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German Pages 227 [228] Year 1999
Hegel-Studien Herausgegeben von Friedhelm Nicolin und Otto Pöggeler
Beiheft 41
FELIX MEINER VERLAG HAMBURG
Reflexion und Widerspruch Eine entwicklungsgeschichtliche und systematische Untersuchung des Hegelschen Begriffs des Widerspruchs
von Soon-Jeon Kang
FELIX MEINER VERLAG HAMBURG
Inhaltlich unveränderter Print-on-Demand-Nachdruck der Auflage von 1999, erschienen im Verlag H. Bouvier und Co., Bonn.
Bibliographische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliographie; detaillierte bibliographische Daten sind im Internet über ‹http://portal.dnb.de› abrufbar. ISBN 978-3-7873-1542-0 ISBN eBook: 978-3-7873-3162-8 ISSN 0073-1578
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Meiner Frau
INHALTSVERZEICHNIS EINLEITUNG
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KAPITEL 1: Die Entzweiung des Lebens und die Aufgabe der Vereinigung
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1. 2. 3. 4.
Vom Prinzip der Ereiheit zur Auffassung des Lebens Antinomie und Vereinigung {Glauben und Sein) Die genetische Exposition der Entgegensetzung {Die Liebe) .... Die Aufwertung der Entgegensetzung {Der Geist des Christentums und sein Schicksal) 5. Die Verbindung der Verbindung und der Nichtverbindung {Systemfragment von 1800)
KAPITEL 2: Das philosophische Streben nach der Einheit der Antinomie 1. Von der Religion zur Philosophie (1) Die Konzeption einer absoluten Metaphysik (2) Das Bedürfnis der Philosophie und die Kritik der Reflexionsphilosophie (3) Die zwei Programme der Jenaer Zeit: Kritik und Konstruktion 2. Die Konstruktion des Absoluten und der Widerspruch (1) Die Antinomie als der formelle Ausdruck des Absoluten {Differenz-Schriit) (2) Der Widerspruch als das Übergangsprinzip vom Endlichen zum lJnendlichen{Logik und Metaphysik von 1801) (3) Resümee: Der Widerspruch als Grenzbegriff
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41 41 41 47 50 52 52 61 66
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Inhaltsverzeichnis
3. Die logische Ausarbeitung des Widerspruchsprinzips (Logik, Metaphysik, Naturphilosophie von 1804/05) 69 (1) Ubergangsbetrachtung: Gegen den Satz des Widerspruchs (Skeptizismus-Aufsatz) 69 (2) Das Andere seiner selbst 73 (3) Absolute Reflexion 79 (4) Das Schwanken der Gliederung von Logik und Metaphysik 82 (5) Der absolute Geist als methodisches Prinzip 84 4. Die Methode der Phänomenologie des Geistes und der Widerspruch 90 (1) Die Konzeption der Phänomenologie des Geistes 90 (2) Das methodische Verfahren der Phänomenologie des Geistes . 95 (3) Die Reflexion des Bewußtseins und der Widerspruch 107 (4) Phänomenologie und Logik 109 (5) Die Methode der Phänomenologie des Geistes 114 KAPITEL 3: Die Identität als Widerspruch
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1. Leben und Widerspruch 2. Kontrarietät und Kontradiktion (Nürnberger propädeutische Logiken) (1) Die Darstellungsweise der propädeutischen Logiken (2) Aristoteles und Hegel über Kontrarietät und Kontradiktion (3) Kontrarietät und Kontradiktion; Gegensatz und Widerspruch 3. Der Schein als die Vorstufe zur Reflexion (Wissenschaß der Logik) (1) Die Objektivierung des Scheins (2) Schein und Wesen (3) Der verbalisierte Schein: Das Scheinen 4. Die Reflexion als der „in sich gegangene Schein" (1) Der Hegelsche Begriff der Reflexion (2) Die Entwicklung des Begriffs der Reflexion (3) Seinslogische und wesenslogische Negation (4) Die Korrektur des Anfangs der Wissenschaß der Logik 5. Der Widerspruch als Reflexionsbestimmung (1) Die Reflexion als Konstitutionsprinzip des Gegenstandes .. (a) Die setzende oder in sich bleibende Reflexion (b) Die äußere oder reale Reflexion
119 121 121 123 128 130 130 134 141 142 142 146 150 160 165 165 168 171
Inhaltsverzeichnis
(2) (3) (4)
(5)
(c) Die bestimmende oder außer sich gekommene Reflexion Identität und Unterschied Hegels Kritik am Satz der Identität und des Widerspruchs . Gegensatz und Widerspruch (a) Vom Gegensatz an sich zum Gegensatz an und für sich (b) Der sich ausschließende Widerspruch (c) Der sich auflösende Widerspruch Der Widerspruch als das ontologische Prinzip
9
174 179 184 189 189 195 200 205
Schluss
213
Literaturverzeichnis
215
Sigeln für Ausgaben und Buchtitel
222
Personenregiser
223
Sachregister
225
EINLEITUNG
In der Wirkungsgeschichte der Philosophie Hegels stießen Affirmation und Ablehnung in keiner Disziplin so grundsätzlich aufeinander wie in der Logik. Der Grund liegt vor allem darin, daß Hegel die seit Aristoteles allgemein anerkannte Logik in ihrer klassischen Denkweise und ihren Prinzipien angegriffen hatte.^ Im Zentrum dieses Angriffs stand der herkömmliche Begriff des Widerspruchs. Da der keinen Widerspruch duldende Satz des Widerspruchs den Status einer zweifelsfreien Gewißheit beanspruchen konnte, provozierte Hegels Konzeption des Widerspruchs ihrerseits besonders massive Kritik. Hegel hatte allerdings die fundamentale Bedeutung des Widerspruchs für seine Logik so ausdrücklich betont, daß seine Anhänger diesem sie verwirrenden Problem nicht ausweichen konnten. Da der Satz des Widerspruchs überdies als bewährter Prüfstein wissenschaftlicher Wahrheit angesehen wurde, ging es in der Debatte um den Widerspruch zugleich auch um die Wissenschaftlichkeit der Hegelschen Logik überhaupt. Bei dieser Diskussion sind drei mögliche Lösungen denkbar. Wenn die beiden Positionen unvereinbar sind, kann nur eine Seite, Hegel oder seine Kritiker, recht haben. In diesem Sinne erhoben die Kritiker - von der Unumstößlichkeit des Widerspruchssatzes überzeugt - den Vorwurf, der Hegelsche Begriff des Widerspruchs verstoße direkt gegen den Satz. Die Hegel-Verteidiger konnten nicht die ihnen zugedachte Gegenposition beziehen, da der Satz auch für sie selbstverständlich war. Sie mußten einen anderen Weg einschlagen, der die zweite denkbare Lösung zeigt. Die beiden Positionen könnten miteinander vereinbar sein, wenn man den Hegelschen Widerspruch als nichtlogischen Begriff deutet. Wenn man aber den 1 Schon im Skeptizismus-Aufsutz der frühen Jenaer Zeit kritisiert Hegel den Satz des Widerspruchs (vgl. IV, 208f). Vgl. dazu auch seine spätere Auseinandersetzung mit den Grundsätzen der klassischen Logik in der Logik, Metaphysik, Naturphilosophie von 1804/05 (VII, 130) und der Wissenschaft der Logik (XI, 285ff).
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Einleitung
Anspruch der Hegelschen Dialektik, eine Logik zu sein, nicht aufgibt, dann muß sie als eine Weiterentwicklung der gewöhnlichen Logik gerechtfertigt werden. In diesem Fall müßte auch gezeigt werden, inwiefern diese Logik im Rahmen der Hegelschen Gültigkeit beanspruchen kann. Diese drei möglichen Lösungen muß die Untersuchung des Hegelschen Begriffs des Widerspruchs in Rechnung stellen, die nach einer Antwort auf die dagegen vorgebrachte grundlegende Kritik sucht. Für die Problemstellung der Untersuchung kann also auf deren Hauptargumente zurückgegriffen werden. Unmittelbar nach Hegels Tod übte A. Trendelenburg zum ersten Mal massive Kritik an Hegels Dialektik.^ Seine Kritik bietet - anders als Kritiken ohne genauere Textanalyse^ mit ihren expliziten textnahen Interpretationen eine auch heute noch beachtenswerte Auseinandersetzung. Sie ist daher in der Wirkungsgeschichte der Hegelschen Logik am häufigsten erwähnt worden. Trendelenburgs Argumentation wird insbesondere in den Kritiken am Hegelschen Begriff des Widerspruchs in verschieden formulierten Variationen bis heute wiederholt. Anhand dieser Kritik ist also nach dem Hegelschen Widerspruch zu fragen. Denn Hegels Begründung läßt sich wohl am besten in der Auseinandersetzung mit Trendelenburgs noch weitgehend akzeptierter Widerlegung herausarbeiten. Trendelenburgs Hegel-Kritik findet sich in den zwei zur Darstellung seines eigenen Systems einleitenden Kapiteln seines Werkes: Logische Untersuchungen. Sie sind der Kritik der formalen und der dialektischen Logik gewidmet. Die Trennung des Denkens vom Sein in der formalen Logik kritisierend, behauptet Trendelenburg, daß die Logik auch die Frage nach ihrer objektiven Gültigkeit enthalten muß. Denn die Logik, selbst die formale Logik, „vollendet sich" nicht „innerhalb ihres Kreises", sondern nimmt in sich „Elemente" auf, „welche die Form des Denkens überschreiten und den Inhalt der Gegenstände berühren"."^ In diesem Sinne bezeichnet Trendelenburg die von ihm konzipierte Logik als „die Logik im weiteren Sinne". Logische Bestimmungen werden nach Trendelenburg nicht aus dem reinen Gedanken abgeleitet, sondern von der Bewegung konstruiert, die Denken und Sein vermittelt. Was den Begriff dieser Bewegung betrifft, soll „das Wort nicht meta2 Zu dem nach Hegels Tod entbrannten Streit um seine Dialektik und insbesondere den Widerspruch vgl. R.-P. Horstmann (1978), lOf, 18f und A. Sarlemijn (1971), 82 - 95. 3 Vgl. K. Popper (1940). 4 A. Trendelenburg (1840) Bd 1,18.
Einleitung
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phorisch, sondern in sinnlichem Verstände genommen" werden.^ Das Denken ist also auch im formalen Bereich aufgrund der „Bewegung" durch den Gegenstand bedingt. Nach Trendelenburg bekennt sich zwar auch die Hegelsche Logik zur Einheit von Sein und Denken, in ihr beansprucht jedoch das reine Denken aus seiner eigenen Notwendigkeit, die Momente des Seins zu erzeugen und zu erkennen. Von daher stellt Trendelenburg der Hegelschen Logik gegenüber die Frage: Wie kann „der eigentliche Fortschritt aus dem bloßen Denken geschehen"?® Seine Kritik am Begriff des Widerspruchs impliziert auch diese Frage. Sie bezieht sich vor allem auf die Wissenschaft der Logik, beschäftigt sich aber nicht mit dem ausdrücklich thematisierten Widerspruch im Reflexionsbestimmungs-Kapitel, sondern handelt ihn unter dem Problem der Negation im dialektischen Fortschritt der Kategorien ab. Trendelenburg sieht Negation (Negativität) und Identität als logische Mittel der Dialektik an, um „aus dem leeren Sein durch die Mittelglieder der zwischenliegenden Geschlechter hindurch die absolute Idee" zu erzeugen. Insbesondere bewertet er „die sich allenthalben herausstellende Negation" als den „eingeborenen Trieb, der die Dialektik [. . .] von Stufe zu Stufe fortzieht". Trendelenburg teilt die Negation in logische Negation und reale Opposition.^ Wenn die Negation rein logisch ist, „verneint" sie schlechthin, „was der erste Begriff bejaht, ohne etwas Neues an die Stelle zu setzen". So schließt im kontradiktorischen Gegenteil: a ist b, a ist nicht b, das eine Glied das andere bloß aus. Die beiden Glieder der „logischen Negation" stehen im kontradiktorischen Verhältnis. Für die „reine", also formallogisch kontradiktorische Negation ist das Verneinende nach Trendelenburg dem verneinten Begriff gegenüber „reine unendliche Verneinung" und „unbestimmte Kontradiktion".® Wenn die Negation aber real ist, wird „der bejahende Begriff durch einen neuen bejahenden Begriff verneint". Dieser verneinende Begriff hat auch seine eigene positive Bedeutung, anders als bei der „logischen Negation". Die reale Negation ist also die reale Opposition, das Contrarium, das den Gegensatz erzeugt. Während „die logische Negation" auf rein logischem Wege gewonnen wird, ist in der „realen Opposition" ein Element beigemischt, das über 5 A. Trendelenburg (1840) Bd 2, 531. 6 A. Trendelenburg (1840) Bd 1, 38. 7 Zum folgenden Argument vgl. ebenda 43 f. 8 A. Trendelenburg (1843), 15; Im formallogischen Prinzip der Identität und des Widerspruchs: A ist A und A ist nicht Nicht-A, ist Nicht-A nach Trendelenburg „kein Begriff" und „hat auch keine andere Selbständigkeit". (A. Trendelenburg (1840) Bd 1,26)
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Einleitung
das rein Logische hinausgeht. Bei jener gibt es kein Drittes zwischen beiden Gliedern und deshalb kann keine Einheit der beiden entstehen, während bei dieser die beiden durch „die Bewegung der Anschauung" vermittelt werden.^ Nach Trendelenburgs Argumentation ist auch die dialektische Negation in Hegels Logik eine „reale Opposition", insofern sie „im zweiten Moment etwas in sich Bestimmtes" erzeugt und „im dritten Moment eine Vereinigung" hervorbringt.Für Trendelenburg besteht die Kontradiktion oder der Widerspruch nur im „rein logischen" Verhältnis zwischen einem positiven Begriff und seiner bloßen Verneinung, aber das Konträre oder der Gegensatz beruht auf dem „real oppositionellen" Verhältnis zwischen einem positiven und einem anderen positiven Begriff.” Die Kritik an der Hegelschen Logik lautet also: Die Hegelsche Logik verspricht zwar die Einheit von Sein und Denken, aber sie will zugleich den Fortschritt der Kategorien, also von Momenten des Seins, aus dem bloßen Denken erzeugen; in Wahrheit wird dieser Fortschritt jedoch durch die Bewegung der Anschauung vermittelt. Hieraus folgt auch die Kritik an dem Hegelschen Begriff des Widerspruchs, der nur Widerspruch genannt werde, aber in Wahrheit Gegensatz sei. Wenn man diese Kritik - wie die Althegelianer - damit beantwortet, daß Hegels Widerspruch in Wahrheit ein Gegensatz sei,^^ bezieht man unweigerlich mit Trendelenburg Position gegen Hegel, der eindeutig auch den Widerspruch in der Einheit von Sein und Denken konzipierte. Jene Hegel-Kritik und diese ,hegelianische' Antwort stehen beide noch unter dem Einfluß der von Aristoteles bis Kant gepflegten Unterscheidung zwischen Gegensatz und Widerspruch, die den ersteren als reale und den letzteren als logische Opposition bezeichnet. Während Trendelenburg seiner - und auch Hegels - angeblich durch die sinnliche Anschauung vermittelten Logik nur den Gegensatz zugesteht, konstruiert Hegel offensichtlich den logischen Widerspruch durch das 5 A. Trendelenburg (1843), 14. 10 A. Trendelenburg (1840) Bd 1, 56. a Nach Trendelenburg definiert Aristoteles den Gegensatz als Verhältnis zwischen denjenigen Begriffen, die innerhalb ihrer Gattung am weitesten voneinander entfernt sind, und es wird erst durch die Erkenntnis der Sache entschieden, welche Begriffe konträr sind. Bei Trendelenburg wird das „real oppositionelle" Verhältnis der beiden positiven Begriffe ebenfalls durch die „Bewegung der Anschauung" bestimmt. Sicher meint der Aristoteliker Trendelenburg mit dem Ausdruck „Bewegung der Anschauung" etwas der Erfahrungserkenntnis bei Aristoteles entsprechendes. (Vgl. A. Trendelenburg (1840) Bd 1, 24, Fußnote 2) 12 Vgl. A. Sarlemijn (1971), 90.
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spekulative Denken. Das Verständnis des Hegelschen Widerspruchs setzt daher das des spekulativen Standpunkts voraus. Er steht in diesem Horizont der spekulativen Logik. Die logischen Grundbegriffe dieser Logik sowie ihr spekulativer Standpunkt lassen sich aber unter Berücksichtigung ihrer Idee, Konzeption und deren Wandlung rekonstruieren. Seine Entwicklung verfolgend, kann eine Untersuchung des Begriffs des Widerspruchs versuchen, seine umfassende Gestalt vor dem Hintergrund seiner Entstehung über Wandlungen bis zur vollkommenen Ausgestaltung hervortreten zu lassen. Die drei Kapitel meiner Arbeit entsprechen ungefähr diesen drei Entwicklungsstadien des Hegelschen Widerspruchsbegriffs, ln dieser Entwicklungsgeschichte läßt sich eine enge Beziehung zwischen Reflexion und Widerspruch feststellen. Obwohl Hegel in dier Wissenschaft der Logik den Widerspruch als Reflexionsbestimmung darstellt, hat die bisherige Literatur meiner Ansicht nach nicht zufriedenstellend erläutert, wie Hegel den Widerspruch als Reflexionsbestimmung konzipieren kann und was die Reflexionsbestimmung bedeutet. Meine Arbeit beabsichtigt demgegenüber, die Bildungsgeschichte des Begriffs des Widerspruchs aus der Entwicklungsgeschichte des Begriffs der Reflexion zu begründen und somit die Bedeutung des Widerspruchs als Reflexionsbestimmung zu ermitteln. Einer entwicklungsgeschichtlichen Untersuchung der Hegelschen Philosophie muß man die Arbeiten von O. Pöggeler zugrunde legen.^^ Sie erlauben einen fundierten Gesamtüberblick der Wandlung der Hegelschen Systemkonzeption. Die spezielle entwicklungsgeschichtliche Untersuchung der Hegelschen Logik stützt sich in erster Linie auf die Arbeiten von K. Düsing und M. Baum. Düsings Arbeiten zeigen in der Darstellung der Entwicklung vom endlichen zum unendlichen Subjekt eine klare Phasenunterscheidung in der Entwicklung der Hegelschen Logik.^^ ln demselben Schema stellt M. Baum die Entstehungsgeschichte der Hegelschen Dialektik dar.^® Indem sich Düsing und Baum vorwiegend an der frühen Logik Hegels orientieren, betonen sie die dichotomische Unterscheidung zwischen Reflexion und Anschauung stärker als ihre Verbindung. Sie schenken daher der Rolle der absoluten Reflexion insbesondere in der Logik und Metaphysik von 1804/05 nicht die ihr gebührende Aufmerksamkeit und können die konseVgl. O. Pöggeler (1961), (1964), (1973). u Vgl. K. Düsing (1976), (1993b). 13 Vgl. M. Baum (1986). 13
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quente Entwicklung der frühen endlichen Reflexion zur absoluten Reflexion der Wissenschaft der Logik nicht verfolgen. Meine Arbeit stellt im Grunde denselben Phasenunterschied des Hegelschen Gedankens wie Düsing und Baum fest. Sie wird jedoch zeigen, daß bestimmte Gedanken wie z. B. Hegels erste Habilitationsthese oder die Kritik des Widerspruchssatzes im Skeptizismus-Aufsatz auch in einem über die entsprechende Phase hinausweisenden Sinn verstanden werden können. Die Entwicklungsgeschichte eines Begriffes ist nämlich nicht primär nach der zeitlichen Abfolge, sondern nach der inhaltlichen Entwicklung darzustellen. Die entwicklungsgeschichtliche Rekonstruktion mündet in eine systematische Untersuchung des Begriffs der Reflexion in der Wissenschaft der Logik, durch die der Widerspruch als Reflexionsbestimmung erklärt werden soll. Sie wird in der Auseinandersetzung mit den Arbeiten von D. Henrich und M. Theunissen durchgeführt. Diejenige Arbeit, die direkt den Begriff des Widerspruchs als ein selbständiges Thema behandelt, ist die von M. Wolff.^*’ Er faßt die sich seit Trendelenburg immer wiederholende Kritik an Hegels Widerspruchsauffassung in zwei Punkten zusammen: erstens eine „Ontologisierung" des Widerspruchs und zweitens die „Verwischung" des Unterschieds zwischen konträrem und kontradiktorischem Gegensatz.^^ Seine Arbeit widmet Wolff der Widerlegung dieser Vorwürfe. Die Untersuchung des Hegelschen Widerspruchs muß m. E. diese Eragen wie Wolff angehen. Denn eben aus der Auseinandersetzung mit diesen Kritikpunkten läßt sich das Charakteristische des Hegelschen Widerspruchs genauer herausarbeiten. Wolff verbindet den Kantischen Ansatz aus einer vorkritischen Schrift und der Antinomienlehre mit seiner Hegel-Deutung. Zur Erläuterung greift Wolff auf mathematische Beispiele, die intensionale Logik oder Hegels Deutung des Satzes des ausgeschlossenen Dritten zurück. Diese Deutungsansätze sind zwar sehr eindrucksvoll, werden aber vom Text nicht belegt und verleiten die Deutung zu bestimmten Vorurteilen. Ch. Iber, der eine ausführliche Interpretation über die den Widerspruch behandelnden beiden ersten Kapitel der Wesenslogik bietet,^® folgt Wolffs Argumentation, obwohl er sich eigentlich von der Wolffschen Theorie distanzieren müßte. Denn insofern Iber Hegels Logik als Metaphysik absoluter Relationalität interpretiert, darf er anders 16 Vgl.M. Wo///(1981). 17 Vgl. ebenda 9. 18 Vgl. Ch. Iber (1990).
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als Wolff nicht vom Positiven als reflexionslogischem Substrat, sondern muß vom Negativen als der reflexionslogischen Negativität ausgehen. Meine Arbeit nähert sich dem Problem aus einer anderen Perspektive als die Versuche von Wolff und Iber und wird die daraus resultierende Deutungsverschiedenheit aufzeigen.
KAPITEL 1
DIE ENTZWEIUNG DES LEBENS UND DIE AUEGABE DER VEREINIGUNG 1. Vom Prinzip der Ereiheit zur Auffassung des Lebens Der praktische Hintergrund des Problems der Einheit der Antinomie. In der dritten Anmerkung zum Widerspruchs-Kapitel der Wissenschaft der Logik drückt Hegel in einer metaphorischen Sprache - weniger logisch exakt, aber dafür um so anschaulicher - die Methode des spekulativen Denkens wie folgt aus; „Die denkende Vernunft [...] spitzt [. ..] den abgestumpften Unterschied des Verschiedenen, die bloße Mannigfaltigkeit der Vorstellung, zum wesentlichen Unterschiede, zum Gegensätze, zu. Die Mannigfaltigen werden erst, auf die Spitze des Widerspruchs getrieben, regsam und lebendig gegeneinander, und erhalten in ihm die Negativität, welche die innewohnende Pulsation der Selbstbewegung und Lebendigkeit ist." (XI, 288) Spekulativ zu denken heißt also, sich verschiedene Mannigfaltige nicht wie der gesunde Menschenverstand als gleichgültig nebeneinander Bestehende vorzustellen, sondern sie so aufeinander zu beziehen, daß sich diese Beziehung über den Gegensatz bis zum Widerspruch zuspitzt. Hier ist der Ausgangspunkt des spekulativen Vertiefungsprozesses die Verschiedenheit oder die Identität verschiedener Einzeldinge. Logisch ausgedrückt besteht das Hauptanliegen der Hegelschen Logik darin, aus den getrennt gedachten Identitäten oder der Verschiedenheit einen Gegensatz abzuleiten, um dann über den Widerspruch eine Einheit der Entgegengesetzten zu erreichen. Die Methode dazu wird in ihrer ausgereiften Eorm durch die Entwicklung der Reflexionsbestimmungen innerhalb der Wissenschaft der Logik dargestellt, die von Identität und Unterschied durch Verschiedenheit und Gegensatz, den unmittelbaren und wesentlichen Unterschied, bis zum Widerspruch und zur dadurch entstehenden neuen Identität ,Grund' fortschreitet.
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Kapitel 1: Die Entzweiung des Lebens und die Aufgabe der Vereinigung
Als der junge Hegel im Unterschied zwischen objektiver und subjektiver Religion einen Gegensatz sah, den er in der Einheit der Volksreligion überwinden wollte, schien er bereits die Methode bei der Hand zu haben, die er in der späteren Logik theoretisch erklärte und formulierte. Die wissenschaftliche Tätigkeit des jungen Hegel fängt aber nicht mit einer theoretischen Betrachtung von einzelnen Dingen oder Tatsachen an. Ihr Anfang ist vielmehr praktisch orientiert. Dem jungen Hegel, der bei dem praktischen Bewußtsein für die Veränderung der Wirklichkeit ansetzt, erscheint die Welt dem menschlichen Subjekt gegenüber nicht als ein Gleichgültiges, sondern von vornherein als ein Gegensatz. Seine Arbeit geht vom Gegensatz in der Wirklichkeit aus und zielt auf dessen Aufhebung. Hegel versucht diese Aufgabe in der Berner Zeit durch das Kantische Prinzip der praktischen Vernunft und in der Frankfurter Zeit durch die Religion zu lösen. Bei seinem religiösen Lösungsansatz aber macht sich zunehmend der Mangel an einer Methode, die die angestrebte Versöhnung des Gegensatzes erklären könnte, bemerkbar. Von daher gelangt Hegel zu der Ansicht, daß die Lösung nur durch die Philosophie selbst zu erreichen ist. Ob die philosophische Formulierung der Methode in der späteren Logik gelungen ist, hängt im Grunde davon ab, inwiefern die Voraussetzungen, die im praktischen Bewußtsein unerklärt blieben und die Hegel der mystischen Behandlungsweise der Religion übergab, in der späteren logischen Reflexion erhellt werden. Es lohnt sich also für die Untersuchung des Begriffs des Widerspruchs, dem Weg nachzugehen, den Hegel in seinem Ringen um die Methode der Einheit des Gegensatzes beschritten hat. Hegels „wissenschaftliche Bildung" nimmt ihren Ausgang von der Anwendung der Resultate der neueren Philosophie auf die Gebiete der Religion und Politik.^ In seiner Studienzeit und unmittelbar danach ging Hegel von einem Ideal aus, das er vor allem im Griechentum fand. Dieses nimmt insbesondere auch durch die Auseinandersetzung mit Kant in Bern konkretere Gestalt an. In den Überlegungen der Berner 1 In seiner Analyse von Hegels Brief an Schelling vom 2. Nov. 1800 bestimmt O, Pöggeler die Ausbildung der Philosophie Hegels als Entwicklung von der praktischen Anwendung des Resultates der neuesten Philosophie zur systematisch-spekulativen Philosophie, zur Wissenschaft im Sinne Fichtes und Schellings (vgl. O. Pöggeler (1964), 114 120). Wenn man jene Charakteristik insbesondere in der Berner Zeit und diese zweifellos in der Jenaer Zeit finden kann, dann ist mit Pöggeler festzustellen, daß Hegel in der Frankfurter Zeit schon „weit abgeführt [wird] von jeder bloßen Anwendung". (Ebenda 116)
1. Vom Prinzip der Freiheit zur Auffassung des Lebens
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Zeit zum Problem der Positivität, einer in den Jugendschriften immer wiederkehrenden Thematik, wird die Entgegensetzung zwischen dem freien moralischen Bewußtsein und der objektiven Wirklichkeit hervorgehoben. Die Gesellschaft, in der die Dogmatik des zur positiven Religion erstarrten Christentums herrscht, wird dem Menschen mit dem freien moralischen Bewußtsein entgegengesetzt. „Religiöse Sätze oder Wahrheiten" der positiven Religion treten dem menschlichen Subjekt als fremde, seiner Gesetzgebung übergeordnete Gesetze gegenüber. Somit bedeuten sie nicht weniger als die Abschaffung der moralischen Autonomie des Menschen, der seinem Wesen nach eben autonom, d. h. selbst gesetzgebend ist. So drückt der junge Hegel sein Grundgefühl aus, daß das fremde und tote Objekt der positiven Religion die Einheit des Lebens zerrissen hat. Ausgehend von dieser Diagnose will er die verlorene Einheit restaurieren durch die Aufhebung des Gegensatzes des freien Subjekts zum ihm fremden Objekt. Die Einheit des Lebens kann nach Ansicht des jungen Hegel in Bern nur auf eine radikale und revolutionäre Weise herbeigeführt werden, da die Entgegensetzung durch die Kritik und Beseitigung der Positivität überwunden werden soll. Moralität ist für ihn nichts anderes als das Göttliche im Menschen, also Freiheit und praktische Vernunft. Alle moralischen Gesetze müssen mit der praktischen Vernunft übereinstimmen, und auch die Lehren einer Religion müssen durch die allgemeine menschliche Vernunft autorisiert sein. Das positiv gewordene Objekt muß also gemäß dem Prinzip der Freiheit des menschlichen Subjekts kritisiert und beseitigt werden. In der Berner Zeit dachte Hegel, daß die vom Christentum zerstörte antike Freiheit durch die Kritik der Positivität der christlichen Religion wiederhergestellt werden kann, und erwartete „vom kantischen System und dessen höchster Vollendung," die Hegel damals durch die Anwendung der Prinzipien glaubte hervorbringen zu können, „eine Revolution" (Br 1, 23). Durch die Zusammenarbeit mit seinen Frankfurter Freunden und unter deren Einfluß wird Hegel über die Anwendung der philosophischen Prinzipien hinausgeführt zum Erkennen des Mangels der neueren Philosophie als solcher. Diese Zeit ist der Übergang von der praktischen Anwendung des Prinzips der Freiheit zur Erforschung der Philosophie selbst. Erst in der Jenaer Zeit tritt Hegel öffentlich als Philosoph auf, aber schon in Frankfurt setzt er sich mit der Reflexion als der Methode der Philosophie auseinander und sucht eine Methode, die diese philosophische Reflexion ersetzen soll. Da er nun selbst in der Philosophie eine Entzweiung findet, fühlt Hegel um so stärker die
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Kapitel 1: Die Entzweiung des Lebens und die Aufgabe der Vereinigung
Trennung des Lebens und den Wunsch nach Vereinigung. Er erhofft sie durch die Religion erreichen zu können und stärkt ihre Stellung, indem er auf die Einschränkung der Reflexion als eines philosophischen Vermögens aufmerksam macht. Charakteristisch für den Hegel der Frankfurter Zeit sind die differenziertere Verwendung und die Aufwertung der Objektivität. Das Objekt wird nun eher als ein zu integrierendes Korrelat, eine Komponente der Vereinigung, behandelt, denn als ein zu beseitigendes, totes Positives. Hegel verwirft überdies sowohl „die theoretischen Synthesen" als auch „die praktische latigkeit", da jene „ganz objektiv, dem Subjekt ganz entgegengesetzt" werden, diese das Objekt „vernichtet" und „ganz subjektiv" ist (WW1,242).^ Hiermit nimmt er Abschied vom extremen Subjektivismus der Berner Zeit und sucht eine andere Art und Weise der Vereinigung als früher. In den zwei Fragmenten über die Liebe aus der frühen Frankfurter Zeit wird die Liebe als das Prinzip der Vereinigung aufgestellt.^ Das Fragment Moralität, Liebe, Religion von 1797 stellt die Liebe als Vereinigung „des Subjekts und Objekts, der Freiheit und Natur" dar, in der sich zwischen den beiden kein Herrschaftsverhältnis mehr behaupten kann. Das Objekt nun „beherrscht nicht und wird nicht beherrscht" (WW 1, 242). Die positive Religion, in der tote Gesetze das menschliche Subjekt unterdrücken, ist also als eine fehlgeleitete Art der Vereinigung von Subjekt und Objekt anzusehen. Indem Hegel in der ersten Fassung des Fragments Die Liebe von 1797 die Lebendigkeit der Liebe zum Prinzip der Vereinigung erhebt, setzt er auf der anderen Seite Verstand und Vernunft als mangelhaft herab. Unter dem Wort „Lebendigkeit" versteht Hegel Entgegensetzungslosigkeit. Entgegengesetztes, gleichbedeutend mit Beschränktem, Begrenztem oder Getrenntem, ist dagegen das Endliche, das für den jungen Hegel Totes bedeutet. Dieser Gedanke ist in der seit Platon herrschenden Tradition der philosophischen Auffassung des Menschen 2 Hier meint Hegel mit „praktischer Tätigkeit" deren Konzeption aus seiner Berner Zeit, die auf Kants praktischer Vernunft beruht. Sie muß vom praktisch-religiösen Versuch aus der Frankfurter Zeit unterschieden werden. 3 Hier werden zunächst nur Moralität, Liebe, Religion (vor Juli 1797) und Die Liebe (erste Fassung, um Nov. 1797) berücksichtigt. Die zweite Fassung dieses Fragments datiert vom Herbst-Winter 1798 nach G. Schülers Chronologie (vgl. G. Schüler (1963), 111 - 159). Sie muß also nach dem Fragment Glauben und Sein von 1798 eingeordnet werden. Als Text benutze ich die von Ch. Jamme herausgegebene Edition, die uns einen klaren Überblick über die Differenz zwischen 1. und 2. Fassung bietet (Hegel-Studien 17 (1982), 9 - 24). Den von H. Nohl verwendeten Titel „Die Liebe" behalte ich der etablierten Konvention folgend für die Benennung bei.
1. Vom Prinzip der Freiheit zur Auffassung des Lebens
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durch die Scheidung von Leib und Seele, Materie und Form verwurzelt. Der Mensch ist einerseits als Endliches sterblich, da er die „Möglichkeit der Trennung", d. h. den Körper hat. Die Menschenseele ist andererseits als das Göttliche im Menschen unsterblich und ewig, da sie „keine Materie", sondern „Ein lebendiges Ganzes" ist. Wegen seiner durch die Materie vereinzelten Endlichkeit gerät der Mensch in einen „Widerstreit zwischen der völligen Hingebung - und der noch vorhandenen Selbständigkeit".^ Er kann nur durch das lebendige Vermögen, das die Liebe darstellt, von diesem Widerstreit befreit, zum unendlichen Leben erhoben werden. Die Liebe als die „wahre Vereinigung" enthält keine Entgegensetzungen.® Der Verstand aber läßt das Mannigfaltige in seiner Mannigfaltigkeit bestehen, so daß seine Einheit selbst Entgegensetzung ist. Die Vernunft kann ebenfalls der Restriktion des Verstandes nicht entgehen, insofern sie „ihr Bestimmen dem Bestimmten schlechthin entgegensetzt". Da diese beiden philosophischen Vermögen von der Entgegensetzung nicht befreit werden können, sind in ihnen nur Begrenzendes und Begrenztes, also nur Endliche beheimatet. Die wahre Vereinigung, eine lebendige Einheit, kann also nicht durch die Philosophie, sondern nur durch die Liebe als Gefühl des Lebendigen erreicht werden. Die Liebe ist „ein Gefühl, bei dem nicht ein fühlendes und gefühltes" entgegengesetzt werden kann, während die Philosophie eine Betrachtungsweise ist, in der man zuerst Subjekt und Objekt trennt und dann aufeinander bezieht. Als Vermögen zur Überwindung des Endlichen ist die Liebe von vornherein als eine religiöse Weise der Vereinigung gedacht. In ihr ist man sich keiner Trennung bewußt, weil sich das Leben als Ganzes fühlt. Die Liebe bleibt in diesem religiösen Sinne als das Prinzip der Vereinigung die ganze Frankfurter Zeit hindurch gültig, indem sie im Fragment Glauben und Sein als der Glaube modifiziert wird und in Der Geist des Christentums und sein Schicksal durch die Seite der Objektivität ihre subjektive Einseitigkeit ergänzend zur „wahrhaften Religion" wird. Hegels philosophische Tätigkeit fängt von vornherein mit einem praktischen Problem an. Der junge Hegel fühlt die Entzweiung des Lebens in seiner Zeit und formuliert von daher die Aufgabe, das Entgegengesetzte wieder zu vereinigen. Er sucht nach einer praktischen Lösung, die er bis zum Ende der Frankfurter Zeit in einem religiösen Prinzip der Vereinigung zu finden hofft. Aber er versucht zugleich. 4 Hegel-Studien 17 (1982), 19. 5 Zum folgenden vgl. ebenda 13.
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Kapitel 1: Die Entzweiung des Lebens und die Aufgabe der Vereinigung
dieses Problem der Vereinigung des Entgegengesetzten in philosophischem Vokabular zu formulieren. Diese philosophischen Formulierungen werden zwar zur Darstellung des Problems gebraucht, aber sie bringen dessen Lösung nur negativ zum Ausdruck, indem sie nur die Unfaßbarkeit des Prinzips für das Denken aufzeigen sollen. Doch die in der Jenaer Zeit gewandelte Überzeugung von der Möglichkeit einer spekulativen Darstellung des Prinzips ist nur dadurch zu erklären, daß sie schon in Überlegungen der Frankfurter Zeit angelegt gewesen sein muß. In der Differenz-Schrift hält Hegel die Antinomie für die höchste wenn auch nur formelle Weise, in der die Philosophie die Vereinigung auszudrücken vermag. Diese Ansicht läßt sich in gerader Linie zurückverfolgen, von seinen Betrachtungen des Verhältnisses zwischen Vereinigung und Antinomie in Glauben und Sein sowie in Die Liebe bis zu seinen Bemühungen um den Ausdruck der den Gegensatz einschließenden Vereinigung im Systemfragment von 1800. 2. Antinomie und Vereinigung (Glauben und Sein) Im Fragment Glauben und Sein von 1798 bedient sich Hegel der Bezeichnung „Antinomie", um die Entgegensetzung auszudrücken. Er bezeichnet zudem die Beziehung zwischen den Gliedern der Antinomie als „widerstreitend". Diese Terminologie stammt von Kant. Für Kant bedeutet die Antinomie einen „Widerstreit der Gesetze der reinen Vernunft",*’ die von einer unerkennbaren Voraussetzung ausgehen, weshalb sie trotz ihres widersprechenden Verhältnisses in der sprachlichen Form durch die Kritik der Voraussetzung beide zugleich für wahr oder falsch erklärt werden können. Kant verwendet den Ausdruck „Widerstreit" für die dialektische oder die reale Opposition im Unterschied zum „Widerspruch" für die analytische Opposition. Hegel folgt im Fragment Glauben und Sein dieser Kantischen Unterscheidung zwischen Widerstreit und Widerspruch. Er meint hier mit dem Wort „Antinomie" eine reale Opposition, also den realen Gegensatz. In diesem Fragment tritt auch das Wort „Widerspruch" auf, das den nur negativen Zustand der positiven Religion zeigt, deren Vereinigung bloß eine Entgegensetzung ist. Der Widerspruch wird also noch im vorgegebenen Sinn gebraucht und bedeutet eine bloße formallogische In6 L Kant (1787), B 434.
2. Antinomie und Vereinigung (Glauben und Sein)
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konsistenz. Er erhält bis zum Systemfragment von 1800 keine bedeutende Stelle im Hegelschen Denken. Erst in der DifferenzSchriit wird der Widerspruch die gleiche Bedeutung wie die Antinomie erhalten. Damit wird auch die Kantische Unterscheidung zwischen beiden verschwinden, weil dann dem Widerspruch eine ontologische Bedeutung zugeschrieben werden wird. Aus der Tatsache, daß Hegel Kants Terminologie übernimmt, kann aber nicht unmittelbar auf eine inhaltliche Übereinstimmung des Hegelschen Antinomiebegriffs mit dem Kantischen geschlossen werden. Hegel hörte zwar schon auf dem Tübinger Stift eine Vorlesung, die auch Kants Antinomienlehre behandelte, und er vertiefte dieses Studium auch in der Schweiz auf der Basis von Aufzeichnungen.^ Aber der Erankfurter Hegel, der von Hölderlins Vereinigungsphilosophie beeinflußt wird und zur ursprünglichen Einheit durch eine religiöse Praxis gelangen will, geht an das Antinomieproblem doch ganz anders als Kant heran.® Hölderlin, der einst von Eichte begeistert war (vgl. Br 1,18: Ende Januar 1795), kritisiert nun Eichtes Setzen der Grundsätze durch urteilendes Handeln. Nach Hölderlin® enthält das Urteil „die Ur-teilung", die ursprüngliche Trennung des Seins, das die ihr vorausgehende Einheit von Subjekt und Objekt ist. Die Einheit des Selbstbewußtseins, die das Eichtesche Urteil „Ich bin Ich" bewerkstelligt, drückt deswegen nur die Identität mit Entgegensetzung aus, wie sie die Struktur des Urteils zeigt. Subjekt und Objekt sollen aber nicht „zum Teil vereinigt" wer7 Vgl. Ein Manuskript zur Psychologie und Transzendentalphilosophie von 1794 (I, 167 192) und besonders den Teil über Kants Antinomien (I, 190 - 192). Vgl. auch die Entstehungsgeschichte dieses Manuskriptes (I, 484 - 486) und R 86 f. 8 Die Differenz zwischen der Hegelschen Antinomie und der Kantischen besteht darin, 1) daß die Hegelsche Antinomie nicht die der Aussagen in den Vernunftschlüssen, sondern die der Reflexionsbestimmungen auf der Verstandesebene ist, 2) daß die Antinomie für Hegel nur dann möglich ist, wenn die Vereinigung vorausgesetzt wird, 3) daß die Antinomie gefühlt wird, während die Vereinigung geglaubt wird. Kant schränkt zwar das Wissen ein, um dem Glauben Platz zu machen. Aber für ihn ist der Glaube der reine Vernunftglaube. Die bedeutsamsten Unterschiede sind allerdings, 4) daß Hegel die Antinomie nicht auf die bestimmte Anzahl der Antinomien im Bereich der Kosmologie beschränkt, sondern später zur allgemeinen Struktur des Seienden überhaupt erklärt, und, 5) daß die Antinomie zumindest für den Frankfurter Hegel in der Philosophie, also durch Verstand oder Vernunft, nicht aufgelöst werden kann, während sie bei Kant durch die Unterscheidung zwischen dem Ding an sich und der Erscheinung vermeidbar ist. Zur Gleichheit und Differenz des Kantischen und Hegelschen Antinomiebegriffs vgl. K. Düsing (1976), 59 - 61 und (1990), HO. 9 Vgl. F. Hölderlin (1795), 226, 227. - D. Henrichs Datierung: um den Beginn des April 1795. (Vgl. D. Henrich (1965/66), 77)
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den, wie bei Fichte,'° sondern ihre Vereinigung ist nach Hölderlin ein absolutes Sein. Der Frankfurter Hegel akzeptiert diesen Gedanken Hölderlins. Für ihn ist der Glaube an die Vereinigung schon im voraus gegeben. Von diesem Boden aus, der von dem Kantischen weit entfernt ist, geht Hegel das Problem der Antinomie an. Er faßt die Antinomie nicht wie Kant als ein Scheitern der Vernunft an einem Widerspruch, in den diese notwendig gerät. Der Frankfurter Hegel löst die Antinomie religiös auf, und in dieser religiösen Lösung drückt sie affirmativ die Einheit des Endlichen und Unendlichen aus." So kann die Hegelsche Antinomie schließlich wie die des Raumes im Schlußbogen des Systemfragments von 1800 zum Ausdruck des Unendlichen im Endlichen werden. Dieses Sein des Unendlichen in allem Endlichen ist auch ein bedeutsames Element des Hegelschen Denkens, das seine gesamte Entwicklungsperiode durchzieht. Aber man muß andererseits auch Hegels anhaltenden Versuch beachten, dieses Verhältnis methodisch argumentativ zu begründen. In unserem methodologischen Kontext kommt es nur auf die Erage an, wie er die Beziehung der Entgegensetzung auf die Vereinigung zu formulieren versucht. Auch wenn Hegel die ganze Erankfurter Zeit hindurch auf die Religion als einzige Lösung seines Problems verweist, so versucht er doch das Verhältnis von Endlichem und Unendlichem immer wieder begrifflich zu erklären. Dieser fortschreitende Klärungsprozeß soll hier als der Entstehungsprozeß des Widerspruchsbegriffs verfolgt werden. Hegel sagt: „Um zu vereinigen, müssen die Glieder der Antinomie als widerstreitende [...] gefühlt oder erkannt werden" (WW 1, 251). Die Triebkraft der Vereinigung ist hier nicht logisch, sondern psychisch und erkenntnistheoretisch. Die Vereinigung wird nicht notwendig aus der der Antinomie immanenten Beziehung abgeleitet, wie z. B. später der Grund durch den Widerspruch aus dem Gegensatz hervorgeht, sondern die Antinomie muß im kontrastierenden Vergleich zur Vereinigung als widerstreitend „gefühlt oder erkannt werden". Vereinigung und Antinomie stehen also nicht in einer inneren Beziehung, sondern in einer äußeren Beziehung durch den Vergleich. Die Vereinigung fungiert hier als der Maßstab des Vergleiches, an dem sich die unbefriedigende Beschränkung der Entgegensetzung aufzeigen läßt. Aber die Vereinigung ist nicht nur der Erkenntnisgrund der Unzulänglichkeit der Antinomie, 10 Vgl. auch /. G. Fichte (1794), 272. 11 Vgl. O. Pöggeler (1966), 223.
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sondern auch der Seinsgrund der Antinomie. Denn die Entgegengesetzten müssen nach Hegel, um sein zu können, ihre ursprüngliche Einheit voraussetzen. Hier kommt also nur die einseitige Abhängigkeit der Entgegengesetzten von ihrer Einheit zum Ausdruck. Das Abhängigkeitsverhältnis wird noch nicht als wechselseitiges gedacht. Die Entgegengesetzten als Endliche sollen angesichts der Vereinigung ihre Eigenständigkeit schlechthin verlieren und sich zur Vereinigung erheben. Für den Fortgang vom Entgegengesetzten zur Vereinigung, d. h. vom Endlichen zum Unendlichen, diskutiert Hegel im Fragment Glauben und Sein zwei Vermögen, Beweisen und Glauben. Er charakterisiert das Beweisen als „die Abhängigkeit [aufzeigen]". Während die Entgegengesetzten das Abhängige sind, ist die Vereinigung das Unabhängige. Die Vereinigung ist von den Entgegengesetzten nicht abhängig, aber generell ist sie dem Entgegengesetzten, d.h. dem Abhängigen überhaupt, entgegengesetzt. Insofern ist sie selbst vom Entgegengesetzten beschränkt, und in diesem Sinne auch abhängig. Diese Abhängigkeit des Unabhängigen muß aufgehoben werden und zum uneingeschränkt Unabhängigen, zur neuen Vereinigung, fortschreiten. Diese neue Vereinigung fällt aber wiederum in die Abhängigkeit zurück, da sie das Unabhängige nur in der Entgegensetzung zum Abhängigen sein kann. Dieser Prozeß setzt sich so ins Unendliche fort. So bemüht sich das Beweisen, das Sein der Vereinigung, das Unabhängige, zu erreichen, aber zeigt immer nur „die Abhängigkeit" auf. Es erreicht das Sein der Vereinigung nicht dauerhaft, sondern dieses bleibt ihm immer ein Sollen. In der Wissenschaft der Logik definiert Hegel das Sollen so; „Das Sollen [. ..] ist das Hinausgehen über die Schranke, aber ein selbst nur endliches Hinausgehen. Es hat daher seine Stelle und sein Gelten im Felde der Endlichkeit." (XXI, 123) Das Sollen bedeutet also ein Streben des Endlichen nach dem Unendlichen, das aber aus der Endlichkeit nicht heraustreten kann. Für es sind Abhängiges und Unabhängiges, Antinomie und Vereinigung, absolut entgegengesetzt. Hegel spielt hier auf die Kantische und ferner auch die Fichtesche Philosophie an. Für Kant bleibt das absolute Unbedingte bloß als eine regulative Idee beim Sollen stehen. Die Kantische Philosophie, die eine absolute Trennung zwischen der unbedingten Idee und der bedingten Reihe der Erscheinung beinhaltet, ist mit der positiven Religion zu vergleichen, in der ein unüberbrückbarer Abgrund zwischen Gott und dem Menschen liegt. (Vgl. WW 1, 254) Hegels Kritik könnte noch direkter auf den Fichteschen Ausdruck zutreffen: Die „höchste Einheit" ist „nicht etwas, das
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ist, sondern etwas, das durch uns hervorgebracht werden soll, aber nicht kann".’^ „Das Entgegengesetzte muß verbunden werden, [.. .] bis die absolute Einheit hervorgebracht" ist, welche aber nach Eichte „an sich unmöglich ist".'^ Mit der Forderung, der Mensch solle sich der an sich unerreichbaren Freiheit bis ins Unendliche nähern,''^ hält Fichte an der von Kant gesetzten Grenze fest. Der Frankfurter Hegel, der eine religiöse Fösung versucht, rechnet der Natur des beweisenden Denkens selbst den Mangel der Kantischen und Fichteschen Philosophie zu. Hegel bezeichnet demgegenüber den Glauben als „die Art, wie das Vereinigte [.. .] in unserer Vorstellung vorhanden ist" (WW 1, 250). Die Vereinigung selbst ist nach Hegel eigentlich die aller Vorstellung vorausgehende Tätigkeit. Wenn sie in das menschliche Subjekt kommt und als Objekt reflektiert wird, dann wird sie zum Geglaubten. (Vgl. WW 1, 251) Die Vereinigung kommt also auf die Weise des Glaubens zum Bewußtsein, und Glauben ist sogar die einzige Weise, in der die Vereinigung dem Menschen bewußt sein kann. Hegel sagt zwar, daß Glauben „ein reflektiertes Sein" sei. Aber methodisch erläutert wird das Glauben im Fragment Glauben und Sein nicht. Somit bleibt ungeklärt, wie der Mensch in seinem Bewußtsein durch Glauben die Vereinigung erreichen und wie die Vereinigung zum glaubenden menschlichen Bewußtsein kommen kann. Es wird nur dargestellt, daß Glauben ein höheres Vermögen als das Denken ist. Das Denken vereinigt das Gedachte und Denkende im Urteil. Das Gedachte, dem Denkenden gegenüberstehend, muß nach Hegels Meinung zunächst zum Vereinigten im Urteil werden, bevor es geglaubt werden kann. Das Sein vollendet sich also nicht in der gedachten, sondern der geglaubten Vereinigung. Der Vorrang des Glaubens vor dem Denken bedeutet aber, daß die Hegelsche Lösung noch nicht mit der logischen Methode zusammenhängt. Denn die Logik kann nur in der Form des Denkens zur Darstellung kommen. Somit schließt Hegel noch keine philosophische Begründung der absoluten Vereinigung an die Kritik der Kantischen und Fichteschen Philosophie an. Bemerkenswert ist aber in der Entwicklung des Hegelschen Gedankens, daß Hegel im Fragment Glauben und Sein die Reflexion in einer erkenntnistheoretischen Bedeutung verwendet und nicht negativ bewertet, während dieses Wort in der Berner Zeit vom u }. G. Fichte (1794), 264. 13 Ebenda 276. 14 Vgl. ebenda 277.
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psychischen Charakter geprägt und negativ benutzt wurde.Er verwendet den Ausdruck „reflektieren" in der Bedeutung von „zum Bewußtsein kommen". Die Reflexion hat also die neutrale Bedeutung einer allgemeinen Bewußtseinstätigkeit, die nicht allein das Denken, sondern auch den Glauben umfaßt. Auch das Glauben ist Reflexion, eine Art und Weise, in der das Sein reflektiert wird.^* Wie gezeigt, tritt das Verhältnis von Vereinigung und Entgegensetzung im Eragment Glauben und Sein als ein äußerliches auf. Sie sind nicht bloß gegeneinander gleichgültig, sondern als Unabhängiges und Abhängiges absolut entgegengesetzt. Das wahrhafte Sein, die Vereinigung, ist aber, insofern es dem Entgegengesetzten absolut entgegengesetzt und dessen bloßes Nichtsein ist, eine leere abstrakte Einheit. Es ist bloß eine Voraussetzung als der Seins- und Erkenntnisgrund der Entgegengesetzten, die aber durch diese unerklärbar ist. Hegel denkt also noch nicht so weit, daß die vollkommene Vereinigung auch die Entgegensetzung enthalten muß, was er später als wahrhafte Unendlichkeit bezeichnen wird. Das Problem der Genese der Entgegengesetzten kann ebensowenig geklärt werden, solange Vereinigung und Entgegensetzung als abstrakt entgegengesetzt betrachtet werden. Aber man kann aus dem Fragment Glauben und Sein auf eine implizite Genesevorstellung schließen: Da die Vereinigung der Seinsgrund der Entgegengesetzten ist, muß jene diesen vorausgehen, so daß aus ihr die Entgegengesetzten hervorgehen müssen, anders gesagt, die erstere setzt die letzteren. Eine explizite Darstellung dieses Problems findet sich aber erst in der zweiten Fassung des Fragments Die Liebe.
15 Die Vokabel „Reflexion" tritt schon in der Positivitäts-Schriit (WW1,195,210) und in einem Entwurf zum Geist des Judentums (Hegels theologische Jugendschriften. Hrsg. Nohl. Tübingen 1907. 370) auf, der vom Frühjahr 1797 datiert. Dort bedeutet sie die Tätigkeit des Menschen, der sich von der Wirklichkeit trennt und im Gedanken das ersetzt, was er in der Wirklichkeit nicht hat. Th. Haering bezeichnet diesen Gharakter der Reflexion als „Surrogatcharakter" (Th. Haering (1929) Bd 1, 318). 15 Nach K. Düsing unterscheidet sich Hegel von der Philosophie seiner Freunde in dem Punkt, daß er das Sein nicht etwa als intellektuell angeschaut, sondern als im Glauben vorgestellt betrachtet (vgl. K. Düsing (1976), 59). Die Entwicklung der Hegelschen philosophischen Methode besteht darin, daß sich die Vorstellung der Vereinigung im Glauben, also in einer Art von Bewußtsein, später in ihre Konstruktion durch die Reflexion im Bewußtsein verwandelt.
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3. Die genetische Exposition der Entgegensetzung {Die Liebe) Dem überarbeiteten Eragment Die Liebe aus dem Jahre 1798 ist eine genetische Exposition des Verhältnisses von Vereinigung und Entgegensetzung zu entnehmen. Wie gesagt, ist die Liebe die Art und Weise, in der das Leben ganz gefühlt und erreicht wird. In der Liebe läßt sich also das Leben als Ganzes finden. Das Leben ist durch einen Entwicklungsprozeß hindurch in der Liebe zu erfassen, der als „eine Verdoppelung" des Lebens selbst und „Einigkeit desselben" beschrieben wird: Es gelangt „von der unentwickelten Einigkeit aus, durch die Bildung [. . .] zu einer vollendeten Einigkeit".^^ Eiegel schematisiert diese Kreisbewegung so: „das Einige, die Getrennten und das Wiedervereinigte. Hieran ist zunächst einmal bemerkenswert, daß Trennung und Entgegensetzung aus dem Einigen, genauer gesagt, dessen Bildungsprozeß stammen. Dabei ist die Erage zu stellen, wie sich die Entgegensetzung denn aus dem gegensatzlosen Einigen ergeben kann. Im endgültigen Text steht zwar nur das Gegensatzverhältnis zwischen beiden: „Der unentwickelten Einigkeit stand die Möglichkeit der Trennung und die Welt gegenüber."^® Aber dieser Ausgangspunkt ist nicht mehr so absolut einheitlich wie im Eragment Glauben und Sein, sondern schließt immerhin schon die Entgegensetzung als Möglichkeit ein. Das ist auch durch eine Passage im gestrichenen Teil zu belegen, in der sich die Formulierung „die unendliche Entgegensetzung des bewußtlosen, unentwickelten Einigen" findet. Die Bestimmung „unendlich", die beim jungen Hegel manchmal auch die schlechte Unendlichkeit repräsentiert, bedeutet auch hier, unbestimmt oder Undefiniert zu sein. Entgegengesetztes ist also in der ersten Einheit noch unverwirklicht und bewußtlos enthalten. Diese erste Einheit, die mögliche Entgegensetzung, wird durch die Reflexion verwirklicht. Zuvor ist aber noch die Frage zu klären, warum das Leben aus seiner Einheit zu einer mangelhaften Entgegensetzung übergehen muß. Aus der obigen Darstellung kann man folgern, daß die Reflexion das Moment der Bewußtwerdung des Lebens ist. Diese Deutung ist durch eine gestrichene Stelle zu unterstützen, an der Hegel schreibt, daß „ein Lebendiges" erst dann „sich selbst fühlt", wenn es „sich selbst entgegengesetzt" ist. Die Trennung bringt also das Lebendige aus der Ben Hegel-Studien 17 (1982), 14. Ebenda 19. 19 Zum folgenden vgl. ebenda 14.
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wußtlosigkeit zur Bewußtheit, und der Übergang bedeutet nichts anderes als die Entwicklung von einer Bewußtlosigkeit zur Bewußtheit des Selbstgefühls. So braucht das Leben auch den Prozeß der Trennung und Entgegensetzung als eine notwendige „Bildung". Dadurch läßt sich auch die Mannigfaltigkeit der Welt aus der Eunktion der Reflexion, die Einheit zu trennen und Entgegengesetztes hervorzubringen, begründen. Eine Begründung des Verhältnisses zwischen der reinen Vereinigung und den Entgegengesetzten aber konnte unter der Voraussetzung ihrer abstrakten Entgegensetzung im Eragment Glauben und Sein nicht gegeben werden.^“ Die Reflexion aber fördert nicht nur die Bildung des Lebens, sondern hemmt sie auch, indem sie die Entgegensetzung nicht nur hervorbringt, sondern auch verabsolutiert. Diese an der Entgegensetzung festhaltende Seite der Reflexion wird in der vollendeten Einigkeit aufgehoben, die nur dann zustande kommt, wenn eine Person eine andere nicht als fremde, sondern als „eine Verdoppelung" ihrer selbst fühlt, also in dieser anderen sich selbst findet, ln dieser Vereinigung durch die Liebe verschwindet zwar alle Premdheit. Trotzdem bleibt „das getrennte noch" übrig, freilich „nicht mehr als getrenntes", sondern „als einiges".^' Die wahrhafte Vereinigung ist also nicht mehr die ausschließliche Vereinigung, die alle Entgegengesetzten vernichtet, sondern eine einschließende Vereinigung, in der sich die Entgegengesetzten zusammenschließen. Das vollendete Leben ist nämlich die Vereinigung von Einigkeit und Trennung. Diese Auffassung der Vereinigung antizipiert schon die Formulierung „die Verbindung der Verbindung und der Nichtverbindung" im Systemfragment von 1800. Der Weg zu solch einer expliziten Definition des Lebens bahnt sich an einigen Stellen im Fragment Der Geist des Ghristentums und sein Schicksal an, wo man eine Aufwertung der Entgegensetzung feststellen kann.
20 M. Baum erklärt die Gegenläufigkeit des Entwicklungsprozesses des Lebens so: die Einheit von Gegensätzen ist nicht bloß einseitig die Voraussetzung von zufälligerweise existierenden Gegensätzen, sondern kommt nur dadurch zustande, daß die getrennten Lebendigen selbst die ihnen zugrundeliegende Einheit des Lebens realisieren. (Vgl. M. Baum (1993), 100) 21 Hegel-Studien 17 (1982), 15.
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4. Die Aufwertung der Entgegensetzung (Der Geist des Christentums und sein Schicksal) Das Verdienst der zweiten Fassung vom Fragment Die Liebe für die Entwicklung der Hegelschen Logik besteht vor allem darin, daß sie in der prozessualen Darstellung des Lebens schon das Gerüst des dialektischen Prozesses der späteren Logik zeigt. Den Gedanken der Vereinigung der Einigkeit und Trennung im vollendeten Leben kann man aber nur im gestrichenen Teil aufspüren. Wahrscheinlich überarbeitete Hegel die zweite Fassung mit der Intention einer Harmonisierung mit der ersten Fassung und betonte deshalb bei der Vereinigung mehr die Aufhebung der Entgegensetzung als die Erhaltung der Entgegengesetzten. Damit sich die in der zweiten Fassung des Fragments Die Liebe gestrichene Definition des Lebens als die der wahrhaften Vereinigung durchsetzen kann, muß erst der absolute Vorrang der Vereinigung vor der Entgegensetzung im Fragment Glauben und Sein aufgegeben und durch das Konzept einer gleichen Gewichtung der beiden im Systemfragment von 1800 ersetzt werden. Im Fragment Der Geist des Christentums von 1798/99 sagt Hegel explizit, daß die Trennung durch die Entwicklung notwendig geschehe (vgl. WW 1,318), und sogar, daß die Entgegensetzung „die Möglichkeit der Wiedervereinigung" sei (WW 1, 345). Diese Aufwertung der Entgegensetzung zeigt sich in einem systematischen Zusammenhang, in der Interpretation des Anfangs des Johannesevangeliums, wo Hegel das Verhältnis von Vereinigung und Entgegensetzung anhand des Verhältnisses von Gott und Welt darstellt (vgl. WW 1, 374). Im Bereich der Vereinigung, die Sein, Leben oder Gottheit genannt wird, gibt es keine Entgegensetzung, aber die „Möglichkeit der Trennung". Durch ihre „Emanation" entsteht die „Mannigfaltigkeit der Wirklichen", und dadurch ist in jedem Teil auch das Leben beheimatet. Somit wird „das Einzelne [...] als Entgegengesetztes, Totes" und zugleich „als ein Zweig des unendlichen Lebensbaumes" angesehen. Betrachtet man das Verhältnis von Vereinigung und Entgegengesetzten als das von Baum und Zweig, dann ist der Teil auch das Lebendige, also das Ganze. Von einer absoluten Diskrepanz wie im Fragment Glauben und Sein kann hier nicht mehr gesprochen werden.^^ 22 In Der Geist des Christentums schreibt Hegel nach M. Baum bei der Erörterung des „Widerstreits der Prinzipien“ des Christentums und des Judentums dem ersteren den Charakter „einer monistischen Lebensmetaphysik" zu. (M, Baum (1986), 56). Entgegen
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Hinsichtlich seines Lebens ist der Teil „dasselbe Eins als das Ganze". In der Lebensbeziehung gibt es also keine Fremdheit, Entgegensetzung, und deshalb kann auch kein Widerspruch existieren. Aber es gibt noch eine andere Hinsicht, in der der Teil eine Vielheit von Einzelnen mit jeweils eigenen Eigenschaften ist. So gesehen ist der Teil anders als das Ganze, und deshalb kann ein Widerspruch entstehen. Die Vereinigung als das Ganze erscheint dem reflektierenden Menschen immer als Entgegengesetztes. Durch die Reflexion, die im Urteil Subjekt und Prädikat teilt und entgegensetzt, kann daher die Vereinigung des Lebens, „das Göttliche", nicht erfaßt werden. Sie erscheint der Reflexion oder dem Verstand als ein Widerspruch. „Jedes über Göttliches in Form der Reflexion Ausgedrückte" ist also „widersinnig" (WW 1, 373). Für den jungen Hegel gibt es keinen Widerspruch „im Reich des Lebens" (WW 1, 376), sondern schuldig am Widerspruch ist allein die Reflexion als endliches Vermögen des Menschen. 5. Die Verbindung der Verbindung und der Nichtverbindung (Systemfragment von 1800) Diesen Gedanken entwickelt Hegel konkreter im Systemfragment von 1800, indem er das Leben zusammen mit seiner Erscheinung zu fassen versucht. Hegel präsentiert noch einmal wie im Fragment Glauben und Sein den Argumentationsgang, der mit der Erscheinung des Lebens für die Reflexion anfängt und mit dem Erreichen des Lebens selbst endet. Aber die Erscheinung des Lebens ist nicht mehr dessen bloße Entgegensetzung, sondern zugleich die Vereinigung mit ihm. Der erste der vom Systemfragment erhaltenen Bögen fängt mit der Darstellung der lebendigen Entgegensetzung an, die die Vielheit Lebendiger ausmacht und sich von der absoluten, im Sinne der abstrakten, Entgegensetzung unterscheiden soll, die vermutlich am Ende des gerade vorausgegangenen verlorenen Bogens behandelt wurde. Die lebendige Entgegensetzung oder Vielheit bedeutet zunächst das Verhältnis zwischen einem menschlichen Individuum und anderen Individuen, d. h. der der christlichen Lehre der Schöpfung der Welt durch einen jenseitigen Gott erklärt Hegel sich insbesondere auf das Johannesevangelium stützend die Welt durch die Emanationslehre als den Ausfluß aus Gott, dem sie zugleich immanent bleibt. (Vgl. ebenda 63f) Diese Umdeutung durch die „monistische Lebensphilosophie" bedeutet eine alle Transzendenz ausschließende metaphysische Konzeption des Lebensganzen. (Ebenda 65f)
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Gesellschaft. „Ein Mensch ist ein individuelles Leben, insofern er ein anderes ist als alle [.. .] individuellen Leben außer ihm; er ist nur ein individuelles Leben, insofern er eins ist mit allen [. . .] Leben außer ihm." (WW 1, 420; Hervorhebung von mir) Im zweiten Sinne ist der Mensch die „Beziehung", im ersten die „Entgegensetzung". Der Mensch ist also sowohl Beziehung als auch Entgegensetzung. Die Gesellschaft als die Gesamtheit der Individuen enthält gleichfalls zugleich Beziehung und Entgegensetzung. Nun sind „die Lebendigen als Äußerungen des Lebens" nicht bloße Entgegengesetzte, die im Eragment Glauben und Sein der reinen Vereinigung absolut entgegenstanden, sondern Entgegengesetzte, die mit dem Leben vereinigt sind. In diesem Sinne sind sie lebendige Entgegensetzung. Als Erscheinungsform des Lebens begreift Hegel nicht nur menschliche Individuen, d. h. die Gesellschaft, sondern auch die Natur, und als das Konstitutionsprinzip der beiden Bereiche setzt er die Reflexion an. Wie die Reflexion die Äußerungen des Lebens individualisiert und in Individuen fixiert, so bringt sie die Entgegensetzung ins Leben, um es zur Natur herabzusetzen. So bedingt die Reflexion notwendig die Äußerung des Lebens. Geäußerte, gesetzte Lebendige verkörpern daher die Einheit von Leben und Entgegensetzung. Nun ist die Hegelsche Einsicht herangereift, daß das konkrete oder wirkliche Leben nur in der Einheit des Gegensatzes, also der Einheit der Entgegensetzung und Vereinigung, erfaßt werden kann, und somit die Entgegensetzung als ein notwendiges Konstituens der Wirklichkeit mit der Vereinigung auf eine Stufe gestellt werden muß. Eben an diesem Punkt stellt sich die weitergehende Aufgabe, das endliche Leben zum unendlichen Leben zu erheben. Das Leben im Diesseits ist durch die Entgegensetzung kontaminiert, so daß sich das endliche Leben mit Entgegensetzung dem entgegensetzungslosen unendlichen Leben entgegenstehend fühlt. Das Aufheben dieses Gegensatzes bedeutet, daß das Endliche seine Endlichkeit überwindet und die Unendlichkeit erreicht. Hegel verneint im Systemfragment die Möglichkeit einer Erhebung „vom Endlichen zum Unendlichen", weil diese Kategorien als Produkte der Reflexion absolut getrennt seien. Nach seiner Meinung ist nur die religiöse Weise der Erhebung möglich, die den Menschen „vom endlichen Leben zum unendlichen Leben" führt. Als ein Beispiel der religiösen Erhebung beschreibt Hegel das Anbeten wie folgt: „Wenn er [der Mensch] das unendliche Leben als Geist des Ganzen zugleich außer sich, weil er selbst ein Beschränktes ist, setzt, sich selbst zugleich außer sich, dem Beschränkten, setzt und sich zum Lebendigen emporhebt, aufs innigste sich mit ihm vereinigt, so betet er
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Gott an." (WW1,421 f) Das Anbeten bedeutet also das Heraustreten des Menschen aus seiner Beschränkung aufgrund der Homogenität des endlichen und unendlichen Lebens. Wie schon gesagt, greift die Reflexion oder der Verstand als das Prinzip der Vereinzelung in das Setzen des Lebens ein, so daß das vereinzelte Lebendige als eine Einheit von Vereinigung und Entgegensetzung, Leben und Tod oder Seele und Körper existiert. Im Element des Lebens im „Teilleben" liegt die Möglichkeit seiner Erhebung zum unendlichen Leben, und diese Erhebung bedeutet umgekehrt nichts anderes als das Aufheben des Teilseins. Bei dieser religiösen Form der Erhebung wird somit das andere Konstituens des konkreten menschlichen Lebens, nämlich die Entgegensetzung, ausgeschlossen. Insofern bleibt das Problem des Fragments Glauben und Sein hier noch ungelöst. Das Problem der Erhebung vom endlichen zum unendlichen Leben ist ursprünglich gleichbedeutend mit der Frage: Was ist das Leben selbst? Denn aus der wahrhaften Erhebung soll sich eben die Definition des Lebens selbst ergeben. Das Leben selbst darf nun aber nicht als Jenseits des wirklichen Menschenlebens, sondern muß als das Leben in seiner Erscheinung erklärt werden. Die Definition muß also von der Erscheinungsform, der Äußerung des Lebens, ihren Ausgang nehmen. Wie gezeigt, kann das Leben „eben nicht als Vereinigung, Beziehung allein, sondern muß zugleich als Entgegensetzung betrachtet [werden]" (WW 1,422). Daraus geht die erste Definition des Lebens hervor: „Die Verbindung der Entgegensetzung und Beziehung". Diese Definition gilt den Lebendigen, die am Anfang des erhaltenen ersten Bogens als lebendige Entgegensetzung oder Vielheit bezeichnet wurden. Durch das Eingreifen der Reflexion in die Äußerung des Lebens traten die Lebendigen als eine Einheit von Leben und Entgegensetzung auf. Freilich schloß diese Erscheinungsform des Lebens nicht nur die Gesellschaft, sondern auch die Natur ein, aber nur die belebte, organische. Die „absolute Entgegensetzung", die in keiner Beziehung zu dem Leben steht, wird ausgeschlossen. Aber diese Bestimmung des Lebens ist auf die Unterscheidung vom Nicht-Leben angewiesen, und deshalb muß die Definition des Lebens auch das Element des Nicht-Lebens in sich begreifen. Das Leben als Verbindung der Entgegensetzung und Beziehung muß von daher auch das Nicht-Leben als Nichtverbindung einschließen. Die zweite Definition des Lebens lautet also „die Verbindung der Verbindung und der Nichtverbindung". Aber auch mit dieser Definition ist Hegel unzufrieden. Insofern diese Definition „Produkt der Reflexion" ist, muß sie nach Hegels Berner-
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kung noch kritisiert werden. Denn jeder Reflexionsausdruck schließt, indem er etwas setzt, ein Anderes aus. Die Integration dieses ausgeschlossenen Teils kann aber die Reflexion aufgrund ihrer Natur gar nicht leisten. Die Vernunft fordert zwar diese Vervollständigung, aber auch sie kann die Schranke der Reflexion nicht überschreiten. Die Philosophie als die Tätigkeit der Reflexion und Vernunft, die in dem die Endlichkeit erhaltenden unendlichen Progreß stecken bleibt, kann das Leben letztlich nicht erreichen. Sie muß ihre Endlichkeit erkennen und „das wahre Unendliche außerhalb ihres Umkreises setzen". Der Philosophie wird also nur die negative Rolle der Selbstkritik und damit die Aufgabe des Wegweisers zur Religion zugeteilt. Offensichtlich ist Hegel im Systemfragment der Meinung, daß „die Philosophie [...] mit der Religion aufhören muß" (WW 1, 422f). Insofern Hegel mit dieser Einschätzung die Rolle der Philosophie grundsätzlich beschränkt, ist auch die philosophische Pormulierung des Lebens etwas Unzulängliches. Das Leben ist nicht so, wie es ausgedrückt wird, sondern „ein Sein außer der Reflexion". Umgekehrt zeigt der philosophische Reflexionsausdruck seinerseits nicht das, was er ausdrückt, sondern das, was außerhalb seiner steht. Besonders relevant in unserem Zusammenhang ist aber die Porm des Widerspruchs in der Definition. Die zweite Definition enthält dieselbe Logik wie die erste Definition, aber in noch zugespitzterer und allgemeinerer Porm. Sie drückt die Einheit der Entgegengesetzten aus, die zum Widerspruch führt. Der junge Hegel sieht aber den Widerspruch nicht als eine echte Auffassung des Lebens an. Wie im Pragment Der Geist des Christentums gezeigt, stammt der Widerspruch nicht aus dem Leben selbst, sondern ist nichts anderes als eine Zerrüttung, die aus dem Zusammenstoß des Lebens mit der Reflexion stammt. In der widersprechenden Formulierung der Reflexionsbestimmungen sieht Hegel also letztlich nur die Einschränkung der Reflexion, durch die man das Leben selbst nicht begreifen kann. Dieses Bekenntnis zur Unfähigkeit, das Leben auf den Begriff zu bringen, zeigt daß Hegel seine philosophische Methode zur Darstellung der Wahrheit noch nicht gefunden hat. Die Definition der „Verbindung der Verbindung und der Nichtverbindung" wird aber später modifiziert zur „Identität der Identität und der Nichtidentität" für die Definition des Absoluten in der Differenz-Schrift (IV, 64) und der Wissenschaft der Logik (XXI, 60) verwandt. Dabei tritt auch ihr eindeutig logischer Charakter immer klarer hervor. In diesem Zusammenhang muß man auch die Bedeutung jener Definition „Verbindung der Verbindung und der Nicht-
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Verbindung" bewerten. Dieser Reflexionsausdruck liefert, wenn auch unzulänglich, die Definition des Lebens. Wenn also die Logik schließlich den adäquaten Ausdruck zur Definition des Absoluten, der späteren Form des Lebens, liefert, muß auch jene Formulierung als eine Vorstufe der logischen Darstellung des Absoluten anerkannt werden. Obwohl Hegel im Systemfragment die methodische Bedeutung jener Definition des Lebens noch nicht erkennt, kann sie als Vorform der Darstellung des Absoluten gelten. Im Text fungiert diese Formulierung zwar nur als vorläufige, auf die anschließend nur zurückgegriffen wird, um die Einschränkung der Reflexion darzustellen. Ihre Bedeutung liegt aber nicht bloß darin, die Unzulänglichkeit des Reflexionsausdrucks aufzuweisen. Der Versuch der Formulierung folgt dem Abschnitt, in dem die religiöse Erhebung des endlichen Lebens zum unendlichen Leben behandelt wird, und beginnt damit, die Einseitigkeit dieser Erhebung aufzuzeigen. Da „das Mannigfaltige" des Lebens „nicht als solches hier [bei der religiösen Erhebung] mehr gesetzt ist", sondern nur die Vereinigung oder Beziehung betrachtet wird, muß das Leben zugleich mit der Entgegensetzung vervollständigt werden. (WW 1,422) Die Formulierungen „die Verbindung der Entgegensetzung und Beziehung" und „die Verbindung der Verbindung und der Nichtverbindung" müssen also als die Versuche, das Leben umfassend auszudrücken, verstanden werden.^^ Die letzte Formulierung ist zudem die höchste Ausdrucksform für diese Idee. Denn selbsf die Formulierung, die auch das außer der Formulierung stehende Andere einschließen will, kann nicht anders ausgedrückt werden. Außerdem faßt dieser Ausdruck den bisherigen Gedankengang in sich zusammen. Wenn das Leben nur als die Vereinigung betrachtet wird, so bleibt das Leben undifferenziert, und die Welt könnte nicht aus ihm hervorgehen. Wenn die Welt dagegen bestünde. 23 Offensichtlich setzt Hegels Argumentation in der Frankfurter Zeit der Einschränkung der Reflexion das Nichtdenken der Religion entgegen und vertritt die Überwindung der ersteren durch die letztere. In diesem Kontext kann die Religion als der einzig möglichen Zugang zum wahren Unendlichen gedacht werden (vgl. M. Baum (1986), 75). Aber Hegels Argumentation ist nicht so eindeutig. Er behauptet zwar die Überwindung der Einschränkung der Reflexion durch die Religion, aber er läßt auch die Darstellung der Reflexion der Kritik an der Einseitigkeit der Religion folgen. Man darf diese andere Darstellung des Verhältnisses von Religion und Reflexion nicht übersehen, sondern muß sie vielmehr hinsichtlich der weiteren Entwicklung des Hegelschen Gedankens hervorheben. Insbesondere für eine lückenlose Rekonstruktion des Übergangs zur Jenaer Zeit ist das Vorspiel der philosophisch-metaphysischen Darstellung der Reflexionsbestimmungen im Systemfragment zu beachten.
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ohne aus dem reinen Leben zu stammen, so fehlte ihr die verbindende Kraft und sie bliebe die Mannigfaltigkeit als bloße Verschiedenheit oder „absolute Entgegensetzung". Dieser doppelte Mangel ist im Fragment Glauben und Sein enthalten, in dem Vereinigung und Antinomie absolut entgegengesetzt sind. Die Definition „die Verbindung der Verbindung und der Nichtverbindung" bringt nun die Vereinigung der Antinomie dadurch zustande, daß sie Vereinigung und Antinomie vereinigt. Anderenfalls bliebe noch eine Diskrepanz zwischen Vereinigung und Antinomie, die auch der Übergang der Antinomie in die Vereinigung nicht aufheben könnte. Denn in diesem Übergang wird die Antinomie nicht umfassend integriert, sondern nur einseitig ausgeschlossen. Hegel sieht zwar die daseiende Welt als die Erscheinungsform des reinen Lebens an, aber das Leben wird nun nicht mehr jenseits seiner Erscheinung gesucht. Stattdessen sieht er in der Mannigfaltigkeit des Diesseits das Leben mit der Entgegensetzung vereinigt. Das Leben selbst ist nämlich seiner Erscheinung als geteiltes immanent.^'* Und als Ganzes kann es nichts sein, das außer seiner Emanation noch teilweise bestehen könnte. Von daher muß das transzendente Leben bedeutungslos sein. Als dem Menschen transzendentes aber wird es vorausgesetzt, wenn es prinzipiell in der Reflexionsform des menschlichen Denkens nicht formuliert werden kann. Das ontologische Prinzip, das sowohl Verbindung als auch Nichtverbindung einschließende Leben, muß also auch als durch Reflexion erkennbares aufgezeigt werden. Sonst bleibt das Leben selbst für das menschliche Subjekt nur ein unerreichbares Sollen, ln der Formulierung des Lebens aber tritt die Reflexion als Widerspruch auf, und der junge Hegel flüchtet vor dem Widerspruch zur Religion. Das Leben selbst oder das Unendliche ist für ihn dement24 Vgl. P. Kondylis (1979), 522; Bezüglich des Problems des Verhältnisses von Endlichem und Unendlichem bei Hegel nennt M. Baum zwei Quellen, nämlich die religionsphilosophische und die spinozistische, wobei jene von Endlichem zu Unendlichem übergeht und diese die umgekehrte Richtung zeigt. (Vgl. M. Baum (1976), 91) Diese Richtung entspricht nach Baum auch dem „metaphysischen Monismus" des Neuplatonismus. (M. Baum (1993), 102) In den Frankfurter Darstellungen Hegels sind die beiden Richtungen untrennbar miteinander verbunden. „Sich Gott zu nähern" wird nämlich zugleich als die Emanation Gottes im Menschen und in der Welt dargestellt. Die „Verbindung der Verbindung und der Nichtverbindung" ist eine Formulierung der Antinomie aus jener Richtung der Erhebung des Endlichen zum Unendlichen. Sie kann aber auch umgekehrt als Erscheinung des Unendlichen im Endlichen ausgedrückt werden: „Das in der Unermeßlichkeit des Raums unendliche Wesen ist zugleich im bestimmten Raume, etwa wie in dem: Den aller Himmel Himmel nicht umschloß, der liegt nun in Mariä Schoß." (WW 1,424)
5. Die Verbindung der Verbindung und der Nichtverbindung
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sprechend unsagbar und kann deshalb nur geglaubt oder angebetet werden. Damit aber ist der Geltungsanspruch dieser religiösen Handlungen, wahr bzw. richtig zu sein, ihrerseits philosophisch nicht mehr begründbar. An diesem wunden Punkt erweist sich jene These vom Vorrang der Religion vor der Philosophie immer mehr als brüchig. Wie der bisher nachgezeichnete Gedankengang zeigt, hat die Bedeutung der Reflexion mit der Aufwertung der Entgegensetzung nach und nach zugenommen. Diese Tatsache deutet an, daß die Rolle der Philosophie andauernd aufgewertet wurde, auch wenn Hegel die Entzweiung der Reflexion, des Instruments der Philosophie, ohne Unterbrechung kritisiert hat. In der Überarbeitung des Anfangs der PositivitätsSchrift im Jahre 1800 stoßen wir schließlich auf einen „Meilenstein" auf dem Weg von Prankfurt nach Jena: Wenn die religiöse Untersuchung „durch Begriffe gründlich geführt werden sollte", würde sie „am Ende in eine metaphysische Betrachtung des Verhältnisses des Endlichen zum Unendlichen übergehen" (WW 1, 225). Hervor tritt nun wieder das Verhältnis von Endlichem und Unendlichem, die als Reflexionsbestimmungen ausgeschlossen und vom endlichen und unendlichen Leben ersetzt wurden. An diese neue Bewertung der Reflexionsbestimmungen knüpft die zukünftige Veränderung der Beurteilung des Widerspruchs an.
KAPITEL 2
DAS PHILOSOPHISCHE STREBEN NACH DER EINHEIT DER ANTINOMIE 1. Von der Religion zur Philosophie (1) Die Konzeption einer absoluten Metaphysik Hegels Wandel vom Theologen zum Philosophen erweckt den Anschein einer plötzlichen Verwandlung. Denn im letzten Pragment der Frankfurter Zeit vertrat er offenbar noch den Vorrang der Religion vor der Philosophie. Das Systemfragment entwickelte die Begriffe des Endlichen unter dem Titel „Philosophie". Aus den endlichen Gegensatzbegriffen ging es dann in das Unendliche über, das als Träger dieses Gegensatzes zugleich als Einheit des Endlichen und Unendlichen formuliert wurde, die jedoch nur religiös zu erfahren sei. Bei der Überarbeitung des Anfangs der Positivitäts-Schriit kommt Hegel nun aber zu der Ansicht, daß die Erhebung des Endlichen zum Unendlichen in der Religion ihrerseits metaphysisch erklärt und begründet werden soll. Damit tritt eine Metaphysik an die Stelle der Religion. Weiter behauptet Hegel nun in einer der Habilitationsthesen von 1801: „Die Idee ist Synthesis des Endlichen und Unendlichen, und alle Philosophie ist in Ideen. (Idea est synthesis infinit! et finiti et philosophia omnis est in ideis.)" (R 158) Die Synthese des Endlichen und Unendlichen drückt sich hier in der Form des Wissens aus, das die Philosophie in Ideen faßt. Die metaphysische Erklärung des Verhältnisses von Endlichem und Unendlichem ist somit Gegenstand der Philosophie, die Philosophie wird zur Metaphysik. Voraussetzung dafür ist die Überzeugung, die Hegel mit dieser These ebenfalls dokumentiert, nämlich, daß das Unendliche oder das Absolute philosophisch erfaßbar sei. Bei der Deutung dieses Wandels kann sich die Frage stellen, ob er eine notwendige und immanente Entwicklung des Hegelschen Ge-
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Kapitel 2: Das philosophische Streben nach der Einheit der Antinomie
dankens aus dem früheren Ansatz oder ein durch äußere Einwirkung verursachter Sprung ist.' Hegel schreibt im Brief an Schelling vom 2.11. 1800, daß er in seiner wissenschaftlichen Bildung zur Wissenschaft hat vorgetrieben werden müssen. (Vgl. Br 1, 59) Das Zeugnis, das dieses Bekenntnis unterstützen könnte, ist aber in seiner Arbeit schwer zu finden. Mit Ausnahme jener kurzen Passage in der überarbeiteten Positiü/fflfs-Schrift kann man kaum eine explizite Ankündigung dieser Wendung entdecken. Der Grund dafür liegt wahrscheinlich im Verlust des größten Teils des Systemfragments, in dem sich die Neigung zu dieser Veränderung niedergeschlagen haben könnte. Der überarbeitete Anfang der Positivitäts-Schhft, in dem von der Notwendigkeit der Metaphysik die Rede ist, wurde nur zehn Tage nach dem Abschluß des Systemfragments angefertigt. Daraus kann man mit gewissem Recht folgern, daß der Ansatz zu jener ausdrücklich formulierten Notwendigkeit der Metaphysik wohl bereits in diesem Fragment enthalten war. Das Vorgetriebenwerden von der Anwendung der Philosophie zur Philosophie selbst und das Zurückgreifen auf die metaphysische Klärung des Verhältnisses des Endlichen zum Unendlichen zur Erläuterung des Verhältnisses von Gott und Mensch sind aber in der Sache allein durch die zunehmende Aufwertung der Reflexion in der Entwicklung des Hegelschen Gedankenganges erklärbar, die in seinen Frankfurter Aufzeichnungen verfolgt werden kann. Je mehr der Frankfurter Hegel die ursprüngliche Einheit begrifflich zu klären versuchte, desto näher kam er der philosophisch-metaphysischen Betrachtung derselben; und je unentbehrlicher die philosophische Betrachtung wurde, desto unerläßlicher wurde auch die ausdrückliche Verwendung der Reflexion. Hegel kritisierte zwar die Reflexion als philosophische Methode im Kontext der Kritik an zeitgenössischen Philosophien und lehnte sich an die religiöse Lösung an, aber angesichts der Einseitigkeit des religiösen Bewußtseins, d. h. der Unmittelbarkeit oder der Unobjektivierbarkeit des religiösen Gefühls wie z. B. der Liebe, war er sich der Unentbehrlichkeit der Objektivierung durch 1 H. Krings deutet Schellings Einfluß auf die Transformation des Hegelschen Jugendideals in das System der Philosophie an. (Vgl. H. Krings (1977), 9) K. Düsing behauptet dagegen eine immanente Entwicklung des Hegelschen Gedankens. Die Möglichkeit dieser Entwicklung leitet er aus der Wesensverwandtschaft zwischen endlichem und göttlichem Geist ab. Ihre Notwendigkeit findet er darin, daß der Anspruch auf die Wahrheit der theoretischen und begrifflichen Aussagen über das Leben, die höchste Einheit, erhoben wird, und daß die Rolle der Reflexion als Mitkonstituens für die Darstellung des Lebens unentbehrlich ist. (Vgl. K. Düsing (1993), 149,150)
1. Von der Religion zur Philosophie
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die Reflexion bewußt. So heißt es bereits in Der Geist des Christentums: „Die Liebe selbst ist noch unvollständige Natur; in den Momenten der glücklichen Liebe ist kein Raum für Objektivität; aber jede Reflexion [. ..] stellt die Objektivität wieder her". In der wahren Religion müssen daher „Reflexion und Liebe vereint" sein. (WW 1, 370) Auch im Schlußbogen des Systemfragments bemerkt Hegel an einer Stelle; „Göttliches Gefühl [...] wird erst dadurch vervollständigt, daß Reflexion hinzukommt". (WW 1, 423) Der entscheidende Leitfaden, an dem sich der Übergang nachvollziehen läßt, findet sich allerdings in der Formulierung „die Verbindung der Verbindung und der Nichtverbindung", die in Jena zur Formulierung „die Identität der Identität und der Nichtidentität" weiterentwickelt wird. Die Frankfurter Überlegungen münden in jene Formulierung, d. h. in die Einsicht, daß das Leben, das Göttliche oder das wahrhaft Unendliche das Endliche in sich einschließen muß. Die wechselseitige Immanenz von Endlichem und Unendlichem verneint nicht bloß die Jenseitigkeit und damit Unerkennbarkeit Gottes, sondern kann vielmehr auch zu der positiven Behauptung erweitert werden, daß das Unendliche in der Form des Endlichen dargestellt werden kann und soll. Wie sich seit der genetischen Darstellung des Lebens in Die Liebe immer deutlicher herauskristallisiert, deutet die Rolle der Reflexion in der Verwirklichung des Unendlichen darauf hin, daß das Unendliche nur in der Eorm des Endlichen erscheint. Daraus kann man durchaus bruchlos zu der Überzeugung gelangen, daß das Unendliche oder das Absolute in der Form des Endlichen darstellbar ist. So ergibt sich Hegels absolute Metaphysik aus der immanenten Entwicklung seines Gedankens. Von der Erkennbarkeit des Absoluten überzeugt, kann Hegel sich nun bewußt an das Projekt seiner Erkenntnis wagen. Den Erkenntnisanspruch des Absoluten äußert Hegel unübersehbar in seiner Kritik an dem Begriff „das Urwahre" bei Reinhold in der Differenz-Schrift (vgl. IV, 84 - 86). Die Voraussetzung und das Ziel der Philosophie ist nach Reinhold „das an sich Unbegreifliche und Urwahre", das man nur glauben kann. Die Philosophie ist ein Streben nach diesem Ziel, das geschichtlich^ in beständigen Verbesserungen, 2 In der frühen Jenaer Zeit verbindet Hegel noch nicht wie später bewußt die Geschichte mit seinem absoluten System der Philosophie. Er hält die Geschichte oder die geschichtlichen Betrachtungen für verschiedene Gestalten der Philosophie, die der Ausdruck des „ewig ein und dasselbe" (IV, 10) bleibenden Absoluten ist. Die sich in der Geschichte entfaltenden philosophischen Ansichten aber haben für ihn nur die Bedeutung einer vom Verstand gebildeten Totalität der Beschränkungen, die die vom Absoluten
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Kapitel 2: Das philosophische Streben nach der Einheit der Antinomie
jedoch als bloße „Vorübungen" den einst ,,gelingende[n] Versuch vorbereitend" (IV, 11) fortschreitet. Jede Philosophie jeder Zeit ist nach Reinhold eine Reihe von verschiedenen „eigentümlichen Ansichten" (IV, 10), weshalb „das Erste begreifliche Wahre" der Philosophie „nur problematisch und hypothetisch angenommen" wird. Das Urwahre und das Wahre sind bei Reinhold so getrennt, daß die Erkenntnis des Urwahren oder des Absoluten in der Philosophie unmöglich ist. Demgegenüber behauptet Hegel, daß die „Wahrheit außer der Erkenntnis ein Glauben" sei und „das Absolute zu einem Wahren" werden müsse. Vor dem Hintergrund dieser Anforderung will Hegel die Philosophie als „die wahre, durch Reflexion mögliche Offenbarung des Unbegreiflichen in Begriffen" verstanden wissen. Hegels Kritik an Reinhold kann auch als Selbstkritik an seiner Meinung in Frankfurt gelesen werden. Die Erscheinung des Lebens im Systemfragment, die das Leben und die Entgegensetzung zugleich enthält, soll nun als das wahrhafte Leben angesehen werden. Denn in der so konzipierten Vereinigung des Endlichen und Unendlichen können die beiden ihr Bestehen haben. Die wahre Vereinigung ist nicht mehr jenseitig, sondern ihrer Emanation, den diesseitig Lebenden, immanent. Sie braucht also nicht geglaubt, sondern soll in der Form des Diesseits, d. h. im endlichen Bewußtsein durch die Reflexion, begriffen werden. Das Unendliche oder das Absolute ist daher durch die Philosophie zu erkennen, die die Reflexion zum Instrument macht (vgl. IV, 16). Und diese Philosophie ist zum Zusammenhang der Reflexionsbestimmungen für die Darstellung des Absoluten, zum System, aufzubauen. Hiermit wird die Philosophie nun eine systematische Darstellung des Absoluten durch die Reflexion. So umreißt Hegel sein Programm einer absoluten Metaphysik, die auf der Überzeugung basiert, daß das Absolute dem Bewußtsein uneingeschränkt vermittelbar ist. Am Anfang der Jenaer Zeit macht Hegel jedoch noch eine Einschränkung für die Darstellbarkeit des Absoluten durch die Reflexion. Er meint nämlich, die Kluft zwischen Endlichem und Unendlichem nicht durch die Reflexion allein überbrücken zu können, und überläßt isolierte und als ein Selbständiges fixierte Erscheinung des Absoluten ausdrücken. Hegel, der sich gerade dem Projekt einer absoluten Metaphysik verschrieben hat, sieht nämlich in den endlichen Gestalten des Absoluten eher Gegenstände der Kritik als notwendige Momente seiner Entwicklung. Trotz Hegels ausdrücklicher Formulierung der Entwicklung des Absoluten (vgl. IV, 91) kann man daher mit H. Kimmerle feststellen, daß die Philosophie selbst nach der Auffassung Hegels in dieser Zeit keine Geschichte hat. (Vgl. H. Kimmerle (1970), 102)
1. Von der Religion zur Philosophie
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daher ihre Verbindung letztlich der transzendentalen Anschauung. Das bedeutet nichts anderes, als daß seine Methode der Darstellung des Absoluten durch die Reflexion noch nicht zur Vollendung gekommen ist. Denn gemessen am neuen Anspruch einer philosophischen - d. h. durch die Reflexion vermittelten - Erkenntnis des Absoluten kann diese Anschauung, die im Medium der Reflexion nicht formulierbar ist, nichts anderes als der Überrest des mystischen Elements der Erankfurter Überlegungen sein. Im allgemeinen setzt die Reflexion als denkende Zurückwendung auf die gedanklichen Akte selbst ein dem erkennenden Subjekt gegenüberstehendes Objekt voraus. Als Rückbeugung enthält damit die Reflexion bereits eine Subjekt-Objekt-Spaltung. Diese Diskrepanz, die die Kantische dualistische Erkenntnistheorie hinter läßt, versuchte Jacobi durch einen Gefühlsglauben zu überbrücken, dem Kant schon zum Vorwurf gemacht hatte, „Schwärmerei" zu sein.^ Kant schrieb die intellektuelle Anschauung nur dem schöpferischen Denken Gottes zu. Das diskursive Erkennen des Menschen dagegen kann für ihn nur auf die sinnliche Anschauung zurückgreifen. Das Erkennen der Totalität, das Kant dem Postulat der praktischen Vernunft überließ, versuchten die auf ihn folgenden deutschen Idealisten durch die intellektuelle Anschauung zu ermöglichen. Wie Hegel - ungeachtet seiner früheren scharfen Kritik an Jacobi wegen dessen Trennung von Sein und Denken - später auch dessen Gefühlsphilosophie als einen Schritt auf dem Weg zum absoluten Geist beurteilt, so gab es für den idealistischen Versuch, das Kantische System zu überwinden, eine Reihe von Vorarbeiten wie die übersinnliche Erkenntnis von Jacobi und die Selbstanschauung der Romantiker, die das Kantische „schulmäßige" begriffliche Erkennen „geniemäßig" durch eine anschauliche Erkenntnis ersetzen wollten.^ In der Selbstreflexion, in der ich auf mich selbst als Denkenden zurückgehe, sah Fichte das Zusammenfallen von Denkendem und Gedachtem, das Ich-Selbst, das die Einheit von Subjekt und Objekt birgt.® Diese intellektuelle Anschauung als absolute Form, die der Trennung von Subjekt und Objekt vorausgehen und deren Verhältnis ermöglichen sollte, machte Fichte zum Anfangsprinzip seiner Philosophie. Durch die intellektuelle Anschauung versuchte auch Schelling die Trennung von Denken und Sein, in die das begriffliche Denken notwendig gerät. 3 Vgl. T. Steinbüchel (1933), 33. 4 Vgl. ebenda 108. 5 Vgl. ebenda 111.
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ZU Überwinden.^ Die intellektuelle Anschauung ist für ihn das Prinzip der Tätigkeit Gottes, die vor allem menschlichen Erkennen vollzogen ist. Auf der Seite des Menschen ist also philosophisches Erkennen nur durch Teilhabe an der intellektuellen Anschauung des Absoluten möglich.^ Schelling vertritt so in der Genieästhetik eine absolute Metaphysik, die mit der Begegnung mit Hegel in Jena einen bedeutsamen Wandel erfährt.® Unter dem Einfluß von Hölderlin, der das Sein als absolute Einheit durch die „intellektuale Anschauung" auffassen wollte, drückte auch Hegel in Frankfurt die Auffassung Gottes, des Lebens als höchstes Prinzips, als Glauben, Anschauung oder göttliches Gefühl aus. Aber Hegels eigener Gedankengang entwickelt sich fort von dieser unmittelbaren Auffassung des Absoluten hin zum methodischen Erkennen, das erst in Jena anfängt. Diese Methode setzt sich ansatzweise schon in der mittleren, aber letztlich erst in der späten Jenaer Zeit ohne Einschränkung durch. In der Differenz-Schriit, mit der Hegel seine philosophische Laufbahn öffentlich anbrechen läßt, setzt Hegel das Resultat seiner Frankfurter Überlegungen zusammenfassend in eine explizit philosophische Argumentation um. An der Argumentationsstruktur und dem Vokabular jener Schrift ist allerdings leicht festzustellen, daß in die neue philosophische Form viele Inhalte aus der Frankfurter Zeit miteingeflossen sind. Es kommt auch hier auf die Frage an, wie sich das Endliche auf das Unendliche beziehen kann. Die Weise der Einheit der beiden wird noch einmal deutlich als die Immanenz des Endlichen im Unendlichen ausgedrückt. (Vgl. IV, 17f, auch 13) Besonders in dem Absatz der DiffercMZ-Schrift, in dem Hegel mit ausdrücklicher Erklärung des Gleichgewichts von Trennung und Identität das Absolute als „die Identität der Identität und der Nichtidentität" definiert, zeigt sich eine Kristallisierung des Frankfurter Gedankens in Jena. (Vgl. IV, 63 - 64) Zum Ausdruck der Einheit werden noch die Vokabeln „Vervollständigung" (IV, 17, 29), „Vereinigung" (IV, 17, 24) oder „Synthese" (IV, 17, 27) benutzt, und das Verhältnis des Endlichen und Unendlichen wird noch durch die Emanation erklärt. (Vgl. IV, 31) Bei der Fichte-Kritik (vgl. IV, 33, auch 32) kann man auch die gleiche Unterscheidung von Sein und 6 Vgl. ebenda 118. 7 Vgl. ebenda 120. 8 Nach K. Düsing ordnet Schelling seit 1802 unter dem Einfluß Hegels die philosophische Erkenntnis dem z.T. unbewußten Produzieren des Genies über. (Vgl. K. Düsing (1969), 118)
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Sollen wie im Frankfurter Fragment finden. Für den Philosophen Hegel muß das Wahre aber gewußt und nicht geglaubt werden, so daß Schlüsselwörter der Frankfurter religiösen Aufzeichnungen, wie Glauben und Gefühl, nun abgewertet werden. (Vgl. IV, 20,21) Während „der Begriff" früher „in der Entgegensetzung gegen Wirkliches" bestand und bloß „ein Sollen" ausdrückte (WW 1, 321), tritt er in der DifferenzSchrift als ein subjektives oder formelles Konstituens des transzendentalen Wissens im Gegensatz zum Sein als dessen objektives oder materielles Moment auf. (Vgl. IV, 27f) Das Sein, das in Frankfurt als die wahre Vereinigung vorgestellt wurde, wird hier bezeichnenderweise zum Ausdruck für die Beschränkung und Mannigfaltigkeit der Verstandprodukte herabgesetzt. (Vgl. IV, 14, 17) An seine Stelle tritt nun die Identität,^ indem sie mit dem Begriff des Absoluten verbunden wird, den der Jenaer Hegel dem entsprechenden Frankfurter Grundbegriff „das Unendliche" vorzieht. So überträgt Hegel das Resultat seines früheren Studiums modifizierend auf seine neue Bearbeitung. (2) Das Bedürfnis der Philosophie und die Kritik der Reflexionsphilosophie Hegel beginnt seine erste veröffentlichte Schrift in Jena mit der Darstellung über „das Bedürfnis der Philosophie". Das Absolute bildet und gestaltet sich in der Geschichte. Durch die Bildung wird aber seine Gestalt, seine Erscheinung, von ihm isoliert und als ein Selbständiges festgehalten. Daraus ergibt sich ein Gegensatz zwischen dem Absoluten und seiner Erscheinung, die als Selbständiges fixiert ist. Die Philosophie fühlt angesichts dieser erstarrten Entzweiung „das Bedürfnis nach Wiederherstellung der Totalität" (IV, 15). Dieses Bedürfnis der Philosophie kann nur dadurch erfüllt werden, daß die Erscheinung wieder zum Absoluten zurückgeführt und damit zum von diesem Absoluten bedingten Relativen herabgesetzt wird. Von der Bildung des Absoluten her stellt sich für Hegel nun die gegenwärtige Aufgabe der Philosophie. Seit Descartes bildete sich die Reflexionsphilosophie aus, die vom Subjekt-Objekt-Gegensatz be9 Bezeichnete Hegel in Frankfurt unter dem Einfluß von Hölderlin, der das Sein als die Einheit der „Ur-theilung" von Subjekt und Prädikat vorausgesetzt hatte, die Vereinigung als „das Sein", so setzt er nun mit Schelling den Ausdruck „die absolute Identität" dafür ein.
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herrscht wird.'® Hegel sieht nun den Zeitgeist der Propädeutik, der sich seit Kant herauskristallisiert, als ein Bedürfnis der Philosophie nach Wiederherstellung der Totalität an. Läßt man der mit sich selbst anfangenden Philosophie einen „Vorhof" als Untersuchung der Möglichkeit der philosophischen Erkenntnis, dann entsteht eine Trennung zwischen der Philosophie selbst und ihrem Vorhof. Diese Trennung durch die Diskussion der Erkenntnismöglichkeit zu überwinden, ist nach Hegel nichts anderes als das Bedürfnis der Philosophie, das in der Reflexionsphilosophie ausgedrückt wird. Die Verbindung mißlingt jedoch derjenigen Reflexionsphilosophie, die sich vom Subjekt-ObjektGegensatz nicht befreit. Da diese Vereinigung vor der Philosophie selbst durchgeführt werden muß, ist sie für die Reflexionsphilosophie als die Voraussetzung der Philosophie aufzufassen, die sich nach Hegel wiederum in zwei Komponenten teilt, nämlich in „das Absolute selbst" und „das Herausgetretensein des Bewußtseins aus der Totalität". (IV, 15) Hegel sieht die Aufgabe der Philosophie darin, diese Voraussetzungen zu vereinen. Es deutet auf seinen Willen zur Kritik an der zeitgenössischen Reflexionsphilosophie, daß Hegel die Aufgabe der Philosophie von der Entzweiung dieser Philosophie aus bestimmt. Wie das Absolute durch seine Bildung in die Entzweiung gerät, ebenso gestaltet sich die das Absolute darstellende Philosophie zur Reflexionsphilosophie, die den Subjekt-Objekt-Gegensatz als die endgültige Form der Entzweiung des Absoluten enthält. Die absolute Metaphysik als wahrhafte Darstellung des Absoluten muß jedoch „von allen Eigentümlichkeiten" oder „von aller Beschränktheit der vorhergehenden Gestalt" der Philosophie „gereinigt" werden (V, 270; R 189) und in dieser Reinigung von den Äußerungen des Subjekt-Objekt-Gegensatzes deren absolute Identität zum Ausdruck bringen. Hegel konzipiert also seine Philosophie als eine von der Kritik der Philosophie der Endlichkeit ausgehende Hinführung zur absoluten Metaphysik als Philosophie der Unendlichkeit. Das Anfängen bei dem Endlichen ist hier nicht bloß „eine propädeutische Rücksicht", wie sich Hegel darüber in der Vorlesung über Logik und Metaphysik von 1801/02 äußert, sondern der grundlegende 10 Für den Jenaer Hegel ist Descartes ein Reflexionsphilosoph, der sich am abstrakten Gegensatz von Denken und Ausdehnung orientierte und ihm verhaftet blieb, ln seiner Berliner Zeit drückt Hegel allerdings diese Charakterisierung positiv aus in dem Sinne, daß Descartes die traditionelle Philosophie in kritische Philosophie umsetzte und damit einen Zugang zur transzendentalen Philosophie vorbereitete. (Vgl. WW 20,123,126)
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„Charakter des Philosophierens" überhaupt, mit dem Hegel die ganze Jenaer Zeit hindurch unter dem Aspekt der Frage nach der Einleitung in die Wissenschaft ringt. Wenn Hegel den Ausgangspunkt seines Philosophierens in der Kritik der zeitgenössischen Reflexionsphilosophie findet, um von endlichen zu unendlichen Bestimmungen fortzuschreiten, stößt er unumgänglich auf das Problem der Einleitung in die Philosophie. Die Aufgabe der Philosophie, das Aufheben der Entzweiung, fällt einerseits nicht in die Philosophie selbst, insofern sie als Voraussetzung „vor und außer der Philosophie" erledigt werden soll. Sie ist eigentlich nicht die Aufgabe der Philosophie. Denn die Philosophie als Wissenschaft bedarf keiner Einleitung. (Vgl. V, 259) Andererseits aber muß die Philosophie für Hegel den Gegensatz aus der Reflexionsphilosophie aufheben, um durch die Kritik dieser Philosophie zur Metaphysik übergehen zu können. Die Kritik soll zwar eine Einleitung in die Metaphysik als absolutes System sein, also vor der Philosophie als diesem System ausgeführt werden. Zugleich ist sie jedoch schon die Tätigkeit der einzuleitenden Philosophie selbst. Dieser widersprüchliche Status der Einleitung in das System spiegelt sich in den wichtigen Jenaer Arbeiten von der frühen Logik bis zur Phänomenologie des Geistes wider, die beide die Rolle der Einleitung spielen und zugleich der erste Teil des Systems sein sollen. Von diesem Standpunkt aus gesehen, scheint das Einleitungsproblem die Hauptaufgabe der Hegelschen Philosophie in Jena zu sein. Das Bedürfnis dieser Philosophie allerdings zielt von Anfang an auf das metaphysische System, das auf dem Boden des durch die Kritik an der Reflexionsphilosophie neugewonnenen Ansatzes errichtet und sogar als die Philosophie der Einheit auf das Leben angewandt werden soll. Deswegen bedient sich Hegel in der Vorlesung über die Einleitung in die Philosophie von 1801/02 der Vokabel „Philosophieren" im Unterschied zur „Philosophie". (V, 259)^^ Das Philosophieren geht „von sehr verschiedenen subjektiven Standpunkten" (V, 259) aus und schlägt eine Hier kann man eine Auseinandersetzung Hegels mit Kant aufspüren. Während Kant behauptet, daß man nicht Philosophie, sondern nur Philosophieren lernen kann (vgl. I. Kant (1787), B 865, 866), sagt Hegel in einem Gutachten über den Vortrag der Philosophie auf Gymnasien von 1812, daß die Philosophie gelehrt und gelernt werden muß. Nach Hegel ist die Philosophie „ein systematischer Komplex inhaltsvoller Szientien" und ferner „die Erkenntnis des absolut Absoluten (denn jene Szientien sollen ihren besonderen Inhalt auch in seiner Wahrheit, d. h. in seiner Absolutheit kennenlernen)". (WW 4, 411) Daß Hegel in der Vorlesung über Logik und Metaphysik von 1801/02 Philosophie und Philosophieren unterscheidet, besagt also, daß er die Philosophie als System und ferner als absolufe Metaphysik konzipiert.
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„Brücke zwischen den subjektiven Formen und der objektiven und absoluten Philosophie" (V, 261). Das Philosophieren bezeichnet Hegel in dieser Vorlesung als eine ,,besonder[e] Form" des Bedürfnisses der Philosophie. Demgegenüber übersteigt „das allgemeine oder wahre Bedürfnis der Philosophie" diesen „untergeordneten Zweck als Einleitung in Wissenschaften", der „durchs Studium der Philosophie erreicht wird". Es ist nicht bloß auf eine durch die Kritik an der Reflexionsphilosophie zu erreichende Einheit der Entzweiung in der Philosophie abgestellt, sondern vielmehr auf einen praktischen Zweck, der darin besteht, durch die Philosophie der absoluten Einheit „leben zu lernen“. (V, 261; Hervorhebung von mir) Unter dem „Bedürfnis der Philosophie" versteht Hegel eigentlich das philosophische Streben nach dem entzweiungslosen Leben. Seine Philosophie in Jena ist also als eine philosophische Praxis für die Einheit des Lebens zu bestimmen, die auf der verlängerten Linie der religiös-praktischen Tätigkeit aus der Frankfurter Zeit liegt. (3) Die zwei Programme der Jenaer Zeit: Kritik und Konstruktion Der Hegelsche Gedanke der frühen Jenaer Zeit ist im Grunde in den gleichen logischen Kontext wie in den Frankfurter Fragmenten eingebettet, obwohl der Philosophie als System der Reflexion eine positive Bedeutung zugeschrieben und die Metaphysik an die Stelle der Religion gestellt wird. Wie die Reflexion in Frankfurt die Vereinigung der Entgegensetzung nicht leisten kann und diese Aufgabe der Religion abtritt, soll die Reflexion auch in der Di^erenz-Schrift der transzendentalen Anschauung das Recht der Vereinigung übertragen, wobei die Anschauung die mystische Seite der Erankfurter Überlegungen vertritt. So gesehen gab es keine grundlegende Veränderung des Hegelschen Gedankens zwischen der Erankfurter und der frühen Jenaer Zeit. Im entwicklungsgeschichtlichen Gesamtkontext ist es aber als eine grundlegende Veränderung aufzufassen, daß die Stellung der Reflexion mit der Verstärkung der Rolle der Philosophie gefestigt wird. In Frankfurt und Jena entwickelte Hegel seinen Gedanken im beständigen gedanklichen Austausch mit seinen Freunden. Aber auch wenn er ihre Meinungen ausdrücklich teilte, verlor er doch seine Selbständigkeit nicht. Mit den Freunden, die Dichtung oder Kunst als der Philosophie überlegen auffaßten, stellte auch Hegel in Frankfurt die Religion über die Philosophie. Auch in der Differenz-Schrift schreibt er, daß Kunst
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und Spekulation in ihrem Wesen Gottesdienst sind (vgl. IV, 76). Dadurch macht er mit Schelling die Kunst neben der Spekulation zum Indifferenzpunkt des Systems der Natur als der objektiven Totalität einerseits und des Systems der Intelligenz als der subjektiven Totalität andererseits (vgl. IV, 71). Im Unterschied zu Schelling liegt Hegels Eigentümlichkeit jedoch darin, der Spekulation größeres Gewicht beizumessen. Die Spekulation zeigt für Hegel die Möglichkeit der denkenden Überwindung der Gegensätze. Deshalb versieht er das absolute Prinzip mit dem Namen „die transzendentale Anschauung", während es bei Schelling und Fichte als „die intellektuelle Anschauung" bezeichnet wird. (Vgl. IV, 76f) Da die Wissenschaft die Reflexion zum Instrument macht, muß sich die Anschauung nämlich mit der Reflexion verbinden, um zur transzendentalen Anschauung werden zu können. In der transzendentalen Anschauung oder im transzendentalen Wissen wird das Absolute dementsprechend als die Einheit von Bewußtheit und Bewußtlosigkeit, Reflexion und Anschauung bezeichnet. Die Reflexion ist darin allerdings als wichtigere Komponente einzuschätzen, weil es sich nicht mehr um eine religiöse, sondern bereits um eine philosophische Einheit handelt. Für den Frankfurter Hegel war die Reflexion oder die Vernunft der religiösen Tätigkeit absolut entgegengesetzt, so daß die philosophische Reflexion die Einheit der Gegensätze nicht erkennen konnte, sondern die Vereinigung der religiösen Tätigkeit überließ. In Jena übernimmt die Vernunft dagegen die Frankfurter Rolle der religiösen Tätigkeit unter Einbeziehung der Reflexion, so daß sie als vernünftige oder philosophische Reflexion die Vereinigung der Gegensätze vollzieht. Hier wird zwar die Anschauung noch als ein die Reflexion übersteigendes Erkenntnisvermögen postuliert. Sie ist jedoch in Wahrheit als bloß vorläufiger Vorbehalt gegenüber der Reflexion zu interpretieren, solange eine methodisch tragfähige Lösung noch aussfeht. Wenn es um die begriffliche Auffassung des Unendlichen ging, konnte Hegel die Reflexion als Instrument der Philosophie nicht entbehren, und somit wurde er von der religiösen zur philosophischen Lösung des Problems vorgetrieben. Für den Jenaer Hegel, den entschiedenen Philosophen, der mit der Reflexion als Instrument der Philosophie das Absolute konstruieren muß, ist die Reflexion als solche nun auch kein Schimpfwort mehr. Die Reflexion, die der Frankfurter Hegel an der zeitgenössischen philosophischen Methode als dem Absoluten unangemessen kritisierte, bestimmt er nun als „isolierte, reine oder bloße". Nur dieser Reflexion wird zum Vorwurf gemacht, daß sie sich in die
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spekulative Erkenntnis nicht integriert. In diesem Sinne wurden auch die Reflexionsphilosophien von Kant, Jacobi und Fichte in Glauben und Wissen kritisiert. Hegel äußert seine Überzeugung von der möglichen Vereinigung der Entzweiung nicht mehr vom Standpunkt des der Reflexion transzendenten Glaubens, sondern übt im Zusammenhang mit der Bildung des Absoluten eine immanente Kritik an der „bloßen Reflexion" der Philosophie seiner Zeit. Die Kritik formuliert das Problem der Einheit von Subjekt und Objekt in der Weise, daß das Absolute durch die Bildung objektiviert und diese objektivierte Erscheinung des Absoluten im endlichen Bewußtsein der Reflexionsphilosophie als ein Selbständiges fixiert wird. Hierbei hängt die Vereinigung von Subjekt und Objekt sowohl von der Verbindung des Absoluten mit seiner Erscheinung als auch von der Verbindung des Absoluten mit dem menschlichen Bewußtsein ab. Dabei stellt sich zugleich mit dem Problem jener Zurückführung der selbständig gewordenen Erscheinung zum Absoluten auch das Problem der Konstruktion des Absoluten im menschlichen Bewußtsein (vgl. IV, 16). Denn jenes läßt sich nur durch dieses lösen. Diese Aufgabe der Philosophie, das Absolute und das von ihm gesonderte Bewußtsein zu vereinigen, soll nach Hegel „die philosophische Reflexion" oder „die Reflexion als Vernunft", als Instrument der Philosophie, bewerkstelligen. Die Kritik an der „bloßen Reflexion" der Reflexionsphilosophie geht also mit der Konstruktion des Absoluten durch „die philosophische Reflexion" zusammen. 2. Die Konstruktion des Absoluten und der Widerspruch (1) Die Antinomie als der formelle Ausdruck des Absoluten (Differenz-Schrift) Es ist der Begriff des Widerspruchs, auf den Hegel zu Beginn seiner philosophischen Arbeit stieß und den er mit dem Fortschritt zur absoluten Metaphysik bewältigen mußte. Hegel war sich bewußt, daß die Aufgabe, das Absolute für das Bewußtsein zu konstruieren, schon einen Widerspruch enthält (vgl. IV, 16), - nämlich den Widerspruch zwischen der Unbeschränktheit des Absoluten und der Beschränktheit des Bewußtseins oder der Reflexion. Diesen Widerspruch soll die philosophische oder vernünftige Reflexion vermitteln. Hegel sucht also die Lösung in der Vernunft als Vermögen der Vervollständigung. Die Ver-
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nunft treibt den Verstand oder die Reflexion zur Vollendung, also bis zur absoluten Unbedingtheit. Während der Frankfurter Theologe in der Tätigkeit der Vernunft bloß einen unendlichen Progreß gesehen hat, enthält die Vernunft für den Jenaer Philosophen als die Idee der Unbedingtheit eine positive Zielbestimmung wie bei Kant. Allerdings bleibt Hegel nicht bei der regulativen Funktion der Vernunft stehen, sondern schreibt ihr eine aktive Rolle für die Konstruktion des Systems zu. In der Differenz-Schrift beschreibt Hegel die Vernunft einerseits als das Vermögen der Vervollständigung, das den Verstand zur objektiven Totalität leitet (vgl. IV, 17, auch 13), andererseits als das Prinzip, das in der Emanation die relative Identität als Erscheinungsform des Absoluten zum System organisiert (vgl. IV, 31). Darüber hinaus wird die Vernunft sogar als die Erscheinung des Absoluten selbst bestimmt (vgl. IV, 10). Diese grundlegende Bestimmung der Vernunft macht die Vernunft zum Vermögen der Totalität und die Entwicklung der Vernunft zur Methode des Systems. (Vgl. IV, 31) Aber die Vernunft allein kann nichts konstruieren. Sie bedarf des Verstandes oder der Reflexion und fordert sogar, daß diese in Beziehung zum Absoluten trete. Wenn sich die Reflexion auf das Absolute bezieht, soll sie unendlich, absolut werden. Nur solch eine Reflexion kann das Absolute konstruieren. Die Reflexion als beschränkendes Vermögen muß, um das Absolute zu konstruieren, ihre Natur auf geben und sich auf die Vervollständigung, das Absolute, richten. Daß die Reflexion das Absolute erreicht, bedeutet für sie, ihre Selbständigkeit zu verneinen und sich selbst als ein Gesetztsein des Absoluten zu erkennen. Auf diese Weise entsteht die Identität des Endlichen und Unendlichen, und das Absolute wird für das Bewußtsein konstruiert. Hegel nennt nun die Totalität des Wissens das System der Wissenschaft. (Vgl. IV, 30) Die Vereinigung des Endlichen und Unendlichen, die das System der Philosophie ermöglicht, wird in zweierlei Hinsicht ausgeführt. Erstens erkenntnistheoretisch: Die Reflexion gibt ihre Natur auf und wird vernünftig. Zweitens ontologisch: Das Endliche setzt sich nicht dem Unendlichen entgegen, sondern wird als ein Moment des Unendlichen gesetzt. Das System des philosophischen Wissens zu konstruieren, bedeutet also nichts anderes, als endliches Teilwissen oder einzelnes Wissen als Teil der organischen Totalität des Wissens aufzufassen. Soll das philosophische System aus der Verbindung des endlichen Bewußtseins und des Absoluten durch die Vernunft hervorgehen, so muß man das philosophische Wissen des Absoluten durch die Überführung des endlichen Erkennens zum vernünftigen Erkennen be-
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gründen. Hierbei verwendet Hegel die Antinomie oder den Widerspruch als das methodologische Durchgangsprinzip, durch das die Reflexion als endliches Erkennen zum wissenschaftlichen, vernünftigen Erkennen des Absoluten erhoben werden soll. Wie bereits in Glauben und Sein (vgl. WW 1, 252) faßt Hegel die Form des Satzes weiterhin als eine Entgegensetzung von Subjekt und Prädikat auf. Das Absolute kann deswegen nicht in einem Satz ausgedrückt werden, weil die Trennung der Satzstruktur die absolute Identität nicht wiedergeben kann. Die Reflexion, die ihren Gegenstand in der Form des Satzes zum Ausdruck bringt, drückt daher die ursprüngliche, absolute Identität von Subjekt und Objekt in zwei entgegengesetzten Sätzen aus: A = A und A nicht = A (A = Nicht-A). Der erste Satz vertritt die Identität, und der zweite Satz die Entzweiung, die Nichtidentität. Sie sind aber „in der absoluten Identität" eigentlich „Eins". Um das Absolute richtig auszudrücken, muß man die beiden Sätze vereinigen. Will man das Absolute in einem Satz definieren, so läßt es sich als die Identität der Identität und der Nichtidentität bezeichnen. Diese Definition setzt sich vom Frankfurter Fragment bis zur Wissenschaft der Logik fort.^^ Von der Jenaer Zeit an bedeutet diese widersprechende Formulierung für Hegel nicht bloß eine Zerstörung des Endlichen, sondern auch einen Übergang zum Unendlichen. Er treibt nämlich die einseitige Reflexionsbestimmung durch die Vereinigung mit der ihr entgegengesetzten zum Widerspruch und erhebt sie durch das Postulat der Anschauung zum Wissen des Absoluten. Die Erhebung vom endlichen zum unendlichen Erkennen durch die Vereinigung der entgegengesetzten beiden Reflexionssätze verwirklicht sich im Kontext der Systemkonzeption durch die Einheit von Subjekt und Objekt, der sich Hegel über eine Kritik an Reinholds Weise der Vereinigung des formellen Prinzips und des materiellen Gegenstandes nähert. Das System soll in Sätzen, die „durch die Reflexion gesetzt" werden (IV, 23), zur Darstellung kommen. Jene Sätze der Reflexion, A = A und A = Nicht-A, bringen aber jeweils nur eine der beiden Seiten des Absoluten zum Ausdruck, als die Hegel Form und u In der Wissenschaft der Logik (XXI, 60) schreibt Hegel: Die „Identität der Identität und Nichtidentität könnte als die erste, reinste d.i. abstrakteste, Definition des Absoluten angesehen werden, [. . .] wenn es überhaupt um die Form von Definitionen und um den Namen des Absoluten zu tun wäre". Er meint auch hier, daß die Definition, die in einem Satz ausgedrückt wird, zum Ausdruck des Absoluten unzulänglich ist. Wegen dieser Unzulänglichkeit muß die Definition immer wieder korrigiert werden. Aus diesen Ketten der Definitionen des Absoluten besteht die Wissenschaß der Logik.
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Materie, Subjekt und Objekt oder Begriff und Ding bezeichnet. Der erste Satz drückt demnach die reine Identität der Form aus, der zweite dagegen die Ungleichheit der Materie. Das System kann also erst dann vollkommen aufgestellt werden, wenn die beiden entgegengesetzten endlichen Sätze vereinigt werden. Kommt die Materie als ein Anderes wie bei Reinhold in das unendlich wiederholbare Denken einfach zusätzlich hinein (vgl. IV, 26, auch Anmerkung 87,12 -15), so läßt sich die wahre Vereinigung nicht erreichen. Denn das reine Denken A wird nicht als Nicht-A gesetzt, sondern unvermittelt neben dem hinzugefügten Anderen B stehen gelassen. Ferner vereinigt nach Hegel auch das Fichtesche System den ersten Satz als reines Prinzip und den zweiten Satz als seine Erscheinung nicht. Für dieses System kommt die Aufhebung der Entgegensetzung in der Weise zustande, daß der erste Satz den absoluten Vorrang vor dem zweiten Satz hat, der allein vernichtet werden soll. Ich als absolutes Ich ist also nicht Ich als Nicht-Ich, sondern nur umgekehrt soll dieses jenem gleich sein. Insofern stellt das Eichtesche System als Versuch, zur Subjekt-Objekt-Einheit zu gelangen, nur das subjektive Subjekt-Objekt dar. (IV, 33) Das System der absoluten Identität kann aber für Hegel nur verwirklicht werden, wenn es das subjektive und das objektive Subjekt-Objekt integriert. Diese Integration des subjektiven Subjekt-Objekts der Transzendental-Philosophie und des objektiven Subjekt-Objekts der Naturphilosophie erfordert, daß die Endlichkeit dieser einseitigen Philosophien aufgezeigt und ihre Endlichkeit durch die Vereinigung der entgegengesetzten Bereiche zum absoluten System erhoben wird. Die Integration der beiden Disziplinen wird also durch die Erhebung des Endlichen oder Entgegengesetzten zum Unendlichen oder Absoluten begründet. Diese Begründung geht wiederum auf die Vereinigung jener beiden Sätze zurück, die jeder für sich eine der beiden Disziplinen des Systems repräsentieren. Das Prinzip des Systems muß nicht nur der erste Satz wie bei Pichte, sondern die Einheit der beiden Sätze sein. Wenn man jedoch die entgegengesetzten Sätze in einem vereinigt, entsteht ein Widerspruch. Der Widerspruch wird also als eine Methode des Überganges vom Endlichen zum Unendlichen gebraucht. Vor der Diskussion der Erhebung durch die Vereinigung der beiden Sätze ist zuerst ein kurzer Blick auf das diese Erhebung vollziehende Vermögen zu werfen. Es ist die Vernunft, die sie mit dem Werkzeug der Reflexion, dem Vermögen des Verstandes, vollzieht. Während der Verstand Entgegengesetztes voneinander isoliert aufzeigt, bringt die Ver-
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nunft es zur Vereinigung. Die Vernunft treibt die Reflexion dazu, daß sie die endlichen Entgegengesetzten nicht als isolierte Selbständige nebeneinander stehen läßt, sondern sie durch ihr jeweiliges Korrelat vervollständigt, um auf den Widerspruch zu stoßen. Bemerkenswert ist hier, daß sich Hegel der Ausdrücke Verstand und Reflexion in unterschiedlicher Nuancierung bedient. Der Verstand vertritt im Allgemeinen den Bereich der Erscheinung des Absoluten, der von diesem „isoliert und als ein Selbständiges fixiert" ist. Er konstruiert als „Kraft des Beschränkens" die Erscheinung zur Totalität der Beschränkungen. (IV, 12) Mit der „geheimen Wirksamkeit der Vernunft" ahmt der Verstand die Vernunft zwar insofern nach, als er seine Beschränkungen durch das Setzen der entgegengesetzten Beschränkungen vervollständigt. Wegen seines ,,Eigensinn[s], [.. .] die Entgegensetzung neben einander bestehen zu lassen [.. .] und festzuhalten", fällt er aber in den unendlichen Progreß. (IV, 17) Hegel benutzt diesen Begriff, wenn er Reinholds „reiner Identität" zum Vorwurf macht, Verstandes-Identität zu sein. (Vgl. IV, 26, 27) Er spielt auch auf die Kantische Idee der reinen Vernunft an, indem er jene erfolglosen Bemühungen des Verstandes als „den Schein" oder „die Prätention der Vernunft" bezeichnet. (IV, 13) Die Reflexion fällt zwar ihrer Natur nach in den Bereich des Verstandes, und als isolierte Reflexion produziert sie nur Beschränktes. Sie kann sich aber auch auf das Absolute beziehen, wenn sie ihre Natur aufgibt. Hegel schreibt ihr in Verbindung mit der Vernunft eine Rolle bei der Vermittlung des Endlichen und Unendlichen zu. Während sich der Verstand im Reich des Endlichen genügt, bereitet die Reflexion als vernünftige den Übergang zum Erkennen des Absoluten vor. Das Gegensatzpaar, das dem von Verstand und Vernunft entspricht, ist freilich Reflexion und Spekulation. Im ersten Paar wird jedoch insbesondere die Differenz der Erkenntnisweise betont, während Hegel die Reflexion auch als notwendiges Konstituens des transzendentalen Wissens oder der Spekulation ansieht. (Vgl. IV, 27)^^ Dementsprechend verwendet Hegel auch nirgendwo den Ausdruck „der vernünftige Verstand", wohl aber den „die vernünftige Reflexion". An einer Stelle ist sogar ausdrücklich von ,,spekulative[r] Reflexion" (IV, 77) die Rede, was diese Unterscheidung von Verstand und 13 Nach K. Düsing setzt Schelling den Standpunkt der Spekulation oder der Vernunft dem Standpunkt der Reflexion oder des Verstandes nur entgegen, während Hegel auch auf den positiven Sinn der Reflexion für die Umwandlung seines früheren Ideals in ein System hinweist. (Vgl. K. Düsing (1969), 116)
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Reflexion unterstützt und zeigt, daß Hegel die Reflexion auch der Spekulation nicht absolut entgegensetzt. Die Reflexion, die den Widerspruch zwischen dem endlichen Bewußtsein und dem unendlichen Absoluten vermitteln soll, ist im wesentlichen sich selbst widersprechend. Als beschränkendes Vermögen muß sie sich selbst vernichten, und somit ist ihr höchstes Ziel die „Selbstzerstörung". (IV, 18) Damit vertritt die Reflexion das Schicksal des Endlichen und des endlichen Erkennens. Anders als der Verstand kann sie aber mit Hilfe der Vernunft die Antinomie erkennen. „Die relativen Identitäten, in die sich die absolute differenziert, sind zwar beschränkt, und insofern für den Verstand und nicht antinomische-, zugleich aber weil sie Identitäten sind, sind sie nicht reine Verstandesbegriffe; und sie müssen Identitäten sein, weil in einer Philosophie kein Gesetztes ohne Beziehung aufs Absolute stehen kann; von der Seite dieser Beziehung aber ist selbst jedes Beschränkte eine (relative) Identität, und insofern für die Reflexion ein antinomisches". (IV, 27; Hervorhebung von mir) Der Verstand beläßt das Endliche, sei es Beschränktes und sogar Entgegengesetztes, als Selbständiges und Gleichgültiges. Die vernünftige Reflexion sieht im Endlichen das Entgegengesetzte und dessen Synthese, also die Antinomie. Sie bringt Endliche miteinander in Beziehung und setzt sie gegeneinander. Durch die Zuspitzung dieses Gegensatzes treibt sie ihn schließlich zum Widerspruch. In der Dichotomie von Verstand und Vernunft oder von Reflexion und Spekulation erscheint die Reflexion zwar in derselben Bedeutung wie der Verstand. Sie hat aber einen offenereren Bedeutungshorizont als dieser. Obwohl die Reflexion mit dem Verstand die Denotation teilt, sondert sie sich von ihm in der Konnotation. Daher kann sie im Gegensatz zum Verstand schließlich auch mit der Bestimmung ,vernünftig' oder ,absoluP versehen werden. Indem Hegel eine durch die Kritik am endlichen Erkennen zu erreichende absolute Metaphysik konzipiert, wird der Widerspruch zum Prinzip des Überganges von jenem Bereich, der Logik, zu diesem Bereich, der Metaphysik. Die Wahrheit oder das Ziel der Logik ist also der Widerspruch. „Die logische Erkenntnis [...] muß als ihr oberstes Gesetz die Antinomie erkennen." (IV, 82) Dieses Erkennen des Widerspruchs bedeutet nichts anderes als vom Endlichen zum Unendlichen überzugehen, was Hegel durch die Vereinigung jener einseitig entgegengesetzten Sätze der Reflexion argumentativ untermauert. Der erste Satz A = A vertritt zuerst die reine Identität, insofern er von der Ungleichheit der Mannigfaltigkeit der Materie im zweiten Satz ab-
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strahiert. Ebenso muß in A = Nicht-A von der Form der Identität oder der Beziehung von Subjekt und Prädikat des ersten Satzes abstrahiert werden, um die Materie rein zu erhalten. Daß der erste Satz durch die Abstraktion vom zweiten Satz zustande kommt, heißt, daß der erste Satz durch den zweiten bedingt ist. Gleichfalls ist der erste Satz die Bedingung des zweiten Satzes, da dieser jenes bedarf, insofern er ein Satz sein soll. Jeder ist also die Bedingung des anderen. Die Vernunft sieht hier ein, daß jeder Satz für sich nicht allein bestehen kann, sondern das Andere voraussetzen muß, um zu bestehen. Der erste Satz A = A enthält bereits die Ungleichheit zwischen Subjekt und Prädikat, und im zweiten Satz A = Nicht-A ist die Gleichheit der beiden versteckt. Der erste Satz drückt also A = A und zugleich A = Nicht-A aus, und der zweite Satz ebenso. Daraus ergibt sich, daß der erste Satz A = A und der zweite Satz A = Nicht-A gleich sind.^“* Das läßt sich so formulieren: „(A = A) = (A = Nicht-A)".’^ Faßt man den ersten Satz A = A nicht als reine Identität, sondern als absolute Identität auf, so kann man die Einheit der beiden Sätze einfach als A = A ausdrücken. In dem so verstandenen Satz ist sowohl die Identität als auch die Differenz des Subjekts A und des Prädikats A ausdrücklich enthalten. Unter dem Satz A = A ist hier also nicht die Verstandes-Identität, sondern die Vernunft-Identität zu verstehen. Er ist nun kein bloß formeller Satz, sondern der Ausdruck der absoluten Identität, die die Form des Subjekts und die Materie des Objekts vereint.
14 K. Düsing folgt Hegel nicht darin, daß der erste Satz A = A und der zweite Satz A = Nicht-A auseinander logisch abgeleitet werden könnten. Das ist nach Düsing nur unter der zusätzlichen Annahme möglich, daß das Nicht-A des zweiten Satzes als B, als Merkmal von A, gedacht wird. Dann aber sind die beiden Sätze nicht kontradiktorisch. (Vgl. K. Düsing (1976), 98, Fußnote 87) Um Mißverständnisse zu vermeiden, sollte man aber das Prädikat des zweiten Satzes durchgehend als Nicht-A und nicht auch als B bezeichnen. B nennt Hegel das Nicht-A nämlich nur bezüglich Reinholds dem reinen Denken äußerlich gegenüber gestellter Materie. Diese B ist aber nach der Meinung Hegels eigentlich weder als von außen hinzugefügte Materie, noch als ein bloßes Merkmal von A aufzufassen, sondern als das Gesetztsein von A im Sinne von dessen Se/fefnegation. Insofern die subjektive Form im Zusammenhang der Systemkonzeption als A und die objektive Materie als B bezeichnet wird, kann wohl Hegels Argument irreführend sein. Hegel entwickelt jedoch später vor dem Hintergrund der Subjekt-Objekt-Einheit mit den logischen Bestimmungen „A und Nicht-A" das gleiche Argument: Der Satz der Identität und des Widerspruchs als negative Form desselben müssen sowohl A = A als auch A = Nicht-A enthalten, so daß die Sätze „nicht bloß analytischer, sondern synthetischer Natur" sind. (XI, 265; vgl. auch IV, 24) Die Differenten der Beziehung zeigen aber nicht die bloße Differenz, sondern den Widerspruch. 15 Vgl. W. Zimmerli (1974), 208.
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Hegel setzt sich hier implizit auch mit Fichtes Synthesis auseinander. Für Fichte^^ setzt sich A als schlechthin Gesetztes durch die Reflexion dem A als Reflektiertem gleich, wodurch der Satz der Identität entsteht. Diesem A als Objekt der Reflexion wird -A (Fichtes Ausdruck von Nicht-A) entgegengesetzt. Dadurch kommt der „Satz des Gegensetzens: -A nicht = A" zustande, der jenem Satz der Identität A = A entgegengesetzt ist. Ergibt sich aus jenem die Materie -A, so aus diesem die Form A. Die beiden sind bei der Synthesis so entgegengesetzt, daß A nicht gesetzt ist, wenn -A gesetzt ist, und umgekehrt. Um diese Unvereinbarkeit zu vermeiden, erfindet Fichte ein Substrat X, in dem man die beiden vereinigen kann, ohne sie im Einzelnen zu vernichten. Wird der Satz des Gegensetzens als -A = -A aufgestellt, kann man dort eine gleiche Eorm der Setzung wie beim Satz A = A finden. So beziehen sich A und -A formal auf die Identität des einen Bewußtseins, und die beiden sind insofern gleich. Allerdings müssen sie nach Fichte darin einander nur quantitativ entgegengesetzt sein, so daß die beiden nur teilweise vereinbar sind. Daher ist „A zum Teil = -A und umgekehrt", und das Entgegengesetzte -A wird dem A gegenüber „nur zum Teil aufgehoben". Eür Fichte vereinigt also das absolute Subjekt Form und Materie, A und -A, nur teilweise. Hegel denkt, daß die Fichtesche Synthese damit keine absolute und folglich auch sein „absolutes Subjekt" nicht absolut sei.^^ Der zweite Satz von Hegel lautet: A = Nicht-A, der Fichtesche Satz des Gegensetzens: -A = -A. A = A ist nach Hegel zugleich als A = Nicht-A aufzufassen. Es ist ein Widerspruch, daß A = A und A = Nicht-A gleich sind. Statt den Widerspruch beider Entgegengesetzten zu vermeiden, spitzt Hegel vielmehr die Entgegensetzung zum Widerspruch zu. Hier sind schon Ansätze der späteren Dialektik Hegels enthalten. A als absolute Eorm soll als Nicht-A, als Materie, gesetzt werden. A verwandelt sich damit in sein Gegenteil. Das absolute Subjekt als Einheit der Form und Materie ist also in der Reflexionsform ein Widerspruch. Für die Vernunft ist es aber eine absolute Identität. Hiermit werden die beiden am Anfang für die Reflexion kontradiktorisch entgegengesetzten Sätze durch die Vernunft vereinigt, sie Zum folgenden vgl. /. G. Fichte (1794), § 1 - § 3 besonders 265 - 273. u H.-F. Fulda faßt Flegels Fichte-Kritik folgendermaßen zusammen: Wenn die im Ich zu denkende Einheit sich nicht auf einen letzten, unüberbrückbaren Gegensatz reduzieren soll, dürfen ihre Bestandteile nicht als in einer nur teilweisen Identität verbunden gedacht werden. In teilweisen Gegensätzen wird Realität nur teilweise aufgehoben. Die Bestandteile der absoluten Einheit müssen vollständige Gegensätze bilden, die sich ebenso vollständig aufheben. (Vgl. H.-F. Fulda (1971), 619f)
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sind also für die Vernunft identisch. Diese Vereinigung enthält nicht nur den Widerspruch als Einheit der logisch entgegengesetzten Sätze, sondern auch die Einheit von Eorm und Materie, Subjekt und Objekt, die das Prinzip des Systems, die absolute Identität, ausmacht. Sie begründet so die Integration der Transzendental-Philosophie als Disziplin des Subjekts einerseits und der Naturphilosophie als Disziplin des Objekts andererseits. Die Einheit von Subjekt und Objekt ist also nur möglich, insofern Nicht-A das Gesetztsein von A ist, so daß die Erscheinung des Absoluten als dessen Gesetztsein gedacht werden muß. Das ist für Hegel nur durch den Widerspruch begründbar. Denn die vollständige Vereinigung des Subjekts und Objekts ist nur dann zu erlangen, wenn die beiden ihre Selbständigkeit durch den Widerspruch völlig verlieren. Der Widerspruch ist daher nicht nur das Vereinigungsprinzip der beiden Sätze, sondern er müßte auch der Ausdruck des Absoluten als Prinzip des Systems selbst sein, insofern die beiden Sätze für sich Subjekt und Objekt vertreten. Noch sieht Hegel aber nur die negative Seite im Widerspruch. Die Vernunft muß deshalb eine positive Seite der Anschauung postulieren, damit nicht all das Wissen des Systems in den vernichtenden Abgrund des Widerspruchs versinkt. Die Anschauung soll die Positivität des Widerspruchs gewährleisten, der sich allein als bloß Negatives vernichten würde. Das philosophische Wissen kommt also erst in der Einheit von Reflexion und Anschauung zustande. Hinsichtlich seiner Eunktion gebührt dem Widerspruch sicherlich schon der Titel, mit dem ein Abschnitt des einleitenden Teils zur Differenz-Schritt überschrieben ist: „Prinzip einer Philosophie in der Eorm eines absoluten Grundsatzes" (IV, 23). Aber „die Antinomie, der sich selbst aufhebende Widerspruch", ist für Hegel noch bloß der „formelle Ausdruck der Wahrheit". (IV, 26; Hervorhebung von mir) Der Widerspruch ist „der höchst mögliche Ausdruck der Vernunft durch den Verstand" (IV, 26), d. h. der Wahrheit im Bereich des Verstandes. Er ist also zwar „der höchste", aber noch „formelle Ausdruck des Wissens und der Wahrheit". (IV, 26) Hegel ist zwar felsenfest davon überzeugt, daß das Absolute im endlichen Bewußtsein des Menschen konstruierbar ist, seine Auffassung des Widerspruchs zeigt jedoch noch einen Abstand zwischen beiden, den die postulierte Anschauung überbrücken soll. Die Lösung durch das Postulat bedeutet aber, daß Hegels Konzeption des Widerspruchsprinzips als Methode noch nicht vollendet ist. In der DifferenzSchrift bleibt nämlich methodologisch noch ungeklärt, wie sich die Anschauung mit der Reflexion verbinden soll. Dennoch ist nicht zu
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Übersehen, daß der Widerspruch als das Vernünftige beschrieben wird. „Das Vernünftige" ist, so Hegel, nicht „das Postulable", sondern „muß seinem bestimmten Inhalt nach aus dem Widerspruch bestimmter Entgegengesetzter, deren Synthese das Vernünftige ist, deduziert werden". (IV, 29) Zudem bezeichnet Hegel einmal die Vernunft als die Erscheinung des Absoluten (vgl. IV, 10), und an anderer Stelle den Widerspruch als „die rein formale Erscheinung des Absoluten" (IV, 27). Diese Wesensverwandtschaft von Widerspruch und Vernunft kündigt den späteren Auftritt des Widerspruchs als die Methode der spekulativen Vernunfterkenntnis an, der der Verstand allein als das endliche Erkennen gegenübersteht, nachdem die Reflexion in die spekulative Methode integriert worden ist. (2) Der Widerspruch als das Übergangsprinzip vom Endlichen zum Unendlichen (Logik und Metaphysik von 1801) Unmittelbar nach Anfertigung der Differenz-Schriit stellt Hegel in der Vorlesung zum Wintersemester 1801/02 seine Systemkonzeption vor, an deren Anfang Logik und Metaphysik stehen. In der Differenz-Schrift stellt Hegel nur die beiden Disziplinen Transzendental-Philosophie und Naturphilosophie als Systemteile dar. Er muß aber auch damals schon einen ersten Systemteil für Logik und Metaphysik vorgesehen haben.^* In der Vorlesung über Logik und Metaphysik verlegt Hegel die Argumentation aus der Differenz-Schritt für die Vermittlung von Endlichem und Unendlichem in diesen ersten Teil des Systems, der aus der Logik als Einleitung in die eigentliche Philosophie und aus der Metaphysik als Darstellung des philosophischen Prinzips besteht. Im Vorlesungsmanuskript ist die Argumentation freilich nicht so ausführlich wie in der Differenz-Schritt. Sie wird jedoch durch das Schema der Unterscheidung und Verbindung von Logik als endlichem Erkennen und Metaphysik als unendlichem Erkennen deutlicher herausgearbeitet. Der Widerspruch stellt sich im Bereich der Logik dar, jedoch werden zugleich sein Charakter als Grenzbegriff und seine Wesensverwandtschaft mit der Vernunft hervorgehoben. Der Bereich der Logik entspricht hier dem des Verstandes in der Differenz-Schritt. In der Logik von 1801/02 unterscheidet Hegel aller18 Vgl. O. Pöggeler (1964), 133 f.
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dings Verstand und Reflexion nicht wie in dieser Schrift in ihrer Nuancierung voneinander, was möglicherweise der Vereinfachung aus ,,propädeutische[r] Rücksicht" geschuldet ist. Nur die grobe Unterscheidung von Logik und Metaphysik wird in Zusammenhang mit dem Erkenntnisvermögen von Reflexion und Spekulation gebracht. Wichtiger ist für Hegel aber nicht die Unterscheidung, sondern die Verbindung der beiden, da er für die Einführung in die Philosophie als System den Übergang vom endlichen zum unendlichen Erkennen erweisen muß. Nach Hegel steht das endliche Erkennen oder die Reflexion zwar dem unendlichen Erkennen oder der Spekulation gegenüber, aber die beiden sind nicht absolut entgegengesetzt. „Das endliche Erkennen abstrahiert nur von der absoluten Identität desjenigen, was in der vernünftigen Erkenntnis aufeinander bezogen ist." (R190; V, 271) Hegel mußte zum einen die Logik als endliches Erkennen und die Metaphysik als unendliches Erkennen strikt voneinander unterscheiden, um die Differenz der Erkenntnisweisen von Reflexion und Spekulation hervorzuheben. Zum anderen mußte er aber auch eine absolute Trennung der beiden vermeiden, da eine der Spekulation absolut entgegengesetzte Reflexion nicht die Rolle der Logik als Einleitung zur Metaphysik hätte erfüllen können. „Der Gegenstand einer wahren Logik" besteht also zuerst in der Aufstellung der „Eormen der Endlichkeit", wie sie jedoch durch den Verstand des Vernünftigen beraubt auftreten. (R 190; V, 272) Der Verstand ahmt die Vernunft nach, wobei diese insgeheim wirksam ist. (Vgl. V, 272; IV, 17) Diese reflektiert sich als Urbild in jenem als nachahmendem Abbild. Die Eorm der Endlichkeit ist also der „Reflex des Absoluten" (Hervorhebung von mir), und die Logik ist „das Bild des Absoluten in einem Widerschein". (R191; V, 273) Was der Verstand durch die Nachahmung der Vernunft hervorbringt, ist aber „nur eine formelle Identität". Die Reflexion abstrahiert von dem, was als absolute Identität „Materie" und „Eorm" in sich vereint (V, 271), so daß „in der Logik von allem Inhalt" oder Objektiven „des Denkens abstrahiert wird, und nur das subjektive [des] Denkens betrachtet" wird, wie in der gewöhnlichen Logik. (V, 271-, Hervorhebung von mir) So sind die Bestimmungen der Logik nur subjektiv und formell, während „der Ausdruck der Vernunft" in der Metaphysik die Einheit von Subjekt und Objekt, Form und Materie vertritt. Deshalb betrachtet Hegel im II. Teil der Logik „die subjektiven Formen der Endlichkeit" wie formallogische Bestimmungen „Begriffe, Urteile und Schlüsse", nachdem er zuerst „die allgemeinen Formen der Endlichkeit,
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[...] unabhängig „davon: ob diese Formen subjektiv oder objektiv sind," dargestellt hat. (R 191; V, 273)'^ Die Philosophie als System muß jedoch mit der Metaphysik in der Subjekt-Objekt-Einheit anfangen. Dafür muß in der einleitenden Logik zuletzt „das Aufheben" der formellen Endlichkeit oder der bloß subjektiven Formen „durch die Vernunft auf gezeigt werden". Die Reflexion hat nur das Vermögen des Trennens, aber nicht des Verbindens, so daß die Reflexionsbestimmungen der Logik allein keine Hinführung zur Metaphysik leisten können. Die Vernunft muß also in die Logik eingehen. Sie wirkt darin aber nur negativ, ohne das Prinzip der Philosophie positiv zu konstruieren. Die Wirkung der Vernunft in der Logik nennt Hegel „negatives Erkennen" derselben. Die Bestimmung „negativ" bedeutet einerseits, daß die Vernunft das Endliche nicht als ein Selbständiges anerkennt, sondern es zum Widerspruch treibt.^® Die Vernunft leitet den Widerspruch im Endlichen ab und hebt dadurch die Gültigkeit des Endlichen auf. Hier wirkt der Widerspruch als ein Kriterium für die Unhaltbarkeit des Endlichen und hat deshalb eine rein negative Bedeutung. Das „negative Erkennen" soll aber in ein positives Erkennen münden. Seine Destruktion des Endlichen ist nämlich zu19 Wie Troxlers Vorlesungsnachschrift zeigt, stellt Hegel in der Vorlesung von Logik und Metaphysik von 1801/02 logische Bestimmungen gemäß dem Prinzip „die Identität der Identität und der Nichtidentität" dar. (Vgl. Troxler 67ff, auch 72) Der Anfang der Bestimmungen der Logik ist „das reine Sein". (Ebenda 67; vgl. auch K. Düsing (1988), 161ff) Die Kategorien sind in drei Teile, „Qualität, Quantität, Relation", geteilt, und in jedem Teil legt Hegel die Kantischen Kategorien „Realität, Negation, Limitation; Einheit, Vielheit, Allheit; Substantialität, Kausalität, Wechselwirkung" dar. (Troxler 68 - 70) Die Modalkategorien fehlen allerdings, weil Hegel ihre subjektive Bedeutung bei Kant kritisiert hat (vgl. IV, 6). Nach der Darstellung der logischen Bestimmungen übt Hegel Kritik an zeitgenössischen Philosophien. Er folgt damit der Architektonik Kants, der in seiner transzendentalen Logik der Analytik eine Dialektik in kritischer Absicht folgen ließ. Die Kritik wird aber anders als im Plan des Vorlesungsmanuskripts nicht in der Metaphysik, sondern in der Logik ausgeführt. (Vgl. K. Düsing (1988), 179) Die Metaphysik wird nicht gelehrt. Auch die Darlegung der logischen Bestimmungen beschränkt sich auf den ersten Teil der im Vorlesungsmanuskript skizzierten Logik. - Nach dem Manuskript der Logikvorlesung werden die Kategorien des ersten Teils nur inhaltlich, also abstrahiert von der subjektiven oder objektiven Bedeutung, behandelt. Insofern hat dieser Teil schon fast das Gerüst der objektiven Logik der Wissenschaft der Logik. Die formallogischen Gegenstände des zweiten Teils werden später zum Inhalt der subjektiven Logik der späteren spekulativen Logik. 20 M. Baum meint, daß der Widerspruch oder die Antinomie in der Logikvorlesung von 1801/02 wegen einer durch die propädeutische Rücksicht bedingten Vereinfachung als methodisches Prinzip nicht benutzt wird. (Vgl. M. Baum (1976), 124) Mit der Entdekkung von Troxlers Nachschrift stellte sich jedoch heraus, daß der Widerspruch auch in der Logik von 1801/02 als ein Übergangsprinzip des Endlichen zum Unendlichen dargelegt wurde. (Vgl. Troxler 63, 70; K. Düsing (1988), 159,160)
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gleich eine Voraussetzung für die Erkenntnis des Absoluten. Der Widerspruch liegt also an der Grenze des Überganges vom Endlichen zum Absoluten oder vom endlichen zum unendlichen Erkennen. Er ist Endpunkt und Ziel der logischen Erkenntnis. Andererseits ist die das „negative Erkennen" vollziehende Vernunft auch das Vermögen des unendlichen Erkennens. Der Widerspruch, den die Vernunft in der Logik hervorbringt, ist also die negative Gestalt des Unendlichen oder Absoluten in der Logik, und die Tätigkeit der Vernunft in der Logik ist nichts anderes als die negative Präsenz desselben. Der Widerspruch gehört zwar zur Logik, zum Bereich des Verstandes, aber er bringt die Vernunft, wenn auch negativ, zum Vorschein. Die positive Präsenz des Absoluten erfolgt nur in der Metaphysik, wie in der transzendentalen Anschauung der Differenz-Schrih. Sie ist aber auch hier in der Logik und Metaphysik von 1801/02 methodisch nicht erläutert. Die Methode der Metaphysik bleibt nur ein Programm.^’ Hegel mußte Logik und Metaphysik unterscheiden, um die Entgegensetzung von der eigentlichen Philosophie zu trennen. Er mußte jedoch die Vernunft bereits in der Logik wirken lassen, um die Logik zur Metaphysik hinzuführen, also um beide zu verbinden. Die Logik sollte die endlichen Reflexionsbestimmungen zum Widerspruch treiben, um die Möglichkeit und Berechtigung der Metaphysik zu erweisen. Die Wirkung der Vernunft in der Logik aber läßt die Begründung zirkulär werden. Das Prinzip der zu beweisenden Metaphysik ist bereits in der den Beweis führenden Logik tätig. Hegels erste Logikkonzeption mit der Unterscheidung von Logik und Metaphysik ist so haltlos, daß er die beiden später in einer spekulativen Logik vereint. Aber gerade in diesem Schwanken zwischen Trennung und Verbindung der beiden Bereiche deutet sich die eigentliche Idee Hegels für die Logikkonzeption an. Hegel folgt zwar noch der traditionellen Unterscheidung von Logik und Metaphysik, aber in seinem Systementwurf soll die Logik eine Hinführung zur Metaphysik beinhalten. Insofern muß die Logik schon spekulativ sein. Tatsächlich enthält Hegels frühe 21 Zum Mißverhältnis zwischen der programmatischen Abgrenzung von Logik und Metaphysik und ihrer tatsächlichen Durchführung. Vgl. F. Hogemann und W. Jaeschke (1986), XVIff, besonders XXf. - Die Synthese der entgegengesetzten logischen Bestimmungen in der Logik wird zwar Troxlers Nachschrift zufolge als unzulänglich erklärt. (Vgl. Troxler 63, 69, 70; K. Düsing (1988), 159, 168, 176) Hegel bringt jedoch die vollkommene Synthesis in der Metaphysik nicht zur methodischen Darstellung. Sie bleibt bloß Programm. In diesem Sinne wird die Überwindung der Fichteschen endlichen Synthesis noch nicht methodisch vollgezogen.
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Logik bereits Gegenstände der traditionellen Metaphysik. Sie war von vornherein in gewisser Weise metaphysischen Charakters. Schon in einem Fragment für die Vorlesung über die Einleitung in die Philosophie von 1801/02 (V, 263) bestimmt Hegel die Logik als „die ausgedehnte Wissenschaft der Idee als solche" und stellt sie sogar der Metaphysik gleich. Die Logik vernichtet dort „die falsche Metaphysik der beschränkten philosophischen Systeme" und geht dann nicht in die Metaphysik, sondern direkt „in die Wissenschaft der Realität der Idee" über. Zu bemerken ist in diesem Fragment, daß die Philosophie selbst als Erkenntnis beginnt (vgl. V, 262) und die Anschauung als Bedingung der Philosophie zur vorherigen Stufe gehört (vgl. V, 264). Anders als in der Differenz-Schriit oder der Logik-Vorlesung führt hier nicht die die Reflexion ergänzende Anschauung die Logik zur Metaphysik, sondern die Reflexion erfüllt diese Aufgabe allein. Die Reflexion wird nun als „die absolute Reflexion" bezeichnet, „welche in den Gegensatz auseinandergeht, aber ihn zurücknimmt, und absolut vernichtet". (V, 265)^^ Diese Reflexion, die sowohl das Vermögen der Trennung als auch der Verbindung hat, ermöglicht eine Logik, die zugleich Metaphysik ist. Der Ausdruck „absolute Reflexion" taucht auch im Naturrechts-Anisatz (IV, 425) und in der Logik, Metaphysik, Naturphilosophie von 1804/05 (VII, 33,120,124, u. a.) auf. Sie wird schließlich in der Wissenschaft der Logik (vgl. XI, 250ff) in ihrer ausgereiften Form dargestellt. Das in Frage kommende Fragment von 1801/02 darf also nicht einfach als bloß unvollständig überarbeiteter Entwurf abgetan werden.^^ Hegel könnte dort bereits versuchsweise auf den Gedanken einer anderen möglichen Beziehung und methodischen Einheit von Logik und Metaphysik gekommen sein. Er befolgt ansonsten freilich weiterhin die traditionelle Unterscheidung von Logik und Metaphysik, bis er am Ende der Jenaer Zeit die Logik von der Aufgabe der Einleitung zur Metaphysik befreit und somit die Dichotomie von Logik und Metaphysik fallenläßt. Diese Unterscheidung verliert jedoch schon vorher nach und nach ihre Be22 Noch die Einschränkung der Verbindungsfähigkeit der Reflexion zeigt sich daran, daß das Resultat der Verbindung nur als „absolut vernichtet" bezeichnet wird. Auch der Widerspruch, den die absolute Reflexion ausdrückt, wird daher noch negativ aufgefaßt. Auch im Naturrechts-Autsatz von 1802 (IV, 425) setzt Hegel noch die absolute Reflexion mit „der Einsicht des Nichts der Bestimmtheiten im absolut Einfachen" gleich. 23 Indem K. Düsing dieses Fragment als unvollständig überarbeitetes abwertet, übersieht er seine Bedeutung in der methodologischen Entwicklung als erstes Dokument einer konzeptionellen Einheit von Logik und Metaphysik. (Vgl. K. Düsing (1988), 158, Fußnote 85)
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deutung. Jenes Fragment ist als Beginn dieser Neigung zur Einheit der beiden Disziplinen anzusehen, die durch die Entwicklung der Methodologie unterstützt wird. Denn Hegel unterscheidet sie zwar noch in der Logik und Metaphysik von 1804/05, aber de facto sind sie methodisch schon nicht mehr zu unterscheiden. Hegels Logikkonzeption entwickelt sich also in die Richtung, daß die Spannung zwischen Logik und Metaphysik in einer spekulativen Logik gelöst wird, indem der Reflexion ein spekulativer Charakter zugeschrieben wird. Die Integration von Logik und Metaphysik bringt einen Bruch mit der Tradition zum Vorschein, bei dem vornehmlich die Eunktion des Widerspruchs in der integrierten spekulativen Logik hervorsticht. Die spekulativ gewordene Reflexion wird insbesondere zum Ort der systematischen Darstellung des Widerspruchs, ln der späteren spekulativen Logik ist also der Widerspruch das Prinzip des spekulativen Denkens, das die Reflexion darlegt. Daß der Widerspruch aber dort keine Aporie, kein Bekenntnis zum Unwissen ist, läßt sich an dem Prozeß feststellen, in dem Hegel den Widerspruch zum logischen Prinzip bildet. (3) Resümee; Der Widerspruch als Grenzbegriff Hegel konzipierte den Widerspruch zum ersten Mal als ein methodisches Prinzip, als er das Unendliche im endlichen Bewußtsein des Menschen philosophisch konstruieren wollte. In der Frankfurter Zeit hielt er ihn für das bloß zu vermeidende, die Konsistenz des Denkens bedrohende Negative. Erst in Jena betrachtet Hegel den Widerspruch unter dem Gesichtspunkt, die Logik zur Metaphysik zu leiten. Auch im Fragment Glauben und Sein, das das Entgegengesetzte als eine Antinomie erkennt, kann man schon einen ähnlichen Gedanken darin sehen, daß die Entgegensetzung zur Vereinigung führen soll. Dieses Sollen konkretisiert sich jedoch noch nicht zur Konzeption des Widerspruchsprinzips. Der Widerspruch in den Überlegungen des Jenaer Hegel bringt das Positive zwar ebensowenig wie in Erankfurt von sich aus hervor, aber im Unterschied zur Erankfurter Auffassung ist das Resultat des negativen Erkennens des Absoluten mit dessen positiver Erkenntnis verbunden.Er enthält eine Orientierung auf die Meta24 O. Pöggeler setzt das Verhältnis von Philosophie und Religion im Systemfragment dem von Logik und Metaphysik in Jena gleich. (Vgl. O. Pöggeler (1964), 139) Hierbei ist
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physik, sonst wäre die Logik ziellos. Insofern ist die Vernunft in den Widerspruch oder die Antinomie eingedrungen. Wurde der Widerspruch in Der Geist des Christentums und sein Schicksal als ein mangelhaftes Produkt beurteilt, das nicht dem Absoluten, sondern dem endlichen Reflexionsvermögen des Menschen entstammt, so wird er in Jena als die Erscheinung des Absoluten in der Reflexionsform oder als dessen Abbild aufgefaßt. Hier wird der Widerspruch als Charakter des Absoluten selbst hervorgehoben, das insgeheim in ihm wirkt. Im Systemfragment drückte sich die Erscheinung zuerst als eine widersprüchliche Einheit aus. Hegel sah sie jedoch als ein bloß Entgegengesetztes an, dessen Vereinigung in den unendlichen Progreß gerät. Er sah wohl in der Erscheinung einen Widerspruch, doch dieser zeigte bloß eine sog. schlechte Unendlichkeit, aber kein methodisches Prinzip.^® In Jena führt Hegel die Bestimmungen des Endlichen zum Widerspruch, zu einem Zusammenstoß, in dem sie ihre endliche Natur aufgeben und in eine andere Dimension, in die Unendlichkeit, übergehen. Der Widerspruch spielt hier die methodische Rolle des Übergangs, der die Hinführung oder Einleitung zum Absoluten ermöglicht. Während Hegel also in Frankfurt den Widerspruch als etwas bloß zu Vermeidendes ansah, da er ihm keine methodische Bedeutung abgewinnen konnte, nimmt Hegel in Jena den Widerspruch als methodisches Prinzip auf. Es zeigt diese Absicht Hegels, daß er als erste These seiner Habilitation von 1801 das Widerspruchsprinzip aufstellt: „Kontradiktion ist die Regel des Wahren, Non-Kontradiktion die des Falschen. (Contradictio est regula veri, non contradictio falsi.)" (R 156) Wenn der Widerspruch keinen bloßen Zusammenbruch des Endlichen mehr bedeutet, sondern dessen Übergang zum Unendlichen bewirkt, müßte er eigentlich die wahre Unendlichkeit ausdrücken und die Meallerdings nicht zu übersehen, daß in Frankfurt zwischen Philosophie und Religion ein Bruch ist, während die Logik in Jena eine notwendige Hinleitung zur Metaphysik enthält. Diese Veränderung hängt mit der der Widerspruchsauffassung zusammen. 25 In den Frankfurter Fragmenten drückte Hegel den unendlichen Regreß nicht als einen Widerspruch aus. Aber in einem Manuskript zur Studie der Kantischen Antinomienlehre aus der Berner Zeit (I, 191f) war Hegel bereits innegeworden, daß jeder „Begriff des Bedingten schon den Begriff der Bedingung in sich" schließt und „durch das Bedingte zugleich die vollständige Reihe aller seiner Bedingungen mithin das Unbedingte gegeben" ist, und daß „ein widersprechender Begriff" zwischen der „Welt der Erscheinung" und dem „absolut unbedingte[n] Ganze[n]", zwischen der „Reihe der Theile" und ,,ein[em] gegebene[n] unbedingtejn] Ganze[n]" „den beiden ersten" Kantischen Antinomien „zum Grunde" liegt. In diesem Sinne hatte Hegel im schlechthin unendlichen Progreß der Erscheinung einen Widerspruch gesehen, der aber noch nicht mit der Methode zusammenhängt.
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thode der wahrhaften Vereinigung des Endlichen und Unendlichen sein. Das Positive, das sich aus dem Übergang ergibt, geht aber noch nicht aus dem Widerspruch selbst, sondern der Anschauung hervor. Der Widerspruch fungiert nur als ein Grenzbegriff. Insofern sich die Logik als endliches Erkennen und die Metaphysik als unendliches Erkennen voneinander unterscheiden, und die Logik dem Subjektiven und der Widerspruch als deren Ziel dem Eormellen zugeordnet wird, ist die Auffassung des Widerspruchs weiterhin nur negative. Da und insofern die Reflexion von der Spekulation getrennt ist, kann der Widerspruch als die letzte Reflexionsbestimmung das methodische Prinzip nicht allein ausmachen. Er ist nur ein formelles Prinzip, weshalb für die methodische Ausführung eine positive Ergänzung, die Anschauung, postuliert werden muß. Das Postulat der Anschauung zeigt aber eine unzulängliche Konstruktion des methodischen Prinzips, die sich in der schwankenden Unterscheidung von Logik und Metaphysik widerspiegelt. Die Verbindung von Widerspruch und Anschauung wird zum einen nicht methodisch erklärt, und die Anschauung bedeutet insofern nichts als den die Unreife der Methode ausdrückenden Vorbehalt. Zum anderen unterscheiden sich Logik und Metaphysik in der wirklichen Darstellung nicht voneinander, weil die Metaphysik bloß ein Plan bleibt. Die postulierte Rolle der Anschauung geht mit der geplanten Darstellung der Metaphysik zu Ende. Auch die Darstellung der Metaphysik in der Logik, Metaphysik, Naturphilosophie von 1804/05 weist im Grunde keinen methodischen Unterschied zur Logik auf. Ihre Methode entwickelt sich nicht eigenständig, sondern ist vielmehr in die Logik als Entfaltung der Reflexionsbestimmungen integriert. Erst in dieser Integration von Logik und Metaphysik gelingt eigentlich die vollendete Darstellung der Methode. Genauer gesagt, diese Vollendung macht jene Gliederung überflüssig. Auf solch eine Entwicklung deutet der sich in der DifferenzSchritt als spekulative Reflexion ankündigende Begriff der absoluten Reflexion, der zum erstenmal in der Vorlesung über die Einleitung in die Philosophie von 1801/02 auftritt und in der Logik von 1804/05 eingehend behandelt wird. Dieser Ausdruck wäre aus der Sicht der konzeptionellen Unterscheidung von Logik und Metaphysik von 1801/02 schlichtweg widersinnig. Denn insofern die Reflexion nur als Endliches aufzufassen ist, stellt ihre Verbindung mit dem Absoluten, dem Unendlichen, einen Widerspruch dar. Wird dieser Widerspruch als aporetischer, irreführender aufgefaßt, dann muß jedes Programm der Konstruktion des Absoluten durch die Reflexion an ihm scheitern. Um
3. Die logische Ausarbeitung des Widerspruchsprinzips
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diesem Widerspruch zu entgehen, sucht der Hegel der frühen Jenaer Zeit bei der transzendentalen Anschauung Zuflucht, also beim mystischen Überrest der Frankfurter Überlegungen. Indem Hegel in der mittleren Jenaer Zeit mit der Verbindung von Anschauung und Reflexion methodisch operiert, findet er in der absoluten Reflexion ein neues Konstruktionsprinzip, das bewußt auf jenem Widerspruch aufbaut. Dem Widerspruch, auf den Hegel angesichts seiner Aufgabe der Konsfruktion des Absoluten im menschlichen Bewußtsein stößt, entgeht er also durch seine methodologische Anerkennung als Verbindungsprinzip der Widersprechenden in einer absolut gewordenen Reflexion. Genau auf diese Widerspruchskonzeption war die Strategie Hegels zur Vermittlung des Endlichen und Unendlichen in der Differenz-Schrift im Grunde bereits angelegt, die in der Unterscheidung der Reflexion vom Verstand aufkeimte. Erst diese widersprüchliche Vereinigung bildet den Ansatz zum spekulativen Denken, das durch den Widerspruch den Übergang von einer Kategorie zu einer anderen zuwege bringen kann. 3. Die logische Ausarbeitung des Widerspruchsprinzips (Logik, Metaphysik, Naturphilosophie von 1804/05) (1) Übergangsbetrachtung: Gegen den Satz des Widerspruchs (Skeptizismus-Aufsatz) Was Hegels Konzeption des Widerspruchsprinzips in der frühen Jenaer Zeit zusammenfassend am klarsten zeigt, ist neben der ersten Habilitationsthese: „Kontradiktion ist die Regel des Wahren (Contradictio est regula veri)" die Behauptung im Skeptizismus-Aufsatz von 1802, daß „jeder Vernunftsatz in Rücksicht auf die Begriffe einen Verstoß gegen denselben [den sogenannten Satz des Widerspruchs] enthalten muß" (IV, 208). Sind die beiden Aussagen primär im Kontext der Schriften der frühen Jenaer Zeit zu verstehen, dann gelten sie für die Vernunfterkenntnis, die sich vom Verstandeserkennen unterscheidet. Nach der groben Unterscheidung von Logik und Metaphysik, Reflexion und Spekulation ließe sich „der sogenannte Satz des Widerspruchs" nur in jenem Bereich, den endliches Erkennen vertritt, halten,^'" der andere Bereich der spekulativen Erkenntnis dagegen von dem Satz befreien. Hegel trieb im dritten 26 Vgl. K. Düsing (1976), 97.
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Teil der Logik von 1801/02 eine Reflexionsbestimmung durch Ergänzung der ihr entgegengesetzten zum Widerspruch. Dieses „negative Erkennen" stellt sich nun im Skeptizismus-Aufsatz als die „negative Seite der Erkenntnis des Absoluten" (IV, 207) dar. Der Skeptizismus, der „in jedem echten philosophischen Systeme implizite zu finden" ist (IV, 208), könnte also zunächst als das einleitende Erkennen der negativen Vernunft zum spekulativen Erkennen angesehen werden. Aber die oben zitierten Behauptungen gehen über die Gliederung von Logik und Metaphysik hinaus. Sie besagen nicht bloß, daß die Einseitigkeit der endlichen Reflexionsbestimmung durch die ihr entgegengesetzte Bestimmung ergänzt und dadurch negiert werden muß, sondern ferner, daß der „Vernunftsatz" selbst durch Vereinigung des Entgegengesetzten konstruiert werden muß. Die „negative Seite", die jede echte Philosophie haben muß (IV, 209), ist nichts anderes als die Kritik an der Einseitigkeit des Satzes vom zu vermeidenden Widerspruch, der „nur von formeller Wahrheit" ist (IV, 208). Mit „formell" meint Hegel hier - wie auch in den übrigen Schriften der frühen Jenaer Zeit - die Einseitigkeit. Die Einseitigkeit jenes Satzes, der nur an einer Bestimmung festhält, wird hier im Skeptizismus-Aufsatz rein logisch ohne das Postulat der Anschauung - dadurch ergänzt, daß der Bestimmung die ihr „kontradiktorisch entgegengesetzte" Bestimmung hinzugefügt wird (IV, 208). Der Satz vom zu vermeidenden Widerspruch muß also als „falsch" erkannt werden, insofern er als „formell[erj" Satz anerkannt wird. (IV, 208) Denn der Vernunftsatz ist „nicht bloß analytischer, sondern synthetischer Natur". (XI, 265) Im Skeptizismus-Aufsatz findet Hegel das „vollendetere und für sich stehende Dokument und System des echten Skeptizismus" (Hervorhebung von mir) im Platonischen Parmenides, „welcher das ganze Gebiet jenes Wissens durch Verstandesbegriffe umfaßt und zerstört. Dieser Platonische Skeptizismus geht nicht auf ein Zweifeln^^ an diesen Wahrheiten des Verstandes, [...] sondern auf ein gänzliches Negieren aller Wahrheit eines solchen Erkennens. Dieser Skeptizismus macht nicht ein besonderes Ding von einem System aus, sondern er ist selbst die negative Seite der Erkenntnis des Absoluten, und setzt unmittelbar 27 Der Skeptizismus als Negation der endlichen Reflexionsbestimmung läßt sich nach Hegel mit dem Wort „zweifeln" nur unangemessen beschreiben. Hegel sagt, der deutsche Ausdruck „Zweifel" sei für die Charakterisierung des Skeptizismus immer schief und unpassend. (IV, 204f) Der echte Skeptizismus wird deswegen in der Phänomenologie des Geistes als das Tun der „Verzweiflung" bezeichnet. (IX, 56)
3. Die logische Ausarbeitung des Widerspruchsprinzips
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die Vernunft als die positive Seite voraus." (IV; 207) Diese „negative Seite" des Skeptizismus läßt sich sicherlich mit der Funktion der frühen Logik als Wegbereiter zur Spekulation oder Philosophie vergleichen.^® In diesem Sinne kann der Skeptizismus als „die erste Stufe der Philosophie" (IV, 215 f) angesehen werden. Der Widerspruch der entgegengesetzten endlichen Bestimmungen als Resultat der negativen Funktion des Skeptizismus soll aber nicht einfach vernichtet oder beseitigt werden, sondern im Absoluten bewahrt bleiben, wie das „negative Erkennen" in der frühen Logik als das Tun der Vernunft letztlich auf das Absolute zurückzuführen ist.^^ Die 28 Indem K. Düsing den Skeptizismus-Aufsatz aus der Gliederung der frühen Logik und Metaphysik interpretiert, läßt er den Skeptizismus mit der Logik übereinstimmen. Der Skeptizismus vertritt nach Düsing wie die Logik als die Einleitung zur Philosophie „nur die Methode der systematischen Erkenntnis des Endlichen und seiner Nichtigkeit." {K. Düsing (1976), 108) Er ist nicht die zureichende Methode der Erkenntnis des Absoluten, also nicht die Methode des philosophischen Systems wie die spätere Dialektik, sondern eine negative Dialektik. (Vgl. ebenda) Auch M. Baums Deutung des Skeptizismus-Aufsatzes hält an der Unterscheidung von Logik und Metaphysik, Reflexion und Anschauung fest. (Vgl. M. Baum (1986), 176, 177, 182f) Die negative Seite des Skeptizismus, die Hegel später Dialektik nennen wird, ist nach Baum „nur erst ein Teil bzw. Aspekt der Philosophie, noch nicht die absolute Methode der ganzen Philosophie, da er [Hegel] ihre positive Seite noch der Anschauung des Absoluten vorbehält". (Ebenda 183) 29 Anders als Düsing und Baum deutet H. Büchner den Skeptizismus-Aufsatz aus der Aufgabe der Philosophie, die in der Differenz-Schrift dargestellt wurde. Wie die Aufgabe der Philosophie in der Differenz-Schrift darin besteht, die eine der Voraussetzungen der Philosophie, nämlich das Herausgetretensein des Bewußtseins aus der Totalität, aufzuheben und „das Sein in das Nichtsein, - als Werden; die Entzweiung in das Absolute, als dessen Erscheinung; das Endliche in das Unendliche, - als Leben zu setzen" (IV, 16; Hervorhebung von Büchner), muß der echte Skeptizismus nach Büchner „die vom Verstand absolut fixierten Gegensätze und d. h. Endlichkeiten" vernichten und flüssig machen, aber nicht einfach vernichten oder beseitigen, sondern in die absoluten Identität zurücknehmen und darin bewahren. (H. Büchner (1969), 52) Auch wenn er auf die Negativität des Skeptizismus und deren Strenge achtet (vgl. ebenda 53), übersieht Büchner nicht die Zugehörigkeit der negativen Seite des Skeptizismus zum Absoluten und ihre Untrennbarkeit mit diesem, indem er den Skeptizismus aus der Sicht des Überganges von Endlichem zu Unendlichem betrachtet. (Vgl. ebenda 54,55f, besonders Fußnote 14) Die Deutung von Düsing und Baum gibt sicherlich eine klare Charakteristik der Dialektik in den verschiedenen Entwicklungsphasen. Sie birgt aber auch eine Gefahr der Schematisierung, indem sie an der Unterscheidung von Logik und Metaphysik stark festhält. Besonders mit dem Schema, das „die logische Form nur dem Verstände, die Anschauung des Inhaltes aber der Vernunft" (M. Baum (1986), 182) zuschreibt, läßt sich die logische Funktion der Vernunft nicht erklären. Indem Hegel den Verstand als solchen und die Logik voneinander unterscheidet, stellt er fest, daß ein bloß „Verständiges [...] nicht zur Logik herauskommen" kann, „welche die Vernunft in sich begreifen soll" (IV, 18). Die Vernunft ist das Vermögen der Vervollständigung der endlichen Bestimmung durch ihr Entgegengesetztes. Da sich der Widerspruch als ihre Synthesis noch nicht methodisch entwickeln kann, wird die Negativität des Widerspruchs durch die Anschauung ergänzt. Da aber die Verbindung der Logik und Metaphysik für Hegel wichtiger als deren Unter-
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Kapitel 2; Das philosophische Streben nach der Einheit der Antinomie
negative Seite des Skeptizismus ist „in jedem echten philosophischen Systeme implizite" enthalten. (IV, 208) Herausgelöst oder getrennt von der absoluten Vernunfterkenntnis würde der Skeptizismus zu einem reinen Skeptizismus, der bloß beim Widerspruch als dessen negativer Seite stehenbleibt und damit daran scheitert. Was Hegel im Skeptizismus-Aufsatz im Auge hat, ist also nicht nur ein Skeptizismus als Einleitung in die Philosophie, sondern ein Skeptizismus als negative Seite der Philosophie. Die Philosophie muß mit dem Vernunftsatz den Widerspruch als negativen Ausdruck des Absoluten in sich begreifen. Dieser negative Charakter verwandelt sich mit der Entwicklung der Methode, der systematischen Darstellung des Absoluten durch die Reflexionsbestimmungen, später in einen positiven. Aus dem gesamten entwicklungsgeschichtlichen Kontext gesehen, gehen die o.g. Thesen über die beschränkte Gliederung der frühen Logik und Metaphysik hinaus. Wird der sogenannte Satz des Widerspruchs als bloß formell angesehen, dann muß diese Einseitigkeit durch den Inhalt ergänzt werden. In den o.g. Thesen wird die Ergänzungsbedürftigkeit der Form durch den Inhalt nun selbst formal oder logisch betrachtet, so daß sie sich in der Ergänzungsbedürftigkeit eines Satzes durch den ihm entgegengesetzten Satz ausdrückt. Erst beide Sätze zusammen machen die Vollständigkeit der Antinomie aus.^° Die Thesen bleiben so als die rein logische Synthesis bis in die spätere Wissenschaft der Logik hinein in Kraft, die als die Wissenschaft der absoluten Form betrachtet werden wird. Die erste Habilitationsthese und die Behauptung des Skeptizismus-Aufsatzes sind unabhängig vom Kontext der frühen Jenaer Schriften zu lesen. Denn sie lassen sich von der erkenntnistheoretischen Einschränkung der Reflexion, vom Vorbehalt der transzendentalen Anschauung, befreien, indem sie in ihrer rein logischen Form als programmatischer Anspruch verstanden werden. Scheidung ist und die Methode der Logik später in der Vervollständigungsfunktion der Vernunft konkret entfaltet wird, muß man die Vernunft weniger als das Vermögen der Anschauung begreifen, sondern vielmehr als das Vermögen der logischen Vervollständigung. Auch für die Deutung des Skeptizismus-Aufsatzes muß man eher auf die den gesamten Entwicklungsgang durchdringende Idee achten, statt die Einschränkung einer bestimmten Entwicklungsstufe gegenüber der späteren Vollendung hervorzuheben. Diese Idee ist von Anfang bis Ende die Einheit der Entzweiung und die dementsprechende Darstellung des Widerspruchs. Auch im Skeptizismus-Aufsatz faßt Hegel andeutungsweise die antinomische Einheit der Reflexionsbestimmungen als spekulativ auf, indem er auf die neuplatonische Parmewides-Deutung von Ficinus hinweist. (Vgl. IV, 207) 30 Vgl.M. Bflum (1986), 183.
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Die konkrete Struktur und methodische Entfaltung des Widerspruchs als Resultat der Synthesis der Entgegengesetzten kann Hegel in der frühen Jenaer Zeit noch nicht darstellen. Deswegen erweist auch im Naturrechts-Aufsatz von 1802 „die Dialektik" nur, „daß das Verhältnis überhaupt nichts an sich ist" (IV, 446). Hier wird „die Natur der Unendlichkeit" oder der Absolutheit zwar als „das Prinzip der Bewegung und der Veränderung" aufgefaßt und als der „Übergang ins Entgegengesetzte" oder „das Verschwinden [. ..] in seinem Gegenteil" formuliert. (IV, 431) Diese Formulierungen, die schon den Ansatz der darauf folgenden Darstellungsmethode der logischen Entwicklung der Kategorien enthalten, sind jedoch noch nicht methodologisch konkretisiert. (2) Das Andere seiner selbst Erst in der Logik, Metaphysik, Naturphilosophie von 1804/05 wird der Widerspruch als die allen logischen und metaphysischen Kategorien gemeinsame immanente Verfassung betrachtet und spielt die Rolle des logischen Prinzips, das den Fortgang der Kategorien beherrscht. Um den Begriff des Widerspruchs, den Hegel nun in dieser Schrift mit dem Begriff der Unendlichkeit gleichsetzt, zu erreichen, muß man der dialektischen Entwicklung der endlichen Bestimmungen folgen. Wegen des verlorengegangenen Anfangs der Logik^' ist die erste anzutreffende logische Kategorie die Grenze als realisierter Begriff der Qualität. „Der BegrifP^ der Qualität ist, nur sich selbst gleich zu sein, ohne die Rücksicht auf Anderes." (VII, 6) Trotz der Textlücke läßt sich unschwer schließen, daß die Grenze als seine Realisierung nur in seiner Beziehung auf das Andere zu denken ist. Die Qualität ist zuerst „nur sich selbst gleich", aber diese „Beziehung auf sich selbst" ist nur im 31 Aus dem Titel des ersten Kapitels „einfache Beziehung" erschließt T. Shikaya den Anfang dieser Schrift als das Sein im Sinne der unbestimmten Unmittelbarkeit. Auf die von Hegel geplante Gliederung von Logik und Metaphysik sich stützend betont sie, daß das Sein als Kategorie der „Logik des Verstandes" einen ganz anderen Sinn als in der Wissenschaß der Logik hat. Das anfängliche Sein der Logik von 1804/05 ist ihr zufolge wie das unmittelbare Einzelne in der Phänomenologie des Geistes noch nicht im spekulativen Horizont der Wissenschaß der Logik zu interpretieren. (Vgl. T. Shikaya (1978), 144,145) 32 Das Wort „der Begriff" meint hier nur die anfängliche Bestimmung, die in der späteren Logik als die Bestimmung an sich bezeichnet wird. Er muß in seiner Entwicklung als das, was er sein soll, gesetzt werden, und diese ausgeführte Bestimmung wird dann „realer Begriff" (Vll, 12) genannt.
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Kapitel 2: Das philosophische Streben nach der Einheit der Antinomie
Unterschied zum Anderen möglich. Sie ist „Beziehung auf sich selbst", aber „nur als Negation, die das Andere nur in Beziehung auf sich selbst negiert". (VII, 6) Sie ist also „eine negative Beziehung" und „hiermit selbst das Gegenteil ihrer selbst geworden". (VII, 6; Hervorhebung von mir) Sie ist weder rein für sich, noch nur für das Andere, sondern „für sich, insofern ein Anderes nicht ist". (VII, 6) Diese Synthese der Qualität und ihrer Negation erfolgt in der Grenze, die beide enthält. In der Grenze realisiert sich die Qualität also insgesamt durch folgenden dialektischen Prozeß: Die Qualität wird aus ihrer Realität „zum Gegenteil ihrer selbst, zur Negation, und aus dieser zum Gegenteil des Gegenteils ihrer selbst, zu sich selbst wieder als Totalität". (VII, 7) Diese Dialektik der Grenze zeigt bereits eine allgemeine Kontur des dem Prinzip des Absoluten folgenden Fortschritts der Kategorien in dieser Schrift. Die Grenze als Wahrheit der Qualität nimmt so bereits die Logik der Unendlichkeit vorweg, obgleich die Unendlichkeit erst nach den Kategorien ,Quantität' und ,Quantum' als die Wahrheit der gesamten einfachen Beziehungen auftaucht. Als die Negation negierende Rückkehr zu sich wird die Grenze zum numerischen Eins, zur anfänglichen Kategorie der Quantität. Ebenso wie die Grenze erhält das numerische Eins die Bestimmung der „negativein] Einheit" (VII, 8) durch die Ausschließung des Anderen. Diese „negierende Einfachheit" des Eins ist zwar „Sichselbstgleichheit", „indem sie das Anderssein von sich ausschließt; aber in diesem Ausschließen ist es selbst eins mit dem Anderssein und hebt sich auf". (VII, 10 f) So geht das numerische Eins in sein Gegenteil, die Vielheit, über. In der Allheit als realem Begriff der Quantität kommt die Quantität so zu sich, daß sie als Einheit von Einem und Vielem zugleich „eine begrenzte positive Einheit" (VII, 12) und somit ,Quantum'^^ ist. In der „Dialektik des Quantums" (VII, 14 - 15) ist die Entwicklung des realen Begriffes des Quantums Umrissen. Die Zahl als realisiertes Quantum ist zunächst „numerisches Eins", eine „positive Einheit" für sich. Sie ist aber „Quantum nur als negatives Eins, bestimmte Menge der in sich fassenden Eins". Aber das Andere, das von dieser Menge der Eins unterschieden werden soll, ist „ebenso Einheit, eine Beziehung 33 Wegen des lückenhaften Manuskripts ist nicht klar, wie der Übergang von der Quantität zum Quantum verläuft. R.-P. Horstmann erschließt die Untergliederung des folgenden Kapitels ,Quantum' so: ,,a) intensive Größe (oder Grad) und extensive Größe, b) kontinuierliche und diskrete Größe, c) Zahl.“ {R.-P. Horstmann (1982), XIX) Womit auch immer der Anfang gemacht worden sein mag, sicher ist, daß er die allgemeine Charakteristik des Quantums dargestellt hat.
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numerischer Eins". Das Quantum hat daher hier keine Grenze. So „setzt sich" das Quantum „demjenigen gleich, was es aus sich ausschließt, und schließt es also in Wahrheit nicht aus". „Die an ihm gesetzte Grenze" ist also „keine Grenze". Damit „ist im Quantum der absolute Widerspruch gesetzt." Das Quantum schließt das ihm selbst Gleiche aus. Daß das Auszuschließende oder seine Negation dem Quantum selbst gleich ist, zeigt, daß seine Negation ihm selbst eigen ist. (Vgl. VII, 29) In seinem Begriff hat das Quantum schon das, was es ausschließt, also seine Negation. (Vgl. VII, 29) Es ist also seiner Natur nach die Negation seiner selbst, der Widerspruch. Aus der Dialektik des Quantums ergibt sich also der Widerspruch, der sich mit der Unendlichkeit gleichsetzt. Daran, daß Hegel den „erste[n] Teil der Logik" die „Logik des Verstandes" nennt (VII, 175), wird deutlich, daß er das Verhältnis von Logik und Metaphysik aus der frühen Logik hier auf das Verhältnis zwischen der Unendlichkeit und den ihr vorausgehenden Kategorien überträgt.^“* Bemerkenswert ist aber hier in der Logik, Metaphysik, Naturphilosophie von 1804/05, daß der Widerspruch als Wahrheit oder Resultat der ,einfachen Beziehungen' unmittelbar der Unendlichkeit, die nun der Logik angehört, gleichgesetzt wird. Das ist praktisch schon die Vorankündigung der Auflösung der Dichotomie zwischen Reflexion und Anschauung. Sie kommt zwar erst am Ende der Logik ausdrücklich zum Vorschein, wird jedoch bereits durch die absolute Reflexion, deren erste Form der Widerspruch ist, ausgeführt. Die Unendlichkeit ergibt sich ausschließlich aus den vorausgegangenen Kategorien, die die Verstandesbestimmungen genannt werden. Das Kriterium der Unterscheidung von endlichen Bestimmungen und Unendlichkeit liegt nicht mehr in der Anschauung, sondern in der unterschiedlichen Art von Reflexion, nämlich in der Differenz zwischen unserer Reflexion und ,,absolute[r] Reflexion" (VII, 33). Bei den bisherigen Kategorien steht die Form unserer Reflexion zu ihrem Inhalt in einem äußerlichen Verhältnis. Die Unendlichkeit dagegen löst diese Unterscheidung auf, so daß unsere subjektive Reflexion mit ihrem objektiven Inhalt vereint und zur absoluten Reflexion wird. Sie ist nicht mehr die Beschreibung des logischen Inhaltes durch unsere ihm fremde Reflexion, sondern die Beschreibung der logischen Bestimmung selbst. Der Widerspruch gehört also dem Begrifft® selbst an. 34 Vgl. K. Düsing (1976), 151. 35 Der Gegenstand der Logik ist die Denkbestimmung oder der Begriff. Da der Widerspruch nicht unserer Reflexion, sondern dem Gegenstand selbst angehört, ist seine
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Kapitel 2: Das philosophische Streben nach der Einheit der Antinomie
Hegel gliedert die Unendlichkeit wiederum in die schlechte und die wahrhafte und schreibt jene der Dialektik der vorausgegangenen Kategorien, diese der Unendlichkeit als deren Realisierung zu. Die Unendlichkeit, die an jenen Momenten der Unendlichkeit erkennbar ist, ist „eine unreine", also schlechte, während die Unendlichkeit als Totalität „nur rein" oder wahrhaft ist. (VII, 29) In dieser Unterscheidung sind frühere Gedanken - z. B. die Emanation der absoluten Identität in die relative aus der Differenz-Schriit und der Reflex der absoluten Identität der Vernunft in den endlichen Reflexionsbestimmungen aus der frühen Logik - spürbar. Jene vorausgegangenen Kategorien sind nämlich im Einzelnen als die Momente der Unendlichkeit unendlich, obwohl sie nicht das Unendliche selbst sind. (Vgl. VII, 35) Noch bestimmter gesagt, ist hier die negative Präsenz der Vernunft in der frühen Logik wirksam. Denn die Kategorien der ,einfachen Beziehung' bleiben als die unendlichen nicht bloße Endlichkeitsgestalten der Unendlichkeit, sondern kehren zur Unendlichkeit selbst zurück. Daraus ist auch ersichtlich, daß Hegel die Kluft zwischen schlechter und wahrhafter Unendlichkeit nicht mehr für unüberbrückbar hält. Dieses Problem ist als das der Erhebung des endlichen zum unendlichen Erkennen letztlich mit dem Verhältnisproblem von Endlichem und Unendlichem verknüpft. Die schlechte Unendlichkeit entsteht daraus, daß das Endliche das Unendliche „als ein Jenseits" „außer sich" setzt, um „sich zu erhalten". (VII, 31) Wenn aber der Gegensatz der Erscheinung von der Einheit des Jenseits getrennt wird, dann wird diese Einheit ebenso ihrerseits zu einer gegensätzlichen herabgesetzt. Sie wäre also bloß ein anderer Ausdruck des Gegensatzes des Endlichen. (Vgl. VII, 34) Aber indem das Endliche zu seiner Erhaltung oder seinem Bestehen das Jenseits ausschließt, ist es auf dieses bezogen. Dieses ist also zum Bestehen des Endlichen notwendig. Im Widerspruch, daß das „Ausschließen" des Jenseits zugleich ein „Einssein" mit ihm ist, erreicht man die wahrhafte Unendlichkeit. (VII, 31) Diese Klärung des Verhältnisses von Endlichem und Unendlichem zeigt schon ansatzweise die Lösung dieses Problems in der Wissenschaft der Logik, wo das Endliche und das Unendliche jeweils als Mittelglied der Kreisbewegung des Anderen angesehen werden. In den Kreisbewegungen, die in den Reihen U-E-U und E-U-E darstellbar sind, werden also das Endliche und Unendliche
Bewegung bereits wie beim Gegenstand der Metaphysik Bewegung des Gegenstandes selbst.
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jedes für sich durch das Andere vermittelt und schließen ihr Gegenteil oder ihre Negation in sich ein. (Vgl. XXI, 133 - 136) Das Verhältnis von Endlichem und Unendlichem läßt sich aber noch über ihre Untrennbarkeit hinaus bestimmen. Denn die beiden stimmen miteinander nicht unmittelbar überein. Wie gesagt, treibt die negative Einwirkung der Vernunft in der frühen Logik das Endliche zu seiner Selbstaufhebung. Diese negative Seite des Absoluten wird nun in der Logik, Metaphysik, Naturphilosophie von 1804/05 als das Prinzip der Selbstaufhebung dem Endlichen immanent. Das Absolute fungiert nunmehr nicht bloß negativ, um das Endliche zum Unendlichen hinzuführen, sondern ist vielmehr selbst das dem Endlichen - und ferner dem Bestimmten oder der Kategorie überhaupt - immanente Prinzip. Das Endliche soll also das, was das Endliche ist, und zugleich seine Selbstnegation sein. Dieses Sein des Endlichen und dessen Selbstnegation drückt nun „das Andere" in einem Wort aus. Das Endliche bezieht sich auf sich, um seine Selbstgleichheit als das Endliche zu erhalten. Es soll sich aber negativ auf sich beziehen, insofern es im Unendlichen ist, d. h. insofern das Absolute in ihm wirksam ist. Durch die negative Beziehung auf sich hebt das Endliche sich selbst auf und wird das Andere. Es ist immer anders als es selbst, insofern es sich selbst aufheben soll. Das Endliche im Unendlichen ist also das Andere, und seine Seinsweise, in der es sich immer wieder selbst negiert, ist das Anderssein. Das Sein, das die Andersheit als seine Selbstbestimmung hat, ist das sich selbst Widersprechende. Es ist es selbst und zugleich nicht es selbst. Hegel drückt diesen Widerspruch später in der Wissenschaft der Logik als „Abstoßen seiner von sich" (XI, 242) aus. Das Endliche stößt sich aufgrund seiner Widersprüchlichkeit beständig von sich ab. Diese „absolute Unruhe, sich selbst aufzuheben" (VII, 34) ist aber auch die Natur des Absoluten selbst, insofern es das „Wesen" des Endlichen ist. Das Absolute ist von daher selbst als die absolute Negativität oder der Widerspruch zu definieren. Das Andere ist, insofern es sich auf sich bezieht, noch näher als „das Andere seiner selbst" zu kennzeichnen. Wenn wir es mit noch klareren Ausdrücken der späteren Darstellung bestimmen, ist das Andere nicht die „Beziehung auf ein außer ihm Befindliches“ (XI, 61), also „das Andere von Etwas", sondern „das Andere an ihm selbst, d. i. das Andere seiner selbst". (XXI, 106) „Das Andere seiner selbst" ergibt sich aus der Reihe von Anderen, die sich durch die negative Selbstbeziehung des Endlichen bildet. Darin wird zunächst ein Anderes zu einem neuen Anderen. Dieses neue Andere ist aber zugleich auch die Weiter-
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bestimmung des Anderen, das durch es aufgehoben worden ist. Von daher ist das neue Andere keine fremde Bestimmung des vorherigen, sondern nur das Resultat von dessen Selbstaufhebung. Es ist also nicht das Andere von einem ihm fremden Anderen, sondern das Andere von sich, das Andere seiner selbst. So zeigt das Andere seiner selbst die sich auf sich beziehende Negation des Endlichen. (Vgl. VII, 6) Es ist eine Bestimmung des Endlichen, das sich kraft seiner negativen Selbstbeziehung verändert. Solange das Endliche noch es selbst ist, bleibt es mit sich identisch, aber es enthält bereits die andere Seite von sich. Es ist nämlich Ansichsein, das zugleich auch Sein für Anderes ist. Deswegen negiert es sich, tritt in Veränderung und wird ein Anderes. Aber dieses Andere ist das Andere seiner selbst. Das Endliche wird nämlich das Andere, das nichts anderes als es selbst ist. Das Endliche als das sich auf sich beziehende Andere ist so Einheit von Beziehung auf sich und auf Anderes, von Sichselbstgleichheit und Andersheit oder von Identität und Unterschied. Das Andere seiner selbst zeigt nichts anderes als das Anderssein des Endlichen in seiner Beziehung auf sich. Diese Einheit bedeutet, daß das sich aufhebende Endliche nichts, das es negiert, außer ihm hat, oder daß es das, was es ausschließt, an ihm selbst hat. (Vgl. VII, 28) Diese Logik schreibt Hegel zugleich auch dem wahrhaften Unendlichen zu, in dem das „Ausgeschlossene" „ebenso in ihm selbst ist". (VII, 35) Das Andere an ihm selbst zu haben, ist also das allgemeine Prinzip des Absoluten, das sowohl im Endlichen als auch im Unendlichen herrscht. Das Endliche hebt sich auf und wird das Andere seiner selbst, als das es es selbst bleibt. Auch das Unendliche macht sich zum Anderen seiner selbst, d. h. es verendlicht sich, aber ohne darin seine Unendlichkeit aufzugeben. Jedes von beiden, das Endliche und das Unendliche, hat sein Anderes oder seine Negation an ihm selbst, weswegen es sich selbst negiert und das Andere oder Gegenteil seiner selbst wird, ohne sich dabei zu verlieren. Die Einheit ist keine statische, sondern ein Werden, in dem jedes vermittels seines Gegenteils zu sich zurückkehrt. Diese werdende Kreisbewegung zeigt also die Struktur des Widerspruchs, den die Einheit von Endlichem und Unendlichem in der Logik des Anderen seiner selbst ausdrückt.
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(3) Absolute Reflexion In der Logik von 1804/05 unterscheidet Hegel methodisch noch nicht wie in der späteren Wissenschaft der Logik die Logik von Sein und Wesen. Deswegen enthält das Endliche zwar wie in der Wesenslehre die Reflexionsstruktur des über Anderes zu sich Zurückkehrenden, aber es geht immer wieder zum Anderen wie in der Seinslogik über. Die „Reflexion überhaupt" wird so im Manuskript von 1804/05 einfach mit dem „Übergehen in ein Anderes" gleichgesetzt (VII, 130).^*^ Daher kann das Endliche als solches in der Reihe des Anderen unendlich fortschreiten. Der unendliche Progreß kann erst dadurch aufgehoben werden, daß die Reflexion der endlichen Bestimmungen nicht als ein unendliches Übergehen, sondern als ein zu sich selbst Zurückkehren gedacht wird. In der Darstellung von Logik, Metaphysik, Naturphilosophie von 1804/05 kehren sich die endlichen Reflexionsbestimmungen zur ,Unendlichkeit' als ihrem wahrhaften Wesen. Diese Rückkehr bedeutet, von der Seite des Unendlichen her gesehen, dessen Zurückbeugung des unendlichen Progresses des Endlichen zu sich, die am Ende der Metaphysik noch ausdrücklicher hervortritt. Das wahrhafte Unendliche, das das Endliche zu sich zurückbeugt, ist das von seinem Anderen zu sich selbst Zurückgekehrtsein. Diese Rückkehr erscheint auf der Seite des Endlichen als Reflexion-in-sich. Das in das Unendliche zurückgekehrte Endliche oder das Endliche im Unendlichen zeigt seinerseits „die wahrhafte Natur des Endlichen, daß es unendlich ist, in seinem Sein sich aufhebt" (VII, 33). Es ist also insofern unendlich, als es sich aufhebt und somit in sich, in das Unendliche als sein wahrhaftes Wesen, reflektiert ist. Als Reflexion-in-sich ist so das Endliche mit dem Unendlichen vereinigt. Diese Reflexion unterliegt nicht mehr der Trennung von Inhalt und Eorm, sondern begreift das Vermögen sowohl der Trennung als auch der Verbindung in sich. Sie wird seit 1801/02 „die absolute Reflexion" genannt. (V, 265; IV, 425) Sie ist nichts anderes als die sich von sich unterscheidende Identität, die das das Andere seiner selbst werdende Endliche ausdrückt. Das Endliche wird das Gegenteil seiner selbst und kehrt aus diesem wieder zu sich selbst zurück. Als diese Rückkehr in sich, Reflexion-in-sich, drückt die Dialektik
36 Im Unterschied zur Seinslogik bestimmt Hegel in der Wissenschaft der Logik die Reflexion als Bewegung des Wesens, als „die Bewegung des Werdens und Übergehens, das in sich selbst bleibt" (XI, 249).
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des Anderen seiner selbst die Logik des Endlichen aus, die auch die Bewegung des Unendlichen ist. Hegel schreibt die Dialektik des Endlichen, die Dialektik der Momente der Unendlichkeit, ,,unsere[r] Reflexion" zu (VII, 29), die wahrhafte Unendlichkeit als deren Totalität aber der ,,absolute[n] Reflexion" (VII, 33, 36). Diese Unterscheidung wird jedoch in dieser Schrift nicht konsequent durchgehalten. Nach Hegels Bemerkung „müssen wir" noch einmal im „Verhältnis des Denkens" „unsere Reflexion beruhigen und nur nehmen, was da ist", so daß „unsere Reflexion [.. .] die Reflexion dieses Verhältnisses selbst" wird. (VII, 76) Dort „definiert sich das Fürsichsein [. ..] als die Reflexion in sich selbst". (Vll, 112) Beim „Erkennen" endet dann aber endgültig unsere Reflexion (VII, 111), und „In'er beschreibt die Reflexion sich selbst". (VII, 112) Ist das Erkennen die Realisierung des Verhältnisses des Denkens,^^ so ist es nach der Unendlichkeit als zweiter Endpunkt ,unserer Reflexion' anzusehen. An diesem Knotenpunkt des zweiten Kreises, zu dem die endlichen Bestimmungen unserer Reflexion noch einmal zurückkehren, gibt sich das Prinzip des Absoluten in seiner reinen Formalität zu erkennen. Die Bewegung des Erkennens besteht aus drei Stufen: 1) „Der Begriff selbst", 2) „sein Außersichkommen oder sein Anders werden", 3) das „Aufheben dieses Anderswerden[s]". (VII, 113) Diese sowohl trennende als auch vereinigende Kreisbewegung des Erkennens bezeichnet Hegel noch einmal als die „absolute Reflexion" (VII, 120). Die endlichen Bestimmungen erreichen nun im Erkennen als ihrem Wesen „das Ansich" (VII, 120) oder „die sichselbstgleiche Reflexion in sich selbst" (VII, 123; Hervorhebung von mir). Sie sind aber als Momente des Erkennens „nicht selbst dieser absolute Kreis". (VII, 120) Sie sind insofern verschieden, als sie zunächst wegen ihrer Selbstungleichheit jeweils in eine andere übergehen, während das sich in diesen verschiedenen Gestalten wiederholende Erkennen immer dasselbe bleibt. (Vgl. VII, 120) Jede endliche Bestimmung ist aber auch „das in sich Reflektierte" (VII, 122), insofern das Erkennen als das Prinzip der Bewegung in ihr wirkt. „Die Natur" der Momente des Erkennens „ist also dieselbe, als die des Erkennens" selbst. (VII, 122) Ist die Unendlichkeit die erste Definition des Absoluten, so ist das Erkennen nun als „die realisierte Unendlichkeit" (VII, 124) dessen zweite Definition. Hier erreicht die Logik das „an und für sich Seiende" oder „das Ansichselbst37 Vgl. M. Baum (1986), 252.
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seiende, das Absolute", das als „das in sich Geschlossene" auch „die absolute Reflexion" ist. (VII, 124) Die Struktur des Absoluten ist also gleich der des Erkennens, dessen „Ansich" als die Bestimmung der Metaphysik dargestellt wird. (Vgl. VII, 130) Daraus läßt sich folgende vorläufige These über das Verhältnis von endlicher und unendlicher Bestimmung ableiten: Insofern die absolute Reflexion des Erkennens als Bewegung des Absoluten die Struktur der Reflexion-in-sich in jedes Moment des Unendlichen einprägt, ist die Logik des Endlichen von der des Unendlichen ununterscheidbar. Die von Hegel konzipierte Unterscheidung von Endlichem und Unendlichem ist also sowohl wegen ihrer inkonsequenten Gliederung als auch aus logischen Gründen schwerlich aufrechtzuerhalten. Bemerkenswert ist hier, daß „die absolute Reflexion", „die Reflexion [. . .] in der Totalität", mit der „Anschauung" gleichgesetzt wird. (VII, 124) Das bedeutet, daß die Reflexion nun als die absolute auch das Vermögen der Vereinigung von der Anschauung übernimmt. Damit entfällt die Dichotomie von Anschauung und Reflexion, was eine konsequente Entwicklung der Hegelschen Methode zeigt. Wenn die Hauptsache des Hegelschen spekulativen Denkens so ausgedrückt werden kann, daß das Eins das Viele als seine Negation in sich enthält, dann muß die Anschauung als das Vermögen der Vereinigung ebenso auch die Reflexion als das Trennende einschließen. Denn die intellektuelle Anschauung war von den deutschen Idealisten als dasjenige Erkenntnisvermögen gedacht, das die Teile unmittelbar in ihrer Totalität erfaßt.^® Für Hegel ist aber anders als für Fichte und Schelling die Anschauung nicht das Anfangsprinzip, sondern muß erst durch die Vermittlung der absoluten Reflexion zur Erfüllung kommen. Sie ist also das Erkennen des Ganzen, das erst am Ende des Vermittlungsprozesses zu erreichen ist. Dieses Erkennen der Totalität ist aber nicht mehr unmittelbar und deshalb mit der Bezeichnung ,Anschauung' unverträglich. Hegel, der sich immer mehr dem Studium der philosophischen Methode widmet, ist inhaltlich bereits von einem unbegreiflichen Sinn, den für ihn das Wort „die intellektuelle Anschauung" beinhaltet, weit entfernt. Die Anschauung im Sinne der intellektuellen Anschauung gehört eigentlich noch in den gleichen konzeptionellen Kontext wie der Frankfurter Terminus „Gefühl", den Hegel schon in der Differenz38 T. Steinbüchel sieht das Verständnis alles Endlichen aus dem Unendlichen, des Besonderen aus dem Allgemeinen, des Teiles aus dem Ganzen als die Grundfrage idealistischen Denkens an. (Vgl. T. Steinbüchel (1933), 103)
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Schrift aufgegeben hat. Hegel will nun die Vereinigung des Gegensatzes nicht auf der Seite der Anschauung, sondern der Reflexion bewerkstelligen. Die Reflexion, die die Anschauung integriert, ist absolut, so daß sie sich nicht nur ins Andere entzweit, sondern auch in diesem mit sich selbst wieder identisch ist. Die Vermittlung dieser Reflexionin-sich der absoluten Reflexion soll zunächst nur für den Bereich der Metaphysik gelten, die von der durch unsere Reflexion bewerkstelligten Logik unterschieden wird. Demnach herrscht in der Logik noch der Gegensatz von unserer Reflexion und deren Gegenstand, während die Metaphysik, der Bereich der absoluten Reflexion, die Vereinigung von Subjekt und Objekt ausführt. Die absolute Reflexion wirkt aber bereits als die allgemein herrschende Methode in der gesamten Logik, Metaphysik, Naturphilosophie von 1804/05, insofern sie sich in jedes Moment des Absoluten und somit auch in die Kategorien der Logik hineinbildet. (4) Das Schwanken der Gliederung von Logik und Metaphysik Am Ende der Logik bestimmt Hegel die bisherige Darstellung unserer Reflexion als „eine dialektische Behandlung". (VII, 111) Nach Hegels eigenen Ausführungen gehört die Dialektik eigentlich nur zum Bereich der Logik, in dem wir den Gegenstand reflektieren. In der Logik, Metaphysik, Naturphilosophie von 1804/05 taucht so eine Unterscheidung wie in der Phänomenologie des Geistes zwischen „für uns" und „für es" auf. (VII, 126) Die Perspektive „für uns" wird hier aber nur als ein äußerer Gesichtspunkt akzentuiert, während der Darstellung für uns in der Phänomenologie des Geistes das Ansich, die Notwendigkeit der spekulativen Logik, gebührt. Das „es" aus „für es" meint hier das Fürsichsein außer unserer Reflexion, und somit gerade nicht das natürliche Bewußtsein aus dem Werk von 1807. Die Verwendung von „für uns" und „für es" ist in den beiden Schriften also genau umgekehrt: In der Schrift von 1804/05 gilt die Logik als Darstellung „für uns", für den den Gegenstand äußerlich Reflektierenden und die Metaphysik als Darstellung „für es", für das Fürsichsein; in der Schrift von 1807 aber ist die phänomenologische Erfahrung „für es", für das den Gegenstand wissende Bewußtsein und die logische Darstellung „für uns", für den Philosophen, der aus der Sicht des absoluten Wissens das Ansichsein vor Augen hat. Unsere Reflexion in der Logik von 1804/05 erfolgt nur auf der Seite des Subjekts, das als bloße Form dem Inhalt des Gegenstandes
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äußerlich gegenübersteht. Die Dialektik als Bewegung unserer Reflexion ist also in dem Sinne bloß formell, daß sie nicht die Bewegung „für es", das Fürsichsein, oder der Sache selbst ist, sondern die „für uns" oder die subjektive. So faßt Hegel in der Logik, Metaphysik, Naturphilosophie von 1804/05 die Dialektik noch nicht als die absolute Methode, sondern stellt sie an eine untergeordnete Stelle. Bei dieser Einschätzung der Dialektik kommt es aber weniger auf die Methode als auf den Charakter des Darstellungsobjekts an, der für Hegels Unterscheidung von Logik und Metaphysik ausdrücklich maßgeblich ist.^^ Die logischen Bestimmungen „verschwinden" (VII, 127) dauernd in ihrem Gegenteil. Die an sich ,,bleibend[e]" (VII, 127) Sichselbstgleichheit der metaphysischen Bestimmungen ist dagegen als „die absolute Gleichheit" (VII, 131) „dem dialektischen Fortgehen und Aufheben" „entrissen" oder „entnommen" (VII, 127,131,137). Aber diese Unterscheidung von Logik und Metaphysik stößt bereits bei der Gliederung auf Schwierigkeiten, in der die Logik die schon einen metaphysischen Sinn besitzende Kategorie ,Unendlichkeit' enthält. Auch methodisch ist sie haltlos. Die Prädikate wie das Andere seiner selbst und die Reflexion-in-sich, die den dialektischen Prozeß beschreiben, werden auch in der Darstellung der metaphysischen Kategorien wiederholt. Auch der metaphysische Begriff „sieht [. ..] dem Wege, in dem er anders und aus diesem Anderswerden wieder anders wird, entgegen". (VII, 138) Es ist im übrigen ein willkürliches Kriterium für die Unterscheidung von Logik und Metaphysik, daß „der Weg" der Metaphysik, anders als der der Logik, nicht erst „durch das Gehen sich darstellt, sondern vorher schon entworfen" ist (VII, 137). Die Unterscheidung von Logik und Metaphysik, an der Hegel traditionsgemäß festhält, läßt sich so in der tatsächlichen Darstellung nicht halten. Nach Hegels Absicht, die Dialektik nicht dem Ansichsein, sondern nur dem sich Verändernden zuzuschreiben, ist die Dialektik von 1804/05 zwar in die Tradition einzuordnen, die diesen Begriff negativ bewertet. Sie fungiert aber bereits als die allgemeine Methode der Hegelschen Philosophie, insofern auch die metaphysische Kategorie durch die Bewegung des Anders Werdens realisiert wird.^° In der tatsächlichen Darstellung ist sogar das Gegenteil der von Hegel eigentlich geplanten 39 Vgl. M. Baum (1980), 137. ^0 Hegel wendet die Dialektik auch in der Metaphysik und der Naturphilosophie an. Die ganze Philosophie Hegels wird also dialektisch. (Vgl. K. Düsing (1976), 154; A4. Baum (1980), 138)
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Einordnung der Dialektik zu sehen. Denn die Metaphysik wird der Logik auch in dem Sinne entnommen, daß sie in der Methode davon abgeleitet wird (vgl. VII, 127,131,137),^^ während sich die frühe Logik aus der Abstraktion von der absoluten Identität der Metaphysik ergab. (5) Der absolute Geist als methodisches Prinzip Am Ende der Metaphysik, wo die Darstellung von Logik und Metaphysik in der Definitionskette des Absoluten kulminiert, schließt sich der größte Kreis. Wie sich in der Unendlichkeit und im Erkennen der erste und zweite Kreis geschlossen haben, so schließt sich der letzte Kreis im „absoluten Geist", zu dem der ganze bisherige Prozeß zurückkehrt. Das Absolute als Geist „findet das Andere [...] als sich selbst". (VII, 173) Der absolute Geist „ist somit sich gleich, und ist dem Anderen gleich" (VII, 173), also Einheit von Beziehung auf sich und auf Anderes, oder von Sichselbstgleichheit und Andersheit. Zu dieser letzten Definition des Absoluten gehören noch einmal Prädikate wie „das Andere seiner selbst", „die absolute Ungleichheit" oder „Unruhe" (VII, 173), „das Anderssein" als „das sich auf sich Beziehende" (VII, 174) u. ä. Somit läßt sich die prinzipielle Identität des absoluten Geistes mit seinen Momenten feststellen. Der absolute Geist findet sich in dem Anderen seiner selbst. Selbst die endlichen Bestimmungen der einfachen Beziehung sind das Andere, in dem der Geist sich selbst findet. Insofern die ganze Reihe der Momente als das Andere des absoluten Geistes begriffen wird, ist die Trennung von endlichen und unendlichen Bestimmungen sinnlos, und auch die Unterscheidung von Logik und Metaphysik ohne Bedeutung. Alle Kategorien unterliegen der Veränderung und heben sich auf. Die Selbstaufhebung wird deswegen nicht nur den endlichen Bestimmungen, sondern allen Kategorien zugeschrieben. Dafür ist nun ein neuer Terminus erforderlich. Es ist das Andere seiner selbst oder das Negative. Jenes ist ein Schlüsselwort in der Logik, Metaphysik, Naturphilosophie von 1804/05, dieses wird ihm jedoch in der späteren Logik vorgezogen. So wird der Charakter des Endlichen bis zur Kategorie überhaupt erweitert, und das Selbstauf41 „Entnehmen" bedeutet hier nicht eine bloße Negation, sondern enthält auch die Bedeutung, daß die Metaphysik die Logik als aufgehoben in sich begreift. Denn die Dialektik fungiert im anderen Darstellungsobjekt, in der Metaphysik, weiter. Dessen Differenz unterbricht die Kontinuität der Methode zwischen Logik und Metaphysik nicht.
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heben deren allgemeines Übergangsprinzip. Gemeint ist hier aber nicht das Endliche als solches, sondern das Endliche im Absoluten, das zu seinem Gegenteil übergeht und daraus zu sich selbst zurückkehrt. Das Endliche, das sich gemäß dem Prinzip des Absoluten aufhebt, ist insofern als die Reflexion-in-sich dem Absoluten gleich. Das Absolute als Geist ist „das Andere als sich selbst setzend, die in sich zurückkehrende Unendlichkeit". (VII, 177) Es ist sich nicht unmittelbar, sondern nur vermittels des Anderen seiner selbst gleich. In dieses Andere, das Gesetztsein des absoluten Geistes, übersetzt dieser seine Struktur der Reflexion-in-sich. Der absolute Geist als die Logik des Unendlichen im Endlichen macht jedes seiner Momente zur Reflexion-in-sich und biegt die „Reflexion überhaupt", „Übergehen in ein Anderes" (VII, 130), in sich zurück. Es ist letztlich auch „der absolute Kreislauf des absoluten Geistes" (VII, 174) durch Anders werden und Rückkehr, der der Reihe des Anderen eine Einheit gibt und somit dessen unendlichen Progreß zurückbiegt, indem er dessen Negation selbstbezüglich macht. Im Anderen seiner selbst sind so das Endliche und das Unendliche oder Absolute prinzipiell identisch. Die Bedeutung des absoluten Geistes erschöpft sich aber nicht in dieser prinzipiellen Identität mit seinen Momenten. Er ist nämlich das Resultat als Totalität dieses Prozesses, das „nicht in anderes mehr" übergeht. (VII, 177) Sein Anders werden ist nur das Sichsetzen als Anderes, um darin sich selbst zu finden. Der ganze Prozeß, der durch die Momente des absoluten Geistes zu diesem zurückkehrt, ist also als der seines Selbsterkennens aufzufassen. Mit der Auffassung des Absoluten als Geist geht Hegels absolute Metaphysik von der Metaphysik der Substanz zur Metaphysik der Subjektivität über.^^ Daraus ergeben sich verschiedene beachtliche Wandlungen. In der Metaphysik des absoluten Geistes, der sich von sich selbst unter42 Die absolute Metaphysik, die die Hegelsche Philosophie seit 1801 vertritt, geht nach K. Düsing um die Jahreswende 1803/04 von der Metaphysik der Substanz zur Metaphysik der Subjektivität über. (Vgl. K. Düsing (1988), 192) Nach D. Henrich beginnt seit Mitte des Jahres 1802 (Naturrechts-Aufsatz) der Aufstieg des Terminus „Gegenteil seiner selbst", und Hegel beginnt genau zur gleichen Zeit damit, den Begriff des Absoluten als „Geist" zu fassen. (Vgl. D. Henrich (1980), 107) Diesbezüglich weist O. Pöggeler darauf hin, daß die „Natur" in Hegels ersten Jenaer Jahren der entscheidende Leitfaden für die Interpretation dessen, was („physisch" oder „sittlich") ist, war. Der Geist sei damals von Hegel als die zweite oder sittliche Natur im Gegensatz zur Natur im engeren Sinn als die erste oder physische Natur aufgefaßt worden. Später werde das Absolute als der Geist gesehen, der sich in einem teleologischen Prozeß selbst vermittelt. (Vgl. O. Pöggeler (1973), 279, 281)
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scheidet, findet sich eine neue Lösung für das Problem der Konstruktion des Absoluten im Bewußtsein. Die Konstruktion des Absoluten, das dem Bewußtsein als Anderes, als Gegenstand erscheint, bedeutet nun, daß der absolute Geist sich in sein Anderes teilt. Er kehrt wieder zu sich selbst zurück, indem er das Andere als das Andere seiner selbst beweist. „Im absoluten Geist ist" also „Konstruktion und Beweis absolut Eins." (VII, 174, vgl. auch 113) Die Metaphysik des absoluten Geistes geht damit auch über die Emanationslehre als Erklärung des Verhältnisses von Endlichem und Unendlichem hinaus. In der FreiheitsSchritt von 1809 macht Schelling der Plotinschen Emanationslehre zum Vorwurf, daß das Erste, das Gute, sich mit zunehmender Entfernung verliert und das Letzte doch „nichts mehr von dem Ersten an sich hat".^^ Im Kapitel ,Das Absolute' der Wissenschaft der Logik von 1813 (vgl. XI, 376 - 378) begründet Hegel seine Kritik an dieser Lehre ähnlich wie Schelling. Nach Hegels Verständnis der Emanationslehre ist das Ausströmen des Absoluten, des sich selbst erleuchtenden Lichtes, „nur als ein Geschehen,, als „ein fortgehender Verlust" genommen. (XI, 378) Die Emanation, in der „das Letzte der Linie [. ..] nicht in das erste Licht zurückkehrt", ist also „nicht sich negativ auf sich beziehende Negation, wodurch sie [die Auslegung des Absoluten] an ihr selbst die Rückkehr in die erste Identität" ist. Neben der Spinozistischen Auslegung des Absoluten, die nur „unmittelbar Gegebenes" (XI, 377) „auf das Absolute zurückführt, nicht aber von diesem ihre Anfänge hernimmt" (XI, 376), kann die nur die umgekehrte Richtung zeigende Emanationslehre die Reflexion-in-sich, die der absolute Geist ausdrückt, nicht erklären. Die beiden Lehren können also in ihrer Einseitigkeit die Metaphysik des absoluten Geistes, der durch das Andere seiner selbst zu sich zurückkehrt, nicht angemessen darstellen. Der Ansatz dieser Kritik ist schon in der Logik, Metaphysik, Naturphilosophie von 1804/05 aufspürbar, wenn Hegel im Abschnitt ,Das höchste Wesen' durch dessen Negation von der Metaphysik der Objektivität zur Metaphysik der Subjektivität überzugehen versucht. (Zum folgenden vgl. VII, 153, 154) Wenn die emanierte Erscheinung nur als Negation des höchsten Wesens angesehen wird, sind die beiden unaufhebbar getrennt. Der Spinozismus, der bei der unmittelbaren „Existenz" anfängt, kann die Erscheinung als die des höchsten Wesens nur beweisen. „Der Beweis geht in dieses zurück, aber er geht nicht aus diesem hervor". Hierbei fehlt die „Kon43 F. W. f. Schelling (1809), 355.
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struktion" des höchsten Wesens. „Die Emanation der Einzelheit aus dem höchsten Wesen" ist daher auch durch die Spinozistische statische Auslegung des Absoluten unerfüllbar. Die beiden Lehren zeigen jede für sich nur eine Richtung der Kreisbewegung des Absoluten, die das Endliche und Unendliche wechselseitig vermittelt. Das Absolute soll also nicht als die Substanz, derjenige Abgrund, in dem alle Endlichen verschmelzen, sondern als das Subjekt, die „absolut einfache Reflexion in sich", die zum Anderen ihrer selbst übergeht und daraus zu sich selbst zurückkehrt, gedacht werden. Das Absolute als Einheit von Endlichem und Unendlichem soll nämlich kein - im Ausdruck des jungen Hegel - positives Verhältnis der beiden, sondern eine lebendige Wechselwirkung zeigen, die auf der dynamischen Tätigkeit des sich in sich reflektierenden Geistes basiert.“*^ Hiermit legt Hegel den Grundstein zur spekulativen Philosophie, die die Substanz zugleich als das Subjekt auffassen wird. Zugleich wird auch die frühere These, daß das Endliche in Beziehung auf das Absolute aufgehoben werden solle, methodisch konkretisiert. Damit kristallisiert sich auch die allgemeine Methode der Einheit des Gegensatzes überhaupt heraus, die das Hauptanliegen der philosophischen Bemühungen Hegels ist. Sie erlaubt Hegel nun auch eine Antwort auf die Frage von Jacobi und Schelling, ob das Absolute und Unendliche aus sich herausgehen könne und müsse, um das Endliche zu ermöglichen.^® Schelling, der dieses Problem das Problem „aller Philosophie" nennt,^® spricht in bezug auf den Spinozismus von ,,keine[m] Übergang vom Unendlichen zum Endlichen" und fordert vom Endlichen, daß es als Modifikation des Unendlichen durch Selbstaufhebung mit diesem identisch werde.^^ Er formuliert im Jahre 1802 programmatisch die „Aufnahme des Unendlichen ins Endliche" und die „Aufnahme des Endlichen ins Unendliche", wobei er dem Unendlichen und Endlichen die Unterscheidung von Wesen und Form, Idealem und Realem zuschreibt.^® In Philosophie und Religion von 1804 finden sich für die Erklärung des Verhältnisses 44 Nach O. Pöggeler faßten die Neuplatoniker zum erstenmal das Denken als Leben oder lebendigen Prozeß des Absoluten auf. Das hatte aber schon Aristoteles vorweggenommen, indem er „das Denken als Leben, so aber als Wirklichkeit, nämlich als einen Prozeß, energeia und entelecheia,, aufgefaßt hatte. (O. Pöggeler (1989), 108,115) 45 Vgl. F. H. Jacobi (1789), 56 und F. W. ]. Schelling (1795), 313 ff. Vgl. auch K. Düsing (1976), 153 und M. Baum (1986), 250. 46 F. W. /. Schelling (1795), 314. 47 Ebenda 315, 316. 48 F. W. J. Schelling (1802), 419.
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von Endlichem und Unendlichem die Ausdrücke „ein Herausgehen der Absolutheit aus sich selbst, ein Sich-Teilen derselben" oder „das Sich-selbst-Erkennen" des Idealen im Realen.^^ „Das Absolute [...] überträgt" nach Schelling „in der Form seine ganze Wesenheit an das, worin es objektiv wird".®° Dieses „Hineinbilden" ist aber „eine ewige Umwandlung der reinen Idealität in Realität".^' Die Erscheinungswelt hat für Schelling als „Gegenbild" des Absoluten ein „nur indirektes Verhältnis" zu diesem als dessen Urbild, so daß „kein Endliches unmittelbar aus dem Absoluten entstehen und auf dieses zurückgeführt werden kann"Dieses „Abbrechen" drückt Schelling als „Abfall" aus.^^ Hier liegt eine unüberschreitbare Grenze zwischen Möglichkeit und Wirklichkeit.^^ Hegel löst dieses Problem, indem er den Widerspruch zum gemeinsamen Grundcharakter des Endlichen und des Absoluten erklärt. Durch diesen Widerspruch, der in seiner kreisförmigen Vermittlung eine absolute methodische Einheit von Endlichem und Unendlichem zeigt, kann Hegel „von keinem Herausgehen des Absoluten aus sich selbst" sprechen. (VII, 34) Das Unendliche ist das Endliche, insofern dieses im Unendlichen ist oder sich gemäß dem Prinzip des Unendlichen aufhebt. Erst in der Phänomenologie des Geistes jedoch erhebt sich das Bewußtsein als die endliche Erkenntnisform ausdrücklich zu dieser Aufhebung, indem es im Übergang seiner Gestalten zu dem teleologischen Prozeß vordringt, der es durchdringt. Das Unendliche als Telos liegt nicht in einem Jenseits, einem gesonderten Bereich, sondern steckt schon in jeder Übergangsphase. Trotz der Gliederung von Logik und Metaphysik vereinigt auch das Manuskript von 1804/05 de facto das Endliche und Unendliche in einer teleologischen Entwicklung. Das Unendliche wirkt als Prinzip im Endlichen und bewegt dieses, außerhalb dessen es sich nirgendwo placieren kann. Das Endliche ist vielmehr der einzige Ort, wo das Unendliche sich befindet. Denn das Unendliche nichts anderes als die Totalität seiner endlichen Momente, die sich nach dem teleologischen Prinzip des Unendlichen entwickeln. « F. W. J. Schelling (1804), 31, 32. 50 Ebenda 34. 51 Ebenda 52 Ebenda 41. 53 Ebenda 54 Vgl. ebenda 42. In der Freiheits-Schrifi erklärt Schelling das Verhältnis von Endlichem und Unendlichem zu dem Verhältnis von Substanz und Akzidens und die unendliche Substanz zur die Differenz einschließenden Identität, indem er Reinhold, den Hegel in der Differenz-Schrift kritisierte, zum Vorwurf macht, daß er Identität mit Einerleiheit verwechselt. (Vgl. F. W. /. Schelling (1809), 342 - 347)
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Es selbst ist nichts anderes als diese Entwicklung selbst.^^ Später sagt Hegel in der Wissenschaft der Logik über dieses Problem, daß die Trennung von Endlichem und Unendlichem selbst eine falsche Voraussetzung und von daher nicht zu begreifen sei. (Vgl. XXI, 141) „Die Antwort auf die Erage, wie das Unendliche endlich werde", so Hegel, „ist somit diese, daß es nicht ein Unendliches gibt, das vorerst unendlich ist und das nachher erst endlich zu werden, zur Endlichkeit herauszugehen nötig habe, sondern es ist für sich selbst schon ebensosehr endlich als unendlich". (XXI, 140f) In der Systemform, der Gliederung des Systems, zeigt die Logik, Metaphysik, Naturphilosophie von 1804/05 noch einen Übergangscharakter, das Mißverhältnis zwischen der programmatischen Gliederung und der tatsächlichen Darstellung von Logik und Metaphysik. Sie zeigt aber in der Prinzipform, die das Absolute annimmt, eine Wandlung von der absoluten Identität zum absoluten Geist. Insbesondere in der Begriffsform, die das Begreifen des Wirklichen ermöglicht, erreicht diese Schrift bereits die voll entwickelte Begrifflichkeit der sich auf sich beziehenden Negativität,^^ obgleich die feinere Differenzierung der Darstellung im Vergleich zur späteren Logik noch nicht ausgeführt ist. In diesem sich negativ auf sich beziehenden absoluten Geist bringt Hegel den Gedanken der negativen Präsenz der Vernunft aus der frühen Logik in Verbindung mit der Geschichte der Selbstbildung des Absoluten. Seinem früheren Gedanken zufolge fügt die Vernunft den endlichen Bestimmungen ihre entgegengesetzten hinzu, und über den daraus resultierenden Widerspruch führt die Anschauung zum Unendlichen. In der Logik, Metaphysik, Naturphilosophie von 1804/05 hingegen begreifen alle Kategorien ihr Entgegengesetztes, ihre Negation, in sich. Durch diesen immanenten Widerspruch geht jede von ihnen zum Anderen ihrer selbst über und erreicht in der Vereinigung mit diesem ihre Totalität. Hier ist also die Rede von der Reflexion-in-sich als dem neu formulierten Widerspruch, die ihr Anderes als aufgehobenes in sich enthält. Die Gleichsetzung des Widerspruchs mit der Unendlichkeit besagt schon, daß der Widerspruch kein bloßer Grenzbegriff mehr ist, sondern die Seinsverfassung der Kategorie überhaupt. Insofern der absolute Geist das realisierte Erkennen ist (vgl. VII, 165), ist jede Kategorie als Moment seines Selbsterkennens eine Denkbestimmung. Sie ist aber zugleich eine Seinsbestimmung, insofern die 55 Vgl, D. Henrich (1980), 110. 55 Zu dieser Unterscheidung vgl. D. Henrich (1980), 104.
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Struktur des Seins der des Erkennens gleich ist.^^ Die Identität des Seins überhaupt ist also ebenso als Widerspruch aufzufassen. Das ist auch die Hauptthese der Kritik an den Grundsätzen der klassischen Logik, die Hegel zu Beginn der Metaphysik übt. Mit der Auffassung des Widerspruchs als allgemeine Grundstruktur des Seins werden ihm verschiedene Prädikate zugeschrieben, die seine Bewegung darlegen. Der Widerspruch ist die Triebkraft der absoluten Reflexion, die, sich von sich unterscheidend. Endliches und Unendliches, Subjekt und Objekt vereinigt.^® Die Entwicklung der absoluten Reflexion durch den Widerspruch prädiziert sich als das Andere seiner selbst. Der Abstoß des Widerspruchs entfaltet sich ebenso als sich auf sich beziehende Negativität. So stellt sich der Widerspruch in Eormulierungen wie absolute Reflexion, absolute Negativität oder das Andere seiner selbst dar. Sie alle sind Synonyme des Widerspruchs. Mit all diesen Prädikaten steht der Widerspruch nun im Zentrum der methodischen Darstellung des absoluten Geistes. 4. Die Methode der Phänomenologie des Geistes und der Widerspruch (1) Die Konzeption der Phänomenologie des Geistes Die richtige Interpretation der Phänomenologie des Geistes muß bei Hegels Verständnis des Verhältnisses von Logik und Metaphysik der frühen und mittleren Jenaer Zeit ansetzen.®® Denn die Phänomenologie des Geistes, die ursprünglich mitsamt der spekulativen Logik als erster Systemteil konzipiert wurde, entspricht eben der Logik im früheren Verhältnis von Logik und Metaphysik und muß deshalb als eine Lösung dieses Verhältnisproblems gedeutet werden. Aus dem Gedanken, daß das Unendliche als Einheit des Endlichen und Unendlichen der Träger der endlichen Bestimmung, d. h. des Gegensatzes, sein muß, führt He57 Vgl. K. Düsing (1984), 331. 58 Insofern Hegel Logik und Metaphysik, unsere und absolute Reflexion, programmatisch voneinander unterscheidet, kann allerdings die Einheit von Subjekt und Objekt in der Schrift von 1804/05 nicht wie in der Phänomenologie des Geistes ausdrücklich entwikkelt werden. In der tatsächlichen Darstellung läßt sie sich aber bereits aus der Einheit von Endlichem und Unendlichem implizit folgern. 59 Derjenige, der zum ersten Mal diese Richtung der Interpretation der Phänomenologie des Geistes eingeschlagen hat, ist O. Pöggeler. (Vgl. O. Pöggeler (1964), 146 - 148,159 - 160 und (1966a) 36 - 40 und (1973) 258 - 261, 268 - 271)
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gels Systemkonzeption die Logik als endliches Erkennen zur Metaphysik als unendlichem Erkennen hin. Die Metaphysik von 1804/05 stellt dieser Konzeption entsprechend ihre letzte Bestimmung, den absoluten Geist, als über die Logik des Endlichen hinausgehenden Träger derselben dar. Indem die Logik des Gegensatzes oder des Widerspruchs aber als Methode des Selbsterkennens des absoluten Geistes fungiert, wird die Metaphysik in der Tat methodisch bereits in die Logik integriert. Dieser Ansatz, den die tatsächliche Darstellung der Logik und Metaphysik von 1804/05 in sich birgt, entwickelt sich dazu, daß Logik und Metaphysik endlich in der Naturphilosophie und Philosophie des Geistes von 1805/06 auch konzeptionell zur einen spekulativen Logik verschmelzen. Diese Einheit von Logik und Metaphysik läßt sich einerseits so charakterisieren, daß die Metaphysik zur spekulativen Logik wird. In der Logik und Metaphysik von 1804/05 vollzog Hegel die Vereinigung des Gegensatzes nicht durch die metaphysische Anschauung, sondern durch die logische Reflexion als absolute. Schon zur frühen Jenaer Zeit, als er eine Logik und Metaphysik in das System aufnahm, ging es darum, die transzendentale Anschauung als spekulative Reflexion zu entwickeln.^® Durch die Einheit von Logik und Metaphysik nähert sich Hegel nun der vollendeten Methode der Darstellung des Absoluten durch die Reflexion an, womit er die Auffassung des Absoluten letztlich vom Vorbehalt der Anschauung entbindet. Diese Einheit kann andererseits auch so ausgedrückt werden, daß die Logik zur Metaphysik wird, da sie deren spekulativen Standpunkt nun integriert. Die Logik, die Hegel früher als Logik des Endlichen darstellte, ist nun zur adäquaten Darstellung des Absoluten und somit zur spekulativen Logik geworden. Insofern das sich selbst aufhebende Endliche zum Anderen seiner selbst wird, ist dieser Prozeß der negativen Selbstbeziehung des Endlichen eben die Logik des Absoluten selbst. So tritt an die Stelle der Metaphysik die Logik, die ihrer einleitenden Rolle entwachsen ist. Die Logik als spekulative Philosophie steht nun an der Spitze des dreiteiligen Systems, gefolgt von der aus der Natur- und Geistesphilosophie bestehenden Realphilosophie. Die Befreiung der Logik von der propädeutischen Funktion geht mit der Ausführung und Begründung des Übergangs vom endlichen zum unendlichen Erkennen einher. Die Übergangsproblematik, die in der 60 Vgl. O. Pöggeler (1964), 144. Nach Pöggeler zeigt Hegel auch in der Differenz-Schrift, daß die transzendentale Anschauung spekulative Reflexion ist, und damit arbeitet er sich an die Aufgabe einer Logik und Metaphysik heran. (Vgl. ebenda 150)
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Differenz-Schrik zum ersten Mal als das Problem der Auflösung des Gegensatzes von Subjekt und Objekt gestellt wurde, löste Hegel auch in der Logik, Metaphysik, Naturphilosophie von 1804/05 nicht zufriedenstellend. Nur assertorisch rechnete er der Logik die Trennung zwischen dem Gegenstand als Inhalt und unserer Reflexion als Form, der Metaphysik aber deren Einheit zu. Die Begründung des Übergangs vom endlichen zum unendlichen Erkennen ist in dieser Schrift noch unausgeführt. Sie kann insofern die schon in der Differenz-Schrik gestellte Aufgabe der Philosophie, das Absolute für das Bewußtsein zu konstruieren, nicht erfüllen. Es bleibt während der gesamten Jenaer Zeit Aufgabe der Hegelschen Philosophie zu zeigen, daß und wie das in der Struktur der Reflexion befangene Bewußtsein, sich von seiner Beschränkung befreiend, das Absolute konstruieren kann. Da dieses Bewußtsein den Standpunkt der Reflexionsphilosophie der Hegelschen Zeit vertritt, stimmt jene Aufgabe mit derjenigen überein, die Reflexionsphilosophie zum absoluten Standpunkt der Wissenschaft zu führen. Der Weg zur Wissenschaft kann daher als ein Prozeß der Erfahrung des natürlichen Bewußtseins konzipiert werden, der zugleich Kritik an der Bewußtseins- oder Reflexionsphilosophie überhaupt sein soll. Er soll als Belehrung dieses natürlichen Bewußtseins eine Propädeutik bilden, die die Stelle der früheren Logik ersetzt. Diese letzte und ausführliche Lösung des Einleitungsproblems in Jena stellt die Phänomenologie des Geistes dar. Der Versuch einer Propädeutik zur Wissenschaft scheint den früheren Behauptungen Hegels zu widersprechen, die einen Vorhof oder eine präliminäre Erkenntniskritik für unnötig erklären. Die sich selbst begründende Wissenschaft des Absoluten bedarf auch keiner Einleitung. Aber diese Voraussetzungslosigkeit ist dem natürlichen Bewußtsein nicht unmittelbar einsichtig. Die absolute Wissenschaft, die Hegel in der Logik und Metaphysik von 1804/05 in einer ausgearbeiteten Form darstellte und nun in der Naturphilosophie und Philosophie des Geistes von 1805/06 und der Phänomenologie des Geistes als Logik oder spekulative Philosophie auffaßt, muß dem natürlichen Bewußtsein daher eine „Leiter" (IX, 23) zum ihr entsprechenden Standpunkt des absoluten Wissens herunterreichen, um sich ihm als absolute zu beweisen. Dafür muß die Wissenschaft im Bewußtsein erscheinen und in der Form der Reflexion entfaltet werden, wodurch eine Darstellung der Erscheinung des absoluten Geistes entsteht, ln Entsprechung zum Programm der frühen Logik, in der das Absolute der Metaphysik bereits negativ präsent ist, und zu ihrer Ausführung von 1804/05, die de
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facto schon Logik der absoluten Reflexion ist, ist die erscheinende Wissenschaft bereits Wissenschaft. Der Erfahrung des Bewußtseins liegt in ihrem Fortgang eine Notwendigkeit der Logik zugrunde, die sie zur Wissenschaft macht. Die Belehrung des natürlichen Bewußtseins oder die Begründung der Wissenschaft wird so als die Wissenschaft der Erfahrung des Bewußtseins konzipiert. Die frühere Gliederung von Logik und Metaphysik kehrt in der Einteilung von Wissenschaft der Erfahrung des Bewußtseins und Logik wieder. Wie die frühere Logik sieht Hegel jene Wissenschaft als Einleitung im ersten Systemteil vor, die das endliche, unwissenschaftliche zum unendlichen, wissenschaftlichen Erkennen erheben soll. Sie stellt dar, wie das in der Reflexionsstruktur befangene Bewußtsein durch die Erfahrung der Überwindung seiner Natürlichkeit oder Endlichkeit das absolute Wissen erreichen kann. Im Laufe der Abfassung des Werkes aber wird der Schwerpunkt in den im Erfahrungsgang erscheinenden Geist verlegt, so daß die Wissenschaft der Erfahrung des Bewußtseins mit dem geänderten Titel „Phänomenologie des Geistes" in Druck geht.'’^ Das Werk von 1807 hat also einen Doppelcharakter. Die ersten Kapitel tragen unverkennbar die Züge der Wissenschaft der Erfahrung des Bewußtseins, die jedoch im Verlauf der Darstellung immer mehr verblassen. Der Charakter der Phänomenologie des Geistes tritt dagegen um so stärker hervor, je weiter die Erfahrung des Bewußtseins fortschreitet. Am Anfang stellen sich Gestalten des Bewußtseins dar, aber ab dem Geisteskapitel „Gestalten einer Welt" (IX, 240).*^ Auf diese Entwicklung Vgl. F. Nicolin (1967), 123. Nach O. Pöggeler ist diese Änderung so zu verstehen, daß Hegel eigentlich die Wissenschaft der Erfahrung des Bewußtseins als einleitenden Teil in einem Buch unterbringen wollte, dessen Hauptteil die Logik ausmachen sollte. Bei der Abfassung sei allerdings die geplante Einleitung aufgrund ihrer immer weiter ausgeuferten zweiten Hälfte zu einem Buch für sich angewachsen, das dann unter dem neuen Titel „Phänomenologie des Geistes" erschienen sei. (Vgl. O. Pöggeler (1961), 216 und (1966a), 43) 62 In seinem Aufsatz von 1961 geht O. Pöggeler dieser Veränderung kritisch nach: Nach Hegels ursprünglichem Plan sollte die zweite Hälfte der Phänomenologie des Geistes eigentlich als die „nur auf das Formelle beschränkt scheinende Entwicklung des Bewußtseins" (Enz § 25 Anmerkung) sich viel einfacher darstellen. (Vgl. O. Pöggder (1961), 214) Die eigentliche Wissenschaft der Erfahrung des Bewußtseins sei wohl in der Reihenfolge „Bewußtsein - Selbstbewußtsein - allgemeines Selbstbewußtsein (absolutes Wissen)" geplant gewesen, wobei die Gestalt der „Vernunft" schon in der des „Bewußtseins", die von „Geist" und „Religion" in der des „Selbstbewußtseins" gesteckt habe. (Ebenda 209, 210) Das Vernunft-Kapitel sei am Anfang nicht vorgesehen gewesen, sondern nachträglich in den Aufbau des Ganzen eingefügt worden. (Vgl. ebenda 218) Diese Thesen revidiert Pöggeler automatisch dadurch, daß er die Logik-Skizze am Ende der Naturphilosophie und Philosophie des Geistes von 1805/06 als den Entwurf der der Phäno-
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des Bewußtseins zum Geist weist Hegel bereits in der Einleitung zur Phänomenologie des Geistes hin, wenn er den „Weg des natürlichen Bewußtseins, das zum wahren Wissen dringt", als den Weg, in dem es „sich zum Geiste läuter[t]", bezeichnet. (IX, 55) Wenn Hegel die Logik als erreichtes Ziel der Erfahrung des Bewußtseins „eigentliche Wissenschaft des Geistes“^^ (IX, 62; Hervorhebung von mir) nennt, hat er den in der Metaphysik von 1804/05 entwickelten absoluten Geist im Auge. Dieser tritt nun in das Bewußtsein mit der Reflexionsstruktur des Subjekt-Objekt-Gegensatzes ein, um darin zum absoluten Wissen zu werden. Stellt die Logik und Metaphysik von 1804/05 das Selhsterkennen des absoluten Geistes dar, so die Phänomenologie des Geistes das Wissen des Geistes von sich im Bewußtsein. In der Phänomenologie des Geistes wird also die Wissenschaft, die das Bewußtsein durch seine Erfahrung hindurch erreicht, als das Reich der Wahrheit des Geistes aufgefaßt. Diese Auffassung des Geistes als Träger der Wahrheit tritt im Schlußkapitel und in der Vorrede, die Hegel nach der Eertigstellung des ganzen Werkes hinzufügte, noch deutlicher hervor. Im Schlußkapitel bezeichnet Hegel das absolute Wissen als den „sich selbst wissende[n] Geist" (IX, 432) und die Wissenschaft als „sein [des Geistes] wahres Wissen von ihm selbst" (IX, 430). Dadurch bestimmt er den Geist als Wahrheit der ganzen Phänomenologie des Geistes. Der Eortgang der Phämenologie des Geistes zugrunde liegenden Logik einführt. (Vgl. O. Pöggeler (1966a), 55). Denn in dieser Logik-Gliederung ist der Teil ab dem Vernunft-Kapitel bereits vorgesehen. Die These von der sich ursprünglich auf das Formelle beschränkenden Darstellung des Bewußtseins wird durch die Bemerkung richtiggestellt, daß dennoch alle Gestalten, wie sie im veröffentlichten Buch stehen, in diesem Entwicklungsgang des Bewußtseins zur Logik enthalten gewesen sein müßten. Der „gehaltvollste und konkreteste" Standpunkt der Logik setzt nämlich nach Hegel die entsprechende Erfahrung des Bewußtseins voraus (Enz § 25 Anmerkung), und alle Gestalten des Bewußtseins sollen jeweils einem Moment der Logik entsprechen. (Vgl. IX, 61, 432) 63 O. Pöggeler interpretierte zunächst „die eigentliche Wissenschaft des Geistes" nicht als die Logik, sondern als Geistesphilosophie (vgl. O. Pöggeler (1961), 212). Eolglich identifizierte er die Wissenschaft, deren „Momente" jeweils einer „Gestalt des erscheinenden Geistes" entsprechen sollen (IX, 432, vgl. auch 61), nicht mit der Logik, sondern mit dem ganzen System (vgl. O. Pöggeler (1961), 218f). Er sah auch im Selbstbewußtsein den „Punkt", auf welchem das Bewußtsein „seinen Schein ablegt" und „die Erscheinung dem Wesen gleich wird" (IX, 61f). (O. Pöggeler (1961), 212) Später revidierte er seine Ansicht (vgl. O, Pöggeler (1966a), 45 und (1973), 262), aber insistiert noch darauf, daß der Teil ab dem Selbstbewußtsein mit dem Standpunkt der Logik übereinstimme. (Vgl. O. Pöggeler (1973), 263) Diese Auffassung verknüpft sich mit seiner früheren These vom Kompositionswandel der Phänomenologie des Geistes (vgl. O. Pöggeler (1961), 207 223). Pöggelers Deutung der Phänomenologie des Geistes, die dem Selbstbewußtsein den Schwerpunkt beimißt, stützt sich auf diese frühere philologische Untersuchung, obwohl er sie später im Detail mehrfach korrigiert hat.
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nomenologie des Geistes läßt sich mit einem Ausdruck der Vorrede so dar stellen, daß das Bewußtsein als „das unmittelbare Dasein des Geistes" (IX, 29) durch die Vermittlung der Erfahrung hindurch zum Geist als seine Wahrheit wird. In diesem Prozeß, in dem das sich nicht bewußte Bewußtsein der selbstbewußte Geist wird, nimmt die Gewißheit ab und dementsprechend die Wahrheit zu. Bewußtsein und Wissenschaft oder Geist stehen nämlich im umgekehrten Verhältnis. Im Schlußkapitel bezeichnet Hegel zusammenfassend die Entwicklung der Darstellung der Phänomenologie des Geistes als „die Verwandlung jenes Ansichs in das Fürsich, der Substanz in das Subjekt, des Gegenstandes des Bewußtseins in Gegenstand des Selbstbewußtseins, d. h. in ebensosehr aufgehobenen Gegenstand oder in den Begriff". (IX, 429) Eine der Hauptthesen dieses Werkes, „das Wahre" sei „nicht als Substanz, sondern ebensosehr als Subjekt aufzufassen und auszudrücken" (IX, 18), läßt sich auch in diesem Kontext verstehen.^ Hegel konzipiert das Werk von 1807 als Einleitung zur Logik. Um das unwissenschaftliche Bewußtsein zu dieser Wissenschaft zu leiten, muß sie selbst in die Gegensatzstruktur „des Wissens und der dem Wissen negativen Gegenständlichkeit" (IX, 29) „versenkt" (IX, 40) werden und sich daraus wieder zum Begriff des Wissens oder zum absoluten Wissen reinigen. Die Wissenschaft der Erfahrung des Bewußtseins ist, von ihrem erreichten Ziel zurückblickend, die Selbstverwirklichung des im Bewußtsein erscheinenden Geistes. (2) Das methodische Verfahren der Phänomenologie des Geistes Diese Wendung vom Bewußtsein zum Geist spiegelt sich in Einleitung und Vorrede wider. Hegel stellt dem Werk von 1807 de facto zwei Einleitungen voran, nämlich die „Einleitung", die den eigentlichen Plan der „Wissenschaft der Erfahrung des Bewußtseins" vors teilt, und die „Vorrede", die der nachträglich jene „Einleitung" ergänzende Rück64 Werner Marx deutet Hegels Begriff der „lebendigen Substanz" (IX, 18) philosophiegeschichtlich als eine Überwindung des traditionellen Substanzbegriffs, die darin besteht, daß „die cartesische res extensa, die vom Denken durch einen Abgrund getrennt war, und die spinozistische Substanz, der das Denken nur als ein Attribut inhärierte, als vom Denken gesetzt und von ihm bewegt aufgezeigt werden muß". (W. Marx (1971), 65) „Da für Hegel Ausdehnung der Macht des Denkens unterliegt, insofern es sie gerade „aufheben" kann, gilt ihm die Substanz selbst - nicht nur qua Attribut - als Denken." (Ebenda 62)
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blick ist und zugleich einen vom erreichten wissenschaftlichen Standpunkt aus vorgenommenen programmatischen Ausblick auf das gesamte System der Philosophie gibt. Das Programm der Phänomenologie des Geistes selbst muß man in der „Einleitung", die die Weise und das Verfahren der Erfahrung des Bewußtseins vorläufig erklärt, aufsuchen. Denn die Methode der erscheinenden Wissenschaft kommt zum Vorschein durch die Erfahrung, die das Bewußtsein macht. Hegel eröffnet die Einleitung mit der Kritik an der geläufigen Erkenntniskritik, die er in zwei Lehren, nämlich die der Auffassung der Erkenntnis als Werkzeug wie bei Kant und als Mittel oder Medium wie bei J. Locke, teilt. Die beiden Lehren, die das Erkennen vor aller Erkenntnis als Werkzeug oder Medium erkannt und als Maßstab wahrer Erkenntnis vorausgesetzt haben wollen, können nach Hegel die Wahrheit nicht fassen. „Die Anwendung eines Werkzeuges auf eine Sache" läßt sie „nicht, wie sie für sich ist", sondern nimmt „eine Eormierung und Veränderung mit ihr" vor; auch durch „ein passives Medium [. . .] erhalten wir so sie nicht, wie sie an sich, sondern wie sie durch und in diesem Medium ist". (IX, 53; Hervorhebung von mir) Dieses Erkennen, das von außen her einen bestimmten Maßstab der Wahrheit an die Sache mitbringt, muß sich widersprechen, da es den Maßstab, der erst an der Sache selbst zu prüfen ist, bereits als wahr voraussetzt. Den Maßstab außer der zu erkennenden Sache verneint Hegel als einen, der „außer dem Absoluten, wohl auch außer der Wahrheit ist" (IX, 54). Nach Hegels Anspruch auf das voraussetzungslose Erkennen muß man die Sache selbst sich bewegen lassen, ohne ihr äußerlich einen Maßstab anzulegen. Beim Erkennen erscheint die Sache dem Bewußtsein, das sie in der Reflexionsstruktur des Subjekt-Objekt-Gegensatzes erfährt. Hierbei braucht man nur auf die ins Bewußtsein fallende Erscheinung der Sache selbst zu achten. Diese Erscheinung ist aber für Hegel nicht so leer wie die bei der Werkzeug-Theorie der Erkenntnis, sondern birgt einen Kern des wahren Wissens in sich. Wenn aber dieser Kern oder der Begriff des Wissens ins Bewußtsein tritt, ist sein „Auftreten noch nicht in [seiner] Wahrheit aufgeführt und ausgebreitet", so daß er im Plural der Erscheinungen liegt. (IX, 55) Die Erscheinungen des Wissens stehen als eine Pluralität von Gewißheiten neben- und gegeneinander. Jede versichert, die wahre Position zu vertreten, und meint, die anderen als falschen Schein verwerfen zu können. „Ein trocknes Versichern gilt aber gerade soviel als ein anderes" (IX, 55). Durch das Versichern kann man nur von einem
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Scheinwissen zum anderen gelangen, aber nicht beide zusammen als erscheinende Momente des Wahren erkennen. Dazu bedarf es eines gründlichen Skeptizismus, der einsieht, daß das „erscheinende Wissen [. . .] nur der nicht realisierte Begriff ist" (IX, 56) und sich deswegen von der in die Reflexionsstruktur fallenden Erscheinung zum Begriff reinigen muß. Wie der echte Skeptizismus im Skeptizismus-Aufsatz „nicht auf ein Zweifeln an den Wahrheiten des Verstandes, [...] sondern auf ein gänzliches Negieren aller Wahrheiten eines solchen Erkennens" (IV, 207) geht, so muß er hier an jeder Gestalt des erscheinenden Wissens verzweifeln. Die Skepsis ist hier nicht wie die Cartesianische methodische Skepsis „ein Rütteln an dieser oder jener vermeinten Wahrheit, auf welches ein gehöriges Wiederverschwinden des Zweifels und eine Rückkehr zu jener Wahrheit erfolgt, so daß am Ende die Sache genommen wird wie vorher" (IX, 56), sondern geht durch die Verzweiflung an einem Wissen hindurch zu dessen Wahrheit über. Aber während die Skepsis im Aufsatz von 1802 einen einmaligen Übergang vom endlichen zum unendlichen Erkennen vermittelt, muß „der Weg der Verzweiflung" nun „die Reihe ihrer Gestaltungen, als durch ihre Natur ihr vorgestreckter Stationen, durchwander[n]" (IX, 55). Hierzu führt Hegel die „bestimmte Negation" (IX, 57) als Übergangsmethode von einer zu einer anderen Gestalt des Bewußtseins ein. Von dem bloßen Skeptizismus, „der in dem Resultat nur immer das reine Nichts sieht" und sich in einen „leeren Abgrund" stürzt, unterscheidet Hegel seinen Skeptizismus als Übergangsmethode, die zu der Einsicht führt, daß „dies Nichts bestimmt ein Nichts dessen ist, woraus es resultiert". (IX, 57) Durch die Auffassung des Resultates als bestimmter Negation läßt dieser Skeptizismus aus der Negation „eine neue Form" entspringen und vollzieht den „Übergang, wodurch sich der Fortgang durch die vollständige Reihe der Gestalten" hindurch zum absoluten Wissen „von selbst ergibt" (IX, 57). In diesem Sinne ist er der „sich vollbringende Skeptizismus". Ausgehend von der Kritik an der zeitgenössischen Erkenntnistheorie gelangt Hegel so zu seiner eigenen auf der Methode des sich vollbringenden Skeptizismus basierenden Erkenntniskritik. Eine Gestalt des erscheinenden Wissens verzweifelt an sich und wird dadurch zu einer anderen Gestalt, die sich ebenso auf heben wird. Daraus ergibt sich eine Reihe von Gestalten, in der die jeweils aufgehobene in der neu auftretenden Gestalt zugleich aufbewahrt ist. Sie ist kein empirisches Aggregat der Erscheinungen, die gleichberechtigt nebeneinander stehen und einander als falsch vernichten. In ihr werden die Er-
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scheinungen vielmehr gemäß der ihnen zugrunde liegenden notwendigen Reihe des Begriffs des Wissens geordnet. Diese Art und Weise des Ordnens nennt Hegel „die Darstellung". Die Methode der Wissenschaft der Erfahrung des Bewußtseins, ist also nichts anderes als „die Darstellung des erscheinenden Wissens". (IX, 55) Hegel stellt eine Reihe der Erfahrungen des natürlichen Bewußtseins dar, in der es, sich über seine Beschränkung aufklärend, zum absoluten Wissen „dringt". Er konzipiert also seine eigene Erkenntniskritik als eine Selbstkritik des eingeschränkten Bewußtseins, die sich als eine „ausführliche Geschichte der Bildung des Bewußtseins selbst zur Wissenschaft" (IX, 56) entwickelt. Die Hauptsache an der Hegelschen Erkenntniskritik ist, daß wir es zur „Untersuchung und Prüfung der Realität des Erkennens" (IX, 58) „nicht nötig haben, Maßstäbe mitzubringen" (IX, 59). Da das zu prüfende Wissen und der Maßstab oder Gegenstand beide im Bewußtsein selbst vorhanden sind und das Bewußtsein an diesem seinem Maßstab sein Wissen auf dessen Realität hin prüft, brauchen wir der Selbstprüfung des Wissens nur zu:$usehen. Wenn uns als Philosophen „nur das reine Zusehen" (IX, 59) bleibt, läßt sich die Frage stellen, ob die Methode der Phänomenologie des Geistes phänomenologisch im Sinne von „deskriptiv", und somit nicht die Methode, sondern die Sache selbst dialektisch ist.'’^ Zur Antwort auf diese Frage muß man auf die Erfahrung des Bewußtseins und die Darstellerrolle des Philosophen näher eingehen. Nach Hegel lassen sich Wissen und Gegenstand oder Maßstab voneinander unterscheiden. Hegel geht zuerst das Wissen an, bevor er den Gegenstand als Ansichsein definiert. (Zum folgenden vgl. IX, 58) Wenn er sagt: das Bewußtsein unterscheidet den Gegenstand von sich, auf den „es sich zugleich bezieht", dann ist nicht von dem Gegenstand an sich die Rede, sondern von dem Gegenstand als dem bereits auf das Bewußtsein bezogenen. Diesen Gegenstand, der in der Beziehung auf das Bewußtsein steht, bezeichnet Hegel auch als den Gegenstand „für dasselbe". Seine Beziehung auf das Bewußtsein, sein „Sein für ein Bewußtsein,, nennt Hegel das Wissen. Das Wissen zeigt also einen Zustand des Gegenstandes, der schon in Beziehung auf das Bewußtsein steht 65 A. Kojeve sagt, daß der Inhalt der Philosophie Hegels, also Wirklichkeit oder Sein als solche, nicht nur in der Phänomenologie, sondern auch in der Metaphysik und der Ontologie, dialektisch sei, während ihre Methode einen einfach beschreibenden Charakter habe. (Vgl. A. Kojeve (1947), 177)
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oder für es seiend ist. Im Wissen ist bereits der Gegenstand irgendwie vom Bewußtsein gewußt, so daß das Wissen als der gewußte Gegenstand bezeichnet werden kann. Das Wissen, das Sein des Gegenstandes für das Bewußtsein, bedeutet eben den im Wissen vorhandenen Gegenstand. „Von diesem Sein für ein Anderes" unterscheidet Hegel dann das „Ansichsein" des Gegenstandes, der „seiend außer dieser Beziehung" ist. (IX, 58) Der Gegenstand an sich liegt vor oder nach der Beziehung auf das Bewußtsein. Er befindet sich nämlich in dem Zustand, in dem das Bewußtsein ihm seine Vermittlungstätigkeit noch nicht antut oder schon beendet hat. Dieser Zustand entspricht dem Bewußtsein, das durch die vermittelnde Beziehung auf den Gegenstand hindurch eine Einheit mit ihm erreicht. Die von der gegensätzlichen Beziehung befreite Einheit des Bewußtseins selbst ist also nichts anderes als der Gegenstand an sich, oder anders ausgedrückt, solch ein Bewußtsein hat den Gegenstand zu seinem Inhalt. Die hierin bestehende Einheit von Bewußtsein und Gegenstand ist die „Wahrheit" (IX, 58) oder „das Ansich", das den logischen Bestimmungen entspricht, die den phänomenologischen Bewußtseinsgestalten jeweils zugrunde liegen. Bei der neu anfangenden Tätigkeit des Bewußtseins setzt es sich den Inhalt der Einheit wiederum als Gegenstand entgegen, der nun als Maßstab des Wissens fungiert. So ist der Gegenstand an sich das Wahre oder der Maßstab. Zu diesem Verhältnis von Gegenstand und Bewußtsein fügt Hegel noch die Bemerkung hinzu: Er „ist ihm [...] außer der Beziehung oder an sich" (IX, 59; Hervorhebung von mir). Diese besondere Stellung des Gegenstandes an sich, innerhalb des Bewußtseins als von ihm unabhängiges Gegenüber zu sein, ist nur aus dem Prozeß der Erfahrung des Bewußtseins, das die Einheit entzweit und den Gegensatz wiederum vereint, zutreffend auszulegen, worauf unten noch näher eingegangen wird. Auf dem bisher dargestellten Grundunterschied von Wissen und Gegenstand basierend läßt sich der Erfahrungsgang des Bewußtseins in zwei Etappen teilen. Hierbei liegt folgende Tatsache zugrunde: Von einem Gegenstand hat das natürliche Bewußtsein ein Wissen. In der natürlichen Einstellung sieht es zuerst ihn als das Ansich, das Wesentliche, an, das „ist, gleichgültig dagegen, ob [es] gewußt wird oder nicht" (IX, 64). Der Gegenstand gilt hier im Unterschied zum Wissen oder zu seinem „Sein für das Bewußtsein" als „außer dieser Beziehung oder an sich" seiend, obwohl er innerhalb des Bewußtseins vorhanden ist. Er fungiert deswegen als Maßstab des Wissens. Die
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Funktionsmöglichkeit des Gegenstandes als Maßstab kommt also aus der natürlichen Einstellung des Bewußtseins. Hegel erhebt selbst einen möglichen Einwand gegen seinen Ansatz der Erkenntniskritik, indem er sich fragt, wie der Gegenstand, der für das Bewußtsein nur so zu sein scheint, wie es ihn weiß, ein Maßstab des Wissens sein kann (vgl. IX, 59). Darauf antwortet er, daß „gerade darin, daß es überhaupt von einem Gegenstände weiß, schon der Unterschied" zwischen Ansich oder Maßstab und Wissen vorhanden sei. (IX, 59f) Hierbei geht er von der Natur des Bewußtseins aus, das sich den Gegenstand, an dem es sein Wissen von ihm prüft, immer wieder entgegensetzt. Das Bewußtsein, das in der Reflexionsstruktur den Gegenstand erfaßt, trennt sich von Natur aus zuerst von diesem und bezieht sich dann auf ihn, weswegen der Gegenstand zunächst, von der Tätigkeit des Bewußtseins distanziert, als deren Maßstab fungieren kann. In dieser lockeren Beziehung erscheint ihm der Gegenstand als Maßstab des Wissens, der sich in der Tat dann stets als gewußter erweist. Das natürliche Bewußtsein hat aber immer „die Besorgnis, in Irrtum zu geraten" (IX, 54). Es ändert seine Einstellung und nimmt gegenüber seinem Wissen nun zweitens eine kritische Haltung an. Es zweifelt, ob es den Gegenstand richtig aufgefaßt hat. Um die Richtigkeit seines Wissens festzustellen, muß das Bewußtsein sein Wissen mit dem Gegenstand vergleichen. Denn der Gegenstand ist als Wesentliches der Maßstab des unwesentlichen, veränderlichen Wissens. Beim Vergleich der beiden bemerkt das Bewußtsein aber ein anderes Verhältnis zwischen den beiden. Trotz der Immanenz des Gegenstandes im Bewußtsein hat es ihn früher als unabhängig von seiner Tätigkeit oder dem Wissen erachtet. Dagegen sagt Hegel nun: „Das vorhandene Wissen war wesentlich ein Wissen von dem Gegenstände". (IX, 60; Hervorhebung von mir) „Das vorhandene Wissen" meint hier zweifellos das Wissen, das den Gegenstand nicht als Sein für das Bewußtsein, sondern als an sich seienden ansah. Denn als das Wissen, das ,war', ist es eindeutig als das in der vergangenen natürlichen Einstellung vorhandene identifizierbar. Die Aussage scheint also der früheren Bestimmung des Verhältnisses von Wissen und Gegenstand zu widersprechen. Dieser Widerspruch läßt sich jedoch auf lösen, wenn man den Ausdruck „wesentlich" beachtet. Wenn man es wesentlich betrachtet, so Hegel, stellt sich heraus, daß das Wissen überhaupt ein schon von dem Gegenstand wissendes ist. Das Wissen, das in der natürlichen Einstellung seinen Gegenstand als Ansichsein betrachtete, war aus der Sicht der wesentlichen oder kritischen Einstellung ein Wissen von dem Gegenstand, ein Wissen, das
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schon von ihm wußte. Die Intentionalität des Wissens ist nämlich schon als seine Auffassung des Gegenstandes zu deuten. Das natürliche Bewußtsein, das sich in Wissen und dessen negativen Gegenstand entzweit, gleicht diesen Gegensatz zugleich aus. Dieser Ausgleich besagt, daß sich der Gegenstand, der an sich zu sein schien, nun als das Gewußte des Wissens erweist. Indem das natürliche Bewußtsein sein Wissen kritisch angeht und es am Gegenstand prüft, findet also ein Umschlag von der natürlichen zur kritischen Einstellung des Erkennens statt, der zugleich von einer Veränderung des Gegenstandes vom „Ansich" zum „Für-es-Sein dieses Ansich" (IX, 60) begleitet ist. Diese Veränderung bedeutet/wr das Bewußtsein seine Aneignung des Gegenstandes, der früher als das von ihm unabhängige Ansichsein erschien. Da die Aneignung in der Tat in der natürlichen Einstellung bereits geschehen ist, scheint nun die neu ausgeführte Tätigkeit des Bewußtseins bloß seine kritische Reflexion zu sein, die die Richtigkeit seines Wissens am Gegenstand feststellt. Auch zwischen den beiden Zuständen des Gegenstandes scheint eine bloß zeitliche, aber nicht inhaltliche Differenz von vor und nach der Tätigkeit des Bewußtseins zu liegen. Wenn aber die Prüfung, in der das Bewußtsein aus der kritischen Sicht sein Wissen mit dem Gegenstand vergleicht, nur auf das Feststellen einer Übereinstimmung der beiden hinausliefe, dann könnte sich dieses symmetrische Verhältnis zwischen beiden nicht weiter entwickeln. Für Hegel, der eine Wissenschaft der Erfahrung des Bewußtseins als Darstellung der ,,ganze[n] Folge der Gestalten des Bewußtseins in ihrer Notwendigkeit" (IX, 61) entwirft, muß das Verhältnis von Wissen und Gegenstand auch immer wieder asymmetrisch werden, so daß das Wissen sich von seiner Natürlichkeit oder Beschränktheit allmählich befreiend die Folge seiner Formen vollständig durchlaufen kann. Um diese Reihe der Gestaltungen des Bewußtseins zustande zu bringen, muß es aus seiner Erfahrung, die es auf jeder Stufe gemacht hat, den Gegenstand der nächsten Stufe entspringen lassen. Wenn sich nun Wissen und Gegenstand beim Vergleich nicht entsprechen, „so scheint das Bewußtsein sein Wissen ändern zu müssen, um es dem Gegenstand gemäß zu machen" (IX, 60). Die Prüfung oder der Vergleich bedeutet hier nicht eine bloße Feststellung, sondern eine Korrektur des Wissens, wodurch ein neuer Zustand des Gegenstandes im Bewußtsein auftritt. Diese Veränderung wird, wie gesagt, so ausgedrückt, daß das „Ansich"' zum „Für-es-Sein dieses Ansich" wird. Bei der Prüfung erfährt also das Bewußtsein, daß „dasjenige, was ihm vorher das
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Ansich war, nicht an sich ist oder daß es nur/wr es an sich war" (IX, 60). Wenn die Erfahrung aber nichts als einen formellen Wandel des Gegenstandes zum Wissen beinhaltet, dann kann sie sich von der bloßen Feststellung der Übereinstimmung nicht unterscheiden. Soll die Veränderung eine Korrektur des Wissens sein, dann muß das Wissen zum Anderen im Hegelschen Sinne werden, in dem das „Für-das-Bewußtsein-Sein" des Ansich das Gegenteil des „Ansich" ist. Hierbei knüpft Hegel an seinen Gedanken des Gegenteils seiner selbst aus der Logik und Metaphysik von 1804/05 an. Das Gegenteil ist nach Hegel nicht eine bloße Verneinung des Wissens vom Gegenstand, sondern auch dessen neuer Inhalt. Die Veränderung des „Ansich" zum „Für-das-Bewußtsein-Sein dieses Ansich" ist nämlich nicht als eine bloß erkenntnistheoretische Tätigkeit des Bewußtseins, in der es sein früheres Wissen vom Gegenstand verneint und es mitsamt dem vermeintlichen Gegenstand als falsch verwirft, sondern als eine Entstehung des neuen Wissens vom Gegenstand aufzufassen. Dieser Auffassung liegt der Gedanke der bestimmten Negation des sich vollbringenden Skeptizismus zugrunde. „Das Wissen vom ersten Gegenstand" (IX, 60), das das Bewußtsein infolge der Verzweiflung an der ersten Vorstellung von ihm erreicht, ist nicht einfache Korrektur und Verneinung dieser Vorstellung, die sich, wie bei einem bloßen Skeptizismus, in den Abgrund stürzt, sondern repräsentiert einen korrigierten Inhalt des Gegenstandes, der die bestimmte Negation des ersten Gegenstandes ist.^^ Diesen neuen Inhalt des Gegenstandes erklärt Hegel aber nicht nur für das Wissen von ihm, sondern ferner für den neuen Gegenstand. So entwickelt sich jene Auffassung zu der Behauptung, daß „das Wissen vom ersten Gegenstände, oder das Fwr-das-Bewußtsein des ersten Ansich, der zweite Gegenstand selbst werden soll". (IX, 60) Es fragt sich jedoch, ob man das Wissen selbst mit dem Gegenstand unmittelbar gleichsetzen kann, obwohl sich die beiden im Bewußtsein voneinander unterscheiden. Zur Lösung dieses Problems läßt sich eine prozessuale Auffassung vom Verhältnis der beiden einführen. Das Wissen kann erst der Gegenstand sein, nachdem es sich den Inhalt seines Wissens wiederum als Gegenstand entgegengesetzt hat. Das Bewußtsein setzt sich wegen seiner Natürlichkeit sein neues Wissen vom ersten Gegenstand immer wieder als den wahren Gegen66 Zur Unterscheidung zwischen der Erfahrung im gewöhnlichen Sinn als einfacher Korrektur einerseits und der Erfahrung des Bewußtseins als dessen Umkehrung andererseits. (Vgl. O. Pöggeler (1973), 240)
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stand entgegen und sieht ihn in der natürlichen Einstellung als Maßstab seines Wissens an. Die Natürlichkeit ist nämlich eben die Negativität des Bewußtseins, die die Einheit als ausgeglichenen Gegensatz wiederum in den Gegensatz von Wissen und Gegenstand entzweit. So setzt es sich beispielsweise das Allgemeine, das Resultat seiner Prüfung der sinnlichen Gewißheit, als ihm neuen Gegenstand, als das wahrnehmbare Ding von vielen Eigenschaften, entgegen. Somit wird der Wissensinhalt als Ergebnis der Prüfung nun der Gegenstand der nächsten Stufe.^^ Das Beispiel erhellt Hegels Aussage: „ln der Veränderung des Wissens ändert sich in der Tat auch der Gegenstand selbst". (IX, 60) Die Veränderung des „Ansich" zum „Für-das-Bewußtsein-Sein dieses Ansich" scheint zwar in erster Linie das Zustandekommen des Erkennens zu bedeuten, in dem der Gegenstand als Ansich zum Gewußten des Wissens wird, da Hegel das Wissen als „das Sein des Gegenstandes für das Bewußtsein" (IX, 60) definiert. „Das Eür-es-Sein des Ansich" ist aber nicht nur als „die Reflexion des Bewußtseins in sich" (IX, 60), sondern als der zweite Gegenstand aufzufassen. Die über den ersten Gegenstand gemachte Erfahrung ist also der zweite Gegenstand. (Vgl. IX, 60) Die Erfahrung des Bewußtseins oder die Veränderung des „Ansich" zum „Für-es-Sein dieses Ansich" ist somit als Übergang von einem zum nächsten Gegenstand aufzufassen. Auch die Prüfung des Wissens, bei der es sich umkehrt, ist nicht nur die Entstehung des neuen Wissens, sondern auch die des zweiten Gegenstandes. Indem der erste Gegenstand dem veränderten Inhalt des Wissens nicht mehr angemessen ist und ihm nicht mehr als Maßstab dienen kann, setzt das neue Wissen einen ihm entsprechenden Gegenstand, der nun als Maßstab der Prüfung des Wissens in der neuen Gestalt des Bewußtseins
67 Der Kommentar von A. Graeser zur Einleitung zur Phänomenologie des Geistes, der sich nur auf die Einleitung, einen vorläufigen und abstrakten Umriß der Erfahrung des Bewußfseins, beschränke hat Schwierigkeiten mit der Erklärung des Verhältnisses von Gegenstand und Bewußtsein oder Wissen (vgl. A. Graeser (1988), 122 - 126). Er kann z. B. das Merkmal des Ansich, das innerhalb des Bewußtseins selbst aber außer der Wissensbeziehung liegt, nicht eindeutig bestimmen. (Vgl. ebenda 143) Er sieht nicht, daß die Möglichkeit des Ansich, als Maßstab des Wissens zu fungieren, lediglich aus der Negativität des natürlichen Bewußtseins und deren prozessualen Entfaltung ausreichend erklärbar ist, in der z. B. der erfahrene Wissensinhalt der sinnlichen Gewißheit nun als Ansich oder Maßstab der Wahrnehmung, aber nicht wiederum der sinnlichen Gewißheit auftritt. Das Ergebnis der Erfahrung der sinnlichen Gewißheit, das hinter ihrem Rücken die logische Bestimmung „das Allgemeine" in sich begreift, setzt sich nämlich in das Bewußtsein der Wahrnehmung als deren Maßstab oder Ansich, bevor es sich in die Erfahrung des Bewußfseins der Wahrnehmung verwickelt.
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fungiert. „Die Prüfung" ist also „nicht nur eine Prüfung des Wissens, sondern auch ihres Maßstabes". (IX, 60) Die Betrachtung der Erfahrung des Bewußtseins als dialektische Bewegung, in der der Gegenstand einer Bewußtseinsgestalt „durch eine Umkehrung des Bewußtseins selbst" (IX, 61) zu einem anderen Gegenstand einer veränderten Gestalt wird, nennt Hegel nun „unsere Zutat", die nicht wie früher gesagt „nur das reine Zusehen" (IX, 59) ist, sondern dasjenige, „wodurch sich die Reihe der Erfahrung des Bewußtseins zum wissenschaftlichen Gange erhebt und welche nicht für das Bewußtsein ist, das wir betrachten" (IX, 61; Hervorhebung von mir). Die Selbstnegation des beschränkten Bewußtseins muß nach der Methode des sich vollbringenden Skeptizismus eine bestimmte Negation sein, aus der ein neuer Gegenstand und somit eine neue Gestalt des Bewußtseins entspringen muß. Dieser Übergang muß sogar mit Notwendigkeit ausgeführt werden. „Diese Notwendigkeit oder die Entstehung des neuen Gegenstandes, der dem Bewußtsein, ohne zu wissen, wie ihm geschieht, sich darbietet, ist es, was für uns gleichsam hinter seinem Rücken vorgeht." (IX, 61) Hegel unterscheidet hiermit die dialektische Bewegung oder die Reihe der Erfahrungen des Bewußtseins ßr es von den ihr zugrunde liegenden logischen Kategorien ßr uns. Hegels Aussage, daß die erstere „der Inhalt dessen, was uns entsteht" (IX, 61), sei, läßt sich so verstehen, daß die Kategorien für das Bewußtsein in das Materielle eingebettet sind, wenn man die spätere klare Definition des Inhalts als formierter Materie (vgl. XI, 301) in Rechnung stellt. Die Materie ist hier das natürliche Bewußtsein, das wegen seiner Subjekt-Objekt trennenden Beschränktheit die Wahrheit immer in der Gewißheit faßt. „Wir begreifen" dagegen „nur das Eormelle dessen, was uns entsteht, oder sein reines Entstehen". (IX, 61) Wir haben als Philosophen bereits in einer Reihe der reinen Begrifflichkeit oder Pormalität die notwendige Entstehung der Gegenstände vor Augen. Insofern der Gegenstand als Ansichsein betrachtet und „an sich" und „für uns" gleichgesetzt wird, zeigt er zwar die entsprechende logische Eorm, da der Inhalt des Gegenstandes nichts anderes als die Wahrheit, die Einheit, ist, die aus der Erfahrung des Bewußtseins oder aus dem Vergleich des Entgegengesetzten resultiert. An dem ausgeglichenen Gegensatz oder an der Entstehung des neuen Gegenstandes vermag das Bewußtsein aber die Eorm von dem Geformten oder dem materiellen Inhalt nicht zu abstrahieren und weiß auch nicht, daß und wie diese Eorm in das Bewußtsein gehört, weswegen ihm der
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Gegenstand als Ansich gilt.^® „Das Bewußtsein, wie es" die Wahrheit oder den Begriff nur „unmittelbar hat, tritt wieder als neue Gestalt des Bewußtseins auf, welche in dem Vorhergehenden ihr Wesen nicht erkennt, sondern es für etwas ganz anderes ansieht". (IX, 101) Es setzt sich sein Wesen, das es durch die Erfahrung gewonnen hat, als einen ihm fremden Gegenstand entgegen, an dem es wiederum seine Gewißheit von ihm prüfen muß. Aus seiner Negativität oder Natürlichkeit wiederholt das Bewußtsein immer diese Selbstnegation, insofern es seine Wahrheit, nämlich daß der Gegenstand der seiner selbst ist, nicht bemerkt. Bei dieser perennierenden Erfahrung hält das Bewußtsein nur am vorhandenen Gegenstand fest, so daß es immer wieder „vergißt", was es erfahren hat, und „die Bewegung von vorne" anfängt (IX, 69), ohne seinen zukünftigen Weg zu ahnen. Es gehört deswegen zur Aufgabe des Philosophen, die verschiedenen Weisen der Erfahrung in eine Reihe zu ordnen. Sie müssen sich nämlich mit der Notwendigkeit entwickeln, die von der Logik herkommt. Die Logik leitet hierbei den Weg des erfahrenden Bewußtseins hinter dessen Rücken. Der Folge der Gestalten des Bewußtseins liegt daher eine ihr entsprechende Reihe der logischen Bestimmungen zugrunde. Erst am Ende des Fortganges der Erfahrung des Bewußtseins enthüllt sich freilich die Logik in ihrem klaren Ganzen, aber ihre Begrifflichkeit wirkt bereits in jedem Schritt des Bewußtseins zum Geist. Der „Weg zur Wissenschaft selbst" ist deswegen schon „ Wissenschaft" und nach ihrem Inhalt „Wissenschaft der Erfahrung des Bewußtseins". (IX, 61) „Die Erfahrung" des Bewußtseins enthält doch ihrem Begriffe nach „nichts weniger [...] als das ganze Reich der Wahrheit des Geistes". (IX, 61) Da wir als Philosophen bereits die Logik vor Augen haben, können wir eine „Zutat" hinzufügen, die verschiedenen Formen des seiner Wahrheit gewissen Bewußtseins zu einem notwendigen Zusammenhang zu bringen. Die Tätigkeit des Bewußtseins, das eigentlich in Nichts zugrunde gehen kann, führt der Philosoph zu dessen höherer Gestalt nach der Reihenfolge der logischen Bestimmungen. Der notwendige Übergang von einer Gestalt zu einer anderen wird nämlich nur vermöge der logischen Notwendigkeit geleistet. „Für das Bewußtes W. Marx unterscheidet die Gegenständlichkeit vom Gegenstand. Jene ist die logische Form, dessen Vorstellung für das Bewußtsein dieser ist. Es unterscheidet die beiden nicht voneinander. Daß die logische Form eigentlich die Bestimmung des Selbst ist, eben dies ergibt sich aus der Fortbestimmung der Gestalten des Bewußtseins und für es selbst. (Vgl. JV. Marx (1971), 85f)
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sein" erscheint so „das Entstandene nur als Gegenstand", an dem allein es hängenbleibt. (IX, 61) Nur „für uns" sind dagegen „Bewegung und Werden", die aus einem Gegenstand einen anderen entspringen lassen, möglich. In das Bewußtsein als sinnliche Gewißheit tritt z. B. die logische Bestimmung „reines Sein" als Gegenstand „Dieses". Das Bewußtsein ist sich hier gewiß, daß es in der Weise der sinnlichen Gewißheit den Gegenstand am reichsten und wahrhaftesten erkennen kann. Es erfährt aber, daß sich der Gegenstand, der unmittelbar und schlechthin individuell sein soll, in der Tat als ein kumulatives Allgemeines herausstellt. Das Allgemeine tritt für es in der Wahrnehmung als das Ding auf, wobei das Bewußtsein davon überzeugt ist, seinen Gegenstand wahr nehmen zu können. Das Ding, das sich selbst gleich sein soll, scheitert jedoch am Widerspruch, den die Einheit von Eürsichsein und Sein-für-ein-Anderes ausmacht. Jede Erkenntnisform des Bewußtseins, sei es die sinnliche Gewißheit oder die Wahrnehmung, ist für es mit der Gewißheit verbunden, daß sie allein zur Wahrheit kommen kann, indem sie auf dem vorhandenen Gegenstand beharrt. Dieses Versichern kann aber eigentlich durch das gleichberechtigte andere einfach verneint werden. Eben der Philosoph ist derjenige, der die verschiedenen Formen der Behauptungen des Bewußtseins stufenweise so ordnet, daß das Ergebnis einer Umkehrung des Bewußtseins (z. B. in der Erfahrung der sinnlichen Gewißheit) der Anfang einer höheren Fähigkeit (z. B. der Wahrnehmung) wird. Er läßt nämlich einer bestimmten Erfahrungsweise eine neue folgen, indem er die erstere nicht annulliert, sondern in das Gegenteil ihrer selbst Umschlagen läßt, dessen Inhalt der Gegenstand der nächsten ist. Hierbei ist dasjenige, das diese Verbindung ermöglicht, die logische Bestimmung; so verbindet z. B. das Allgemeine, das das Ergebnis der Erfahrung der sinnlichen Gewißheit und zugleich der Gegenstand der Wahrnehmung ist, die beiden Arten der Erfahrung des Bewußtseins. Aufgrund seiner Logik organisiert also der Philosoph, Hegel, die verschiedenen Erkenntnisweisen des Bewußtseins als eine Reihe von Gestalten^^ des Bewußtseins. Den Weg zur Wissenschaft konzipiert Hegel Da die Vokabel „Gestalt" für Hegel ein sinnlicher unmittelbarer Ausdruck eines Inneren ist, ist die Gestalt des Bewußtseins schon ein Moment der Bewußtseinsentwicklung, die durch den Geist vermittelt wird. Die lückenlose Reihe der logischen Bestimmungen macht nämlich die separaten Erkenntnisweisen des natürlichen Bewußtseins zu stufenweise sich steigernden Leistungen des einen Subjekts des Bewußtseins, das sich auf verschiedene Weise erfährt. - Aus ähnlichen Gründen unterscheidet W. Marx das natürliche Bewußtsein und das erscheinende Wissen voneinander. Das erstere ist ihm zufolge das
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hiermit als eine genetische Darlegung der verschiedenen Fähigkeiten und Leistungen des Bewußtseins durch ein leitendes Prinzip, nämlich einen notwendigen Fortgang der logischen Bestimmungen/® (3) Die Reflexion des Bewußtseins und der Widerspruch Da Hegel diese Notwendigkeit bereitstellt, kann er den Übergang von einer Gestalt des Bewußtseins zu einer anderen als ein Sich-Ändern des ersten Gegenstandes beschreiben, der „aufhört, das Ansich zu sein, und zu einem solchen wird, der nur ßr es [Bewußtsein] das Ansich ist" (IX, 60). Aber die Veränderung des „Ansich" zum „Für-das-Bewußtsein-Sein dieses Ansich" oder die Erfahrung des Bewußtseins, in der der erste Gegenstand der zweite wird, findet schon am neuen Wissen statt, das sich bei der Prüfung als eine bestimmte Negation der früheren Vorstellung ergibt. Die Pointe des methodischen Verfahrens besteht in dieser Entstehung des Wissens, die die Entstehung des Gegenstandes bzw. den Übergang einer Gestalt des Bewußtseins zu einer anderen und somit deren „ganze Folge in ihrer Notwendigkeit" ermöglicht. Hegel achtet hierbei auf die Reflexionsstruktur des Bewußtseins. Bei dem Vergleich oder der Prüfung stößt das Wissen des Bewußtseins in der natürlichen Einstellung auf die Negation seiner Realität. Durch die Reflexion des Bewußtseins in sich gerät es in den Widerspruch, in dem es seiner früheren Position nun deren Negation hinzufügt. Das reflektierende Bewußtsein, das Subjekt und Objekt trennt, muß also wegen dieser Endlichkeit sich selbst aufheben. Diese Selbstaufhebung des endlichen Bewußtseins tritt für es als Negation der Realität seines Erkennens auf. Es muß angesichts des Widerspruchs zwischen Gegenindividuelle und beschränkte Bewußtsein, das in die unorganische Natur geworfen ist, während das letztere im Zusammenhang der logischen Notwendigkeit liegt, so daß es als Gegenstand einer Darstellung zu dem Ziel, dem absoluten Wissen, hindringt. (Vgl. W. Marx (1971), 26 - 33, bes. 31 - 32) 70 Wenn der absolute Geist als allgemeines Selbstbewußtsein bestimmt wird und somit die Wahrheit des Bewußtseins das Selbstbewußtsein ist, kann die Logik als grundlegende Struktur des Selbstbewußtseins betrachtet werden. In diesem Sinn interpretiert K. Düsing Hegels Phänomenologie des Geistes in einem philosophiegeschichtlichen Kontext als Fortführung von Fichtes und Schellings Versuch. (Vgl. K. Düsing (1993a), 109) Die Idee einer Geschichte des Selbstbewußtseins in Fichtes Grundlage der gesamten Wissenschaftslehre (1794) und Schellings System des transzendentalen Idealismus (1800) ist bekannt als Vorläufer der Hegelschen Phänomenologie des Geistes. (Vgl. W. Bonsiepen (1988), XXlXf; W. Marx (1971), 14ff)
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stand und Wissen bei der Prüfung sein Wissen verändern; dieses wird somit das Andere. Dieses Andere ist das Andere seiner selbst, insofern die logische Notwendigkeit dem Übergang der Gestalten des Bewußtseins eine Einheit gibt. Das Wissen wird also das Andere oder das Gegenteil seiner selbst, das als neues Wissen zugleich den Gegenstand der nächsten Gestalt des Bewußtseins setzt. So wird die Realität eines Erkennens aufgehoben, und es tritt die eines anderen auf. Indem sich der Widerspruch zwischen der Behauptung der Realität des Erkennens und deren Negation so in der Logik des Gegenteils seiner selbst entwickelt, bildet sich eine Reihe der Selbstaufhebung des endlichen Bewußtseins. Da die Entstehung des Wissens zugleich die des Gegenstandes ist, kann man durch Auslassung des vermittelnden Zwischenstadiums des Wissens die ganze Reihe der Gegenstände gewinnen, die den logischen Bestimmungen entsprechen. Hegel hält eine Gesamtstruktur der logischen Kategorien bereit, bevor er sie in der Erfahrung des Bewußtseins ins Spiel bringt. Hierbei verknüpft er die dialektische Übergangslogik mit der Natur des Bewußtseins. Das Bewußtsein macht wegen seiner Natürlichkeit immer wieder sein Wissen zum Gegenstand. Wegen seiner Endlichkeit gerät es bei der Reflexionin-sich in einen Widerspruch. In diese „Unruhe" des Bewußtseins setzt Hegel seinen logischen Übergang ein, in dem eine logische Bestimmung ihr Anderes hervorbringt, um sich durch dieses wiederum konkreter zu bestimmen. Da das Bewußtsein sich des Gegenstandes, in dem es sich selbst vorausgesetzt hat, nicht als Ausdruck seiner selbst bewußt sein kann, schwankt es zwischen sich und seinem fremden Selbst. Der Philosoph führt nicht nur diese Schwankung in die bestimmte Richtung, die die Logik vorzeichnet, sondern gibt auch der Schwankung selbst eine Regel. Hegel prägt der Widersprüchlichkeit in der Reflexionsstruktur des Bewußtseins die logische Struktur des Endlichen ein, die er in der Logik von 1804/05 darstellte. Auf die Selbsfaufhebung des endlichen Bewußtseins wendet er somit als deren Übergangsmethode die Logik des Gegenteils seiner selbst aus der früheren Logik an, durch die sich das Endliche im Unendlichen immer wieder aufhebt. Wie der endlichen Bestimmung in der früheren Logik, schreibt Hegel nun dem Bewußtsein Prädikate wie „die reine Negativität oder das Sichentzweien", „die Bewegung des Sichselbstaufhebens" (IX, 428) und „Unruhe" (IX, 432) oder „absolute Unterscheidung" (IX, 34) u. ä. zu. Diese Negativität drückt, sich auf sich beziehend, die Struktur des Seins überhaupt aus. Wie in der Logik und Metaphysik von 1804/05 gehören
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die dem endlichen Bewußtsein zugewiesenen Prädikate auch zur Substanz, die zugleich das Subjekt ist, oder zum Geist. So sagt Hegel nun: „das Sein oder die Unmittelbarkeit" ist es, „welche nicht die Vermittlung außer ihr hat, sondern dies selbst ist". (IX, 28) In der Struktur der Reflexion-in-sich des Bewußtseins erscheint diese Vermittlung, die die Natur des Bewußtseins in der Phänomenologie des Geistes und ferner die Verfassung des Seins überhaupt ausmacht, als Widerspruch der „Sichselbstgleichheit" und „Ungleichheit mit sich" (IX, 39). (4) Phänomenologie und Logik In das Verfahren der Erfahrung des Bewußtseins bildet Hegel die Methode der Logik von 1804/05 hinein, die er unmittelbar vor der Abfassung der Phänomenologie des Geistes in einer voll entwickelten Form dargestellt hat. Da sich Hegel zur Zeit der Abfassung der Phänomenologie des Geistes schon der Haltlosigkeit der Unterscheidung von Logik und Metaphysik bewußt war, konzipierte er eine neue Logik, die die frühere Logik und Metaphysik integriert. Auf der Gliederung dieser Logik, die Hegel am Ende der Naturphilosophie und Philosophie des Geistes von 1805/06 skizzierte, jedoch nicht konkretisierte, beruht die Reihenfolge der der Phänomenologie des Geistes zugrunde hegenden Logik.^^ Die Logik, die Hegel nun mit der spekulativen Philosophie gleichsetzt (vgl. IX, 30), gliedert er wie folgt: „absolutes Sein, das sich Anderes (Verhältnis) wird, Leben und Erkennen und wissendes 71 Indem H.-F. Fulda und O. Pöggeler auf das Problem des Verhältnisses von Phänomenologie des Geistes und Logik hinwiesen, eröffneten sie eine neue Richtung der Interpretation der Phänomenologie des Geistes in Abhebung von der seit A. Kojeve geläufigen anthropologisch-existentialistischen Deutung. Fulda erwähnt zwar die mögliche Entsprechung der Logik-Gliederung von 1805/06 zur Phänomenologie des Geistes (vgl. H.-F. Fulda (1965), 95, besonders Fußnote 88 und 90), aber seine Lösung dieses Problems beruht letztlich allein auf der propädeutischen Logik von 1808/09 (vgl. ebenda 142-145). Da diese Deutung aber den Mangel aufweist, in die Phänomenologie des Geistes die einer späteren neueren Konzeption gemäß geschriebene Logik hineinzuziehen, modifiziert Fulda seine These (vgl. H.-F. Fulda (1966), 98, Fußnote 48) und beruft sich nun auf die LogikGliederung von 1805/06 (vgl. ebenda 97). Pöggeler behauptet zuerst, daß man sich zur Entsprechung zwischen Logik und Phänomenologie an der Logik, Metaphysik, Naturphilosophie von 1804/05 und an der Logik-Gliederung von 1805/06 orientieren muß. (Vgl. O. Pöggeler (1966a), 55) Später sagt er aber, daß die Phänomenologie des Geistes nicht jenem Manuskript, sondern nur dieser Gliederung entspricht. (Vgl. O. Pöggeler (1973), 268f) 72 In diesem Gedankenstrich sieht O. Pöggeler eine Spur der früheren Gliederung von Logik und Metaphysik und nennt die zweite Hälfte den „metaphysischen Teil". (Vgl. O. Pöggeler (1973), 269, 270) J. H. Trede, im Problem der Entsprechung von Logik und Phä-
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Wissen, Geist, Wissen des Geistes von sich" (VIII, 286). Hegel läßt den Gestalten des Bewußtseins in der Phänomenologie des Geistes diese logischen Momente entsprechen, um zu zeigen, wie die logischen Bestimmungen exemplarisch in den entsprechenden Erfahrungen des Bewußtseins gebraucht werden. Somit klärt er das Bewußtsein über seine Beschränktheit auf, indem er zeigt, wie es von den logischen Begriffen Gebrauch macht und was es indessen erfährt. Durch eine Anleitung des natürlichen Bewußtseins zum Gebrauch von philosophischen Grundbestimmungen belehrt es der Philosoph also über das wahre Wissen. Die Phänomenologie des Geistes, die Darstellung des Wegs zum absoluten Wissen, tut nichts anderes, als mit dem natürlichen Bewußtsein am Beispiel seiner eigenen Erfahrung einzuüben, wie mit den Grundbestimmungen der Logik umzugehen ist. Aber die Momente der Logik entsprechen im Text nicht eindeutig den Gestalten des Bewußtseins, da viele logische Bestimmungen in einem Exempel auf verschiedenen Ebenen zugleich wirken. In der Phänomenologie des Geistes lassen sich im Prinzip zwei Textsorten unterscheiden: Einmal schreibt Hegel am Anfang und Ende jedes Kapitels, worum es gehen soll und gegangen ist, und gibt damit eine logische Übersicht ,für uns'. Dazwischen steht der phänomenologische Text, der beschreibt, wie das Bewußtsein sich selbst prüft. Im logischen Metatext des Wahrnehmungskapitels wird beispielsweise das „uns entstandene“ Prinzip zuerst von dem Ergebnis des vorausgehenden Kapitels, nämlich dem kumulativen Allgemeinen her als „das Allgemeine" (IX, 71) bezeichnet. Für den Gegenstand „Ding", das eine Einheit der kumulativen Eigenschaften ist, ist „sein Kriterium der Wahrheit [.. .] die Sichselbstgleichheit" (IX, 74), die nun als Maßstab der Prüfung fungiert. Die beiden Bestimmungen „Allgemeinheit" und „Sichselbstgleichheit" stehen aber nicht in der Logik-Gliederung von 1805/06.^^ Durch die widersprüchliche Einheit von Fürsichsein und nomenologie mit Pöggeler einig gehend, bezieht in der methodischen Ausführung die Teile vor und nach dem Gedankenstrich im einzelnen auf die Logik und die Metaphysik von 1804/05, indem er sich auf die Aussage Hegels im Vernunftkapitel der Phänomenologie des Geistes stützt: „Damit, daß das Selbstbewußtsein Vernunft ist, schlägt sein bisher negatives Verhältnis zu dem Anderssein in ein positives um." (IX, 132) (/. H. Trede (1975), 199f, 202ff) Inwiefern diese Aussage sich als Unterscheidung von Logik und Metaphysik deuten läßt, wird sich unten (vgl. Fußnote 79 dieses Kapitels) herausstellen. 73 Indem H.-F. Fulda deswegen auf den undeutlichen Bezug der Phänomenologie auf die Logik verweist, versucht er, „Elemente, in denen die Gestalten ihren Inhalt haben", und die „Weisen des Ansich" unterscheidend, deren Bezug auf jedes Kapitel der Phänomenologie des Geistes zu erläutern. (Vgl. H.-F. Fulda (1966), 97 - 99) Unter dem ersten Ge-
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Sein-für-ein-Anderes des Dinges löst sich dessen Sichselbstgleichheit zum Verhältnis mit anderem auf: „Durch den absoluten Charakter gerade und seine Entgegensetzung verhält es [das Ding] sich zu anderen und ist wesentlich nur dies Verhalten; das Verhältnis aber ist die Negation seiner Selbständigkeit, und das Ding geht vielmehr durch seine wesentliche Eigenschaft zugrunde." (IX, 15) So erweist sich die Wahrheit des Dinges als das Verhältnis, das die zweite Grundbestimmung jener Gliederung ist. Um zum Verstandeskapitel überzugehen, bezeichnet Hegel aber nun im Metatext die Einheit von Eürsichsein und Sein-fürein-Anderes, das Ergebnis der Erfahrung des wahrnehmenden Bewußtseins, als „unbedingte absolute Allgemeinheit" im Unterschied zur anfänglichen sinnlich bedingten Allgemeinheit. (IX, 79) „Das unbedingte Allgemeine", das im Metatext des Verstandeskapitels als der sichtspunkt führt er auf: „I. Dasein, II. reines Wesen, III. Verhältnis, IV. das lebendige Dasein" und unter dem zweiten: „I. Sein, II. Sichselbstgleichheit, III. das einfache Innere, das noch der Reflexionslogik angehört, IV. das Verhältnis." Seine Unterscheidung scheint aber im Text nicht unumstritten belegt zu sein. Trotz des Verzichts auf die Logik von 1808/09 legt Fulda hier noch die Dreiteilung von Seins-, Wesens- und Begriffslogik, insbesondere die Gliederung der Wissenschaft der Logik, zugrunde, indem er dem ersten Kapitel die Seinslogik, dem zweiten die Reflexionslogik innerhalb der Wesenslogik und dem dritten die Verhältnisse des Erscheinungs-Kapitels der Wesenslogik zuschreibt. In der unmittelbar vor der Phänomenologie des Geistes ausgearbeiteten Logik von 1804/05 ist aber keine methodische Unterscheidung von Seins- und Wesenslogik zu erkennen. Der Widerspruch, der sich im zweiten Kapitel ergibt, ist, aus der Gliederung der Wissenschaft der Logik gesehen, zwar eine Reflexionsbestimmung. Dessen Relata „Eürsichsein" und „Sein-für-ein-Anderes" treten aber nicht einmal als Reflexionsbestimmung auf und drücken vielmehr auch in der Wissenschaft der Logik das Seinsverhältnis, in dem etwas zum anderen übergeht, aus. So gesehen unterscheidet Hegel in der Phänomenologie des Geistes noch nicht Seins- und Wesenslogik. - O. Pöggeler weist darauf hin, daß Eulda dem Selbstbewußtsein die logische Bestimmung „Verhältnis" entsprechen läßt, da er sich auf die Nürnberger Logik, in der Hegel Ding, Eigenschaften, Kraft, Erscheinung und übersinnliche Welt den Kategorien „Substanz und Akzidens" norawsschickt, beruft. (Vgl. O, Pöggeler (1966a), 53) Wenn man aber die Dreiteilung der Wissenschaft der Logik auf die Gliederung der Phänomenologie des Geistes beziehen will, muß man dem Selbstbewußtsein die Begriffslogik zuschreiben. Denn die Natur oder Bewegung des Wesens in der Wissenschaft der Logik stellt Hegel mit einem Vokabular aus der Physik wie „Abstoßen seiner von sich" (XI, 242, 251, 397 u. a.) - das ist das die gesamte Wesenslogik durchziehende Schlüsselwort - dar, bevor er in der Begriffslogik Ausdrücke der Biologie wie „Zweck" und „Leben" hineinbringt; im Verstandes-Kapitel der Phänomenologie des Geistes bedient sich Hegel ebenso der Pormulierung „Abstoßen des Gleichnamigen" (IX, 98, vgl. auch 96, 101), die im Selbstbewußtseins-Kapitel von dem Begriff des Lebens abgelöst wird. Im Streit um die logische Zuordnung des Selbstbewußtseins-Kapitels folgt J. H. Trede der These Pöggelers, daß das SHbsf-bewußtsein dem Begriff und nicht den Kategorien der objektiven Logik entsprechen müsse (vgl. O. Pöggeler (1966a), 53) und das unmittelbare Leben sowie die gegenseitige Anerkennung als dessen Erfahrung im vierten Kapitel für „Leben und Erkennen" erklärt werden müssen (vgl. O. Pöggeler (1973), 242 - 257; /. H. Trede (1975), 206).
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„wahre Gegenstand des Bewußtseins" bestimmt wird, entwickelt sich, in die Reflexionsstruktur des Bewußtseins eintretend, zu den Verhältnissen von Kraft und ihrer Äußerung sowie von erscheinender Welt und dem Inneren, das wiederum zur übersinnlichen Welt oder zum Reich des Gesetzes und schließlich zur verkehrten Welt fortschreitet. Der innere Unterschied in der verkehrten Welt ist nun als „der Widerspruch zu denken" (IX, 98), den Hegel noch wie in der früheren Logik mit der „Unendlichkeit" (IX, 99) gleichsetzt. Indem die „absolute Unruhe des reinen Sichselbstbewegens", die die Unendlichkeit erhält, als Selbstbewußtsein aufgefaßt wird, geht nun der Prozeß der Erfahrung des Bewußtseins zum Selbstbewußtseinskapitel über, das das „Leben" zum „Gegenstand" hat (IX, 104).^'^ Was bei dieser exemplarischen Darstellung der Gestalten des Bewußtseins im Umgang mit den logischen Bestimmungen auffällt, ist, daß schon in dem einen Kapitel „Wahrnehmung" ebenso viele verschiedene Bestimmungen der Logik Zusammenwirken, wie Bestimmungen des Verstandeskapitels. Außer den Kategorien wie Allgemeinheit, Sichselbstgleichheit oder Fürsichsein und Sein-für-einAnderes, Widerspruch u. ä. wird selbst das Ding als Medium von Eigenschaften später in der Wissenschaft der Logik als logische Bestimmung betrachtet. Da auch die Bestimmungen im phänomenologischen Text schon logische Kategorien in der späteren Logik sind, lassen sich die beiden Ebenen nicht eindeutig unterscheiden. Daher ist es schwer, logisches Moment und Bewußtseinsgestalt detailliert zuzuordnen. Die Generallinie des Erfahrungsprozesses geht aber zweifellos vom absoluten Sein der sinnlichen Gewißheit zum Verhältnis des Wahrnehmungs- und Verstandeskapitels über. Denn in der Wahrnehmung 74 Darin, daß Hegel durch die Kritik an der Abstraktheit des Reichs der Gesetze zur verkehrten Welt, die in der beständigen Unterscheidung ihrer von sich selbst die Einheit des Selbstseins erhält, übergeht, findet sich nach H.-G. Gadamer die Hegelsche Auffassung, daß das Leben die höhere Wahrheit des Seins sei. Das Lebendige ist nicht das Resultat aufeinander wirkender Gesetze, sondern es ist gegen sich gekehrt oder es verhält sich, ln diesem Leben, in diesem negativen Selbstbezug der verkehrten Welt, sieht Gadamer eine gründliche Wendung der Auffassungen vom Seienden oder einen Ansatz des teleologischen Weltverständnisses. (Vgl. H.-G. Gadamer (1966), 152, 153) Die Vokabel „verkehrt" hat zwei Bedeutungen: Einmal zeigt die verkehrte Welt „die verkehrte" (IX, 96) oder „das Gegenteil der ersten" übersinnlichen Welt (IX, 97). Sie ist andererseits „das Gegenteil" oder „die verkehrte ihrer selbst" (IX, 99), sich selbst widersprechend. Durch die Bedeutung der Verkehrtheit, die den Vorrang des Lebens über Gesetze zeigt, unterscheidet sich die Hegelsche Dialektik von der marxistischen Auffassung, daß die Dialektik eine Wissenschaft über die allgemeinen Gesetze der äußerlichen Welt und der Bewegung des menschlichen Denkens sei (vgl. F. Engels (1888), 293).
4. Die Methode der Phänomenologie des Geistes und der Widerspruch
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entwickelt sich die anfängliche Einheit des Dings mit seinen Eigenschaften zum Verhältnis von Fürsichsein und Sein-für-ein-Anderes, und die Darstellung der Bestimmungen des Verstandeskapitels ist im Grunde nichts anderes als das verwirklichte Verhältnis. Jene Relationskategorien der beiden Kapitel, die die Grundbestimmung „Verhältnis" der Logik von 1805/06 füllen, treten zum ersten Mal in der Phänomenologie des Geistes auf, während Bestimmungen wie Qualität, Quantum, Substanz, Kausalität und Wechselwirkung aus der Kantischen Kategorientafel schon in die frühe Logik aufgenommen wurden und die festen Bestandteile der Logik von 1804/05 waren. Sie gelangen über die Entwürfe der propädeutischen Logiken in den zweiten Abschnitt „Erscheinung" der Wesenslogik der Wissenschaft der Logik. Wenn der erste Abschnitt der Wesenslogik die Reflexion des Wesens in ihm selbst und der dritte das absolute Verhältnis oder die Einheit des Verhältnisses ist, kann man den Abschnitt „Erscheinung" als das wirkliche oder verwirklichte Verhältnis bezeichnen. Substantialität, Kausalität und Wechselwirkung, die Kant in die Klasse der Relationen einteilte, werden als solche in der Phänomenologie des Geistes nicht behandelt. Diejenigen Kategorien, die in den dem Verhältnis entsprechenden Kapiteln „Wahrnehmung" und „Verstand" ausgeführt werden, sind Hegels eigene, die einen großen Anteil in der späteren Logik ausmachen. Der Inhalt der beiden Kapitel der Phänomenologie des Geistes wird zum großen Teil und ohne die Unterscheidung zwischen phänomenologischen und logischen Aspekten in die Wissenschaft der Logik übernommen. Die Phänomenologie des Geistes ist also nicht nur ein Beispiel der Anwendung der Logik, sondern bildet selbst eine Stufe der Entwicklung der Logik. Unter diesem Gesichtspunkt ist sie als Ausgestaltung des Logikentwurfs von 1805/06 anzusehen, der nur in einer Gliederungsskizze zu Papier gebracht worden ist. Bemerkenswert am Wahrnehmungs- und Verstandeskapitel ist, daß der Widerspruch als Ergebnis der Erfahrung nicht nur den Übergang ermöglicht, sondern auch den Charakter der ganzen Bewegung der beiden Bewußtseinsgestalten bestimmt. Die Bewegung der Wahrnehmung stellt sich nämlich „als das Sichselbstvernichten widersprechender Begriffe" dar, und die Bewegung des Verstandes hat dessen „gegenständliche Form" (IX, 85). Bei jener befindet sich der Widerspruch zwischen den Begriffen „Eins und Vieles" oder „Fürsichsein und Sein-für-ein-Anderes" in einem Ding. Bei dieser ist der Widerspruch derjenige des Verhältnisses zwischen vergegenständlichten Polen „Kraft und ihre Äußerung", „Erscheinung und Inneres" u. ä. Ins-
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Kapitel 2; Das philosophische Streben nach der Einheit der Antinomie
besondere werden die Kategorien, die sich im Schlußkapitel und in der Vorrede als Seinsverfassung des Bewußtseins überhaupt darstellen, zum Ausdruck der Wahrheit der Erfahrung in den beiden Kapiteln benutzt. Hegel faßt also das Ding als Vermittlung und die Relationskategorien des Verstandeskapitels als Entwicklung jener Vermittlung oder des Verhältnisses auf. So gesehen lassen sich die Logik-Gliederung von 1805/06 und die Kapitel der Phänomenologie des Geistes wie folgt zuordnen: Das absolute Sein - die sinnliche Gewißheit; Verhältnis Wahrnehmung und Verstand; Leben und Erkennen - Selbstbewußtsein; wissendes Wissen - Vernunft; Geist - Geist; Wissen des Geistes von sich - Religion und absolutes Wissen.^® (5) Die Methode der Phänomenologie des Geistes Noch bedeutsamer als die Reihenfolge der den phänomenologischen Gestalten entsprechenden logischen Bestimmungen ist im Kontext unserer Untersuchung des Widerspruchsbegriffs die Frage, wie man „die Methode der Ausführung" der Erfahrung des Bewußtseins als ein notwendiges Verfahren konstruieren kann. Hegel bestimmt sie „als ein Verhalten der Wissenschaft zu dem erscheinenden Wissen" (IX, 58). Das methodische Verfahren der Phänomenologie des Geistes besteht also darin, daß man die Methode der Logik in die Erfahrung des Bewußtseins hineinbildet, um diese mit Notwendigkeit auszuführen. Im ständig wiederkehrenden blinden Drang des natürlichen Bewußtseins selbst findet sich keine Notwendigkeit, die es zum wahren Wissen dringen läßt. Erforderlich ist also eine Zutat des Philosophen, die die Erfahrung des Bewußtseins in einen geordneten Zusammenhang bringt. Er muß aber schon in die Erfahrung des Bewußtseins eingreifen.
75 O. Pöggeler weist darauf hin, daß Hegel selbst im Schlußkapitel die logischen Momente den Gestalten des Bewußtseins so zuordnet: „Dem unmittelbaren Bewußtsein" der sinnlichen Gewißheit läßt er dort das „unmittelbare Sein", der Wahrnehmung „ein Anderswerden seiner, sein Verhältnis", und dem Verstand „Wesen" oder „Allgemeines" entsprechen. (Vgl. IX, 422f) Die folgenden Teile der Logik-Gliederung jedoch entsprechen nach Pöggeler den phänomenologischen Gestalten nicht eindeutig, so daß der Wrsuch, die Entsprechung im einzelnen nachzuweisen, schwierig wird. Der Grund dafür sei, daß Hegel die Logik nur konzipiert, aber niemals ausgearbeitet habe und stattdessen bei seiner Arbeit an der Logik alsbald eine deutlich veränderte Konzeption verfolgt habe. (Vgl. O. Pöggeler (1966a), 57 und (1973), 270, 271) Auch Eulda äußert eine ähnliche Meinung. (Vgl. H.-F. Fulda (1966), 101)
4. Die Methode der Phänomenologie des Geistes und der Widerspruch
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da es sonst das Ergebnis seiner Erfahrung nicht mit einer neuen Erfahrung verbinden kann. Die Erfahrung des Bewußtseins besteht aus zwei Ebenen: Einmal vergegenständlicht das Bewußtsein wegen seiner Natürlichkeit immer wieder sein Wissen. Wegen dieser Trennung oder Ungleichheit ist das Bewußtsein das Negative, das Mangelhafte. Es ist aber andererseits die Negativität, die Negation dieses Negativen, insofern es sich zur Einheit bewegt, um diesen Mangel zu überwinden. Als diese reflektiert es zunächst sein Wissen kritisch - sei es aus natürlicher Besorgnis oder skeptischer Gewohnheit. Wenn das Bewußtsein aber „in gedankenloser Trägheit stehen bleiben will", dann tritt „der Gedanke" hinzu, und „seine Unruhe stört die Trägheit". (IX, 57) Nach Hegels Konzeption der Phänomenologie des Geistes müssen wir dieser Erfahrung des Bewußtseins aus seiner Unruhe heraus, die im phänomenologischen Text beschrieben wird, rein Zusehen. Dann müssen wir als Philosophen das Resultat dieser Erfahrung durch logische Bestimmungen erklären, was im Metatext ausgeführt wird. Insofern sich der phänomenologische Text und der Metatext voneinander unterscheiden, scheint der erstere bloß das reine Zusehen zuzulassen. Da aber in der Erfahrung des Bewußtseins von seinem Gegenteil, dem Inhalt des nächsten Gegenstandes, die Rede ist, wirkt darin bereits die Logik des Gegenteils seiner selbst. Die Logik ist nicht nur die Reihenfolge der logischen Bestimmungen, sondern vielmehr noch die Dialektik der Umkehrung, die die Art und Weise der Bewegung des Bewußtseins ausmacht und erst dadurch jene logische Reihe ermöglicht.^® So gesehen kann man die kritische Wendung des natürlichen Bewußtseins anders ausdrücken: Durch die logische Notwendigkeit, die der Philosoph bei der Hand hat und in das Verfahren der Erfahrung des Bewußtseins hineinsetzt, ist dieses nämlich gezwungen, kritisch in sich zu reflektieren, und sogar in der Weise, in der es sein Wissen zum Gegenteil seiner selbst umkehrt. Die Zutat des Philosophen oder die Dialektik als Logik des Gegenteils seiner selbst macht die Reflexion des Bewußtseins zur Reflexion-in76 In der Erfahrung des Bewußtseins „zeigt sich der neue Gegenstand als geworden, durch eine Umkehrung des Bewußtseins selbst. Diese Betrachtung der Sache ist unsere Zutat, wodurch sich die Reihe der Erfahrungen des Bewußtseins zum wissenschaftlichen Gange erhebt und welche nicht für das Bewußtsein ist, das wir betrachten". (IX, 61) In dieser leicht mißverständlichen Passage bezieht sich „unsere Zutat" zwar nicht auf die „Umkehrung des Bewußtseins selbst", sondern auf die Betrachtung der Entstehung des neuen Gegenstandes. Dieser Übergang, der für uns vorgeht, ist aber nur durch die Umkehrung des Bewußtseins möglich.
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Kapitel 2: Das philosophische Streben nach der Einheit der Antinomie
sich, die einen Widerspruch herbeiführt, und treibt somit dessen Negativität zur sich auf sich beziehenden Negativität weiter. Erst dadurch kann die Unruhe oder Ungleichheit, die aus der perennierenden Asymmetrie von Wissen und Gegenstand herrührt, zum wahren Wissen Vordringen, und der Skeptizismus kann sich vollbringen. Der Anspruch auf reines Zusehen ist nur im Zusammenhang mit der Kritik an der geläufigen Erkenntniskritik zu verstehen, die unabhängig vom Erkannten einen Maßstab des Erkennens bereitstellt. Der Maßstab des Erkennens muß nach Hegel nicht außer, sondern in der Sache selbst, hier in der Erfahrung des Bewußtseins, entstehen und jeweils an der Sache geprüft werden. Für die Prüfung, die in solcher Weise ausgeführt wird, muß man das reine Zusehen überschreiten und der Erfahrung eine Zutat nach dem methodischen Verfahren geben. Die Methode besteht hier darin, die Erfahrung des Bewußtseins nach Maßgabe der Logik zu organisieren und somit das natürliche Bewußtsein zum erscheinenden Wissen der logischen Notwendigkeit zu machen. Sie ist nicht die einfache Beschreibung desjenigen, was im Bewußtsein des Philosophen als Zuschauer vorgeht, sondern die Art und Weise, in der der Philosoph die Erfahrung des Bewußtseins in ein Verhältnis zur Logik bringt.^^ ln der Methode sind also Phänomenologie des Geistes und Logik ununterscheidbar. Hegel sagt selbst, daß die „Methode" nichts anderes als die Logik, „der Bau des Ganzen, in seiner reinen Wesenheit aufgestellt", ist. (IX, 35) „Die Natur der wissenschaftlichen Methode" hat „in der spekulativen Philosophie" oder Logik „ihre eigentliche Darstellung". (IX, 41) Die Phänomenologie des Geistes als Wissenschaft der Erfahrung des Bewußtseins folgt dieser Methode. Durch die Perspektive des Subjekt-Objekt-Gegensatzes sondert sie sich von der Logik. Nach der Methode aber sind beide nicht zu unterscheiden, da die logische Notwendigkeit die Umkehrung des Bewußtseins leitet. Die Methode der Phänomenologie des Geistes liegt nicht in der Beschränktheit des Bewußtseins, sondern in der Logik der Umkehrung.
Die Gültigkeit der These von A. Kojeve, daß der Inhalt (Gegenstand) der Philosophie Hegels dialektisch sei, aber ihre Methode einfach deskriptiv, muß zuerst eingeschränkt werden, wenn wir phänomenologischen Text und Metatext voneinander unterscheiden. Denn mindestens im Metatext überschreiten wir als Philosophen deutlich die einfache Beschreibung der Erfahrung des Bewußtseins. Jene These wird ferner dadurch gänzlich widerlegt, daß der darin gebrauchte Sinn von Methode der Hegelschen Auffassung widerspricht. In Hegels Philosophie ist ,Methode' nichts anderes als ein Synonym für Logik,
4. Die Methode der Phänomenologie des Geistes und der Widerspruch
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Zu beachten ist, daß Hegel von vornherein die Phänomenologie des Geistes anders als die Logik von 1804/05 konzipierte. In der Logik von 1804/05 ist nach der Konzeption Hegels die gegenständliche Substanz von unserer Reflexion, dem endlichen Subjekt, getrennt, so daß sich die Kategorien der Logik, die in das beschränkte Subjekt fallen, von denen des absoluten Subjekts der Metaphysik unterscheiden. Hätte die Phänomenologie des Geistes eine konzeptionelle Identität mit der früheren Logik, müßte der logische „Inhalt" außer der Substanz „in die Reflexion fallen, die ihr nicht angehört, weil sie nicht Subjekt wäre". (IX, 431) Auf dem Weg zur Wissenschaft ist aber „das Ziel" oder die Wissenschaft der Logik bereits „dem Wissen notwendig als die Reihe des Fortganges gesteckt". (IX, 57)^® Phänomenologie des Geistes und Logik sind also logisch identisch, so daß die phänomenologischen Exempel dem Inhalt der Logik nichts mehr hinzufügen. Erst in der Phänomenologie des Geistes bzw. der ihr entsprechenden Logik, die die Logik und die Metaphysik von 1804/05 vereinigt, kann Hegel so aus seiner vollendeten spekulativen Perspektive auf die Frage nach der Einheit des Endlichen und Unendlichen antworten, indem er Subjekt und Substanz, Endliches und Unendliches einander gänzlich durchdringen läßt. Da die Phänomenologie des Geistes als exemplarische Übung der Grundbestimmungen der Logik das Bewußtsein zu ihrem Beispiel hat, muß sie sich zwar in der Trennung von Gegenstand und Wissen den Weg zur Wissenschaft bahnen. Insofern die Bewegung des Bewußtseins der logischen Notwendigkeit folgt, ist sie aber der Bewegung der Kategorien der Logik gleich.^^ Trotz der Differenz des endlichen und unendlichen Erkennens wirkt die Logik des unendlichen Erkennens im 78 O. Pöggeler weist darauf hin, daß die Kategorie des Zwecks in der früheren Logik und Metaphysik noch keinen Platz hat, während Hegel in der Vorrede zur Phänomenologie des Geistes fordert, die Vernunft als zweckmäßiges Tun zu begreifen (IX, 20). (Vgl. O. Pöggeler (1964), 164) In der Phänomenologie des Geistes folgt Hegel hiermit anders als in den Arbeiten der ersten Jenaer Jahre mehr Aristoteles als Platon. (Vgl. O, Pöggeler (1973), 294) 75 Den Gedankenstrich mitte der Logik-Gliederung von 1805/06, der eine Spur der Unterscheidung von Logik und Metaphysik von 1804/05 zeigt, erklärt J. H. Trede für die Grenze, die die negative Dialektik, Logik oder Skeptizismus, bis zum Selbstbewußtseinskapitel der Phänomenologie des Geistes von der positiven Metaphysik ab dem Vernunftkapitel scheidet. (Vgl. Fußnote 72 dieses Kapitels) Diese These widerspricht der Einschätzung aus seinem Schlußwort, daß die Wissenschaft der Erfahrung des Bewußtseins mit der Bewegung des Geistes selbst identisch sei. (/. H. Trede (1975), 209) Denn die Bewegung der Kategorien der Logik steigert kontinuierlich Schritt für Schritt, aber ihre Steigerung stoppt nicht an einem Punkt, der in der Mitte der Folge liegt. Der Gedankenstrich läßt sich also nicht als Ausdruck der methodischen Unterscheidung wie in der Logik und Metaphysik von 1804/05 auslegen.
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Kapitel 2: Das philosophische Streben nach der Einheit der Antinomie
endlichen Erkennen des Bewußtseins. Darüber belehrt Hegel das natürliche Bewußtsein. Durch die Aufklärung des natürlichen Bewußtseins über seine Beschränktheit, durch ein exemplarisches Lernen, das ihm den Zugang zur Wissenschaft eröffnet, intendiert er sowohl seine eigene Erkenntniskritik an der zeitgenössischen Reflexionsphilosophie als auch somit eine Begründung des Standpunktes seiner spekulativen Philosophie.
KAPITEL 3
DIE IDENTITÄT ALS WIDERSPRUCH
1. Leben und Widerspruch Die Formulierung in der Vorrede zur Phänomenologie des Geistes, daß die Vernunft das zweckmäßige Tun sei (IX, 20), zeigt eine wichtige Wendung der Hegelschen Philosophie. Denn indem Hegel den Begriff des Lebens, der in der Realphilosophie von 1805/06 mit dem Begriff des Zwecks neu auftritt, in die Logik-Gliederung hineinbringt, entwickelt er den logischen Ansatz zur teleologischen Auffassung des Absoluten weiter. Das Leben ist, wie im ersten Kapitel gezeigt wurde, für den Hegel der Frankfurter Zeit ein Vereinigungsprinzip, das nur praktisch-religiös gesucht wird und deswegen dem begrifflichen Erkennen gegenübersteht. Auch im philosophischen Streben nach der Einheit des entzweiten Lebens am Anfang der Jenaer Zeit, das die Antinomie als Ausdruck des Absoluten auffaßt, ist das Leben noch dem Begriff äußerlich. Denn die Auffassung des Absoluten durch die Reflexion ist nur äußerlich mit der transzendentalen Anschauung verbunden, ohne sie in sich zu integrieren. In der Differenz-Schrift drückt sich das Leben bereits als Entzweiung aus, die wiederum das Bedürfnis der Philosophie nach der Totalität hervorbringt. Hegel faßt es jedoch als das Leben der einzelnen Menschen in der Geschichte auf, die dem Begriff als der „Begründungstendenz, die Philosophie auf Logik zurückzuführen" (IV, 91), äußerlich bleibt. Nach Rosenkranz (R 182) spricht Hegel in seiner Vorlesung von 1803^ vom Begriff als dem „Vermittler zwischen sich und dem Leben", der „das Leben in sich" und sich „im Leben" findet. Auf dieser Vermittlung basiert das Prinzip des absoluten Geistes in der 1 Zur Datierung vgl. M. Baum und K. Meist (1977), 44.
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Kapitel 3; Die Identität als Widerspruch
Logik, Metaphysik, Naturphilosophie von 1804/05. Da die unzulängliche Wendung zur Subjektmetaphysik noch die Trennung von Logik und Metaphysik beinhaltet, kann das absolute Subjekt im Anderswerden sich nur finden oder erkennen^ ohne sich selbst zum Anderen zu machen. Die Vollendung der Vermittlung zwischen Leben und Begriff erfolgt erst durch die Aufwertung des Lebens und des Zwecks in der Naturphilosophie und Philosophie des Geistes von 1805/06. Im Vergleich zur Realphilosophie von 1803 betrachtet Hegel hier das Leben neu als das Organische, das sich aus sich entfaltet. Das Leben, sich über Gegensätze zu einer Totalität vermittelnd, bringt nun einen teleologischen Prozeß in die Realphilosophie ein. Indem Hegel das Leben mit dem Erkennen zusammen in die Logik-Gliederung einführt, vermittelt er es mit dem Begriff in einer teleologischen Struktur desselben. Dieser Gedanke bleibt allerdings noch logisch ungeklärt, weil Hegel diesen Entwurf nicht verwirklicht hat. Er wird erst in der phänomenologischen Ausarbeitung aufgrund der Logikskizze ausführlich entwickelt, bevor er sich in der Wissenschaft der Logik ausdrücklich darstellt. In der Phänomenologie des Geistes beschreibt Hegel das Leben nicht mehr als das der einzelnen Menschen in der Geschichte. Es ist vielmehr „das Leben des Geistes", das den Tod erträgt und in diesem Negativen sich erhält. (IX, 27) Dieses Leben, das in sich den Begriff trägt, ist eben das Subjekt als Substanz, das Sein als Vermittlung. (Vgl. IX, 27f) Das absolute Subjekt entwickelt sich gemäß seiner inneren Zweckhaftigkeit zu seiner Vollendung. Somit wird auch die Geschichte nicht als die dem Menschen äußerliche Entwicklungslinie der Gestalten des Geistes, sondern als die Geschichte des sich teleologisch entfaltenden lebendigen Geistes begriffen. Die Aufnahme des Lebensbegriffs in die Logik oder die teleologische Wendung der Auffassung des Absoluten führt auch eine bemerkenswerte Veränderung in der Auffassung des Widerspruchs herbei. In der Differenz-Schrih betrachtet Hegel die Antinomie als Ausdruck des Absoluten. Die Antinomie repräsentiert nur die negative Seite, in der die Gegensätze einfach zusammenfallen. Auch der Naturrechts-Aufsatz vertritt letztlich noch dieselbe Position. Die logische Artikulation des 2 Gemäß der Unterscheidung von Logik und Metaphysik gehört die Kategorie ,Erkennen' zur dem Gegenstand äußeren Reflexion der Logik. Da der absolute Geist als das realisierte Erkennen durch die Logik des Erkennens beherrscht wird, kann er das Andere als sich selbst nur finden. (Vgl. VII, 173) Die Entäußerung des absoluten Geistes in Anderes, Endliches, ist nämlich noch nicht ausdrücklich artikuliert. Deswegen ist das ,Erkennen' hier noch anders konzipiert als das seit 1805/06.
2. Kontrarietät und Kontradiktion
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Widerspruchs in der Logik und Metaphysik von 1804/05 tritt, ihre mangelhafte Gliederung ablegend, in die teleologische Auffassung des Absoluten von 1805/06 ein, w^o das Leben entscheidend ist. Nach dieser neuen Deutung des Absoluten vermittelt sich der Widerspruch als dessen Ausdruck mit dem Leben. Der Widerspruch wird somit in das Leben eingebettet, das Leben ist ein existierender Widerspruch. Indem das Absolute als Geist von der teleologischen Bewegung des Lebens her gesehen wird, wirkt nun der Widerspruch als Triebkraft dieser Bewegung, die das Ansichsein zum Fürsichsein entwickelt. Mit dieser Wendung ist verbunden, daß Hegel in der Wissenschaft der Logik den Widerspruch mit „Trieb und Tätigkeit" (XI, 286) gleichsetzt. Er bezeichnet ihn als „die Wurzel aller Bewegung und Lebendigkeit" (XI, 286) oder „das Prinzip" (XI, 287) bzw. den „Urgrund aller Tätigkeit und Selbstbewegung" (XI, 266). Seine Negativität wird als „die innewohnende Pulsation der Selbstbewegung und Lebendigkeit" (XI, 288) im Reflexionsbestimmungs-Kapitel der Wesenslogik ausführlich dargestellt. Bevor wir diese spekulative Auslegung angehen, müssen wir noch einen kurzen Blick darauf werfen, wie Hegel die Gymnasiasten den Begriff des Widerspruchs gelehrt hat. Aus dem Gymnasialunterricht nämlich läßt sich Hegels Einschätzung der gewöhnlichen Auffassung des Widerspruchs entnehmen. 2. Kontrarietät und Kontradiktion {Nürnberger propädeutische Logiken) (1) Die Darstellungsweise der propädeutischen Logiken Während seiner Unterrichtstätigkeit in Nürnberg von 1808 bis 1816 lehrt Hegel die Logik besonders intensiv von 1808 bis 1813, dem Erscheinungsjahr des zweiten Bandes der Wissenschaft der Logik, der Wesenslogik. (Vgl. WW 4, 294 - 302) Die propädeutischen Logiken dieses Zeitraums lassen sich als Entwürfe der Wissenschaft der Logik ansehen, insofern sie sich an der kohärenten Darstellung einer Reihe von Denkbestimmungen versuchen. Sie erlauben somit Einblicke in die allmähliche Herausarbeitung dieses Werkes. Je geringer der zeitliche Abstand zwischen ihnen und der Veröffentlichung der Wissenschaft der Logik wird, desto geringer werden auch die Differenzen. Ihr Stellenwert als Logikentwürfe wird aber insofern eingeschränkt, als sie auf die Erfordernisse eines gymnasialen Philosophievortrags abgestellt sind. Das
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Kapitel 3: Die Identität als Widerspruch
Ziel des philosophischen Unterrichts ist zwar nach Hegels eigenem Bericht, „spekulativ denken [zu] lernen". (WW 4, 416) Da aber „der Gymnasialunterricht wesentlich vorbereitend" ist, besteht er vornehmlich darin, auf „das abstrakte und dann das dialektische Denken, ferner die Erwerbung von Vorstellungen spekulativen Inhalts" hinzuarbeiten. (WW 4, 416) Er soll „das aus der Dialektik hervorgehende Spekulative" nicht „in der Form des Begriffs" behandeln - „dies kann nur sparsam im Gymnasialvortrag Vorkommen" -, sondern es nur „vor die Vorstellung" bringen. (WW 4,415f) Diesem Lehrplan gemäß unterrichtet Hegel die Gymnasiasten beispielsweise über die Kantische Antinomienlehre in dialektischem Denken. Er faßt dafür einfach den Inhalt der Kantischen Antithetik zusammen, ohne wie in der späteren Logik Kritik an ihrem Argumentationsverfahren zu üben. Die Kantische Behauptung, daß „weder das Endliche noch das dem Endlichen entgegengesetzte Unendliche Wahrheit habe" (WW 4,93), führt Hegel dann zu seiner Auffassung des wahrhaften Unendlichen: „Ihre Wahrheit" sei „das in sich selbst endliche Unendliche oder das in sich selbst unendliche Endliche; d. h. die freie Selbstbestimmung, welche sich in sich unterscheidet, hiermit ihre Schranken selbst setzt (Seiten der Endlichkeit), aber ebensosehr aufhebt und darin in sich zurückkehrt (Seite der Unendlichkeit)". (WW 4, 96) Die Kantischen Antinomien, die zwar „eine tiefe Grundlage über das Antinomische der Vernunft" in sich bergen, aber „zu wenig in ihrer Wahrheit" erkennen, bewertet Hegel als „ein zu schlechtes Dialektisches". (WW 4, 414) „Unendlich besser ist", so Hegel, „die Dialektik der alten Eleatiker".^ (WW 4, 414) Somit stellt Hegel klar, welche Bedeutung die Kantische Antinomie nun für seine Logik hat. Für die Realrepugnanz bediente sich Hegel in Glauben und Sein noch des Ausdrucks „Antinomie", den er in der Differenz-Schrift wahlweise durch „Widerspruch" ersetzte. Während er in der frühen und mittleren Logik aus der Jenaer Zeit den Widerspruch als das methodische Prinzip entwickelte, verschwand die „Antinomie" aus Hegels logischen Bestimmungen. Sie betrachtet Hegel nunmehr als eine bestimmte Art des Widerspruchs, die in der Kosmologie auftritt. Diesem in den pro3 Hegel spielt hier auf die Dialektik Zenons an. - In der Wissenschaft der Logik schätzt Hegel die Kantische Dialektik höher als die Platonische ein, die „das Nichts zum Resultate" habe. Das größte Verdienst der Kantischen Dialektik bestehe darin, „die Objektivität des Scheins und die Notwendigkeit des Widerspruchs, der zur Natur der Denkbestimmungen gehört", entdeckt zu haben. (XI, 26, 27; XXI, 41)
2. Kontrarietät und Kontradiktion
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pädeutischen Logiken wiederholt betrachteten Lehrgegenstand räumt er in der Wissenschaft der Logik nur in den Anmerkungen Platz ein. Die spezifische Betrachtungsweise der propädeutischen Logiken kann man auch in der Darstellung der Grundsätze der klassischen Logik auf spüren. Obwohl Hegel sie bereits in der Metaphysik von 1804/ 05 in seiner eigenen Logik der selbstbezüglichen Andersheit dargelegt hat, verwendet er sie hier nur zur formellen Darstellung der allgemeinen Logik. Er präsentiert sie zwar unterschiedlich, in der Form des Satzes (vgl. WW 4,17), als ontologische Urteile (vgl. WW 4,89) und schließlich in der Form von Reflexionen als Bestimmungen des Wesens (vgl. WW 4,171f). Aber ungeachtet dieser verschiedenen Zuordnungen wiederholen sich in jedem Kurs lediglich die fast gleichen Erklärungen der Identität, der Verschiedenheit und der Entgegensetzung, die noch nicht in Gegensatz und Widerspruch gegliedert ist. Die propädeutischen Logiken zeigen meistenteils die Entwicklung in der Architektur, d. h. in der Zuordnung der Kategorien. Ein bemerkenswerter Fortschritt der methodischen Argumentation läßt sich darin aber kaum finden.^ Der Grund dafür liegt, wie gesagt, in den begrenzten Möglichkeiten des Gymnasialunterrichts. (2) Aristoteles und Hegel über Kontrarietät und Kontradiktion Trotz dieses Zustandes lohnt sich ein Blick auf die Erklärung der konträren und kontradiktorischen Entgegensetzung. Denn sie kann die Vorstufe zur Antwort auf die Kritik am Hegelschen Begriff des Widerspruchs von Seiten der herkömmlichen Logik sein. Nach A. Trendelenburg^ kann der „ontologisierte" Widerspruch nicht mehr Widerspruch sein, sondern nur eine reale Opposition. Der Widerspruch besteht ihm zufolge nur auf der sprachlichen Ebene, während der vermeintlich daseiende Widerspruch in Wirklichkeit nur ein konträrer Gegensatz sein kann. Hegel behauptet aber einen objektiven und doch kontradiktorischen Widerspruch. Auch wenn er den Widerspruch „ontologisiert", übersieht er nicht den Unterschied zwischen der konträren und kontradiktorischen Entgegensetzung, zwischen Gegensatz und Widerspruch. Aus den propädeutischen Logiken wird zunächst klar, daß sich Hegel der Differenz der beiden Arten der Entgegen4 Vgl. F. Hogemann und W. Jaeschke (1986), XXIII, XXIV. 5 Vgl. Einleitung dieser Arbeit.
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Kapitel 3: Die Identität als Widerspruch
Setzung bewußt war und sie den Gymnasiasten als bedeutsame logische Unterscheidung unterrichtete. Dieser Unterschied wird dann in der Wissenschaft der Logik unter dem Aspekt der „Ontologisierung" noch näher erklärt und begründet. Für den Logikunterricht am Gymnasium greift Hegel auf die allgemeine Logik zurück, die in den zeitgenössischen Logikbücher behandelt wird und - wie Kant sagt „seit Aristoteles keinen Schritt rückwärts" oder „vorwärts" getan hat. Bei der Unterscheidung des konträren und kontradiktorischen Begriffs weicht Hegel im Grunde vom Aristotelischen Maßstab nicht ab. In der Metaphysica unterscheidet Aristoteles zuerst von der Verschiedenheit, in der ein Ding von einem anderen nicht in einem bestimmten Aspekt verschieden sein muß, den Unterschied, in dem sich ein Ding von einem anderen bestimmten Ding in einem bestimmten Aspekt unterscheidet, so daß es etwas Identisches geben muß, wodurch sich die Dinge unterscheiden.^ Dann bestimmt er das Konträre als eine Art des Unterschieds. Die Dinge, die einander konträr entgegengesetzt sind, unterscheiden sich voneinander insbesondere nach der Art in derselben Gattung.® Noch bestimmter definiert Aristoteles die Kontrarietät als den größten Unterschied.® Die konträre Entgegensetzung ist das Verhältnis zwischen den beiden Arten in derselben Gattung, deren Abstand am größten ist.'® Ihr erstes Unterscheidungsmerkmal gegenüber der kontradiktorischen Entgegensetzung ist, daß es bei der kontradiktorischen kein Mittleres gibt, es aber bei der konträren ein solches geben kann." Bei der konträren Entgegensetzung kann eine graduelle Veränderung vom einen Extrem über das Mittlere zum anderen Extrem und umgekehrt stattfinden, so daß alles Mittlere in der Zusammensetzung der beiden gegensätzlichen Pole besteht.'^ In den Categoriae erwähnt jedoch Aristoteles den Fall der 6 1. Kant (1787), B VIII. 7 Vgl. Aristoteles: Metaphysica. X, 3,1054b 22 ff. * Vgl. ebenda 4, 1055a 26 ff. Aristoteles betrachtet zwar auch den Unterschied der Gattung, wie z. B. Pferd und Mensch, als einen konträren Gegensatz, diese Gattungen sind aber zugleich die Arten ein und derselben Gattung „Lebewesen". (Vgl. ebenda 1058a 5-11) Dinge können also insofern konträr sein, als sie als Arten verglichen werden. 5 Vgl. ebenda 1055a 5. 10 Vgl. ebenda 1055a 9. 11 Vgl. ebenda 1055b 1. 12 Vgl. ebenda 7,1057b 23 ff. Z.B. die Farben zwischen Weiß und Schwarz bestehen aus der Zusammensetzung der beiden gegensätzlichen Extreme mit einer bestimmten differentiae. (Ebenda 1057b 7 -18) - Aristoteles expliziert nach W. Beierwaltes den Begriff des Gegensatzes nicht nur unter logischem oder semantischem Aspekt, sondern macht auch die ontologische Relevanz der Gegensätze deutlich: Seiendes ist selbst durch konträre
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kein Mittleres zulassenden Kontrarietät, wie gesund und krank oder die gerade und die ungerade Zahl.’^ Das entscheidende Kriterium muß deshalb in der zweiten Definition der Kontradiktion als Verhältnis einer bejahenden und verneinenden Aussage liegen.^^ Für die beiden konträren Aussagen: „Sokrates ist krank" und „Sokrates ist gesund", ist eine wahr und die andere falsch, wenn Sokrates existiert. Die beiden sind dagegen falsch, wenn Sokrates nicht existiert. In der kontradiktorischen Beziehung der Bejahung und Verneinung ist immer eine falsch und die andere wahr, ob das Subjekt existiert oder nicht. Von den beiden Sätzen z. B.: „Sokrates ist krank" und „Sokrates ist nicht krank", muß einer wahr und der andere falsch sein. So ist die Kontradiktion ein reines Aussagenverhältnis von Affirmation und Negation. Aristoteles konkretisiert diesen Unterschied noch einmal in De Interpretatione, indem er das Oppositionsverhältnis der Sätze im Oppositionsquadrat erklärt. Bei dieser formallogischen Betrachtung muß man auch die Qualität und Quantität des Urteils berücksichtigen. Die kontradiktorische Opposition des A-Satzes: „Jeder Mensch ist weise" kann nur der O-Satz sein: „Nicht jeder Mensch ist weise", aber der E-Satz: „Jeder Mensch ist nicht weise" steht in der konträren Opposition zum ersten.^^ Die konträr entgegengesetzten Sätze können beide nicht zugleich wahr sein,'^ aber, wie gesagt, beide zugleich falsch sein. Ist einer der kontradiktorischen Sätze dagegen falsch, dann muß der andere wahr sein und umgekehrt. Hegel behandelt Kontrarietät und Kontradiktion im Kontext des Allgemeinen-Besonderen-Einzelnen der Begriffslehre. Aus der „Besonderung" des Allgemeinen ergeben sich die besonderen Bestimmungen, die einander koordiniert in ein und derselben allgemeinen Sphäre sind. Kontrarietät und Kontradiktion sind bei Hegel oder gegensätzliche Strukturen konstituiert. Seiendes soll „insgesamt als Bezug von Substanz und Akzidens, Gattung und Art, Allgemeinem und Besonderem, Materie und Form, Möglichkeit und Wirklichkeit denkbar" sein. „Aus diesem ontologisch-logischen Bezugssystem ist einzig der Gott herausgehoben, da er reine, d.h. Möglichkeit ausschließende Wirklichkeit ist, die die Bewegung aus der Möglichkeit zur Wirklichkeit in jedem Seienden erst ermöglicht. Da Aristoteles diesen Gott als das erste Prinzip denkt, dieses aber nur Eines sein kann, polemisiert er gegen diejenigen kosmologischen Theorien, die ,Alles aus Gegensätzen sein lassen'(Metaphysica 1075a 28), d.h. die als letztes Seins- und Erklärungsprinzip ein Gegensatz-Paar annehmen. ,Für das Erste gibt es keinen Gegensatz'(ebenda 1075b 21f)." (Vgl. W. Beierwaltes (1974), 109) 13 Vgl. Aristoteles: Categoriae. 10,12a 1 ff. 14 Zum folgenden vgl. ebenda 13b 1 - 35. 15 Aristoteles: De Interpretatione. 10, 20a 28-31. 16 Vgl. Ebenda 20a 16 f.
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zweierlei Entgegensetzungen, die zwischen „koordinierten besonderen Bestimmungen des Allgemeinen" (WW 4, 140 § 8) entstehen. So bestimmt Hegel wie Aristoteles die konträre und kontradiktorische Entgegensetzung als das Verhältnis zweier Arten in derselben Gattung. „Die koordinierten Bestimmungen des Allgemeinen sind einander kontradiktorisch entgegengesetzt, insofern die [eine] nur als das Negative der anderen genommen wird; insofern die andere aber außerdem noch etwas Positives ist, sind sie einander konträr entgegengesetzt." (WW 4, 128 § [20]; vgl. auch 140 § 8) Das Adverb „nur" zeigt, daß es kein Mittleres zwischen den beiden kontradiktorischen Bestimmungen gibt. Die eine ist hier so „unmittelbar" der anderen entgegengesetzt (WW 4,195 § 101), daß sie „die wesentliche Bedeutung hat, zu sein, was die andere nicht ist" (WW 4, 195 § 101). ln dieser unmittelbaren Entgegensetzung sind die beiden Bestimmungen „als positive und negative einander entgegengesetzt" (WW 4, 195 § 101). Genauer gesagt, ist die eine Bestimmung an ihr selbst positiv, die andere an ihr selbst negativ (vgl. WW 4,141 § 9), so daß die beiden Bestimmungen nicht austauschbar sind. Weiß ist beispielsweise immer positiv gegenüber seiner negativen Bestimmung „Nicht-Weiß". Aber für die konträre Entgegensetzung ist die andere Bestimmung nicht bloß das Negative der einen, sondern hat zugleich „auch eine Positivität" (WW 4, 141 § 8). Schwarz hat beispielsweise bereits seine selbständige Bestimmung außer der Beziehung auf Weiß, während die Bestimmung „Nicht-Weiß" „zu ihrem Begriffe" ihre andere Bestimmung „Weiß" erfordert. (WW 4,129 § [21] ). Die konträren Bestimmungen sind ander gesetzt" (WW 4,195 § 101) oder „gleichgültig gegeneinander", so daß jede als eine solche erscheint, der „die andere nicht notwendig [ist] und die stattfände, wenn auch die andere nicht wäre" (WW 4, 129 § [22] ). Für die konträre Entgegensetzung is auch positiv als die andere", jede kann somit „ebensogut als positiv oder negativ in Beziehung auf die andere ausgesprochen werden". (WW 4, 141 § 9) Jede der konträren Bestimmungen hat für sich vor der Beziehung auf die andere als Verschiedenes „eine Positivität", tritt aber als das Negative der anderen in Beziehung zu dieser. Insofern sich die beiden Bestimmungen „positiv" und „negativ" jeder Bestimmung der konträren Entgegensetzung zuschreiben lassen, wird die konträre Beziehung nicht durch die eigene Natur jeder Bestimmung bestimmt. Man kann beispielsweise einmal Weiß als positiv und Schwarz als negativ bezeichnen, ebenso umgekehrt. Für die konträren Bestimmungen
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ist die Entgegensetzung von Positivem und Negativem nicht an ihnen selbst bestimmt, so daß sie austauschbar sind. Im Vergleich zu Aristoteles geht Hegel auf das Unterscheidungskriterium der Zulassung des Mittleren nur implizit ein. Er sieht jedoch offensichtlich die kontradiktorische Entgegensetzung, in der die beiden Bestimmungen „unmittelbar" einander entgegengesetzt sind, als eine das Mittlere ausschließende noch schärfere Entgegensetzung als die konträre an. Anders als Aristoteles deutet Hegel von vornherein die kontradiktorische Entgegensetzung nicht als ein formallogisches Verhältnis von Bejahung und Verneinung. „Unter einer kontradiktorischen Bestimmung ist nicht bloß der Mangel irgendeiner Bestimmung verstanden. Von den kontradiktorischen Bestimmungen erfordert ferner jede zu ihrem Begriffe die andere." (WW 4,128f § [21]) Hegel betrachtet hier die kontradiktorischen Bestimmungen als diejenigen, die jede für sich ihren Sinn in der Beziehung auf die andere haben und deswegen die andere in ihrem Begriff enthalten. Er entwickelt diesen Ansatz später in der Wissenschaft der Logik zum reflexionslogischen Verhältnis. Indem Hegel in den propädeutischen Logiken den Unterschied zwischen der konträren und der kontradiktorischen Entgegensetzung deutlich macht, vergißt er nicht, davor zu warnen, diesen Unterschied in eine bloß formallogische Unterscheidung fallen zu lassen. „Die kontradiktorischen Bestimmungen haben notwendig auch das Moment der Gleichgültigkeit gegen die andere, und die konträren haben auch das Moment der Entgegensetzung an ihnen. Kontradiktorisch ist eigentlich nicht bloß entgegengesetzt als solches [...], sondern ein Inhalt, Unmittelbarkeit, die zugleich positiv und negativ ist." (WW 4, 195 § 101) Hegel beabsichtigt hiermit keine Verwischung, sondern eine ontologische Deutung der kontradiktorischen Entgegensetzung. Anders als Aristoteles, der das Negative des konträren Gegensatzes als Privation deutet, schreibt Hegel auch dem Negativen eine aktive Kraft zu, um die konträre und die kontradiktorische Entgegensetzung als ein dynamisches Verhältnis zwischen dem Positiven und dem Negativen zu klären. Mit dieser neuen Deutung wendet er sich gegen die traditionelle Metaphysik, was später durch die Reflexionslogik noch näher ausgeführt wird.
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(3) Kontrarietät und Kontradiktion; Gegensatz und Widerspruch In den propädeutischen Logiken behandelt Hegel insgesamt dreimal die konträre und kontradiktorische Entgegensetzung, nämlich in der Logik für die Unterklasse 1809/10, der Begriffslehre für die Oberklasse 1809/10 und der Logik für die Mittelklasse 1810/11. In der Wissenschaft der Logik werden sie aber aus dem Text herausgenommen und nur im Anmerkungsteil als verständige Begriffe der gewöhnlichen Logik aufgeführt. In der Heidelberger Enzyklopädie von 1817 (vgl. SW 6, § 114) sowie der Berliner Enzyklopädie von 1830 (vgl. Enz § 165) haben sie ihren Stellenwert nicht als Begriffsbestimmtheiten, die sich aus der Entwicklung des Begriffs durch Allgemeinheit, Besonderheit und Einzelheit hindurch ergeben, sondern als bloß äußerliche Verstandesbestimmungen. Der Grund für diese Veränderung liegt zunächst darin, daß Hegel seinen Logikkurs für Gymnasiasten an der Vorstellung orientierte. Die der gewöhnlichen Vorstellung gemäß ausgeführte Unterscheidung der konträren und kontradiktorischen Entgegensetzung verträgt sich nicht mehr mit der spekulativen Darstellung der Wissenschaft der Logik. Die gewöhnliche Unterscheidung braucht ferner nicht mehr thematisiert zu werden, wenn sie durch die Reflexionsbestimmungen „Gegensatz" und „Widerspruch" ersetzt wird. Der Unterscheidung der konträren und kontradiktorischen Entgegensetzung folgt in der Logik für die Unterklasse 1809/10 die Betrachtung der allgemeinen Bestimmungen, die Hegel in der späteren Logik „Reflexionsbestimmungen" nennt. Hegel denkt nämlich, daß „die allgemeinen Bestimmungen den Inhalt des Begriffs betreffen" und die konträren und kontradiktorischen Begriffe deswegen durch die allgemeinen Geyenstendsbestimmungen „näher betrachtet" werden. (WW 4, 129 § 23) Die Begriffe der subjektiven Logik müssen durch die Bestimmungen der objektiven Logik vermittelt werden, wie das Subjekt durch die Substanz. In der Wissenschaft der Logik weist Hegel noch ausdrücklicher auf die Beziehung zwischen den Reflexionsbestimmungen und dem Begriff hin: „In dem Begriffe ist die Identität zur Allgemeinheit, der Unterschied zur Besonderheit, die Entgegensetzung, die in den Grund zurückgeht, zur Einzelheit fortgebildet." (XII, 46) Die Logik der Reflexionsbestimmungen ist somit in der Entwicklung des Begriffs explizit enthalten. Indem Hegel die konträren und kontradiktorischen Begriffe als die gewöhnlichen Arten der Begriffe betrachtet, deutet er noch einmal an, daß die beiden Begriffe durch Reflexionsbestimmungen erläutert werden sollen: „Den konträren und kontra-
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diktorischen Begriffen liegt die Reflexionsbestimmung der Verschiedenheit und Entgegensetzung zu Grunde." (XII, 46) - Hier scheint Hegel merkwürdigerweise den konträren Begriffen die Verschiedenheit und den kontradiktorischen Begriffen den Gegensatz zuzuschreiben und somit die Kontradiktion nicht der Reflexionsbestimmung „Widerspruch" entsprechen zu lassen. In den propädeutischen Logiken teilt Hegel die Entgegensetzung noch nicht in Gegensatz und Widerspruch ein. Diese Unterteilung führt er erst in der Wissenschaft der Logik ein. Gegensatz und Widerspruch stellen sich in dieser Schrift als zwei Arten der Entgegensetzung dar, wie Kontrarietät und Kontradiktion in den propädeutischen Logiken. Auch im gewöhnlichen Sprachgebrauch läßt sich die Kontrarietät als der Gegensatz und die Kontradiktion als der Widerspruch verstehen.^^ Von daher kann der konträre Gegensatz nicht der Verschiedenheit entsprechen. Eine genaue Deutung des oben zitierten Satzes kann allerdings erst vor dem Hintergrund einer ausführlichen Darstellung der Reflexionsbestimmungen vorgenommen werden. Aus den propädeutischen Logiken ist eindeutig zu entnehmen, daß sich Hegel offensichtlich der Unterscheidung zwischen der konträren und kontradiktorischen Entgegensetzung bewußt war und trotzdem die Absicht hegte, sie ontologisch zu deuten. Dieser Unterschied wird auch in der Entwicklung der Reflexionsbestimmungen nicht fallen gelassen. Hegel denkt nämlich auch im „ontologisierten" Widerspruch den kontradiktorischen. Die ontologische Deutung der konträren und kontradiktorischen Entgegensetzung oder die „Ontologisierung" des Widerspruchs bedeutet keine Abstumpfung des kontradiktorischen Widerspruchs zum konträren Gegensatz. Sie besagt vielmehr, daß die Begriffe, wenn sie auch Gegenstände prädizieren, sich nicht von diesen unabhängig durch die subjektive Reflexion aufeinander beziehen, sondern daß das objektive Reflexionsverhältnis des Gegenstandes das Verhältnis der Begriffe ausmacht. Die konträren und kontra17 Im deutschen Wörterbuch steht unter dem Stichwort „konträr"; gegensätzlich, entgegengesetzt; „kontradiktorisch": widersprüchlich, sich widersprechend, einander ausschließend. (Vgl. Brockhaus Wahrig. Deutsches Wörterbuch in sechs Bänden. Bd 4. Hrsg. v. G. Wahrig. Stuttgart 1982. 255, 256.) 18 Diesbezüglich hebt M. Wolff Hegels Logik von der traditionellen Reflexionslogik ab. (Die Reflexionslogik meint die intensionale Logik, die die Beziehung zwischen Begriffsinhalten behandelt, im Unterschied zur formalen Logik, die nur die Beziehungen zwischen Begriffsumfängen (Extensionen) behandelt.) Die traditionelle Reflexionslogik setzt eine metaphysische Trennung zwischen Gegenstand und Begriff voraus: Auf der einen Seite nimmt sie eine Sphäre für sich bestehender Gegenstände an, auf der anderen Seite
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diktorischen Begriffe müssen also durch die Reflexionsbestimmungen „Gegensatz" und „Widerspruch" geklärt werden. Bleibt die Erklärung der Entgegensetzung bei jenen Begriffen stehen, ist sie unzulänglich. Wird diese Unzulänglichkeit als hinreichend behauptet und als Wahrheit fixiert, ist sie als falsch zu beurteilen. 3. Der Schein als die Vorstufe zur Reflexion (Wissenschaft der Logik) (1) Die Objektivierung des Scheins Der Widerspruch ist die Bestimmung des Verhältnisses, und zwar eines solchen, in dem eine Bestimmung zu ihrem Begriff ihrer anderen Bestimmung bedarf (XI, 283; 56:16-29).^^ Hegel nennt diese Bestimmungsweise die Reflexionsbestimmung. Die Erklärung der Reflexionsbestimmung setzt die Logik der Reflexion voraus. Der Strukturanalyse der Reflexion geht ihrerseits die Darstellung des Scheins voran, mit dem Hegel das erste Kapitel der Wesenslogik seiner Wissenschaft der Logik betitelt. Der Schein nämlich ist die Vorstufe zur Reflexion, zum „in sich gegangenen, hiermit seiner Unmittelbarkeit entfremdeten Schein" (XI, 249; 13:27-28). Besonders wichtig für die methodologische Überlegung sind die beiden ersten Kapitel der Wesenslehre, die ihr methodisches Prinzip gegenüber der Seinslehre ableiten, indem sie deren operative Methodik im nachhinein thematisieren. Die Logik der Reflexion im ersten Kapitel, die eine der drei großen Unterscheidungskriterien der Wissenschaft der Logik ausmacht, legt den Grund zur gesamten Wesenslehre. Die Logik der Reflexionsbestimmungen, die die zuvor nur implizierte Bewegung der Reflexion expliziert, stellt die maßgebliche Methode dar, die nicht nur definitiv die Wesenslehre, sondern auch vorder- oder hintergründig die ganze eine Sphäre inhaltlich bestimmter Begriffe, die wir als Prädikate von diesen Gegenständen aussagen. Die Beziehungen, die die Begriffe aufgrund ihrer Inhalte aufeinander haben sollen, werden als Beziehungen nur innerhalb der Begriffssphäre vorgestellt. Hegel zufolge bestehen dagegen die Beziehungen der Begriffe nicht erst aufgrund unserer reflektierenden Verstandestätigkeit, sondern in ihrer Abhängigkeitsbeziehung von Gegenstandsbestimmtheiten. (Vgl. M. Wolff {1981), 104f) 19 Zum genauen Bezug auf den Text wird wenn erforderlich neben der Seitenzahl der gesammelten Werke auch die Zeile angegeben. Zitiert wird dabei dann nach der von H.-J. Gawoll herausgegebenen Studienausgabe der Wissenschaft der Logik.
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Wissenschaft der Logik durchzieht. Der Begriff des Widerspruchs steht an der Spitze dieser methodischen Darstellung. Der Weg zu ihm führt über die unabdingbaren Zwischenstadien Schein und Reflexion. In der Einleitung zur Wissenschaft der Logik sieht Hegel die grundlegende Idee der Kantischen dialektischen Darstellung in den Antinomien der reinen Vernunft in der „Objektivität des Scheins und Notwendigkeit des Widerspruchs" (XXI, 41). Die Bedeutung dieses Passus ist nur durch die beiden ersten - Schein und Widerspruch thematisierenden - Kapitel der Wesenslogik methodisch hinreichend zu erklären, obwohl sich Hegel an verschiedenen Stellen der gesamten Wissenschaft der Logik mit der Kantischen Antinomienlehre kritisch auseinandersetzt.^° Kants Entdeckung der Objektivität des Scheins bewertet Hegel als das größte Verdienst der Kantischen Dialektik. Er wirft ihm aber vor, diesen Ansatz nur unzulänglich ausgeführt zu haben. Bei der Betrachtung der Kantischen Dialektik überschreitet Hegel die von Kant kritisch aufgestellte Grenze des Vernunftgebrauchs bewußt, so daß er aus der Kritik an Kant den Ausgangspunkt seiner eigenen Logik entwikkelt. Die Kantische Dialektik hat als Logik des Scheins nur eine negative, kritische Funktion gegenüber der traditionellen Metaphysik. Mit der Dialektik hat Kant anders als Aristoteles nicht die Lehre der Wahrscheinlichkeit im Auge,^^ die im Gegensatz zur von einer wahren obersten Prämisse schließenden Analytik die von den nicht bewiesenen, aber „hinreichend glaubwürdigen Ansichten" (endoxa) dem Wahrscheinlichen in der später üblichen Übersetzung - schließende Methode ist.^^ Da das Gegenteil von „endoxa" hier nicht der Beweis, sondern die sophistische Argumentation ist,^^ läßt Kant die Lehre der Wahrscheinlichkeit zum analytischen Teil der Logik gehören. Die Wahrscheinlichkeit ist nämlich eine wenn auch mangelhafte Wahrheit, doch kein trügerischer Schein. Gegenüber der transzendentalen Analytik als der Logik der Wahrheit übt die transzendentale Dialektik Kants als die Logik des Scheins Kritik an der metaphysica specialis, die sich der reinen Verstandesbegriffe und Grundsätze über die Grenzen 20 Hegel kritisiert die erste Antinomie Kants in einer Anmerkung des Quantums-Kapitels (XXI, 229 - 232), die zweite Antinomie in einer Anmerkung des Quantitäts-Kapitels der Seinslehre (XXI, 179 - 189) sowie in einer Anmerkung des Kapitels „Das wesentliche Verhältnis" der Wesenslehre (XI, 358 - 359) und schließlich die dritte Antinomie im Text des Teleologie-Kapitels der Begriffslehre (XII, 157 - 160). 21 Vgl.L Kflnf (1787), B349. 22 W. Risse u. a. (1972), 165. 23 Vgl. ebenda.
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der Erfahrung hinaus bedienen will.^'* Obwohl Kant den Schein nicht unmittelbar mit dem Irrtum identifiziert, sondern als „die Verleitung zum letzteren" bezeichnet,^^ meint er mit der den Irrtum ermöglichenden Transzendentalität des Scheins nur seine Unvermeidlichkeit, nicht seine Objektivität im Kantischen Sinne. Im Vergleich zum logischen oder empirischen Schein ist der transzendentale Schein nach Kant der menschlichen Vernunft „natürlich und unvermeidlich".^^ Der logische Schein verschwindet mit der Verschärfung der „Achtsamkeit auf die logische Regel", so wie man mit den wahrhaften Kenntnissen durch den empirischen Schein nicht mehr betrogen wird.^^ Der transzendentale Schein ist dagegen die Ursache derjenigen Illusion, die „der menschlichen Vernunft unhintertreiblich anhängt, und selbst, nachdem wir ihr Blendwerk aufgedeckt haben, dennoch nicht aufhören wird, ihr vorzugaukeln und sie unablässig in augenblickliche Verirrungen zu stoßen, die jederzeit gehoben zu werden bedürfen".^* Diese Unvermeidlichkeit des transzendentalen Scheins beruht nach Kant auf dem subjektiven Hang der menschlichen Vernunft, und nicht auf dem objektiven Charakter des Gegenstandes. Der transzendentale Schein besteht darin, „daß die subjektive Notwendigkeit einer gewissen Verknüpfung unserer Begriffe, zugunsten des Verstandes, für eine objektive Notwendigkeit, der Bestimmung der Dinge an sich selbst, gehalten wird".^^ Die vom transzendentalen Schein verursachte Illusion beruht also eigentlich aüf „subjektiven Grundsätzen", die als vermeintlich objektive behauptet werden. Hegel negiert die Unterscheidung zwischen Subjekt und Objekt, die Kant zum Kriterium der Kritik der endlichen menschlichen Erkenntnis macht. Eür Hegel bleibt Kant im Grunde immer ein Reflexionsphilosoph, der die Vernunft zum Verstand macht (vgl. IV, 315f) und dadurch die Möglichkeit der Auffassung des Absoluten durch die Endlichkeit der menschlichen Erkenntnis einschränkt. Durch die Darstellung des sich anreichernden Erfahrungsprozesses des Bewußtseins versuchte Hegel in der Phänomenologie des Geistes die Erhebung des 24 Vgl. I. Kant (1787), B 87. 25 I. Kant (1787), B 350. Der Irrtum ist das Gegenteil der empirischen oder realen Wahrheit, die die Wahrheit als das Resultat der Erkenntnis ist. Der Schein steht dagegen der transzendentalen Wahrheit gegenüber, die Wahrheit als Wahrheit zustande bringt. 26 Ebenda B 354. 27 Ebenda B 353 f. 28 Ebenda B 354 f. 29 Ebenda B 353.
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endlichen Bewußtseins zum absoluten Wissen zu begründen.^“ In der Wissenschaft der Logik betrachtet Hegel nun die Logik als die Darstellung des das absolute Wissen voraussetzenden Denkens. Diese in der ersten Ausgabe gemachte Aussage von der Gebundenheit der Logik an das Resultat der Phänomenologie des Geistes läßt Hegel unverändert stehen (vgl. XXI, 54 - 56), auch wenn er in der zweiten Ausgabe von 1832 die Möglichkeit des voraussetzungslosen absoluten Anfangs behauptet (vgl. XXI, 56).^^ In der Wissenschaft der Logik macht Hegel den Schein, der bei Kant der endlichen menschlichen Vernunft „natürlich und unvermeidlich" ist, zur Natur des sich selbst denkenden Denkens. Der Schein ist also für Hegel die objektive Natur des Gegenstandes des Denkens, der zugleich selber Denken ist. Der objektivierte Schein ist nicht mehr ein trügerischer Schein wie bei Kant, sondern eine Gegenstandsbestimmung. Diese Deutung geht noch weiter als die Auffassung der Erscheinung als Schein im phänomenologischen Prozeß, in dem jene zu diesem wird (vgl. IX, 88).^^ Auch in den propädeutischen Logiken denkt Hegel den Begriff des Scheins noch nicht als eine logische Bestimmung, während der Begriff der Reflexion immerhin im letzten Entwurf, in der Logik für die Mittelklasse 1810/11, auftaucht 30 Diese Erhebung erklärt G. Günther so, daß Hegel die Voraussetzung der traditionellen Logik aufhebt. Die traditionelle Logik setzt einen transzendenten Gegenstand voraus, der für sich außer dem Denken zugrunde liegt. Die Bestimmung des Gegenstandes, die das Denken hervorbringt, fällt daher „außerhalb desselben in eine ihm fremde Reflexion" (XI, 331). Daß es auf dem Boden der traditionellen Logik nicht begreiflich zu machen geht, wie die Momente von Gegenstand und Denken in der Einheit des Denkens aufeinander bezogen sind, darin liegt ein Motiv, das Kant zur Schaffung der transzendentalen Logik geführt hat. Auch für Kant ist das Ding an sich jedoch das unbestimmte X, das den Denkformen ewig transzendent bleibt und „von dem man" daher „nichts wissen kann" (XXI, 109). Die traditionelle Logik, die ihren Denkgegenstand als ein Ding oder ein gegenständliches Sein denkt, ist das Denken des Dinges. Das Denken der Hegelschen Logik, das sich selbst denkt, ist dagegen Denken des Selbstbewußtseins oder Denken des Denkens. Da der Gegenstand des traditionellen Denkens an dem reflektierenden Bewußtsein seine Schranke hat, ist die traditionelle Logik stets endlich. Hegels Logik begreift dagegen auch die objektiven Momente subjektiv, so daß Objektivität und Subjektivität darin nur variable Werte eines Korrelationsverhältnisses sind. Die Natur des Gegenstandes, Denken des Denkens, überhebt somit der Trennung oder des Scheins von Trennung und Voraussetzung. (G. Günther (1933), 46-51,107) 31 Diese Koexistenz der einander widersprechenden Behauptungen in der zweiten Ausgabe läßt sich klären, wenn man den das absolute Wissen voraussetzenden Anfang als den äußerlich, im Sinne von entwicklungsgeschichtlich, betrachteten Anfang deutet, das absolute Anfängen dagegen als den - nach dem Ausschluß der Phänomenologie des Geistes aus dem System - systemimmanent erhobenen Anspruch. 32 Auch diese Auffassung in der Phänomenologie des Geistes ist bereits von der Erscheinung und Schein voneinander streng unterscheidenden Auffassung Kants (vgl. I. Kant (1787), B 349f) entfernt.
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(vgl. WW 4, 172 § 35). Erst in der Wissenschaft der Logik erreicht er den Gedanken, den Schein als die erste Bestimmtheit des Wesens aufzufassen. (2) Schein und Wesen Merkwürdigerweise nennt Hegel das erste Kapitel der Wesenslogik „Der Schein", obwohl die meisten Teile desselben der Darstellung der Reflexion gewidmet sind. Der Grund dafür ist im Verhältnis des Scheins zum Wesen zu suchen, das das erste Stadium der Wesensentwicklung einnimmt. Der Schein findet seinen Sitz im Spielraum des vom Sein hergekommenen Wesens (XI, 244; 7:3,21), das noch nicht vom Sein gereinigt ist. In diesem Sinne befindet er sich im Übergangsstadium zum reinen Wesen, oder in der genetischen Darstellung des Wesensbegriffs. Dieser Reinigungsprozeß endet beim ,Grund', dem seinem Begriff entsprechenden Wesen, das nicht mehr als das aus dem Sein hergekommene, sondern als das nur aus sich herkommende Wesen definiert wird. Der mit dem Schein eröffnete logische Kreis schließt sich also im ,Grund', der sich dann über die Erscheinung zur Substanz als dem vollendeten Wesen entwickelt. Hegel eröffnet die Wesenslogik mit der These: „Die Wahrheit des Seins ist das Wesen" (XI, 241; 3:3). Dieses Verhältnis von Sein und Wesen läßt sich durch die beiden Metaphern „Erinnerung" und „Reinigung" erklären. Wie Hegel im Anfangs-Kapitel mit einer partiellen Anerkennung der früher stark kritisierten Reinholdischen Philosophie den Sinn des logischen Fortschreitens überhaupt bestimmt, ist „das Vorwärtsgehen" in der Logik vielmehr „ein Rückwärtsgehen und Begründen", d. h. „ein Rückgang in den Grund, zu dem Ursprünglichen und Wahrhaften,, von dem der Anfang abhängt und „in der Tat hervorgebracht wird". (XXI, 56f) Der Übergang vom Sein zum Wesen ist also die Er-innerung der vordergründigen Voraussetzung zu ihrem inneren Prinzip sowie die Rückkehr des zum Sein verunreinigten Wesens zu sich selbst. Da dieser Gang die Bewegung des Seins selbst ist, wird das Wesen ebenso als die Rückkehr des Seins in sich bezeichnet. „Das Wesen als die vollkommene Rückkehr des Seins in sich" (XI, 242; 4:32) enthält zunächst das Sein als aufgehoben an sich. Die Bestimmung des Wesens ergibt sich aus dem Verhältnis zwischen dem Wesen und seinem Anderen, dem aufgehobenen Sein. Da das anfängliche Wesen sein an sich enthaltenes Anderes noch nicht von sich unterscheidet und
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noch nicht von seiner eigenen Tätigkeit her setzt, ist es noch unbestimmt. Dadurch, daß das Wesen von seiner Tätigkeit her sich von seinem Anderen unterscheidet, muß es „sich Dasein [. ..] geben" und somit sich bestimmen (XI, 242; 5:15). „Das Wesen aus dem Sein herkommend" (XI, 244; 7:21) steht aber noch im relativen Negationsverhältnis zu demselben, so daß es als das Wesentliche dem Unwesentlichen gegenübersteht. Es ist allerdings der Darstellung der Wesenslogik unangemessen, daß das wesentlich und das unwesentlich Daseiende „in gleichem Wert" (XI, 245; 8:14) einander als Andere gegenüberstehen. Das Wesen ist nicht die relative Negation des Seins, sondern vielmehr „die absolute Negativität" desselben. (XI, 245; 9:7)^^ Das Sein ist somit „nicht bloß ein unwesentliches Dasein, sondern das an und für sich nichtig Unmittelbare, es ist nur ein Unwesen, der Schein". (XI, 246; 9:13-15) Die Auffassung des Wesens als des Wesentlichen ist zwar falsch, aber unvermeidlich bei der genetischen Darstellung des Wesens, das aus dem Sein herkommt. Aus demselben Grund scheint der Schein als Fortbestimmung des Unwesentlichen noch „eine vom Wesen unabhängige unmittelbare Seite zu haben" (XI, 246; 9:23-24). Der Schein als das aufgehobene Sein wird zunächst als der „Rest" betrachtet, „der noch von der Sphäre des Seins übriggeblieben ist" (XI, 246; 9:22-23). Von daher muß dem Schein auch eine vom Wesen unabhängige Selbständigkeit zukommen. Hegel stellt jedoch bald eine dem widersprechende These auf: Der Schein ist „die Unselbständigkeit, die an ihr selbst aufgehoben und nichtig ist". (XI, 248; 12:22-24) Dieser Widerspruch läßt sich nur durch die Betrachtung des Verhältnisses von Wesen und Schein auflösen. Die eigene Natur des Scheins besteht in dem „Aufgehobensein des Seins", in seiner „Nichtigkeit". (XI, 246; 9:18) Alles Sein wird angesichts des Wesens zum Schein degradiert. Im Schein als dem ganz und gar aufgehobenen Sein verliert es seine Geltung so völlig, daß dem Schein nur die Bestimmung des „Nichtseins" (XI, 247; 11:19) zukommen kann. Er ist „das an sich Nichtige" (XI, 247; 11:13-14). Trotz seiner Nichtigkeit ist der Schein jedoch vorfindlich. Die Nichtigkeit nämlich ist als die 33 In Hegels Sprachgebrauch werden „Negation" und „Negativität" in verschiedener Schattierung benutzt. Jene zeigt ein „relatives Negieren" (XI, 260; 27:17-18; Hervorhebung von mir), das zwischen Etwas und Anderem stattfindet. Diese bedeutet dagegen die selbstbezügliche Negation, die das sich negativ auf sich beziehende Wesen repräsentiert. In der Seinslogik kann allenfalls von der Negation der Negation die Rede sein. Die Selbstbezüglichkeit dieser doppelten Negation in der Seinslogik ist noch nicht so entwickelt wie die selbstbezügliche Negativität in der Wesenslogik.
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Bestimmung des Scheins vorgegeben.^^ Hegel versieht diese Vorgegebenheit mit der Vokabel „Unmittelbarkeit". (XI, 256; 9:14, 24, 29 u. a.) Wie die Seinskategorien ist auch der Schein unmittelbar. Die Unmittelbarkeit des Scheins ist aber nicht die seiende, sondern „die reflektierte Unmittelbarkeit, [. ..] welche nur vermittels ihrer Negation ist". (XI, 246; 9:34) Er ist die schlechthin durch das Wesen vermittelte Unmittelbarkeit. Das negierende Wesen macht alles zum Nichtigen, was die Unmittelbarkeit des Scheins ausmacht. „Die Nichtigkeit" und „die Unmittelbarkeit, [...] welche dieses Nichtsein enthält" (XI, 247; 11:22-24) scheinen die eigenen, d. h. vom Wesen unabhängig vorgegebenen Bestimmungen des Scheins zu sein, durch die „er vom Wesen unterschieden ist" (XI, 247; 11:11). Die beiden Bestimmungen des Scheins aber sind auf das Wesen zurückzuführen, da sie durch die negierende Tätigkeit des Wesens entstanden sind. Von der Genese des Wesens her gesehen, scheint der Schein dem vom Sein hergekommenen Wesen gegenüber der Rest des Seins zu sein. An dem Punkt, wo die Darstellung des Wesens hinreichend entwickelt ist, können wir nun vom Wesen her den Schein bestimmen. Der Schein ist eben der des Wesens selbst. Das Verhältnis von Schein und Wesen läßt sich daher so formulieren: Der Schein ist „die negative Natur des Wesens selbst" (XI, 247; 11:22-23). Das Wesen ist die sich auf sich beziehende Negativität, die in verschiedenen Variationen auch als „Abstoßen seiner von sich", „Gleichgültigkeit gegen sich" oder „negative Beziehung auf sich" u. a. ausgedrückt wird (XI, 242; 4:39-5:1). Als diese negativ selbstbezügliche Tätigkeit unterscheidet es sich von sich selbst, um sich selbst zu bestimmen. Die sich negierende Negativität des Wesens negiert sich selbst. Dadurch ergibt sich der Schein als die negierte Negativität. Insofern läßt sich die „Nichtigkeit" des Scheins als die „Negativität" be34 In bezug auf den dritten Absatz von „B. Der Schein" (besonders XI, 246; 10:10; XI, 247; 10:30) bezeichnet M. Theunissen die Bestimmungen des Scheins als die „schlichte Vorgegebenheit" und die „völlige Bodenlosigkeit" (M. Theunissen (1980), 335). - Er verbindet Hegels Deutung der Kantischen Erscheinung als Schein in demselben Absatz mit dem Passus der „Objektivität des Scheins" in der Einleitung. (Vgl. ebenda 333, Fußnote 9) Diese Verbindung aber ist fragwürdig. Der einschlägige Absatz des Schein-Kapitels ist zwischen Gedankenstrichen eingeschoben. (Die alten Logikausgaben von Lassen oder Moldenhauer u. a. verwischen diesen Einschub.) Er sollte eigentlich in einer Anmerkung hinzugefügt werden oder soll, wenn auch im Text, mit demselben Stellenwert wie eine Anmerkung gelesen werden. In diesem Absatz deutet Hegel, Idealismus und Skeptizismus kritisierend, die Erscheinung in der Kantischen Analytik als den Schein im pejorativen Sinn. In dem Passus der Einleitung bewertet er dagegen Kants dialektischen Begriff des Scheins positiv.
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zeichnen. Bezeichnet man das Wesen als aktiv und positiv, so ist der Schein passiv und negativ. Der Schein bildet die passive, in diesem Sinne negative Seite des Wesens, in der dessen aktive Negativität zum Vorschein kommt. Insofern ist er ein positiver Ausdruck der negativen Natur des Wesens.^^ Das Verhältnis von Schein und Wesen läßt sich durch die Strukturanalyse der Bewegung des Wesens noch näher bestimmen. Das Wesen hat dadurch einen Schein, daß es „von seiner absoluten Einheit unterschieden ist" (XI, 248; 12:9-10). Die absolute Einheit meint hier das sich von sich unterscheidende Wesen selbst, das dadurch unterschiedene Wesen ist der Schein. Diese Unterscheidung ist aber „ebenso schlechthin an ihr selbst aufgehoben" (XI, 248; 12:10-11). Der Schein ist deswegen, sobald er vom Wesen unterschieden wird, wiederum auf das Wesen zurückzuführen. Durch diese Rückkehr bestimmt sich das Wesen. Die Selbstbestimmung des Wesens wird also durch den Kreis strukturiert, in dem es „durch seine Negation [. ..] sich mit sich vermitteUt]" (XI, 248; 12:12-13). Diese sich selbst vermittelnde Bewegung des Wesens artikuliert Hegel im ,Grund' als der realen Vermittlung noch ausdrücklicher: Der Grund ist das durch sein Nichtsein in sich zurückkehrende und sich setzende Wesen (XI, 292; 66:14-15; auch 66:20-21). „Die Grundbeziehung vermittelt sich durch ihre Negation mit sich." (XI, 314; 93:21 -22) Der Schein ist die Negation des Wesens, über die es sich mit sich vermittelnd bestimmt. Die Negation des Wesens hat nur einen vorübergehenden Seinswert, da sie nur insofern ist, als sie sich aufhebt. Im Entwicklungsgang des Wesens beansprucht sie für sich immer wieder ein Sein, welches aber sofort wieder eliminiert wird. Das Sein der Negation wird in diesem Gang ab und zu jedoch derart selbständig, daß es einen größeren vom Wesen unabhängigen Raum einzunehmen scheint. Der Schein, die erste Negation des Wesens, verfügt aber kaum über Selbständigkeit. Er wird deswegen so unmittelbar auf das Wesen zurückgeführt, daß seine Bestimmungen von den Bestimmungen des Wesens ununterscheidbar sind. „Die Bestimmungen, die ihn vom Wesen unterscheiden", sind nämlich „Bestimmungen des Wesens selbst" (XI, 247; 11:14-16). Die Natur als das Begründete scheint dagegen ge35 K. J. Schmidt hebt den objektiven, in dem Sinne positiven Charakter des Scheins hervor, indem er M. Theunissens Auffassung des Scheins kritisiert: Weder „verschleiert" der Schein, was das Wesen ist (M. Theunissen (1980), 367), noch macht er eine „Fremdbestimmtheit" des Wesens aus (ebenda 369 - 371). Vielmehr ist der Schein eine objektive Bestimmtheit, die das zunächst unbestimmte Wesen sich gibt, um aus seiner Unbestimmtheit - im Sinne der Vagheit - herauszugelangen. (Vgl. K. J. Schmidt (1997), 30f)
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genüber Gott als Grund einen noch größeren Raum als der Schein zu haben. Denn jene scheint in sich die von Gott unabhängige Komponente zu haben, nämlich die Mannigfaltigkeit, die nicht auf den Grund zurückführbar ist. Die Mannigfaltigkeit des realen Grundes wird aber zur Bedingung im vollständigen Grund aufgehoben, der sich selbst bedingt. Im Kapitel „Das Absolute" bestimmt Hegel in letzter Instanz das Verhältnis zwischen dem Wesen und seiner Negation: „Der Schein" ist zwar als Reflexion die „positive Auslegung" des Absoluten, die als das Endliche das Absolute ausdrückt und abbildet. Es ist aber „nichts am Endlichen, was ihm einen Unterschied gegen das Absolute erhalten könnte". (XI, 372; 164:31-165:1) Die Selbständigkeit der Negation muß also letztlich stets auf das Wesen zurückgeführt werden. Der Schein und die sich in weiteren Entwicklungsstadien entfaltenden Korrelate des Wesens erhalten aber von diesem anders als die Seinskategorien in ihrem Aufgehobensein ein immer konsistenteres Bestehen. In der Seinslehre ist das Einzige, was ist, nur das Unendliche. Das Sein als der Anfang ist ebensowenig das, was ist, wie das Nichts. Es ist auch widersprüchlich zu sagen, daß das Endliche, „das an sich Nichtige!,] sei“ (XXI, 118). Aber der Schein und seine Varianten erhalten ein gewisses Bestehen, insofern sie am selbständigen Wesen partizipieren. Anders als bei den Seinskategorien ist die Unmittelbarkeit der Wesenslehre durch das Wesen vermittelt. Die seiende Unmittelbarkeit wird angesichts des Wesens aufgehoben, um als Gesetztsein durch das Wesen neu interpretiert zu werden. Die durch das Wesen gesetzte, reflektierte Unmittelbarkeit aber erhält insofern Bestehen, als sie durch das Wesen vermittelt ist. Je weiter sich diese Vermittlung des Wesens entfaltet, um so beständiger wird die daraus hervorgehende Unmittelbarkeit. Der Entwicklungsgang der Wesenslehre ist somit auch derjenige Prozeß, in dem das in das Wesen vollends zurückgegangene Sein (XI, 247; 11:12-13) durch die Vermittlung des Wesens als die wahrhafte Selbständigkeit „wiederhergestellt" (XI, 292; 66:19; XI, 319; 100:12) wird. Im anfänglichen Entwicklungsstadium des Wesens wird dem Schein nur wenig Selbständigkeit zuteil, weil er das eben durch das Wesen aufgehobene Sein vertritt. Wesen und Schein werden darin voneinander so grundlegend unterschieden, daß jenes selbständig, dieser dagegen aufgehoben und somit unselbständig ist. Der Schein hat „ein Sein", ein Bestehen, nur „in seiner Negation", im Wesen. (XI, 248; 12:22-23) Er bekommt vom Wesen ein flüchtiges Bestehen, das von diesem sogleich zurückgenommen wird. Dem Schein wird also nur verschwindende Selbständigkeit gegeben. Obwohl in ihm die Un-
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Selbständigkeit dominierend und nur eine punktuelle Selbständigkeit gewährleistet ist, bilden die beiden Seiten, Selbständigkeit und Unselbständigkeit, eine Einheit im Schein. Diese Widersprüchlichkeit, die der Schein trägt, deutet bereits die Entwicklung von der „Objektivität des Scheins" zur „Notwendigkeit des Widerspruchs" an. Die Bestimmungen des Scheins lassen sich so in zwei widersprechenden Momenten ausdrücken: „die Nichtigkeit, aber als Bestehen", und „das Sein, aber als Moment" (XI, 248; 11: 37-38). Der Schein ist zwar das an sich Nichtige, aber nicht wie das Nichts der Seinslogik, sondern die durch das Wesen vermittelte und insoweit bestehende Nichtigkeit. Er ist „das Sein nicht als Sein", also nicht das Sein der Seinslogik, „sondern das Sein als Moment" (XI, 248; 11:35-36). Mit dem mathematischen und physikalischen Terminus „Moment" meint Hegel die Bestimmung, die sich in Einheit mit der ihr entgegengesetzten befindet. Er bezeichnet diese Bestimmung auch als ,Aufgehobensein'. Der Schein, das Sein als Moment, steht als das Korrelat des Wesens immer in Beziehung auf dasselbe, gerade dadurch, daß er von diesem negiert und aufgehoben ist. Das Sein bzw. Bestehen des Scheins ist somit die sich immer wieder aufhebende und auf das Wesen zurückzuführende Selbständigkeit. Diese beiden Momente des Scheins faßt Hegel in zwei Vokabeln zusammen: „die an sich seiende Negativität und die reflektierte Unmittelbarkeit" (XI, 248; 11:38-39; Hervorhebung von mir). Er führt diese beiden Bestimmungen auf das Wesen zurück. Da die Selbständigkeit des Scheins zu schwach ist, werden die Bestimmungen des Scheins sofort auf das Wesen reduziert. Der Abstand zwischen Schein und Wesen ist noch so gering, daß sich die beiden in der Bestimmung nicht unterscheiden. Wenn wir aber, von den weiteren Entwicklungsstadien her betrachtet, im nachhinein die beiden Momente für sich isolieren wollen, können wir dem Schein die Unmittelbarkeit und dem Wesen die Negativität zuschreiben.^^ Das Wesen ist die Negativität, die an sich ist, der Schein hingegen die Unmittelbarkeit, die das Wesen reflektiert. Jenes unterscheidet diesen von sich und kehrt über dessen Negation zu sich zurück. Der Schein ist demgegenüber dasjenige, in dem das Wesen scheint. Die Unmittelbarkeit des Scheins ist also der Spielraum der Hegel verwendet die „Negativität" im Unterschied zum „Negativen". Die „Negativität" soll eigentlich nur der negierenden Aktivität des Wesens zukommen, „das Negative" dagegen der Unmittelbarkeit des Scheins als der negierten Negativität. Die „Negativität" kommt nur insofern der Unmittelbarkeit zu, als die Bewegung des Wesens in ihr zu Tage tritt.
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Negativität des Wesens, in dem dieses sich selbst ausdrückt und auslegt. Nur durch diesen Raum läßt sich die absolute Negativität des Wesens bestimmen. Negativität und Unmittelbarkeit sind Grundvariablen der Wesenslogik, die die reflektierende Bewegung zwischen den beiden darstellt. Sie werden variiert in Gegensätze, wie etwa Negatives und Positives, Form und Materie, Grund und Bedingung, Notwendigkeit und Zufälligkeit, Substanz und Akzidens. Die Wesenslogik ist demnach die Ausschöpfung der Bedeutung der beiden Variablen Unmittelbarkeit und Negativität bis hin zur Freiheit, in der sich Negativität nicht mehr als Unmittelbarkeit von sich abstößt. So gesehen scheint die Unmittelbarkeit der Negativität gegenüberzustehen. Die Unmittelbarkeit ist aber nichts anderes als die Gleichheit der Negativität mit sich (XI, 247; 11:28-29). Die Negativität negiert sich von sich selbst und kommt über die Negation zu sich zurück. Die dadurch entstandene Identität der Negativität mit sich macht ihre Bestimmung als Unmittelbarkeit aus. Durch die Rückkehr aus der Negation als der Unmittelbarkeit bildet sich also eine Bestimmung als eine neue Unmittelbarkeit. Das sich selber denkende Denken setzt sich ebenso seine Bestimmung wiederum als das zu Denkende entgegen, wie das Bewußtsein in der Phänomenologie des Geistes den Inhalt seines Wissens immer wieder vergegenständlicht. Die dem Wesen gegenüberstehende Unmittelbarkeit ist also eben die an sich enthaltene Bestimmung des Wesens selbst, die von der Tätigkeit desselben her wiederum gesetzt werden soll. Durch dieses immer wiederholende Sich-Denken entsteht eine Reihe von sich anreichernden Unmittelbarkeiten, deren Gesamtheit die Bestimmung des Absoluten bildet. So drückt sich das Absolute oder das Wesen lediglich durch die Unmittelbarkeit aus. Der Schein als die Unmittelbarkeit macht ebenso die Bestimmung des Wesens aus. Das Verhältnis von Schein und Wesen läßt sich somit folgendermaßen neu formulieren: „Der Schein ist das Wesen selbst in der Bestimmtheit des Seins." (XI, 248; 12:7-8) Nachdem das Wesen vom Sein hinreichend gereinigt wurde, ist der Schein im Zusammenhang mit dem Wesen so neu zu definieren: „Der Schein ist [. ..] das Wesen in einer Bestimmtheit." (XI, 249; 13:3-4) Der Schein ist also das bestimmte Wesen oder die Bestimmung des Wesens. Hiermit gewinnt das anfängliche Wesen, das als „die vollkommene Rückkehr des Seins in sich [. ..] zunächst das unbestimmte Wesen" (XI, 242; 4:32-33) war, seine Bestimmung. Der Schein ist die erste Bestimmung des Wesens.
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(3) Der verbalisierte Schein: Das Scheinen Die Unmittelbarkeit, die der Schein vertritt, bezeichnet Hegel als das „Andere als es selbst" (XI, 248; 12:38), das die immer wieder zum Anderen seiner selbst werdenden endlichen Kategorien der Logik von 1804/05 kennzeichnet. Wie sich das Unendliche oder das Absolute in dieser Logik in das Endliche hineinbildet, spiegelt die Unmittelbarkeit nun das sich von sich abstoßende Wesen wider. Die Unmittelbarkeit, in der die Negativität des Wesens scheint, drückt so die Bewegung aus, in der sie immer wieder zur anderen Bestimmung wird und sich somit verändert.^^ Die seinslogische Kategorie ,Anderes' ist aber als Ausdruck der wesenslogischen Bewegung unangemessen. Denn das Andere des Wesens ist eben sein Anderes, aber nicht das Andere im strengen Sinne, nämlich das Andere, das sich außerhalb des Wesens befindet. Das Andere des Wesens ist immer vom Wesen Übergriffen. Es ist letztlich niemals vom Wesen befreit, sondern immer wieder auf das Wesen zurückzuführen. Deswegen ist auch die Veränderung der Unmittelbarkeit in der Wesenslogik als die immer in sich bleibende Bewegung zu deuten, durch die sich die Bestimmung der Unmittelbarkeit anreichert. Der Schein, die Unmittelbarkeit im anfänglichen Entwicklungsstadium, ist so wenig real, daß er bloß eine substratlose Bewegung bleibt. Das Wesen hat seinerseits noch kein ,,Bezogene[s]" (XI, 292; 66:10) im Schein, der sich in der ,,reine[n] Vermittlung" (XI, 249; 13:15) befindet. Das in der Vermittlung zwischen Schein und Wesen Vorgefundene ist nur die in der Unmittelbarkeit scheinende Bewegung der Negativität, das Scheinen des Wesens in sich selbst. Als „das Scheinen seiner in sich selbst" (XI, 249; 13:23) bezeichnet Hegel nun die unendliche Bewegung des Wesens in sich, „welche seine Unmittelbarkeit als die Negativität und seine Negativität als die Unmittelbarkeit bestimmt" (XI, 249; 13:21 -23). Der Schein bleibt somit nicht bloß die erste Bestimmung des Wesens, sondern durchzieht in der verbalisierten Form die ganze Wesenslogik. Der Terminus ,Scheinen' wird zwar meistens durch ,Reflexion' ersetzt, die in der noch spezifischeren Form die Bewegung des Wesens darstellt, aber er prädiziert noch durch die gesamte Wesenslogik hindurch diese Bewegung im allgemeinen Sinne. Der Schein repräsentiert zunächst das Scheinen des Wesens in sich 37 Wenn wir mit Theunissen dieses Geschehen als „sich verändern" bezeichnen, läßt sich der Sinn, das „zum Anderen werden", noch klarer herausstellen. (M. Theunissen (1980), 240)
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selbst. Er erstreckt sich ferner über die Erscheinung bis hin zur letzten Bestimmung des Wesens, zur Substanz, die „der als Schein gesetzte Schein" (XI, 393) genannt wird. Der Schein als das Scheinen des Wesens ist also ein allgemeiner Ausdruck für die Bewegung des Wesens. Durch diese Methodologisierung des Scheins gibt ihm Hegel einen ganz anderen Stellenwert in der Darstellung der Wahrheit, als es die Tradition vornimmt. Der Schein bedeutet für Hegel nicht das von der Wahrheit abgegrenzte Unwahre, sondern die Methode des Wahrheitsausdrucks. 4. Die Reflexion als der „in sich gegangene Schein" (1) Der Hegelsche Begriff der Reflexion Der Begriff der Reflexion kennzeichnet die neuere Philosophie, die sich durch die Erkenntniskritik von der früheren Philosophie abgrenzt. Diese Abgrenzung vollzieht zuerst die Cartesische skeptische Rückwendung auf das denkende Subjekt, das sich dadurch als von der Außenwelt klar unterschiedene Substanz vergewissert.^* Durch J. Locke wird die Reflexion zum ersten Mal als Grundbegriff der menschlichen Erkenntnis thematisiert. Gegenüber der „Sensation", der äußeren Erfahrung, die Eindrücke von außen empfängt, bestimmt Locke die Reflexion als die innere Erfahrung, die als ein introspektiver Bewußtseinsakt aufgrund der empfangenen Eindrücke (wahrnehmen, erinnern, unterscheiden und vergleichen) zu verstehen ist. Indem Kant die logische Verwendung des Begriffs bei Leibniz - wegen ihrer undifferenzierten Ausweitung auf das Reale in der Erscheinung - kritisiert, stellt er im Anhang der transzendentalen Analytik seiner Kritik der reinen Vernunft die Reflexion als die transzendentale Unterscheidungstätigkeit dar, die wir vor jeder Anwendung der Begriffe auf Gegenstände üben sollen. Nach Kant soll zuerst durch die transzendentale Reflexion entschieden werden, „für welche Erkenntniskraft die Gegenstände sein sollen, ob für den reinen Verstand, oder die Sinnlichkeit".*® Denn ein und demselben Gegenstand müssen die verschiedenen „Vergleichungsbegriffe" je nachdem zugesprochen werden, ob der Gegenstand der nur durch den reinen Verstand vorgestellten realitas noumenon oder dem Realen in der Erscheinung (realitas 38 Vgl. L. Zahn (1992), 396. 39 I Kant (1787), B 325.
4, Die Reflexion als der „in sich gegangene Schein"
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phaenomenon) angehört.^° Wenn z. B. zwei Tropfen Wasser als Gegenstände des reinen Verstandes gelten, dann sind sie nach dem Begriff immer dasselbe und voneinander nicht zu unterscheiden. Als Gegenstände in der Erscheinung machen sie dagegen, so sehr sie dem Begriffe nach einerlei sein mögen, eine „numerische Verschiedenheit" durch „die Verschiedenheit der Örter" aus.^' Je nachdem, ob ein und derselbe Gegenstand als Gegenstand des Verstandes oder der Sinnlichkeit betrachtet wird, sind ihm somit die verschiedenen Vergleichsbegriffe „Einerleiheit" und „Verschiedenheit" zuzusprechen. Die Vergleichsbegriffe, die Kant zugleich Reflexionsbegriffe nennt, haben daher eine Amphibolie, da sie den Gegenständen nicht eindeutig entsprechen. Dieser Amphibolie der Reflexionsbegriffe schenkt Leibniz nach Kant keine Aufmerksamkeit. Da dieselben Gegenstände sowohl einerlei als auch verschieden sind, muß nach Kant vor dem Vergleich der Gegenstände durch Begriffe unterschieden werden, ob von den Gegenständen als Noumena oder als Phaenomena die Rede ist. Die Reflexionsbegriffe fungieren hier als die Unterscheidungskriterien, durch die die transzendentale Reflexion vor aller Erkenntnistätigkeit den topos der Gegenstände bestimmt, d. h. sie der entsprechenden Erkenntnisquelle zuordnet. So bedient sich Kant der Reflexion und der Reflexionsbegriffe als einer Waffe zur Kritik an der traditionellen Philosophie und somit zur kritischen Reduktion der Erkenntnis auf Erscheinungen. Er leitet vier Reflexionsbegriffe, Einerleiheit, Verschiedenheit, Einstimmung und Widerstreit, aus der Urteilstafel ab.^^ Die übrigen vier Reflexionsbegriffe: das Innere und Außere, Materie und Form, führt Kant zur Kritik an der Leibnizischen Philosophie einfach unabgeleitet ein. Die Reflexion hat für Kant trotz der oben dargelegten Bedeutsamkeit keinen systematischen Platz in der transzendentalen Analytik, sondern fungiert, in deren „Anhang" die kritische Funktion der transzendentalen Dialektik vorbereitend, als „Überlegung" zur Beschränkung der Erkenntnis und zur Abgrenzung von der unkritischen Philosophie. Diese beschränkte Verwendung überschreitend, hat der Begriff der Reflexion dagegen für Fichte eine konstitutive Funktion für das System. Die Reflexion fungiert für ihn zusammen mit der Abstraktion als „abstrahierende Reflexion". Die Wissenschaft muß von den em40 Vgl. ebenda B 320 f. 41 Vgl. ebenda B 319. 42 Vgl. ebenda B 317f.
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pirischen und zufälligen Bewußtseinstatsachen abstrahieren und sie dadurch in ihrer spezifischen Gesetzlichkeit und ihrem systematischen Zusammenhang heraussteilen. Das natürliche Bewußtsein bewegt sich in der undurchschauten Einheit von Form und Gehalt, die die Reflexion in der Wissenschaftslehre voneinander trennen muß.“*^ Für die Fichtesche Wissenschaftslehre muß also zur wissenschaftlichen Konstitution des Prinzips auch die Reinigung von der natürlichen Lebenswelt vollzogen werden, wie Hegel sie in der Phänomenologie des Geistes vornimmt. Diese Arbeit besteht aber nicht wie in der formalen Logik darin, das Sein von der Form oder der puren Denkgesetzlichkeit zu abstrahieren, sondern vielmehr darin, die Logik auf ihre ursprünglichen Bedingungen zurückzuführen. In der Wissenschaftslehre von 1794 beginnt Fichte mit einer Gewißheit des Bewußtseins, der Vorstellung der logischen Identität A- A, um zu dem dieses identische Verhältnis begründenden Satz „Ich bin" zu gelangen.'*'* So dringt die abstrahierende Reflexion zu der sich selbst setzenden Tathandlung des Ich vor, die keine bloße Formalität der formalen Logik, sondern der diese ermöglichende Gehalt ist, indem sie von der bedingten Tatsächlichkeit logischer Identität abstrahiert und auf die ihr zugrunde liegende reine Tathandlung reflektiert.^® Dieses Prinzip, das Ich, stellt durch die abstrahierende Reflexion Grundsätze wie den Satz des Setzens, des Gegensetzens und der Synthesis der beiden durch Teilbarkeit auf, indem es sich selbst setzt, sich entgegensetzt und die beiden wieder vereinigt. Diese Grundsätze Fichtes entwickelt Hegel in der Wissenschaft der Logik als Reflexionsbestimmungen. Schon in der Metaphysik der Subjektivität der Logik, Metaphysik, Naturphilosophie von 1804/05 (vgl. VII, 154ff), wo sich die Metaphysik als Ich-Metaphysik darstellt, spielt Fichte eine bedeutende Rolle. Hegel, der Fichte zuerst in Frankfurt von Hölderlin her kritisiert und in der Differenz-Schnit gegen ihn für Schelling Partei ergriffen hat, wird nämlich 1804, nach dem Weggang Schellings nach Würzburg, noch einmal von Fichte beeinflußt. Obwohl sich Hegel auch später immer noch von Fichte distanziert, ist hinsichtlich der methodischen Darstellung und insbesondere hinsichtlich der Logik der Reflexion und der Reflexionsbestimmungen eine große Affinität zu Fichte festzustellen. Aber der entscheidende Unterschied des « Vgl. W. fanke (1970), 9 und auch 3. ** Vgl. /. G. Fichte (1794), 255 - 261, besonders 261. « Vgl. W. Janke (1970), 10.
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Hegelschen Begriffs der Reflexion vom Kantischen und Fichteschen liegt in seiner Objektivität. Die Kantische Reflexion ist eine subjektive Unterscheidungstätigkeit des Bewußtseins in bezug auf das Verhältnis „gegebener Vorstellung zu unseren verschiedenen Erkenntnisquellen".'*^ Vor aller Erkenntnis müssen wir, das kritisch beurteilende Subjekt, darüber reflektieren oder überlegen, ob der gegebene Gegenstand als Gegenstand des Verstandes oder der Sinnlichkeit, als Noumenon oder Phaenomenon, betrachtet werden muß. In diesem Sinne hat die Reflexion bei Kant den alltagssprachlichen Sinn des von Kant auch wahlweise gebrauchten Ausdrucks „Überlegung". Auch für Fichte behält die Reflexion noch denselben Sinn, obwohl sie in jedem Entwicklungsstadium der Kategorien konstitutiv fungiert. Denn die Reflexion gehört zum philosophierenden Subjekt, nicht zu den Bestimmungen selbst. Sie ist also für Fichte die Methode des überlegenden Subjekts. Durch die Verabsolutierung der Reflexion verzichtet Hegel in der Tat bereits in der Logik und Metaphysik von 1804/05 auf die Dichotomie zwischen dem Begriff und dem ihn reflektierenden Subjekt. Die Notwendigkeit dieses Verzichts versucht er in der Phänomenologie des Geistes zu begründen. In seiner spekulativen Logik stellt Hegel dann die Reflexion und ihre Bestimmungen als die objektiven logischen Bestimmungen dar, die zu einem bestimmten Entwicklungsstadium des logischen Prozesses gehören. Die Reflexion fungiert allerdings zugleich als die allgemeine Methode der gesamten Logik, indem sie bereits in der Seinslogik unthematisiert operiert und als die selbstbezügliche Negativität auch den Entwicklungen der Begriffslogik zugrunde liegt. Die systematische Zuordnung der Reflexion in die Wesenslogik der objektiven Logik kennzeichnet sich durch ihre genetischen Definition zu Beginn der Darstellung der Reflexion: Für „den in sich gegangenen, hiermit seiner Unmittelbarkeit entfremdeten Schein" bedient sich Hegel des Wortes der „fremden Sprache", der „Reflexion". (XI, 249; 13:2729) Mit der „Reflexion" meint Hegel teilweise die nachdenkende Betrachtung im gewöhnlichen Sinne der ,Überlegung'. (Z.B. XXI, 138; 151:35, XI, 241; 3:32 u. a.) Die Reflexion im eigentlichen Sinn, wie sie in der Wissenschaft der Logik thematisiert wird, zeigt aber eine spezifische ontologische Bestimmung. Diese Objektivität der Reflexion läßt sich schon aufgrund ihrer Abstammung aus dem objektivierten Schein ver46 LKflnf (1787), B 316.
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muten. Die Reflexion bestimmt Hegel ferner als den „seiner Unmittelbarkeit entfremdeten Schein", also als die vom Schein gereinigte Bewegung des Wesens. Mit der Reflexion wird also die Bewegung des Wesens vom Wesen her dargestellt. Die Bewegung, die zuerst vom Schein her anzufangen schien, erweist sich nun als die Tätigkeit des Wesens selbst, die den Schein produziert. Der Schein als ein Moment der Bewegung des Wesens ist die Unmittelbarkeit, die durch das Wesen produziert und gesetzt ist. Er ist der Unterschied des Wesens, genauer gesagt, das Unterschiedene durch das Sich-Unterscheiden des Wesens. Dieses Sich-Unterscheiden des Wesens wurde aus der Perspektive des Scheins als „das Scheinen seiner in sich" (XI, 249; 13:23) ausgedrückt. Nun wird es aus der des Wesens als „Reflexion" bezeichnet. Der verbalisierte Schein, das Scheinen, zeigt die Perspektive der Bewegung, in der das Wesen als eine Unmittelbarkeit oder Bestimmtheit zum Vorschein kommt. Im ersten Kapitel „Der Schein", in der genetischen Darstellung des eben aus dem Sein herkommenden Wesens, liegt der Schwerpunkt darin, zu zeigen, daß der seinslogische Rest eben die vom Wesen produzierte Bestimmtheit ist. Der Schein ist aber nun eine Bestimmung des Wesens. Die Bewegung des Wesens läßt sich nicht durch das einseitige Scheinen der Negativität in die Unmittelbarkeit angemessen darstellen, sondern benötigt die Bezeichnung, die auch die Richtung des Scheinens als Zurüc/cbeugung in sich angibt und so eine Selbstbezüglichkeit der Negativität in der bipolaren Bewegung zwischen ihr und der Unmittelbarkeit ausdrücken kann. Die Reflexion drückt diese Bewegung in noch spezifischerer Weise aus als der Schein. Sie erhält nicht nur ihren eigens betitelten Sitz im ersten Abschnitt, „Das Wesen als Reflexion in ihm selbst", sondern gilt ferner als die die gesamte Wesenslogik durchziehende Bewegung überhaupt. Denn die „Erscheinung" des zweiten Abschnitts ist ,Reflexion in anderes', und auch die „Wirklichkeit" des dritten Abschnitts, die Manifestation, ist eine bestimmte Art der Reflexion, nämlich die Reflexion, in der das Wesen nicht „Scheinen [. ..] in einem Anderen", sondern „in seiner Äußerlichkeit es selbst" ist (XI, 381). So deckt die Reflexion als Schlüsselwort die ganze Wesenslogik ab. (2) Die Entwicklung des Begriffs der Reflexion In den Nürnberger propädeutischen Logiken kommt der Begriff der Reflexion erst im letzten Entwurf von 1810/11 vor. (Vgl. WW 4, 172
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§ 35) Das besagt, daß Hegel erst unmittelbar vor der Abfassung der Wissenschaft der Logik die Reflexion als logische Bestimmung aufnimmt. Der Begriff der Reflexion aber war von Anfang an ein wichtiger Begriff in der Hegelschen Philosophie. Er hat darin sogar solch eine Bedeutung, daß seine Wandlung mit der Entwicklung derselben parallelisiert werden kann. Da die Reflexion in der Philosophie Hegels, die um die Vereinigung der Entzweiung zwischen den Menschen und Gott ringt, zum Vermögen des Menschen gehört, steht sie auch immer für Hegels Versuch, den Widerspruch zwischen Endlichem und Unendlichem zu vermitteln. Indem Hegel in der Vorrede zur Phänomenologie des Geistes seine Philosophie von Fichtes und Schellings intellektueller Anschauung abgrenzt, proklamiert er, daß das Wesen „nicht bloß als reine Selbstanschauung des Göttlichen, [...] sondern ebensosehr als Form und im ganzen Reichtum der entwickelten Form" zu fassen ist (IX, 19). In diesem Sinne ist „das Wahre [...] das Ganze" als „das durch seine Entwicklung sich vollendende Wesen" (IX, 19). Auch wenn Hegel mit anderen deutschen Idealisten die Idee, die Teile im Ganzen aufzufassen, teilt, weicht er dem Kantischen Motto der Diskursivität der menschlichen Erkenntnis nicht aus. Er macht nämlich immer auf das Vermögen der Teile, auf die Reflexion, aufmerksam. Das besondere Merkmal, das die Hegelsche Philosophie von anderen zeitgenössischen Versuchen unterscheidet, liegt in der Konstruktion der Form des Absoluten durch die Reflexion, durch deren geschichtlichen Entwicklung die Totalität der Teile gewährleistet wird. Diese Form als Beziehung der Reflexion auf das Absolute kristallisiert sich in der Gestalt des Widerspruchs heraus. Es kann also festgestellt werden, daß die Entwicklung der Reflexion, sich mit der des Widerspruchs verknüpfend, die Bildungsgeschichte der Hegelschen Philosophie zeigt. Für das Verständnis der Widerspruchsauffassung als Reflexionsbestimmung in der Wissenschaft der Logik lohnt es sich daher, sich den bisher dargestellten Zusammenhang von Reflexion und Widerspruch vor Augen zu führen. Schon in den Frankfurter Überlegungen betrachtet Hegel die Reflexion als Prinzip der Genese der Entgegensetzung, so daß die Mannigfaltigkeit der Welt aus der Funktion der Reflexion erklärt wird. Er denkt sie aber noch als den einseitigen Bewußtseinsakt, der etwas nur setzt, indem er ein Anderes ausschließt. Die Widersprüchlichkeit, in die sich die Reflexion verwickelt, wenn sie versucht, Gott zu denken, tritt hier immer als das Kennzeichen für die Beschränktheit der Reflexion auf. Gott ist das absolut Positive und Widerspruchsfreie. Nur wenn der Mensch versucht, Gott zu denken, wird
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er sich immer in Widersprüche verwickeln. Das heißt aber nicht, daß Gott sich widerspricht, sondern nur, daß unser Verstand endlich oder beschränkt ist. Die wirkliche Einheit oder Gott kann daher jenseits des Wissens nur religiös erfahren werden. Wo nur die religiöse Vereinigung möglich ist, bleibt die Reflexion ohnmächtig. Die eigentliche Geschichte der Reflexion in der Hegelschen Philosophie geht vom Jenaer Versuch der Konstruktion des Absoluten durch die Philosophie aus. Indem sich Hegel von der Religion zur Philosophie wendet, wird die „Reflexion als Instrument des Philosophierens" aufgewertet. Die Reflexion muß sogar das einzige Instrument des Philosophierens sein, weil der Philosoph das Absolute nicht fühlen oder glauben darf, sondern begreifen muß. Auch das Unendliche muß nun für Hegel in der Form des Endlichen verwirklicht und dargestellt werden. Die Möglichkeit der Konstruktion des Absoluten liegt daher in der Methode, die Reflexion vernünftig operieren zu lassen, so daß sie sich von ihrer endlichen Natur befreiend das Absolute ausdrücken kann. Zu Beginn der Jenaer Zeit denkt Hegel zwar den Widerspruch, den die Reflexion liefert, als originäre Form des Absoluten selbst. Da das Vermögen der Reflexion aber durch die transzendentale Anschauung beschränkt wird, wird der Reflexionsausdruck noch als die bloß negative Form des Absoluten bezeichnet. Die Reflexion muß aber bereits das Absolute insofern allein, ohne Zuhilfenahme der transzendentalen Anschauung, auffassen, als dieses nur begrifflich artikuliert werden kann. Dadurch kann die Reflexion schließlich im letzten Werk der Jenaer Periode als „positives Moment des Absoluten" erfaßt werden (IX, 19f; Hervorhebung von mir). Durch die Unabhängigkeit der Reflexion von der Anschauung wird die Reflexion, die eigentlich das Vermögen des Verstandes ist, zu dem absoluten Erkenntnisvermögen, das die transzendentale Anschauung sein sollte. Diese Erhebung der endlichen zur absoluten Reflexion bedeutet andererseits zugleich das Einbeziehen des Absoluten in die endliche Reflexion. Indem die Reflexion so vernünftig oder absolut wird, wandelt sich ihre Bewertung von der negativen Form des Absoluten zum positiven Moment desselben. Im ersten Jenaer Versuch zur Konstruktion des Absoluten drückt die Reflexion den Widerspruch als Form des Absoluten aus. Hegel sieht hier den Widerspruch als die unvermeidbare Ausdrucksweise an, die durch die Endlichkeit des Bewußtseins verursacht wird. In der endlichen Bewußtseinsstruktur befangen, erscheint nämlich das Absolute nur formell, d. h. negativ. Indem aber das natürliche Bewußtsein zum absoluten Wissen erhoben
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wird, wird die Reflexion vom Instrument der Erkenntnis des Absoluten zur Bestimmung des Absoluten selbst, die als logische zugleich Denk- und Seinsbestimmung ist. Als Form des Absoluten konkretisiert sie sich nun zum Widerspruch als Reflexionsbestimmung. Hegel vollzieht diesen Übergang durch die Ausarbeitung der absoluten Reflexion in der Logik und Metaphysik von 1804/05 und durch die Begründung des Standpunktes der spekulativen Philosophie in der Phänomenologie des Geistes. Wenn man die Schlüsselstellung der Reflexion bei diesem Übergang in der Logikarbeit der mittleren Jenaer Zeit bedenkt, dann stellt sich unweigerlich die Frage, weshalb sie in der Terminologie der Logikentwürfe für den Gymnasialunterricht bis auf den letzten Entwurf von 1810/11 niemals auftaucht. Der Grund dafür dürfte in der bedeutenden Differenz zwischen der Logik von 1804/05 und der von 1812/13 liegen. In der Logik von 1804/05, in der Hegel noch nicht die Seins- und Wesenslogik voneinander unterscheidet,^^ setzt er die „Reflexion überhaupt" mit dem „Übergehen in ein Anderes" gleich (VII, 130). Durch die Erweiterung „in sich", also im Ausdruck Reflexion in sich, zeigt Hegel zwar die Rückkehr oder Rückbeugung, verbindet aber noch nicht die Bedeutung der Vorsilbe „Re-" mit der Selbstbezüglichkeit der logischen Bewegung. Auch nachdem er in den propädeutischen Logiken die Unterscheidung zwischen Seins- und Wesenslehre eingeführt hat, fehlt zunächst noch jede Spur davon, daß die Reflexion die Bewegung der Wesenslogik im Unterschied zur Seinslogik kennzeichnen soll. Die klassischen logischen Grundsätze werden deswegen unter so verschiedenen Titeln wie „Satz", oder „Urteilskraft", aber nicht als Reflexionsbestimmungen gedeutet. Erst in der Wissenschaft der Logik nimmt Hegel die Reflexion als das Schlüsselwort auf, das die Logik der Selbstbezüglichkeit des Wesens im Unterschied zur Logik des Übergehens des Seins repräsentiert. Indem Hegel die absolute Reflexion in setzende, äußere und bestimmende Reflexion gliedert, findet sich die 47 Der Logik von 1804/05 kann man die Seinslehre der Wissenschafl der Logik, der Metaphysik die Wesenslehre entsprechen lassen, insofern die Metaphysik die der „verschwindendien]" logischen Bewegung entnommenen „bleibend[en]" Bestimmungen darstellen soll (VII, 127). Die Metaphysik von 1804/05 enthält aber nicht nur die Grundsätze der klassischen Logik, die die spätere Wesenslogik thematisiert, sondern auch die Objektivität, die Subjektivität und den absoluten Geist, die von der Abweichung des Darstellungsinhalts abgesehen der Gliederung der späteren Begriffs- und Ideenlehre entsprechen. Durch die Gliederung von Logik und Metaphysik denkt Hegel also 1804/05 noch lediglich einen dichotomischen Unterschied zwischen flüchtigen und wesentlichen, scheinbaren und wahrhaften, Bestimmungen.
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Kapitel 3: Die Identität als Widerspruch
Reflexion in einer noch systematischeren Zuordnung als in der früheren Logik. ,Reflexion in sich' wird in der Logik von 1804/05 synonym verwendet mit der absoluten Reflexion, die sich über die Negation mit sich vermittelt. Mit der entwickelten Gliederung spricht Hegel die ,Reflexion in sich' auch der Unmittelbarkeit der äußeren Reflexion zu, die sich gleichgültig gegen das Andere nur auf sich bezieht. Daß Hegel somit durch die Reflexion die Bestimmung überhaupt erklärt, wird deutlich werden, wenn wir später die äußere Beziehung der Seinslogik aus dem sich negativ auf sich beziehenden Wesen ableiten.^® (3) Seinslogische und wesenslogische Negation Wie Schellings Hegel-Kritik zeigt, ist das charakteristische Merkmal der Hegelschen Philosophie ihre Neigung zur Logik. Hegels Philosophie hat, was bereits aus seinen frühen Gedanken ersichtlich wird, von vornherein die Tendenz zur Logik. Der junge Hegel, der die Trennung von Gott und Mensch als einen Gegensatz empfindet, versucht bei der Konzeption seines absoluten Systems in Jena die Vereinigung des formellen Prinzips und des materiellen Gegenstandes durch die logischen Sätze A = A und A = Nicht-A zu begründen. Die Logifizierung der Sache ermöglicht es, diese in ein Negationsverhältnis treten zu lassen, das nach Hegels spekulativer Methode zum Widerspruch zugespitzt werden soll. In der Wissenschaft der Logik, die die eigenartige Betrachtungsweise der Hegelschen Philosophie am klarsten und konsequentesten in ihrem logischen Gerüst zeigt, stellt Hegel das Sein überhaupt in einem Negationsverhältnis dar, das im Verlauf der Entwicklung der logischen Bestimmungen immer präziser hervortritt. Hegel, der das negative Verhältnis zwischen dem Absoluten und der endlichen Erkenntnis des Menschen zu versöhnen versucht hat, überbrückt die Kluft im spekulativen Standpunkt, auf dem er Gott als ,Inbegriff aller Realitäten' zur sich immer mehr anreichernden diskursiven menschlichen Erkenntnis bringt. Da sich die systematische Darstellung des ,Inbegriffs aller Realitäten' im Negationsverhältnis zeigt, erweist sich dieser als der „Inbegriff aller Negation" oder „aller 48 Im Schlußkapitel sagt Hegel: „Jede Bestimmung ist eine Reflexion in sich" (XII, 251). In der Überarbeitung der Wissenschaft der Logik von 1832 bedient sich Hegel auch in der Seinslogik sehr oft der Termini „Reflexion" oder „reflektieren", die in der ersten Ausgabe nicht auftauchen. Z. B. XXI, 98; 105:26, XXI, 113; 122:20 u. a.
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Widersprüche" (XXI, 101). Gott stellt sich so als das System der sich immer weiter konkretisierenden Selbst-Negation dar, durch die sich zugleich Gott mit der Welt vermittelt. Aus dieser Perspektive ist die Wissenschaft der Logik eine Negationstheorie, die sich aus der Intention der Erkenntnis des Absoluten entwickelt hat. Am Sein als Anfang, an der abstraktesten und einfachsten Bestimmung des Absoluten, „bricht das Nichts [...] nur unmittelbar hervor" (XXI, 86). Dieses Negationsverhältnis konkretisiert sich beim Etwas und Anderen, die auseinanderfallen. Bei der Grenze „tritt" das Andere, das „dem ersten Etwas [...] nur äußerlich gegenüber" (XXI, 113) stand, nun diesem „eigentlich gegenüber" (XI, 67). Das Endliche als „Etwas mit seiner immanenten Grenze" (XXI, 116) geht im Sollen, das eigentlich „nur endliches Hinausgehen" über sich (XXI, 123) ist, über sich hinaus, es geht aber somit im ,,ausgeführte[n] Sollen" (XXI, 126), das das Andere, die Schranke, in sich enthält (vgl. XXI, 120), mit sich zusammen. Der Verstand sieht hier nur das Schlecht-Unendliche, den unendlichen Progreß, in dem das Endliche im „ perennierende [n] Sollen" (XXI, 129) vergebens das Jenseits, das Unendliche, zu erreichen versucht, ln der unvollkommenen „Weise der Erscheinung dieser Einheit" von Endlichem und Unendlichem findet aber die Spekulation das wahrhaft Unendliche als den „Prozeß [.. .], in welchem es sich" zur Endlichkeit „herabsetzt", um „diesen Unterschied seiner von sich selbst zur Affirmation seiner aufzuheben" (XXI, 129).^® So wird das Negationsverhältnis von Endlichem und Unendlichem als der sich selbst vermittelnde Prozeß des wahrhaft Unendlichen aufgefaßt. Zu Beginn des Kapitels „Das Fürsichsein", in dem „der Unterschied zwischen dem Sein und der [...] Negation [...] ausgeglichen" ist, beschreibt Hegel die bisherige Entwicklung als „die unvollkommenen Einbildungen der Negation in das Sein". (XXI, 144) Diese Bewertung läßt Hegel ferner für die gesamte Seinslogik gelten, wenn er von der Wesenslogik rückblickend die Weise der seins- und wesenslogischen Negation vergleicht. Insbesondere bei der Diskussion der Reflexion im ersten Kapitel der Wesenslogik thematisiert Hegel anhand der Formen der Negation die Differenz zwischen Seins- und Wesenslogik. In der Seinslogik „liegt der Bestimmtheit das Sein zugrunde" (XI, 249; 13:3334). Das Sein ist hier „der unmittelbare Boden und [das] Element" (XI, 255; 21:21), auf das die Negation einwirkt. Zu Beginn des Kapitels „Das 45 Zu dieser Entwicklung des Negationsverhältnisses. (Vgl. K. }. Schmidt (1997a), 34f)
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Kapitel 3; Die Identität als Widerspruch
Dasein", in dem Hegel den Prototyp der Seinskategorien sieht, wird das Dasein als „Sein mit einem Nichtsein" bestimmt. Die Bestimmtheit des Daseins hierbei kommt dadurch zustande, daß „dieses Nichtsein in einfache Einheit mit dem Sein aufgenommen ist". (XXI, 97) Für die seinslogischen Kategorien mit der Bestimmtheit oder Qualität ist das Paar „Sein" und „Negation" so konstitutiv, daß „der Satz des Spinoza; Omnis determinatio est negatio" (XXI, 101) für die Seinskategorie überhaupt als Einheit von Sein und Negation gilt. Alle Kategorien der Seinslogik kommen durch die zwei Elemente „Sein und Negation" in der Weise zustande, daß die Negation auf ein tragendes Element, das Sein als ihren Boden, wirkt. Diese auf das Sein ein wirkende Negation ergibt die Kategorien der Seinslogik wie das Werden, das Dasein usw. Im seinslogischen NegationsVerhältnis ist aber die Negation ihrem Boden, dem Sein, äußerlich und fremd. Diese Heterogenität ist die Ursache des Übergehens der Seinskategorien: „Weil das Sein [. ..] der Negation ungleich ist, so ist die Qualität in sich selbst ungleich, daher übergehendes, im Anderen verschwindendes Moment." (XI, 256; 22:24-27) Diese „Unruhe" bezeichnet Hegel als „Widerspruch" (XXI, 115), der in der überarbeiteten Fassung von 1832 vermehrt erwähnt wird. (Z. B. XXI, 113,116,118,123,127,129,132,138,139) Dort kennzeichnet Hegel anhand der Negationstheorie, insbesondere der Auffassung des Widerspruchs, die Seinslogik im Gegensatz zur Wesenslogik. Da das Sein als Boden der Negation immer dieser ungleich ist, schreitet sein Übergehen zum Anderen, zu seiner Negation, ohne Vereinigung mit diesem ins Unendliche fort. In dieser schlechten Unendlichkeit sieht der Verstand nur den „unversöhnten, unaufgelösten, absoluten Widerspruch" (XXI, 127). In Analogie zur früheren Logik leitet Hegel aus dem Prozeß des Endlichen, das sich aufgrund des ,,Widerspruch[s] seiner in sich" aufhebt und vergeht (XXI, 123), zwei Arten der Unendlichkeit, nämlich die schlechte und wahrhafte Unendlichkeit ab. Der ersteren entspricht die Auffassung des Verstandes oder der Vorstellung. Das spekulative Denken dagegen begreift in demselben Prozeß die letztere. In der Abgrenzung der wahrhaften von der schlechten Unendlichkeit rückt die Überarbeitung von 1832 die Darstellung der wahrhaften Unendlichkeit in die Nähe der „Natur des spekulativen Denkens", die „in dem Auffassen der entgegengesetzten Momente in ihrer Einheit" besteht (XI, 83; XXI, 139). Indem Hegel dort „Etwas und Anderes oder das Endliche und Unendliche" als „die reflektierenden Bestimmungen des Seins" bezeichnet (XXI, 109), hebt er den Reflexionscharakter dieser Be-
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Stimmungen hervor. Besonders betont wird dieser in der Darstellung des Verhältnisses zwischen Endlichem und Unendlichem: „Jedes" dieser beiden „hat das Andere seiner an ihm selbst" (XXI, 129; XXI, 133). Jedes „enthält [. . .] sein Anderes in seiner eigenen Bestimmung" (XXI, 132). „In jedem liegt hiermit die Bestimmtheit des anderen, [...] es kann keines gesetzt und gefaßt werden ohne das andere" (XXI, 131). Diese Auffassung, die sich erst in der Darstellung der Reflexionsbestimmungen der Wesenslogik findet, knüpft an die oben gezeigte Auffassung des Unendlichen als des sich selbst vermittelnden Prozesses an. Diese stark wesenslogisch orientierte Deutung des Endlichen und Unendlichen und die Selbstbezüglichkeit ihrer Vermittlung müssen aber noch mit der Einschränkung verstanden werden, die die Differenz zwischen Seins- und Wesenslogik liefert. Für die Bestimmungen der Wesenslogik ist der „Boden", auf den die Negation einwirkt, nicht das Sein, sondern das „Wesen" oder die „reine Negativität". (XI, 255) Die Negation kommt aus der sich auf sich beziehenden Negativität des Wesens und wirkt auf sie zurück. Hier ist nur die Negativität vorhanden. - Das Wesen als die sich auf sich beziehende Negativität negiert sich selbst, unterscheidet sich von sich selbst. Die negierte Negativität oder „das Unterschiedene" des Wesens ist eben der „Schein" (XI, 249;13:31-32), der schlechthin im Wesen aufgehoben und auf es zurückzuführen ist. In der Seinslogik ist die Negation, die auf das Sein als ihren Boden einwirkt, das Andere, das ebenso ein seiendes Substrat wie jenes Sein ist. Die Negation in der Wesenslogik ist hingegen „nicht als seiend, sondern unmittelbar als aufgehoben" (XI, 255; 21:26). Das Andere in der reflektierenden Bewegung des Wesens ist der Schein als das aufgehobene Sein. Er ist „die Negation an sich" (XI, 249; 13:35-36) oder „die Negation als Negation" (XI, 249; 14:2). Wenn das Andere in der Seinslogik „das Sein mit der Negation" ist, weil dem Anderen als dem seienden Substrat das erste Etwas ebenfalls als Negation gegenübersteht, dann ist das Andere in der Wesenslogik als „die Negation mit der Negation" zu bezeichnen, weil Wesen und Schein beide die substratlose Negation sind. (XI, 249; 14:4-6) Das Wesen hat also keinen festen Boden, wie ihn das Sein in der Seinslogik darstellt, sondern die sich negierende Negativität ist selbst der Boden, auf den sie als Negation ihrer selbst einwirkt. In diesem Sinne ist das Wesen die sich selbst tragende Bewegung. Es trägt sich selbst, indem es sich selbst negiert. Die reflektierende Bewegung des Wesens ist daher als „die Bewegung von Nichts zu Nichts und dadurch
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ZU sich selbst zurück" (XI, 250; 14:15-16),™ die Bestimmungen des Wesens als „schwebende Wesenheiten" (XI, 256; 22:36) zu kennzeichnen. „Die reine Negativität" des Wesens hat andererseits „nichts außer ihr [.. .], das sie negiert" (XI, 250; 14:23-24), weil sich der Schein nicht außer dem Wesen befindet. Diesem Negationsverhältnis fehlt daher der fremde Boden wie in der Seinslogik, auf den die Negation ein wir kt. Das Sein geht aufgrund der Ungleichheit von Sein und Negation unendlich zum Anderen über. Da die Negation in der Wesenslogik hingegen „sich in sich selbst nicht ungleich ist", ist die Bewegung des Wesens „somit wesentlich, nicht übergehend". (XI, 256; 22:27-30) Das Wesen ist „die unendliche Bewegung in sich" (XI, 249; 13:21). Im Vergleich zum Übergehen des Seins bringt Hegel die Bewegung des Wesens mit dem Zusatz „in sich bleiben" oder „aufgehoben" zum Ausdruck: „Die Reflexion" des Wesens ist „die Bewegung des Werdens und Übergehens, das in sich selbst bleibt" (XI, 249; 13:30-31). „Das Übergehen oder Werden hebt" hier „in seinem Übergehen sich auf". (XI; 250; 14:16-17) So bezieht sich die Negativität des Wesens nur auf sich, indem sie sich selbst negiert und diese Negation immer wieder zu sich selbst zurückbeugt. Hegel beschränkt sich nicht darauf, die wesenslogische Negation von der seinslogischen abzugrenzen, sondern er stellt sie auch als neuartiges Fundierungsverhältnis dar. Damit zielt er auf eine Kritik der traditionellen Metaphysik. Die traditionelle Metaphysik stellt sich nach Hegel nur „das Ansichsein" vor, das „eine abstrakte Weise, den Begriff auszudrücken," ist (XXI, 109).^^ Zur Bestimmung der Dinge führt Hegel 50 Ch. Iber deutet diese Bewegung als die des Nichts als dem Schein zum Nichts als dem Wesen selbst, das zugleich der Schein ist. (Vgl. Ch. Iber (1990), 129) Unter dem Richtungsaspekt der Rückkehr muß man freilich das zweite Nichts mit dem Wesen identifizieren. Da aber der Abstand zwischen Schein und Wesen noch so gering ist, daß sie voneinander untrennbar sind, muß jedem Moment der Bewegung zugleich Wesen und Schein zugeschrieben werden. Die Bewegung des Wesens ist die von Wesen zu Wesen unter dem Aspekt der Tätigkeit, sie ist zugleich die von Schein zu Schein unter dem Aspekt der Unmittelbarkeit als der Bestimmung des Wesens. Sie besteht in der Bewegung von einer zu einer anderen sich auf sich beziehenden Negativität, die die Negativität als Wesen und zugleich ihre Beziehung auf sich oder Identität mit sich als Schein ist. Durch diese Bewegung vertieft sich das Wesen immer weiter in seiner Selbstbegründung. 51 Nach D. Henrich faßt die Wolff-Schule das Einzelding als dasjenige auf, das einerseits für sich ist, auf das aber andererseits nur in Aussagen Bezug genommen werden kann. Bei dieser Auffassung bleibt jedoch völlig ungeklärt, wie das Ding aus der ersten Perspektive zugleich auch als dasjenige aus der zweiten erscheinen kann. Für die Einfachheit von Prinzipien nimmt Hegel aber nach Henrich weder das Einzelding als Referent der Prädikationen noch auch die Form der Aussage qua Medium der Erkenntnis als vorgängige Evidenz in Anspruch. Für Hegels Auffassung des Daseins als der Einheit von
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neben dem „Ansichsein" auch „das Sein-für-Anderes" in der Seinslogik und „das Gesetztsein" in der Wesenslogik ein. In der Seinslogik greift Hegel zunächst mit dem Begriffspaar „Ansichsein" und „Seinfür-Anderes" die traditionellen Auffassung der Dinge an. Das Ansichsein ist das, was etwas seinem Begriff nach, seiner Definition nach, ist. Man definiert beispielsweise einen Stuhl durch die Möglichkeit, auf ihm sitzen zu können. Er wäre aber kein Stuhl, wenn diese Möglichkeit nicht auch materiell ausgearbeitet „an ihm" greifbar vorhanden wäre. Der Stuhl hat die Sitzmöglichkeit, „dasselbe, was [er] an sich ist, auch an ihm" (XXI, 108). Er ist somit als „das Ansichsein" zugleich „das Seinfür-Anderes", das Sein-für-den Menschen, der darauf sitzt. „Als Beziehung auf sich, [. ..] Gleichheit mit sich" (XXI, 107), steht also Etwas zugleich „in Beziehung auf sein Anderssein" (XXI, 106), es ist „das Ansichsein" und zugleich „das Sein-für-Anderes". Durch diese „Identität des Ansichseins und Seins-für-Anderes" kritisiert Hegel die traditionelle Denkweise, die zunächst das Einzelding als für sich seiendes betrachtet und es dann durch die ihm äußere Betrachtung in Beziehung auf Anderes setzt. Die Bestimmung eines Daseienden in seinem Ansichsein oder seiner Beziehung auf sich muß durch sein Sein-für-Anderes oder die Beziehung auf Anderes erfolgen. (Vgl. XXI, 110)52
Aber dieser Ansatz zum „spekulativen Denken", das „in dem Auffassen der entgegengesetzten Momente in ihrer Einheit" besteht, (XXI, 139) läßt sich in der Seinslogik nur unzulänglich ausarbeiten. Ungeachtet der dialektischen Einsicht, daß Seinskategorien ineinander übergehen, stehen sie nebeneinander. Wie Hegel von der Wesenslogik rückblickend charakterisiert, herrscht in der Seinslogik die äußere Reflexion. Als Grundlage liegt den seinslogischen Kategorien die Endlichkeit zugrunde. Sie wird niemals vernichtet, weil die äußere Reflexion sonst nicht mehr funktionieren würde. Dementsprechend bleibt auch „das Unendliche [...] die gegenüberstehende Reflexion in sich". (XI, 253; 18:20-24) Aus der Seinslogik geht daher nicht hervor, welcher der Gegensätze eine dominierende bzw. an sich seiende Komponente ist. Selbst das wahrhaft Unendliche, das über die Endlichkeit sich selbst Realität und Negation darf man nicht das Seiende und die die Negation herbeiführende Aussage oder Erkenntnis voneinander trennen, sondern muß dem Seienden die Negation als ein Prinzip seiner Konstitution zusprechen. (Vgl. D. Henrich (1974), 215) 52 D. Henrich deutet diesen Gedanken als denjenigen, daß die Operation der Negation, aller Beziehung auf etwas, das sich negieren ließe, voran zu einem Konstituens des Daseins gemacht werden muß. (Vgl. D. Henrich (1974), 216)
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vermittelt, ist „mit dem Endlichen" gesetzt, wie „mit dem Etwas [...] ein Anderes" gesetzt ist. (XXI, 109; Hervorhebung von mir) Beiden, dem Endlichen und Unendlichen, spricht Hegel überdies „dieselbe Negation der Negation" (XXI, 133) zu. Im Vermittlungsprozeß der beiden ist es dementsprechend „völlig gleichgültig, welches als Anfang genommen werde", U-E-U oder E-U-E. Die Seinskategorien fallen von vornherein auseinander, ohne daß einer gegenüber einer anderen der Vorzug gegeben werden kann. Deswegen sind sie als „Sein mit der Negation" (XI, 249; 14:4-5) gesetzt. Das Wort „Setzen fällt" aber „eigentlich erst in die Sphäre des Wesens, der objektiven Reflexion". (XXI, 109) In der Wesenslogik führt Hegel anstelle des „Seins-für-Anderes" das „Gesetztsein" und anstelle des „Ansichseins" das Wesen als „Setzen" ein. (XXI, 109) Damit ergibt sich für die Wesenslogik eine andere Paarbildung, nämlich zwischen einem Setzenden und seinem durch es gesetzten Anderen. Die Seinskategorien werden nicht durch einander, sondern durch das ihnen äußerliche Denken miteinander gesetzt, das als das sich selbst denkende Denken zunächst seine anfänglichen Bestimmungen als die abstrakten oder voneinander getrennten aufführt und dann durch die dialektische Betrachtung ineinander übergehen läßt. Die Wesensbestimmungen sind aber nicht nur miteinander, sondern eine von ihnen ist durch die andere gesetzt. Die „Zurückbeugung dessen, was nicht an sich ist, in das, was sein Ansich" ausmacht, (XXI, 109) kann also nicht durch das Verhältnis der auseinanderfallenden Seinskategorien, sondern nur durch die Vermittlung zwischen Setzen und Gesetztsein erfolgen. Eerner werden die Seinskategorien durch die Tätigkeit des Wesens fundiert. In der Enzyklopädie von 1830 (§ 114) verweist Hegel ausdrücklich auf das Verhältnis zwischen Seins- und Wesensbestimmungen: „Es kommen in der Entwicklung des Wesens [. ..] dieselben Bestimmungen vor als in der Entwicklung des Seins, aber in reflektierter Eorm." In der Wesenslogik machen Sein und Wesen eine gegenläufige Bewegung aus, in der sich das Sein zum Wesen ausbildet und sich das Wesen im Sein erfüllt. Das Sein wird so durch das Wesen vermittelt, daß es als „das durch das Wesen wiederhergestellte Sein" (XI, 292; 66:19-20, auch XI, 319; 100:12) auftritt. Wenn die Seinslogik in dem Satz: „Das Sein ist Wesen", formuliert wird, dann wird die Wesenslogik durch den Satz: „Das Wesen ist Sein" bestimmt. (XI, 323; 104:9-11) „Dieses Sein aber, zu dem das Wesen sich macht, ist das wesentliche Sein, die Existenz: ein Herausgegangensein aus der Negativität und Innerlichkeit." (XI, 323; 104:12-14) So wird das Sein in der
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Wesenslogik von der Negativität des Wesens her neu bestimmt. Dieses Verhältnis des Seins zum Wesen fundiert Hegel durch die Negationstheorie in den beiden ersten Kapiteln der Wesenslogik. In der Darstellung der setzenden Reflexion wird der Ausdruck „Gesetztsein" (XI, 251; 15:31) zum ersten Mal in der Wesenslehre verwendet, und zwar als neue Definition der „Unmittelbarkeit". Das Sein wird, wie gezeigt, angesichts des Wesens zum Schein als dem aufgehobenen Sein herabgesetzt. Auch wenn Unmittelbarkeit und Negativität sowohl dem Schein als auch dem Wesen zugesprochen werden, vertritt der Schein - wie sich auch rückblickend eindeutig bestätigen läßt - ursprünglich die Seite der Unmittelbarkeit. Durch die reflektierende Bewegung zwischen Unmittelbarkeit und Negativität bestimmt sich die sich auf sich beziehende „Negativität als die Unmittelbarkeit", die sich allerdings wiederum zur „Negativität" aufhebt. (XI, 249; 13:21-22) Die Negativität nämlich negiert sich selbst, um über die Negation zu sich selbst zurückzukehren. Durch die Rückkehr gewinnt sie wiederum die Gleichheit mit sich, die eben ihre Bestimmtheit als Unmittelbarkeit ausmacht. In jedem Entwicklungsstadium der reflektierenden Bewegung des Wesens, die durch die Selbst-Negation der Negativität und die Rückkehr in sich fortschreitet, entsteht so die Unmittelbarkeit. Die Unmittelbarkeit ist also das durch das Wesen Produzierte oder Gesetzte. Indem die Unmittelbarkeit des Seins in der reflektierten Form auftaucht, wird sie als „die reflektierte Unmittelbarkeit" (XI, 246; 9:34, XI, 248; 11:34) neu interpretiert. Von dem entwickelten Stadium der Wesenslogik her gesehen, sind die Seinskategorien nicht unmittelbar Vorhandene oder unvermittelte Unmittelbarkeit, sondern die Bestimmungen, die durch die sich negierende Bewegung des Wesens vermittelt sind. So erweist die Wesenslogik die einfache Unmittelbarkeit der Seinslogik als die Gleichheit des Wesens mit sich, die seine Negativität jeweils durch die sich setzende Rückkehrbewegung produziert. Die seiende Unmittelbarkeit ist der abstrakte Ausdruck der Selbstbezüglichkeit der sich negierenden Negativität, die die Grundstruktur des Begriffs, der Subjektivität, ausmacht. Sie scheint auch aus dem seinslogischen Selbstbezug der Negation, den die Negation der Negation ausdrückt, abstrahiert und durch denselben gesetzt werden zu können. Im „Etwas", das Hegel „die erste Negation der Negation" oder „negative Einheit" nennt, findet er das erste Modell der Subjektivität. (XXI, 103) Dem Etwas als „Anfang des Subjekts" (XXI, 103) folgt das „negativ sich auf sich selbst beziehen[de]" (XXI, 116) Endliche als die
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zweite „Negation der Negation", die sich ferner als das wahrhaft Unendliche herausstellt (XXI, 135). Insbesondere die „Negation der Negation, die sich auf sich beziehende Negation", die der sich vermittelnde Prozeß des wahrhaft Unendlichen ausdrückt, (XXI, 137) scheint bereits dieselbe Struktur der Vermittlung wie die Bewegung des Wesens zu haben. In diesem Negationsbegriff ist zwar die selbstbezügliche Negation vorhanden, aber nicht in der entwickelten Weise wie in der Wesenslogik. Denn insofern die Negation in der Seinslogik auf das Sein als Anderes einwirkt, ist sie keine voll entwickelte selbstbezügliche Negation. Die Ungleichheit von Sein und Negation läßt die Negation nicht zu sich kommen, sondern zum Anderen werden. Mit Selbstbezug der Negation kann in der Seinslogik allenfalls die Negation der Negation gemeint sein. Die Selbstbezüglichkeit dieser doppelten Negation kommt auch nur als beschränkte zum Ausdruck: Hegel bezeichnet die „Negation der Negation als einfache, seiende Beziehung auf sich" (XXI, 103; Hervorhebung von mir). Er drückt sie auch als „die sich auf sich beziehende Negation" aus, aber nicht als „Negativität".^^ Seinskategorien als „Sein mit der Negation" können also von vornherein das relative Negationsverhältnis nicht überschreiten. Dieses Verhältnis ist nicht als Fundierungsverhältnis auszulegen, weil keine fundierende Komponente wie das Setzen in der Wesenslogik vorhanden ist. Daß die Unmittelbarkeit der Seinslogik nicht in dieser Logik selbst fundiert werden kann, stützt sich auf den Status der Seinslogik und ihre daraus folgende Darstellungsweise. Die Seinslogik führt zunächst die auseinanderfallenden Kategorien als für sich seiende auf, so wie das die Vorstellung oder der Verstand tut. Diese anfängliche, abstrakte Betrachtung des Absoluten enthält die Weise der Vorstellung als „das Außersichsein des Begriffs" (XXI, 114). Hegel bestimmt zunächst jede der auseinanderfallenden Kategorien als „das Ansichsein", dem er dann „das Sein-für-Anderes" oder die Beziehung auf Anderes entnimmt. Die Vorstellung, die sich am „Ansichsein" festhält, verharrt auf jener ersten Stufe. Denn auch wenn sie dieses Ansichsein in Beziehung auf Anderes setzt, fügt sie das Andere doch nur als ein anderes Ansichsein dem ersteren äußerlich hinzu. Die dialektische Betrachtung der Seinslogik senkt diese „vorgestellte Selbstän53 In der Seinslogik verwendet Hegel das Wort „Negativität" nur einmal, aber nicht im Unterschied zur „Negation", sondern im gewöhnlichen Sinne zur allgemeinen Unterscheidung zwischen der ,,absolute[n]" und der ,,abstrakte[n] Negativität" (XXI, 103), Zur Differenz zwischen Negation und Negativität vgl. Fußnote 33 dieses Kapitels.
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digkeit zu Momenten herab, noch unterschieden, aber zugleich aufgehoben" (XXI, 92; Hervorhebung von mir). Hier findet sich also in der spekulativen Logik die Spur der früheren Aufgabe der Vernunft, die die endliche zur unendlichen Erkenntnis erheben sollte. Das spekulative Denken bezieht die üblicherweise isolierten Kategorien aufeinander, um deren gleichgültiges Verhältnis im Widerspruch zu vereinigen. Diese Aufgabe kann aber mit der Dialektik des Übergehens nur bis zu einem gewissen Grad erfüllt werden. Die Seinslogik stellt nur vordergründig und vorläufig die Selbstbezüglichkeit der sich negativ auf sich beziehenden Subjektivität dar. Die Vermittlung durch die Negation der Negation ist daher noch zu schwach und abstrakt, um die Unmittelbarkeit zu begründen. Die Vermittlung des Seins mit der Negation als Anderem führt aufgrund ihrer Heterogenität immer zum Übergehen in Anderes, ohne jenes durch diese zu begründen. „Das Sein mit der Negation" sieht nämlich die Beziehung auf Anderes nur im „Sein-für-Anderes", das noch nicht als Gesetztsein auf gef aßt wird. Erst in der reflektierenden Bewegung des Wesens, in der sich das Moment der Andersheit als Gesetztsein zeigt, wird die Unmittelbarkeit vermittelt und begründet. Wenn die Unmittelbarkeit zugleich als Vermittlung aufzufassen ist, findet dieses spekulative Denken seinen wahrhaften Sinn in dem Fundierungsverhältnis zwischen den beiden, das nicht in der Dialektik des Übergehens, sondern in der Dialektik der Reflexion von Setzen und Gesetztsein besteht. Um die Untrennbarkeit von Endlichem und Unendlichem zu zeigen, spricht Hegel nur einmal den Seinskategorien das Wort „Setzen" zu: Jedes sei „das Setzen seines Anderen" (XXI, 128). Diese Verwendung überschreitet aber nicht die Einschränkung der Seinslogik, die Hegel durch die schon dargelegte, ausdrückliche Unterscheidung der Seins- und Wesenslogik zeigt.®“* 5“* D. Henrich weist nach, daß das Sein oder die Unmittelbarkeit aus der selbstbezüglichen Negativität erfolgt. Der „grundlegende Gedanke der Logik Hegels" liegt ihm zufolge in der „Identifikation des Seins mit der Negativität". (Vgl. D. Henrich (1974), 226) Er leitet das Insichsein des Seins aus der „Selbstbezüglichkeit der Andersheit" (ebenda 222) ab. Diese Selbstbezüglichkeit sieht er aber nur in der „Negation der Negation", weil er „die Verdoppelung der Andersheit aufgrund des Vorbilds der doppelten Aussagenegation" (ebenda 219) deutet. Indem Henrich Hegels Negationstheorie als die Ontologisierung der Aussagenform der doppelten Negation interpretiert, macht er nicht auf das Fundierungsverhältnis von Seins- und Wesenslogik aufmerksam. In seiner späteren Arbeit über die Logik der Reflexion wiederholt Henrich zusammenfassend diese Argumentation, ohne sie inhaltlich zu korrigieren. (Vgl. D. Henrich (1978), 261ff) Wie aber „Setzen" und „Gesetztsein" zur Wesenslogik gehört, ist „das Andere" der Terminologie der Seinslogik zuzurechnen, obwohl Hegel in der Wesenslogik wenn auch selten „das
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(4) Die Korrektur des Anfangs der Wissenschaft der Logik Aus dem Fundierungsverhältnis zwischen Seins- und Wesenslogik ist auch der Anfang der Seinslogik zu korrigieren. Indem „die Negation mit der Negation" in der Wesenslogik „das Sein mit der Negation" ablöst, stellt sich „das Erste" als „die absolute Negativität" dar (XI, 249; 14:4-8); Die „Unmittelbarkeit ist daher nicht ein Erstes, von dem angefangen wird und das in seine Negation überginge, noch ist es ein seiendes Substrat, das sich durch die Reflexion hindurch bewegte; sondern die Unmittelbarkeit ist nur diese Bewegung selbst." (XI, 249f; 14:9-13) Diese Bemerkung bezieht sich zunächst nur auf die Korrektur des Anfangs der Wesenslogik, deren Darstellung mit dem Schein als dem aufgehobenen Sein angefangen hat. „Die Unmittelbarkeit, welche die Bestimmtheit am Schein gegen das Wesen hat", schien früher der Anfang der Wesenslogik zu sein, obwohl sie „als die eigene Unmittelbarkeit des Wesens" auf dieses zurückzuführen ist. (XI, 247f; 11:30-32) „Jene Unmittelbarkeit, welche die Bestimmtheit des Scheins ausmacht und von der vorhin die reflektierende Bewegung anzufangen schien" (XI, 251; 15:34-36), erweist sich hingegen als die Reflexion selbst. In der Darstellung der absoluten Reflexion und auch noch der setzenden Reflexion sind die Reflexion als Bewegung des Wesens und ihre Unmittelbarkeit nicht voneinander unterschieden. Da die Unmittelbarkeit mit der „Bewegung selbst" unmittelbar zusammengeht, ist am Anfang der Wesenslogik nur die Reflexion als die sich negativ auf sich beziehende Bewegung vorhanden, deren „Gleichheit mit sich" als „Unmittelbarkeit" bestimmt wird (XI, 249; 14:9). Aufgrund der schon genannten Eundierung des Seins durch das Wesen kann diese Korrektur auch für den seinslogischen Anfang gelten. Hegels Anfangsproblematik, wie sie im Anfangskapitel diskutiert wird, bewegt sich zwischen zwei Problemen des Anfangs, nämlich zwischen dem Problem der Einheit von „Methode" und „Inhalt" oder von „Eorm und Prinzip" einerseits und dem der Einheit von „Unmittelbarkeit" und „Vermittlung" andererseits. (Vgl. XXI, 54) Als Prinzipien der bisherigen Philosophie unterscheidet Hegel zwischen dem objektiven Prinzip wie „das Wasser, das Eine, Nus, Idee - Substanz, Monade u.s.f." und dem subjektiven Prinzip wie „Denken, Anschauen, Empfinden, Ich, die Subjektivität". Diese Prinzipien, die die InhaltsAndere seiner selbst" (XI, 257; 23:13) für die Unmittelbarkeit verwendet. Die Unmittelbarkeit muß also nicht seinslogisch, sondern wesenslogisch fundiert werden.
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bestimmung sind, zeigen den Anfang, den Grundsatz, nur dem Inhalt nach. Der Anfang bezüglich der Form, d. h. der Frage, womit die Darstellung der Philosophie anzufangen habe, sei dabei rein zufällig, ohne etwas mit dem inhaltlichen Prinzip zu tun zu haben. Für die geläufigen Prinzipien der Philosophie sind daher Inhalt und Form des Anfangs voneinander getrennt. Das Prinzip der Philosophie aber ist nach Hegel nicht nur als ein Inhalt, sondern auch als eine Form zu denken. „So soll das Prinzip auch Anfang und das, was das Prius für das Denken ist, auch das Erste im Gange des Denkens sein." (XXI, 54) Der Anfang der Darstellung, die der Reihenfolge nach erste Kategorie, darf also nicht zufällig oder empirisch, sondern muß bereits das Prinzip selbst sein. Er darf nicht „hypothetisch oder problematisch" (XXI, 56f), sondern muß „absolut" sein, insofern das Prinzip absolut sein soll. Der Anfang darf aber andererseits keine Voraussetzung haben und muß somit nicht vermittelt, sondern „unmittelbar genommen werden" (XXI, 56), insofern die absolute Wissenschaft voraussetzungslos sein soll. Die Absolutheit des Anfangs ist also als seine Abstraktheit zu verstehen. Der Anfang muß einfach und somit inhaltlich leer sein. Denn wenn der Anfang auf irgendeine Weise, durch Voraussetzung oder Vermittlung, in Beziehung auf ein Anderes steht, ist der Anfang bereits gemacht. Man muß also mit einem Unmittelbaren anfangen, weil man sonst schon angefangen hätte. Dieser Feststellung setzt Hegel aber andererseits entgegen, „daß es nichts gibt [...], was nicht ebenso die Unmittelbarkeit enthält als die Vermittlung" (XXI, 54). Wenn alles sowohl Unmittelbarkeit als auch Vermittlung ist, muß auch der Anfang diesem Umstand Rechnung tragen. Hiermit steht die Anfangsproblematik vor einem doppelten Dilemma: Der Anfang in der Reihenfolge muß zum einen schon das Prinzip, aber zugleich inhaltlos sein. Zum anderen muß er unmittelbar, aber zugleich vermittelt sein. Die Aufgabe liegt also darin, wie man den von Natur aus unmittelbaren Anfang so gestaltet, daß er das Prinzip enthält und die Vermittlung gewährleistet. Hegel löst dieses Problem durch die Darstellung der „Wissenschaft" als „Kreislauf [. ..], worin das Erste auch das Letzte, und das Letzte auch das Erste wird" (XXI, 57). Im „logischen Fortschreiten überhaupt" ist nach Hegel „das Vorwärtsschreiten [...] vielmehr ein Rückwärtsgehen und Begründen" (XXI, 57) oder, um die Formulierung des Schlußkapitels zu gebrauchen, „das vorwärtsgehende Weiterbestimmen" zugleich „das rückwärtsgehende Begründen" (XII, 251). Die logische Darstellung zeigt zum einen, „daß das Vorwärtsgehen ein Rückgang in den Grund, zu dem Ursprünglichen und Wahrhaften ist.
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Kapitel 3: Die Identität als Widerspruch
von dem das, womit der Anfang gemacht wurde, abhängt, und in der Tat hervorgebracht wird. [...] Dieses letzte, der Grund, ist denn auch dasjenige, aus welchem das Erste hervorgeht, das zuerst als Unmittelbares auftrat." (XXI, 57) Andererseits ist „dasjenige, in welches die Bewegung als in seinen Grund zurückgeht, als Resultat zu betrachten. Nach dieser Rücksicht ist das Erste ebensosehr der Grund, und das Letzte ein Abgeleitetes". (XXI, 57f) Da „der Eortgang" vom Anfang „nur als weitere Bestimmung desselben zu betrachten" ist, bleibt „das Anfangende allem Eolgenden zu Grunde liegen" und verschwindet nicht daraus. „So ist der Anfang der Philosophie, die in allen folgenden Entwicklungen gegenwärtig und sich erhaltende Grundlage, das seinen weiteren Bestimmungen durchaus immanent bleibende." (XXI, 58) Durch diesen Eortgang verliert der Anfang seine Unmittelbarkeit sowie Abstraktheit und wird vermittelt, indem die Linie der Eortbewegung sich zu einem Kreis schließt. Der Anfang als „das noch Unentwickelte, Inhaltslose", wird noch nicht wahrhaft erkannt. Erst in der „ganzen Entwicklung" der Logik stellt sich „seine vollendete, inhaltsvolle und erst wahrhaft begründete Erkenntnis" heraus. (XXI, 58) Das Prinzip der Philosophie liegt also nicht in einem Punkt des Prozesses, sondern der Prozeß selbst als Einheit der Unmittelbarkeit und Vermittlung ist das Prinzip. Da „das Resultat", das den Prozeß als sein Moment in sich enthält, „als der absolute Grund hervortritt", muß auch „das Fortschreiten" des Prozesses „durch die Natur der Sache [.. .] selbst", die dem absoluten Grund des Resultates entspricht, „bestimmt sein". (XXI, 58) Der Anfang ist daher nicht „etwas provisorisches, noch ein problematisches und hypothetisches" wie der Anfang bei Reinhold, sondern ebenso absolut wie das Resultat. In der zeitlichen Entwicklung oder in der Diskursivität der menschlichen Erkenntnis kann man allerdings „nicht antizipieren, daß der Anfang schon als solcher ein Abgeleitetes sei" (XII, 251). Für ihn reicht zunächst aus, daß er einfache Unmittelbarkeit ist. Der Anfang ist somit „ein Unvollkommenes, weil er Anfang ist, aber zugleich dieses Unvollkommene überhaupt [. ..] ein Notwendiges", weil diese Negativität das logische Fortschreiten vorantreibt. (XII, 251) Durch die Vermittlung, die sich aus seiner Natur ergibt, gewinnt dann der Anfang seinen vollkommenen Sinn. Der unmittelbare Anfang wird so durch seinen Vermittlungsprozeß seinem Begriff gemäß gesetzt. Für die diskursive Darstellung der Logik geht also der wahrhafte Begriff des Anfangs erst aus seinem sich vermittelnden Prozeß hervor, in dem er sich vom „an sich" zum „für sich" seienden entwickelt.
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Wenn der Anfang nicht bloß das Erste in der Reihenfolge der Kategorien, sondern zugleich das Prinzip der Philosophie als das sich anreichernde Absolute ist, dann muß „das Unendliche [. . .] als eine neue Definition des Absoluten" neben „Sein und Werden" ein korrigierter Anfang sein (XXI, 124). Denn der Prozeß, in dem der Anfang sich immer wieder negierend anreichert, ist mit der Darstellung der Logik als der Definitionskette des Absoluten zu identifizieren. Die richtige Korrektur des Anfangs ist aber erst in der Wesenslogik zu finden. Die weiteren Definitionen des Absoluten in der Seinslogik wie Werden, Unendliches und Maß sind zwar die korrigierten, konkreteren Bestimmungen des Anfangs, aber alle Kategorien der Seinslehre sind - ob bestimmt oder unbestimmt - unvermittelte Unmittelbare, ln der Wesenslehre erweisen sich alle Unmittelbaren als reflektierte Unmittelbare, als Gesetztsein, ln der Seinslehre wendet Hegel vorläufig die Methodik operativ an, die er erst in der Wesenslogik im nachhinein thematisiert. Hegel ßndet dort das Unmittelbare vor. Er geht dann von diesem Vorgefundenen Unmittelbaren aus und versucht nun weiter, Widersprüche zu konstruieren. Die Seinslogik zeigt somit, daß die Kategorien am Widerspruch scheitern. Die Wesenslogik dagegen leitet das Unmittelbare ab. Sie thematisiert die operative Methodik, die den Fortgang der Seinslogik ermöglicht hat. Dadurch erweist sich, daß das vorläufige Verfahren der Seinslogik in der Tat durch die wesenslogische Methode vorangetrieben und vermittelt ist. So gesehen ist das Unmittelbare eigentlich nicht ein Vorgefundenes, sondern ein durch die Reflexion des Wesens Produziertes. Das Vorgefundene ist in Wahrheit das durch die setzende Reflexion Vorausgesetzte. Auch der Widerspruch, der das Übergehen der Seinskategorien ermöglicht, ist das Vorläufige, dessen operative Methodik erst in der Wesenslogik an den Tag kommt. Wenn die Unbestimmtheit des Anfangs seine Reinheit gegenüber den weiteren Seinskategorien garantiert, weil diese in Beziehung auf Anderes stehen und somit nicht Anfang sein können, dann zeigt die Unmittelbarkeit des Anfangs die prinzipielle Differenz zur Wesenslogik, die für die ganze Seinslehre gilt. Hegel muß mit dem Unmittelbaren anfangen, weil er sonst schon angefangen hätte. Da der Anfang aber vordergründig ist, muß er nachher auf ihn zurückkommen. Indem Hegel auf die Definition der Unmittelbarkeit zurückkommt, deutet er sie neu als reflektierte Unmittelbarkeit. Das Unmittelbare ist in Wahrheit das Vermittelte. Durch das Fundierungsverhältnis von Sein und Wesen wird so der Anfang begründet. Die wesenslogische Fundierung des Seins ist also ein einschneidendes
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Moment für die Darstellung des Anfangs, der im fortschreitenden Prozeß immer rückwirkend neu bestimmt werden muß. Der Anfang und seine weiteren Bestimmungen werden erst durch die Reflexion des Wesens vermittelt und begründet. Das dadurch aufgehobene Sein verschwindet aber nicht in dieser negierenden Tätigkeit des Wesens, sondern macht als Unmittelbarkeit das Gegenmoment der Negativität aus. Das Sein bleibt also, wenn auch immer vom Wesen Übergriffen und auf dieses zurückzuführend, ein Moment der reflektierenden Bewegung des Wesens, das „ohne Sein seine Wahrheit nicht hat" (XI, 382). Die gegenläufige Bewegung von Sein und Wesen führt von Identität und Unterschied, Positivem und Negativem über Form und Materie, Bedingung und Grund, die ansichseiende und erscheinende Welt bis zu den Totalitäten von Äußerem und Innerem, Allgemeinem und Einzelnem, deren Einheit den „Begriff" als „Subjektivität" oder „Ereiheit" (XI, 409) ausmacht. „Das Absolute ist nicht nur das Sein, noch auch das Wesen." (XI, 370) Das realisierte, d.h. seinem Begriff gemäß gesetzte Wesen, die Substanz, befindet sich daher in der „Bewegung der Akzidentalität" als „das Scheinen der Kategorien des Seins und der Reflexionsbestimmungen des Wesens ineinander" (XI, 394). Die Operation dieser Bewegung ist aber so unter der Dominanz des Wesens zu konstruieren, daß sich das Wesen als Unmittelbares voraussetzt und dann in sich selbst zurückkommt. Da die Substanz zugleich als Subjekt aufzufassen ist, erstreckt sich die Bewegung des Wesens überhaupt als die sich auf sich beziehende Negativität leicht variiert auch auf die Darstellungsmethode des Begriffs als der Subjektivität. Der Anfang, der zugleich als das Ende aufzufassen ist, muß also von dieser selbstbezüglichen Negativität her verstanden werden, die als die die ganze Logik abdeckende Methode in den beiden ersten Kapiteln der Wesenslehre thematisiert wird. Der Anfang läßt sich nun als die Negativität bezeichnen, die sich als Unmittelbares voraussetzt und über dessen Negation zu sich zurückkehrt. Das ist aber nicht so zu verstehen, daß das reine Sein der Anfang in der Reihenfolge der Darstellung und die selbstbezügliche Negativität der Anfang als Prinzip ist. Denn zwei Anfänge widersprechen der Absicht Efegels, einen Anfang als Einheit von Form und Prinzip, Methode und Inhalt, zu gestalten. Hegels Idee des spekulativen Anfangs ist der Kritik an der zeitgenössischen Philosophie entwachsen, die die intellektuelle Anschauung zum Anfang der Wissenschaft macht. Diese teilt den gemeinsamen Begriff des Anfangs mit der neueren Philosophie, die aus dem selbstverständlichen, unmittelbaren Prinzip die Wissen-
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Schaft ableitet. Nach Hegels Gedanken muß der Anfang dagegen erst durch seine Verwirklichung in der Wissenschaft sich selbst begründen. Trotz der Notwendigkeit der Vermittlung kann aber Hegels Begriff des Anfangs aufgrund seiner kreisförmigen Abgeschlossenheit die zeitgenössische Aufgabe der absoluten Erkenntnis der Totalität lösen. Hegel methodologisiert nämlich die Idee der intellektuellen Anschauung. Das ist der Grund dafür, daß der Anfang nur in bezug auf die Methode richtig interpretiert werden kann.^^ 5. Der Widerspruch als Reflexionsbestimmung (1) Die Reflexion als Konstitutionsprinzip des Gegenstandes Im allgemeinen setzt der Widerspruch die Reflexivität voraus, in der sich eine Aussage oder Bestimmung durch ihre Negation auf sich bezieht. Insofern die Reflexion Erkenntnisvermögen bleibt, zeigt ihr Widerspruch das Scheitern der Erkenntnistätigkeit. Wenn die subjektive Tätigkeit ein Prädikat des Gegenstandes mit seiner Negation verbindet, zeigt das nur die Unmöglichkeit des sprachlich sinnvollen Ausdrucks über diesen Gegenstand. Auf dieser erkenntnistheoretischen Ebene betrachtet die Kantische transzendentale Logik den Satz des Widerspruchs. In diesem Satz besteht der Widerspruch nach Kant nicht zwischen dem Begriff des Dinges als Subjekt und dem Gegenteil seines Prädikates, sondern zwischen dem jenem Begriff entsprechenden Prädikat und seinem Gegenteil. Mit dem Subjekt, dem Begriff des Dings, muß hierbei das ihm entsprechende Prädikat analytisch verbunden werden. Denn sonst können zwei einander widersprechende Prädikate ein und demselben Gegenstand zukommen. „Ein Mensch, der ungelehrt ist," z. B. „ist nicht gelehrt", kann aber „zu einer anderen Zeit gar wohl gelehrt sein".^^ Um diese synthetische Verbindung von einem Gegenstand und seinem Prädikat zu vermeiden, hat die herkömmliche Formulierung des Satzes vom Widerspruch die Zeitbedingung „zu55 Entgegen dem Anschein, den der Titel „Anfang und Methode der Logik" erweckt, diskutiert D. Henrichs Arbeit den Anfang kaum in bezug auf die Methode. Sie grenzt den unmittelbaren Charakter des Anfangs von der Reflexion ab, indem sie die Aufmerksamkeit auf die Formulierungen des Sein-Kapitels lenkt. Sie deutet ihn aber nicht im Zusammenhang mit der Negativität der Reflexionslogik oder der Kreisbewegung der Selbstvermittlung des Anfangs. (Vgl. D. Henrich (1963), 73 - 94) 56 I. Kant (1787), B 192.
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gleich" eingeschlossen. Der logische Grundsatz darf aber nach Kant „seine Aussprüche gar nicht auf die Zeitverhältnisse einschränken".®^ Um seine analytische Natur zu verdeutlichen, formuliert Kant den Satz des Widerspruchs so um: „Keinem Dinge kommt ein Prädikat zu, welches ihm widerspricht".^® Von dem obersten Grundsatz aller synthetischen Urteile unterscheidet zwar Kant den aller analytischen Urteile als den Satz des Widerspruchs, der als das bloß formelle Kriterium der Wahrheit bezeichnet wird.®^ Sein Versuch der analytischen Verbindung des dem Subjekt dieses Satzes entsprechenden Prädikats mit dem ihm entsprechenden Ding zeigt aber die Idee seiner transzendentalen Logik, die „es bloß mit den Gesetzen des Verstandes und der Vernunft zu tun hat, aber lediglich, sofern sie auf Gegenstände a priori bezogen wird".“ Um das Prädikat des analytischen Urteils zu haben, braucht man nur den Begriff des Subjekts zu analysieren, ohne „auf die Erfahrung zurückzusehen". „Diese Verknüpfung des Prädikats mit dem Subjekt durch Identität"®' kann aber erst auf der Basis der analytischen Verbindung des Begriffs des Subjekts mit dem ihm entsprechenden Ding erfolgen. Kants Auffassung des Satzes vom Widerspruch ist daher anders als die von L. Wittgenstein, die in der formallogischen Abstraktion formuliert wird: Der Widerspruch sei eine auf (formal)logischen Gründen falsche Aussage.®^ Obwohl die transzendentale Logik Kants die analytische Verbindung des Begriffs des Subjekts mit dem ihm entsprechenden Ding behauptet, ist das Prädikat keine Gegenstandsbestimmung, sondern eine sprachliche Prädikation. Eben aus demselben Grund bleibt es auf der sprachlichen Ebene. Unter der Annahme, daß der Begriff des Subjekts aus der Bestimmtheit des Gegenstandes analytisch folgt, braucht man sich 57 Ebenda 58 Ebenda B 190. Diese Definition ist zirkulär, weil sie das zu definierende in sich enthält; M. Wolff kritisiert Kants Zurückführung des Widerspruchsbegriffs auf den Begriff der Analytizität, derzufolge der Widerspruch die Negation des analytischen Urteils ist. Dabei stützt sich Wolff auf die These von W. V. O. Quine, daß auch der Begriff der Analytizität nur zirkelhaft definierbar und somit die analytische und die empirische bzw. synthetische Erkenntnis voneinander schwer unterscheidbar sei. (Vgl. M, Wolff (1981), 16; W. V. O. Quine (1953), 20 - 46) 59 Vgl. I. Kant (1787), B 84. 50 Ebenda B 81 f. 51 Ebenda B 9. 52 Zu den verschiedenen Definitionen des Satzes vom Widerspruch vgl. M. Wolff (1981), 21f und (1986), 112.
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nicht mehr auf den Gegenstand selbst beziehen, sondern nur den Begriff des Subjekts zu prädizieren. Der Widerspruch ist dann durch den Vergleich zwischen dem Begriff des Subjekts und des Prädikats auf der sprachlichen Ebene festzustellen und bedeutet daher nur eine formallogische Inkonsistenz. Die traditionelle Metaphysik, auch Kants transzendentale Logik, betrachtet das Prädikat nur als die sprachliche Prädikation, die den gegebenen Begriff des Subjekts reflektiert (Verstandesreflexion). Für Hegel dagegen ist das Prädikat die Gegenstandsbestimmung selbst. Die Prädikation des Gegenstandes erfolgt durch die Reflexion, die - der Subjekt-Objekt-Spaltung, GegenstandPrädikat-Trennung, vorausgesetzt - als Konstitutionsprinzip des Gegenstandes fungiert.Der Widerspruch, den die Reflexion hervorbringt, ist nicht wie bei Kant das Scheitern des Erkennens, sondern ihre grundlegende Struktur. In der spekulativen Logik Hegels bedeutet also die Bewegung der Reflexion den Bestimmungsprozeß des Gegenstandes, der zugleich der Konstitutionsprozeß desselben ist. Erst aufgrund der Bewegungen des Wesens werden begriffliche Aussagen über den Gegenstand ermöglicht. So gibt Hegel der Reflexion die grundlegende Funktion, die objektiven Bestimmungen des Gegenstandes zu konstituieren.
® M. Wolff erklärt diese Charakteristik der Hegelschen Reflexionslogik im Vergleich zur traditionellen Reflexionslogik als eine erweiterte intensionale Logik. Ihm zufolge ist die traditionelle logische Reflexion als - in Hegels Worten - „äußere" oder „subjektive" Reflexion eine Verstandestätigkeit, wodurch man vorgegebene Begriffsinhalte unabhängig von ihrer Beziehung auf Gegenstände miteinander in Beziehung bringt. Hegels „objektive" oder „absolute" Reflexion besteht demgegenüber in der Abhängigkeitsbeziehung, in der die Reflexionsbestimmungen als objektive Beziehungen durch andere objektive Beziehungen (durch Beziehungen auf bestimmte vorausgesetzte Gegenstände) bestimmt werden. Mit den bestimmten vorausgesetzten Gegenständen meint Wolff sein „reflexionslogisches Substrat", das ihm zufolge im Ansatz mit dem Kantischen Satzsubjekt in der Antinomienlehre zusammenhängt. (Vgl. M. Wolff (1981), 104,105) Anders als diese intensional logische, bei Kant ansetzende Deutung der Hegelschen Reflexionslogik (zur Kritik an Wolffs Theorie des reflexionslogischen Substrats vgl. Fußnote 80 und 88 dieses Kapitels) muß man m. E. die Hegelsche Auffassung der Reflexion eher aus der Entwicklung seiner Metaphysikkonzeption interpretieren. Hegel konzipiert die Reflexion in der spekulativen Logik als die absolute Reflexion, zu der sich die frühere endliche Reflexion erhebt.
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Kapitel 3: Die Identität als Widerspruch
(a) Die setzende oder in sich bleibende Reflexion Die Reflexion als Bewegung des Wesens wird bereits durch den Widerspruch beschrieben, der später als Bestimmung der Reflexion zur ausführlicheren Darstellung kommt. Aus der Definition des Wesens als der sich auf sich beziehenden Negativität leitet Hegel zwei widersprechende Momente ab: Die sich negierende Negativität ist selbst „Negativität" und zugleich aufgrund des ,,Negieren[s] ihrer selbst" negierte oder „aufgehobene Negativität" (XI, 250; 15:8-9). „Sie besteht also darin, sie selbst und nicht sie selbst, und zwar in einer Einheit zu sein." (XI, 250; 15:11-12)'’^ Die Negativität ist immer zugleich sich selbst negierende. Weil die Negativität in diesem Negieren immer bewahrt wird, ist sie stets Gleichheit mit sich. Da diese Gleichheit mit sich aber die der Negativität ist, ist sie „die sich selbst negierende Gleichheit" (XI, 251; 15:23-24). Diese Gleichheit legt Hegel als „die Unmittelbarkeit" aus, die „das Negative ihrer selbst ist, dies zu sein, was sie nicht ist" (XI, 251; 15:24-26). Die Formulierung „das Negative ihrer selbst" erinnert an „das Andere seiner selbst" in der Logik und Metaphysik von 1804/05. So wie in dieser Schrift die Logik des Unendlichen in die Logik des sich aufhebenden Endlichen hineingebildet ist, wird nun die sich negierende Negativität des Wesens auf die Unmittelbarkeit des Scheins übertragen. In der Logik und Metaphysik von 1804/05 hebt sich das Endliche auf und wird zum Anderen. Da es aber das Endliche im Unendlichen ist, erweist sich das Andere als das Andere seiner selbst und die Logik des sich aufhebenden Endlichen somit als diejenige des Unendlichen. In der Wissenschaft der Logik schreibt Hegel der Dialektik des Übergehens in der Seinslehre nur das Moment des Endlichen zu, das sich aufhebt und zum Anderen wird. Die Wesenslogik stellt hingegen die Selbstbezüglichkeit des sich aufhebenden Endlichen im Unendlichen, also die Logik des Anderen seiner selbst, dar. Wie „das Andere seiner selbst" erneut als „das Negative ihrer selbst" bestimmt wird, so wird die Unmittelbarkeit analog zum sich aufhebenden Endlichen nun als die „sich aufhebende Unmittelbarkeit" (XI, 251; 15:30-33) bezeichnet. Diese Unmittelbarkeit aber kann nicht durch die Dialektik des Übergehens dargestellt werden, die nur das 64 Am Ende des zweiten Absatzes der setzenden Reflexion, in dem dieser widersprechende Ausdruck steht, befindet sich ein Gedankenstrich. Die beiden ersten Absätze der setzenden Reflexion betrachtet Henrich als „Bemerkungen zur Reflexion im Ganzen" (D. Henrich (1978), 275).
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verschwindende Moment des in der früheren Logik dargelegten „Anderen seiner selbst" enthält, sondern nur durch die sie vermittelnde Negativität des Wesens. Die Unmittelbarkeit beinhaltet stets die Negativität, die sich durch sie vermittelt. Die Unmittelbarkeit als sich aufhebend ist daher die Negativität als sich negierend. Aufgrund der Untrennbarkeit der beiden wird die Tätigkeit der Negativität unmittelbar auf die Struktur der Unmittelbarkeit übertragen. Die Unmittelbarkeit ist daher die Bewegung der Negativität selbst. Die reflektierende Bewegung des Wesens, die zugleich die Unmittelbarkeit ausmacht, stellt Hegel durch die reine Tätigkeit von Setzen und Voraussetzen dar. Das Setzen macht das Rückkehrmoment der reflektierenden Bewegung aus, durch das die Reflexion die Unmittelbarkeit oder das Gesetztsein hervorbringt. Die Reflexion setzt die Unmitfelbarkeit. Da aber „die Unmittelbarkeit [. ..] nur als Rückkehr" ist (XI, 251; 16:23-24), setzt die Reflexion „die Unmittelbarkeit [.. .] als Rückkehren oder als das Negative ihrer selbst" (XI, 251; 16:3-6). Statt in sich zu bestehen, ist daher die Unmittelbarkeit immer auf das Andere, das Wesen, gerichtet. Sie schickt sich stets an, das zu sein, was sie nicht ist, nämlich die Negativität. Da aber dasjenige, worauf die Unmittelbarkeit immer schon zurückgeführt ist, die sich negierende Negativität ist, trägt die Unmittelbarkeit bereits ein Gegenmoment in sich. Denn die Negativität als sich negierende negiert ihre Gleichheit mit sich, die Unmittelbarkeit als Rückkehr. Diese Gegenrichtung zeigt die voraussetzende Reflexion. Das Voraussefzen ist also als „die aufgehobene Rückkehr" oder als das „Aufheben [...] der Unmittelbarkeit" zu definieren. (XI, 251; 16:8-10) Da die Unmittelbarkeit bereits „die Negation als Negation" (XI, 249; 14:2) genannt wurde, läßt sich das Voraussetzen, die Negation der Unmittelbarkeit, auch als die „Negation des Negativen als des Negativen" ausdrücken. Die Präposition „als" zeigt hier die Gleichheit des Negativen mit sich, die als Ausdruck seiner Rückkehr gebildete Unmittelbarkeit. (XI, 257; 23:17-18) Ihre bereits gesetzte Unmittelbarkeit negierend, setzt sich die Reflexion voraus. Mit „voraus" meint Hegel „als Anderes" (XI, 405; 206:19). Die Reflexion als Negativität setzt daher sich als das Andere, das zugleich als Rückkehr eine neue Unmittelbarkeit ausmacht. Aufgrund dieser voraussetzenden Reflexion verschwinde! die Unmittelbarkeit als Rückkehr nicht einfach in der Negativität, sondern geht als deren Negation wieder aus ihr als andere, neue Unmittelbarkeit hervor. Dieses Voraussetzen ist nichts anderes als die sich von sich abstoßende Tätigkeit des Wesens (XI, 251; 16:27, XI, 252; 17:3 und XI, 242;
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4:39). Das Wesen als die sich negierende Negativität stößt sich von sich ab, „unterscheidet" seine an sich enthaltenen „Bestimmungen" von sich (XI, 242; 4:38-39). Aber diese „abstoßende, voraussetzende" (XI, 252; 17:3) Tätigkeit wird einzig und allein deshalb ausgeübt, um diese Negation zu ihrer Bestimmung zu machen. Damit die durch die Negation produzierte Bestimmtheit die Bestimmung des Wesens sein kann, „wendet sich" die sich negierende Tätigkeit des Wesens „unmittelbar in ihr selbst um" (XI, 252; 17:13). In dieser Rückkehr besteht eben das Setzen als die Negation des Voraussetzens. Das Setzen besagt nichts anderes als, daß die Negativität des Wesens trotz des ,,Negieren[s] ihrer selbst" als sich tragende Bewegung immer selbst gleich bleibt. Diese Gleichheit mit sich macht die vom Setzen gesetzte Unmittelbarkeit oder das Gesetztsein aus. Die Unmittelbarkeit zeigt demnach der setzenden und voraussetzenden Negativität entsprechend eine gegensätzliche Richtung: Als Gesetztsein oder Rückkehr ist die Unmittelbarkeit auf das Wesen gerichtet, als Vorausgesetztes zeigt sie sich als das vom Wesen Abgestoßene.^® Die sich aufhebende Unmittelbarkeit, durch setzende und voraussetzende Negativität vermittelt, zeigt sich also „als absoluter Gegenstoß in sich selbst" (XI, 252; 17:6). Die widersprüchlich formulierte anfängliche Definition der Reflexion, sie selbst und nicht sie selbst zu sein, kann nun in bezug auf die gegenläufige Bewegung von Setzen und Voraussetzen, die sowohl Negativität als auch Unmittelbarkeit repräsentieren, in mehreren Varianten ausgedrückt werden: „Das Setzen" ist „ebenso" das „Voraussetzen". (XI, 251; 16:3-13) „Die Rückkehr des Wesens ist somit sein sich Abstoßen von sich selbst. Oder die Reflexion in sich ist wesentlich das Voraussetzen dessen, aus dem sie die Rückkehr ist. Es ist Aufheben seiner Gleichheit mit sich, wodurch das Wesen erst die Gleichheit mit sich ist." (XI, 251; 16:26-30) „Das Hinausgehen über das Unmittelbare" ist zugleich „das Ankommen bei demselben" (XI, 252; 17:11-12), weil „die setzende Reflexion voraussetzende, aber als voraussetzende Reflexion schlechthin setzende ist" (XI, 252; 17:1516). Hegel schließt die Darstellung der setzenden Reflexion mit derselben widersprüchlichen Definition der Reflexion wie am Anfang: „So ist die Reflexion sie selbst und ihr Nichtsein", denn sie „ist nur sie selbst, indem sie das Negative ihrer ist". (XI, 252; 17:17-18) Diese Definition wurde vorher in der Darstellung des Verhältnisses von Schein und 65 Vgl. K. J. Schmidt (1997), 43.
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Wesen als die Struktur der Wesensbewegung präsentiert. Dort bildete die absolute Einheit des Wesens und der von ihr unterschiedene Schein einen Kreis der sich vermittelnden Bewegung des Wesens. In der späteren Darstellung von Identität und Unterschied wird diese Widerspruchsstruktur als die „Natur der Reflexion" (XI, 266; 34:32) erneut thematisiert. So variiert wird das Wesen immer wieder dargestellt. Da aber diese Darstellungen nicht bloße Wiederholungen sind, sondern einen sich anreichernden Prozeß ausdrücken, muß man jeweils auf das spezifisch Neue achten. (b) Die äußere oder reale Reflexion Mit dem Voraussetzen geht das Selbstbestimmen des Wesens weiter als bei der Darstellung des Verhältnisses von Schein und Wesen. Hegel definiert das Voraussetzen auch als „das Aufheben des Setzens in ihrem Setzen" (XI, 251; 16:17-18). Die voraussetzende Reflexion setzt etwas, aber das Setzen verschwindet im Gesetzten - in diesem Sinne ist das Setzen aufgehoben. Das Gesetzte erscheint als nicht gesetzt. Es steht einfach nur da ohne Ableitung. Das Vorausgesetzte ist also dasjenige, was scheinbar nicht gesetzt, also unabgeleitet ist. Das Voraussetzen ist daher ein äußerliches Setzen, das nicht bewiesen und deswegen nicht legitim ist. Das Vorausgesetzte ist, so gesehen, das einfach Vorgefundene, nicht das Abgeleitete oder das Produzierte, das Gesetzte. Dieses Vorgefundene wurde bei der Darstellung der Anfangsproblematik als das Gharakteristikum der Seinskategorien herausgearbeitet. Das Übergehen in Anderes in der Seinslehre läßt sich wohl als ein Voraussetzen bezeichnen, das sein Setzen negiert, als ein Abstoßen, in dem Etwas sich verliert und vergeht. Es wäre ein nicht zu sich zurückkehrendes Abstoßen, während das Voraussetzen in der Wesenslogik immer zugleich auch Setzen oder Rückkehr ist. Indem die Seinskategorien aufgrund der Heterogenität von Negation und ihrem Boden immer wieder zum Anderen übergehen, ohne mit diesem zusammenzufallen, bleibt ihnen die Negation immer das schlechthin Andere. Die Dialektik des Übergehens in der Seinslehre, deren Kategorien die Endlichkeit zur Grundlage haben, bestimmt Hegel, wie gesagt, als die äußere Reflexion. (XI, 253; 18:20-24)^® Aus der äußeren Reflexion, in 66 In der Seinslogik entwickelt Hegel das Unendliche aus dem endlichen Dasein. Das ist der Tribut, den die Wissenschaft der Logik für den voraussetzungslosen Anfang zu ent-
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der das Andere dem Wesen im strengen Sinne gegenübersteht, geht die echte Bedeutung des Voraussetzens hervor. In der absoluten, setzenden Reflexion fallen die Gegensätze von Setzen und Voraussetzen unmittelbar im Widerspruch zusammen, den die Bewegung der Reflexion ausdrückt. Die Unmittelbarkeit oder das Gesetztsein, das nur als Rückkehr vorkommt, gilt dort als vom Setzen als „Rückkehren" untrennbar. Da sich das Voraussetzen noch nicht vom Setzen loslösen kann, ist das „Vorausgesetzte ein [. . .] Gesetztes" (XI, 253; 18:15), das sich immer zur setzenden Tätigkeit anschickt. Die äußere Reflexion hingegen öffnet die geschlossene Struktur der in sich bleibenden Bewegung des Wesens. Die äußere Reflexion, die „sich als aufgehoben" setzt (XI, 252; 17:34-35), ist die Tätigkeit des Wesens, die das Voraussetzen im Sinne von ,sich selbst als aufgehoben setzen' am angemessensten ans Licht bringt.^^ Das Vorausgesetzte in der äußeren Reflexion ist „das Gesetztsein [.. .] als aufgehobenes" (XI, 253; 18:17-18). Es ist nicht „ein [. . .] Gesetztes" (XI, 253; 18:15) wie bei der setzenden Reflexion, sondern ein Gesetztsein, in dem die Umwendung oder Hinordnung auf das Wesen aufgehoben ist. Denn die äußere Reflexion setzt sich voraus, und zwar als Anderes. Dieses Andere kehrt sich aber nicht von vornherein zum Wesen um, sondern befindet sich außerhalb seiner. Die „absolute Reflexion [...] setzt sich nur den Schein, das Gesetztsein, voraus" (XI, 252; 17:31-32). Die äußere Reflexion hingegen „setzt sich als aufgehoben", sie setzt sich nämlich als das Andere, das Negative, ihrer selbst voraus. (XI, 252; 17:34-35) Das Vorausgesetzte ist hier zwar noch „das Negative der Reflexion" (XI, 253; 18:9), aber nicht das „Negative oder Gesetzte" (XI, 253; 18:15) wie bei der setzenden Reflexion. Vielmehr ist der Charakter des Negativen als Schein oder Gesetztsein bei derselben nun aufgehoben. Die äußere Reflexion „in ihrem Setzen hebt unmittelbar ihr Setzen auf, so hat sie eine unmittelbare Voraussetzung“ (XI, 253; 18:10-12). „Sie findet" das Unmittelbare „vor" und macht dieses Vorgefundene Unmittelbare zum Ausgangsrichten hat. Obwohl mit dem Erreichen des Unendlichen der eigentliche Zusammenhang zwischen dem Endlichen und dem Unendlichen freigelegt wird, stellt sich das Endliche aus der Perspektive des Unendlichen erst in der Wesenslogik gründlich dar. Durch den starken Rückbezug des endlichen Daseins auf das Wesen wird die Andersheit des ersteren stärker relativiert als in der Seinslogik. (Vgl. K. J. Schmidt (1997), 51f) 67 Ausgehend von Hegels Ausdruck des Voraussetzens als „die aufgehobene Negation" (XI, 251; 16:7) bestimmt D. Henrich das Voraussetzen als diejenige „Negation, welche sich auf sich bezieht", in der „alle negativen Verhältnisse wegfallen''. Das Vorausgesetzte ist also dadurch unabhängig gewordene Unmittelbarkeit, daß die Rückkehr des Gesetztseins wiederum vom Wesen negiert wird. (Vgl. D. Henrich (1978), 277, 278)
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punkt, „von dem sie anfängt und von dem aus sie erst das Zurückkehren in sich [. . .] ist" (XI, 253; 18:12-14). Die äußere Reflexion ist daher eigentlich der Seinslogik zuzuschreiben, die von einer unmittelbaren Kategorie zu einer anderen unmittelbaren übergeht, ohne diesen Übergang selbst abzuleiten oder zu beweisen. In der Darstellung der äußeren Reflexion grenzt Hegel zunächst das Vorausgesetzte, die Unmittelbarkeit der äußeren Reflexion, von der negativen oder gesetzten Unmittelbarkeit der setzenden Reflexion ab. Aber er weist sogleich diese Position zurück. Hegel behauptet nun, daß die äußere Reflexion das „Setzen des Unmittelbaren" (XI, 253; 18:32) und „das Unmittelbare [. . .] gesetzt" (XI, 253; 18:39-19:2) ist. Die äußere Reflexion ist somit der Unmittelbarkeit nicht äußerlich, sondern immanent. (XI, 254; 19:10-11) Diese Behauptung läßt sich mit Hilfe von Hegels kritischer Deutung der reflektierenden Urteilskraft Kants in der Anmerkung besser verstehen. Die reflektierende Urteilskraft soll das Allgemeine für ein Besonderes finden, das vorher gegeben ist. „Die Reflexion ist somit hier das Hinausgehen über ein Unmittelbares zum Allgemeinen." (XI, 254; 19:29-30) Diese Reflexion, die mit dem Unmittelbaren anfängt, bezeichnet Hegel als „die äußere Reflexion" (XI, 254; 20:4-5). „Das Allgemeine" als „das wahrhafte Sein" des vorgegebenen Unmittelbaren aber „gilt als das Wesen jenes Unmittelbaren". (XI, 254; 20:7-12) Die äußere Reflexion, die das Unmittelbare nimmt und es in Bestimmung setzt, setzt also das „Unmittelbare nach seinem wahrhaften Sein" (XI, 254; 20:11-12). Sie setzt es in bezug auf sein Allgemeines, sein Prinzip oder sein Wesen. In das so bestimmte Unmittelbare ist daher schon die äußere Reflexion eingebettet. So gesehen ist „die äußere Reflexion nicht äußere, sondern ebensosehr immanente Reflexion der Unmittelbarkeit selbst" (XI, 254; 19:10-11). Die der Unmittelbarkeit immanente Reflexion ist daher im strengen Sinne nicht als die äußere Reflexion, sondern als die „absolute Reflexion" (XI, 254; 20:6-7) zu bezeichnen. Denn das Unmittelbare ist seinem Wesen gemäß auf es hingeordnet. Die Verneinung der ersten Position durch die zweite Behauptung in der Darstellung der äußeren Reflexion bedeutet aber keinen Rückfall in die setzende Reflexion. Denn die Unmittelbarkeit der äußeren Reflexion, das Vorausgesetzte, ist nach wie vor nicht die Unmittelbarkeit der setzenden Reflexion, das Negative oder Gesetzte, sondern vielmehr die Reflexion in das Vorausgesetzte übertragen. „Die Reflexion in sich", die bei der setzenden Reflexion ein Sich-wenden des Wesens, ein Rückkehren der vorausgesetzten Unmittelbarkeit zur voraussetzenden
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Negativität des Wesens, gekennzeichnet hat (XI, 251; 16:27-28), schreibt Hegel nun dem Vorausgesetzten, dem Unmittelbaren der äußeren Reflexion zu (XI, 2521; 17:36-18:1). Diese Übertragung deutet das Heraustreten der absoluten, setzenden Reflexion aus sich an, das erst durch den Erweis der äußeren Reflexion als der ,,immanente[n] Reflexion der Unmittelbarkeit" hervorgeht (XI, 254; 19:10-11). Die äußere Reflexion, die Kant als das Aufsuchen des Allgemeinen zum gegebenen Besonderen kennzeichnet (XI, 254; 20:3-4), ist in der Tat nicht als die dem gegebenen Unmittelbaren äußerliche Tätigkeit des Subjekts, das das Unmittelbare seinem Prinzip subsumiert, anzusehen, sondern vielmehr als „die Rückkehr" aus dem Unmittelbaren zum allgemeinen Wesen oder „als das Setzen des Unmittelbaren" nach seinem eigenen immanenten Prinzip bzw. Wesen (XI, 254; 20:10-12). Die Reflexion in sich, die die Rückkehr zur Negativität oder die Hinordnung auf dieselbe zeigte und nur dadurch die Unmittelbarkeit als deren Gleichheit mit sich ermöglichte, macht daher nun als die dem Vorausgesetzten immanente Reflexion seine Gleichheit mit sich oder seine Selbständigkeit aus. Die Unmittelbarkeit, die nur durch Reflexion in sich, also in ihrem Anderen, in der Negativität, ihr Bestehen hatte, erhält nun deshalb ihr Bestehen in sich, weil sie selbst die Reflexion in sich enthält. Diese Unmittelbarkeit der äußeren Reflexion ist also sowohl Gesetztsein als auch Reflexion in sich. Die äußere Reflexion ist aber somit bereits bestimmend geworden. (c) Die bestimmende oder außer sich gekommene Reflexion Durch den Erweis der Immanenz der absoluten Reflexion im Unmittelbaren stellt sich heraus, daß die äußere Reflexion auch setzend ist. Sie ist sowohl äußerlich als auch setzend. Als diese „Einheit von der setzenden und äußeren Reflexion" (XI, 255; 21:2-3) gestaltet sich die bestimmende Reflexion, die dem Wesen seine Bestimmung verschafft. Diese Einheit kann auch als die Übertragung des beständigen Moments der setzenden Reflexion in das Vorausgesetzte der äußeren Reflexion betrachtet werden. In diesem Sinne nennt Hegel die bestimmende Reflexion „die außer sich gekommene Reflexion" (XI, 257; 23:4-5). Das Heraustreten der Reflexion aus sich oder die Bildung der Reflexionsbestimmung kann nur über „die äußerliche oder reale Reflexion" (XI, 252; 17:34; Hervorhebung von mir) entwickelt werden. Das Gesetztsein der setzenden Reflexion, die immer in sich bleibt, präsentiert nur eine
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rein transitorische Andersheit. Indem es als „Rückkehren" stets auf die Negativität der Reflexion hingeordnet ist, hebt es seine Gleichheit immer wieder auf. Da das Gesetztsein der setzenden Reflexion sich immer verläßt, läßt sich daran keine Bestimmung befestigen. „Es ist nur in der Reflexion in sich, aber es ist nicht diese Reflexion selbst" (XI, 255; 21:14-15), sondern die Negation derselben. Es ist als „nur ein Gesetztsein" die „Negation überhaupt". (XI, 256; 22:2, 6) Das Gesetztsein, das als die sich negierende Gleichheit, die sich aufhebende Unmittelbarkeit oder das Negative ihrer selbst bezeichnet wird, vertritt als solche die Nichtigkeit oder Flüchtigkeit, die den Schein charakterisiert. Es ist gleichsam eine Zentrifugalkraft, die durch eine Zentripetalkraft ausgeglichen werden muß. Ohne durch die selbstbezügliche Negativität gebändigt zu werden, bildet das Gesetztsein keine Bestimmtheit. Das Moment der Reflexion, das die Negation des Gesetztseins zurückbeugt und ihm dadurch Bestehen verleiht, bezeichnet Hegel als „die Reflexion in sich". Da sich die bestimmende, vollendete Reflexion aus der Einheit von setzender und äußerer Reflexion ergibt, muß dieses Moment von der äußeren oder realen Reflexion herrühren. Die Reflexion in sich ist zwar auch schon Moment in der setzenden Reflexion, aber sie entwikkelt sich darin noch nicht zum realen Moment, weil die in sich bleibende Bewegung der setzenden wie der absoluten Reflexion erst die von Nichts zu Nichts ist. Die setzende Reflexion verdoppelt sich gemäß ihren beiden Polen Unmittelbarkeit und Negativität. Aus dem Negationsverhältnis, in dem die beiden gegeneinander stehen, gewinnt nun die äußere Reflexion eine Bestimmtheit. Aber dasjenige, das das Bestimmte, das vorausgesetzte Unmittelbare, real macht, ist die Reflexion in sich. Auch das Vorausgesetzte läßt sich wie später die Verschiedenheit als Produkt der äußeren Reflexion „nur ein Gesetztsein" nennen (XI, 267; 36:9,14). Denn das Gesetztsein überhaupt, sei es das Gesetztsein der setzenden Reflexion oder das Vorausgesetzte der äußeren Reflexion, repräsentiert nur die Negation. Auch das Vorausgesetzte ist als solches, nur als das Gegenmoment der Reflexion betrachtet, nur ein Gesetztsein oder die Negation überhaupt. Erst wenn es sich ohne Beziehung auf Anderes nur auf sich bezieht, läßt sich ihm eigenes Bestehen zuschreiben. Diese Gleichgültigkeit gegen Anderes intendiert Hegel mit der „Reflexion in sich". Dieser Ausdruck beinhaltet die Selbständigkeit der von der absoluten Reflexion abgetrennten äußeren Reflexion oder die auf diesem aufgehobenen NegationsVerhältnis basierende Selbstbezüglichkeit des Vorausgesetzten. Die Reflexion in sich, die zunächst die Bewegung der sich über ihre Negation vermittelnden
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setzenden Reflexion war, bekommt hiermit einen neuen Sinn als Gleichgültigkeit gegen dieses Andere, indem sie in das selbständig gewordene Vorausgesetzte der äußeren Reflexion übertragen wird. Die Selbständigkeit besteht in nichts anderem als im Selbstbezug der Unmittelbarkeit, die „Negation als Negation" genannt wird. In der so bestimmten Unmittelbarkeit ist somit das auf die Negativität zurückführende Negationsverhältnis aufgehoben, so daß das Vorausgesetzte „die Beziehung auf sich ohne Negation" (XI, 270; 39:13) bleibt. Da dieses an sich selbst festhaltende Moment dem nur außer sich geratenden Gesetztsein hinzugefügt wird, kann die Reflexion nun auch an diesem ihr Anderen die „Bestimmtheit als ihrer selbst" finden (XI, 256; 22:9-10). Die Negation überhaupt als nur ein Gesetztsein wird nämlich somit zu ihrer Negation, ihrem Gesetztsein. So gewinnt die Reflexion ihre Bestimmung. Die Gestaltung der bestimmenden Reflexion aus der Einheit von setzender und äußerer Reflexion geschieht eher dadurch, daß die setzende Reflexion zur äußeren Reflexion realisiert und somit bestimmend wird, als dadurch, daß die bestimmende Reflexion von beiden jeweils ein Moment - das Gesetztsein von der setzenden Reflexion und die Reflexion in sich von der äußeren Reflexion - aufnimmt. Denn die setzende Reflexion enthält in sich bereits die beiden Momente der bestimmenden Reflexion, die sich beide durch die äußere Reflexion hindurch nur zu verwirklichen brauchen. Die Herkunft der „Reflexion in sich" aus der äußeren Reflexion ist daher als die Realisierung dieses Moments der setzenden Reflexion oder als das Heraustreten derselben zu verstehen. Die äußere Reflexion greift ihrerseits auf die setzende Reflexion zurück, indem sie sich als setzend erweist. Damit ist sie bereits bestimmende Reflexion. Das Vorausgesetzte der so entwickelten äußeren Reflexion ist in der Tat schon „das Bestimmte, das [...] sein bloßes Gesetztsein sich unterworfen oder seine Reflexion in Anderes in Reflexion in sich umgebogen hat" (XI, 256; 22:38-23:2). Denn es ist das Gesetztsein, dem die absolute Reflexion immanent ist. Es ist zugleich Gesetztsein und Reflexion in sich. Die Reflexionsbestimmung besteht also in dem Gesetztsein, das „als vorausgesetztes" oder „als in sich reflektierte" Negation verstanden wird (XI, 256; 22:10-11). Sie ist das in sich reflektierte Gesetztsein. Die Reflexionsbestimmung hat somit die beiden Seiten von Gesetztsein und Reflexion in sich: Hinsichtlich ihres Gesetztseins ist sie „Negation als Negation" (XI, 257; 23:10; Hervorhebung von mir). Anderseits ist sie in sich reflektiert, „Negation als Negation" (XI, 257; 23:17-18). Zu beachten ist hier, daß die Reflexion
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nun als Bestimmung in die Unmittelbarkeit, auf die Gegenseite der Negativität, herausgetreten ist. Die Reflexionsbestimmung ist das Gesetztsein als die Negation der Reflexion. Sie gestaltet sich also auf der Ebene des Scheins, so daß Hegel sie „den bestimmten" oder „wesentlichen Schein" nennen kann (XI, 257; 23:2-3). Mit dieser „außer sich gekommene[n] Reflexion" ist „die Gleichheit des Wesens mit sich selbst [. ..] in die Negation verloren,'’® die [nun] das Herrschende ist". (XI, 257; 23:4-5) Als in sich reflektierte, hat die Reflexionsbestimmung zwar Bestehen, als Gesetztsein ist sie aber eine „freie [...] schwebende Wesenheit" (XI, 256; 22:35-36). Die Reflexionsbestimmung hat dennoch ein viel festeres Bestehen als der Schein, die erste Bestimmtheit des Wesens, die sich durch die sich von Nichts zu Nichts bewegende Reflexion ergibt. Sie ist jedoch noch nicht so beständig wie das ,Substrat' des ,Grundes' (XI, 295; 69:21), in dem die Reflexionsbestimmungen aufgehoben werden. Indem die Reflexionsbestimmung zu Grunde geht, wird der Verlust der Gleichheit des Wesens mit sich wiederum in dieser substrathaften Identität ausgeglichen. Als Methode liegt die Dialektik der Reflexionsbestimmung aber weiterhin der Entwicklung der Grundbeziehung zugrunde, die „unter [der] Herrschaft der Form" (XI, 301; 77:19-20) ausgeführt wird. Das in der Negation der Reflexion herrschende Element, das „die außer sich gekommene Reflexion" bereitstellt, ist also die Methode als die substratfrei schwebende Form.®^
68 Dieser Verlust ist nicht als Vernichtung des Wesens, sondern als Realisierung des in sich bleibenden Wesens zu verstehen. Hegel verwendet die Termini „verlieren" bzw. „Verlust" nicht immer im negativen Sinne, sondern auch im Sinne der Realisierung oder Objektivierung. Sie kennzeichnen den Übergang oder das Hervortreten der formellen, abstrakten Einheit zur Bestimmtheit, Mannigfaltigkeit oder Objektivität. (Vgl. XI, 291; 65:4, XII, 30; 29:30,43; 46:14,51; 56:6,89; 103:30,183; 216:27) In diesem Verlust verliert sich das Absolute, das sich im Anderen zu sich selbst verhält, nicht. (Vgl. XII, 187; 222:20-21) 69 Indem sich Ch. Iber an Theunissens These über das Herrschaftsverhältnis orientiert, sieht er jenen Verlust als „den Verlust der absoluten Reflexion in der bloß faktischen Verstandeskorrelation selbständiger Reflexionsbestimmungen" an (Ch. Iber (1990), 209). Ihm zufolge kristallisiert sich die Reflexionsbestimmung zunächst durch die Abstraktion der Reflexion-in-sich vom Gesetztsein (vgl. ebenda 205) als „Verstandesbestimmung" (ebenda 217) heraus. Aber die Bildung der Reflexionsbestimmung ist vielmehr als Einbeziehen derselben in dieses zu verstehen. Indem die Reflexion in sich das Gesetztsein, den Schein, mit Festigkeit versieht, bildet sich die Reflexionsbestimmung als wesentlicher Schein. Nur wenn der Verlust der Gleichheit des Wesens mit sich als seine Artikulation in der Bestimmtheit verstanden wird, läßt sich die Dialektik der Reflexionsbestimmungen als die methodische Betrachtung des Wesens erkennen. Erst dann kann in der zur Herrschaft gelangten Reflexionsbestimmung das Konzept der ,Form' erkannt werden, das in
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Dieses Charakteristikum der Reflexionsbestimmung ist aus ihrer Definition als dem in sich reflektierten Gesetztsein näher zu bestimmen. Die Reflexionsbestimmung als das in sich reflektierte Gesetztsein zeigt die Einheit von Gesetztsein oder Beziehung auf Anderes und Reflexion in sich. Sie beugt die Beziehung auf Anderes zu sich zurück, so daß sie diese in sich aufgehoben enthält. Zur Definition bedarf also eine Bestimmung einer anderen Bestimmung, die als das Andere jener Bestimmung ebenso nur durch dieselbe ihren spezifischen Sinn erhalten kann. Da sie ohne ihr Anderes ihren Begriff nicht bilden kann, enthält sie das Andere als konstitutives Moment in sich. Hier finden wir eine interessante Wendung der Hegelschen Auffassung der Reflexionsbestimmung. Nach dem Gedanken Hegels aus der frühen Jenaer Zeit muß eine Reflexionsbestimmung durch die ihr entgegengesetzte ergänzt werden, weil sie einseitig bzw. endlich ist. Indem Hegel in der Logik, Metaphysik. Naturphilosophie von 1804/05 den Begriff des Widerspruchs methodologisiert, gelangt Hegel zu der Ansicht, daß alle Kategorien von Natur aus ihr Entgegengesetztes in sich begreifen. Im spekulativen Horizont der Wissenschaft der Logik bezeichnet Hegel nun ausdrücklich die Verbindung mit dem ihr Entgegengesetzten als die spekulative Natur der Reflexionsbestimmung. Diese Abhängigkeit vom Anderen macht das Spezifikum der Selbständigkeit der Reflexionsbestimmung, der auf der Scheinebene schwebenden Unmittelbarkeit, aus. „Ihre Selbständigkeit ist ihre Auflösung", weil die Reflexionsbestimmung ihre Selbständigkeit „an einem Anderen" hat. (XI, 295; 69:39-70:1) Da sie keine „feste Unmittelbarkeit" hat und sich somit nicht zum Substrat - auch noch nicht zum Substrat des Grundes, geschweige denn zum seienden Substrat - verfestigt (XI, 295; 69:21-22), kann sich die Dialektik der Reflexionsbestimmung als die spekulative Methode von der traditionellen Denkweise befreien.^® Die Struktur der der Grundbeziehung zur Sicherung der Herrschaft des Wesens über die Materie angewendet wird. 70 K. Düsing geht kritisch Hegels Gedanken der Reflexionsbestimmung nach: So richtig es sei, daß eine Reflexionsbestimmung in Beziehung zu anderem gedacht werden müsse, so wenig überzeugend sei Hegels Gedanke, daß sie das Andere in sich selbst habe. Die Einheit eines Gedankens oder Bewußtseins, in der eine Reflexionsbestimmung vom Anderen unterschieden und definiert wird, ist aber nach Düsing nicht die Einheit ihrer Bedeutung oder ihres Begriffes selbst. Daß eine Reflexionsbestimmung in sich ihre andere sei, könne vielmehr nur aufgrund der widersprüchlichen Struktur der Reflexion vorausgesetzt werden. (Vgl. K. Düsing (1976), 219) Düsings Bemerkung hat aber eine Voraussetzung, die auf der traditionellen Denkweise beruht: Er meint nämlich, daß die Reflexionsbestimmung eine feste Selbständigkeit wie die des Substrates hat. Mit der
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Reflexionsbestimmung als Einheit von Beziehung auf sich und auf Anderes deutet bereits den Widerspruch an. Die Logik der Reflexionsbestimmung, die nur durch ihr Anderes ihre Definition, ihre Identität, gestaltet, greift auf die Struktur des Wesens zurück, das nur über sein Anderes mit sich gleich ist. Die Reflexionsbestimmung läßt sich daher auf die Definition des Wesens als der sich auf sich beziehenden Negativität zurückführen. Das Wesen als die sich selbst tragende Negativität ist der seiner Negation gleiche Boden und somit ein seine Negation in sich enthaltendes Widersprechendes. Dieser „absolute Gegenstoß in sich selbst" wird nun in der Reflexionsbestimmung fixiert. Die Tätigkeit des Wesens entwickelt sich somit in einer schon beständigeren Form, der Reflexionsbestimmung, von der Identität über Unterschied, Verschiedenheit und Gegensatz zum Widerspruch. Die Reflexionsbestimmung repräsentiert keine abstrakte Identität. Sie ist zwar eine Bestimmtheit, aber nicht die Bestimmtheit des Seins, sondern der Reflexion. Sie ist ein Bestimmungsverhältnis, das nur durch die Struktur der Reflexion definierbar ist. Indem sich die Reflexionsbestimmung zwischen Reflexion und Grund befindet, ist sie zwar eine beständige Bestimmung, aber ein substratlos schwebendes Bestimmungsverhältnis. (2) Identität und Unterschied Die bestimmende Reflexion als Bewegung des außer sich gekommenen Wesens bestimmt das Wesen selbst. Das dadurch bestimmte Wesen ist Wesenheit oder Reflexionsbestimmung. Die Reflexionsbestimmungen sind also die Momente der Bewegung, die die bestimmende Reflexion konstituiert. Bemerkenswert ist hier, daß Hegel die durch die formale Logik abstrahierten Denkbestimmungen von der Bewegung des Wesens, einer ontologischen Bestimmung, ableitet. Die von Hegel so genannten Reflexionsbestimmungen pflegten traditionell in der Form substratlosen, schwebenden Wesenheit meint Hegel aber - eben an dem Punkt, an dem Düsings Kritik ansetzt, - einen Relationsbegriff, der durch die Struktur der sich über ihr Anderes vermittelnden Reflexion definierbar ist. Ch. Iber weist zurecht darauf hin, daß die traditionelle Verstandesreflexion die Relation nicht ohne die selbständigen Relate denken kann (vgl. Ch. Iber (1990), 215), während die Reflexionsbestimmtheit keine Bedeutung hat, die sich von ihrer Relation wirklich unterscheiden ließe (vgl. ebenda 214). In dieser absoluten Vermittlung fallen Relat und Relation zusammen. Diesbezüglch sagt G. Günther, daß die traditionelle Logik den Sinn, Hegels Logik dagegen den Sinnzusammenhang behandelt. (Vgl. G. Günther (1933), 67)
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von Sätzen ausgedrückt und als die allgemeinen Denkgesetze anerkannt zu werden. Zwar stellt sie auch Hegel unter dem Titel „Grundsätze" wie in der Logik, Metaphysik, Naturphilosophie von 1804/05 (IV, 128) oder „Satz" wie in einem Gymnasialvortrag von 1808/09 (WW 4, 17) vor, aber er kritisiert stets diese Form und deutet sie von seinem eigenen Ansatz her um. Die Titel stehen zweifellos nicht in Einklang mit dem Hegelschen Gedanken, der immer in kritischer Distanz zu der traditionellen Auffassung der logischen Grundsätze gestanden hat. In der Wissenschaft der Logik, in der Hegel zum ersten Mal einen seinem Gedanken angemessenen Titel gefunden hat, nimmt er diese als unbedingt gültig anerkannten Sätze aus dem Text heraus, um sie nur in den Anmerkungen kritisch zu diskutieren. Diese Gliederung zeigt bereits Hegels Absicht, die traditionellen logischen Axiome zu destruieren. In der ersten Anmerkung, die der Einleitung zum Reflexionsbestimmungs-Kapitel folgt, stellt Hegel fest, daß die Form von Sätzen für die Reflexionsbestimmungen nicht nur „überflüssig" ist, sondern auch eine „schiefe Seite" hat. (XI, 259; 26:10-12) Die Reflexionsbestimmungen sind demgegenüber, so Hegel, an und für sich zu betrachten. Ungeachtet seiner Umdeutung der Grundsätze in den Anmerkungen sieht er die Satzform eindeutig nicht als adäquate Ausdrucksweise für die Reflexionsbestimmungen an.^^ Denn die statische Satzform der Subjekt-Prädikat-Trennung kann die spekulative Bewegung der Reflexion in der Einheit der Entgegengesetzten nicht wiedergeben. An diesem Gedanken hält Hegel vom Hölderlinschen Leitgedanken in Erankfurt bis zur Theorie des spekulativen Satzes in der Phänomenologie des Gei71 Die Entsprechung zwischen Satz und Reflexionsbestimmung, die Hegel in der Anmerkung erwähnt (vgl. XI, 259; 25:31-26:5), mißversteht Ch. Iber als eine gänzlich positive Bewertung des Satzes durch Hegel. Wie die Satzform das Satzsubjekt erhält, ebenso bedarf nach Iber die sie enthaltende Reflexionsbestimmung eines Substrates. Indem er damit an M. Wolffs Theorie des „reflexionslogischen Substrates" anknüpft (zur Kritik an dieser Theorie vgl. Fußnote 80 dieses Kapitels), kritisiert Iber die Aristotelische Auffassung des Satzsubjekts als festes, seiendes Substrat. (Vgl. Ch. Iber (1990), 262, 263) Im Vergleich zu den seinslogischen Kategorien und dem begriffslogischen Urteil ordnet Hegel zwar den Satz den wesenslogischen Reflexionsbestimmungen zu, aber diese Zuordnung bedeutet keineswegs seine Anerkennung des Satzes als eines adäquaten Ausdrucks der Reflexionsbestimmung. Mit dem Titel aus Hegels Gymnasialvortrag von 1808/09 „Satz" und dem aus der Logik, Metaphysik, Naturphilosophie von 1804/05 „Grundsätze" belegt Iber die Affinität der Reflexionsbestimmung zum Satz. Aber in einem zu derselben Zeit gehaltenen Vortrag nennt Hegel denselben Unterrichtsgegenstand „Urteilskraft" (WW 4, 89). Der Kantischen ,Urteilskraft' wirft Hegel später in der Wissenschaft der Logik vor, eine subjektive, äußere Reflexion zu sein. Im entwicklungsgeschichtlichen Kontext muß man also die Änderung des Titels als ein Ersetzen des Satzes durch die Reflexionsbestimmung verstehen.
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stes durchgehend fest. Das Spekulative ist nicht nebeneinander und nacheinander aufzuführen, sondern in einer Bestimmung, die in sich ihr Anderes enthält, auszudrücken. Es kann sich also in der Reflexionsbestimmung zutreffend zeigen, die von sich aus ihr Anderes sich selbst gegenüberstellt, um über diese Entgegensetzung mit sich zusammenzufallen. Wie die Definition der Reflexionsbestimmung als das in sich reflektierte Gesetztsein zeigt, ist eine Reflexionsbestimmung von ihrem Anderen durchdrungen. In der Identität schimmert bereits der Unterschied durch, der zugleich als Identität aufgefaßt werden kann. Denn Hegel betrachtet die Reflexionsbestimmungen als Wesenheiten, als Bestimmungen des Wesens, das nur vermittelt durch das Andere mit sich identisch ist. Die einfachste Bestimmung des negativ sich auf sich beziehenden Wesens ist dessen einfache Beziehung auf sich, die Identität. Hegel führt die Identität als die einfache, aufgehobene Unmittelbarkeit ein (XI, 260; 27:5-6). Sie ist zwar keine statische, sondern eine „sich zur Einheit herstellende" Gleichheit mit sich (XI, 260; 27:13-14). Die Identität als Unmittelbarkeit ist aber noch das Wesen selbst, „die ganze Reflexion", die sich noch nicht mit einem unterschiedenen Moment und somit keiner Bestimmung versieht. Die Identität ist mit dem anfänglichen ,,unbestimmte[n] Wesen" (XI, 242; 4:33) zu vergleichen. Wie das Wesen als das Abstoßen seiner selbst sich von sich unterscheidet, ist auch die Identität „ein Unterscheiden, wodurch nichts unterschieden wird, sondern das unmittelbar in sich zusammenfällt" (XI, 261; 28:2527). Ebenso wie das vom Wesen Unterschiedene nur der Schein ist, setzt das Unterscheiden der Identität das Andere als das auf sie Hingeordnete, als Zurückzubeugendes. Der Unterschied ist somit das Andere der Identität, das zugleich sie selbst ist. Die Identität ist also sie selbst und zugleich ihr Anderes, sie ist sie selbst und nicht sie selbst. Diesen Gedanken, den Hegel schon in der Struktur des sich über den Schein vermittelnden Wesens und dann in der widersprüchlichen Definition der Reflexion dargestellt hat, betrachtet er nun als „die wesentliche Natur der Reflexion" (XI, 266; 34:32). Wie das durch seine Negation sich mit sich vermittelnde Wesen im Schein-Kapitel „die absolute Einheit" genannt wurde (XI, 248; 12:9-13), so ist die Identität „das Ganze". Aber „als Reflexion setzt sie sich als ihr eigenes Moment, als Gesetztsein, aus welchem sie die Rückkehr in sich ist" (XI, 262; 29:11-13). Die Identität, die dem von ihr unterschiedenen Moment, dem Unterschied, gegenübersteht, ist nicht mehr ein Ganzes, sondern zum Moment wie der Unterschied herabgesetzt. Die Identität, die sich
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durch den Unterschied vermittelnd zu sich zurückgekehrt ist, macht aber das Ganze dieser Vermittlung aus. So als „Bestimmung der einfachen Gleichheit mit sich selbst" ist die Identität zum einen ihr eigenes „Moment" gegen den „Unterschied" (XI, 262; 29:13-15). Zum anderen ist sie „an ihr selbst absolute Nichtidentität" (XI, 262; 29:8), absoluter Unterschied, der in der über ihr Anderes sich vermittelnden Einheit besteht. Die Darstellung der Identität, die mit ihrer Definition als Unmittelbarkeit angefangen hat, endet somit mit der Nichtidentität oder mit dem Unterschied. Die Identität ist also in Wahrheit der Unterschied. Während Hegel die Darstellung der Identität mit der „Unmittelbarkeit" angefangen hat, beginnt er nun die Darstellung des absoluten Unterschiedes mit dem Satz: „Der Unterschied ist die Negativität" (XI, 265; 33:26). Er ist der Unterschied des Wesens, das sich auf sich bezieht. Wie das Wesen als selbstbezügliche Negativität sich von sich abstößt, ist der Unterschied der „seiner von sich selbst" (XI, 266; 34:22). Hieraus gehen zwei Momente, der Unterschied selbst und das von ihm Unterschiedene, hervor. Da das Andere des Unterschiedes die Identität ist, ist er „er selbst und die Identität" als sein Anderes (XI, 266; 34:24-25). Die beiden Momente, Unterschied und Identität, machen den Unterschied als Ganzes aus. Er ist also das Ganze und sein Moment. Im Unterschied tritt die „Natur der Reflexion" genau wie in der Identität hervor: „Unterschied wie Identität machen sich zum Moment oder zum Gesetztsein", um über dieses zu sich zurückzukehren (XI, 266; 34:34-36). Die Struktur der beiden ist dieselbe. Wie die Identität als Unterschied aufgefaßt werden kann, so ist der Unterschied zugleich als Identität zu denken. Denn der Unterschied als selbstbezügliche Negativität ist identisch mit sich, wie die Negativität des Wesens sich negierend immer selbst gleich bleibt. Haben Identität und Unterschied dieselbe Struktur der Reflexion, dann scheinen sie voneinander ununterscheidbar und gleichursprünglich zu sein. Die Identität, die zugleich der Unterschied ist, begreift diesen nur als ihr Moment in sich. Da der Unterschied in der Identität aufgehoben ist, wird das Ganze dieser Vermittlung als die Identität bestimmt. Demgegenüber macht der Unterschied ebenfalls das Ganze seiner Vermittlung mit der Identität aus. So kann die Identität vom Unterschied unterschieden werden. In ihrer Definitionsbewegung aber sind beide ununterscheidbar. Sie setzen sich jeweils zum Moment ihrer eigenen Bestimmung herab. Diese identische Form der Definitionen führt auf den gemeinsamen Inhalt zurück. Insofern
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sind Identität und Unterschied nicht unterschiedlich definierbar. Die voneinander unterschiedenen Definitionen der beiden müssen letztlich auf die Definition des Wesens als der sich auf sich beziehenden Negativität zurückgreifen. Wie gezeigt, wurde die Identität zunächst als die einfache Unmittelbarkeit eingeführt, während der Unterschied mit der Bestimmung Negativität angefangen hat. Indem die Identität der Unmittelbarkeit des Wesens und der Unterschied der Negativität desselben entspricht, hat der letztere den Vorrang vor der ersteren. Die Identität, die als das Wesen selbst, die ganze Reflexion, eingeführt wurde, entspricht dem anfänglichen unbestimmten Wesen, das in der Bestimmtheit des Scheins unmittelbar zum Ausdruck kommt. Die Identität als Unmittelbarkeit ist in Analogie zur Unmittelbarkeit des Scheins zu denken, der noch nicht „in sich gegangen" und somit nicht „seiner Unmittelbarkeit entfremdet" (XI, 249; 13:27-28) ist. Wie früher die Unmittelbarkeit des Scheins als Rest des Seins der absoluten Negativität des Wesens entgegengesetzt ist, steht nun die Identität als Unmittelbarkeit dem Unterschied als Negativität gegenüber. Indem Hegel die Identität dem Schein gleichstellt, bringt er dieses Verhältnis in der Enzyklopädie von 1830 ausdrücklich zur Sprache: „Das Wesen ist nur reine Identität und Schein in sich selbst, als es die sich auf sich beziehende Negativität, somit Abstoßen seiner von sich selbst ist" (Enz § 116; Hervorhebung von mir). In der Wissenschaft der Logik findet sich der erste Beleg für den Vorrang des Unterschiedes gegenüber der Identität in der Einleitung zum Reflexionsbestimmungs-Kapitel. Hegel versteht unter der Identität die Bestimmung der Bestimmungslosigkeit, der der Unterschied als die erst eigentliche Bestimmung folgt. (XI, 258; 24:22-25) Das zunächst „unbestimmte Wesen" (XI, 242; 4:33) bestimmt sich in seinem Übergehen in sich bleibend (XI, 249; 13:21 und 30:31, XI, 250; 14:16-17) als Identität. Das In-sich-Bleiben ist die erste Bestimmung des Wesens als Identität. Aber mit dieser Bestimmung erreicht das Wesen nicht mehr als die Bestimmung der Bestimmungslosigkeit. Die erste eigentliche Bestimmung, die sich das Wesen als Identität gibt, erhält es erst im Unterschied. Der Unterschied spaltet sein Moment von sich ab, um sich mit der Bestimmtheit zu versehen. Mit dem Unterschied ist das Wesen somit über die Bestimmungslosigkeit hinausgegangen. Das Wesen als der absolute Unterschied realisiert die ihm immanenten Momente, Identität und Unterschied, als Verschiedene. (XI, 267; 35:30-31, XI, 268; 36:24-26) Dieser unmittelbare, scheinbar gegeneinander gleichgültige Unterschied erweist sich als ein wesentlicher Unter-
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schied, in dem seine Momente in einer Identität entgegengesetzt sind. (XI, 272; 42:8-9) Der Gegensatz verschärft sich schließlich zum Widerspruch, der nichts anderes als der verwirklichte Unterschied ist.^^ So ist der Unterschied als Negativität des Wesens das herrschende Element der Dialektik der Reflexionsbestimmungen. Die Rolle der Identität erschöpft sich darin, zum Unterschied als ihrer Wahrheit herabgesetzt zu werden. Die Identität ist zwar das Wesen selbst, aber nur insoweit, als sie die Identität des absoluten Unterschiedes mit sich ist.^^ Dieses Verhältnis von Identität und Unterschied spiegelt sich in seiner Fortbestimmung, dem Verhältnis des Positiven und Negativen wider. (3) Hegels Kritik am Satz der Identität und des Widerspruchs Identität ist Unterschied, und Unterschied ist Identität. Diese widersprüchliche Aussage hat Gültigkeit, insofern die beiden Bestimmungen aus der Bewegung des Wesens als der sich auf sich beziehenden Negativität, nämlich aus ihrer Gleichheit mit sich und der Negativität, abgeleitet worden sind. Mit diesem Ansatz geht Hegel der traditionellen Auffassung der Identität kritisch nach. Hegels Auseinandersetzung mit dem Satz der Identität enthält hier aber nicht so eine massive Kritik oder einen direkten Verstoß gegen dieses herkömmliche Denkgesetz wie die erste Habilitationsthese oder die Behauptung im SkeptizismusAufsatz. Vielmehr neigt sie zur Umdeutung des Satzes aus seinem eigenen Ansatz heraus. Da aber diese Umdeutung das Gegenteil der traditionellen Deutung des Satzes in ihm ausgedrückt sieht, ist sie zunächst als eine Kritik derselben und ferner des sie nahelegenden Satzes selbst zu verstehen. Hegel wirft zunächst dem Satz der Identität die Sinnlosigkeit seines analytischen Charakters vor; Die Aussage, die an dem Satz streng festhält, drückt nur eine Tautologie aus. Äußert man beispielsweise eine Aussage mit dem Anfang: „die Pflanze ist dann erwartet man, daß 72 „Der Unterschied überhaupt ist schon der Widerspruch an sich" (XI, 279; 51:8-9). Da Verschiedenheit, Gegensatz und Widerspruch als das Spektrum des Unterschiedes unter den Namen „Unterschied" gegliedert werden können, teilt Hegel in der Enzyklopädie von 1830 das Reflexionsbestimmungs-Kapitel in Identität, Unterschied und Grund. Der Unterschied als die eigentliche Bestimmung der Identität mündet in die aufgehobene und in diesem Sinne letzte Reflexionsbestimmung „Grund", die Hegel hier anders als in der Wissenschaft der Logik nur ganz kurz behandelt. (Vgl. Enz § 115 - § 121) 73 Vgl. Ch. Iber (1990), 442.
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der Inhalt der Pflanze darauf folgt. (XI, 264; 31:38-39) Die tautologische Rede: „Eine Pflanze ist eine Pflanze", führt jedoch nur zu Enttäuschung und Langweile. Gegen diese Kritik ist einzuwenden, daß der Satz der Identität „A ist A" keine Definition des A auf der semantischen Ebene vornimmt, sondern rein logisch ein identisches Verhältnis, die Beziehung des A auf sich, ausdrückt. Aber Hegels Kritik zielt auch nicht auf bestimmte Beispiele, sondern auf das aus ihnen hervorgehende logische Verhältnis als solches, auf die Auffassung und somit den Inhalt der Identität. Mit dem ersten Kritikpunkt, der „Enttäuschung und Langweile" des Satzes der Identität, erklärt Hegel ihn nicht schon für falsch. Erst mit der Umdeutung des Satzes tritt seine Kritik in ihr entscheidendes Stadium. Die Tautologie sagt nichts. Damit geht sie nach Hegel über ihre eigentliche Intention als Ausdruck der unbewegten Wahrheit hinaus und zum Gegenteil ihrer selbst über. Hegel findet nämlich den Unterschied in der Eorm des Satzes, in der die Identität ausgedrückt ist. Er deutet die Satzform als die „reine Bewegung der Reflexion, in der das Andere nur als Schein, als unmittelbares Verschwinden auftritt" (XI, 264; 32:10-11). Das Satzsubjekt „A" geht zum von sich unterschiedenen Selbst „A" im Prädikat über. Dieses negierte A läßt sich als -A bezeichnen. Es ist jedoch der „Unterschied, der in seinem Entstehen verschwindet" (XI, 261; 28:25). „Es kommt" also „nicht zu dem Verschiedenen: A ist -A". (XI, 264; 32:13-14) Hier entsteht kein wirklicher Unterschied, sondern nur der Unterschied, wodurch nichts unterschieden wird. Man darf daher ebensowenig bei A = -A, wie bei A = A stehenbleiben. Hegel behauptet nicht, daß der Satz der Identität A = -A lautet, sondern, daß sein Ausdruck A = A zugleich A = -A in sich enthält. Die Identität begreift also den Unterschied in sich. Da aber -A nur das verschwindende Anderssein des A, das auf dieses zurückzunehmende Andere, ist, befindet sich der Unterschied als aufgehobenes Moment in der Identität. A hat in ihrer Reflexion sein Anderes „-A", das zugleich A selbst ist. Die Identität muß nicht nur die einfache Beziehung auf sich, sondern auch den Unterschied als ihr Moment ausdrücken. In der Identität sind nämlich sowohl A = A als auch A = -A enthalten. Im Rahmen der Konzeption einer absoluten Metaphysik behauptete Hegel in der Differenz-Schriit die Vereinigung der beiden entgegengesetzten Sätze der Reflexion A = A und A = -A, die jeweils Eorm und Materie repräsentierten. Dort wurde die absolute Identität, die Einheit der beiden einseitigen Sätze, so formuliert: (A = A) = (A = Nicht-A). Hegel entwickelt nun das Programm seiner früheren Zeit im Rahmen seiner Reflexionslogik. Als Reflexion unterscheidet
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sich Avon sich selbst (A = -A). In diesem Unterschied aber verliert sich A nicht, sondern fällt mit sich zusammen (A = A). Die Identität als Reflexionsbewegung läßt sich also so formulieren: A ist A und zugleich -A/^
Hegel präsentiert allerdings diese Formulierung nicht ausdrücklich. Er beschränkt sich in der Anmerkung nur auf die Umdeutung der klassischen logischen Axiome. Der Satz der Identität will nur an der Beziehung auf sich festhalten, was ihn zum Unterschied, zu seinem Gegenteil, führt. Denn selbst in der einfachen Selbstbeziehung lassen sich das beziehende und bezogene Selbst voneinander unterscheiden.^^ Das „Nichts" (XI, 264; 32:2), das der tautologische Charakter des Satzes der Identität ausdrückt, knüpft für Hegel somit an den ,,absolute[n] Unterschied von sich selbst" oder die reflexionslogische „Negativität" (XI, 265; 32:29-30) an. Der Satz des Widerspruchs, den Hegel für nichts anderes als einen negativen Ausdruck des Satzes der Identität hält, zeigt ihm zufolge jenes Nichts, die „Negativität", in einer noch „entwickelte[ren]" Form. Im Satz des Widerspruchs: „A kann nicht zugleich A und Nicht-A sein" (XI, 265; 32:31-32), kommt Nicht-A, das Andere von A ausdrücklich vor. Es zeigt sich aber nur, um zu verschwinden. Der Satz des Widerspruchs drückt somit die Identität als „Negation der Negation" aus. (XI, 265; 33:1-3) Er enthält also nicht nur „die leere, einfache Gleichheit mit sich", sondern auch „das Andere" derselben, und somit „die absolute Ungleichheit, den Widerspruch an sich". (XI, 265; 33:10-14) Hegels These in seiner Auseinandersetzung mit dem Satz der Identität und des Widerspruchs ist, daß die Identität als der Unterschied aufzufassen sei (XI, 265; 33:5-7).^^ Hegel faßt seine Auseinandersetzung mit dem Satz der klassischen Logik in zwei Punkten zusammen: Erstens, der Satz der Identität und des Widerspruchs ist kein Denkgesetz, insofern er „nur die abstrakte Identität im Gegensatz gegen den Unterschied als Wahres ausdrücken soll"; zweitens, er enthält „den absoluten Unterschied", das Gegenteil 74 J. E. Erdmann weist darauf hin, daß die richtige Identität als Einheit der Identität und Nicht-Identität gedacht werden muß. Damit erhält man den Unterschied als die reflektierte Form des Andersseins. (Vgl. /. E. Erdmann (1841), 71) 75 M. Heidegger bewertet diese Auffassung der Identität, die den Charakter der Vermittlung in der Identität findet, als ein seit Platon neues Denken in der Geschichte der Philosophie. (Vgl. M. Heidegger (1957), llf) 76 E. Kryger bestimmt Hegels Logik als diejenige, die „als Wahrheitskriterium nicht die reine Identität, sondern die Einheit der Identität und der Verschiedenheit betrachtet". (E. Kryger (1974), 174)
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desjenigen, das er gemeint hat. (XI, 265; 33:17-23) Die Sinnlosigkeit der Tautologie wird vom Gesichtspunkt der Umdeutung her kritisiert, derzufolge das identische Sprechen die Vermittlung, den absoluten Unterschied, in sich enthält. Der Satz der Identität, der traditionell nur die einfache Beziehung auf sich ausdrücken soll, wandelt sich durch die Umdeutung in sein Gegenteil um. Hier findet sich die für Hegel typische dialektische Umkehrung. Wie Hegel früher durch das dialektische Vorgehen das endliche Denken über seine Beschränktheit aufklärte, belehrt er nun in der Anmerkung zur Identität den Verstand über die Vernunftidentität. Hegels Umdeutung des Satzes der Identität und des Widerspruchs integriert diesen Satz nicht nur in das spekulative Denken, sondern verleiht ihm auch einen Stellenwert innerhalb dieses Denkens. Der traditionelle Satz der Identität drückt eigentlich die Identität als einfache Beziehung auf sich aus. In seiner negativen Form zeigt der Satz des Widerspruchs zwar ausdrücklich den Unterschied in der Identität. Aber ungeachtet seiner negativen Form sagt der Satz des Widerspruchs als „der andere Ausdruck des Satzes der Identität" (XI, 265; 32:31) nicht mehr als dieser Satz. Durch die Umdeutung führt Hegel den Satz der Identität und des Widerspruchs zu seinem Gegenteil. Das Denkgesetz, das zum Gegenteil führt, ist kein Denkgesetz mehr und verliert folglich seine unbedingte Gültigkeit. Der traditionell gedeutete Satz der Identität und des Widerspruchs wird somit zum Moment des umgedeuteten Satzes herabgesetzt. Diese Integration bedeutet zunächst, daß Hegel den Axiomen der klassischen Logik ihre unbedingte Gültigkeit abspricht und stattdessen eine bedingte Gültigkeit zubilligt. Was die bedingte Gültigkeit hier bedeutet, muß noch näher bestimmt werden. Nach Hegel ist der Satz der Identität und des Widerspruchs „nicht bloß analytischer, sondern synthetischer Natur" (XI, 265; 33:9-10). Er muß daher sowohl die Beziehung auf sich als auch die Beziehung auf Anderes enthalten. In dem so umgedeuteten Satz der Identität und des Widerspruchs scheint der traditionelle Satz, der die einfache Beziehung auf sich allein ausdrückt, eine partielle Gültigkeit zu haben. In jenem aber ist dieser aufgehoben und als Moment enthalten. Da die Hegelsche Synthesis keine quantitative bzw. äußerliche ist, bekommt der aufgehobene Satz im Ganzen, in dem er seine frühere Selbständigkeit einbüßt, einen neuen Charakter. In seiner Auseinandersetzung mit dem Verstand betrachtete der Jenaer Hegel den Verstand als dasjenige, das eigentlich aus dem Absoluten hergekommen, aber dann von ihm isoliert als ein Selbständiges fixiert ist. Hegel sah die Aufgabe der Phi-
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losophie in der Zurückfühmng dieser selbständig gewordenen Erscheinung zum Absoluten, indem sie dieselbe zum von diesem Absoluten bedingten Relativen herabsetzt. Durch die Aufklärung des Verstandes führte die Phänomenologie des Geistes ihn zur Vernunft zurück. Die Wissenschaft der Logik integriert den Verstand als die äußere Reflexion in die Entwicklungsspirale der Reflexion. Die äußere Reflexion ist damit als ein von der setzenden Reflexion abstammendes und zur bestimmenden Reflexion zurückzuführendes Zwischenstadium aufgefaßt. Sie hat nicht mehr den starren selbständigen Charakter des Verstandes. Der herkömmliche Satz der Identität und des Widerspruchs behält ebenfalls nicht noch eine partielle und als solche zugleich selbständige Gültigkeit. Vielmehr ist sie insgesamt von seiner spekulativen Auffassung bedingt. Als das vom spekulativen Ansatz verselbständigte Moment bekommt er somit nur eine flüchtige Scheinselbständigkeit, die wiederum von der Spekulation zurückgenommen wird. Nur wenn dieses Moment von seinem Kontext abstrahiert wird, kristallisiert es sich als das bekannte, abstrakte Gesetz heraus. Aber die Einordnung des Satzes der Identität und des Widerspruchs in Hegels spekulatives Konzept durch seine Umdeutung zeigt ihre Schwierigkeit, wenn man auf einander ausschließenden Inhalte der beiden Deutungen aufmerksam macht. Denn inhaltlich sagt Hegel auch in der Wissenschaft der Logik nichts anderes als früher im Skeptizismus-Aufsatz: „Den Satz des Widerspruchs für formell anzuerkennen heißt, ihn zugleich für falsch erkennen." (IV, 208f) Dort behauptete Hegel, daß jeder Vernunftsatz in Rücksicht auf die Begriffe einen Verstoß gegen den Satz des Widerspruchs enthalten muß, indem er einen Satz mit dem ihm kontradiktorisch entgegengesetzten vereint. (Vgl. IV, 208) Der Vernunftsatz ist dementsprechend so auszudrücken: A ist A und zugleich Nicht-A. Der von Hegel umgedeutete Satz muß in Hegels eigener Ausdrucksweise eine ebenso widersprüchliche Eorm haben, wie der obige Vernunftsatz. Denn beim Satz der Identität und des Widerspruchs, der auch in seiner negativen Eormulierung die Kontamination durch Anderes nur zu vermeiden sucht, stellt man sich unwillkürlich nur die abstrakte Identität vor. Die klassische Formulierung des Satzes kann seinen umgedeuteten Inhalt nicht angemessen zum Ausdruck bringen. Wie wir schon gesehen haben, stellt Hegel seine eigene Theorie in der widersprüchlichen Form dar: Die Selbstbeziehung der Negativität des Wesens beispielsweise besteht darin, „sie selbst und nicht sie selbst und zwar in Einer Einheit zu sein" (XI, 250; 15:11-12). Diese widersprechende Definition der Reflexion entwickelte sich wei-
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ter als die „Natur der Reflexion" in der Darstellung von Identität und Unterschied: Die Identität ist Identität und Nichtidentität (XI, 262; 29:8-9), wie der Unterschied er selbst und die Identität ist (XI, 266; 34:24-25). Hegels Deutung des Satzes der Identität und des Widerspruchs ist eine Umdeutung aus seinem eigenen Ansatz. Von daher ist der Satz in letzter Konsequenz so umzuformulieren: A ist A und zugleich Nicht-A. Diese Formulierung schließt aber der gewöhnliche Satz des Widerspruchs: A kann nicht zugleich A und Nicht-A sein, aus. In dieser Ausschließlichkeit formuliert, haben die beiden Deutungen nichts miteinander gemein. Insofern das traditionelle Denkgesetz das Gegenteil der Hegelschen Auffassung von ihm meint, muß Hegels Logik die Axiome der klassischen Logik als „falsch" proklamieren. Hegel ist in letzter Instanz der Meinung, daß zum adäquaten Ausdruck der Sache die widersprechende Aussage unerläßlich sei. Diese Position wird bei der späteren Darstellung des Widerspruchs durch „das rückwärtsgehende Begründen" im ,,vorwärtsgehende[n] Weiterbestimmen" (XII, 251) gestützt und noch näher erläutert. (4) Gegensatz und Widerspruch (a) Vom Gegensatz an sich zum Gegensatz an und für sich Wie an den Nürnberger Logiken gezeigt, unterschied Hegel ausdrücklich die konträre und kontradiktorische Bestimmung voneinander. Das entscheidende Unterscheidungskriterium lag nicht wie bei der gewöhnlichen Ansicht darin, ob ein Mittleres zwischen beiden Extremen zugelassen werden kann, sondern darin, ob die Bestimmung an sich selbst bestimmt ist. Jenes Kriterium gilt damit allerdings auch für Hegels Überlegung, weil es von diesem ableitbar ist. Entscheidend aber bleibt dieses Kriterium auch für die Unterscheidung zwischen Gegensatz und Widerspruch, die die „ontologisierten" Bestimmungen der konträren und kontradiktorischen sind. Der Gegensatz kommt von der Verschiedenheit her. Er kann von daher als verschärfte Verschiedenheit gesehen werden. Die Verschiedenheit läßt sich nach den Stufen ihrer sich verschärfenden Entwicklung in zwei Bedeutungen fassen (zum folgenden vgl. XI, 270f): „die unbestimmte Verschiedenheit" bzw. die Verschiedenheit an sich und „die bestimmte Verschiedenheit". Drückt man die Verschiedenheit in dem Satz aus, daß „alle Dinge voneinander verschieden sind", dann wird im
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Plural der Dinge unmittelbar die Vielheit angesprochen. Diese Verschiedenheit, die sich bloß durch die Vielheit definiert, ist die unbestimmte Verschiedenheit. Ein Vergleich wird aber erst dann angestellt, wenn ein Ding zusammen mit einem anderen unter einer Rücksicht betrachtet wird. Die Verschiedenheit muß dann so ausgedrückt werden: „Es gibt nicht zwei Dinge, die einander vollkommen gleich sind." Diese Verschiedenheit macht die bestimmte Verschiedenheit aus. Die Rücksicht, unter der zwei Dinge verglichen werden, scheint zunächst ihnen äußerlich zu sein. Sie ist aber solch eine Beziehung, deren Momente die beiden Verglichenen ausmachen. Insofern die beiden Momente in der einen Beziehung die Bestimmtheit dieser Beziehung ausmachen, stammt diese Beziehung aus ihnen selbst. Die bestimmte Verschiedenheit liegt somit bereits nahe am Gegensatz. Die beiden Momente, die in ein und derselben Beziehung voneinander verschieden sind, negieren einander. Die „in einer Identität verschiedenen" beiden Momente sind also „entgegengesetzte". (XI, 272; 42:8-9) Da der Gegensatz von der Verschiedenheit abstammt, enthält er noch die Reste seiner Vorgängerbestimmung. Die äußeren, gleichgültigen Bestimmungen der Verschiedenheit „Gleichheit und Ungleichheit" wurden zwar als Momente eines Gegensatzes erwiesen. Aber sie werden jeweils für sich noch als „ein gleichgültig seiendes" (XI, 273; 42:33) betrachtet.^^ Der Gegensatz, der gerade aus der Verschiedenheit herkommt, erhält eine Selbständigkeit. Da diese Selbständigkeit noch mit dem „Sein" der Verschiedenheit verbunden ist, machen „die selbständig gewordenen Seiten des Gegensatzes [...] den an sich bestimmten Gegensatz" aus (XI, 273; 43:22-27). Der schärfere Gegensatz, dessen Relate sich bis zum Verstandesgegensatz von „Sein und Nichtsein" hochschaukeln, hat dagegen als seine Momente die in noch höherem Grad selbständigen, einander ausschließenden Reflexionsbestimmun-
77 Obwohl Hegel bereits in der Darstellung der Verschiedenheit „das unmittelbare Sein" als das Andere des Daseins vom Anderssein der Reflexion als der reflektierten Unmittelbarkeit unterschied (XI, 267; 35:24-29), versieht Hegel hier Gleichheit und Ungleichheit als Bestimmungen der äußeren Reflexion mit dem Wort „Sein" (XI, 272; 42:12-20). Diese Wortwahl weist auf die logische Affinität zwischen der Seinslogik und der äußeren Reflexion hin. Indem Hegel den Unterschied zwischen Wesens- und Seinslogik thematisiert, steigt er vom verschiedenen Dasein auf zur Reflexion, zu Identität und Unterschied. Nach diesem Aufstieg kommt nun bei der Verschiedenheit ein Abstieg: Der Entwicklungsgang landet wieder bei der Verschiedenheit auf der Ebene der Seinslogik.
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gen. Vom Gegensatz an sich zum verschärfteren, zum Gegensatz an und für sich, führt ein dreistufiger Entwicklungsgang. Unmittelbar davor definiert Hegel die Momente des Gegensatzes, das Positive und Negative, als „das in sich reflektierte Gesetztsein" (XI, 272; 42:21 -22).^® Als Einheit von Gesetztsein und Reflexion in sich sind das Positive und Negative gleich. Sie sind jedoch als Gesetztsein jeweils in unterschiedlicher Weise in sich reflektiert. Das Positive ist das in die Gleichheit mit sich, in seine Identität mit sich, reflektierte Gesetztsein. Es vertritt so die Seite der Reflexion in sich. Da aber das Positive zugleich auch Gesetztsein ist, hat diese Reflexion in sich die Beziehung auf das Andere zu ihrer Bestimmung. Das Negative ist das in die Ungleichheit, in die Negation bzw. das Gesetztsein, reflektierte Gesetztsein. Es steht also auf der Seite des Gesetztseins. Da aber das Gesetztsein identisch mit sich ist, ist das Negative auch die Identität der Ungleichheit mit sich und absolute Beziehung auf sich. So als „das Gesetztsein als in die Gleichheit mit sich reflektiert" und „das Gesetztsein als in die Ungleichheit reflektiert", verweisen das Positive und Negative jeweils aufeinander. (XI, 273; 43:11 -21) Das Positive und Negative ist die reflektierte Form des seinslogischen Paars „Sein und Nichts". (Vgl. Enz § 114 Anmerkung) Wie Sein und Nichts die maßgeblich herrschenden Komponenten der seinslogischen Dialektik waren, so bringen das Positive und Negative hier ein allgemeines reflexionslogisches Verhältnis zum Ausdruck. Die Spekulation als das Auffassen entgegengesetzter Momente in ihrer Einheit wurde im seinslogischen Übergehen als die Identität von Ansichsein und Sein-für-Anderes, der Beziehung auf sich und auf Anderes, ausgedrückt. Diese Beziehung auf sich und auf Anderes wird nun im reflexionslogischen Verhältnis aufgefaßt (XI, 273; 43:30-31). Das Gegensatz Verhältnis als die reflexionslogische Negativität hat gemäß der Definition des Positiven und Negativen in jedem Moment die doppelte Seite: das Gesetztsein als Beziehung auf Anderes und die Reflexion in sich als Beziehung auf sich. „Jedes ist so überhaupt erstens, insofern das Andere ist; es ist durch das Andere [...] das, was es ist; es ist nur Gesetztsein; zweitens, es ist, insofern das Andere nicht ist; es ist durch das Nichtsein des Anderen das, was es ist; es ist Reflexion in sich." (XI, 78 Die Logik der Reflexion setzt sich in der Logik der Reflexionsbestimmungen fort, indem die setzende Reflexion für Identität und Unterschied, die äußere Reflexion für die Verschiedenheit und die bestimmende Reflexion für den Gegensatz Modellcharakter hat.
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274; 44:9-14)^® Bemerkenswert ist hier die veränderte oder vielmehr auf die Reflexionsbestimmungen selbst angewandte Bedeutung von ,Gesetztsein' und ,Reflexion in sich'. In der setzenden Reflexion war das Gesetztsein dasjenige, was von der setzenden Reflexion abgeleitet und stets auf diese hingeordnet ist. Im Produkt der außer sich gekommenen Reflexion besteht das Gesetztsein hingegen im Negationsverhältnis zur anderen Reflexionsbestimmung. Zur Unterscheidung vom Anderen bedürfen das Positive und Negative jeweils ihres Anderen. Jedes wird somit vom Anderen negiert. Jedes ist das Gesetztsein vom Anderen, das es reflektiert. Auch die Reflexion in sich zeigt nun nicht die Rückkehr zur absoluten, setzenden Reflexion, sondern die Beziehung jeder Reflexionsbestimmung auf sich und ihre somit erworbene Selbständigkeit gegen die andere Bestimmung. Jedes, das Positive und Negative, ist die Reflexion in sich, insofern es sich durch die Negation des Anderen nur auf sich bezieht. So sind die beiden Seiten der absoluten Reflexion in das Verhältnis zwischen Reflexionsbestimmungen herausgetreten. Die erste Definition des Positiven und Negativen bzw. das an sich bestimmte Gegensatzverhältnis gewinnt durch die dreistufige Entwicklung hindurch ihre nähere Bestimmung. (Zum folgenden vgl. XI, 273f) In der ersten Stufe des Gegensatzverhältnisses werden die beiden Relate, das Positive und Negative, als „Entgegengesetzte überhaupt" betrachtet. Hier wird beim Positiven und Negativen nur auf die Seite des Gesetztseins geachtet. Als Gesetztsein verhalten sie sich gegeneinander in ,,Eine[r] Reflexion" oder „Vermittlung", die die oben dargelegte reflexionslogische Negativität repräsentiert.®® In dieser Negati79 Diese Beziehung reflexionslogischer Negativität entgegengesetzter Relate läßt sich als ein folgendernaaßen formulierbares Gegensatzverhältnis zusammenfassen; Zwei Bestimmungen X, y sind entgegensetzt, wenn x mit -y und y mit -x identisch ist. Jede verdankt also hier ihre Identität ihrem Gegenmoment (ihrer Negation) und dem Aufheben desselben (der Negation der Negation). (Vgl. Ch. Iber (1990), 393f ; M. Woljf (1986), 124) Die zahlreiche Literatur bezeichnete bisher dieses Verhältnis als dasjenige, in dem die beiden Relate einander ausschließen und zugleich bedingen. M. Theunissen formuliert das Gegensatzverhältnis wie folgt; „Sie enthalten einander als Momente und schließen einander aus als Totalitäten." (M. Theunissen (1974), 321) Bei der Verwendung der Vokabel „ausschließen" muß man aber vorsichtig sein, weil Hegel dieses Wort nicht für den Gegensatz an sich oder die erste Form des Gegensatzes, sondern nur für die zweite Form desselben, die ausschließende Beziehung zwischen den selbständigen Reflexionsbestimmungen, verwendet. 80 M. Wolff bezeichnet diese „Eine Reflexion" oder „Eine Vermittlung" als „das reflexionslogische Substrat", von dem die reflexionslogische Negativität abhängt. (Vgl. M. Wolff (1981), 113) Dieses ist die „Gegenstandsbestimmtheit, die vorausgesetzt werden
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vität sind die beiden bloß entgegengesetzt. „Jedes ist nur das Entgegengesetzte des Anderen; das eine ist noch nicht positiv und das Andere noch nicht negativ, sondern beide sind negativ gegeneinander." Jedes ist also nicht an ihm selbst bestimmt. Genau dieses Merkmal haben wir bereits in der konträren Entgegensetzung in der propädeutischen Logik gesehen: Jedes Moment dieses Verhältnisses kann „ebensogut als positiv oder negativ in Beziehung auf [das] andere ausgesprochen werden" (WW 4, 141 § 9). Jedes ist vor der Beziehung auf das andere nur ein Verschiedenes, wird erst dann das Negative des anderen, indem es in die Beziehung auf das andere eintritt. Als Gesetztsein sind hier das Positive und Negative „Momente des Gegensatzes", so daß sie ihre Bedeutung nur im Gegensatzverhältnis haben. Wenden sich das Positive und Negative von der Entgegensetzung befreit zu sich um, finden wir sie als Reflexion in sich. Indem das Positive und Negative jeweils an sich selbst festhalten, sind sie gleichgültig gegen das Andere und somit gegen die Negativität, das Verhältnis in der ersten Stufe. Das Positive und Negative sind für sich ohne Beziehung auf das Andere bloß verschieden voneinander. Ihre Bestimmtheit, positiv oder negativ zu sein, bleibt als die äußere Reflexion außerhalb dieser „Reflexion an sich" (XI, 268; 36:27-28).®' Dieses Verhältnis, in dem das Positive und Negative als Reflexion in sich gleichgültig gegenmuß, um einen Gegensatz zwischen Bestimmungen überhaupt annehmen zu können" (ebenda 154). Wolff läßt ferner das reflexionslogische Substrat dem Gegenstand entsprechen, dem die entgegengesetzten Bestimmungen beigelegt werden. (Vgl. ebenda 143) Mit Hilfe der mathematischen Beispiele in der Anmerkung zum Gegensatz deutet Wolff die erste Stufe des Gegensatzes als dasjenige Verhältnis, in dem dem reflexionslogischen Substrat I A I (oder einem durch IAI bestimmten Gegenstand) entweder +A oder -A als Bestimmung zukommt. (Vgl. ebenda 116) Aber bei Hegel ist gar keine Rede von solch einem Substrat, von dem Wolff spricht, „Eine Reflexion" oder „Vermittlung" ist nichts anderes als das Gegensatzverhältnis selbst, das kein Substrat voraussetzt. I A I darf nicht als der Ausgangspunkt gedacht werden, durch den +A und -A ermöglicht werden, sondern muß begriffen werden als das Resultat, zu dem sich +A und -A aufheben. Das Prinzip darf nicht durch die Beispiele interpretiert werden, sondern die Beispiele müssen vielmehr durch das Prinzip erklärt werden. Das reflexionslogische Substrat ist eine problematische Wortkombination. Die Vokabel „Substrat" taucht erst im Grund-Kapitel auf. Im Haupttext des zweiten Kapitels, das noch nur von Reüexionsbestimmungen handelt, schließt Hegel streng die Verwendung von Worten wie Substrat oder Ding aus. Trotz des Adjektivs „reflexionslogisch" erweckt der Terminus „Substrat" die von Wolff unerwünschten Assoziationen. 81 In den drei Stufen des Gegensatzes wiederholen sich wiederum die Reflexionsarten von setzender, äußerer und bestimmender Reflexion, indem jeweils der ersten die setzende, der zweiten die äußere und der dritten Stufe die bestimmende Reflexion entspricht. Zur Wiederholung der Reflexion in den Reflexionsbestimmungen vgl. Ch. Iber (1990), 407, Fußnote 14.
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einander sind und somit ihre Bestimmtheit ihnen äußerlich hinzugefügt wird, bildet die zweite Stufe des Gegensatzes. Auch hier ist jede Seite des Gegensatzes „nicht an ihr selbst bestimmt". „Jeder Seite kommt daher zwar eine der Bestimmtheiten von Positivem und Negativem zu, aber sie können verwechselt werden, und jede Seite ist von der Art, daß sie ebensogut als positiv wie als negativ genommen werden kann." Insofern das Positive und Negative in der ersten und zweiten Stufe nicht an ihnen selbst bestimmt sind, sind sie „nur Gesetzte" (XI, 274; 44:15-16) oder „nur Bestimmtheit überhaupt" (ebenda:27-28). Die erste und zweite Stufe des Gegensatzes vertritt also zusammen ein und dieselbe Form des Gegensatzes, die der konträren Entgegensetzung entspricht. Diese erste Form des Gegensatzes ist nichts anderes als der Gegensatz an sich. Der Gegensatz an sich hat die beiden Aspekte, den des Gesetztseins und den der Reflexion in sich. Sie sind aber hier noch nicht miteinander vermittelt, so daß er noch nicht vom Element der Verschiedenheit befreit ist. Der Gegensatz an sich enthält also noch die Verschiedenheit in sich. Daraus läßt sich erkennen, wie die Aussage in der Anmerkung zum besonderen Begriff zu verstehen ist, daß den konträren Begriffen die Reflexionsbestimmung der Verschiedenheit zugrunde liegt (vgl. XII, 46): Da die konträre Entgegensetzung der formale Ausdruck des Gegensatzes an sich ist, liegt ihr wie dem Gegensatz die Verschiedenheit zugrunde.®^ Wie Gleichheit und Ungleichheit in der negativen Einheit des Gegensatzes als des in sich reflektierten Gesetztseins vereinigt wurden, werden die vorangegangenen zwei Stufen in der wiederum der bestimmenden Reflexion entsprechenden dritten Stufe vermittelt. Das Positive und Negative ist nun „nicht nur ein Gesetztes noch bloß ein Gleichgültiges", sondern das Gesetztsein wird jeweils in das Positive und Negative zurückgenommen. Diese zweite Zurückbeugung des Wesens gibt diesem eine noch stärkere Selbständigkeit, als sie sich im Gegensatz an sich aus der Einheit von Gleichheit und Ungleichheit ergab. Die Reflexion in sich vertritt nicht mehr die gleichgültige Selbständigkeit der Verschiedenen, denen die reflexionslogische Negativi82 Ch. Iber läßt zurecht der ersten Form des Gegensatzes die konträre Entgegensetzung und der zweiten die kontradiktorische entsprechen. Er betrachtet aber fälschlich die zweite Stufe des Gegensatzes nur als einen faktischen Rückfall in die Verschiedenheit, ohne darin das entscheidende Charakteristikum der konträren Entgegensetzung zu sehen. (Vgl. Ch. Iber (1990), 403)
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tat nur äußerlich bleibt, sondern das Positive als die selbständige Reflexionsbestimmung, das als aufgehobene Negativität die Identität der Negativität in der ersten Stufe repräsentiert. Auch das Gesetztsein vertritt zwar noch die Negativität, aber nicht als die an ihre Relate nicht gebundene, flüchtige Bestimmtheit wie in der ersten Stufe, sondern als das Negative in einer Einheit, die dieses selbst ist. Während die Momente des Gegensatzes in der ersten Stufe nämlich der Identität ihres Verhältnisses ungleich waren, ist die Negativität des Negativen ihrer Identität gleich, die das Positive repräsentiert. So versehen sich das Positive und Negative mit einer noch stärkeren Selbständigkeit als früher. Das Positive und das Negative gewinnen ihre Selbständigkeit durch die Zurücknahme der Beziehung auf das Andere in sich. In der ersten Form des Gegensatzes bedingten die Relate jeweils das Andere auch in der Negation dieses Anderen. Die Zurücknahme erfolgte dort nur derart, daß die beiden Momente des Gegensatzverhältnisses aufeinander verwiesen. Nun hat das Positive hingegen „die Beziehung auf das Andere [...] an ihm selbst; ebenso das Negative ist nicht Negatives als gegen ein Anderes, sondern hat" seine Bestimmtheit „gleichfalls in ihm selbst". Das Positive und Negative haben also jeweils die Beziehung auf das Andere zu ihrer Bestimmung. Hierbei wird die Beziehung nicht äußerlich, sondern von ihnen selbst her bestimmt. Sie sind somit an ihnen selbst bestimmt. Wenn eine Bestimmung nicht durch die andere oder in Beziehung auf die andere, sondern an ihr selbst ihre Bestimmtheit hat und von sich aus ihre Beziehung auf die andere herausstellt, dann ist sie mit vollem Recht als selbständig zu charakterisieren. In diesem Sinne bezeichnet Hegel das Positive und Negative in der zweiten Form bzw. der dritten Stufe des Gegensatzes als „selbständige Reflexionsbestimmungen" (XI, 274; 45:5, XI, 279; 50:24-25) im Unterschied zum Positiven und Negativen als Momenten in der ersten Stufe. (b) Der sich ausschließende Widerspruch Mit der zweiten Form des Gegensatzes bekommen das Positive und Negative als selbständige Reflexionsbestimmungen eine neue Definition. Das Positive, das von „Natur [...] nicht ein Gesetztes" (XI, 274; 45:11), sondern Reflexion in sich ist, wird als „das Nichtentgegengesetzte" oder „der aufgehobene Gegensatz" (XI, 274; 45:9) definiert. Es ist zwar ein Gesetztsein, insofern es in Beziehung auf das Negative steht. Aber es ist „für es das Gesetztsein [...] als aufgehobenes" (XI, 274; 46:6-7).
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Dieser Ausdruck ist gleichlautend mit der Definition der Identität; die Bestimmung als Bestimmungslosigkeit. Das erlaubt die Feststellung, daß das Positive die Nachfolgerbestimmung der Identität ist. Demgegenüber stellt Hegel das Negative aus der Perspektive des Unterschieds dar. Das Negative spiegelt sicherlich die Negativität der ersten Stufe wider, es ist jedoch als „absolute Reflexion" (XI, 274; 45:17) selbstbezügliche Negativität. Hegel definiert daher das Negative als „das für sich bestehende Entgegengesetzte" oder den „auf sich beruhende[n] ganze[n] Gegensatz" (XI, 275; 45:23-26). Während sich die Negativität des Negativen nur auf sich bezieht, kennzeichnet sich das Positive um seiner Natur der Reflexion in sich willen als „die das Anderssein negierende Reflexion in sich" (XI, 274; 45:11-12). Auch wenn das Positive gemäß seiner Definition die Aufhebung des Gegensatzes der ersten Stufe repräsentiert, steht es erneut auf einer Seite des Gegensatzes in der zweiten Form. Trotz seiner selbstbezüglichen Autarkie negiert auch das Negative als Reflexion in sich das Positive. Diese Negation wird in einer noch schärferen Form ausgeführt als beim Gegensatz an sich, weil ihre Relate eine als „selbständiges Sein" ausgedrückte Stärke der Selbständigkeit erhalten (XI, 274; 45:14 und XI, 275; 45:21). Dieses Negationsverhältnis zwischen Positivem und Negativem als selbständigen Reflexionsbestimmungen kennzeichnet Hegel als Ausschlußbeziehung. Das selbständige Negative schließt das selbständige Positive als sein Anderes aus und umgekehrt. Die Negativität zwischen Positivem und Negativem gewinnt somit eine neue Bedeutung als ,ein sich wechselseitig von sich Ausschließen'. So verläuft die Darstellung der zweiten Definition gleich wie die der ersten Definition. Obwohl das Positive und Negative jeweils als Reflexion in sich die an ihnen selbst bestimmte Selbständigkeit sind, schließen sie einander als Gesetztsein, als Relate des Gegensatzes, aus. Wenn man vom letzteren abstrahiert und auf dem ersteren beharrt, entsteht ein Verstandesgegensatz zwischen den seinslogischen Kategorien „Sein und Nichtsein" (XI, 275; 45:35-36). Das zeigt den Cha83 In dieser Ausschlußbeziehung der zweiten Form des Gegensatzes stellt Ch, Iber eine eindeutige Asymmetrie zwischen dem Positivem und Negativem fest. Die beiden sind nicht mehr Entgegengesetzte überhaupt, d.h, auf gleiche Weise Entgegengesetzte; sie sind vielmehr auf verschiedene, ja entgegengesetzte Weise einander entgegengesetzt. Das Positive und Negative der ersten Stufe verhielten sich bloß negativ zueinander. Hier hingegen schließen sie sich jeweils als Nichtentgegengesetztes und Entgegengesetztes aus. (Vgl. Ch. Iber (1990), 417) Dieselbe Asymmetrie sieht Iber auch schon in der ersten Definition des Positiven und Negativen. (Vgl. ebenda 389)
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rakter der unmittelbaren Entgegensetzung, den die Ausschlußbeziehung des zweiten Gegensatzes hat. In der Enzyklopädie von 1830 schreibt Hegel: Die Logik des Wesens, „der schwerste Teil der Logik enthält vornehmlich die Kategorien der Metaphysik [...]- als Erzeugnisse des reflektierenden Verstandes, der die Unterschiede als selbständig annimmt und zugleich auch ihre Relativität setzt, beides aber nur neben- und nacheinander durch ein Auch verbindet und diese Gedanken nicht zusammenbringt" (Enz § 114 Anmerkung). Die Wesenslogik intendiert nach Hegels Programm die Kritik an der Verstandesreflexion, die die Kategorien als auseinanderfallende und somit gegeneinander gleichgültige betrachtet. Sie erweist das äußerliche Verhältnis des Verstandes als ein innerliches, aus dem sie die Notwendigkeit jenes Verhältnisses ableitet, ln der methodischen Betrachtung der Wesenslogik spitzt Hegel den spekulativen Ansatz des Positiven und Negativen bis zum schärfsten, in diesem Sinne abstraktesten Gegensatz zu. Somit zeigt er dann, daß erst aus der so hinreichend realisierten Entgegensetzung ihr Gegenteil hervorgehen und sie zum spekulativen Ansatz zurückkehren kann. Die Spekulation klärt hierbei den Verstand über seine Abstraktheit auf und belehrt ihn darüber, daß der Gegensatz aus der ,,eigene[n] Bestimmung der Seiten" desselben hervorquillt, die „die Beziehung auf Anderes" zu ihrer „Bestimmung" oder ihrem „Ansichsein" haben (XI, 275; 46:6-10). Die Ausschlußbeziehung des zweiten Gegensatzes erreicht so ihre Unmittelbarkeit, aber nicht durch die Rücksicht des vergleichenden Verstandes, sondern durch die eigene Bestimmung der selbständigen Reflexionsbestimmungen.*'^ Aus der so zugespitzten unmittelbaren Entgegensetzung ergibt sich der Widerspruch. Wenn man die Ausschlußbeziehung des zweiten Gegensatzes näher betrachtet, läßt sich darin schon der Widerspruch 84 Diese unmittelbare Entgegensetzung des zweiten Gegensatzes bezeichnet M. Wolff als „die substratfreie Negativität" (M, Wdff (1981), 149). Wenn aber die reflexionslogische Negativität ihm zufolge immer ein reflexionslogisches Substrat voraussetzt, muß solch ein Substrat auch der Negativität selbständiger Reflexionsbestimmungen zugrunde liegen. Er selbst stellt sich diese Erage und antwortet darauf, daß „ein ganzer Reflexionszusammenhang inhaltlich bestimmter Gegensatzrelate mit dem dazugehörigen inhaltlich bestimmten reflexionslogischen Substrat bereits besteht" (ebenda 148). Unter seiner Voraussetzung des reflexionslogischen Substrats darf er aber diese Erklärung nicht geben. Insofern es eine Beziehung zwischen dem Positiven und Negativen gibt, muß ihr Substrat seinem Ansatz nach ein beiden zugrundeliegendes Substrat sein, aber nicht das Positive als Substrat der Negativität des Negativen. Auch wenn man das Positive als das reflexionslogische Substrat ansieht, stellt sich noch eine andere von Wolff unbeantwortbare Präge: Wie kann die Negativität des Negativen, die vom Positiven als dem reflexionslogischen Substrat ganz unabhängig ist (vgl. ebenda 150), reflexionslogisch sein?
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erkennen. Die nähere Betrachtung bedeutet jedoch keine faktische Entwicklung des logischen Prozesses zu einer höheren Stufe wie bei der Entwicklung vom ersten zum zweiten Gegensatz. Im Widerspruch gewinnen das Positive und Negative keine neue andere Bedeutung als im zweiten Gegensatz. Hegel zeigt hier nur, daß die Ausschlußbeziehung zwischen einander ausschließenden selbständigen Bestimmungen aufgrund ihrer Selbständigkeit in die Selbstausschließung umschlägt. Das an ihm selbst bestimmte Positive hat ebenso wie das Negative seine Selbständigkeit als Ganzes für sich. Um das Ganze zu sein, muß jedes das Andere, das ebenso das Ganze ist, restlos in sich enthalten. Um das Ganze zu sein, muß jedes aber das Andere, das ebenfalls als das Ganze auftritt, aus sich ausschließen. Die selbständige Reflexionsbestimmung schließt also „in derselben Rücksicht, als sie die andere enthält und dadurch selbständig ist", die andere aus. Sie schließt somit „in ihrer Selbständigkeit ihre eigene Selbständigkeit aus sich aus". (XI, 279; 50:35-51:2) Hiermit formuliert Hegel die Entgegensetzung zwischen selbständigen Reflexionsbestimmungen als Widerspruch, und zwar ebenso streng kontradiktorisch wie der Satz des Widerspruchs. Das Sich-Widersprechen im zweiten Gegensatz ist in Wahrheit ein Sich-selbst-Widersprechen. Denn die Entgegensetzung der selbständigen Reflexionsbestimmungen muß ein Widerspruch sein, und ein seinem Namen angemessener Widerspruch ist ein sich-selbstwidersprechender.®® Für den Widerspruch der selbständigen Reflexionsbestimmungen, die an ihnen selbst bestimmt sind und somit die Beziehung auf ihr anderes Moment an ihnen selbst haben, ist allerdings nicht entscheidend, ob ihre Beziehung auf das Andere als Sich-Widersprechen oder Sich-selbst-Widersprechen bestimmt wird, sondern, ob sie von ihrer eigenen Bestimmung her ihren Widerspruch konstituieren. Hegel unterscheidet den Widerspruch klar vom Gegensatz, und das entscheidende Merkmal des Widerspruchs liegt in der Ausschlußbeziehung seiner Relate. Da aber die Ausschlußbeziehung von der an 85 Nach M. Theunissen schließen die Relate des Gegensatzes jeweils das Andere als Ganzes aus, enthalten es aber als Moment. Im Widerspruch hingegen enthält das Eine das Andere in derselben Hinsicht, in der es dieses auch ausschließt: als das Ganze. Im Gegensatz widersprechen sich die Relate nicht in derselben Hinsicht. Er ist daher nicht der Widerspruch im strengen Sinne. Theunissen bezeichnet den Gegensatz als Sich-Widersprechen, den Widerspruch als Sich-selbst-Widersprechen. (Vgl. M. Theunissen (1974), 322) Diese Unterscheidung kann allerdings nur dann gelten, wenn man Theunissens Wort „Gegensatz" dem Gegensatz an sich und „Widerspruch" der Entgegensetzung zwischen selbständigen Reflexionsbestimmungen zuschreibt.
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ihr selbst bestimmten Reflexionsbestimmung verursacht wird, liegt das endgültige Unterscheidungskriterium von Gegensatz und Widerspruch darin, ob die Relate an ihnen selbst bestimmt sind. Aus der Perspektive der ausschließenden Reflexion bestimmt Hegel schließlich das Positive, das Negative und ihr Verhältnis, indem er ihre ersten beiden Definitionen zusammenfaßt. (Zum folgenden vgl. XI, 279f) Diese dritte Beschreibung des Positiven und Negativen kann für das Positive und das Negative in jeweils drei Punkten rekapituliert werden. (1) Das Positive ist das in die Gleichheit mit sich reflektierte Gesetztsein. (2) Als aufgehobenes Gesetztsein (XI, 279; 51:24) oder „das Nichtentgegengesetzte" (XI, 274; 45:7-8) schließt es das Gesetztsein, das Negative, von sich aus. (3) Durch Ausschließen des Negativen macht das Positive sich selbst „zum Negativen von einem, also zu dem Anderen, das es von sich ausschließt". (1) Das Negative ist das in die Ungleichheit mit sich reflektierte Gesetztsein. (2) In seiner Bestimmung als das „Entgegengesetzte" (XI, 275; 45:23-24) oder das „Nichtidentische" (XI, 280; 52:19-20) schließt das Negative das Positive oder die Identität von sich aus. (3) Indem das Negative durch Ausschluß eines Anderen (XI, 280; 52:1 -2), gegen die Identität (ebenda: 20-21), es selbst ist, wird es seinerseits die Beziehung auf sich oder die Identität, die es von sich ausschließt. Der erste und zweite Punkt rühren jeweils von der ersten und zweiten Definition her, während nur der dritte Punkt einen neuen Inhalt zu formulieren scheint. Der dritte Punkt wird aber restlos vom zweiten Punkt durch dessen Analyse abgeleitet. Denn insofern die Relate der ausschließenden Beziehung zwischen selbständigen Reflexionsbestimmungen beide als das Ganze behauptet werden, mündet dieses gegenseitige Ausschließen unweigerlich in ein Sich-selbst-Ausschließen. Von daher ist die dritte Bestimmung des Positiven und Negativen keine neue Definition desselben, die vergleichbar wäre mit der zweiten Definition, die gegenüber der ersten einen neuen Inhalt zum Ausdruck gebracht hat. Auch das Verhältnis, das die dritte Formulierung ausdrückt, kann abgesehen vom Ausdruck „ausschließen" nichts Neues liefern. Denn ausgehend von den beiden Aspekten, Gesetztsein und Reflexion in sich, stellten bereits die beiden vorangehenden Definitionen nicht nur Bestimmungen des Positiven und Negativen, sondern auch ihren Übergang zum Anderen als ihr Verhältnis dar. Gemeinsam thematisierten die erste und zweite Definition sowohl die Selbständigkeit des Positiven und Negativen als auch ihre Relativität. Die Differenz zwischen den beiden liegt darin, daß sie eine unterschiedliche Relativität gemäß der Stärke der Selbständigkeit ausdrük-
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ken. Die zweite Definition und die dritte Beschreibung haben dagegen dieselben Relate zum Gegenstand. Die dritte Beschreibung ist also nichts anderes als eine vertiefende Analyse der zweiten, ausschließenden Beziehung. (c) Der sich auflösende Widerspruch Gehen das Positive und Negative auf dieselbe Weise ineinander über, dann stellt sich hier auch das Problem der Unterscheidung zwischen Positivem und Negativem, wie zwischen Identität und Unterschied. Als das in sich reflektierte Gesetztsein werden die Reflexionsbestimmungen des Positiven und Negativen als Reflexion in sich erst durch ihren Aspekt des Gesetztseins, die Beziehung auf das Andere, inhaltlich gefüllt. Obwohl das Positive und Negative jeweils zunächst als das Nichtentgegengesetzte und Entgegengesetzte definiert werden, müssen diese Bestimmungen durch ihr reflexionslogisches Verhältnis ihren Inhalt ostentativ zeigen. Denn die Reflexionsbestimmung als Bestimmungsverhältnis hat ihre Bedeutung bzw. Definition im Verhältnis. Aber wie die Reflexionsbestimmungen von Identität und Unterschied in ihrer sich zum Moment ihrer Bestimmung herabsetzenden Reflexionsstruktur voneinander ununterscheidbar waren, so sind auch die gleichermaßen ineinander übergehende Negations- bzw. Ausschlußbewegungen des Positiven und Negativen nicht voneinander zu unterscheiden. Der Widerspruch von Positivem und Negativem als die schärfste Form des Negationsverhältnisses ist jeweils am oben dargelegten dritten Punkt der dritten Beschreibung anknüpfend so zu formulieren: Indem das Positive als Nichtentgegengesetztes durch Ausschließen des Entgegengesetzten zum Negativen, das es von sich ausschließt, wird, schließt es sich von sich selbst aus. Indem das Negative ebenfalls als „Ausschließen der Identität [. ..] gegen die Identität identisch mit sich" ist, schließt es „sich selbst von sich aus" (XI, 280; 52:2023). Wegen dieser auf gleiche Weise ineinander übergehenden Ausschlußbeziehungen scheint Hegel den unterschiedlichen Inhalt des Positiven und Negativen nicht demonstrieren zu können. Daher scheint ferner die Ausschlußbeziehung als solche zwischen den an ihnen selbst bestimmten, selbständigen Reflexionsbestimmungen nicht begründbar zu sein. Wie Hegel früher dem Unterschied den Vorrang vor der Identität gab, konzipiert er trotz derselben Weise des Ausschließens das Nega-
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tive als vorrangig vor dem Positiven. Dieser Vorrang läßt sich dem Negativen im Gegensatz an sich nicht geben, weil die beiden Momente desselben als das Negative gegeneinander gar nicht voneinander unterschieden werden können. Nur das an ihm selbst bestimmte Negative kann den Vorrang vor dem an ihm selbst bestimmten Positiven haben. Anschließend an die Bezeichnungen des Negativen in der zweiten Definition als „die absolute Reflexion" oder „der auf sich beruhende ganze Gegensatz" nennt Hegel es nun ebenfalls „die ganze [.. .] auf sich beruhende Entgegensetzung" oder den „absolute[n] Unterschied" (XI, 280; 52:24-26). Obwohl der Umschlag des Sich-Ausschließen in das Sich-selbst-Ausschließen gleichermaßen für das Positive gilt, erspart es sich Hegel, dem Positiven dieses Sich-selbst-Widersprechen ausdrücklich zuzuschreiben. Das enthüllt Hegels Intention, nur dem Negativen die Dynamik der sich von sich ausschließenden Reflexion zu verleihen. Diese diskriminierende Bestimmung des Positiven findet aber nur auf der Ebene der Eormulierung statt, ohne durch die Ausschlußbeziehung begründet zu werden. Die bipolare Beziehung der Reflexionsbestimmungen überhaupt scheint in ihrer Wechselbeziehung ganz und gar symmetrisch zu sein.^^ Aber insofern die Struktur der Reflexionsbestimmungen auf der Reflexionsbewegung basiert, muß eine Dominanz auf der Seite der die Negativität vertretenden Reflexionsbestimmung festgestellt werden. Die Differenz zwischen Positivem und Negativem ist also erst auf die Definition des Wesens als die sich auf sich beziehende Negativität zurückzuführen und dadurch zu begründen. Die symmetrische Entgegensetzung von Positivem und Negativem hebt sich durch die aus86 Aus der Analyse der Hegelschen Bestimmung des Positiven und Negativen stellt Ch. Iber die Asymmetrie der beiden fest. (Vgl. Ch. Iber (1990), 289,417,460ff) Zur Aussage Hegels, daß das Positive nur an sich der Widerspruch, das Negative dagegen der gesetzte Widerspruch sei (XI, 280; 52:16-17), bemerkt Iber, daß das Negative als ein Entgegengesetztes schon vorausgesetzt sei, damit das an sich Positive ein Entgegengesetztes sein könne. Der Widerspruch des Positiven sei hingegen Eolge davon, daß das Negative ihm entgegengesetzt sei. (Vgl. Ch. Iber (1990), 461) Er schenkt aber dem Sachverhalt keine Aufmerksamkeit, daß diese ausdrücklich bestimmte Differenz zwischen Positivem und Negativem durch den identischen Vorgang ihres Ineinander-Übergehens annulliert werden kann. Die Differenz der beiden läßt sich m. E. letztlich durch die Betrachtung der ausschließenden Reflexion als solcher begründen, die ihrerseits auf die Definition des Wesens als der sich auf sich beziehenden Negativität zurückgreift. Sie wird unten näher dargestellt. M. Wolff hat schon dieselbe Bemerkung wie Iber gemacht. (Vgl. M. Wolff (1981), 154f) Diese Bemerkung aber widerspricht seine Theorie des reflexionslogischen Substrats, derzufolge die reflexionslogische Negativität des Negativen das Positive als das reflexionslogische Substrat voraussetzen muß (s.o. Fußnote 80 dieses Kapitels).
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schließende Reflexion im Widerspruch auf. Diese Aufhebung mündet nicht einfach in das „Verschwinden der Entgegengesetzten", sondern in „die nächste Einheit" (XI, 280; 52:35-36). Die ausschließende Reflexion ist nämlich zugleich „setzende Reflexion" (XI, 281; 53:1). Aus der Perspektive der ausschließenden Reflexion selbst gesehen, ist die Vereinigung des Positiven und Negativen im Widerspruch nichts anderes als die Rückkehr des Wesens aus dem Positiven und Negativen, in die es sich als in seine Negation verloren hat. In der Eorm der ausschließenden Reflexion setzt das sich von sich abstoßende Wesen sich selbst voraus oder macht sich zum Gesetztsein, um durch das Aufheben dieser Voraussetzung oder seines Gesetztseins sich selbst zu setzenF Die ausschließende Reflexion ist also nichts anderes als eine entwickelte Eorm der sich von sich abstoßenden Reflexion. Die sich von sich ausschließende Reflexion produziert ein Gesetztsein, das aus dem Positiven und Negativen gebildet wird. Das Gesetztsein hebt sich dadurch auf, daß das Positive und Negative sich jeweils in ihr Gegenteil übersetzen. Das Verschwinden der Entgegengesetzten schließt sich aber an ein neues Gesetztsein an, das aus dem Positiven und Negativen besteht. Das Positive und Negative machen dasjenige Gesetztsein aus, zu dem die ausschließende Reflexion sich von sich ausschließend macht. Die symmetrische Ausschlußbeziehung zwischen Positivem und Negativem befindet sich also auf dem Weg der Entzweiung, in die die ausschließende Reflexion sich ausschließt. Es scheint hier eine solche Reflexion zu geben, die das Positive und Negative als ihre Momente übergreift und diese durch den Widerspruch zugrunde gehen läßt. Das Subjekt der ganzen ausschließenden Bewegung ist aber nichts anderes als das Negative, das in der Einheit mit dem Positiven steht. Das Positive und Negative vertreten jeweils Reflexion in sich und Gesetztsein, Unmittelbarkeit und Negativität, die die beiden Aspekte der einen Reflexion des Wesens ausmachen. Sie bestehen also darin, daß sich die beiden Seiten der Reflexionsbewegung in der Eorm der Reflexionsbestimmung verfestigt haben. Insofern das Wesen als selbstbezügliche Negativität die „sich selbst aufhebende Unmittelbarkeit" ist (vgl. XI, 250, 251), müssen sich auch die Wesenheiten, das Positive und Negative, aufheben. Das Subjekt dieser sich selbst aufhebenden Bewegung ist von Anfang an die Negativität des Wesens. Die Negativität des Wesens setzt sich in der Reflexionsbestimmung 87 Vgl. K. }. Schmidt (1997), 81.
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„Unterschied" fort, der das Negative folgt. Das Positive ist hingegen die Fortbestimmung der Identität, die nur die Unmittelbarkeit des Insich-Bleibens im Übergehen des Wesens repräsentiert. Obwohl die Bewegung beim Positiven anfängt, ist es nicht Urheber der Bewegung des Negativen, sondern bloßes In-sich-Bleiben, noch nicht Angefangensein. Das Positive kann auch nicht der Träger der Bewegung des Negativen sein, der diese ermöglicht. Denn die selbstbezügliche Negativität ist selbst die sich selbst tragende Bewegung. Das Positive zeigt nur die reine Selbstbezüglichkeit dieser Bewegung oder die Identität des Gesetztseins mit sich, das aus der Bewegung des Negativen erwächst.®® So macht das Positive in jeder Entwicklungsstufe den Anfang, an dem die sich bestimmende Tätigkeit des Negativen noch nicht eingesetzt hat. Da der Anfang zugleich das Resultat des vorangegangenen Entwicklungsstadiums ist, vertritt das Positive als aufgehobenes Gesetztsein die Einheit der Bestimmtheit, die die Bewegung des Negativen auf jeder Etappe in verschiedener Gestalt liefert. Das unmittelbare Sein wird in seinem sich anreichernden Prozeß beispielsweise als Existenz, 88 M. Wolff bezeichnet das Positive, das reflexionslogische Substrat, als „Träger" der entgegengesetzten Bestimmungen des Negativen. (Vgl. M. Wolff (1986), 123) Obwohl er ausdrücklich behauptet, daß sein reflexionslogisches Substrat keinen Gegenstand, sondern eine Gegenstandsbestimmtheit bezeichnet (vgl. ebenda 113, Fußnote 9), betrachtet er in der Diskussion dieses Substrat als das Ding, den Träger der Bestimmungen. Es sind ihm zufolge nicht „alle Dinge" (XI, 286; 59:32), sondern es ist nur ein bestimmtes Etwas als das reflexionslogische Substrat, das das reflexionslogische Verhältnis entgegengesetzter Bestimmungen ermöglicht. (Vgl. ebenda 116) Als so ein Ding schließt das Positive in seiner Negativität seine Bestimmung aus, enthält in seiner Nichtnegativität dieselbe. (Vgl. ebenda 155) Ferner macht Wolff eine fragwürdige Zuordnung, in der die Entgegengesetzten des Negativen von vornherein als die seinslogischen Kategorien betrachtet werden und erst aufgrund des reflexionslogischen Substrats die reflexionslogische Negativität sein können. (Vgl. ebenda 140f, Eußnote 10) Demgegenüber deutet K. J. Schmidt die andere Möglichkeit an, daß man die Entfaltung entgegengesetzter Bestimmungen auch mit dem Negativen beginnen kann. (Vgl. K. J. Schmidt (1997), 73, Eußnote 102) - Hegel betrachtet hier nicht nur die Kategorien in ihrem Übergehen wie in der Seinslogik oder der Logik und Metaphysik von 1804/05. Er begründet vielmehr diesen Übergangsprozeß, indem er zeigt, daß dieser durch das Ineinanderübergehen der Entgegengesetzten auf derselben Ebene erfolgt. Aber diese Momentaufnahme muß als Moment eines Prozesses gedacht werden, nicht jedoch als ein Verhältnis zwischen Ding und Reflexionsbestimmungen, als das Wolff sie bestimmt. Auch wenn wir vorgreifend das reflexionslogische Substrat als ,Grundlage' oder ,Substrat' des Grund-Kapitels anerkennen, kann diese Bestimmung nicht als die reflexionslogische Struktur gedacht werden, die das Verhältnis der Reflexionsbestimmungen ermöglicht. Sie ist vielmehr die Abstraktion von der Eorm, die durch die Grundbeziehung der Form die formierte Materie, der Inhalt, werden kann. Hegel stellt das Absolute in seinem sich steigernden Prozeß dar. Der Versuch, eine Stufe abstrahiert von diesem Kontext zu behandeln, stößt daher immer auf Schwierigkeiten.
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Wirklichkeit und Objektivität wiederhergestellt (vgl. XI, 324). Hierbei bedeuten aber diese Bestimmungen als die verschwundene Vermittlung nur den Anfangspunkt jedes Entwicklungsstadiums. Der Inhalt dieser Bestimmungen wird erst durch die Vermittlung des Negativen bestimmt. Auch die Identität und der Grund sind beide zwar gleichermaßen das Positive als die bestimmungslose Bestimmung (XI, 258; 24:22-23) oder das nichtbestimmte Bestimmtsein (XI, 291; 65:16-18). Sie haben aber als die jeweiligen Resultate der sich aufhebenden Vermittlung des Negativen inhaltlich unterschiedliche Bestimmungen: Die Identität ist die unbestimmte Reflexionsbestimmung als das in sich reflektierte Gesetztsein, während der Grund Grundlage oder Substrat als die zugrunde gegangene Reflexionsbestimmung ist. So ist das Positive nur als das Resultat der Vermittlung zu betrachten, die das Negative ausführt. Für Hegel ist nicht zunächst ein Bestimmungen tragendes Positives vorhanden, das diese dann durch Vermittlung des Negativen auslegen würde. Er geht vielmehr nur von dieser Vermittlung des Negativen aus, die sich in das Positive befestigend dessen Inhalt ausmacht. Die Aufgabe der Wissenschaft der Logik ist die Darstellung des Absoluten. Als die sich auf sich beziehende Negativität vermittelt sich das Absolute mit sich, woraus in jeder Zäsur seiner Vermittlungsbewegung eine weitere Bestimmung von sich resultiert. Bestimmt wird das Absolute nicht einmalig, sondern in der Reihe der Bestimmungen, die sich durch den sich anreichernden Vermittlungsprozeß des Absoluten ergibt. Dieser Gedanke ist die konkrete Ausarbeitung des Programms der Phänomenologie des Geistes, das das Sein nicht als die ihre Bestimmtheit an sich haltende Substanz, sondern als die Vermittlung dieser Bestimmtheit selbst auffaßt. (Vgl. IX, 28) Der Vorrang des Negativen vor dem Positiven ist auch eine konsequente Weiterentwicklung der Metaphysikkritik in der Seinslogik, derzufolge die traditionelle Metaphysik nur Ansichseiendes behauptet, aber dieses nicht zugleich als Gesetztsein begreift (vgl. XXI, 109f). Die Logik der Reflexionsbestimmungen muß also nicht aus der Perspektive der Substanzmetaphysik, sondern der Subjektmetaphysik interpretiert werden. Wenn alle Dinge Hegels Satz zufolge an sich selbst widersprechend sind (vgl. XI, 286), sind sie als die sich negierende Negativität des Negativen, des gesetzten Widerspruchs, (XI, 280; 52:17) zu verstehen.
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(5) Der Widerspruch als das ontologische Prinzip Das spezifische Merkmal des Hegelschen Begriffs des Widerspruchs besteht darin, daß Hegel ihn nicht nur als logische, sondern auch als ontologische Bestimmung betrachtet. Gegen Hegels Behauptung der Objektivität des Widerspruchs wenden Hegelkritiker ein, daß es Widersprüche nur auf der sprachlichen Ebene, in der Wirklichkeit dagegen lediglich Gegensätze geben kann. Der Vorwurf der „Ontologisierung" des Widerspruchs durch Hegel ist daher mit der Kritik verbunden, daß Hegel den Unterschied zwischen Gegensatz und Widerspruch „verwischt". Aber Hegel beachtet stets die Unterscheidung zwischen den konträren und kontradiktorischen Begriffen,®^ die durch die Reflexionsbestimmung von Gegensatz und Widerspruch von der Gegenstandsebene her begründet werden. Der konträre Gegensatz enthält noch die Verschiedenheit, so daß seine Entgegensetzung nicht durch die Relate selbst, sondern durch eine ihnen äußerliche Rücksicht bestimmt ist. Der kontradiktorische Widerspruch dagegen besteht in der Ausschlußbeziehung zwischen an ihnen selbst bestimmten Relaten. Da die Relate der Ausschlußbeziehung, das Posi85 M. Wolff behauptet, daß Hegel die Unterscheidung konträrer und kontradiktorischer Begriffe ablehnt. (Vgl. M. Wolff (1981), 102 - 104) Diese Behauptung wiederholt Ch. Iber. (Vgl. Ch. Iber (1990), 374 - 377) Mit Trendelenburg, der Hegel vorwirft, daß er das Konträre und das Kontradiktorische nicht unterscheidet, stimmen sie damit unbeabsichtigt überein, obwohl sie eine „Relativierung" der beiden statt einer „Verwischung" behaupten. Wolff stützt sich auf eine Aussage Hegels in der Anmerkung zum besonderen Begriff: Die konträren und kontradiktorischen Begriffe „werden als zwei besondere Arten angesehen, d. h. jeder als fest für sich und gleichgültig gegen den anderen, ohne allen Gedanken der Dialektik und der inneren Nichtigkeit dieser Unterschiede, als ob das, was konträr ist, nicht ebensosehr als kontradiktorisch bestimmt werden müßte" (XII, 46). Aber dieser Satz darf nicht als eine einfache Verneinung der Unterscheidung zwischen beiden Begriffen verstanden werden. Hier negiert Hegel zwar die statische Fixierung dieser Unterscheidung, gibt aber zugleich ihrer Auflösung eine eindeutige Richtung: Das Konträre muß zum Kontradiktorischen zugespitzt, aber dieses nicht umgekehrt abgestumpft werden. Wolff interpretiert diesen Satz in Verbindung mit der dialektischen Opposition Kants: Je nachdem, ob das Satzsubjekt „Welt" in einer Kantischen Antinomie als das Ding an sich oder als die Erscheinung bestimmt wird, können seine Prädikate unabhängig von der Formulierung „endlich" und „unendlich" konträr oder kontradiktorisch sein. Dieses unbestimmte Satzsubjekt hält Wolff im Ansatz für Hegels „reflexionslogisches Substrat". Bei Kant können die kontradiktorisch formulierten Prädikate je nach Bedeutung des Satzsubjekts als konträr erwiesen werden, und umgekehrt. Bei Hegel ist das aber nicht der Fall. Hegel denkt kein „reflexionslogisches Substrat" im Sinne eines unbestimmbaren Dings an sich, das wahlweise konträr oder kontradiktorisch bestimmt werden kann. Er meint vielmehr einen Prozeß, in dem sich die Identität über den Gegensatz zum Widerspruch verschärft.
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Kapitel 3: Die Identität als Widerspruch
tive und Negative, die beiden Seiten ein und derselben Reflexion des Wesens als Reflexion in sich und Gesetztsein sind, erweist sich das logische Widerspruchsverhältnis von Positivem und Negativem als die sich von sich ausschließende Bewegung der Negativität des Wesens. So objektiviert Hegel die Kontradiktion, oder besser, begründet diese von der Gegenstandsbestimmung her. Die Objektivierung der Kontradiktion aber darf nicht als „Ontologisierung" im Sinne der Transformation der traditionell verstandenen logischen Kontradiktion in den ontologischen Widerspruch verstanden werden. Hegel distanziert sich ausdrücklich von der abstrakten Kontradiktion der klassischen Logik. (Vgl. Enz § 119 Anmerkung) Deswegen muß die Objektivierung der Kontradiktion vielmehr so verstanden werden, daß Hegel von seiner eigenen ontologischen Auffassung her die formallogische Kontradiktion kritisiert, um den Begriff des Widerspruchs auf dieser ontologischen Basis neu zu begründen. Hegels Behauptung der Objektivität des Widerspruchs besteht also nicht in der direkten „Ontologisierung" der Kontradiktion, sondern in einer sie neu konstruierenden Auffassung, die auf seinem sich von der traditionellen Metaphysik unterscheidenden Verständnis der Negativität basiert.®® Die Kritik an Hegels Behauptung der Objektivität des Widerspruchs kann auch in der Kantischen Unterscheidung von analytischer, dialektischer und realer Opposition eine Stütze finden. Ihr zufolge soll man nur für die analytische bzw. logische Entgegensetzung den Ausdruck „Widerspruch" zulassen, die reale Entgegensetzung dagegen als „Widerstreit" bezeichnen. Daraus läßt sich der Vorwurf machen, Hegel habe die Bedeutung des Widerstreits bei Kant fälschlich mit der logischen Bestimmung „Widerspruch" versehen. Aber Hegel übernimmt nicht einfach der Sache nach Kants Widerstreit, sondern entwickelt diesen so weiter, daß er als Widerspruch logisch konstruiert werden kann. Kant macht Leibniz zum Vorwurf, daß er sich die Realität nur rein logisch vorstellt, ohne den realen Widerstreit in ihr zu denken.®^ 50 G. Günther sagt, daß naan auf dem Boden einer Logik auch nur eine Metaphysik haben kann. (G. Günther (1959), 109) Das Sein als der Gegenstand der klassischen Logik ist ihm zufolge absolute Identität der Existenz mit sich, die das absolute Ausgeschlossensein des anderen zeigt. So ist es das Wesen des Seins, nur Beziehung auf sich selbst und zu sich selbst zu haben. Aber das Kennwort eines nicht-identitätstheoretischen, nicht-Aristotelischen Denkens ist ,Reflexion'. Das Verstehen von Reflexion ist dem von Sein genau invers. (Ebenda XV) Günther findet die reifste Form der nicht-Aristotelischen Logik in der Hegelschen Logik, speziell in den ersten drei Kapiteln der Wesenslogik. 51 Vgl. zum folgenden I. Kant (1787), B 320f und B 328 ff. Vgl. auch M. Wo///(1981), 69 ff.
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Nach Kant transformiert die Leibniz-Wolffsche Schule logische Prinzipien in metaphysische Prinzipien, so daß sie die Realität als bloße Bejahung auffaßt. Für sie bedeutet, so Kant, die Negation der Realität nur den Mangel an Realität. Das Einzelding, das vom ,lnbegriff aller Realität' ausgenommen ist, kennzeichnet nach dieser Auffassung der Negation die Schranke der Realität und somit das Übel. Die LeibnizWolffsche Schule betrachtet also auch das real Negative nur als nihil negativum. Aber nach Kant steht die Realität auch in einem realen Widerstreit, und zwar in der Negativität der einander aufhebenden mechanischen Kräfte (3-3 = 0). Die Tatsache, daß ein Körper nicht bewegt wird, beruht zwar in einigen Fällen auf einem bloßen Mangel an Kräften, aber in allen anderen Fällen darauf, daß seine Kraft durch eine andere Kraft aufgehoben ist.^^ Das Negative, das das Positive seiner Kraft beraubt, faßt Kant als nihil privativum. Den Kantischen Begriff der Negativität entwickelnd, spricht Hegel auch dem Negativen eine positive Kraft zu. Er formuliert aber die Negativität als das Verhältnis der logisch einander verneinenden Relate. Wie wir gesehen haben, ist das Positive als Nichtentgegengesetztes nicht Entgegengesetztes und das Negative als Entgegengesetztes nicht Nichtentgegengesetztes. Dieses einander widersprechende Verhältnis erweist sich als ein sich-selbstwidersprechendes, weil das Positive und Negative jeweils unter ein und derselben Rücksicht das Andere enthält und ausschließt und somit beide in ihrer Selbständigkeit ihre eigene Selbständigkeit ausschließen. Das logische Verhältnis mündet damit in die sich von sich ausschließende Beziehung des Wesens. Hegel formuliert so die einander ausschließende Negativität des Positiven und Negativen als logischen Widerspruch. Das kontradiktorisch formulierte Verhältnis gilt aber Hegel nicht als subjektiver Ausdruck des Palschen, sondern als Ausdruck eines objektiven Verhältnisses, aus dessen Widerspruch die sich von sich ausschließende Bewegung des Wesens hervorgeht. Das Verhältnis einander negierender, realer Kräfte arbeitet Hegel logisch aus, um die aus ihm resultierende Bewegung durch den logischen Widerspruch zu begründen. Es sind also keine mechanischen Kräfte, sondern die inneren objektiv-logischen Inkonsistenzen des Positiven und Negativen, die die Negativität entgegengesetzter Gegenstandsbestimmungen und die daraus resultierende Selbstbewegung der Dinge ermöglichen.®^ Wie Kant kritisiert Hegel in der Anmerkung zur Qualität
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Vgl.M. Wo/^ (1981), 75.
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Kapitel 3: Die Identität als Widerspruch
(vgl. XXI, 99 - 101) den Leibnizischen Begriff Gottes als den ,Inbegriff aller Realität'. Anders als Kant übt Hegel aber aus der logischen Perspektive Kritik. Aufgrund seiner Einsicht in den Spinozasatz: Omnis determinatio est negatio, wirft Hegel Leibniz vor, daß er die Realität nur als eine Vollkommenheit oder ein Affirmatives, das keine Negation enthält, auffaßte. Die Realität mit Qualität oder Bestimmtheit ist nach Hegel aber zugleich Negation. Der ,Inbegriff aller Realität' ist daher „Inbegriff aller Negationen" oder „aller Widersprüche". Zu Beginn der Wesenslogik greift Hegel noch einmal auf die Kritik an Leibniz zurück, um seinen Begriff des Wesens als absolute Negativität vom LeibnizWolffianischen Begriff des abstrakten Wesens zu distanzieren. (Vgl. XI, 242) In der Dialektik des Positiven und Negativen als der Fortbestimmung des Verhältnisses von Realität und Negation entwickelt Hegel diesen neuen Begriff der Realität in seinem konkreten Inhalt weiter. Das Sein überhaupt, das sich vom unmittelbaren Sein über das Wesen zum Begriff entwickelt, faßt Hegel so als Negativität auf. Er erklärt diese Negativität als das logische Verhältnis. Das bedeutet aber keine Rückkehr zu der von Kant kritisierten Metaphysik. Hegels Logik transformiert nicht die einfache Negation in die Wirklichkeit wie dieser naive Logizismus. Sie führt vielmehr eine neue logische Bestimmung der Negativität bzw. des Widerspruchs in bezug auf Objektivität ein. Hegels Widerspruch ist also ein objektiv-logischer Widerspruch.^^ 93 Vgl. M. Wolff (1981), 160 „Das Ding" als logische Bestimmung taucht erst im Erscheinungs-Kapitel als das durch den Grund vermittelte Existierende auf. Der Begriff des Dings, den Hegel in der Anmerkung zum Widerspruch vorläufig verwendet, ist nur als eine negative Einheit der Reflexionsbestimmungen von Positivem und Negativem zu verstehen. 94 Nach G. Günther wurzelt die Aristotelische Logik in der physiologischen Unmöglichkeit einer simultanen Ingangsetzung reziproker (inverser) neuraler Reaktionen. Hegels Logik als nicht-Aristotelische Logik versucht dieses Unausdrückbares auszudrükken. (Vgl. G. Günther (1959), Xlff) Was sie thematisiert, ist eben das Paradox der Bewegung, das Zenon von Elea argumentiert und aufgrund dessen Unfaßbarkeit er ,Dasein der Bewegung' verneint. Platons Gedanke, demzufolge der Mensch nicht die Bewegung selbst, sondern höchstens das Ruhende in der Bewegung, d.h. das Gesetz derselben auffassen kann, liegt auf der ausgedehnten Linie der Auffassung Zenons für diese Problematik. Auch in der Aristotelischen Theorie der Bewegung, die sie für Wechsel der Formen in ein und derselben Materie erklärt, läßt sich nur dieselbe Denkweise konstatieren. Die Bewegung, die durch die Aristotelische Logik wegen der formalen Inkonsistenz von deren Ausdruck verneint wird, drückt Hegel durch die Logik des Widerspruchs aus. Hegel verneint nicht das Dasein der Bewegung aufgrund des formalen Denkens, sondern verändert das Denken aufgrund des Realen. Günthers Versuch, die nicht-Aristotelische Logik in einer dreiwertigen Logik zu formalisieren, scheint mir aber nicht nachvollziehbar zu sein. Denn in Pluralität zerstreut er dieselbe Rücksicht, in der eine Reflexionsbestimmung die andere enthält und zugleich ausschließt.
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Hegel verbindet den logischen Widerspruch mit der objektiven Bewegung der Dinge, indem er diese Bewegung durch den logischen Widerspruch erklärt. Daß sich ein Ding bewegt, besagt, daß es an ein und demselben Ort ist und zugleich nicht ist. Umgekehrt gesagt, um dieses Widerspruchs willen bewegt sich das Ding.®® Hegel denkt den Widerspruch als das Prinzip aller Bewegung und Veränderung, insbesondere aller Selbstbewegung. (Vgl. XI, 287) Von der einfachsten Ortsbewegung bis zum Leben ist alle Bewegung ihm zufolge „der daseiende Widerspruch selbst" (XI, 287). Diese Betrachtung stützt sich auf seine teleologische Auffassung des Seins überhaupt. Der Widerspruch ist nicht nur das Prinzip der Bewegung, sondern ferner das Prinzip des Seins überhaupt, insofern Hegel das Sein als Bewegung setzt, um es als ein lebendiges aufzufassen. In der Wissenschaft der Logik löst Hegel das Sein als die erste Definition des Absoluten in eine sich prozessual anreichernde Bewegung auf, indem er das unmittelbare Sein in Einheit mit seiner Negation denkt. Alle Folgebestimmungen in diesem Prozeß sind eine negative Einheit, um deren Widerspruch willen sich eine Bestimmung in eine andere, höhere Bestimmung transformiert. Je nach der Art der Negativität, die jede Bestimmung hat, zeigt sie verschiedene Bewegungen; Etwas als die negative Einheit von Ansichsein und Sein-für-Anderes geht zum Anderen über, während das Wesen als Reflexion sich daraus widerscheint, und der Begriff, das sich besondernde Allgemeine, sich entwickelt. Die gesamte Wissenschaft der Logik zeigt also je nach dem Entwicklungsstadium in verschiedener Weise Hegels spekulatives Denken, „das Positive in seinem Negativen [. ..] festzuhalten" (XII, 245) und das Negative ebenso als positiv aufzufassen (vgl. XXI, 38). Sie denkt nämlich das negative Verhältnis immer stärker in einer Einheit, so daß diese Bestimmungseinheit immer mehr in der entwickelten Form der Negativität auftritt. Das Reflexionsbestimmungs-Kapitel und insbesondere die Darstellung des Widerspruchs präsentiert die allgemeine methodische Betrachtung dafür, wie eine mit sich identische Bestimmung als eine negative Einheit bzw. eine Negativität gedacht werden und durch deren Widerspruch zu einer höheren Bestimmung übergehen kann. Die Dialektik der Reflexionsbestimmungen zeigt also methodisch, was das spekulative Den55 Zu Hegels widersprüchlicher Formulierung der Ortsbewegung vgl. XI, 287. M. Wolff stellt die Einwände gegen Hegels Erklärung der Ortsbewegung vor und verteidigt Hegel mit stichhaltigen Argumentationen gegen die Vorwürfe. (Vgl. M. Wolff (1981), 26 35)
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Kapitel 3: Die Identität als Widerspruch
ken meint: Die Identität ist als eine negative Einheit aufzufassen. Deren Negativität meint keine nur vernichtende Negation, sondern führt durch ihren Widerspruch zu einer neuen negativen Einheit. In diesem Kreislauf ist die Identität also als die sich auf sich beziehende Negativität und somit als Widerspruch aufzufassen. Das Sein oder die Bestimmung der Wissenschaft der Logik spitzt als eine negative Einheit ihren immanenten Unterschied zum Gegensatz zu, um im Widerspruch zugrunde zu gehen. Der Widerspruch liegt hierbei an der Grenze, an der sich die Bestimmung verliert, um zu einer neuen Einheit überzugehen. Im Gegensatz erhält ein Ding als negative Einheit noch seine Identität mit der Bestimmung, die in der Einheit von Gesetztsein und Reflexion in sich besteht. Der Widerspruch repräsentiert dagegen den Zustand, in dem die in einer Dingeinheit entgegengesetzten Reflexionsbestimmungen, Gesetztsein und Reflexion in sich, durch den gegenseitigen Übergang in ihr Gegenteil zunichte werden. Dieser Zustand besagt die Zerstörung der Einheit von Gesetztsein und Reflexion in sich. Die Reflexion in sich kann nämlich ihr Gesetztsein nicht mehr erhalten, so daß sie in die Einheit mit einem anderen Gesetztsein eintritt. Sie ist aber somit ebenfalls in dieser Einheit verändert und schon zur Reflexion des anderen Gesetztseins in sich geworden. Die neue Einheit von Gesetztsein und Reflexion in sich gestaltet nun eine neue Dingeinheit. Der Widerspruch meint also das restlose Vergehen im Übergehen, das Hegel als die Selbstausschließung der negativen Einheit von Gesetztsein und Reflexion in sich ausdrückt. Nur durch den Widerspruch kann eine negative Einheit zur anderen Einheit übergehen.^* Der Widerspruch ist also der Endpunkt, an dem die sich verschärfende Entgegensetzung als Sich-selbst-Ausschließen verwirklicht wird. Im Widerspruch, in dem die Dialektik der Reflexionsbestimmungen kulminiert, sind die vorangegangenen Reflexionsbestimmungen als seine Momente enthalten. Diese Momente sind bereits durch den Widerspruch als Widerspruch an sich charakterisiert. Die Reflexionsbestimmungen wie Identität, Unterschied, Verschiedenheit und Ge96 Um Hegel vor dem Vorwurf, demzufolge Hegel die Widerspruchsfreiheit verletzt habe, zu retten, vertritt G. R. G. Mure die These: Hegels Dialektik begeht keinen Widerspruch, denn das Absolute entwickelt und ändert sich von der These zur Antithese. (A. Sarlemijn (1971), 89) Nach Mure verstößt die dialektische Triade nicht gegen den Satz vom zu vermeidenden Widerspruch, weil sich die Entgegengesetzten darin nicht auf derselben Ebene befinden. (G. R. G. Mure (1940), 141) Er übersieht hier, daß die These nur durch den Widerspruch zur Antithese zu Grunde (Synthese) geht.
5. Der Widerspruch als Reflexionsbestimmung
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gensatz entsprechen daher nicht den Bestimmungen der klassischen logischen Grundsätze, die auf der abstrakten Auffassung jener Bestimmungen beharren. Diese Grundsätze resultieren nicht aus einer Ableitung, sondern aus der Abstraktion von der sich von sich ausschließenden Reflexion. Sie können zusammen weder das Widerspruchsprinzip konstruieren, noch sich in ihm mit einer partiellen Gültigkeit als Grundsätze erhalten.^^ Nur das, was die Grundsätze der klassischen Logik aussprechen, ist als aufgehobenes Verstandesmoment im Entwicklungsgang der Reflexionsbestimmungen enthalten. Der Verstand als solcher kann erst dann vergegenwärtigt werden, wenn die Reflexion in sich als Gleichgültiges von ihrer Verbindung mit dem Gesetztsein durch Abstraktion isoliert wird. Insofern aber jede Bestimmung die Reflexion in sich als ihre Komponente hat, ist der Verstand, wenn auch aufgehoben, in jedem Entwicklungsstadium der Logik präsent. Nur in diesem Sinne bekommen die klassischen logischen Sätze ihre bedingte Gültigkeit innerhalb des logischen Prozesses, den das Widerspruchsprinzip durchzieht. Sie können wohl in der Abstraktion von diesem ihre Gültigkeit als Denkgesetze haben. Hegel betrachtet aber diese nur als das Aufzuhebende, das vom Widerspruchsprinzip abstrahiert worden ist. Wenn es auf die Sache selbst ankommt, muß der Verstand zur Vernunft zurückkehren. Um die Sache als solche vor der Abstraktion durch den Verstand zu verstehen, muß man Hegel zufolge auf das Widerspruchsprinzip zurückgreifen. Hegels Widerspruchsprinzip fordert, daß man die Sache durch die widersprüchliche Eormulierungen konstruieren und darstellen soll. Das bedeutet aber keine beliebige Inkonsistenz, sondern eine der Inkonsistenz der Sache angemessene.^® Hegel stellt seine Theorie dem Widerspruchsprinzip gemäß konsequent dar. Aus dem Widerspruch folgt keine Beliebigkeit, sondern eine bestimmte Struktur, aus der sich 97 Nach A. Sarlemijn heben Hegel-Verteidiger K. Fischer und R. Kroner Unterscheidung zwischen dem Geltungsbereich des Satzes vom zu vermeidenden Widerspruch und des Hegelschen Widerspruchsprinzips, zwischen Verstand und Vernunft, hervor. Hegel-Kritiker E. Hartmann macht ihnen einen Vorwurf, weil ein und dasselbe Denken ihnen zufolge „nach den allgemeinsten Gesetzen [...] hier diesem, dort jenem Gegenstand sich zuwendend, hier auf diese, dort auf jene Weise sich betätigt". (Vgl. A. Sarlemijn (1971), 88) 98 Hiermit ist auf einen möglichen Einwand zu antworten, demzufolge Hegels Dialektik wegen der grundsätzlichen Ablehnung der Widerspruchsfreiheit keines Eehlers beschuldigt werden kann. Dieser Einwand meint,daß der Dialektiker unter der Annahme des Widerspruchsprinzips den Eehler begeht, einer Aussage beliebig eine ihr widersprechende folgen zu lassen. (Vgl. A. Sarlemijn (1971), 87)
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Kapitel 3: Die Identität als Widerspruch
eine bestimmte Entwicklung konsequent ableiten läßt. In der Reflexionsstruktur macht sich der Widerspruch an sich zu dem Moment, das er selbst ist. Er ist somit er selbst und nicht er selbst in einer Einheit. Der Widerspruch an sich entwickelt sich weiter zum Widerspruch an und für sich, der an der Grenze zwischen beiden Bestimmungen liegt. An diesem Punkt ist der Widerspruch zwar vollendet, aber diese Vollendung ist zugleich seine Auflösung. Der Hegelsche Widerspruch scheint so letztlich dem Satz des Widerspruchs zu folgen.®^ Die Auflösung des Widerspruchs beruht aber nicht darauf, daß es aus logischen Gründen falsch ist, einem Gegenstand einander widersprechende Bestimmungen beizulegen, sondern darauf, daß der Widerspruch aufgrund seiner logischen Struktur unhaltbar ist.'“ Die Kontradiktion der Aussage, die den objektiven Widerspruch ausdrückt, besagt nichts Falsches, sondern benennt eine negative Einheit, die sich entwickelt und auflöst. Durch die Forderung, daß diese Bewegung widersprüchlich formuliert werden muß, verstößt Hegels Widerspruchsprinzip gegen den Satz des Widerspruchs. Wahrend die gewöhnliche Logik den Widerspruch vermeidet, sucht Hegel ihn. Denn das Absolute, das Definiendum der Wissenschaft der Logik, hat den Widerspruch als seine Struktur. Aber der Widerspruch ist nicht das Telos der Logik. Sie beruhigt sich nicht mit der Konstatierung des Widerspruchs. Der Widerspruch weist über sich hinaus, löst sich auf. Er erweist sich dadurch als Moment der Selbstbewegung.'®' Hegel verwendet den Widerspruch zum Ausdruck der Bewegung und des Lebens. Indem Hegel das Sein überhaupt als die negative Einheit, als die sich auf sich beziehende Negativität, auffaßt, löst er das Sein in diese sich prozessual anreichernde Bewegung auf. Insofern ist der Widerspruch das Prinzip des Seins überhaupt als der selbstbezüglichen Negativität.
Nach der Meinung von W. Albrecht und G. Lasson leugnet die Hegelsche Logik nicht die Widerspruchsfreiheit, denn sie fordert die Auflösung des Widerspruchs. Albrecht z. B. stellt fest, daß die Dialektik sich zwar nicht am Anfang - durch die Behauptung: Die Dinge sind widerspruchsvoll -, so doch am Ende nach den Regeln der formalen Logik richtet. (Vgl. A. Sarlemijn (1971), 89) 100 Vgl. Ch. Iber (1990), 464; M. Wolff {\986), 113. 101 Vgl. H. Röttges (1976), 347.
SCHLUSS In der Logik oder Dialektik liegt das Hauptmerkmal, das Hegels Philosophie gegenüber anderen Philosophien seiner Zeit hervorhebt. Das Ideal seiner Jugend, die Entzweiung des Lebens aufzuheben, um das Absolute zu erreichen, verwirklicht Hegel philosophisch in der Form der Reflexion. Diese Verwandlung des Jugendideals in das philosophische System stellt Hegel vor die Aufgabe, die Einheit von Endlichem und Unendlichem begrifflich zu artikulieren. Für die Reflexion des endlichen Menschen aber erscheint das Unendliche als Widerspruch. Angesichts dieses Widerspruchs reduziert Hegel nicht die absolute Wahrheit auf die endliche Erkenntnismöglichkeit des Menschen, sondern erhebt diese zu jener. In der Auseinandersetzung mit dem Begriff der endlichen Reflexion, der die Methode der zeitgenössischen Philosophie charakterisiert, entwickelt Hegel seine spekulative Reflexion. Diese Wandlung des Begriffs der Reflexion bringt zugleich die Entwicklung der Auffassung des Widerspruchs als der Reflexionsform hervor. Der Widerspruch als die negative Erscheinungsform des Absoluten im endlichen Bewußtsein wird somit die positive Auslegung des Absoluten im spekulativen Denken. So ist der Widerspruch als der philosophische Ausdruck des Absoluten mit der Entwicklung der Reflexion als der Methode der Philosophie oder der Logik verbunden. Hegel konzipiert zunächst den Widerspruch als ein Übergangsprinzip vom endlichen zum unendlichen Erkennen. Er faßt ihn damit nur als Grenzbegriff auf, an dem das endliche Erkennen scheitern muß. Insofern er die Möglichkeit der unendlichen Erkenntnis der transzendentalen Anschauung vorbehält, unterscheidet er sich methodisch noch nicht von den zeitgenössischen Philosophien, die das Absolute durch die intellektuelle Anschauung fassen wollen. Durch seine eigene dialektische Methode aber löst Hegel den Gegensatz zwischen dem endlichen und unendlichen Erkennen, Logik und Metaphysik, in dem Prozeß auf, in dem das Endliche sich gemäß dem ihm immanenten Prinzip des Absoluten immer wieder aufhebt und anreichert. Der Ge-
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Schluß
gensatz wird somit zur negativen Einheit in jedem Entwicklungsstadium des Prozesses transformiert, deren Entgegengesetzte aufgrund ihres Widerspruchs zu einer neuen Einheit übergehen. Indem das anfängliche Übergangsprinzip so in jedem Entwicklungsschritt wirkt, entwickelt sich das Vermittlungsproblem von Endlichem und Unendlichem aus Hegels Jugendzeit zum dialektischen Übergangsprinzip. So löst Hegel seine Anfangsaufgabe, die Aporie des Widerspruchs zu überwinden, dadurch, daß er diesen als logisches Grundprinzip herausarbeitet. Damit gibt er auch eine Antwort auf das Grundproblem der zeitgenössischen Philosophie, das Problem der Auffassung des Absoluten, durch die dialektische Methode, die durch das Widerspruchsprinzip ausgeführt wird. Indem Hegel den Widerspruch von Endlichem und Unendlichem als logisches Grundprinzip herausarbeitet, sieht er ihn nicht mehr als unerkennbare Aporie, sondern macht ihn zum ontologischen Prinzip. Er löst das Sein in der sich prozessual anreichernden Bewegung auf, in der es in der Einheit mit seiner Negation gedacht wird. Das Sein bleibt darin keine Substanz, die durch Anderes bewegt und vermittelt wird, sondern erweist sich vielmehr als die Vermittlung selbst, das Subjekt, das sich immer negativ zu sich verhält. Der Widerspruch ist also nicht nur das Prinzip aller Bewegung, sondern auch das Prinzip des Seins überhaupt als Selbstbewegung. Aus seiner teleologischen Auffassung des Seins als Lebendiges sind Hegels anhaltender Vorwurf der Einseitigkeit gegen die formale Logik und seine methodische Ergänzung dieser Einseitigkeit durch ihr Gegenteil zu verstehen. Hegel wollte mit seiner spekulativen Logik weder den formallogischen Denkgesetzen eine partiell eigenständige Gültigkeit zubilligen, noch jene Prinzipien ohne sie zu verändern - nur ontologisch interpretieren, um ihnen metaphysische Gründe zu geben. Er kritisierte vielmehr die traditionelle Denkweise und Metaphysik, um von der Gegenseite der traditionellen Substanzmetaphysik her eine neue Seinsauffassung der Subjektmetaphysik zu liefern. Die Bedeutung dieses schöpferischen Gedankens ist in der Philosophiegeschichte als eine Vollendung der neuzeitlichen Metaphysik anzuerkennen, die bei Descartes' skeptischer Rückwendung zum denkenden Subjekt ansetzt.
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SIGELN EUR AUSGABEN UND BUCHTITEL G. W. F. Hegel: Gesammelte Werke wurden nur mit römischer Bandzahl ohne Sigel zitiert. WW SW Br Enz R Troxler
G. W. E. Hegel: Werke in zwanzig Bänden. Theorie Werkausgabe. Hrsg. V. E. Moldenhauer und K. M. Michel. Erankfurt 1986. G. W. F. Hegel: Sämtliche Werke. Hrsg. Glöckner. Stuttgart 1927 ff. Briefe von und an Hegel. Hrsg. v. J. Hoffmeister. Hamburg 1952. G. W. F. Hegel: Enzyklopädie der philosophischen Wissenschaften (1830). Hrsg. V. F. Nicolin u. O. Pöggeler. Hamburg 1991. K. Rosenkranz: Georg Wilhelm Friedrich Hegels Leben. Mit einer Nachbemerkung zum Nachdruck 1977 von O. Pöggeler. Darmstadt 1977. Schellings und Hegels erste absolute Metaphysik (1801 1802). Zusammenfassende Vorlesungsnachschriften von I. P. V. Troxler. Herausgegeben, eingeleitet und mit Interpretationen versehen von K. Düsing. Köln 1988.
PERSONENREGISTER Albrecht 212 Aristoteles 11,14,87,117,123,124,125, 126,127,131,180,206,208 Baum 15,16,31,32,37,38,63,71,72,80, 83,87,119 Beier waltes 124,125 Bonsiepen 107 Büchner 71 Descartes 47,48,95,142,214 Düsing 15,16,25,29,42,46,56,58,63, 64, 65,69, 71, 75,83,85,87,90,107, 178,179 Engels 112 Erdmann 186 Fichte 20,25,26,27,28,45,46,51,52, 55,59,64,81,107,143,144,145,147 Ficinus 72 Fischer 211 Fulda 59,109,110,111,114 Gadamer 112 Graeser 103 Günther 133,179,206,208 Haering 29 Hartmann 211 Heidegger 186 Henrich 16,25,85,89,154,155,159, 165,168,172 Hogemann 64,123 Hölderlin 25,26,46,47,144,180 Horstmann 12,74
Iber 16,17,154,177,179,180,184,192, 193,194,196,201,205,212 Jacobi 45,52,87 Jaeschke 64,123 Jamme 22 Janke144 Kant 14,16,20,21,22,24,25,26,27,28, 45,48,49,52,53,56,63,67,96,113, 122,124,131,132,133,136,142,143, 145,147,165,166,167,173,174,180, 205,206,207,208 Kimmerle 44 Kojeve98,109,116 Kondylis 38 Krings 42 Kroner 211 Kryger186 Fasson 136,212 Leibniz 142,143,206,207,208 Locke 96,142 Marx, K. 112 Marx, W. 95,105,106,107 Meist 119 Moldenhauer 136 Mure 210 Nicolin 93 Nohl22,29 Platon 22,70,117,122,186,208 Plotin 86 Pöggeler 7,15,20,26,61,66,85,87,90, 91,93,94,102,109,110,111,114,117
224
Personenregister
Popper 12
Steinbüchel 45,81
Quine 166
Theunissen 16,136,137,141,177,192, 198 Trede 109,110,111,117 Trendelenburg 12,13,14,16,123,205 Troxler 63,64
Reinhold 43,44,54,55,56,58,88,134, 162 Risse 131 Rosenkranz 119 Röttges 212 Sarlemijn 12,14,210,211,212 Schelling 20, 42, 45, 46, 47, 51, 56, 81, 86, 87, 88,107,144, 147,150 Schmidt, K. J. 137,151,170,172,202, 203 Schüler 22 Shikaya 73 Spinoza 38,86,87,95,152,208
Wittgenstein 166 Wolff, Ch. 154,207,208 Wolff, M. 16,17,129,130,166,167,180, 192,193,197,201,203,205,206,207, 208,209,212 Zahn 142 Zenon von Elea 208 Zimmerli 58
SACHREGISTER das Absolute 80f, 85,87,89,148f, 204 - absolute(r) Identität, Geist, Reflexion (s. dort) - Absolutheit als Prinzip der Bewegung 73 - Bildung des A.n 119 - als Definiendum der Wissenschaft der Logik 212 - als die Identität der Identität und der Nichtidentität 54 - Konstruktion des A.n (s. Konstruktion) - negative Gestalt des A.n 64 - als Prinzip der Selbstaufhebung des Endlichen 77 - als spätere Form des Lebens 39 - teleologische Auffassung des A.n 119 - als Widerspruch 77 Analytizität/analytisch 165-166,187 Anbeten 35 das Andere 153,159 - seiner(ihrer) selbst 73-78,84,85,90, 108,168f - des Wesens 141 Anfang - der Logik 73,160-165 Anschauung 14,60,65,68 - intellektuelle 45,81,164 - sinnliche 45 - transzendentale 51,91 - und Reflexion 81,91 Ansich 80,99,101f Antinomie(nlehre) 24-27,122 - Kantische 24,25,131 Begriff 47,73,95,119f Beweis 86
Beweisen 27 Bewußtsein 95,107,108f - natürliches 92,106f, 118 Christentum 21,32f Darstellung 98 Dasein 152,154f Denken 28 Dialektik/dialektisch 73, 74,82f, 104, 115 - der „alten Eleatiker" 122 - der Grenze 74 - Kantische 122 - Kantische D. als Logik des Scheins 131 - negative 71 - der Quantum 74f - der Reflexionsbestimmungen 177, 178 Einheit 25,29 - antinomische E. der Reflexionsbestimmungen 72 - der Entzweiung 72 - von Form und Materie 54f,57ff - negative 209,210 - von Subjekt und Objekt 25,54f, 60 Einleitung (in die Philosophie, Wissenschaft, Metaphysik) 49 Emanation(stheorie) 32,38,86 Endlichkeit/das Endliche 77,78,80, 85,91,168 - das Endliche und Unendliche 26,34, 38,43,53,81,87-89,90,117,153 Entgegensetzung 21,22,24,30-32,33f - absolute (abstrakte) 33,35,38 - lebendige 33 Erfahrung des Bewußtseins 99-104, 115
226
Sachregister
Erkennen 80,120 - negative 63,71 Erkenntnis 96 Erkenntniskritik 96,98,118 Erscheinung 96f Freiheit 21 „für es" und „für uns" 82f, 104 Gegensatz 20,129,130,189ff, 198 - Unterschied zwischen G. und Widerspruch 14,198f, 205,210 Gegenstand - als Maßstab des Wissens 99f Gegenteil 102 - seiner (ihrer) selbst 74,78,85,102, 106,108,115 Geist 85,94f - absoluter 84-90,91 - absoluter G. als allgemeines Selbstbewußtsein 107 Geschichte 43f, 119f Gesetz 112 Gesetztsein 157,192 - Einheit von G. und Reflexion in sich 210
Gestalt 106 Gewißheit 95 Glauben 28,47 Grenze 74 Grund 134,137 Grundsatz/ Grundsätze 180 - absoluter 60 - Fichtesche59 - der klassischen Logik 123,211 Identität - absolute 47,58-60 - formelle 62 - Identität der Identität und der Nichtidentität 54 - Vernunft-1.58 - Verstandes-1.58 - als Widerspruch 210 - und Unterschied 179-184 Konstruktion 86f - des Absoluten 52-53,69 Kontradiktion / kontradiktorisch 13f, 123-130 - als Regel des Wahren 67
Kontrarietät/konträr 13f, 123-130 - „Verwischung des Unterschieds zwischen konträrem und kontradiktorischem Gegensatz" 16,205 Leben/Lebendigkeit 21-23,30-39, 112,119f - als existierender Widerspruch 121 - als Vorform des Absoluten 37 Liebe 22f, 30-31 Logik 117,149 - als Definitionskette des Absoluten 163 - logische Fortschreiten 161f - spekulative 91 - traditionelle L. vs. Hegelsche L. 133, 206 - transzendentale 133 - des Verstandes 73,75 - undMetaphysik61-66,82,83f, 89, 90f,93,110 Metaphysik 41 - absolute 44,49 - Kritik der traditionellen M. 154f, 204 - der Substanz 85,204,214 - derSubjektivität85,204,214 - und Logik (s. Logik) Methode 19,45,116,164,177,178,213 - der Phänomenologie des Geistes 98, 114-118 Moment 139 Natur 85 Negation - bestimmte 97,102 - als Konstitutionsprinzip 155 - logische 13 - Negation der Negation 135,157f - Negationstheorie 151 - Negationsverhältnis 150f - seiner (ihrer) selbst 75 - seinslogische und wesenslogische 150-159 - die sich auf sich beziehende (oder sebstbezügliche) 78,86,158 - und Negativität 135 das Negative 84,168,204 - und das Positive (s. das Positive)
Sachregister
Negativität 105,108 - absolute 77,90 - reflexionslogische 191f - die sich auf sich beziehende (oder sebstbezügliche) 89,90,116,136, 153,168,210,212 - und Unmittelbarkeit 139,140,157, 168f Neuplatonismus / neuplatonisch 38,72,87 Notwendigkeit 104,105,116 Opposition - dialektische 205,206 - logische 206 - reale 13f, 206 Philosophie 36,41,44,50f - Aufgabe der Ph. 47f, 49,71,92 - Bedürfnis der Ph. 47-50 - der Endlichkeit 48 - spekulative 91 - als systematische Darstellung des Absoluten durch Reflexion 44 - der Unendlichkeit 48 - Voraussetzung der Ph. 71 - und Philosophieren 49f das Positive - und das Negative 191,195f, 200204 Positiv! tät/positiv 21,87 Prinzip 60,89,161,162 Qualität 73f Quantität 74 Quantum 74 Reflexion 28f, 30,31,33,35,36f, 43,50f, 79,145f, 149,170f - absolute 65,68f, 75,79 - 82,90 - abstrahierende 143f - endliche (isolierte, reine oder bloße) 51 - Fichtesche 143f - Kantische 142f - Objektivität der R. 145 - spekulative 91 - transzendentale 142f - vernünftige (philosophische) 51 - und Verstand 56f
227
- und Widerspruch 147-150,213214 Reflexion in sich 79,80,81,82,85,86, 87,89,115f, 173f, 175f, 192 Reflexionsbestimmung 176-179 Reflexionslogik 167 - traditionelle 129,167 Reflexionsphilosophie 47f Religion 36,43 - und Reflexion 37 Satz 54,180 - Satz der Identität 184ff - Satz des Widerspruchs 70,165f, 186ff,212 Schein 130-142,146 - empirischer 132 - logischer 132 - als Methode des Wahrheitsausdrucks 142 - als „negative Natur des Wesens selbst" 136f - „Objektivität des S.s" 131,139 - Selbständigkeit (Bestehn) des S.s 135-139 - transzendentaler 132 - trügerischer 133 - Unvermeidlichkeit des S.s 132 - und Erscheinung 133 - und Wesen 134-140 Scheinen 141f, 146 - als Bewegung des Wesens 141 Sein 25,29,47,73 - und Negation 152 - und Nichts 191 - und Wesen 156f, 164 Selbständigkeit(Bestehen) - des Scheins 135-139 - der Seinskategorien 138 - der Reflexionsbestimmungen 195 Selbstbewußtsein 94,95,112 - als Wahrheit des Bewußtseins 107 Setzen 156 - und Voraussetzen 169-170 Skepsis 97 Skeptizismus 97,102 - echte 70 - als Einleitung in die Philosophie 72
228
Sachregister
- als negative Seite der Philosophie 72 - der sich vollbringende 97,102,116 Sollen 27f, 151 Spekulation/spekulativ 19,51,72,152, 159,191,209t Subjekt 87,95,117 - absolutes 59 Subjektivität 157,159 Substanz 87,95,117 Substrat - reflexionslogisches 167,192f, 197, 203,205 Synthese/synthetisch 165f, 187 - Fichtesche59 System 44,89 Tathandlung 144 Teleologie/teleologisch 88,119f Übergehen 152 Unendlichkeit/das Unendliche 30,73, 75,76,79,80,88 - der unendliche Progress 36,79,85 - wahrhafte 80,122,151,158 - wahrhafteundschlechte76,78,152 Ungleichheit 116 - absolute 84 Unmittelbarkeit/das Unmittelbare - reflektierte 138,157 - seiende 157 - als Vermittlung 159 - und Negativität (s. Negativität) „Unruhe" 77,108,116 Unterschied (s. Identität) Urteil 25 Urteilskraft - reflektierende 173 Vereinigung 22f, 26-29,31 Vereinigungsphilosophie 25 Vereinigungsprinzip 60 Vermittlung 109,114 Vernunft 23,51,52f, 63 - negative Erkennen der V. 63f - praktische 21 - Vernunftsatz 70
Verstand 23,35,62,158,187f, 197,211 - und Reflexion (s. Reflexion) Verzweiflung 97, 70 Voraussetzen/Voraussetzung 171f Vorstellung 158,167 Wahrheit 95,99,104 Wesen 168 - Bewegung des Ws 153f Widerspruch 24f, 33,36,52,63f, 66-69, 75,77,89f, 107-109,112,113f, 129f, 170,195ff, 198,205-212 - daseiender 209 - als Durchgangs-(Übergangs-)prinzip 54-57 - als formeller Ausdruck der Wahrheit 60 - als Grenzbegriff 68 - als negativer Ausdruck des Absoluten 72 - „Ontologisierung des Ws" 16,205f - als Prinzip des Seins überhaupt 209, 212,214 - als Reflexionsbestimmung 130 - als schlechte Unendlichkeit („Unruhe") 152 - als unendlicher Progress (Regress) 67 - als Unendlichkeit 73,75 - als Wahrheit (Ziel) der Logik 57,64 - als „Wurzel aller Bewegung und Lebendigkeit" 121 - und Gegensatz (s. Gegensatz) Widerstreit 24,143,206-207 Wissen 95,98 - absolutes 94 - erscheinendes 106f, 116 - Wissen und Gegenstand (s. Erfahrung des Bewußtseins) Wissenschaft 92f, 94f „Zusehen" 98,104,115,116 „Zutat" 104,105,114,115,116 Zweck 119f Zweifel(n) 70