Verbrechenserfolg, dann aber auch die Verleitung eines Menschen zu diesem Verbrechen, die Anstifterhandl u n g : das Erwecken »böser Lust«. Von letzterem kann indessen keine Rede sein, wenn ein schuldunfähiges, jugendliches Mitglied jener Verbrecherbande, die allabendlich in der Spelunke ihre Pläne erörtert, die Aufforderung annimmt, sich an einem Einbruch zu beteiligen: es brennt ja auf Gelegenheit zu solcher »Mannestat«. Zwar können, wenn die Schuldunfähigkeit kein Hindernis mehr ist für die Bestrafung des Anstifters, auch Kinder und Geisteskranke angestiftet werden: Die A weiß, daß ihr Mann schizophren ist. Aber da seine Anfälle nur periodisch auftreten, behandelt sie ihn in der Hauptsache doch mehr als Normalen. Und so auch, als sie ihn auf den Gedanken bringt, seine frühere Geliebte, die immer noch Geld von ihm erpreßt, zu ermorden. Das ist Anstiftung, nicht mittelbare Täterschaft. Die mittelbare Täterschaft kann nicht in einem hingeworfenen, wenn auch ernst gemeinten Worte liegen, das in dem Ausführenden den Entschluß zur Tat wach rief. Mittelbare Täterschaft liegt nur vor, wenn der Geisteskranke, das Kind planmäßig als W e r k z e u g in den Dienst der eigenen Zwecke gestellt wird. Handeln durch ein Werkzeug steht dem Alleinhandeln ebenso gleich wie die Beteiligung an der Ausführung. Beide »Begriffe«, Handeln durch menschliches Werkzeug und Ausführungshandlung, haben den gleichen Nachteil: nur nach Sprachgebrauch, nicht nach logischer Norm bestimmbar zu sein, und den gleichen Vorteil: ein objektives oder doch wenigstens nicht rein subjektives Kriterium zu verwenden, das typisch ist für einen gewissen Grad verbrecherischer Energie, die der bei unmittelbarer Täterschaft aufgewendeten gleichsteht. Aber warum diese sorgfältige Unterscheidung der mittelbaren Täterschaft von der Anstiftung? Das Strafmaß ist ja das gleiche, und wenn sich durch die vom Entwurf vorgeschlagene weite Fassung der Anstiftung alle Fälle der mittelbaren Täterschaft darunter bringen lassen — muß dann nicht die Neuregelung vorzüglich einfach und praktisch genannt werden ? Darauf ist zweierlei zu erwidern: i. Nicht oder nur durch sehr komplizierte Windungen läßt sich folgender Fall der Anstiftungsbestimmung subsumieren: Ein Beamter veranlaßt durch einen Nichtbeamten die Ausführung eines Beamtendelikts. Nach geltendem Rechte sagen wir: der Beamte,
W e g n e r , Abschn. 4 : Teilnahme.
115
der allein hier als Täter in Frage kommen kann, bedient sich des zu eigener Täterschaft unfähigen Nichtbeamten als Werkszeugs, ist also mittelbarer Täter. Das ist der Fall des sog. qualifikationslosen dolosen Werkzeugs. Zu Unrecht spricht man hier von einem »dolus« des Werkzeugs: dolus ist nicht die Bezeichnung eines gewissen Bewußtseinsgrades, sondern bedeutet stets: Kenntnis a l l e r Tatbestandsmerkmale. Danach kann ein Nichtbeamter gar nicht den dolus haben, ein Beamtendelikt, zu dessen Tatbestand die Beamteneigenschaft gehört, als Täter zu begehen (also kann auch nicht, wenn man überhaupt noch mit diesem überwundenen Begriff arbeiten will, von einer Unterbrechung des Kausalzusammenhanges durch einen neuen Vorsatz die Rede sein). Besser als von mittelbarer Täterschaft durch »doloses Werkzeug« spräche man vom Tun durch ein bewußt handelndes Werkzeug, das Gehilfenschuld haben kann. Auf keinen Fall aber lassen sich diese Fälle ohne Sinnwidrigkeit als »Anstiftung« bezeichnen. Die Begründung verkennt nicht, daß sich die Fälle der mittelbaren Täterschaft durch doloses Werkzeug nicht ohne weiteres unter § 25 subsumieren lassen. Aber sie sucht unsere Bedenken durch zwei Erwägungen zu zerstreuen: a) Ein großes Anwendungsgebiet der Theorie vom »dolosen Werkzeug« war das Gebiet der Absichtsdelikte. Als »doloses« Werkzeug (d. h. eigentlich als ein des tatbestandsmäßigen dolus e n t w e h r e n d e s Werkzeug) galt, wer eine fremde Sache wegnahm, um sie unmittelbar einem Dritten und nicht sich selbst zuzueignen. Durch die §§ 1 1 9 , 1 3 3 Abs. 3, 296, 300, 3 0 1 , 305, 306, 3 1 0 , 3 1 6 Abs. 2 des Entwurfs sind diese Anwendungsfälle der Konstruktion des »dolosen« Werkzeugs für die Zukunft beseitigt, weil dort »durchweg von der Absicht, sich o d e r e i n e n D r i t t e n [oder einen andern] zu bereichern, gesprochen wird« (BegründungS. 27). b) Die Fälle des »qualifikationslosen dolosen Werkzeugs« bleiben allerdings übrig. Aber damit sie dem Anstiftungsparagraphen subsumiert werden können, sei in § 28 des Entwurfs die Bestimmung aufgenommen worden: »Wenn besondere Eigenschaften oder Verhältnisse die Strafbarkeit der Tat begründen, so sind der Anstifter und der Gehilfe strafbar, wenn diese Umstände b e i i h n e n o d e r b e i m T ä t e r vorliegen«. Auf diese, wie mir scheint, etwas gewaltsame Weise will man also die Sinnwidrigkeit ermöglichen, daß ein Beamter als Anstifter eines Nichtbeamten zu einem echten Beamtendelikt, das der »Angestiftete« doch auch objektiv gar nicht begehen kann, soll be8*
Ij6
i . Buch.
Verbrechen und Vergehen.
Allgemeiner Teil.
straft werden können. Anstiftung zu einer Tat, zu der es außer dem Anstifter selber gar keinen Täter geben kann! Soweit reicht denn die »Limitierung« der Akzessorietät der Teilnahme doch nicht, um solche Konstruktionen zuzulassen. Sie ermöglicht lediglich die Konstruktion der Anstiftung zu einer Tat, deren vorhandener Täter in concreto entschuldigt ist. 2. Selbst wenn das Problem des qualifikationslosen dolosen Werkzeugs nicht bestände, wäre der Preis für die vom Entwurf erstrebte Vereinfachung zu hoch. Die Ausdehnung des ursprünglichen Anstifterbegriffes auf alle Fälle der mittelbaren Täterschaft bedeutet die Verderbung eines Wortes, mit dem bisher der Mann aus dem Volke den gleichen Sinn verbinden konnte wie der Rechtsgelehrte. Wenn man »um logischer Erwägungen willen« den Worten ihren Sinn abstreift, irrt man von der Erfahrung des Volkes, dem die Sprache gehört, in Scheinlogik und Scholastik. Solange der Logiker sinnvoll denkt, wird er auch sinnvoll sprechen und die Wahrheit begreifen, daß der hrfot das Wort ist. Nicht ein abstrakter Urheberbegriff soll im Gesetze stehen, nicht ein farbloses Wort, das auf jeden paßt, auf den man ein Unrecht irgendwie zurückführen kann, sondern eine bestimmte, dem Volksbewußtsein vertraute Begehungsform 1 ). Das ist die Anstiftung im alten Sinne, das Erwecken des Verbrechensentschlusses, der »bösen Lust«. Und das ist auch das Handeln durch ein menschliches Werkzeug, die mittelbare Täterschaft. Das Festhalten an diesen beiden Formen verspricht mehr Rechtssicherheit als die Einführung eines uferlosen Urheberbegriffes. Das farblosere Wort »Veranlassen« statt »Bestimmen« würde die Rechtsprechung zu einer zu weiten Ausdehnung des Anstifterbegriffes verleiten. Nach der Begründung (S. 26) fallen ') »Wenn nun aber auch zu dem Tatbestand gewisser Verbrechen außer der Tat ein bestimmter E r f o l g derselben gehört, so ist doch auch in diesen Fällen der Ausdruck Urheber der Verbrechen der Sache nicht angemessen.
Denn
die Bewirkung einer Folge ist keine Handlung und keine Tat, sondern eine Begebenheit, da sie sich erst ereignet, wenn die in Tätigkeit gesetzten Kräfte tätig zu sein aufgehört haben. Taten.«
Verbrechen sind aber Handlungen und insbesondere
So schon S t ü b e l , Über die Teilnahme mehrerer Personen an einem
Verbrechen, 1 8 2 8 .
Wenn Stübel dennoch für die Anstiftung (die er allerdings
ganz zutreffend als Hervorrufung des Verbrechensentschlusses definiert) den Ausdruck Urheberschaft gebraucht, so ist das eine Inkonsequenz.
Denn auch gerade
bei der Anstiftung wird e i n e b e s t i m m t e A r t d e s H a n d e i n s als verbrecherisch gewertet, nicht ein bloßes Bedingungsverhältnis zum Erfolg. alten
einfachen Begehungsformen
S. a. L o b e , J W . 1 9 2 5 , S. 883.
empfiehlt auch W a c h
Festhalten an den DJZ.
1 9 2 5 S. 5 3 6 .
W e g n e r , Abschn. 4 : Teilnahme.
117
allerdings n i c h t alle Fälle der mittelbaren Täterschaft unter die Anstiftung: der schon zur Tötung seines Mitpatienten B entschlossene Geisteskranke A kann durch seinen Wärter nicht mehr »angestiftet« werden. Aber die Verteidiger des Entwurfs werden sagen, wenn schon der Richter »Anstiftung« ablehnt, so ist ja auf jeden Fall noch die Bestimmung über Beihilfe da. Die Begründung denkt sich in der Tat die Sache so, daß Anstiftung und Beihilfe z u s a m m e n , weil sie ja jetzt von den Fesseln der strengen Akzessorietät erlöst sind, die mittelbare Täterschaft ersetzen sollen 1 ). Doch auch dagegen lehnt sich unser Rechtsgefühl auf. Beihilfe kann — nach dem eben gemachten Vorschlag soll sie sogar grundsätzlich — m i l d e r bestraft werden als Täterschaft. Diese Möglichkeit milderer Strafe steht in Widerspruch zu der Tatsache, daß der Wärter sich genau so betragen hat wie ein Alleintäter, genau die gleiche brutale Energie aufgewendet hat: denn es macht nach der herrschend gewordenen Rechtsanschauung keinen Unterschied, ob man eine Schußwaffe oder Bombe in Bewegung setzt oder einen unglücklichen Menschen, der auf das richtige Antippen seiner Instinkte genau so mechanisch und hemmungslos funktioniert wie eine elektrische Höllenmaschine auf den Druck des Einschalteknopfes. Wir brauchen die mittelbare Täterschaft. Und um ihr Anwendungsgebiet genau zu umgrenzen, müssen wir ihre gesetzliche Regelung fordern — etwa in dieser Art: W e n n m e h r e r e zu e i n e r S t r a f t a t z u s a m m e n w i r k e n , so wird als Täter b e s t r a f t 1. (Mittäter, s. oben.) 2. wer einen S c h u l d l o s e n o d e r M i n d e r s c h u l d i g e n a l s W e r k z e u g zur A u s f ü h r u n g d e r T a t benutzt. Der Entwurf von 1 9 1 9 hatte eine etwas komplizierte Regelung von mittelbarer Täterschaft und Anstiftung: es sollte ent') Der Entwurf ist doch leider noch recht stark von dem Bestreben beherrscht, die Unterschiede zwischen Tat- und Teilnahmeformen praktisch auf ein Nichts zurückzuführen — ein Bestreben, das im Anfang der Reförmbewegung mächtig war (s. vor allem J K V . Mitt. X I , 348 fr.).
1 3 7 , 544 u. G e t z Mitt. d. J K V . V
Sein Fehler ist, daß er immer nur auf die allerdings gleiche kausale
Beziehung (im Sinne eines zunächst ganz oberflächlichen Bedingungsverhältnisses) achtet und nicht auf den verschiedenen Schuldgehalt, auf die Formen verbrecherischen Energieaufwandes.
verschiedenen
Das Streben nach Vereinheitlichung
der Teilnahmetatbestände darf als wissenschaftlich überwunden gelten. Birkmeyer V D A . II, 88 f.
V g l . z. B.
Ij8
i . Buch.
Verbrechen und Vergehen.
Allgemeiner Teil.
scheidend sein, ob der Bestimmende, wenn auch i r r i g , angenommen hatte, einen Unzurechnungsfähigen vor sich zu haben (mittelbare Täterschaft) oder einen Zurechnungsfähigen zu eigener Tat zu bestimmen (Anstiftung). Auf dieses rein subjektive Moment darf nicht abgestellt werden1). In dem Täterdolus ist der Anstiftervorsatz enthalten. Daher kann, was subjektiv mittelbare Täterschaft sein sollte, der objektiven Sachlage nach aber Anstiftung ist, als Anstiftung bestraft werden. Und ebenso sehe ich kein Bedenken, den, der »nur anstiften« wollte, ohne sein Wissen jedoch ein menschliches Wesen mit Werkzeuggefügigkeit benützte, als Anstifter zu bestrafen. In der darüber hinausgehenden objektiven Sachlage ist die dem subjektiven Tatbestand entsprechende Anstiftung enthalten. Das ergibt sich nach Auslegungsgrundsätzen und braucht nicht im Gesetz zu stehen. Eine Erweiterung muß das Gebiet der mittelbaren Täterschaft wegen der Aufnahme der verminderten Zurechnungsfähigkeit erfahren: nicht nur durch den Unzurechnungsfähigen und den der spezifischen Täterschuld Entbehrenden, sondern auch durch einen vorsätzlich, aber gemindert schuldhaft handelnden Psychopathen kann mittelbar eine Straftat verwirklicht werden. 3. Besondere E i g e n s c h a f t e n und Verhältnisse (§ 28). Sehen wir von der Kritik ab, die wir an dem gewaltsamen Versuch, die mittelbare Täterschaft des Beamten durch den Nicht beamten zu einer begrifflich unmöglichen »Anstiftung« des Nichtbeamten zum reinen Beamtendelikt zu machen (Satz 1 § 28), üben mußten, so können wir der Regelung des Entwurfs voll zustimmen. »Bisher war es bestritten, ob wegen Anstiftung und Beihilfe zu »Sonderverbrechen« auch Personen bestraft werden können, die sie als Täter nicht begehen könnten, weil sie nicht zu den in der Strafdrohung genannten Personen gehören. Die herrschende Meinung bejaht diese Frage schon jetzt, und der Entwurf will diese Meinung im Gesetz ausdrücklich anerkennen« (Begr. S. 28). Das ist die vom Entwurf vorgesehene Ergänzung des jetzigen § 50 StGB. Daß der Entwurf es ablehnt, den Versuch der Anstiftung allgemein mit Strafe zu bedrohen, halte ich für berechtigt. Wo Bedürfnis der Strafbarkeit besteht, soll der Besondere Teil helfen (vgl. vor allem §§ 182 f.). Auch eine Bestimmung über den sog. agent provocateur halte ich im Gegensatz zu Gerland (S. 52) nicht für notwendig. Die von der herrschenden Meinung für das ') K. T h . K i p p , Teilnahme, S. 91.
W e g n e r , Abschn. 4 : Teilnahme.
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geltende Recht bejahte Möglichkeit, den Lockspitzel als f a h r l ä s s i g e n Täter zu bestrafen, besteht auch nach dem Entwurf. — Das Streben nach Vereinfachung war grundsätzlich berechtigt. Zu weit ging es, indem es zwei Formen der Beteiligung mehrerer an einem Verbrechen strich, die in alltäglicher Praxis bisher anerkannt wurden: Mittäterschaft und mittelbare Täterschaft. Indem man sie wieder einfügt, trägt man jahrzehntelanger Erfahrung der reichsdeutschen Rechtsprechung Rechnung. Danach darf man sich der Hoffnung hingeben, daß die so vorgeschlagene Teilnahmeregelung zwar nichts grundstürzend Neues — weder Geistreiches noch Radikales — , wohl aber etwas Vernünftiges und Brauchbares bringt.
Abschnitt 5: Strafen1). Von
Geh. Justizrat Professor Dr. M. Liepmann, Hamburg.
I. Die Todesstrafe. Der Entwurf steht auf dem gleichen Standpunkt wie die früheren (veröffentlichten) Entwürfe. Seit dem Strafgesetzentwurf von 1909 soll die Todesstrafe beim Mord nur alternativ neben Freiheitsstrafe zugelassen sein (221, 72) 2 ). Dagegen hat der 1922 der Reichsregierung vorgelegte — aber infolge Rücktritt des Kabinetts nicht veröffentlichte — Entwurf R a d b r u c h die Todesstrafe beseitigt. Man wird gut tun, die »Begründung« für diesen Schritt auf sich wirken zu lassen. »Die Todesstrafe ist schon im bisherigen Strafensystem ein F r e m d k ö r p e r . Sie war das natürliche Endglied einer Strafenreihe gewesen, die sich von peinlicher Gefangenschaft, körperlicher Züchtigung, verstümmelnder Leibes-' strafe bis zu der in sich noch vielfältig abgestuften Todesstrafe steigerte. Sie ist als einziger Rest dieser Reihe stehen geblieben und steht jetzt durch eine u n ü b e r b r ü c k b a r e Kluft von den anderen Strafarten getrennt, v ö l l i g v e r b i n d u n g s l o s u n d u n v e r g l e i c h b a r in einem auf Geldstrafe und Freiheitsentziehung aufgebauten Strafensystem. Z u ihrer Rechtfertigung kann man sich auf den Gedanken der V e r g e l t u n g nur dann berufen, wenn man sich diese nur in der urzeitlichen Form der Talion zu denken vermag. x)
Zahlen ohne Zusatz bedeuten Seiten der amtlichen Begründung,
Para-
graphen ohne Zusatz Artikel des Entwurfs. l)
Dagegen zeigt die Behandlung des schwersten Falles des
eine Entwicklung. absolut
an.
Der
Hochverrats
VE. folgt dem Strafgesetzbuch und droht Todesstrafe
Der Entwurf von
1913
hat diesen Standpunkt verlassen.
kennt zwei Arten möglicher Milderung.
Hat der Täter
bei seinem
Er
»Angriff
gegen das Leben des Herrschers« nicht mit Überlegung gehandelt: lebenslanges oder Zuchthaus nicht unter 10 Jahren, bei mildernden Umständen sonst: Zuchthaus, Gefängnis oder Einschließung (134). Todesstrafe beim Hochverrat beseitigt (138).
Seit dem Entwurf von 1919 ist die
L i e p m a n n , Abschn. 5 : Strafen.
121
Daß auch Zweckerwägungen die Beibehaltung der Todesstrafe nicht fordern, beweisen die E r f a h r u n g e n d e r S t a a t e n , in denen sie abgeschafft ist, Italiens, Portugals und Rumäniens, Hollands und Norwegens, vieler Schweizer Kantone und zahlreicher nord-, mittel- und südamerikanischer Staaten. Der neue italienische Strafgesetz-Entwurf hat in seiner Begründung für die Todesstrafe nur noch den einzigen Nebensatz übrig, daß »auch auf Grund der seit 30 Jahren in Italien gemachten Erfahrungen die Todesstrafe nunmehr ausgeschlossen sei«. Vor allem hat Österreich die Todesstrafe beseitigt und ihre A b s c h a f f u n g in s e i n e r V e r f a s s u n g f e s t g e l e g t , so d a ß s i e nur n o c h um den P r e i s des V e r z i c h t s auf die R e c h t s a n g l e i c h u n g in e i n e m der w e s e n t l i c h s t e n P u n k t e im D e u t s c h e n R e i c h e a u f r e c h t e r h a l t e n w e r d e n könnte.« Wir fragen: sind Tatsachen eingetreten, die das Gewicht dieser Gründe beseitigen oder auch nur abschwächen können ? Gewiß nicht, das muß auch der Anhänger der Todesstrafe zugeben, in der Frage der Rechtsangleichung, denn auch der gegenwärtige Entwurf will ein » a l l g e m e i n e s « deutsches Strafgesetzbuch und seine »Begründung« ist sich über den Wert einer solchen großdeutschen Leistung vollkommen klar. »Gewiß« — heißt es hier — bringt die Rechtsangleichung es mit sich, daß beide Teile auf manche hergebrachten Einrichtungen — verzichten müssen. Das Opfer ist gering, gemessen an dem hohen Ziel, der Praxis und der Wissenschaft in beiden Ländern eine einheitliche Grundlage und der kulturellen Gemeinschaft der deutschen Stämme einen sichtbaren Ausdruck zu geben (3). Damit ist der Weg für die weitere Behandlung des Entwurfs mit unausweichlicher Klarheit bezeichnet. Die Frage der Todesstrafe ist eine S c h i c k s a l s f r a g e f ü r den E n t w u r f geworden! E s ist in der Tat ein undenkbarer Zustand, daß die »kulturelle Gemeinschaft der deutschen Stämme« gerade auf diesem Gebiet verlassen werden soll, zumal wenn der eine Teil so sehr von der Rückständigkeit und Untragbarkeit der Todesstrafe für einen Kulturstaat überzeugt ist, daß er in dem denkbar feierlichsten Rechtsakt eines Staates, in seiner V e r f a s s u n g sie verboten h a t 1 ) . W i l l ') Als bei der Schöpfung des geltenden Strafgesetzbuches der Reichstag des
Norddeutschen
die verbündeten
Re-
gierungen aber sie beibehalten wollten, stellte der Abgeordnete P l a n c k
Bundes
die Todesstrafe beseitigen,
den
Vermittlungsantrag, sie beizubehalten mit Ausnahme der Länder, die sie bereits gesetzlich
abgeschafft hatten (Sachsen,
Anhalt,
Oldenburg,
Bremen).
Gegen
dieses Kompromiß wendete sich B i s m a r c k in der Reichstagssitzung vom 23. März
122
Buch.
Verbrechen und Vergehen.
Allgemeiner Teil.
man a l s o w i r k l i c h ein a l l g e m e i n d e u t s c h e s S t r a f g e s e t z b u c h , so m u ß m a n auf d i e T o d e s s t r a f e v e r z i c h t e n . Kann man dies wirklich nicht, obwohl ein deutscher Stamm, Österreich, den Schritt bereits gewagt hat? Durch Gesetz vom 3. April 1 9 1 9 und dann durch das Bundesverfassungsgesetz vom 1. Oktober 1920 ist hier die Todesstrafe für das ordentliche Verfahren — abgesehen also vom »standrechtlichen Verfahren« — abgeschafft (Art. 85). Und man hat nichts davon gehört, daß irgendwelche ernsthaften Instanzen gegen den hierdurch geschaffenen Zustand protestiert, daß irgendwelche beunruhigenden Vorgänge ihn als übereilt demonstriert haben. Wenn dies möglich war zu einer Zeit, in der sicherlich die zersetzenden Einflüsse von Krieg, Revolution und höchster wirtschaftlicher Not viel stärker wirksam waren als jetzt, in Österreich ebenso wie in Deutschland, wenn 1922 das Reichsjustizministerium mit ruhiger Klarheit das Fazit bereits zu Ungunsten dieser veraltetsten aller Strafen gezogen hat, — was ist geschehen, um uns jetzt wieder in die Entwicklungsstufe vor 1870 drängen zu wollen und resigniert zu erklären : Der Entwurf »hält die Zeit für ihre Abschaffung nicht für gekommen«? »Angesichts der infolge des langen Krieges eingetretenen allgemeinen Verrohung, angesichts der außerordentlichen Steigerung von Mordtaten grauenerregender Art erscheint es nicht möglich, auf das in der Todesstrafe zweifellos liegende starke Abschreckungsmittel zu verzichten« (30). »Zweifellos« sagt die Begründung. Leider aber muß hier der 1870: »Es ist fllr mich eine absolute Unmöglichkeit, es wäre ein volles Verleugnen meiner Vergangenheit, wollte ich einem Gesetz hier zustimmen, welches das Prinzip sanktioniert, daß durch den Bund zweierlei Recht für die Norddeutschen geschaffen werden soll, daß gewissermaßen zweierlei Klassen von Norddeutschen geschaffen werden sollen — eine Selekta, die vermöge ihrer Gesittung, vermöge ihrer Erziehung soweit vorgeschritten ist, daß selbst ihre Üblen Subjekte des Korrektivs des Richtbeils nicht mehr bedürfen, und dann das profanum vulgus von 27 Millionen, welches diesen sächsisch-oldenburgischen Kulturgrad noch nicht erreicht hat, dem das Richtbeil im Nacken sitzen muß, um es in Ordnung zu halten. Dem können wir nicht zustimmen. Ich kann von diesem Standpunkt aus hier kein Oldenburg und kein Preußen kennen, ich kenne nur Norddeutsche. Unsere Aufgabe ist, die Gleichheit vor dem Gesetz für alle norddeutschen Bürger zu schaffen, nicht die Ungleichheit da, wo sie ist, gutzuheißen oder gar sie innerhalb eines Bundesgebietes neu zu schaffen. Meine Herren, das ist eine p o l i t i s c h e U n m ö g l i c h k e i t ! « Dem Gewicht dieser Gründe konnte sich der Reichstag nicht entziehen. Sollte nicht dieser Vorgang unseren Gesetzgebern von heute, dem Reichsjustizministerium, dem Reichstag und der öffentlichen Meinung in Deutschland zu denken geben?
L i e p m a n n , Abschn. 5 : Strafen.
123
offiziellen Begründung des Gesetzbuches entgegengehalten werden, daß sie damit in dem Stadium der vorwissenschaftlichen, rein gefühlsmäßig — laienhaften Auffassung des Problems stecken geblieben ist. Denn davon, daß die Todesstrafe ein »zweifellos starkes Abschreckungsmittel« ist, kann gar keine Rede sein. Seit man angefangen hat, über diese Fragen wissenschaftlich nachzudenken und sich nicht mit dem begnügt, was der »Mann auf der Straße« glaubt, sollte man zum mindesten wissen, daß diese behauptete Präventivfunktion in höchstem Maße zweifelhaft ist, ja daß alle Untersuchungen wissenschaftlicher Art gerade umgekehrt zu dem Ergebnis geführt haben, daß der Glaube an die abschreckende Kraft der Todesstrafe als wissenschaftlich widerlegter Aberglaube bezeichnet werden muß. Wer ohne Vorurteil das Material verfolgt, das der Vergleich zwischen Staaten mit und ohne Todesstrafe bietet, das aus der Geschichte des Strafrechts und der Anwendung der Todesstrafe zu gewinnen ist, kommt immer wieder zu dem gleichen Schluß. Ich darf hier auf die eigenen Untersuchungen 1 ) verweisen, die neuerdings durch die Arbeiten von R o b i n s o n , Raymond T. B y e , Lewis E . L a w e s bestätigt sind 2 ). Man versuche die hier gegebenen Nachweise zu widerlegen, aber es ist kein Zeichen einer starken Position, wenn immer wieder der Versuch gemacht wird, sie einfach zu ignorieren. Dafür bietet die Begründung des Entwurfs noch einen weiteren charakteristischen Beleg. Sie bringt ein paar von den Gründen, die Gegner und Anhänger der Todesstrafe für ihre Ansicht anführen, und stellt als Ansicht der letzteren zum Schluß den Satz auf: »Die Erfahrungen der ausländischen Staaten, welche die Todesstrafe abgeschafft haben, seien k e i n e s w e g s g ü n s t i g und, soweit sie etwa g ü n s t i g l a u t e t e n , a u c h n i c h t m a ß g e b e n d , da dort vielfach ganz andere wirtschaftliche, soziale und politische Verhältnisse beständen als in Deutschland« (30). Das ist eine in mehrfacher Beziehung höchst seltsame Be*) L i e p m a n n , Strafrechts (Hambg.
Die Todesstrafe, Schriften z. ges.
1 9 1 2 , und: Die Reform des deutschen Strafrechtswissenschaft,
Heft 2,
1921)
S. 1 4 1 ff. >) L . N. Robinson, Penology in the United States 1 9 2 3 , S. 242 fr.
Raymond
T . Bye, Capital Punishment in the United States, 1 9 1 9 ; Lewis E . Lawes Man's Judgment of Death. A n Analysis of the Operation and Effect of Capital Punishment based on facts, 110t on Sentiment — 2. Aufl. 1 9 2 4 .
V g l . ferner die „ P a m p h l e t s "
der Howard League in England, New Series 5 und 7 : J . W. Hall, Common Sense and Capital Punishment 1 9 2 4 und The abolition of the Death Penalty in D e n mark, Holland, Norway and Sweden,
1925.
124
i . Buch. Verbrechen und Vergehen.
Allgemeiner Teil.
gründung. Einmal verwendet man die Erfahrungen der Auslandsstaaten, soweit sie ungünstig sein sollen, — um aber ganz sicher zu gehen, lehnt man sie ab, falls sie günstig ausgefallen seien! ? Ferner: gewiß sind die wirtschaftlichen, sozialen und politischen Verhältnisse der Staaten sehr verschieden. Aber man vergleicht ja auch nicht Deutschland isoliert mit den Zuständen eines mitteloder südamerikanischen Staates oder eines Schweizer Kantons. Sondern man läßt die Mordziffern aller Staaten, soweit sie zuverlässig zu erfassen sind, auf sich wirken und erkennt dann, daß selbst bei noch so großer Verschiedenheit der Verhältnisse ein Faktor immer gleich bleibt, nämlich die Wirkung der Tatsache, d a ß die Todesstrafe in dem betreffenden Staate besteht oder abgeschafft ist. Wenn sich nicht bloß vereinzelt und für einzelne Jahre, sondern allgemein durch lange Zeitläufe nachweisen läßt, d a ß in den Abolitionsstaaten die Kapitaldelikte nicht oder jedenfalls nicht mehr zunehmen, als in Staaten mit Todesstrafe, wenn auch unter benachbarten und in ihren kulturellen Verhältnissen durchaus verwandten Staaten nirgends ein Zusammenhang zwischen der Begehung von Morden und der Existenz oder Nichtexistenz einer Todesstrafe zu finden ist, — so kann das doch kein Zufall sein. Gewiß, die Kriminalität eines jeden Staates wird nur zu einem geringen Teil durch Qualität und Quantität seiner Strafdrohungen bestimmt. Aber man behauptet doch gerade als Anhänger der Todesstrafe, daß sie ein wesentlicher Faktor zur Verhinderung von Kapitaldelikten, ein stärkeres Abschreckungsmittel als jede andere Strafe sei? Wäre diese Behauptung richtig, so müßte doch die Eliminierung dieses Faktors einen erkennbaren ungünstigen Einfluß ausüben. Die Tatsache, daß die Sicherheit für menschliches Leben in den Abolitionsstaaten nicht geringer ist, daß sie in den Staaten, die die Todesstrafe wieder eingeführt oder nicht abgeschafft haben, keineswegs eine Steigerung erkennen läßt, kann man also nicht aus der Verschiedenheit der staatlichen Verhältnisse erklären. Denn trotz dieser Verschiedenheit — vom höchst geordneten wirtschaftlich-sozial-politischen Gemeinwesen bis zum Staat mit höchst prekären Verhältnissen in dieser Beziehung — zeigen sich ja nicht verschiedene Wirkungen, sondern mit fast erstaunlicher Monotonie immer wieder die gleichen Erscheinungen. Die Kurve der Morde steigt und fällt nach ganz anderen Gesichtspunkten: eine gute Polizei, eine zuverlässig fungierende Strafjustiz, sowie vor allem intensiv durchgeführte sozial* und kriminalpolitische Wohlfahrtseinrichtungen sind als maßgebende Faktoren im Kampf gegen alle Kriminalität und für alle
L i e p m a n n , Abschn. 5 : Strafen.
125
Staaten auch hier von Bedeutung. Überall, wo diese — nennen wir sie — Präventivkräfte wirken, finden wir eine abnehmende Mordkriminalität, überall, wo sie schlecht entwickelt sind, die entgegengesetzte Erscheinung. Dagegen fehlen diese kausalen Zusammenhänge und Einflüsse bei der Todesstrafe: die Kurve fällt weder, wo die Todesstrafe in Geltung ist, noch steigt sie, wo sie abgeschafft ist. Gegen die hieraus zu ziehende Schlußfolgerung von dem Unwert der Todesstrafe als Abschreckungsmittel sträuben sich aber ihreAnhänger. Wenn in Abolitionsstaaten dieMorde zunehmen, so sagen sie: das kommt davon, daß Ihr die Todesstrafe abgeschafft habt — weist man sie darauf hin, daß in derselben Zeit auch in Staaten mit Todesstrafe die gleiche Erscheinung zu konstatieren ist, so antworten sie: ja, das liegt an der allgemeinen Ungunst der Verhältnisse in diesen Staaten. Nehmen andererseits die Mordziffern in den Abolitionsstaaten ab — so hat das nichts mit der Abschaffung der Todesstrafe, sondern mit der Besserung jener Präventivkräfte zu tun. Nehmen sie in Staaten ab, in denen der Galgen oder das Schaffot in Wirksamkeit sind — so liegt das nicht etwa an der allgemeinen Besserung der Verhältnisse, nein: das ist dann der mit Händen zu greifende Beweis für die abschreckende Kraft der Todesstrafe!!! Und nun vergleiche man mit einer solchen »Beweisführung«,, die man selbst bei größter Bemühung, verletzende Worte zu vermeiden, nicht anders als logisch widersinnig bezeichnen kann, die Ausführung von Gegnern der Todesstrafe: »Undoubtedly a multitude of factors bear upon the frequency of homicide in any State. Its climate, its culture, its political situation, all have their influence. So does the racial constitution of its population: certain stocks seem naturally more prone to violence than others,, and moreover the presence in one territory of two or more antagonistic races will inevitably tend to increase this class of crime. The laws and customs of a country respecting weapons, the use of alcohol and other drugs, as well as the certainty with wich crime is detected and dealt with within his borders, must not be overlooked, nor must the extent of its provision for the discovery a n d treatment of insanity and mental defect. Such considerations a s these warn us not to expect to prove either the utility or futility of Capital Punishment as a deterrent by any mere comparison of the homicide rate of different States. But we can obtain evidenceof probability, almost amounting to proof, that its abolition does not permanently raise this rate, by the study, first of the experience of single countries over the period before and after their
126
Buch.
Verbrechen und Vergehen.
Allgemeiner Teil.
abandoning the death penalty and secondly of the comparative rates of homicide in countries similar in other respect but differing upon the question of capital punishment«l). Das ist klare, wissenschaftliche Beweisführung, die wirklich gestützt ist auf Tatsachen, nicht auf Meinungen und Sentiments. Und an diese Problemstellung schließen sich in der genannten Schrift kurze Berichte von 4 höchst autoritativen Fachleuten, die den Nachweis bringen, daß die Abschaffung des Todesstrafe in ihrem Staate keine ungünstigen Wirkungen für die Sicherheit des Lebens zur Folge gehabt hat — T o r p , der Verfasser des dänischen Strafgesetzentwurfs, Simon van der A a , der holländische Generalsekretär der Commission Pénale internationale, der (in den Tagen des Londoner Gefängniskongresses verstorbene) Chef der Gefängnisverwaltung in Norwegen F. W o x e n und A l m q u i s t , der Chef der Schwedischen Gefängnisverwaltung. »Wir glauben« — heißt es in dem Flugblatt der H. L. — »daß diese Tatsachen unsre «igene Nation überzeugen können, daß die öffentliche Sicherheit nicht leiden wird, wenn wir dem Beispiel der uns verwandten Länder von Nord-Europa folgen und eine Strafe abschaffen, die jedes Jahr mehr den Gefühlen und dem Gewissen des Englischen Volkes widerstrebt«. Das gilt in genau demselben Maße für Deutschland, ja es hat hier sogar noch eine größere Beweiskraft, weil ja bereits österreichische Erfahrungen — die man nicht durch den Hinweis auf die ganz anderen wirtschaftlichen, sozialen und politischen Verhältnisse von sich abschütteln kann, — in der gleichen Richtung vorliegen. Schließlich die Erfahrungen in Italien. Seit 1890 ist hier die Todesstrafe abgeschafft, — wie viele von unseren maßgebenden Juristen und Politikern wissen das ? — ohne daß ein Wachstum der Morde zu konstatieren ist. Das kann man aus der Tabelle entnehmen, die der italienische Justizminister Lewis E . Lawes, dem Direktor des Sing-Sing-Prison und Präsidenten der American Prison Association, übermittelt hat 2 ). Man bringe diese Erfahrungen und Zahlen in wissenschaftliche und Laien-Erörterungen über die Todesstrafe, in unsre maßgebenden politischen Parteien und unsre leitenden Zeitungen und Zeitschriften 1 Die verdienstvollen Schöpfer unsres Strafgesetzentwurfs — es sind ja dieselben, die sich schon einmal: 1922, d. h. in einer wesentlich ungefestigteren Lage unsres Staates, unter der •) Howard L e a g u e
Pamphlets:
The
abolition
of
the Death
Denmark, Holland, Norway and Sweden 1 9 2 5 S. 3 1 4 . 2
) Vgl. Lawes Man's Judgment of Death, a. a, O. S.
109.
Penalty
in
L i e p m a n n , A b s c h n . 5 : Strafen.
127
M o r d e in I t a l i e n (Verurteilungen). Jahr
D u r c h s c h n i t t s z a h l auf 100000 E i n w o h n e r pro J ahr:
1880—84 1885—89 1890—94 1895—99 1900—04 1905—09 1910—12
10,64 9,23
1913—IS 191 6 — l 8 I919 I92O
4,04
7,7 8 7,43
5,62 5.05 3,9 3
3,14 2,75 3,48
Leitung von R a d b r u c h für die Abschaffung der Todesstrafe entschieden haben — können mit Sicherheit darauf rechnen, daß die Rechtsüberzeugung des überwiegenden Teiles der Bevölkerung — wenn sie sich wirklich heute für die Beibehaltung der Todesstrafe aussprechen sollte — genau so leicht und schnell für ein Strafgesetzbuch ohne Todesstrafe zu gewinnen ist, wie dies in anderen Ländern, wie dies in der ganzen Entwicklungsgeschichte des Strafrechts geschehen ist: denn alle Reformen unseres Strafrechts im Sinne einer Läuterung und Humanisierung sind durchgesetzt worden, obwohl immer wieder die angeblich dagegenstehende Rechtsüberzeugung des Volkes dies zu verbieten schien, und immer wieder hat sich gezeigt, wie schnell diese Volksüberzeugung für die neue Regelung zu erziehen war. Zur Erziehung gehört freilich, daß man nicht die Instinkte vonAngst und Vergeltung bei dem civis communis durch den Hinweis auf »grauenerregende Mordtaten« aufpeitscht, und dann die Blindheit einer so erregten und gedankenlosen Masse als »Volksüberzeugung« für die Todesstrafe ausgibt, — sondern erziehen heißt hier, den Menschen frei zu machen von den Affekten des Augenblicks, seinen Blick und sein Nachdenken zu schärfen für die Erkenntnis, daß die Todesstrafe beim Mord nur noch der letzte Rest einer Strafauffassung ist, die im übrigen überall als unsittlich, unvernünftig und rechtlich unwirksam in der Kulturarbeit von mehreren Jahrhunderten überwunden worden ist! Die Fälle Haarmann und verwandte Mordfälle, die jetzt als Argument der Todesstrafe verwertet werden, obwohl sie doch gerade unter der Herrschaft der Todesstrafe geschehen sind,
128
Buch.
Verbrechen und Vergehen.
Allgemeiner Teil.
zeigen ja besonders deutlich die Unzulänglichkeit der hier noch angewandten Methode. Sie lehren, daß die Todesstrafe eben nicht als abschreckendes Gegenmotiv in Betracht kommt, sie offenbaren die Oberflächlichkeit des Rezepts »Kopf ab«, die kriminalpolitische Unvernunft und einschläfernde, die Aufmerksamkeit von den wirksamen Schutzmitteln ablenkende Wirkung, die der Glaube an die Todesstrafe in Wahrheit ausübt. Sorgt für einen rechtzeitig eingreifenden kontrollierenden und sichernden Präventivapparat von Polizei und Irrenpflege, für frühzeitige Erkenntnis und Unterbringung gemeingefährlicher Anormaler! Und laßt die großen Worte bei Seite, daß die »vergeltende Gerechtigkeit eine höchste Strafstufe bei derartigen Handlungen e r f o r d e r t « 1 ) ! — D e n n wir wollen nicht vergessen, daß mit der gleichen Begründung die verstümmelnden Leibesstrafen und qualifizierten Todesstrafen gerechtfertigt worden sind, und der einfache Diebstahl als todeswürdiges Delikt angesehen wurde. Wenn heute in Österreich, Schweden, Dänemark, Norwegen, Holland und dem Schweizer Strafgesetzentwurf die Todesstrafe abgelehnt wird, so kann man unmöglich für ein neues Strafgesetzbuch in Deutschland diesen »Fremdkörper« aus der Vorzeit konservieren 2 ). II. Die Freiheitsstrafe. Über die Freiheitsstrafen des Entwurfs ein Urteil zu fällen, ist schwer. Einmal weil in den »Maßregeln der Besserung und Sicherung« (7. Abschn.), zu denen auch die Bestimmungen über »bedingten Straferlaß« (6. Abschn.) gehören, Hauptfunktionen der Strafe vorweggenommen werden — hierüber wird in diesem Werk von andrer Seite berichtet. Dazu kommt zweitens daß der Entwurf alle Bestimmungen über den Vollzug der einzelnen Strafarten absichtlich ausscheidet und sie dem »geplanten Reichsgesetz über den Strafvollzug« überläßt. (293). Für diese Vereinheitlichung, auf die wir seit dem Strafgesetzbuch vergebens gewartet haben, — nur einmal 1879 ist ein Entwurf erschienen, der aber, angeb' ) S o Richard Schmidt, Grundriß des deutschen Strafrechts, 1 9 2 5 : das B u c h könnte
nach
dem Geist
der Strafe
und
der Kenntnis v o m Verbrechertum, die
hier offenbar werden, vor 100 Jahren geschrieben sein. J)
D a ß das Republikschutzgesetz v o n 1922 die Todesstrafe festgesetzt hat,
war g e w i ß eine Kurzsichtigkeit des Kabinetts Radbruch's,
aber
kein
Argument
zu Gunsten der Todesstrafe, denn solange das geltende Strafgesetzbuch auf den Mord die Todesstrafe androht, war es immerhin zu verstehen, daß der politische Mord an leitenden Staatsmännern nicht mit einer Freiheitsstrafe belegt worden ist.
Liepmann,
Abschn. 5 : Strafen.
129
lieh wegen der zu hohen Kosten, im Bundesrat stecken geblieben ist, — bieten bekanntlich die von den Landesregierungen vereinbarten »Grundsätze über den Vollzug von Freiheitsstrafen in Deutschland« vom 7. Juni 1923 eine Vorarbeit und die mit ihnen eingeleitete »Reform«, vor allem die Betonung des »Besserungsgedankens der Strafe« soll nach den Worten der Begründung durch das Strafvollzugsgesetz fortgeführt werden (30). Das ist nun eine einigermaßen peinliche Lage, denn der Wert einer Freiheitsstrafe kann nur nach der Art beurteilt werden, wie sie vollstreckt werden soll. Darüber aber schweigt der »Entwurf«. Wir können daher sein System der Freiheitsstrafen nur im Vergleich mit den »Grundsätzen« beurteilen, weil ja hier die Richtung angegeben ist, in welcher sich die Entwicklung der Freiheitsstrafen in der Praxis bewegen soll. Hier aber ergibt sich eine weitere Schwierigkeit. Zwischen dem Geist, der aus den Reichsratsgrundsätzen zu uns spricht, und der technischen Differenzierung der Freiheitsstrafen im Entwurf besteht eine Dissonanz, ja in letzter Linie ein unaufhebbarer Gegensatz. Die »Grundsätze« stellen den Strafvollzug in den Dienst des E r z i e h u n g s g e d a n k e n s unter sorgsamer Unterdrückung aller Bestimmungen, die auf stigmatisierende Vergeltung gerichtet sind. Bei jeder Freiheitsstrafe soll das Scham- und Ehrgefühl der Gefangenen geschont werden (§§31, 49 2 , 114, 117) — es gibt keine kahlgeschorenen Gefangenen, auch keine, die ohne Rücksicht auf Kenntnisse und Fähigkeiten die »eingeführten Arbeiten« machen müssen. Bei längeren Freiheitsstrafen ist durch den progressiven Strafvollzug die Erziehung für das Leben in der Freiheit anzustreben (§ 3°)- Und für alle Strafen wird als einziger Zweck des Vollzugs hervorgehoben: »Die Gefangenen sollen, soweit es erforderlich ist, an Ordnung und Arbeit gewöhnt und sittlich so gefestigt werden, daß sie nicht wieder rückfällig werden« (§ 48). Für eine solche Auffassung ist die Beibehaltung der Zuchthausstrafe nicht zu rechtfertigen. Man dürfe nicht — sagt die »Begründung« — dem bestehenden Vorurteile »Vorschub leisten durch Richtersprüche, die den Verurteilten der Ehre verlustig erklären und die ihn eben dadurch der Möglichkeit berauben, nach erstandener Strafe den Kampf um ein redliches Dasein mit Aussicht auf Erfolg wiederaufzunehmen« (44). Daher keine »Aberkennung der bürgerlichen Ehrenrechte«, keine »beschämenden Ehrenstrafen« 1 ). Aber *) V e r g l . hierzu die beiden Aufsätze von Eberhard S c h m i d t , Z . 45, 1 0 ff. und M a x G r ü n h u t , ebenda 46, 260 ff. Reform des Strafgesetzbuchs.
9
1
I jO
• Buch.
Verbrechen und Vergehen.
Allgemeiner Teil.
wer zu Zuchthaus verurteilt wird, soll ex lege dauernd unfähig werden, öffentliche Ämter zu bekleiden 1 ) (§ 54). Man nennt das »Rechtsverwirkungen« (44) und sieht nicht, daß damit dem Zuchthaus der Charakter einer entehrenden Strafe automatisch aufgedrückt wird und daß, solange diesem Volksvorurteil irgendwie Rechnung getragen und einer Strafart die Bescheinigung der Ehrlosigkeit ihrer Insassen verliehen wird, die Freiheitsstrafe ihren Sinn verliert. Es ist doch kein Zufall und ganz gewiß nicht der Einfluß sentimentaler Regungen gewesen, wenn all die degradierenden Maßnahmen, die einst zum Inventar der Zuchthäuser in der ganzen Welt gehörten, als nutzlose und gefährliche Einrichtungen erkannt sind. Es gibt heute wohl kaum noch leitende Persönlichkeiten im Gefängniswesen, die für die alte Zuchthausroutine eintreten, sie alle wissen und die »Grundsätze« fordern es sogar von Reichswegen, daß gerade bei längeren Strafen eine Entwicklung im Sinne des progressiven Strafvollzugs erforderlich ist, daß gerade hier instruktive und vernünftige Arbeit verbunden mit dauernden pädagogischen und seelsorgerischen Beeinflussungen besonders Not tut. Schon 1889 sagte K r o h n e : für den Strafvollzug stehe »der gesetzliche Unterschied« von Zuchthaus und Gefängnis »nur auf dem Papier« — Lehrbuch der Gefängniskunde, S. 225.— 1902 forderte Hermann S e u f f e r t die Beseitigung des Namens »Zuchthaus« aus unserem Strafensystem, weil damit unvermeidlich eine Brandmarkung verbunden sei und es dem Gesetzgeber nicht gezieme, ein »derartiges Volksvorurteil gelten zu lassen« 2 ). Es war also nur eine Konsequenz der bisherigen Entwicklung, wenn der Entwurf R a d b r u c h die Zuchthausstrafe durch die Bezeichnung »strenges Gefängnis« ersetzt hatte. Der Entwurf vermeide es — heißt es in der Begründung — »weiterhin eine Freiheitsstrafe anzudrohen, die mit dem Verlust von Ehrenrechten kraft Gesetzes verbunden, den Makel einer ehrenrührigen Strafe so unauslöschlich trage, daß er sich von ihrem Namen nicht trenl
) Die gleiche Wirkung tritt bei Verurteilung zum Tode ein, dagegen wird es in beiden Fällen dem Richter überlassen, ob er den Verurteilten außerdem »für immer oder auf mindestens zwei oder höchstens zehn Jahre für unfähig erklären will, in öffentlichen Angelegenheiten zu wählen oder zu stimmen« (§ 57). Diese Differenzierung in der obligatorischen oder bloß fakultativen Rechtsverwirkung bei Verurteilung zum Tode gehört wirklich — in ein Museum bürokratischer Einrichtungen! ä ) H. Seuffert, Ein neues Strafgesetzbuch für Deutschland, 1902, S. 62.; R a d b r u c h , Das System der Freiheitsstrafen im Vorentwurf; M e i n e Reform des deutschen Strafrechts, S. 131 ff.; und Grünhut, a. a. 0 „ 272.
L i e p m a n n , Abschn. 5 : Strafen.
131
nen lasse : die Zuchthausstrafe«. Mit gutem Grunde sei für die Bezeichnung der leichteren und schwereren Freiheitsstrafe dasselbe Hauptwort gewählt. Die Bezeichnungen »Gefängnis« und »Zuchthaus« täuschen eine Artverschiedenheit vor, die abgesehen von der Ehrenrührigkeit der Zuchthausstrafe, in Wahrheit nicht besteht. Alle Bemühungen, durchgreifende Unterschiede des Vollzugs herauszuarbeiten, sind vergeblich geblieben. Die Zuchthausstrafe war schon bisher nichts als eine längere und strengere Gefängnisstrafe 1 ) und soll es auch nun in ihrer Bezeichnung werden«. Angesichts dieser Entwicklung erscheint der Standpunkt des jetzigen Entwurfs als ein Rückschritt, der schon deshalb ungerechtfertigt erscheint, weil inzwischen die »Grundsätze« für den Strafvollzug ein völliges Abrücken von den Vergeltungstendenzen fordern. Denn der Glaube, daß der verschiedenen Schwere der Straftat ein qualitativ zu verschärfendes Leid des Gefangenen zu entsprechen habe, verdankt ja nur seine Existenz solchen Vergeltungstendenzen. Hat man aber erkannt, daß dieser Weg doppelt in die Irre führt: einmal, weil er in der Praxis nicht zu verwirklichen ist und weil er zweitens den erzieherischen Bestrebungen im Strafvollzug dauernd entgegenarbeitet, so muß man auch den Mut haben, sich von ihm konsequent freizumachen. Es geht nicht an, für die Vollstreckung der Freiheitsstrafe den »Besserungszweck« zu fordern — und in der gesetzlichen Androhung und Bezeichnung zum Ausdruck zu bringen, daß es eine Strafe geben soll, die eben nicht auf Erziehung, sondern auf das Gegenteil : Erniedrigung und Ehrlosigkeit des von ihr Betroffenen gerichtet ist. — Wer die Zuchthausstrafe ablehnt, muß auch die Festungsstrafe oder, wie sie der Entwurf nennt, die E i n s c h l i e ß u n g beseitigen. »An Stelle von Zuchthaus und Gefängnis tritt Einschließung von gleicher Dauer, wenn der ausschlaggebende Beweggrund des Täters darin bestand, daß er sich zu der Tat auf Grund seiner sittlichen, religiösen oder politischen Überzeugung für verpflichtet hielt« (§ 7 1 ) . Diese Regelung — aus dem Entwurf und der Gedankenwelt *) Die Bezeichnung «strenges Gefängnis« ist allerdings auch nicht bedenkenfrei.
Die Strenge soll hier in der L ä n g e der Strafe und der dadurch er-
möglichten intensiveren Aufbauarbeit an dem Gefangenen liegen, nicht etwa, wozu der Name verfuhren kann, in einer besonders strengen Behandlung. über die Forderungen einer nur zeitlich differierenden »Einheitsstrafe«: de
droit pénal
et de Criminologie I ( 1 9 2 1 )
1017
und
Vgl. Revue
Verhandlungen
Schweiz. Vereins f. Straf-, Gefängniswesen und Schutzaufsicht in Ölten 1 9 2 3 , (Kellerhals-Witzwil trat energisch hierfür ein). 9*
Basel
des und
i . Buch.
132
Verbrechen und Vergehen.
Allgemeiner Teil.
R a d b r u c h s stammend 1 ) ist aus dem Bestreben hervorgegangen, einmal die Mängel des § 20 des Strafgesetzbuchs 2 ): Zuchthaus und Festung je nach Vorhandensein oder Fehlen einer »ehrlosen Gesinnung« zu beseitigen und andererseits einer allgemeinen Grundanschauung zum Recht zu verhelfen: Sonderfreiheitsstrafe für solche Delikte, die nicht aus der gewöhnlichen Werkstatt der Verbrechensmotive stammen und daher auch nicht mit den gewöhnlichen W a f f e n der Strafe zu bekämpfen sind. Diese Forderung, die in der Tat an den verschiedensten Stellen der Entwicklung — z. B. in Norwegen, Schweden, Italien, Japan — aufgetreten ist, steht zunächst im Widerspruch zu der rein positivistischen Strömung der italienischen Schule Ferris. Wenn man mit dem italienischen Strafgesetzentwurf ein Strafrecht ohne Rücksicht auf Schuld und sittliche Beurteilung rein auf den Gedanken der sozialen Gefährlichkeit des Verbrechers aufbauen will, kann man nicht eine Sonderbehandlung des »politisch-sozialen Verbrechers« mit Rücksicht auf seine »altruistischen« und »ehrenhaften Motive« anerkennen: hier ist die Figur eines Überzeugungsverbrechers nur noch sozusagen als Fossil der sonst abgelehnten »metaphysischmoralischen« Strafrechtsbeurteilung übrig geblieben. Dagegen liegt ein logischer und zugleich psychologisch wirksamer Zusammenhang vor zu der Auffassung der Strafe als V e r g e l t u n g . Wenn die Strafe ein Übel sein soll, das sich in Quantität und Qualität des Strafleidens nach der Schwere des Verbrechens abzustufen hat, so liegt in der Tat die Schlußfolgerung nahe, daß dann Delikte aus niedrigen, egoistischen, unehrenhaften, gemeinen Motiven eine Strafe fordern, die die Mißachtung von Tat und Täter zum Ausdruck bringt, und daß andererseits Delikte aus anständigen und ehrenwerten Motiven so zu bestrafen sind, daß der Gefangene auch im Vollzug empfinden kann, daß man seiner Persönlichkeit — mag sie noch so staatsgefährlich sein — Respekt entgegenbringt. Dieser Gedankengang hat eine starke Suggestionskraft, weil er aus ererbten Traditionen und Gefühlen gespeist wird. Daher wird er auch von solchen angenommen, die zwar eine reine Ver') Radbruch, Z. 44, 34 sätze«, 1 5 ff. und
trattamento particolare Tatmotiv
ff.
Dazu mein JKV.-Vortrag über die
»Grund-
m e i n Aufsatz in der Jubiläumsschrift der Rivista Penale, II dei
delinquenti
der Pflichtüberzeugung
politici, 1 9 2 5 ,
als Voraussetzung
sowie Erik W o l f ,
das
einer Sonderstrafe, Z.
46,
203 fr. 2
) Das erste Heft der »Hamburgischen Schriften zur Strafrechtswissenschaft«,
G u c k e n h e i m e r , Der Begriff der ehrlosen Gesinnung im Strafrecht, 1 9 2 1 , hat hier einen Einfluß ausgeübt.
Liepniann, Abschn. 5 : Strafen.
133
geltungsstrafe ablehnen, aber doch noch in soweit in alten Denkweisen befangen bleiben, als sie in die alten Schläuche der Vergeltung den neuen Wein kriminalpolitischer Zwecke gießen wollen. Trotzdem ist er von Grund aus abzulehnen. Nur eine unrichtige Auffassung vom Verbrechen und eine ebenso unrichtige Auffassung von den Aufgaben der Freiheitsstrafe kann darüber hinwegtäuschen. Zunächst nämlich ist jene ganze Unterscheidung von den aus gemeiner oder ehrenhafter Gesinnung entspringenden Verbrechen doch nur ein Abriß der Probleme in einem Lehrbuch der Ethik — für Anfänger. »Es kommt immer nur darauf an, wie tief wir in uns hineinleuchten. Und wenn die Lichter in allen Stockwerken angezündet sind, sind wir doch alles zugleich: Schuldige und Unschuldige, Feige und Helden, Narren und Weise«. In diesem feinen Wort aus Schnitzlers Roman »Der Weg ins Freie« liegt mehr Weisheit und eine tiefere Erkenntnis vom Wesen des Verbrechens, als in jener Scheidung. Es gibt keinen fest bestimmten Typus des »Überzeugungsverbrechers«, ebensowenig wie den des gemeinen Verbrechers. Bei diesem ebenso wie jenem zeigen sich Abstufungen und Übergänge und eine Komplexität von bestimmenden Kräften, die jede Zurückführung auf »einen ausschlaggebenden Beweggrund« verbietet. Aber selbst wenn sich — bei einem geringen Teil der Verbrecher — eine überwiegende Qualität nach der einen oder anderen Richtung nachweisen ließe, — das Verbrechen ist doch niemal? das ureigne Werk seines Täters, sozusagen die rein persönliche Leistung seines Willens. E s ist das letzte Glied einer Entwicklungsreihe, deren gesetzmäßige Wirksamkeit stets durch Wert oder Unwert, Leistungen, Unterlassungen oder Fehler Andrer vor und mit ihm lebender Menschen, sowie gesellschaftlicher Einrichtungen mitbestimmt wird — auch die gemeine Tat des Raubmörders oder Erpressers ebenso wie die hochstehende Aufopferung eines politischen Märtyrers ist niemals vom Himmel gefallen und bloße Ursache, sondern stets zugleich Wirkung. Diese deterministische Erkenntnis schließt nicht das Recht zu einer ethischen Wertung und Differenzierung, auch nicht die Verantwortlichkeit der Menschen für ihre Handlungen aus, wohl aber verbietet sie uns, die Menschen als Ganzes in Schafe und Böcke, Egoisten und Altruisten, gemeine und Überzeugungsverbrecher zu scheiden. R a d b r u c h glaubt zwar — ebenso wie die Begründung — daß es sich bei der Scheidung zwischen Einschließung und den anderen Freiheitsstrafen nicht um eine »ethische Bewertung der Ehre des Täters«, sondern um eine »kriminal-psy-
i. Buch.
134
Verbrechen und Vergehen.
Allgemeiner Teil.
chologische Tatsachenfeststellung« (Z. a. a. O. 36) handle: »psychologisch ganz verschieden von demjenigen, der von der Gewohnheit oder Gelegenheit passiv getrieben ein Verbrechen begangen hat, sei derjenige, der aus seiner Überzeugung heraus aktiv zum Verbrecher geworden sei« 1 ). Auch damit ist wenig geholfen. Man kann weder von dem gemeinen Verbrecher allgemein sagen: daß die Tat bei ihm nur ein Ausdruck seiner Passivität sei, noch von dem »Überzeugungsverbrecher«, daß er sich seine Überzeugung und die hieraus resultierende Pflicht zur deliktischen Betätigung aktiv »erarbeitet« habe. Man braucht nur an die Entstehungsgeschichte solcher »Überzeugungen« zu erinnern: wie viel hier eigene Arbeit, persönliche geistige Betätigung, wie viel die Wirkung ererbter Dispositionen ist, läßt sich schlechterdings nicht feststellen, und wie oft enthüllt sich die äußerlich hinreißende Aktivität eines solchen Überzeugungsverbrechers bei tieferem Zusehen als ein Hingerissenwerden durch zwangsläufig treibende Kräfte! Dazu kommt, daß die Frage, ob jemand gehandelt hat, weil ihn ausschlaggebend das Motiv bestimmt: Du bist dazu »verpflichtet«, nicht mit bloßer Feststellung »psychologischer Tatsachen« gelöst werden kann. Ob jemand das Bewußtsein einer Pflicht zum Handeln hatte, vermag nur zu beantworten, wer Beurteilungsmaßstäbe ethischen Inhalts an das psychologische Geschehen heranbringt: die Pflichtüberzeugung als Motiv des Überzeugungsverbrechens ist also ein Abgrenzungskriterium, das »ganz ins Gebiet der ethischen Bewertung fällt«. (Erik Wolf, a. a. O. S. 204). Hier werden also genau die gleichen Hindernisse für die Auslegung in foro, die gleichen gefahrdrohenden Unterhöhlungen des Ansehens der Rechtsprechung sich zeigen, wie bei der Interpretation des § 20 des Strafgesetzbuchs. Eine Sicherheit dafür, daß der Richter den »Überzeugungsverbrecher« auch da bejaht, wo er die dieser zugrunde liegende Weltanschauung für gemeingefährlich hält, besteht nicht und kann nicht erreicht werden, weil in diesen Dingen der urteilende Verstand nur gering sich zu betätigen vermag, der größte Teil der richterlichen Arbeit vielmehr in unbewußt sich geltend machenden Kräften des Gefühlsund Instinktslebens wirkt. Die Dinge liegen hier demnach überall viel komplizierter und problematischer als die primitive Unterscheidung vermuten läßt. ') So R a d b r u c h
in der Diskussion
der Hamburger T a g u n g der J K V . :
Mitteilungen der Deutschen Landesgruppe der Intern. Krim. Vereinigung,
S. 94/95.
1924,
Liepmann,
Abschn. 5 : Strafen.
135
Aber selbst wenn wir uns hier, statt auf brüchigem, auf sicherem Boden bewegen könnten, so wären die an sie geknüpften Schlußfolgerungen doch abzulehnen. Es ist nicht richtig, daß die Überzeugung einer Pflicht zum verbrecherischen Handeln die Strafbeurteilung überwiegend zu bestimmen hat, ebensowenig wie die Tatsache, daß jemand aus gemeinmenschlichen Motiven zu seinem Delikt gekommen ist, uns allein den Weg zu den hiernach gebotenen Strafaktionen erschließen kann. Es kommt neben der Gesinnung, unter der im weitesten Sinn auch unbewußte Kräfte psychischer Art zu verstehen sind, auf das Gewicht der Werte an, die ihr zum Opfer gefallen sind, es kommt auf die kriminalpolitische Würdigung der Mittel an, die zur Verwirklichung der bestimmenden Kräfte gewählt worden sind. Ob jemand aus »Pflichtüberzeugung« menschliches Eigentum oder Menschenleben antastet, ob er die Fundamente des staatlichen oder kulturellen Lebens erschüttert, weil er eine »bessere« Weltordnung auf Grund innerer Überzeugung damit schaffen will, ob er zu diesem Zweck bloß gefährliche Agitationsreden hält oder aber über Leichen geht, — alles das sind Gesichtspunkte, die jene Unterscheidung nicht beachtet, ebenso wie sie zu Unrecht einen einheitlichen Typus in »dem« Verbrechen oder »dem« Verbrecher aus gemeinen Motiven sieht. Kurz, es handelt sich hier um Einseitigkeiten aus der Werkstatt der »Klassiker«. Sie berücksichtigen die »Schuld« im Sinne der qualitativ zu wertenden psychischen Grundkräfte der Handlung als e i n z i g e n F a k t o r der B e u r t e i l u n g . In Wahrheit aber sind es niemals diese psychischen Eigenschaften allein, die die Skala unserer Verbrechen und Strafen bestimmen: »Der Standpunkt des Rechts ist nicht derjenige des Beichtstuhles oder derjenige des individuellen Gewissens, für welche die Eigenschaften des inneren Verhaltens eines Menschen um ihrer selbst willen in Betracht kommen« 1 ). Nicht daß jemand eine ethische, religiöse oder politische Überzeugung hat, die dem Staat und seiner Ordnung Gefahr droht, macht ihn strafbar. Wenn wir auf diesem Standpunkt stünden, hätte R a d b r u c h recht, wenn er sagt: »Der Überzeugungsverbrecher sei weder ein Besserungsbedürftiger noch ein Vergeltungswürdiger, sondern nur ein Andersdenkender, ein Gegner der derzeitigen sittlichen, religiösen Macht, den diese wohl im Interesse ihrer Selbstbehauptung bekämpfen, nicht aber mit willensbeugender Vergeltung oder selbstgerechter bessernder Beeinflussung be-
') Merkel-Liepmann, Die Lehre von Verbrechen und Strafe, 1912.
S. 18.
136
Buch.
Verbrechen und Vergehen.
Allgemeiner Teil.
handeln dürfe« 1 ). Aber darum handelt es sich gar nicht. Dem Staat ist in der Sphäre der modernen Strafjustiz die Überzeugung des Verbrechers ebenso gleichgültig, wie seine animalischen oder sexuellen Triebkräfte. E r straft nicht mehr den »Andersdenkenden«, sondern nur noch den, der durch seine Überzeugungen zu Angriffen gegen schutzwürdige Interessen von Staat und Gesellschaft getrieben ist. Sobald aber ein solcher Tatbestand gegeben ist, liegt auch Grund genug vor zu erzieherischen Gegenmaßnahmen, die nicht dahin gehen sollen, den anderen von seiner Überzeugung abzubringen 2 ), sondern ihn bestimmen wollen, Leib und Leben, Eigentum und Vermögen des Nächsten zu respektieren. Dies ist die einheitliche Grundlage für die Strafbehandlung des »gemeinen« wie des »Überzeugungsverbrechers«. In der geschichtlichen Entwicklung des Strafrechts hat man zunächst beide Gruppen als Feinde der Gesellschaft »friedlos gelegt«, von sich ausgestoßen oder direkt, wie Raubtiere, ohne Erbarmen vernichtet. Dann aber hat man allmählich, ganz langsam und immer wieder zurückgedrängt durch die Nachwirkung der alten Instinkte, eingesehen, daß diese Blutjustiz wohl dem blinden und kurzsichtigen Affekt oder der erregten Menge dienen, niemals aber die Menschen besser und sozialer machen und demgemäß auch niemals die Sicherheit des Einzelnen oder der Gemeinschaft erhöhen könne. Damals ist der Gedanke, der unsterbliche, ebenso stark realpolitische wie religiöse Gedanke erwacht, daß das Strafrecht auch »gegen Unmenschliche menschlich« zu sein und selbst in dem schwersten Verbrecher den Menschen zu achten habe. Hiergegen verstößt die Todesstrafe und die entehrende Freiheitsstrafe, hiergegen aber auch die Forderung einer custodia honesta. Denn sie will ja bestimmte Verbrecher um ihrer Gesinnung willen auch im Strafhause respektieren und unterstreicht damit den ehrenmindernden Charakter der übrigen Freiheitsstrafen 3 ). Man sollte nicht vergessen, bis zu welchem Grade diese doppelte Buchführung unsrer Strafrechtpflege — die uns ja auf Grund des § 20 des Strafgesetzbuches und des Republikschutzgesetzes in den letzten Jahren immer wieder offenbar wurde — den Glau*) R a d b r u c h , Z. 44, 34. Man sieht wie Radbruch bei den Prämissen für seine Theorie von alten Vergeltungstraditionen beherrscht wird. ') Wie Radbruch offenbar annimmt, Mitteilungen der JKV., a. a. O. S. 95 3) Die Ausführungen des nächsten Absatzes sind meinen Aufsätzen über den »Entwürfe aus der Frankfurter Zeitung entnommen ( 1 3 . März 1925. Erstes Mor. genblatt).
L i e p m a n n , Abschn. 5 :
Strafen.
137
ben an den Rechtsstaat erschüttert hat. Selbst wenn indes die Sicherheit gegeben wäre, daß wirklich alle Überzeugungsverbrecher — nicht bloß die einer bestimmten Richtung — zu Einschließung verurteilt würden, so ist doch vor der Annahme dieses »Reform«-Gedankens dringend zu warnen. Wer sich darüber ein Urteil bilden will, brauchte nur Festungsgefangene dort, wo sie infolge der Aburteilung von Kommunisten in Scharen interniert waren, zu besuchen. Der Führer des Hamburger Kommunistenputsches, der 1 o Jahre Festung bekommen hat, antwortete mir auf die Frage, wie er sich in der Anstalt beschäftigen wollte, mit strahlenden Augen: »Ich werde hier eine bolschewistische Hochschule einrichten!«. Man kann sicher sein, daß das kein Scherz war, sondern bittere Wahrheit, und daß die Strafvollzugsbehörden völlig machtlos dagegen sind, denn ein Zwang zu irgend einer Arbeit besteht bei dieser Strafe bekanntlich ebensowenig wie ein Recht, die Gefangenen bei Tage voneinander zu isolieren (es sei denn als »Hausstrafe«). Der größte Teil dieser Gefangenen lehnt daher jede Arbeit im Dienst des Strafvollzugs a b 1 ) . Soweit sich Einzelne dazu bereit erklären, werden sie gewöhnlich von ihren Genossen als »Streikbrecher« beschimpft und schließen sich daher bald wieder der Taktik an, »für diesen Staat« keinen Finger zu rühren. Und nun mache man sich die Wirkung einer solchen Freiheitsstrafe — und Überzeugungsverbrecher wird man regelmäßig zum Schutz der staatlichen Ordnung auf längere Zeit überweisen müssen, sie sind ja schon wegen ihres Fanatismus und ihrer infolgedessen meist ungezügelten Aktivität viel gefährlicher als der »gewöhnliche« Verbrecher — auf Gefangene klar. Monate und Jahre ohne jede vernünftige Arbeit, nur beschäftigt mit dauerndem Reden und Anhören ihrer politischen Heilslehren, ohne jede Beeinflussung durch Andersgesinnte und die Realitäten des wirklichen Geschehens leben sie in einer Welt des Scheines und Klat*) Die Begründung verspricht zwar, die Regelung der Einschließungsstrafe »mit Rücksicht auf ihr verändertes und erweitertes Anwendungsgebiet« im Vergleich zu der bisherigen Festungshaft Aber
das
»wesentlich
ernster zu gestalten« ( 5 1 ) .
ist von dem Ausgangspunkt der ganzen Einrichtung aus garnicht zu
machen. Man kann nur eine »angemessene Selbstbeschäftigung« verlangen. Angemessenheit aber bestimmt entweder der
Diese
Gefangene nach eigenem Ermes-
sen, und dann sind zumal bei allen geistig niedrig stehenden Internierten die geschilderten Mißbrauche
nicht zu vermeiden, — oder man fordert pädagogische
Behandlungsmethoden,
individualisiert nach der Persönlichkeit des Gefangenen.
Damit aber ist die ganze Grundlage der Strafe aufgegeben und eine Erziehungsstrafe gewählt, die keinen Sondernamen verdient.
138
Buch.
Verbrechen und Vergehen.
Allgemeiner Teil.
sches, des Raisonnements und unfruchtbarster Selbstbespiegelung. Die Folge davon kann nur sein, daß sie völlig jede Anspannung ihrer Kräfte und die Fähigkeit zu zielbewußter und instruktiver Arbeit verlieren und daß sie somit das Strafhaus verlassen als Menschen, die die Strafe selbst für das soziale Leben unbrauchbar gemacht hat. Die scheinbar so milde Strafe der Einschließung übt also in Wirklichkeit ein furchtbares Werk der Zerstörung aus, das dem Staate wie den Lebensschicksalen der Betroffenen selbst zum Unheil gereichen muß. Klare Besinnung über das, was der Gemeinschaft ebenso wie den Kriminellen nottut, muß daher die Beseitigung jeder positiven und negativen Ehrenstrafe, des Zuchthauses ebenso wie der Einschließung fordern. Das Schutzbedürfnis des Staates und der Grad der Erziehungsbedürftigkeit, die für den »Überzeugungsverbrecher« genau so zu bejahen ist, wie für jeden anderen Kriminellen, bei dem man die Internierung für nötig hält, sollten allein in der D a u e r der festzusetzenden Freiheitsstrafe zum Ausdruck kommen. Nicht zwei verschiedene Strafhäuser, über deren Tür man einmal »Druck und Beugung des Willens«, das andere Mal »Respekt vor der Überzeugung des Gefangenen« setzt, sondern e i n e G e f ä n g n i s s t r a f e , die bei jedem ein W e g und eine Behandlung sein soll, ihn für die Wiedereinordnung in die Gesellschaft brauchbar zu machen! An die Stelle von Zuchthaus, Einschließung und Gefängnis sollte daher nur die e i n e F r e i h e i t s s t r a f e des G e f ä n g n i s s e s zu setzen sein, die von keinem anderen Gesichtspunkt beherrscht sein dürfte als von der Frage: wie lange Zeit ist präsumtiv nötig, um die Aufgabe der ziehung zu erreichen ? — Diese Fragestellung ist der Grundgedanke für jede Strafreform. Aus ihr ergibt sich als Konsequenz die Forderung des unb e s t i m m t e n S t r a f u r t e i l s . Die zwingende Kraft dieses Gedankens erkennt der Entwurf an bei den sichernden Maßnahmen (§ 46), aber er akzeptiert ihn im Grunde auch bei der Freiheitsstrafe. Denn die §§ 36/37 geben dem Gericht die Möglichkeit, die wirkliche Strafdauer — im Gegensatz zu der im Urteil festgesetzten — zu verkürzen oder zu verlängern je nach den positiven oder negativen Erziehungsergebnissen, die auf Grund der Arbeit des Strafvollzugs anzunehmen sind. Hat der Verurteilte 2/s der Strafe verbüßt, so k a n n ihm das Gericht unter Auferlegung einer Probezeit ( § 3 8 ) und — falls es nötig erscheint — einer Schutzaufsicht (§ 39) den Rest erlassen, wenn er sich in der Strafanstalt »gut geführt« 1 ) hat, und nach seiner Persönlichkeit die »begrün*) Der Ausdruck »gute Führung« erinnert noch zu sehr an die alte Auf-
Liepmann,
Abschn. 5 : Strafen.
139
dete Erwartung besteht, daß die Hoffnung auf den Erlaß der Strafe ihn von weiteren strafbaren Handlungen abhalten wird«. Sind s/4 der Strafe verbüßt, so ist das Gericht unter den gleichen Voraussetzungen verpflichtet, den Rest bedingt zu erlassen. Der Wert dieser Bestimmungen ist hoch einzuschätzen. Sie bekennen sich zwar noch nicht zu dem unbestimmten Strafurteil, aber sie ermöglichen seine Anwendung in der Praxis und bewirken ferner die so dringend notwendige Zusammenarbeit zwischen Strafrichter und den Organen des Strafvollzugs. — In der Frage der Strafdauer bringt der Entwurf nur eine Änderung des geltenden Rechts. Er setzt als Minimum der Gefängnisstrafe (ebenso bei der Einschließung) eine Woche an, ( § 3 1 ) um »kurze Freiheitsstrafen nach Möglichkeit zu vermeiden« ( § 3 1 ; Begründung 31). D i e s e s M i n i m u m s o l l t e auf 3 M o n a t e erh ö h t werden. Die Freiheitsstrafe hat als Erziehungsstrafe sowohl der Allgemeinheit wie dem Betroffenen gegenüber 1 ) nur dann einen Sinn und eine Berechtigung, wenn die Möglichkeit einer intensiven und grundsätzlichen Beeinflussung des Gefangenen gegeben ist. Freiheitsstrafen von 1 Woche bis 3 Monate sollten durch Geldstrafen ersetzt werden: sie sind ein nutzloses Scheinwerk, das dem Strafvollzug unlösbare Aufgaben stellt und weder dem richtig verstandenen Interesse des Betroffenen noch der Allgemeinheit einen wirklichen Dienst leistet. III. Geldstrafe und Ersatzmittel. Über die hierin gelegenen Probleme brauchen nur einige Worte gesagt zu werden, da der Entwurf im wesentlichen die Neuerungen des Geldstrafengesetzes (zuletzt zusammengefaßt in der VO. vom 6. Februar 1924) übernommen hat. Die Erweiterungen des Anwendungsgebietes der Geldstrafe durch allgemeine und Bestimmungen des besonderen Teils, die erheblich über das geltende Recht hinausgehen — vgl. die Angaben der Begründung S. 32 — sind durchweg zu begrüßen. Dagegen sehe ich in den Befassung des »guten Gefangenen«, der reibungslos sich der »Hausordnung« unterstellt hat.
Gemeint ist nach den Aufgaben, die der progressive
(§ 130 der »Grundsätze«) stellt, natürlich anderes und mehr. vielmehr
darum,
ob
auf Grund
der Erfahrungen
des
Strafvollzug
Es handelt sich
Strafvollzugs
erwartet
werden darf, dafi der Entlassene auch in der Freiheit Halt und Selbständigkeit bewahren wird. *) Erziehungsstrafe ist, wie hier nicht ausgeführt werden kann,
niemals
reine S p e z i a l p r ä v e n t i o n , sie ist stets auch ein Versuch, auf die Allgemeinheit einen erzieherischen Einfluß ausüben.
i . Buch.
Verbrechen und Vergehen.
Allgemeiner Teil.
Stimmungen über die Haft und die sonstigen Ersatzmittel für die Geldstrafe keinen Fortschritt von entscheidender Bedeutung. Der Entwurf hat die Haft nur noch bei Übertretungen zugelassen; hier einmal an Stelle einer uneinbringlichen Geldstrafe subsidiär, dann prinzipiell für »besonders schwere Fälle«, insbesondere bei hartnäckigem Verharren im Ungehorsam gegen die bestehenden Vorschriften (§§ 354, 352). Das Maximum ist auf 3 Monate verlängert worden (§ 355). Schon K r o h n e hat darauf hingewiesen, daß die Haft »jede andre Bezeichnung, nur nicht diejenige einer ernsten Freiheitsstrafe verdiene« (Lehrbuch der Gefängniskunde, S. 226). Es fragt sich, ob sie überhaupt einen kriminalpolitischen Wert und eine Existenzberechtigung hat? Diese Frage möchte ich mit aller Bestimmtheit verneinen. Die Reichsratsgrundsätze zeigen mit aller Deutlichkeit, daß die Haftstrafe sich nur in ein paar ganz gleichgültigen Äußerlichkeiten vom Gefängnis unterscheidet und auch hier vollstreckt wird (§§ 185—194; 2 Abs. 2). Es gibt auch keine Möglichkeit, hier irgend etwas Neues und Brauchbares zu erfinden. Und man befrage die Strafvollzugsbeamten in Deutschland, ob sie jemals das Bewußtsein gehabt haben oder auch nur haben können, daß diese Haftstrafen irgend einen Nutzen haben — ich glaube, kein einziger wird die Frage bejahen. Sie sind sich alle darüber klar, daß hier nur Aufnahmeformalitäten und Schreibwerk zu erfüllen sind. Von irgend einer abschreckenden oder gar erzieherischen Funktion, ja auch nur von irgend einer greifbaren sinnvollen Wirksamkeit sonst ist hier nicht zu reden. Wohl aber sind diese Haftstrafen als Wegbereiter für die wirkliche kriminelle Karriere von größter Schädlichkeit. Daher soll man mit allen Kräften versuchen, sie zu beseitigen, — wenn es Mittel gibt, durch die sie zu ersetzen sind. Hier bietet sich der Weg, den nach dem Vorbild einzelner Deutscher Landesgruppen, sowie Norwegens, des Schweizer und Italienischen Entwurfs (Art. 50) das erste »Geldstrafengesetz« beschritten hatte: »Die Vollstreckungsbehörde kann dem Verurteilten gestatten, eine uneinbringliche Geldstrafe durch freie Arbeit zu tilgen. Das Nähere regelt die Reichsregierung mit Zustimmung des Reichsrats. Soweit dies nicht geschieht, sind die obersten Landesbehörden ermächtigt, das Nähere zu regeln (§ 28 b)«. Diese Regelung ist leider unterblieben, so daß die ganze Bestimmung unausgeführt blieb. Vielleicht ist die Zeit der Arbeitskrisen und Arbeitslosigkeit für ihre Verwirklichung so ungünstig, daß die staatlichen Verwaltungen an der Lösung dieses Problems
141
L i e p m a n n , A b s c h n . 5 : Strafen.
v e r z w e i f e l t haben. Ich weiß aber nicht, ob sie ernsthaft an das Unternehmen herangegangen sind. Jedenfalls hat der »Entwurf« die Bestimmung nicht übernommen. Da sie aber eine Forderung fast aller theoretischen wie praktischen Reformbestrebungen auf diesem Gebiet ist (der J K V . , des Deutschen Juristentages, des internationalen Gefängniskongresses in B u d a p e s t 1 ) ) so ist sie aufs neue zu stellen. Man glaube nicht, daß hier ein kleines Problem vorliegt: die Ausmerzung von tausendfach vollstrekten sinnlosen und daher schädlichen Strafen und ihr Ersatz durch Arbeit ohne den Makel der Internierung ist von größter Bedeutung für eine vernünftige Kriminalpolitik. •) V g l .
die näheren
Angaben
bei
James G o l d s c h m i d t ,
deutschen und ausländ. Strafrechts. A l l g . T e i l , B d . 4, 4 0 9 f f .
Vgl.
Darst.
des
Abschnitt 6; Bedingter Straferlaß. Von
Professor Dr. Max Grünhut, Jena.
Im 6. Abschnitt zeichnung Bedingtex dingten Straferlaß i. bedingten Erlaß des Strafhaft.
behandelt AE. 25 unter der gemeinsamen BeStraferlaß zwei verschiedene Institute, den bee. S., den Erlaß der gesamten Strafe und den Strafrestes, die vorläufige Entlassung aus der
I. Bedingter Straferlafi bei der Verurteilung. Der bedingte Straferlaß wird im künftigen Strafrecht eine andere Bedeutung haben als die heutige bedingte Aussetzung der Strafvollstreckung. Unter der formalen Enge des überkommenen Strafrechts dient diese vielfach dem Ausgleich von Härten in Fällen, in denen auch die untere Grenze des gesetzlichen Strafrahmens über das wirkliche Strafbedürfnis hinausgeht. AE. 25 sieht hierfür die allgemeine Möglichkeit einer Berücksichtigung mildernder Umstände (§ 73) und die außerordentliche Behandlung besonders leichter Fälle (§ 75) vor. Damit wird der bedingte Straferlaß auf seine eigentliche Aufgabe beschränkt: durch den mit der Aussetzung gegebenen Schwebezustand den Verurteilten zu rechtmäßigem Verhalten zu bestimmen. Diesem besonderen Zweck, nicht nur dem Ersatz kurzfristiger Freiheitsstrafen will der bedingte Straferlaß dienen, der darum nicht auf Freiheitsstrafen beschränkt ist 1 ). Als Gegenstand des Straferlasses nennt § 35 Gefängnis und Geldstrafe. Zuchthaus ist im Gegensatz zu Pr. Staatsmin. Erl. v. 25. 5. 21 und 24. 4. 21 ausgeschlossen. Mit Recht, denn wenn die Schwere der Tat die Umwandlung in Gefängnis nach § 72 Abs. 1 S. 4, S. 73 nicht zuläßt, ist auch für Straf erlaß kein Raum. § 35 erwähnt die Einschließung nicht. Die Vermutung, daß AE. 25 die Möglichkeit, Einschließung zu erlassen, von der Anders noch Prot. Strafrechtskomm. I. Lesung Allg. Tl. 17, 2 f.
G r ü n h u t , Abschn. 6: Bedingter Straferlaß.
143
Art der durch sie ersetzten primären Strafe abhängig machen will 1 ), wird durch Begr. 25 S. 34 widerlegt: für Einschließung sei Erlaß »nicht vorgesehen«. Offenbar wird bei dem »Überzeugungsverbrecher« des § 71 Erziehungsbedürfnis und Erziehungsmöglichkeit grundsätzlich verneint2) und deshalb auf die motivierende Kraft drohender Strafvollstreckung von vornherein verzichtet. Bestimmbarkeit durch Strafe und Handeln nach der verpflichtenden Stimme innerer Überzeugung schließen sich hiernach aus, zugleich ein wichtiger Hinweis für den Richter bei der Strafzumessung: die Anwendung des § 71 führt hier nicht zu milderer, sondern zu andersgearteter Behandlung. Das Widerspruchsvolle dieser Lösung liegt im § 71 selbst. Solange hier ein bestimmter Persönlichkeits typ durch eine Schuldbeurteilung vom Standpunkt des Täters, seiner Motive und Gesinnung, aus dem übrigen Strafrecht herausgenommen wird, muß man den Ausschluß des Straferlasses in § 35 als Konsequenz hinnehmen. Die bedingte Anordnung sichernder Maßnahmen ist mehrfach gefordert worden®). Zwischen dem »normalen« beeinflußbaren Verurteilten und dem gefährlichen Zustandsverbrecher besteht in Wirklichkeit kein klar erkennbarer, übergangsloser Gegensatz. Auch ihm kann man in vielen Fällen durch einen Schwebezustande mit Androhung langfristiger Internierung noch eine »Chance« geben. Die Schutzaufsicht des § 51 als selbständige sichernde Maßregel würde dadurch an Ernst gewinnen. AE. 25 verleiht der dem Vollzug der sichernden Maßnahme vorangehenden Strafvollstreckung und der an ihre Stelle tretenden Reichsverweisung den Charakter eines bedingten Aufschubs der Unterbringung (§ 47 Abs. 3, S. 53 Abs. 3) 4 ). Auch der bedingte Erlaß des Strafrestes wirkt als Aufschub der nachfolgenden Unterbringung (§ 47 Abs. 2 S. 2). Aber es fehlt eine Regelung für die Fälle, in denen ein Unzurechnungsfähiger keine Strafe erhalten oder ein vermindert Zurechnungsfähiger oder Trunksüchtiger eine kurze Freiheitsstrafe restlos abgebüßt hat, die Unterbringung aber weder sofort notwendig, noch überflüssig ist. Grade hier wäre Schutzaufsicht mit dem Damoklesschwert der Internierung zweckmäßig. § 35 ist daher auf die Unterbringung i. S. §§ 43—45 auszudehnen. ') G e r l a n d , Der Entwurf 1925, S. 65, W a c h , DJZ. 30, 533. R a d b r u c h , Z. 44, 3Öf. und Mitt. JKV. 22, 4 S. 95. 5) E i n e r , Mitt. JKV. 22, 2 S. 48f., R i t t l e r bei Gleispach, StGB.-Entwurf S. io8f., F r e u d e n t h a l , JKV. in Innsbruck. «) Begr. 25 S. 34 a. E. J)
Dtsch.
144
*•
Verbrechen und Vergehen.
Allgemeiner Teil.
Die Formen des Straferlasses sind auf den amtsrichterlichen Strafbefehl auszudehnen. Bliebe es — dem Wortlaut des § 35 entsprechend — lediglich bei Urteil und Beschluß, so würde um der bloßen Möglichkeit des Straferlasses im demnächstigen Urteil willen gegen jeden Strafbefehl grundsätzlich Einspruch eingelegt. Vermutlich wollte AE. 25 selbst den Strafbefehl nicht ausnehmen 1 ). Bei den persönlichen Voraussetzungen des Straferlasses, überläßt AE. 25 richterlichem Ermessen weite Freiheit. Alter des Verurteilten, Zahl und Art der Vorstrafen, Höhe der erkannten Geldund Gefängnisstrafe bilden kein gesetzliches Hindernis. Schon E. 19 § 64 Abs. 2 brachte in der Voraussetzung, der Erstbestrafung eine Erleichterung. AE. § 37 folgt hier der freien Fassung des OeGE. 21 § 57 f. und macht zum Gegenstand richterlicher Beurteilung nicht wie E. 19 § 64 und Pr. Allg. Vfg. v. 19. 1 o. 20 § 2 die berücksichtigenswerte Lage des Täters, sondern die Möglichkeit, ihn durch die motivierende Kraft der drohenden Strafvollstreckung von weiteren Straftaten abzuhalten. Diese Voraussetzung wird bei Vorbestraften nur selten bejaht werden. Darum ist eine engere gesetzliche Beschränkung entbehrlich, zumal sie den Eindruck erwecken könnte, als sei die Bewilligung des Straferlaß in den unterhalb der gesetzlichen Grenze gelegene Fällen eine Selbstverständlichkeit 2 ). Bei der rechtlichen Ausgestaltung der Probezeit gehört die Frage, ob die Voraussetzungen der Verhaftung und Festnahme zu erleichtern sind, dem Prozeßrecht an. Eine Verhaftung »aus dringenden Gründen des öffentlichen Wohls«, die f . 19 § 71 Abs. 3 für die Probezeit des vorläufig Entlassenen vorschlägt, würde den Verurteilten unter ein bedenkliches Ausnahmerecht stellen. Statt dessen wäre der dringende Verdacht der Tat in § 112 StPO. durch den dringenden Verdacht, daß Grund zur Anordnung der ausgesetzten Strafe vorhanden ist, zu ergänzen, wie es OeGes. über die bedingte Verurteilung v. 23. 7. 20 § 9 vorschreibt. Dem materiellen Recht gehört die Frage an, ob nicht mit jeder Probezeit obligatorisch Schutzaufsicht zu verbinden ist. Zwar kennt auch JGG. § 12 Abs. 2 nur eine fakultative Schutzaufsicht, aber aus der praktischen Arbeit mehren sich die Stimmen für eine regelmäßige Verbindung von Straf') Begr. 09 S. 138 Anm. 4 und G e r l a n d , a. a. O. 66. — Gegen Erteilung des Straferlaß in dem »auf einseitiges Gehör ergehenden Strafbefehl« v. L i s z t , V D A . 3, 74. 3 ) K a d e c k a bei Gleispach, Dtsch. StGB.-Entwurf, 1921 S. 87.
Grti n h u t , Abschn. 6: Bedingter Straferlaß.
145
aussetzung mitSchutzaufsicht 1 ). Dagegen spricht, daß Erwachsenen gegenüber inmanchen Fällen, auch wenn Beeinflußbarkeit durch diein Aussicht gestellte Strafe bejaht wird, Schutzaufsicht unangebracht ist und ferner der Mangel an geeigneten Helfern. Aber vielleicht wirkt es werbend für diese soziale Arbeit, wenn das neue S t G B , bestimmte Aufgaben zwingend vorschreibt. Darum wird im Anschluß an GE. n § 92, SchwzE. 18 § 39 Abs. 2 empfohlen: Das Gericht s t e l l t den Verurteilten, dem es den bedingten Erlaß e i n e r G e f ä n g n i s s t r a f e o d e r e i n e r U n t e r b r i n g u n g (§§ 43—45) gewährt, u n t e r S c h u t z a u f s i c h t , w e n n n i c h t b e s o n d e r e U m s t ä n d e e i n e A u s n a h m e b e g r ü n d e n . Der Verzicht auf Schutzaufsicht bei bedingt erlassenen Geldstrafen beschränkt diese Einrichtung auf die ernsteren Fälle einer in Aussicht gestellten Freiheitsentziehung. In der Wirkung des bedingten Straferlasses unterscheidet sich AE. 2 5 vom IGG.: es bedarf keiner ausdrücklichen Entscheidung über den endgültigen Straferlaß nach Ablauf der Bewährungsfrist (§ 15 IGG.), sondern wenn der Straferlaß nicht fristgemäß widerrufen wird, so i s t die Strafe erlassen — ipso iure. Man mag im Jugendlichen-Strafrecht die pädagogische Bedeutung einer besonderen Entscheidung verschieden bewerten, für die zahlreichen Fälle des Erwachsenenstrafrechts ist § 41 als einfachere und klarere Lösung zu begrüßen 2 ). Für die materielle Bedeutung des endgültigen Straferlasses kommt es nicht allein auf den Wortlaut des § 41 Abs. 1, sondern auf die gesetzlichen Wirkungen der erlassenen Strafe an. Da der bedingte Straferlaß selbst als Strafe wirken soll, ist entgegen v. L i s z t s Vorschlag 3 ) eine völlige Beseitigung der Urteilswirkungen nicht angebracht. Auf der andern Seite soll dem Verurteilten m e h r in Aussicht gestellt werden als die bloße Vermeidung der V o l l s t r e c k u n g der Strafe. E s empfiehlt sich daher die Aufnahme einer Bestimmung ins EG. StGB., daß unabhängig von den Fristen des § 6 StraftilgGes. v. 9. 4. 20 mit dem endgültigen E r l a ß der ganzen Strafe gem. § 41 nur noch beschränkte Registerauskunft zu erteilen ist. Aus dem gleichen Grunde sollte die erlassene Strafe nicht mehr rückfallbegründend wirken. Auf diesem Standpunkt stehen V E . 09 § 87 >) Verhandlungen des 6. Dtsch. Jugendgerichtstags, Berlin 1925 S. 16. 41. Jahrb. d. Gefg. Gesellsch. f.d. Provinz Sachsen u. Anhalt, Halle 1925, S. 14 u. 43. Vgl. auch VE. Tschecho-Slow. StGB. 21 § 84 (»in der Regel«). ÖsterrGes. über d. bed. Verurteilung v. 23. Juli 1920 macht die Schutzaufsicht bei bedingtem Strafnachlaß Jugendlicher obligatorisch. § 2 Abs. 2. 2)
Dagegen A s ehr Ott in Liszt-Aschrott I, 138. 3) VDA. 3, 86 f. R e f o r m des S t r a f g e s e t z b u c h s .
IO
146
Buch.
Verbrechen und Vergehen.
Allgemeiner Teil.
(vgl. Begr. 09 S. 349) und KE. 13 § 119. E. 19 § 118 und AE. 25 § 77 Abs. 1 kehren zum System des §245 StGB, zurück und lassen auch die erlassene Strafe, bzw. die bloße Verurteilung rückfallbegründend wirken. Wenn auch für die Anwendung des § 77 AE. 25 der Rückfall »nicht die entscheidende«, sondern lediglich die »sinnfälligste« Voraussetzung ist {Begr. 25 S. 55), so entspricht es dem Wesen des bedingten Straferlaß besser, im § 77 Abs. 1 entsprechend OeGE. 21 § 1 1 0 die Verbüßung der Freiheitsstrafen zu fordern. Die Vorschriften über den Widerruf bringen weitere Abweichungen vom IGG. Von den materiellen Voraussetzungen gibt § 40 Abs. 1 die Regelung des § 13 Abs. 2 IGG. in weit klarerer Weise wieder, § 40 Abs. 2 spezialisiert die allgemeingehaltene »schlechte Führung« in § 12 Abs. 4 S. 1 IGG., § 40 Abs. 3 beschränkt im Gegensatz zu § 12 Abs. 4 S. 2 IGG. die Möglichkeit nachträglicher Heranziehung von früheren Umständen auf solche Handlungen, wegen deren eine Verurteilung des Täters stattfindet. Hierin liegt ein stärkerer Rechtsschutz des Verurteilten, eine Art Rechtskraftwirkung der Entscheidung über den bedingten Erlaß. Für den Fall einer neuen Verurteilung wegen früherer oder neuer Handlungen überwiesen die bisherigen Entwürfe, OeGE. 21 § 61 und IGG. § 13 dem für die neue Verurteilung zuständigen Gericht auch die Entscheidung über Beibehaltung oder Widerruf des ersten Straferlasses. AE. 25 und läßt den ersten Richter über den Widerruf entscheiden, weil wie § 13 IGG. zeige, die andere Regelung »zu recht umständlichen Vorschriften nötigt« {Begr. 25 S. 36). Nun gewährleisten vereinfachte Vorschriften keineswegs immer eine einfache und zweckmäßige Rechtsanwendung. Daß über das Schicksal des erneut Verurteilten zwei verschiedene Gerichte entscheiden sollen, erscheint bedenklich1). Die Strafzumessung für die neue Tat ist abhängig von der Frage, ob zugleich die erste Strafe vollstreckt wird, die Entscheidung über den Widerruf von dem Eindruck der mündlichen Verhandlung über den Gegenstand der zweiten Verurteilung. § 13 IGG. erscheint freilich auch der Praxis als »Kreuz«2) aber einmal hat AE. 25 die materiellen Voraussetzungen des Widerrufs klarer ausgedrückt und zweitens könnte man die Möglichkeit, daß ausnahmsweise doch der erste Richter über den Widerruf entscheidet (IGG. § 13 Abs. 5, iE". 19 § 67 Abs. 4 a. E.), streichen. Es wäre also in § 40 Abs. 1 und 3 einzufügen: in dem neuen Urteil oder S t r a f b e f e h l . Ferner ') Prot. Strafrechtskomm. I. Lesung, Allg. Tl. 18, S. 2 — 5 . J
) O A R . M ü l l e r (Hamburg) a. d. 6. Dtsch. Jugendgerichtstag, a. a. O. S. 1 7 .
Grünhut,
Abschn. 6: Bedingter Straferlaß.
147
wäre die Aufnahme einer IGG. § 13 Abs. 3 entsprechenden Vorschrift empfehlenswert, wonach das zweite Gericht die Bedingungen für den ersten Straferlaß modifizieren und bestimmen kann, daß die alte Probezeit nicht vor der neuen abläuft. II. Vorläufige Entlassung.
Der bedingte Erlaß des Strafrestes, die vorläufige Entlassung aus der Strafhaft wird vom Verurteilten als Vergünstigung empfunden. Aber ihre Handhabung und ihre gesetzliche Ausgestaltung hat nicht unter diesem Gesichtspunkt zu erfolgen, sondern unter dem des Schutzzweckes der Strafe 1 ). Ihr Wert beruht in der Möglichkeit, durch sie die Wirkungen der Freiheitsstrafe zu steigern. Einmal ihre Sicherungsfunktion: der Gefangene soll nicht in übergangslosem Wechsel aus streng gebundener Strafhaft in völlige Freiheit gelangen. Klarer als in den § ßöff. spricht § 49 Abs. 2 von einer »Entlassung auf Probe«. Sodann der Erziehungsgedanke, indem die Wiedergewinnung der Freiheit, der fühlbarste Teil seines Schicksals in bestimmtem Umfang in des. Gefangenen eigene Hand gelegt ist. Das kommt am reinsten zum Ausdruck in der Verbindung der vorläufigen Entlassung mit dem progressiven Strafvollzug, dessen notwendige Schlußglied ein elastisches Ende der Strafzeit ist. Wie Begr. 25 S. 35 lehrt, soll die Entlassung nach § 36 Abs. 2 als Glied des ordentlichen Strafvollzugs »dem Gedanken des stufenweisen Strafvollzugs Rechnung tragen«. Von ihr ist daher in der kritischen Besprechung auszugehen. § 36 Abs. 2 qualifiziert die Voraussetzungen der Entlassung durch Verlängerung des zu verbüßenden Mindestteils der Strafe und privilegiert sie dadurch, daß die Entlassung beim Vorliegen der gesetzlichen Voraussetzungen obligatorisch ist. Ein richtiger Grundgedanke, die Progression berechenbar zu gestalten und dem Gefangenen die Möglichkeit zu geben, durch Erfüllung der ihm gesetzten Bedingungen sich bestimmte Ansprüche zu erwirken. Aber es ist falsch, hierin allein das Wesen des progressiven Strafvollzugs und einer mit ihm im Einklang stehenden vorläufigen Entlassung zu erblicken. Zudem ist der Anspruchscharakter der Aussicht auf vorzeitige Entlassung problematisch. Seine tatbestandsmäßige Voraussetzung nach § 37 setzt im wesentlichen eine Beurteilung der Persönlichkeit des Täters voraus, die nur im Rahmen weiter Ermessensfreiheit ergehen kann, so daß eine hieran geknüpfte obligatorische Rechtsfolge in der Anwendung einer fa') K l l h l e w e i n , Aschaffenb. 3. 4, 553. 10*
i . Buch.
Verbrechen und Vergehen.
Allgemeiner Teil.
kultativen ähnlich wird. Vielmehr ist eine weit engere Verbindung der vorläufigen Entlassung mit dem Strafvollzug erforderlich, materiell mit der Stufenfolge, formell mit den Organen des Strafvollzugs. Der Weg in die Freiheit ist der das Leben des Gefangenen beherrschende Gedanke. Darum ist der progressive Strafvollzug wirkungslos, wenn es unabhängig von dem Aufrücken in Stufen Möglichkeiten einer vorzeitigen Entlassung gibt. So wenig der progressive Strafvollzug sich in einem äußerenAufrückungsschema erschöpft, gerade hier kommt es auf ein klares System an: von einem Strafvollzug in Stufen kann allein dort gesprochen werJ°n, wo die vorläufige Entlassung ausnahmslos nur auf Gefangene der Oberstufe anwendbar ist. So in Wittlich 1 ) und in Thüringen 2 ). »Gute Führung in der Strafanstalt« genügt nicht, vielmehr ist dem § 37 Abs. 2 nach dem Vorbild OeEntw. Änderung StPO. 1912 § 564 Abs. 3 anzufügen: G e f a n g e n e , auf w e l c h e der S t r a f v o l l zug in S t u f e n a n z u w e n d e n i s t , k ö n n e n nur dann b e d i n g t e n t l a s s e n w e r d e n , wenn sie sich in der o b e r s t e n S t u f e bew ä h r t h a b e n 8 ) . Eine solche Einordnung der bedingten Entlassung in den Strafvollzugsplan würde gefährdet, wenn über die Entlassung die Gerichte, womöglich für die Insassen einer Strafanstalt die verschiedenen Gerichte, deren Urteile vollstreckt werden, entscheiden. Darum ist immer wieder der Vorschlag einer besonderen Entlassungsbehörde gemacht, die örtlich und sachlich in enger Beziehung zur Strafanstalt steht 4 ). Da das Aufrücken im Stufensystem bei aller anzustrebenden Berechenbarkeit einer Ermessensfreiheit der Anstaltsleitung in dem Maße bedarf, in dem auf der Oberstufe über bloße Vergünstigungen hinaus wirkliche Vertrauens- und Belastungsproben auferlegt werden, gewinnt das amerikanische Vorbild an Bedeutung, dem Anstaltsleiter in der Entlassungsbehörde nur ein Vorschlagsrecht, kein Stimmrecht einzuräumen 5 ). Doch wäre Zusammensetzung und die Frage eines Instanzenzuges dem Prozeßgesetz vorzubehalten. Das StGB, hätte nach dem Vorbild OeQes. 23. VII. 20 und OeGE. 21 § 64 an Stelle ') Zusätze zur Hausordnung § 2. >) Thür. D V O § 5.
V g l . F r e d e , Z. 46, 347.
3) Vgl. auch Ungar. StGB. § 48 Abs. 1;
Entlassung auf Widerruf
Verurteilung von mindestens 3 Jahr Zuchthaus erfolgt a u s
der
bei
Zwischen-
anstalt. 4) v. L i s z t , Aufs. u. Vorträge I, 334f. F r e u d e n t h a l V D A . 3, 3o6f. mit weiterer
Lit., A s c h r o t t
i. Aschrott-Liszt I,
Strafrechts 1921 S. 37. 5) F r e u d e n t h a l a. a. O. S. 303.
115, L i e p m a n n ,
Reform
des
GrUnhut,
Abschn. 6 : Bedingter Straferlaß.
149
Gericht zu setzen Entlassungsamt. Dieses hat auch den Widerruf auszusprechen im Fall des § 40 Abs. 2, während bei erneuter Verurteilung entsprechend den obigen Vorschlägen auch hier das in der neuen Sache zuständige Gericht über das gesamte Schicksal des Angeklagten und damit auch über Erlaß oder Verbüßung der Reststrafe entscheiden müßte. Begr. 25 S. 35 wirft zu § 36 die Frage auf, ob das Gericht schon bei der Urteilsfällung einen Strafrest bedingt erlassen könnte. Diese, wohl aus der Delegation der Gnadeninstanz auf die Gerichte herrührende Regelung wird vom Entwurf abgelehnt, — mit Recht, denn sonst wäre § 37 Abs. 2 gegenstandslos. Anders, wenn das Gericht bloß die Zulässigkeit der bedingten Entlassung zu einem bestimmten Termin in Aussicht stellte, deren Eintritt vom Entlassungsamt angeordnet würde, ähnlich wie es bei Verurteilung zu einer der Strafe nachfolgenden sichernden Maßnahme § 47 Abs. 3 anstrebt. Das wäre die Verwirklichung einer nur relativ bestimmten Verurteilung, die gegenüber der allein vom Entlassungsamt auszusprechenden bedingten Entlassung den doppelten Vorzug hätte, dem Richter die Einsetzung von, dem progressiven Strafvollzug mit elastischem Strafende entsprechenden, langfristigen Strafen nahezulegen und dem Verurteilten das Ziel der Progression besonders deutlich zu machen 1 ). So führt eine grundsätzliche Kritik der bedingten Entlassung über diese hinaus zur Forderung des unbestimmten Strafurteils. Vermag das neue StGB, diese nicht zu erfüllen, so muß es um so mehr darauf bedacht sein, die Wirkungen des bedingten Straferlasses durch sinngemäße Verbindung mit dem Progressivsystem zu vertiefen. Aus diesem Gesichtspunkt ist auch die Lösung von Streitfragen über die dogmatische Fassung des bedingten Strafresterlasses zu gewinnen. § 36 bestimmt die Voraussetzungen des Erlasses wie die bisherigen Gesetze und Entwürfe durch eine absolute Mindestdauer und eine relative Mindestquote der Strafzeit. Die absolute Mindestdauer bezieht sich aber nicht, wie in StGB. § 23, den bisherigen deutschen Entwürfen und dem OeOes. 23. VII. 20 auf die wirklich verbüßte Strafzeit, sondern nach dem Vorbild von OeEtitw. 12 § 23 auf eine urteilsmäßig bestimmte Strafzeit von 1 Jahr. Hiergegen spricht, daß damit zufällige Verschiedenheiten der Strafzumessung sich unerwünscht auswirken: wenn A zu 11 und B zu 12 Monaten verurteilt werden, so wird nach § 36 Abs. 1 A nach 1 1 , B aber vielleicht schon nach ' ) F r e u d e n t h a l a. a. O. S. 3 1 1 f.
1JO
i . Buch.
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Allgemeiner Teil.
8 Monaten entlassen 1 ). Eine ähnliche Auffassung nach geltendem Recht, § 23 StGB, setze eine Mindestdauer der urteilsmäßig bestimmten Strafzeit von 16 Monaten (dreiviertel der Strafe soll mindestens 1 Jahr dauern!) voraus 2 ), wird allgemein abgelehnt 3 ). Darum sollte § 36 statt »Freiheitsstrafe von mindestens einem Jahr« hinter dem Bruchteil des zu verbüßenden Strafteils als absolutes Mindestmaß einfügen: mindestens 8 (9) Monate. Bei dem r e l a t i v e n Mindestteil der Strafe, der verbüßt sein muß, fragt sich, ob in diese verbüßte Mindestquote Untersuchungshaft, wenn sie auf die Strafe angerechnet ist, einzubeziehen ist. Diese im geltenden Recht bestrittene Frage 4 ) bedarf der Klärung an dieser Stelle, auch wenn grundsätzlich die Anrechnung der Untersuchungshaft dem Prozeßrecht zugewiesen werden soll 6 ). De lege ferenda stehen sich die Meinungen gleichfalls gegenüber. Gegen die Einrechnung wird geltend gemacht, Untersuchungshaft sei bloße Freiheitsentziehung, keine Strafe 6 ), für ihre Einrechnung spricht, daß Untersuchungshaft an Schwere der seelischen Wirkung der Strafe oft nicht nachsteht und ihre Nichteinrechnung mitunter denjenigen, dem das Gericht die Anrechnung auf die Strafzeit zubilligte, schlechter stellt als den, dem sie versagt wurde 7 ). Die bisherigen deutschen Entwürfe schlössen die Einrechnung ausdrücklich aus, OeGes. 23. VII. 20 untersagt lediglich eine Verkürzung der a b s o l u t e n Mindestdauer von 8 bzw. 6 Monate Strafverbüßung »durch begünstigte Anrechnung bestimmter Zeiträume« ( § 1 2 Abs. 3). AE. 25 § 36 enthält keine Regelung. Im progressiven Strafvollzug kann der Strafvollzugsplan erst mit dem wirklichen Beginn der Strafhaft einsetzen, und nur von hieraus läßt sich der Entlassungstermin bestimmen. Aber so wie bei Verkürzung der Strafhaft eine Abkürzung des normalen Aufenthalts auf der Unterstufe eintreten kann 8 ), ist auch ein infolge Anrechnung der Untersuchungshaft früher eintretender Entlassungs') Hierzu S t r e i c h e r , Bedingte Entlassung in Österreich, Graz 1923 S. 1 7 f r . *) G ö r l i c h , Vorläufige Entlassung (Strafrechtl. Abhdlg. 74) S. 50. 3) F r a n k , 16. Aufl., II a zu § 23. 4) Die überwiegende Meinung lehnt die Einrechnung a b : O l s h a u s e n , 2. Aufl., 2b zu § 23; F r a n k a. a. O. — A. A . : L o b e , RG.-Kom. 2. Aufl., 2 zu § 2 3 . 5) 6 ) 7) O. 53 f. 8 )
Denkschr. 19 S. 95 unten. Prot. Strafrechtskomm. 1. Lesung Allg. Tl. 12 S. 13. K u h l e w e i n a. a. O. S. 556, P o l l i t z ebendort 562, G ö r l i c h a. a. und a. Thür. DVO. § 49 Abs. 1.
G r ü n h u t, Abschn. 6 : Bedingter Straferlaß.
j5 j
termin denkbar, — in gewissen Grenzen, denn allzu kurze Zeitstufen sind für den progressiven Strafvollzug ungünstig. Auch ist die Schlechterstellung des Verurteilten, der aus der Untersuchungshaft kommt, insofern ein Widerspruch zum Progressivgedanken, weil sie die Zulassung der bedingten Entlassung »von Bedingungen abhängig macht, deren Erfüllung nicht in der Hand des Strafgefangenen liegt« 1 ). Nimmt man hinzu, daß die vorgeschlagene Verknüpfung der vorläufigen Entlassung mit der Bewährung in der Oberstufe eine allzufrühe Entlassung ausschließt, so scheint das Vorbild OeGes. 23. VII. 20 § 12 Abs. 3 als bester Ausgleich: Einrechnung einer auf die Strafe angerechneten Untersuchungshaft in die zweidrittel bzw. dreiviertel der zu verbüßenden Mindestzeit, aber keine Verkürzung der absoluten wirklichen Strafanstaltszeit von — nach obigem Vorschlag — 8 bzw. 9 Monaten. Die Beziehung zum progressiven Strafvollzug bestimmt auch die Beurteilung der Bestimmungen über die Probezeit. Sie verlangt als letzte Etappe der Progression äußerste Anspannung des Willens, um E r l a ß der Reststrafe und volle Freiheit zu erringen. Darum sollte während einer Verhaftung oder Verwahrung auf Grund behördlicher Anordnung die Probezeit ruhen. Wenn § 41 als Ziel der Probezeit E r l a ß der Strafe, d. h. des Strafrestes verheißt, so muß das — analog den obigen Ausführungen zum völligen Straferlaß — Einfluß auf die Straftilgung haben. Nicht als ob nachträglich der Registereintrag in eine um den erlassenen Rest verminderte Strafe geändert würde, aber doch so, daß der Fristablauf des § 6 Abs. 3 StraftilgGes. bei endgültigem Erlaß des Strafrechts an den Termin geknüpft wird, an dem der Gefangene bedingt entlassen worden ist 2 ). Die Anwendung einer solchen Regelung wird dazu führen, daß aus der oberen Stufe eine Reihe von Leuten bedingt entlassen werden, während sich auf den unteren Stufen Leute ansammeln, welche bis zum Endpunkt ihrer urteilsmäßigen Strafzeit in Haft bleiben. Bei vielen von ihnen wird ein Bedürfnis nach Ausdehnung der Haftzeit fühlbar werden, noch bedenklicher ist, daß gerade bei diesen eine Entlassung auf Probe ausgeschlossen ist. Auch hier rächt sich das Festhalten des AE. 25 am absolut bestimmten Strafurteil 3 ). Nur soweit sich an die Strafe eine sichernde Maßnahme anschließt, ist Fortdauer der Internierung qua Unterbrin') S t r e i c h e r a. a. O. S. 32. *) K a d e i k a a. a. O. S. 88 f. 3) Vgl. Begr. 25 S. 49.
Ebenso OeGes. 23. VII. 20 § 15 Abs. 2 S. 1.
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.
Verbrechen und Vergehen.
Allgemeiner Teil.
gung und aus ihr Entlassung auf Probe möglich. Fraglich ist, ob bedingte Entlassung auch auf solche langfristige Gefangene auszudehnen ist, die nicht dem progressiven Strafvollzug unterliegen, etwa politische Verbrecher, gewohnheitsmäßige Sittlichkeitsverbrecher. § 36 sucht mit Recht durch Abs. 1 diese Fälle zu erfassen. Begr. 25 S. 35 erweckt den Eindruck, als sei diese Form des Straferlasses kein »Glied des ordentlichen Strafvollzuges«, es komme hier neben der Besserung »auch auf die übrigen Strafzwecke« an, daher keine obligatorische Entlassung. Diese Kennzeichnung ist wenig glücklich. In diesen Fällen mangelnden Erziehungsbedürfnisses verlangt der Sicherungszweck die Anwendbarkeit der Entlassung auf Probe. Darum wäre die Terminologie des § 49 Abs. 2 vorzuziehen. Eine Begünstigung durch Verkürzung der Minimalquote notwendiger Verbüßungszeit ist nicht gerechtfertigt. Schließlich noch die Frage, ob die Lebenslänglichen an der bedingten Entlassung teilhaben sollen. E. 19 § 69 Abs. 2 hatte diese Möglichkeit, Begr. 25 S. 35 überläßt sie ausschließlich der Gnade. Im Grunde handelt es sich hier um ein Problem des Strafensystems. Lebenslängliche Freiheitsstrafe erhält mit gesetzlicher Kürzungsfähigkeit einen völlig andersartigen Charakter, gerade deshalb ist eine Rationalisierung der Gnade durch das Gesetz notwendig. Freilich nicht als bloße Entlassung aus der lebenslänglichen Freiheitsstrafe. Lebenslängliche Freiheitsstrafe ist nicht Erziehung zur Freiheit, wie es der progressive Strafvollzug sein Boll1). Deshalb sollte eine Umwandlung lebenslänglicher in zeitige Freiheitsstrafen unter bestimmten gesetzlichen Voraussetzungen möglich sein und aus dieser zeitigen Freiheitsstrafe unter den üblichen Bedingungen bedingte Entlassung erfolgen, — eine Regelung, welcher die bisherige Gnadenpraxis mehrfach entsprach3). ') Denkschr. 19 S. 72. ') F r e d e a. a. O. S. 238.
Abschnitt 7: Maßregeln der Besserung und Sicherung. A . §§ 4 2 — 5 0
AE.
Von
Geh.Justizrat Professor Dr.B. Freudenthal,Frankfurt a.M.
Vorbemerkung. Gegenstand dieser kritischen Erörterungen sind die sichernden Maßregeln der §§ 42—50 des AE. 25, d. h. die Unterbring u n g in einer ö f f e n t l i c h e n Heil- oder P f l e g e a n s t a l t , die U n t e r b r i n g u n g in einer T r i n k e r h e i l a n s t a l t und die Sicherungsverwahrung. Die Frage, ob die auf sie bezüglichen Bestimmungen im Entwürfe zu billigen sind, kann nicht von rein theoretischem, sondern muß, bei der Natur dieser Arbeit, vom gesetzgeberischen Standpunkte beantwortet werden. Nicht alles, was wissenschaftlicher Überzeugung entspricht, darf verlangt werden, wo es sich um das Zustandekommen eines Gesetzes und das in ihm praktisch Erreichbare handelt. Der die Maßregeln der Besserung und Sicherung behandelnde 7. Abschnitt hat die bedeutsamen Fragen ihrer strafprozessualen Gestaltung 1 ) ausgeschieden und der Reform des Gerichtsverfassungsgesetzes sowie der Strafprozeßordnung vorbehalten. Auch hierher gehört ihre Erörterung nicht. Unsere Untersuchung wird rein strafrechtlicher Natur sein und sich auf das Äußere (A), das Allgemeine (B) und das Besondere (C) jener Maßregeln richten. A. Äußeres. § 1. Stellung des Abschnittes. Abschnitt 5: Strafen und Abschnitt 9: Strafbemessung gehören, wie Stooß 2 ) mit Recht geltend gemacht hat, zusammen. 0 Vgl. dazu B l e e c k Z. 35, 4 4 6 « . und v. L i s z t D. St. Z. i, 45fr. *) Vgl. S t o o ß in Schweiz. Zeitschr. f. Strafr. 38, 24.
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Buch-
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Anderseits sollte die Konkurrenzlehre in Abschnitt 8 von den anderen beiden Erscheinungsformen, dem Versuch in Abschnitt 3 und der Teilnahme in Abschnitt 4, nicht getrennt werden. Damit ergäbe sich nachstehende Aufeinanderfolge: 3. Abschnitt: V e r s u c h ; 4. Abschnitt: T e i l n a h m e ; 5. Abschnitt: Z u s a m m e n t r e f f e n mehrerer Gesetzesverletzungen; 6. Abschnitt: S t r a f e n ; 7. Abschnitt: S t r a f b e m e s s u n g ; 8. Abschnitt: Bed i n g t e r S t r a f e r l a ß ; 9. Abschnitt: M a ß r e g e l n der B e s s e r u n g und S i c h e r u n g . § 2. Ü b e r s c h r i f t e n . Die Überschrift des 7. Abschnittes nennt als Arten der sichernden Maßregeln die »der Besserung und Sicherung«. Dabei bilden einen der beiden Unterbegriffe von sichernden Maßregeln im weiteren Sinne die Maßregeln der Sicherung im engeren Sinne, die nicht, wie die bessernden, auf bürgerliche Erziehung in erster Linie gerichtet sind, sondern sich mit dem Ziele, die Gesellschaft zu sichern, begnügen. Die Grenzen zwischen Maßregeln der Besserung und solchen der Sicherung i. e. S. sind durchaus flüssig. E s hat auch nach den Bestimmungen des 7. Abschnittes vorläufig keine rechtlichen Folgen, ob eine Maßregel zu der einen oder andern Gruppe gehört. Und doch scheint es gut, daß der bessernden Maßregeln in der Überschrift des Abschnittes Erwähnung getan ist. Jedermann muß wissen, daß es auch auf die Besserung ankommt, ja sogar auf sie in erster Linie, und daß bloße Sicherung das subsidiäre Ziel ist. Vor allem für den Strafvollzug wird das von Bedeutung sein: Die unbestimmte Verwahrung gefährlicher Gewohnheitsverbrecher soll in erster Linie deren bürgerlicher Besserung dienen. Dies den vollstreckenden Behörden zu sagen, ist wesentlich. Die Überschrift des 7. Abschnittes ist darum meines Dafürhaltens einwandfrei. Die Überschriften der §§ 43—45 nennt S t o o ß 1 ) »elliptisch«: Sie ließen die Hauptsache weg, daß nämlich der Täter ein gefährlicher Geisteskranker oder trunksüchtig oder ein Gewohnheitsverbrecher sei. Die Einwendung erscheint mir unberechtigt. Macht § 43 zur Voraussetzung der Unterbringung des Unzurechnungsfähigen, daß »die öffentliche Sicherheit diese Maßregel erfordert«, so ist dies nur ein anderer Ausdruck dafür, daß der >) S. S t o o ß a. a. O . S. 23.
F r e u d e n t h a l , Abschn.7: Maßregeln der Besserung usw. §§ 42—50 AE.
jtjj
Täter »ein gefährlicher Geisteskranker« im Sinne Stooß' sein muß. D a ß er »ein Trunksüchtiger« oder »ein Gewohnheitsverbrecher« in den Fällen der §§ 44, 45 sein muß, sagen die §§ ausdrücklich und wörtlich. Es ist vorgeschlagen worden, auch »heilende Maßregeln« in der Überschrift des Abschnittes ausdrücklich zu nennen; dessen bedarf es m. E. nicht, sie sind jetzt schon einbegriffen. § 3- F ä l l e . Mit Recht zählt § 42 die einzelnen Maßregeln der Besserung und Sicherung auf. Unter ihnen fehlt das B e r u f s - u n d G e w e r b e v e r b o t . Es ist von vielen Seiten 1 ) vermißt worden. Der Gegenentwurf hat es in § 76 aufgenommen. Der Schweizer Entwurf von 1918 gibt ihm in Art. 51 eine der des Gegenentwurfes ähnliche Fassung. Er beschränkt sich aber auf die Untersagung der Ausübung »des. Berufes, des Gewerbes oder des Handelsgeschäftes«, während der Gegenentwurf auch die des Amtes einbegreift. In der Fassung des Schweizer Entwurfes erscheint es. erwägenswert, •— als die naturgemäße Folge der Verletzung von Sonderpflichten des Berufes usw. Beide Entwürfe nehmen es nur n e b e n einer Freiheitsentziehung von mindestens drei Monaten in Aussicht. Es fragt sich aber, ob dem Richter nicht die Möglichkeit gegeben werden sollte, darauf auch s t a t t einer Freiheitsstrafe zu erkennen oder es doch im V o l l z u g an die Stelle einer Freiheitsstrafe treten zu lassen. Was zur Minderung der Zahl krimineller Strafen und Bestraften führen kann, sollte nicht ungenützt bleiben. Auch die F r i e d e n s b ü r g s c h a f t ist dem Entwürfe von 1925 fremd. Sie wird vermißt u. a. von R i t t l e r 2 ) . M i r i c k a 3 ) hält sie für unnötig, weil ihr Zweck durch bedingt auferlegte Geldstrafe in geeigneten Fällen ebensogut erreichbar sei. Dem kann nicht zugestimmt werden. Die Friedensbürgschaft oder, wie sie der Gegenentwurf § 78 nannte, das Friedensgebot ist eine sozial wertvolle und, soweit ich sehe, anderweitig nicht ersetzbare Einrichtung als »präventiver Rechtsschutz gegen drohende Ge' ) Vgl. E x n e r in Schweiz. Zeitschr. f. Strafrecht 34, 184 A. 2; R i t t l e r in G l e i s p a c h , der deutsche Strafgesetzentwurf S. 103; K i t z i n g e r , Aphorismen 1923 S. 58 N. 65 u. a. ») R i t t l e r a. a. O. S. 103. 3) M i r i c k a Z. 43, 285.
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walttaten«. Droht der Frau oder den Kindern von einem brutalen Mann oder Vater schwere Mißhandlung, so kann bedingt auferlegte Geld- oder andere S t r a f e nicht eingreifen, weil deren Voraussetzung, die strafbare Handlung, ja noch nicht vorliegt. Wie oft solche Fälle vorkommen und wie oft sie, noch in letzter Zeit, bis zum Gatten- und Vatermorde der Bedrohten führen, bedarf keiner Ausführung. Es empfiehlt sich darum, die schon von O e t k e r 1 ) vorgeschlagene Sicherungsmaßregel, deren Wert auch E x n e r 2 ) und insbesondere der S c h w e i z e r E n t w u r f von 1 9 1 8 in Art. 54 erkannt hat, unter die Maßregeln des 7. Abschnittes aufzunehmen. Es wäre ein bedenkliches Zeichen sozialer Gleichgiltigkeit oder staatlicher Schwäche, wenn es nicht gelänge, jene Bedrohten von Verbrechen zurückzuhalten, die auf ihre Ungeschütztheit, also auf schwere Mitschuld der Allgemeinheit zurückführen. E r z i e h u n g s n a c h h a f t f ü r J u g e n d l i c h e . Das deutsche J u g e n d s t r a f recht ist, wie bekannt, auf dem Wege der Sondergesetzgebung geregelt. Man mag es zunächst dahingestellt lassen, ob seine E i n a r b e i t u n g in das allgemeine Strafgesetzbuch, in das es unstreitig der Sache nach gehört, nicht dringend erwünscht wäre. Sein Zusammenhang mit dem Jugendstrafprozeßrechte, das seinen Platz im künftigen allgemeinen Strafprozeß- und Gerichtsverfassungsrechte finden würde, ist auch keineswegs unlöslich. Aber sei dem, wie ihm wolle, in jedem Falle muß doch inhaltliche Übereinstimmung des Strafrechtes für erwachsene Verbrecher mit dem für jugendliche gesichert werden. Im Punkte der unbestimmten Verurteilung besteht dieser Parallelismus bisher nicht. Es sollte die Entwicklung dieser Frage nicht vergessen werden: Man ging zunächst davon aus, daß die Strafe an Jugendlichen erziehen müsse und daß ihr Maß, da niemand in der Hauptverhandlung voraussagen könne, wann das Ziel der Erziehung erreicht sein werde, erst im Strafvollzug endgiltig bestimmt werden könne. So kam man zur Forderung der unbestimmten oder genauer, da niemand die absolute Unbestimmtheit forderte, der relativ unbestimmten oder — was dasselbe ist — der relativ bestimmten Verurteilung Jugendlicher 3 ). Ihre vorsichtigste Form, in der auch den Bedenken der Ver') S. O e t k e r , Strafen und sichernde Maßnahmen 1910 S. 35 f. 2 ) S. E x n e r , Theorie der Sicherungsmittel S. 104. 3) Vgl. F r e u d e n t h a l , Unbestimmte Verurteilung in Vergleich. Darstellung, Allgemeiner Teil III (1908) S. 245 fr. und die dort Zitierten S. 258 fr.
F r e u d e n t h a l , Abschn. 7 : Maßregeln der Besserung usw.
§ § 4 2 — 5 0 AK.
i^j
treter des Vergeltungsstrafrechtes nach aller Möglichkeit Rechnung getragen wurde, obwohl es sich um Jugendliche handelte, bei denen eine relativ unbestimmte Strafe vielleicht keinen Widerstand gefunden haben würde, war die der Erziehungsnachhaft für Jugendliche, also nicht einer unbestimmten Strafe, sondern einer sichernden Maßregel. Die Sondergesetzgebung für Jugendliche brachte diese dringend erwünschte Änderung nicht, und man konnte das bei deren grundsätzlichem Charakter verstehen. Nunmehr trat die Frage der unbestimmten Verurteilung für gefährliche Gewohnheitsverbrecher, also für Erwachsene, in den Vordergrund der Reformerörterungen: Man stritt, ob unbestimmte echte Strafe oder ob unbestimmte Nachhaft als sichernde Maßregel vorzuziehen sei.' Es kann aber keinem Zweifel unterliegen, daß ein Strafrecht, das zur Besserimg alter Verbrecher oder zur Sicherung der Gesellschaft gegen sie die Freiheitsentziehung von unbestimmter Dauer dem Vollzuge zur Verfügung stellen zu müssen glaubt, erst recht den Jugendgefängnissen die zur Erziehung Jugendlicher erforderliche Zeit sichern muß. Der bedingte Erlaß des Strafrestes, die bisherige vorläufige Entlassung, ist der W e g zu diesem Ziele fraglos nicht, weil dabei nur die Verkürzung, nicht auch die zum Abschlüsse der Erziehung nötige Verlängerung der richterlich bestimmten Freiheitsstrafe im Einzelfalle möglich ist. Die Fürsorgeerziehung ist ebensowenig ein genügender Ersatz. Es handelt sich um die in J u g e n d g e f ä n g n i s s e n , nicht in Fürsorgeerziehungsanstalten zu vollstreckenden Freiheitsentziehungen gegenüber Minderjährigen. Der Schweizer Entwurf von 1918 hat in Art. 89 die relativ unbestimmte Verurteilung Jugendlicher zu einer Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren und höchstens zwölf Jahren, verbüßbar in einer Korrektionsanstalt, vorgesehen. Die Parallele zur Sicherungsverwahrung des § 45 unseres Entwurfes wäre eine Erziehungsnachhaft 1 ), als deren Mindestmaß ein Jahr und als deren Höchstmaß vielleicht schon drei Jahre ausreichend erscheinen. Die Möglichkeit wäre vorzusehen, daß im Vollzuge die Erziehungsnachhaft an die Stelle der vom Richter in erster Linie verhängten Freiheitsstrafe tritt. Da das Jugendgerichtsgesetz ohnehin gegenüber einem neuen Strafgesetzbuch und vielleicht in noch höherem Maße gegenüber ') Vgl. F r e u d e n t h a l , 86, 226ff.
Erziehungsnachhaft in Rhein. Westf. Gef.
Ges.
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V e r b r e c h e n u n d Vergehen.
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einer neuen Strafprozeßgesetzgebung und Gerichtsverfassung erhebliche Abänderungen wird erfahren müssen, wäre es unseres Dafürhaltens die natürliche Lösung, es in seinem materiellen Teile dem k ü n f t i g e n S t r a f g e s e t z b u c h e i n z u v e r l e i b e n . Dann wäre für die unbedingt gebotene Einheitlichkeit des Strafrechtes der Erwachsenen und der Minderjährigen gesorgt. § 4. E i n t e i l u n g . Hier kann nur eines zweifelhaft sein, ob »Gemeinsame Bestimmungen über die Unterbringung«, wie sie §§ 46—50 vorsieht, ob anders ausgedrückt ein »Allgemeiner Teil« für die drei Arten der Unterbringung gerechtfertigt ist. Stooß x ) hat dies bezweifelt. Wie mir scheint, zu unrecht 2 ). Denn gemeinsam ist, um nur dies herauszugreifen, daß der Vollzug der Unterbringung Sache der Verwaltung ist (§ 46 Abs. 1), daß die Unterbringung von unbestimmter Dauer ist oder, wie § 46 Abs. 2 es ausdrückt, so lange dauert, als es der Zweck der Anordnung erfordert. Gemeinsam ist ferner zwei Arten der Unterbringung die periodische Wiederprüfung des § 46 Abs. 3. Auch § 49 Abs. 2 in Verbindung mit § 39 und § 49 Abs. 3 sind gemeinsam. Wichtiger als alles dies aber ist, daß für die drei Arten der Unterbringung die richterliche Verbindung von Strafe und sichernder Maßnahme, d. i. die sog. Zweispurigkeit, mit wechselseitiger Vertretung im Vollzuge grundsätzlich gilt (§ 47f.). Die »gemeinsamen Bestimmungen« sollten also beibehalten werden. B. Allgemeines. § 5. Konkurrenz. Paßt ein Verbrecher in die drei Gruppen des vermindert Zurechnungsfähigen, des Trunksüchtigen und des gefährlichen Gewohnheitsverbrechers, so sind die Maßregeln aller drei Kategorien gegen ihn zulässig. Der Richter wählt unter ihnen. Einer besonderen Bestimmung hierfür bedarf es m. E. im Gesetze nicht 3 ). § 6. Z w e i s p u r i g k e i t im U r t e i l — E i n s p u r i g k e i t im Vollzuge. Der Entwurf stellt, wie in anderem Zusammenhange bereits berührt, für die drei Arten der Unterbringung den Grundsatz ») S t o o ß a. a. O. S. 28. J
) Treffend G e r l a n d ,
der Entwurf 1925 Allg. Teil 1925 S. 76.
3) a. M. R i t t l e r auf der I K V . I n n s b r u c k ,
1925.
F r e u d e n t h a l , Abschn.7: Mafiregeln der Besserung usw. §§42—50 AE,
jjq
•der richterlichen, sog. Zweispurigkeit auf. Das Gericht ordnet danach bei Verurteilung zu einer Strafe zugleich die Unterbringung an (§§ 43—45). Nur bei dem Unzurechnungsfähigen, der als solcher freigesprochen wird, tritt mit der daneben anzuordnenden Unterbringung naturgemäß schon im richterlichen Urteile der Grundsatz der Einspurigkeit ein (§ 43). Mit der grundsätzlichen Zweispurigkeit im Urteile geht aber Einspurigkeit im Vollzuge, dem Entwürfe nach, überall da Hand i n Hand, wo die Verbindung von Strafe und sichernder Maßnahme im Vollzug unangebracht erscheint. Hier kann, je nach Sachlage, die Freiheitsstrafe durch die Unterbringung oder die Unterbringung durch die Freiheitsstrafe im Vollzug ersetzt werden (§ 4 7 f . ) i ) . Diese Gestaltung des Verhältnisses von Strafe und sichernder Maßnahme ist im Falle des gefährlichen Gewohnheitsverbrechers (§ 45) angegriffen worden 2 ). In der Tat könnte m a n den Standpunkt einnehmen: Nicht jeden Tag werde ein neues Strafgesetzbuch geschaffen. So habe man die Pflicht, dieses den. Anforderungen der Zukunft anzupassen. E s sei verfehlt, im richterlichen Urteile neben die Strafe die sichernde Maßnahme der Unterbringung in der Form der Sicherheitsverwahrung zu setzen. Damit entstehe eine Uneinheitlichkeit, die einer Besserung des — zunächst der Strafe und nach ihr einer im Wesentlichen gleichartigen zweiten Freiheitserziehung unterworfenen — Verbrechers als schweres Hindernis im Wege stehen werde. Aber auch der Gedanke der Sicherung gegen den gefährlichen Gewohnheitsverbrecher führe nicht zur Aufeinanderfolge bestimmter Strafe und unbestimmter Verwahrung. Die natürliche Gestaltung sei unter beiden Gesichtspunkten, dem der Besserung wie der bloßen Sicherung, die echte unbestimmte Strafe 3 ). Es soll nicht bestritten werden, daß diese Lösung den Vorzug der Einfachheit und Natürlichkeit für sichhat. D i e s i c h e r n d e M a ß n a h m e ist, wenn nicht alles t r ü g t , lediglich eine Übergangserscheinung. Die Funktion der unbestimmten 1) Vortrefflich die B e g r ü n d u n g zum AE. 1925 S. 42; abweichender Meinung Ri111 er Leitsatz II 2 IKV. Innsbruck. Gut auch G e r 1 a n d a. a. O. S. 77. J ) Vgl. zu der Frage statt anderer: K o h l r a u s c h in d. Festgabe für v o n L i l i e n t h a l Z. 44, 21 ff.; G r a f D o h n a das. 39fr. Anderseits v o n H i p p e l IKV. Göttingen 1922 und deutsches Strafrecht I 1925 S. 529ff. 568fr.; s. auch E b e r m a y e r im Jahrb. der Gef. Ges. f. Sachsen u. Anhalt 35, 45f. 3) So neuerdings H a g ' e m a n n Leitsatz Ia IKV. Innsbruck 1925.
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sichernden Maßnahme kann und wird eines Tages die unbestimmte Strafe übernehmen. Aber mit dieser theoretischen Erkenntnis ist keineswegs auch die Forderung gerechtfertigt, daß das in der Entstehung begriffene deutsche Strafgesetzbuch bereits die unbestimmte Strafe bringe. Das Ausland steht, auch in den fortschrittlichsten Gesetzen und Entwürfen, ganz überwiegend noch im Zeichen der richterlichen Zweispurigkeit. E n g l a n d , A u s t r a l i e n , das n o r w e g i s c h e Strafgesetzbuch, der S c h w e i z e r Entwurf sehen die Verwahrung neben der Strafe im richterlichen Urteile vor. Nur eine kleine Anzahl einzelstaatlicher n o r d a m e r i k a n i s c h e r Gesetze und der i t a l i e n i s c h e Entwurf belegen den Gewohnheitsverbrecher allein mit unbestimmter Strafe. Es ist oben bereits ausgeführt, daß auch der Theoretiker bei Entscheidungen wie der hier in Frage stehenden gehalten ist, sich auf den Standpunkt des Gesetzgebers zu stellen. Es wäre durchaus gegen Wesen und Ziel dieser kritischen Erörterung, wenn sie, selbst durch eine theoretisch wohlberechtigte, vom gesetzgeberischen Standpunkt aber zu weit gehende Forderung, das große Werk des neuen deutschen Strafgesetzbuches gefährdete. Damit ergibt sich unsere Stellungnahme: Gegenüber dem Standpunkte der klassischen Schule ist in der Form des künftigen Strafrechtes jedes Entgegenkommen gerechtfertigt. In der Sache aber darf dadurch den einander gegenüberstehenden Interessen, dem Sicherungsbedürfnisse der Allgemeinheit einerseits, dem Rechtsschutzbedürfnisse des Verbrechers anderseits, kein Eintrag geschehen. I. Das künftige Sicherungsrecht gegenüber erwachsenen Verbrechern muß zunächst die Folgerungen ziehen, die sich aus dem reichsgesetzlich festgelegten neuen J u g e n d s t r a f r e c h t ergeben. a) In derselben Hand muß hier wie dort die Entscheidung über Strafe und sichernde Maßnahme liegen. Darum ist es zu billigen, daß der Entwurf das Gericht und nicht etwa Verwaltungsgerichte oder gar Verwaltungsbehörden mit der Anordnung der sichernden Maßnahmen betraut. b) Genügt ferner im Einzelfalle der leichtere Eingriff, so darf es zum schwereren nicht kommen. Dieser in § 6 des Jugendgerichtsgesetzes für das Verhältnis von Strafe und Erziehungsmaßregel niedergelegte Grundsatz bildet auch die Grundlage der §§ 43 Abs. 2 und 44 Abs. 2 AE. 25. , Danach soll Unterbringung in einer Heil- usw. oder Trinkerheilanstalt nur
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angeordnet werden, wo Schutzaufsicht nicht genügt 1 ). Es fragt sich aber, ob nicht in geeigneter Form eine entsprechende Bestimmung für § 45, also gegenüber der Sicherungsverwahrung, geboten erscheint. Dafür spricht folgendes: Nach der Natur der Schutzaufsicht ist es durchaus möglich, daß sie auch gegenüber vielfach vorbestraften gefährlichen Gewohnheitsverbrechern genügt, ja aussichtsvoller erscheint als jede andere Maßregel. Denn sie trifft in vielen Fällen besser als die Freiheitsstrafe den entscheidenden Punkt im Charakter manches sogenannten Unverbesserlichen, die Willensschwäche oder Labilität. Das bestätigen die von mir mit der Schutzaufsicht gemachten praktischen Erfahrungen. II. Es ist behauptet worden 2 ), dem Grundsatze der Zweispurigkeit widerspreche die f i n a n z i e l l e L a g e Deutschlands. Demgegenüber sei hier zunächst auf die treffenden Ausführungen von A s c h a f f e n b u r g 3 ) über die Kostenfrage hingewiesen. Von Wert ist ferner Art. 416 des S c h w e i z . E. von 1918, wonach der Bundesrat im Einvernehmen mit den Kantonen die Reihenfolge bestimmt, in der die durch ein neues StGB, nötig werdenden Anstaltsreformen durchgeführt werden sollen. Er trifft für die Zwischenzeit die nötigen Anordnungen. Die Gefahr zu großer oder zu rascher finanzieller Belastung erscheint damit ausgeschaltet. Man sollte aber endlich nicht vergessen, daß es sich um richterliche Zweispurigkeit handelt, die keine Kosten verursacht, und daß sie weder zweispurigen Vollzug, noch besondere Anstalten zu bedeuten braucht (s. unten S. 172). III. Ist der S c h u t z der A l l g e m e i n h e i t bei dem Grundsatze der Zweispurigkeit, d. h. bei richterlicher Anordnung beider — der Strafe und der sichernden Maßnahme — , in Verbindung mit gegenseitiger Vertretbarkeit im Vollzuge, gewahrt ? a) Keinenfalls erfordert dieser Gesichtspunkt des Schutzes der Allgemeinheit die Doppelbehandlung in Gestalt der Vollziehung beider. Die englische wie die norwegische Erfahrung lehrt dies. Man kann es als herrschende Meinung in E n g l a n d bezeichnen, daß die Notwendigkeit, eine bestimmte penal servi1) W a c h e n f e l d in G A . 69, 356 weiß von der Schutzaufsicht nur zu sagen, daß sie »im Grunde nichts weiter (sei) als eine abgeschwächte Polizeiaufsicht, deren Schädlichkeit aber allgemein anerkannt« seil ') Vgl-
statt
anderer L i e p m a n n
auf der Innsbrucker Tagung der
von 1925. 3) S. A s c h a f f e n b u r g in seiner Monatsschr. 16, 161 f. Reform d e s S t r a f g e s e t z b u c h s .
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IKV.
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i . Buch.
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tude vor der unbestimmten preventive detention zu vollstrecken, die Ergebnisse des Systems beeinträchtigt hat 1 ). In Norwegen ist § 65 des StGB, vom 22. Mai 1902, der Sicherungswahrung immer nach einer bestimmten Strafe eintreten läßt, ohne daß diese unvollstreckt bleiben könnte, »eine Papierbestimmumg«2) geblieben. »Seit das Gesetz in Kraft trat (1. Jan. 1905), ist § 65 gegen zwei Personen« alles in allem zur Anwendung gebracht worden. N e u - S ü d - W a l e s hat seit 1905 (Habitual Criminals Act, amendiert 1924) das englische System, d. i. den kumulierten Vollzug von bestimmter Strafe und nachfolgender unbestimmter sichernder Maßnahme. Nach dem Berichte des Comptroller G e n e r a l für 1923 ist von der Möglichkeit, einen Verurteilten zum Gewohnheitsverbrecher zu erklären, in den 18 Jahren seit 1905 insgesamt 98 mal Gebrauch gemacht worden. Die Aussichten einer Besserung beurteilt er skeptisch. Dagegen erklärt er sich befriedigt durch die Sicherungsfunktion des Grundsatzes der preventive detention. Anders ausgedrückt: Sowohl auf die Allgemeinheit, wie auf den Täter im besonderen übt die in Aussicht stehende Gefahr der Verwahrung bis ans Lebensende starke abschreckende Wirkung. Wie bei den Gewohnheitsverbrechern, ist auch in den beiden anderen Fällen der Unterbringung vom Entwürfe mit Recht dafür Sorge getragen, daß nicht notwendig sowohl die Strafe wie die sichernde Maßnahme im Vollzuge verwirklicht werde. Insbesondere ist es A s c h a f f e n b u r g gewesen, der im Falle des § 43 AE. 1925 bei vielen Minderwertigen vom Vollzuge der Strafe geradezu Lebensunfähigkeit befürchtet. b) Die bedingte Aussetzung der Unterbringung oder — nach dem Sprachgebrauche des AE. 1925 — den »bedingten E r l a ß der ganzen« sichernden Maßnahme kennt der Entwurf ebensowenig wie der Schweizer Entwurf von 1918. Der gleiche Gesichtspunkt aber, der dem bedingten Straferlaß zugrunde liegt, sollte auch zum bedingten Erlasse der Unterbringung führen3). Die bereits mitgeteilten Erfahrungen des Auslandes zeigen überdies auf das klarste, daß der Wert der unbestimmten Verwahrung in erster Linie ein präventiver ist. Die Möglichkeit, Vgl. den L o r d C h i e f J u s t i c e in Howard Journal I, 199. ') Auskunft des Chefs der norwegischen Gefängnis Verwaltung, M. A r n e O m s t e d , vom 12. Oktober 1925. 3) S. vor allem E x n e r in Schweiz. Z. 34, 186ff.
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eine jahrelange und unter Umständen lebenswierige Einsperrung in einer sichernden Anstalt zu vermeiden, kann, in Verbindung mit auferlegten Pflichten und einer Schutzaufsicht — die freilich nicht blos möglich .sein sollte, wie in § 39, sondern hier wie beim bedingten Straferlasse durchaus die Regel bilden müßte — . aus dem typischen »Unverbesserlichen« sehr wohl einen Gebesserten, d. i. einen brauchbaren Bürger machen. Daß dies eine auch in der englischen Praxis vertretene Auffassung ist, berichtet E x n e r 1 ) . Der gleiche Gesichtspunkt aber gilt sowohl für die Unterbringung in einer Trinkerheil-, wie unter Umständen selbst in einer öffentlichen Heil- oder Pflegeanstalt. Es ist nicht abzusehen, warum ein Trunksüchtiger nicht durch eine bedingt in Aussicht stehende mehrjährige Unterbringung in einer Trinkerheilanstalt von weiteren Straftaten sollte abgehalten werden können. Ähnlich liegen gewisse Fälle von Geisteskrankheit 2 ). Die Unterbringung ist, allgemein gesprochen, ein Damoklesschwert, das so lange Segen stiftet, wie es schwebt, im Fallen aber vernichtet. c) Die in § 47 Abs. 1—3 und § 48 vorgesehenen Möglichkeiten sind doch wohl m. E. beizubehalten, teils weil sie von praktischer Bedeutung sind, teils weil sie die Parität von Strafe und sichernder Maßnahme zum Ausdrucke bringen. IV. Wird der Entwurf auch dem V e r b r e c h e r und dem S c h u t z e s e i n e r I n t e r e s s e n gerecht? Die Frage ist identisch mit der nach den rechtsstaatlichen Garantien der Unterbringung. Sie sind teils materieller, teils formeller Art. In materieller Hinsicht könnte der Standpunkt vertreten werden, daß dem Richter ein zu weites freies Ermessen eingeräumt werde, wenn ihm der Entwurf außer seinen Strafen auch noch die mindestens zum Teile doch überaus tief in die Individualrechtssphäre eingreifenden sichernden Maßnahmen der §§ 43—45 in die Hand gebe. Noch in dem Gutachten für den Londoner Internationalen Gefängniskongreß von 1925 hat Professor H u g u e n a y - P a r i s als schwerstes Bedenken gegen die unbestimmte Verurteilung ihre Garantielosigkeit geltend gemacht. Dem Entwürfe gegenüber richten sich die Bedenken vorzugsweise auf die Sicherungsverwahrung des § 45. Hier wird ') Vgl. E x n e r a. a. O. S. 188. ») Vgl. u. a. E x n e r a. a. O. S. 188. 11*
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beanstandet, daß das Gericht auf sie nur erkennen könne, nicht müsse, während der österreichische wie der italienische Entwurf statt der »Kann«- eine »Solkvorschrift aufstelle. Aber dies Bedenken greift nicht durch 1 ). Gewiß macht der Entwurf mit dem Ermessen die Verantwortung des Richters größer. Wollte er aber um dessentwillen die Möglichkeit der Individualisierung trotz der Mannigfaltigkeit der Fälle und Verbrechergruppen beschränken, so würde er damit einem seiner obersten Grundsätze zuwiderhandeln. Freilich muß er dann um so mehr die sachlichen Voraussetzungen klar und scharf formulieren, unter denen eine Sicherungsverwahrung auch nur in Frage kommen kann. Welche Voraussetzungen stellt er auf? 1. Der Täter muß schon zweimal wegen Verbrechens oder vorsätzlichen Vergehens zum Tod oder zu erheblichen Freiheitsstrafen verurteilt sein. 2. Auch die neue Tat muß Verbrechen oder vorsätzliches Vergehen sein, wegen dessen Freiheitsstrafe verwirkt ist. 3. Der Täter muß ein für die öffentliche Sicherheit gefährlicher Gewohnheitsverbrecher sein. Sind diese drei Bedingungen erfüllt, so ist die Sicherungsverwahrung, auf die das Gericht zunächst erkennen kann, an das Höchstmaß von drei Jahren gebunden, also nur relativ unbestimmt. Soll sie länger dauern, so muß sie das Gericht vor Ablauf der dreijährigen Frist von neuem anordnen. Ordnet es dies an, so bestimmt es zugleich, wann seine Entscheidung von neuem einzuholen ist. Die gleiche vorsichtige Fassung gibt der Entwurf für den Fall der Unterbringung in einer Heil- oder Pflegeanstalt. Für den letzten Fall, den der Unterbringung in einer Trinkerheilanstalt, verkürzt er die dreijährige Frist auf zwei Jahre. Bei solcher Gestaltung der Unterbringung ist die Besorgnis kaum gerechtfertigt, daß die Gerichte sich scheuen werden, sie anzuordnen 8 ). 1) Gut die B e g r ü n d u n g zum AE.
1925 S. 41. S. zur Frage der Freiheit
des Richters H e i m b e r g e r in Rhein.-YVestf. Gef.-Ges. 1921 und M. E. M a y e r auf d. I K V . Jena 1921. der
J ) a. M. H a g e m a n n in Leitsatz I (am Ende) auf der Innsbrucker T a g u n g IKV; unerfindlich ist, warum die gegenseitige Vertretbarkeit von Strafe
und sichernder Maßnahme im Vollzuge »den notwendigen Schutz des Verbrechers vermissen« lassen soll (so H a g e m a n n a. a. O. Leitsatz II C am Ende), da doch die ursprüngliche Anordnung beider und die spätere Ersetzung der einen durch die andere rechtsstaatlich gesichert ist.
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Mit den letzten Erörterungen ist das Gebiet der formalen Voraussetzungen bereits betreten. Die Gerichte sind es nach dem Entwürfe, denen die Verhängung der sichernden Maßnahme obliegt. Damit ist das rechtsstaatliche Prinzip gewahrt. E s wird durchgeführt, insofern auch die Dauer, die bedingte Entlassung usw. durch gerichtliche Entscheidung bestimmt ist. Daß die eigentliche Vollziehung nicht Sache des Gerichtes, sondern der Verwaltungsbehörde sein soll (§ 46 Abs. 1), widerspricht nicht dem Rechtsstaate, sondern entspricht ihm. Wer die Gerichte sein sollen, die über Dauer und Beendigung der sichernden Maßnahme zu befinden haben, ist mit Recht vom Entwürfe nicht gesagt. Die Prozeßgerichte können meines Dafürhaltens aus örtlichen Gründen nicht zuständig sein. Wie sollten sie, die in verschiedenen Teilen des Landes belegen sind, sich über die einzelnen Gefangenen fortdauernd unterrichtet halten ? Unabhängige Entlassungskommissionen, zusammengesetzt wie Schöffengerichte, erscheinen hier nötig. Will man sie » A n s t a l t s g e r i c h t e « nennen, so ist dagegen nichts einzuwenden. Die Anstaltsverwaltung sollte in ihnen Antragsrecht oder votum consultativum, keinenfalls decisivum erhalten. Der gebotene große sachliche Einfluß der Anstaltsverwaltung bleibt dabei ebenso gewahrt, wie die Unabhängigkeit des Entlassungsgerichtes. Als Schöffen wären achtbare Bürger aus dem der Anstalt nächst belegenen Orte, tunlichst durch Fernsprecher erreichbar, erwünscht. Doch das sind curae posteriores. Das gleiche gilt von den reinen Strafvollzugsfragen. Sie können nur in dem künftigen Reichsstrafvollzugsgesetz Erledigung finden. § 49 Abs. i fordert zur Entlassung aus der Unterbringung die »Zustimmung« des Gerichtes. Hier kann also das Gericht ohne die Verwaltung das Ende nicht bestimmen. Anders ausgedrückt, es kann die Verwaltung die Entlassung hindern. Damit sind die Einflüsse eingeschaltet, von denen im Rechtsstaat Individualeingriffe unabhängig sein sollen. Das Gericht sollte allein entscheiden; die Verwaltung, auch die Polizei, wäre auf Antragsrechte zu beschränken. Erfordert der Schutz des Verbrechers im Hinblick auf sichernde Maßnahmen V e r f o l g u n g s - und V o l l z u g s v e r j ä h r u n g ? Die erstere Frage wird mit Recht verneint 1 ), weil sichernde Maßnahmen immer nur in einem gegenwärtigen Zu ') So S t o o ß in Aschaffenb. Monatsschr. 1912 S. 371 f.
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stände Voraussetzung und Begründung finden. Für die Vollzugsverjährung genügt § 50 AE. 25. Sollte die Möglichkeit,der B e g n a d i g u n g bestehen ? Die Frage wird von S t o o ß 1 ) verneint. Es ist aber m. E. nicht abzusehen, warum nicht, außer dem zur Aufhebung zuständigen Gerichte, wie bei Strafen, auch die Gnadeninstanz zur Milderung von Härten und zur Behebung von Irrtümern, zumal bei der Schwere der in Frage stehenden Freiheitsentziehungen, zuständig sein sollte. Unser G e s a m t e r g e b n i s wäre hiernach dies: Der Entwurf ist zu billigen, sowohl wenn er grundsätzlich die Zweispurigkeit bei gerichtlicher Verurteilung, wie wenn er die Möglichkeit nachträglicher gerichtlicher Änderungen im Sinne gegenseitiger Vertretbarkeit von Strafe und sichernder Maßnahme vorsieht. Im Einzelnen sind die oben erwähnten Änderungen und Ergänzungen geboten. C. Besonderes. §
7. U n t e r b r i n g u n g
in
einer ö f f e n t l i c h e n Pflegeanstalt.
Heil-
oder
W o Unzurechnungsfähige und vermindert Zurechnungsfähige unterzubringen sind, ob in besonderen »Kriminalirrenanstalten« oder in den normalen Heil- und Pflegeanstalten, diese Frage auszutragen, ist Sache des künftigen Strafvollzugsgesetzes, nicht des Strafgesetzbuches. Es sei zu ihr hier nur folgendes bemerkt: Es darf als herrschende Meinung bezeichnet werden 2 ), daß freigesprochene Unzurechnungsfähige, wenn die öffentliche Sicherheit ihre Unterbringung erfordert, nicht in besondere Anstalten, »Kriminalirrrenanstalten«, wie in I t a l i e n und E n g l a n d , sondern in Heil- und Pflegeanstalten gehören. »Der größte Teil der mangels Zurechnungsfähigkeit Freigesprochenen ordnet sich ohne sonderliche Schwierigkeiten in das Gefüge einer Irrenanstalt ein« (Aschaffenburg). Für vermindert zurechnungsfähige Verurteilte fordert A s c h a f f e n b u r g dagegen besondere Anstalten als »Mittelding zwischen Gefängnis und Irrenanstalt«, von Psychiatern geleitet und keinenfalls gefängnisartig eingerichtet. L i e p m a n n 3 ) hat, in ') l ) Tagung 3)
Vgl. S t o o ß a. a. O. S. 376f. Vgl. A s c h a f f e n b u r g in Monatsschr. 16, 162 und auf der Innsbrucker der IKV. Leitsatz 5. L i e p m a n n in Zeitschr. f. Psychiatrie 79, 186f.
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seinem Korreferat auf der Jahresversammlung des Vereins, für Psychiatrie, Ausgestaltung der Heil- und Pflegeanstalten für v. Z. nach dem Vorbilde der Irrenbehandlung gefordert. Für die Entlassung der Unzurechnungsfähigen wie der v. Z. empfiehlt er Kommissionen, bestehend aus dem Strafrichter, einem Anstaltsbeamten, einem Vertreter der Polizei und Laien, die in der Fürsorge für Entlassene tätig sind. § 8. U n t e r b r i n g u n g in einer
Trinkerheilanstalt1).
Nach S t o o ß 2 ) muß auch der Trunksüchtige, der wegen Unzurechnungsfähigkeit nicht strafbar ist, in eine Trinkerheilanstalt eingewiesen werden können. Diese Auffassung scheint mir berechtigt. Wenn er dagegen in § 44 als Ziel Erziehung zur Enthaltsamkeit, nicht, wie in AE. 1925, Gewöhnung »an ein gesetzmäßiges ¡und geordnetes Leben« genannt sehen will, so trete ich dem Entwürfe bei. Denn durch Enthaltsamkeit zu gesetzmäßigem und geordnetem Leben zu gelangen, muß die Aufgabe sein. Betrachtet er endlich Trunksüchtigen gegenüber Schutzaufsicht (§ 44 Abs. 2) nur in Verbindung mit Trinkerfürsorgestellen als ausreichend, so stimmt er hier mit A s c h a f f e n b u r g überein. Dieser bemängelt an § 44 folgendes 3 ): a) An Stelle von »Trunksüchtigen« seien »Betrunkene« zu setzen, wenn man der »sonst so wertvollen Bestimmung« nicht »den größten Teil ihrer Wirkung« nehmen wolle. Gerade Gelegenheitstrinker begingen im Rausch oft schwere Verbrechen. Es sei nichts damit getan, wenn man sie wegen Volltrunkehheit gemäß § 335 lediglich in Freiheitsstrafe nehme. »Die Erziehung zur Abstinenz ist eine Aufgabe, bei der der Strafvollzug... versagt.« Es fragt sich nur, ob die Trinkerheilanstalt auch dazu da ist, Gelegenheitstrinker zur Abstinenz zu erziehen. Für diese Fälle scheint mir Schutzaufsicht in der Gestalt des PollardSystems der gegebene Weg. Bei dem Worte »Trunksüchtiger« in § 44 möchte ich es darum bewenden lassen. §44 Abs. 2 wird von A s c h a f f e n b u r g gleichfalls bemängelt; Schutzaufsicht genüge zwar bei Gelegenheitstrinkern, nicht aber bei den Trunksüchtigen des Abs. 1. Gilt letzteres aber auch vom >) Vgl. H e i m b e r g e r in Z. 32, 563fr. ») S t o o f l a. a. O. S. 25. 3) Vgl. A s c h a f f e n b u r g in Monatsschr. 16, 153fr. und v o n E g l o f f s t e i n das. 372 fr.
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Pollard-System ? Ich wü*de vorschlagen, Abs. 2 bestehen zu lassen, ihn aber, wie es A s c h a f f e n b u r g für Gelegenheitstrinker vorschlägt, so für Trunksüchtige im Sinne des § 39 auszubauen, so daß bei ihnen die Auferlegung besonderer Pflichten, verbunden mit Schutzaufsicht durch Abstinenzvereine, möglich wäre. b) Die von A s c h a f f e n b u r g geforderte Beseitigung der zweijährigen Höchstfrist für die Unterbringung in einer Trinkerheilanstalt möchte ich nicht befürworten. E r selbst gibt zu, daß nach ihrem fruchtlosen Ablaufe »wenig Aussicht auf Heilung« mehr besteht. Solche Trunksüchtige gehören dann in die Kategorie des § 45. Die auf den Erlaß eines B e w a h r u n g s g e s e t z e s gerichteten Bestrebungen müssen hier außer Betracht bleiben. Die Bewahrung zur Fürsorge ist von der Unterbringung zum Schutze der Gesellschaft gegen Verbrecher zu trennen; jene soll nicht statt der Strafe eintreten können. § 9. S i c h e r u n g s v e r w a h r u n g 1 ) . Hier von »Unverbesserlichen« zu sprechen, wie es vielfach geschieht, scheint mir verfehlt. Natürlich gibt es Verbrecher, die wir mit den Mitteln des geltenden Rechtes nicht zu bessern vermögen, Unverbesserliche de lege lata. Es wird auch immer Verbrecher geben, die wir einst mit der Zukunftsmethode eines neuen Strafgesetzbuches nicht werden bessern können. Aber für den Kriminalpolitiker oder Gesetzgeber, der neue und bessere Behandlungsmethoden sucht, gibt es keinen Unverbesserlichen; er muß hoffen, den bisher Unverbesserlichen unter neuer Methode bessern zu können, und jedenfalls steht ihm das. Gegenteil nicht fest. In diesem Sinn und nur in ihm ist G r a t i a n s 2 ) Wort: »nemo desperandus est« zutreffend. Unverbesserlichkeit ist kein kriminalpolitischer Begriff; ein dogmatischer dagegen wird sie immer bleiben. Es ist oben begründet worden, daß im künftigen StGB, nicht eigentliche unbestimmte Strafe, sondern bestimmte Strafe mit unbestimmter Sicherungsverwahrung den Inhalt des richterlichen Urteiles gegenüber gefährlichen Gewohnheitsverbrechern bilden sollte, daß im Vollzug aber sowohl die Möglichkeit einer J) Gegen sie mit dürftiger Begründung W a c h e n f e l d in GA. 69, 356: »Es ist genug, daß der rückfällige Verbrecher eine besonders schwere Strafe erleidet« I J ) G r a t i a n u s c. 1 dist. VII. s. Mittermaier in VDA. III, 32lfif.
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Vertretung der Strafe durch die sichernde Maßnahme, wie dieser durch jene vorzusehen, daß also der Standpunkt des Entwurfes grundsätzlich zu billigen ist. I c h h a b e k e i n e n Z w e i f e l darüber g e l a s s e n , d a ß m e i n e s D a f ü r h a l t e n s die Z u k u n f t d e r e i g e n t l i c h e n u n b e s t i m m t e n S t r a f e g e h ö r t und die Regelung des Entwurfes lediglich ein Kompromiß zwischen Gegenwartsströmungen darstellt. So berechtigt ein solches in einem gesetzgeberischen Werk ist, so sehr mag es sich in seinen Folgen unter Umständen rächen: Man kann nämlich gewiß begrifflich Strafe 'und sichernde Maßnahme trennen. Auch der Gesetzgeber kann es. Die in Wahrheit vorhandene Wesensverwandtschaft der beiden Arten von Freiheitsentziehung wird aber immer im Vollzuge zum Durchbruche kommen: »naturam expellas ...«. W o liegt der Unterschied zwischen einer im Progressivsysteme vollzogenen Zuchthausstrafe, wie sie etwa im derzeitigen bayrischen Strafvollzuge vorgesehen ist, und einer zu Besserungszwecken gleichfalls progressiv gestalteten Sicherungsverwahrung ? Man vergleiche dafür etwa im S c h w e i z e r Entwürfe von 1918 Art. 34, der vom Vollzuge der Zuchthausstrafe handelt, mit Art. 40, der die Verwahrung von Gewohnheitsverbrechern und ihren Vollzug zum Gegenstande hat. Alles Wesentliche ist hier identisch. Wie gleichwohl die Sicherungsverwahrung auszugestalten ist, bildet eine Frage nicht sowohl des Strafgesetzbuches, wie des Strafvollzugsgesetzes. Hier sei nur folgendes Grundsätzliche betont: Das Ausland gestaltet die Sicherungsverwahrung in einer durchaus verschiedenen Weise: N o r w e g e n 2 ) vollstreckt sie in den gewöhnlichen Strafanstalten; doch kann Überführung in ein Zwangsarbeitshaus stattfinden. (Vgl. Ges. betr. d. Gefängniswesen v. 12. Dez. 03 § 24). Im Zwangsarbeitshause besteht in weitem Umfange »honor-system«. Und allgemein versucht man, obwohl der hauptsächliche Zweck der Verwahrung bloße Sicherung der Gesellschaft gegen Rückfall ist, während der Voll') Mit Recht verneint L i e p m a n n (IKV. Innsbruck 1925) diesen Unterschied. Aber daraus folgt nicht die Forderung unbestimmter Strafe, sondern der Vollziehung in der gleichen Anstalt: Wozu eine neue gequälte Unterscheidung im Vollzuge zu der bereits bestehenden von Zuchthaus und Gefängnis? 2)
Das Folgende ist der bereits angezogenen trefflichen schriftlichen Aus-
kunft entnommen, die ich dem oben(S. 162 A.2) erwähnten Herrn M. Arne O m s t e d danke; s. auch dessen Gutachten Innstilling f r a . . . Komite til . . Straffeloven. Forste del Oslo. 1925 S. 212 ff.
I^O
Kuch.
Verbrechen und Vergehen.
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ziehung immer auf den Gefangenen einzuwirken. Daß die Sicherungsverwahrung Norwegens im übrigen praktisch auf dem Papiere steht, weil sie von den Gerichten kaum ausgesprochen wird, ist gleichfalls bereits erwähnt. Ihre generalprävenierende Wirkung wird dadurch nicht beeinträchtigt. Ähnlich in N e u - S ü d - W a l e s . Dort sagt das Gesetz vom 20. Sept. 1905 betreffend die Festhaltung und Kontrolle von Gewohnheitsverbrechen in s. 5 nur, daß jeder Gewohnheitsverbrecher, bei Ablauf seiner Strafe, auf unbestimmte Zeit (during His Majesty's pleasure) festgehalten werden soll »in some place of confinement set apart by the G o v e m o r . . . for that purpose«. Und s. 6 setzt wegen des Vollzuges nur hinzu, daß der Gefangene gehalten sei, zu arbeiten, und Erleichterungen erfahren soll für den Verkauf der Produkte seiner Arbeit. Darin kommt zum Ausdrucke, daß auch Australien bei seiner »preventive detention« nicht oder doch jedenfalls nicht in erster Linie Besserung bezweckt. Gleichwohl wird in den Berichten des Comptroller General betont, daß bei Gewohnheitsverbrechern, außer bei Sittlichkeitsverbrechern, eine gewisse Hoffnung auf Besserung bestehe. Als das Wesentliche aber tritt hervor, daß der Grundsatz der unbestimmten Verwahrung einen guten Schutz der Gesellschaft darstelle. Dies dürfte sowohl generalpräventiv gemeint sein, insofern die Freiheitsentziehung auf Lebenszeit die Allgemeinheit von Verbrechen abhält, wie spezialpräventiv im Sinne langer Unschädlichmachung des Gewohnheitsverbrechers selbst. In A m e r i k a besteht absolut unbestimmte eigentliche Strafe nach den Gesetzen von Ohio, New-York und Indiana. Sie wird in den gewöhnlichen Strafanstalten vollzogen. »Zuerst ist Eifer in der Erzwingung des Gesetzes; aber mit der Zeit zaudert die öffentliche Meinung, oder sie kehrt um, und es besteht die Neigung, das Gesetz mehr oder weniger zu einem toten Buchstaben in der Gesetzsammlung zu machen1)«. Beschränkt man sich hiernach auch in Amerika vorzugsweise auf die generalprävenierende Wirkung, die der absolut unbestimmten gesetzlichen Strafdrohung innewohnt, so verfolgt man in E n g l a n d mit der der bestimmten penal servitude im Strafvollzuge folgenden preventive detention Besserungstendenzen. Ziel der Behandlung ist, die Verwahrten fähig und willens zu machen, ' ) Briefliche Auskunft des früheren Sekretärs des Board of State Charities A r n o s W. B u t l e r - I n d i a n a p o l i s v. 1 9 . 9 . 25.
F r e u d e n t h a l , Abschn, 7 : Maßregeln der Besserung usw. §§42—50 AE.
sich nach der Entlassung einen ehrlichen Lebensunterhalt zu erwerben« (Prevention of Crime Act 1908 s. 13 1 ). Aber nach dieser spezialpräventiven Richtung hin ist die preventive detention nach den Worten des H o m e S e c r e t a r y »nicht so erfolgreich wie gehofft« 2 ). Von den 377 Verwahrten, die bis 7'im 30. Juni 1923 entlassen worden sind, waren bis zum 31. März 1924 520/0 rückfällig geworden. Das Betragen von weiteren 140/0 war nicht befriedigend. Vom Reste mit 340/0 war zwar nichts Nachteiliges bekannt; von ihnen aber waren 8°/o gestorben, und von 150/0 hatte man seit 1921 nichts mehr gehört 3 ). Das ist kein erfreuliches Ergebnis. Es bezieht sich aber nicht auf die generalprävenierende Wirkung der preventive detention. Und so empfiehlt der Minister des Innern, sie auszudehnen, — übrigens auch zum Zwecke der Unschädlichmachung auf lange Zeit. Einen durchgreifenden Unterschied zwischen dieser in CampHill progressiv vollstreckten preventive detention und dem gleichfalls progressiven Vollzug in den Jugendgefängnissen des BorstalSystems vermag ich nicht zu sehen 4 ). So besteht die Möglichkeit, daß ein alter Verbrecher, nach dreißigjähriger Tätigkeit, in der preventive detention ähnlich behandelt wird, wie einst als junger Mann etwa in Borstal, daß er mithin am Ende seiner Laufbahn sozusagen zur Kindheit zurückkehrt. Allgemein wird darüber geklagt, daß in England unter allen Umständen der Vollzug einer preventive detention dem einer Zuchthausstrafe folgen muß 5 ). Für den S c h w e i z e r E n t w u r f verlangt K e l l e r h a l s die Verwahrung Unverbesserlicher nicht in Sonderanstalten, sondern in den gewöhnlichen Gefängnissen. D e l a q u i s ist im Gegensatze zu ihm für Spezialanstalten; die Verwahrungsanstalt müsse ein »Arbeitskloster«, ein Home oder Asyl, keinenfalls aber eine Strafanstalt sein 6 ). Der t s c h e c h o - s l o v a k i s c h e E n t w u r f 7 ) bezweckt Siche') Vgl. F. E. W i n t l e in How. Journ. I, 7ff. 1 9 . ) Vgl. T i m e s v. 5 . 8. 2 5 . 3) Diese Zahlen entstammen der mir vom Verf. freundlich zur Einsicht tiberlassenen Arbeit von E d g a r M. F o l t i n - I n n s b r u c k , die chronisch erhöht Gefährlichen. 4) Man vergleiche hierzu die Schilderung des Vollzuges von Camp-Hill durch dessen D i r e k t o r in Howard Journal I, 7ff. 5) So Sir Emest W i l d , Recorder of L o n d o n ; vgl. Times v. 6. Aug. 1 9 2 5 . 4 ) D e l a q u i s - W i d m e r , Grundlagen . . der Entlassenenftlrsorge 1 9 2 5 S. 9 ff. 7) M i r i c k a Z. 4 3 , 2 8 7 . a
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i . Buch.
Verbrechen und Vergehen.
Allgemeiner Teil.
rung, zugleich aber Gewöhnung des Gefährlichen an eine seinen Fähigkeiten angemessene Arbeit. M e z g e r 1 ) will die Verwahrung des AE. 25 in der gewöhnlichen Strafanstalt vollziehen, ist aber damit auf Widerspruch gestoßen 2 ). Wie stellen wir uns, nach allen diesen rechtsvergleichenden Ausblicken, zu der Frage der künftigen Gestalt unserer Sicherungsverwahrung? Für sie entscheidend muß ihr Zweck sein. Ist es bloß oder überwiegend Sicherung der Gesellschaft, so bedarf es keiner Progression in ihrem Vollzuge. Steht dagegen Besserung als ihr Ziel in erster Linie, so ist progressive Ausgestaltung unentbehrlich. Man wird meines Dafürhaltens auf den Besserungszweck nicht verzichten dürfen. Da aber nach künftigem Strafvollzugsrecht auch die lange Freiheitsstrafe im Progressivsysteme vollstreckt -werden wird, so scheint es mir erwägenswert, ob nicht die Sicherungsverwahrung zunächst jedenfalls in baulich getrennten Abteilungen normaler Strafanstalten sollte vollzogen werden können. Dabei ist grundsätzliche Einspurigkeit im Vollzuge vorausgesetzt. Allzu große Hoffnungen auf die b e s s e r n d e Kraft dieses Vollzuges scheinen, nach den Erfahrungen des Auslandes, nicht begründet zu sein. Der Schwerpunkt der Sicherungsverwahrung aber liegt nach der Seite der Generalprävention. Auch das lehrt mit aller Deutlichkeit die Rechtsvergleichung. In dieser Beziehung sind die Ergebnisse der Erfahrung anderer Staaten nach ihrem eigenen Urteile durchaus befriedigend.
Die §§ 5 1 — 6 2
AE.
Von
Professor Dr. M. Grünhut, Jena.
Die in den §§ 51—62 zusammengefaßten »kleinen« sichernden Maßregeln sind in ihrem Wesen und in ihrer Bedeutung für eine kritische Beurteilung des Entwurfs untereinander verschieden. ') M e z g e r in Aschaff. Monatsschr. 14, 173, 175. So von R i t t l e r auf d. IKV. Innsbruck.
2)
Grünhut,
A b s c h n . 7 : Maßregeln der Besserung usw.
§§ 5 1 — 6 2 AE.
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L Schutzaufsicht (§51). Die Schutzaufsicht wird in der Anwendung des künftigen Strafrechts eine hervorragende Rolle spielen, aber ihre Bedeutung kommt weniger in ihrer dogmatischen Ausgestaltung als Rechtsinstitut als in dem zum Ausdruck, was in Wirklichkeit geleistet wird. Hat doch die Rechtsordnung selbst die Schutzaufsicht dem nachgebildet, was in der praktischen Fürsorgearbeit entstanden war. Zur Verstärkung ihrer Wirkungen ist eine enge Verbindung mit bedingtem Straferlaß notwendig (darüber oben). Auch in den Fällen § 43 Abs. 2, § 44 Abs. 2 ist eine Verbindung von Schutzaufsicht mit bedingter Anordnung der Unterbringung der bloßen Schutzaufsicht vorzuziehen. Die Organisation der Schutzaufsicht hat AE. 25 dem Prozeßrecht überlassen. Dabei ist vor einer »Gewaltenteilung« zu warnen, welche die Bestellung oder Beaufsichtigung des Fürsorgers dem Strafrichter entzieht und vormundschaftsrichterlichenBehördenüberträgt(G£. 11 §6oAbs.2 S.2). Es kommt gerade darauf an, daß die Strafrechtspflege von den aufbauenden Elementen der Fürsorgearbeit nicht isoliert wird. Darum ist — nach dem Vorgang des JGG. — eine Hereinnahme der Gerichtshilfe für Erwachsene in die prozessualen Bestimmungen über Schutzaufsicht notwendig 1 ). Ins materielle Recht gehört eine inhaltliche Bestimmung der Schutzaufsicht, eine gesetzliche Begrenzung der mit ihr verbundenen Freiheitsbeschränkungen. § 51 bestimmt lediglich den Z w e c k der Schutzaufsicht: Bewahrung vor der Gefahr erneuter Kriminalität und Erleichterung des wirtschaftlichen Fortkommens. Das ist zwar methodisch anfechtbar, aber es lassen sich die in der Schutzaufsicht zusammengefaßten Rechtsfolgen kaum juristisch fixieren. Die vermögensrechtliche Sorge für den Arbeitsverdienst kommt dem Erwachsenen gegenüber nicht in Frage. Die Verfügung über die dem Strafentlassenen zufallende Arbeitsbelohnung spielt praktisch eine zu ungleiche und geringe Rolle, um von hieraus die Schutzaufsicht gesetzlich zu normieren. »Schutz und Überwachung« besagen nichts anderes als das Wort Schutzaufsicht selbst. Überhaupt paßt das Vorbild § 58 J W G . nicht unmittelbar, weil dem Minderjährigen gegenüber die Schutzaufsicht ähnlich wie die Beistandschaft § 1689 BGB. neben ein bereits bestehendes Gewaltverhältnis tritt. Darum ist die Kennzeichnung der Schutzaufsicht durch ihre Zweckbestimmung in AE. § 51 zu rechtfertigen, zumal sie in der hier befürworteten Verbin' ) V g l . Pr. A U g . V e r f g . v. 19. O k t . 20 § l u n g v. 23. V I I . 20 §
10.
17,
OeGes.
üb.
bed.
Verurtei-
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i. Buch. Verbrechen und Vergehen. Allgemeiner Teil.
dung mit bedingtem Straf- oder Unterbringungserlaß stets ein Minus gegenüber der an sich angeordneten Freiheitsentziehung ist. Eine Schutzaufsicht über die erst mit dem Endpunkt der urteilsmäßigen Strafzeit Entlassenen (GE. 11 § 60 Abs. 1) kennt AE. 25 nicht. Gerade hier wäre sie, soweit sie nicht freiwillig erbetene Hilfe ist, ohne das Damoklesschwert des Strafrestes unwirksam. Auch hier zeigt es sich, daß AE. 25 auf halbem Wege stehen bleibt, wenn er sich nicht zur Verlängerungsmöglichkeit der Strafzeit oder Verurteilung auf nur relativ bestimmte Zeit in weiterem Umfang entschließt, als es bei den sichernden Maßnahmen geschehen ist. II. Reichsverweisung (§ 53). Die Reichsverweisung gegen Ausländer ist in § 53 von der wenig zweckmäßigen Verbindung mit dem Aufenthaltsverbot, E 19 § 104, gelöst 1 ). Zu erwägen bleibt der Vorschlag R i t t l e r s 2 ) , durch besondere Bestimmung zu verhindern, daß die Reichsverweisung zum Ersatz rechtlich unzulässiger Auslieferungen mißbraucht wird, falls man nicht diese Frage einem künftigen Auslieferungsgesetz vorbehält. III. Einziehung (§§ 60—62). Die Einziehung der instrumenta und producta sceleris erklärt sich aus dem doppelten Zweck der R e c h t s v e r w i r k u n g durch die Straftat und der S i c h e r u n g gegen die durch Sachen drohenden Gefahren. AE. 25 behandelt die Einziehung als »sichernde Maßnahme gegen gefährliche Sachen«. Infolgedessen ist sie ohne Rücksicht auf die Person des Eigentümers zulässig. Der Rechtsverwirkungsgedanke klingt insofern nach, als Einziehung dem Täter gegenüber stets, dem unbeteiligten Eigentümer gegenüber nur in den vom Gesetz ausdrücklich bezeichneten Fällen zulässig ist. Der Sicherungszweck käme für den erkennenden Richter noch deutlicher zum Ausdruck, wenn der Konditionalsatz § 60 Abs. 1 S. 2 a. E. die weitere Bedingung enthielte: »und sie nicht ohne Gefahr für die Rechtssicherheit im Verkehr gelassen werden können«. Ähnliche Formulierungen sind vorgeschlagen von Golds c h m i d t 1 ) , GE. 11 § 80 Abs. 2, Schwz. E. 18 § 55, OeGE. 21 § 94. Mit dieser Voraussetzung ist die Kann-Vorschrift in eine *) So bereits A s c h r o t t a. a. O. S. 169f. ») R i t t l e r bei Gleispach a. a. O. S. i n . 3) VDA. 4, 453-
G r ü n h u t , Abschn. 7: M a ß r e g e l n d e r Besserung usw.
§§ 51—62 AE.
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obligatorisahe zu verwandeln. § 61 ersetzt die Unbrauchbarmachung von Schriften gem. § 41 StGB, durch bloße Einziehung 1 ). Ob das in der Ausführung »einfacher« ist, wie Denkschr. 19 S. 80 meint, ist bei der Raumnot vieler Behörden zweifelhaft. Fraglich ist auch, ob durch Verwaltungsverordnung eine nach Kurzer Frist vorzunehmende Vernichtung eingezogener Schriften bestimmt werden kann, oder ob die vorgeschlagene Rechtsänderung dem Betroffenen ein subjektives Recht auf bloße Einziehung einräumt. Andererseits wird es durch die neue Regelung offiziell ermöglicht, Exemplare eingezogener Schriften den staatlichen Bibliotheken zur Sekretierung zu überweisen, ein zwar außerstrafrechtlicher, aber z. B. im Hinblick auf durch den Inhalt von Druckschriften begründete politische Delikte für die künftige Geschichtsschreibung wichtiger Gesichtspunkt 2 ). Im Gegensatz zu OePreßges. § 41 kennt das deutsche Preßrecht keine Einziehung im Fall der Presse-Ordnungswidrigkeit; hier ist Beschlagnahme, DtschPreßges. § 23 Abs. 1, aber keine Einziehung möglich. Im Gegensatz zu G o l d s c h m i d t 3 ) ist diese auch nach AE. 25 für das deutsche Recht bestehende »seltsame Inkongruenz« gerechtfertigt: die Beschlagnahme dient hier lediglich der Strafverfolgung, nicht auch der Sicherstellung künftiger Strafvollstreckung, ebenso wie StPO. § 94 die Fälle des StGB. § 40 bewußt überschneidet. Die Auffassung über das Wesen der Einziehung ist entscheidend für die Voraussetzungen des Konfiskationsprozesses des § 62. AE. 25 betont in erster Linie den Sicherungszweck der Einziehung, er knüpft um dieses Zweckes willen in § 43 Rechtsfolgen an Handlungen, denen es am subjektiven Tatbestand fehlt. Daher muß für die Einziehung das Vorliegen des objektiven Tatbestands einer strafbaren Handlung genügen. Da AE. 25 die sichernden Maßnahmen von den Verjährungsvorschriften ausnimmt 4 ), können auch diejenigen Rechtsgründe, »welche nicht nur der Verfolgung und Verurteilung einer bestimmten Person entgegenstehen, sondern auch dem Strafverfahren überhaupt«5), den Konfiskationsprozeß nicht ausschließen. Er kann somit in allen Fällen durchgeführt werden, in denen der Verfolgung und Verurteilung des Täters tatsächliche oder ') Hiergegen G e r l a n d , Krit. Bemerkungen zum Allg. Tl. E 19, S. 78. ) Über diese Frage nach geltendem Recht L a b e s , Zentralbl. f. Bibliothekswesen X L , 142 fr. i
recht.
3) VDA. 4, 445. G o l d s c h m i d t verweist die ganze Regelung ins PreßIhm folgt A s c h r o t t , a. a. O. 171. 4) Begr. 25 S. 38. 5) F r a n k , 16. Aufl. II» zu § 42.
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i . Buch. Verbrechen und Vergehen. Allgemeiner Teil.
rechtliche Hindernisse entgegenstehen. Dieser Gedanke käme klarer zum Ausdruck, wenn der Konditionalsatz § 62 a. E . lautete: wenn in den Fällen der § 60 und 61 der objektive Tatbestand einer strafbaren Handlung erstrebt oder begangen ist. IV. Wirtshausverbot (§ 52). Maßregeln von problematischem Wert sind Wirtshausverbot und Urteilsbekanntmachung. Das Wirtshausverbot entstammt dem Schweizer Kantonsrecht, ist als Ehrenstrafe entstanden und wirkt heute noch vielfach so (Bekanntmachung der Namen, ipso iure Verbindung mit Stimmrechtsentzug). Seine Verhängung steht nach einer Statistik im Kanton Bern »in keinem annähernden Verhältnis zur Zahl der Trunkenheitsdelikte« 1 ). In der zweitenExpertenkommission hat sich g e r a d e L a n g , der durch seine Arbeiten über Alkoholkriminalität bekannt ist 2 ), für Streichung dieser Maßregel eingesetzt. Alkoholentziehung könne wirksamer durch persönliche Anweisung zur Enthaltsamkeit als besondere Verpflichtung beim bedingten Straferlaß gefördert werden 3 ). In der deutschen Strafrechtskommission wurde selbst von den Anhängern des Wirtshausverbotes erklärt, große Erwartungen dürfe man schwerlich darauf setzen 4 ). Das Gesetz sollte aber nicht auf dem neuen Gebiet der sichernden Maßnahmen Vorschriften einführen, bei denen es von vornherein nur mit geringen, ungleichen und unkontrollierbaren Wirkungen rechnet. Die Verantwortung für die Probleme der Alkoholkriminalität wird durch Einführung solcher Palliativmittel abgeschwächt, die Autorität der Rechtsordnung durch nur vereinzelte, strenge Bestrafung der häufigen Verletzung des § 3 3 6 gefährdet. Das Wirtshausverbot ist daher zu streichen 5 ). Wo es zweckmäßig erscheint, kann die Verpflichtung, bestimmte Lokale zu meiden, enthaltsam und sparsam zu leben usw. nach § 39 auferlegt werden. Hier sorgen Schutzaufsicht und die drohende Strafvollstreckung für wirksame Durchführung. ») B e n d i n e r , Wirtshausverbot. Zürich 1917. S. 40. 2 ) A s c h a f f e n b u r g , Verbrechen u. seine Bekämpfung 3. Aufl. S. 83. 3) Schweiz. StGB., Prot. d. II. Expertenkommission I, 330. 4) Prot. Strafrechtskomm. I. Lesung Allg. Tl. 23, 3. 5) Gegner des Wirtshausverbotes sind u. a.: A s c h r o t t a. a. O. 149f. L o b e , Mitt. IKV. 22, II S. 41, R i t t l e r bei Gleispach a . a . O . 109, G e r l a n d , Der Entw. 25, 79, v. L i l i e n t h a l , Asch. 16, 122 f., A s c h ä f f e n b u r g , IKV. i. Innsbruck.
G r ü n h u t , Abschn. 7 : Maßregeln der Besserung etc. §§ 51—62 AE.
1
V . Urteilsbekanntmachung ( § 59).
Auch die Urteilsbekanntmachung ist als allgemeine Präventivmaßregel bedenklich, abgesehen davon, daß in § 59 Abs. 2 die Publikationsbefugnis zur Genugtuung rein pönalen Charakter trägt. Wie alle Maßnahmen, welche einen Vollzug durch die Allgemeinheit erstreben, ist sie in ihren Folgen unberechenbar und willkürlich, gerade wenn sie nach richterlichem Ermessen nur gelegentlich verhängt wird. Eine Strafjustiz, die sich ihrer bedient, wird nicht Ansätze einer Lynchjustiz paralysieren, sondern Hemmungen gegen sie beseitigen. In dem Beispiel Begr. 25 S. 46 werden die Käufer sich kaum damit begnügen, »auf ihrer Hut zu sein und sich vom Gewicht der gekauften Ware oder von ihrer einwandfreien Beschaffenheit zu überzeugen, bevor sie den Preis bezahlen«. Dem Genugtuungsbedürfnis des Verletzten genügt §291 im Sicherungsinteresse besteht kein Bedürfnis, über das geltende Recht und allenfalls E. 19 hinauszugehen. § 59 ist daher i. S. v. E. 19 §82 auf die vom Gesetz vorgesehenen Fälle zu beschränken falls er nicht durch entsprechende Regelung im besonderen Teil überflüssig wird. VI. Rechtsverwirkungen ( § § 54—58).
Zu einer grundsätzlichen Erörterung nötigen die Bestimmungen über die Rechtsverwirkungen der §§ 54—58. AE. 25 ererstrebt mit dieser Regelung die »Beseitigung aller E h r e n s t r a fen« 2 ). In der Tat ist für entehrende Strafen und, die eigentliche Strafdauer überdauernde, infamierende Straffolgen in einem künftigen Strafrecht kein Raum. Zwar kann auch das geltende StGB, nicht die »innere Ehre«, nur »bürgerliche« Ehrenrechte entziehen, aber ihre ausdrücklich wegen ehrlosen Handelns ausgesprochene Aberkennung wirkt als Brandmarkung. Diese mag vielen Bestraften gleichgültig sein, aber sie ist gerade für denjenigen ein schweres inneres Hemmnis, der Kraft und Willen hat, sich herauszuarbeiten. Damit steht sie in unlösbarem Widerspruch zu den Zielen den Strafvollzugs, die Gefangenen »sittlich so zu festigen, daß sie nicht wieder rückfällig werden«. Eine gesetzliche Sanktionierung entehrender Strafen verführt zu degradierender Behandlung der Gefangenen, während im Strafvollzug »ihr Ehrgefühl zu schonen und zu stärken ist« (Grunds, f. Vollzug der Freiheitsstrafen v. 7. 6. 23 § 48f.). So sind die Ehrenstrafen g e f ä h r l i c h ') Gerland, a. a. O. S. 82. >) Begr. 25 S. 42. R e f o r m des S t r a f g e s e t z b u c h s .
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i. Buch.
Verbrechen und Vergehen.
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für die Ziele der Spezialprävention, aber auch für die Generalprävention zwecklos. Der wünschenswerten Konkordanz strafrechtlicher Beurteilung mit ethischen Werturteilen sind enge Grenzen gesetzt. Die Gerechtigkeit im Strafmaß kann niemals dem Einzelfall die adäquate Sühne bestimmen, sondern nur aus dem Vergleich vieler ähnlicher Fälle und der gewohnheitsmäßigen Bildung abgerundeter Strafgrößen erkannt werden. Darum erscheint es aussichtslos, die qualitative Ausgestaltung der Strafe von der sittlichen Beurteilung der einzelnen Tat abhängig zu machen, zumal die Wirkung der Ehrenstrafen unkontrollierbarer, von mehr Zufällen abhängig ist als die zeitliche Abstufung der Freiheitsstrafe. Zudem ist die entehrende Ahndung ehrloser Handlungen keineswegs eine sittliche Forderung. Die Strafe darf nicht die Eigenart des Schlechten, das sie bekämpft, sondern muß das Vorbild des Guten, das sie fordert, zum Ausdruck bringen. Der Vorwurf »positiver« Rechtswidrigkeit gewinnt an sittlichem Pathos, jemehr die Einrichtungen der staatlichen Strafrechtspflege vor dem Urteil der Sittlichkeit standhalten. So wird das Strafrecht durch Ausmerzung der Ehrenstrafen an inneren Kräften gewinnen. AE. 25 hat dieses Ziel freilich keineswegs erreicht. § 54ff. sehen die Möglichkeit vor, den Verurteilten aus Sicherungsgründen von der Ausübung öffentlicher Ämter, von der Mitwirkung bei öffentlichen Wahlen und Abstimmungen auszuschließen. Amtsunfähigkeit ist ipso iure mit der Verurteilung zum Tode und zu Zuchthaus verknüpft (§ 54 Abs. 1). Damit ist Zuchthaus nicht anders wie im geltenden Recht zu einer an sich entehrenden Strafe gestempelt und der oben gekennzeichnete verhängnisvolle Gegensatz erneut in unser Strafensystem hineingetragen. Auch mit dem Bedürfnis nach der vom Volksbewußtsein geforderten Differenzierung der Strafarten (Oetker 1 ) lassen sich derartige ipso iure eintretenden Folgen der Zuchthausstrafe nicht rechtfertigen. Die Entwicklung geht nicht auf Differenzierung, sondern auf Konzentrierung auf wenige, wirksame Strafmittel, welche geeignete Rahmen für eine Individualisierung im Vollzug bieten. Die automatische Verbindung der Zuchthausstrafe mit Rechtsverwirkungen ist nach dem Vorbild der Regierungsvorlage 1922 zu streichen2). Aber auch wenn man die Rechtsverwirkungen auf die Fälle fakultativer Androhung beschränkt, bleiben sie nicht anders ') J w * 53» 255- Gegen dieses »Volksvorurteil« schon H. S e u f f e r t , Ein neues StGB, für Deutschland, 1902, S. 62. ») R a d b r u c h , Z. 45, 418.
G r ü n h u t , Abschn. 7 : Maßregeln der Besserung etc. §§ 5 1 — 6 2 AE.
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a l s i m g e l t e n d e n R e c h t e c h t e E h r e n s t r a f e n , denn sie werden vom Strafrichter wegen des durch die Straftat verwirkten Vertrauens ausgesprochen 1 ). Verlangt der Sicherungszweck die Beibehaltung der Ehrenstrafen? Es liegt nahe, diese Frage zu bejahen 2 ). Gleichwohl spricht zweierlei dagegen. Die eigentlich kriminalpolitische Bedeutung der Ehrenstrafen ist gering. Die Integrität der Beamtenschaft wird vom Disziplinarrecht gewährleistet, Mandatsverlust ist wie jedes Einschreiten gegen Abgeordnete durch a 37 R V . beschränkt, die Ausübung des Wahlrechts in jedem Fall diurch Freiheitsstrafe »behindert« 3 ). Zudem dient der Entzug des Wahlrechts weniger der Verhütung der Kriminalität, als dem außerstrafrechtlichen Zweck der »Fernhaltung gewisser Elemente von der Wahlurne« 4 ). Hier zeigt sich die zweite Schwierigkeit. Das künftige Strafrecht erweitert im Kampf gegen das Verbrechen das Ausmaß der gegen den einzelnen eingesetzten staatlichen Macht. Es stellt den Richter frei in der Beurteilung der k r i m i n e l l e n G e f ä h r l i c h k e i t des Täters, — um so mehr sollte es sich bescheiden in der Beurteilung der s i t t l i c h e n Q u a l i t ä t s e i n e r G e s i n n u n g . Jene kann als Erfahrungs-, diese nur als subjektives Werturteil gefällt werden. Denn nicht, ob der Verurteilte Mißtrauen erlebt, sondern ob er es verdient hat, muß der Richter nach § 54 Abs. 2 prüfen. Der Verzicht auf ein derartiges Gesinnungsstrafrecht kann das Vertrauen auf die Objektivität der Strafjustiz nur stärken, dessen der Richter im künftigen Straf recht in verstärktem Maße bedarf. Daher sind §§ 54—58 zu streichen 5 ). Die Kritik der kleinen sichernden Maßnahmen erscheint in vielen Punkten destruktiv. Aber es kommt in dieser ganzen Materie darauf an, der Strafrechtspflege entscheidende Mittel gegen die gefährliche Kriminalität zur Verfügung zu stellen. Die neuen Maßregeln werden sich dem Rechtsleben und dem Rechtsbewußt sein in dem Maße einfügen, als sie zu diesem Ziele tauglich sind. Das Bedürfnis systematischer Vollständigkeit der Rechtsfolgen kann die Aufnahme von Bestimmungen nicht rechtfertigen, die nur gelegentliche Anwendung und zweifelhafte Erfolge vermuten lassen. ») K a h l , DJZ. 28, 511 und andere. ») So Vorschläge zum EntwStGB. v. d. Münchener Jurist.
Studiengesell-
schaft 1922, S. 58 f. 3) RWahlges. § 20 Abs. 3. 4) G o l d s c h m i d t , V D A . 4, 419. 5) Nähere Begründung und ausführliche Literaturangaben Z. 46, 260—278. 12*
Abschnitt 8: Zusammentreffen mehrerer Gesetzesverletzungen. Von
Privatdozent Dr. A. Wegner, Hamburg.
Der Entwurf will 1 ) Idealkonkurrenz und Realkonkurrenz gleich behandeln, weil »die oft schwierige und zweifelhafte Abgrenzung der beiden Konkurrenzformen von e i n a n d e r . . . . meist in keinem Verhältnis zu dem praktischen Werte der Unterscheidung« steht 2 ). Bricht sich damit lediglich die Meinung Bahn, der am drastischsten wohlKantorowicz bereits 1911 s ) Ausdruck g a b : »Infolgedessen wird dem Gesetzgeber kaum etwas anderes übrig bleiben, als unter Vermeidung aller, hier undurchführbarer Kasuistik die ganze Meute der Streitfragen in dem Sumpfe des richterlichen Ermessens zu ersäufen«? Wenn kein anderer, innerer Grund da wäre, müßte sich der 8. Abschnitt des Entwurfs den Vorwurf gefallen lassen, daß er rein aus Bequemlichkeit, bloß um dem Richter formalistischen Kram und Rechenarbeit zu ersparen, zwei Arten von Fällen gleich behandeln wolle, die logisch zweifellos zu unterscheiden sind 4 ). Man dürfe fragen, ob solcher Vorwurf hier wirklich so schwer wiegt. Aber es soll bewiesen werden, daß er überhaupt unberechtigt ist; denn es ist ein innerer Grund für die vorgeschlagene Gleichbehandlung vorhanden, ein Grund, der allen Neuerungen in der Strafzumessung gemeinsam ist. . *) Im Gegensatz zu den früheren Entwürfen; in Übereinstimmung mit Norwegen, Schweiz (vgl. Entwurf 1918 Art. 65), Österreich (Merkel V D A . V S. 355, 330f. und Osterr. Gegenentwurf 1922 § 31). *) Begründung S. 48. 3) Aschaffenburgs Monatsschrift V I I 326/7. 4) Die ungemeine praktische Schwierigkeit der Unterscheidung tut die eben erschienene,
eingehende
Studie
Reichsgerichtsentscheidungen
von
dar:
Honig Studien
Handlungseinheit, 1925, vgl. etwa S. 33 f.
an einer stattlichen zur juristischen
und
Reihe
von
natürlichen
W e g n e r , Abschn. 8: Zusammentreffen mehrerer Gesetzesverletzungen.
x8l
Objektiv zwar sind die Fälle der Idealkonkurrenz und Realkonkurrenz gänzlich verschieden: es ist eine reine Zufälligkeit, wenn die eine Tat eines Verbrechers sich juristisch unter dem Gesichtspunkt verschiedener Gesetzesbestimmungen betrachten läßt — dazu kann der Verbrecher nichts, sondern nur der Gesetzgeber, der im Besonderen Teil keine den Fall ganz erschöpfende lex specialis vorsah. Dagegen hat bei der Realkonkurrenz der Delinquent wirklich mehrere, vielleicht viele und vielfach verschiedene Taten begangen, aus denen das zufällige Zusammentreffen in einer Gerichtsverhandlung ebensowenig eine Tat machen kann wie die Konkurrenz verschiedener rechtlicher Gesichtspunkte, die Idealkonkurrenz, aus einer Tat mehrere zu machen vermag. Und so erscheint denn der Standpunkt des geltenden Rechtes, nach dem bei der Idealkonkurrenz für die eine Tat nur eine Strafe, bei der Realkonkurrenz für die mehreren Taten mehrere Strafen festzusetzen sind, juristisch-logisch gerechtfertigt. (Praktisch aber werden doch wieder die mehreren Strafen zu einer Gesamtstrafe zusammengezogen I). So scheint es, wenn man unter strafrechtlicher Arbeit die juristische Behandlung von »Fällen« versteht. Der Entwurf aber sieht in der Bestrafung die zweckmäßige Behandlung von Menschen. Und darum auch behandelt er Ideal- und Realkonkurrenz gleich. Die »Fälle« sind nur formale Voraussetzungen der richterlichen Arbeit, die mehreren anwendbaren Gesetzesbestimmungen geben nur den äußeren Rechtstitel für das staatliche Einschreiten und einen u n g e f ä h r e n äußeren Rahmen für die zu ergreifenden Maßnahmen. Nicht auf ihre Einheit oder Vielheit wird abgestellt, sondern auf die Einheit des verbrecherischen Subjekts 1 ). Prägt sich dessen besondere Schuld und Gefährlichkeit trotz der bloß einen Tat in deren Besonderheit aus, daß sie ein Verbrechen gegen mehrere Rechtsgüter ist, so kann die Tateinheit strenger behandelt werden als bisher 2 ): die strengste der konkurrierenden Strafdrohungen darf um die Hälfte ihres Höchstmaßes überschritten werden. Sind die mehreren Taten trotz juristischer Verschieden*) Vgl. die feine Bemerkung von W a c h , V D A . V I S. 82 IV unten. ä)
Gegen die Möglichkeit strengerer Behandlung der Idealkonkurenz, die mit
der Gleichbehandlung von Real- und Idealkonkurrenz notwendigerweise verbunden ist, da man die Realkonkurrenz nicht gut so milde wie etwa nach § 73 bestrafen kann, wandte sich
1910 (gegen Norwegisches S t G B , und Schweizer Entwurf)
v. L i s z t : »Weil eine Handlung von jedem theoretischen Standpunkt aus leichter ins Gewicht fällt als mehrere« ZStW. 30, S. 277.
l82
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Verbrechen und Vergehen.
Allgemeiner Teil.
heit psychologisch insofern gleichartig, als sie alle Ausdruck der gleichen Charakterschwäche des Täters sind, desselben Grades von Verwahrlosung und Gefährlichkeit, so braucht die Zufälligkeit, daß man ihn jetzt erst gegriffen hat, nicht weiter ins Gewicht zu fallen und er kann so behandelt werden, wie wenn man ihn gleich nach der ersten Tat bekommen hätte: also Milderung des bisherigen Rechtes, Fortfall der obligatorischen Strafschärfung bei Realkonkurrenz. Legt man dem Entwurf diese Begründung für seine Stellungnahme zur Konkurrenzfrage unter, so ruft man damit allerdings) sämtliche Vergeltungstheoretiker als Gegner auf den Plan. Darum sei betont, daß die amtliche Begründung eine andere ist. Sie arbeitet lediglich mit praktischen Erwägungen. Um zu sehen, ob sie haltbar ist, müssen wir die Einwände prüfen, die gegen den Satz vorgebracht werden, daß die Unterscheidung von Idealkonkurrenz und Realkonkurrenz entbehrlich sei. i. v. H i p p e l 1 ) macht für die Unentbehrlichkeit der Unterscheidung geltend: das Zusammenwerfen würde einen Rückschritt »in der Erfassung der Eigenart der Tatbestände bedeuten und zugleich zur Aufstellung eines einheitlichen Strafrahmens zwingen, der entweder für die Realkonkurrem zu eng oder für die Idealkonkurrenz übertrieben weit wäre, daher die Gerechtigkeit der Strafzumessung gefährden würde. D i e e r s t r e b t e d u r c h g r e i f e n d e E n t l a s t u n g der G e r i c h t e v o n a n g e b l i c h u n n ö t i g e r d o g m a t i s c h e r A r b e i t a b e r w ü r d e nur s e h r u n v o l l k o m m e n e r r e i c h t w e r d e n . Nach wie vor müßten, auch bei Idealkonkurrenz, alle verletzten Gesetze ermittelt und angegeben werden; denn jedes verletzte Gesetz wäre bei der Strafzumessung zu berücksichtigen, seine Übergehung daher Revisionsgrund. Es würde sich ferner bei Nichterwähnung irgendeines verletzten Gesetzes auch für die Zukunft die Frage erheben: liegt res judicata vor oder ist neue Klage möglich? Würde letztere stets gestattet, so kämen wir zu einer höchst unerfreulichen Ausdehnung der Anfechtbarkeit von Urteilen. Andernfalls aber würden wir notwendig auf die heutige richtige Unterscheidung zurückgeführt: Bei Idealkonkurrenz res judicata, bei Realkonkurrenz die Möglichkeit neuer Klage. Die Notwendigkeit der Scheidung beider Fälle bliebe also bestehen.« Wenn man nun auch dies v. H i p p e l zugeben muß 8 ), so würde >) ZStW. 42, S. 541. ') H o n i g s
Vorschlag (a. a. O. S. 9,
12; vgl. C o e n d e r s ,
S. 309 Anm. 1 u. D. Str. Z. 1914 S. 345), weitergehend
Grundbegriffe
als der Entwurf, daß
das Gesetz nicht nur in der Straffrage Ideal- und Realkonkurrenz gleichstellen,
W e g n e r , Abschn. 8: Zusammentreffen mehrerer Gesetzesverletzungen.
183
doch erspart die zwecklose Rechnerei, die sich nach geltendem Recht aus der Notwendigkeit ergibt, bei Realkonkurrenz für jede Einzeltat eine besondere Strafe festzusetzen und dann die Teilstrafen in einer mysteriösen Art auf die Gesamtstrafe zurückzuführen. 2. Gegenüber den weiten Strafrahmen und der Möglichkeit, auch dessen Höchstmaß noch um die Hälfte zu überschreiten, scheint mir die Befürchtung unbegründet, daß der Entwurf nicht streng genug sei für den Fall realen Konkurrierens sehr vieler Delikte. Das einzige Bedenken könnte sein, ob nicht im § 64 Abs. 2 die Idealkonkurrenz ungebührlich schwer bedroht werde. Bisher gab es ja bei ihr keine Strafschärfung! Aber es ist zu beachten, daß die Höchststrafe nicht überschritten werden m u ß , sondern nur kann. Nur selten dürfte der Richter bei bloß e i n e r Tat über den Rahmen des strengsten anwendbaren Gesetzes hinausgehen wollen 1 ). 3. Als ein Hauptbedenken gegen die einheitliche Behandlung von Ideal- und Realkonkurrenz wird ein prozessualer Gesichtspunkt angeführt! A wird wegen zwei real konkurriender Delikte, etwa Diebstahl und Urkundenfälschung, verurteilt. Gegen die Verurteilung wegen Diebstahls legt er mit Erfolg Berufung ein. Nach geltendem Recht ist die Weiterbehandlung der Sache jetzt recht einfach: wenn wegen des Diebstahls auf 3 Monate, der Urkundenfälschung wegen auf 6 Monate Gefängnis erkannt war, bleiben von dem aufgehobenen Urteil übrig die 6 Monate für die Urkundenfälschung. Der Entwurf aber will ja dem Richter der 1. Instanz die Rechenarbeit ersparen, will n i c h t , daß er die Taten e i n z e l n bestraft und dann erst auf eine Gesamtstrafe zurückführt, sondern gleich von vornherein auf eine Strafe erkannt wissen. Das würde nun für unsern Fall der teilweisen Aufhebung des ersten Urteils in der Berufungsinstanz recht unpraktisch, meint L o b e 2 ) . Man könne hiemach nicht so einfach wie nach geltendem Recht die neue Strafe in der Weise festsetzen, daß man die durch Freispruch beseitigte Strafe subtrahiert, sondern es müßte, sondern sich auch jeder Andeutung der sachlichen Verschiedenheit von Idealund Realkonkurrenz enthalten solle, scheint mir aus den von v. H i p p e l
ange-
führten Gründen bedenklich. J)
Ein Fortschritt sicherlich ist es, daß Nebenstrafen auch der milderen kon-
kurrierenden Gesetze angewandt werden dürfen: § 65. § 99 GE., § 39 KE. ») JW. 54 S. 884.
1913., § 32 E.
1919.
So auch schon § 90 VE.,
184
Buch-
Verbrechen und Vergehen.
Allgemeiner Teil.
»wenn eine besondere Straffestsetzung fehlt, zur Nachholung eine neue Verhandlung stattfinden.« Darin aber sehe ich gerade einen Vorteil der neuen Regelung. Die Strafzumessung und ihre Korrektur durch das Rechtsmittelgericht darf nie bloßes Rechenexempel sein. Es handelt sich in keinem Falle nur um Fortfall eines Summanden, sondern um die Verschiebung des ganzen Bildes, das sich die erste Instanz vom Täter gemacht hatte. Jetzt, nachdem feststeht, daß er nicht des Diebstahls, sondern nur der Urkundenfälschung schuldig ist, muß eine G e s a m t r e v i s i o n des Strafausspruches erfolgen. Die erste Gesamtstrafe war eine Gesamtbewertung der Verbrecherpersönlichkeit. Diese Gesamtbewertung hat sich nicht in einzelnen Teilen nur, sie hat sich im ganzen als falsch erwiesen. Der Rechtsmittelrichter muß hier nach freiem Ermessen den Fehler der ersten Instanz berichtigen können. (Bei mehr als zwei konkurrierenden Delikten muß ja bei Aufhebung des ersten. Urteils auch heute schon eine neue Gesamtstrafe gebildet werden.) Mir scheint, daß die vorgebrachten Einwände gegen die Gleichbehandlung von Ideal- und Realkonkurrenz nicht durchschlagen. Der Standpunkt des Entwurfs in der Konkurrenzfrage ist daher grundsät2lich zu billigen 1 ). Eine andere Frage ist, ob nicht Einzelheiten der neuen Regelung besser zu gestalten wären. Und das glaube ich — mit Gerland 2 ) für den 3. Absatz des § 64 entschieden bejahen zu müssen. Diese Bestimmung ist nicht tragbar. »Auf Einschließung kann erkannt werden, wenn die Voraussetzungen hierfür auch nur bei einer der Taten vorliegen«. Nach unserer Kulturauffassung gehört der politische Verbrecher, der nebenbei auch noch Räuber und Totschläger ist, nicht in die Ehrenhaft. Mit vollem Bedacht ist das geltende Recht so gestaltet, daß das politische Verbrechen in der Strafbemessumg nadh § 73 unter den Tisch fällt, wenn es sich um ein mit den gemeinen Mitteln des Mordes, des schweren Raubes verwirklichtes Unternehmen handelt. (Vom Mord ist allerdings nach RGSt. 58, S. 2ff. zu scheiden: der mit Hochverrat erfahrungsgemäß verbundene Straßenkampf.) § 64 Abs. 3 wäre also zu streichen 3 ). Von G e r l a n d wie von Honig wird eine gesetzliche Bestimmung über das f o r t g e s e t z t e D e l i k t gefordert. Ist es nicht aber ') So W a c h , DJZ. 1925 S. 537. ) Der Entwurf 1925. Kritische Bemerkungen zum Allg. Teil. 1925. S. 82 f. 3) Vgl. a. Wach DJZ. 1925 S. 537.
a
Wegner,
Abschn. 8 : Zusammentreffen mehrerer Gesetzesverletzungen.
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so, daß die Streitfragen über diesen Begriff ihre praktische Bedeutsamkeit durch die vom Entwurf vorgeschlagene Gleichbehandlung von Ideal- und Realkonkurrenz verlieren? Bisher sträubte sich das Rechtsgefühl dagegen, den monatelang seinem Herrn Zigarren stehlenden Diener wegen hundert verschiedener real konkurrierender Diebstähle zu bestrafen. Jetzt aber soll die Notwendigkeit fortfallen, eine Strafe für jede einzelne Tat festzusetzen. E s wird von vornherein nur die Gesamtstrafe ins Auge gefaßt. Bei ihrer Bemessung wird natürlich die Eigenschaft der Tatenmehrheit als fortgesetzte, gleichartige Betätigung desselben Vorsatzes ins Gewicht fallen: wegen dieser Eigenschaft wird der Richter oft von der ja nur fakultativen Strafschärfung des § 64 Abs. 2 absehen. Nicht immer 1 ), sondern nur in geeigneten Fällen: denn die Behandlung des fortgesetzten Delikts ist bisher häufig genug zu imilde ausgefallen, bloß weil die Unterordnung unter § 74 StGB, zu streng gewesen wäre. Auch liier zeigt sich der Vorzug des Entwurfs: seine Elastizität und Einfachheit. ' ) Das will auch H o n i g nicht, dessen Vorschlag ( S . 142) mir darum Entbehrliches zu fordern scheint.
etwa
Abschnitt 9; Strafbemessung. Von
Professor Dr. Graf W. Gleispach, Wien.
I. Einleitung. i. Vorerst die Abgrenzung des Gegenstandes. Es sind hier nicht zu erörtern a) Strafensystem und Höchstmaße sowie Mindestmaße der Strafarten; b) Die Anwendung der Maßregeln der Besserung und Sicherung; c) Das Zusammentreffen von Strafgesetzen oder strafbaren Handlungen, obwohl es sich dabei überwiegend um ein Problem der Bestimmung der Strafe handelt und obwohl die Vorschriften des E. (§ 63—66), höchstens von einem Satz abgesehen, ausschließlich solche über die Bestimmung der Strafe sind. Deshalb sei mir die kleine Grenzüberschreitung nachgesehen, wenn ich vorschlage, den 8. Abschnitt, Zusammentreffen mehrerer Gesetzesverletzungen, aufzulassen und seinen Inhalt dem folgenden Abschnitt über die Strafbemessung einzugliedern, am besten am Ende des Abschnittes, zumindest aber die Reihenfolge der beiden Abschnitte umzukehren. Wenn auch die Vorschläge des E, zu a) hier nicht kritisch zu erörtern sind, so sind sie doch von maßgebendem Einfluß auf die Vorschriften über die Strafbemessung, wie nicht minder Einrichtung und Aufbau der einzelnen Strafsätze im ganzen Besonderen Teil. Sie bilden sozusagen das Urmaterial, mit dem der Gesetzgeber arbeitet, wenn er seine Bemessungsvorschriften aufstellt, ein Material, das er in großen Zügen schon gestaltet haben muß, wenn er Vorschriften über die Bemessung geben will. Das eine und das andere stehen in engster Wechselbeziehung. Der Gesetzgeber muß sich vor allem anderen über das Maß der Freiheit oder Gebundenheit klar sein, das er schaffen will. Denn nur das kann heute noch in Frage stehen. Nicht völlige Gebundenheit, die ja von niemanden gefordert wird. Aber auch nicht keinerlei Gebundenheit, von der das Gleiche gilt, die in keinem Strafgesetz
G r a f W. G l e i s p a c h ,
Abschn. 9 : Strafbemessung.
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und keinem Entwurf der Kulturstaaten zu finden ist. Der Vorwurf »schrankenlosen richterlichen Ermessens«, der gegen unsern E. geschleudert wurde, ist nichts anderes, als eine im Kampf der Meinungen von manchen beliebte rednerische oder schriftstellerische Übertreibung im Ausdruck. Liegt nicht schon im festen Strafensystem eine ganz gewaltige Schranke der vollen Freiheit ? Dazu kommen aber noch die gesetzlichen Höchstmaße und Mindestmaße, die Strafsätze des Besonderen Teiles, die sachlichen Voraussetzungen für den Gebrauch der besonderen Bemessungsbefugnis.se des Richters. Es gibt keinen Fall im E., in dem alle diese Schranken oder auch nur ihre Mehrheit beseitigt wäre. Wohl aber gibt es einen Fall, für den die Strafe absolut bestimmt ist, die für Mord angedrohte Todesstrafe des § 221. Weil aber auch in diesem Fall die Strafmilderung der § § 7 2 und 73 Platz greifen kann, verstößt die Strafdrohung des § 221 nicht gegen den sonst maßgebenden Grundsatz oder doch nicht mehr, als es bei der Todesstrafe unvermeidlich ist. Noch eine zweite grundsätzliche Frage muß der Gesetzgeber vorweg entscheiden, ist hier kurz zu erörtern, die Frage nach den Grundlagen der Strafbestimmung. Wenn das Ausmaß der Strafe nicht schon im Zeitpunkt des Schuldurteiles bestimmt, sondern diese Bestimmung einem späteren Zeitpunkt vorbehalten wird, spricht man von unbestimmter Verurteilung oder unbestimmtem Strafurteil. Der E. lehnt die Einrichtung ab, kommt aber, wie die Begr. S. 49 sagt, ihrem Gedanken insofern entgegen, als er bei längeren Strafen den bedingten Erlaß des Strafrestes vorsieht. Die Ablehnung wird damit begründet, daß die Größe der Strafe — im Gegensatz zum Ausmaß der Sicherungsmaßregel — durch die Tat und den Charakter des Täters zur Zeit der Tat bestimmt werden soll. Sehr mit Recht beruft man sich nicht auf die Unbestimmtheit; denn die Gebundenheit der schließlich entscheidenden Instanz an das Gesetz kann bei der »unbestimmten« Verurteilung größer sein, als bei dem bisher üblichen System, ja sie könnte ohne Schaden größer sein, als sie es nach den Vorschlägen des E. ist. Was aber gegen die unbestimmte Verurteilung vorgebracht wird, spricht in Wahrheit nicht gegen sie. Man muß beachten, daß sie ja nicht in allen Fällen anwendbar ist. Der Einfluß der Tat auf das Ausmaß der Strafe kann bei der unbestimmten Verurteilung in den schon vom Gesetz festzusetzenden Grenzen der Anhaltung des. Verbrechers genau so zur Geltung kommen, wie bei der bestimmten Verurteilung. Handelt es sich aber um die Besorgnis, die nachträgliche Bestimmung des Strafausmaßes werde häufig oder allge-
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Buch.
Verbrechen und V e r g e h e n .
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mein der Schwere der Tat nicht gerecht werden oder — in anderer ungenauer Fassung — es werde die sogenannte Generalprävention leiden, dann genügt es, auf zwei Tatsachen hinzuweisen: Die Auffassung führender amerikanischer Kriminalpolitiker, es gehöre zu den Bedingungen der Entlassung eines unbestimmt Verurteilten, daß sich die öffentliche Meinung mit seinem Wiedereintritt in die Freiheit abfinden könne, und die ganz erheblich längere durchschnittliche Dauer der Freiheitsentziehung unter der Herrschaft der unbestimmten Verurteilung gegenüber dem früheren System. Wenn ferner eingewendet wird, der Charakter zur Zeit der Tat, nicht die Wirkung des Strafvollzuges habe zu entscheiden, so ist doch unverkennbar, daß der Strafvollzug neue Erkenntnisquellen für diesen Charakter erschließt und seine Wirkung auch von ihm abhängt. Machen wir nicht das Schicksal des Schuldigen beim bedingten Nachlaß der Strafe in noch viel höherem Maß vom zukünftigen Verhalten abhängig, das uns eben auch als Mittel zur Erkenntnis der Gegenwart dient ? Schließlich trifft auch die Befürchtung nicht zu, die unbestimmte Verurteilung würde dazu führen, die Unterscheidung von Strafen und Maßregeln der Besserung und Sicherung zu verwischen, eine Unterscheidung, die ich grundsätzlich billige. Man muß nur das Gebiet ihrer Anwendung richtig abgrenzen. Ich führe das alles nicht weiter aus, weil ich nicht den Vorschlag machen will, der E. möge die unbestimmte Verurteilung aufnehmen. Ich bin überzeugt, daß sie sich in nicht zu ferner Zeit durchsetzen wird, auch bei uns. Für das Vordringen und die werbende Kraft der Einrichtung war der IX. Internationale Gefängniskongreß sehr bezeichnend. Wie mußte noch auf seinem Vorgänger in Washington um die unbestimmte Verurteilung gekämpft werden! In London gab es kaum mehr einen Widerstand. Das darf uns aber nicht darüber täuschen, daß die öffentliche Meinung noch sehr wenig für die neue Einrichtung eingenommen ist, gegen die ja sehr leicht Stimmung gemacht werden kann. Ihre Aufnahme in das künftige Strafrecht könnte das ganze Werk gefährden. Überlassen wir also diese Neuerung einer etwas ferneren Zukunft. Der stufenweise Vollzug aller Besserungsstrafen, der ohne sie eine Halbheit bleibt, wird ihr die Wege ebnen. 2. Das Gebiet der zu erörternden Normen kann nunmehr positiv als die Bestimmung des konkreten Strafübels nach Art und Umfang durch den Richter im Zeitpunkt des Schuldspruches gekennzeichnet werden. Es handelt sich darum, die Tätigkeit zu regeln, die das Gericht zu entfalten hat, um vom (Grund-) Straf-
G r a f W. G l e i s p a c h , Abschn. 9 : Strafbemessung.
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satz zur eindeutig bestimmten Strafgröße zu gelangen. Sie kann sich in der eigentlichen S t r a f b e m e s s u n g erschöpfen, in der Bestimmung der Strafe innerhalb des allein oder für die Regelfälle aufgestellten ordentlichen Strafsatzes. Das Gesetz kann aber auch eine Zwischenstufe einschieben, indem es — allgemein oder nur bei einzelnen Delikten — ein Abgehen vom ordentlichen Strafsatz vorschreibt oder zuläßt, ohne andere Beschränkung als die durch das Strafensystem gegebene oder innerhalb engerer Grenzen: unbeschränkte oder beschränkte, allgemeine oder besondere, zwingend vorgeschriebene oder nur zugelassene S t r a f ä n d e r u n g . Jede Strafänderung schließt auch eine Bemessung im weiteren Sinn in sich, es sei denn, daß sie vom Gesetz zwingend vorge>schrieben und an einen durch ganz bestimmte Umstände gekennzeichneten Tatbestand geknüpft ist, was nur bei besonderer Strafänderung vorzukommen pflegt. An jede Strafänderung muß sich noch Bemessung im eigentlichen Sinn anschließen. Hingegen kann ein Gesetz auf Strafänderung überhaupt verzichten. Der E. verwendet sie in sehr großem Umfang, ohne sie von der eigentlichen Bemessung scharf abzuscheiden. Die Unterscheidung ist strafrechtlich und kann auch prozessual sehr bedeutsam sein. Man denke an die Grenze zwischen Wirkungsbereich der Geschwornen und des Schwurgerichtshofes, das System der ordentlichen Rechtsmittel, wenn nicht Anfechtung in vollem Umfang gewährt ist, die Abgrenzung der Voraussetzungen der Wiederaufnahme, — Gesichtspunkte, die freilich gegenwärtig für das deutsche Verfahrensrecht nur zum kleineren Teil, für das österreichische ohne Ausnahme wichtig sind. Trotzdem ist dem E. daraus kein Vorwurf zu machen, daß er die Unterscheidung nicht scharf hervortreten läßt. Man kann sie der Theorie überlassen und im Verfahrensrecht, wo nötig, noch Bestimmungen einschalten. Es hat aber den Anschein, als ob dem E. eine andere Unterscheidung vorschwebe, die er durch den Wechsel zwischen den Ausdrücken »Bemessung« und »Zumessung« der Strafe hervorheben wolle. Man beachte die Überschriften des 9. Abschnittes, des § 67 und des § 68! Ich vermag nicht festzustellen, was die Grundlage der Unterscheidung bilden soll. Die Annahme, daß »Zumessung« die eigentliche Bemessung, die Bemessung im engeren Sinn bedeute, wird durch Überschrift und Eingang des § 68 widerlegt. Wichtig ist es, zum Ausdruck zu bringen, daß die allgemeine Richtschnur für die Bemessung der Strafe, die § 67 enthält, für sämtliche die Strafe bestimmenden Entscheidungen des Gerichtes gilt, auch wenn sie außerhalb der eigentlichen Bemessung liegen, sofern nicht das Gesetz für bestimmte
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Verbrechen und Vergehen.
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Fälle besondere Gesichtspunkte aufstellt. Darum möchte ich die »Strafzumessung« lautende Überschrift des § 67 etwa durch »Allgemeiner Grundsatz« ersetzt sehen. 3. Das Maß der Freiheit, das der E. dem Gericht für die Bestimmung der Strafe einräumt, ist unbestreitbar groß. Es kann nicht anders sein, wenn man die Individualisierung möglich machen will, die eine der Grundlagen einer wirksamen Strafrechtspflege bildet. Der E. sucht das Ziel nicht durch möglichst umfassende Strafrahmen, sondern durch ein ganzes System von Strafänderungsvorschriften zu erreichen, ein Weg, der mehr als der andere Sicherheit dafür bietet, daß die Absichten des Gesetzes verwirklicht werden; auf dem ferner viel deutlicher, als auf dem anderen die Werturteile des Gesetzes, die Stufenleiter der Rechtsgüter und der Strafwürdigkeit der einzelnen Arten der Angriffe auf sie ausgedrückt werden können. Auch der Begriff des Verbrechens kann auf diese Weise einen sachlich bedeutsamen Inhalt gewinnen. Um diesen Vorzug freilich bringt sich der E. durch eine verfehlte technische Regel, wovon später zu sprechen sein wird. Das System der Strafänderungen ist in seinen Grundzügen einfach und klar aufgebaut. In seinen Hauptzügen ist es zweistufig: an den ordentlichen Strafsatz schließt nach unten hin der abgeleitete der besonderen oder allgemeinen mildernden Umstände und dann die unbeschränkte Milderung in besonders leichten Fällen; nach oben hin der geschärfte Strafsatz der besonders schweren Fälle und die sogenannte Rückfallsschärfung. Dazu kommen noch im Sinn der Milderung der Ersatz von Zuchthaus und Gefängnis durch Einschließung und der Erlaß der Ersatzstrafe für eine Geldstrafe; im Sinn der Schärfung die Anwendung der Geldstrafe als Nebenstrafe. Das System ist aber unstreitig zugunsten der Milderung durchgeführt, mit dem Ergebnis, daß der E. nach unten hin zu weit, nach oben hin nicht weit genug geht. Gegenüber dem letzten Vorwurf wird man geneigt sein, sich darauf zu berufen, daß neben den Strafen und sozusagen über sie hinaus noch die Sicherungsmaßregeln stehen. Gewiß; der erhobene Vorwurf ist aber damit nicht entkräftigt. Es sei nur beiläufig auf § 47 (Ersatz der Strafe durch Sicherungsmaßregeln) verwiesen, der hier nicht näher zu erörtern ist. Viel wichtiger ist nur der Hinweis auf den bedingten Strafnachlaß (§ 35), der zwar auch nicht in den Rahmen dieser Besprechung fällt, aber doch zur Strafbestimmung gehört und -das Übergewicht ganz bedeutend vermehrt, das wir getadelt haben.
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II. Strafmilderung. Besondere Strafmilderungsgründe im Sinne von Hilfstatbeständen kennt der E. nicht. Damit ist nicht gesagt, daß bei der Tatbestandsbildung typische milder zu behandelnde Gruppen innerhalb der durch Gleichheit des Gegenstandes, der Mittel- und der Schuldform des Angriffes umgrenzten Hauptgruppe unberücksichtigt bleiben. Wenn die typische Besonderheit in der gesellschaftlichen Wertung ausgeprägt ist, genauer: wenn der E. annimmt, daß dem so sei, dann bildet er besonders benannte Tatbestände. Er macht aber von dieser Methode keinen umfangreichen Gebrauch. Ob er sie zu oft, zu selten und immer am rechten Ort anwendet, ist hier nicht zu prüfen. 1. Die erste Stufe der Milderung ist entweder an einen der besondern, an verschiedenen Orten des Allgemeinen Teiles des E. aufgestellten Milderungsgründe oder an die Annahme »mildernder Umstände« (§ 73) geknüpft. Die ersteren seien hier nur zusammengefaßt: verminderte Zurechnungsfähigkeit (§ 17/2 und 18/2), der einzige Fall zwingend vorgeschriebener Milderung, dann Überschreitung der Notwehr (§ 21/3), Versuch (§ 23/2), Beihilfe (§ 26), Anstiftung, wenn die die Strafbarkeit der Tat begründenden besonderen Umstände beim Anstifter nicht vorliegen (§ 28). Die mildernden Umstände schlechthin sind nicht wesentlich anders gestaltet als im E. 19. Die Kasuistik der älteren E. ist mit vollem Recht aufgegeben, die Milderung bei jeder strafbaren Handlung zugelassen. Ein bedeutender Fortschritt liegt darin, daß die Voraussetzung der Milderung sachlich bestimmt wird und zwar in durchaus zutreffender Weise und in vollem Einklang mit dem allgemeinen Grundsatz des § 67. Hat so § 73 in der Hauptsache meine volle Zustimmung, so finde ich im Einzelnen das »kann« zu beanstanden, weil es sich in Wahrheit um eine zwingende Vorschrift handelt; ferner ist es überflüssig, von der »Annahme« des die Milderung begründenden Tatbestandes zu sprechen, die Worte: x.... es annimmt, daß . . . « würden besser gestrichen. Das Ausmaß der Milderung ist gegenüber dem E. 19 erweitert und vereinfacht. Wenn auch die Einfachheit ein Vorteil ist, so finde ich ihn zu teuer erkauft. Der zweite Absatz des § 72 gestattet bei Vergehen Geldstrafe statt Freiheitsstrafe zu verhängen, wenn der Strafzweck durch eine Geldstrafe erreicht werden kann. Hier empfiehlt es sich zunächst, den Absatz aufzulassen und die Vorschrift unmittelbar an das Vorausgehende anzuschließen, weil sonst, wie die Erfahrung lehrt (s. Gerland, E. 25 S. 91), freilich
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schon angesichts der Überschrift mit Unrecht, aber immerhin angenommen werden kann, es handle sich um eine von den Voraussetzungen der Strafmilderung unabhängige Befugnis. Die Bedingung, daß der Strafzweck durch eine Geldstrafe erreicht werden könne, ist wertlos und irreführend. Möge die Begr. S. 52 es auch anders deuten, der Wortlaut weist den Richter geradezu auf e i n e n Strafzweck hin, sagt also gerade das Gegenteil von dem, was der E. sagen will. D a ß die Scheingrenze der »an sich« verwirkten Freiheitsstrafe von weniger als drei Monaten (§ 27 b StG.) aufgegeben ist, bedeutet einen Fortschritt; über die »hypothetischen« oder »fiktiven« Strafbemessungen ist das Urteil wohl gesprochen. Weil aber eine wirksame Grenze nicht aufgestellt werden kann und weil ich die Befugnis, für alle Vergehen eingeräumt, angesichts des Vergehensbegriffes des E. für bedenklich weitgehend und entbehrlich halte, würde ich sie hier — in der ersten Stufe der Milderung — am liebsten gestrichen sehen. Die Vorschriften über das Vorgehen beim Zusammentreffen von Milderungsgründen sind sachlich richtig und einwandfrei abgefaßt (§ 74). 2. D i e b e s o n d e r s l e i c h t e n F ä l l e . Der E. bringt hier gegenüber seinen Vorgängern nichts wesentlich neues, was nach der Aufnahme der früheren Vorschläge wohl hat erwartet werden dürfen. Die Einrichtung einer zweiten Stufe der Milderung soll nicht angefochten werden. Aber im Ausmaß nur durch das Strafensystem und in den Voraussetzungen gar nicht beschränkt, übersteigt die Einrichtung das zulässige Maß der Ermessensfreiheit. D a s ist aber der Standpunkt des E. »Ein besonders leichter Fall liegt vor, wenn trotz Zubilligung mildernder Umstände die mildeste zulässige Strafe noch unbillig hart sein würde« — dieser Ausspruch ist ein böser Rückfall in die sonst glücklich überwundene Inhaltslosigkeit der Vorschriften unseres Hauptstückes in dem früheren E. und ein aufliegender Verstoß gegen die Logik. Um eine Bemessungsregel zu geben, wird hier nicht ein Merkmal des besonders leichten Falles angeführt, sondern seine Wirkung auf die Bemessung. Ganz verkehrt ist es auch, mit dem E. die Bemessung als eine Sache der Billigkeit aufzufassen; es wäre denn, daß sich darin die Besorgnis ausspricht, der Schuldige käme dabei zu billig weg (ein Witzwort, das man mir um dessentwillen verzeihen möge, weil ich dadurch auch meine sachliche Einstellung in aller Kürze kennzeichnen kann). Um diesen Bedenken abzuhelfen, gibt es wohl nur zwei W e g e : eine abschließende Aufzählung von Tatbeständen, die allein die Milderung zweiter Stufe erlauben, der W e g also, den die
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Schweizer E. gegangen sind, und der die Nachteile jeder Kasuistik gegen sich hat. Und den anderen Weg, den leitenden Gedanken bei der Aufstellung der Kasuistik herauszuheben und möglichst scharf zu fassen. Beachtet man dabei noch den notwendigen Anschluß an die Voraussetzungen der Milderung der ersten Stufe, so ergibt sich etwa folgender Vorschlag: »Ein besonders leichter Fall liegt vor, wenn die Tat unter dem entscheidenden Einfluß von Umständen zustande gekommen ist, die nahezu einen Strafausschließungsgrund ergeben« (vgl. auch OeGE. 22, § 107). Daß damit wesentlich mehr gesagt ist, als gegenwärtig, wird nicht zu bestreiten sein. Es genügt mir aber diese Sicherung nicht, sondern ich halte noch eine zweite für notwendig, eine wenn auch sehr lockere Bindung der Milderungsfreiheit. Nach dem E. kann ein Gericht über einen des Mordes Schuldigen drei Mark Geldstrafe verhängen. Das ist grotesk. Man wende nicht ein, das werde kein Gericht tun! Ich bin der Letzte, der glaubt, gesetzliche Vorschriften durch irgendein ausgeklügeltes Beispiel ad absurdum führen zu können. Das angeführte, höchst einfache Beispiel ist mir einesi aus einer Fülle von Belegen, die beigebracht werden könnten und schließlich dartun, daß hier ein grundsätzliches Problem unrichtig gelöst ist. Zur Stütze der Lösung wird darauf verwiesen, daß bei jedem, also auch dem schwersten Verbrechen, die Schuld auf den Nullpunkt sinken und deshalb als Strafe der leichtesten Fälle auch der schwersten Verbrechen die geringste Strafe zuzulassen sei, die das Strafensystem überhaupt kennt. Das ist aber ein Trugschluß. Wenn er richtig wäre, dann wäre damit offenbar auch die nach der Wertung der Rechtsgüter abgestufte Verschiedenheit der Strafsätze überhaupt unhaltbar geworden. Fragen unserer Art lassen sich nicht mathematisch lösen. Wenn man aber darauf verweist, die kleinste Einheit für 10, 20 oder 30 sei immer 1, so ist zu entgegnen, daß 10, 20 oder 30 um eine beliebige Zahl vermindert oder durch sie geteilt, doch immer verschiedene und nie das gleiche Ergebnis liefern. Ich schlage somit vor, bei den besonders leichten Fällen die Milderung nach freiem Ermessen schlechthin auf Vergehen zu beschränken (in Übereinstimmung mit dem früheren Vorschlag, den Ersatz der Freiheitsstrafe durch Geldstrafe im § 72 zu streichen) und bei den Verbrechen zwei tief angesetzte Mindestmaße einzuführen, etwa Gefängnis nicht unter sechs Monaten, wenn Tod oder lebenslanges Zuchthaus angedroht ist, Gefängnis schlechthin bei den übrigen Verbrechen. — Daß der E. bei dem Stand der Kritik gegenüber seinem Vorgänger das Absehen von Strafe beibehalten hat, war kaum zu erwarten. Die Begr. bringt Reform des Strafgesetzbuchs.
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nichts Neues vor. W e n n ich, wie schon früher, dafür eintrete, das höchst bedenkliche richterliche Begnadigungsrecht zu beseitigen, kann ich mich mit dem Hinweis auf die schon anderwärts reichlich geltend gemachten Gründe begnügen (Verhandlungen des 32. D. Jur. T a g e s 2 94, G e r l a n d a. a. O. 92). Nur bei Übertretungen könnte das A b s e h e n von Strafe allenfalls bestehen bleiben ( § 3 5 1 ) . 3. D i e b e s o n d e r e B e h a n d l u n g d e r » Ü b e r z e u g u n g s v e r b r e c h e r « . D e r Strafenumwandlung des § 7 1 , die zugleich offenbar eine weitgehende Strafmilderung bedeuten würde, kommt eine Sonderstellung zu, denn sie knüpft a n die W e r t u n g bestimmter Motive an. A n die Stelle von Zuchthaus und Gefängnis tritt Einschließ u n g gleicher D a u e r , wenn der ausschlaggebende B e w e g g r u n d des T ä t e r s darin bestand, d a ß er sich zu der T a t auf Grund seiner sittlichen, religiösen oder politischen Überzeugung für verpflichtet hielt. Ich will mich nicht bei dem offenbaren Pleonasmus der Fassung aufhalten, nicht die F r a g e n aufwerfen, warum die schimpflichste Strafe, die des T o d e s , den »Überzeugungsverbrecher« treffen d a r f ; warum eine in W a h r h e i t so ungemein seltene Erscheinung, wie der Überzeugungsverbrecher, zu einer so weitgehenden gesetzlichen R e g e l führen soll; selbst die besonders von L i e p m a n n ausgeführten strafpolitischen Einwände g e g e n die Einschließung sind mir nicht das Entscheidende; sondern vielmehr die Selbstverneinung, die die Rechtsordnung mit dem § 71 vollziehen würde. E x t r e m e r Relativismus und Individualethik sind keine tauglichen Grundlagen eines Strafgesetzes (S. E . W o l f , Z . 46, 203). Sie sind auch durchaus nicht die des E. D a r u m trägt der § 71 mit seiner V e r b e u g u n g v o r den zu Verbrechen »verpflichtenden« Überzeugung e n a u c h ganz unerträgliche Widersprüche in den Gedankenaufb a u des E. M a n vergleiche nur etwa § 67 und 7 6 (vorwerfbare Verbrechensursachen, verwerflicher verbrecherischer W i l l e ) . III. Strafschärfung. 1. W ä h r e n d der E. die Herabminderung der ordentlichen Strafe nur nach allgemeinen R e g e l n vor sich g e h e n läßt, scheint er die S c h ä r f u n g auf zwei W e g e n anzustreben, durch besondere strafschärfende Hilfstatbestände im zweiten T e i l und durch die Strafschärfung für b e s o n d e r s s c h w e r e F ä l l e nach § 76. Scheinbar ein »Mehr«, in W a h r h e i t ein »Weniger«. D e n n in W a h r h e i t ist auch die S c h ä r f u n g für besonders schwere Fälle keine allgemeine. Sie unterscheidet sich von den besonderen S c h ä r f u n g s g r ü n d e n des zweiten Teiles nur dadurch, d a ß der Hilfstatbestand nicht im An-
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Strafbemessung.
schluß an den Grundtatbestand jeweils besonders, sondern daß er ein für allemal, abstrakt aufgestellt ist. Aber er wirkt strafschärfend nicht ein für allemal, sondern nur bei besonders bezeichneten Delikten und auch das Ausmaß seiner Wirkung ist nicht einheitlich, sondern von Fall zu Fall bestimmt. Bei diesem Verfahren muß die Frage entstehen, nach welchen Gesichtspunkten die Delikte in die drei Gruppen eingereiht sind, die sich ergeben: 1. Delikte ohne Schärfungsmöglichkeit, 2. Delikte mit besonderen Schärfungshilfstatbeständen, 3. Delikte mit Schärfung in »besonders schweren Fällen«. Ganz vereinzelt kommt es übrigens auch vor, daß die Schärfung nach 3. auf die nach 2. sozusagen aufgesetzt wird (s. z. B. § 116/2, 297/2). Der E. wendet die Methode 2 wohl dort an, wo sozusagen die Spannweite der Strafwürdigkeit eine sehr große ist und er überdies das Auftreten ganz bestimmter schärfender Umstände für typisch hält. Der zuerst genannte Gesichtspunkt drängt auch dazu, den Grundtatbestand als Vergehen zu behandeln, die schwereren Fälle aber doch als Verbrechen, — ein Bedürfnis, das der E. vermöge der Deutung, die die Regel des § 10/3 laut der Begr. (S. 10) erfahren soll, ja nur durch die Methode 2 befriedigen kann. Die schärfenden Umstände, die wir im besonderen Teil des E. finden, sind sehr verschiedener Art, z. B. besondere Schwere des Erfolges, Verletzung einer besonderen Pflicht, gewerbsmäßige Begehung (s. die Zusammenstellung Begr. 54 1 ). Sie sind überwiegend objektiver Natur, während die Gewerbemäßigkeit ein Umstand subjektiver Natur ist. Daß man der Methode 2 nicht entraten kann, dürfte feststehen. Ob der E. sie im richtigen Ausmaß und immer am rechten Ort anwendet, ist hier nicht zu prüfen. Hingegen muß das Ergebnis beleuchtet werden, zu dem das Nebeneinander der verschiedenen Methoden und die Umgrenzung des »besonders schweren Falles« führen. Der besonders schwere Fall ist nicht als Gegenstück zu den mildernden Umständen des § 73 gestaltet; ob er das Gegenstück zum besonders leichten Fall darstellen soll, läßt sich nicht feststellen, weil der letztere füglich nur gefühlsmäßig umgrenzt ist. Insofern ist der besonders schwere Fall kein Gegenstück; denn er ist sachlich abgegrenzt, durch Umstände subjektiver, wie auch objektiver Natur. Stellt man sie den schärfenden Umständen des Besonderen Teiles gegenüber, so stellen sie sich beiläufig als eine Abstraktion dieser und als eine Steigerung dar, letzteres nicht nur insofern, als eben erst das Zusammentreffen von Umständen verschiedener Art den besonders schweren Fall ausmacht, als wohl auch dem Stärkegrad nach. Daraus folgt einmal, daß die Obergrenzen der ordentlichen i3*
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Strafsätze des E. ganz verschiedene Funktionen und Bedeutungen haben. Man muß sich vor Augen halten, daß das, was der E. einen besonders schweren Fall nennt, bei jeder vorsätzlichen strafbaren Handlung vorkommen kann, also auch bei solchen, wo eine Strafschärfung nach § 76 nicht vorgesehen ist. Infolgedessen müßten die Obergrenzen der Strafsätze in der Gruppe 1 so gebildet sein, daß sie selbst dem Strafbedürfnis in besonders schweren Fällen Genüge leisten, müßten also nicht nur die volle, durch die größte Steigerung der Umstände objektiver Natur mögliche Strafwürdigkeit einschließen, sondern auch noch die weitere Steigerung, die etwa durch gewerbsmäßige VerÜbung gegeben sein kann. Meinem Urteil nach sind die Obergrenzen der Gruppe 1 aber nicht nach diesem Gesichtspunkt festgesetzt. Da es nun für diese Gruppe, abgesehen vom Fall des Zusammentreffens, keine Möglichkeit einer Strafschärfung gibt, bleibt das Strafbedürfnis in besonders schweren Fällen zum Teil unbefriedigt, die Obergrenze paßt sich ihm nicht an, sondern hat vielmehr die wohl ungewollte Wirkung, seine Befriedigung zu hemmen. In der Gruppe 2 ist die Obergrenze des Grundstrafsatzes offenbar in der Annahme festgesetzt, daß die Fälle überdurchschnittlicher Schwere dem Hilfsstrafsatz unterfallen, die Befriedigung eines besonders weitgehenden Strafbedürfnisses wird also auf diesen Strafsatz verschoben. Er vermag aber dem Bedürfnis keineswegs immer zu entsprechen. Es sei nochmals an das schon oben Gesagte erinnert, daß sich die in der Gruppe 2 vorkommenden besonderen Schärfungsgründe zu den begrifflichen Merkmalen des besonders schweren Falles so verhalten, wie der Teil zum Ganzen. Das wird sehr deutlich, wenn man etwa § 260, Schwere Folgen der Unzucht (Tod, schwere Körperverletzung oder Ansteckung der mißbrauchten Person) mit § 76 vergleicht. Wenn die Obergrenzen des Hilfsstrafsatzes nur in dem Maß gesteigert sind, das durch den besonderen schärfenden Umstand selbst gegeben ist, — und das würde ja zunächst der Technik der Gruppe 2 entsprechen, — dann reichen sie nicht aus, sobald eben nicht nur der Teil, sondern das Ganze gegeben ist, der Fall nicht nur das Merkmal des Hilfstatbestandes aufweist, sondern darüber hinaus ein besonders schwerer ist; z. B. eine Schändung nach § 257 mit Verletzungserfolg, aber auch besonders starkem und verwerflichem verbrecherischen Willen. Ich nehme an, daß die Obergrenzen der Hilfsstrafsätze im § 260 und den verwandten Fällen nach dem anderen möglichen Gesichtspunkt gebildet sind, auch noch der besonderen Schwere Rechnung zu tragen,
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die sich mit dem besonderen schärfenden Merkmal verbinden kann; nehme das um so mehr an, als man sonst dem E. den Vorwurf versteckter Erfolghaftung kaum ersparen könnte. Aber dann sind diese Strafsätze in gewissem Sinn unwahr oder doch leicht irreführend, weil eben der im Gesetz aufgeführte Tatbestand nicht alle Gründe für die damit verknüpfte Rechtsfolge enthält. Überdies ist die richtige Bestrafung der besonders strafwürdigen Fälle noch immer nicht sichergestellt. Denn es kann sich ein besonders schwerer Fall ereignen, ohne daß gerade einer der Umstände zuträfe, die Merkmale des schärfenden Hilfstatbestandes sind, z. B. eine besonders starken iund verwerflichen verbrecherischen Willen offenbarende, mit größter Hinterlist und Überwindung schwerer Hindernisse vollführte Schändung (§ 257), bei der aber die Mißbrauchte am Leben oder der Gesundheit nicht Schaden erlitten hat. Die Obergrenze des allein in Frage kommenden Grundstrafsatzes hemmt dann die ausreichende Bestrafung, die besonders schweren Fälle dieser Art fallen sozusagen durch. Selbst dort, wo der E. ausnahmsweise auf die Methode 2 die Methode 3 aufpfropft, kann sich dieses Ausfallen ereignen. Denn auch dort ist es möglich, daß der Fall besonders schwer ist, aber eben doch keinen der im ersten Hilfstatbestand taxativ aufgezählten schärfenden Umstände aufweist. In der Gruppe drei endlich scheint die Obergrenze einfach und ohne Bedenken von dem Gesichtspunkt aus festgesetzt werden zu können, daß für alle Fälle überdurchschnittlicher Schwere durch die Strafschärfung in besonders schweren Fällen vorgesorgt ist. Aber auch hier ergeben sich Schwierigkeiten, weil der Tatbestand der besonderen Schwere ein zusammengesetzter ist. Weder die besonders verwerfliche Gesinnung allein, noch besonders schwere, verschuldete Folgen allein ziehen die Schärfung nach § 76 nach sich. Darauf müßte bei der Festsetzung der Obergrenze des Grundstrafsatzes stets Bedacht genommen werden und zwar so, daß ein Vergleich dieser Obergrenzen mit den Obergrenzen der Hilfsstrafsätze in der Gruppe 2 keine Widersprüche ergibt, die gegenwärtig wohl noch vorhanden sind. Ich finde das Ergebnis dieser kurzen Untersuchung, die leicht noch weiter ausgedehnt werden könnte, wenig befriedigend. Noch weniger befriedigt es dann, wenn man auch die Wirkung der Technik des E. auf den Umfang des Verbrechensbegriffes in Betracht zieht. Wenn der Gesetzgeber nicht die Methode 2, sondern die Methode 3 wählt, so wird der besonders schwere
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Fall sozusagen zum Schutzmittel, das den Schuldigen davor bewahrt, als »Verbrecher« verurteilt zu werden, obwohl er gerade wegen der besonderen Schwere des Falles als zuchthauswürdig gilt. Zum besseren Verständnis ein Beispiel: Der E. erachtet die Schändung nach § 257 nicht als zuchthauswürdig, behandelt sie nur als Vergehen. Um aber besonders strafwürdige Fälle strenger treffen zu können, hat er zwei Wege offen, den einen, einen besonderen Hilfsstrafsatz hinzuzufügen, den er auch gewählt hat: § 260. Wenn der Täter voraussehbarer Weise eine Körperverletzung verursacht, wird er wegen Verbrechens bestraft. Hätte der E. den anderen möglichen Weg gewählt und Strafschärfung in besonders schweren Fällen verfügt, — eine Strafschärfung, die, dem Tatbestand des § 76 zufolge, mehr an »Schwere« voraussetzt, — dann würde der Schuldige zwar auch zu Zuchthaus zu verurteilen sein, aber nur wegen Vergehens, obwohl er nicht nur durch den schweren Erfolg besonders belastet wäre. Sehr lehrreich ist es in dieser Richtung auch, wenn man einen eingehenden Vergleich zwischen § 230 Aussetzung und § 231 Lebensgefährdung durchführt. Worin eigentlich der die besondere Bezeichnung und ihre Folgen rechtfertigende Inhalt des Begriffes »Verbrechen« bestehen soll, vermag ich nicht herauszufinden. Daß etwa der Grad der Schuld, die besonders antisoziale Gesinnung des Täters die Tat nicht zum Verbrechen machen solle, — wie sie ja auch trotz sehr geringer Schuld Verbrechen bleibt, wenn sie es nach dem Grundtatbestand ist, — darauf kann sich der E. nicht berufen, der auch die besonderen Umstände der Begehung oder die verschuldeten Folgen der Tat zu den Merkmalen des besonders schweren Falles zählt. Nur eine auch ihrer äußeren Erscheinung nach schwere Tat macht nach dem E. einen besonders schweren Fall aus. Daß sie trotzdem nicht Verbrechen sein soll, ist schwer zu verstehen. Die Vermengung von objektiven und subjektiven Merkmalen im Tatbestand des besonders schweren Falles begründet übrigens ein weiteres Bedenken, nämlich das, wie es sich verhalte, wenn ein besonders schwerer Fall in subjektiver Beziehung gegeben ist und in objektiver sozusagen in der Entwicklung begriffen war, aber durch einen Zufall — sozusagen im Versuchsstadium — aufgehalten worden ist. Die Strafschärfung nach § 76 ist dadurch bedingt, daß besonders schwere Folgen eingetreten sind Wie nun dann, wenn die subjektiven Voraussetzungen des § 76 oder die Umstände der Begehung besonders erschwerend sind.
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gegeben sind, wenn der Täter besonders schwere Folgen herbeiführen wollte oder doch voraussehen konnte, ein Zufall aber ihren schon drohenden Eintritt abwendet? Es mag in manchen Fällen dieser Art angehen, die Tat dann doch wegen der besonderen Umstände der Begehung dem § 76 zu unterstellen, in vielen anderen wird das nicht angehen; dann unterbleibt die Schärfung der Strafe nur deshalb, weil der Erfolg zufällig ausblieb, zu dessen Eintritt der Täter schuldhaft den Anstoß gegeben. Das bedeutet einen Widerspruch zu dem richtigen Grundsatz, den Versuch der Vollendung gleichzustellen (§ 23). Wie den dargelegten Mängeln abzuhelfen sei, ergibt sich aus der Kritik von selbst. Einmal ist der Schärfungstatbestand des be sonders schweren Falles von den Merkmalen objektiver Natur zu befreien. Ihrer Bedeutung hat der ordentliche Strafsatz, allenfalls ein besonderer Hilfsstrafsatz beim einzelnen Delikt Rechnung zu tragen. Infolgedessen würde wohl im Besonderen Teil des E. da oder dort ein weiterer Hilfstatbestand mit geschärftem Strafsatz notwendig werden. Ich vermag darin noch keinen Nachteil zu sehen, zumal mein zweiter Vorschlag den Besonderen Teil wesentlich entlasten würde. Er geht dahin, die Schärfung für den besonders schweren Fall nicht nur in der Zusammensetzung des Tatbestandes lediglich aus Umständen subjektiver Natur der Milderung gleichzustellen, sondern auch in der Vermeidung der Kasuistik: auch der besonders schwere Fall soll ein a l l g e m e i n e r Strafänderungsgrund sein, abgesehen natürlich von den höchsten Strafsätzen, die einer Steigerung nicht mehr zugänglich sind, und von den leichtesten Delikten, bei welchen die ganze Spannweite der Strafwürdigkeit in einem Straf satz Platz findet. Diese beiden Gruppen von Fällen, die sozusagen an den zwei Polen der Skala liegen, werden dadurch ausgeschieden, daß ihre Strafsätze in der Stufenfolge der ordentlichen und geschärften Strafsätze wegbleiben, die § 7 6 , der Form nach so wie § 7 2, aufzustellen hätte. Daß sich die Schärfung dann ebensowohl an den Grundstrafsatz, als an einen besonderen Hilfsstrafsatz anschließen würde, und an den ersteren auch dann, wenn er im zweiten Teil mit einem im besonderen Fall nicht anwendbaren Hilfsstrafsatz verbunden ist, leuchtet ohne weiteres ein. 2. Die zweiteStufe der S t r a f s c h ä r f u n g ist die wegen Rückf a l l e s , genauer wegen besonders gearteten Rückfalles (§77). Hier handelt es sich schon nach dem E. um einen allgemeinen Schärfungsgrund. Der E. stellt ihn auf, um eine der wichtigsten kriminalpolitischen Aufgaben, ja nach dem Stand der geltenden Gesetze
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schlechthin die wichtigste Aufgabe zu lösen, den Schutz gegen das Verbrechertum. Hier hat der E. meinen vollen Beifall. Es bedeutet einen großen Fortschritt gegenüber dem E. 19, daß man sich endlich zu festerem Zugreifen entschlossen hat und nicht den fünften Rückfall abwartet, sondern den wiederholten genügen läßt. Die Vorschläge beruhen auf den Ergebnissen und Lehren der Kriminalstatistik, wenn sich auch die Begr. nicht auf sie beruft. Die Ergänzung zu der Rückfallsschärfung bildet die Sicherungsverwahrung nach § 45, die ich nicht zu besprechen habe. Selbstverständlich werden auch diese Vorschläge wieder der bekannten Gegnerschaft begegnen: ernsthaften Bedenken und dem üblichen Geschrei wegen der Aufhebung der individuellen Freiheit usw. Daß die Vorschläge auch ihre Schattenseiten haben, daß Mißgriffe möglich sind, wer wollte das leugnen? Es kann sich nur darum handeln, die Vorteile und Nachteile hier und dort gegen einander abzuwägen. Wer immer die äußersten, objektiven, notwendig formalen und darum eben so hemmenden Garantien im Namen der Freiheit, der großen Errungenschaften der Vergangenheit, des Liberalismus usw. fordert, dem möchte ich zu bedenken geben, ob es nicht auch ein Freiheitsinteresse und noch höhere Interessen für die Individuen gibt, die die nächsten Opfer des unzureichend bestraften oder verwahrten Verbrechers werden ? Nicht Freiheitsinteresse des Individuums und Sicherheit der Rechtsordnung allein stehen einander gegenüber, — von welch letzterer man so leichthin und angesichts der Tatsachen fast gedankenlos annimmt, sie könne jeden Stoß vertragen, sondern das Freiheitsinteresse des Verbrechers ist gegen die Sicherheit der Gesellschaft und bedrohte Individualinteressen abzuwägen. Daß der Träger des bedrohten Interesses bei irriger Annahme der Gemeingefährlichkeit individuell bereits feststeht, hingegen noch Ungewißheit über 'die Träger der bedrohten Interessen besteht, wenn einem Gemeingefährlichen für zu kurze Zeit die Freiheit entzogen wird, sei es, daß seine Gemeingefährlichkeit verkannt, sei es, daß die vorzeitige Freilassung durch schlechte Gesetze erzwungen wird, — das kann doch wahrlich an der grundsätzlichen Abschätzung nichts ändern. Im einzelnen halte ich auch hier die zwingende Anordnung der Schärfung für richtig und nicht die vom E. gewählte »Kann«Form; verweise ferner nur kurz darauf, daß sich der oben bereits gerügte Mangel des Verbrechensbegriffes auch hier störend bemerkbar macht, insofern nämlich die höhere Stufe der Schärfung von der Verübung eines Verbrechens abhängt.
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3. Wie der E. im § 71 das Motiv des Überzeugungsverbrechers als Milderungsgrund, so will er im § 69 das Motiv der Gewinnsucht als s t r a f s c h ä r f e n d e n Umstand behandeln. Zur Freiheitsstrafe kann die Geldstrafe als Schärfung hinzutreten, wird allein auf Geldstrafe erkannt, so kann sie über die Obergrenze hinaus erhöht werden. Die Vorschrift, die inhaltlich dem geltenden Recht (§ 27 a StGB.) entspricht, aber besser gefaßt ist, wäre nur an einen anderen Platz zu stellen. Sie gehört offenbar zu den Schärfungsvorschriften, also etwa vor § 76 oder nach § 77. Vorschriften über das Zusammentreffen zweier oder mehrerer Schärfungsgründe enthält der E. nicht. Sie sind aber auch entbehrlich. Was die Begr. S. 55 darüber ausführt, halte ich für ganz zutreffend. Etwas anders verhält es sich mit dem Zusammentreffen von Milderungsgründen und Schärfungsgründen. Der kritischeste Fall — nicht der einzige mögliche! — ist der des Zusammentreffens verminderter Zurechnungsfähigkeit mit dem Rückfalltatbestand des § 77. Die Ausführungen der Begr. darüber bieten eine annehmbare Lösung, ich würde es aber vorziehen, daß sie Aufnahme in dem E. selbst finde. Die Behandlung der anderen Fälle kann in der Tat der Auslegung überlassen bleiben. IV. Allgemeine Bemessungsregeln. 1. Die allgemeinen Bemessungsregeln des E. zählen zu dem Besten seines Inhaltes überhaupt, der § 67 ist eine der Perlen des E. Es ist einmal durchaus richtig und notwendig, solche Regeln überhaupt zu geben, durchaus verkehrt die Meinung, sie vertrügen sich nicht mit der Ermessensfreiheit, die dem Richter eingeräumt werden soll. Ermessensfreiheit bedeutet nicht Zügellosigkeit, bedeutet nicht, daß sich jeder Richter den Gesichtspunkt für die Betätigung der Freiheit nach Belieben, nach seiner persönlichen Einstellung zu den großen kriminalpolitischen Problemen wählen dürfe, daß der eine nach der Schwere des äußeren Erfolges, der andere nach dem Motiv, der dritte etwa nach der Bewertung der mittelbaren Verbrechensbedingungen bemesse und wieder andere, die einer bestimmten persönlichen Einstellung entbehren, angesichts des Schweigens des Gesetzes und des Streites der Lehrmeinungen hin und herschwanken oder gar der schablonenhaften Übung und dem Straftaxenwesen anheimfallen. Das ist es ja doch, was wir heute zu beklagen haben, hier muß das neue Gesetz Abhilfe schaffen und zwar um so mehr, je größer die Freiheit des Richters von formalen Schranken ist. Die Aufgabe, die somit gestellt ist, löst § 67 besser, als irgendwelche andere mir be-
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kannte Vorschrift derselben Art. Er ist der glückliche Niederschlag der kriminalpolitischen Arbeiten der letzten Jahrzehnte in der Sprache des Gesetzgebers und jedem denkenden und kriminologisch gebildeten Richter ein sicherer Führer. Auch die Methode ist glücklich, zuerst die leitende Idee hinzustellen und sie dann im zweiten Satz durch eine Aufzählung der zu beachtenden Umstände zu ergänzen und zu erläutern, wobei zutreffend zuerst die unmittelbar maßgebenden, dann die symptomatisch bedeutsamen aufgeführt werden. 2. Über die Bemessung der G e l d s t r a f e enthält der § 68 E, zwei Regeln, die mit dem geltenden Recht (§ 27 e StGB.) übereinstimmen. Der erste Satz — Berücksichtigung der wirtschaftlichen Verhältnisse — ist lediglich eine Ergänzung zu § 67. Er soll auch nicht besagen, daß bei der Bemessung anderer Strafen die wirtschaftlichen Verhältnisse nicht zu berücksichtigen wären. Sie sind nur bei den Geldstrafen besonders wichtig. Vielleicht käme das noch deutlicher zum Ausdruck, wenn das Wort »auch« im Text gestrichen und dafür »besonders zu berücksichtigen« gesagt würde. Der zweite Absatz führt einen neuen Gesichtspunkt für die Bemessung ein, der freilich auch zum Strafschärfungsgrund werden kann (vgl. hier auch § 14 österr. PreistreibereiG.). Die zwei Absätze des Paragraphen enthalten dennoch sehr verschiedenartiges. Ich würde es vorziehen, den ersten Absatz des § 68 dem § 67 als Abs. 2 anzuschließen und den Inhalt des § 68 auf den zweiten Absatz zu beschränken; übrigens könnte dieser Absatz auch im § 69 Platz finden. § 70, Fristen und Teilzahlungen, entspricht gleichfalls dem geltenden Reichsrecht und in der Hauptsache auch dem österreichischen (§ 409 StPO.). Abverdienen der Geldstrafe (s. § 28 b StGB.) ist leider nicht vorgesehen; man muß wohl annehmen, daß sich die Einrichtung als nicht durchführbar erwiesen hat. Auch § 70 ist eine Bemessungsvorschrift. Der E. freilich verdunkelt das etwas durch die Übernahme des wenig glücklichen Wortlautes des geltenden Rechts. Es handelt sich nicht um Zumutbarkeit oder »Vergünstigungen«, sondern darum, die Empfindlichkeit des Strafübels durch die Gestaltung des Vollzuges den besonderen wirtschaftlichen Verhältnissen des Schuldigen anzupassen. Grundsätzlich und in der Hauptsache liegt der Straferlaß in derselben Ebene. Darum ist § 70 im 9. Abschnitt nicht fehl am Platz. Vielmehr vermißt man zumindest den bedingten Strafnachlaß in diesem Abschnitt. Daß der E. ihn im engsten Zusammenhang mit der bedingten Entlassung behandelt, bietet aber große Vorteile. Darum möchte ich vorschlagen, § 70 in den
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6. Abschnitt zu versetzen und diesen Abschnitt nach dem über die Strafbemessung einzureihen. 3. Kehren wir zum Schluß noch einmal zur allgemeinen Bemessungsregel zurück! W i e schon eingangs gesagt, soll sie alle Tätigkeiten des Richters beherrschen, die zur Bestimmung der konkreten Strafe führen, soll also auch das Leitmotiv der Strafänderungen sein. Das trifft für die mildernden Umstände vollkommen zu, muß aber auch für die besonders leichten Fälle gelten und würde so sein, wenn an die Stelle des inhaltslosen Satzes des§ 7 5 / 2 der Vorschlag des OeGE. 22 (§ 107) oder mein Vorschlag treten würde; es trifft dann auch für die Schärfung wegen besonderer Schwere des Falles zu, wenn, wie oben vorgeschlagen, die objektiven Merkmale beseitigt sind. Die gesteigerte Schärfung für Gewohnheitsverbrecher liegt durchaus in der Linie der Grundregel. Somit ergibt sich: Der ordentliche Strafsatz erfaßt die höheren Stufen der akuten und die niedereren der chronischen Kriminalität. Milderung ersten Grades für Augenblicksverbrecher (oder Gelegenheitsverbrecher der untersten Stufen), Milderung zweiten Grades für die an der Grenze der Schuldlosigkeit Stehenden; Schärfung ersten Grades für die schwereren Stufen der chronischen Kriminalität, gleichviel ob sie sich bereits im Rückfall geäußert hat oder nicht. Das Entscheidende ist, daß, im Gegensatz zu den anderen Gruppen, der äußere Anreiz zur Tat ganz zurücktritt. Wenn der E. hier (§ 76) von dem ungewöhnlich starken verbrecherischen Willen des Täters spricht, so ist das nur im Sinne der Vulgärpsychologie richtig. Auch Leute mit ungewöhnlich starkem zum Verbrechen führenden Trieb müssen hier erfaßt werden, wenn sie auch keineswegs zu den willensstarken Menschen gehören. Die Schärfung des § 76 muß alle »eigentlichen« Verbrecher erfassen, da ja die besondere Rückfallsschärfung des § 77 an formale Voraussetzungen geknüpft, also lange nicht auf alle Gewohnheitsverbrecher anwendbar ist. Diese Voraussetzungen bewirken es, daß der Aufbau der Schärfungen nicht von derselben reinen Stufenfolge sein kann, wie der der Milderung, daß die Gruppen nicht aneinander anschließen, sondern die höchste einen unregelmäßigen Ausschnitt aus der vorhergehenden darstellt. Umso wichtiger die richtige Umgrenzung des besonders schweren Falles; ich möchte darum empfehlen, hier, parallel zu § 73 und 75, auf das völlige Zurücktreten von den Täter nicht belastenden Ursachen und beispielsweise auf einen Hauptfall, nämlich die gewerbsmäßige Verübung, hinzuweisen. Um die früher abgebrochene Aufführung zu vollenden: Schärfung zweiten Grades für die — auch formal be-
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stimmten — besonders gefährlichen Gewohnheitsverbrecher. Daraus ergibt sich: die erste Aufgabe, die das Gericht zu lösen hat, ist die möglichst genaue Erhebung der Ursachen, besser eigentlich: Bedingungen des Verbrechens; die zweite: ihre Unterscheidung nach dem Gesichtspunkt, ob sie dem Täter zum Vorwurf gemacht werden können oder nicht, die dritte, das Abwägen der beiden Gruppen, die möglichst genaue Erfassung der Persönlichkeit des Täters. Die zweite Aufgabe muß gestellt werden, weil der E. ein Schuldstrafrecht schaffen will. Sie ist gerade so notwendig, wie der Aufbau der Strafsätze nach dem Wert der angegriffenen Güter, Angriffsmittel und Schuldform. Soweit die so bemessene Strafe das Sicherungsbedürfnis nicht befriedigt, greifen die Sicherungsmittel ein. Auch darin liegt ein Vorzug des f . , daß er richtig und klar die Folgerungen zieht, die sich aus der sogenannten Zweispurigkeit für die Strafbemessung ergeben.
Abschnitt 10: Verjährung. Von
Professor Dr. Graf A. zu Dohna, Heidelberg.
So, wie der Entwarf heute vorliegt, kann er nur unter der Voraussetzung Gesetz werden, daß mit ihm zugleich eine neue Strafprozeßordnung und ein Reichsstrafvollzugsgesetz in Kraft treten. Mit Vorbedacht sind, wie die Begründung in der Einleitung ausdrücklich hervorhebt, alle Materien ausgeschieden worden, welche nach korrekter Systematik in jene anderen Zusammenhänge hineingehören. Wenn nun der Entwurf im 10. Abschnitt das Institut der Verjährung behandelt, so gibt er schon allein dadurch zu erkennen, daß er sich derjenigen Auffassung anschließt, welche in der Verjährung einen materiellrechtlichen Tatbestand erblickt. Die Begründung (S. 56) stellt diese Deutung außer Zweifel. Im Text findet sie darin ihre Bestätigung, daß § 78 mit Ablauf der Verjährungsfrist die Strafbarkeit der Tat erlöschen und § 82 mit dem Tage der Rechtskraft der Verurteilung nicht eine neue Verjährung, sondern nur eine neue Verjährungsfrist beginnen läßt. Ob diese Auffassung mit Fug als die herrschende bezeichnet wird, ist weniger bedeutsam, als ob sie dem Wesen der Einrichtung entspricht. Der Wert, den der Entwurf auf die korrekte Systematik legt, zwingt zur Nachprüfung der Frage. Nun halte ich alle Versuche, materielles und formelles Recht mit ausschließender Wirkung voneinander zu trennen, deshalb für unfruchtbar, weil Strafbarkeit und Verfolgbarkeit sich gegenseitig bedingen. Verneint der Gesetzgeber das eine, so verneint er implicite auch das andere. Kinder, die nach dem JGG. nicht strafbar sind, dürfen strafrechtlich nicht verfolgt werden; Übertretungen, die nach der StrPrO. nicht verfolgt werden dürfen, ermangeln der Strafbarkeit. Nur darum kann es sich handeln, festzustellen, worin das Wesen und worin der Reflex der Erscheinung zu erblicken ist. »Gegenstand der Verjährung ist der Strafanspruch des Staates« — sagt die Begründung und trifft damit den Kern der Sache. Daß
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dieses Verhältnis in den Eingangsworten des § 78 einen sehr unvollkommenen Ausdruck findet, ergeben die zutreffenden Ausführungen Loenings ( V D A I S. 380). Und wenn Text wie Begründung des Entwurfs dem Erlöschen der Strafbarkeit der Tat das Erlöschen der Vollstreckbarkeit der Strafe gegenüberstellt, so ist die Dissonanz deutlich vernehmbar. Das eine bezeichnet (schlecht) den Grund, das andere (einseitig) die Folge. Denn die Folgen sind von zweierlei A r t : zunächst wird die Verfolgung der Tat, später die Vollstreckung der Strafe ausgeschlossen. Will der Gesetzgeber die Rechtsgebiete reinlich voneinander sondern, so wäre sehr zu überlegen, ob er sich nicht im Strafgesetzbuch auf den Satz beschränken sollte: »Der Strafanspruch des Staates wird durch Verjährung getilgt mit der Wirkung, daß die Verfolgbarkeit der Tat und die Vollstreckbarkeit einer erkannten Strafe erlöschen«. Alles weitere bliebe dann der Strafprozeßordnung und dem Strafvollzugsgesetz überlassen. Denn dabei handelt es sich um Anweisungen an die Organe der Strafjustiz und des Strafvollzuges über die Berechnung und Behandlung von Fristen, die dort viel besser am Platze sind. Auch läge in dieser Anordnung zugleich ein Hinweis darauf, daß der Verjährung trotz ihres primär materiellrechtlichen Charakters formell die Bedeutung eines Prozeßhindernisses zukommt in dem Sinne, daß die Feststellung des Ablaufs der Verjährungsfrist auch in der Hauptverhandlung Einstellung und nicht Freisprechung zur Folge hat. Denn Freisprechung bedeutet Verneinung der Schuld. Einer verjährten Tat gegenüber aber ist gar nicht erst zu untersuchen, ob der Täter sie überhaupt und ob er sie in zurechenbarer Weise begangen hat oder nicht. Die Skala der Verjährungsfristen ist gegenüber dem geltenden Recht vereinfacht. Für die Verfolgungs- wie für die Vollstreckungsverjährung sind je vier Fristen im Betrage von 20, 1 o, 5 und 2 Jahren vorgesehen. Maßgebend ist bei jener die Höhe der angedrohten, bei dieser die Höhe der zuerkannten Strafe. Als angedroht gilt ohne Rücksicht auf die im allgemeinen Teil vorgesehenen Schärfungen und Milderungen die ordentliche Strafe. Während dieser letzte Satz seit dem KE. 13 ständig wiederkehrt, hat die Bemessung der Fristen immer von neuem Veränderungen erfahren. Immer aber waren die Fristen für die Verjährung rechtskräftig zuerkannter Strafen länger bemessen als für die Verjährung der Strafverfolgung. Noch die Begr. 09 betont, das entspreche den bisherigen Anschauungen in Deutschland wie der Gesetzgebung fast des gesammten Auslands. Wenn nun AE. 25 davon abweicht,
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so wäre ein Wort der Motivierung wohl am Platze gewesen. Man wird sie darin finden dürfen, daß die Feststellung der Schuld des Täters an den Gründen, die zur Anerkennung der anspruchtilgenden Kraft des Zeitablaufs führen, nichts Wesentliches zu ändern vermag. Für den Beginn der Verfolgungsverjährung ist maßgebend der Tag, an dem die Handlung begangen, für den Beginn der Vollstreckungsverjährung der Tag, an dem das Urteil rechtskräftig geworden ist. Die Besonderheit, daß dieser Tag (entgegen BGB. § 187) jeweils in die Frist einzubeziehen war, wird für die Verfolgungsverjährung mit gutem Grund beseitigt, für dieVollstreckungsverjährung ohne erkennbaren Grund beibehalten. Im übrigen soll im Einführungsgesetz festgelegt werden, daß auf die Berechnung der Fristen die allgemeinen Vorschriften des BGB. Anwendung finden. — Die durch die verunglückte Fassung des § 67 Abs. 4 StGB, veranlaßte Streitfrage, an welchem Tage die Handlung jeweils als begangen zu gelten habe, wird in § 79 AE. 25 dahin geschlichtet, daß bei Tätigkeitsdelikten und Versuchshandlungen maßgebend ist der Abschluß der Tätigkeit, bei Dauerdelikten das Aufhören des strafbaren Verhaltens, bei Erfolgsdelikten der Eintritt des tatbestandsmäßigen Erfolges. Man wird dieser Lösung nur zustimmen können. Die wichtigste Neuerung gegenüber dem geltenden Recht besteht unzweifelhaft darin, daß an die Stelle der bisher zugelassenen Unterbrechung der Verjährung die Möglichkeit einer Verlängerung der Verjährungsfrist durch eine eigens hierauf gerichtete Entschließung treten soll (§§ 81, 84 AE. 25). Die Beseitigung des Instituts der Unterbrechung geht auf den GE. 11, sein Ersatz geht auf den f(E. 13 zurück. Über die Unangemessenheit der bisherigen Regelung ist heute kein Wort mehr zu verlieren. Daß die Unterbrechung der Verjährung sich in das neue Strafgesetzbuch hinüberretten könnte, steht nicht zu besorgen. Um so wichtiger ist eine Verständigung über die Verlängerung der Verjährungsfrist und ihre Voraussetzungen. Weder die Denkschr. 19 noch die Begr. 25 geben über die Motive, welche zur Einführung dieses Ersatzmittels geführt haben, befriedigenden Aufschluß. Etwas ergiebiger sind die Protokolle der Kommission. Aber auch aus ihnen lassen sich überzeugende Argumente für die Unentbehrlichkeit der Maßnahme nicht gewinnen. Die Erwägung, daß es nicht möglich sei, die Gründe, welche eine Verlängerung der Frist an die Hand geben können, abschließend aufzuführen, hat den Gesetzgeber veranlaßt, mit der Wendung: »wenn die besonderen Umstände des Falles es
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gebieten« die Entscheidung dem freiem Ermessen der zuständigen Stelle anheimzugeben. Diese Instanz ist im Stadium der Strafverfolgung das Gericht, das indessen an einen Antrag der Staatsanwaltschaft gebunden ist, im Stadium der Strafvollstreckung die Vollzugsbehörde. Nach dieser Richtung sind ergänzende Bestimmungen vorgesehen. Unklar bleibt vor allem, ob jene »besonderen Umstände« in etwaigen Qualifikationen des Tatbestands oder aber in etwaigen Behinderungen des Verfahrens zu suchen sind. In den Beratungen der Kommission finden sich Anhaltspunkte für das eine wie für das andere. Bald ist von der besonderen Schwere des Falles, bald wieder von der Verhandlungsunfähigkeit des Beschuldigten und von den Schwierigkeiten seiner Gestellung die Rede (68. Sitzung). Das eine Mal handelt es sich nun aber offensichtlich um eine nachträgliche Korrektur des Gesetzes, um ein echtes Privilegium odiosum. Die Rechtswohltat der Tilgung des Strafanspruchs, die das Gesetz ganz allgemein bei Ablauf gewisser Fristen in Aussicht stellt, wird nach Ermessen der Instanzen, welche zur Anwendung des Gesetzes berufen sind, im Einzelfalle außer Wirkung gesetzt. Ich halte das nicht nur für bedenklich, sondern für schlechthin unerträglich. Im andern Fall handelt es sich um Rücksichten, denen der Gesetzgeber sehr viel zweckmäßiger im Rahmen des Ruhens der Verjährung Rechnung tragen könnte und auch tatsächlich Rechnung trägt. »Die Verjährung ruht, solange auf Grund einer gesetzlichen Vorschrift die Verfolgung (Vollstreckung) nicht begonnen oder nicht fortgesetzt werden kann« (§§ 80, 83 AE. 25). (Die Nichterstreckung dieser Vorschrift auf den Mangel des Strafantrags oder der Akte, welche in Zukunft seine Stelle einnehmen, ist beibehalten). — Hier also bietet sich die Möglichkeit, etwaiger weiterer Hindernisse zu gedenken. Dann kann, dann sollte aber auch auf das Mittel der Fristverlängerung verzichtet werden. In Parenthese mag hier die folgende Bemerkung Platz finden. In einem Gesetz, das die Unterbrechung der Verjährung nicht kennt, müßte es eigentlich als Inkonsequenz anmuten, daß es neben der Verfolgungsverjährung überhaupt noch eine Vollstreckungsverjährung vorsieht. Denn damit wird der Rechtskraft des Urteils eben diejenige Wirkung zuerkannt, die allen anderen prozessualen Tatbeständen abgesprochen wird. Wer in der mit der Zeit fortschreitenden Minderung des Reaktionsbedürfnisses der Allgemeinheit gegen das Verbrechen die Wurzel des ganzen Instituts der Verjährung erblickt, wird logisch dahin geführt, prozessualen Akten welcher Art auch immer die Fähigkeit abzusprechen, an dieser
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heilenden Wirkung des Zeitablaufes etwas zu ändern. Diese Konsequenz wird indessen nirgends gezogen, auch nicht von den Verfassern des GE. 11, welche die Einrichtung der Unterbrechung am entschiedensten bekämpfen. Es heißt da (Begr. S. 145): »Zweck der Kriminalverjährung ist . . . zu verhindern, daß zwischen Verbrechen und Strafe ein übermäßig langer Zeitraum liegt . . . Wenn dies aber der Zweck der Kriminalverjährung ist, so leuchtet es ein, daß die bloße Geltendmachung des staatlichen Strafrechts zur Unterbrechung der Verjährung nicht geeignet sein kann . . . Nur die wirklich eingetretene rechtskräftige Verurteilung und Strafvollstreckung, mit anderen Worten die tatsächliche Realisierung des staatlichen Strafrechts schneidet der Kriminalverjährung den Lebensnerv durch.« — Wieso vermag denn aber die Rechtskraft des Urteils, wenn später dem Vollzuge Hindernisse in den Weg treten, jene Zeitspanne abzukürzen? Und wieso gebührt diesem prozessualen Tatbestand der Vorzug vor andern, wie der Urteilsfällung, der Klageerhebung ? Immer handelt es sich doch um bloße Etappen der Anspruchsverwirklichung. Außer aus dem Grunde gesetzlicher Hinderung ruht die Verjährung der Strafvollstreckung, solange sie durch eine dem Verurteilten gewährte Vergünstigung hinausgeschoben ist, und ferner, solange dieser eine Freiheitsstrafe verbüßt oder auf Grund behördlicher Anordnung verwahrt wird (AE. 25 § 83). Beides erscheint durchaus rationell. (Die Verjährung des Vollzuges von Besserungsund Sicherungsmaßnahmen regelt § 50). Weniger einwandfrei dünkt uns die korrespondierende Bestimmung für die Verfolgungsverjährung: sie ruht, solange gegen den Täter das Strafverfahren bei Gericht anhängig ist — freilich in eng bemessenen zeilichen Grenzen (§ 80 Abs. 2). VE. 09 § 96, QE. n § 106, K.E. 13 § 124, E. 19 § 123, OeQe. 22 § 116 beschränkten übereinstimmend den Stillstand auf die Dauer des Hauptverfahrens. Wiederum fehlt in der Begr. jedes Wort der Rechtfertigung dieser bedeutsamen Änderung. Zunächst ist der Zeitpunkt nicht einmal eindeutig bestimmt, insofern darunter der Akt der Klageerhebung (so meint es die Begr.) oder die Eröffnung der gerichtlichen Untersuchung verstanden werden kann. Sodann besteht wieder die Gefahr, daß bei drohendem Ablauf der Verjährung die Staatsanwaltschaft die Anklage erhebt, nicht weil die Prozeßlage diesen Schritt indiziert, sondern um wenigstens diese Fristverlängerung zu erwirken. Eine rasche Abwickelung des Verfahrens ist dadurch keineswegs garantiert. Der Gesetzgeber rechnet ja selber noch mit Jahren. Ich halte deshalb für geboten, die ursprüngliche Fassung wieder einzusetzen, Reform des Strafgesetzbuchs.
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glaube aber, daß dann allenfalls die Befristungen in Wegfall kommen dürften. Ist erst einmal das Hauptverfahren eröffnet, so sind starke Verzögerungen kaum mehr zu befürchten. Der AE. spricht sich nicht darüber aus, ob etwaige abweichende Bestimmungen früher ergangener Strafnebengesetze ihre Geltung behaupten sollen. Das wird Aufgabe des Einführungsgesetzes sein.
Besonderer Teil
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Der Besondere Teil des Entwurfs 1925. Von
Geh. Justizrat Dr. P. F. Aschrott, Berlin.
Die Beurteilung des Besonderen. Teils eines Strafgesetzbuchs hängt von folgenden drei Hauptfragen ab: 1. Ist bei der Pönalisierung die richtige Grenze eingehalten? d. h. in positiver Richtung: Ist den Rechtsgütern, die eines Strafschutzes würdig sind, gegen solche Angriffe, die einen Strafschutz erforderlich erscheinen lassen, dieser gewährt?, und andererseits in negativer Richtung: Ist der Straf schütz nicht auf Rechtsgüterangriffe ausgedehnt, bei denen er nicht unbedingt erforderlich ist ? 2. Ist der strafrechtliche Tatbestand überall so klar und bestimmt zum Ausdruck gelangt, daß das, was nach dem Willen des Gesetzgebers strafbar sein soll, zweifelsfrei feststeht, und daß jeder auch ohne juristische Unterweisung erkennen und im Strafgesetzbuch rasch finden kann, was verboten und strafbar ist? 3. Entspricht der Rahmen, den das Gesetz dem Richter für die Abmessung der Strafe gewährt, dem Wertverhältnis der zu schützenden Rechtsgüter und läßt er gleichzeitig genügenden Spielraum für eine gerechte Berücksichtigung der Strafwürdigkeit des diese Güter Angreifenden nach seiner Individualität? Nach diesen drei Gesichtspunkten, an die sich eine Reihe von Unterfragen und Nebenfragen anschließen, soll hier einleitungsweise der Bes. T. des AE. 25 betrachtet werden. Dabei möchte ich von vornherein betonen, daß dieser Aufsatz meine rein persönlichen Anschauungen wiedergibt; ein Eingehen darauf, inwieweit meine Ansicht mit den Ausführungen der Bearbeiter der einzelnen Abschnitte des Bes. T. in den nachfolgenden Aufsätzen übereinstimmt oder von ihnen abweicht, ist grundsätzlich vermieden. In einer solchen Erörterung könnte eine Kritik der Mitarbeiter gefunden werden, die ich mir nicht anmaßen will.
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Wie ich meine Anschauungen hier in voller Freiheit zum Ausdruck bringe, so hat ein Jeder der Mitarbeiter für seine Ausführungen allein einzutreten. Ich werde auf die nachfolgenden Aufsätze auch nur ausnahmsweise verweisen; und zwar da, wo es mir richtig erscheint, bei meinen Ausführungen, die schon wegen des, für diesen einleitenden Aufsatz bestimmten beschränkten Raumes nur ganz allgemein gehalten sein können, auf etwaige eingehendere Darlegungen des einen oder anderen Mitarbeiters Bezug zu nehmen. I. Der Umfang des Strafrechtschutzes im AJE. 25. Strafe ist Rechtsgüterschutz durch Rechtsgüterverletzung. Dem Bestraften werden Rechtsgüter entzogen (Leben, Freiheit, Vermögen), deren Gefährdung oder Verletzung das Strafgesetz als Schädigung des Allgemeinwesens betrachtet und deren Schutz es durch seine Strafbestimmungen fördern will. Die Strafe ist so ein Übel für den Bestraften, und sie soll es sein. Zugleich enthält sie aber auch ein Übel f ü r die Allgemeinheit, wobei noch zu berücksichtigen ist, daß jede Strafandrohung dem Staate große Opfer auferlegt; ihn treffen die Kosten des notwendigen Apparates f ü r die Strafverfolgung, f ü r die Strafrechtssprechung und für die Strafvollstreckung. Deshalb ist h ö c h s t e Ö k o n o m i e i n d e r A n d r o h u n g v o n S t r a f e n g e b o t e n . Der Staat kann die großen Opfer, welche ein strafrechtlicher Schutz von ihm fordert, nur da auf sich nehmen, wo ohne den strafrechtlichen Schutz ein größeres Übel f ü r den Staat und die Allgemeinheit entstehen würde. Man hat sich mit anderen Bekämpfungsmethoden außerhalb des Straf rechts zu begnügen, wo dies nicht der Fall ist. Nur da, wo die Rechtsgüterangriffe so erhebliche und f ü r das Wohl der Allgemeinheit so wesentliche sind, daß mit anderen Mitteln als der Strafe nicht auszukommen ist, darf zu strafrechtlichem Schutze gegriffen werden. Jede nicht unbedingt erforderliche Strafandrohung enthält nicht nur eine Ungerechtigkeit gegen den Bestraften, sondern ist auch vom Standpunkte des Staatsinteresses ans unklug. Ein Übermaß von Strafandrohungen ist zugleich geeignet, Gleichgültigkeit gegen die Strafgesetze zu erzeugen und das Rechtsempfinden abzustumpfen. Das lehren deutlich die Erfahrungen, die wir mit der Flut neuer Strafgesetze in der Kriegsund Nachkriegszeit, durch die immer mehr und mehr das wirtschaftliche Leben unter strafrechtliche Normen gezwungen wurde, gemacht haben. Ich will hier keine Kritik an diesen Gesetzen
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ausüben, und ich lasse ganz dahingestellt, inwieweit die ganz außergewöhnlichen Verhältnisse der Kriegs- und Nachkriegszeit eine Entschuldigung oder eine Rechtfertigung für dieses Übermaß der Pönalisierung abgeben können. Aber es muß jetzt, wo wir an ein neues deutsches Strafgesetz herangehen, an die nicht zu bestreitenden Erfahrungen erinnert werden, die wir mit diesem Übermaß von Strafrechtsbestimmungen gemacht haben. Es muß auch daran erinnert werden, wie sich das — berechtigte oder unberechtigte — wirtschaftliche Bedürfnis durch immer neue Umgehungen der strafrechtlichen Bestimmungen zu helfen gesucht hat, und wie dadurch die staatliche Autorität auf das schwerste erschüttert worden ist. Wenn eine strafrechtliche Vorschrift in zahllosen Fällen ungeahndet übertreten wird, so führt das immer zu einer Schädigung der staatlichen Autorität. Der Gesetzgeber sollte deshalb auch von vornherein auf strafrechtliche Bestimmungen da verzichten, wo der Natur der Sache nach die Möglichkeit einer gleichmäßigen Durchführung nicht gegeben ist; als Beispiel sei hier nur auf das Wirtshausverbot hingewiesen. Die nur gelegentliche Anwendung einer Strafbestimmung wird immer das Gefühl der Ungerechtigkeit wachrufen. Niemand aber wird bestreiten, daß es sehr schwer ist, stets die richtige Grenze zu ziehen zwischen strafwürdigem Unrecht und solchem Unrecht, dem gegenüber man sich mit privatrechtlichen Schutzmitteln zu begnügen hat. E s gilt, das Für und Wider eines strafrechtlichen Schutzes überall abzuwägen. Dabei darf man sich auch nicht dadurch irre machen lassen, daß, wie es so häufig geschieht, für den strafrechtlichen Schutz ethische Anschauungen geltend gemacht werden. Sicherlich soll sich das Strafgesetz mit den herrschenden sittlichen Anschauungen im Einklang befinden; aber diese Forderung bedeutet keineswegs, daß jeder sittlichen Pflicht eine strafrechtliche Sanktion zur Seite stehen muß. Auch darauf sei noch hingewiesen, daß bei der Frage, was strafrechtlich geschützt werden soll, nicht nur den ethischen Anschauungen, die sich im Laufe der Zeiten wandeln, Rechnung zu tragen ist, sondern auch den jeweiligen Bedürfnissen der Zeit. E s ist eine Utopie, ein Strafgesetz für die Ewigkeit schaffen zu wollen. Jedes Strafgesetz ist ein Kind seiner Zeit und soll es sein. Und dabei darf nicht unbeachtet bleiben, daß Deutschland sich z. Zt. in einem Zustande schweren wirtschaftlichen und moralischen Niederganges befindet. Es ist hier nicht der Ort, hierauf
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des Näheren einzugehen. Jedem ruhig und objektiv Denkenden ist es auch ohne weiteres klar, daß der lange und schließlich verlorene Krieg, die gewaltsame Umwandlung des deutschen Staatswesens, und die schwere Inflationszeit, die Deutschland durchzumachen gehabt hat, ungünstig auf die Moralität der Bevölkerung wirken mußten. Die Geschichte lehrt, daß durch jeden Krieg die Wertschätzung des Menschenlebens herabgesetzt und die Rohheit gesteigert wird, daß mit jeder Inflation aufs engste Korruption verbunden ist, daß langdauernde wirtschaftliche Krisen mit der dadurch herbeigeführten Verarmung und Not weiter Bevölkerungsschichten zu einer Zunahme der Eigentumsdelikte führen. All dies ist aber bei uns zusammen gekommen und hat eine schwere Begriffsverwirrung darüber, was erlaubt ist, erzeugt. Und da leider die unsicheren politischen und wirtschaftlichen Verhältnisse fortdauern, so können wir kaum hoffen, daß die schwere moralische Erschütterung, unter der wir als Folge der Kriegs- und Nachkriegszeit leiden, so bald verschwinden wird. Dem muß ein neues Strafgesetzbuch Rechnung tragen. Deshalb muß sich auch derjenige, der an sich eine Einschränkung der Pönalisierung aus den oben angegebenen Gründen für wünschenswert erachtet, damit abfinden, daß in dem jetzt zu erlassenden neuen StGB, mit Rücksicht auf das erhöhte Schutzbedürfnis der Umfang des Strafrechtschutzes erweitert wird. Es ist also zu verstehen, daß in dem AE. 25 die Zahl der neuen strafrechtlichen Tatbestände weit die Zahl der in Wegfall gebrachten überschreitet. Auch das neue StGB, soll — das sei hier nochmals betont — nicht für die Ewigkeit geschaffen sein. Ehe ich nach diesen allgemeinen Erörterungen auf den Umfang des Strafrechtschutzes im AE. 25 näher eingehe, muß ich noch ernstliches Bedauern darüber aussprechen, daß der AE. 25 grundsätzlich die E i n a r b e i t u n g der s t r a f r e c h t l i c h e n Nebengesetze ablehnt. Diese Einarbeitung ist eine seit langem von der Strafrechtswissenschaft allgemein gestellte Forderung. Es wird mit Recht dafür geltend gemacht, daß sich ohne Einarbeitung das Strafrecht in eine Fülle von Einzelgesetzen auflöst, womit nicht nur eine bedenkliche Unübersichlichkeit herbeigeführt wird, sondern auch die Gefahr von Unstimmigkeiten in den allgemeinen strafrechtlichen Grundsätzen entsteht. Diese Gründe haben jetzt durch die zahlreichen Gelegenheitsgesetze der Kriegs- und Nachkriegszeit, die wahrlich einer Sichtung bedürfen, eine erhöhte Bedeutung erhalten.
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Wenn trotzdem die Einarbeitung grundsätzlich abgelehnt wird, so können die für diesen Standpunkt in der Begr. 25 angeführten Gründe nicht als stichhaltig angesehen werden. Ein großer Teil dieser Gründe stimmt übrigens im wesentlichen überein mit den schon in der Begr. 09 für die Nichteinarbeitung angegebenen. Es bleibt also ganz unberücksichtigt, daß inzwischen der GE. 11 den Beweis für die Möglichkeit einer Einarbeitung von Nebengesetzen, soweit eine solche wünschenswert erscheint, erbracht hat, und daß Prof. Kriegsmann in einer dem GE. 11 beigefügten Denkschrift die leitenden Gesichtspunkte für die Einarbeitung in vortrefflicher Weise dargelegt hat. Niemand fordert, daß alle strafrechtlichen Nebengesetze eingearbeitet werden. Es wird vielmehr allgemein zugegeben, daß da, wo große Materien — wie z. B. die soziale Arbeiterversicherung, das Steuer- und Abgabewesen — in einem Gesetze geregelt sind, die beigefügten Strafbestimmungen nicht ohne Gefahr für das Verständnis aus. dem Zusammenhange herausgerissen werden können. Man kann über die Zahl dieser nicht einzuarbeitenden Gesetze verschiedener Meinung sein, aber man wird nicht bestreiten können, daß es eine große Zahl von Gesetzen gibt, die ausschließlich oder doch überwiegend strafrechtlichen Inhalt haben, und weiter Gesetze, bei denen sich die strafrechtlichen Bestimmungen ohne Gefähr für das Verständnis in ein StGB, einarbeiten lassen. Es würde zu weit führen, dies hier näher darzulegen. Ich möchte nur an ein paar Beispielen die eigenartige Stellung der Verfasser des AE. 25 kennzeichnen. Zunächst die Nichteinarbeitung der Strafbestimmungen der Konkursordnung. Für die Einarbeitung wird mit Recht geltend gemacht, daß die konkursrechtlichen Strafbestimmungen ursprünglich in dem 24. Abschnitt des RStG. unter der Überschrift »Bankerutt« gestanden haben und daß jetzt die an deren Stelle getretenen Bestimmungen der KO. in jedem, auch dem kleinsten Kommentare zum RStG. an dieser Stelle eingerückt sind und erläutert werden. Es wird weiter angeführt, daß die mit diesen Bestimmungen zusammenhängende Materie der Vollstreckungsvereitelung im § 288 RStG. geregelt ist und auch im § 293 VE. 09, im § 374 K.E. 13 und im § 387 E. 19 ihre Regelung gefunden hat. Was tut nun der AE. 25? Er entfernt auch die Strafbestimmungen gegen die Vereitelung der Zwangsvollstreckung aus dem StGB, und begründet das mit dem kurzen Satze, »weil sie mit den konkursrechtlichen Vorschriften nahe verwandt sind« (Begr. 25, S. 169).
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Weiter: Da die elektrische Energie nicht als bewegliche Sache im Sinne des § 242 RStG. angesehen und deren Entziehung deshalb nicht als Diebstahl bestraft werden konnte, wurde am 9. April 1900 ein besonderes Gesetz betr. die Bestrafung der Entziehung elektrischer Arbeit erlassen. Der VE. 09 hatte dieses Nebengesetz dadurch eingearbeitet, daß er einfach im § 12, Z. S die Bestimmung aufgenommen hat, »dieses Gesetz versteht unter einer beweglichen Sache auch die in einer elektrischen Anlage oder Einrichtung enthaltene Energie«. Der AE. 25 lehnt die Einarbeitung des Gesetzes vom 9. April 1900 ab und führt dafür hauptsächlich an (Begr. 25, S. 1 5 1 ) , »weil die Möglichkeiten der Verwendung elektrischer Arbeit ständigen Änderungen unterworfen sind«, »Das auf die Dauer berechnete S t G B , würde durch solche Einarbeitung mit Vorschriften belastet, die mit den technischen Fortschritten fortlaufend in Einklang gebracht werden müßten«. Hier macht sich also der in der Begr. 25 häufiger zum Ausdruck gebrachte, von mir oben zurückgewiesene Glaube an eine lange Dauer eines Strafgesetzbuchs geltend. Endlich: § 269a RStG. enthält auf Grund des Reichsgesetzes vom 26. Februar 1876 eine Strafbestimmung gegen unbefugte Fischerei in Küstengewässern. Sie ist auch in den VE. 09 im § 297, in den KE. 13 im § 387 und in den E. 19 im § 399 übergegangen. Der AE. 25 streicht diese »für die Seefischerei unentbehrliche Strafvorschrift« »im Interesse der Rechtsangleichung«, weil sie für das österreichische Rechtsgebiet »gegenstandslos« sein würde, und will dafür im Einführungsgesetze Ersatz schaffen. Ja, ich bin sicherlich ein warmer Freund der Rechtsangleichung mit Österreich, und ich habe aufrichtig begrüßt, daß hervorragende österreichische Kriminalisten an der Aufstellung des AE. 25 mitgearbeitet haben, wie wir ja auch ihre Mitarbeit an diesem Sammelwerke herbeigeführt haben. Ich würde mich selbstverständlich sehr freuen, wenn es gelingen würde, daß das neue österreichische StGB, mit dem neuen deutschen StGB, nicht nur in den Grundanschauungen, sondern auch in der Abgrenzung der einzelnen Tatbestände .übereinstimmte. Aber, ich halte es für eine Utopie, solange Deutschösterreich ein selbständiger politischer Staat ist, daran zu denken, für Deutsch-Österreich und für Deutschland das g l e i c h e Strafgesetzbuch zu schaffen. Wer diese Hoffnung hegt, vergißt n. m. M. die trotz aller kulturellen Gemeinschaft bestehenden recht verschiedenartigen politischen Verhältnisse in den beiden
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Staaten. Wenn, wie es scheint, die Verfasser des AE. 25 dieser Utopie nachgehen 1 ), so erhöhen sie die so schon vorhandenen parlamentarischen Schwierigkeiten für das Zustandekommen des neuen StGB. Glauben sie wirklich, daß das deutsche Parlament sich damit einverstanden erklären wird, eine in das Strafgesetzbuch gehörende »unentbehrliche Vorschrift« fortzulassen und in ein Nebengesetz — wenn dieses auch das Einführungsgesetz sein sollte — zu bringen, bloß deshalb, weil diese Vorschrift für Österreich »gegenstandslos« ist ? Es liegt doch wirklich näher, daß das österreichische StGB, die dort gegenstandslose Vorschrift einfach fortläßt. Und wie verträgt sich dieses Vorgehen mit der Tatsache, daß AE. 25 in einem viel wichtigeren Punkte, nämlich in der Beibehaltung der Todesstrafe für Mord, auf die Rechtsangleichumg mit Österreich, das die Todesstrafe verfassungsmäßig abgeschafft hat, verzichtet? Doch genug hiervon! Die angeführten Beispiele dürften genügend zeigen, wie wenig stichhaltig die Gründe des AE. 25 für die grundsätzliche Ablehnung der Einarbeitung der Nebengesetze sind. Zugleich beweisen sie, daß der AE. 25 in diesem Punkte noch hinter dem VE. 09 zurücksteht, indem er noch weit mehr Strafvorschriften als der VE. 09 in die Nebengesetze verweist. Für die hier von mir behandelte Frage aber muß festgestellt werden, daß der AE. 25 infolge der Nichteinarbeitung der strafrechtlichen Nebengesetze ein unvollständiges Bild über den Umfang des strafrechtlichen Rechtsgüterschutzes bietet. Und nun zu den N e u e r u n g e n des AE. 25! Ich beschränke mich hier auf diejenigen Änderungen, die der Bes. T. des ersten Buches gegenüber dem geltenden StGB, bezüglich des Rahmens des Strafrechtsschutzes enthält. Es werden also nicht berücksichtigt: einerseits die Übertretungen des zweiten Buches und andererseits solche Änderungen, die sich als Folgen von neuen Bestimmungen im Allg. T. ergeben, wie vor allem die durch die Neuregelung der Teilnahmelehre herbeigeführten. Auch lasse ich Änderungen unerwähnt, die mit der Neuordnung unseres Staatswesens zusammenhängen, z. B. den Fortfall von Strafvorschriften für Beleidigungen des Kaisers, des Landesherrn, von Bundesfürsten, Regenten usw. oder von Delikten, *) Vgl. Begr. 25, S. 5, wo es als »ausschlaggebend«
für die
Nichtein-
arbeitung der Nebengesetze überhaupt angeführt wird, »daß ein Versuch
der
Einarbeitung das Zusammenwirken mit Österreich auf das äußerste erschwert, ja unmöglich gemacht haben würde«.
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die mit der nicht mehr bestehenden allgemeinen Wehrpflicht zusammenhängen. Im übrigen kann ich hier lediglich eine gedrängte Zusammenstellung der wichtigsten Neuerungen geben. Ich werde sie mit Stichworten anführen, zumeist mit den Überschriften, welche die betr. Paragraphen im AE. 25 erhalten haben. Alles Nähere muß den nachfolgenden Aufsätzen der Mitarbeiter vorbehalten bleiben. A. Der AE. 25 enthält folgende neue s t r a f r e c h t l i c h e Tatbestände: 1. Ausspähung von Staatsgeheimnissen als Landesverrat (§ 9i). 2. Landesverräterische Fälschung (§ 93). 3. Bandenkrieg (§ 96). 4. Öffentliche Beschimpfung verfassungsmäßiger Körperschaften (§ 100). 5. Schutz von Wahlen und Abstimmungen gegen Täuschung, Verhinderung und Geheimnisverletzung (§§ 104, 107, 108). 6. Neutralitätsverletzung (§ 113). 7. Erschleichung eines Amtes und der Befähigung zu einem Amte (§§ 139, 140). 8. Aufwiegelung von Polizeibeamten und Gefangenenaufsehern (§ 145). 9. Beschimpfung der Reichsfarben (§ 150). 10. Falsche uneidliche Aussage (§ 175). 11. Fälschung und Unterdrückung von Beweismitteln (§§ 177, 178). 12. Komplott und Bande (§ 183). 13. Vorbereitung der Fälschung von öffentlichen Urkunden oder Beglaubigungszeichen (§ 191). 14. Verhinderung (Sabotage) eines lebenswichtigen Betriebes (§ 214). 15. Verleitung zum Selbstmord (§ 224). 16. Ankündigung von Abtreibungsmitteln (§ 229). 17. Lebensgefährdung (§ 231) — wegen der Fassung des Tatbestandes vgl. die Bedenken von Radbruch, S. 314 f. 18. Ehrennötigung (§ 254). 19. Schändung durch Mißbrauch einer Widerstandsunfähigen zur Unzucht (§ 257). 20. Nötigung Abhängiger zum außerehelichen Beischlaf (§ 262). 21. Unzucht mit minderjährigen Abkömmlingen (§ 264).
A s c h r o t t , Der Besondere Teil des Entwurfs 1925.
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22. Frauen- und Kinderhandel (§ 276). 23. Indiskretionsdelikt (üble Nachrede ohne Zulassung des Wahrheitsbeweises) (§ 285, Abs. 4) — vergl. dazu Kronecker, S. 334 ff24. Schmäh ungsdelikt (Vorwurf einer strafbaren Handlung) (§ 289). 25. Vermögensschädigung durch dauernde Entziehung von Sachen (§ 304). 26. Erschleichung freien Zutritts (§ 313). 27. Abhaltung vom Mitbewerben bei öffentlichen Versteigerungen und Vergebungen (§ 321). 28. Gewaltanwendung des Wilderers (§ 332). 29. Mißbrauch von Rauschgiften (§§ 335—342) x). B. Gegenüber dieser großen Zahl neuer Straftaten ist die Zahl der in Fortfall gekommenen Strafrechtstatbestände des geltenden Rechts nur äußerst gering. Dabei erscheint es richtig, diejenigen Tatbestände nicht zu berücksichtigen, die zwar in den AE. 25 nicht übernommen sind, von denen aber die Begr. 25 ausdrücklich hervorhebt, daß sie im Einführungsgesetze oder in sonstigen Nebengesetzen Platz finden sollen. Außer den oben erwähnten §§ 288 und 296 a RStG. trifft dies z. B. zu für § 290 RStG. (Anmaßung des Gebrauches verfallener Sachen durch öffentliche Pfandleiher). An T a t b e s t ä n d e n d e s RStG., d i e n a c h d e r Begr. 25 g a n z f o r t f a l l e n s o l l e n , finde ich nur folgende: 1. Verletzung der Dingpflicht von Zeugen, Geschworenen und Schöffen ( § 1 3 8 RStG.). 2. Widernatürliche Unzucht von Menschen mit Tieren ( § 1 7 5 RStG.). 3. Verleitung zum außerehelichen Beischlaf durch Irrtumserregung (§ 179 RStG.) 4. Bruch des Heuervertrages (§ 298 RStG.). Vielleicht könnten hierher auch die Fälle gezählt werden, wo die bisherige Strafbarkeit des Versuchs einer Straftat in Fortfall gekommen ist. Allerdings müßten dann die weit häu') Wenn hier im § 340 in Anlehnung an eine Bestimmung des Notgesetzes vom 4. Februar 1923 das Verabreichen von Tabakwaren an Jugendliche als kriminelles Unrecht aufgenommen ist, so erscheint mir dabei der an sich zu billigende Gedanke des Schutzbedttrfnisses der Jugendlichen doch Uberspannt zu sein (vgl. Mamroth S. 378 der auf den § 340 das Wort »Schießen mit Kanonen auf Spatzen« anwendet). — Übrigens wird von der ärztlichen Wissenschaft Tabak nicht als Rauschgift angesehen.
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figeren Fälle, bei denen die Strafbarkeit des Versuchs erst im AE. 25 neu eingeführt worden ist, oben zu A. hinzugezählt werden. Nebenbei möchte ich bemerken, daß mir in den meisten Fällen das Fortfallen der Strafbarkeit des Versuchs im AE. 25 bedenklich erscheint, z. B. bei der Nötigung (§253), der Sachbeschädigung (§ 294) und der Unterschlagung (§ 301). C. Der Umfang des strafrechtlichen Schutzes erleidet aber nicht nur durch die Aufstellung neuer Tatbestände und das Fortlassen bisheriger Tatbestände tiefgreifende Veränderungen, sondern auch in zahlreichen Fällen durch die abweichende Regelung, welche die einzelnen strafrechtlichen Tatbestände im AE. 25 gefunden haben. Das Nähere darüber ergibt sich aus den nachfolgenden Aufsätzen der Mitarbeiter. Hier möchte ich nur einige Beispiele anführen, die mir besonders wichtig erscheinen oder an die ein paar kurze Bemerkungen anzuknüpfen sind. 1. E r w e i t e r u n g des s t r a f r e c h t l i c h e n S c h u t z e s a b w e i c h e n d e F e s t s t e l l u n g des T a t b e s t a n d e s . .
durch
a) Dadurch, daß der Beamtenbegriff für das Strafrecht im § 11, Z. 3 des AE. 25 gegenüber dem § 359 RStG. erheblich erweitert worden ist und jetzt nicht nur die im Reichs- oder Landesdienst Angestellten umfaßt, sondern alle, die berufen sind, ein öffentliches Amt auszuüben, erhalten alle Strafbestimmungen wegen Verletzung der Amtspflicht (Abschn. 7) eine umfassendere Anwendung. Ob es nötig war, deshalb den neuen und nicht schönen Ausdruck »Amtsträger« einzuführen, erscheint mir zweifelhaft. Der £ . 1 9 behielt im § 9, Z. 4 für den gleichen erweiterten Begriff den Ausdruck »Beamter« bei 1 ). b) Im § 180 wird der Tatbestand der falschen Anschuldigung wesentlich erweitert, vor allem dadurch, daß darunter auch der Fall einbegriffen ist, daß einer Behörde ohne Verdächtigung einer bestimmten Person das Vorliegen einer strafbaren Handlung, die überhaupt nicht begangen wurde, »vorgetäuscht« wird. c) § 184 erweitert den Kreis der anzeigepflichtigen Verbrechen; wie aber Kadeöka S. 288 nachweist, muß in dieser Richtung noch erheblich weiter gegangen werden. d) Nach § 187 ist schon die Fälschung einer Urkunde strafbar, nicht erst, wie bisher, der Gebrauch einer falschen Urkunde. ') Es ist wohl ein Flüchtigkeitsfehler, wenn im § 290, Abs. 2 das Wort »Beamter« stehen geblieben ist.
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e) § 261 bestraft denjenigen, der ein Mädchen unter 16 Jahren verführt, ohne Rücksicht auf die Unbescholtenheit des Mädchens, die bisher Voraussetzung für die Bestrafung war. f) Nach § 316 kann Gegenstand der Hehlerei nicht nur die gestohlene Sache sein, sondern auch deren Erlös und die dafür angeschaffte Sache. Damit wird eine empfindliche Lücke des bisherigen Strafschutzes ausgefüllt. Zugleich stellt § 318 auch fahrlässige Hehlerei unter Strafe. g) § 324 bestraft jeden, der sich an einem öffentlichen Glückspiel beteiligt, wobei der Begriff »öffentlich« im § 323, Abs. 2 wesentlich ausgedehnt wird und das bisherige Erfordernis der Gewerbsmäßigkeit weggelassen ist. Mamroth S. 369 führt die gegen diese Erweiterung bestehenden Bedenken des Näheren an. 2. E i n s c h r ä n k u n g des s t r a f r e c h t l i c h e n Schutzes durch a b w e i c h e n d e F e s t s t e l l u n g des T a t b e s t a n d e s : a) § 202 enthält zwar insofern eine Erweiterung des Delikts der vorsätzlichen Brandstiftung, als er von der im RStG. gegebenen kasuistischen Aufzählung der Objekte, an denen Brandstiftung verübt werden kann, absieht und Brandstiftung allgemein an eigener oder fremder Sache regelt. Aber wichtiger als diese Verallgemeinerung ist die Einschränkung des Delikts dadurch, daß zu seiner Vollendung nicht mehr, wie bisher, das Inbrandsetzen von Sachen genügen soll, sondern daß ein Brand von größerer Bedeutung nach Umfang oder Gefährlichkeit herbeigeführt sein muß. An einer fremden Sache muß eine »Feuersbrunst« verursacht sein (nebenbei, ein Begriff, der aus dem österreichischen Rechte entnommen und dem reichsdeutschen Sprachgebrauch nicht geläufig ist; er soll nach der Begr. 25 einen Brand von erheblicher Ausdehnung bedeuten), bei der Inbrandsetzung der eigenen Sache muß durch die Inbrandsetzung eine »Gemeingefahr« herbeigeführt sein. Es kann nicht zweifelhaft sein, daß durch diese Einschränkung eine große Anzahl von Fällen, in denen bisher Verurteilung wegen Brandstiftung erfolgte, überhaupt der Bestrafung entzogen werden oder nur als Sachbeschädigung und vielleicht als versuchte Brandstiftung zur Bestrafung gelangen werden. Das aber erscheint mir bedenklich, da fast jede vorsätzliche Brandstiftung eine abstrakte Gefahr in sich schließt und bei der Häufigkeit von vorsätzlichen Brandstiftungen die generalprävenierende Wirkung der Strafandrohung nicht abgeschwächt werden darf. b) § 238 enthält die ausdrückliche Vorschrift, daß ärzt-
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Besonderer T e i l .
liehe Eingriffe, die der Übung eines gewissenhaften Arztes entsprechen, nicht als Körperverletzung anzusehen sind. c)
§ 273, Abs. 2 beschränkt die Wohnungskuppelei gegenüber Personen über 18 Jahren auf den Fall, daß sie ausgebeutet oder zur Unzucht angeworben oder angehalten werden. d) § 275, Abs. 2 schließt die Duldung des Beischlafes zwischen Verlobten ausdrücklich von der Bestrafung wegen Kuppelei aus. e ) § 3°6 schränkt den Tatbestand der Erpressung auf die Fälle der Nötigung ein: a) durch Gewalt oder g e f ä h r l i c h e Drohung, ß) zu einer Handlung, Duldung oder Unterlassung, die für das Vermögen des Genötigten oder eines Dritten nachteilig ist. D) Und nun noch ein paar W ü n s c h e bezüglich des Umfanges der Pönalisierung, die der AE. 25 unerfüllt läßt: 1. Eine Erweiterung erscheint mir dahin nötig, daß die Gebrauchanmaßung, furtum usus, allgemein unter Strafe gestellt wird. Ich kann der Begr. 25 nicht zustimmen, wenn sie auf S. 169 diese vielfach erhobene Forderung mit dem Bemerken ablehnt, daß der privatrechtliche Ausgleich genüge. Gegen diese Begründung sei hier nur auf den jetzt häufig vorkommenden Fall des sogenannten »Schwarzfahrers« hingewiesen, des Chauffeurs, der die Abwesenheit seiner Dienstherrschaft benutzt, um mit deren Auto eine — häufig tolle — Fahrt zu machen, bei der nicht selten das Auto oder Menschen beschädigt werden. Ein Schadensersatz ist von dem in der Regel vermögenslosen Mann nicht zu bekommen. Das Rechtsgefühl verlangt aber hier ebenso eine Bestrafung wie im 'Falle des »blinden Passagiers«, gegen den der AE. 25 im § 313 das neue Delikt der Erschleichung freien Zutritts eingeführt hat. Es liegen hier zwei ganz ähnlich gelagerte Straftaten vor. Wenn das Reichsgericht den Chauffeur wegen Diebstahls oder Unterschlagung des bei der Fahrt verbrauchten Benzins bestraft haben will, so ist das n. m. M. eine offenbare Verlegenheitsentscheidung, die nur das Bestehen einer Lücke im RStG. dartut. 2. Einer Einschränkung dürfte der Strafschutz bei den Sittlichkeitsdelikten bedürfen 1 ).
*) Ober andere hier vielfach des Schutzalters
geforderte Ä n d e r u n g e n ,
im § 259 auf 1 6 Jahre,
( § 280) vgl. Kronecker, S. 326 u. 332.
und
z. B . die E r h ö h u n g
die Straflosigkeit des Ehebruchs
A s c h r o t t , Der Besondere Teil des Entwurfs 1925.
a) Eine allgemeine Bestrafung der Unzucht zwischen Männern, wie sie Abs. 1 des § 267 aufstellt, erscheint mir nicht gerechtfertigt und aus den verschiedensten schon häufig geltend gemachten Gründen (vgl. darüber Kronecker, S. 328, insbes. Anm. 2) bedenklich. Ich würde vorschlagen, die Bestrafung auf die im Abs. 2 des § 267 angeführten Fälle zu beschränken. b) Ebenso erscheint es mir zu weitgehend, wenn im § 263 als Blutschande auch der Beischlaf unter Verschwägerten aufund absteigender Linie bestraft wird. Abgesehen davon, daß der Ausdruck »Blutschande« auf diese Fälle nicht paßt, da hier von einer naturwidrigen Blutvermischung nicht die Rede sein kann, trifft der in der Begr. für die Bestrafung angeführte Grund, Schutz der Sittenreinheit und der Familie, jedenfalls dann nicht zu, wenn die Ehe, durch welche die Schwägerschaft begründet wurde, bereits gelöst ist. Aber der für die Strafbarkeit angeführte Grund liegt überhaupt bei Verschwägerten zu fern, um die Bestrafung zu rechtfertigen. Bei der ganzen Bestimmung dürften religiöse Gedanken, die sich auf frühere kirchliche Eheverbote stützen, eine Rolle gespielt haben. II. Die Formulierung und Einordnung der strafrechtlichen Tatbestände im AE. 25. Wenn auch bei jedem Gesetze auf eine klare und Mißverständnisse ausschließende Fassung Wert gelegt werden muß, so hat diese Forderung doch bei einem Strafgesetzbuche eine ganz besondere Bedeutung. Es ist, wie v. Liszt einmal treffend gesagt hat, die Magna Charta Libertatis. Es handelt sich dabei um die höchsten Güter des menschlichen Daseins. Die Ausdrucksweise eines StGB, muß aber nicht nur klar und bestimmt sein, sondern auch leicht verständlich und volkstümlich. E s ist ein Gesetz, das jeden angeht, das jeder kennen und auch ohne juristische Unterweisung verstehen muß. Man wird, wie man auch sonst zum AE. 25 steht, anerkennen können, daß er in dieser Hinsicht erhebliche Verbesserungen gegenüber dem geltenden RStG. bringt. In allen Stadien der Vorbereitung des neuen StGB, ist auf die klare Formulierung der Tatbestände viel Arbeit verwendet worden. Schon der VE. 09 brachte große Verbesserungen. Bei jedem weiteren Stadium ist man mit Erfolg bemüht gewesen, hier weiter fortzuschreiten 1 ). *) Als ein Beispiel vgl. man den schwerfälligen und für einen Laien kaum verständlichen § 102 des RStG. mit § 123 VE. 09 und dann § 160 E. 19, der in der Fassung mit § 110 AE. 25 gleichlautend ist. R e f o r m des S t r a f g e s e t z b u c h s .
I5
226
i . Buch.
Verbrechen und V e r g e h e n .
Bersonderer T e i l .
Dabei hat die Neuerung, daß im Allg. T. als Sprachgebrauch des Gesetzes eine Reihe Legaldefinitionen von Ausdrücken und Begriffen, die im Gesetz häufiger vorkommen, gegeben werden, ein brauchbares Hilfsmittel geliefert, um die Tatbestände des Bes. T. einfacher und damit verständlicher ,zu gestalten. Man hat deshalb die Zahl solcher Legaldefinitionen allmählich erhöht. Im § 11 AE. 25 werden 12 gegeben 1 ). Außerdem finden sich aber noch zwei Legaldefinitionen im Bes. T., nämlich für den Begriff »Geld« im § 201 und für den Begriff »Kuppelei« im § 272. Sie sollten in den § 11 aufgenommen werden. Das gleiche gilt vom § 4, Abs. 2, wo der Begriff »Inland« im Sinne des Gesetzes erläutert wird. Das würde 1 5 Legaldefinitionen ergeben gegenüber fünf im VE. 09. Man ist weiter mit Recht bemüht gewesen, die Tatbestände elastischer zu gestalten und damit die unerfreuliche Kasuistik im RStG. zu beseitigen, die sich in der Praxis doch nie als erschöpfend erwiesen hat und die Anwendbarkeit der Strafvorschrift in unerwünschter Weise einschränken mußte. Die Erfahrung lehrt, daß sich der verbrecherische Angriff allen neuen Einrichtungen, Erfindungen und Verkehrsformen sehr schnell anpaßt, sodaß sich bei einer kasuistischen Formulierung des Tatbestandes immer wieder die Notwendigkeit neuer Strafvorschriften ergibt. Obwohl der AE. 25 recht viel Kasuistik ausgemerzt hat, so glaube ich doch, daß, ohne die selbstverständlich zu vermeidende Gefahr von kautschukartigen Bestimmungen zu laufen, hier noch weiter gegangen werden könnte. Ein Beispiel stehen gebliebener Kasuistik enthält vor allem § 297; ich komme darauf noch unten S. 240 Anm. 1 zurück. Der elastischeren Gestaltung der Tatbestände hat die Einführung des Begriffs der »besonders schweren Fälle« im Allg. T. § 76 gute Dienste geleistet. Es ist von diesem neuen Begriffe im Bes. T. vielfach Gebrauch gemacht worden. Ein näheres Eingehen auf den Begriff und auf die richtige Abgrenzung der besonders schweren Fälle von den qualifizierten Tatbeständen möchte ich hier aussetzen, da es mir richtiger erscheint, diese Fragen im folgenden Abschnitte bei der Erörterung der Strafsätze im Zusammenhang zu behandeln. Dort spielt das Problem *) E i n e n ausreichenden Grund dafUr, daß die L e g a l d e f i n i t i o n des Begriffs »Angehöriger« nicht im § 1 1 sätze 2 des § 11
unter Z . 12, sondern
angeführt wird,
diesen Schönheitsfehler
beseitigen.
vermag
ich nicht
in einem
besonderen
zu erkennen.
Man
Absollte
A s c h r o t t , Der Besondere Teil des Entwurfs 1925.
227
eine wichtige Rolle, und dort wird auch über die besonders leichten Fälle und über privilegierte Tatbestände noch einiges zu sagen sein. Im übrigen kann die Frage, ob die Tatbestände richtig formuliert sind, nur bei der eingehenden Erörterung der einzelnen Straftaten zutreffend beantwortet werden; sie gehört daher in das eigentliche Arbeitsgebiet der nachfolgenden Aufsätze. Dort werden auch manche Bedenken gegen die Formulierung einzelner Tatbestände geltend gemacht. Doch glaube ich, hier in der Einleitung das Gesamturteil dahin aussprechen zu können, daß der AE. 25 in der F o r m u l i e r u n g der T a t b e s t ä n d e erh e b l i c h e F o r t s c h r i t t e bringt, was nicht ausschließt, daß er, wie alles Menschenwerk, weiter verbesserungsfähig ist. V e r b e s s e r u n g s b e d ü r f t i g ist der AE. 25 in dem A u f b a u des Bes. T., in der Art, wie er die Straftaten einordnet und aufeinander folgen läßt. Diese Frage, bei der übrigens auch der eine oder andere der Mitarbeiter auf dem von ihm speziell behandelten Gebiete manche Einwendungen gegen den AE. 25 ausspricht, glaube ich hier grundsätzlich behandeln zu sollen. Wie wichtig der sich dabei ergebende Fragenkomplex ist, hat der Altmeister legislativer Technik, Exzellenz Dr. Wach, in einer Reihe von Arbeiten überzeugend dargetan 1 ). Ich möchte dem nur hinzufügen, daß die Bedeutung der Fragen sich noch erhöht hat, seitdem bei uns eine umfassendere Mitwirkung des Laienelements in der Strafrechtsprechung eingeführt worden ist. Für diese Laienrichter ist es besonders wichtig, daß der Stoff in logischer Weise angeordnet wird, sodaß sich jeder in dem Gesetzbuche leicht zurechtfindet, und daß nicht Bestimmungen an einer Stelle stehen, wo sie kaum jemand suchen würde. Die Bestimmungen müssen so übersichtlich und klar aufeinanderfolgen, daß auch ein Laienrichter sie schnell aufzufinden vermag. Der VE. 09 glaubte, zu diesem Zwecke den Bes. T. (abgesehen von den Übertretungen) in vier Bücher einteilen zu sollen, nämlich Verbrechen und Vergehen 1. gegen den Staat, 2. gegen Einrichtungen des Staates, 3. gegen die Person, 4. gegen das Vermögen. Das war ein Fehlschlag. Abgesehen davon, daß durch diese Einteilung in Bücher das Strafgesetz einen lehrbuchartigen Charakter erhielt, gibt es eine ganze Anzahl von Straf') Vgl. vor allem V D A . VI., 1 ff. und Aschrott — v. Liszt I, 1 ff.
'5*
228
Buch. Verbrechen und Vergehen. Besonderer Teil.
taten, die zwar eine Verletzung der Person oder des Vermögens enthalten, aber darüber hinausgehend die Interessen der Allgemeinheit berühren und in erster Linie wegen dieser allgemeinen Interessen unter Straf schütz gestellt sind. So ergab z. B. die Einreihung der Urkundenfälschung unter die Straftaten gegen das Vermögen ein unrichtiges Bild. Die späteren Entwürfe haben deshalb mit Recht diese Büchereinteilung wieder aufgegeben. Der AE. 25 führt — auch hier von den Übertretungen, die in einem zweiten Buche behandelt werden, abgesehen — die Straftaten unter 35 Abschnitten auf; also gegenüber den 28 Abschnitten des RStG. eine nicht unerheblich stärkere Unterteilung. Dabei ist auch noch zu berücksichtigen, daß nicht nur der frühere Abschnitt 24 des ursprünglichen RStG. (Bankerutt) in Wegfall gekommen ist, sondern auch die Abschnitte 2 und 3 (Beleidigung des Landesherrn, von Bundesfürsten). Einen klaren logischen Gedanken für die Aufeinanderfolge der Abschnitte aber habe ich, außer daß die Straftaten gegen den Staat und die staatlichen Einrichtungen — ebenso wie im VE. 09 — voranstehen, nicht entdecken können. Beispielsweise möchte ich nur die Frage stellen: Welche Verwandtschaft besteht zwischen den letzten 4 Abschnitten untereinander und mit den reinen Vermögensdelikten, die ihnen unmittelbar vorangehen? Nach meiner Auffassung ist es aber wünschenswert, daß die Aufeinanderfolge einen klaren logischen Gedanken erkennen läßt. Das dürfte durch folgendes, hier nur kurz skizziertes System zu erreichen sein: Zunächst wären die Straftaten gegen den Staat als Ganzes, dann die gegen die staatlichen Einrichtungen und Interessen zu behandeln, wobei die einzelnen Zweige der staatlichen Betätigung immer zusammenzufassen wären, und am Schlüsse die Straftaten im Amte oder gegen die Amtspflichten (hierüber unten S. 231 noch einiges) ihren Platz finden. Hieran hätten sich die Straftaten gegen die Interessen und Güter der Allgemeinheit zu reihen, insbesondere auch gegen ideale Güter; etwa in folgender Reihenfolge: Gemeingefährliche Handlungen, Fälschungsdelikte, Delikte gegen die Sittlichkeit, gegen Ehe und Familie, gegen das Glückspiel, gegen Mißbrauch von Rauschgiften, gegen Tierquälerei. Dann erst hätten die Straftaten gegen die Rechtsgüter des Individuums zu folgen: gegen Leib und Leben, gegen die persönliche Freiheit, gegen die Ehre, gegen das Vermögen. Bei diesem Vorschlage soll also die Aufeinanderfolge sich
Aschrott,
Der Besondere Teil des Entwurfs 1925.
zunächst danach richten, ob die Straftat die Interessen a) des Staates, b) der Allgemeinheit, c) des Einzelnen verletzt. Innerhalb dieser drei Kategorien aber erfolgt eine weitere Aufteilung, je nach dem verletzten oder gefährdeten Rechtsgute. Diese zweifache Unterteilung dürfte es ermöglichen, daß regelmäßig zwischen zwei aufeinanderfolgenden Abschnitten eine gewisse Gedankenverbindung hergestellt wird. Es soll so vermieden werden, daß ohne innere logische Berechtigung die Straftaten sprunghaft aneinandergereiht werden. Das vorgeschlagene System führt in weiterer Folgerung zu der Forderung, daß in jedem Abschnitt immer nur einigermaßen verwandte Straftaten behandelt werden, die somit eine möglichst einheitliche Gruppe bilden. Auch hiergegen enthält der AE. 25 zahlreiche Verstöße. Ich führe einige Beispiele an: Was (hat der Auswanderungsbetrug (§ 119) mit den Angriffen gegen die Wehrmacht (Aufwiegelung, Verleitung zur Fahnenflucht) gemeinsam? Solange wir eine allgemeine Wehrpflicht hatten, ließ sich wohl ein Gedankenzusammenhang herstellen; heute besteht ein solcher nicht mehr. ¡Was hat weiter das im § 129 gegen jedermann gerichtete Verbot des Gebrauchs unrichtiger öffentlicher Urkunden oder Beglaubigungszeichen mit der Verletzung der Amtspflicht zu tun? Wie kann der Widerstand gegen Wald-, Jagd- oder Fischereiberechtigte im § 143 als Widerstand gegen die Staatsgewalt aufgefaßt werden ? Hat die Verletzung des Briefgeheimnisses (§ 292) oder der Verrat von Privatgeheimnissen (§ 293) nicht viel mehr gemeinsames mit dem Hausfriedensbruch (§ 251) als mit der Beleidigung, mit der diese Delikte im Abschnitte 24 zusammenstehen? Das Verbot der Verletzung fremder Geheimnisse soll doch — ganz ähnlich wie beim Hausfriedensbruch — das Interesse des persönlichen Lebens vor unbefugtem Eindringen schützen. Gegen das RStG. ist vielfach und mit Recht der Vorwurf erhoben worden, daß es besonders im Abschnitte 25 »Strafbarer Eigennutz« die verschiedenartigsten Delikte zusammenfaßt. Der AE. 25 hat daraus eine ganze Reihe neuer Abschnitte gebildet: Glückspiel, unberechtigtes Jagen und Fischen, Rechtsvereitelung. Aber auch die Zahl der Abschnitte muß eine Grenze haben, wenn nicht aus dem Zuviel wiederum Unübersichtlichkeit "entstehen soll. Was hat der Abschnitt 31 »Rechtsvereitelung« für einen Sinn, wenn darunter außer dem aus dem Abschnitt 25 des RStG. übernommenen und etwas erweiterten § 289 nur noch e i n e Straftat steht: das Abhalten vom Bieten (richtiger vom
i. Buch.
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Verbrechen und Vergehen.
Besonderer Teil.
Mitbewerben) bei öffentlichen Versteigerungen und öffentlichen Vergebungen (§ 321), die wohl niemand unter Rechtsvereitelung suchen wird. Es ist die Aufgabe des Gesetzgebers, die Abschnitte rationell zu bilden, d. h. unter einer nicht zu eng gefaßten Überschrift verwandte Straftaten zusammenzustellen1). Wenn der Abschnitt 12 statt der Überschrift ¡»Schädigung der Rechtspflege« die Überschrift »Gefährdung der Rechtspflege und des Rechtsverkehrs« erhielte, könnten außer den §§ 180 und 181 darunter der eben erwähnte § 321, ferner der früher erwähnte, nicht in den Abschnitt 7 gehörige § 129, die in den Abschnitt 11 nicht hinein gehörigen §§ 177 und 178 'und der in den Abschnitt 14 nicht hineinpassende § 190 ihren Platz finden. Wenn weiter der Abschnitt 9 statt der Überschrift »Störung der öffentlichen Ordnung« die allgemeinere Überschrift »Friedensstörung« oder »Gefährdung des Friedens und der öffentlichen Ordnung« erhielte, könnten darunter der oben erwähnte § 143 und aus dem jetzt recht bunten Abschnitt 13 die §§ 182 und 183, vielleicht auch § 184 aufgenommen werden. Einen Beleg dafür, wie nötig der AE. 25 einer nochmaligen sorgfältigen Überprüfung der Überschriften bedarf, gibt der Abschnitt 20. Er hat die Überschrift »Verbrechen und Vergehen gegen die persönliche Freiheit oder Sicherheit«, enthält aber kein einziges Verbrechen, sondern nur Vergehen 2 ). Ich würde dem Abschnitt 20 die Überschrift geben: »Verletzung der persönlichen Freiheit, Sicherheit und der Privatgeheimnisse«, um hier die §§ 292, 293, wie oben befürwortet, aus dem Abschnitt 24 aufnehmen zu können. ') Gegen den bringen,
Grundsatz, Verwandtes in einem Abschnitte
zusammenzu-
durfte es verstoBen, wenn die beiden Fälle, in denen ausnahmsweise
die Erfüllung von Verträgen unter Strafschutz gestellt wird, nämlich bei Verträgen
Uber
Kriegsbedürfnisse
und
über
Lebens-
und
Unterhaltsmittel
in
Zeiten gemeiner Not, in verschiedenen Abschnitten behandelt werden, der erstere Fall (§ 95) unter »Landesverrat«, der zweite (§ 219) unter »gemeingefährlichen Handlungen«.
Das RStG. behandelt die beiden Fälle sogar in e i n e m Para-
graphen (§ 329), was aber auch nicht richtig ist, da es sich um zwei verschiedene, wenn auch verwandte Tatbestände handelt. l)
Der AE.
25 vermeidet sonst mit Recht in den Überschriften die im
RStG. vielfach angewandte gehen«.
weitschweifige Bezeichnung »Verbrechen und Ver-
Im Übrigen hat die Unterscheidung zwischen Verbrechen und Vergehen
im AE. 25 wohl noch mehr als bisher nur eine rein formale Bedeutung.
Auf
die Auswirkung der Bestimmung des § 10, Abs. 3 hierbei werde ich im folgenden Abschnitt noch eingehen.
A s c h r o t t , Der Besondere Teil des Entwurfs 1925.
231
Noch ein Wort zu dem Abschnitte 7. Er trägt die Überschrift »Verletzung der Amtspflicht«. Ich halte diese Überschrift an sich für besser als die Überschrift »Verbrechen und Vergehen im Amte«, wie sie das RStG. enthält und auch noch im VE. 09 beibehalten wurde. Die Überschrift »Verbrechen und Vergehen im Amte« besagt, daß hier Straftaten nach der persönlichen Eigenschaft des Täters, nämlich nach seiner Stellung als Beamter, also nach dem Subjekte, zusammengefaßt werden, während doch sonst im Gesetzbuche die abschnittweise Einordnung der Straftaten nach dem Objekte erfolgt, gegen das sie sich richten (Rechtsgüter oder rechtlich geschützte Interessen). Die Überschrift »Verletzung der Amtspflicht« entspricht also mehr dem allgemeinen Prinzipe bei der Einordnung der Tatbestände. Aber man muß sich darüber klar sein, daß mit dieser neuen Überschrift eine Einengung der darunter fallenden Straftaten verbunden ist. Man kann logisch die sogenannten unechten Beamtendelikte nicht unter diese Überschrift bringen, d. h. die Straftaten, die allgemein strafbar sind, und nur, weil sie von einem Beamten begangen werden, eine abweichende Behandlung, insbesondere eine Erhöhung der Strafe, erfahren. Gegen diese Logik verstößt der AE. 25, wenn er im § 127 Diebstahl und Veruntreuung im Amte regelt. Dieser Fehler ist um so auffälliger, als der AE. 25 für andere von Beamten begangene allgemeine Straftaten die Regelung im Anschluß an das betr. Grunddelikt gibt, z. B. im § 266 »Unzucht unter Mißbrauch der Amtsstellung« oder im § 148, wo bei der Befreiung von Gefangenen im Abs. 3 als Strafe Zuchthaus statt Gefängnis bestimmt wird, falls der Täter in oder bei Ausführung seines Amtes handelt. Im übrigen dürften Zweifel berechtigt sein, ob es richtig ist, daß der AE. 25 die allgemeine Straferhöhung aufgibt, wie sie der VE. 09 im §210, der K.E. 13 im § 174 und der E. 19 im § 1 8 1 für alle Straftaten bestimmte, wenn sie von einem Beamten in oder bei Ausübung seines Amtes begangen werden. Für eine solche allgemeine Straferhöhung spricht jedenfalls das staatliche Interesse an der Reinheit und Sauberkeit der Verwaltung und an einem integeren Beamtenstande; ein Interesse, das jetzt noch verstärkt ist, seitdem zu Beamten (oder »Amtsträgern«) vielfach Personen nicht nach ihrer Befähigung und ihrem Charakter, sondern unter Berücksichtigung ihrer politischen Ansichten und ihrer politischen Richtung gewählt werden. Eine all-
2^2
Buch.
Verbrechen und V e r g e h e n .
Besonderer T e i l .
gemeine Straferhöhung würde allerdings ihren richtigen Platz im Allg. T. zu finden haben. Daß der AE. 25 auch den einzelnen Paragraphen Überschriften gibt, ist eine anzuerkennende Verbesserung, da das Auffinden einer Bestimmung dadurch wesentlich erleichtert wird. Einzelne Überschriften lassen sich noch kürzen und verbessern. Z. B. ist die Überschrift zum § 309 unschön und ungenau; statt »Verleitung Minderjähriger zum Schuldenmachen« würde sie besser »Ausbeutung Minderjähriger« lauten. Ein weiterer Vorzug des AE. 25 ist es, daß er im allgemeinen den Paragraphen eine kürzere Fassung gibt. Lange Paragraphen sind unschön und unpraktisch, weil sie ein rasches Auffinden und leichtes Zitieren erschweren. Auch hier lassen sich aber noch Verbesserungen vornehmen; denn der AE. 25 enthält noch manche viel zu lange Paragraphen. So zähle ich z. B. bei § 305 (Raub): 18 Druckzeilen. Dabei ist es ein weiterer Fehler dieses Paragraphen, daß er zwei verschiedene Tatbestände zusammenfaßt: den eigentlichen Raub und den räuberischen Diebstahl. Wenn für beide auch dieselbe Strafe angedroht wird (»ebenso wird bestraft«), so erscheint es mir richtiger, die zwei Tatbestände wie im RStG. (§ 249 ff. und § 252) auseinanderzuhalten und die herkömmlichen Bezeichnungen beizubehalten. Einer Abänderung bedarf jedenfalls der § 100. Unter der hierfür nicht zutreffenden Überschrift »Öffentliche Beschimpfung verfassungsmäßiger Körperschaften« regelt Abs. 2 die Bestrafung der Beschimpfung oder Verleumdung des Reichspräsidenten, und zwar in einem Satze mit den entsprechenden Straftaten gegen Mitglieder der Regierung des Reichs oder eines Landes. Die höchste Autorität im Reiche kann wohl beanspruchen, daß der ihr zukommende Strafschutz in einem besonderen Paragraphen ausgesprochen wird. Übrigens erhebt Rosenberg, S. 248 auch sachlich begründete Bedenken gegen die im § 100, Abs. 2 erfolgte Gleichstellung des Reichspräsidenten mit den Regierungsmitgliedern eines jeden kleinen Freistaates. III. Die Strafsätze des AE. 25. Um ein richtiges Bild über die Strafsätze im Bes. T. zu gewinnen, ist es notwendig, sie im Zusammenhange mit den einschlägigen Bestimmungen des Allg. T. zu betrachten und besonders den dortigen Abschnitt 9 über die Strafbemessung zu berücksichtigen. Ich bin daher genötigt, hier etwas über das Gebiet des Bes. T. hinauszugreifen. Ich werde mir aber bei
A s c h r o t t , Oer Besondere Teil des Entwurfs 1925.
diesem Übergriffe Beschränkungen auferlegen müssen; ich werde nur das aus dem Allg. T. heranziehen und kurz erörtern, was mir zur Klarlegung und Begründung meines Standpunktes zu den Strafsätzen des Bes. T. wichtig erscheint. Der Gesetzgeber gibt durch den, für den einzelnen strafrechtlichen Tatbestand festgesetzten Strafsatz sein rechtliches und sittliches Werturteil über die Strafwürdigkeit der betr. Handlung ab, wobei er die Bedeutung des zu schützenden Rechtsgutes oder rechtlichen Interesses, wie die Schwere und Gefährlichkeit des Angriffs darauf in Berücksichtigung zu ziehen hat. Danach wählt er die Strafart, also insbesondere, ob Zuchthaus oder Gefängnis, und die Strafdauer, wobei er nur die Höchstdauer (»bis zu...«) oder auch die Mindestdauer (»nicht unter...«) festsetzt. Das kann der Gesetzgeber aber immer nur für den ihm vorschwebenden R e g e l f a l l der Straftat tun. Er muß sich dabei bewußt sein, daß es im Leben einerseits über diesen typischen Fall in der Strafwürdigkeit hinausragende und andrerseits hinter ihm zurückbleibende Fälle gibt, bei denen das im Strafsatze zum Ausdruck gebrachte Werturteil nicht zutreffend ist. Soweit es sich um häufiger vorkommende Ausnahmen nach oben handelt, kann er dem durch Aufstellung qualifizierter Tatbestände abhelfen, und ebenso bei häufiger vorkommenden Ausnahmen nach unten durch Aufstellung privilegierter Tatbestände. Bei diesem Abhilfemittel besteht aber die Gefahr, daß der Gesetzgeber bei Aufstellung zu zahlreicher qualifizierter oder privilegierter Tatbestände in eine unerträgliche Kasuistik gerät und doch den Bedürfnissen des Lebens, die sich nicht alle voraussehen lassen und die sich auch mit der Zeit ändern, nicht gerecht wird. Das RStG. hat deshalb noch zu einem anderen Abhilfemittel gegriffen, indem es bei einer großen Zahl von Straftaten durch Zulassung mildernder Umstände dem Richter die Befugnis gibt, auf eine bei jedem einzelnen Tatbestande bestimmte geringere Strafe zu erkennen. Dieses Abhilfemittel hat — abgesehen davon, daß es nur eine Strafmilderung ermöglicht und daß also die Fälle einer über den typischen Fall hinausreichenden Strafwürdigkeit unberücksichtigt bleiben, — nicht befriedigt. Zunächst hat sich, insbesondere infolge der vielfach zu starren, der Bewegungsfreiheit des Richters für die Berücksichtigung der Individualität des Einzelfalles nicht genügenden Spielraum lassenden Strafandrohungen des RStG. die Forderung
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Besonderer Teil.
ergeben, die Zahl der Straftaten, bei denen mildernde Umstände zugelassen werden, zu erweitern. Dieser Forderung ist, wenn auch in unzureichender Weise, in Novellen zum RStG. mehrfach Rechnung getragen worden, wodurch sich der Bes. T. immer kasuistischer gestaltet bat. Vor allem aber hat das System der mildernden Umstände, weil das Gesetz keine Begriffsbestimmung der mildernden Umstände enthält, zu einer schablonenhaften Anwendung und zu einer schlaffen, dem Schutze der Allgemeinheit gegen das Verbrechen nicht genügenden Strafjustiz geführt. Und in der Praxis hat sich dann diese allzugroße Milde der Strafen immer mehr ausgebreitet. — Exzellenz Dr. Wach konnte so unter allgemeiner* Zustimmung in seiner Schrift »Reform der Freiheitsstrafe«, S. 43, den Ausspruch tun, daß wir mit dem System der mildernden Umstände auf Abwege geraten sind. Somit ergab sich die Notwendigkeit, in dem Entwürfe zu einem neuen Strafgesetzbuche Änderungen vorzunehmen. D i e w i c h t i g s t e n Ä n d e r u n g e n des AE. 25 sind folgende: 1. Um dem Richter die Individualisierung des Einzelfalles weitergehend als bisher zu ermöglichen, sind die Strafrahmen im Bes. T. erweitert. Insbesondere ist bei sehr vielen Delikten von der Aufstellung einer Mindeststrafe überhaupt Abstand genommen worden. 2. Der Begriff der mild. U. ist festgelegt, mild. U. sind bei allen Straftaten zugelassen und für die mild. U. ist im Allg. T. ein besonderer Strafrahmen aufgestellt worden, der sich nach der im Bes. T. für die einzelnen Straftaten bestimmten Strafe richtet. 3. Neben dem System der mild. U. ist noch eine weitere Stufe der Strafmilderung für besonders leichte Fälle eingeführt, wobei dem Richter völlig freier Spielraum in der Abmessung der Strafe gelassen ist und er sogar, wo dies im Bes. T. für zulässig erklärt ist, überhaupt von Strafe absehen kann. 4. Um auch die im RStG. ganz fehlende Möglichkeit zu geben, bei einer über den Regelfall erhöhten Strafwürdigkeit die Strafe zu verschärfen, ist im Allg. T. ein System der besonders schweren Fälle eingefügt worden: Der Richter hat bei den im Bes. T. bezeichneten Delikten auf die hier bei den einzelnen strafrechtlichen Tatbeständen angegebene höhere Strafe zu erkennen. Betrachten wir diese Änderungen im einzelnen, wobei ich die Punkte 2 und 3 zusammen behandle.
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Zu 1. E s ist zu begrüßen, d a ß die im RStG. vielfach vorhandene Starrheit der Strafandrohungen aufgegeben ist. E s entsteht aber jetzt die ernste Frage, ob man in der Erweiterung des Strafrahmens f ü r den Regelfall nicht zu weit gegangen ist? E s sind nicht nur die bisherigen Mindeststrafen zum größten Teil beseitigt, sondern man hat auch vielfach die Höchststrafen aufgegeben, sodaß bei einer großen Zahl von Straftaten die Strafandrohung einfach auf Gefängnis oder auf Zuchthaus lautet. Wenn man bedenkt, d a ß danach die Strafe sich zwischen 1 Woche und 5 Jahren Gefängnis resp. zwischen 1 und 15 Jahren Zuchthaus bewegen kann, so ist zu bezweifeln, ob damit noch ein allgemein erkenntliches Werturteil über das betr. Delikt von dem Gesetzgeber abgegeben wird. AE. 25 droht Zuchthaus schlechthin a n : bei landesverräterischer Untreue, Beweisvernichtung und Fälschung (§§ 89, 9°, 93)> bei Geldfälschung (§ 194), bei Brandstiftung (§ 202), bei anderen gemeingefährlichen Handlungen (§§ 203, 204, 205, 206), bei Totschlag (§ 222), bei Lohnabtreibung (§ 228, Abs. 4), bei Lebensgefährdung (§ 231), bei Notzucht und schwerer Schändung (§§ 256, 258), bei Frauen- und Kinderhandel (§276), bei Raub (§ 305), bei Gewaltanwendung des Wilderers (§ 332). Bei einer noch viel größeren Zahl von Delikten wird Gefängnis schlechthin angedroht. E s seien hier nur hervorgehoben: Vergehen bei Wahlen (§§ 103, 104, 106, 107), Richterbestechung (§ 123), Geldverringerung (§ 195), eine Reihe gemeingefährlicher Handlungen (§§ 207, 208, 209, 214, 217, 218), Tötung auf Verlangen (§ 223), Verleitung zum Selbstmord (§ 224), Kindestötung (§ 225), Abtreibung (§ 228), Aussetzung (§ 230), gefährliche Körperverletzung (§ 235), Freiheitsberaubung (§ 249), Frauenraub (§ 250), Nötigung (§§253, 254), Verführung (§ 261), Kuppelei (§ 273), Diebstahl (§296), Erpressung (§ 306), Geldwucher (§ 307), Betrug (§§ 3 1 0 , 3 1 1 ) , Untreue (§ 314), Hehlerei (§ 316), unberechtigtes Jagen (§328). Schon diese keineswegs vollständige Aufstellung zeigt, d a ß Straftaten von recht verschiedener Strafwürdigkeit und Schwere im AE. 25 mit derselben Strafe bedroht werden. Zu 2 u. 3. Durch die Neuordnung des Systems der mild. U. werden die bei der bisherigen Regelung hervorgetretenen Mängel beseitigt. Die Neuregelung dürfte auch im allgemeinen richtig getroffen sein, wobei ich bzgl. der Einzelheiten auf die Ausführungen von Gleispach, S. 191 verweise. Neben den mild. U. will nun der AE. 25 mit den besonders leichten Fällen noch
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Buch. Verbrechen und Vergehen.
Besonderer Teil.
eine weitere Art der Strafmilderung einführen. Bezüglich der für die bes. 1. F. getroffenen Regelung schließe ich mich den von Gleispach S. 192ff. erhobenen Bedenken an, der insbesondere geltend macht, daß die im Abs. 2 des § 75 gegebene Begriffsbestimmung des bes. 1. F. »inhaltlos« ist, daß weiter die dem Richter hier gegebene Freiheit in der Strafmilderung zu grotesken Möglichkeiten führt, so zu der, daß ein eines Mordes Schuldiger nuir mit 3 Mark Geldstrafe bestraft wird, und daß endlich das Absehen von Strafe bei den im Bes. T. aufgeführten Delikten ein richterliches Begnadigungsrecht enthält, dem jedenfalls für Verbrechen und Vergehen nicht zugestimmt werden kann. Aber ich gehe weiter als Gleispach. Ich halte die Aufstellung von zwei Arten von Strafmilderung: einmal in der Form der mild. U. und sodann in der Form der besonders leichten Fälle für des Guten zuviel. Nach meiner Meinung ist e i n e Art der Strafmilderung völlig ausreichend, und ich würde vorziehen, ihr den Namen der »besonders leichten Fälle« zu geben, vor allem, weil mit Rücksicht auf die bisherige mißbräuchliche Handhabung der mild U. durch die neue Namensgebung die Praxis sich eher von der bisherigen Gewohnheit frei machen wird. Ich habe all dies in meinem Beitrage zur Festschrift für v. Liszt (Z. 32, S. 134—148) des Näheren ausgeführt und kann hier nur darauf verweisen. Mein Vorschlag geht kurz dahin, den § 75 ganz zu streichen und im § 73 statt des Ausdruckes »mildernde Umstände« die Bezeichnung »besonders leichte Fälle« zu gebrauchen. Daß übrigens auch Gleispach im Endergebnis gegen zwei Arten von Strafmilderung ist, ergibt sich aus seinem Vorschlage: a) bzgl. der mild. U. den Abs. 2 des § 72 zu streichen und damit die Möglichkeit fortfallen zu lassen, bei Vergehen wegen mild. U. auf eine Geldstrafe zu erkennen, und b) die Bestimmung des § 75 über bes. 1. F. auf Vergehen zu beschränken. In der Tat erscheint es für die Milderung der Regelstrafe ausreichend, wenn bei Verbrechen die Möglichkeit gegeben ist, statt der zeitigen Zuchthausstrafe auf Gefängnis von 3 Monaten herabzugehen, und wenn bei Vergehen auf eine Geldstrafe erkannt werden kann. Hierbei ist noch § 35 zu berücksichtigen, nach dem das Gericht Gefängnis und Geldstrafe bedingt erlassen kann*). ' ) Auch auf § 7 1 , der für Überzeugungsverbrecher an Stelle von Zuchthaus oder Gefängnis die Strafe der Einschließung bestimmt, wäre noch zu verweisen;
A s c h r o t t , Der Besondere Teil des Entwurfs 1925.
Die nicht leicht denkbaren und jedenfalls sehr seltenen Fälle, wo dies noch nicht allen Milderungsbedürfnissen genügen sollte, mag man ruhig der Begnadigungsinstanz überlassen. Dabei möchte ich noch darauf hinweisen, d a ß man recht wohl die im Bes. T. aufgestellten Strafaufhebungs- oder Strafausschließungsgründe erweitern könnte. So für den Fall der tätigen Reue, die im AE. 25 schon weitergehend als im R S t G . und in verschiedener Formulierung berücksichtigt ist (§§ 87, 136, 179, 183, 184, 247, 261, 262). Das wäre kriminalpolitisch ebenso richtig, wie eine weitergehende Berücksichtigung von einander gegenüberstehenden Interessen, insbesondere solchen der Allgemeinheit und des einzelnen, wobei im Falle verständiger Abwägung dieser Interessen Straffreiheit eintreten kann (vgl. §§ l33> 286, 293). Auch eine weitergehende Berücksichtigung des Angehörigenverhältnisses zwischen dem Täter und dem Verletzten ließe sich rechtfertigen; daß AE. 25 die Straflosigkeit eines Diebstahls oder einer Unterschlagung von Verwandten aufsteigender Linie gegen solche absteigender Linie und von einem Ehegatten gegen den anderen (§ 247 Abs. 2 R S t G . ) nicht übernommen hat, erscheint mir jedenfalls nicht billigenswert. Auf all' diese Weise ließe sich eine Befreiung von Strafe in wirklich beachtenswerten Fällen herbeiführen unter Vermeidung der bedenklichen Überschreitung richterlicher Befugnisse, wie sie § 75 Abs. 2 mit dem Absehen von Strafe enthält. Z u 4. Bei der Regelung der besonders schweren Fälle bleibt der AE. 25 auf halbem W e g e stehen. Statt ein generelles System der Strafschärfungen zu schaffen, wie es als Widerspiel zu dem generellen Strafmilderungsrecht des § 73 erforderlich gewesen wäre, beschränkt er sich darauf, bei einzelnen im Bes. T. bezeichneten Delikten Strafschärfung zuzulassen und das Ausmaß der Strafschärfung — statt es einheitlich im Allg. T. festzustellen, wie dies für die Strafmilderungen in den § § 7 2 und 7 3 geschehen ist, — bei jedem Delikt besonders zu ordnen. D i e üblen, bei einer solchen Regelung mit den mild. U. im R S t G . gemachten Erfahrungen finden also keine Beachtung. Sodann aber geht die Begriffsbestimmung der bes. schw. F. (§ 76, doch kann ich auf diese umstrittene Frage hier nicht eingehen. Es wird deshalb auch bei der weiter unten erfolgenden Anführung der Änderungen, die der AE. 25 bezUgl. der Strafsätze und des Strafart bringt, die Androhung von Gefängnis als Regelstrafe (beim Zweikampf) statt der bisherigen Festungshaft nicht erwähnt, weil dies mit der Frage der Einschließungsstrafe für Überzeugungsverbrecher aufs Engste zusammenhängt.
238
i . Buch.
Verbrechen und Vergehen.
Besonderer T e i l .
Abs. 2) viel zu weit, indem sie in den Strafschärfungstatbestand auch Merkmale objektiver Natur (Umstände der Begehung oder verschuldete Folgen) aufnimmt, während die Begriffsbestimmung des Milderungstatbestandes im § 73 nur auf die subjektive Verschuldung abgestellt ist. Auch bzgl. der bes. schw. Fälle stimme ich also im Endergebnis mit Gleispach S. 194 ff. überein: Bes. schw. F. können bei jeder Straftat vorkommen, und sind, unter Einschränkung des Begriffs auf das subjektive Merkmal einer besonders starken Verschuldung, im Allg. T. generell zu regeln, und zwar dahin, daß im Allg. T. ein nach der Strafandrohung für den Regelfall abgestufter höherer Strafrahmen festgesetzt wird 1 ). Eine derartige Relation zwischen der Regelstrafe und der. Schärfungsstrafe hat schon v. Liszt gefordert 2 ). Auf diese Weise wird sich gleichzeitig ein richtiges Verhältnis zwischen qualifizierten Tatbeständen und den bes. schw. F. schaffen und damit die auch von Gleispach gerügte Systemlosigkeit des AE. 25 in dieser Beziehung beseitigen lassen. Wo häufiger vorkommende Umstände objektiver Art, z. B. eine besondere Schutzbedürftigkeit des angegriffenen Gutes, die besondere Gefährlichkeit des Angriffs, die besonders schweren Folgen der Straftat usw. die für den Regelfall festgesetzte Strafe nicht als ausreichend erscheinen lassen, sind qualifizierte Tatbestände mit eigenem Strafrahmen im Bes. T. zu schaffen, während die bes. schw. F. auf die erhöhte subjektive Verschuldung zu beschränken sind 3 ). Auch bei den qualifizierten Tatbeständen, die von Gleispach »Schärfungshilfstatbestände« genannt werden, würden nach meinem Vorschlage die Straferhöhungen für bes. schw. F. allgemein Anwendung finden, ebenso wie die Strafmilderungen in bes. 1. F. auch für qualifizierte Tatbestände Geltung haben würden. Die gewerbsmäßige Begehung einer Straftat scheint mir strafschärfende Umstände subjektiver wie objektiver Art zu enthalten. Gegen ihre Behandlung als Sonderschärfung im ' ) D a s einzige Delikt, bei dem Todesstrafe angedroht ist (Mord) und das einzige Delikt,
b e i dem lebenslanges Zuchthaus angedroht ist (Hochverrat,
bei
dem übrigens alternativ die Strafdrohung auf lebenslanges Zuchthaus oder Zuchthaus nicht unter 10 Jahren geht) kann hier außer Betracht bleiben. ») Aschrott —
v. Liszt I . , 380.
3) D a n e b e n b l e i b e n die allgemeinen Strafschärfungsgründe des § 69 ( G e winnsucht) und des § 77 (Rückfall). wie
oben bei 2)
Hierauf ist hier ebenso w e n i g einzugehen
und 3) auf die allgemeinen Strafmilderungsgründe der §§ 17,
J8, 2 i , 23, 26, 28.
A s c h r o t t , Der Besondere Teil des Entwurfs 1 9 2 5 .
Bes. T. des AE. 25 (§ 140 Abs. 3, § 195 Abs. 4, § 228 Abs. 4, § 299, § 307 Abs. 3, § 3 1 0 Abs. 3, § 3 1 7 , § 326, § 328 Abs. 2, § 3 2 9 Abs. 2) habe ich nichts einzuwenden. Nur würde ich es für richtiger halten, wenn die Strafbestimmungen für die gewerbsmäßige Begehung gleichmäßig immer als besondere Paragraphen formuliert würden, während der AE. 25 dies nur ausnahmsweise bei Diebstahl, Hehlerei und Glückspiel tut. Durch die gewerbsmäßige Begehung erhält das Delikt einen besonderen Charakter. Die jedesmalige Behandlung der gewerbsmäßigen Begehung in einem besonderen Paragraphen erscheint aber nicht nur vom Standpunkte der Gesetzestechnik richtig, sondern ist auch für die leider jetzt in Deutschland im Argen liegende Kriminalstatistik wünschenswert, weil dadurch Irrtümer vermieden werden, die bei der Aufarbeitung der kriminalstatistischen Daten sehr leicht vorkommen können, wenn im Strafgesetze die gewerbsmäßige Begehung in demselben Paragraphen behandelt ist wie das Grunddelikt. Zweifelhaft ist mir dagegen, ob für die Unterscheidung zwischen Verbrechen und Vergehen 1 ) die Bestimmung des Abs. 3 des § 10 beibehalten werden kann. Sie schließt von dem Verbrechensbegriffe Fälle aus, die nach dem Gesetz als zuchthauswürdig behandelt werden, nämlich dann, wenn diese Behandlung auf Grund von Schärfungsvorschriften des Allg. T. erfolgt ist (also z. B. auf Grund des § 76 oder des § 7 7 ) 2 ) . ') Die Unterscheidung hat nicht nur praktische Folgen für die Strafbarkeit des Versuchs und für die Verjährung, sondern beeinflußt auch einzelne Tatbestände des Bes. T „ so die §§ 182, 1 8 3 , J
) Ein Beispiel,
184.
wie wenig befriedigend die sich aus dieser Bestimmung
ergebenden Folgerungen sind: Zwei als Rückfällige im Sinne des § 77
bereits
mit Zuchthaus Vorbestrafte verabreden sich zur Verttbung eines Kirchendiebstahls. Kirchendiebstahl wird nun zwar im § 297 Abs. 1 Ziffer 6 als schwerer Diebstahl bezeichnet, aber für den Regelfall nur mit Gefängnis bedroht.
Obwohl es sich
vorliegend um Gewohnheitsverbrecher handelt, die als für die öffentliche Sicherheit gefährlich bereits erkannt sind und die im Falle der Verübung des Kirchendiebstahls wohl mit Sicherheit wieder auf eine Zuchthausstrafe zu rechnen haben, ist die Verabredung nach § 1 8 3 nicht strafbar.
Und wenn ein Dritter zufällig
Kenntnis von dieser Verabredung erhält, ist er zur Anzeige von dem Vorhaben des Kirchendiebstahls nach § 184 nicht verpflichtet.
Beides lediglich
deshalb,
weil die Verabredung und das Vorhaben nach dem Sprachgebrauche des § 1 0 nicht
auf
ein Diebstahl v e r b r e c h e n ,
sondern nur
auf
ein V e r g e h e n
des
Diebstahls gerichtet ist, wenn auch bei dem hier vorliegenden bes. schw. Fall nach Abs. 2 § 297 auf Zuchthausstrafe für die neue Strafe zu erkennen wäre. (§ 299 wird bei diesem Beispiele als nicht vorliegend angenommen.)
240
I. Buch.
Verbrechen und Vergehen. Besonderer Teil.
Wenn die hier befürworteten Änderungen bzgl. der bes. 1. F. und der bes. schw. F. eingeführt würden, so würde dadurch der Bes. T., in dem all die vielen Bestimmungen über bes. 1. F. und über bes. schw. F. in Fortfall kämen, außerordentlich vereinfacht und von viel Kasuistik befreit werden. Die schärfere Herausarbeitung der Regelstrafe ferner und die Festsetzung der sich danach richtenden Strafe für bes. 1. und für bes. schw. F. im Allg. T. sowie die Einengung des vielfach allzu weiten Strafrahmens (vgl. oben zu i ) würde gleichzeitig die generalprävenierende Wirkung der Strafandrohung eihöhen. Ein Eingehen auf die vielfachen Änderungen, die d e r ^ l f . 25 gegenüber dem RStG. bzgl. der Strafsätze für das Regeldelikt bringt, dürfte hier zuweit führen. Erhöhungen der Strafsätze finden sich ungefähr im gleichen Maße wie Herabsetzungen der Strafsätze. Ich möchte mich darauf beschränken, hier kurz einige Ä n d e r u n g e n i n d e r a n g e d r o h t e n S t r a f a r t noch anzuführen. A ) Zuchthaus wird im AE. 25 als Regelstrafe angedroht, wo das RStG. Gefängnis androht: 1. für Zuhälterei (§ 277). 2. für gewerbsmäßigen Wucher (§ 307 Abs. 3, § 308). 3. für Gewaltanwendung des Wilderers (§ 332). Dazu käme weiter die schwere Körperverletzung, bei der RStG. §§ 224, 226 alternativ Zuchthaus oder Gefängnis androht, während AE. 25 im § 234 nur Zuchthaus bestimmt. B) Gefängnis als Regelstrafe, wo das RStG. Zuchthaus an droht: 1. für Kindestötung (§ 225), 2. für Abtreibung (§ 228), 3. für Entführung (Frauenraub), um die Frau zur Unzucht zu bringen (§ 250) — für Entführung, um die Frau zur Ehe zu bringen, droht auch das RStG. § 236 nur Gefängnis an, 4. für schweren Diebstahl (§ 297). Doch ist hier zu beachten, daß die bisher zum schweren Diebstahl gehörigen Fälle des Einbruchs und des bewaffneten Diebstahls im § 298 behandelt und mit Zuchthaus bedroht sind 1 ), 5. für Versicherungsbetrug (§ 311). ') Das Strafminimum im § 297 müßte jedenfalls erheblich erhöht werden. Es
hat keinen Sinn,
den Strafmindestsatz
des qualifizierten Delikts
—
von
I Woche Gefängnis für das Grunddelikt — nur auf 1 Monat Gefängnis zu erhöhen.
Gegen den § 297 mit seiner unerträglichen Kasuistik bestehen aber auch
241
A s c h r o t t , Der Besondere Teil des Entwurfs 1925.
Dazu könnte man vielleicht noch anführen: die Urkundenfälschung, bei der AE. 25 als Grundstrafe Gefängnis androht (§ 187), während das RStG. hier noch einen qualifizierten Tatbestand mit Zuchthausstrafe kennt (§ 268 RStG.). Und das Gleiche gilt für die Erpressung, bei der AE. 25 § 306 Gefängnis androht, während RStG. für den qualifizierten Tatbestand des § 2 5 4 Zuchthaus bestimmt. Bei Beurteilung dieser Milderungen der Regelstrafe im AE. 25 ist aber zu berücksichtigen, daß einerseits bei den angeführten Delikten das RStG. bei Annahme mild. U. Gefängnis zuläßt und daß andererseits der AE. 25 bei den genannten Delikten — außer bei der Abtreibung —• für bes. schw. F. Zuchthausstrafe androht. Es ist also eigentlich nur Regelfall und Ausnahmefall vertauscht und eine wesentliche Abweichung in dem Urteil über die Strafwürdigkeit lediglich bei der Abtreibung eingetreten. Zum Schluß sei noch betont, daß, auch wenn die vorstehend für wünschenswert erachteten Einschränkungen des richterlichen Ermessens eingeführt werden und insbesondere der § 75 ganz gestrichen wird, doch eine erheblich größere Freiheit des Richters als bisher bei der Strafbemessung übrig bleibt. Sie ist nötig, um dem Grundsatz der Individualisierung des Einzelfalles und insbesondere der vollen Erfassung der Persönlichkeit des Täters gerecht werden zu können. Damit eröffnet sich für den Richter ein neuer Pflichtenkreis. Es ist zu hoffen, daß er dieser neuen schweren Aufgabe sich gewachsen zeigen wird. sonstige Bedenken, vgl. Mannheim, S. 344 f., der mit Recht ausführt, daß bei der Formulierung des § 297 in Zukunft die Zahl der schweren Diebstähle voraussichtlich die Zahl der einfachen Diebstähle übersteigen wird. schlagen,
die Bezeichnung
Ich würde vor-
»schwerer Diebstahl« lediglich für die beiden Fälle
des § 298 zu verwenden und sich im Übrigen — also abgesehen von den beiden qualifizierten Tatbeständen des § 298 —
darauf zu verlassen, daß der Richter
schon von selbst für die im jetzigen § 297 angeführten Tatbestände auf Grund des § 296 die angemessene Strafe finden wird, besonders wenn nach meinem Vorschlage der allgemeinen Zulassung der bes. schweren Fälle auch bei dem § 296 unter Umständen auf Zuchthaus erkannt werden kann. Es ist wirklich kein Grund einzusehen, weshalb der Gesetzgeber gerade beim Diebstahl nicht Vertrauen zur richtigen Ausübung des richterlichen Ermessens, dem er sonst so viel überläßt, haben sollte.
Reform des Strafgesetzbuchs.
16
Abschnitt 1 bis 6. Von
Reichsgerichtsrat Dr. W. Rosenberg, Leipzig. 1. Abschnitt: Hochverrat. An die Stelle des erhöhten persönlichen Schatzes, den das alte StGB, dem Kaiser und den Bundesfürsten gegen Angriffe auf ihr Leben, ihre Freiheit und ihre Regierungsfähigkeit gewährte (StGB. §§ 80, 8i Abs. i Nr. i), ist der erhöhte sachliche Schutz des Reichspräsidenten gegen den Raub seiner verfassungsmäßigen Gewalt im Ganzen und Beeinträchtigung seiner verfassungsmäßigen Befugnisse im Einzelnen getreten (AE. 25 § 85 Abs. 2). Mit Strafe bedroht wird nicht mehr das Unternehmen des Hochververrats (StGB. §§ 81, 82), sondern die vollendete Handlung {AE. 2 5 § ^5). Hierdurch werden die Streitfragen gegenstandslos, die bisher über die Auslegung des Begriffs »Unternehmen« bestanden haben. Eine sachliche Änderung wird jedoch nicht bewirkt. Der Versuch des Hochverrats war der Vollendung schon bisher gleichgestellt (StGB. § 82, RGSt. Bd. 42, 266ff.). In § 23 AE. sind Versuch und Vollendung mit derselben Strafe bedroht. Ein besonderer Schutz des Reichspräsidenten gegen Ehrennötigung {AE. 2 5 § 85 Abs. 2, § 11 Abs. 1 Nr. 7, § 254) scheint mir nicht notwendig zu sein. Die in § 254 Abs. 2 AE. 25 für besonders schwere Fälle angedrohte Zuchthausstrafe reicht vollkommen aus. Eine Wahl des Gerichts zwischen Zuchthaus und Festungshaft (StGB. § 81) ist nicht mehr möglich. An Stelle der Festungshaft ist für die Fälle des § 71 AE. 25 die Einschließung getreten. Die Begriffsbestimmung des Überzeugungsverbrechers, welche diese Vorschrift enthält, genügt für die Fälle des Hochverrats nicht. Warum soll der Hochverräter, der durch die Überzeugung von seinem moralischen Recht zu der Tat bestimmt wird, anders behandelt werden als der Hochverräter, der zugleich eine moralische P f l i c h t annimmt? In beiden Fällen handelt es sich um ideale Beweggründe. — In § 86 StGB, sind selbst die entferntesten Vorberei-
R o s e n b e r g , Abschnitt i bis 6.
243
tungshandlungen mit Strafe bedroht, sofern sie nur ein bestimmtes Unternehmen zum Gegenstand haben. Dagegen hat sich der AE. 25 darauf beschränkt, einige besonders wichtige Vorbereitungshandlungen für strafbar zu erklären {AE. §§ 86, 87). Der Raub von Geldern, die ohne Rücksicht auf ein bestimmtes Unternehmen als Kriegsschatz für die kommunistische Partei verwendet werden sollen, bleibt nach wie vor nur ein gemeiner Raub RG. II 903/24 v. 2. 2. 1925. Die Streitfrage, ob bei den für strafbar erklärten Vorbereitungshandlungen die tätige Reue einen Strafaufhebungsgrund bildet, ist mit Recht in bejahendem Sinne entschieden {AE. § 87 Abs. 2). Warum soll nicht auch dem freiwilligen Rücktritt — dem aus freien Stücken erfolgten Aufgeben jeder weiteren Tätigkeit — die gleiche Rechtswirkung beigelegt werden? Nach § 88 AE. kann einem Hochverräter ohne Rücksicht auf Art und Höhe der Strafe die Amtsfähigkeit sowie das Wahl- und Stimmrecht aberkannt werden. Es ist also zulässig, neben einer geringen Gefängnisstrafe den Verlust des wesentlichsten Teils der bürgerlichen Ehrenrechte auszusprechen (StGB. § 34 Z. 3 und 4). Die Dauer des Verlustes scheint zeitlich nicht begrenzt zu sein, da die Aberkennung »ohne Rücksicht auf Art und Höhe der Strafe« erfolgt vgl. AE. 25 § 54 Abs. 1, § 57 Abs. 1. Der Verlust des Wahlund Stimmrechts ist in AE. 25 § '42 als Maßregel der Besserung und Sicherung bezeichnet. Wie ein Hochverräter durch Entziehung politischer Rechte »gebessert« werden kann, ist unerfindlich. Als Sicherungsmaßregel kann vielleicht die Entziehung des passiven Wahlrechts Wert haben. Hierdurch kann verhindert werden, daß ein politischer Gegner gemäß Art. 36, 37 RV. die parlamentarische Immunität erlangt. Dagegen ist es gänzlich unverständlich, welchen Sicherungszweck die Entziehung des aktiven Wahlrechts haben soll. Auf die Stimme eines einzelnen Wählers kann es bei vielen Millionen von Wahlberechtigten nicht ankommen. In Wahrheit bleibt hier ein Rest der alten Ehrenstrafe bestehen, eine capitis diminutio des im Kampf um die Staatsmacht unterlegenen Gegners, eine Schlechterstellung des politischen Verbrechers gegenüber dem gemeinen Verbrecher, eine Brandmarkung von Personen, die zum großen Teil Überzeugungsverbrecher sind. Am besten wäre es, die Entziehung oder Beschränkung des aktiven Wahl- und Stimmrechts bestrafter Personen nicht im Strafgesetzbuch, sondern in den Wahlgesetzen zu regeln. Beispiele für eine solche Entziehung oder Beschränkung bieten die frühere Gesetzgebung von Elsaß-Lothringen (Gemeinde-Ordnung vom 6. Juli 1895 § 30) sowie die Gesetzgebungen von Luxemburg 16*
i. Buch.
Verbrechen und Vergehen.
Besonderer Teil.
und Belgien (Eyschen Das Staatsrecht des Großherzogtums Luxemburg 1890 § 102, Errera Das Staatsrecht des Königreichs Belgien 1909 § 89.) Dieselben Gesichtspunkte kommen auch bei den gleichartigen Vorschriften der §§ 97, 101, 109, AE. 25 in Betracht. Der AE. 25 hat mit Recht davon abgesehen, die vorsündflutliche Androhung einer unbeschränkten Geldstrafe — oder mit anderen Worten einer verschleierten Vermögenskonfiskation — aus § 9 Abs. 1 des Gesetzes zum Schutze der Republik zu übernehmen. Dagegen würde ich eine Bestimmung für nützlich halten, die es ermöglichte, bestrafte Hochverräter nach Verbüßung ihrer Strafe von Berlin, München und anderen Brennpunkten des politischen Lebens fernzuhalten. Allerdings dürfte das Aufenthaltsverbot nicht so weit gehen, daß eine aus Berlin ausgewiesene Person — wie unter der Herrschaft des Sozialisten-Gesetzes — im ganzen Lande herumgehetzt würde, ohne eine bleibende Stätte zu finden. Die Vermögensbeschlagnahme soll in der StPO. geregelt werden Begr. z. AE. 25 S. 60. 2. Abschnitt: Landesverrat. Die zahlreichen Änderungen, die in der Materie des Landesverrats vorgeschlagen werden, sind als wesentliche Verbesserungen zu bezeichnen. Die Strafbestimmungen, die bisher nur für Deutsche galten, sind — abgesehen von § 94 Abs. 1 Nr. 2 AE. 25 auch auf Nichtdeutsche ausgedehnt worden. Entscheidend ist also nicht mehr die Verletzung eines besonderen Treuverhältnisses, sondern die objektive Gefährlichkeit der Tat. Neben den allgemeinen Vorschriften des AE. 25 sind die Sondervorschriften bestehen geblieben, die für Straftaten auf dem Kriegsschauplatz gelten (§ 160 Militär StGB.) vgl. Begr. z. AE. 25 S. 60. Zu diesen Sondervorschriften wird auch der Kriegsgebrauch gegen Ausländer zu rechnen sein, Romen-Rissom MilStGB. 2. Aufl. S. 964, 96s)Die Bestimmungen der §§87 bis 90 StGB, über militärischen Landesverrat sind in § 94 AE. 25 zu drei verschiedenen Tatbeständen zusammengefaßt. An Stelle der Kasuistik des § 91 StGB, ist ein allgemeiner Strafschärfungsgrund für besonders schwere Fälle getreten. Strafbar ist nach § 94 Abs. 1 Nr. 1 AE. 25, wer mit einer ausländischen Regierung in Beziehungen tritt. Durch diese Neuerung1 soll der Begriff des »Sicheinlassen« nicht eingeschränkt, sondern erweitert werden. Schon eine beiderseitige »Füh-
R o s e n b e r g , Abschnitt i bis 6.
245
lungnahme« zur Anbahnung künftiger Verhandlungen genügt Begr. z. AE. 25 S. 61. Den besonderen Verhältnissen der Gegenwart ist dadurch Rechnung getragen, daß wegen militärischen Landesverrats auch bestraft wird, wer in der Absicht, Z w a n g s m a ß r e g e l n gegen das Reich herbeiführen, mit einer ausländischen Regierung in Beziehungen tritt. Zu diesen Zwangsmaßregeln gehört auch der verschleierte Kriegszustand, der von unseren Feinden zurVerdeckung ihres Rechtsbruchs mit dem wohlklingenden Namen »Sanktionen« belegt wird. In Friedenszeiten bleibt das SpionageGesetz vom 3. Juni 1914 nach wie vor anwendbar Begr. z. AE. 25 S. 60. Die Vorschriften über diplomatischen (d. h. nicht militärischen) Landesverrats sind durch Aufnahme einer besonderen Strafbestimmung gegen die Ausspährung von Staatsgeheimnissen ergänzt (§ 91 AE. 25), die dem § 3 des G. v. 3. Juni 1914 nachgebildet ist. Der Verrat von Staatsgeheimnissen ist nicht bloß dann strafbar, wenn die (unbefugte) Mitteilung an eine andere Regierung erfolgt, sondern auch dann, wenn sie an eine andere Person erfolgt. Durch diese Erweiterung des gesetzlichen Tatbestandes wird der zuweilen schwierige Nachweis überflüssig, daß der Empfänger der Mitteilung Agent einer fremden Regierung gewesen ist. Auch wird die Schweigepflicht in bezug auf Staatsgeheimnisse mit Recht erheblich verschärft. Begr. z. AE. 25 S. 61. Im Gegensatz zum geltenden Recht erklärt § 92 Abs. 3 AE. 25 auch den fahrlässigen Verrat für strafbar. Wichtig ist, daß der untaugliche Versuch des Landesverrats gemäß § 23 Abs. 1 AE. 25 wie bisher bestraft werden kann. Es bleibt also möglich, auch denjenigen strafrechtlich zu verfolgen, der Schriften, Zeichnungen, andere Gegenstände oder Nachrichten, die nicht geheim sind, aber von dem Täter für geheim gehalten werden, als geheim an fremde Mächte oder ihre Agenten mitteilt vgl. Freiesleben Z. 46, 250. Als untauglicher Versuch konnten bisher nur Fälle bestraft werden, in denen der Täter an die Echtheit der Schriften, Zeichnungen und anderen Gegenständen oder an die Wahrheit der Nachrichten glaubte, auf die sich die Straftat bezog. Der Betrüger, der die feindliche Macht oder den feindlichen Agenten anschwindelte, konnte zuweilen nur wegen Spionage-Betrugs gefaßt werden. Es entstand so der groteske Zustand, daß der deutsche Richter dem feindlichen Agenten, der mit den verwerflichsten Mitteln der Bestechung und Korruption arbeitete, um deutsche Staatsgeheimnisse zu ergründen, noch seinen strafrechtlichen Schutz leihen mußte! Durch Aufnahme einer be-
i. Buch.
Verbrechen und Vergehen. Besonderer Teil.
sonderen Bestimmung gegen landesverräterische Fälschung (§ 93 AE. 25) wird nunmehr die Möglichkeit geschaffen, gegen derartige Schwindler im deutschen Interesse mit strengen Strafen vorzugehen. Der Vertragsbruch des Armeelieferanten, der im geltenden StGB. (§ 329) als gemeingefährliches Vergehen behandelt ist, wird in den Abschnitt »Landesverrat« versetzt (§ 95 AE. 25). Für diese Änderung läßt sich anführen, daß ein solcher Vertragsbruch de:n äußeren Tatbestand der Begünstigung des Feindes im Sinne des § 94 Abs. 1 Nr. 3 AE. 25 enthält und nur hinsichtlich des inneren Tatbestandes von ihm abweicht. Der Vertragsbruch des Notstandslieferanten ist in § 219 AE. 25 besonders behandelt. Das Erfordernis, daß der Vertrag mit einer Behörde geschlossen sein müsse, ist mit Recht gestrichen, da auch Unterlieferanten wegen Nichterfüllung ihrer Verträge bestraft werden. Einer besonderen Erwähnung der Unterlieferanten in § 95 Abs. 2 AE. 25 bedarf es daher nicht. Streitig war bisher, ob der Ausdruck »Lieferungsverträge« in § 329 StGB, sich auch auf Werkverträge und Arbeitsleistungen bezieht. Diese Streitfrage ist dadurch erledigt, daß in § 95 AE. 25 der allgemeine Ausdruck »Vertrag« gewählt wurde. Die Bestrafung des fahrlässigen Vertragsbruchs ist nicht mehr an den Nachweis eines Schadens geknüpft. Bei dem großen Interesse, welches die Militärverwaltung regelmäßig an der rechtzeitigen und gehörigen Lieferung hat, ist auch diese Neuerung zu billigen. Das gleiche gilt von der Ausdehnung der Strafbarkeit auf Unterlieferanten, Vermittler und Bevollmächtigte, die den Zweck der Lieferung fahrlässiger Weise nicht gekannt haben Begr. 25 Nr. 2. Auf Angestellte und Arbeiter ist die Vorschrift des § 95 AE. 25 nicht ausgedehnt worden, obwohl das Bedürfnis nach einer solchen Ausdehnung im Weltkrieg hervorgetreten ist RGSt. 50, 314, Ebermayer LZ. 1917, 720. Der Beweis, daß Angestellte und Arbeiter bei Anfertigung und Ablieferung mangelhafter Geschosse mit Wissen und Willen des Lieferanten oder seines Bevollmächtigten handeln, ist nur schwer zu erbringen. Die Strafbestimmung gegen die Teilnahme an einem Bandenkrieg sowie gegen die Begünstigung eines solchen (§ 96 AE. 25) wird durch die Gefahr eines Einbruchs polnischer Banden in das Reichsgebiet genügend gerechtfertigt. Teilnahme und Begünstigung in bezug auf ein kriegerisches Unternehmen rheinischer Separatisten, westfälischer Kommunisten, bayrischer Nationalsozialisten usw. bleiben als Hochverrat strafbar.
R o s e n b e r g , Abschnitt i bis 6.
247
3. Abschnitt: Angriffe gegen verfassungsmäßige Körperschaften. Auch im dritten Abschnitt bringt AE. 25 Vereinfachungen, die wesentliche Verbesserungen enthalten. Die neue Überschrift des dritten Abschnitts ist allerdings nicht erschöpfend, da weder die Regierungen des Reichs und der Länder noch die Mitglieder dieser Regierungen noch der Reichspräsident verfassungsmäßige Körperschaften sind. Der Ausdruck »gesetzgebende Versammlung« in § 105 StGB, ist durch eine dem geltenden Staatsrecht angepaßte Aufzählung verfassungsmäßiger Körperschaften in § 98 AE. 25 ersetzt. Der erhöhte strafrechtliche Schutz ist auf die Regierungen sowie hinsichtlich der öffentlichen Beschimpfung oder Verleumdung auch auf den Reichspräsidenten ausgedehnt worden. Die Nötigung oder Hinderung des Reichspräsidenten, seine Befugnisse auszuüben, wird in § 85 Abs. 2 AE. 25 als Hochverrat mit besonders schwerer Strafe bedroht. Die besondere Hervorhebung der Senate und Bürgerschaften der freien Hansestädte, die schon bisher für überflüssig erachtet wurde, ist mit Recht unterblieben. Beide Arten der Körperschaften sind durch die Strafbestimmungen gegen Angriffe auf Landesregierungen und Landtage geschützt. Durch die ausdrückliche Hervorhebung der Nötigungsmittel in §§ 98) 99 -AE- 2 5 ist jedem Zweifel vorgebeugt, ob auch andere, Nötigungsmittel strafbar sind. Die Bedrohung der vollendeten Handlung statt des Unternehmens ist unbedenklich, da der Strafrahmen der gleiche bleibt. (§ 23 Abs. 2 AE. 25). In § 99 AE. werden die Mitglieder verfassungsmäßiger Körperschaften durch eine einheitliche Formel geschützt, während das geltende Recht in den §§ 105, 106 StGB, drei verschiedene Bestimmungen enthält: gewaltsame Entfernung eines Mitglieds aus der Versammlung, Hinderung eines Mitglieds, sich an den Ort der Versammlung zu begeben, Hinderung eines Mitglieds, zu stimmen. Der strafbare Tatbestand wird dadurch erweitert, daß auch die Nötigung zur Ausübung von Befugnissen mit erhöhter Strafe bedroht ist. Bei Nötigung einzelner Mitglieder ist an Stelle der Zuchthausstrafe als Regel Gefängnis gesetzt worden § 99 Abs. 1 AE. 25. Diese Neuerung scheint mir in der heutigen Zeit nicht unbedenklich zu sein. Die Geschichte der französischen Revolution bietet zahlreiche Beispiele dafür, daß Mitglieder parlamentarischer Körperschaften durch Todesdrohungen veranlaßt wurden, gegen ihre Überzeugung zu stimmen. Taine schildert in seinem berühmten Buche Les origines de la France contemporaine eingehend, wie schon die Nationalversammlung bei wichtigen Abstimmungen
248
i . Buch.
Verbrechen und Vergehen.
Besonderer T e i l .
durch den Pöbel eingeschüchtert wurde1). Das krasseste Beispiel einer solchen Einschüchterung bietet wohl der Girondistenführer Vergniaud, der am 31. Dezember 1792 eine glänzende Rede gegen den Königsmord hielt und am 16. Januar 1793 unter dem Druck der drohenden Masse für den Tod Ludwig XVI. stimmte. Im Oktober 1848 sind gleichfalls Versuche gemacht worden, Mitglieder der preußischen Nationalversammlung durch Bedrohung mit Aufhängen einzuschüchtern3). Bei der Größe der kommunistischen Gefahr kann niemand wissen, ob ähnliche Vorgänge sich wieder ereignen werden. Der verstärkte Strafschutz, den § 100 AE. 25 gegen öffentliche Beschimpfungen und Verleumdungen gewährt, ist — wie in § 1 9 7 StGB. — nicht von einem Antrag, sondern von der Zustimmung der beleidigten Person oder Körperschaft abhängig. Der wichtigste Unterschied zwischen Antrag (Verlangen) und Zustimmung (Ermächtigung) besteht darin, daß die Zustimmung an keine Frist und Form gebunden ist RGSt. Bd. 18, 382. Es mag gerechtfertigt sein, öffentliche Beschimpfungen und Verleumdungen des Reichspräsidenten fristlos zu verfolgen. Dagegen scheint es mir zu weit zu gehen, alle Mitglieder einer Reichs- oder Landesregierung in dieser Beziehung dem Reichspräsidenten gleichzustellen. 4. Abschnitt: Vergehen bei Wahlen und Abstimmungen. Die Vorschriften über den strafrechtlichen Schutz der Berechtigten bei Wahlen und Abstimmungen sind in einem besonderen Abschnitt zusammengefaßt. Nach der Generalklausel in § 102 AE. 25 beziehen sich diese Vorschriften auf alle Wahlen und Abstimmungen, die auf Grund der Verfassung oder anderer V o r s c h r i f t e n des Reichs oder eines Landes in ö f f e n t l i c h e n A n g e l e g e n h e i t e n vorgenommen werden. Den Gegensatz bilden also Wahlen und Abstimmungen, die nicht auf Grund reichsoder landesrechtlicher Vorschriften oder nicht in öffentlichen Angelegenheiten vorgenommen werden. Hiernach fallen unter die Generalklausel des § 102 AE. 25 auch Wahlen zu kommunalen Körperschaften und Abstimmungen in denselben. Das Gleiche muß für kirchliche Wahlen und Abstimmungen gelten, sofern die ' ) 24 A u f l . Bd. 3 S. 145 bis 2)
H. v. S y b e l , Geschichte
149.
der Revolutionszeit
(Wohlfeile
B d . 3 S . 9 1 , 99. 3) Hans Blum. Die deutsche Revolution
1848/1849 S. 353.
Ausgabe
1898)
Rosenberg,
Abschnitt i bis 6.
249
kirchliche Gemeinschaft gemäß Art. 137 Abs. 5 RG. zu den Körperschaften des öffentlichen Rechts gehört. Anders ist die Frage hinsichtlich der Wahlen und Abstimmungen zu beantworten, die von Mitgliedern einer rechtsfähigen oder nicht rechtsfähigen Religionsgesellschaft lediglich auf Grund eines privaten Vereinsstatuts vorgenommen werden. Der strafrechtliche Schutz, den § 107 StGB, nur in beschränktem Umfange gewährt, ist in § 103 AE. 25 erheblich erweitert. Geschützt wird nicht nur der deutsche Reichsangehörige, sondern jeder Wahl- und Stimmberechtigte ohne Rücksicht auf seine Staatsangehörigkeit. Nicht blos die Hinderung an der Ausübung des Wahl- und Stimmrechts ist strafbar, sondern auch die Nötigung zur Ausübung desselben. Als Nötigungsmittel ist die gefährliche Drohung der Bedrohung mit einer strafbaren Handlung gleichgestellt. Die praktische Bedeutung dieser Änderungen mag nicht groß sein. Immerhin sind sie geeignet, der freien Willensbestimmung in öffentlichen Angelegenheiten einen stärkeren Schutz zu gewähren als bisher. Die rechtliche Konstruktion des Kaufs und Verkaufs einer Wahlstimme (§ 109 StGB.) ist in § 105 AE. durch die entsprechende Anwendung der Vorschriften über Beamtenbestechung ersetzt. Diese Änderung hat zur Folge, daß das Anbieten oder Fordern eines Entgelts auch dann strafbar ist, wenn eine Einigung nicht zustande kommt. Neu aufgenommen sind besondere Vorschriften gegen Täuschung bei Wahlen und Abstimmungen, Verhinderung von Wahlen und Abstimmungen, Verletzung des Wahl- und Abstimmungsgeheimnisses (§§ 104, 107, 108 AE. 25). In allen diesen Fällen ist — ebenso wie bei Wahlzwang und Wahlfälschung — auch der Versuch für strafbar erklärt. Die Bestimmungen des AE. 25 bieten eine wirksame Handhabe zur Bekämpfung mancher Arten des Wahlschwindels. Zu erwägen bleibt, ob nicht auch scharfe Strafbestimmungen gegen den Gebrauch fälschlich angefertigter Extrablätter, Flugblätter, Plakate und sonstige Schriftstücke bei Wahlen in öffentlichen Angelegenheiten erlassen werden sollen. Ein sicherer Beweis, daß bestimmte Personen durch solche Schwindelmanöver bewogen worden sind, anders zu wählen, als sie wollten, läßt sich in der Regel nicht erbringen. Selbst der Versuch einer Beeinflussung bestimmter Personen ist kaum jemals nachzuweisen. Zu bedauern ist, daß das Vergehen der Versammlungssprengung, das erst vor zwei Jahren in das StGB, aufgenommen wurde
i . Buch.
Verbrechen und Vergehen.
Besonderer Teil.
(§ 107 a), in AE. 25 keinen Platz gefunden hat. Nach der Begr. 25 S. 63 soll diese Materie der Neuregelung des Vereinsrechts überlassen werden. Ob, wann und in welcher Weise eine solche Neuregelung erfolgt, ist unberechenbar. 5. Abschnitt: Störung der Beziehungen zum Ausland. Die schwerfällige Bestimmung des § 102 StGB, ist in § 11 o AE. 25 kürzer und besser gefaßt. Die Frage, ob die Gegenseitigkeit zur Zeit der Tat verbürgt sein muß, ist schon bisher von der Rechtsprechung bejaht worden RGSt. 38, 75. Im Anschluß an diese Rechtsprechung wird sie nunmehr in § 114 AE. 25 ausdrücklich geregelt. Die Beleidigung eines ausländischen Staatsoberhaupts wird in § 111 AE. 2 5 teilweise härter bestraft als die Beleidigung des deutschen Staatsoberhaupts. Das ausländische Staatsoberhaupt genießt — wenn es sich im Deutschen Reiche aufhält — hinsichtlich aller Arten von Beleidigungen einen erhöhten strafrechtlichen Schutz; die ordentliche Strafe beträgt in allen Fällen Gefängnis bis zu drei Jahren. Der erhöhte strafrechtliche Schutz des deutschen Staatsoberhauptes — des Reichspräsidenten — ist auf öffentliche Beschimpfungen und Verleumdungen beschränkt Begr. 25 S. 66. Hinsichtlich der nicht öffentlichen Verleumdung, der üblen Nachrede und der einfachen Beleidigung ist er jeder Privatperson gleichgestellt. Bei der öffentlichen Verleumdung des Reichspräsidenten ist die ordentliche Mindeststrafe eine Woche Gefängnis. Bei der Verleumdung einer Privatperson — mag die Verleumdung öffentlich geschehen oder nicht, beträgt die ordentliche Mindeststrafe einen Monat Gefängnis §§ 100 Abs. 2, 287 AE. < 25. Wer über ein ausländisches Staatsoberhaupt eine ehrenrührige Tatsache behauptet oder verbreitet, wird stets mit Gefängnis bestraft. Wer über den Reichspräsidenten eine ehrenrührige Tatsache behauptet oder verbreitet, kann auch mit Geldstrafe bestraft werden (§§ 111, 100 Abs. 2, 285 Abs. 1 AE. 25). In besonders leichten Fällen darf das Gericht auch von Strafe absehen (§ 285 Abs. 2). Das Höchstmaß der Strafe beträgt bei einfacher Beleidigung des ausländischen Staatsoberhaupts drei Jahre Gefängnis, bei einfacher Beleidigung des Reichspräsidenten ein Jahr Gefängnis (§§ m , 288). Hinsichtlich der Anwendung der Geldstrafe und des Absehens von Strafe besteht derselbe Unterschied wie bei der üblen Nachrede. Der strafrechtliche Schutz des ausländischen Staatsoberhaupts ist an sich nicht zu beanstanden. Dagegen muß gefordert werden, daß dem Reichspräsidenten ein erhöhter Strafschutz gegen alle
Rosenberg,
Abschnitt i bis 6.
251
Arten von Beleidigungen gewährt wird. Dies kann durch Änderung des § 100 AE. 25 und Einführung eines neuen § 100a geschehen, in dem die angeführten Unstimmigkeiten vermieden werden. Der Beleidigung eines ausländischen Staatsoberhaupts ist die Beleidigung eines im Reiche beglaubigten ausländischen Gesandten oder Geschäftsträgers gleichgestellt. Auch der ausländische Geschäftsträger wird gegen üble Nachrede und einfache Beleidigung stärker geschützt als das deutsche Staatsoberhaupt, bei dem er beglaubigt ist I Weiter fällt auf, daß der verstärkte Straf schütz dem im Reiche beglaubigten ausländischen Gesandten oder Geschäftsträger bewilligt wird. Das Reich sorgt also liebevoll auch für den Geschäftsträger, den die französische Regierung unter absichtlicher Nichtachtung der deutschen Reichsverfassung (Art. 78) in München unterhält! Es würde vollkommen genügen, wenn außer den beim Reich beglaubigten Gesandten und Geschäftsträgern die Vertreter des päpstlichen Stuhls bei dem Reich und den Ländern den erhöhten Strafschutz genießen. Neu ist die Strafbestimmung gegen Neutralitätsverletzung in § 1 1 3 AE. 25. Einer Rechtfertigung dieser Bestimmung, die wohl auf einer Anregung von Gerland VDB. 1, 252 beruht, bedarf es nicht. 6. Abschnitt: Angriffe gegen die Wehrmacht
oder die Volkskraft.
Im Abschnitt 6 werden einige Delikte gegen die Wehrmacht und Volkskraft zusammengefaßt, die bisher in verschiedenen Abschnitten des StGB, untergebracht waren. § 116 AE. 25 ist in veränderter Form an die Stelle des § 1 1 2 StGB, getreten. Der Ausdruck »Befehl des Oberen« ist durch den Ausdruck »Befehle in Dienstsachen« ersetzt. Dieser Ausdruck ist teils enger, teils weiter. Die Verleitung zum Ungehorsam ist nur strafbar, wenn sie Befehle in dienstlichen Angelegenheiten betrifft, Romen-Rissom MilitärStGB. 2. Aufl. § 92 Anm. 2a bis c. Andererseits ist ein bestimmter (konkreter) Befehl nicht erforderlich. Die viel gefährlichere Verleitung zur allgemeinen Gehorsamsverweigerung fällt gleichfalls unter die Strafdrohung. Neben der Verleitung zum Ungehorsam wird auch die Verleitung zur Widerstandsleistung (Widersetzung) und zu Tätlichkeiten gegen einen Vorgesetzten mit Strafe bedroht. Strafbar ist, wer zu verleiten sucht. Es genügt also jede Form der erfolglosen Einwirkung, auch wenn sie nicht im Auffordern oder Anreizen besteht. Im Falle des Erfolgs liegt Anstiftung zu den militärischen Delikten
252
Buch. Verbrechen und Vergehen.
Besonderer Teil.
d e r §§ 96, 97 MilStGB. vor. Die besondere Hervorhebung der Personen des Beurlaubtenstandes ist als gegenstandslos weggefallen. Die Strafe ist erhöht und für den Fall des Krieges oder der Kriegsgefahr verschärft. Bei der Verleitung zur Fahnenflucht wird schon der Versuch der Verleitung und der Versuch ihrer Erleichterung höher bestraft als die vollendete Tat im geltenden Recht § 141 StGB., § 117 AE. 25. Als neuer Fall der Falschwerbung ist die unmittelbare Zuführung zum ausländischen Heeresdienst in den Tatbestand des § 118 AE. 25 aufgenommen. Besonders schwere Fälle der Verleitung zur Fahnenflucht, ihrer Erleichterung und der Anwerbung zum ausländischen Heeresdienst werden mit Zuchthausstrafe bedroht. Die Strafbarkeit des Auswanderungsbetrugs ist nicht mehr davon abhängig, daß er geschäftsmäßig und gegenüber deutschen Reichsangehörigen begangen wird, sondern davon, daß der Täter die Absicht hat, sich oder einen anderen unrechtmäßig zu bereichern § 119 AE. 25. Auch der Versuch dieses Vergehens wird mit Strafe bedroht. Gegen Ausländer, die wegen eines der in Abschnitt 6 bezeichneten Delikte verurteilt sind, kann die sichernde Maßnahme der Verweisung aus dem Reichsgebiet ohne Rücksicht auf Art und Höhe der Strafe für zulässig erklärt werden § 120 AE. 25. Die angeführten Neuerungen sind zweckmäßig.
Abschnitt 7 bis 10. Von
Generalprokurator Dr. E. Höpler, Wien.
7. Abschnitt: Verletzung der Amtspflicht.
Mit vollem Recht verweisen, die einleitenden Worte der Begr. 2 5 zu diesem Abschnitt auf die besondere Wichtigkeit eines pflichttreuen und lauteren Beamtenstandes für das Staats- und Volkswohl und auf die Notwendigkeit »Verfehlungen und Ausschreitungen Einzelner mit besonderem Ernste zu begegnen«. Ebenso richtig ist die Begründung der Erweiterung des Begriffes des Rechtssubjektes der hier behandelten strafbaren Handlungen. Die von wissenschaftlicher Seite (vgl. insbes. Wachinger VDA. B., IX S. 305) schon längst gestellte Forderung, nicht die Beamteneigenschaft, sondern die berufliche Amtsausübung entscheiden zu lassen, erhielt durch die veränderten staatsrechtlichen Verhältnisse und durch die Berufung zahlreicher nichtbeamteter Personen zu öffentlichen Ämtern auf allen Gebieten des staatlichen Lebens ein besonderes Gewicht und es ist dem Entwurf vollkommen zuzustimmen, daß er dieser durch die Zeitverhältnisse mächtig gewordenen Forderung nachgibt, den alten Begriff des Beamten von der Beamteneigenschaft vollständig loslöst und auch gegenüber dem E. vom Jahre 1919 noch einen Schritt weitergeht, das Wort »Beamter« (§ 9 Z. 4 d. E. 19) ganz verschwinden läßt und durch »Amtsträger« ersetzt. (§ 11 Z. 3). Die Auswechselung der Worte wurde auch außerhalb des 7. Abschnittes durchgeführt (§ 5, Z. 2, 141, 142, 266) wurde aber, offenbar infolge eines Übersehens, im § 290 belassen, wo das Wort »Beamten« folgerichtig wohl durch »Amtsträger« zu vertauschen wäre. Werden diese zwei bisher angedeuteten Gesichtspunkte der Begründung — einerseits die unbedingte Reinhaltung der öffentlichen Amtsführung, andererseits die notwendig gewordene Aus-
254
i. Buch. Verbrechen und Vergehen. Besonderer Teil.
dehnung des Rechtssubjektes — miteinander verknüpft und gewürdigt, so ließe sich der vom E. eingenommene Standpunkt kriminalpolitisch wohl noch durch folgende auf den Erfahrungen der Kriegs- und Nachkriegszeit aufgebaute Erwägungen begründen: Die gewaltigen Veränderungen in der Staatsmaschine hatten sich schon in der Kriegszeit vorbereitet. Infolge des Kriegszustandes und der gegen die Mittelmächte von den Feinden verhängten Hungerblockade hatte der Staat tiefe Eingriffe in den Eigentumskreis und die Bewegungsfreiheit des Einzelnen und in die Privatwirtschaft vornehmen und eine ganze Reihe neuer öffentlicher Ämter schaffen müssen, deren Träger mitunter in garkeinem oder zumindest in einem überaus lockeren pragmatischen Verhältnis zu Staat, Land oder Gemeinde standen, dabei aber eine oft höchst wichtige, in das Einzelinteresse tief einschneidende Tätigkeit zu entfalten hatten. Ich erinnere nur, u. a. an die schwierigen Fragen der Ernährung und der Wohnungsfürsorge. Dieser Zustand setzte sich in der Nachkriegszeit fort und unter dem Druck der veränderten politischen Verhältnisse kamen — wie stets in Zeiten politischer Gärung — nicht selten Personen zu Amtsführungen, die nicht nach Befähigung und Charakter ausgewählt, vielmehr von einer politischen Welle, vielleicht gar von einer augenblicklichen Stimmung der Straße, durch die Macht der Tatsachen hochgehoben, an keine Disziplinarvorschriften gebunden, keiner Standesbehörde unterworfen, mitunter aber auch nicht gewöhnt und erzogen waren, die ihnen plötzlich, vielleicht auch unvermutet, anvertraute Macht selbstlos, streng gerecht auszuüben, und die möglicherweise auch im falschen Bewußtsein eingebildeter Unverantwortlichkeit gegenüber der Allgemeinheit — zu Ausschreitungen hinneigten. Hiezu kommt, daß auch der alte Berufsbeamtenstand gegenüber der Vorkriegszeit nicht besser geworden ist. Wirtschaftlich verarmt, nicht selten Nahrungssorgen ausgesetzt, durch verunglückte Gleichmachereibestrebungen verbittert, politisch aufgewühlt, hat er an Arbeitsfreude, Pflichtbewußtsein und Gemeinsinn manches eingebüßt. Diesem Beamtenstand gegenüber steht eine Anzahl unlauterer Kriegs- und Nachkriegsgewinner, die, auf Rücksichtslosigkeit, hemmungslose, jeder Ethik widersprechende Profitgier und rein materialistische Lebensauffassung eingestellt, in dem »Amtsträger« vor allem ein Mittel zum Zweck zu erblicken glauben. Die Erfahrungen der Nachkriegszeit haben auch gelehrt, daß der alte Berufsbeamtenstand durch die schwere wirtschaftliche Not mitunter in eine Art Abhängigkeitsverhältnis von Kreisen ge-
H ö p l e r , Abschnitt 7 bis 10.
255
riet, welche durch scheinbar aus Nächstenliebe erfolgte, unter der Fürsorge maßgebender Organe stehende Belieferung mit erschwinglicher Ware dem notleidenden Beamtenstand beizustehen vorgaben, in Wirklichkeit aber »Beziehungen« suchten und diese beim nächsten Anlaß zu »eskomptieren« trachteten. Aus allen diesen Erfahrungstatsachen sind die meisten Straffälle zu erklären, die in den letzten Jahren an allen Orten, auch in den sog. Siegerstaaten, die Justiz beschäftigen. Diese Verhältnisse müssen heute mehr denn je den Gesetzgeber veranlassen, den Rahmen kriminellen Unrechtes bei Verletzung der Amtspflicht möglichst weit zu ziehen, aber auch dafür Sorge zu tragen, daß die gegen den Amtsträger gerichtete Strafdrohung möglichst angeglichen werde der Behandlung, welche jenem zuteil wird, der das strafbare Tun des Amtsträgers verursacht oder gefördert hat. Ich habe diese Gedanken an die Spitze gestellt, weil sich aus ihnen die Anregungen erklären, welche ich bei Besprechung der Einzelbestimmungen vorbringe. Was die Systematik anlangt, ist die Vermengung der echten mit den unechten Amtsdelikten zu bedauern. Der E. 19 hatte in Anlehnung an den VE. (§ 210) und KE. (§ 174) den Ansatz zu einer befriedigenden Lösung in der allgemeinen Bestimmung des § 181 enthalten. Allerdings führte der E. 19 diesen gesunden Gedanken nicht folgerichtig durch, indem er (§ 174) die Amtsunterschlagung eigens regelte. Der gegenwärtige AE. bedeutet einen Rückschritt, da er eine allgemeine Bestimmung über die Verschärfung der Strafe gegenüber einem Amtsträger bei unechten Amtsdelikten vermissen läßt, was möglicherweise auch bei den in den AE. nicht eingearbeiteten Nebengesetzen unangenehm fühlbar werden kann. Gewiß sprechen bei manchen unechten Amtsdelikten insb. bei solchen, deren Tatbestand sich als Sonderdelikt im Volksbewußtsein fest eingewurzelt hat, z. B. Amtsgeheimnisbruch, Falschbeurkundung, Gefangenenbefreiung, wichtige praktische Gründe gegen ein allzu scharfes Vorgehen bei Ausscheidung solcher Delikte; allein für die Sonderbehandlung des Amtsdiebstahls und der Amtsveruntreuung liegen solche Gründe gewiß nicht vor. Sie ist um so weniger zu verstehen, als andere unechte Amtsdelikte z. B. § 266 Abs. 1 aus dem Abschnitt ausgeschieden wurden. Mit Recht verzichtet der AE. darauf, durch Amtsträger begangene Hausfriedensbruch, Freiheitsberaubung oder Körperverletzung, Nötigung eigens zu regeln und richtig wird in der Begründung (S. 69) dieser Verzicht damit erklärt, daß der weite
2 5II. Als § 321 ist im Abschnitt »Rechtsvereitelung« eine Strafvorschrift (Gefängnis bis 1 Jahr oder Geldstrafe) gegen denjenigen eingestellt, »der einem anderen in der Absicht, ihn von der Mitbewerbung bei einer öffentlichen Versteigerung oder bei einer öffentlichen Vergebung von Lieferungen oder Leistungen abzuhalten, ein Entgelt anbietet, verspricht oder gewährt«. Eine StrafVorschrift ähnlicher Art — nur mit dem Unterschied, daß dort die Strafbarkeit erst eintritt, wenn der Tätej den anderen vom Bieten wirklich abgehalten hat — enthält der, nach herrschender Ansicht in Gültigkeit gebliebene, § 270 des preuß. Strafgesetzbuchs vom 14. April 1851. Im Interesse der Rechtseinheit, zumal in anderen Ländern gleichartige Bestimmungen fehlen, erscheint eine reichsrechtliche Vorschrift erwünscht, weil ein allgemeines Interesse daran besteht, der Verschleuderung wirtschaftlicher Werte entgegenzuwirken und zu verhüten, daß Gläubiger und Schuldner durch unlautere Machenschaften Schaden erleiden.
i . Buch.
Verbrechen und Vergehen.
Besonderer Teil.
32. Abschnitt: Glückspiel. §§
3l3—327-
Die durch den Krieg hervorgerufene allgemeine Nervosität, das Bestreben vieler zusammengebrochener Existenzen, durch rasche und leichte Gewinne ihre Verhältnisse aufzubessern, das Zurückströmen einer großen Anzahl mehr oder weniger entwurzelter Menschen vom Kriegsschauplatz ins Vaterland, die vielfach den sittlichen Halt verloren und zur Entschädigung für unerhörte Mühsalen Gelegenheit zur Zerstreuung und Betäubung suchten, führte im Jahre 1919, besonders in den größeren Städten, zu einer, alle Kreise der Bevölkerung ergreifenden Ausartung der Spielsucht, die sich zu einer moralisch und wirtschaftlichen Kalamität auszuwachsen drohte. Die bisherigen Strafvorschriften der §§ 284, 285 und 360 Nr. 14, die nur den gewerbsmäßigen Spieler, den Inhaber eines »öffentlichen Versammlungsorts« der dort Glücksspiele duldete, sowie denjenigen, der solche unbefugt auf öffentlichen Straßen usw. hält, trafen, konnten dem Bedürfnisse, diesem Unwesen zu steuern, um so weniger genügen, als sich zur Umgehung des § 285 nun allenthalben »Vereine« auf taten, die unter den harmlosen Namen 'eines Geselligkeitsklubs, Sportvereins und dgl. den öffentlichen Charakter ihres Spielbetriebes dadurch zu verschleiern suchten, daß sie die wahllos zugelassenen Spielbesucher als »Gäste« behandelten, oder ihnen in kürzester Frist die formelle Mitgliedschaft gewährten (vgl. R. R. Weiß, Spielbanken und Spielklubs DJZ. 1919 S. 593). Im wesentlichen der Bekämpfung dieser Spielklubs diente das Ges. gegen das Glücksspiel vom 23. 12. 1919 (RGB. S. 2145), das als §§ 284, 284 a, 284 b eine Anzahl neuer strafbarer Tatbestände in das Strafgesetzbuch einführte und die Strafandrohungen wesentlich verschärfte. Der AE. 25 hat in den §§ 323—327 mit geringfügigen Abweichungen die Bestimmungen dieses Gesetzes und damit diejenigen der §§ 284 ff. StGB, übernommen. Daß dies auch E. 19 tat, ist begreiflich, denn zur Zeit seines Erscheinens waren die oben geschilderten Verhältnisse und Mißstände brennend akut, sehr fraglich erscheint mir aber, ob auch jetzt noch ausreichender Anlaß vorliegt, Vorschriften, die einem, aus außergewöhnlichen Zeitverhältnissen geborenen, Gelegenheitsgesetz entstammen, durch Aufnahme ins allgemeine Strafgesetzbuch zu perennieren, nachdem die Gründe für diese Gelegenheitsgesetzgebung längst weggefallen sind. Dies gilt besonders für die höchst merkwürdige
Mam roth,
A b s c h n i t t 30 b i s
35.
369
Fiktion des § 323 Abs. 2, durch welche der Begriff des »öffentlichen« Glücksspiels mit dem Spiel in geschlossenen Privatgesellschaften, in denen »gewohnheitsmäßig Glücksspiele veranstaltet werden« identifiziert wird, und dem § 324, der jedem, der sich nur am Spiel in einer solchen Gesellschaft — also seinerseits weder gewerbs- noch gewohnseitsmäßig — beteiligt, Gefängnis bis zu 6 Monaten oder Geldstrafe androht. Beide Bestimmungen haben zu argen Mißgriffen geführt, indem sie Anklagen gegen Vorstände, Mitglieder und gelegentliche Gäste von ganz erstklassigen einwandfreien Geselligkeits-, Sport-, Fachvereinen und Logen errmöglichten, die zwar wohl restlos mit gerichtlichen Freisprechungen endeten, aber vielfach peinliches, und für die Beteiligten nachteiliges Aufsehen in der Öffentlichkeit erregten. Ich halte deshalb Streichung des zweiten Absatzes des § 323 und des § 324 für geboten. — § 322. Außer den Vorschriften über das eigentliche Glücksspiel übernimmt der Abschnitt in § 322 die Vorschrift des § 286 StGB, über das Veranstalten ö f f e n t l i c h e r Lotterien nur mit der Modifikation, daß er statt von »obrigkeitlicher« von »behördlicher« Erlaubnis spricht. 33. Abschnitt:
Unberechtigtes Jagen und Fischen.
Das materielle Jagd- und Fischereirecht ist landesrechtlich geregelt (in Preußen durch die Jagdordnung vom 15. 7. 07 pr. GS. S. 207 nebst Abänderungsges. v. 15. 7. 1924, pr. GS. S. 577 und Fischereiges. vom 11. 5. 16 pr. GS. S. 55). Nach Landesrecht entscheidet sich daher, unter welchen Voraussetzungen und in welchen Grenzen ein Jagd- oder Fischereirecht besteht, welche Sachen ihm unterliegen und wer es ausüben darf. Auch die jagd- und fischereipolizeilichen Bestimmungen dieser Gesetze bleiben aufrecht erhalten, wie dies ebenso schon gegenüber dem geltenden StGB, durch § Abs. 2 seines Einf.-Gesetz bestimmt ist. Der AE. 25 befaßt sich daher nur mit den Tatbeständen, die einen Angriff auf die ausschließliche Aneignungsbefugnis des Jagd- oder Fischereiberechtigten darstellen, und faßt diese, in mannigfacher Abänderung der bisherigen §§ 292 bis 296 a, 370 Nr. 4 StGB, ihrer Eigenart wegen zu einem besonderen Abschnitt zusammen. Reform des Strafgesetzbuchs.
24
i . Buch.
Verbrechen und Vergehen.
Besonderer T e i l .
§ 32S. Die Strafvorschrift des § 328, die Gefängnis und, bei gewerbsmäßiger Begehung der Tat, Gefängnis nicht unter 3 Mo naten, demjenigen androht, der »unter V e r l e t z u n g f r e m d e n J a g d r e c h t s dem Wilde nachstellt oder sich Sachen aneignet, die dem Jagdrecht unterliegen«, bringt deutlicher als der Wortlaut des bisherigen § 292, dessen Tragweite »erst durch die Rechtsprechung erweitert wurde, die Gesamtheit der Fälle zum Ausdruck, die sie erfassen will. Sie richtet sich gegen jeden, der »dem Wilde nachstellt, auch wenn er nicht waidgericht »jagt«, trifft auch denjenigen, der zwar an einem ihm erlaubten Ort jagt, aber einer ihm verbotenen Wildart nachstellt, oder seine Befugnis, nur eine bestimmte Stückzahl Wild zu jagen, überschreitet, sowie schließlich denjenigen, der im Widerspruch mit landesrechtlichen Vorschriften sich Fallwild oder abgeworfenes Gehörn aneignet. Besonders mit Rücksicht auf den letzteren Tatbestand würde ich die Streichung der, im bisherigen § 292 wahlweise angedrohten, Geldstrafe bedauern, wenn nicht die allgemeine Vorschrift des § 72 Abs. 2 des Entwurfs für geeignete Fälle ihre Anwendung ermöglichte. Wenn im übrigen die Erhöhung der Grundstrafe damit motiviert wird, daß »die Wilderei nicht nur als Vermögensdelikt zu bewerten sei, sondern häufig den Anlaß zu schweren Verbrechen gegen Leib und Leben bilde« {Begr. S. 172) so ist zu fragen, ob diesem Gesichtspunkt nicht ausreichend durch Einfügung des § 332 Rechnung getragen wird. § 329Der Strafschutz gegen rechtswidrige E i n g r i f f e in f r e m d e s F i s c h e r e i r e c h t (bisher §§ 296, 370 Nr. 4 StGB.) erstreckt sich nach § 329 nicht nur auf Fische, sondern auf alle, nach Landesrecht der Aneignungbefugnis eines Fischereiberechtigten unterliegende Wassertiere (Krebse). Die gestiegene wirtschaftliche Bedeutung der Fischerei veranlaßt den Entwurf, schon den einfachen Tatbestand zum Vergehen auszugestalten und mit Gefängnis bis zu 6 Monaten — hier übrigens wahlweise mit Geldstrafe — zu bedrohen. Die Strafvorschrift des bisherigen § 296 a betreffend unbefugte Ausübung der K ü s t e n f i s c h e r e i hat der AE. 25 nicht aufgenommen, während sie im f . 19 (§ 399) enthalten ist. Nach der Begr. S. 172 ist die Aufnahme im Interesse der erwünschten Rechtsangleichheit mit Österreich unterblieben. Die Begr. S. 3 gedenkt der wertvollen Mitwirkung der österreichischen Justiz-
M amroth, Abschnitt 30 bis 35*
371
am AE. 25 und hofft, daß er auch für die Reform des dortigen Strafrechts die einheitliche Grundlage bilden wird. Für das künftige Deutsche Strafgesetzbuch soll im Einf.-Gesetz Ersatz für die Vorschrift des § 296 a geschaffen werden.
Verwaltung
§ 33o.
Falls ein Vergehen gegen § 328 oder 329 von einem Angehörigen des Verletzten oder an einem Ort begangen wird, wo der Täter die Jagd oder die Fischerei in beschränktem Umfange ausüben durfte, wird die Verfolgung von der »Zustimmung« des Verletzten abhängig gemacht. Dies bedeutet im Gegensatz zu den Fällen, in denen die Strafverfolgung von dem »Verlangen« des Verletzten abhängig gemacht ist (vgl. z. B. §§ 244, 290, 292), daß zwar zunächst von Amts wegen eingeschritten wird, die Verfolgung aber zu unterbleiben hat oder einzustellen ist, wenn der Verletzte seine Zustimmung versagt. Ob diese Unterscheidung, die der Entwurf an Stelle der Antragsbefugnis einführt, von deren fristgemäßen Ausübung das geltende Recht die Strafverfolgung abhängig macht, erforderlich und praktisch zweckmäßig ist, kann zweifelhaft erscheinen. Die Begr. rechtfertigt sie in ihrem allgemeinen Teile (S. 5), dem E. 19 ist sie noch unbekannt. §
33«-
Die E i n z i e h u n g der bei Begehung der strafbaren Tat gebrauchten Geräte (und auch Hunde) ist von § 331 zwingend und ohne Rücksicht auf die Eigentumsverhältnisse vorgeschrieben. Um Härten zu vermeiden wird aber dieser Grundsatz »in besonders leichten Fällen« und überdies dann durchbrochen, wenn die rechtswidrige Benützung ohne Schuld des Eigentümers erfolgte. In den ersteren Fällen k a n n , in letzterem Falle m u ß die Einziehung unterbleiben. § 332Neu ist die, Aufnahme der schweren StrafVorschrift des § 332 (Zuchthaus) gegen denjenigen, der »bei der Wegnahme von Gegenständen des Jagd- oder Fischereirechts auf frischer Tat betroffen, Gewalt gegen eine Person anwendet oder mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben droht«. Die Vorschrift ist tatbeständlich dem §252 des geltenden StGB, (räuberischer Diebstahl) und § 305 Abs. 2 des Entwurfs nachgebildet und rechtfertigt sich insbesondere gegenüber dem, gewöhnlich bewaffneten und erfahrungsgemäß zu Gewalttaten neigenden, über24*
372
i. Buch.
Verbrechen und Vergehen.
Besonderer Teil.
raschten Wilderer. Es frägt sich nur, ob sie sich nicht durch die, gleichfalls sehr schweren Strafandrohungen der §§ 143, 144 des AE. (Widerstand gegen Wald-, Jagd- und Fischereiberechtigte} erübrigt. Im E. 19 fehlt diese Spezialbestimmung. 34. Abschnitt: Tierquälerei. Im bisherigen Strafgesetz dient dem Tierschutz nur die Übertretungsvorschrift des § 360 Nr. 13, nach welcher mit Geldstraf© oder Haft bestraft wird, wer Tiere »öffentlich oder in Ärgernis erregender Weise boshaft quält oder roh mißhandelt«.. Der VE. 09 (§ 146) und der GE. 11 (§ 189) behandeln bereits die Tierquälerei als Vergehen, erweitern den Tatbestand und drohen außer der Geldstrafe Gefängnis bis zu 6 Monaten an.. Der E. 19 § 400 ist in richtiger Erkenntnis, daß Tierquälerei ein ganz besonders starker Ausdruck roher und gemeiner Gesinnung ist, auf diesem Wege fortgeschritten, hat die Strafe verschärft,, die Anordnung der Urteilsveröffentlichung für zulässig erklärt und neben der Vorschrift über »Tierquälerei« im eigentlichen. Sinne eine solche über »Tierschutz« (§ 401) eingefügt. Er streicht bereits das Erfordernis der »Öffentlichkeit« und des »Ärgerniserregens«, übernimmt aber noch dasjenige der »Bosheit«.. § 333Der E. 25 in seinem § 333 erleichtert mit Recht die Anwendung der Strafvorschrift, indem er an Stelle der bisherigen außergewöhnlichen Schuldform des Vorsatzes »boshaft« die Worte setzt: »absichtlich quält«. Dies tut derjenige, der dem Tier erhebliche Schmerzen und Leiden verursacht, und dem es dabei gerade auf diesen Erfolg ankommt. Ich vermag nicht einzusehen, warum die Begr. (S. 173) zur Erfüllung des Tatbestandes »länger dauernde« oder »sich wiederholende« Schmerzen fordern zu müssen glaubt. Der zweite Tatbestand der »rohen Mißhandlung« umfaßt die Fälle, in denen nicht gerade der Vorsatz auf die quälerische Schmerzenerregung gerichtet ist, wohl aber subjektiv das Bewußtsein des Täters davon, und objektiv eine Behandlung vorliegt, die in besonderem Maße das Gefühl vermissen läßt, das der sittlich denkende Mensch für die Schmerzenempfindung des Tieres haben soll. Beide Tatbestände beziehen sich nur auf Fälle, in denen die Schmerzzufügung nicht durch einen an sich notwendigen oder billigungswerten Zweck, wie Arbeit, Transport, Benutzung zu wissenschaftlichen Zwecken und. Schlachten geboten ist (vgl. Begr. S. 173).
Mamroth,
Abschnitt 30 bis 35.
373
§ 334-
Hier setzt die Vorschrift des § 334 über »Tierschutz ein, die Vorsorge treffen will, daß auch bei solchen Gelegenheiten den Tieren nicht über das, durch den Zweck gebotene. Maß Schmerzen bereitet werden. Welche Tatbestände im einzelnen hier in Betracht kommen, bestimmen die nach der Benützungsart, dem Ort und der Zeit der Verwendung verschiedenen Bedürfnisse. Der Entwurf überläßt den Erlaß der nötigen Bestimmungen den zuständigen Verwaltungsstellen und gibt nur eine generelle Strafvorschrift (Gef. bis zu 3 Mon. oder Geldstrafe) gegen den, der »einer zum Zwecke des Tierschutzes erlassenen Vorschrift zuwiderhandelt«. Insoweit es sich hierbei um die, überall bestehenden, der praktischen Erfahrung entstammenden Polizeiverordnungen über das Anschirren und Aufzäumen von Zugtieren, die Beförderung lebender Tiere in Käfigen, Wagen und dergleichen handelt, werden Bedenken gegen diese Art der Regelung, bei welcher der Entwurf sich jeder Einwirkung darauf, ob, in welchem Unfange und von welchen Dienststellen Bestimmungen dieser Art erlassen werden können, enthält, nicht zu erheben sein. Eine besondere Erörterung erfordern aber die hier einschlägigen Fragen der Versuche an lebenden Tieren zu wissenschaftlichen Zwecken und des rituellen Schlachtens. Die Begr. (S. 174) hebt ausdrücklich hervor, daß der Entwurf keine Stellung dazu nimmt, ob und inwieweit nach diesen beiden Richtungen »Beschränkungen oder Verbote« erlassen werden können. Dadurch ist die Möglichkeit eröffnet, daß, obgleich der in § 333 formulierte Tatbestand der Tierquälerei wie auch die Begr. (S. 173) ausdrücklich hervorhebt, bei einer »Behandlung des Tieres, die nur aus wissenschaftlichen oder religiösen Beweggründen geschieht« nicht gegeben ist, dennoch eine Bestrafung der Vivisektion und des rituellen Schächtens aus dem Blankettgesetz des § 3 3 4 durch Erlasse irgend einer zuständigen Landesstelle herbeigeführt werden kann. Diese Befürchtung liegt um so näher, als weder die aus dem Tierexperiment unzweifelhaft gewonnene weittragende Förderung der medizinischen Wissenschaft, noch die zahlreichen Gutachten überragender Gelehrter und sachverständiger Praktiker aller Konfessionen über die Methode des Schächtens, noch auch die dementsprechende Stellungnahme des Reichsgesundheitsamtes in seiner Zuschrift an den Reichsminister des Innern vom 14. November 1924 verhindern konnten, daß sowohl die Frage der Vivisektion als auch des Schächtens immer wieder von gewissen, sachlichen Aufklärungen unzugänglichen Seiten
i . Buch.
Verbrechen und Vergehen.
Besonderer Teil.
als Parteisache behandelt werden. Es ist sogar zu besorgen, daß die Bestimmung des § 334 einen neuen Antrieb für solche Bestrebungen bieten wird. Bei dem großen Interesse, das die medizinische Wissenschaft einerseits und das Judentum, zu dessen religiösen Satzungen die rituelle Schlachtmethode gehört, andererseits an einer Regelung dieser Fragen durch Reichsrecht hat, empfiehlt es sich deshalb, entweder den Erlaß von Verordnungen, welche diese beiden Materien betreffen, von der Zustimmung des Reichsgesundheitsamtes abhängig zu machen, oder aber dem §334 unter sinngemäßer Nachbildung des § 238 einen Zusatz etwa des Inhalts zugeben: »Handlungen die an lebenden Tieren zu wissenschaftlichen Zwecken oder zur Ausführung des religiönsgesetzlichen Schlachtverfahrens (Schächten) vorgenommen werden, enthalten, insoweit sie der Übung eines gewissenhaften Forschers bezw. Religionsdieners entsprechen, keine Verletzung des Tierschutzes«. 35. Abschnitt: Mifibrauch von Rauschgiften. In diesem Abschnitt betritt der Entwurf Neuland. Er eröffnet auf strafrechlichem Gebiet den Kampf vor allem gegen »Dämon Alkohol«, daneben auch gegen den Mißbrauch anderer Rauschgifte (Morphium, Opium, Kokain usw.) und nikotinhaltiger Tabakwaren. Der gesetzgeberische Grund ist einmal die — durch eine statistische Tabelle über den Einfluß des Alkoholmißbrauchs auf die Kriminalität — in Bayern 1910—1913 {Begr. S. 174) sehr interessant belegte Tatsache, daß ein erheblicher Teil aller Straftaten unter der unmittelbaren Wirkung von Rauschgiften, insbesondere in Trunkenheit, begangen wird. Ferner die Erfahrung, daß Täter einer großen Anzahl strafbarer Verfehlungen solche Personen sind, die entweder durch Abstammung von Alkoholikern, Morphinisten und dergleichen degeneriert sind, oder selbst durch Mißbrauch von Rauschgiften sich körperlich und geistig zerrüttet und unfähig gemacht haben, Versuchungen zu widerstehen oder ihren Lebensunterhalt redlich zu verdienen. Die dankbare Aufgabe, die sich hier der Entwurf gestellt hat, ist also nicht sowohl Bestrafung des verübten Verbrechens, sondern Bekämpfung seiner Ursachen. Diesem Zweck dienen in erster Reihe die Strafbestimmung des § 335 gegen denjenigen, der sich durch den Genuß von Rauschgiften in einen, die strafrechtliche Verantwortlichkeit wegen einer von ihm verübten Straftat ausschließenden Zustand versetzt, ferner Bestimmungen, die vorbeugend den Mißbrauch von Rauschgiften zu
Mamroth,
Abschnitt 30 bis 3 5 .
375
verhindern bestimmt sind (Strafandrohungen gegen das unbefugte Überlassen von Rauschgiften), und im Zusammenhang damit die Maßnahme der Besserung und Sicherung im Allgemeinen Teil § 44 (Unterbringung in einer Trinkerheilanstalt) § 51 (Schutzaufsicht) und § 52 (Wirtshausverbot). Im einzelnen sei folgendes bemerkt: § 335-
Nach § 16 des AE. ist nicht strafbar, wer zur Zeit der Tat nicht zurechnungsfähig ist, und nach § 17 ist nicht zurechnungsfähig, wer »zur Zeit der Tat wegen Bewußtseinsstörung, krankhafter Störung der Geistestätigkeit oder wegen Geistesschwäche unfähig ist, das Unerlaubte der Tat einzusehen, oder dieser Einsicht gemäß zu handeln«. In einen solchen Zustand der Unzurechnungsfähigkeit kann jemand auch durch den Genuß von Alkohol oder andere berauschende Mittel versetzt werden, und er muß deshalb für eine, in diesem Zustand begangene Straftat straffrei bleiben, ebenso wie der jetzige § 51 StGB, das Vorhandensein einer strafbaren Handlung negiert, wenn der Täter sich in einem Zustande von Bewußtlosigkeit oder krankhafter Störung der Geistestätigkeit befand, durch den seine freie Willensbestimmung ausgeschlossen war. Trotzdem erscheint sein Verhalten unter dem Gesichtspunkt, daß er selbst den Zustand seiner Willensunfreiheit herbeigeführt hat, dem gesunden Rechtsgefühl für durchaus strafwürdig. Die hier bisher bestehende Lücke füllt der § 335 aus, indem er demjenigen, welcher eine strafbare Handlung begeht, dafür aber aus dem Gesichtspunkt der §§ 16, 17 nicht bestraft werden kann, Gefängnis bis zu zwei Jahren oder : Geldstrafe androht, wenn er »sich vorsätzlich oder fahrlässig durch den Genuß geistiger Getränke oder durch andere berauschende Mittel in den die Zurechnungsfähigkeit (und damit die Bestrafung der Tat selbst) ausschließenden Rauschzustand versetzt hat«. Dabei macht es für die Schuldfrage keinen ^Unterschied, welche Straftat (Verbrechen, Vergehen oder Übertretung) er begangen, und ob er vorsätzlich oder fahrlässig gehandelt hat. Von Bedeutung bleibt dies natürlich für das Strafmaß, dessen Bemessung durch das Gesetz nur insoweit gebunden ist, als die Strafe nach Art und Maß nicht schwerer sein darf, als die für die vorsätzliche Begehung der, in dem Rauschzustand verübten.
i . Buch.
Verbrechen und Vergehen.
Besonderer Teil.
Straftat angedrohte Strafe (Absatz 2). Auch ist, falls diese Tat nur auf Verlangen oder mit Zustimmung des Verletzten verfolgbar war, Bestrafung nach § 335 nur unter den gleichen Voraussetzungen zulässig (Abs. 3). Nach Maßgabe der §§ 44, 51, 52, 59 des Entwurfs kann neben der Strafe auf Unterbringung in eine Trinkerheilanstalt, Schutzaufsicht, Wirtshausverbot und Urteilsbekanntmachung erkannt werden. Als bedeutungsvoll ist schließlich hervorzuheben, daß nach der besonderen Vorschrift des § 17 Abs. 2 Satz 2 die strafmildernde Wirkung der »verminderten Zurechnungsfähigkeit »versagt wird, wenn die Bewußtseinsstörung auf selbstverschuldeter Trunkenheit beruht. § 336.
Neu wie die Vorschrift des »Wirtshausverbots« .(§ 52) selbst sind auch die zu dessen Durchführung dienenden Strafandrohungen des § 336, die sich im Abs. 1 gegen den, von dem Verbot Betroffenen selbst, im Abs. 2 gegen den Inhaber einer Schankwirtschaft oder dessen Vertreter richten, wenn sie wissentlich (dolus eventualis genügt also nicht) einer Person, die unter Wirthaus verbot steht, in den Räumen der Schankwirtschaft ein geistiges Getränk verabreichen. Über die praktische Durchführbarkeit dieser Vorschrift wie überhaupt des Wirthausverbots, insbesondere in den größeren Städten, denke ich einigermaßen skeptisch. § 337-
In gleicher Tendenz bewegt sich die Strafandrohung des § 337 gegen denjenigen, der wissentlich — dolus eventualis also auch hier ausgeschlossen — einer Person, die auf Grund des § 44 in einer Trinkerheilanstalt untergebracht ist, geistige Getränke verschafft. Unerheblich ist, ob es entgeltlich oder unentgeltlich geschieht, während der Wortlaut des § 336 darauf hinzuweisen scheint, daß dort nur an entgeltliche Verabreichung gedacht ist. Eine analoge Bestimmung für Durchkreuzung der Kurvorschriften in anderen Entziehungsanstalten erübrigt sich durch § 341. § 338.
Das Notgesetz vom 24. 2. 1923 (RGBl. S. 147) bedroht mit Strafe das vorsätzliche und fahrlässige Verabfolgen von Branntwein und branntweinhaltigen Genußmitteln im Betrieb einer Gastwirtschaft oder im Kleinhandel an Personen unter 18 Jahren und das Verabfolgen anderer geistiger Getränke an Personen
M a m i o t h, Abschnitt 30 bis 35.
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unter 16 Jahren, letzterenfalls mit der Einschränkung, daß es »zu eigenem Genuß in Abwesenheit der Erziehungspersonen« geschieht. Der § 338 modifiziert und erweitert diese Vorschrift nach verschiedenen Richtungen: 1. Das Schutzalter wird, gleichgültig ob es sich um die Abgabe von Branntwein oder anderer geistiger Getränke handelt, einheitlich auf 16 Jahre festgesetzt. 2. Die Abgabe von Branntwein an Personen unter 16 Jahren ist stets strafbar, ohne Rücksicht darauf, ob sie in einer Schankstätte, in einem Ladengeschäft oder in einer Privatwohnung, in Anwesenheit, oder in Abwesenheit des Erziehungsberechtigten, mit oder ohne dessen Zustimmung, und ob sie entgeltlich oder unentgeltlich erfolgt — eine praktisch sehr weitgehende und, im Interesse der Jugendlichen, die Verfügung der Erziehungsberechtigten erheblich beschränkende Vorschrift. 3. Die Abgabe anderer geistiger Getränke an Personen unter 16 Jahren ist nur strafbar, wenn sie in einer Schankstätte und in Abwesenheit der Erziehungsberechtigten (Eltern, Vormünder, Pfleger, Lehrer, Lehrmeister) oder deren Vertreter erfolgt. Auch hier kommt es auf die Entgeltlichkeit nicht an. 4. Ebensowenig gehört, abweichend von § 337, hier »Wissentlichkeit« zum inneren Tatbestande. Es genügt also, wenn der Täter nur mit der Möglichkeit rechnet, daß er es mit einer Person unter 16 Jahren zu tun hat. Das obenerwähnte Notgesetz bedroht mit gleicher Strafe denjenigen, der geistige Getränke im Betriebe einer Schankwirtschaft oder im Kleinhandel einem Betrunkenen verabreicht. In Abs. 2 des § 338 wird diese Vorschrift unter Weglassung der Worte: »im Kleinhandel« übernommen. Weshalb diese Einschränkungen, da doch der erstrebte Zweck, einem Betrunkenen den weiteren Genuß von Alkohol zu unterbinden, auch dadurch vereitelt wird, daß er sich seine Flasche in einem Laden neu füllen läßt? § 339-
Da erfahrungsgemäß bei Ansammlungen größerer Menschenmengen (Wahlen, Festlichkeiten, Versteigerungen und dergl.) oft Ausschreitungen infolge Alkoholmißbrauchs stattzufinden pflegen, gibt § 339 eine Blankettstrafvorschrift für Zuwiderhandlungen gegen Vorschriften, durch die »für bestimmte Anlässe das Verabreichen geistiger Getränke verboten wird«. Die
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Verbrechen und Vergehen.
Besonderer Teil.
Frage, ob und welche derartige Verbote angebracht erscheinen, bleibt den zuständigen örtlichen Verwaltungsstellen überlassen. § 34o.
Auch die Strafvorschrift gegen Verabreichung nikotininhaltiger Tabakwaren an Jugendliche unter 16 Jahren zu eigenem Verbrauch in Abwesenheit der Erziehungsberechtigten hat § 3 4 0 aus dem Notgesetz vom 4. Februar 1923 übernommen und zwar befremdlicherweise ohne die dortige Einschränkung, daß die Verabreichung »im Betriebe einer Gast- oder Schankwirtschaft oder im Kleinhandel« erfolgt. Danach könnte also jemand sich eines, mit Gef. bis zu 3 Monaten oder Geldstrafe bedrohten Vergehens schuldig machen, wenn er einem noch nicht voll sechzehnjährigen Sekundaner eine Zigarette schenkt. Mir scheint, dies heißt ein wenig »mit Kanonen auf Spatzen schießen«. § 342Allerdings gilt für § 340 wie auch für alle übrigen Vorschriften dieses Abschnitts die Bestimmung des § 342, nach welcher das Gericht in besonders leichten Fällen von Strafe absehen kann. § 341. »Einstweilen«, so sagt die Begr. S. 176, ist als § 3 4 1 die, inhaltlich dem geltenden Rechte (§ 8 Gesetz zur Ausf. des internat. Opiumabkommens vom 2 1 . 3. 24 RGBl. S. 290) entsprechende Vorschrift aufgenommen »Wer unbefugt einem anderen Opium, Morphium, Kokain oder ähnliche berauschende oder betäubende Gifte überläßt, wird mit Gef. bis zu 2 Jahren oder Geldstrafe bestraft«. E s solle im weiteren Verlauf der Reform geprüft werden, ob sie zweckmäßig ihre Stelle behalte. Ich glaube, man wird dies unbedenklich mit Rücksicht auf den Zusammenhang mit den übrigen Vorschriften dieses Abschnittes bejahen können. Die Bestimmung des § 3 4 2 findet auch auf sie Anwendung.
Z w e i t e s und D r i t t e s
Übertretungen.
Buch:
Gemeinschädliches
Verhalten.
Übertretungen und Gemeinschädliches Verhalten. Von
Kammergerichtsrat Professor Dr. K. Klee, Berlin.
Einleitung. Buch II (Übertretungen) und Buch III (gemeinschädliches Verhalten) des AE. 25 sind nur als vorübergehende Bestandteile des künftigen Strafgesetzbuchs gedacht, als Keimzellen und Kristallisationspunkte je eines neuen, dem eigentlichen Strafrecht (Buch I) gegenüber selbständigen Ganzen: die Vorschriften des Zweiten Buchs sollen nämlich später einmal in ein Reichspolizeistrafgesetz, die des Dritten Buchs in ein Verwahrungsgesetz für asoziale Elemente übergehen {Begr. 25, S. 6, 187). Aus diesem provisorischen Charakter der beiden Bücher erklärt sich der ihnen anhaftende Mangel an einheitlicher Geschlossenheit und folgerichtiger Durchführung der leitenden Gedanken. Die Einstellung des kritischen Betrachters muß allerdings beiden Komplexen gegenüber eine verschiedene sein. Bei Buch II werden wir die Unvollkommenheit des Überganges, soweit möglich, d. h. unbeschadet gewisser, aus dem Wesen der Sache heraus unbedingt zu fordernder Verschiebungen im Verhältnis der im Ersten und Zweiten Buch enthaltenen Tatbestände zueinander, in den Kauf nehmen können. Denn hier ist der Gedanke der Eigenart des Polizeiunrechts gegenüber dem kriminellen Unrecht in einer mit den Grundsätzen des Strafrechts immerhin im Einklang stehenden Art und Weise zum Ausdruck gelangt. M. a. W. wir haben es in Buch 11 ebensowie in Buch I bei aller Verschiedenheit des Inhalts beider Bücher mit s t r a f b a r e n , tatbestandsmäßig festumrissenen Handlungen zu tun, die mindestens eine staatliche Reaktion, die Strafe oder die sichernde Maßnahme, mit Notwendigkeit nach sich ziehen. In Buch III herrscht dagegen in der Hauptsache der Gedanke der Zweckmäßigkeit, es handelt sich hier nicht um eine in ihren Voraus-
382
2•
und
Buch.
Übertietlingen und Gemeinschädliches Verhalten.
S e t z u n g e n klar bestimmte staatliche Reaktion rechtlicher Art, sondern um reine Verwaltungstätigkeit. Die Unterbringung in ein Arbeitshaus, ein Asyl und die Schutzaufsicht wollen nicht gegen eine einzelne Tat reagieren, sondern gegen den durch ein Verhalten symptomatisch angezeigten asozialen Zustand (Begr. 25 S. 187). Die Zusammengehörigkeit des Ersten und Zweiten Buchs einerseits und die Sonderstellung des Dritten Buchs ihnen beiden gegenüber sei hier nur an einer Erscheinung veranschaulicht : Damit die Frage der im Ersten und Zweiten Buch geregelten sichernden Maßnahmen — für das Zweite Buch kommt nur die Einziehung in Betracht (§ 350) — überhaupt auftauchen kann, muß in jedem Falle, also auch bei Unzurechnungsfähigkeit des Täters, der objektive und subjektive Tatbestand einer strafbaren Handlung gegeben sein, die hier zugelassenen Maßnahmen liegen daher durchaus im Rahmen des Straf rechts (vgl. Begr. S. 39). Die in Buch III vorgesehene Unterbringung wegen Gemeinschädlichkeit ist im Gegensatz hierzu in der Regel an irgendwelche subjektiven Schuldvoraussetzungen nicht gebunden {Begr. S. 188), sie ist also insoweit ein strafrechtlich farbloser Begriff. Bleiben die Vorschriften des Dritten Buchs so, wie sie uns im AE. entgegentreten, unverändert bestehen, so gehören sie — das kann schon jetzt gesagt werden — nicht in ein Strafgesetzbuch. Zweites
Buch
(Übertretungen).
Der legislative Bestand des Zweiten Buchs des AE. 25 hängt von der Beantwortung der Frage ab: Läßt sich kriminelles und Polizeiunrecht derart sondern, daß es gerechtfertigt wäre, das Polizeiunrecht in einem besonderen Buche mit abweichenden Grundregeln zu behandeln, wie es. AE. 25 gleich seinem Vorgänger E. 19 tut ? Es ist hier nicht der Ort, im einzelnen zu den verschiedenen Theorien über den Unterschied zwischen beiden Unrechtsgebieten und zu den oft erörterten Gegengründen Stellung i u nehmen. Dem Gedanken der Abspaltung eines sich auf Verwaltungs(Ordnungs) Widrigkeiten beschränkenden Polizeistrafrechts mit besonderm Verwaltungsstrafverfahren läßt sich die Lebenskraft nicht absprechen. Schon deshalb nicht, weil er eine mächtige .Stütze hat in dem Rechtsbewußtsein des Volkes, das nicht versteht, wie die bloße Störung der »guten Ordnung des Gemeinwesens« sachlich und prozessual mit den gemeinen Verbrechen als wesensgleich, nur mit quantitativen Abweichungen, behandelt werden könne. Außerdem hat die neuere Gesetzgebung auf dem Gebiete des Steuerstrafrechts und des Versicherungsrechts den Ge-
K l e e , Übertretungen und Gemeinschädliches
Verhalten.
danken endgültiger Straffestsetzung durch Verwaltungsbehörden teilweise bereits verwirklicht. Der Schwerpunkt des Polizei (Verwaltungs)-Strafrechts liegt in der Tat in einem von dem Justizstrafrecht abzutrennenden Verwaltungsstrafverfahren. Es gibt eine Reihe justizfremder Materien, man denke nur an das Wasserrecht, an das Bergrecht, das Apothekerrecht, die erfolgreich nur im engen Anschluß an die ihre Technik übersehende und mit ihr verwachsene Verwaltung strafrechtlich behandelt werden können. Der Einwand, die Freiheit des Staatsbürgers könne der Gewähr der unabhängigen Rechtsprechung des ordentlichen Strafrichters nicht entraten, verliert seine Bedeutung durch das Vorhandensein einer noch weiter auszubauenden unabhängigen Verwaltungsgerichtsbarkeit. Dieser Verwaltungsgerichtsbarkeit werden allmählich auch die aus dem durchschnittlichen täglichen Leben erwachsenden und damit an sich ohne weiteres im Erfahrungskreis des ordentlichen Strafrichters liegenden Polizeiübertretungen zuzuführen sein. Entscheidend ist, daß die wesentliche Verschiedenheit der Bedeutung des Übertretungsstrafrechts und des kriminellen für die Rechtsordnung als Ganzes auch hier plastisch hervorzutreten hat. Der Begriff des Polizeistrafrechts läßt sich nun nicht einheitlich erfassen, nicht restlos auf eine Formel bringen. Immer wird, wenn man das Polizeistrafrecht zu kodifizieren unternimmt, zweifelhaft sein, ob man den einen oder den andern Tatbestand dem kriminellen oder dem Polizeiunrecht zuteilen solle. Die Grenze zwischen beiden Unrechtsgebieten ist flüssig, sie ist sogar kraft eines geschichtlich nachweisbaren »Abschichtungsproze ses« in ständigem Fluß. Eine Handlung, die man gewohnt war, als Ordnungswidrigkeit zu betrachten, kann einer neuen Epoche im Lichte der Verbindung mit bisher mehr unter der Schwelle des Bewußtseins lebenden Gedankenreihen zum- Delikt im eigentlichen Sinne werden, und umgekehrt kann ein früher überwiegend als Rechtsgüterverletzung betrachteter Eingriff auf das Niveau einer bloßen Verwaltungswidrigkeit herabsinken. Für beide Möglichkeiten bietet der AE. 25 Belege. Andererseits vermag die Geringfügigkeit eines Verletzungsdelikts i. e. S. seine Einreihung unter die Polizeidelikte zu rechtfertigen, es überwiegt der Eindruck, daß die Handlung sich nicht mit der guten Ordnung des Gemeinwesens verträgt und daß der unmittelbar Betroffene eine nur unbedeutende, den Rechtsgüterbestand im Ganzen nicht berührende Einbuße erleidet. Immer wird es mehr oder weniger willkürlich erscheinen, wenn man den Ton auf die eine oder andere Seite der Sache legt.
384
un 3 4 8 ) : während die Beihilfe bei Übertretungen, ebenso wie der soeben behandelte Versuch immer straflos sein soll, soll fahrlässiges Handeln hier zur Strafbarkeit im Zweifel stets genügen. E s verlohnte sich wohl, die Frage nicht in den Bahnen des durch das RStGB. und die herrschende Praxis vorgezeichneten Herkömmlichen zu behandeln, sondern von neuem grundsätzlich aufzurollen. Wir müssen uns das an dieser Stelle versagen. Nur soviel: Für die Straflosigkeit der B e i h i l f e bei Übertretungen ist und war stets der Gesichtspunkt der Geringfügigkeit der Haupttat maßgebend, wohl auch der Gedanke, d a ß die Ordnungswidrigkeit genügend zurückgewiesen wird, wenn sich der Staat an den ihm den Gehorsam Versagenden selbst hält. Dann wäre freilich nicht zu begreifen, warum die Anstiftung zu Übertretungen strafbar sein soll. Hierfür war ein anderer Gesichtspunkt bestimmend: Der Anstifter wird nach StGB, gleich dem Täter bestraft, er wird also auch wie der Täter angesehen, wenn es sich um die Frage der S t r a f b a r k e i t a n s i c h handelt. Vom Standpunkt des AE., der zwar im Gegensatz zum geltenden Recht, wie es wenigstens vom RG. ausgelegt wird, auf objektiver Grundlage a n der begrifflichen Unterscheidung zwischen Täterschaft und Beihilfe festhält (§ 26), aber doch grundsätzlich keinen Unterschied zwischen beiden Erscheinungsformen des Delikts in der Bestrafung macht (§§ 25, 26), müßte, wenn die Anstiftung zu Übertretungen strafbar bleibt, entsprechend auch die Beihilfe dazu strafbar werden. Eine Gleichbehandlung der Anstiftung und der Beihilfe auch auf dem Gebiete der Übertretungen erscheint um so angezeigter, als der E. (§ 27) die akzessorische Natur der Beihilfe ebenso wie die der Anstiftung im wesentlichen aufgegeben und beide Tatformen mehr oder weniger verselbständigt hat (vgl. Begr. S. 26/27). In der
2 . und 3 . Buch.
Übertretungen und Gemeinschädliches Verhalten.
Praxis des 1. Strafsenats des Kammergerichts sind überdies im Zusammenhang mit der reichsgerichtlichen Bildung des Begriffs der Täterschaft mittels dolosen Werkzeugs neuerdings Gesichtspunkte hervorgetreten, die eine Bestrafung der Beihilfe zur Übertretung nahelegen: Der Kutscher des A fährt mit einem polizeiwidrig nicht mit Firmenschild versehenen Geschäfts wagen auf Veranlassung des A, der den Zustand des Wagens kennt, Waren aus. Hier liegt nicht strafbare Haupttat des Kutschers und Anstiftung seitens des Geschäftsherrn A vor, vielmehr mittelbare Täterschaft des letzteren und Beihilfe des Kutschers zur Polizeiübertretung des A. Bei dieser gewiß zu billigenden rechtlichen Konstruktion muß der Angestellte straflos ausgehen sowohl nach RStGB. als nach AE. Die Beihilfe des Angestellten in solchen Fällen straflos lassen bedeutet aber nichts anderes als eine Prämiierung des regelmäßig nicht widerlegbaren Einwandes des Angestellten, er habe auf Veranlassung des Geschäftsherrn gehandelt. Weiter ein Beispiel aus der Praxis des KG., das die Bedenken der Straflosigkeit von der Seite des intellektuell Verantwortlichen her beleuchtet: Der Vater sieht ruhig zu, wie seine unerwachsenen Kinder auf das Nachbargrundstück allerhand Unrat werfen (Übertretung des § 366* StGB. — auch des § 374 Ziff. 2 AE. ? — bzw. des § 26 preuß. Feld- und Forstpolizeigesetzes). Sofern er sie hierzu nicht veranlaßt hat, bliebe nur übrig, ihm seine Erziehungspflichten durch Bestrafung wegen einer durch Unterlassung begangenen Beihilfe zur Übertretung der Kinder zu Gemüte zu führen — wenn eben nicht StGB, (ebenso AE.) hier versagte. Sollte es trotz dieser Bedenken bei der Straflosigkeit der Übertretungsbeihilfe verbleiben, so besteht auch hier kein innerer Grund, einen wesentlichen Unterschied zwischen den Bagatell-Vergehen und den Übertretungen zu machen, also es bei der Bestrafung der Beihilfe zu den kleinsten Vergehen zu belassen. Was die Frage der Strafbarkeit der Fahrlässigkeit bei Übertretungen anlangt, so stehen hier zwei Gesichtspunkte miteinander im Streit. Es liegt auf der Hand, daß die Geringfügigkeit der Verfehlung nicht zur Regel der Strafbarkeit führen kann. Mit Recht weist W a c h e n f e l d 1 ) darauf hin, daß gerade umgekehrt aus diesem Gesichtspunkt die Bestrafung der fahrlässigen Vergehen die Regel, die der fahrlässig begangenen Übertretungen die Ausnahme sein müßte; andererseits verlangt er grundsätzlich eine Anpassung der Fahrlässigkeitsstrafe an die geringere Verschuldung 1) a. a. O.
K l e e , Übertretungen und Gemeinschädliches
Verhalten.
der vorsätzlichen Begehung gegenüber. Die letztere, an sich theoretisch durchaus begründete Forderung hat, wie ich glaube, keine besondere praktische Bedeutung. Gerade bei den fahrlässigen Übertretungen wird nach oben ein in den für vorsätzliche Begehung vorgesehenen Strafrahmen übergehender Rahmen praktisch kaum zu entbehren sein, schon im Hinblick auf die Grenzformen der bewußten Fahrlässigkeit und des bedingten Vorsatzes, andererseits würde ein besonderes Höchstmaß für Fahrlässigkeit bei der relativ geringen Höhe der Vorsatzstrafe kaum gerechtfertigt sein und endlich verbietet sich die Ansetzung eines abweichenden gesetzlichen Mindestmaßes von selbst. Die Forderung, die Bestrafung der Fahrlässigkeit müsse bei den Vergehen die Regel, bei den Übertretungen die Ausnahme sein, folgt, wie gesagt, zwingend aus dem Gesichtspunkt der verschiedenen Schwere der und jener Deliktsgruppe. Überall, wo lediglich die Geringfügigkeit der Rechtsverletzung ihren Übertretungscharakter begründet, hätte daher die Strafbarkeit der Fahrlässigkeit zu entfallen. Da aber, wo die Übertretung sich als Übertretung darstellt, weil sie typisches polizeiliches Ungehorsamsdelikt, typischer Eingriff in die gute Ordnung des Gemeinwesens ist, fällt ihre Geringfügigkeit für die Frage ihrer Strafbarkeit in der Form der fahrlässigen Begehung nicht maßgebend ins Gewicht. Es handelt sich hier um die Notwendigkeit der Aufrechterhaltung des Bestandes der äußeren Ordnung und diese Ordnung wird ebenso durch einen fahrlässigen wie durch einen vorsätzlichen Übertreter gefährdet, ja es gab eine Zeit, wo schon das reine Faktum eines Widerspruchs mit der Ordnungsvorschrift genügte, die Reaktion der Strafe hervorzurufen. An den sich aus diesen Erwägungen ergebenden Maßstäben gemessen, besteht der AE. vor der Kritik, soweit die von ihm in das Buch II eingereihten Übertretungen in Frage kommen. Hier ist überall die Fahrlässigkeit unter Strafe gestellt, wo ihre Bestrafung sich mit dem Wesen des Delikts als Ordnungsdelikts verträgt. Nun gibt es aber, wie oben gezeigt, auch Vergehen im f . , die bei Licht betrachtet, Übertretungscharakter haben. Wenn der E. bei ihnen die Fahrlässigkeit nicht mit Strafe bedroht, so ist dies ein erheblicher Fehler. Es ist nicht einzusehen, warum derjenige, der zum Zwecke des Tierschutzes erlassenen Vorschriften oder einer Vorschrift zuwiderhandelt, durch die für bestimmte Anlässe das Verabreichen geistiger Getränke verboten wird, nach dem in § 12 Abs. 3 des AE. für Vergehen aufgestellten Grundsatz nur strafbar sein soll, wenn er die
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