Rechtsmetaphorologie – Ausblick auf eine Metaphorologie der Grundrechte: Eine Untersuchung zu Begriff, Funktion und Analyse rechtswissenschaftlicher Metaphern [1 ed.] 9783428547586, 9783428147588

Es existiert bisher in der deutschsprachigen Rechtswissenschaft keine umfassende Forschung zu Metaphern. Der vorliegende

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Rechtsmetaphorologie – Ausblick auf eine Metaphorologie der Grundrechte: Eine Untersuchung zu Begriff, Funktion und Analyse rechtswissenschaftlicher Metaphern [1 ed.]
 9783428547586, 9783428147588

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Schriften zur Rechtstheorie Band 281

Rechtsmetaphorologie – Ausblick auf eine Metaphorologie der Grundrechte Eine Untersuchung zu Begriff, Funktion und Analyse rechtswissenschaftlicher Metaphern

Von Jörg Michael Schindler

Duncker & Humblot · Berlin

JÖRG MICHAEL SCHINDLER

Rechtsmetaphorologie - Ausblick auf eine Metaphorologie der Grundrechte

Schriften zur Rechtstheorie Band 281

Rechtsmetaphorologie – Ausblick auf eine Metaphorologie der Grundrechte Eine Untersuchung zu Begriff, Funktion und Analyse rechtswissenschaftlicher Metapher

Von Jörg Michael Schindler

Duncker & Humblot · Berlin

Die Juristische Fakultät der Universität Potsdam hat diese Arbeit im Jahre 2014 als Dissertation angenommen.

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

D 517 Alle Rechte vorbehalten

© 2016 Duncker & Humblot GmbH, Berlin

Fremddatenübernahme: TextFormA(r)t, Daniela Weiland, Göttingen Druck: buchbücher.de gmbH, Birkach Printed in Germany ISSN 0582-0472 ISBN 978-3-428-14758-8 (Print) ISBN 978-3-428-54758-6 (E-Book) ISBN 978-3-428-84758-7 (Print & E-Book) Gedruckt auf alterungsbeständigem (säurefreiem) Papier entsprechend ISO 9706 Internet: http://www.duncker-humblot.de

„Auf dem Abendspaziergang plötzlich das verstohlene Rascheln eines dürren Blatts am Straßenrand, ein trockenes Scharren, als würden mit einem Federkiel geheime Botschaften ins Pflaster gekratzt. Und man wird unruhig, man glaubt, sie entschlüsseln zu müssen: es könnte etwas sein, das einen selbst betrifft.“ Ingrid Mylo1 „eine lange thörichte zeit hatte uns geübt und beinahe gewöhnt, dasjehnige zu verwahrlosen, was mitten bei und neben uns geblieben war, woraus die treuen augen unserer guten ehrlichen vorfahren hervorzublicken und die frage an uns zu thun scheinen: ob wir sie endlich auch wieder grüszen wollen?“ Jacob Grimm2 „WEH dem/der sein Haus mit sunden bawet/vnd seine Gemach mit vnrecht/der seinen Nehesten vmb sonst erbeiten lesst/vnd gibt jm seinen Lohn nicht.“ Jeremia3

„Die […] Arbeit setzt vielmehr mit einem neuen Staunen ein: Einem Staunen darüber, dass einem in allen philosophischen Texten Bilder begegnen, auf die man als solche nicht geachtet hatte, auf die die Philosophen selber nicht aufmerksam machten, von denen man nicht weiß, nach welchen Regeln sie verwendet werden, von denen man dächte, dass sie eigentlich dort ihre legitime Heimat hätten, wo der Philosoph Aristoteles sie zu gedeihen ermuntert hatte: im Bereich der Poesie.“ Bernhard H. F. Taureck 4 „Historiker […] litten früher unter der Krankheit der Buchstabengläubigkeit. Viele von ihnen hatten keinen Sinn für Symbole. Viele von ihnen behandelten Dokumente als durchsichtige Quellen und achteten kaum auf deren Rhetorik. […] Welchen Weg die Geschichtswissenschaft in Zukunft auch einschlagen mag, eine Rückkehr zu dieser Buchstabengläubigkeit sollte es nicht geben.“ Peter Burke5

1

Aus Mylo. Grimm, S. 8. 3 Jer 22, 13 Luther 1545. 4 Taureck (2004), S. 13 ff. 5 Burke, S. 184. 2

Vorwort Die vorliegende Untersuchung ist neben Ausbildung und Beruf in einer sich über etwa sieben Jahre erstreckenden Tätigkeit entstanden. Die zahlreichen mit diesem Zeitraum verbundenen Perspektivwechsel zwischen verschiedenen Theorie- und Praxisfeldern habe ich als Gewinn für sie wahrgenommen. Wer ihr Ergebnis liest, mag Anzeichen für einen solchen Forschungsverlauf darin erkennen, dass sich geringfügige Stilwechsel einstellen und bestimmte Autorinnen bzw. Autoren erst ab einer bestimmten Stelle oder nur in bestimmten Kapiteln regelmäßig als Bezugsgröße auftauchen. Auch wenn in jeder Phase der Arbeit an ihr insgesamt gearbeitet wurde, gibt es Teile, die seit langem relativ unverändert geblieben sind. Hierzu gehört – unüblicherweise – die Einleitung. Ich habe mich entschieden, sie so zu belassen, in einer widersprüchlichen Hoffnung: erstens, dass eine Einleitung, die nicht mit den Erkenntnissen zum Zeitpunkt der Einstellung der Arbeiten gesättigt ist, der Leserin oder dem Leser einen leichteren Einstieg ermöglichen könnte; dass die wenigen, die sich die Mühe der Lektüre machen, so besser am Erkenntnisprozess des Verfassers teilhaben könnten. Zweitens hoffe ich, dass so etwas wie eine „offene“ Form entsteht, die die Unabgeschlossenheit der auf den nächsten Seiten entworfenen Rechtsmetaphorologie unverkennbar macht. Ihr Auslöser war eine mich faszinierende Selbstbeobachtung, die nicht so recht mit dem Habitus der Lehrpersonen in von mir besuchten Universitätsveranstaltungen und dem Charakter der – in diesem Fall – Grundrechte als (abstrakte) Normen zusammenzupassen schien: Beim Erlernen und sodann Reproduzieren der Grundrechtsprüfung und ihrer Dogmatik (Schutzbereiche, Eingriffe, Schranken …) war es, als tauchten in meinem Kopf plötzlich Landschaftsbestandteile auf, wie durch einen nächtlichen Blitz nur schlagartig erleuchtet oder selektiv detaillierte Erinnerungsfetzen eines frühmorgendlichen Traums. In ihrem mit „Über das Entdecken und Erzählen der Vergangenheit“ untertitelten Interviewbuch zu den Arbeitsweisen wichtiger Historikerinnen und Historiker haben Kraus und Kohtz einen Abschnitt „Witterung aufnehmen, oder: Von der Idee zum Text“ getauft. Sie benennen darin „Spuren“ als „Ort, an dem stumme Dinge durch unseren Spürsinn ‚zum Reden gebracht‘ werden“.1 Die Witterung, die ich 2002 in einem Kölner Hörsaal aufnahm, ließ mich nicht los. Ihr nachspüren konnte ich aber erst durch die hiermit im Ergebnis vorliegende Arbeit. Dafür, was ich außerhalb der Rechtswissenschaft als „Metapher“ vorfand, fehlte mir lange ein Begriff. Als ich auf den Begriff der Metapher bzw. die Versuche, ihre Existenz zu begreifen, aufmerksam wurde, war schnell klar, dass sie 1

Kraus/Kohtz, S. 16, die Krämer, S. 19, zitieren.

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Vorwort

den zurzeit besten Schlüssel für die Phänomene bildete, deren Wirkung ich als Rechtswissenschaftler umso dringender unbedingt verstehen wollte, desto erfolgloser die Suche nach zufriedenstellender rechtswissenschaftlicher Literatur bei intensiven Bibliotheksrecherchen verlief. Dass mein Bedarf nach Antworten zu dieser Thematik kein ganz einsamer ist, ist mir aus vielen Gesprächen mit Kolleginnen und Kollegen bekannt. Ich hoffe, es ein paar Menschen mit der gleichen oder ähnlichen Frage(n) durch die vorliegende Arbeit etwas zu erleichtern, ihrem Spürsinn zu folgen. Es ist sehr zweifelhaft, dass ich meinem Spürsinn gefolgt wäre, ohne die von Anfang an unendliche Offenheit und die Geduld von Frau Prof. Dr. Carola Schulze. Ihre verlässlichen Erinnerungen an meine wenigen Verpflichtungen als ihr Doktorand hatten immer ermutigende Gespräche zur Folge. Für ihre Unterstützung gelten ihr meine Hochachtung und mein tief empfundener Dank! Besonderer Dank gilt auch Herrn Prof. Dr. Dr. Volker Boehme-Neßler für seine interessiert, großzügig und unprätentiös über- und wahrgenommene Funktion als Zweitgutachter. Diese Arbeit ist Anne Freese, Wilhelm Knolle, Bernhard Burkert, Philipp Täger, Johanna Bergann, Roman Welsing, Lena Herrera Piekarski, Silke Friedrich und meinen Eltern zugeeignet. Rückmeldungen zu dieser Arbeit empfange ich jederzeit gerne über meine­ E-Mail-Adresse [email protected]. München, im Herbst 2015

Jörg Michael Schindler

Inhaltsverzeichnis A. Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17 I. Wissenschaft und Stil . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19 II. Erste Überlegungen zur Legitimität einer rechtsmethodischen Metaphorologie . 20 III. Auffällige und usuelle Metaphorik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23 IV. Deskriptive, nominative und präskriptive Metaphorik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 25 V. Präskriptive Metaphorik als Gegenstand rechtsmethodischer Metaphorologie . . 27 B. Metaphorologische Analyse des Rechts als Perspektive (Teil 1, Theorie) . . . . . . . 29 I. Metapherntheorien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 29 1. Aristoteles, Poetik und Rhetorik (4. Jh. v. Chr.) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 30 a) Metaphern im Kontext der Poetik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 31 aa) Metaphern als Ausdruck von Gedankenführung . . . . . . . . . . . . . . . . 32 bb) Grunddefinition(en) der Metapher . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 34 cc) Metapher(n) als Erkenntnisleistung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 36 b) Metapher(n) im Kontext der Rhetorik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 37 aa) Rhetorik als Darstellung des Überzeugenden . . . . . . . . . . . . . . . . . . 37 bb) Metaphern als angemessene Ausdrucksweisen des Überzeugenden . 39 cc) Metapher(n) und enthymemische Konfiguration . . . . . . . . . . . . . . . . 40 c) Interpretationen der Aristotelik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 41 d) Exkurs: Arabische Post-Aristotelik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 43 e) Konklusion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 44 2. Immanuel Kant und die metaphorologische Realisierung reiner Vernunft­ begriffe, ein kleiner Kommentar zu § 59 der Kritik der Urteilskraft (1790) . 46 a) Die Weisen, die Realität der Begriffe darzutun . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 47 b) Urteilskraft und das Prinzip der Zweckmäßigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . 48 c) Metapher(n) als Verfahren der reflektierenden Urteilskraft . . . . . . . . . . . 50 d) Konklusion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 51 e) Nachspiel: Metaphern als symbolische Fiktionen in Hans Vaihingers ­ „Philosophie des Als Ob“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 52 3. Hans Blumenberg, Paradigmen zu einer Metaphorologie (1960) u. a. . . . . . . 54 a) Begriff(e) und Metapher(n) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 55 b) Philosophische Anthropologie der Metapher . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 58

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Inhaltsverzeichnis aa) Natürliche ‚Uneingepasstheit‘ und Handlungsfreiheit . . . . . . . . . . . . 58 bb) Rhetorik, insbesondere Metapher(n) als Bewältigung von Wahrheitsbedarf . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 59 cc) Metapher(n) als Ökonomie und Muskelspiel der Freiheit . . . . . . . . . 62 c) Metaphorologischer Werkzeugkasten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 63 aa) Metaphorologische Grundbegriffe (i. w. S.) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 63 bb) Methodologisches Selbstverständnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 66 d) Konklusion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 68 4. Hannah Arendt, Vom Leben des Geistes (1973) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 69 5. George Lakoff und Mark Johnson, Leben in Metaphern (1980) u. a. . . . . . . 71 a) Fundierung als kognitive Linguistik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 73 b) Metapherntheoretische Heuristik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 76 aa) Systemische und isolierte Metaphern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 77 bb) Strukturelle Metaphern, insbesondere ontologische Metaphern . . . . 78 cc) Orientationale Metaphern, insbesondere Raummetaphern . . . . . . . . 79 dd) Partialität und Usualität der Metapher(n) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 80 c) (Zwischen-)Metaphorische Zusammenhänge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 82 d) Konklusion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 84 6. Zwischenresümee . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 86 II. Metaphern und Recht im Spiegel der rechtswissenschaftlichen Literatur . . . . . . 88 1. Jacob Grimm, Von der Poesie im Recht (1816) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 89 2. Heinrich Triepel, Vom Stil des Rechts (1947) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 92 3. Karl Engisch, Einführung in das juristische Denken (1956) . . . . . . . . . . . . . 95 4. Winfried Hassemer, Die Sprachlichkeit des Tatbestandes (1967) . . . . . . . . . 98 5. Arthur Kaufmann, Die Sprache als hermeneutischer Horizont der Geschichtlichkeit des Rechts (1969) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 102 6. Fritjof Haft, Juristische Rhetorik (1978) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 105 7. Hubert Rottleuthner, Biological Metaphors in Legal Thought (1988) . . . . . . 107 8. Susanne Baer, Schlüsselbegriffe, Typen und Leitbilder als Erkenntnismittel und ihr Verhältnis zur Rechtsdogmatik (2004) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 110 9. Klaus F. Röhl und Hans Christian Röhl, Allgemeine Rechtslehre (2008) . . . 113 10. Zwischenresümee . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 115

C. Mensch, Metapher, Recht, Geschichte – Eine kleine philosophisch-anthropologische Grundlegung für eine Rechtsmetaphorologie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 119 I. Die sinnliche Seite der präskriptiven Analogie – Vertrauenswürdigkeit . . . . . . . . 122 1. Metaphern entspringen vertrauten Sachverhalten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 123

Inhaltsverzeichnis

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2. Theorie ist vertrauensbedürftig . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 123 3. Metaphern erzeugen (Analog-)Vertrauen in Theorie  – zugleich ein Beitrag über die Metapherntheorie Arnold Gehlens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 126 II. Die (Metaphorizität der) Institutionalität des Rechts – Beständigkeit . . . . . . . . . 136 1. Ursprüngliche Verbindungen zwischen Institutionentheorie und Rechtswissenschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 137 2. „Symbolische“, auch metaphorische Verkörperung der Institutionen? . . . . . 139 3. Metapher(n) und institutionelle Legitimität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 142 III. Die Rechtzeitigkeit der Metapher – Verfahrensökonomie . . . . . . . . . . . . . . . . . . 147 IV. Die Beliebigkeit der Metapher – Freiheit? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 149 1. Die Geburt der Freiheit aus der Distanz zur kosmischen Wahrheit im jüdischchristlichen Gründungsmythos . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 150 2. Die Metapher als Symbol soziokultureller Kontingenz . . . . . . . . . . . . . . . . . 151 a) Die ursprüngliche Beliebigkeit der Zeichen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 151 b) Auf der Suche nach dem Subjekt des Beliebens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 153 3. Institutionalisierung als Grund und Grenze sprachlicher Freiheit (oder: Cornelius Castoriadis’ Beitrag zu einer Metaphorologie) . . . . . . . . . . . . . . . . . . 157 a) Vorstellungskraft als Schlüsselmoment des Menschen . . . . . . . . . . . . . . . 158 b) Freiheit als ursprünglich unbestimmte Vorstellung in Gesellschaft . . . . . 161 V. Schluss: Die begrenzte Aufklärung – Zur Funktion der metaphorologischen Analyse des Rechts im demokratischen Rechtsstaat . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 165 VI. Zwischenüberlegung: Rechtsmetaphorologie als ästhetische (Sub-)Disziplin? . . 169 1. Metaphern, Ästhetik, Paradigmen (Thomas S. Kuhn) . . . . . . . . . . . . . . . . . . 169 2. „Ästhetik“ als komplizierter Begriff . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 171 D. Metaphorologische Analyse des Rechts als Perspektive (Teil 2, Praxis) . . . . . . . . 177 I. Vorfindliche metaphorologische Analytiken . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 178 1. Anil K. Jain, Metaphorisch-imaginative heuristische Methode . . . . . . . . . . . 179 a) Initiale Metapher . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 180 b) Detaillierung und Verdichtung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 181 c) Überschreitender Retransfer – Rückübertragung und hermeneutische Überschreitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 182 2. Anja Lobenstein-Reichmann, Archäologie der Metapher . . . . . . . . . . . . . . . 185 a) Typologie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 186 b) Kulturspezifische europäische Bezüge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 187 c) Ideologiekritik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 188

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Inhaltsverzeichnis 3. Susanne Lüdemann, Metaphern der Gesellschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 189 a) Grundverständnis einer metaphorologischen Ideologie- und Institutionenkritik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 190 b) Methodologische Anhaltspunkte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 191 4. Zwischenbemerkungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 193 II. Input: Theorie und Analyse institutioneller Mechanismen (TAIM) . . . . . . . . . . . 195 1. Leitende Ideen und Differenzierungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 196 2. Organisation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 199 3. Symbolische Verselbstständigungstendenzen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 201 III. Synthese eines verbindenden, flexiblen und offenen Ansatzes – Orientierungen für rechtsmetaphorologische Analytiken . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 204 IV. Rechtsmetaphorologie als historisch-systematische Auslegungsmethodik . . . . . 209

E. Ausblick auf eine methodische Metaphorologie der „Grundrechte“ . . . . . . . . . . 217 I. Geschichten der „Grundrechte“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 218 1. Voraussetzungen in der europäischen Rechtskultur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 219 a) „Leges fundamentales“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 220 b) „Fundamental rights“ bzw. „droits fondamentaux“ in England, den USA und Frankreich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 226 c) Exkurs: Grundgesetze an der Spitze der Normenhierarchie . . . . . . . . . . . 228 2. Die drei Bedeutungen der „Grundrechte“ bis 1848 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 231 a) Die „Grundrechte“ im Sinne der Grundrechte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 231 b) Die „Grundrechte“ der Grundherrschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 233 c) Die „Grundrechte“ der Staaten und ihrer Organisation . . . . . . . . . . . . . . 236 3. Grundrechte als Leitmetapher der fortgeschrittenen Revolutionsbewegung 1848/1849 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 239 II. Historische Kontexte der Genese der Grundrechte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 244 1. Die Entwicklung des modernen Staates im Hintergrund („Obrigkeit“ und „Untertänigkeit“, „Souveränität“ und „Subjektivität“, „Bürger“ und „Land“ etc.) 245 a) Feudalistische Herrschaftsordnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 245 b) Konfessionskriege und ihr Ausgang im Absolutismus . . . . . . . . . . . . . . . 247 c) Ökonomie in der Frühmoderne . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 249 d) Staat in der Frühmoderne . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 250 e) Privatheit, Gesellschaft und Öffentlichkeit in der Frühmoderne . . . . . . . 253 2. Die Geschichte der „Grundrechte“ als (Grund-)Eigentumsmetapher . . . . . . 255 3. Das ethisierte ‚Bauwerk‘ in der Freimaurerei 1848/1849 . . . . . . . . . . . . . . . 261

Inhaltsverzeichnis

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a) Die Baumetaphorik in der Freimaurerei . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 262 b) Freimaurer und Baumetaphorik in Frankfurt 1848/1849 . . . . . . . . . . . . . 264 c) Logen als katalysatorische Sphäre des Souveränitätswandels . . . . . . . . . 267 III. Quellbereichskontexte: Grund – Architektur – Raum (Notizen) . . . . . . . . . . . . . 270 1. Probleme der Quellbereichsdefinition . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 270 2. Lokales Geheimnis und globaler Raum . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 272 3. Raumaneignung und bautechnische Berufe als exemplarische Genderaspekte 275 IV. Die Grundrechte des Grundgesetzes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 276 1. Grundgesetz, Grundrechte, Artikel 1 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 277 2. Entstehungsgeschichte in metaphorologischer Hinsicht . . . . . . . . . . . . . . . . 282 3. Grundrechtsdogmatik und metaphorische Topologie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 291 V. Metaphorologische Konkurrenzen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 294 1. „Sozialistische Gesetzlichkeit“ in der DDR . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 295 a) Gesetzmäßigkeit der gesellschaftlichen Entwicklung . . . . . . . . . . . . . . . . 297 b) Der hier sog. verfassungsimmanente Vorbehalt der Gesetzmäßigkeit . . . 299 c) „Grundrechte“ als kollektive Gestaltungs- und Teilhabenormen . . . . . . . 303 d) Gesetzlichkeit als bewusst-formalisierte Gesetzmäßigkeit . . . . . . . . . . . . 305 2. Die „libertés publiques“ der französischen Rechtstradition . . . . . . . . . . . . . . 310 3. Veränderungstendenzen der neuen Grundrechtswissenschaft . . . . . . . . . . . . 314 a) Verwechslungsgefahr zwischen realen und metaphorischen Bereichen . . 314 b) Äußerlichkeit als Unangemessenheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 315 c) „Gewährleistungsgehalt“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 318 4. Vernetzte Fragmente als Zukunft des globalisierten Rechts(?) . . . . . . . . . . . 321 a) Fragmentierung des Rechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 322 b) Recht als Netzwerk . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 324 c) (Post-)Demokratische Verfassungsmetaphorologie im Prozess? . . . . . . . 329 F. Schluss – eine Rechtskritik der Zukunft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 334

Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 340 Personen- und Sachverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 372

Abbildungsverzeichnis Abbildung 1: Kognitiv-sprachlicher Kreislauf der Metapher (M) . . . . . . . . . . . . . . . . . . 154 Abbildung 2: Methodologische Matrix der TAIM . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 196 Abbildung 3: Vorgrundgesetzliche Landesverfassungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 285 Abbildung 4: „Wo das arbeitende Volk der Bauherr ist […]“, Dresden . . . . . . . . . . . . . . 309 Abbildung 5: „Societas Arcana“, Flugblatt, Berlin 2009 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 333

Abkürzungsverzeichnis a. A. am Anfang a. a. O. am (zuletzt) angegebenen Ort Abg. Abgeordnete bzw. Abgeordneter Abs. Absatz a. E. am Ende Art. Artikel BGB Bürgerliches Gesetzbuch Bundesrepublik Deutschland BRD BV Verfassung des Freistaates Bayern in der Fassung der Bekanntmachung vom 15. Dezember 1998 (GVBl. 1998, S. 991) BVerfG Bundesverfassungsgericht Amtliche Sammlung der Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts BVerfGE BVR Bundesverfassungsrichter ca. circa Christlich-Demokratische Union CDU CSU Christlich-Soziale Union Deutsche Demokratische Republik DDR ders. derselbe das heißt d. h. dies. dieselbe der/durch Verfasser d. Verf. ebd. ebenda engl. englisch etc. et cetera Gerichtshof der Europäischen Union EuGH EUV Vertrag über die Europäische Union in der Bekanntmachung der konsolidierten Fassung vom 9. Mai 2008 (ABl. EG Nr. C 115, S. 13) Fn. Fußnote frz. französisch GG Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland in der im Bundes­gesetz­blatt Teil III, Gliederungsnummer 100–1, veröffentlichten bereinigten Fassung, das zuletzt durch Art. 1 des Gesetzes vom 11. Juli 2012 (BGBl. I S. 1478) geändert worden ist Geschäftsordnung des Deutschen Bundestages in der Fassung der BekanntGO-BT machung vom 2. Juli 1980 (BGBl. I S.1237), zuletzt geändert laut Bekanntmachung vom 7. Mai 2012 (BGBl. I S. 1119) gramm. grammatisch Herv. Hervorhebung im Original i. Orig. i. w. S. im weiteren Sinne Jh./Jhd. Jahrhundert

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Abkürzungsverzeichnis

lat. lateinisch Lts. Leitsatz metaph. metaphorisch m. w. N. mit weiteren Nachweisen N. N. Nomen Nescio (Name bzw. Namen unbekannt) o.N. ohne Nummerierung im Original orig. Allgemeines Landrecht für die Preußischen Staaten vom 1. Juni 1794 PrALR s. siehe S. Seite scil. scilicet SED Sozialistische Einheitspartei Deutschlands so genannte, genannten, genannter bzw. genanntes sog. Sozialdemokratische Partei Deutschlands SPD sub verbum s. v. TAIM Theorie und Analyse institutioneller Mechanismen teilw. teilweise Übers. d. Verf. Übersetzung durch Verfasser und so weiter usw. v. von vor Christus v. Chr. Vers. Versalien vgl. vergleiche „Weimarer Reichsverfassung“, eigentlich Verfassung des Deutschen Reichs WRV vom 14.08.1919 Wiener Übereinkommen über das Recht der Verträge vom 23.05.1969 WVK zum Beispiel z. B. Ziff. Ziffer zit. zitiert ZPO Zivilprozessordnung

A. Einleitung Am Anfang dieser Arbeit ist beträchtliche Unsicherheit der Rechts­wissenschaft festzustellen, wo es um Metaphern in ihrem Aufgabenbereich geht. Und dieser wird vielfältig durch Metaphern bestimmt. Unterdessen haben die Sprachwissenschaften (einschließlich ihrer philosophischen Nachbardisziplinen), in deren primären Fokus die Erforschung sprachlicher Phänomene gehört, im 20. Jahrhundert Verunsicherung und Engführung hinsichtlich der Metapher zugunsten eines kritischen Staunens überwunden.1 Zwei Zitate mögen hier repräsentativ den heutigen Stellenwert der Metapher in den Sprachwissenschaften wiedergeben: „dass die Metapher in Recht und Politik eine zentrale Rolle spielt, bedarf keines Erweises“2 und „today metaphor is no longer one figure among ­others but the figure of figures“3. Diese Untersuchung will mit einer metaphorologischen Analyse des Rechts, die eine Theorie der Metapher im Recht voraussetzt, der Rechtswissenschaft ihre Unsicherheit nehmen und neue (Selbst-)Erkenntnispotenziale erschließen. Eine Metapher kann zum Zwecke der Einleitung vorläufig definiert werden als die Verwendung eines Wortes für einen anderen Sachverhalt, als es ursprünglich (nach alter Diktion „eigentlich“) bezeichnet. Metaphernforschung wird zum Teil im Anschluss an Hans Blumenberg4 auch als „Metaphorologie“ bezeichnet, wobei dieser Terminus im Verlauf dieser Untersuchung doppeldeutig gebraucht werden wird, nämlich in einem methodologischen und in einem strukturellen Sinne. Die methodische Metaphorologie, zu deren pragmatischer Anwendung diese Unter­ suchung zum Ende hin in Form einer metaphorologischen Analyse des Rechts anleiten möchte, ist gegenüber einem allgemeinen Begriff der Metaphernforschung oder Metapherntheorie immer durch Historisierung gekennzeichnet. Die Unsicherheit der Rechtswissenschaft ist erstaunlicher Weise dadurch gekennzeichnet, dass seltene explizite Hinweise auf Metaphern in der Rechtssprache lange durch einen defensiven Ton gekennzeichnet waren, ohne dass ersichtlich war, wer die vermeintlich dominierende Auffassung einer metaphernfreien Rechtssprache behauptete. So verhält es sich etwa, wenn Fritjof Haft in seiner seit 1978 unveränderten Juristischen Rhetorik ohne Nachweis beruhigt, dass „die juristischen Warnungen vor Metaphern und Bildern durchaus unangebracht sind“.5 Und Friedrich Müller und Ralph Christensen etwa bekennen in einer Fußnote: „Die Struk 1

Vgl. Kurz, S. 9 f. Kohl, S. 149. 3 Culler, S. 189. 4 Haverkamp, S. 237. 5 Haft, S. 128. 2

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A. Einleitung

turierende Rechtslehre geht davon aus, dass Allegorien und Metaphern für das juristische Handeln unvermeidbar sind.“6 Andere Rechtswissenschaftlerinnen und Rechtswissenschaftler scheinen also durchaus davon auszugehen, dass Metaphern vermeidbar seien.7 Es ist, als komme die Rechtswissenschaft vorsichtig aus der Deckung, wo schon lange keine Angreifer mehr anzutreffen sind. Denn weniger selbst vertreten werden als erinnert wird heute an Urteile wie dasjenige Hegels, der in seiner „Ästhetik“ schrieb: „Die Metapher aber ist immer eine Unterbrechung des Vorstellungsganges und eine stete Zerstreuung, da sie Bilder erweckt und zueinanderstellt, welche nicht unmittelbar zur Sache und Bedeutung gehören und daher ebensosehr auch von derselben fort […] ziehen.“8 Dabei war selbst Hegel anders, als es diese eine Aussage suggeriert, kein ‚Feind‘ metaphorischer Ausdrücke schlechthin. Zutreffend wird darauf hingewiesen, metaphernkritische Haltungen der Gegenwart seien weniger durch Ablehnung als durch Ignoranz gekennzeichnet.9 Heute ist es wohl richtig zu sagen, dass Metaphern in der Rechtswissenschaft nur verpönt zu sein scheinen, weil einerseits das juristische Sachlichkeits- und Rationalitätsideal verlangt, „dicht an der rechtlichen Sache entlang [zu] formulieren“,10 dem andererseits das Metaphorische nach überkommenem, aber irrtümlichem Vor­urteil schlechthin zuwiderläuft. Dass Differenzierungsbedarf besteht, ist leicht dadurch zu belegen, dass, wer „Sachlichkeit“ in Hinblick auf gedankliche „Inhalte“ fordert und damit Metaphern „abzulehnen“ meint, sich scheinbar schon in einen performativen Widerspruch verfängt; den Selbstwiderspruch einer nur vermeintlich postrhetorischen juristischen Rhetorik.11 Diese Untersuchung möchte dazu beitragen, diesen Selbstwiderspruch produktiv aufzulösen. 6

Müller/Christensen (2009), Rz. 153 (Fn. 419). So verbindet etwa Dürig, in: Vereinigung der Deutschen Staatsrechtslehrer, S. 154, bildhaftes Sprechen mit „Studenten […], die televisions-getrimmt sind und visuell aufnehmen“; Groß: „Einen höheren Wert als Metaphern sollte man den üblichen Auslegungsmethoden zuweisen“; Gruschke, S. 37, findet bestimmte „Metaphern“ „einfach, anschaulich und irreführend“, ohne dass er eigene Metaphern als solche markiert; für Hattenauer, S. 279, zit. nach Lobenstein-Reichmann, S. 381, halten sich „[g]ute Juristen […] an das Gesetz und die vereinbarte Fachsprache“ und „meiden daher Beispiele, Bilder und Metaphern“; Ipsen (1998), S. 41 (Rz. 117), findet in der Grundrechtsdogmatik „jede metaphorische oder sonstwie suggestive Begrifflichkeit schädlich“; Seckelmann, S. 424: „Metaphern lassen sich […] wohl nicht­ vermeiden.“ 8 Hegel (2006 [1835–1838]), Abschnitt II.I.B.3.a)γ)γγ). Vgl. aber auch zu Aristoteles’ nega­ tiver Bewertung von „Metaphern“ im wissenschaftlichen Gebrauch Rapp (2002a), S. 927 f., und die Nachweise zur wohl überwiegenden Geringschätzung der Metapher in der Philosophie­ geschichte bei Jain, S. 29 ff., Lakoff/Johnson (2008 [1980]), S. 216 ff., Lakoff/Wehling, S. 21. 9 Haefliger, S. 38 ff., der den Grund dafür überzeugend vor allem im Erkenntnisbegriff der modernen Kommunikationstheorien sieht, denn die metaphorologische Leistung bestehe gewiss nicht im Postulat einer ‚idealen Sprechsituation‘ im Sinne Habermas. 10 Gast, Rz. 1158; vgl. für die Sprache der Gesetze Schneider (2002), S. 261 ff. Zur positiven rechtswissenschaftlichen Literaturlage unten B.II. 11 Mit Steinhauer (2008), S. 182, ließe sich von einer „Pathologie juristischer Selbstbeobachtung“ sprechen. 7

I. Wissenschaft und Stil I. Wissenschaft und Stil

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I. Wissenschaft und Stil Auf grundlegender Ebene ließe sich zunächst fragen, ob es beim Thema ‚Metapher und Recht‘ nicht bloß um eine Stilfrage gehe, also um eine bloße Äußerlichkeit und mithin eine Nebensache. Mögen Metaphern auch aus allgemeinen sprachlichen Gründen unvermeidbar sein, so müsste dieser Umstand doch noch keine Auswirkungen auf das Verständnis des „Propriums“, des Wesentlichen des Rechts haben. Unvermeidliche Metaphern könnten dann besser oder schlechter gewählt sein, letztlich ginge es ‚nur‘ um Gefälligkeit, Sozialadäquanz, das Ornament juristischer Sprache. Dagegen spricht die Behauptung, die Katharina Gräfin von Schlieffen so formuliert hat, dass das Recht so gut sei wie der Stil, den der Mensch beherrsche. Und dass der juristische „Stil, der […] das vorherrschende Muster der rechtsrhetorischen Praxis ist, einem Selbstverständnis entspricht, das keine moderne Methodenlehre mehr auszusprechen wagt: Die Sachlichkeitsattitüde behauptet eine Welt, in der das Sollen als ein wahrhaft erkennbares Sein existiert und das Konkrete wie das Abstrakte, das Normative wie das Faktische zu einem innerlich logischen, konsistenten Kosmos verschmelzen.“12 Könnte dieses Selbstverständnis vielleicht besseren Gewissens aufrecht erhalten werden, wenn man sich seine Metaphorizität („Sachlichkeit“) bewusst machte? Wer diese Frage verstanden hat, den wird sie nicht mehr verlassen. Wie auch immer, dem dargestellten Selbstverständnis folgt in methodischer Hinsicht eine posi­tivistische Orientierung.13 Es ist davon auszugehen, dass der über bloße Ignoranz hinausgehende, vermeintliche Misskredit der Metapher in der Rechtswissenschaft – verbunden mit der fehlenden Bekanntheit seiner Vertreterinnen und Vertreter – mit der strukturellen Bedeutung dieser Orientierung für den rechtswissenschaftlichen Diskurs selbst erklärbar ist. Für die Funktion des methodischen Positivismus ist übrigens die Unterscheidung zwischen Naturrechtslehre und rechtsphilosophischem Positivismus nicht wichtig.14 Wichtig ist dagegen in jedem Fall der Vergleich mit den Naturwissenschaften, aus dem sich die positivis­ tische Grundhaltung letztlich speist.15 Der Germanist Gerhard Kurz hält zu Metaphern fest: „Auch in wissenschaftlichen Theorien, so antimetaphorisch sie sich geben, spielen Metaphern eine theo 12

Sobota, S. 152 f. Vgl. Sobota, S. 138; Steinhauer (2008), S. 174, spricht im Hinblick auf die Moderne von einer „positivistischen und nachpositivistischen Rechtswissenschaft, die ihre Autonomie auch noch über die Behauptung gereinigter juristischer Kommunikation sichern möchte“. 14 Vgl. Sobota, S. 137 ff. 15 Engisch, S.  9, führt die „immer wieder nötig werdende Selbstbehauptung der Rechts­ wissenschaft gegenüber Anzweiflungen, die sich bei einem Vergleich mit den Wissenschaften von der Natur einstellen“, interessanterweise darauf zurück, dass beide Wissenschaften „Gesetzeswissenschaften“ seien. Ursächlich ist mithin womöglich eine Metaphorik. 13

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A. Einleitung

riekonstitutive Rolle. […] Feld, Atom, Welle, Trägheit, Kraft, Widerstand usw. sind natürlich längst terminologisierte Ausdrücke, sie leiten gleichwohl als residuale Hintergrundmetaphorik die Theoriebildung.“16 Wie an den hier gewählten Beispielen deutlich wird, sind theoriekonstitutive Metaphern kein Problem allein der Geisteswissenschaften. Im Gegenteil erfahren besonders Metaphern in den Naturwissenschaften, mutmaßlich gerade wegen ihres Leitcharakters für jede rationale Wissenschaft, seit Jahrzehnten zunehmende Aufmerksamkeit.17 Selbst wenn also bis heute das Recht in seiner real praktizierten rhetorischen Inszenierung den Objekten der Naturwissenschaften gleichgestellt wird,18 die Naturwissenschaften indes Metaphern als wahrzunehmende Faktoren der Wissensproduktion entdecken, die ebenso gut „Denkfallen“ wie Beiträge zur Erkenntnis­ gewinnung sein können,19 dann kann sich die Rechtswissenschaft dieser Ent­ deckung ohne Glaubwürdigkeitsverluste nicht verschließen.

II. Erste Überlegungen zur Legitimität einer rechtsmethodischen Metaphorologie Die dargestellte Situation der Metapher in der Rechtswissenschaft korrespondiert mit dem, was Hans Blumenberg in der wichtigen Einleitung seines metaphorologischen Grundlagenwerkes Paradigmen zu einer Metaphorologie generalisierend ihre historische „Verborgenheit“ genannt hat.20 Dies ist die geeignete Stelle, um die Legitimität eines Ansatzes zu thematisieren, der die Metapher aus ihrer rechtswissenschaftsgeschichtlichen Verborgenheit führen und ihr einen passenden Platz im Theoriedesign der Rechtswissenschaft zuweisen will. Denn für die Rechtswissenschaft kann noch nicht gelten, dass sich inzwischen die Auffassung durchgesetzt habe, dass Metaphern „ihren legitimen Platz in den Wissenschaften selbst haben“.21 Legitimität hat mit Glauben zu tun22, und mutmaßlich typische Juristinnen und Juristen insoweit, dass sie Metaphern für nichts hielten, was mit Rechtswissenschaft zu tun hätte, könnten trotz Einsicht in die theoriekonstitutive Rolle von Metaphern und trotz des Vorbilds der zunehmend kritisch mit ihren Metaphern umgehenden Naturwissenschaften nicht daran glauben, dass eine rechtswissenschaftliche Metaphorologie weiter bringen könnte. Sie könnten im Gegenteil daran glauben, dass die Rechtswissenschaft wie bis-

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Kurz, S. 23. Vgl. Kohl, S. 146 ff.; exemplarisch Kuhn (1979) und Sarasin. 18 Schlieffen (2008), S. 1812 ff. 19 Kohl, S. 2. 20 Blumenberg (1998), S. 9 f. 21 So Gabriel, S. 65, freilich mit der Einschränkung, der Streit sei „noch nicht endgültig ausgetragen“. 22 Grundlegend Weber (2008 [1922]), S. 22 ff., 159. 17

II. Erste Überlegungen zur Legitimität einer Metaphorologie

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her auch gut ohne einen solchen Diskurs auskommen könne.23 Sie möchten eine instrumentelle Ignoranz befürworten, denn eine solche lasse alles so, wie es sei und funktioniere. In einer solchen Haltung läge freilich die Delegitimierung der Rechtswissenschaft als Wissenschaft24, zumal die Rechtswissenschaft sich einschließlich ihrer Metaphern laufend verändert, sodass nur der (nach meiner Auffassung: möglichst hohe) Grad des verantwortlichen25 Bewusstseins dieser Veränderungen in Frage steht. Könnte schließlich eine rechtswissenschaftliche Metaphorologie dazu führen, dass Metaphern plötzlich Legitimität gewönnen und sich dammbruchartig in der Rechtswissenschaft ausbreiteten? In der Wahrnehmung ja, weil „die“ Metapher sich in der Analyse des Rechts und der Rechtswissenschaft als wissensstiftende heuristische Kategorie erweist und ihr eine wichtige rechtskommunikative Funktion zuzuerkennen ist. Nein, weil die Frage sich gegen sich selbst richtet: Je mächtiger die Macht ist, desto stiller wirkt sie.26 Das „Verdikt der Metapher“, so zutreffend Blumenberg, „erschwert die Wahrnehmung ihrer faktischen Hintergrundfunktion“.27 Weiter steht zur Diskussion, dass „[g]egen das Imaginäre nur […] eine über sich selbst aufgeklärte Imagination“ hilft.28 Metaphorologie erzeugt die behauptete Bedeutung von Metaphern für das Rechtsbewusstsein nicht, sondern beschreibt sie. Indem eine rechtswissenschaftliche Metaphorologie zeigt, dass Metaphern (schon) da sind, ermöglicht sie erst, die Legitimität einzelner Metaphern – und ihrer Herrschaft – in Frage zu stellen. Sie bewirkt Rationalisierung in dem Sinne, dass sie die Metaphern des Rechts zum Gegenstand der Vernunft macht. Die Sorge, dass das Recht durch Metaphorologie irrationaler würde, erscheint daher zumindest vorläufig unbegründet und eher irrational.29 Metaphorologie ist ein (macht-)kritisches Unternehmen: Wer in der Fachkommunikation durch die Auswahl und Bestimmung der sprachlichen Mittel Einfluss 23

Dies könnte insbesondere der Fall sein, wenn man die Figur der Metapher einem verbreiteten Vorurteil gemäß als bloßes Stilmittel in den Zuständigkeitsbereich der Rhetorik einordnete und zugleich, ebenfalls einem verbreiteten Vorurteil gemäß, die Rechtswissenschaft – wie die Philosophie – für etwas nicht im Wesentlichen durch Rhetorik Bedingtes auffasste. Ganz luzide zum solchermaßen historischen Ruch von Illegitimität, der Metaphorologie anhaften mag, Blumenberg (2007), S. 83 ff. 24 Vgl. Di Fabio (2005), S. 74 f., wonach „die Strategie der Tabuisierung bei bereits auf­ gebrochenen Fragen […] gerade kein Bestandteil der modernen westlichen Kultur [sei, scil.], die auf Rationalisierung, auf soziale Integration durch Überzeugung mit Gründen setzt, nicht zuletzt wegen der Prämisse von der Freiheit vernunftbegabter Subjekte“. 25 Vgl. zur Verantwortlichkeit metaphorologischer Wissenschafts(selbst)kritik überzeugend Jain, S. 55 f. 26 Han, S. 9. 27 Blumenberg (2001a), S.  429. Vgl. zu Rhetorik Blumenberg (2001a), S.  423: „Rhetorik lehrt, Rhetorik zu erkennen“. Aus dem rechtswissenschaftlichen Kontext ganz triftig Baer (2004), S. 247: „Bilderfeindlichkeit […] bedeutet aber eben gerade nicht, sich über Bilder nicht mehr Klarheit verschaffen zu müssen. Auch wer sie vermeiden will, muss die Bilder kennen.“ 28 Kamper (1986), S. 72. 29 Vgl. insgesamt auch Blumenberg (1997 [1979]), S. 100.

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A. Einleitung

nimmt, der prägt die Wissensbestände der Disziplin.30 Indem aber die Metapher als Verwendung eines Wortes für einen anderen Sachverhalt, als es ursprünglich bezeichnet, eine Verbindung zwischen beiden Sachverhalten herstellt, als ob sie in einem implizierten Vergleich (einem Hin-und-Her-Wandern des ‚Blickes‘31) diesen auf jenen projizierte, bezeichnet sie den metaphorisch beschriebenen Sachverhalt mit kontingenten Merkmalen. Der Vergleich ist dispositiv. Mit der Macht ist weiter immer auch das Thema der Freiheit angesprochen, deren Instrument und Gegnerin sie ist. Von Michel Foucault existiert ein Zitat, das in auf die Metapher vorzüglich anwendbarer Weise das Motiv der Macht mit dem der „Verborgenheit“ verbindet: „Die Macht kann ihren Aufwand von früher aufgeben. Sie nimmt die hinterlistige, alltägliche Form der Norm an, so verbirgt sie sich als Macht und wird sich als Gesellschaft geben.“32 Metaphern können, so sieht man etwa an der ‚Rechtsverletzung‘, derart zur Gewohnheit werden, dass die Mühe der Übertragung kaum mehr spürbar, die Metapher mithin nicht mehr als solche bemerkt wird. Wenn die metaphorologische Analyse eine Metapher aus der Alltäglichkeit herausholt, um Ursprünglichkeit und Übertragung sichtbar zu machen, so wird schließlich im Sinne Foucaults nicht bezweckt, „das Modell des vergangenen Geschehens“ zu liefern, sondern „ein Modell vergangenen Geschehens zu beschreiben, das es uns gestattet, uns von diesem Geschehen zu befreien“.33 Sie ermöglicht es, zu Betrachterinnen und Betrachtern des jeweiligen geschichtlichen Moments und zu Kritikerinnen und Kritikern des eigenen Glaubens zu werden, zu vergewärtigen, dass sie anders sein könnten und können.34 Die (re-)konstruktive Kritik der in der Gegenwart wirkenden Metaphern vergrößert die Möglichkeiten, bewusst begründet zu handeln.35 Die metaphorologische Rekonstruktion dient dazu, „die logische ‚Verlegenheit‘ zu ermitteln, für die die Metapher einspringt“.36 Metaphorologie betreibt Genealogie. Sie historisiert metaphorisch konstituierte Begriffe, indem sie die politische oder gerichtliche Ursprungssituation zu ermitteln unternimmt, in der eine Metapher die spezifische Lösung eines Problems darstellte.37 Diese Lösung kann indes nur verstanden werden, wenn auch die historische Semantik erschlossen wird, aufgrund 30

Felder, S. 543; ders., S. 570: „Wer die von ihm präferierte Worthülle in der Auseinandersetzung so platzieren kann, dass sie im Diskurs von vielen Diskursakteuren aufgenommen und weiterverwendet wird, der schafft es, die mit dem Ausdruck verbundene Perspektivierung auf einen bestimmten Sachverhalt ins kollektive Bewusstsein und die Aufmerksamkeit zu rücken.“ 31 Vgl. zu dieser von Engisch eingeführten Formel ausführlich Pavcnik. 32 Foucault (1976), S. 123. Vgl. Jain, S. 29: „Das beredte Schweigen über die Metapher – denn man darf die Quellen der eigenen Macht nicht enthüllen […].“ 33 Vgl. Foucault (2004 [1994]), S. 152. Darauf, dass „die Geschichte“ eine Metapher für die Gesamtheit möglicher Geschichten sei, hat auch Blumenberg (1971), S. 168, hingewiesen. 34 Vgl. einschlägig auch im Folgenden Kahn (2003), S. 179 ff. 35 Dazu, dass eine restlose Kontrolle von Metaphern nicht möglich, die Kritik mithin eine auf Wiederkehr gerichtete Aufgabe freiheitsorientierter Wissenschaft ist, Sarasin, S. 212 ff. 36 Blumenberg (1998), S. 10. 37 Dazu Möllers (2004), S. 161 f.

III. Auffällige und usuelle Metaphorik

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derer die Erfindung oder Übernahme einer Metapher besonders nahe lag, mithin, worin das Erfolgsrezept für ihre Aufnahme und Verbreitung lag.38 Metaphern können sich, insbesondere durch Abstraktion, langfristig in die kognitive Grundausstattung z. B. einer Wissenschaft einschreiben, obwohl sie in anderen Situationen zu anderen Zeiten nicht optimal problemlösungskompetent sind. Die metaphorologische Analyse vermag der Rechtswissenschaft mithin dadurch Legitimation zu verschaffen, dass sie Reaktionsbedarf der wissenschaftlichen Semantik im Hinblick auf Änderungen des Rechts und seiner Kontexte schnell und unmittelbar lokalisiert.39 Zuletzt kommen als Vorwürfe gegen eine Rechtsmetaphorologie derjenige der Entzauberung, der Rationalisierung des Rechts40 und derjenige einer den rechtswissenschaftlichen Diskurs bis an die Grenzen seiner Leistungsfähigkeit belastenden Ausweitung der diskursiven Kampfzone in Betracht. Der Erste zöge zu Unrecht die Verzauberung des Rechts dem Zauber der Freiheit vor, in dessen Aktivierung die Verzauberung an ihre ontologisch richtigere Stelle rückt.41 Der Zweite bedeutete, einmal mehr, die Selbstinfragestellung der Jurisprudenz als Wissenschaft, für die aufgrund ihrer konstruktivistischen Grundsituation nicht mit der gleichen Berechtigung wie in den Naturwissenschaften über einen dem menschlichen Forschungs- und Tatendrang verschlossenen oder zu verschließenden Bezirk nachzudenken ist. Das Thema der Legitimität dieses Unternehmens einer metaphorologischen Analyse des Rechts wird an späterer Stelle dieser Untersuchung wieder aufgenommen werden, wenn die Konturen des Projekts der Rechtsmetaphorologie deutlicher sind.42

III. Auffällige und usuelle Metaphorik Zu einfach wäre es und einer intellektuellen Unterschätzung käme es gleich, zumindest scheinbar anti-metaphorische Positionen grundsätzlich eines performativen Widerspruchs schon überführen zu meinen, indem man ihnen, wie hier bereits geschehen, „vorwürfe“, sich mit der Forderung nach „Sachlichkeit“ im Hinblick auf gedankliche „Inhalte“ doch selbst schon in metaphorischer Rede zu „verfangen“. Denn bei näherem Hinsehen zeigt sich, dass sich metaphorologische und anti-metaphorologische Positionen meist auf unterschiedliche Typen von Metaphern beziehen, wobei zum Teil nur der Terminus ‚Metapher‘ für das Objekt der jeweils anderen Position in Abrede gestellt wird, also etwas ganz anderes unter „Metapher“ verstanden wird. 38

Vgl. auch im Folgenden Fritz, S. 5. Vgl. Möllers (2004), S. 163. 40 Vgl. zur „Entzauberung der Welt“ zuerst Weber (1922). 41 Kamper (1990 [1981]), S.  256, hält fest: „Das Schreckgespenst einer innen und außen restlos entzauberten Welt lässt genau das zurückkehren, was durch das unerhört folgen­reiche Unternehmen der europäischen Aufklärung überwunden werden sollte: die Angst vor den Haftbanden unbegriffener Mächte.“ 42 Unten C.V. und F. a. E. 39

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A. Einleitung

Eine erste Unterscheidung, die verdeutlichen lässt, was hier als Metapher verstanden und (in einem Teilbereich) untersucht wird, betrifft die Existenz von Metaphern zwischen ihrer –– Erfindung, als auffällige erst- und unter Umständen nur einmalige Verwendung eines existierenden Wortes für einen anderen als den ursprünglich von ihm bezeichneten Sachverhalt (zum Beispiel ‚Blätter‘ für Geld), über –– das Gebräuchlich-Werden, das heißt die „Usualisierung“43 oder „Konventionalisierung“ einer dann nicht mehr ganz so neuen Metapher, die aber weiterhin als solche erkannt wird (zum Beispiel ‚Kröten‘ für Geld), bis hin zu ihrer –– Unkenntlichkeit, in deren Stadium einige Anstrengung (zum Beispiel das Nachschlagen in einem etymologischen Wörterbuch) nötig ist, um die Metapher als solche identifizieren zu können. Die unkenntliche Metapher wird häufig „tot“ oder „verblasst“ genannt (zum Beispiel ‚Pfund‘ für Geld).44 Metaphern verändern sich in einem graduellen Prozess.45 Die Skepsis und Ablehnung rechtswissenschaftlicher Autorinnen und Autoren gegenüber Metaphern bezieht sich meist nicht auf konventionalisierte Metaphern, die nicht mehr als ‚uneigentlicher‘ Sprachgebrauch wahrgenommen werden. Das mag man so begründen, dass die Konventionalisierung der übertragenen Bedeutung die Verbindung zur ursprünglichen Bedeutung beende, die Herkunft des Wortes also keine Auswirkung mehr auf dessen aktualisierte Bedeutung habe.46 Nur aus einer solchen Perspektive lässt sich behaupten, der gute rechtswissenschaftliche Stil meide Metaphern, und lässt sich zugleich von „Verfassung“, „Anspruch“, „Rechtsverletzung“ oder „Eingriff“ sprechen. Hier wird jedoch davon ausgegangen, dass Metaphern erst „tot“ sein können, wenn sie nicht mehr verwendet werden oder wenn der ursprünglich bezeichnete 43

Vgl. Rapp (2002a), S. 894. Vgl. Kohl, S. 56 ff., weiter Kurz, S. 19 f. 45 Es handelt sich, mit Coenen, S. 86, gesprochen, um eine „Skala zwischen äußerster Originalität und äußerster Konventionalität“. Allgemein zur Konventionalisierung sprachlicher Verwendungsweisen Fritz, S. 21: „Konventionen bauen sich dadurch auf, dass zunächst eine erfolgreiche Verwendungsweise eines Ausdrucks als Vorbild (Präzedenz) für neue Verwendungen genutzt wird. Durch Wiederholung verstärkt sich die Erwartung, dass gerade dieser Ausdruck für diesen Zweck geeignet ist und auch weiterhin in diesem Sinne benutzt wird, und gleichzeitig baut sich das gemeinsame Wissen über diese Erwartung auf. Konventionalisierung wird also nicht gemacht, sie stellt sich graduell ein.“ 46 So empfindet z. B. Hegel (2006 [1835–1838]), Abschnitt II.I.B.3.a)α)ββ): „Nach und nach aber verschwindet das Metaphorische im Gebrauche solch eines Wortes, das sich durch die Gewohnheit aus einem uneigentlichen zu dem eigentlichen Ausdruck umwandelt, indem Bild und Bedeutung dann bei der Geläufigkeit, in jenem nur diese aufzufassen, sich nicht mehr unterscheiden und das Bild uns statt einer konkreten Anschauung nur unmittelbar die abstrakte Bedeutung selber gibt. Wenn wir z. B. ‚begreifen‘ im geistigen Sinne nehmen sollen, so fällt es uns in keiner Beziehung ein, dabei noch irgend an das sinnliche Anfassen mit der Hand zu denken“ (Herv. d. Verf.). 44

IV. Deskriptive, nominative und präskriptive Metaphorik

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Sachverhalt auch unterbewusst gar nicht mehr gekannt oder mit dem zuvor metaphorisch gebrauchten Ausdruck in Verbindung gebracht wird.47 Erst zu diesem Zeitpunkt sind sie einer Metaphorologie schlechthin entzogen, mag ihre Bedeutung auch unerkennbar immer noch durch die ursprüngliche Metapher geprägt sein. Eingefahrene Spuren sind tief in den Boden gegraben.48 Die Metapher der „toten“ Metapher ist auch deshalb höchst problematisch, da auf irgendeine Weise noch oder wieder erkennbare Metaphern wieder anfangen können, zu ‚leben‘.49 Der graduelle Prozess zwischen Auffälligkeit und Lexikalisierung kann also in beide Richtungen verlaufen. Mit Steinhauer ist davon auszugehen, dass „die vielfältigen rhetorischen Figuren im juristischen Text […] heute die Binnendynamik der Reproduktion […] selbst dort [mobilisieren], wo sie im Sediment juristischer Information nicht mehr als stilistische und rhetorische Elemente rezipiert werden“.50 Die häufige etymologische Einleitung (auch rechts-)lexikalischer Artikel ist ein anschauliches Indiz, das gegenüber anderslautenden Behauptungen misstrauisch machen sollte. Übrigens gibt es auch Metaphern, die man aufgrund ihrer Funktion so wird nennen können, obwohl sie den historischen Prozess ihrer Erfindung und Konventionalisierung in der ihnen unterstellten Weise nie durchlaufen haben, sondern aufgrund Wortähnlichkeit und an solche anknüpfender bewusster oder unbewusster etymologischer Spekulation als solche verstanden werden. Der Begriff der „Verfassung“ ist ein gegen Ende dieser Untersuchung zu erläuterndes Beispiel für diesen vorläufig als „nachträgliche Metapher“ oder „Als-Ob-Metapher“ zu bezeichnenden Typus.51

IV. Deskriptive, nominative und präskriptive Metaphorik Eine zweite grundlegende Unterscheidung ist diejenige zwischen drei metaphorologischen Funktionen (‚Deskription‘, ‚Nomination‘ und ‚Präskription‘), aus denen sich drei ideale Metapherntypen (‚deskriptive‘, ‚nominative‘ und ‚präskriptive‘ Metaphern) bilden lassen. Deskriptiv, also beschreibend, ist eine Metapher, die einen zweiten Sachverhalt durch die Beschreibung mit einem von ihr erstlich bezeichneten Sachverhalt in einem neuen Licht erscheinen lässt. Die ursprüngliche Bedeutung des übertragenen Wortes reichert die Bedeutung des zusätzlich bezeichneten Gegenstandes an 47

Auch zum „Verblassen“ Fritz, S. 10, 61 f. Vgl. Gast, Rz. 1158 (S. 417). 49 Vgl. Friedrich (2012b), S. 65; davon, dies bewusst zu tun, handelt, wenn auch zu leichtfertig von verblassten Metaphern sprechend, Röhl (2010), S. 298. 50 Steinhauer (2008), S. 185; vgl. Kurz, S. 20: „Im alltäglichen wie im literarischen Sprachgebrauch findet eine stete Wechselwirkung zwischen kreativen, konventionalisierten und lexikalisierten Metaphern statt.“ 51 Vgl. unten E.IV.2. 48

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A. Einleitung

(z. B. Kröten für Geld). Faktisch tritt meist das übertragene Wort (als Synonym) neben eine schon gebräuchliche Bezeichnung. Nominativ, also benennend, ist eine Metapher, wenn sie zur Bezeichnung eines zweiten Sachverhalts gebraucht wird, ohne dass für diesen bereits eine gebräuchliche Bezeichnung existiert, in Hinblick auf den also eine Wortschatzlücke vorliegt.52 Diese Form der Metapher wird auch Katachrese genannt, wobei nicht jede Katachrese eine Metapher sein muss.53 Die Lücke kann, muss aber nicht metaphorisch geschlossen werden (z. B. Pfund für eine bestimmte Landeswährung). Zur Auswahl steht neben einer Metapher auch die Erfindung eines neuen Wortes. Wird eine Metapher gewählt, wird diese zugleich deskriptiv sein, wenn der zu bezeichnende Sachverhalt sinnlich wahrnehmbar ist, andernfalls ist sie­ präskriptiv. Präskriptiv, also ‚vorzeichnend‘ ist eine Metapher, wenn ein Wort, das schon etwas bedeutet, zur Bezeichnung eines nicht unmittelbar sinnlich wahrnehmbaren Sachverhalts, für den noch keine Bezeichnung vorhanden ist, gebraucht wird und diesen somit wesentlich prägt. In der präskriptiven Metapher wird der nicht unmittelbar sinnlich wahrnehmbare Sachverhalt also weniger bezeichnet, als ‚entworfen‘, gezeichnet (z. B. die „Unantastbarkeit“ der Würde des Menschen gemäß Art. 1 Abs. 1 GG). Die hier vorgenommene Terminologisierung ist in dieser Form sonst nicht eingeführt. Der hier wichtigste Fall, die präskriptive Metapher, wird in der philosophischen Literatur mit zumindest im Wesentlichen deckungsgleicher Denotation als „notwendige“54, „absolute“55, „konstitutive“56 oder „ursprüngliche“57 Metapher bezeichnet. Von „präskriptiven“58 Metaphern zu sprechen erscheint als vorzugs 52

Zu „Metaphern, die Dinge ohne Namen bildlich ausdrücken sollen“, schon Aristoteles (2007 [4. Jh. v. Chr.]), S. 157 (1405a). 53 Schmitt, S. 624, 639. 54 Vgl. Zimmer, S. 19 ff. Sehr früh schon Biese, S. 2 f. („Wer sich nun einmal die Mühe macht, in der Sprache, im Denken und im Dichten den Spuren des Metaphorischen nachzugehen, der muß finden, daß was gemeinhin in der Sprache, besonders in der Poesie, als eine künstliche oder künstlerische Redeweise, als ein rhetorischer und poetischer Tropus gilt, vielmehr eine naturgemäße und naturnotwendige Ausdrucksweise ist, daß das Metaphorische nicht nur in der Sprache, sondern in unserem ganzen geistigen Leben von hervorragendster Bedeutung ist, daß die Synthese des Innern und des Äußeren, die Verinnerlichung des Äußeren und die Verkörperung des Geistigen, der notwendige Ausdruck unseres geistigleiblichen Wesens ist.“) und – wie schon in Gehlen (1940) –, Gehlen (1974), S. 286. 55 Blumenberg (1998), S. 10. Kohl, S. 110, kritisiert diesen Ausdruck, da er „Verweigerung der Kommunikation“ voraussetze. 56 Taureck (2006), S. 6. Nach Lüdemann (2004), S. 83, wohl auch Rigotti. 57 Vgl. Kohl, S. 8 (auch „Katachrese“); Zimmer, S. 19 ff. 58 Vgl. Friedrich (2009), S. 290, und Lüdemann (2004), S. 11, 26, 28, die (zum Teil mit Bezug auf Rigotti) zwar nicht von präskriptiven Metaphern, aber von der präskriptiven Wirkung von Metaphern spricht; weiter auch Grimm (2012), S. 11, der eine deskriptive und eine präskriptive Verwendungsweise der, von ihm nicht ausdrücklich als solche bezeichneten, Metapher „Verfassung“ erkennt.

V. Präskriptive Metaphorik als Gegenstand der Metaphorologie

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würdige Neuigkeit, weil die Schließung einer Wort- bzw. Begriffsschatzlücke zwar notwendig sein mag, aber eben nicht nur metaphorisch oder nur durch eine bestimmte Metapher erfolgen kann.59 Die Absolutheitsmetapher deutet auf Beziehungslosigkeit hin und muss deshalb als sachlich unangemessen erscheinen. Als „Ursprung“ eines Begriffs mag man schließlich nicht erst die Metapher, sondern schon die Erkenntnis einer Lücke ansehen, die noch nicht dialektisch angefüllt ist. Zudem ist „Ursprung“ besser als chronologische denn als logische Kategorie zu verwenden.

V. Präskriptive Metaphorik als Gegenstand rechtsmethodischer Metaphorologie V. Präskriptive Metaphorik als Gegenstand der Metaphorologie Das Recht ist eine Schöpfung des Geistes, sein Analogon im Physischen ist die Stärke.60 Die Bedeutung hier so genannter präskriptiver Metaphern für die Fiktio­ nen des Geistes hat, auch wenn er oft im gegenteiligen Sinne zitiert wird, ­Hegel erkannt  – dem jedoch in dieser Untersuchung mangels hinreichender Entwicklung einer eigenständigen Metaphorologie kein eigener Abschnitt gewidmet wird: „Erstens hat jede Sprache schon an sich selber eine Menge Metaphern. Sie entstehen dadurch, dass ein Wort, welches zunächst nur etwas ganz Sinnliches bedeutet, auf Geistiges übertragen wird. ‚Fassen, begreifen‘, überhaupt viele Wörter, die sich auf das Wissen beziehen, haben in Rücksicht auf ihre eigentliche Bedeutung einen ganz sinnlichen Inhalt, der sodann aber verlassen und mit einer geistigen Bedeutung vertauscht wird; der erste Sinn ist sinnlich, der zweite geistig.“61

Darüber hinaus geht Hannah Arendt – ähnlich Immanuel Kant und ganz anders als die Sprachwissenschaften, die Arendts diesbezügliche Stellungnahme ignorieren – soweit zu behaupten, die „eigentliche Funktion“ der Metapher sei, „dass sie den Geist auf die Sinnenwelt zurücklenkt, um die nichtsinnlichen Erfahrungen des Geistes zu erhellen, für die es in keiner Sprache Worte gibt.“62

Sie steht wie Bruno Snell für eine historisch im besten Sinne radikale Metaphorologie des Geistes, wonach „die Sprache des Denkens selbst […] rein metaphorisch ist und dessen theoretisches Gerüst völlig auf der Fähigkeit zur Metapher beruht“63 bzw. für „alles Geistige die verbalen Metaphern ursprünglich und not 59 Kurz, S.  21: „Es lässt sich keine Regel angeben, nach der sich die metaphorische Bedeutung notwendig bildet.“ Vgl. in diesem Zusammenhang auch Blumenberg (1998), S. 12 f.,­ Blumenberg (1971), S. 164, Blumenberg (2007), S. 107, und Gabriel, S. 69. 60 Vgl. die scharfsinnige Ablehnung des „Rechts des Stärkeren“ im dritten Kapitel des „Gesellschaftsvertrages“: Rousseau (1977 [1762]), S. 9. 61 Hegel (2006 [1835–1838]), Abschnitt II.I.B.3.a)α)αα). 62 Arendt, S. 111. Vgl. Lakoff/Johnson (2008 [1980]), S. 27: „Sogenannte rein intellektuelle Konzepte, z. B. die Konzepte in einer wissenschaftlichen Theorie, basieren oft – vielleicht sogar immer – auf Metaphern.“ 63 Arendt, S. 127.

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A. Einleitung

wendig sind“64.65 Übertragungen von einem sichtbaren Gegenstand auf einen anderen (die ursprüngliche Funktion hier so genannter deskriptiver Metaphern) sollen nach Arendt sogar, weil sie diese Qualität nicht besitzen, nicht als Metaphern zu bezeichnen sein.66 Die Bedeutung der Unterscheidung präskriptiver Metaphern von deskriptiven Metaphern für die Bewertung sprachlichen Stils am Maßstab der jurisprudenziellen ‚Sachlichkeit‘ ist ersichtlich groß. Denn die Bezeichnung entwendeter Geldscheine als Blätter, Kröten oder Pfund, also die Verwendung deskriptiver Metaphern, zum Beispiel im Tatbestand eines Urteils, ist im Normalfall tatsächlich unnötig. Wenn jedoch ein Sachverhalt in eigentlicher Weise durch eine nominative oder präskriptive Metapher bezeichnet wird (zum Beispiel durch den „Grund“ im Sinne des § 812 BGB), so ist der Vorwurf der Unsachlichkeit im ersten Fall kaum, im zweiten Fall keinesfalls gerechtfertigt.67 Die Technik der präskriptiven Metaphorik ist im Bereich des Geistigen praktisch ohne Alternative. Der theoretische Zugriff auf den Typus der präskriptiven Metapher wurde bisher durch die negative Bewertung der deskriptiven Metapher verstellt, die vermeintlich den Prototyp der Metapher darstellt.68 Gegenstand dieser Untersuchung sind deshalb präskriptive Metaphern, die weit überwiegend usualisiert sind; sie sind gemeint, soweit ich selbst ohne besondere Kennzeichnung von Metaphern spreche.

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Snell, S. 170. Den Hinweis auf ihn verdanke ich Zimmer, S. 19. Vgl. auch Jain, S. 68: „Jeder theoretische Gegenstand muß, um überhaupt vorstellbar zu sein, sinnlich, bildlich, sinn-bildlich werden. Und so gilt: Alle, auch scheinbar noch so abstrakte, von jeder Gegenständlichkeit ‚gereinigte‘ Begriffe implizieren einen – häufig allerdings verdeckten und vergessenen – metaphorischen Gehalt.“ 66 Arendt, S. 111. 67 Unmöglich ist die Abgrenzung deskriptiver und präskriptiver Metaphern in Bezug auf solche Signifikate, die im Bereich dessen liegen, was man als „theoretische Begriffe“, vgl. Neumann, S. 393 f., bzw. „institutionelle Tatsachen“ bezeichnen kann. Dies ist zum Beispiel bei Beschreibungen des Staates der Fall, der „ein Verständnisprinzip des Seienden, aber […] auch etwas, das sein soll“ – Foucault (2006 [1978]), S. 416 – ist; das Geschlecht ist ein anderes populäres Beispiel. In rechtsdogmatischen Zusammenhängen wird es sehr häufig um solche die dargestellte Idealtypik sprengenden Mischsachverhalte gehen, wobei ihre jeweiligen Begriffe unterschiedlich stark empirisch determiniert bzw. präskriptiv zu determinieren sein werden. 68 Wie unterschiedliche Forschungsinteressen die wissenschaftlichen Untersuchungen zugrunde gelegten Metapherndefinitionen beeinflussen, spricht allgemein Kohl, S. 57, an: „In der kognitiven Linguistik steht die konventionelle Metapher im Zentrum, denn es geht hier um allgemeine kognitive Vorgänge, zu denen man sich mittels der konventionellen Idiomatik Zugang verschaffen will. Wenn es dagegen in der Rhetorik und Poetik vorrangig um geistreiche, innovative Metaphern geht – um solche also, die durch Unüblichkeit hervorstechen – so deshalb, weil sie besonders stark wirken.“ 65

B. Metaphorologische Analyse des Rechts als Perspektive (Teil 1, Theorie) „[I]n den Darstellungen der zur Moralität, […] mithin zur reinen Vernunft gehörigen Begriffe (Ideen genannt), das Symbolische vom Intellektuellen […], die zwar einige Zeit hindurch nützliche Hülle von der Sache selbst zu unterscheiden, ist Aufklärung, weil sonst ein Ideal (der reinen praktischen Vernunft) gegen ein Idol vertauscht und der Endzweck verfehlt wird.“ Immanuel Kant1

I. Metapherntheorien Metaphorologische Analyse setzt Metaphorologie voraus. Wird mal von Metapherntheorie und mal von Metaphorologie gesprochen, liegt darin eine erklärungsbedürftige Unterscheidung. Metapherntheorie ist ein Wort, das als Ober­ begriff für alle wissenschaftlichen Auseinandersetzungen mit dem Phänomen der Metapher, vor allem aber als Bezeichnung für die sprachwissenschaftliche Erkundung metaphorischer Prozesse verwendet wird. Damit verbunden ist vor allem die Betrachtung der Metapher im Rahmen innersprachlicher Mechanismen aus linguistischer Perspektive, in neuerer Zeit vermehrt auch durch die kognitive Linguistik im Zusammenhang mit neuro-biologischen Untersuchungen. Metaphorologie ist dagegen ein durch Hans Blumenberg geprägter und mit ihm eng verbundener methodischer Begriff.2 Sein Entstehungshorizont ist wissenschaftsgeschichtlich das Projekt der Begriffsgeschichte, also philosophie­ geschichtlich und hermeneutisch orientiert.3 Metaphern werden in ihrer Wirkung auf die Selbst- und Weltbilder der Menschen hin betrachtet. Metaphorologie ist mithin kein Selbstzweck, sondern dient der Offenlegung von Faktoren der Genese und Aufrechterhaltung sozialen Sinns. Auf Blumenberg wird in einem gesonderten Unterabschnitt eingegangen werden, jedoch ist schon aufgrund der philosophischen Ausrichtung seiner Metaphorologie klar, dass es ihm vor allem um ‚entwerfende‘, präskriptive Metaphern geht.

1

Kant (1907 [1798]), S. 191 f. Zuerst Blumenberg (1960). 3 Zum Verhältnis zwischen Metaphorologie und Begriffsgeschichte Blumenberg (1998), S. 13; Gabriel, S. 66 ff.; Mende (2009a) sowie Mende (2009b). 2

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B. Metaphorologische Analyse des Rechts als Perspektive (Teil 1, Theorie) 

Ohne die Leistungen der Sprachwissenschaften außer Acht zu lassen (eine Differenzierung, die ohnehin erst im Anschluss an die Moderne möglich und nötig erscheint), liegt die größere Nähe einer Untersuchung rechtlicher und rechtswissenschaftlicher Metaphern zur methodischen Metaphorologie Blumenbergs auf der Hand. An dieser Stelle sei an die hier angenommene Unterscheidung zwischen methodischer und struktureller Metaphorologie erinnert. Methodische Metaphorologie ist in einem als Rekonstruktion verstandenen Sinne metaphorologisierend tätig. Die strukturelle Metaphorologie bezeichnet eine inhaltliche Formation (wie zum Beispiel auch das Wort „Ideologie“ ontologisierend verwendet wird). 1. Aristoteles, Poetik und Rhetorik (4. Jh. v. Chr.) Aristoteles war Sprachwissenschaftler und Rechtsphilosoph. In der ersten Funktion kann er als Urvater aller modernen Metapherntheorie gelten.4 Eine Verbindung von Metapher und Recht, das bei ihm noch weniger Gesetz als Gerechtigkeit war, hat er nicht ausdrücklich gesucht oder hergestellt. Dennoch und trotz aller Schwierigkeiten5 lohnt sich eine Annäherung an das Verhältnis zwischen Metapher und ‚Recht‘ in der aristotelischen Metapherntheorie, das wissenschaftlich bisher noch kaum merklich erschlossen ist. Im Rahmen seiner überlieferten Werke behandelt Aristoteles die Metapher vor allem in der Poetik, die als „fraglos das erste Werk, das seinem Gegenstand [nicht nur der Metapher, d. Verf.] eine eigene Abhandlung widmet“, gilt6, und der Rhetorik. Die Rhetorik nimmt, wo sie von Metaphern handelt, auf die Poetik Bezug.7 Die Produktion beider Bücher durch Aristoteles wechselte sich wahrscheinlich derart ab, dass die wesentlichen Aussagen zur Metapher in der Poetik vor jenen in der Rhetorik verfertigt wurden.8 Mit Aristoteles wird die älteste heute noch gültige Definition der Metapher verbunden: „Eine Metapher ist die Übertragung eines Wortes (das somit in un­eigent­ licher Bedeutung verwendet wird)“.9 Aristoteles’ Verständnis von Metaphern gilt zudem als tiefgründiger und umfassender als das seiner Nachfolgerinnen und Nachfolger, soweit sie „Rhetoriker“ waren. Seine Perspektive ist eben „die eines Philosophen, der die Sprache dem Denken unterordnet“.10 Da die nacharistote­ 4

Vgl. statt vieler Lau, S. 141. Fuhrmann, S.  144, spricht in Bezug auf die Poetik von einer dornigen Lektüre einer Schrift in abstoßendem Gewande mit kaum noch verständlichen Andeutungen, willkürlichen Brüchen und Sprüngen, Krapinger, S.  248, von schier unüberwindlichen Schwierigkeiten beim Versuch, die erhaltenen Schriften Aristoteles’ zu übersetzen und verstehen. 6 Höffe (2009b), S. 1. 7 Aristoteles (2007 [4. Jh. v. Chr.]), S. 154 (1404b). 8 Vgl. Rapp (2002b), S. 188; Krapinger, S. 252; Fuhrmann, S. 154 f. 9 Aristoteles (2008 [4. Jh. v. Chr.]), S. 67 (1457b). 10 Kohl, S. 111. 5

I. Metapherntheorien

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lische Rhetorik geringer geschätzt wurde (und wird) als die Rhetorik in aristotelischer Zeitgenossenschaft und die Metapher geringer schätzte,11 die Metapher aber zu den „traditionell-schulmäßig zur Rhetorik gehörigen Gegenständen“ gezählt wurde,12 steht Aristoteles für einen Stand der Metapherntheorie vor Beginn der ‚Verborgenheit‘ der Metapher, die bis frühestens Kant andauerte. Katrin Kohl stellt diesen Sachverhalt folgendermaßen dar: „Während in der römischen Rhetorik die sprachliche Wirkung der Metapher im Vordergrund stand und ihr erkenntnisförderndes Potenzial daher wenig Interesse beanspruchte, galt insbesondere in der idealistischen Philosophie die Ausgrenzung der öffentlich wirksamen Sprache aus dem Reich der Ideen als axiomatisch, und auch der niedrige Status der Analogie wirkte einer produktiven Rezeption der aristotelischen Metapherntheorie entgegen.“13

a) Metaphern im Kontext der Poetik Die Poetik (orig. poiêsis) behandelt, über die Enge des Übersetzungsbegriffs hinaus, allgemein die Kunst als Erscheinung der Herstellung von etwas14 (im Folgenden nach der Übersetzung durch Fuhrmann: „die Künste“) mit dem Ziel, dass das Ergebnis gut sein solle.15 Die Künste sind Arten der Nachahmung (orig.­ mimesis).16 Das überrascht aus heutiger Sicht, da man Kunst eher mit Genie, mit „Originalität“ in Verbindung bringt. Der Grund dafür wird nachvollziehbar in Aristoteles’ Bindung an Platon gesehen, der Dichtung „aus moralischen und politischen, überdies ontologischen Gründen scharf kritisiert“.17 Die Definition der Kunst als Nachahmung durch Aristoteles ist als Versuch zu verstehen, sich von Platon zu lösen, ohne sich ganz in Gegensatz zu ihm zu setzen. Im „Möglichen“ gewisser objektiver „Wahrscheinlichkeit“ und subjektiver „Glaubwürdigkeit“, das heißt identifikatorischer Bestimmung, ahmen die Künste die Wirklichkeit im Modell nach und, gerade weil sie modellhaft handeln, ungeschichtlich.18 Zugleich nehmen sie auf die profane Wirklichkeit Bezug.19 Die Künste teilen nun mehr das Allgemeine mit, was die Geschichtsschreibung mit dem Besonderen tut.20 Anthropologisch erklärt Aristoteles die Existenz der (das Allgemeine also im Modell herausstellenden und die Wirklichkeit in diesem Modus nachahmenden) 11

Symptomatisch ist, dass die Rhetorik nach Quintilian Aristoteles’ Aussage, der Vergleich sei eine Metapher – vgl. Aristoteles (2007 [4. Jh. v. Chr.]), S. 162 (1407a), 179 (1412b) –, in die Erklärung umkehrte, die Metapher sei ein verkürzter Vergleich. 12 Vgl. Blumenberg (1998), S. 9. 13 Kohl, S. 110. 14 Vgl. Höffe (2009b), S. 2. 15 Vgl. Aristoteles (2008 [4. Jh. v. Chr.]), S. 5 (1447a). 16 Vgl. Aristoteles (2008 [4. Jh. v. Chr.]), S. 5 ff. (1447a f.). 17 Höffe (2009a), Vorwort; vgl. Fuhrmann, S. 156 f. 18 Fuhrmann, S. 171 f. 19 Höffe (2009b), S. 4. 20 Aristoteles (2008 [4. Jh. v. Chr.]), S. 29 (1451b).

32

B. Metaphorologische Analyse des Rechts als Perspektive (Teil 1, Theorie) 

Künste mit der Lust der Menschen am Lernen.21 Diese anthropologisch-pragmatische Ausrichtung der aristotelischen Poetik, die auch die Rhetorik kennzeichnet, führt dazu, dass er keine im überkommenen Sinne rationalistische Theorie ausarbeitet, was sich insbesondere in seinen Grundaussagen zur „Güte“ sprachlicher Aussagen widerspiegelt. Diese bemisst sich nämlich nicht nur nach Klarheit, das heißt insbesondere Eindeutigkeit, sondern „[d]ie vollkommene sprachliche Form ist klar und zugleich nicht banal“. Und am klarsten, aber eben banal ist sie, „wenn sie [nur, d. Verf.] aus lauter üblichen [das heißt insbesondere „eigentlichen“, d. Verf.] Wörtern besteht“.22 Das gleiche gilt im Grundsatz für die Rhetorik, die zwar die Klarheit als höchsten Vorzug eines angemessenen Stils definiert, jedoch „ist es nötig, der Sprache einen fremden Ton zu geben [durch ungewöhnliche Ausdrucksformen wie die Metapher, d. Verf.], denn man bewundert das, was entfernt ist, und was Bewunderung hervorruft, ist angenehm“.23 Klarheit und Mehrdeutigkeit schließen sich also nicht aus, indem die Mehrdeutigkeit den Effekt größerer Klarheit haben kann. Dieser Hintergrund des Ideals der „Angemessenheit“ des sprachlichen Ausdrucks – die freilich nicht abstrakt, sondern nur kontextbezogen24, für den Gegenstand der Rhetorik etwa durchaus nuanciert gegenüber dem der Poetik zu bestimmen sein mag und mit dem der „Klarheit“ nicht bedeutungsgleich ist – ist im Rahmen der folgenden Abhandlung stets im Hinterkopf zu behalten. aa) Metaphern als Ausdruck von Gedankenführung Aristoteles behandelt nun im Besonderen die Metapher in der Poetik im Rahmen der Frage, was der Tragödie zu ihrer Wirkung verhelfe.25 Sie gehört zur Sprache als Mittel, als Medium der Nachahmung. Im Hinblick auf die Rhetorik ist es wichtig festzuhalten, dass Aristoteles in der Poetik vor allem die Sprache des Erzählers im Sinn hat, weniger der in der Tragödie handelnden Personen als erzählten Erzählenden. Was die handelnden Personen („Charaktere“) selbst erzählen, ist eine Frage ihrer Erkenntnisfähigkeit, die Aristoteles auch als Gedankenführung bezeichnet.26 Er versteht darunter „das, womit sie in ihren Reden etwas darlegen oder auch ein Urteil abgeben“.27 Es handelt sich um das argumentative „Vermögen, das Sachgemäße und das Angemessene auszusprechen, was bei den Reden das 21 Aristoteles (2008 [4. Jh. v. Chr.]), S. 11 f. (1448b). Kein Zufall wohl auch im Deutschen, dass die „Neugier“ für das Streben nach (neuem) Wissen steht. Gehlen (1974), S. 290, formuliert übrigens ganz passend: „ein jeder wahre Satz war einmal interessant, bevor er selbstverständlich wurde. Der Gewinn, nicht der Besitz der Wahrheit ist reizvoll“. 22 Aristoteles (2008 [4. Jh. v. Chr.]), S. 71 (1458a). 23 Aristoteles (2007 [4. Jh. v. Chr.]), S. 154 f. (1404b); in der Poetik erscheint der Ausdruck der „angemessenen Wirkung“ bei Aristoteles (2008 [4. Jh. v. Chr.]), S. 61 (1456b). 24 Vgl. Aristoteles (2007 [4. Jh. v. Chr.]), S. 181 (1413b). 25 Aristoteles (2008 [4. Jh. v. Chr.]), S. 37 f. (1452b). 26 Vgl. Aristoteles (2008 [4. Jh. v. Chr.]), S. 21 (1450a), 61 (1456a f.). 27 Aristoteles (2008 [4. Jh. v. Chr.]), S. 21 (1450b).

I. Metapherntheorien

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Ziel der Staatskunst und der Rhetorik ist“. Da die Tragödie in erster Linie „Nachahmung einer […] Handlung“, „von Handelnden und nicht durch Bericht“ ist28, befindet sich der rechte Platz für eine Theorie der Gedankenführung in der Rhetorik, wie sie Aristoteles zur gleichen Zeit gesondert schrieb; „denn sie [die Theorie der Gedankenführung, scil.] ist eher ein Teil jener Disziplin“.29 Der poetischen Form, insbesondere der Tragödie, geht es also weniger um Überzeugung von etwas durch Argumente als durch Geschehen. Das Unterscheidungsmerkmal der Tragödie gegenüber anderen Formen des Ausdrucks ist das vor Augen geführte Geschehen. Die Geschehnisse und ihr Zusammenhang (das heißt orig. mythos) stehen im Fokus der Tragödie, es „handeln die Personen [die Schauspieler, scil.] nicht, um die Charaktere nachzuahmen, sondern um der Handlungen willen beziehen sie Charaktere ein“.30 Aristoteles irrt zwar durchaus nicht darüber, dass man Argumentationsvermögen nicht ganz ausklammern kann (die Charaktere handeln ja auch sprechend), dass man „auch bei den Geschehnissen von denselben [rhetorischen, d. Verf.] Verfahren Gebrauch machen muss […] Allerdings besteht insofern ein Unterschied, als sich die[se] Wirkungen bei Geschehnissen ohne lenkende Hinweise einstellen müssen, während sie bei allem, was auf Worten [und nicht auf Taten, d. Verf.] beruht, vom Redenden hervorgerufen und durch die Rede erzeugt werden müssen. Denn welche Aufgabe hätte der Redende noch, wenn sich die angemessene Wirkung auch ohne Wort einstellte?“31

Die Geschehnisse sprechen also anschaulich32 für sich selbst, weshalb es hier weniger auf die Sprache ankommt, während bei der bloßen Gedankenführung die Sprache das Geschehen funktional ersetzt. Diese Unterscheidung führt dazu, der Gedankenführung einen eigenen systematischen Ort in der Rhetorik zuzuweisen. Steht in der Poetik also die nicht (notwendig) sprachliche Handlung im Vordergrund und ist Sprache bloß ein Instrument der Gedankenführung, auf dem die Handlung nicht zwingend beruht, ist es schlüssig, die Sprache im Rahmen der­ Poetik bedeutungsmäßig unterhalb der Gedankenführung anzusiedeln.33 Denn „[z]ur Gedankenführung gehört, was mit Hilfe von Worten zubereitet werden soll. Teile davon sind das Beweisen und Widerlegen […], ferner das Verfahren, einem Gegenstande größere oder geringere Bedeutung zu verleihen“.34 In philosophisch in jüngerer Zeit belegten Begriffen ließe sich vielleicht andeuten, dass Poetik eher ein Sein betrifft, die Rhetorik dagegen ein Bewusstsein. Solche Metaphern, die 28

Aristoteles (2008 [4. Jh. v. Chr.]), S. 19 (1449b). Aristoteles (2008 [4. Jh. v. Chr.]), S. 61 (1456a); vgl. auch Aristoteles (2007 [4. Jh. v. Chr.]), S. 181 (1413b), wonach der Stil der Streitrede am ehesten der Kunst eines Schauspielers entspricht, und – sekundärliterarisch – Rapp (2002b), S. 187 f. 30 Aristoteles (2008 [4. Jh. v. Chr.]), S. 21 (1450a). 31 Aristoteles (2008 [4. Jh. v. Chr.]), S. 61 (1456b) (Herv. d. Verf.): vgl. S. 23 (1450a f.), wonach „das Fundament“ der Zusammenhang in der Abfolge der Geschehnisse (orig. mythos) sei vor zweitens den Charakteren, drittens der Gedankenführung und, erst viertens, der Sprache. 32 Vgl. Aristoteles (2008 [4. Jh. v. Chr.]), S. 53 f. (1455a). 33 Aristoteles (2008 [4. Jh. v. Chr.]), S. 23 (1450a f.). 34 Aristoteles (2008 [4. Jh. v. Chr.]), S. 61 (1456b). 29

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B. Metaphorologische Analyse des Rechts als Perspektive (Teil 1, Theorie) 

politische bzw. im rechtsphilosophischen Sinne normative Aussagen, also eben Aussagen zur Gedankenführung betreffen, wären also nicht im Rahmen der P ­ oetik, sondern der Rhetorik in den Blick zu nehmen. Nur wenn es am Ende in der aristotelischen Rhetorik keine Ausführungen zur Metapher gäbe, würde das bedeuten, dass Aristoteles ihr keine Bedeutung für die rechte Gedankenführung zumäße. Dies ist, wie schon angedeutet wurde, nicht der Fall. bb) Grunddefinition(en) der Metapher Dennoch sind die Ausführungen, die Aristoteles in der Poetik zur Metapher macht, erheblich. Denn in der Rhetorik gibt es einen Hinweis darauf, dass er die Ausführungen zur Metapher zwar im Rahmen der Poetik (im Abschnitt über die Sprache) für von untergeordneter Bedeutung hielt und sich daher auf allgemeine, grundlegende Aussagen beschränkte. Dies ist nachvollziehbar, da die Poetik sich für ihn ja anders als das heutige Wortverständnis nicht hauptsächlich auf sprachliche Phänomene, sondern auf die körperliche Darstellung von Geschehnissen bezog. Gerade als allgemeine, grundlegende Ausführungen sind seine Aussagen jedoch gewissermaßen als allgemeiner Teil der Rhetorik zugrunde gelegt.35 Sprache allgemein ist in der Poetik nun als Verständigung durch Worte definiert.36 „Jedes Wort ist entweder ein üblicher Ausdruck, oder eine Glosse [ein Fremdwort, scil.], oder eine Metapher, oder ein Schmuckwort, oder eine Neubildung, oder eine Erweiterung, oder eine Verkürzung, oder eine Abwandlung“.37 An dieser Stelle kommt es zu der für die aristotelische wie alle nachfolgende Rhetorik grundlegenden (hier vollständig wiedergegebenen) Definition: „Eine Metapher ist die Übertragung eines fremden Nomens, entweder von der Gattung auf die Art oder von der Art auf die Gattung oder von einer Art auf eine andere oder gemäß der Analogie.“38

Diese Definition wirkt heute insgesamt befremdlich, weil sie sich zum Teil nicht mit dem heutigen Sprachgebrauch deckt. Das gilt insbesondere für die beiden erstgenannten Formen der Metapher.39 Während die Analogie heute gerade im juristischen Wortgebrauch mehr eine Methode als eine Figur der Argumentation bezeichnet, leuchtet nur die dritte Form der „Übertragung“ (orig. von metà phérein „anderswohin tragen“, von einer Art auf eine andere) spontan ein. Die beiden erstgenannten Formen sind am besten verständlich vor dem Hintergrund eines plato 35

Aristoteles (2007 [4. Jh. v. Chr.]), S. 154 (1404a). Aristoteles (2008 [4. Jh. v. Chr.]), S. 23 (1450b). 37 Aristoteles (2008 [4. Jh. v. Chr.]), S. 67 (1457b). 38 Vgl. Aristoteles (2008 [4. Jh. v. Chr.]), S. 67 (1457b) und Rapp (2002a), S. 921. 39 Vgl. Rapp (2002a), S. 923 f., und weiter Lau, S. 158, der – ähnlich Schramm, S. 186 – sogar die Übertragung von einer Art auf die andere für „kaum“ metaphorisch im heutigen Sinne hält. 36

I. Metapherntheorien

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nisch geprägten, stabilen, topologischen Sprachmodells.40 Pointiert lässt es sich derart beschreiben, dass jedem Wort ein eigener Gegenstand, ein definierter „Ort“ in der (profanen oder metaphysischen) Welt entspricht. „Wörter sind nämlich Nachahmungen“.41 In diesem Denken haben „Gattung“ und „Art“ im wörtlichen Sinne unterschiedliche Bedeutungsbereiche. Dies ist ein anderes Denken als das heutige, wo das Besondere als Teil des Allgemeinen verstanden wird und sich vom einen auf das andere schließen lässt. Deshalb gilt es heute üblicherweise nicht als Metapher, als ‚Übertragung‘, den Zustand eines Schiffes mit dem allgemeineren Ausdruck „still stehen“ anstelle des spezifischeren Ausdrucks „vor Anker liegen“ zu beschreiben.42 Interessant und – wie gezeigt werden wird – von für den Gegenstand dieser Untersuchung grundlegender Relevanz sind die beiden letztgenannten Formen der Metapher (von einer Art auf eine andere oder nach den Regeln der Analogie). Als komplementäre Beispiele für die Übertragung von einer Art auf die andere nennt Aristoteles (sinngemäß) „mit einem Schlachtmesser das Leben abschöpfen“ und „Wasser mit einem Becher aus dem Fluss schneiden“, denn die eins für das andere übertragenen Wörter sind jeweils Arten des Wegnehmens, im einen Fall eines flüssigen, im anderen eines festen Materials.43 Die Analogie, die in der Rhetorik eine herausragende Bedeutung erlangt, wird definiert als „eine Beziehung, in der sich die zweite Größe zur ersten ähnlich verhält wie die vierte zur dritten. Dann verwendet der Dichter statt der zweiten Größe die vierte oder statt der vierten die zweite; und manchmal fügt man hinzu, auf was sich die Bedeutung bezieht, für die das Wort eingesetzt ist.“44

So nenne ein Dichter etwa eine Trinkschale „Schild des Dionysos“ und einen Schild des Ares „Schale des Ares“, oder spreche vom „Abend des Lebens“ und vom „Alter des Tages“. Besonders die beiden erstgenannten Beispiele machen die Verwandtschaft von Metapher von Art zu Art und Analogie deutlich. Denn man kann auch sagen, dass sich zum festen Material (erste Größe)  das Abschneiden (zweite Größe) verhält wie zum flüssigen Material (dritte Größe) das Abschöpfen (vierte Größe), so dass der Dichter die zweite und die vierte Größe vertauschen kann. Umgekehrt könnte man Schild und Schale als Arten der Gattung gewölbten Metalls bezeichnen. Die Unterscheidung beider Metaphernformen ist möglicherweise auf das beschriebene topologische Sprachmodell zurückzuführen, durch das Aristoteles geprägt war. Wenn es in seiner Sprache keinen gebräuchlichen Gattungsbegriff mit der Bedeutung gewölbten Metalls gab, so gab es diese Gattung

40

Vgl. Kohl, S. 25 f., 108; weiter Lau, S. 174; nachvollziehbar kritisch Schmitt, S. 632, 637. Aristoteles (2007 [4. Jh. v. Chr.]), S. 154 (1404a). 42 Aristoteles (2008 [4. Jh. v. Chr.]), S.  67 (1457b). Vgl. in diesem Zusammenhang aber­ Lakoff/Johnson (2008 [1980]), S. 101 f., zum Zusammenhang von Metapher und Subkategorisierung mit der Behauptung, beide Begriffe beschrieben nur Endpunkte eines Kontinuums. 43 Aristoteles (2008 [4. Jh. v. Chr.]), S. 69 (1457b). 44 Aristoteles (2008 [4. Jh. v. Chr.]), S. 69 (1457b). 41

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B. Metaphorologische Analyse des Rechts als Perspektive (Teil 1, Theorie) 

nicht und man musste auf die Analogie der Beziehungen ausweichen.45 Die Analogie ist das Instrument, um die Ähnlichkeit zwischen Dingen, die verschiedenen Gattungen angehören, zu erfassen.46 Gegenüber der analogischen Metapher sind die drei bei Aristoteles zuerst genannten Typen als generische, dem Genosprinzip folgende Metaphern zu kennzeichnen, weil sie auf Teilhabe am onto- oder begriffslogisch Selben beruhen.47 cc) Metapher(n) als Erkenntnisleistung In Hinblick auf die, wie beschrieben wurde, anthropologisch-pragmatisch begründete Angemessenheit des sprachlichen Ausdrucks erklärt Aristoteles in der Poetik, dass Klarheit und Ungewöhnlichkeit durch eine maßvolle und abwechslungsreiche Verwendung aller Ausdrucksformen (also nicht nur der Metapher in ihren Formen, sondern auch der gewöhnlichen Ausdrücke, der Glossen, Abwandlungen etc.), miteinander vereinbart werden sollten. „Es ist wichtig, dass man alle die genannten Arten passend verwendet […]; es ist aber bei weitem das Wichtigste, dass man Metaphern zu finden weiß. Denn dies ist das Einzige, das man nicht von einem anderen erlernen kann, und ein Zeichen von Begabung. Denn gute Metaphern zu bilden bedeutet, dass man Ähnlichkeiten zu erkennen vermag.“48

An Stellen wie dieser wird eine positive Einstellung des Aristoteles gegenüber Metaphern, die er als gelungen bezeichnet, deutlich, die heute noch unwirklich erscheint. Die gelungene Metapher gilt nicht als etwas Falsches, sondern erwächst einer nicht zwingenden Logik des Sachverhalts. Als Juristin oder Jurist mag man daran denken, wie schwer es ist, eine rechtliche Analogie als quasi zwingend darzustellen, und dass das Analogieverbot des Strafrechts dieser Kontingenz negativ Rechnung trägt. Dieter Lau geht auf der Basis einer profunden Analyse des aristotelischen Gesamtwerkes so weit, zu erklären: „Die aristotelische Metaphorologie begreift die Metapher als sprachlichen Ausdruck von Ordnung, d. h. von Relationen, in denen der Standort der Dinge und ihre Funktion im Ganzen des Seienden zur Sprache kommen. Diese Theorie der Metapher lässt sich deshalb – ­sowohl im Hinblick auf die Metaphernbildung wie auf die ihr korrespondierende Metapherninterpretation – verstehen als Teil einer Hermeneutik des Seienden. Metaphernverständnis, das auf dieser Auslegekunst beruht, ist ein Erfassen von Ordnungs­zusammen­ hängen.“49 45

Vgl. in diesem Zusammenhang Rapp (2002a), S. 891. Ausführlichst zur Unterscheidung zwischen generischen und analogischen Metaphern Lau, S. 148 ff. (152), 166 ff. 47 Vgl. dazu Lau, S. 152. 48 Aristoteles (2008 [4. Jh. v. Chr.]), S.  77 (1459a); vgl. Aristoteles (2007 [4. Jh. v. Chr.]), S. 156 (1405a], wonach man sich die Metapher „nicht von einem anderen aneignen“ könne. 49 Lau, S. 174. 46

I. Metapherntheorien

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b) Metapher(n) im Kontext der Rhetorik Wie festgestellt wurde, versteht Aristoteles seine Äußerungen in der Poetik zum sprachlichen Ausdruck zwar als über deren Gegenstandsbereich hinaus allgemein, also auch für die Rhetorik Geltung beanspruchend. Zugleich ist die Rhetorik als Gegenstück zur Dialektik in ihrem Nutzen und ihrer Anwendung dis­ ziplinübergreifend, was durchaus zu ihrer in der Poetik erklärten Bedeutung für die durch die Charaktere der Tragödie geäußerte Gedankenführung passt.50 aa) Rhetorik als Darstellung des Überzeugenden Die Rhetorik ist nun wie die Dialektik der Fähigkeit zuzuordnen, „ein Argument einerseits zu hinterfragen, andererseits zu begründen, einerseits zu verteidigen, andererseits zu erschüttern“.51 Beide sind im heutigen allgemeinsprachlichen Sinne logisch, das heißt sie bedienen sich eines Schlussverfahrens. Wobei sich beide vor anderen Wissenschaften dadurch auszeichnen, dass sie durch Schlüsse Gegensätze beweisen. Diese gemeinsame Eigenschaft könnte man vielleicht beschreiben als perspektivische Zweiseitigkeit oder Doppelbödigkeit. Beide berücksichtigen (!) im Einen zugleich immer das Gegenargument. Wie sich Dialektik und Rhetorik hinsichtlich der Realisierung dieser Fähigkeit unterscheiden, was die eine das Gegenstück der anderen sein lässt (die Übersetzung als „Gegenstück“ mag vielleicht glücklicher ein Ergänzungsstück meinen), wird verständlich unter dem Gesichtspunkt dessen, was oben schon als anthropologisch-pragmatische Haltung Aristoteles’ bezeichnet wurde. Die Dialektik ist gewissermaßen die innere und die maßgebliche (!) Ausführung der gleichen Absicht wie der Rhetorik, nämlich das Wahre zu erkennen. Doch während die Dialektik der auch monologischen Erkenntnis des Wahren dient, ist die Rhetorik darauf gerichtet, diese Erkenntnis nach außen zu vermitteln und zwar in einer den sozialen Bedingungen angemessenen Art und Weise. Die Dialektik ist der Prozess der Erkenntnis selbst52, die Rhetorik betrifft die effektive Darstellung ihres Ergebnisses. „Die Rhetorik sei also als Fähigkeit definiert, das Überzeugende, das jeder Sache innewohnt, zu erkennen.“53 Das setzt ein grundlegendes Verständnis der Sache voraus, das Sache der Dialektik ist.54 Das Überzeugende (als Minus zu den Umständen und Eigenschaften einer Sache insgesamt) zu erkennen, ist notwendig, „weil Wahrheit und Gerechtigkeit von Na 50

Vgl. Krapinger, S. 250 f. Aristoteles (2007 [4. Jh. v. Chr.]), S. 7 (1354a). 52 Ausführlich zum aristotelischen Begriff der Dialektik insbesondere im Gegensatz zur Wissenschaft (im Geltungsmodus heutiger Naturwissenschaft), weil sie es „überwiegend mit Sätzen zu tun hat, die selbst [noch] nicht wissenschaftlich qualifiziert sind“, Rapp (2002b), S. 237 ff. (264). 53 Aristoteles (2007 [4. Jh. v. Chr.]), S. 11 (1355b) (Herv. d. Verf.). 54 Vgl. Aristoteles (2007 [4. Jh. v. Chr.]), S. 12 (1355b): „Die Rhetorik hingegen scheint sozusagen an dem, was ihr vorgegeben ist, das Überzeugende sehen zu können“ (Herv. d. Verf.). 51

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B. Metaphorologische Analyse des Rechts als Perspektive (Teil 1, Theorie) 

tur aus stärker sind als deren Gegenteile, so dass, wenn Entscheidungen ungebührlich ausfallen, diese [die Gegenteile, scil.] unterliegen müssten“.55 Das ist aber nicht der Fall. Denn es gibt Menschen, bei denen ist es „nicht einmal dann, wenn wir das gründlichste Wissen hätten, leicht, aus diesem Wissen schöpfend sie durch eine Rede zu überzeugen“.56 Menschen sind aufgrund ihrer Vorurteile nicht immer in der Lage, leicht das Wahre einzusehen, müssen da abgeholt werden, wo sie sind, und in der Zeit, die sie haben, will man sie überzeugen. Und „die wissenschaftliche [das ist wohl im Wesentlichen die dialektisch begründende, Verf.] Belehrung ist ein systematischer Vortrag, das aber ist unmöglich“, wie Aristoteles realistisch feststellt.57 Vor diesem Hintergrund ist besonders aus rechtswissenschaftlicher Perspektive erwähnenswert, dass Aristoteles in der Rhetorik im Gegensatz zur Poetik ja gerade keine künstlerischen, sondern politische Situationen im Kopf hat: seine Gegenstände sind die Gerichtsrede, die politische Rede und die Festansprache. In keinem Fall hatte es der Redner mit Fachpublikum im modernen Sinne zu tun. Richter waren durch Los bestimmte Laienrichter, die über keine Gesetzeskenntnis verfügten und über die einschlägigen Gesetzesbestimmungen von den Parteien informiert werden mussten.58 Der Redner war, da im Gerichtsprozess nicht etwa ein schriftliches Vorverfahren (vgl. § 276 ZPO) existierte, sondern sich dieser wie die politische Rede auf eine zeitlich und räumlich klar definierte, menschelnde Situation konzentrierte, in der Vermittlung des Ergebnisses seines Erkenntnisprozesses auf Verkürzung angewiesen. Da man das richtige Ergebnis in einer solchen Situation nicht wissenschaftlich herleiten kann, leuchtet Aristoteles’ Schlussfolgerung für den Redner ein: „vielmehr muss man Beweise und Argumente aus Gemein­ plätzen wählen“.59 Das Überzeugende, das jeder Sache innewohnt, liegt in dem, woraus sich vor Gericht und in der politischen Versammlung aufgrund verbreitet vorbekannter Prämissen das richtige Ergebnis am besten herleiten lässt. Es ist mithin „nicht ihre [der Rhetorik, Verf.] Aufgabe […], zu überreden, sondern zu erkennen, was […] jeder Sache an Überzeugendem zugrunde liegt“.60 Die Rhetorik setzt mit ihrem Schlussverfahren also nicht wie die Dialektik an einer im streng logischen Sinne notwendigen Stelle, sondern an einer unter dem Gesichtspunkt der Überzeugung unter bestimmten sozialen Umständen geeigneten Stelle an. Aus dieser Selektivität der Rhetorik ergibt sich auch die Missbrauchsanfälligkeit ihres Vermögens, wobei Aristoteles – anders als die Sophistik seiner Zeit und der heutige Sprachgebrauch  – Rhetorik als ethisch strenge Tätigkeit definiert.61 Der Unterschied zwischen Rhetorik und Sophistik liegt nicht in der Fähigkeit, sondern in der Absicht, also in der Gesinnung. Dialektik hingegen orientiert sich am 55

Aristoteles (2007 [4. Jh. v. Chr.]), S. 10 (1355a) (Herv. d. Verf.). Aristoteles (2007 [4. Jh. v. Chr.]), S. 10 (1355a). 57 Aristoteles (2007 [4. Jh. v. Chr.]), S. 10 (1355a). 58 Rapp (2002b), S. 197 ff. (201). 59 Aristoteles (2007 [4. Jh. v. Chr.]), S. 10 (1355a). 60 Aristoteles (2007 [4. Jh. v. Chr.]), S. 11 (1355b). 61 Dies ist umstritten, vgl. Rapp (2002b), S. 322. 56

I. Metapherntheorien

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einzig Notwendigen. Dialektiker wird man also „nicht nach seiner Absicht, sondern nach seinem Können“.62 Die Dialektik steht damit eher auf einer Stufe mit der Poetik als mit Rhetorik und Sophistik. Der bisher aufgespannte Rahmen ist aufgrund des Vorverständnisses, das wir heute jeder mit „Rhetorik“ bezeichneten Lehre entgegenbringen, wichtig, um einschätzen zu können, welche funktionale und wertungsmäßige Stellung der Metapher im 2500 Jahre alten, deshalb schwer zugänglichen aristotelischen Textgefüge zukommt. bb) Metaphern als angemessene Ausdrucksweisen des Überzeugenden Dazu, das Überzeugende zu erkennen, gehört zum einen zu wissen, was man sagen muss, zum anderen aber auch, wie man es sagen muss. Letzteres bezeichnet den „sprachlichen Ausdruck“, der an der Erzeugung der Glaubwürdigkeit der besprochenen Dinge teilhat.63 Auch in der Rhetorik gilt für Aristoteles nun Klarheit als höchster Vorzug des sprachlichen Ausdrucks, zumal es ja Aufgabe einer Rede sei, eine Botschaft zu vermitteln. Die Angemessenheit der Rhetorik tendiert daher mehr in Richtung der Klarheit als in der Poetik, weil es für die Rhetorik weniger darauf ankommt, besonders würdevoll ein Gefühl der Bewunderung zu erzeugen, als vielmehr der Identifikation, weshalb der Redner unauffällig ans Werk gehen soll.64 Deshalb sind die in der Poetik genannten Ausdrucksformen in der Rhetorik nicht angemessen, mit einer Ausnahme: „Nur das Wort in seiner vorherrschenden und eigentümlichen Bedeutung aber und nur die Metapher sind für den sprachlichen Ausdruck von Prosareden anwendbar.“65 Denn, so macht Aristoteles deutlich, alle Menschen gebrauchen Metaphern und sind sie daher gewohnt, so dass „der Ausdruck an Klarheit gewinnen wird“ und zugleich „sich unbemerkt ein fremdartiger Ton einstellen“ wird, der wie oben beschrieben anregend auf die Menschen wirkt (einen „geistvollen Reiz“ ausübt66).67 Für die Rhetorik schränkt Aristoteles indes anscheinend die angemessenen Arten der Metapher auf die Analogie ein, denn sie ist am subtilsten, ihr Vergleichsgesichtspunkt ist treffend, und gerade deshalb verborgen.68 Dabei erscheint die angemessene Metapher nicht weit her geholt, auch wenn die Gegenstände ihrer Gleichsetzung weit auseinander liegen.69 Die anderen Formen der Metapher fallen dagegen besonders ins Auge, weil die Bedeutun-

62

Aristoteles (2007 [4. Jh. v. Chr.]), S. 11 (1355b). Aristoteles (2007 [4. Jh. v. Chr.]), S. 152 (1403b). 64 Aristoteles (2007 [4. Jh. v. Chr.]), S. 155 (1404b). 65 Aristoteles (2007 [4. Jh. v. Chr.]), S. 155 f. (1404b). 66 Aristoteles (2007 [4. Jh. v. Chr.]), S. 177 (1412a). 67 Aristoteles (2007 [4. Jh. v. Chr.]), S. 156 (1404b). 68 Vgl. Aristoteles (2007 [4. Jh. v. Chr.]), S. 175 ff. (1411a ff.). 69 Vgl. Aristoteles (2007 [4. Jh. v. Chr.]), S.  160 f. (1406b); 177 (1412a). Vgl. zu diesem scheinbaren Widerspruch Rapp (2002a), S. 911 f. 63

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gen zu sehr beieinander liegen.70 Die Metapher dient schließlich auch dazu, „etwas Tätiges“71 „vor Augen zu führen“72, was wiederum auf die Poetik verweist.73 cc) Metapher(n) und enthymemische Konfiguration Von großer Bedeutung für die aristotelische Rhetorik ebenso wie für die juristische Rhetorikforschung der Gegenwart ist das heute außer bei Spezialistinnen und Spezialisten recht unbekannte Enthymem. Von Schlieffen bezeichnet im juristischen Zusammenhang das Enthymem als „das Argumentationsmodell der Rhetorik“, das besser zur Erklärung juristischen Begründens geeignet sei als die von der herrschenden Lehre unter dem Namen „Syllogismus“ tradierten Argumentationsmodelle.74 Deshalb liegt es ungeachtet dessen, dass es für heute fraglich ist, ob man von „dem“ Enthymem hinreichend verständlich und sinnvoll sprechen kann, nahe, nach einem Zusammenhang zwischen Enthymem und Metapher für Aristoteles zu fragen. Dazu findet sich in Primär- und Sekundärliteratur fast nichts außer bei Aristoteles der seltene Hinweis, dass – in der Übersetzung Krapingers – „Enthymeme […] durch die Worte selbst Gefallen [finden, scil.], wenn sie eine Metapher bilden“.75 In der Übersetzung Rapps, „[h]insichtlich des Gedankens des Gesagten kommen derartige Enthymeme gut an, hinsichtlich der sprachlichen Form (kommt es) […] durch die Auswahl der Nomen (gut an), wenn sie eine Metapher enthalten und diese weder sonderbar ist, denn dann ist es schwierig, den Zusammenhang zu sehen, noch oberflächlich, denn dann bewirkt sie nicht, dass einem etwas widerfährt“,76

wird deutlich, dass sich das „sie“ in beiden Übersetzungen auf die Worte (Nomen) bezieht und nicht auf die Enthymeme. Enthymeme finden also durch die Worte selbst Gefallen, wenn die Worte eine Metapher bilden. Sie überzeugen also besonders gut, wenn sie metaphorisch formuliert sind. Wichtig ist wiederum in diesem Stadium rechtswissenschaftlicher Metaphorologie der Eindruck, dass das rhetorische Argument, das Enthymem (dabei auch als Denkform verstanden), und die Metapher (dabei eher als Präsentationsform 70

Aristoteles (2007 [4. Jh. v. Chr.]), S. 156 (1405a). Aristoteles (2007 [4. Jh. v. Chr.]), S. 176 (1412a). 72 Aristoteles (2007 [4. Jh. v. Chr.]), S. 158 (1405b). 73 Aristoteles (2008 [4. Jh. v. Chr.]), S. 53 f. (1455a). 74 Schlieffen (2011), S. 310 ff. (312); vgl. auch Gröschner, S. 209 f. 75 Aristoteles (2007 [4. Jh. v. Chr.]), S. 173 (1410b), Herv. d. Verf. Lau erwähnt das Enthymem mit keinem Wort, Rapp (2002a), S.883 ff., 912, stellt Enthymeme und Metapher leider nur vergleichend gegenüber, ohne ihre mögliche Verschränkung zu thematisieren. In Maßen anders jedoch Schmitt, s. dazu unten. Ausführlicher, aber nicht im engeren Sinne aristotelisch Dahiyat, S. 44. 76 Rapp (2002b), S. 144 f. (1410b). 71

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verstanden) eine Liaison mit Mehrwert einzugehen vermögen. Auch ihre Erfolgs­ bedin­gun­gen gleichen sich, denn beide erzielen nur die erwünschte Wirkung, wenn sie geistreich, das heißt weder oberflächlich noch unverständlich sind, und darin treffend.77 Christof Rapp schließt feinsinnig aus dem Umstand, dass Aristoteles mitten im Abschnitt über die sprachliche Form auf die Gedankenführung zu sprechen komme, darauf, dass Aristoteles entdecke, dass „der geistreiche[…] Eindruck keine Frage der sprachlichen Formulierung allein ist“.78 Aristoteles geht indes trotz der auffälligen Verbindungslinien nicht soweit, auch nicht in der Rekonstruktion Rapps, Enthymem und Metapher zusammenzuführen.79 Es läge Aristoteles allerdings, so wird an dieser Stelle ganz deutlich, fern, Metaphern im Gegensatz zum richtigen Ausdruck eines Gedankens zu sehen. c) Interpretationen der Aristotelik In seinem Kommentar der Rhetorik geht Rapp auch ausführlich auf den aristotelischen Begriff der Metapher ein. Besonders verdienstvoll erscheint dabei im hier interessierenden Zusammenhang die Herausarbeitung der anthropologischen Fundierung der aristotelischen Philosophie überhaupt.80 Zutreffend verweist er auf die gerade unter dem ‚Gesichtspunkt‘ der Metapher interessante Einleitung der Metaphysik des Aristoteles: „Allgemein in der menschlichen Natur liegt der Trieb nach Erkenntnis. Das zeigt sich schon in der Freude an der sinnlichen Wahrnehmung, die auch abgesehen von Nutzen und Bedürfnis um ihrer selbst willen geschätzt wird, und vor allem der Gesichtswahrnehmung. Denn nicht bloß zu praktischem Zweck, sondern auch ohne jede derartige Rücksicht legt man auf die Gesichtswahrnehmung im ganzen und großen einen höheren Wert als auf jede andere, und zwar deshalb, weil gerade sie vom Gegenstande die deutlichste Erkenntnis vermittelt und eine Fülle von unterscheidenden Beschaffenheiten an ihm erschließt.“81

In der Rhetorik liest sich dieselbe Grunderkenntnis mit Anschluss an die Poetik so: „Auch Lernen und Staunen ist in den meisten Fällen angenehm, denn im Staunen steckt die Begierde zu lernen, so dass das Bestaunte etwas Begehrtes ist, im Lernen der Vorgang, sich in den naturgemäßen Zustand zu versetzen. […] Da Lernen und Staunen Freude bereiten, muss das auch auf das Nachbilden, z. B. in der Malerei, Bildhauerei und Dichtung zutreffen, ja überhaupt auf jede gute Nachbildung, auch wenn der Gegenstand der Nachbildung selbst nicht Freude erweckt, denn nicht über ihn empfindet man Freude, sondern hier kommt es zu einem logischen Schluss, dass dieses jenes abbilde, so dass ein Lernprozess abläuft. […] Auch Unvollständiges zu vollenden ist angenehm, denn es ist unmittelbar unser Werk.“82 77

Vgl. Rapp (2002a), S. 912. Rapp (2002a), S. 893. 79 Vgl. dazu insbesondere Rapp (2002a), S. 893; außerdem Taureck (2004), S. 43. 80 Vgl. analog zur Poetik Schmitt, S. 126 ff. 81 Aristoteles (1907 [4. Jh. v. Chr.]), S. 6. 82 Aristoteles (2007 [4. Jh. v. Chr.]), S. 56 f. (1371a f.). Vgl. auch zum „Werk“ im Kontext der aristotelischen Poetik Schmitt, S. 107 f. 78

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Nach Aristoteles bewirke „vor allem die Metapher einen Lernprozess“, denn sie sei erkenntniserweiternd, „indem sie das, worauf sie referiert, zugleich metaphorisch beschreibt“, also einen Aussage über das enthalte, was sie im engeren Sinne bedeute. Der Leser oder Hörer (Rezipient) einer Metapher erlebe in ihrem Verstehen einen sehr dichten Lernprozess: die Gemeinsamkeit im Verschiedenen, die die Angemes­ senheit der Metapher begründe, müsse von dem, der die Metapher zu verstehen versuche, herausgefunden werden, so dass ihm etwas „widerfahre“.83 Der ‚logische Skandal‘ der In-Eins-Setzung verschiedener Dinge provoziere, so Rapp im Ergebnis, eigene „Aktivität“84, Erkenntnis statt, wie schon eher beim expliziten Vergleich, bloß Nachvollzug und Anerkenntnis der Erkenntnis eines oder einer anderen.85 Arbogast Schmitt versteht in seinem Poetik-Kommentar Aristoteles dahingehend, dass die Metapher von allen nicht banalen Ausdrucksweisen am meisten der Poetik gemäß sei, weil Metapher und Poetik eine analoge Innenstruktur hätten. Denn auch in der Metapher „steht das Einzelne, das sie bezeichnet, für etwas anderes, etwas Allgemeines, etwas All­ gemei­nes für etwas weniger Allgemeines oder Individuelles, oder umgekehrt: etwas Besonderes für etwas Allgemeines oder für ein vergleichbar Anderes, usw. Auch in der Metapher wird das Allgemeine oder das Verglichene nicht ausgesprochen, sondern ist in prägnanter und dadurch deutlich begreifbarer Weise in ihr mitenthalten.“86

Der Metapher liege ein „unausdrücklicher Schluss“ zugrunde, der nicht ausdrücklich gemacht werden müsse, weil die ihm enthaltenen Prämissen in einem unter- oder vorbewussten Denkvorgang, so wird man Schmitt verstehen müssen, „leicht und schnell“ unterschieden und richtig zur Einheit einer Aussage miteinander verbunden würden.87 Die Annahme, dass es sich um unter- oder vorbewusste Prozesse handelt, konvergiert mit der Interpretation Rapps, dass die aktivierende Wirkung der Metapher „rein begrifflich“ ohne „innere Bilder“ funktioniere.88 Schmitt formuliert passend zu seinem Verständnis der aristotelischen Metapher als (unter anderem) Schlussverfahren deren Ähnlichkeit mit dem Enthymem deutlicher: „Eine Metapher ist gut, wenn sie wie ein gutes Enthymem gebaut ist“.89 Und er hebt im Kontext der Poetik als Lehre menschlicher ‚Konstruktion‘ die nur subjektivistisch zu erfassenden Grundfunktion der Metapher hervor: Die Metapher stehe „nicht für sich selbst, sondern für etwas anderes. Dieses Andere ist kein Ding, keine Sache der Seinsordnung, sondern eine Aussageintention des Dichters, die er aber nicht direkt mitteilt, sondern so, dass sie der mitdenkende Leser erschließen muss […] und sie wird nur verstanden, wenn der Schluss, aus dem sie entstanden ist, vom Leser rekonstruiert wird.“90 83

Vgl. insgesamt Rapp (2002a), S. 885 ff., 889. Vgl. Rapp (2002a), S. 895, 904 ff. 85 Vgl. Rapp (2002a), S. 892 f. 86 Schmitt, S. 623. 87 Vgl. Schmitt, S. 100 f.; 634 ff. 88 Rapp (2002a), S. 909; Schmitt, S. 630. 89 Schmitt, S. 635, vgl. auch S. 638. 90 Schmitt, S. 636. 84

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Die aristotelische Metapher folgt in der Interpretation Schmitts dem Konstruktionsprinzip von Dichtung oder Kunst überhaupt, eine abstrakte Erkenntnis ohne Abstraktion auszudrücken. Er zeigt schließlich an mehreren Stellen dankbarerund konsequenterweise Sympathie für sogleich weiter zu erläuternde Deutungsweisen arabischer Aristoteles-Kommentatoren um die erste Jahrtausendwende nach Christus,91 die die Erinnerung an Aristoteles lange Zeit wach hielten.92 d) Exkurs: Arabische Post-Aristotelik Die so angesprochene arabische Tradition der aristotelischen Poetikrezeption ist schon aus aktuellen weltkulturpolitischen Gründen interessant, im hier interessierenden Zusammenhang aber vor allem, weil sie – auf nach dem heutigen Stand der Forschung unzutreffenden Vorannahmen aufbauend – die „alternative Rationalität“93 der Poetik darin herauszuarbeiten suchte, dass sie die Funktion der Poetik in einem spezifischen Schlussverfahren, einem (in der englischen Übersetzung) „imaginative syllogism“ begründet sah.94 Als Fehler gelten heute die Einordnung der Poetik in die insgesamt Organon genannten logischen Schriften des Aristoteles und die Berücksichtigung pseudo-aristotelischer Abhandlungen über die Poetik.95 Die arabische Rezeption der Poetik kann deshalb nicht im engeren Sinne als aristotelisch gelten. Was als „imaginative syllogism“ bezeichnet wird, führt zu einer spezifisch poetischen Form der Überzeugung, die sich bewusst nicht auf einen verifizierbaren Umstand bezieht, sondern auf die Glaubhaftigkeit einer Behauptung mehr der syllogistischen Form nach, aufgrund derer sie „imaginative or psychological assent“ findet.96 Inhaltlich beruht der „imaginative syllogism“ gerade nicht auf Wahrheitsoder Wahrscheinlichkeitsbeweis, sondern bloßer Glaubhaftigkeit eines möglichen Schlusses. Aussagen, „which are not evident should be elucidated in a poetic – not rhetorical – way that makes their truth evident.“97 Die Metapher wird in diesem Kontext gesehen als Ausdruck einer virtuellen und der Zuhörerschaft gefallenden Analogie (Ähnlichkeitsbeziehung), nicht als (was Gegenstand anderer Disziplinen wäre) Behauptung einer tatsächlichen Ähnlichkeitsbeziehung. „Formal ähnelt die Metapher einem künstlichen Syllogismus, der seine zwei Prämissen versteckt. Strukturell hat die Metapher mit anderen Worten drei Terme: eine ausdrückliche Schlussfolgerung und zwei versteckte Prämissen. Die Beziehung zwischen beiden Prämissen basiert auf potenzieller Analogie und die Funktion der Metapher ist ‚imaginative‘, das heißt gefühlserregend und nachahmend.“ 91

Vgl. Schmitt, S. 60 (Fn. 22), 636. Vgl. Dahiyat, S. 9. 93 Höffe (2009b), S. 9. 94 Vgl. insbesondere Dahiyat, S. 17. 95 Vgl. Dahiyat, S. 3. 96 Vgl. Dahiyat, S. 31 f. 97 Avicenna, zit. nach Dahiyat, S. 111. 92

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Syllogismus, Enthymem und Metapher unterscheiden sich weniger in ihrer Struktur als in ihrer Verständnisweise. Die Metapher behauptet nicht nur eine Analogie, sondern verhält sich selbst analog zur Schlussfolgerung des Syllogismus.98 e) Konklusion Die Frage nach dem Ertrag der wie vorstehend verstandenen aristotelischen Metaphernauffassung im Hinblick auf das Erkenntnisinteresse dieser Untersuchung stellt sich insbesondere unter zwei Aspekten: Wie stellt sie sich erstens wissenschaftstheoretisch in Bezug auf ‚Recht‘ dar und zwar zweitens, historisch-kritisch, in Bezug auf heutiges Recht und seine Behandlung? Dazu ist zunächst die Feststellung wichtig, dass die hier sogenannte deskriptive Metapher zwar die grund­ legende Verwendung der Metapher bei Aristoteles darstellt99, aber Aristoteles auch katachretische Metaphern kennt, in deren Fall es keinen eingeführten Ausdruck für etwas gibt, das metaphorisch benannt wird, so dass nur eine einseitige Übertragung innerhalb des Analogieverhältnisses möglich ist.100 Damit ist noch nicht gesagt, dass solche hier so genannten nominativen Metaphern auch präskriptiv sein können. Ausdrücklich wird diese Unterscheidung nicht. Wenn Aristoteles indes an einer Stelle beispielhaft den Zahlungstermin im Geschäftlichen als Metapher für das richtige Alter zur Heirat anführt,101 deutet das an, dass er Metaphern dieser Art, auch wenn sie nicht im Fokus seiner Aufmerksamkeit lagen, durchaus nicht ausgrenzen wollte oder konnte. Ähnlich verhält es sich wohl mit usuellen Metaphern, auch wenn sich aus heutiger Sicht nicht immer ausmachen lässt, welchen Gebräuchlichkeitsgrad eine Metapher zu seiner Zeit hatte. Zwar ging es ihm gerade um fremdartige Verwendungsweisen, wobei das Fremdartige jedoch am besten „unbemerkt“102, also subtil bleiben sollte und Aristoteles gerade darauf verweist, dass sich ja alle in Metaphern unterhielten, was alltägliche Metaphern annehmen lässt. Nun zeigt sich Aristoteles also insofern metaphernfreundlich, als er eine angenehme, das heißt besonders wirksame sprachliche Gestaltung mit einer auf Argumentation und Sachdarstellung basierenden Rhetorik dadurch nicht in Konflikt geraten lässt, dass er die Merkmale einer sprachlichen Gestaltung anhand des Kriteriums der Eingängigkeit bewertet, die das Verständnis der argumentativen Teile der Rhetorik unterstützt.103 Doch unterscheidet Aristoteles, wie Rapp nachweist, anscheinend recht streng zwischen den Anwendungsbereichen von Rhetorik und Wissenschaft. Die Rhetorik ist angemessen zur Erörterung politischer Fragen, 98

Dahiyat, S. 44 (Übers. d. Verf.). Rapp (2002a), S. 890. 100 Rapp (2002a), S. 896. 101 Vgl. Rapp (2002a), S. 899, zu Rhetorik, 1411a. 102 Aristoteles (2007 [4. Jh. v. Chr.]), S. 156 (1404b). 103 Vgl. Rapp (2002b), S. 368. 99

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wozu auch die Gerichtsrede gehört,104 aber nicht zur Diskussion allgemeiner wissenschaftlicher und philosophischer Fragen.105 Der Wissenschaftler und Philosoph, wie ihn Aristoteles sich vorstelle, sei im Unterschied zum Adressaten der öffentlichen Rede niemand, der des von guten Metaphern erzeugten Anreizes für seine Aufmerksamkeit und intellektuelle Anstrengung bedürfe.106 Zweifellos ist die Situativität, in deren Kontext die aristotelische Rhetorik steht, insbesondere die Gerichtsrede, eine, die sich von heutigen im juristischen Kontext denkbaren Situationen sehr grundlegend unterscheidet. Dennoch kann das heutige Recht mit seinen sehr verschiedenen Subsystemen (Gerichtsbarkeiten, Verwaltungen, Wissenschaft, Lehre, Rechtspolitik, Kollektivorganen insbesondere im internationalen Recht  – jeweils übrigens gegenüber Öffentlichkeit/en) trotz eines im Durchschnitt höheren Bildungsstandes auch nicht per se dem Ideal des ebenfalls im Vergleich zum gegenwärtigen Wissenschaftsbegriff sehr verschiedenen, nämlich eher objektivistischen aristotelischen Wissenschaftsbegriffs zugeordnet werden. Der historische Prozess, den Rapp im folgenden Zitat als aristotelische, dem von Blumenberg107 später angegriffenen methodischen Programm des Descartes gewissermaßen vorgreifliche Forderung rekonstruiert, mag in Bezug auf das heutige Recht im auf demokratischer Rückkopplung beruhenden Spannungsfeld von Politik und Wissenschaft nicht historisch, sondern eher systematisch aufzufassen sein: Klarheit im Sinne des (wohl auch bei Aristoteles naturwissenschaftlich geprägten) Wissenschaftsideals ist das Ziel [am einen Ende = wissenschaftliche Gültigkeit, d. Verf.] des „Prozesses [Systems, d. Verf.], mittels dessen anerkannte Sätze oder eine Menge von anerkannten Sätzen in einen Zustand gebracht werden sollen, in dem sie als wissenschaftliche Definitionen und Prinzipien gebraucht werden können […] Gegen den Gebrauch von Metaphern am Anfang [anderen Ende = gesellschaftliche Geltung, d. Verf.] dieses Prozesses dürfte aus dieser Sicht nichts einzuwenden sein, aber ein Philosoph, der eine Metapher einführt, muss sie dann auch einlösen, d. h. er muss explizit machen, welche nicht-metaphorischen Behauptungen sich daraus ergeben.“108

Es darf angenommen werden, dass im mittlerweile als soziale Konstruktion verstandenen Rechtssystem, zumal unter dem Gesichtspunkt demokratisch legitimierter Rechtlichkeit, das rechtswissenschaftliche Subsystem auf der einen Seite (Wissenschaft) sich im Ausgangspunkt eher an der Einsichtsfähigkeit des ‚Souveräns‘ (nun) auf der anderen Seite zu orientieren hat als umgekehrt. Mögen Aristoteles Erwägungen zur Möglichkeit und Wünschenswürdigkeit angemessener Metaphern aufgrund der veränderten Rahmenbedingungen nur im Ansatz – dies aber bestimmt – auf die heutige Rechtskommunikation übertrag 104

Rapp (2002b), S. 268. Rapp (2002b), S. 274. 106 Rapp (2002a), S. 929. 107 s. unten B.I.3. 108 Vgl. Rapp (2002a), S. 928. 105

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bar sein, und mögen die Anforderungen an angemessene Metaphern in der sich als ausdifferenziert und komplex charakterisierenden Gesellschaft strenger sein als seinerzeit: Die aristotelische anthropologische Fundierung seiner Beurteilung der Metapher ist indes so grundlegend, dass die Tendenz seiner Metaphorologie auch heute, im Hinblick auf hier so genannte usuelle präskriptive Metaphern gewissermaßen im Erst-Recht-Schluss, beachtlich ist; soll das Recht nicht der Mehrzahl der Menschen entfremdet sein. Bei solchen Metaphern geht es übrigens jedenfalls im jeweiligen Ursprung nicht um eine Überzeugung vom Wahrscheinlichen (Rhetorik), sondern um die Darstellung eines rational Möglichen (poiesis). Präskriptive Metaphern sind also im besten aristotelischen Sinne ‚poietisch‘: menschliches, nachahmendes ‚Werk‘. „An der poiesis“, schreibt ein Rechtswissenschaftler am Ende des zweiten Jahrtausends n. Chr., „kommt die wissenschaftliche – wie die juristische – Kognition nicht mehr vorbei.“109 2. Immanuel Kant und die metaphorologische Realisierung reiner Vernunftbegriffe, ein kleiner Kommentar zu § 59 der Kritik der Urteilskraft (1790) „Die Realität unserer Begriffe darzutun, werden immer Anschauungen erfordert“110, leitet Kant den metaphorologiegeschichtlich so beachtlichen § 59 seiner Kritik der Urteilskraft ein.111 Darin ist zunächst eine wichtige anthropologische Prämisse enthalten, nämlich dass sich 109

Kiesow (1997), S. 9. Kant (2009 [1790]), S. 712. 111 Einen zweiten, metaphorologisch besonders dichten, den § 59 der Kritik der Urteilskraft gewissermaßen zusammenfassenden Text findet man in Kants wenig später erschienener „Preisschrift über die Fortschritte der Metaphysik“ – Kant (1942 [1791]) – im Abschnitt „Von der Art, den reinen Verstandes- und Vernunftbegriffen objektive Realität zu verschaffen“ (S. 279 f.): „Einen reinen Begriff des Verstandes, als an einem Gegenstande möglicher Erfahrung denkbar vorstellen, heißt, ihm objective Realität verschaffen, und überhaupt, ihn darstellen. Wo man dieses nicht zu leisten vermag, ist der Begriff leer, d. i. er reicht zu keinem Erkenntniß zu. Diese Handlung, wenn die objective Realität dem Begriff geradezu (directe)  durch die dem­selben correspondirende Anschauung zugetheilt, d. i. dieser unmittelbar dargestellt wird, heißt der Schematism; kann er aber nicht unmittelbar, sondern nur in seinen Folgen (indirecte) dargestellt werden, so kann sie die Symbolisirung des Begriffs genannt werden. Das erste findet bey Begriffen des Sinnlichen statt, das zweyte ist eine Nothülfe für Begriffe des Übersinnlichen, die also eigentlich nicht dargestellt, und in keiner möglichen Erfahrung gegeben werden können, aber doch nothwendig zu einem Erkenntnisse gehören, wenn es auch blos als ein practisches möglich wäre. Das Symbol einer Idee (oder eines Vernunftbegriffes) ist eine Vorstellung des Gegenstandes nach der Analogie, d. i. dem gleichen Verhältnisse zu gewissen Folgen, als dasjenige ist, welches dem Gegenstande an sich selbst, zu seinen Folgen beygelegt wird, obgleich die Gegenstände selbst von ganz verschiedener Art sind, z. B. wenn ich gewisse Produkte der Natur, wie etwa die organisirten Dinge, Thiere oder Pflanzen, in Verhältniß auf ihre Ursache, mir wie eine Uhr, im Verhältniß auf den Menschen, als Urheber, vorstellig mache, nämlich das 110

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„[a]lles Denken […], es sei geradezu (directe), oder im Umschweife (indirecte), vermittelst gewisser Merkmale zuletzt auf Anschauungen, mithin bei uns auf Sinnlichkeit beziehen [muss, d. Verf.], weil uns auf andere Weise kein Gegenstand gegeben werden kann.“112

Auch die Kantsche Philosophie zielt, mag sie auch zuweilen kompliziert formuliert sein, auf keine von der Welt abgehobenen Erkenntnisse, sondern die Erkenntnis, die sie bezweckt, ist immer Erkenntnis einer menschlichen Realität. „Anschauung und Begriffe machen also die Elemente aller unserer Erkenntnis aus, so dass weder Begriffe ohne ihnen auf einige Art korrespondierende Anschauung, noch Anschauung ohne Begriffe [zu] ein[er] Erkenntnis“ führen können, wie Kant in der Kritik der reinen Vernunft schrieb. „Gedanken ohne Inhalt sind leer […]. Daher ist es […] notwendig, seine Begriffe sinnlich zu machen“. Erkenntnis entspringt immer aus der Vereinigung zwischen dem Verstand, als „Vermögen, den Gegenstand sinnlicher Anschauung zu denken“, und der Anschauung als sinnlichem Wahrnehmungsvermögen.113 a) Die Weisen, die Realität der Begriffe darzutun Ist die Realität eines empirischen Begriffs darzutun (etwa des empirischen Begriffs ‚Waffe‘ oder ‚Buch‘), so ist die dazugehörige Anschauung ein Beispiel (‚die Pistole von Lucky Luke‘ bzw. ‚das Grundgesetz auf dem Tisch‘). Ist die Realität eines „reinen Verstandesbegriffes“ darzutun, das heißt in kantischer Terminologie einer „Kategorie“, mit der der Verstand formal arbeitet (etwa Einheit, Vielheit, Realität, Negation, …), ist das „Schema“ die dazugehörige Anschauung. Das Schema ist eine vermittelnde Vorstellung zwischen der formalen Kategorie und dem empirischen Begriff (z. B. ‚Waffe‘ oder ‚Buch‘), eine Zwischenstufe zwischen bloßen Möglichkeiten einer Wahrnehmung und einer konkreten Wahrnehmung. Denn das Schema ist ein „Produkt der Einbildungskraft“, aber nicht im Sinne eines konkreten Bildes, sondern „mehr die Vorstellung einer Methode, einem gewissen Begriffe gemäß […, etwas, d. Verf.] in einem Bilde vorzustellen“.114 So lässt etwa die Zahl „2“ nicht zwei Dinge konkret vorstellen, sondern „mehr“ ein vom Einzelfall unabhängiges Denkmuster, mit dessen Hilfe ein Paar erkannt Verhältniß der Kausalität überhaupt, als Kategorie, in beyden eben dasselbe, aber das Subject dieses Verhältnisses, nach seiner innern Beschaffenheit mir unbekannt bleibt, jenes also allein, diese aber gar nicht dargestellt werden kann. Auf diese Art kann ich vom Übersinnlichen, z. B. von Gott, zwar eigentlich kein theore­ tisches Erkenntniß, aber doch ein Erkenntniß nach der Analogie, und zwar die der Vernunft zu denken nothwendig ist, haben; wobey die Kategorien zum Grunde liegen, weil sie zur Form des Denkens nothwendig gehören, dieses mag auf das Sinnliche oder Übersinnliche gerichtet seyn, ob sie gleich, und gerade eben darum, weil sie für sich noch keinen Gegenstand bestimmen, kein Erkenntniß ausmachen.“ 112 Kant (1904 [1787]), S. 49. 113 Kant (1904 [1787]), S. 74 f. (Herv. d. Verf.). 114 Kant (1904 [1787]), S. 135.

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werden kann. Einzahl bzw. Mehrzahl ergeben so einerseits intellektuell, andererseits sinnliche Anschauung der Kategorien Einheit bzw. Vielheit. Dem Schema der Realität entspricht die gegenwärtige Empfindung einer Sache, das Schema der Negation die leere Empfindung dessen, was sich der Empfindbarkeit entzieht.115 Der „Schematismus vermittelt so“, sagte Eisler, „zwischen dem reinen Denken und der Sinnlichkeit, er gibt den Kategorien ihre ‚Bedeutung‘ und der Anschauung ihre kategoriale Struktur“.116 Durch das Schema wird „einem Begriffe, den der Verstand fasst, die korrespondierende Anschauung a priori gegeben“.117 Metaphorisch, was Kant „symbolisch“ nennt118, wird einem Begriff keine „korrespondierende Anschauung a priori gegeben“, sondern eine sinnliche Anschauung „untergelegt“. Der Anwendungsbereich des Metaphorischen in diesem Sinne sind solche Begriffe, die „nur die Vernunft denken und“ denen „keine sinnliche Anschauung angemessen sein kann“.119 In dieser Gegenüberstellung kommt das historisch Kontingente des Metaphorischen zum Ausdruck. Das Unterschieben einer sinnlichen Anschauung ist weiter ein Verfahren der Urteilskraft, die dem Verfahren des Schematisierens „bloß analogisch ist“. Das heiße, dass das Verfahren der Metapher „bloß der Form der Reflexion nach“ demjenigen des Schematisierens entspreche.120 Durch ein Schema als Produkt der Einbildungskraft, die zwischen Sinnlichkeit und Verstand vermittelt  – und zwar weniger als Bild als selbst „mehr die Vorstellung einer Methode“, um etwas einem gewissen Begriffe gemäß in einem Bilde vorzustellen –, wird ein Begriff a priori sowohl direkt als auch „demonstrativ“, dennoch anschaulich dargestellt. Die Metapher ist dagegen ein Verfahren der Urteilskraft, das einen Begriff  a priori in zwei Schritten (im Ergebnis) indirekt und analogisch darstellt, indem der (empirische)  Begriff des Gegenstandes einer sinnlichen Anschauung (bei Kant etwa eines menschlichen Organismus oder einer „Handmühle“) im Hinblick auf „die bloße Regel der Reflexion über jene Anschauung“ mit einem „ganz anderen Gegenstand“ des Denkens (im Kantschen Beispiel einem Staat) verbunden wird.121 b) Urteilskraft und das Prinzip der Zweckmäßigkeit Die Urteilskraft ist „das Vermögen, das Besondere als enthalten unter dem Allgemeinen zu denken“, die reflektierende Urteilskraft findet das Allgemeine zu einem gegebenen Besonderen (im Unterschied zur Schwesternform der „bestimmenden Urteilskraft“, der Subsumtion, die einem gegebenen Allgemeinen etwas 115

Vgl. Kant (1904 [1787]), S. 136 ff. Eisler, s. v. „Schema“. 117 Kant (2009 [1790]), S. 712. 118 Vgl. nur Blumenberg (2007), S. 58. 119 Kant (2009 [1790]), S. 712. 120 Kant (2009 [1790]), S. 712. 121 Kant (2009 [1790]), S. 713. 116

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Besonderes zuordnet).122 Die reflektierende Urteilskraft hat „von dem Besondern in der Natur zum Allgemeinen aufzusteigen“.123 Kant fragt nach der intellektuellen Funktion – er nennt eine solche „Prinzip“ – die ein noch nicht gegebenes Allgemeines, das also (noch) nicht durch allgemeine Naturgesetze bestimmt ist, angesichts einer gegebenen Mannigfaltigkeit besonderer Begriffe denken und behaupten lässt. Das noch nicht gegebene Allgemeine (‚Nichterschienene‘ oder ‚Unerklärte‘) kann zum Beispiel ein noch unbekanntes Naturgesetz sein. Die Antwort ist eine in Kants erkenntnistheoretischen Subjek­ tivismus eingebettete anthropologische Behauptung und lautet in Bezug auf die Natur wie folgt: „Nun kann dieses Prinzip kein anderes sein als: dass, da allgemeine Naturgesetze ihren Grund in unserem Verstande haben, der sie der Natur (wenn gleich nicht der unsrige) vorschreibt, die besonderen empirischen Gesetze in Ansehung dessen, was in ihnen durch jene unbestimmt gelassen ist, nach einer solchen Einheit betrachtet werden müssen, als ob gleichfalls ein Verstand (wenn gleich nicht der unsrige) sie zum Behuf unserer Erkenntnisvermögen […] gegeben hätte.“124

Es gibt allgemeine Naturgesetze, das heißt notwendige Prinzipien, nach nur denen der Verstand konkrete Erfahrungen macht, vor jedem anderen das Prinzip der Kausalität von Ursache und Wirkung.125 Aus ihnen ergibt sich, wie wir der „Erscheinungen“, der Dinge ‚an sich‘ also nur im Rahmen der Muster unserer Erkenntnisvermögen entsprechend gewahr werden. Die Erscheinungen stehen für das, was wir ‚wissen‘. Obwohl wir nicht wissen (können), ob das, was wir nicht wissen (das Nichterschienene), denselben Prinzipien folgt wie das, was wir wissen (Erschienene), gehen wir davon aus, wenn wir nach neuen Erkenntnissen suchen. Wovon auch sonst? Die Annahme, dass das Erschienene und das Nichterschienene denselben Prinzipien gehorchen, ist das „angenommene“ „Prinzip  a priori [der Urteilskraft, d. Verf.], dass das für die menschliche Einsicht Zufällige [Unerklärte, d. Verf.] in den besonderen (empirischen) Naturgesetzen dennoch eine für uns zwar nicht zu ergründende, aber doch denkbare gesetzliche Einheit in der Verbindung […] zu einer an sich möglichen Erfahrung enthalte“.126 Das Unerklärte und an sich nicht Erklärliche werden im Ergebnis gedacht, als ob sie „zum Behuf unserer Erkenntnisvermögen“ (s. o.) erschienen. Kant bringt die intellektuelle Funktion, die er zu beschreiben versucht, auf einen Begriff: das „Prinzip der Zweckmäßigkeit“. Es leuchtet aus unseren Erkenntnisvermögen und ihrem Gebrauch hervor, wie Kant an einer Stelle treffend sagt.127 Die Zweckmäßigkeit, so kann man in heutigen Worten vereinfacht sagen, bezeich 122

Kant (2009 [1790]), S. 496. Kant (2009 [1790]), S. 497. 124 Kant (2009 [1790]), S. 497 (Herv. d. Verf.). 125 Vgl. Kant (2009 [1790]), S. 500 f. 126 Kant (2009 [1790]), S. 501 f. 127 Vgl. Kant (2009 [1790]), S. 500. 123

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net die Eigenschaft des Menschen, Dinge zu denken, indem er ihnen einen Sinn gibt, ja, Dinge überhaupt nur zu denken, soweit er sich ‚einen Reim‘ auf sie machen kann, erkennt, woher sie kommen oder was sie bringen. Die Zweckmäßigkeit der Natur ist, wie Cazeaux eingängig auf den Punkt bringt, „the concept that nature appears as if it were designed for our awareness“.128 Das anscheinend und scheinbar Unzweckmäßige interessiert demgegenüber nicht, und wenn doch – wenn etwa eine Wissenschaftlerin bei einem Experiment Daten erhält, die sie nicht sinnvoll einordnen kann –, dann unter dem zweckmäßigen Gesichtspunkt, es doch irgendwann noch schlüssig erklären zu können, das heißt seine Zweckmäßigkeit zu erkennen. In der Funktion der Zweckmäßigkeit verbinden sich unsere Erfahrungen und Gedanken zu einem einheitlichen Weltbild. Die spekulativen Erkenntnisse des Menschen, die sich auf nichts der Erfahrung Zugängliches beziehen (sondern zum Beispiel Ideen, die „intelligible, d. i. moralische Welt“), und die Erkenntnisse der erfahrbaren Natur im Menschen bilden in der Sicht des Menschen auf ‚seine‘ Welt(en) eine systematische Einheit.129 Das Zweckmäßige macht übrigens Lust; auf dieser anthropologischen Feststellung schließlich baut Kants Lehre von der Schönheit und vom Erhabenen auf.130 Kunst ist schön für den Menschen, dem sie Lust bereitet. Und das Schöne sei, was an dieser Stelle nicht weiter ausgeführt werden kann, eine Metapher des Sittlich-Guten.131 c) Metapher(n) als Verfahren der reflektierenden Urteilskraft Nun ist die Metapher ein Verfahren der reflektierenden Urteilskraft. Die reflektierende Urteilskraft ist das Vermögen, zu einem Besonderen das Allgemeine aufzufinden. Dieses Vermögen funktioniert nach dem Prinzip der Zweckmäßigkeit, das heißt es begreift das Allgemeine so, dass es für das jeweilige Denken Sinn ergibt. In der Metapher („doppeltes Geschäft der Urteilskraft“) wird also ein All­ gemeines reflektierend so, dass es ‚Sinn macht‘, zu einem besonderen Gegenstand aufgefunden (erstes „Geschäft“), der anschaulich ist. Zugleich lässt sich dieses Allgemeine so, dass es ‚Sinn macht‘, auf einen Begriff beziehen (zweites „Geschäft“), den nur die Vernunft denken kann („doppeltes Geschäft der Urteilskraft“) und dessen Realität – nach Kant anthropologisch geboten – durch eine untergelegte Anschauung darzutun ist. 128

Cazeaux, S. 39. Kant (1904 [1787]), S. 456 f.: „Die größte systematische, folglich auch die zweckmäßige Einheit ist die Schule und selbst die Grundlage der Möglichkeit des größten Gebrauchs der Menschenvernunft: Die Idee derselben ist also mit dem Wesen unserer Vernunft unzertrennlich verbunden. Eben dieselbe Idee ist also für uns gesetzgebend, und so ist es sehr natürlich, eine ihr korrespondierende gesetzgebende Vernunft (intellectus archetypus) anzunehmen, von der alle systematische Einheit der Natur, als dem Gegenstande unserer Vernunft, abzuleiten sei.“ 130 Eingängig erläuternd Störig, S. 418 ff. 131 Kant (2009 [1790]), S. 714. Dazu etwa Blumenberg (2007), S. 59 f. 129

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Das könnte so klingen, als gäbe es chronologisch zunächst den reinen Vernunftbegriff, dessen Realität noch nicht dargetan ist, für den dann die passende Metapher gebildet würde, die dann also (im Sinne simplifizierender Rhetorik­k ritik) bloßer Effekt wäre. Die Metapher wäre dann nach hiesigen Begriffen eher deskriptiv als präskriptiv. Aber die Metapher ist schließlich bei Kant eine „Vorstellungsart“, die man „Erkenntnis nennen darf“, weil sie ein Prinzip der praktischen Bestimmung ist, „was die Idee […, eines Gegenstandes, scil.] für uns und den zweck­mäßigen Gebrauch derselben werden soll“.132 Sie ist „eine Nothülfe für Begriffe des Übersinnlichen, die also eigentlich nicht dargestellt, und in keiner möglichen Erfahrung gegeben werden können, aber doch nothwendig zu einem Erkenntnisse gehören, wenn es auch blos als ein practisches möglich wäre“, „ein Erkenntniß nach der Analogie, und zwar die der Vernunft zu denken nothwendig ist“.133 Damit wird zum einen klargestellt, dass es Kant um hier so genannte präskriptive Metaphern geht, und zum anderen eine wichtige Brücke zum Untersuchungsfeld der Rechtsphilosophie geschlagen: Die Kantsche Metapher, die er „Symbol“ heißt, ist also eine praktische Erkenntnis. Praktische Erkenntnis ist bei Kant nun immer eine solche Kenntnis, „dadurch ich mir vorstelle, was da sein soll“, praktisch betrachten wir ein Sein, „wenn wir das mustern, was ihm vermöge der Freiheit einwohnen sollte“.134 Sein und Sollen, die in der Philosophie bis in die heutige Zeit oftmals so feindlich gegenüber gestellt werden, finden so bei Kant in der praktischen Realität der Metapher zusammen. Die Urteilskraft, die hierbei am Werke ist, sieht sich mysteriös auf etwas „im Subjekte selbst und außer ihm [bezogen], was nicht Natur, auch nicht Freiheit, doch aber mit dem Grund der letzteren, nämlich dem Übersinnlichen, verknüpft ist […], in welchem das theoretische Vermögen mit dem praktischen auf gemeinschaftliche Art zur Einheit verbunden wird“.135 d) Konklusion Anders als Aristoteles, der sich ganz hauptsächlich mit deskriptiven Metaphern beschäftigte, ist Kants Theorie der Metapher ganz auf präskriptive Metaphern fokussiert. Mit dieser Unterscheidung hängt zusammen, dass Aristoteles den Gebrauch von Metaphern unter instrumentellen, nämlich gewissermaßen volksdidaktischen Gesichtspunkten thematisiert. Die aristotelische Metapherntheorie folgt dem Opportunitätsprinzip. Kant thematisiert den Typus der präskriptiven Metapher unter dem Gesichtspunkt der kognitiven Notwendigkeit. Beide Metapherntheorien sind daher, was in der sprachwissenschaftlichen Metaphernforschung leider nicht thematisiert wird, im pejorativen Sinne eigentlich ‚nicht vergleichbar‘. 132

Kant (2009 [1790]), S. 714 (Herv. d. Verf.). Kant (1942 [1791]), S. 279 f. 134 Vgl. die Nachweise bei Eisler, s. v. „praktisch“. 135 Kant (2009 [1790]), S. 715. 133

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Gemeinsamer Fluchtpunkt beider ist indes die anthropologische Hochschätzung des Gesichtssinns, erinnernd vermittelt über die Einbildungskraft. Beiden Philosophen gilt als gesetzt, dass das Vor-Augen-Führen, das Anschaulich-Machen einer nicht-empirischen oder Noch-Nicht-Realität eine realistische Qualität verleiht, sie zumindest glaubhaft macht. Eine Gemeinsamkeit der strukturellen Beschreibung der Metapher durch beide Philosophen besteht weiter darin, dass die nach Aristoteles die gute Metaphernbildung ebenso wie die Philosophie auszeichnende Fähigkeit, das Ähnliche (Analoge) im Verschiedenen über vieles hinweg zu erkennen,136 mithin im Kantschen Sinne ein Allgemeines zu erkennen, herausgestrichen wird, wobei bei Kant der kreative Charakter dieser Fähigkeit besonders betont wird. Letztlich ist vor allem festzustellen, dass der Gebrauch präskriptiver Metaphern für Kant eine Selbstverständlichkeit menschlichen Vernunftgebrauchs darstellt, die als solche auch nicht etwa geistesgeschichtlich einholbar wäre. Der Gebrauch präskriptiver Metaphern steht kraft seiner Natur nicht zur Disposition des Menschen. Kant lässt viele Detailfragen offen, insbesondere wäre zu fragen, wie er usuelle bis hin zu vermeintlich toten Metaphern sieht. Das ist seiner vielzitierten Aussage gemäß, das „Geschäft“ der Metapher sei „bis jetzt noch wenig auseinander gesetzt worden, so sehr es auch eine tiefere Untersuchung verdient; allein hier ist nicht der Ort, sich dabei aufzuhalten“. Wenn er jedoch fortfährt: „Unsere Sprache ist voll von dergleichen indirekten Darstellungen nach einer Analogie […] So sind die Wörter Grund (Stütze, Basis), Abhängen (von oben Gehalten werden), woraus Fließen (statt Folgen), Substanz (wie Locke sich ausdrückt: der Träger der Akzidenzen) und unzählige andere nicht schematische, sondern symbolische Hypotyposen und Ausdrücke für Begriffe“,

denen „vielleicht nicht eine Anschauung direkt korrespondieren“ könne,137 so kann das kaum anders zu deuten sein, als dass für Kant auch sehr gebräuchlich gewordene Metaphern die Funktion der Veranschaulichung regelmäßig nicht hinter sich lassen. Wichtig ist die Betonung der Unterscheidung zwischen schematischer und symbolischer (metaphorischer) Hypotypose, Schema und Symbol (Metapher), weil sie die besondere ‚Willkürlichkeit‘ und Kulturalität der Metapher im Vergleich mit der anderen fundamentalen Art, zeichenhaft zu denken, markiert. e) Nachspiel: Metaphern als symbolische Fiktionen in Hans Vaihingers „Philosophie des Als Ob“ Auf der Basis vor allem seiner Kant-Studien verfasste Hans Vaihinger in den 1870er Jahren eine „Philosophie des Als Ob“, in der er zwar mit § 59 von Kants Kritik der Urteilskraft wenig anzufangen weiß und auch keine Theorie der Me 136

Vgl. Rapp (2002a), S. 911. Kant (2009 [1790]), S. 713 f. (Herv. i. Orig.).

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tapher im engeren Sinne unter anderem Namen entwickelt.138 Das mag daran liegen, dass er der Figur der Metapher insoweit keine Besonderheit abzugewinnen vermag, als er das, was Kant zuweilen die „intelligible Welt“ nannte139, unserer heutigen Umgangssprache nach jedes über bloße Erfahrung hinausgehende, jedes Bedeutung zuweisende Denken, als Sache der Analogisierung betrachtet, die ihren letztlichen Ursprung in Verstandesbegriffen habe und bei Kant in den wiederkehrenden Worten des „als ob“ zum Ausdruck gelange. „Alle Erkenntnis kann“, meint Vaihinger, „wenn sie nicht bloß tatsächliche Sukzession und Koexistenz feststellt, nur analogisch sein.“ Ganz gut sage darum ein anderer Autor, Metaphysik sei „Metaphorik […]; was er aber Metaphern heißt, sind meistenteils unentbehrliche Fiktionen“.140 Das „Fiktive“, nicht das Metaphorische ist der Leitbegriff des jungen Vaihinger, wobei insbesondere die Ideen der praktischen Vernunft nur Fiktionen seien.141 Schon zwanzig Jahre später, 1901 wird auch er den Begriff der Metapher für sich entdeckt haben. In einem Aufsatz mit dem Titel „Kant – ein Metaphysiker?“ setzt er sich mit der Frage auseinander, ob Kant ähnlich Platon eine „wirkliche transzendente Metaphysik“ vertrete, um die Frage mit einem ‚sowohl als auch nicht‘ zu beantworten.142 Die Metaphysik Platons wird ja gemeinhin so gedeutet, dass er „auch physisch nicht Vorhandenes als Vorfindbares und Vorgegebenes behauptet, wie etwa die Begriffe ethischer Normen, Werte von Handlungszielen usw.“143 Kant geriere sich zwar an vielen Stellen wie ein Metaphysiker, sagt Vaihinger144, aber „an vielen dieser Stellen macht Kant einen eigentümlichen Vorbehalt […]: wir müssen, sagt Kant, die Sache so betrachten, ‚als ob‘ sie so wäre; wir müssen uns dabei der bloßen ‚Analogie‘ bewusst bleiben.“145

Glaubt Kant also wie vermeintlich Platon an ein „Reich der Ideen“ an sich? Das „kritische Element […] verbindet Platon und Kant nicht minder, als das metaphysische, ja vielleicht mehr als das Letztere. Das kritische Element bei Platon zeigt sich nun aber insbeson­ dere darin, dass er einsieht, dass für die letzten und höchsten Probleme uns nur Metaphern 138 Vgl. zum Werk Vaihingers aus einer (anderen) rechtsphilosophischen Perspektive nach Interesse auch Steinhauer (2001), S. 18 ff., 51 ff., sowie im metapherntheoretischen Zusammenhang den gelegentlichen Hinweis bei Lüdemann (2004), S. 39 (Fn. 63). 139 Vgl. Eisler, s. v. „Intelligible Welt“: „zunächst ist die intelligible Welt eine Idee von praktischer Realität, d. h. diese Idee hat praktische Folgen. […] Wir sollen so wollen und handeln, als ob uns eine intelligible Welt als Erkenntnisobjekt gegeben wäre, und wir sollen die Idee eines solchen Systems vernünftig wollender, freier, autonomer Wesen durch unser Tun verwirklichen. Die intelligible Welt ist — wie alles Ideal-Übersinnliche — Grund und zugleich Ziel, und ihr Sein ist, wenn auch nicht Existenz im Sinne der Dinghaftigkeit und Erfahrbarkeit.“ 140 Vaihinger (2007), S. 42. 141 Vaihinger (2007), S. 272. 142 Vaihinger (1900), S. 138 f. 143 So etwa Blumenberg (2007), S. 40. 144 Vgl. auch Vaihinger (2007), S. 272 f., wonach Kant die Ideen der praktischen Vernunft „bewusst in diesem Sinne [der Fiktivität, d. Verf.]“ verwende, „bis sie sich ihm doch wieder in Hypothesen verwandeln“. 145 Vaihinger (1900), S. 154.

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B. Metaphorologische Analyse des Rechts als Perspektive (Teil 1, Theorie)  übrig bleiben, oder, wie Kant sagt, Analogien. Dies Bewusstsein war eben bei Kant nicht minder stark, als bei Platon. Dem Schlagwort: ‚Kant ein Metaphysiker‘ kann man das gleichwertige gegenüberstellen: ‚Kant ein Metaphoriker‘.“146

Dass die Metapher mit Analogie gleichgesetzt wird, so dass sie zum allgemeinen Phänomen wird und die Prägnanz der konkreten sprachlichen Figur, des Kantschen Symbols verliert, entspricht einem eher modernen, uferlosen Metaphernbegriff, der übrigens  – wie wir sehen werden  – in der Rechtsphilosophie prominente Anhänger gefunden hat. So verschwimmen bei Vaihinger die Grenzen zwischen Metaphern und etwa juristischen Fiktionen147, denen er ein eigenes Kapitel widmet, rechtsmythologischen Begründungsmodellen, zum Beispiel dem „Gesellschaftsvertrag“148, und der Annahme der Freiheit, wenn man den menschlichen Willen für determiniert hält.149 Die Gegenüberstellung des Kantschen Symbols und des Metaphorischen in der Vaihingerschen Tendenz verdeutlicht einen Übergang und zugleich eine Unterscheidung, die wichtig für die Definition des dieser Untersuchung zu Grunde gelegten Metaphernbegriffs ist, und ermöglicht den kritischen Umgang mit anderen rechtswissenschaftlichen Verwendungsweisen der „Metapher“ als derjenigen, die dieser Untersuchung im engeren Sinne zu Grunde liegt. 3. Hans Blumenberg, Paradigmen zu einer Metaphorologie (1960) u. a. Für den philosophischen Zugang zur Figur der präskriptiven Metapher ist Hans Blumenberg zumindest im deutschsprachigen Raum unverzichtbar. Die Erschließung seines umfangreichen metaphorologischen Werkes erfordert gerade, weil es die Metapher und ihre Gründe als gegenüber dem begrifflichen Denken komplementäre Funktion gewissermaßen ‚von innen‘ heraus darzustellen sucht, ein Einlassen auf die darzustellende Art des Denkens und nebenbei auch den besonderen Stil, in dem sich Blumenbergs Denken ausdrückt. Aus diesem Denken entstanden ist ein einflussreicher Forschungszweig im Schnittbereich zwischen Philosophie, Literaturwissenschaft und Ästhetik. Dabei ist kennzeichnend für das metaphorologische Werk Blumenbergs die hermeneutisch-philosophisch reflektierende Arbeit an historischen Beispielen. Es gibt allerdings weder explizit Anleitung zu metaphorologischer Quellen­exegese, noch erklärt es eine von den konkret gewählten Beispielen losgelöste metaphorologi 146

Vaihinger (1900), S. 157. Vgl. Vaihinger (2007), S. 46 ff. Gerade in diesem Zusammenhang (ebd., S. 257) findet Vaihinger es interessanter Weise bemerkenswert, „dass die Rechtswissenschaft nicht eine eigentliche Wissenschaft des Seienden ist, sondern eine Wissenschaft menschlicher, willkürlicher Einrichtungen“. 148 Vgl. Vaihinger (2007), S. 258 f. 149 Vgl. Vaihinger (2007), S. 572 f. 147

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sche Systematik. Es wird eine „Scheu vor einem systematisch ordnenden Zugriff“ erkannt.150 Blumenberg selbst sah im Anschluss an Joachim Ritter die metaphorologische Methodik 1971 noch so sehr am Anfang, dass eine wörterbuchmäßige Erläuterung philosophischer Metaphern zur Existenz als „unzu­reichende Improvisation“ verurteilt sei.151 Auch wenn im Hinblick auf eine historische Metaphorologie bezweifelt werden darf, dass sie inzwischen wesentlich über Blumenberg hinaus gelangt sei, warum die Blumenbergsche „Bescheidenheit“ in Bezug auf sein Projekt heute auch eher irritiert152 – es gilt, dass Metaphorologie im durch Erkenntnisse der kognitiven Linguistik verfeinerten Anschluss an und bei Blumenberg funktioniert. Erkenntnisgegenstand dieses Abschnittes sollen insbesondere erkenntnistheoretische ‚Schablonen‘ und andere methodische ‚Werkzeuge‘ für eine allgemeine metaphorologische Methodik sein, die sich verstreuten Hinweisen in Blumenbergs Werk entnehmen lassen. Zuvor wird Blumenberg folgend das werkübergreifende Verständnis von Metapher und Metaphorik in Absetzung vom „Begriff“ und seine anthropologische Einbettung dargestellt, die vor allem zur rechtsanthropologischen Verwertung im Anschluss interessant ist.153 a) Begriff(e) und Metapher(n) Der „Begriff“ als solcher bildet als Beschreibung und Ideal im Blumenbergschen Werk den Abgrenzungsbegriff zur Metaphorik sowohl an sich als auch auf dem Schauplatz der Bestimmung der Metaphorologie im Verhältnis zur Begriffsgeschichte. „‚Begrifflich‘ im strengen Sinne“154 ist, was klar und bestimmt definiert ist, wobei sich Blumenberg auf René Descartes bezieht. Dieser hatte in seinem von Mathematik und Naturwissenschaften ausgehenden und für das moderne, positivistisch geprägte Wissenschaftsverständnis grundlegenden „Discours de la méthode pour bien conduire sa raison et chercher la vérité dans les sciences“ bekannt,

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Gabriel, S. 70. Blumenberg (1971), S.  162; vgl. ebd., S.  164 ff., zu Begründung der Ablehnung eines­ typologisch ausgestalteten System absoluter Metaphern. 152 Vgl. Gabriel, S. 70 (Fn. 23); Haefliger, S. 69 f. Mende (2009a), S. 90: „Die Metaphorologie ist die systematische Ausarbeitung eines spezifischen theoretischen Interesses Blumenbergs, dem am ‚Vorfeld der philosophischen Begriffsbildung‘.“ 153 Mende (2009b), S.  26, bezeichnet die „anthropologische Lesart“ zu Recht als „starke Strömung innerhalb der Blumenberg-Rezeption“, der sich diese Untersuchung verwandt sieht. Inspiriert sind beide u. a. durch die kritische-selektive Rezeption des philosophisch-anthro­ pologischen Werks Arnold Gehlens. 154 Blumenberg (1998), S. 7, Blumenberg (2001c), S. 139. Vgl. Adorno, S. 12, wonach der „Begriff“ „die meist sprachliche Fixierung [ist], die für die Einheit all der Gegenstände, die unter den Begriff fallen, steht, durch die deren einheitliche Merkmale ausgesprochen werden“. 151

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B. Metaphorologische Analyse des Rechts als Perspektive (Teil 1, Theorie)  „dass es in jeder Sache nur eine Wahrheit giebt und Jeder, der sie findet, Alles weiss, was davon zu wissen möglich ist. So kann z. B. ein in der Arithmetik unterrichtetes Kind, wenn es eine Addition nach seinen Regeln macht, sicher sein, in Betreff der gesuchten Summe Alles gefunden zu haben, was der menschliche Geist zu finden vermag. Denn zuletzt enthält die Methode, welche die richtige Ordnung zu befolgen und alle Umstände der Aufgabe genau zu beachten lehrt, Alles, was den arithmetischen Regeln ihre Gewissheit giebt“,

und als Regel aufgestellt, nur für wahr zu halten, was sich dem Geist klar und deutlich darstelle.155,156 Mit dem darin enthaltenen „Ideal voller Vergegenständ­lichung“ verbindet sich für Blumenberg ein solches der „Vollendung der Terminologie, die die Präsenz und Präzision der Gegebenheit in definierten Begriffen auffängt“, eine Anti-Utopie, die das Ende aller Begriffsgeschichte wäre.157 In der Welt der Eindeutigkeit ist für übertragene Redeweisen kein Raum. Die Metaphorologie ist nun nach Blumenberg eine „Ausweitung der begriffs­ geschichtlichen Forschung“, Begriffsgeschichte im weiteren Sinne, weil sie der Begriffsgeschichte im engeren Sinne „den Hilfsdienst [erweist], an eine genetische Struktur der Begriffsbildung heranzuführen“.158 Die genetische Struktur der Begriffsbildung kann in zweierlei Weise metaphorisch bedingt sein. In der ersten Weise entwickeln sich Begriffe aus Metaphern, die auf dem Wege „vom Mythos zum Logos“ zu Restbeständen, in ihrer Funktion durch die Verselbstständigung der Begriffe aufgezehrt werden.159 Der Raum der Metapher ist in dieser Funktion der Raum der „noch nicht konsolidierten Begriffsbildung“.160 In der zweiten Weise nimmt die Metapher gleichberechtigt neben dem Begriff am Geistesleben teil und nimmt die Funktion eines „Grundbestands“ der philosophischen Sprache wahr, der „sich nicht ins Eigentliche, in die Logizität zurückholen“ lässt.161 In dieser Funktion wird die Metapher als „absolute Metapher“ gekennzeichnet. Der Raum der Metapher ist in dieser Funktion „der Raum der unmöglichen […] Begriffsbildung“,162 aus dem heraus das Metaphorische auf die Genese der Begriffe einwirkt als „katalysatorische Sphäre, an der sich zwar ständig die Begriffswelt

155

Descartes, S. 35. Über das von Blumenberg entwickelte Bild des Descartes lässt sich indes mit Grünbein, S. 12, 21 f., nachdenken, der – inspiriert durch ein Wort des russischen Dichters Ossip Mandel­stam, vgl. Mandelstam, S. 187: „Er [sc. Dante] war der Descartes der Metapher. Denn für unser Bewusstsein (und wo ein anderes hernehmen?) offenbart sich die Materie nur über die Metapher, es gibt kein Sein außerhalb des Vergleichs, denn das Sein selber ist der Vergleich“ – in Descartes „den Wegbereiter einer anthropologisch fundierten Poetik“ erkennt. Bei Mandelstam, S. 133: „Der Dichter selber [Dante, scil.] strebte nach klarem und exaktem Wissen.“ 157 Blumenberg (1998), S. 7. 158 Blumenberg (1971), S. 162; vgl. Blumenberg (1998), S. 13. 159 Blumenberg (1998), S. 10. 160 Blumenberg (1971), S. 171. 161 Blumenberg (1998), S. 10. 162 Blumenberg (1971), S. 171. 156

I. Metapherntheorien

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bereichert, aber ohne diesen fundierenden Bestand dabei umzuwandeln und aufzuzehren“.163 In den Paradigmen deutete sich schon an, dass die „absolute Metapher“ als Gegenthese zur cartesianischen Verallgemeinerung der Restbestandsthese gewissermaßen eine Synthese nahe lege, indem Blumenberg – häufig übersehen – feststellte, „der Nachweis absoluter Metaphern würde auch jene zuerst genannten rudimen­ tären Metaphern in einem anderen Lichte erscheinen lassen, in dem doch die cartesische Teleologie der Logisierung […] sich an der Existenz absoluter Übertragungen schön gebrochen hätte“.164 Die „katalysatorische Sphäre“ des Metaphorischen ist also mutmaßlich nicht nur durch absolute Metaphern konstituiert. Im Anschluss hieran ist zu verstehen, dass Blumenberg fast zwanzig Jahre später erklärte, Metaphorik werde „nicht mehr […] als Leitsphäre abtastender theoretischer Konzeptionen, als Vorfeld der Begriffsbildung, als Behelf in der noch nicht konsolidierten Situation von Fachsprachen […] gesehen, sondern als eine authentische Leistungsart der Erfassung von Zusammenhängen, die nicht auf den engen Kern der ‚absoluten Metapher‘ einzugrenzen ist“.165 Schließlich beruht „[d]ie Norm der Begrifflichkeit […] auf vorgreifenden Orientierungen, die ihrerseits notwendig außerhalb des Normbereiches und seiner Systematik liegen müssen, die aber nicht dessen­ bloßes […] genetisches Vorfeld bilden“.166 Letztlich sind so die absoluten Metaphern durch Notwendigkeit besonders legitimierte Spitzen eines weniger vor- (missverständlich) als, wie Blumenberg es später folgerichtig nennt, „unbegrifflichen“ Denkens167, das sich mangels weitgehender Versprachlichung durch ständige Gegenwart in bloßer Latenz, als „Untergrund, die Nährlösung der systematischen Kristallisationen“ auszeichnet.168 Begriff und Metapher stehen in einem interdependenten Verhältnis169 mit, dem Bewusstsein zuwider, vermutlich ausgewogenen Bedeutungsanteilen. In diesem Sinne ist der methodologische Anspruch der Metaphorologie treffend dahingehend zusammenzufassen, in der Metapher ein die Begrifflichkeit „regulierendes Vorfeld“ freizulegen.170

163

Blumenberg (1998), S. 11. Blumenberg (1998), S. 10. 165 Blumenberg (2001b), S. 193. 166 Blumenberg (1971), S. 171. 167 Blumenberg (1997 [1979]), S. 87: „Metaphorik […] als schmaler Spezialfall von Unbegrifflichkeit.“ 168 Blumenberg (1998), S. 13. 169 Mende (2009a), S. 93. 170 Vgl. Mende (2009a), S. 92. 164

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B. Metaphorologische Analyse des Rechts als Perspektive (Teil 1, Theorie) 

b) Philosophische Anthropologie der Metapher Den von Blumenberg erkundeten („absoluten“) Metaphern eignet die Qualität pragmatischer, nicht theoretischer Wahrheit, das heißt Wahrheit „in einem sehr weiten Verstande“: „Die Wahrheit der Metapher ist eine vérité à faire“.171 Gerade insoweit stimmt er mit Kants Symbolbegriff und der Funktion der präskriptiven Metapher überein.172 Der Gehalt dieser Metaphern „bestimmt als Anhaltspunkt von Orientierungen ein Verhalten, sie geben einer Welt Struktur, repräsentieren das nie erfahrbare, nie übersehbare Ganze der Realität“.173 Und als solche charakterisiert stehen sie für „Wirklichkeitsgebiete“ ein, die „uns unsere Freiheit reflektieren“.174 Diese philosophische Aussage findet sich bei Blumenberg eingebettet in eine philosophische Anthropologie des Menschen, die seine motivische Ausgangsperspektive zu sein scheint. aa) Natürliche ‚Uneingepasstheit‘ und Handlungsfreiheit Zur Sprache bringt Blumenberg die anthropologische Fundierung seiner Auffassung der Metapher im Kontext von Überlegungen zur Bedeutung der Rhetorik. Hier lässt sich anknüpfen an die Kritik am vorgeblichen Realismus der Descarteschen Wissenschaftsauffassung („[d]ie angekündigte Endleistung der ‚Methode‘ verhindert die gegenwärtige Selbstverständigung des Menschen“).175 Der Mensch befindet sich nämlich in einer „spezifischen Verlegenheit“.176 Diese Verlegenheit hat einen biologischen und einen erkenntnistheoretischen Aspekt, die in enger Beziehung zueinander zu sehen sind. Der biologische Aspekt ist offensichtlich stark von der Philosophischen Anthropologie Arnold Gehlens geprägt, demgegenüber jedoch durch philosophiegeschichtliche, insbesondere metaphysikalische Gehalte angereichert.177 Dort ist der Mensch „von Natur ein Kulturwesen“178 und hier, bei Blumenberg, ein Rhetoriker, weil er aus der Ordnung der Natur „zurück“-, das heißt herausfällt.179 Der Mensch ist ja auf der einen Seite nicht (mehr) physisch an-

171

Blumenberg (1998), S. 23 ff., 24. Vgl. nur Blumenberg (2007), S. 58: „Man sieht leicht, dass der Ausdruck ‚symbolisch‘ bei Kant nichts anderes bedeutet als ‚metaphorisch‘, freilich mit der Verschärfung in Richtung auf die absolute Metapher“ (Herv. i. Orig.). 173 Blumenberg (1998), S. 24. 174 Blumenberg (2007), S. 89. 175 Blumenberg (2001a), S. 411. 176 Blumenberg (2001a), S. 409. 177 Vgl. etwa Haefliger, S. 103 ff., Schmitthenner, S. 26, und die ausdrückliche und zu Recht kritische Bezugnahme bei Blumenberg (2001a), S. 415; Gehlen hatte sein Grundwerk „Der Mensch – Seine Natur und Stellung in der Welt“ gerade unter den Anspruch „technischer Enthaltung von der Metaphysik“ gestellt, Gehlen (1974), S. 11. 178 Gehlen (1974), S. 80. 179 Blumenberg (2001a), S. 409. 172

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gepasst, nicht wie das Tier unwillkürlich (Gehlen: „Instinktreduktion“180) eingebunden in einen Zusammenhang, den Blumenberg „Kosmos“ nennt. Sondern in diesem „Mangel an vorgegebenen Einpassungsstrukturen und Regulationen“ ist er auf der anderen Seite durch „Unbestimmtheit“ (Blumenberg) bestimmt, „nicht festgestellt“ (Gehlen in Übernahme von Nietzsche)181, also frei im Handlungszwang. Die Fähigkeit zu handeln im menschlichen Sinne (das heißt auch sich entschließen, Entscheidungen treffen) ist die „Kompensation“ (Blumenberg) oder die Vergütung des Mangels durch Handlungsgabe (Gehlen).182,183 Ist zum einen der Mensch nicht mehr Teil jenes Kosmos, nicht mehr ‚eins mit der Natur‘, so bedeutet das, dass er seiner Umwelt als von dieser getrennt, als philosophisch ‚Anderem‘, in pointierter Formulierung als „fremder Realität“ gegenübertritt, die ihn zum anderen aber auch nicht mehr bestimmt. Seine „Distanz zur Natur“ ist „Index aller Freiheit“,184 denn „Handlung verkümmert zur Reaktion, je direkter der Weg von der Theorie zur Praxis ist, der gesucht wird“.185 Dem Menschen stellt sich nun in seinem ihm obliegenden Dasein als unbestimmtes Wesen, das handeln (das heißt immer auch Entschlüsse fassen, sich entscheiden) muss, will er überleben, angesichts einer als nicht-identisch erlebten Umwelt erst die Frage nach der Wahrheit. bb) Rhetorik, insbesondere Metapher(n) als Bewältigung von Wahrheitsbedarf Ihre Beantwortung ist die Voraussetzung dafür, richtig handeln zu können. Die Existenz der Frage an sich indiziert schon den Mangel, der hier als „Wahrheitsmangel“ auftritt.186 Der Mensch sucht ihn handelnd idealiter durch Wissenschaft zu bewältigen. Doch Wissenschaft ist durch „prinzipielle Unendlichkeit“ ihrer Rationalität, die Zweifelhaftigkeit ihrer Vollendbarkeit und deshalb die Konvention, warten zu können, gekennzeichnet.187 Warten kann der stets gegenwärtig zum Handeln gezwungene Mensch jedoch nicht. Er schafft sich also prinzipiell provisorische Wahrheiten, die mangels Evidenz auf soziale Anerkennung angewiesen sind: „Unter diesem Aspekt ist Sprache nicht ein Instrumentarium zur Mitteilung von Kenntnissen und Wahrheiten, sondern primär der Herstellung der Verstän-

180

Gehlen (1974), S. 26. Blumenberg (2001a), S. 409, bzw. Gehlen (1974), S. 33. Ein „Mängelwesen“ ist der Mensch sowohl bei Gehlen (1974), S.20, 83 (unter Bezugnahme auf Herder) als auch Blumenberg (2007), S. 88. 182 Blumenberg (2001a), S. 409, bzw. Gehlen (1974), S. 34. 183 Vgl. zu den Grundlinien der Anthropologie Gehlens Schindler (2010), S. 1 ff. 184 Klein, S. 12. 185 Blumenberg (2001a), S. 422. 186 Blumenberg (2007), S. 87. 187 Blumenberg (2001a), S. 411, 413. 181

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B. Metaphorologische Analyse des Rechts als Perspektive (Teil 1, Theorie) 

digung, Zustimmung oder Duldung, auf die der Handelnde angewiesen ist.“188 Blumen­berg bezieht sich auf Aristoteles, der formulierte, „wovon alle überzeugt sind, das nennen wir wirklich“.189 So ist der Mensch ein Rhetoriker. Denn wenn „Wahrheit fehlt, muss die ganze Skala der Wahrscheinlichkeiten der Orientierung des Handelns dienen – und auf dieser Skala ist die Rhetorik zu Hause […] Wo die Wissenschaft jemals vollendet wäre, gäbe es keine Verlegenheit mehr, was und wie es zu tun sei – also die definitive Moral, die sich wirklich von selbst versteht –, es wäre dann auch jede Rhetorik überflüssig und wirkungslos […] die Möglichkeit der definitiven Moral und die Rhetorik schließen sich aus.“190

Rhetorik, die mithin so grundlegend anthropologisch begründet wird, ist also, „eine Technik, sich im Provisorium vor allen definitiven Wahrheiten und Moralen zu arrangieren. Rhetorik schafft Institutionen, wo Evidenzen fehlen. […] Alles, was diesseits der Evidenz übrigbleibt, ist Rhetorik.“191

Und die rhetorische Wirkung sei „nicht die wählbare Alternative zu einer Einsicht, die man auch haben könnte, sondern zu der Evidenz, die man nicht oder noch nicht, jedenfalls hier und jetzt nicht, haben kann“.192 Die Metapher soll nun „das signifikante Element der Rhetorik“ sein, das nicht nur auf den anthropologischen Mangel zeigt, sondern in ihrer Funktion einer Anthropologie des Mängelwesens im Ganzen entspricht, und an dem deshalb die Funktion der Rhetorik im soeben begründeten Sinne dargestellt werden kann.193 Zunächst einmal ist die „Armut unseres Wirklichkeitsbezuges [insbesondere Instinktreduktion, biologische NichtDeterminiertheit, d. Verf.] (inmitten des Reichtums unserer Möglichkeitsbeziehung [Unbe­ stimmtheit, Nicht-Festgestellt-Sein, d. Verf., …]) nicht erst eine Armut der Erkenntnis, der Wahrheit, der Theorie, sondern schon eine solche der Sprache, die sich innerhalb des lebensweltlichen Horizontes der nichtmodalisierten Gegebenheit ausbildet, aber ihre Leistung bezieht und beziehen muss auf das um diese Unmittelbarkeit gelagerte Unbekannte und Mögliche. […] Anthropologisch bedeutet der Sprachmangel […] einen Aspekt der Ungenauigkeit, mit der der Mensch in die Wirklichkeit eingelassen ist, anstatt dass er ihr eingepasst sein könnte. Wenn der Logos der Welt selbst es wäre, der in der Sprache des Menschen sich ausspricht und nur ein anderes Organ verschafft hat als das der Natur, dürfte es nichts anderes als die im aristotelischen Sinne ‚eigentliche Rede‘ […] geben.“194

In diesem Zusammenhang ist auch zu sehen, wie Blumenberg die „Metapher“ in erkenntnistheoretischer Abgrenzung zum „Urteil“ beschreibt. Der Grenzwert des 188

Auch zum Folgenden Blumenberg (2001a), S. 409 f. Aristoteles, Metaphysik 1172b, 36 f., zitiert nach Blumenberg (2001a), 410. 190 Blumenberg (2007), S. 87. 191 Auch zum Folgenden Blumenberg (2001a), S. 411. Vgl. rechtsphilosophisch am Rande bemerkenswert die Formulierung zur Unverfügbarkeit der „Evidenz des Guten“ als Voraussetzung der Rhetorik, Blumenberg (2001a), S. 408. 192 Blumenberg (2001a), S. 412. 193 Blumenberg (2001a), S. 416; Blumenberg (2007), S. 88. 194 Blumenberg (2007), S. 88 f. 189

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Urteils sei die „Identität“; das entspricht der Funktion der ‚eigentlichen Rede‘ und dem Ideal ‚wissenschaftsförmiger Rationalität‘, die tatsächlich Zeit braucht. Der Grenzwert der Metapher sei das Symbol, also die Verweisung eines Sachverhalts auf einen mit ihm nicht identischen Sachverhalt. Das unmittelbare und analytische Verfahren des Urteilens scheint für Blumenberg neben seinem unabsehbaren Zeitbedarf schon deshalb problematisch zu sein, weil etwas Konkretes begriffen werde, indem es aufgelöst werde in Prädikate und gleichsam verschwinde.195 So ist es denn auch ein Misstrauen in die Sprache, das die Metapher unentbehrlich macht.196 Die Metapher steht für die Fähigkeit, etwas nicht urteilend in diesem Sinne „als etwas“ (vermeintlich Identisches) zu begreifen, sondern etwas auf einem „Umweg“ „durch etwas anderes“ zu begreifen, wodurch dieses andere mutig „vorgreifend als aufschlussreich vermutet“ werde.197 „Am deutlichsten wird das dort, wo das Urteil mit seinem Identitätsanspruch überhaupt nicht ans Ziel kommen kann, entweder weil sein Gegenstand das Verfahren überfordert (die ‚Welt‘, das ‚Leben‘, die ‚Geschichte‘, das ‚Bewusstsein‘[, ‚das Recht‘, der ‚Staat‘, der primäre Funktionsbereich der ‚absoluten‘ Metaphern im Blumenbergschen Sinne, d. Verf.]) oder weil der Spielraum für das Verfahren nicht ausreicht, wie in Situationen des Handlungszwanges, in denen rasche Orientierung und drastische Plausibilität vonnöten sind.“198

Etwas unklar bleibt, welcher Raum der direkten Erfahrung vor aller Übertragung bleibt.199 Dass diese eine wichtige Rolle spielt, steht nicht außer Frage, denn Blumenberg sagt doch deutlich, der Anteil des Menschen am Ganzen der Wahrheit sei sinnhaft reguliert200 und bezeichnet die in der absoluten Metapher liegende Analogie auch als „metaphorische Folgerung“, die „von ganz bestimmten historischen ‚Erfahrungen‘“ ausgehe.201 Bei Gehlen erhalten „die Funktionen des Denkens und der Phantasie an den elementaren, mit Worten durchwobenen Tast- und Seherfahrungen ihre Beweglichkeit“, aus ihnen heraus bildet sich Sprache als lebendige, Objektivität konstruierende „Zwischenwelt“ mit Eigendynamik, in deren Verlauf „Worte aufeinander hinweisend werden, sich gegeneinander erfüllen und diese Funktion nun selbst ausdrücken, dass also das Denken bei sich selbst bleibt“ und in „Sprengung der

195

Blumenberg (2001a), S. 415. Blumenberg (2007), S. 90. 197 Blumenberg (2001a), S. 415 f. (Herv. i. Orig.). Vgl. Blumenberg (2007), S. 107, wo Metaphern als „eigentümliche[n] Vorgriffe unserer Imagination auf noch nicht Verstandenes“ gekennzeichnet werden. 198 Blumenberg (2001a), S. 416. 199 Eine Genese des „Begriffs“ findet sich allerdings ausführlich bei Blumenberg (2007), S. 10 ff., und mag bei näherer, nicht an dieser Stelle leistbarer Betrachtung eine Zwischenfunktion zur Genese der Metapher darstellen, da die Metapher nach Blumenberg (2007), S. 28, „sowohl in der Ursprungsphäre des Begriffs beheimatet ist als auch für die Unzulänglichkeit des Begriffs und seine Leistungsgrenzen noch fortwährend einzustehen hat“. 200 Vgl. Blumenberg (1998), S. 15. 201 Blumenberg (1998), S. 77. 196

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Gegenwart“ die „vollkommene Befreiung des Menschen“ von der anschaulichen Situation erreicht wird.202 Das Leben des existenziell unbestimmten Menschen zeichnet sich schließlich erheblich weniger durch die Zwänge der Natur als durch verantwortliches Handeln auf der Basis „imaginativer Orientierungssysteme“ aus.203 cc) Metapher(n) als Ökonomie und Muskelspiel der Freiheit Die Metapher funktioniert selbst auf einer Skala zwischen einer primär zeitlichen Ökonomie der lebensweltlichen Notwendigkeit („Handlungs“-, d. h. Entschlusszwang) und „Ausschweifung“204 ins Spielerische, in die kulturellen Welten einer „hochgradig artifiziellen Umweltwirklichkeit“, in der von Rhetorik so wenig wahrzunehmen ist, „weil sie schon allgegenwärtig ist“.205 Die ausführlichen Überlegungen Blumenbergs zur Zeitökonomie der Metapher zeichnen ihn vor den meisten metapherntheoretischen Autorinnen und Autoren der Gegenwart aus und erscheinen besonders im Hinblick auf die im philosophischen Sinne in erster Linie praktische Wissenschaft der Jurisprudenz interessant. Denn als solche unterliegt die Rechtswissenschaft ja besonderen Zwängen im Hinblick sowohl auf das erforderliche Maß an Konsens die ‚Wahrheit‘ ihres Gegenstandes betreffend als auch auf die Zeit, in der zu handeln ist. „Vernunft darf keinen beliebigen Preis an Zeit abfordern“,206 ließe sich auch direkt auf den Grundgedanken des Grundrechts auf ein faires Verfahren (Art. 6 EMRK) beziehen, dass über Ansprüche innerhalb einer „angemessenen“ Frist zu entscheiden ist. Die zeitliche Endlichkeit lässt „auf abgekürzten Prozessen bestehen […], die der reinen Rationalität nicht genügen können, und zu Rechtsvermutungen und Präsumtionen der Beweislastlage zwingen“.207 Und es ist eine „Kopie der Prozessform von Wissenschaft [die aber auch nur vergleichsweise zeitunabhängig ist, d. Verf.], wenn die Diskussion als Instrument der öffentlichen Willensbildung so betrachtet wird, als sei sie ein Mechanismus [ideal, d. Verf.] rationaler Ergebnisfindung“.208 Denn faktisch ist ihr Ergebnis nicht absolut, sondern nur institutionell209 zu begründen. 202 Vgl. Schindler (2010), S. 6 ff., mit Nachweisen (Herv. jeweils i. Orig.). Beachte Blumenbergs ausdrückliche Akzentabgrenzung zu Gehlen in Blumenberg (2007), S. 26 f. 203 Vgl. Blumenberg (1971), S. 193, 195, und dazu Haefliger, S 117, nach dessen Auffassung die Bezeichnung der Metapher als „Imaginationssystem“ besser als jeder andere Ausdruck das kogni­tive Metaphernverständnis Blumenbergs in Verbindung mit seiner Anthropologie wiedergebe. 204 Blumenberg (2007), S. 88. 205 Blumenberg (2001a), S. 429. 206 Blumenberg (2007), S. 91. 207 Blumenberg (2007), S. 93. 208 Blumenberg (2001a), S. 413. 209 Erinnernswert Blumenberg (2001a), S. 411: „Rhetorik schafft Institutionen, wo Evidenzen fehlen.“

I. Metapherntheorien

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Interessant ist an dieser Stelle auch Blumenbergs Schlussfolgerung für die Bewertung wissenschaftlicher Politikberatung: „Die Euphorie hinsichtlich der Beratung öffentlichen Handelns durch Wissenschaft ist zwar etwas abgeklungen, aber die Enttäuschungen an diesem Bündnis beruhen auf der fehlenden Einsicht, dass Gremien von Wissenschaftlern in Ermangelung abschließender Evidenz ihrer Erkenntnisse ihrerseits gar nicht anders verfahren können als die Institutionen, die sie zu beraten haben, nämlich rhetorisch.“210

Doch die Metapher ist eben keineswegs nur ökonomisch. Phylogenetisch hat sie über einen langen Zeitraum hinweg eine „zentrifugale Dynamik“ entwickelt, die sie „über den Horizont des Lebensnotwendigen hinweg“ zum „Instrument eines expansiven Weltbezuges [macht, d. Verf.], das die der Sprache nicht bedürftigen Regelungen und Auslösemechanismen der biologischen Umwelt längst verlassen hat und in den selbstverständlichen Institutionen der Lebenswelt nur durchgangsweise habilitiert war. […] Da es […] nicht um die Bedürfnisse des nackten Lebens und Überlebens geht, kann man […] sagen, der Mensch übt sein Vermögen der Horizontüberschreitung als bloßes Muskelspiel seiner Freiheit aus.“211

Der Rhetorik als Lehre dieser Freiheit kommt so, wie Blumenberg sie versteht, übrigens eine durchaus freiheitssichernde Funktion zu: Rhetorik lehrt, Rhetorik zu erkennen.212 c) Metaphorologischer Werkzeugkasten In diesem Sinne gilt es nun bei Blumenberg nach Elementen einer Heuristik für den metaphorologischen Blick auf die menschliche Sprache zu schauen. Grund­ begriff der Blumenbergschen Metaphorologie ist, wie dargestellt, die „absolute Metapher“. Fokussiert auf die absolute Metapher und diese nicht mehr bloß in Abgrenzung zum Begriff gesehen, lassen sich – vor allem aus den „Paradigmen zu einer Metaphorologie“ – tendenziell verstreut vorhandene Formulierungen in definitorische und methodenprogrammatische Zusammenhänge bringen. aa) Metaphorologische Grundbegriffe (i. w. S.) Eine absolute Metapher setzt eine Antwort auf „Fragen präsystematischen Charakters“, die vermeintlich naiv[en], prinzipiell unbeantwortbar“, aber „nicht eliminierbar“ sind213, in Worte um214: In ihr schlagen elementare Modellvorstellun 210 Blumenberg (2001a), S. 423. Eine angesichts eines derart aufgeklärten Spannungsfeldes von Demokratie und Expertise anschlussfähige Position bezieht beispielsweise Arndt. 211 Blumenberg (2007), S. 88 und 110. 212 Blumenberg (2001a), S. 423. 213 Blumenberg (1998), S. 23. 214 Blumenberg (1998), S. 15.

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gen, „Orientierungen“215, die „in einer untergründigen Schicht des Denkens immer schon […] durchstimmend, färbend, strukturierend gegenwärtig und wirksam gewesen“ sind, „bis in die Ausdrucksphäre durch“.216 Die bestimmte Antwort, die in einer absoluten Metapher nur in Worte gefasst wird, ist als solche nicht kausal „rückführbar“.217 Die Metapher ist ein „Gedanke gleich im Bilde geboren“.218 Die Metapher ist den Worten vorgezeichnet aus dem Feld der Unbegrifflichkeit – als „Bodenstruktur der Gedankenbildung“ (offensichtlich solcher Gedanken, die nicht gleich im Bilde geboren werden) – heraus.219 „Gespür unmittelbar in Behauptung umzusetzen“220 bedeutet, die richtigen Worte zu finden. Absolute Metaphern erscheinen so als gewissermaßen unwillkürliche Setzungen aus unbegrifflichen Gründen. Wir sind „noch zwingender […] durch Bilder­ vorrat und Bilderwahl bestimmt“ als durch die Sprache.221 Die „in ihnen entschiedene Alternative“ ist nicht theoretisch entscheidbar, die Richtigkeit der Entscheidung ist nicht verifizierbar im Sinne „eines methodisch gesicherten Verfahrens der Bewahrheitung“, „‚strenge[r] Wahrheit‘“.222 Die Wahrheit absoluter Metaphern ist (schon vor ihrer Einkleidung in Worte, das gleich zu erörternde „implikative Modell“ ist eine lehrreiche Konsequenz dieser Auffassung) vielmehr „pragmatisch“, also keine Wahrheit der wahren Gründe, sondern der wahren Wirkung.223 Dazu definiert Blumenberg „pragmatisch“ an vereinzelter Stelle (trotz einer missverständlichen Formulierung ist von einer für das ganze Werk Geltung beanspruchenden Definition auszugehen) als die „Hinlenkung der theoretischen Aufmerksamkeit in der Gegenrichtung der Metaphorisierung“ oder auch „im Metaphorischen wurzelnde Sichtlenkung“, wobei die Metapher „projiziert“.224 „Bildervorrat und Bilderwahl“ kanalisieren den Menschen „in dem, was überhaupt sich uns zu zeigen vermag und was wir in Erfahrung bringen können“.225 Dies ist eine ausführlichere Formulierung der bereits im anthropologischen Zusammenhang zitierten Behauptung, der Anteil des Menschen am Ganzen der Wahrheit sei sinnhaft „reguliert“.226 215 Eindrucksvoll zur Metapher der „Orientierung“ für Vorgänge des Denkens als dem „unermeßlichen und für uns mit dicker Nacht erfülleten Raume des Übersinnlichen“ Kant (2006 [1786]), S. 137. 216 Blumenberg (1998), S. 15 f.; zu den „Orientierungen“ auch S. 25. 217 Vgl. Blumenberg (1998), S. 10, 15. 218 Blumenberg (1998), S. 28, diesen Ausdruck von Fontane hernehmend. 219 Blumenberg (1998), S. 84 (Fn. 96 a. E.). 220 Blumenberg (1998), S. 85. 221 Blumenberg (1998), S. 91 f. 222 Blumenberg (1998), S. 23. Zur theoretischen Unentscheidbarkeit auch vgl. ebd., S. 67. 223 Blumenberg (1998), S. 25; vgl. weiter a. a. O., S. 77. 224 Blumenberg (1998), S. 98 f. (Herv. i. Orig.). 225 Blumenberg (1998), S. 92. 226 Vgl. Blumenberg (1998), S. 15. Vgl. auch ebd., S. 39, insbesondere Fn. 46 mit dem Cusanus-Zitat, der Mensch bringe „geistig Seiendes in Angleichung an das dinglich Seiende hervor“.

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Zu den wahren Wirkungen der absoluten Metapher in ihrer pragmatischen Funktion gehören die „Weise der Protention“, das heißt der unterbewusst227 stets vorgreifenden Erwartung des Künftigen, die Einfluss auf sein Erleben in der künftigen Gegenwart hat, der „Zurüstung“, womit wohl die Instrumentarien gemeint sind, die uns zur Bewältigung des Protendierten dienen sollen, in diesem Sinne dann auch der „Methodenschliff“, also die Weiterentwicklung bestimmter Kunstfertigkeiten, die „Institutionalisierung (Gründung von Gesellschaften, um die in Aussicht stehende Arbeitslast aufzufangen)“ und die Rückwirkung „als Kriterium“ dafür, was erwartet werden kann.228 Es gibt die absolute Metapher im einfachen, einen bestimmten wörtlichen Ausdruck meinenden Sinne. Es gibt aber auch die Form absoluter Metaphorik, die Blumenberg zunächst „implikatives Modell“, später „Hintergrundmetaphorik“ nennt. Mit ihr wird ein Zusammenhang von Aussagen selbst nicht absolut metaphorischer Natur erkannt, der in einer hypothetisch zu erschließenden metaphorischen Leitvorstellung begründet liegt:229 „Metaphorik kann auch dort im Spiele sein, wo ausschließlich terminologische Aussagen auftreten, die aber ohne Hinblick auf eine Leitvorstellung, an der sie induziert und ‚abgelesen‘ sind, in ihrer umschließenden Sinneinheit gar nicht verstanden werden können.“230

War im Hinblick auf die im einzelnen Ausdruck kristalline Grundform der absoluten Metapher von bis in die Ausdrucksphäre durchschlagenden elementaren Modellvorstellungen die Rede, so ist „Hintergrundmetaphorik“ dahingehend gekennzeichnet, dass hier solche Modellvorstellungen zwar auch, aber nicht wie in der Grundform unmittelbar zur Sprache kommen. Hintergrundmetaphorik ist also im Blumenbergschen Sinne auch „absolut“, nur eben nicht ausdrücklich konzentriert.231 Metaphern, insbesondere als Hintergrundmetaphern selbst schon als „Imaginationssysteme“ bezeichnet232, können sich zusammenschließen „zu Metaphernwelten mit einer eigenen Logik ihrer Assoziation, ihrer bildlichen Deckung und Berührung, die aber […] eine vordergründige Unvereinbarkeit haben können“.233 Die metaphorologische Metapher der ‚toten Metapher‘ ist Blumenberg übrigens fremd. Er kennt zwar den „Übergang von der Metapher zum Begriff“, den er als „Terminologisierung“ oder „Logisierung“ beschreibt.234 Aber dass eine Meta 227 Der Ausdruck des „Unterbewussten“ wird hier demjenigen des „Unbewussten“ vorgezogen, weil ersteres semantisch präziser ausdrückt, dass eine kognitive Existenz gegeben ist; unbewusst ist mir auch, was im selben Augenblick am anderen Ende der Welt passiert. 228 Vgl. Blumenberg (1998), S. 39 f. Vgl. in diesem Zusammenhang ebd., S. 79, Blumenbergs Interpretation eines historischen Zitats als „metaphorische Offenhaltung des Horizonts“ von Erwartungen. 229 Blumenberg (1998), S. 20. 230 Blumenberg (1998), S. 91. 231 Vgl. Blumenberg (1998), S. 114. 232 Blumenberg (1971), S. 193, 195, und dazu Haefliger, S. 117 ff. 233 Blumenberg (2007), S. 74. 234 Blumenberg (1998), S. 117, 128.

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pher inhaltlich völlig losgelöst von ihrem Ursprung eine andere Existenz als Begriff führen könne, liegt ihm wohl fern. Metaphern werden vielmehr „heimatlos“, wenn das System, dem sie zugehören, aufhört zu funktionieren, zum Beispiel aufgrund inkompatibler Erkenntnisfortschritte der Sprachgemeinschaft.235 Oder eine Metapher „überlebt ihre lebendige Ausdrucksfunktion für eine der alle Verhalten fundierenden Seinsvermutungen, indem sie nur noch als pragmatischer Anhalt ­figuriert“.236 bb) Methodologisches Selbstverständnis Die Metaphorologie weist als „analytische Arbeitsweise“237 historische Sinn­ zusammenhänge auf, die eine „terminologisch-systematische[n] Analyse“ nicht verdeutlichen lässt.238 Sie ist keine „Methode zum Gebrauch von Metaphern“, sondern einer „entschlossenen Kritik“ der Leitfunktion der Sprache für das Denken, wobei diese Leitfunktion jedenfalls nicht zuletzt in Metaphern funktioniert, die im Wesentlichen historisch betrachtet werden.239 Im Idealfall kann eine solche Metaphorologie anhand historischer Belege „dokumentarisch“ dartun, was eine ab­ solute Metapher zu einem bestimmen Zeitpunkt „pragmatisch bedeutet hat“240, sie ist ein „Verfahren der pragmatischen [und historischen, d. Verf.] Interpretation“.241 Die grundlegende Beschreibung des metaphorologischen Vorgehens ist ebenso einprägsam wie einleuchtend. Blumenberg unterscheidet zwischen einerseits ideal­ typischen „historischen Längsschnitten“, die gelegt werden, das heißt realistischen Verbindungslinien zwischen chronologisch aufeinander folgenden Geschehnissen, und andererseits „Querschnitten“, die eine „Interpretation [des jeweiligen historischen Geschehens, d. Verf.] aus dem gedanklichen Zusammenhang, innerhalb dessen es steht und fungiert“, ermöglichen. Es ist davon auszugehen, dass in der physiologisch anmutenden Schnittmetaphorik ein Verständnis von Geschichte und Geschichtsschreibung als „dicht“ und „tiefgründig“ zum Ausdruck kommt; es sind nicht zufällige Handlungen einzelner Personen, die Nah- und Fernwirkungen zeigen. Sondern alles hängt enger mit vielem zusammen, als es manche Art von Geschichtsschreibung sich einbilden lässt. Geschichte ist kein lose und weitmaschig zusammenhängender Stoff, sondern „Geschichtsstrom“.242 Für das geeignetste Material erklärt Blumenberg aus ökonomischen Gründen übrigens solches, das in 235

Vgl. Blumenberg (1998), S. 96. Blumenberg (1998), S. 60 (Herv. d. Verf.). 237 Blumenberg (1998), S. 116. 238 Vgl. Blumenberg (1998), S. 67. 239 Blumenberg (1998), S. 24. Diese Definition entspricht derjenigen zu Rhetorik als Wissenschaft, diese lehre Rhetorik als Technik zu erkennen, nicht sie zu legitimieren, vgl. Blumen­ berg (2001a), S. 423. 240 Blumenberg (1998), S. 27. 241 Blumenberg (1998), S. 29. 242 Blumenberg (1998), S. 50. 236

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durchaus passender metaphorischer Fortschreibung Blumenbergs als ‚durchschnittlich‘ zu kennzeichnen wäre.243 Die Darstellung historischer Längs- und insbesondere auch Querschnitte soll schließlich auch offenbaren, was den jeweiligen Metaphern ihre „Konturen“ wie ihr „Kolorit“ verleiht.244 An diese metaphorologische Metaphorik schließt sich bei Blumenberg ein methodisches Programm an: Hintergrundmetaphern sind als selbst nicht ausdrückliche Metaphern kaum exakt auszuformulieren, ihr Bedeutungsgehalt kaum nur in einer Weise zu beschreiben. Sie können „nur im Spielraum einer gewissen Typik“ beschrieben werden, „und dies am ehesten dort, wo eine Vorentscheidung zwischen gegensätzlichen Metapherntypen zugrundeliegt, z. B. die Wahl innerhalb des Dualismus organischer und mechanischer Leitvorstellungen“.245 Absolute Metaphern konkurrieren mitunter darum, „leere Problemstelle[n]“ des menschlichen Denkens zu füllen.246 Und der Vergleich und Beleg historisch miteinander in „Konfrontation“247 geratener (Hintergrund-)Metaphern ermöglicht es, die mit ihnen verbundenen Denkrichtungen und -systeme in ihrer Differenz methodisch „kontrastzufärben“.248 Die Sättigung der Blumenbergschen Analysen mit historischem Wissen lässt dem Phänomen zuweilen etwas ratlos gegenüberstehen, dass die Metaphorologie den Titeln der einschlägigen Schriften nach zu urteilen die darin enthaltenen Erkenntnisse für sich allein zu verbuchen scheinen möchte. Es fragt sich, analog zur Frage, wo Begriffe noch von Metaphern abzugrenzen seien, wo Metaphorologie aufhört und das Proprium anderer Methodenprogramme beginnt. In den „Paradig­ men“ deutet Blumenberg zumindest für das Verhältnis von Metaphorologie und Terminologie an, dass Letztere die Sprache und ihre Bedeutungen kleinteiliger betrachtet. Um eine spezifische weltanschauliche Situation am Beginn einer neuen Epoche herauszuarbeiten, genüge „freilich eine isolierte metaphorologische Untersuchung nicht. Sie macht nur das eigentümlich Vor-theoretische, stimmungsmäßig Gespannte, Ahnungshafte einer Welthaltung deutlich, die sich am Anfang unermesslichen Zuwachses an Erkenntnis wähnt und dies in Willentlichkeit, Arbeit, Methode, Energie umsetzt. Die Metaphern geben das Feld an, in dem terminologische Untersuchungen das Detail zu liefern hätten.“249

243

Vgl. Blumenberg (1998), S. 50. Vgl. Blumenberg (1998), S. 50. 245 Blumenberg (1998), S. 91 (Herv. i. Orig.). 246 Blumenberg (1998), S. 147. Vgl. ebd., S. 88, wo er beschreibt, wie in einer bestimmten historischen Situation die Metapher der „‚unvollendeten Welt‘ […] hier noch unter der Metapher des alternden Universums unentwickelt verborgen liegt“. Blumenberg (2007), S.  74, spricht von einer „Vakanz des Begriffs“. 247 Blumenberg (1998), S.  109. Absolute Metaphern müssen jedoch einander nicht zwingend ausschließen, „auch wenn sie in gegenständlicher Bezogenheit dies täten“, Blumenberg (2007), S. 73. Dazu vgl. unten den Abschnitt über Lakoff und Johnson (B.I.5.). 248 Vgl. Blumenberg (1998), S. 116. 249 Blumenberg (1998), S. 80. 244

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Dies gilt nicht nur im Verhältnis zur Terminologie, wie Blumenbergs Charakterisierung der Aufgabe historischer Querschnitte oben genannter Art beschreibt: „Solche Querschnitte können, für sich betrachtet, nicht mehr rein metaphorologisch sein, sie müssen Begriff und Metapher, Definition und Bild als Einheit der Ausdrucksphäre eines Denkers oder einer Zeit nehmen.“250

Die Metaphorologie ist hier eben nicht weniger und nicht mehr als eine Teilaufgabe der Begriffshistorie (i. w. S.), eine stets komplementäre Methodik und Hilfsdisziplin der Philosophie.251 d) Konklusion Nicht nur im Horizont der hier referierten Metaphernverständnisse kommt Blumenberg das Verdienst zu, die Erkenntnis nicht nur der Normalität, sondern auch der Notwendigkeit metaphorischer Sprache in ein analytisches Verfahren überführt zu haben. Hatte Aristoteles neben einem ontologisch geprägten Grund­modell metaphorischer Redeweise vor allem eine Gebrauchsanleitung (‚nur‘) für den Einsatz von Metaphern in Kontexten seiner Zeit geliefert, schien Kant – obgleich mit erkenntnistheoretisch kritischem Interesse – selbst zu einem anwendungsorientierten Metaphernverständnis zu neigen, eben „Metaphoriker“ (Vaihinger) zu sein.252 Dieser Anschein liegt vor allem darin begründet, dass Kants ‚Symbollehre‘ gegenüber der Blumenbergschen Metaphorologie insbesondere noch die Erfassung der geschichtlichen, d. h. insbesondere auch wissenschaftsgeschichtlichen Dimensionen bzw. Verbindlichkeiten konkreter Metaphern und Begriffe i. w. S. fehlte. Auch in anderer Hinsicht liest sich Blumenberg als derjenige, der durch- und ausführt, was bei Kant philosophisch angelegt und anthropologisch stets mitspielend vorausgesetzt wird, und der philosophisch rechtfertigt, was sich bei Aristoteles als ‚Normalität‘ der Metapher im menschlichen Sprachgebrauch darstellt: Blumenberg formuliert aus, dass das menschliche Wahrheitsinteresse naturgemäß ein Interesse an verfügbaren Anschauungen ist. Auch abstrakte Wahrheiten sprechen sich in radikal lebensweltlichen Bezügen aus – und dies ist nicht nachteilig, sondern menschlich. Praktische Bedeutung eignet vor allem der Blumenbergschen Heuristik in ihrer Anschaulichkeit, Einfachheit und Plausibilität. Dass Blumenberg sein Projekt einer Metaphorologie als solches der Philosophie entwickelt hat, bedeutet für eine Rechtsmetaphorologie in Berufung auf Blumenberg nichts Negatives. Recht als pragmatische Disziplin per se bedarf einer pragmatischen Interpretation. Des 250

Blumenberg (1998), S. 49. Blumenberg (1998), S. 49 bzw. 111. 252 Karakassi, S. 70, vermutet nach hiesiger Meinung triftig, dass Kants § 59 der Kritik der Urteilskraft illustriere, dass ihn das Problem des „Symbols“ – im hiesigen Sinne der präskriptiven Metapher – vielleicht mehr beschäftigt habe, als sein Werk den Eindruck erwecke. 251

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halb bezeichnet Stoellger zu Recht das Recht als absehbaren Horizont, der einer (wie er die Metaphorologie kennzeichnet) Lebenswelt- und Wissenschaftshermeneutik ­fähig und bedürftig sei, zu der Blumenberg einerseits methodische Handhabe gebe, andererseits genug unausgeführt gelassen habe, um weiterzugehen.253 4. Hannah Arendt, Vom Leben des Geistes (1973) Von Hannah Arendt finden sich in ihrem Werk „Vom Leben des Geistes“ zwei Kapitel, die einen besonders dezidierten Entwurf der Metapher enthalten. Einer von zwei Aspekten, aus denen heraus sich diese Charakterisierung rechtfertigt, ist die – dem hiesigen Untersuchungsgegenstand entgegenkommende – enge Definition des Metaphernbegriffs. Arendt lässt von Anfang an nur solche Übertragungen als Metaphern gelten, die der „eigentlichen Funktion der Metapher“ dienen, „nämlich, dass sie den Geist auf die Sinnenwelt zurücklenkt, um die nichtsinnlichen Erfahrungen des Geistes zu erhellen, für die es in keiner Sprache Worte gibt“.254 Der zweite, im soeben Gesagten schon angedeutete Aspekt, ist die keinen Zweifel duldende Behauptung, dass „alle philosophischen Termini […] Metaphern [sind]“255 und die Sprache des Denkens „rein metaphorisch ist und dessen theoretisches Gerüst völlig auf der Fähigkeit zur Metapher beruht“.256 Arendt leitet ihre Überlegungen mit einigen Bemerkungen über den Zusammenhang von Sprache und Denken ein. Grundgedanke ist, dass „die geistigen Tätigkeiten, selbst unsichtbar und auf das Unsichtbare gerichtet, […] sich nur in der Sprache [offenbaren]“.257 Die Sprache ist hier nicht als Kommunikation mit anderen gemeint, sondern als Oberbegriff, der auch das unhörbare Sprechen mit sich selbst umfasst. Diese Abgrenzung ist für den Zusammenhang von Sprache und Denken wichtig, weil sie vorbeugt, die Funktionen der Sprache auf ihre Funktion zur Verständigung mit anderen zu verengen. Sprache erfüllt das menschliche Bedürfnis nach Sinn, sie folgt dem Sinnstreben der Vernunft. Das heißt, die Sprache stellt den geistigen Sinn erst her: „das Bedürfnis der Vernunft besteht darin, Rechenschaft zu geben […] von allem, was es geben oder gegeben haben kann […] Das bloße Benennen von Dingen, die Schaffung von Wörtern, ist die menschliche Art der Aneignung und gewissermaßen der Aufhebung der Entfremdung von der Welt, in die ja jeder als Neuling und Fremder geboren wird“.258 Die Rede vom „bloßen Benennen von Dingen“ – ebenso wie auch die Umschreibung, die Sprache für sich diene der „Bewältigung alles dessen […], was […] unseren Sinnen gegeben sein kann“259 – 253

Stoellger, S. 211. Arendt, S. 111. 255 Arendt, S. 108, ebenso schon S. 107. 256 Arendt, S. 127. 257 Arendt, S. 103. 258 Arendt, S. 104 f. (Herv. i. Orig.). 259 Arendt, S. 104. 254

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zeigt deutlich, dass Sinn hier in einem voraussetzungsarmen Sinne gebraucht wird, im Sinne einer einfachen mentalen Realisierung des verstandesmäßig Wahrgenommenen.260 Unentschieden im Sinne eines dialektischen Verhältnisses bleibt die Frage, ob das Denken der Sprache folge oder die Sprache dem Denken. Während sich die Bilder durch das Sehen von den gesehenen Gegenständen her ergäben, mit denen ein potenziell fertiger Bildschatz gegeben sei, gelte dies für die Sprache im Verhältnis zum Denken nicht. Im Geist gibt es keine vorgängigen Gegenstände, sondern „für die Bedürfnisse des Geistes“ würden stets „Wörter geborgt, die ursprünglich entweder eine Sinneserfahrung oder eine andere Alltagserfahrung bedeuteten“.261 In diesem Zusammenhang erfolgt eine erste Abgrenzung zur überkommenen Definition, wonach bei der Metapher „ein Name oder eine Beschreibung auf einen Gegenstand übertragen wird, der von dem eigentlichen verschieden, aber ihm analog ist“. Denn es gebe keine Analogie der Gegenstände, sondern nur ihrer Beziehungen. Die Metapher gewinnt mithin ihre „eigentliche [da unverzichtbare, d. Verf.] Funktion“ dort, wo kein zweiter (raumzeitlicher) Gegen­stand existiert, sondern erst die Folge einer Sinnschöpfung ist262: „Die Metapher liefert dem ‚abstrakten‘, nicht bildhaften Denken eine Anschauung aus der Welt der Erscheinungen. […] Sie bewirkt die ‚Übertragung‘ […], einen echten und scheinbar unmöglichen Übergang […] von einem existentiellen Zustand, dem des Denkens, in einen anderen, dass man Erscheinung unter Erscheinungen ist, und das ist nur mit Hilfe von Analogien möglich“ (Arendt unterscheidet leider nicht einheitlich zwischen Metapher und Analogie, in den meisten Zusammenhängen scheint jene die Realisierung dieser zu sein).263 Aufgrund dieser Eingrenzung ist es Arendt möglich, die ihrer Definition gemäß eigentliche Metapher durch die Regel der „Nichtumkehrbarkeit“ (das ist die zweite Abgrenzung zur überkommenen Definition) zu charakterisieren.264 Diese soll darin liegen, dass die Bezeichnung eines Unsichtbaren niemals als Metapher eines Sichtbaren funktioniere. Die Metapher hat danach eben die Funktion, den Geist auf die Sinnenwelt zurückzulenken, „um die nichtsinnlichen Erfahrungen des Geistes zu erhellen“, und nicht die Sinnenwelt auf den Geist zurückzulenken, um die sinnlichen Erfahrungen des Geistes zu erhellen. Die Metaphern, vermittels derer „der Geist mit der Welt in Verbindung bleibt“, dienen „beim Denken selbst 260 Nichtsdestotrotz ist diese Tätigkeit der Sprache unmissverständlich schon dem Vermögen der „Vernunft“ zugeordnet, auf deren strenge Unterscheidung von jenem des „Verstandes“ Arendt unter Bezugnahme auf Kant beharrt. Gegenstand der Vernunft soll nicht die Suche nach Wahrheit sein, sondern nach Sinn, das ist etwas „Unerkennbares“; davon unterschiedlich sei Erkenntnis das Geschäft des Verstandes, vgl. Arendt, S. 24 f. 261 Arendt, S. 107. 262 Nur vor diesem Hintergrund ist verständlich, warum Arendt in diesem Zusammenhang Aristoteles mit den Worten zitiert, jede Metapher sei ein „Zeichen der Genialität“, „etwas ganz unübertrefflich Großes“, weil sie „eine intuitive Wahrnehmung einer Ähnlichkeit zwischen Unähnlichem“ freilege, Arendt, S. 107. 263 Arendt, S. 108. 264 Arendt, S. 111.

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als Vorbilder und Wegweiser“, wo im Reich des Geistes „die Körpersinne mit ihrer relativen Gewissheit der Erkenntnis“ keine Sicherheit geben, keine „Ordnung“, d. h. keinen Orientierungsraum bieten.265 So gibt es nach Arendt eine „Einheit der menschlichen Erfahrung“, die – wie die Nichtumkehrbarkeit zeige  – unter dem Primat der Erscheinungswelt stehe. „Es gibt nicht zwei Welten, denn die Metapher vereinigt sie.“266 Hannah Arendts Werk enthält gegenüber den Positionen Kants und Blumenbergs nichts wesentlich Neues, ist aber dennoch aus vier Gründen interessant: Zum einen mildert ihr Beitrag die Unterrepräsentanz der Frauen in der überlieferten Geschichte der Metapherntheorie etwas ab. Zum zweiten steht sie in einer auf (überwiegend) deskriptive Metaphern fokussierenden Metaphernwissenschaft für die Möglichkeit, die Metapher (vor allem) als präskriptive Funktion zu verstehen. Drittens mag der zuletzt genannte Grund ausschlaggebend dafür sein, dass man Arendt in metaphorologischen Bibliographien bislang höchstens in Ausnahme­ fällen findet. Und viertens verdeutlicht die in den Zitaten des letzten Absatzes deutlich werdende Zuspitzung, dass die Erkenntnisse der Metaphorologie die Möglichkeiten genuin idealistischer Philosophien stark beschränken. 5. George Lakoff und Mark Johnson, Leben in Metaphern (1980) u. a. „The mind is inherently embodied. Thought is mostly un­ conscious. Abstract concepts are largely metaphorical.“267 „How we think metaphorically matters. It can determine […] legal decisions, as well as the mundane choices of everyday life.“268

George Lakoff und Mark Johnson stehen mit ihrem grundlegenden Werk „Metaphors We Live By“ (in deutscher Übersetzung erstmals 1998 unter dem Titel „Leben in Metaphern“ erschienen) für eine von der im deutschsprachigen Raum so einflussreichen Blumenbergschen Metaphorologie unabhängig entwickelte metapherntheoretische Richtung, für die sie im anglo-amerikanischen Wissenschaftsraum gewissermaßen die Initialzündung gaben und – auch in weiteren, teils gemeinsamen, teils einzeln verantworteten Veröffentlichungen – prägend sind. Ihren wissenschaftlichen Ansatz, der gegen die Verdrängung der Reflexion metaphorischer Ausdrucksweisen in die Poesie und die Rhetorik und auf das Anerkenntnis ihrer Ubiquität269 und folgerichtig der Notwendigkeit ihrer disziplinübergreifenden

265

Arendt, S. 113 f. Arendt, S. 114. 267 Lakoff/Johnson (1999), S. 3. 268 Lakoff/Johnson (2003 [1980]), S. 243. 269 Kohl, S. 23. 266

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wissenschaftlichen Reflexion gerichtet ist, machen sie in ihrer Einleitung zu „Met­ aphors We Live By“ deutlich: „Die Metapher ist für die meisten Menschen ein Mittel der poetischen Imagination und der rhetorischen Geste – also dem Bereich der außergewöhnlichen und nicht der gewöhnlichen Sprache zuzuordnen. Überdies ist typisch, dass die Metapher für ein rein sprachliches Phänomen gehalten wird – also eine Frage der Worte und nicht des Denkens oder Handelns ist. Aus diesem Grunde glauben die meisten Menschen, sehr gut ohne Metaphern auskommen zu können. Wir haben dagegen festgestellt, dass die Metapher unser Alltagsleben durchdringt, und zwar nicht nur unsere Sprache, sondern auch unser Denken und Handeln. Unser alltägliches Konzeptsystem, nach dem wir sowohl denken als auch handeln, ist im Kern und grundsätzlich metaphorisch.“270

Zugleich wird der Unterschied zu den bisher erörterten metaphorologischen/ metapherntheoretischen Ansätzen deutlich, der in der Verschiebung des Erkennt­ nis­akzents von der Sprache in Richtung Kognition und Handeln liegt, wobei Kogni­ tion „in the richest possible sense“ gerade auch unbewusste Sachverhalte umfasst, etwa Aspekte des sensomotorischen Systems des Menschen, soweit sie auf die Gehirnfunktion einwirken.271 Deshalb wird von Lakoff und Johnson immer wieder betont, dass die Metapher „gerade deshalb möglich [ist], weil das menschliche Konzeptsystem Metaphern enthält“, also nicht umgekehrt das menschliche Konzeptsystem Metaphern enthält, weil und soweit Metaphern möglich sind.272 Indem wir scheinbar unkomplizierte Handlungen ausführen, „denken und handeln“ wir „nach bestimmten Leitlinien“, die in unserem konzeptuellen System angelegt sind.273 Danach drückt der Mensch sich nicht bloß in rein sprachlichen Metaphern aus, sondern lebt ganzheitlich unmittelbar und auf grundlegender Ebene in ihnen.274 Die Metapher für ein quasi vorsprachliches und im Allgemeinen nicht willkürliches Wahrnehmungsmuster zu halten, dem entspricht die Charakterisierung ihres Wesens dadurch, „dass wir durch sie eine Sache oder einen Vorgang in Begriffen einer anderen Sache bzw. eines anderen Vorgangs verstehen und erfahren können“.275 Insoweit treffend beschreibt Kohl den Unterschied zwischen Lakoff und Johnson einerseits und Blumenberg andererseits so, dass für erstere „die Metapher die Erforschung der Interaktion zwischen Körper, Phantasie und Denken [ermöglicht], und sie gilt […] als Teil eines auch entwicklungspsychologisch bedeutsamen Prozesses, der rationalistische Ansätze in Frage stellt […] Blumenberg dagegen versteht die Metapher als Spezialproblem philosophischer Sprache, das es philosophisch zu lösen gilt. […] Die ‚Begriffswelt‘ bleibt bei ihm jedoch von dem ‚unter‘ ihr liegenden ‚Bereich der Phantasie‘ getrennt, so dass die rationalistischen Strukturen und Grenzen grundsätzlich erhalten bleiben.“276 270

Lakoff/Johnson (2008 [1980]), S. 11. Vgl. Lakoff/Johnson (1999), S. 11 f. 272 Lakoff/Johnson (2008 [1980]), S. 14. 273 Lakoff/Johnson (2008 [1980]), S. 11 ff. 274 Lakoff/Johnson (2008 [1980]), z. B. Titel, S. 69. 275 Lakoff/Johnson (2008 [1980]), S. 13. 276 Kohl, S. 117 f. 271

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Der Ansatz von Lakoff und Johnson führt mithin zu einem Integrationsmodell einer Metapherntheorie, welches das Anliegen einer philosophischen Anthro­ pologie von Metaphern mit einschließt. Er erweist sich als besonders anschluss­ fähig an jüngere neurowissenschaftliche Erkenntnisse ebenso wie an Gedanken der Philosophischen Anthropologie277. Vorgeschlagen wird darüber hinaus auch eine verhältnismäßig deutliche Systematik metaphorologischer Funktionen, die analytisch äußerst fruchtbar sein könnte. a) Fundierung als kognitive Linguistik Lakoff und Johnson beziehen sich maßgeblich auf Kognitionswissenschaften278, die ihrem Verständnis nach in den 1970er Jahren begründet wurden und die diesem Kapitel als erstes Zitat vorangestellten drei Erkenntnisse ergeben hätten, ohne die Philosophie niemals wieder dieselbe sein könne.279 Die westliche Philosophie mit ihren Methoden, fasziniert von (übrigens metaphorisch formulierten) Ideen wie der „reinen“ Vernunft280, sei nicht geeignet, die zentrale und grundlegende philosophische Frage, wer wir seien, zu beantworten, da sie keine Methode entwickelt habe, das kognitive Unbewusste, nach geläufiger Meinung immerhin 95 % der Hirnleistung, zu erkunden, das wie eine „hidden hand“ steuere, wie Menschen Erfahrung produktiv verarbeiteten. Statt des Freud zugeschriebenen Vergleichs, das Bewusstsein schwimme wie eine Nussschale auf dem Meer des Unbewussten, verwenden Lakoff und Johnson den (wahrscheinlich angemesseneren) Vergleich mit einem Eisberg, dessen den geringsten Teil seiner Masse ausmachende Spitze allein sichtbar ist. Alles menschliche Wissen und aller Glaube sei gefasst („framed“) in Elementen eines Begriffssystems, das hauptsächlich im kognitiven Unbewussten angesiedelt sei.281 Auch die Kognitionswissenschaften, konzedieren die Autoren, gewährten noch keinen direkten Zugang dazu, was wie im kognitiven Unbewussten geschehe. Dieses erscheint für das bewusste Denken niemals einholbar aufgrund seiner Überkomplexität, welche die Trennung von Bewusstsein und kognitivem Unbewussten gerade begründet.282 Es sind Metaphern, welche gewöhnliche Menschen ebenso wie Philosophinnen und Philosophen seit jeher gebrauchten, um die Wahrheit und insbesondere Grundbegriffe wie das Selbst, Zeit, Ereignis, Ursache, Geist, Moral zu erforschen, deren 277 Kaum zufällig beziehen sich sowohl Gehlen (1940 als einer der ersten in Deutschland überhaupt, vgl. Gehlen (1974), S. 68, 293 ff.) als auch Johnson (vgl. etwa Johnson 2007, S. 102 ff.) immer wieder auf Dewey. 278 Ausführlich zu diesem Begriff und den Zweig von Kognitionswissenschaften, auf den sich Lakoff und Johnson beziehen, Lakoff/Johnson (1999), S. 74 ff. 279 Lakoff/Johnson (1999), S. 3, dort S. 9 ff. zum kognitiven Unbewussten. 280 Zu dieser Metapher und metaphorologischen Analyse der Sittlichkeit bei Kant ausführlich Lakoff/Johnson (1999), S. 415 ff. 281 Lakoff/Johnson (1999), S. 12 f. 282 Vgl. Lakoff/Johnson (1999), S. 10, 13.

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Reflexion eine „empirische verantwortliche Philosophie“ dazu führen soll, besser zu kennen, was das bewusste Denken, moralische Werte, menschliche Pläne und Handlungen insbesondere ausmacht.283 Wie Metaphern erster Ordnung (orig. primary metaphors) und immer abstrakter erscheinende Metaphernsysteme entstehen, legen sie unter Bezugnahme auf besondere kognitionswissenschaftliche Forschungsergebnisse recht detailliert und lückenlos in einer Weise dar, deren Wiedergabe den Rahmen dieser rechtswissenschaftlich motivierten Untersuchung sprengen würde.284 Sie gehen zum Beispiel aus vom Beispiel eines Kindes, das weiß, was Sehen und Erkennen unterscheidet, das aber über die Erfahrung von Erfolgserlebnissen wie auf die Frage „Schau mal, was in der Box ist“, die Erfahrungen von Sehen und Erkennen verschmilzt (orig. conflation). „Early conflations in everyday experience should lead to the automatic formation of hundreds of primary metaphors that pair subjective experience and judgment with sensorimotor experience. […] Complex metaphors are formed from primary ones through conventional conceptual blending, that is, the fitting together of small metaphorical ‚pieces‘ into larger wholes. In the process, long-term connections are learned that coactivate a number of primary metaphorical mappings. Each such coactive structure of primary metaphors constitutes a complex metaphorical mapping.“285

Metaphern erster Ordnung oder Basismetaphern seien wie Atome, die zu Molekülen zusammengefügt werden können.286 Es spricht viel dafür, dass, was in diesem Zusammenhang eher sprachwissenschaftlich als komplexe Metaphern beschrieben wird, der Bedeutung dessen entspricht, was die Autoren in anderer Hinsicht eher kognitionswissenschaftlich als „Frames“ (s. u.) bezeichnen, wobei die (heute eher kulturwissenschaftlich aufgefasste287) Metapher des Mappings288 eine vermittelnde Rolle wahrnehmen mag. Jedenfalls ist für Lakoff und Johnson alle Kognition in der menschlichen Erfahrung verankert, von der kraft ihrer Genealogie Kategorien und Begriffe nicht zu trennen sind.289 Die weniger konkreten Konzepte, die man als abstrakt bezeichnet, werden von klarer umrissenen, anderen Konzepten her verstanden, die direkt in unserer Erfahrung verankert sind.290 Grundlegend sind so genannte „natürliche Arten der Erfahrung“, auf die Metaphern erster Ordnung maßgeblich zurückgehen 283

Vgl. Lakoff/Johnson (1999), S. 14 f. Vgl. dazu Lakoff/Johnson (1999), S. 45 ff. 285 Lakoff/Johnson (1999), S. 49. 286 Lakoff/Johnson (1999), S. 60. 287 Vgl. Bachmann-Medick, S. 299 f. Lakoff und Johnson selbst geben freilich an, die Metapher des Mappings im mathematischen Sinne aufgenommen und später zunächst verworfen zu haben, bevor diese in einem neurowissenschaftlichen Kontext wieder auf sie zukam, und legen Wert auf ihre empirische Intention, vgl. Lakoff/Johnson (2003 [1980]), S. 246 f., 252 ff. 288 Auch Lakoff/Wehling, S. 27 f. 289 Lakoff/Johnson (1999), S. 19 ff. 290 Lakoff/Johnson (2008 [1980]), S. 128, 135. 284

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dürften, die – weder mit universellem Anspruch noch in subjektivistischer Selbstbeschränkung – sich aus spezifischen Interaktionen des Menschen mit seiner physischen und kulturellen Umgebung ergeben. Lakoff und Johnson benutzen interessanterweise die Bezeichnung der „experiential gestalt“291, um zu beschreiben, was eine „basic domain of experience“ ausmacht. Die erfahrenen Gestalten sind in jedem Fall „multidimensional“ in der Weise, dass sie jeweils „bestimmte natürliche Dimensionen“ vorgeben und definieren, „in welcher Beziehung diese Dimensionen zueinander stehen“, woraus sich die Qualitäten, Aspekte und insbesondere die Struktur ergeben, die das jeweilige Konzept konstituieren.292 So entstehen Grundmuster der Deutung. Die Metapher wird konsequenterweise nicht nur oder hauptsächlich als Begriff des einen durch einen anderen Begriff charakterisiert, sondern als das Verständnis eines Bereichs der Erfahrung (orig. domain of experience)  durch einen anderen.293 Was man menschliche Vernunft nennt, ist, weil sie in Kategorien und Begriffen arbeitet, die letztlich aus einer Erfahrung von Umwelt entstanden sind, in höchstem Maße erfahrungsbasiert. Körperlich handelt es sich jeweils um neurale Strukturen: begriffliche Strukturen sind neurale Strukturen und begriffliche Zusammenhänge sind Zusammenhänge neuraler Strukturen, Teil des sensomotorischen Systems des menschlichen Gehirns.294 Der Begriff der Erfahrung drückt für die Autoren lebensweltlich aus, wie sich subjektive Bedingungen der Erkenntnis (Erfahrungsmöglichkeiten des sensomotorischen Systems, Körpers und Hirns, des Menschen)295 und objektive Bedingungen derselben treffen, worin die Autoren philosophisch einen dritten Weg, eine „experiantialist synthesis“ begründet sehen.296 Indem sich abstrakte Ideen metaphorisch in Gestalten der Erfahrung ausdrücken, und eine Idee kann ja viele Metaphern haben, werden Verbindungen zwischen beiden „gelernt“, das heißt physikalisch zwischen verschiedenen Orten im Gehirn; und desto öfter eine Metapher, auch wenn sie nicht als solche bewusst ist, wiederholt wird, desto stärker werden die entsprechenden Synapsen im Gehirn.297 Ein „Frame“ ist ein durch Metaphern (an erfahrenen Gestalten orientierter) und hirnphysiologisch gefestigter Deutungs-, mehr noch Wahrnehmungsrahmen, der als solcher nicht beliebig offen ist, weil die neurophysiologischen Komplexe so 291 Hier zeigt sich ein zweiter Hinweis auf die Nähe der von Lakoff und Johnson gepflegten Theorie zu wesentlichen Annahmen der Philosophischen Anthropologie, die sich nicht nur aus Zeitgenossenschaft intensiv mit der Gestalttheorie auseinandersetzte, vgl. insbesondere Gehlen (1974), S. 157 ff., weiter auch Plessner, S. 89. Es ist anzunehmen, dass die dortige Definition der Gestalt durch ihre Gliederung und Transponierbarkeit für einen Metaphernbegriff über Lakoff und Johnson hinaus potenziell wesentliche Funktionalitäten formuliert. 292 Lakoff/Johnson (2008 [1980]), S. 98 ff. 293 Lakoff/Johnson (2008 [1980]), S. 137. 294 Lakoff/Johnson (1999), S. 20. Deutlich auch Lakoff/Wehling, S. 17: Unsere Erfahrungen in der Welt bestimmen die Beschaffenheit unserer Gehirne. 295 Lakoff/Johnson (1999), S. 22. 296 Lakoff/Johnson (2008 [1980]), S. 220. 297 Lakoff/Wehling, S. 21 f., 30 f.

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sind, wie sie sind. Nach Lakoff entscheiden sie darüber, auf welche Aspekte einer Sache man sich konzentriert und welche das Gehirn ignoriert, so dass Informationen, die nicht in diesen Rahmen passen, nicht verarbeitet werden können.298 Die Kognitionswissenschaft unterscheide zwischen „Surface Frames“, die zum Beispiel die Regeln der Grammatik zur Produktion und Deutung von Wortzusammensetzungen und Satzstrukturen umfassen dürften, und „Deep Seated Frames“, „die unser generelles Verständnis von der Welt strukturieren, unsere Annahmen von der Welt zum Beispiel auf Grund unserer moralischen und politischen Prinzipien, und die für uns schlicht ‚wahr‘ sind – die also unseren eigenen Common Sense ausmachen. […] Wenn wir Fakten lesen oder hören, die im Widerspruch zu dem stehen, was unser Common Sense uns sagt, werden die Fakten ignoriert, und die Frames bleiben bestehen. Wir haben keinen Einfluss darauf, es ist ein physischer Automatismus, ein Teil der uns nicht bewussten Denkprozesse unseres Gehirns. Ob ein Fakt also für uns in dem Sinne relevant ist oder nicht, dass wir ihn überhaupt zur Kenntnis nehmen, entscheiden wir nicht bewusst.“299

Frames bezeichnen und erklären mithin kognitionswissenschaftlich ungefähr das, was gemeinhin als Ideologie bezeichnet wird und auch soziologisch – wenn auch wertneutral – als solche zu bezeichnen ist. Über die philosophische Ideologiekritik, etwa an einigen Grundgedanken des Rationalismus,300 hinaus liegt das praktische kritische Potenzial einer in der kognitiven Linguistik fundierten Metapherntheorie darin, über die Metaphern ins­ besondere der Sprache301 die hinterliegenden Denkmuster zu analysieren und sich die aus den jeweiligen Metaphern folgenden unbewussten Schlussfolgerungen zu verdeutlichen. So mag etwas Wahlfreiheit entstehen, in welcher oder welchen Metapher(n) eine Situation verstanden werden will: ein nicht simultanes, aber dialektisches Denken in alternativen Frames, die Informationen, die andernfalls ignoriert würden, eine Bedeutung verleihen.302 b) Metapherntheoretische Heuristik Lakoff und Johnson versuchen, ihre These von der im Kern und grundsätzlich metaphorischen Funktionsweise des begrifflichen Systems des Menschen anhand solcher Metaphern zu belegen, deren Bedeutung für das begriffliche System des Menschen aktuell besonders gut offensichtlich gemacht werden kann. Dazu entwickeln sie mehrere heuristische Unterscheidungen, die zum einen die elementaren Funktionsmöglichkeiten der „Metapher“ zeigen und zum anderen als Analyse­ instrumentarium Verwendung finden mögen.

298

Vgl. Lakoff/Wehling, S. 28, 71 ff. Lakoff/Wehling, S. 75, vgl. auch S.78. 300 Lakoff/Wehling, S. 70: „Rationalismus ist ein Mythos“. 301 Vgl. Lakoff/Johnson (2008 [1980]), S. 267, 269. 302 Vgl. insbesondere Lakoff/Wehling, S. 23, 31, 74. 299

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aa) Systemische und isolierte Metaphern Grundlegend sprechen sie einerseits von „konzeptuellen Metaphern“303, was eine Unterscheidung von Metaphern implizieren mag, die nicht die genannte aktuelle Bedeutung für das begriffliche System des Menschen haben. Andererseits soll indes der Ausdruck „Metapher“ stets im Sinne von „metaphorisches Konzept“ verwendet werden.304 „Konzept“ (engl. concept) ist wohl die Übersetzung für etwas, das dem deutschen „Begriff“ im weiteren Sinne entspricht – also nicht in demjenigen strengen Sinne, wie ihn Blumenberg als Gegenbegriff zur Metapher gebrauchte. Streng beim Wort genommen gäbe es demnach konzeptuelle metaphorische Konzepte und nicht-konzeptuelle metaphorische Konzepte. Hier wird davon ausgegangen, dass tatsächlich und (natürlich nur) idealtypisch zwei Konzept-Ebenen gemeint sind im Sinne einerseits einer mikro-konzeptuellen Ebene, das heißt des „lokal“ begrenzten durch Übertragung konkret funktionierenden Begriffs einer Sache, und einer makro-konzeptuellen Ebene, die allgemeiner systemisch die Begriffe mehrerer Sachen und ihrer Beziehungen untereinander betrifft. Wichtig erscheint jedenfalls, was mit der Bezeichnung als Konzept angedeutet ist, dass für Lakoff und Johnsons „Metapher“ nicht für die äußere, sprachliche Form eines einzelnen Worts oder Ausdrucks steht, sondern für eine mehr oder weniger klar umrissene Bedeutung im Sinne eines gedanklichen Inhalts. Dieses Verständnis wird anscheinend durch folgende Überlegungen der Autoren bestätigt: Aus einem metaphorischen Konzept (einer Metapher) lassen sich weitere metaphorische Konzepte ableiten (z. B. „Zeit ist kostbar“ aus der Metapher „Zeit ist Geld“), die auf der Grundlage ihrer „subkategorialen Beziehungen“ untereinander insgesamt ein in sich kohärentes konzeptuelles System bilden.305 Es soll aber auch „solitäre metaphorische Ausdrücke“ geben, „die für sich allein stehen und in unserer Sprache bzw. unserem Denken nicht systematisch benutzt werden“ – sie „hängen nicht mit anderen Metaphern zusammen, spielen in unserem Konzeptsystem keine besonders aufregende Rolle und gehören folglich nicht zu den Metaphern, in denen wir leben“. Diese isolierten und unsystematischen Metaphern seien un­ bedingt von den systematischen metaphorischen Ausdrücken abzugrenzen.306 Isolierte Metaphern sind demnach solche, die nicht auf der makro-konzeptuellen Ebene, also nicht systemisch wirken. Ein Beispiel aus der Rechtswissenschaft dafür könnte die Metapher des „kupierten“ Erfolgsdelikts sein,307 soweit man die heute wohl vorherrschende Assoziation mit der Beschneidung tierischer Gliedmaße (Deliktstatbestände = Tiere oder tierische Gliedmaße) zu Grunde legt, wäh 303

Vgl. Lakoff/Johnson (2008 [1980]), S. 11 ff. Lakoff/Johnson (2008 [1980]), S. 14. 305 Lakoff/Johnson (2008 [1980]), S. 17. 306 Insoweit insgesamt Lakoff/Johnson (2008 [1980]), S. 88 f. 307 Vgl. statt vieler Stratenwerth, S. 152. 304

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rend die abstraktere Bedeutung des Kupierens als Abschneiden, Stutzen308 jedenfalls mit dem „Tatbestand“ zusammenhängen könnte. bb) Strukturelle Metaphern, insbesondere ontologische Metaphern „Strukturelle Metaphern“ nennen Lakoff und Johnson solche Metaphern, durch die „ein Konzept von einem anderen Konzept her strukturiert wird“309, wobei von „Zieldomäne“ bzw. „Quelldomäne“310 gesprochen werden kann. Es handelt sich dem Bewusstsein nach um den Standardfall der Metapher311, der solche Beispiele umfasst, wie sie schon im Fokus der aristotelischen Betrachtung standen (Schild für Schale, Abend für Alter etc.). Notabene: Das erste und intensivst analysierte Beispiel Lakoffs und Johnsons in den „Metaphors We Live By“ für eine konzeptuelle Metapher als strukturelle Metapher ist „Argumentieren ist Krieg“312 – in aristotelischen Beziehungen ausgedrückt: das Verhältnis der oder des Argumentierenden zum oder zur jeweils anderen entspricht dem Verhältnis eines oder einer Kriegführenden zu seinem bzw. ihrem Gegenüber. Ein ganz ähnliches metaphorisches Konzept lässt sich auch im deutschen Prozessrecht nachweisen. Die Klage wird erhoben (z. B. § 253 ZPO), und zwar gegenüber einem Gegner (erstmals § 61 ZPO), an den sie gerichtet ist (erstmals § 25 ZPO), es gibt Interventionen (§§ 64 ff. ZPO) und vor allem Angriffs- und Verteidigungsmittel (insbesondere §§ 68, 96, 146, 282 ZPO). Was wäre hin­ gegen, wenn man den Zivilprozess (und analog den Verwaltungsprozess) als Tanz betrachtete, mit dem Ziel nicht eines Siegs, sondern eines schönen Ergebnisses?313,314

Als Unterfall der strukturellen Metapher verständlich, wenn auch von Lakoff und Johnson nicht ausdrücklich als solcher definiert315, und für die reflexive Rechtswissenschaft besonders relevant ist die Gruppe der „ontologischen Metaphern“. Ihre 308

Vgl. Pfeifer (2010), s. v. „kupieren“. Vgl. Lakoff/Johnson (2008 [1980]), S. 12, 251. 310 Lakoff/Wehling, S. 27. 311 Vgl. Lakoff/Johnson (2008 [1980]), S. 75. 312 Lakoff/Johnson (2008 [1980]), S.  12 ff., mit besonderen Bemerkungen zur Rechtsprechung auf S. 77, 79. Vgl. zu Recht als Kampf in der Geschichte der deutschen Rechtssprache Lobenstein-Reichmann, S. 391, und – ausführlich – zu Kampfmetaphern im Recht am Beispiel des taiwanischen Rechts Chiu/Chiang. 313 Vgl. zu dieser treffenden Alternative auch Lakoff/Johnson (2008 [1980]), S. 13. 314 Dazu verhält sich passend, dass etwa Habermas die Prozessführung als strategisches und nicht als diskursethisches Handeln einordnet, vgl. Alexy (1983), S. 270. 315 Vgl. einerseits Lakoff/Johnson (2008 [1980]), S.  81, andererseits aber Lakoff/Johnson (2008 [1980]), S. 75, 175. Insofern mag die hiesige Darstellung, auch im Folgenden, Lakoff und Johnson zwar eine Systematisierung zuschreiben, die diese so nicht authentisch vertreten. Dies erscheint jedoch so markiert zweckmäßig, weil in der Sache keine unvereinbare Position eingenommen wird, sondern vielmehr die im weiteren Sinne „pragmatische“, empirisch fokussierte Sichtweise der us-amerikanischen Autoren – vgl. Lakoff/Johnson (2008 [1980]), S. 241 – zu der Unterscheidungsweise führen dürfte, die hier zu Gunsten der im umgangssprachlichen Sinne ‚pragmatischen‘ Anschließbarkeit im Kontext kontinentaleuro­päischer Philosophie verlassen wird. Vgl. zur generellen Bedeutung von „Struktur“ für die Metapherntheorie der­ Autoren unten B.I.5.c). 309

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Funktion besteht darin, gedankliche Gebilde, die nicht per se Einzeldinge oder scharf begrenzt sind, doch geistig zu solchen zu entwickeln. Die physische Erfahrung mit Objekten, die durch eine Oberfläche begrenzt sind, insbesondere mit dem eigenen biologischen Körper, überträgt sich dahingehend auf unser Verständnis von Welt, dass wir zum Beispiel den Begriff der Nachbarschaft als künstlich definierten Teil des Wohnorts kennen oder ein Gebirge aus einer Landschaft heraus definieren.316 Diese Beispiele zeigen deutlich die Bedeutung der Verbindung von Geist und Sinnlichkeit auch für diesen metapherntheoretischen Ansatz. Hier zeigt sich zugleich die Weite des Metaphernbegriffs Lakoffs und Johnsons, dem folgend zumindest sehr viele Differenzierungen von Welt als metaphorisch zu bezeichnen wären. Solche ontologischen Metaphern sind nicht zuletzt ein Mittel, „damit wir mit unseren Erfahrungen rational umgehen können“.317 Rechtswissenschaftlich besonders interessant ist dabei die Funktion ontologischer Metaphern, soweit sich in ihnen „bestimmte Sichtweisen von Ereignissen, Aktivitäten, Emotionen, Ideen usw. als Entitäten und Materien“ durchsetzen.318 In diesem Sinne sind Redeweisen wie ‚Recht haben‘, ‚Recht bekommen‘, ‚sich dem Recht unterwerfen‘, ‚in Rechte eingreifen‘, ‚ein Recht verletzen‘, ‚die Grenzen des Rechts überschreiten‘ etc. ontologische Metaphern, wobei über Recht jeweils wie über eine physische Sache, eine Person bzw. ein abgegrenzter Raum gesprochen und gedacht und gehandelt wird. Die Personifikation ist ein Unterfall der ontologischen Metapher (z. B. eine „Theorie erklärt“, eine „Tatsache spricht“ oder eine „Religion verbietet“).319 cc) Orientationale Metaphern, insbesondere Raummetaphern Unter Orientierungsmetaphern (im Orig. orientational metaphors) versteht man „Fälle, bei denen ein Konzept nicht von einem anderen her strukturiert wird, sondern bei dem ein ganzes System von Konzepten in ihrer wechselseitigen Bezogenheit organisiert wird. Diese Konzepte nennen wir Orientierungsmetaphern, weil die meisten von ihnen mit der Orientierung im Raum zu tun haben: oben-unten, innen-außen, vorne-hinten […]“.320 Tatsächlich nennen sie als Beispiele fast ausschließlich solche des Raumes. So verstehen sie Ausdrucksweisen wie, sich „obenauf“, „beflügelt“, „in Hochstimmung“ befinden, gegenüber solchen wie „niedergeschlagen“, „niedergedrückt“, gesunkener Stimmung sein als Orientierungsmetaphern mit dem Inhalt, Oben 316

Vgl. Lakoff/Johnson (2008 [1980]), S. 35 f. Man denke an die Schwierigkeiten, die es im deutschen Bauplanungsrecht tatsächlich bereitet, den „Umgriff“ der näheren Umgebung im Sinne des § 34 Abs. 1 BauGB zu definieren. 317 Vgl. Lakoff/Johnson (2008 [1980]), S. 36. 318 Vgl. Lakoff/Johnson (2008 [1980]), S. 35 f. 319 Lakoff/Johnson (2008 [1980]), S. 44 ff. Vgl. interdisziplinär zur menschlichen Neigung zur Personifikation physischer Gegenstände insbesondere im musealen Kontext etwa Geimer. 320 Lakoff/Johnson (2008 [1980]), S. 22.

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Sein entspreche Glücklich-Sein, Unten-Sein entspreche Traurig-Sein. Ähnliche Beispiele weisen sie für Gesundheit, Wachsein, Macht, Tugend (jeweils „oben“) nach,321 die jeweils „Raummetaphern“ darstellten, jedoch (für jedes der genannten Beispiele und ihr jeweiliges Gegenteil, „unten“, gibt es ja wie im Falle des Glücklich-Seins eine Fülle verschiedener Ausdrücke) „eher ein kohärentes System als eine Reihe isolierter und willkürlicher Fälle“ charakterisierten.322 Auf einer allgemeineren Ebene besteht nach Lakoff und Johnson wieder eine „äußere Gesamtsystematik“ zwischen den verschiedenen Raummetaphern, also Glücklich-Sein entspricht Oben-Sein, Gesundheit entspricht Oben-Sein, MächtigSein entspricht Oben-Sein usw., „die deren Kohärenz definiert“ und zwar im Sinne einer allen gemeinsamen Orientierung mit dem Inhalt, das Gute, was man sich wünscht, sei „oben“323 (wie schon das Licht wahrer Erkenntnis im Höhlengleichnis). Nach inzwischen von Lakoff und Johnson bestätigtem Verständnis stellen auch die orientationalen Metaphern keinen per se gegenüber den so genannten strukturellen Metaphern unabhängigen Fall dar.324 Etwa erschöpft sich das Beispiel des „beflügelten“ Gefühls wohl nicht in der übertragenen Darstellung räumlicher Verhältnisse, sondern dürfte regelmäßig auch Beweglichkeit und Leichtigkeit darstellen. Die Funktion der orientationalen Metapher im Sinne Lakoffs und Johnsons müsste deshalb treffend dahingehend zu rekonstruieren sein, dass sie jeweils und nicht ausschließlich ein Konzept ‚durch die Brille‘ der räumlichen Verhältnisse eines anderen, metaphorisch verwendeten Konzepts beschreibt. Dabei scheint Normativität bei den so genannten orientationalen Metaphern eine wichtige Rolle zu spielen. dd) Partialität und Usualität der Metapher(n) Metaphorische Übertragungen seien stets unvollständig, also partiell und nicht total. „Wäre nämlich die Strukturierung eine totale, dann wäre ein Konzept identisch mit dem anderen und würde nicht nur vom anderen Konzept her verstanden werden.“325 Dies hat zur Folge, dass bestimmte Aspekte des metaphorisch definierten Konzepts besonders hervorgehoben und andere Aspekte verborgen werden.326 (Diese – selbst metaphorische  – Ausdrucksweise ist freilich nur hier so genannten de 321

Lakoff/Johnson (2008 [1980]), S. 23 ff. Lakoff/Johnson (2008 [1980]), S. 26. 323 Lakoff/Johnson (2008 [1980]), S. 26. 324 Lakoff/Johnson (2003 [1980]), S. 264: „The division of metaphors into three types – orientational, ontological, and structural – was artificial. All metaphors are structural (in that they map structures to structures); all are ontological (in that they create target domain entities); and many are orientational (in that they map orientational image-schemas).“ 325 Lakoff/Johnson (2008 [1980]), S. 21 (Herv. i. Orig.); vgl. Lakoff/Wehling, S. 28. 326 Lakoff/Johnson (2008 [1980]), S. 18 ff. 322

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skriptiven Metaphern angemessen, bei denen eine Summe von Aspekten schon vorhanden ist. Indes werden bei hier so genannten präskriptiven Metaphern die Eigenschaften einer ‚Sache‘ erst konstituiert.) Dem entspricht auf der Seite des metaphorisch verwendeten Begriffs, dass er einen „benutzten“ und einen „unbenutzten“ Teil aufweist.327 Der benutzte Teil hebt einen Teilaspekt des zu strukturierenden Begriffs hervor. Der unbenutzte Teil eines metaphorisch verwendeten Begriffs passt möglicherweise nicht auf das andere Konzept, ist nicht zweckmäßig, und bleibt deshalb außerhalb der Aufmerksamkeit.328 Das im Hinblick auf den vorletzten Teil  dieser Untersuchung wichtige Beispiel Lakoffs und Johnsons, an dem sie die Unterscheidung von „benutzten“ und „unbenutzten“ Teilen eines metaphorisch verwendeten Begriffs darstellen, ist die Metapher mit dem Inhalt „Theorien sind Gebäude“. „Die metaphorische Strukturierung von Konzepten […] spiegelt sich im Wortschatz der Sprache wie auch im Lexikon der Redewendungen und feststehenden Ausdrücke wider, wozu sprachliche Bedeutungseinheiten wie z. B. ‚kein Fundament haben‘ gehören. […] Zu den Teilen des Konzepts Gebäude, die benutzt werden, um das Konzept Theorie zu strukturieren, gehören das Fundament und die Außenwände. Das Dach und die Zimmer, Treppenhäuser und Flure sind zwar Teile eines Gebäudes, werden aber nicht als Teil des Konzepts Theorie benutzt. Folglich hat die Metapher Theorien sind Gebäude einen ‚benutzten‘ Teil (das Fundament und die Außenwände) und einen ‚unbenutzten‘ Teil (Zimmer, Treppen­häuser usw.).“329

Dies führt zur sehr dezidierten und differenzierten Darstellung der Usualität von Metaphern durch Lakoff und Johnson. „Tot“, so die beiden pragmatisch, könnten Metaphern allenfalls aufgrund ihrer Isolation genannt werden, also weil sie nicht mit wesentlichen Metaphern zusammenhingen, nicht jedoch deshalb, weil sie im Lexikon verankert seien.330 Das gleiche gelte für feststehende Redewendungen (z. B. „schlechte Karten haben“), die als „lexikalisierte Wortverbindungen“ gleiche Funktionen wie einzelne Wörter hätten und die man als gängige Alltagssprache und nicht unbedingt metaphorisch empfinde.331 Denn neben der maßgeblichen These, dass eben auch umgangssprachliche (allenfalls vermeintlich „tote“) Metaphern – das heißt nach dem Gesagten letztlich partiell gewohnheitsmäßig übertragene Aspekte eines Konzepts in Bezug auf ein anderes Konzept – das menschliche Handeln, Denken und Sprechen strukturierten, knüpften an ebensolche Metaphern empirisch gesehen häufig Aktivierungen unbenutzter Aspekte an. Lakoff und Johnson unterscheiden:

327

Lakoff/Johnson (2008 [1980]), S. 66. Vgl. Lakoff/Johnson (2008 [1980]), S. 21. 329 Lakoff/Johnson (2008 [1980]), S. 66. 330 Lakoff/Johnson (2008 [1980]), S. 69. 331 Lakoff/Johnson (2008 [1980]), S. 65. 328

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–– „Erweiterungen des benutzten Teils einer Metapher, z. B.: ‚Diese Daten sind die Ziegelsteine und der Mörtel meiner Theorie.‘ Hier wird auf die Außenwände des Gebäudes [als Teil des benutzten Teils der Metapher, s. o., d. Verf.] Bezug genommen, während die Metapher Theorien sind Gebäude die für den Bau benutzen Materialien unerwähnt“ lasse. –– Den metaphorischen Gebrauch konventionell unbenutzter Aspekte eines üblichen metaphorischen Konzepts, z. B.: „Seine Theorie hat tausend Kämmerchen und lange, labyrinthische Flure.“332 Solche Beispiele, die auch in der Rechtswissenschaft zu finden sind,333 belegen also zum einen eine metaphorische Folgewirkung usualisierter, häufig vermeintlich ‚toter‘ Metaphern, die zum anderen impliziert, dass usualisierte Metaphern sich kognitiv noch nicht von der Qualität der Bildlichkeit getrennt haben. c) (Zwischen-)Metaphorische Zusammenhänge Lakoff und Johnson machen deutlich, dass Metaphern auf der makro-konzeptuellen Ebene oft komplex komponiert sind. Auf der Ebene der ‚natürlich erfahrenen‘ Gestalten gebe es schon solche, die verhältnismäßig einfach (z. B. Gespräch), und solche, die außerordentlich kompliziert seien (z. B. Krieg). Schließlich gebe es komplexe Gestalten, die mindestens partiell unter Gesichtspunkten anderer (möglicherweise auch mehrerer, verschiedener) Gestalten begriffen würden.334 Die Autoren versuchen, Bedingungen solcher Kompositionen rational zu rekonstruieren und wählen dazu den Schlüsselbegriff der Kohärenz, den sie ohne terminologische Erklärung vom Begriff der Konsistenz abgrenzen.335 Dabei meint Kohärenz wohl weitgehend dem üblichen Sprachgebrauch entsprechend, dass zwei Dinge zumindest zusammenpassen, das heißt nicht in Widerspruch zueinander erfahren werden, während Konsistenz darüber hinausgehend ein Identitätsverhält-

332

Vgl. Lakoff/Johnson (2008 [1980]), S. 67. Zum Beispiel knüpft Poscher (2008), indem er seinen Aufsatz zu den „Bedingungen, Grenzen und Kosten eines idealistischen Systemanspruchs ans Recht“ mit „Am Fuße der Kathedrale“ überschreibt, an die Metapher der Rechtswissenschaft als ‚Theoriegebäude‘ an, die als solche keinen spezifischen Gebäudetyp oder -zweck impliziert. In usualisierterer Weise und auf allgemeinerer Ebene ist davon auszugehen, dass z. B. die verhältnismäßig neue Metapher des „Netzwerkes“ zur Beschreibung transnationaler rechtlicher Zusammenhänge dadurch begünstigt wurde, dass zuvor bereits von „Verbindungen“ unterschiedener Rechtsordnungen gesprochen werden konnte und „Verbindung“ schon im Hinblick auf Telekommunikationstechnik ein ganz gebräuchlicher Ausdruck war. „Verbindungen“ sind Sachen, die auch zwischen Gebäuden bestehen, durch direkten Anbau oder auch einen Verbindungsgang. Ausführlich zu solchen Zusammenhängen unten E.III. und E.V.4. 334 Lakoff/Johnson (2008 [1980]), S. 102. 335 Lakoff/Johnson (2008 [1980]), S. 119. 333

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nis ausdrückt.336 Kohärenz ist – der Grunddefinition metaphorischer Konzepte entsprechend, diese stellten eine partielle Strukturierung einer Erfahrung in Begriffen einer anderen dar – nach Lakoff und Johnson ebenfalls eine Sache der „Struktur“.337 In Übereinstimmung mit der klassischen Metapherntheorie gehen zunächst auch Lakoff und Johnson davon aus, dass metaphorisierter und metaphorisch verwendeter Begriff systematisch verbunden seien durch eine oder mehrere „metaphorische Ableitungen“ (orig. metaphorical entailments, später: inference), die einen oder mehrere gemeinsame Aspekte gleich Vergleichsgesichtspunkten ergäben.338 „The heart of metaphor is inference. Conceptual metaphor allows inferences in sensory-­ motor domains (e. g., domains of space and objects) to be uses to draw inferences about other domains (e.g., domains of subjective judgment, with concepts like intimacy, emotions, justice, and so on).“339

Der Mechanismus der ‚Inferenz‘ sei konstitutiv für ganze und komplexe geistige Systeme. Die Zusammenhänge, in denen Komplexität und Kohärenz der Bedeutung von Metaphern ersichtlich werden, sind ungefähr die folgenden: –– Aus einem Sachverhalt folgt eine Erfahrung. –– Die Erfahrung wird in bestimmter Weise aufgefasst (primäres Konzept).340 –– Situativ bedarf es der Umgestaltung des primären Konzepts einer Erfahrung derart, dass bestimmte Aspekte hervorgehoben, verborgen oder ergänzt werden sollen, was durch die metaphorische Verwendung eines anderen, insoweit sekundären Konzepts geschieht, aus dem sich die gewünschte Qualifizierung ableiten lässt (orig. coherence within a single metaphor). –– Tatsächlich sind situativ nicht nur eine Metapher, sondern mehrere bis zu einer Vielzahl von Metaphern gebräuchlich, um eine Erfahrung in einer spezifischen, situationsangemessenen, zweckmäßigen Weise zu begreifen, wobei auch hierbei regelmäßig Überschneidungen der metaphorisch verwendeten Konzepte gegeben sein sollen. Was sich an einfachen Beispielen zeigen lasse (z. B. an den Metaphern für eine Diskussion in dem Satz „Jetzt endlich wurde in der Diskussion der zentrale inhaltliche Punkt rekonstruiert“ – Wegstrecke, Gefäß, Bauwerk – die mannigfaltige geteilte Aspekte aufwiesen, zum Beispiel Grundsätzlichkeit und, bei den letzt­genannten Metaphern, dass ein mehr an implizierter Oberfläche mehr Inhalt bedeute und Tiefe341), geschehe auch in weitaus komplexeren Fällen. 336 Vgl. Lakoff/Johnson (2008 [1980]), S.  111, 251 f. Umgekehrt ein Sprachgebrauch im Staatsrecht, vgl. Borowski, S. 350 f. 337 Vgl. Lakoff/Johnson (2008 [1980]), S. 93; in der klareren Formulierung des Originals geht es um die Frage, „what it means […] to be coherent by virtue of having a structure“. 338 Lakoff/Johnson (2008 [1980]), S. 108. 339 Lakoff/Johnson (2003 [1980]), S. 244. 340 Vgl. Lakoff/Johnson (2008 [1980]), S. 99 f. 341 Vgl. Lakoff/Johnson (2008 [1980]), S. 114 ff.

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B. Metaphorologische Analyse des Rechts als Perspektive (Teil 1, Theorie)  „Was uns auf den ersten Blick wie zufällige, isolierte metaphorische Ausdrücke erscheint – z. B. bestimmte Punkte abdecken, die Argumentation stützen, zum Kern vordringen, tiefer graben, eine Position angreifen, etwas zunichte machen  – stellt sich als keineswegs zufällig heraus. Vielmehr sind sie Teile ganzer metaphorischer Systeme, die gemeinsam dem komplexen Zweck dienen […, ein Konzept, d. Verf.] in allen seinen Aspekten zu charakterisieren, wie wir sie uns vorstellen. Obwohl solche Metaphern uns kein einzelnes konsistentes Bild bieten, sind sie dennoch kohärent und passen zusammen, wenn sich überschneidende entailments gegeben sind. Die Metaphern entstehen aus unseren klar umrissenen und konkreten Erfahrungen und erlauben uns, höchst abstrakte und komplexe Konzepte zu konstruieren.“342

Wenn die Autoren gleich zu Beginn von „kultureller Kohärenz“ sprechen343, beziehen sie sich auf elementare Werthaltungen, die sich mit so elementaren Konzepten verknüpften (insbesondere z. B. quantitativ „höher“, „größer“ bzw. „mehr“ sei gleich normativ „besser“), dass die einzelne Metapher wohl jedenfalls auch mit­ ihnen nicht in Widerspruch geraten dürfte, um zur Geltung zu kommen. d) Konklusion Innerhalb der Gruppe der hier referierten metapherntheoretischen Ansätze hebt sich der von George Lakoff und Mark Johnson durch den neurobiologischen Bezug deutlich ab. Die Irritation, die sie mit der Grundverschiebung der Aufmerksamkeit von der Sprache aufs Denken verursachen, ist Lust und Last für die an der Weiterentwicklung ihrer Kenntnisse, aber nicht gleich an der Revolutionierung ­ihres Denkens interessierte Leserschaft ebenso wie für die Autoren selbst.344 Das besondere Verdienst dieses metapherntheoretischen Ansatzes liegt  – neben der Entwicklung einer vergleichsweise detaillierten und großzügige Bezüge ermöglichenden analytischen Heuristik345 – eben darin, eine evidenzbasierte Vorstellung vom ‚ursprünglichen‘ Einfluss der Sinnenwelt auf das abstrakte Denken, von dessen Verwurzelung in Praxis zu vermitteln, die einerseits die Philosophie nicht leisten kann, während andererseits z. B. die deutschsprachige Philosophische Anthropologie, die durchaus in diese Richtung weist und als Vorahnung einer solchen Entwicklung bezeichnet werden kann, sich noch im Status der Aufarbeitung befindet und in den letzten Jahrzehnten keine, schon gar keine sprach- oder metapherntheoretische Aktualisierung erfahren hat (bei Blumenberg bleibt sie ja im Hintergrund). Auch wenn Lakoff und Johnson, vielleicht eher strategisch als inhaltlich motiviert, zuweilen den Bruch zu fordern scheinen, können ihre For 342

Lakoff/Johnson (2008 [1980]), S. 124 (Übersetzung verändert d. Verf.). Lakoff/Johnson (2008 [1980]), S. 31. 344 Vgl. sowohl zur Forderung nach „large-scale revisions of the way he or she [‚man‘, d. Verf.] understands not only metaphor but concepts, meaning, language, knowledge, and truth as well“ als auch der Klage über die Ignoranz der Schulphilosophie gegenüber ihrer Beweisführung Lakoff/Johnson (2003 [1980]). 345 Zu deren Auswertung unten D.III. 343

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schungsergebnisse daher durchaus als Fortschreibung der Metapherntheorie seit Kant hin zu den existenziellen Wurzeln gelesen werden. Irritiert weiter aus philosophischer Sicht heute einerseits der unbefangene Gebrauch der Worte „Natur“ und „natürlich“ im Lakoff-Johnsonschen Werk („It is crucial to recognize that questions about the nature of meaning, conceptualization, reasoning, and language are questions requiring empirical study […] In short, ­metaphor is a natural phenomenon. Conceptual metaphor is a natural part of human thought, and linguistic metaphor is a natural part of human language. More­ over, which metaphors we have and that they mean depend on the nature of our bodies,  […]“346), so verdeutlicht doch andererseits die Funktion der so genannten ontologischen Metaphern die schon für die Philosophie der Postmoderne besonders identitätsstiftende Erkenntnis, dass sehr viele Unterschiede, in denen wir denken, Unterscheidungen in metaphorischer Funktionsweise, mit anderen Worten nicht essenziell, sondern Essentialisierungen sind.347 Kritisch zu bewerten ist, dass Lakoff und Johnson trotz ihres Anspruches, die westliche Philosophie in wesentlicher Hinsicht zu revolutionieren, bedeutende Fragen offen lassen und das Ziel eines verbesserten Menschenbildes verfehlen. Um ihren jedenfalls den Folgen nach umfassenden Anspruch einzulösen, sind sie zu einseitig empirisch. Sie stellen dar, was sich in welchen Formen menschlich und gesellschaftlich festsetzt, sie begreifen metaphorische Strukturen in einer Direktheit, die erfrischend ist. Aber sie umgehen die Frage, woher sie kommen, was Geist ausmacht, wie sich Freiheit auch metaphorisch äußert. Solange und soweit sie diese Fragen nicht beantworten, muss ihr Ansatz in einer Philosophie, die das „Ganze des Seins, das den Menschen als Menschen angeht“ (Jaspers)348 gemeint sein lassen möchte, verpuffen. Sie wollen abbilden und identifizieren, das ist der Habitus ihrer empiristischen Sprache. So geht ihnen das „vielleicht“ Kants in Bezug auf die Alternative zwischen metaphorischer Anschauung und Nicht-Anschauung reiner Vernunftbegriffe völlig ab.349 Hier liegt die „lebendige Metapher“ (Ricœur) wie auf dem Seziertisch; wobei ein Begriff der Seele fehlt, nach der zu suchen sein könnte.

346

Lakoff/Johnson (2003 [1980]), S. 246 f. Vgl. so etwa Baer (2009), S. 107. 348 Jaspers, S. 10. 349 Darauf, dass Lakoff und Johnson sich der Polarisiertheit ihrer Äußerungen und der Möglichkeiten „apriorischer“ Philosophie durchaus bewusst sind, deutet die Äußerung hin: „It is crucial to recognize that questions about the nature of meaning, conceptualisation, reasoning, and language are questions requiring empirical study; they cannot be answered adaquately by mere a priori philosophizing“, Lakoff/Johnson (2003 [1980]), S. 246 (Herv. d. Verf.). 347

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B. Metaphorologische Analyse des Rechts als Perspektive (Teil 1, Theorie) 

6. Zwischenresümee Um die allgemeinen, im Gesamtbild überaus indisziplinären350 Grundlegungen des Kapitels abzuschließen, sollen an dieser Stelle zusätzlich zu den am Ende jedes Einzelfalls angestrengten Würdigungen nur wenige Überlegungen dargestellt werden. Auf die Ergebnisse dieses Kapitels wird im weiteren Verlauf der Untersuchung immer wieder Bezug genommen. Zunächst einmal soll methodologisch transparent gemacht werden, dass erstens leitend bei der Auswahl der hier in unterschiedlichem Maße rekonstruktiv dargestellten metapherntheoretischen Ansätze inhaltlich war, was sie zum (Selbst-)Verständnis von Recht(-swissenschaft) als einem Gedanken beitragen können. Zweitens wurde auf die Einbeziehung mit positiver rechtsphilosophischer Autori­tät versehener Menschen geachtet; denn da ja ein Vorurteil im Raum steht, die Metapher sei für das Recht und die Rechtswissenschaft nicht bedeutsam, wirken historische Verbindungen zwischen Metaphorologie und Rechtswissenschaft in Bildungsbiografien kontraindiziell. Drittens wurde auf die Repräsentanz verschiedener Zeitalter und Denktraditionen Wert gelegt, um zu zeigen, dass das bewusste Nachdenken über Metaphern überhaupt nichts Neues ist, wenn auch die metapherntheoretischen Grundlagen in den letzten Jahrzehnten stark verbreitert wurden. So konnte im Hinblick auf die drei ‚Dimensionen‘ Inhalt, Autorität und Kontinuität demonstriert werden, dass beachtenswerte und im Grundsatz unangefochtene Metapherntheorien existieren, denen gegenüber sich das Unternehmen einer Rechtsmetaphorologie als konsequente Fortentwicklung darstellt. Dieses Kapitel hat nicht bezweckt, ‚die‘ Metapherntheorie schlechthin darzustellen und zu erklären, insbesondere nicht im Hinblick auf den hier nicht interessierenden, jedoch den historischen Diskurs dominierenden Typus von Metaphern: die ‚deskriptive‘ Metapher. Nachdem diese eher distanziert am rechtswissenschaftlichen Ertrag orientierten Grundlegungen erfolgt sind, gilt es nun und im Folgenden, die Grundfrage weiter auf das Recht und seine Wissenschaft zu fokussieren: Wie und mit welchen Wirkungen erlangt die Metapher im Recht Bedeutung? Auf diese Frage ergeben die dargestellten Theorien für den hier interessierenden Typus der ‚präskriptiven‘ Metapher zum Teil schon eine sehr klare Antwort: Sie existiert als entwicklungsgeschichtlich faktische Denknotwendigkeit. Was im Allgemeinen gilt, gilt auch in Recht und Rechtswissenschaft. Freilich verhalten sich die Begründungen dieser faktischen Denknotwendigkeit ihren historischen Kontexten entsprechend nicht deckungsgleich. Bei Aristoteles scheint die hier so bezeichnete Notwendigkeit noch am schwächsten ausgeprägt. Die Metapher ist für ihn in didaktischem, also sehr pragmatisch geprägtem Sinnzusammenhang zwar ein deutlich mehr als bloß nützliches Instrument, nämlich von ‚dringender Zweckmäßigkeit‘. Seinen anthropologischen Voraussetzun 350

Der Begriff ist von Ranciere, S. 9 ff., übernommen.

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gen dieser Wirkung fehlt es jedoch an Erklärung, um den Eindruck einer existenziellen Zwanghaftigkeit zu erzeugen; er ist fern davon, in der Metapher wie spätere Menschen eine Grundstellung des menschlichen Lebens zu erkennen, weil er noch keinen Begriff von der hier sog. präskriptiven Metapher hat. Kant klärt diesen Begriff, den er in frühmoderner Terminologie erkenntnistheoretisch scharf ausformuliert, ebenfalls ohne seine anthropologischen Voraussetzungen.351 Ihm ist Hannah Arendt zuzurechnen, die seinen Begriff der Metapher (dort als ‚Symbol‘) in gewissermaßen umgekehrter Blickrichtung auf die Sinnlichkeit des Menschen unter dem Gesichtspunkt der Unterscheidung zwischen Sinnenwelt und Geist radikalisiert. In Blumenbergs anthropo-‚ökonomischem‘ (im Folgenden kurz: ökonomischem) Modell der Metapher scheint jener Tiefgang auf, der Aristoteles und Kant in ähnlicher Weise fehlt. Der Metaphernbegriff wendet sich hier ins tendenziell historisierend Analytische. Im analytischen Zugriff stehen dem Lakoff und­ Johnson nahe, deren neurobiologistischer Zugang zum Menschen, der dem Motto ‚Ich denke, also metaphorisiere ich‘ gemäß lebt, sehr auf die Gegenwart fokussiert, die sie bis an die Leistungsgrenzen der Sprache ausloten. Der didaktische Effekt, die ökonomische Funktion und die im logisch strengen Sinne erkenntnistheoretische Notwendigkeit stehen zueinander in keinem Widerspruch. Vielmehr wird hier im Folgenden davon ausgegangen, dass sie sich im Ergebnis wechselseitig ergänzen und in wesentlichen Grundannahmen insoweit übereinstimmen, dass im Rahmen dieser rechtswissenschaftlich orientierten Untersuchung eine stellungnehmende Auseinandersetzung hinsichtlich der zu Tage getretenen Unterschiede (am gewichtigsten noch zwischen den objektivistischen Grundannahmen der aristotelischen Philosophie gegenüber den subjektivistisch geprägten Grundpositionen des übrigen Feldes) nicht erforderlich ist.352 Was indes auch zum Zwecke einer rechtsmethodischen Metaphorologie im Rahmen der hier referierten Theorien nicht hinreichend erklärt wird, obwohl es zur Vervollständigung des Bildes erforderlich wäre, ist in zweierlei Hinsicht die Frage, wie Metaphern entstehen. Zum einen wird ontogenetisch nur bei ­Blumenberg, aber auch hier nur eher in Richtung auf Rhetorik als Ganze anthropologisch ‚gerahmt‘, welche Bedingungen des Menschlichen dazu führen, dass und wie der Mensch ‚übersichtlicher‘ sprachlicher Beschreibungen bedarf, die aus einer positivistisch geprägten Perspektive auf Sprache als „Verkürzungen“ erscheinen. Um eine konkrete Idee von den psychogenetischen Vorgängen zu vermitteln, die letztlich ein mit Metaphern operierendes Bewusstsein konstituieren, fehlt die Vermittlung einer Vorstellung davon, aus welchen (materialen) Mächten sich das (eher formal bestimmte) menschliche „Vermögen der Horizontüberschreitung als Muskelspiel 351 Die Entstehung der Biologie als der Anthropologie im heutigen und im Rahmen dieser Untersuchung verwendeten Sinne zugrunde liegende Wissenschaft wird auch erst im 19. Jahrhundert verortet. 352 Vgl. allerdings Gehring zum ihrer Einschätzung nach aufgrund divergierender Forschungsprogramme zu unkritisch gehandhabten Methodenpluralismus in der Metaphernforschung.

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B. Metaphorologische Analyse des Rechts als Perspektive (Teil 1, Theorie) 

von Freiheit“353 herbezieht; wie dem eine plastischere Formulierung gegeben werden kann, was „im Subjekte selbst und außer ihm, was nicht Natur, auch nicht Freiheit, doch aber mit dem Grund der letzteren, nämlich dem Übersinnlichen, verknüpft ist“ (Kant); was über die Kreation einer konkreten Metapher anstelle einer anderen geistig entscheidet. Hierzu einen Vorschlag zu skizzieren, ist nach einer Bestandsaufnahme metapherntheoretischen Wissens in der Rechtswissenschaft die Aufgabe des übernächsten Kapitels.

II. Metaphern und Recht im Spiegel der rechtswissenschaftlichen Literatur Gelegentlich waren und sind Metaphern als solche auch Gegenstand rechtswissenschaftlicher Erörterung. Dabei ist zu differenzieren zwischen rechtstheoretischer Erörterung des Status eines ‚Metaphorischen‘ im Recht selbst und Er­ örterungen spezifischer Rechtsmetaphern, Letztere zumindest in aller Regel ohne nennenswerte grundlagentheoretische Reflexion.354 Für beide Fälle kann man wiederum grob drei Literaturgruppen unterscheiden: erstens monografische Formen, zweitens Aufsätze und Beiträge in Sammelwerken, drittens einzelne Abschnitte oder Aussagen innerhalb der beiden ersten Gruppen. Soweit ersichtlich, sind bisher mit Ausnahme der abseitig publizierten und wenig beachteten Arbeit von Kleinhietpaß355 weder rechtstheoretische Erörterungen noch Einzelfalls­studien im deutschsprachigen Rechtsraum in monografischer Form vorhanden. Allerdings gibt es Monografien, die sich über andere Schwerpunktsetzung und analytische Begrifflichkeit dem Metaphorologischen annähern.356 Zu der hier mehr oder we 353

Auch im Folgenden Blumenberg, bereits zitiert. Bemerkenswerte Ausnahmen von außerhalb des deutschen Sprach- und Rechtsraumes stellen Larsson (2011), insbesondere S. 17 ff., 59 ff., Larsson (2013), Rideout, Winter, insbesondere S. 43 ff., 166 ff., Vespaziani sowie Yeung Sze-Man dar. 355 Kleinhietpaß setzt in ihrer Arbeit einen markant anderen Schwerpunkt als es in dieser Untersuchung geschieht. Dies ergibt sich zu einem guten Teil aus ihrer akademischen Verbindung zu Klaus F. Röhls Forschungsprojekt „Visuelle Rechtskommunikation“. Sie hat in diesem Zusammenhang das Verdienst einer sehr breiten Bestandsaufnahme von Metaphern in der Rechtssprache, die sie nach Quellbereichen ordnet, auf grundlagentheoretisch ungeklärtem Terrain. Hier wäre mehr Vorarbeit hilfreich gewesen; signifikant sind m. E. insbesondere ein zu leichtfertiger Umgang mit der Kategorisierung von Metaphern als „tot“, ebd. S. 8, das Fehlen Blumenbergs im Literaturverzeichnis (Lakoffs und Johnsons „Metaphors we live by“ wird im Literaturverzeichnis zwar aufgeführt, ihre wesentlichen Thesen werden jedoch inhaltlich nicht aufgearbeitet), mithin die Nichtberücksichtigung des zeitgenössischen metapherntheoretischen state of the art. Diese Ignoranz mündet ebd. S. 79 in der Frage, inwieweit mit der Verwendung juristischer Metaphern auch in Zukunft zu rechnen sei. 356 In Annäherung an eine rechtstheoretische Metaphorologie ist vor allem Bangemann zu nennen, als Einzelstudien zum Beispiel Mohnhaupt/Grimm – bezeichnenderweise im Kontext des begriffsgeschichtlichen Projekts der „Geschichtlichen Grundbegriffe“ entstanden – und Stolleis (2004). 354

II. Metaphern und Recht im Spiegel der rechtswissenschaftlichen Literatur

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niger untechnisch „rechtstheoretisch“ genannten Literatur der zweiten oder dritten Gruppe gehören die Beispiele, die im folgenden Abschnitt rezipiert werden.357 Ein ganz erheblich umfangreicherer Befund an Einzelstudien der zweiten Gruppe mit uneinheitlichem grundlagentheoretischen Ertrag lässt sich in anglo-amerikanischen Publikationen nachweisen;358 ihre sicher sehr lohnenswerte Auswertung würde den Rahmen dieser im Horizont des europäisch-deutschen Rechtssystems erfolgenden Grundlagenuntersuchung sprengen, zumal die dort erörterten Metaphern in der Regel keine der deutschen Rechtssprache sind. Beispiele zu Fragen einzelner Metaphern oder Metaphorologien der dritten Literaturgruppe finden sich in das Zwischenresümee dieses Kapitels und in den grundrechtsmetaphorologischen Teil (E.) dieser Untersuchung eingearbeitet. Die für die folgende Darstellung getroffene Auswahl deutschsprachiger Autorin­ nen und Autoren ist als solche nicht abschließend. Sie vermag indes in repräsentativer Weise die Bandbreite der Metaphernbegriffe und das Defizit einer die Metapher im engeren Sinne als erkenntnistheoretische Kategorie erschließenden Theorie widerzuspiegeln, zumal wahrscheinlich ist, dass derzeit im deutschsprachigen Raum erheblich mehr an einschlägiger Literatur, als im Folgenden thematisiert und hier im Fußnotenapparat angegeben wird, nicht existiert. 1. Jacob Grimm, Von der Poesie im Recht (1816) Denkt man in der deutschen Rechtswissenschaft zurück, wer als Erste oder Erster etwas zum Thema der Metaphern im Recht geschrieben haben könnte, und erinnert sich dabei an die überkommene Zuordnung der Metapher zum Bereich der Poetik, so mag man an Jacob Grimms insbesondere im Versuch einer Adaption des anglo-amerikanischen „Recht und Literatur“-Ansatzes für den deutschsprachigen Raum viel zitierten Aufsatz „Von der Poesie im Recht“ aus dem Jahr 1816 denken. Vorweggenommen, J. Grimm schreibt in diesem Aufsatz unmittelbar über Metaphern wenig. Seine zahlreichen Beispiele für Poesie im Recht entbehren nicht der Analogie, jedoch stehen überwiegend nicht einzelne Worte im Fokus, sondern eher ausdrückliche Vergleiche, Sinnsprüche und volksmythologische Bezüge. Von 357 Weitere Beispiele für einzelstudienartige Erörterungen mit Tendenz in Richtung auf eine rechtsmethodische Metaphorologie stellen Demandt und, sehr bemerkenswert, Kiefner dar. Bemerkungen zur Metapher im rechtstheoretischen Zusammenhang finden sich z. B. bei Steinhauer (2005), S. 455 f.; Steinhauer (2004), S. 632 ff. Letzterer reagiert sehr lesenswert auf Stolleis (2004), wobei gegen seine Ausführungen inhaltlich nichts einzuwenden ist, außer dass er wie Stolleis (2004) m. E. unzureichend zwischen Bild und Metapher unterscheidet und – was ausschlaggebend dafür ist, diese Quelle im Folgenden nicht gesondert zu würdigen – über die anderen hier besprochenen Ansätze wenig bemerkenswert hinaus geht. 358 s. etwa Arms; Baron; Berger (2013); Berger (2009); Blutman; Boyd; Dawson; Drulák; Edwards; Gardner; Haugh; Hibbitts; James; Johnson (2007a); Johnson (2002); Joo; Lipshaw; Loughlan; Noah; Smith; Safranek; Solove; Thornburg; Tsai; Young/Perelman.

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B. Metaphorologische Analyse des Rechts als Perspektive (Teil 1, Theorie) 

den einzelnen Rechtswörtern, in denen Poesie liege – und „die deutschen gesetze enthalten eine menge der schönsten, in denen jedesmal die bedeutung der sache innerlichst, mit einem reinen bild erfaszt und ausgedrückt wird“ – sind heute nur noch wenige bekannt.359 Was J. Grimm in diesem Zusammenhang auf grundsätzlicherer Ebene interessant macht, ist sein Glaube an die verborgenen Wahrheiten und Wirkungen der Rechtssprache seiner Zeit – „selbst der ganzen sprache sämmtlicher schatz bietet die merkwürdigsten mittel an hand, vieles verschollen und verloren geschienene bleibt noch aus ihr zu lösen“.360 J. Grimm bekennt sich zur Bildlichkeit im Recht und bezeugt in eindrucks­vollen Worten eine Entwicklung zur Jurisprudenz seiner Zeit: „Bisher haben wir gesehen, dasz das recht mit der poesie entsprungen ist, dasz in seiner gestalt poetisch gebunden gewesen zu sein scheint, dasz es […] voll lebendiger wörter und in seinem gesammten ausdruck bilderreich. damit bleibt aber diese verwandtschaft unter beiden nur zur hälfte erkannt, und uns übrig, die andere, so zu sagen, practische ebenfalls zu betrachten. denn es folgt, wenn jenes wahr ist, schon daraus selber, die poesie müste sich nicht auf das wort beschränken, sondern damit tiefer wirken und den inhalt auf das mannichfaltigste mit bestimmen.* hieraus wird sich nun auch klärer darthun, dasz die vorwaltende sinnlichkeit sich auf den inneren geist zurück bezieht, von dem sie ausgieng, das ­frische aussehn keine tünche, das gleichnis kein hohles war, vielmehr sie die sache selbst zu umschreiben und umgrenzen suchen. später entfernt sich die bildlichkeit aus der gesetzgebung, sie scheint zwar gerader auf die sachen zu gehen, allein man könnte fragen: ob diese immer so genugthuend umfaszt werden? das neue gesetz möchte gern vollständig sein und alle fälle voraussehen, das alte scheut sich oft, einzugreifen und stellt lieber die entscheidung in etwas natürliches, zufälliges, es ehrt auch heilige zahlen, während jenes todte und weltliche zahlen vorzuschreiben und damit zu messen pflegt.“ „* im nord. gesetz heiszt ein loch in zäunen: grisasmuga, wörtlich: ferkelschmiege, wodurch sich ein junges schwein schmiegen kann. dies ist nicht blosz poetisch, sondern bestimmt zugleich die juristich erlaubte oder straffällige weite der öffnung.“361

Das in Sprachform gefasste Bild ist auch hier gerade nicht bloßes Schmuckwerk. Es ist nicht bloß äußerliche Form („vorwaltende sinnlichkeit“), sondern strukturiert inhaltsreich die Vorstellungen von den bezeichneten Verhältnissen im „inneren Geist“. Wenn die Bildlichkeit aus der zu Zeiten der historischen Rechtsschule neueren Gesetzgebung entweicht, so kann damit nicht bloß die bewusste Bildlichkeit gemeint sein. Denn sonst wäre für die überkommene Gesetzgebung, die sich von der neueren durch ein mehr als Bildlichkeit unterscheiden soll, das Unternehmen, „verloren geschienene[s …] aus ihr zu lösen“ nicht sinnvoll. Es muss also nach J. Grimm eine Qualitätsveränderung des Rechts stattgefunden haben, die es mit weniger Bildern nicht „sinnlich treuer“362, sondern allgemeiner, abstrakter, 359 Grimm, S. 23 f. [45 f.]. Ein Beispiel für ein solches metaphorisches Wort bei Grimm ist der „Stamm“, metonymisch hingegen in diesem Zusammenhang das „Geschlecht“. 360 Grimm, S. 8 [27] (Herv. d. Verf.). 361 Grimm, S. 34 f. [57 f.]. 362 Grimm, S. 7 [26].

II. Metaphern und Recht im Spiegel der rechtswissenschaftlichen Literatur

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universeller gestalten lässt. Es ist aber der Komparativ des „gerader“, der die Entfernung der Bildlichkeit auch bei Grimm letztlich doch keine absolute, sondern eine bloß relative sein lässt. Indem er die Frage stellt, ob die neue Art der Gesetzgebung ihre Gegenstände im Modus reduzierter Anschaulichkeit „immer so genugthuend“ begreife, gibt er sich als Skeptiker zu erkennen. Diese Skepsis wird übrigens nicht zuletzt mithilfe der bemerkenswerten philosophischen Prämisse verständlich, der Ursprung des Rechts beruhe „auf dem wunderbaren und dem glaubreichen“, wobei er hier unter Wunder verstehe „die ferne, worin für jedes volk der anfang seiner gesetze und lieder tritt; ohne diese unnahbarkeit wäre kein heiligthum, woran der mensch hangen und haften soll, gegründet; was ein volk aus der eignen mittte schöpfen soll, wird seines gleichen, was es mit händen antasten darf, ist entweiht. glaube hingegen ist nichts anders als die vermittlung des wunders, wodurch es an uns gebunden wird, was macht, dasz es unser gehört, als ein angeborenes ergbut [..] nur die gerechtigkeit ist dem volke recht und untrüglich, die aus ‚der ältesten frommer kundschaft‘ genommen wird.“363

Die Bildlichkeit im Recht als Kennzeichen seiner besonderen Geschichtlichkeit genommen, scheinen die Eigenschaften, die J. Grimm ihr zuschreibt, sich zum Teil mit der Analyse solcher Stimmen zu decken, die Bildlichkeit im Recht ablehnen. Anti-demokratisch liest sich weiter im ersten Moment sein Plädoyer, Recht solle nicht aus der Mitte des Volks geschöpft, solle sich diesem nicht als ein Selbstgeschöpftes, Verfügbares anbieten, sondern als etwas, das es nicht bis zu seinem Ursprung zurückverfolgen kann. Genauer betrachtet hält diese Lesart jedoch nicht, da J. Grimms Skepsis gegenüber der Entbildlichung des Rechts offenbar darauf beruht, dass er, was Max Weber später „Legitimationsglaube“ genannt hat, an den Eindruck der Vorgegebenheit geknüpft sieht: auf dem Eindruck eines Volks, das nicht auf seine aktualen Kollektivkräfte vertraut.364 Man würde J. Grimm heute gerne fragen, ob denn die Entbildlichung, die Abstrahierung des Rechts keine fortentwickelte Form derjenigen Unnahbarkeit sein könnte, die ihm grundlegend für das Wunderbare des Rechts ist. Aus der hiesigen Lektüre J. Grimms resultiert jedenfalls die Ahnung, dass die von ihm kritisierte Entwicklung des Rechts historisch auf das Problem usualisierter präskriptiver Metaphern im Recht zuläuft, die heute als ebenso verborgen wie notwendig wahr­genommen werden und deren Befund zu ähnlichen Fragen demokratie- und wissenschaftstheoretischer Art Anlass gibt, wie er sie gestellt hat.

363

Grimm, S. 8 f. [27 f.]. Dazu, dass Jacob Grimm dennoch kein demokratischer Vorkämpfer war, Krischke.

364

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2. Heinrich Triepel, Vom Stil des Rechts (1947) Heinrich Triepel stellt sich mit seinem als „Beiträge zu einer Ästhetik des Rechts“ untertitelten Werk „Vom Stil des Rechts“ als in vielerlei Hinsicht bemerkenswerter Vorläufer kulturwissenschaftlich inspirierter Perspektiven auf Recht heute dar365 – auch in Bezug auf eine Rechtsmetaphorologie. Vorsichtig einsetzend mit der Frage, ob es zulässig sei, dem Rechte (als Trias aus Rechtsordnung, Rechtswissenschaft, „Rechtsleben“) eine ästhetische Betrachtung zuteil werden zu lassen366, konkretisiert er sein Forschungsanliegen im Anschluss an einige Beispiele – wie dem des Sachenrechtlers Martin Wolff, der die Vereinheit­lichung des Sachenrechts im Bürgerlichen Gesetzbuch einem „halb nationalen, halb ästhetischen Sehnen[s] nach einer Ebenmäßigkeit von Volks-, Reichsund Rechtseinheit“ zugeschrieben habe, und Vergleichen zur Beschreibung einer Rechtsordnung insbesondere mit architektonischen Stilarten und Werken der bildenden Kunst367 – dahingehend, ob die Ästhetik im Recht angesichts solcher Aussagen „etwas zu sagen oder ob sie zu schweigen hat“, ob es sich bei solchen Aussagen „um bloße bildliche Redefiguren, also um bloß schmückendes Beiwerk oder um wissenschaftlich ernstzunehmende ästhetische Urteile“ handele.368 Um diese Frage zu beantworten, hat Triepel erst einmal die Vorfrage zu beantworten, ob Rechtsgedanken als solche „ästhetisch“ sein können oder ob es vielmehr allein die Äußerlichkeiten des Rechtsausdrucks und des von ihm so genannten „Rechtslebens“ sind, die man zum Gegenstand ästhetischer Reflexion machen kann. Er diskutiert unterschiedliche Anschauungen und Sprachgebräuche, zitiert dabei interessanterweise David Hume mit der Auffassung, ästhetische Begriffe auf „,abstrakte‘ Dinge“ angewendet (z. B. „beautiful theorem“) könne es nur geben, „wenn man sich ein solches Ding als auf dem Papier aufgezeichnet vorstelle“, um sich dafür zu entscheiden, dass auch das Nichtsinnliche ein möglicher Gegenstand ästhetischer Betrachtung sein könne.369 Diese Formulierung erscheint indes durch andere Formulierungen relativiert, die den Status des Nichtsinnlichen als Gegenstand ästhetischen Denkens etwas unklar lassen. An der Beschränkung des Ästhetischen auf das sinnlich Wahrnehmbare solle man keinesfalls „rigoros“ […] festhalten“.370 Aber auch gegenteiligen Positionen, nur das Sinnliche eigne sich für das ästhetische Urteil bzw. das ideale Schöne sei ein Nichtsinnliches, spendet er (wenn auch minderen) Beifall. Interes 365

Die entsprechende Kontextualisierung stellen Arnauld/Durner informativ und eingängig dar und behaupten, Triepels „Stil des Rechts“ stelle in einem mittlerweile international diskutierten Gebiet der Rechtsästhetik als Teil der Rechtstheorie bis heute „die einzige mono­ graphische und systematische Darstellung“ in deutscher Sprache dar. 366 Triepel, S. 11. 367 Triepel, S. 11 f., 13. 368 Triepel, S. 18 f. 369 Triepel, S. 36 ff., 39. 370 Triepel, S. 37.

II. Metaphern und Recht im Spiegel der rechtswissenschaftlichen Literatur

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santerweise grenzt sich Triepel darin gegen eine Position ab, die das Sinnliche und das Nichtsinnliche grundsätzlich eher als idealtypische Grenzpunkte einer Skala erscheinen lässt dahingehend, man könne „ein Schönes unterscheiden, das […] dem sinnlich Wahrnehmbaren näher, und ein solches, das ihm ferner“ sei.371 Das metaphorologisch besonders interessante vierte Kapitel seiner Untersuchung über den Stil im Recht ist deshalb eigentlich nicht notwendig und erscheint zum anderen in gewissem Widerspruch zu seiner zuvor getroffenen Entscheidung, das Ästhetische primär auf das Sinnliche zu beziehen und das Sinnliche vom Nichtsinnlichen klar zu unterscheiden. Es handelt sich um einen bemerkenswerten erkenntnistheoretischen Exkurs innerhalb des Gesamtwerks, der sich zum historischen Grundlagentext einer Rechtsmetaphorologie eignet. „Die Einbeziehung nichtsinnlicher Tatsachen in den Bereich des ästhetischen Denkens rechtfertigt sich bis zu gewissem Grade durch den engen Zusammenhang, mit dem unser Denken in jeder Lage an Vorstellungen von Sinnlichem gebunden ist. ‚So abstrakt wir auch denken mögen, so ist es doch zuletzt etwas Sinnliches, was unserm Denken zum Grund liegt‘ [Hinweis auf Schiller, d. Verf.]. Es sind vor allem Bilder aus der körperlichen Welt, die bei der Formulierung abstrakter Begriffe verwendet werden. ‚Alle gedanklichen Fortschritte haben sich mit Hilfe von Bildlichkeit vollzogen. Auch unsere abstraktesten Begriffe sind aus Bildern geboren‘ [Hinweis auf Gierke, d. Verf.]. Man kann hinzufügen: die Sehnsucht nach den Bildern bleibt, auch wenn sich die ‚abstrakten Begriffe‘ gebildet haben, oder diese werden durch jene beiseite geschoben, vielleicht am vollen Durchbruche verhindert. Das Göttliche nimmt im Denken menschliche Gestalt an [Anthropomorphismus, d. Verf., …]. Dies alles erklärt sich, wie ich meine, aus einer sich immer unweigerlich durchsetzenden Raumbezogenheit unseres Denkens. Nach meiner Überzeugung  – ich erwarte natürlich lauten Widerspruch der Erkenntnistheoretiker – ist der Raum die jeder andern Form vorausgehende und von jeder andern nicht abtrennbare Form unserer Anschauung. Im Kindesalter beginnt unser Denken ausschließlich in Raumbezogenheit; später mischt sich diese in jede andere Vorstellung ein. […] Es nützt nichts, wenn man diese Bekräftigung [theoretisch nicht notwendig raumbezogener Inhalte, d. Verf.] durch die Sprache als eine bloße ‚Versuchung‘ hinstellt, die einer richtigen Erkenntnis ‚bedrohlich‘ werden kann. […] Im Bereiche des rechtlichen Denkens spielt jene ständige Raumbezogenheit eine ganz hervorragende Rolle. Alle Vorstellungen von Rechtsverhältnissen, von rechtlichen ‚Beziehungen‘ sind  – nicht nur von der Vorstellung von ‚Beispielen‘, die sich unwillkürlich als begleitende Phantasievorstellungen einstellen, sondern schlechthin – von raumbezogenen Vorstellungen irgendwie begleitet; jede ‚Beziehung‘ ist notwendig mit der Vorstellung eines ‚zwischen‘, eines ‚von-zu‘ verbunden. […] Definitionen, Urteile, Schlüsse, Systeme, Klassifikationen sind ‚Formelemente einer inneren Räumlichkeit‘, sind ‚etwas so mit Optik Gesättigtes, dass der Reiz, den Denkprozess unmittelbar […] räumlich darzustellen, gerade den abstraktesten Denker immer wieder überwältigt [Hinweis auf Spranger, d. Verf.].“372 371 372

Triepel, S. 39 f. Triepel, S. 46 ff.

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B. Metaphorologische Analyse des Rechts als Perspektive (Teil 1, Theorie) 

Sagte Triepel also im Kapitel zuvor aus, dass es ein (von Sinnlichem wohl gelöstes) Nichtsinnliches im Denken gebe, so erklärt er nun, dass jedes Denken „an Vorstellungen von Sinnlichem gebunden“ sei. Ob es für ihn einen feinsinnigen Unterschied macht, ob ein Nichtsinnliches notwendig „an Vorstellungen von Sinnlichem gebunden“ oder ein Übersinnliches „im Sinnlichen mitausgedrückt“373 ist, bleibt im Dunkeln. Jedenfalls zeigt er ein feines, wenn auch noch nicht zu abschließenden Schlüssen gelangtes Gespür für die subtile und differenzierte Wirkung juristischer Metaphern. Die Funktion der – hier so bezeichneten Metapher – beschreibt er als „in jeder Sprache vorhandene Erscheinung, dass der sinnliche Gehalt eines Worts mit einer geistigen Bedeutung vertauscht wird“.374 Als Metaphern in der Rechts­ sprache erkennt Triepel weiter „Worte wie abtreten, abnehmen, annehmen, antreten, anfallen, aufheben, anwachsen, auflösen, aufschieben, ausschlagen, Eintritt, Austritt, Beitritt, Nachfolge, Hemmung, Übergabe, Übernahme, Übertragung, Unterbrechung, Verlängerung, Vertretung, Zusammentreffen“.375 Er spricht nicht von vermeintlich toten Metaphern, sondern (unter Bezugnahme auf Nicolai Hartmann) von „abgesunkene[n] Begriffe[n], deren unmittelbare Wortbedeutung nur feinsinniger noch das ursprüngliche ‚Bild‘, meist ein ‚räumlich-visuelles‘, eines anschaulich erfassten Verhältnisses verrät“.376 Wenn er einerseits in Bezug auf diese Ausdrücke anmerkt, es komme uns in ihnen das „Metaphysische […] wenig […] zu Bewusstsein“377, andererseits in Bezug auf das „Entstehen“, Verändern, Untergehen und „Erlöschen“ von Rechten, es sei übertrieben, diese Ausdrücke „schlechtweg als von einer körperweltlichen Auffassung diktiert“ zu bezeichnen378, so deutet das in Richtung der konsequenten Annahme, dass ‚körperweltliche‘ Aspekte unterbewusst auch im „abgesunkenen“ (!) Stadium durchaus eine gewisse Rolle spielten. Weniger abgesunken erscheinen bei ihm schließlich „diejenigen Worte […], bei denen die sinnenweltliche Bedeutung durch die spezifisch rechtliche stark in den Hintergrund gedrängt worden ist, wie etwa Besitz, Draufgabe, Haftung, Hinterlegung oder Verzug“, noch weniger „besonders ‚plastische‘ Ausdrücke […] wie etwa die Ersitzung eines Rechts oder das Schweben einer Bedingung, die Körperschaft oder die Gesamthand“.379 373

Triepel, S. 39. Triepel, S. 50. 375 Triepel, S. 50. 376 Triepel, S. 50. Vgl. dagegen Gierke (1902), S. 16, auf den sich Triepel wie auch viele der nachfolgenden Autoren bezieht: „Alle gedanklichen Fortschritte haben sich mit Hülfe von Bildlichkeit vollzogen. Auch unsere abstraktesten Begriffe sind aus Bildern geboren. Wir dürfen auch in der Wissenschaft uns des Bildes bedienen, wenn wir uns nur dessen bewusst bleiben und nicht das Bild für die Sache nehmen. Soweit aber zur Bezeichnung der Sache selbst uns nur Ausdrücke zu Gebote stehen, deren bildliche Prägung noch nicht abgeschliffen ist, müssen wir uns bemühen, den begrifflichen Gehalt von der bildlichen Beimischung zu sondern“ (Herv. d. Verf.). 377 Triepel, S. 50. 378 Triepel, S. 49. 379 Triepel, S. 50 f. 374

II. Metaphern und Recht im Spiegel der rechtswissenschaftlichen Literatur

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Die beschriebene Sonderbarkeit des vierten Kapitels zeigt sich auch im Wider­ spruch dieser Erkenntnisse mit recht krassen Aussagen, die Triepel in den folgenden Kapiteln zum modernen Stil des Rechts trifft, darin sinngemäß J. Grimm folgend. Die „sinnliche Kraft“ des alten germanischen Volksrechtes habe „das [moderne, d. Verf.] Juristenrecht mit Stumpf und Stil ausgerottet“380, dieses mit der „sinnlichen, bildlichen und dichterischen Formgebung der Rechtssprache aufgeräumt und sie durch eine begriffliche ersetzt“.381 Dichtete Schiller, „[n]ur durch das Morgentor des Schönen/Drangst Du in der Erkenntnis Land“, so Triepel im letzten Kapitel, gelte für die Ästhetik des Rechts wohl umgekehrt, dass man nur durch das Morgentor der Erkenntnis in das Land des Schönen einzudringen vermöge.382 Hierin mag, wenn auch speziell auf das Recht gemünzt und nicht speziell für die Metapher, die in der Triepelschen Stillehre des Rechts nicht zu einer eigenen Analysekategorie entwickelt wird, seine Formulierung ungefähr des Befundes zu erkennen sein, den Blumenberg allgemein und speziell für die Metapher ihre historische „Verborgenheit“ genannt hat. Was die Gefahren von „Bildersprache“ (auch bei ihm in Anführungszeichen) im Recht angeht, konzediert Triepel schließlich übrigens, „Bildnähe“ könne „zu Konstruktionen führen, die mit der vorgestellten Körperlichkeit rechtlicher Verhältnisse allzu sehr Ernst“ machten. Doch sei diese Gefahr auf der anderen Seite auch nicht zu überschätzen, denn sie könne durch eine „vernünftige Interessenprüfung“ im Sinne der Interessenjurisprudenz korrigiert werden.383 Insgesamt zeigt Triepel mit seinem Versuch, das Recht aus einer alternativen, nämlich einer ästhetischen Perspektive zu betrachten, einen mangels entwickelter Metapherntheorie zu seiner Zeit ganz überraschend tiefgründigen, klaren Blick mit ausgewogenen Ergebnissen auf das, was er Bildlichkeit nennt. Die, wie er sie nennt, ganz hervorragende Rolle des raumbezogenen Denkens im Recht war auch entscheidende Motivation zu dieser Untersuchung überhaupt, die insoweit in Triepel einen wichtigen Fürsprecher für ihr Anliegen gefunden hat. 3. Karl Engisch, Einführung in das juristische Denken (1956) An das zuletzt zitierte Triepelsche Bedenken gegen allzu ernst genommene Bildlichkeit im Recht schließt sich gut die Betrachtung eines Abschnitts an, der aus dem Kapitel „Über Sinn und Struktur des Rechtssatzes“ in der „Einführung in das juristische Denken“ Karl Engischs überliefert ist und sehr genau den kritischen Kern einer metaphorologischen Analyse trifft. Was – hier – als Metaphern identifiziert wird, nennt auch Engisch, allerdings mit Berufung auf Julius Binder, „Bilder­sprache“. 380

Triepel, S. 89. Triepel, S. 140. 382 Triepel, S. 149 f. 383 Triepel, S. 48 f. 381

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B. Metaphorologische Analyse des Rechts als Perspektive (Teil 1, Theorie) 

Er berichtet einleitend über den rechtswissenschaftlichen Diskurs des Verhältnisses zwischen Tatbestand und Rechtsfolge, „Kausalität“ genannt, der „für das Spezifische des juristischen Denkens“ in Bezug auf Rechtssatzelemente als „abstrakt begriffliche Gebilde“ aufschlussreich sei. Engisch zitiert Ernst Zitelmann, einen wichtigen Rechtsgelehrten Ende des 19./Anfang des 20. Jahrhunderts, zum Wesen „juristischer Kausalität“: „zwischen Tatbestand und Rechtsfolge besteht ‚ein eigentümliches, erst von dem Gesetz­ geber geschaffenes Band der Notwendigkeit, das wir nicht anders als analog der natürlichen Kausalität aufzufassen vermögen‘ […]. Es handelt sich hier um eine ‚von den Menschen ganz nach Analogie der natürlichen geschaffene eigene juristische Kausalität“. Andreas von Tuhr habe geschrieben: „‚ […] Zwischen Tatbestand und Rechtsfolge besteht eine nicht auf der Naturordnung, sondern auf dem Willen des Gesetzes beruhende Kausalität, welche, wie die Kausalität des natürlichen Geschehens, in letzter Linie in der Beschaffenheit des menschlichen Denkens gegründet ist.“384

Aus der so gestalteten Idee einer juristischen Kausalität ziehe ein Teil der Wissenschaft (z. B. von Tuhr) Folgerungen wie etwa diejenige, dass es keine Doppelwirkungen im Recht gebe: wer Eigentümer einer Sache sei, könne nicht gleichzeitig noch einmal Eigentümer aufgrund eines anderen Tatbestandes werden, ein entstandenes und bestehendes Recht könne nicht gleichzeitig noch einmal entstehen, ein nicht entstandenes oder erloschenes Recht nicht aufgehoben werden. Ein anderer Teil der Wissenschaft dagegen (z. B. Julius Binder) wende ein „es sei ‚barer Unsinn, wenn Juristen von ‚Rechtswirkung‘ sprechen‘. Es handle sich dabei um eine bloße Bildersprache; denn die Rechtsfolge könne nicht wie jede echte Wirkung als ‚Veränderung eines Zustandes‘ gedacht werden, sie habe keinerlei ‚gegenständliche Wirklichkeit, weder in der physischen noch in der psychischen Welt‘.“385,386

Engisch hält analytisch die Feststellung für wichtig, dass nicht die Subsumtion eines Lebenssachverhaltes unter einen Tatbestand der Raum der Kausalität sei, sondern erst die Voraussetzung, „dass im Gesetz einerseits und im konkreten Fall andererseits der Tatbestand die Rechtsfolge nach sich zieht.“387 Er erkennt als wesentliche Frage diejenige, ob man die „Kategorie der Kausalität“ nur auf Natur­ gesetze oder auch auf menschliche Gesetze beziehen wolle. Es dränge sich der Gedanke auf, 384

Engisch, S. 35 f. (Herv. i. Orig.). Engisch, S. 37. 386 Von Binder stammt übrigens auch eine Abhandlung zum „Problem der juristischen Persönlichkeit“, in der er eine Theorie des „Wesens“ der juristischen Person entwickelt und dazu eine historische Einleitung vornimmt, die insbesondere die, angeblich in der ersten Hälfte des 19.  Jahrhunderts herrschende, „Fiktionstheorie der juristischen Person“ zitiert. Gemeinden z. B. seien „unter die personas fictas etc. [mysticas, imaginarias, scil.] gezählt […, worden], weil sie mehr durch die innerlichen als äußerlichen Sinne begriffen werden und eine Abstraktion in dem Gehirn erfordern, nach welcher man sich die vereinigten Individuen nicht in einzelner Weise […] sondern alle miteinander in ihrem Zusammenhange als ein ganzes corpus vorstellt“, Binder, S. 7 f. 387 Engisch, S. 37 (Herv. teilw. i. Orig.). 385

II. Metaphern und Recht im Spiegel der rechtswissenschaftlichen Literatur

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„dass wir in einen Streit um Worte geraten. Wenn die Juristen angesichts der geschilderten Analogie von natürlicher und juristischer Verknüpfung die Verbindung von Tatbestand und Rechtsfolge Kausalität zu nennen belieben, […] soll man dann noch darüber streiten, ob es sich hier um eine bloße ‚Bildersprache‘ handelt oder um sinnvolle Ausdehnung einer ‚Kategorie‘ auf ein Gebiet, das man ihrer Herrschaft zu Unrecht entziehen wolle? Dennoch ist größte Vorsicht geboten.“

Zum einen, weil die „irgendwie vorgegebene naturgesetzliche Kausalität eine andere Struktur“ besitze als die rechtliche. Zum anderen – und dies ist für Engisch der wesentliche Punkt – verführe die Anwendung der Kategorie der Kausalität auf den Rechtssatz und den unter ihn subsumierten Lebenssachverhalt „allzuleicht zu ‚begriffsjuristischen‘ Folgerungen, die sich als Sünde wider den Geist der modernen Jurisprudenz“ darstellten.388 Den Ausschluss von Doppelwirkungen im Recht hält er für eine falsche ‚begriffsjuristische‘ Folgerung und nennt (vielfach Bezug nehmend auf Theodor Kipps Lehre von den Doppelwirkungen im Recht) zahlreiche Beispiele, die letztlich in der Einsicht wurzeln: „Sind die juristischen Tatbestände nichts anderes als ‚Bedingungen für Imperative oder [für] Befreiungen von solchen‘, so ist ‚gegen doppelte Begründung derselben Rechtsfolge deshalb nichts einzuwenden, weil es gar keine Bedenken hat, dass zwei Gründe desselben Rechtsgebotes miteinander konkurrieren‘ […]. Alle gegenteiligen Auffassungen beruhen nur auf einer ‚Verwechslung der bildlichen Auffassung der Rechtswirkungen im Sinne der Körperwelt mit der wahren Natur der Dinge‘ […] Wir sehen also, dass die Lehre von der juristischen Kausalität, wenn man die Analogie zur natürlichen Kausalität zu weit treibt, praktisch-juristische Probleme gebiert. […] Die Tragweite bildlicher Ausdrücke im Recht ist noch umstritten. Bilderjurisprudenz wird leicht zur ‚Begriffsjurisprudenz‘.“389

Am Ende sei die Redeweise von „Rechtswirkungen“ und „rechtlicher Kausalität“ zunächst nur eine indirekte und bildliche façon de parler, die nicht dazu legitimiere, jede juristische Folgerung zu ziehen, die der Kausalität nach Natur­gesetzen entspreche. „Bildersprache“ und „Sprachbilder“ sind danach in der Nachkriegszeit die Begriffe, mittels derer in der westdeutschen Rechtswissenschaft versucht wird, zu verstehen, was heute als Metaphern im Recht zu kennzeichnen ist. Dabei erscheint diese Begrifflichkeit aus heutiger Sicht durchaus nachteilig, weil sie auf den Bildbegriff fokussiert, der dem Sprachgebrauch nach eher dem ­bewussten Vorstellen zugeordnet wird, und zwar (mindestens) einer Figur mit einiger Prägnanz, während die Metapher auf Verhältnisse und, heute, Strukturen orientiert, welche die zu Grunde liegenden Erfahrungen transzendieren und transformieren.

388

Engisch, S. 38. Engisch, S. 39 f.

389

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B. Metaphorologische Analyse des Rechts als Perspektive (Teil 1, Theorie) 

4. Winfried Hassemer, Die Sprachlichkeit des Tatbestandes (1967) Sehr anders fällt die Annäherung an ein nun aber zeitgemäß benanntes ‚Metaphorisches‘ im Recht bei Winfried Hassemer aus. Dieser kommt in seiner im Untertitel „Untersuchungen zur strafrechtlichen Hermeneutik“ bezeichneten Dissertation auf die Sprachlichkeit des Tatbestandes, seine Abhängigkeit von sprachlicher Formulierung zu sprechen, die dazu führe, dass der Tatbestand unmittelbar als Wirklichkeit treffend verstanden werde.390 Hassemer bezweckt zu untersuchen, ob Tatbeständen eine Sprachlichkeit eigener Art, eine besondere Sprachlichkeit eigne. Dazu muss er grundsätzliche Merkmale von Sprachlichkeit herausarbeiten und mit den besonderen Merkmalen rechtlicher Tatbestände vergleichen. Hinsichtlich der grundsätzlichen Merkmale von Sprachlichkeit geht er von der These aus, dass sprachliche Gebilde wohl verständlich, jedoch nicht eindeutig und exakt verifizierbar seien. Sprache habe zunächst „Bedeutung“, weil sie als Lautung auf Entitäten außerhalb ihrer selbst verweise.391 Die einzelne Lautung (Wort) könne sodann vielfältige Bedeutungen annehmen, je nach Sprechsituation (geschrieben, ärgerlich, liebevoll, feierlich oder profan gesprochen, als einzelner Ausruf oder im Satz), Satz (der Bedeutungszusammenhang führt zu einer Konkretisierung der Wortbedeutung)392 und Wortfeld. Letzteres ist in Hinblick auf die Metapher wichtig, weil es das Phänomen des „Mitgesprochenen“ berührt. Die Bedeutung eines Wortes werde danach mitbestimmt durch seine „begrifflichen Nachbarn“. Hassemer zitiert den Germanisten Jost Trier, dass der Satz nicht das „allein Wirkliche“ sei, von dem aus das Einzelwort Bedeutung erhalte, sondern „das System des objektiven in der Sprache […] überlieferten und dem Sprecher und Hörer gegenwärtigen Ganzen des Begriffsfeldes“ mitspreche. Mit dem Husserl-­Schüler Hans Lipps spricht er vom „Hof von Unausdrücklichem um das gesprochene Wort“ und verweist auf Rudolf von Jhering, der, als eines von vielen Beispielen, über das Wortfeld von „Sitte, sittlich, Sittlichkeit, Sittengesetz, unsittlich, moralisch, Moral, unmoralisch, eigennützig, uneigennützig, selbstlos, selbstverleugnend, selbstsüchtig, egoistisch, unegoistisch, ethisch“ nachgedacht habe mit der in der Tat eindrucksvollen Bemerkung: „Diesen Worten haben wir die Anschauung des Sittlichen, welches der Sprache vorschwebt, zu entnehmen. Es ist ein Verhör mit der Sprache, bei dem es ebenso wichtig wird zu konstatieren, worauf dieselbe Antwort gibt, als worauf sie dieselbe verweigert“.393 390 Eine Formel dagegen sei nur mittelbar verständlich, weil sie erst aus der sprachlichen Erfassung der Wirklichkeit heraus gebildet werden könne und dann wiederum, um sie wirklichkeitsbezogen anzuwenden, erst in Sprachlichkeit rückübersetzt werden müsse, Hassemer, S. 66 f. 391 Hassemer, S. 67. 392 „Wie die Satzbedeutung aus der konkreten Wortbedeutung entsteht, so entsteht die konkrete Wortbedeutung aus der Satzbedeutung“, Hassemer, S. 71. 393 Jhering (1916 [1883]), S. 15 (Herv. i. O.), zitiert von Hassemer, S. 72.

II. Metaphern und Recht im Spiegel der rechtswissenschaftlichen Literatur

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Verändere sich ein Wortfeld – was regelmäßig der Fall ist, weil sich sprachliche Verwendungs- und Bedeutungskonventionen verändern – so verändere sich auch die Bedeutung eines Wortes. Das Wort „Sitte“ ist hierfür ein gutes Beispiel. Diese von Hassemer aufgezeigten Funktionen der Sprache sagen in Hinblick auf die Frage nach der Eindeutigkeit oder Bestimmtheit für sich noch nicht mehr aus, als dass bei der Suche nach ihrer Beantwortung nicht allein auf das einzelne Wort an sich geschaut werden kann. Es kann insoweit nicht von vornherein aus­ geschlossen werden, dass sich ein System finden lässt, dem gemäß sich die Sprache vermittels der genannten Funktionen „exakt“ auf die Wirklichkeit ausrichten lässt. Die Sprachpraxis führt auch unter der Bedingung historischer Lebendigkeit zu viel größerer Bestimmtheit, als es ihr beschränkter Wortschatz bei atomistischer Betrachtung vermuten lässt. Zu einer Antwort führt erst die These, dass „ein Begriff von was immer nur ein Begriff innerhalb der Sprache sein kann […] Begriffene Wirklichkeit ist immer sprachlich begriffene Wirklichkeit“.394 Der Versuch einer richtigen Zuordnung sprachlicher Ausdrücke zu Begriffen der Wirklichkeit endet danach in zirkulär geprägten Vorgängen. Die Richtigkeit von Sprache setzt also nicht voraus, dass außerhalb der Sprache ein Richtigkeitskriterium läge, eine Ordnung der Dinge, die ohne Sprache begriffen werden könnte. Sprache ist keine Entsprechung der sachlichen Wirklichkeit, keine Nachahmung des Seienden. An dieser Stelle dient Hassemer die Metapher, neben unterschiedlichen Begriffsdefinitionen in unterschiedlichen Sprachen, zum Beleg dafür, dass ein außersprachliches Kriterium „nicht schlechthin“ bestehe.395 Ausgehend davon, dass die einzelsprachlichen Wörter ihrer Anzahl nach endlich, aber die Gegebenheiten der inneren und äußeren Welt unendlich seien, ergebe sich ein Phänomen der „Sinnstreckung“ zur Bewältigung des Bedürfnisses nach sprachlicher Bedeutung.396 „Falls eine solche Streckung auswuchert, umgreift sie Dinge, welche ursprünglichem oder auch anfänglich reflexivem Verstehen in ihrer Verschiedenheit als nicht umgreifbar erscheinen […]. Das reinste Beispiel der Sinnstreckung“ sei die Metapher. „Die Metapher ist ein Spross der Differenz von Sprache und vorbegriffener Wirklichkeit. Die Grenzen der Wörter werden ausgeweitet, um Neues, bisher nicht Greifbares, ungenauer, ‚unexakter‘, aber immerhin sprachlich in den Griff zu bekommen. Manches kann dann nur metaphorisch gesagt werden, und hier hilft sich die Sprache manchmal dadurch, dass sie die ursprüngliche Metapher in ihr Gebäude aufnimmt, ihr dort einen Ort gibt und sie damit ‚exakter‘ macht. Das geschieht vornehmlich bei Wörtern, die Nichtsinnliches bezeichnen. […, A]nschauliche Wörter werden zu abstracta ‚gestreckt‘, die das Sinnliche nur noch anklingen lassen oder es gänzlich verloren haben. […] Dieser Prozess ist niemals abgeschlossen; die Sprache bringt immer neue Metaphern hervor, die Wörter dehnen sich in ihrer

394

Hassemer, S. 75. Hassemer, S. 80. 396 Diese (metaphorische) Terminologie übernimmt Hassemer vom Indogermanisten Hans Kronauer, vgl. Hassemer, Fn. 30 und 39. 395

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B. Metaphorologische Analyse des Rechts als Perspektive (Teil 1, Theorie) 

Bedeutung und decken neue Dinge und Sachverhalte. Dabei kann von ‚verblassten‘ und ‚ausdrücklichen‘ Metaphern nur theoretisch geredet werden; praktisch haben wir es mit einer gleitenden Skala zu tun.“397

Hier wird die Zirkularität398 der Gedanken besonders deutlich: die Kontingenz (Lebendigkeit) der Sprache ergibt sich auf der einen Seite daraus, dass sie keine bestimmte Wirklichkeit abbildet, sondern die Wirklichkeit erst konstituiert, und soll auf der anderen Seite zugleich als Beleg dafür dienen, dass die Wirklichkeit als vorhandene nicht entscheidend ist, sondern erst im Begriff konstituiert wird. Im Anschluss an die anfängliche Beschreibung einer Sprache, die an sich nur mit schwebender Bedeutung ausgestattet ist, kann Hassemer begründen, warum eine Metapher als solche erkannt werden kann. Es müsse einen Vergleichsgesichtspunkt zwischen ursprünglicher und übertragener Bedeutung geben, der „beim metaphorischen Sprechen nur unformuliert und (meist auch) unbewusst mitenthalten“ sei. Der unbewusste Vergleichsgesichtspunkt einer Sinnstreckung, einer Metapher im Besonderen, sei ihr „hermeneutischer Kern“. Das latente Mitwissen der Bedeutung des Gesichtspunktes sei für das Verstehen einer Metapher aus­reichend. Gehöre Sinnstreckung notwendig zur Sprache dazu, und habe jedes Wort „eine Vielzahl von für eine Sinnstreckung möglichen Gesichtspunkten, von denen einer, unformuliert, für den metaphorischen Gebrauch aktualisiert werden kann“, erkläre dies, warum und wie Sprache lebe. Hermeneutischer Kern der Sprache sei der Gesichtspunkt, ihre Form sei analogisch.399 Sprache sei in eine „Richtung der Fraglichkeit“ (dieser an entscheidenden Stellen der Abhandlung eingebrachte, aber nicht gesondert ausgeführte Ausdruck lehnt sich offensichtlich an den oben sekundärzitierten Ausspruch von Jherings an) gesetzt, unter der Wirklichkeit zu sehen sei und gesehen werde. Nun gilt jedoch die Einschränkung, dass ein außersprachliches Richtigkeits­ kriterium „nicht schlechthin“ existiere. Die Richtung der Fraglichkeit ist nicht gleichbedeutend mit dem Gefragten. Vielmehr fragt Sprache durchaus nach „den Dingen“. Diese können ihr also auch nicht „schlechthin verschlossen“ sein.400 Der Schlüssel dafür soll im „Vorbegriff“ liegen. Der Vorbegriff wird umschrieben als ein ursprüngliches Ergreifen der Wirklichkeit, die insofern schon grob und anfänglich gewusst, aber noch nicht ganz verstanden ist. Begriffene Wirklichkeit ist erst sprachlich zu Offenbarkeit gebrachte Wirklichkeit. Hassemer betont das qualitativ Neue, die Nichtoriginarität dieser sprachlichen Wirklichkeit in der Unterscheidung zum Vorbegriff. Eine (neue, unkonventionelle) Metapher ist mithin ein Spross der Differenz von (bestehender) Sprache und vorbegriffener Wirklichkeit.401 Die Richtigkeit definiert er folglich als Verhältnis der Sprache ausdrücklich 397

Hassemer, S. 77 f. Hassemer, S. 84, verwendet den Begriff selbst freimütig. 399 Hassemer, S. 79 f. 400 Auch im Folgenden Hassemer, S. 81. 401 Vgl. Hassemer, S. 78. 398

II. Metaphern und Recht im Spiegel der rechtswissenschaftlichen Literatur

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nicht im Sinne von „Exaktheit“ gegenüber der außersprachlichen Wirklichkeit an sich, sondern als geglücktes, treffendes Verhältnis der Sprache, des sprachlichen Ausdrucks, zum ursprünglich, vorbegrifflich Verstandenen.402 Nachdem er zuvor die „Neuheit“, die kategorische Andersartigkeit des Begriffs dem Vorbegriff gegenüber herausgestellt hat, relativiert er dies durch die – nachvollziehbare – Behauptung ihres dialektischen Verhältnisses, wie man es gewöhnlich als hermeneutischen Zirkel auffasst: „Die Geste, mit der gezeigt wird, [verweist] nicht nur auf die Sache […], sondern [ist] ebenso immer schon auf die Sache verwiesen“.403 Aus der Erklärung, in dieser funktionalen Verschränkung von vorsprachlichem Vorbegriff und Fraglichkeit der Sprache werde die Sprache mit der (eigentlichen) Wirklichkeit verbunden, folgt, dass Hassemer den Vorbegriff trotz seines dialektischen Verhältnisses zur Sprache jener Wirklichkeit zuordnet.404 Wie der Vorbegriff der Wirklichkeit angehören soll, bleibt offen. Ohne noch einmal auf die Metapher einzugehen kommt Hassemer sodann dazu, den Tatbestand als mit einer besonderen Typizität ausgestattet dahingehend zu beschreiben, dass er hermeneutisch unfertig sei und am Sachverhalt entfaltet werden müsse.405 Was Hassemer im Hinblick auf die Metapher von den vorgenannten Autoren deutlich unterscheidet, ist zunächst in formaler Hinsicht, dass er die Metapher lediglich als Beleg und typisches Element einer Sprache thematisiert, die dynamisch zwischen Wirklichkeit und Denken vermittelt, ohne dass beide jemals zur Deckung gelangen. Sprache ist danach etwas, das sich an vielen Stellen dehnt und streckt und an anderen mutmaßlich auch wieder zusammenzieht. Die eigenwillige Metapher der Sinnstreckung (statt Übertragung) im Hinblick auf die Metapher ist nicht unbedingt abzulehnen, sie vernachlässigt jedoch den vorbekannten Aspekt der Setzung eines Analogieschlusses. Schließlich ist in diesem Zusammenhang festzuhalten, dass Hassemer nicht so weit geht, die Metapher als rechtssprachliches Phänomen zu thematisieren, auch wenn seine Darstellung nahelegt, dass er in rechtlichen Tatbeständen auch Elemente erkennt, die auf der Skala zwischen verblassten und ausdrücklichen Metaphern liegen. Hassemer ist also ein erstes Beispiel dafür, wie rechtswissenschaftliche Autorinnen und Autoren das Phänomen der „Metapher“, nun auch als solche bezeichnet, unbefangen und auf der Grundlage noch heute hoffähiger sprachwissenschaftlicher Grundannahmen in Bezug zur Rechtssprache setzen. Auf diese am ehesten vielleicht rechtswissenschaftsgeschichtliche Bedeutung muss sich eine Referenz indes zumindest vorläufig beschränken.

402

Hassemer, S. 82. Hassemer, S. 82. 404 Vgl. Hassemer, S. 83. 405 Vgl. Hassemer, S. 109 ff. 403

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B. Metaphorologische Analyse des Rechts als Perspektive (Teil 1, Theorie) 

5. Arthur Kaufmann, Die Sprache als hermeneutischer Horizont der Geschichtlichkeit des Rechts (1969) Arthur Kaufmann, der Hassemers vorgenannte Arbeit betreut hat, behandelt die Metapher im Kontext der Geschichtlichkeit des Rechts. Da das Recht ontologisch dem Menschen zugeordnet sei, habe es Teil an dessen Geschichtlichkeit406, denn nur dem Menschen eigne, so bezieht sich Kaufmann auf Heidegger, als mit Zukunft und Vergangenheit lebendem Wesen eigentlich Geschichtlichkeit.407 Zum besseren Verständnis des Zusammenhanges lässt sich der Gedankengang vorwegnehmend dahingehend zusammenfassen, dass der Mensch als ein handelnd geschichtliches Wesen begriffen wird, das handeln kann, weil es sprachlich denkt. Recht ist mithin ursprünglich nicht Handlungs- oder nur Denkform, sondern schon auch Sprachform, die näher zu betrachten ist. Kaufmann schlägt vor, zwei Dimensionen der Sprache zu unterscheiden. Die erste Dimension sei die „gleichsam […] horizontale“, die „rational-kategoriale“ oder auch „begrifflich-abstrakte“. Auf dieser Ebene gehe es um formal-logische Eindeutigkeit und Exaktheit der Sprache, die sich „durch Abstraktion und Sprachregelungen, unter Umständen durch Verwendung von Kunstsprachen, wenigstens grundsätzlich erreichen“ lasse. Diese Sprachweise sei streng begrifflich (mathematisch).408 Als zweite Dimension benennt er die „vertikale“, „intentional-metapho­ rische“ oder auch „symbolisch-anschauliche“, wobei es auf dieser Ebene um den transzendental-logischen Sinn der Sprache gehe, wobei Eindeutigkeit und Exaktheit von der Logik der Sache her ausgeschlossen seien. Diese Sprachweise sei symbolisch, bildhaft, analog. Eine explizite Definition seines Sprachgebrauchs von „Metapher“ oder eine Differenzierung hinsichtlich der übrigen in diesem Zusammenhang gebrauchten Bezeichnungen erbringt Kaufmann nicht. Man muss sie sich aus dem Nachgesagten erschließen: „Ganz abgesehen davon, dass die Sprache der Metaphorik niemals entbehren kann, würde sie doch sonst der Lebenswirklichkeit völlig entfremdet (darum kommt die Rechts­sprache, wiewohl sie eine ‚technische‘ Sprache, eine ‚Fachsprache‘ ist, ohne Metaphern, Symbole, Bilder, Vergleiche nicht aus): der Aussagegehalt der Metapher ist keineswegs beliebig, und wenn auch die Metapher nicht die ‚Ein-Deutigkeit‘ des abstrakten Begriffs besitzt, bezeichnet sie die Sache doch zumeist ‚deutlicher‘ (nämlich in ihrer Bedeutsamkeit genauer) als dieser, ja oft kann ein abstrakter Begriff überhaupt erst durch eine Metapher, durch ein ‚Beispiel‘ verstehbar gemacht werden. Der Begriff will die Wirklichkeit ‚begreifen‘, und das bringt unausweichlich mit sich, dass er sie einengt und verkürzt, also immer auch, mehr oder weniger, verbirgt. […] Sie will weder begreifen noch verbergen, sondern bedeuten,

406

Kaufmann, S. 353; an dieser Stelle sei auf die treffende Formulierung bei Kahn (1999), S. 36, hingewiesen: „The rule of law is a social practice: it is a way of being in the world.“ 407 Kaufmann, S. 344. 408 Kaufmann, S. 348 f.

II. Metaphern und Recht im Spiegel der rechtswissenschaftlichen Literatur

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und sie ist darum offen für die Fülle der lebendigen Wirklichkeit […] In dieser Zweidimensionalität der Sprache offenbart sich ihre immanente Geschichtlichkeit. Denn die Dialektik von Metaphorik und Begrifflichkeit der Sprache bedeutet, mutatis mutandis […]: Dialektik von Selbstverwirklichung und Selbstentfremdung.“409

Die Gegenüberstellung von Metapher und Begriff, die seinem Schüler Hassemer fremd ist, ähnelt derjenigen Blumenbergs (während in der Rede von der genaueren Bedeutsamkeit der Metapher Heidegger anklingt410). Auch hier verbindet sie sich mit einer Kritik am Universalitätsanspruch eines Rationalismus’. Dieser verfehle die Geschichtlichkeit des Menschen, indem er ihn auf die „horizontale Ebene“ des „rationalen Begriffs“ beschränke.411 Die Geschichtlichkeit des Menschen, seine Personalität bedeute, dass ihm sein Wesen als eigenes Werk aufgegeben sei, das sich selbst verwirklichen, seine Ganzheit und Eigentlichkeit selber einholen müsse.412 Ist die Sprache „Ausgangspunkt für den sich selbst und die Welt – ‚seine Welt‘ – suchenden Menschen“, in der sich denken, „Einsichten“ finden lässt413, hängt die personale Freiheit des Einzelnen, zu denken und entsprechend zu handeln, sich seine Welt zu bilden, an der Möglichkeit, Sprache zu gestalten. Der Mensch soll aber nach Kaufmann kein rein rationales Wesen sein, dessen Tätigkeit eine rein rationale Tätigkeit mit dem Ziel ist, die Welt in einem geschlossenen System immer-wahrer Aussagen darzustellen.414 „Man mag die technische Rationalität bis zum äußersten perfektionieren, es wird immer ein Rest bleiben“, und als Chiffre dieses Rests, der die Vernunft vom Verstand unterscheide, nennt Kaufmann den „Geist“.415 Wenn er diesen als „nicht eine ‚Irrationalität‘ jenseits aller Vernunft“ umschreibt und sich damit gegen einen (seinerseits nicht ganz rationalen) Vorwurf verwahrt, so kann dies hier wohl doch so verstanden werden, dass eine Irrationa­ lität durchaus innerhalb der Vernunft aufgehoben ist. Denn er würde wohl nicht­ sagen, dass das Recht unvernünftig sei. Er sagt jedoch: „Das Recht steht nicht ‚voll auf der rationalen Ebene‘“.416 Da die Gänze des Menschen als eines sich selbst verwirklichenden, seine Welt handelnd gestaltenden Wesens stets in der Zukunft liegt, ist jede Handlung, jede Entscheidung in der konkreten Situation, jeder Akt seiner existenziellen Freiheit immer auch ein Moment der Selbstentfremdung.417 Was bedeutet es also, wenn Kaufmann die Dialektik dieser Selbstentfremdung in der Selbstverwirklichung 409

Kaufmann, S. 349 f. Heidegger suchte in seiner eigentümlichen, weitgreifend metaphorischen Sprache ein Denken, „das strenger ist als das begriffliche“, vgl. Taureck (2006), S. 45. 411 Kaufmann, S. 350. 412 Kaufmann, S.  345. Ausdrücklich bezieht sich Kaufmann hier neben Husserl auch auf Gehlen. 413 Kaufmann, S. 347. 414 Kaufmann, S. 350, 353. 415 Kaufmann, S. 352 f. 416 Kaufmann, S. 353. 417 Kaufmann, S. 345. 410

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B. Metaphorologische Analyse des Rechts als Perspektive (Teil 1, Theorie) 

mit der Dialektik von Metaphorik und Begrifflichkeit der Sprache in Verbindung bringt? Vor allem ist damit gesagt, dass Metapher und Begriff keinen (echten) Gegensatz darstellen. Die Unfertigkeit der Sprache für eine unfertige, personal durchprägte Welt418 versteht sich nur aus ihrem Gegensatz. Liegt im Begriff ein Daraufschauen, so könnte man vielleicht verdeutlichen, bedeutet die Metapher schon das Darüberhinausschauen. Die explizite Thematisierung der Metapher ist damit am Ende. Implizit gewinnt sie in Bezug auf das Recht an Bedeutung. Wo Hassemer zwischen Begriff und VorBegriff unterscheidet, differenziert Kaufmann zwischen rational-kategorialem (d. h. „horizontal“ dimensioniertem) Gesetz und zusätzlich intentional-­metapho­ rischer (d. h. zusätzlich „vertikal“ dimensionierter) Rechtsprechung, zwischen Rechtssatz und Rechtsspruch, um in Letzterem die Wirklichkeit mit dem Sollen zusammenzuführen. Während das Gesetz „sich grundsätzlich nur auf der rationalkategorialen (horizontalen) Ebene“ bewege, ihm als an sich von der Zeitlichkeit des Seins abstrakter Norm nur eine „abstrakte Zeit“, aber kein eigentliches „Zeitsein“ zukomme, gewinne „im Urteil das Recht Gestalt, wächst ihm die vertikale, transzendentale, anschauliche Sprachdimension zu“.419 Dieser Vorgang ist wiederum der hermeneutische Zirkel, dem Kaufmann in Übernahme von ­Hassemer, der den Begriff selbst eher am Rande erwähnt, den Namen „Reflexion“ gibt. Wie nach Kaufmann nun die Metapher theoretisch genauer in diesen Prozess einzubinden ist, lässt sich vielleicht am Besten daran ablesen, dass er an einschlägigen Stellen einerseits sagt: die Metapher „will weder begreifen noch verbergen, sondern bedeuten, und sie ist darum offen für die Fülle der lebendigen Wirklichkeit“420, zum anderen: solle „aus der formell-positiven Rechtsnorm materiell-­ positive Rechtswirklichkeit werden, so müssen die abstrakten Begriffe der Rechtsnorm zu den Lebenssachverhalten hin geöffnet werden“.421 Die abstrakten Begriffe leben als zeitlose nicht und erhalten ihren lebensweltlichen Sinn erst, indem sie im gleichzeitigen Hinblick auf die Lebenswirklichkeit zu „Ordnungsbegriffen“, „Funktionsbegriffen“ mutieren.422 Abgesehen davon, dass die Metapher der Entfremdung der Sprache von Lebenswirklichkeit entgegenwirkt423, bleibt mangels Definition der Metapher und ihres expliziten Einbezugs in die Darstellung der Reflexion fraglich, wie sie funktioniert. Dafür, dass Kaufmann die Metapher letztlich vielleicht doch weniger als spezifische Ausdrucksform denn als Reflexionsform schlechthin versteht (der die Sprache „niemals entbehren kann“), spricht erstens, dass er sie am zitierten Ort durch den 418 Kaufmann verwandelt im Laufe seiner Darstellung das Karl Kraussche Wort: „Die Welt ist durch das Sieb des Wortes gesiebt“, in: „Es gibt keine Objektivität der Rechtserkenntnis, die nicht durch das Sieb der Subjektivität gesiebt ist“, Kaufmann, S. 348, 368. 419 Kaufmann, S. 364. 420 Kaufmann, S. 349 (Herv. d. Verf.). 421 Kaufmann, S. 364 (Herv. i. Orig.). 422 Kaufmann, S. 364. 423 Kaufmann, S. 349.

II. Metaphern und Recht im Spiegel der rechtswissenschaftlichen Literatur

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Ausdruck „Beispiel“ beschreibt424, zweitens der Hintergrund der Hassemerschen Erörterung unter dem allgemeinen Gesichtspunkt der „Sinnstreckung“, und drittens, dass ein solcher Sprachgebrauch sich dem der von ihm zitierten Autoren, insbesondere Gehlens, annäherte.425 Die Metapher, wie sie von Kaufmann beschrieben wird, ist und bleibt indes ein konstituierendes Element der Sprache und sogar des Denkens. Denn „[d]ie Fähigkeit zum Handeln, zur verantwortlichen, sinnhaften Gestaltung der Wirklichkeit, vor allem des Handelnden selbst“, schreibt Kaufmann, „setzt eine andere Fähigkeit voraus: die Fähigkeit zu intellektueller Einsicht, die Fähigkeit zum Denken. Und das Denken wiederum hat zur Voraussetzung die Sprache, denn die Sprache ist ‚das Werkzeug des Denkens‘, der ‚Leib des Gedankens‘“.426 6. Fritjof Haft, Juristische Rhetorik (1978) Für Fritjof Hafts kurze Darstellung der Metapher im Recht ist kennzeichnend, dass er sie als besonderen Fall der Argumentationstechnik, und zwar als Unterfall rhetorischer Figuren im engeren Sinne behandelt. Sinnhorizont seiner Ausführungen ist eine juristische Rhetorik, die „als die Methode zur sprachlichen Bewältigung von Fällen und Rechtssätzen“, zur „Herstellung einer Entsprechung von Norm und Sachverhalt“ bestimmt sein soll (dieses Verhältnis bezeichnet er als „Strategie“).427 Im Rahmen dieser Methode soll die Argumentation (dies sei die „Taktik“) dazu dienen, mit Begriffen und Wörtern den Streit über Fälle, das sind nach Haft die „Fakten“ eines juristischen Problems, zu führen.428 Rhetorische Figuren sollen nun solche Techniken des Umgangs mit Wörtern und Begriffen bilden, bei denen der Sprecher anders als bei topischen und pragmatischen Figuren nicht die Sache bzw. den Zuhörer im Blick hat, sondern die Sprache selbst, um eine bestimmte Wirkung zu erzielen. Bei dieser Aufteilung geht es Haft ausdrücklich nicht um eine „strikte Abgrenzung zwischen den drei verschiedenen Figuren […], sondern die unterschiedliche Stoßrichtung der Argumentation“.429 Die Stoßrichtung der topischen Figuren sei die Sache, indem diese unter sachlichen Gesichtspunkten wie Vergleichen oder Bezugnahmen auf Autorit­äten (z. B. den BGH) beleuchtet werde.430 Pragmatische Figuren hätten den Zuhörer dergestalt als Stoßrichtung, dass sie seiner gezielten Ansprache dienten (z. B. Aufrütteln, Bescheidenheit, Zugeständnis). Sie berühren damit vor allem 424

Kaufmann, S. 349. Auch Gehlen spricht von der Metapher als „innere[r] Sprachform“, als Kennzeichen des „Wesen[s] alles sprachlichen Denkens“, vgl. Gehlen (1974), S. 271, 289 f. 426 Kaufmann, S. 346 (Herv. i. Orig.). 427 Haft, S. 14 f. (Herv. d. Verf.). 428 Haft, S. 95 ff. 429 Haft, S. 116 (Herv. d. Verf.). 430 Vgl. Haft, S. 117 ff. 425

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B. Metaphorologische Analyse des Rechts als Perspektive (Teil 1, Theorie) 

Haltungs­fragen und dienen in erster Linie einer Veränderung der psychologischen Grundsituation. Den rhetorischen Figuren geht es dagegen zwar (auch) um eine eindringliche Wirkung beim Zuhörer. Sie beschränkten sich jedoch auf „Abweichungen vom gewöhnlichen Sprachgebrauch“. Haft unterscheidet dabei zwischen syntaktischen Figuren, bei denen vom üblichen Satzbau abgewichen werde, „ohne dass der Informationsgehalt vergrößert wird“, und semantischen Figuren, bei denen die Bedeutung von Wörtern sprachlich umspielt werde.431 Die Metapher zählt er neben etwa dem veralteten Ausdruck, der Neubildung, dem Fremdwort, dem Stilbruch und der Stilblüte zu den semantischen Figuren. Als Beispiel für die Metapher greift Haft auf das aristotelische Bild vom Löwen Achill zurück. Es wird insgesamt deutlich, dass Haft ohne Unterscheidung in erster Linie deskriptive Metaphern im Blick hat. „Abweichungen vom gewöhnlichen Sprachgebrauch“ fallen in erster Linie auf, wo ein ‚eigentlicher‘ Sprachgebrauch bereits existiert. Auch die semantischen Figuren, welche die Bedeutung von Wörtern sprachlich umspielten, tendieren in der Haftschen Ordnung dazu, keinen Informationsgewinn zu erzielen. Das Umspielen bezeichnet doch (nur) die eigentliche Bedeutung mit größerer Wirksamkeit, ist wesentlich Stilfrage, wie die behaupteten figürlichen Verwandtschaftsbeziehungen zeigen. Dieser Weg zeichnet sich schon ab, wenn Haft zu Beginn des Kapitels antritt, „die Bevorzugung der Begriffe vor den Fällen“432 zugunsten der „Fakten“ umzukehren. Wer sich beschränken muss und den Blick auf das Faktische konzentrieren will, der hat eher die deskriptive Metapher als die präskriptive Metapher im Blick. Darin ist Haft jedoch nicht konsequent. Um mit Recht zu zeigen, dass man „unentwegt in Bildern denkt und spricht“, und zu behaupten, „[m]an sollte daraus lernen, dass die juristischen Warnungen vor Metaphern und Bildern durchaus unangebracht sind. Bei dem Bemühen, sie zu vermeiden, kommt man erstens doch nicht zum Ziel (man verwendet nur abgeschliffene Metaphern und Bilder, die nicht anstößig erscheinen, aber auch wenig Wirkung erzielen) und verdirbt zweitens die Ausdrucksweise, indem man unnatürlich und abstrakt wird“433,

stellt er auf einer ganzen Seite metaphorische Zitate aus Kants „Kritik der reinen Vernunft“ zusammen, unter anderem das des „Licht aufgehen“, die ganz überwiegend in der hier verwendeten Terminologie präskriptiven Charakter haben. Richtige Beobachtungen, deren Feststellung im rechtswissenschaftlichen Zusammenhang verdienstvoll ist, finden bei Haft nur eine für ihre Entstehungszeit gleichsam typische und unzureichende theoretische Durchdringung.

431

Haft, S. 125 ff. Haft, S. 95. 433 Haft, S. 128 f. 432

II. Metaphern und Recht im Spiegel der rechtswissenschaftlichen Literatur

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7. Hubert Rottleuthner, Biological Metaphors in Legal Thought (1988) Der Aufsatz über „Biological Metaphors in Legal Thought“ Hubert Rottleuthners sticht aus zwei Gründen heraus. Erstens stellt er historisch Genese und ‚Entwicklung‘ der Ausdrücke „Organismus“ und „Entwicklung“ als biologische Metaphern im Rechtsdenken des 19. Jahrhunderts auf eine Weise dar, die sich aufgrund ihrer Fokussierung auf die metaphorischen Ausdrücke und ihrer informatorischen Dichte vor allem im Vergleich mit anderen rechtswissenschaftlichen Autorinnen und Autoren praktisch, das heißt wohlgemerkt nicht metapherntheoretisch, dem Blumenbergschen Niveau stark annähert und, im quantitativ beschränkten Rahmen, sogar strukturierter erscheint.434 Zweitens dient ihm diese sodann als objektive Perspektive, um den Fall einer biologischen Metapher der zeitgenössischen Rechtstheorie kritisch auszuleuchten, nämlich die „autopoiesis“ im Recht.435 Er geht also im Sinne dessen vor, was hier als historisch informiertes, kritisches Unternehmen der methodischen Metaphorologie verstanden wird. Über das, was eine Metapher sei, macht Rottleuthner indes nicht viel Aufhebens. Er bezeichnet sie in Übereinstimmung mit der griechischen Wortherkunft als Übertragung, und zwar – vom wissenssoziologischen Gesichtspunkt – eines Begriffs vom einem Wissensbereich zu einem anderen, wobei er auf die Unterscheidung zwischen Begriff und Bild (image)  Wert legt, „even though pictorial elements are ubiquitous in transfers from biology“.436 Metaphern können übrigens „semantische Satelliten“ haben.437 Der Frage, wie Metaphern angesichts ihrer historisch ambivalenten Bewertung zu beurteilen seien, entgeht er mit dem Hinweis, Skeptizismus sei immer angemessen, um diesen Anspruch sogleich forschungspragmatisch in Form methodischer Leitfragen umzusetzen: „(1) What field or what discipline does the expression come from? (2) What questions was it introduced there to solve; in what theoretical context and with what consequences? (3) What characteristic meaning and what intension does it have in its area of origin? (4) To what set of other objects (extension) of other disciplines is the term transferred; to solve what problems, and in what theoretical context?

434

Rottleuthner (1987), S. 98 ff. Rottleuthner (1987), S. 112 ff. 436 Rottleuthner (1987), S. 98. Insoweit und auch im Hinblick auf eine Beschreibung der Funktion von Metaphern („they allow description of a well-known object in another light, des description of something as something else“. – im hiesigen Sinne deskriptive Metaphern?) wären klärende Ausführungen wünschenswert gewesen. So mag man die Absage an bildliche Elemente metaphorischen Sprechens als Zugeständnis an den juristischen Zeitgeist erkennen. 437 Rottleuthner (1987), S. 110. 435

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B. Metaphorologische Analyse des Rechts als Perspektive (Teil 1, Theorie) 

(5) What original characteristics of meaning remain conserved, which changed, and which become irrelevant? (6) In the new field, the new theoretical context, does the metaphor facilitate the solution of major problems, or is it merely a new façon de parler?“438

Den Leitfragen entsprechend geht Rottleuthner vor und beschreibt die Herausbildung der Biologie als Wissenschaft seit Beginn des 19. Jahrhunderts sowie der biologischen Verwendungsweise der Ausdrücke „Organismus“ und „Entwicklung“. Er kommt zum Zwischenergebnis, dass beide Ausdrücke nicht ursprünglich und im 19. Jahrhundert nicht ausschließlich biologische gewesen seien. Um sagen zu können, dass sie biologische Metaphern im Recht darstellten, müsse man also unterstellen, dass die historischen Rechtsdenker jeweils die biologische Verwendungsweise im Kopf gehabt hätten. Er erklärt dies für nicht problematisch, da beide Begriffe in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts, zuvor Allgemeinsprache, biologisiert worden seien. Aufgrund des Umstandes, dass die Biologisierung sich auch auf die Verwendungsweise im Recht ausgewirkt habe, sei es gerechtfertigt, von biologischen Metaphern zu sprechen.439 Rottleuthner stellt z. B. anhand einschlägiger historischer Zitate dar, wie deutsche Rechtsgelehrte in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts durchaus mit der „Organismus“-Metapher in ihrer biologisierten Form gerungen440, sie teils als nichtssagend abgelehnt haben und findet in von Gierke einen Denker, der in Bezug auf die Metapher scharfsinnig zu unterscheiden wusste und ihre Gefahren erkannte: „Ein Vergleich bleibt immer ein blosses Hülfsmittel der Erkenntnis. Er kann verdeutlichen, aber nicht erklären. Wird er benutzt, um aus der Übereinstimmung einzelner Merkmale Schlüsse auf eine anderweit nicht erkennbare Uebereinstimmung der verglichenen Dinge in sonstigen Eigenschaften zu ziehen, so wird er zur Fehlerquelle. […] Richtig verstanden sagt der Vergleich [die ‚Organismus‘-Metapher für den Staat, d. Verf.] nichts weiter aus, als dass wir in dem gesellschaftlichen Körper eine Lebenseinheit eines aus Theilen bestehenden Ganzen erkennen, wie wir sie ausserdem nur bei den natürlichen Lebewesen wahrnehmen. Wir vergessen nicht, dass die innere Struktur eines Ganzen, dessen Theile Menschen sind, von einer Beschaffenheit sein muss, für die das Naturganze kein Vorbild bietet; […] dass hier das Reich der Naturwissenschaft endet und das Reich der Geisteswissenschaft beginnt. […] Wir dürfen auch in der Wissenschaft uns des Bildes bedienen, wenn wir uns nur dessen bewusst bleiben und nicht das Bild für die Sache nehmen.“441

Die „organische“ Theorie des Staates habe bestimmte praktische Konsequenzen, wie Rottleuthner darstellt, z. B. dass die Theorie der Staatsgründung einen kollektiven (Geburts-)Akt anstelle eines Vertrags annehme. Durch solcherlei Definitionen der Übertragungswirkung habe diese im Laufe des 19. Jahrhunderts ihre Unbestimmtheiten verloren und zur Beschreibung spezieller juristischer Probleme 438

Rottleuthner (1987), S. 98. Rottleuthner (1987), S. 101 f., zur Biologisierung weiter S. 107 ff. 440 Vgl. etwa Gierke (1874), S. 265 ff. 441 Gierke (1902), S. 13 f., 15 f. 439

II. Metaphern und Recht im Spiegel der rechtswissenschaftlichen Literatur

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und Phänomene geführt. Für die ausgeschiedenen Probleme und Phänomene sei zugleich neuer Beschreibungsbedarf entstanden.442 Daneben sei freilich weiter ein, wohl gemessen am Standard eines ‚terminus technicus‘, „lockerer Umgang“ mit biologischen Metaphern möglich gewesen – so von Rottleuthner für Sozialdarwinismus und Rassismus belegt (aber auch in den objektiven Gesetzen der geschichtlichen Entwicklung erkennt er biologische Metaphorik am Werk).443 Der Organismus werde so mitunter zur „mystification of a totality free of all contradiction“.444 In der jüngeren Geschichte, so leitet Rottleuthner über, seien biologische Wissen­ schaftsmetaphern politisch vor allem dazu eingesetzt worden, Versuche zu unterstützen, staatliche Regulierung zu kritisieren. Sein Beispiel ist die Systemtheorie (autopoiesis, Selbstorganisation) mit sloganartigen Bekenntnissen wie „von Planung zu Evolution“, „Evolution ohne Führung“ (jeweils Luhmann), die an die Appelle der historischen Rechtsschule an die „inneren, stillwirkenden Kräfte“ (Savigny) wider die Willkür des Gesetzgebers erinnere.445 Vor dem Hintergrund dieser historischen Erkenntnisse sieht Rottleuthner sich in der Lage, kritische Fragen an die Metaphern der Systemtheorie des Rechts zu stellen wie: An welcher Stelle seiner Entwicklung erreicht das Rechtssystem autopoietische Geschlossenheit? Was ist der Vorteil der „autopoiesis“-Metapher gegenüber etwa der „Organismus“-Metapher? Welche speziellen Probleme hilft der Begriff der „autopoiesis“ zu erkennen? In der Folge setzt er sich mit diesen Fragen selbst auseinander und zieht historische Parallelen. Zur „autopoiesis“-Metapher bemerkt er, ihre Bedeutung werde in der Systemtheorie so formal definiert, dass ihr biologischer Ursprung insofern nicht mehr erkennbar sei und ihre Bedeutung als transdisziplinäre, menschliche Universalie erscheine. Der hohe Abstraktionsgrad wirke nachteilig: solle die Bedeutung der „autopoiesis“-Metapher von anderen als ihren ihre ursprünglichen biologischen Bedeutungselemente definitorisch eliminierenden Erfindern auf neue Wissensbereiche übertragen werden, müssten die angemessenen Bedeutungselemente schmerzhaft re- oder neu konstruiert werden.446 Schließlich bringt Rottleuthner deutliche Skepsis darüber zum Ausdruck, dass der hohe Abstraktionsgrad der systemtheoretischen „autopoiesis“-Metapher noch eine Anwendung auf spezifische Gebiete der rechtssoziologischen und -theoretischen Forschung zulasse.447 Rottleuthners thematisch sehr spezieller Text stellt insgesamt im normativen Sinne beispielhaft dar, wie die Rechtswissenschaft mit Metaphern in ihrem Zuständigkeitsbereich umgehen kann; die von ihm vorgebrachten Leitfragen überzeugen als Ansatz, Metaphern zu kritisieren. Kritisch anzumerken ist zum einen, dass er den Status der Metapher im Recht nur voraussetzt, also nur mittelbar zu dessen Klä 442

Rottleuthner (1987), S. 106 f. Rottleuthner (1987), S. 110 ff. 444 Rottleuthner (1987), S. 111. 445 Rottleuthner (1987), S. 112 f. 446 Rottleuthner (1987), S. 115. 447 Rottleuthner (1987), S. 123. 443

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B. Metaphorologische Analyse des Rechts als Perspektive (Teil 1, Theorie) 

rung beiträgt (wenn auch zumindest tendenziell im hiesigen Sinne). Zum anderen ignoriert er methodisch die bildhaften Dimensionen der Metapher. Dies hat negative Auswirkungen im Hinblick auf den möglichen metaphorologischen Tiefgang seiner Erörterung, der freilich zum erkenntnistheoretisch fokussierten historischen Vergleich nicht wesentlich beigetragen hätte. Schließlich darf bezweifelt werden, dass der Ausdruck der „autopoiesis“ tatsächlich so bereinigt wirkt, wie Rottleuthner es (nur) im Hinblick auf eine biologische Herkunft darstellt. 8. Susanne Baer, Schlüsselbegriffe, Typen und Leitbilder als Erkenntnismittel und ihr Verhältnis zur Rechtsdogmatik (2004) In einem Aufsatz zu Schlüsselbegriffen, Typen und Leitbildern als Erkenntnis­ mitteln und deren Verhältnis zur Rechtsdogmatik fokussiert Susanne Baer auf den Erkenntniswert der Auseinandersetzung mit „Bildern“ aus der Perspektive der Verwaltungsrechtswissenschaft. Ihre These ist, die Verwaltungsrechtswissenschaft könne methodisch, theoretisch und dogmatisch gewinnen, wenn sie die eingangs genannten „Erkenntnismittel“ verstehen lerne – und zwar vor dem Hintergrund, dass die Verwaltungsrechtswissenschaft als Begleiterin des Wandels von Verwaltung, verwaltungsrechtlicher Gesetzgebung und Verwaltungsrechtsprechung sowohl eine bewahrende als auch eine kreative Funktion wahrnehme und in ihrer kreativen Funktion „Schlüsselbegriffe“, „Typen oder Modelle“ und „Leitbilder“ präge, „die zumindest als Rechtsbegriffe nicht von vornherein etabliert“ seien.448 Metaphern, die Baer in diesem Zusammenhang noch nicht ausdrücklich nennt, stellen demnach kein eigenes Erkenntnismittel dar, sondern erscheinen bei Baer – der rechtswissenschaftlichen und umgangssprachlichen Tradition insofern entsprechend – eher als sprachliche Ausdrucksform, die eines der genannten Erkenntnismittel annehmen kann.449 „Schlüsselbegriffe“ in einem Sinne seien meist (jedenfalls für die Verwaltungsrechtswissenschaft) neue Termini, die Bezug auf andere Wissenschaften nähmen, neue Argumentationsebenen eröffneten und deren dogmatischer Wert anfänglich unklar sei (z. B. „‚Schutz der natürlichen Lebensgrundlagen‘“ nach Art. 20a GG – Naturwissenschaften; „Steuerung“ – Kybernetik und Sozialwissenschaften).450 In einem anderen Sinne erscheinen alle Rechtsbegriffe als („potenzielle“) Schlüssel­ begriffe (z. B. „Verwaltung“ – Soziologie und Institutionenökonomik) und Schlüsselbegriffe als eingeführte Termini im Wege ihrer Dogmatisierung auch als Rechtbegriffe.451 Dogmatisierung bedeute hier Herstellung möglichster Eindeutigkeit.452 Rechtsbegriffe könnten sich nicht vollständig von einer Schlüsselfunktion ab 448

Baer (2004), S. 224. Vgl. insbesondere Baer (2004), S. 237. 450 Baer (2004), S. 225, 227. 451 Baer (2004), S. 226. 452 Baer (2004), S. 228. 449

II. Metaphern und Recht im Spiegel der rechtswissenschaftlichen Literatur

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schotten, denn die „Reduktion auf den Entscheidungszusammenhang“ sei nie endgültig, sondern sie könnten jederzeit wieder „aufgeschlossen“ werden, was immer schwerer falle, je länger sie in nur dogmatischem Gebrauch seien. An einen Schlüsselbegriff (z. B. „Innovation“) könnten weitere Schlüsselbegriffe „anlagern“ („‚Netzwerk‘ oder ‚Wettbewerb‘“).453 Diese Beschreibung des Schicksals Baerscher Schlüsselbegriffe ähnelt auffällig Umständen, die hier bereits für Metaphern beschrieben werden konnten – was nicht erstaunt angesichts dessen, dass die genannten Beispiele überwiegend noch sehr deutlich als Metaphern wahrzunehmen sind. „Typen und Modelle“ erscheinen als Unterfälle der Schlüsselbegriffe, die in Formen pointierter Abstraktion „eher deskriptiv-analytisch als offen angelegt sind“.454 In Bezug auf den für ihre wissenschaftspolitische Intention zentralen Begriff des „Leitbildes“ unterscheidet Baer eine passende und eine unpassende Verwendungsweise. Wenn die Rechtsprechung empirisch nachweisbar von „Leitbildern“ (etwa des BauGB oder des Einigungsvertrages) spreche, meine sie damit meist die Bündelung gesetzgeberischer Zielvorstellungen, wobei die zu Grunde liegenden Rechtsnormen (vgl. etwa in § 1 Abs. 5 bis 7 BauGB, gleiches gilt übrigens auch für die „Leitbilder“, die sich Körperschaften des öffentlichen Recht geben) doch keine Bilder, sondern bestimmte Interessen fixierten.455 Als passendere Verwendungsweise gilt Baer das „Leitbild“, wenn ein materielles oder mentales Bild gemeint ist, das eine normative Funktion erfüllt. Anders als bei Typen und Modellen, die anders als die Schlüsselbegriffe auch bildhaft seien, stehe hier nicht eine deskriptivanalytische Funktion im Vordergrund, sondern, insofern dem „Schlüsselbegriff“ ähnelnd, „ein überschießender Deutungsgehalt […] als kreatives Moment“.456 Ein Leitbild funktioniere wie ein Heideggerscher Entwurf, dem der Mensch folge, ohne ihn ganz zu kennen.457 Die von Baer vorgenommene Unterscheidung zwischen Schlüsselbegriffen und (‚echten‘) Leitbildern mag über die Differenz im Bildgehalt hinaus funktionell dahingehend verstanden werden, dass Schlüsselbegriffe in erster Linie (unter Umständen auch nur mittelbar) dogmatisch wirken, während Leitbilder auf einer subtileren und allgemeineren Ebene die Prozesse sowohl der Wahrnehmung von Fakten wie auch der Dogmatisierung steuern mögen.458 Schlüsselbegriffe sind insofern offen, als sie andere Wissensbestände mit jedenfalls anfänglich konkret­ 453

Baer (2004), S. 227. Baer (2004), S. 230 f. 455 Baer (2004), S. 233, 235 ff. 456 Baer (2004), S. 232. 457 Baer (2004), S. 238. 458 Vgl. Baer (2004), S. 226 (Fn. 19). Problematisch an dieser Interpretation ist, dass Baer selbst an einer Stelle von Bildern „als Schlüsselbegriffe[n]“ spricht, also keinen unbedingten Gegensatz der Bilder zu diesen, sondern vielmehr zu „Typen und Modellen“ sieht, vgl. ebd. S. 242. Andererseits fordert Baer selbst, ebd., S. 240 (Fn. 118), auch S. 249 (Fn. 166), „zwischen Anrufungen von Deutungskontexten [Metaphern, d. Verf.] und ‚klaren‘ Begriffen zu unterscheiden“. Dieses Verhältnis bleibt einstweilen ungeklärt. 454

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B. Metaphorologische Analyse des Rechts als Perspektive (Teil 1, Theorie) 

offenem, wenn auch aufgrund ihres empirischen Vorgegebenseins in potenzieller Hinsicht begrenztem Ertrag erschließen; „Leitbilder sind Einladungen, ihren Sinn im Prozess zu erstellen“.459 Schlüsselbegriffe scheinen eher zu verweisen. Leitbilder sind in sich komplizierte Gebilde, die das „Zusammenwirken zahlreicher Elemente“, die teils noch kategorial unbestimmbar sind, vorstellbar machen460. Vor allem aber tauchen Leitbilder anders als Schlüsselbegriffe auch als unbewusste auf.461 Juristinnen und Juristen nutzten zahlreiche Bilder, insbesondere in der Funktion als „Leitbilder“, und zwar vor dem Hintergrund der „Selbststilisierung“ der Rechtswissenschaft als von Bildern unabhängiger Wissenschaft in der Form mentaler Bilder, „Sprachbilder, also Metaphern, die sich leichter verstecken lassen“.462 Ein Beispiel ist der „Markt“ (vgl. etwa Art. 3 Abs. 3 EUV), der „bis zurück nach Athen an einen Ort, an dem sich bestimmte Menschen treffen, um bestimmte Beziehungen miteinander einzugehen [appelliert]“.463 Metaphern sind also die Ausdrucksform, in der Leitbilder in der Untergruppe der „mentalen Bilder“ in der Rechtswissenschaft eine große Rolle spielen: sie sind, zitiert Baer Christian Starck, „mächtige geistige Strömungen, die in alle Institutionen und Strukturen […] einsickern“.464 Kritisiert würden Metaphern in der Rechtswissenschaft nur, wenn sie „allzu ungewohnt“ seien, mithin sich ins Bewusstsein drängen. Seien Metaphern aber alt und gewohnt, ihre Kontexte tradiert, dann würden „ihre bildlichen Gehalte kaum mehr ausgeleuchtet“.465 An diesen Befund schließt Baer nun eine scharfe Kritik am Forschungsprogramm der Rechtswissenschaft an und fordert ihre Öffnung gegenüber den Kulturwissenschaften in Form eines „erweiterten Forschungsprogramms zum Verwaltungsrecht“, um die „heimlichen, verschwiegenen Anteile des Rechts offenbaren“, um erkennen zu können, wie (unbewusste) Leitbilder im Recht entstehen, sich verändern, was sie bewirken und wie sie genutzt werden.466 Die bisherige Selbststilisierung der Rechtswissenschaft verschleiere jedoch die große Bedeutung bildlicher Gehalte und führe zu einer unreflektierten „Abschottung gegenüber der Auseinandersetzung mit der eigenen Rhetorik“.467 Auch wer sie vermeiden wolle, müsse die Bilder kennen.468 Baer kommt mithin zu Schlussfolgerungen, die der dieser Untersuchung zu Grunde liegenden Forderung nach einem metaphorologisch erweiterten rechtswissenschaftlichen Forschungsprogramm sehr ähnlich sind. Gerade auch im Hinblick 459

Baer (2004), S. 243 (Fn. 136). Baer (2004), S. 233, 247. 461 Baer (2004), S. 232, 237, 240 ff. 462 Baer (2004), S. 240 f. 463 Baer (2004), S. 237. 464 Baer (2004), S. 237. 465 Baer (2004), S. 241 f. 466 Baer (2004), S. 242, 247. 467 Baer (2004), S. 241. 468 Baer (2004), S. 247. 460

II. Metaphern und Recht im Spiegel der rechtswissenschaftlichen Literatur

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auf diese Forderung mit der dazu gehörenden recht ausführlichen Begründung ist die Unternehmung Baers positiv hervorzuheben. Ein beachtliches Detail stellt diesbezüglich dar, dass auch sie davon ausgeht, dass auch alte und gewohnte Metaphern bildliche Gehalte noch transportieren, wenn diese auch zunehmend nicht mehr bewusst wahrgenommen werden. Dass sie die Metapher als Sekundärphänomen innerhalb eines Generalzusammenhangs von „Schlüsselbegriffen“, „Typen und Modellen“ und „Leitbildern“, die materiell oder nur mental existierten, thematisiert, irritiert vor dem Hintergrund der sprachwissenschaftlichen Forschung zur Metapher, reduziert indes nicht deren Kohärenz zu den zum Teil noch nicht optimal strukturiert erscheinenden Baerschen Annahmen. Wenn auch die Abgrenzung von Begriff und Bild im Recht und ihre Notwendigkeit für die Rechtsdogmatik fraglich ist, so entgeht Baer so doch der Gefahr eines ausufernden Metaphernbegriffs469, der nur noch vage als Forschungsgegenstand und kaum als Analysekategorie taugt. 9. Klaus F. Röhl und Hans Christian Röhl, Allgemeine Rechtslehre (2008) In der Allgemeinen Rechtslehre von Klaus F. Röhl und Hans Christian Röhl findet sich folgender Abschnitt: „Metaphern sind kommunikative Figuren, die zwei Objekte gleichsetzen, welche gewöhnlich nicht zusammengedacht werden, so wenn der Mangel der Kaufsache als ‚weiterfressend‘ bezeichnet wird. Beabsichtigt ist damit ein Sinntransfer. Vertraute Vorstellungen werden in einen anderen, erklärungsbedürftigen Zusammenhang übertragen. Die Sinnübertragung wird nicht explizit gemacht, vollzieht sich also unterschwellig. Zugleich sind gelungene Metaphern bildhaft anschaulich. Darauf beruht ihr rhetorischer Effekt. Viele Metaphern tauchen in abstrakten philosophischen oder rechtstheoretischen Zusammenhängen auf. Dort besteht ein besonderes Bedürfnis, Anschaulichkeit herzustellen. Da ist vom hermeneutischen ‚Zirkel‘ oder von der hermeneutischen ‚Spirale‘ die Rede, von ‚angeborenen‘ Rechten, vom ‚Mutter‘-Grundrecht, vom ‚Stamm‘-recht oder von Rechts-‚quellen‘. Wir verwenden im Folgenden die Metapher vom ‚Stufenbau‘ der Rechtsordnung, Savignys ‚Dreieck der Begriffe‘, Puchtas ‚Begriffspyramide‘ sowie von Philipp Heck die Metaphern von Begriffs-‚kern‘ und Begriffs-‚hof‘ und kritisieren die Rede vom ‚Organismus‘ des Schuldverhältnisses. Heck hat auch das ‚Parallelogramm der Kräfte‘ mit seiner ‚Resultante‘ erfunden. Von Ihering stammen die ‚juristischen Körper‘ und der juristische ‚Begriffs­himmel‘, von­ Frederic Maitland die Vorstellung des Rechts als eines ‚seamless web‘; die Arbeit der Juris­ ten hat Dworkin als eine ‚Kettengeschichte‘ (chain story) beschrieben. Bildhaft ist auch die Vorstellung von ‚Werkzeugen der Rechtstechnik‘. Sie setzt sich fort in der Figur des Richters als ‚Subsumtionsautomaten‘.“470

Metaphern sind also unterschwellig und, wenn sie gelungen sind, bildhaft anschaulich. In philosophischen oder rechtstheoretischen Zusammenhängen besteht ein besonderes Bedürfnis nach Anschaulichkeit, die ein rhetorischer Effekt ist. 469

Vgl. Baer (2004), S. 240 (Fn. 118). Röhl/Röhl, S. 180 (Herv. i. Orig.).

470

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B. Metaphorologische Analyse des Rechts als Perspektive (Teil 1, Theorie) 

Trotz der suggestiven Aufzählung so zahlreicher konzeptueller Metaphern weist die Formulierung daraufhin, dass die Möglichkeit einer notwendigen, präskriptiven Metaphorik nicht (an-)erkannt wird. Anschaulichkeit ist eine Eigenschaft, die einem von ihr unabhängig Gedachten oder Denkbaren eignet. Der rhetorische Effekt ist das, was die Rhetorik mit einem zwar „erklärungsbedürftigen“, aber als solchem konstitutiv schon Vorhandenen macht. Dass auch hier die Metapher als grundsätzlich dem Recht gegenüber denunziationswürdig gilt, ergibt sich auch im Zusammenhang. Die soeben zitierte Passage entstammt dem Zwischengedruckten eines Abschnitts über juristische Rhetorik, der damit einleitet: „Juristische Argumentation nimmt Rationalität für sich in Anspruch. Sie gerät damit leicht in Konflikt mit der Tatsache, dass man sich im Dialog nicht nur auf die Durchsetzungskraft des besseren Argumentes verlässt, sondern rhetorische Mittel benutzt, indem man seine Argumente danach auswählt und verpackt, wie sie vom Empfänger vermutlich am besten akzeptiert werden.“471

Mit anderen Worten verführt die grundsätzliche Befürwortung rhetorischer Mittel in der juristischen Diskussion dazu, im Einzelfall nicht das „bessere Argument“, sondern ein aufgrund seiner rhetorischen Verpackung (vermutlich) effektiveres Argument auszuwählen, was irrational sei. Die Metapher verfälscht danach ein eigentliches Kräfteverhältnis, das sich aus der Rationalität der Argumente ergibt. Fälschlicherweise, so schließen Röhl und Röhl den Abschnitt ab,­ beanspruchten die Vertreter einer modernen juristischen Rhetorik für diese die Substanz der Argumentation: „Der Akzent liegt auf der Ersetzung logischer Deduktionen und empirischer Beweise durch Meinungen, Plausibilitäten und Wahrscheinlichkeiten und letztlich durch Konsens. Damit werden jedoch die Grenzen verwischt. Der Kreis schließt sich in einer zirkulären Definition: ‚Substantielle Argumente‘ (im Sinne Toulmins) sind ‚Gründe, die die pragmatische Eigenschaft aufweisen, unter Argumentationsteilnehmern ein rational motiviertes Einverständnis herbeizuführen‘ (Habermas, Faktizität und Geltung, S.  258). Wir halten dagegen mit Alexy fest an dem Unterschied zwischen Motivieren und Rechtfertigen und ­damit zwischen Rhetorik und Argumentation.“472 471

Röhl/Röhl, S. 180. Röhl/Röhl, S. 181. Zu erinnern ist in diesem Zusammenhang auf den klassischen Streit innerhalb der Rhetorik. Die sophistische Rhetorik ließ sich in der Tat derart charakterisieren, dass sie die schwächere Sache zur stärkeren mache. Dem setzten Platon und Aristoteles, philosophiegeschichtlich schnell ins Recht gesetzt, eine Ethik zur Wahrheit auch des Rhetors entgegen, vgl. Aristoteles (2007 [4. Jh. v. Chr.]), S. 147 (1402a), 247. „Die Rhetorik ist nützlich, weil Wahrheit und Gerechtigkeit von Natur aus stärker sind als deren Gegenteile […] Sodann muss man auch das Gegenteil überzeugend vertreten können […], nicht um beides zu betreiben  – zum Schaden darf man ja nicht raten  –, sondern damit der wahre Sachverhalt nicht verborgen bleibt“, Aristoteles (2007 [4. Jh. v. Chr.]), S.  10 (1355a). Insofern trifft das Argument der Röhls zwar eine Erblast der Rhetorik, eine Missbrauchsgefahr, die aber kaum­ geeignet sein dürfte, ein rational motiviertes Einverständnis der Argumentationsteilnehmer herbeizuführen. 472

II. Metaphern und Recht im Spiegel der rechtswissenschaftlichen Literatur

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Da Röhl und Röhl keine präskriptive Funktion von Metaphorik erkennen, argumentieren sie in sich schlüssig, aber falsch. Ihr Rationalitätsverständnis geht an der Möglichkeit notwendiger Metaphorik vorbei, verkennt die spezifische Rationalität der Metapher (vgl. die aristotelische Metapherntheorie) und ignoriert den Umstand, dass Rechtfertigung im strengen philosophischen Sinne praktisch nicht möglich und Rhetorik daher allgemein notwendig ist (Blumenberg). Dies macht auch der Hinweis auf Robert Alexy deutlich, dessen Denken sich in Hinsicht auf die bildliche Qualität metaphorischer Sprache als weitgehend blind erweist.473 Alexy wendet sich in seiner Theorie der juristischen Argumentation gegen den Emotivismus, weil dieser moralische Ausdrücke auf ihre Wirkung als Instrumente der psychischen Beeinflussung reduziere. Die Erfassung dieser Wirkungen sei aber etwas anderes als „die Erfassung der Bedeutung der Wörter und der Argumenteigenschaft der Sätze. Von ‚Bedeutung‘ kann man nur dann sprechen, wenn es richtiges und falsches Verstehen gibt“.474 Dass es richtige und falsche Bedeutung gäbe, lässt sich jedoch zumindest für die präskriptive Metapher in dieser Polarisierung nicht sagen475, es sei denn, man urteilt eben selbst von einer metaphorischen Basis aus so, als ob das Präskribierte der Präskription sachverhaltlich voraus­liege. Mag Alexy schließlich als „moralische Ausdrücke“ weniger die Moral strukturierenden Begriffe im Blick haben als konkrete Urteile, so erschließt sich erst recht nicht der Hinweis seitens Röhl und Röhl im Zusammenhang der von ihnen genannten Beispielmetaphern.476 10. Zwischenresümee Der im Rahmen der Darstellungen dieses Kapitels zu gewinnende Gesamteindruck vom Verhältnis der theoretischen Rechtswissenschaft zur Metapher ist, zurückhaltend formuliert, diffus. Zunächst darf dies nicht dahingehend verstanden werden, dass das Verhältnis der Rechtswissenschaft zu ihren Metaphern grundsätzlich diffuser wäre als zum Beispiel dasjenige der Philosophie zu ihren Metaphern; denn die Darstellung der in diesem Kapitel rezipierten Rechtswissenschaftsliteratur erfolgte wegen der überschaubaren Quellenlage nicht aufgrund irgendeines bewussten Kriteriums, sondern einfach aufgrund ihres Auffindens. Zutreffend ist freilich auch, dass keiner der aufgefundenen Ansätze in einiger­ maßen spezifisch metaphorologischer Hinsicht auch nur annähernd eine solche 473

Vgl. im Hinblick auf unten E. die interessante Verteidigung der rechtswissenschaftlichen Metapher „Freiheitsraum“ durch Alexy (1994 [1985]), S. 248, mit der Begründung, dieser sei „nichts anderes als eine Klasse bestimmter Freiheiten“. 474 Alexy (1983), S. 68. 475 Vgl. in diesem Sinne auch Jain, S. 18. 476 Die zum Ausdruck kommende metapherntheoretische Unbedarftheit ist umso erstaunlicher, als K. F. Röhl sich im Bereich nicht sprachlicher, sondern ikonographischer Bilder in der Rechtswissenschaft als Pionier verdient gemacht hat und in diesem Zusammenhang auch Metaphern positiv zu würdigen weiß.

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B. Metaphorologische Analyse des Rechts als Perspektive (Teil 1, Theorie) 

Tiefe erreicht, wie sie in der Philosophie ab Mitte des 20. Jahrhunderts entfaltet wurde und schon mit Kant angelegt war. In diesem Zusammenhang ist zugleich irritierend und bemerkenswert, dass die rechtstheoretische Erkenntnis und Re­ flexion einer Rolle der ‚Metapher im Recht‘ mit Triepel in rechtssoziologischer, Engisch in rechtsdogmatischer und Kaufmann in rechtsphilosophischer Richtung ‚Höhepunkte‘ gefunden hat, deren Niveau anschließend nicht wieder erreicht wurde. Im Gegenteil ignoriert oder verfehlt rechtswissenschaftliche Grundlagenliteratur von hoher fachlicher Autorität die Bedeutung der Metaphern im Recht weitgehend. Die Erklärung dieses vierzigjährigen Autismus jedenfalls der deutschen Rechtswissenschaft wäre ein interessantes Thema für weitergehende rechtswissenschaftsgeschichlichte Forschung. Es sind an dieser Stelle drei weitere Umstände bemerkenswert: –– Erstens kommunizierten die in diesem Kapitel rezipierten Quellen (mit Ausnahme von gelegentlichen Verweisen auf J. Grimm und aufgrund des LehrerSchüler-Verhältnisses zwischen Kaufmann und Hassemer) nicht miteinander. Wechselseitige Bezugnahmen, und sei es nur in Fußnoten, sind jedenfalls nicht in erheblichem Maße zu bemerken. Es findet mithin bisher kein wirklicher Diskurs zur Metapher im Recht statt. Neben dem fehlenden Stellenwert des Themas und folglich mangelnder Bekanntheit entsprechender Stellen liegt die minimale Kommunikation sicherlich nicht zuletzt auch in den sehr unterschiedlichen Ansätzen, Subdisziplinen und Stilen begründet, aus denen heraus die behandelten Quellen entstanden sind. Interessant ist, wie sich in Ermangelung disziplininterner Kommunikation auf der anderen Seite transdisziplinäre Nähebeziehungen offen darstellen, vermuten lassen oder aufdrängen: Kaufmanns Nähebeziehung zu Blumenberg und Gehlen ist offensichtlich, während für ­Baers Erkenntnisse und Thesen nahe liegt, sie mit Hilfe des Instrumentariums insbesondere der kognitionswissenschaftlichen Metapherntheorie em­ pirisch zu fundieren. –– Zweitens ist der verwendete Metaphernbegriff kein einheitlicher, sondern vielfältig. Dies ist natürlich ein fatales Hindernis für die Wirksamkeit jeder Kommunikation, die diese Unterschiedlichkeit nicht erkennt. Haft versteht die Metapher als logisch unwesentliche Ursache für wirkungsvolle (Rechts-)Kommunikation. Rottleuthner sieht in ihr eine zumindest hauptsächlich nur logisch-begriffliche Bedeutung, die von sprachlichen Zeichen übertragen wird. Engisch kennzeichnet sie als sprachliche Ausdrucksweise für abstrakte Begriffe mit unklarer Tragweite, Triepel als abstrakte Begriffe begleitende Phantasievorstellung. Baer charakterisiert sie als Sprachbild, das subtil auf irgendeiner mentalen Ebene mächtig ist, Grimm als sprachliches Bild, das die Sache selbst beschreibt und umreißt. Hassemer und Kaufmann erkennen in der Metapher die Funktionsweise einer lebendigen Sprache schlechthin. Ein gemeinsamer Nenner liegt kommunikationsempirisch offensichtlich fern. Die hier Haft und Rottleuthner zugeschrie­ benen Metaphernverständnisse stehen jedenfalls in deutlichem Widerspruch zum

II. Metaphern und Recht im Spiegel der rechtswissenschaftlichen Literatur

117

Stand der Metapherntheorie. Die übrigen Metaphernverständnisse können als nicht widersprüchlich gelten, wenn man dasjenige Grimms allein auf das Phänomen hier sogenannter präskriptiver Metaphern bezieht und zwischen demjenigen ­Hassemers und Kaufmanns einerseits und denjenigen der übrigen Quellen andererseits dahingehend differenziert, das jene insoweit einen „weiten“ Metaphernbegriff pflegen, während im Übrigen unter Metapher konservativ (das heißt im „engeren“ Sinne) eine prägnante Form in der Sprache und nicht ein grund­legendes Funktionsprinzip der Sprache schlechthin verstanden wird. Zu dieser Unterscheidung wird im weiteren Verlauf der Untersuchung mehr gesagt werden. –– Drittens ergibt ein Blick über den Tellerrand der zitierten Quellen, den man zur ehrlichen Abbildung des Verhältnisses der Rechtswissenschaft zu ihren Metaphern braucht, dass die anwendungsbezogene rechtswissenschaftliche Literatur der institutionalisierten Rechtsphilosophie und Rechtstheorie im Hinblick auf den offenen Umgang mit den von ihr gebrauchten Metaphern an vielen Stellen in Einzelbemerkungen voraus ist. Solche finden sich etwa zu den Metaphern der „Lücke“ im Strafrecht477, des „White Paper“ in der Europäischen Union478 und, besonders wichtig – wie im weiteren Verlauf dieser Untersuchung thematisiert werden wird –, der Verfassungs-, insbesondere der Grundrechtstheorie.479 Solche das Thema einer Metaphorologie anreißenden Einzelfallbemerkungen zeigen, dass die Karriere der Metapher in anderen Wissenschaftszweigen inzwischen Einfluss insofern auf die Rechtswissenschaft zeitigt, dass „Metapher“ im dogmatischen Gebrauch nicht mehr vorherrschend nur als Bezeichnung für Ungemach dient. Ihnen fehlt allerdings bis heute ein grundlagentheoretischer Bezugspunkt zu Begriff, Funktion und Analyse rechtswissenschaftlicher Metaphern. Sie sind deshalb ebenso wie die hier aufgrund ihrer grundlegenderen Zielrichtung im historischen Überblick ausführlicher dargestellten Ansätze, mit der Metapher als Faktum juristischen Sprechens positiv umzugehen, eher Ermutigung als Grundlage für das Projekt einer Rechtsmetaphorologie. Insbesondere reichen sie noch nicht aus für die historische Rechtfertigung einer Rechtsmetaphorologie, eine innere Rechtfertigung der Metapher im Recht oder an sie anschließend eine Rechtsmetaphorologie als nicht bloß analytisches, sondern rekonstruktives Projekt. Ein solches Projekt geht systematisch zweckmäßiger Weise vom „Menschen“ aus. Es geht heute zweckmäßiger Weise wieder vom Menschen aus, nachdem Technik, Kritik und Dekonstruktion in nicht hoch genug zu wertschätzender Weise derart gewirkt haben, dass der Rekurs auf das Zentrum aller menschlichen Deutung, den Menschen selbst, ebenso möglich wie nötig ist, um sich zu verständigen. Und es geht heute erst recht vom Menschen aus, nachdem innerhalb seines 477

Kertai, 981. Möllers (2002), 55 f. 479 Vgl. die Nachweise unter E.IV.3. und E.V.3. 478

118

B. Metaphorologische Analyse des Rechts als Perspektive (Teil 1, Theorie) 

Horizonts wenig für selbstverständlich gehalten wird und gehalten werden soll, außer (zumindest als regulative Idee in den Wissenschaften und als Autor in der politischen Theorie) er selbst. Deshalb soll im Folgenden die rechtsanthropologische Funktion der Metapher erklärt werden, was unter der Voraussetzung eines demokratisch fundierten Rechtsbegriffs impliziert, dass auch über den richtigen Umgang mit der metaphorologisch perpetuierten Macht nachgedacht wird.

C. Mensch, Metapher, Recht, Geschichte – Eine kleine philosophisch-anthropologische Grundlegung für eine Rechtsmetaphorologie „Jener Trieb zur Metapherbildung, jener Fundamentaltrieb des Menschen, den man keinen Augenblick wegrechnen kann, weil man damit den Menschen selbst wegrechnen würde, ist dadurch, dass aus seinen verflüchtigten Erzeugnissen, den Begriffen, eine reguläre und starre neue Welt als eine Zwingburg für ihn gebaut wird, in Wahrheit nicht bezwungen und kaum gebändigt.“ Friedrich Nietzsche1 „Der Drang des Lebens hat das Recht mit seinen Anstalten hervorgetrieben und unterhält dasselbe in unausgesetzter äußer­ licher Wirklichkeit. Die Gestalt, welche die Sinnesart des Volks und seine ganze Lebensweise demselben aufgedrückt hat, ist das, was jede legislative Reflexion und Willkür vorfindet.“ Rudolf von Jhering2

Die Begründung der Metaphorologie im Sinne einer die Ubiquität und die insbesondere historische Zusammenhangsfülle der Metapher(n) im menschlichen und insbesondere rechtlichen Denken erkennenden Perspektive bedeutet zugleich die Chance für eine neue Art ‚materialistischer‘ Rechtsauffassung, die zum einen nicht von der Last lebte und zugleich erdrückt würde, sich in bestimmter Weise auf die Wirtschaftsordnung beziehen zu müssen, zum anderen aber die ‚Bodenständigkeit‘ des Rechts suchte – sei es zur Entlarvung, zur Widerlegung oder differenzierenden Betrachtung seiner entfremdeten Qualität. Die drittens dem Wert der Fähigkeit des Menschen zu Kreativität, die Freiheit an erster Stelle begründet, einen zentralen Platz im metatheoretischen Design des Rechts zuwiese. Friedrich Engels beschrieb in aufgrund ihrer unkonventionellen Metaphorik berühmt gewordener Weise das Unternehmen des „dialektischen“ Materialismus dahingehend, die Hegelsche Philosophie „vom Kopf, auf dem sie stand, wieder auf die Füße gestellt“ zu haben, indem „die Begriffe unsres Kopfs wieder materialistisch als die Abbilder der wirklichen Dinge“, die Dialektik der Begriffe nur als Bewusstseinsreflex der Bewegung der wirklichen Welt aufgefasst worden seien:

1

Nietzsche (2013 [1873]), S. 887. Jhering (1852), S. 13.

2

120

C. Mensch, Metapher, Recht, Geschichte

„Damit reduzierte sich die Dialektik auf die Wissenschaft von den allgemeinen Gesetzen der Bewegung, sowohl der äußern Welt wie des menschlichen Denkens – zwei Reihen von Gesetzen, die der Sache nach identisch, dem Ausdruck nach aber insofern verschieden sind, als der menschliche Kopf sie mit Bewußtsein anwenden kann, während sie in der Natur und bis jetzt auch großenteils in der Menschengeschichte sich in unbewußter Weise, in der Form der äußern Notwendigkeit, inmitten einer endlosen Reihe scheinbarer Zufälligkeiten durchsetzen.“3, 4

Ist nicht die Bestimmung des ideellen Bewusstseins durch das Leben5, sind nicht insbesondere die „Gesetze“, die der Mensch mit Bewusstsein anwenden könne, „der Sache nach [mit denen der Natur, d. Verf.] identisch“, offensichtlich metaphorischer Art?6 Die metaphorologische Transposition des überkommenen Materialismus wäre kein metaphorischer Materialismus, weil er den Glauben an das Wissen in Form individualmenschlicher oder gesellschaftlicher ‚Gesetzmäßigkeiten‘ nicht verabsolutierte, sondern im Glauben an den Glauben nur die Glaubhaftigkeit des stets kritisch überprüfbaren Wahrscheinlichen für wahr nähme.7 Diese Denkrichtung wäre in dem Sinne relativistisch, dass sie ein Bewusstsein vom Fehlen absoluter Gewissheiten trüge und ihr das als absolut Gedachte nur im Modus des Metaphorischen gälte. Und sie wäre, jedenfalls zunächst, auch ausgesprochen pragmatisch, weil sie zwar als philosophisches Menschheitsbild keine bestimmten Metaphern zur Ordnung etwa des Wirtschaftslebens in dieser oder jener Weise im unbewussten Sinne absolut setzte, sondern einer Praxis der ständigen kritischen Prüfbarkeit und des Denkens in Alternativen diente. 3 Engels, S. 292 f. Vgl. Marx (1962 [1873]), S. 27: „Bei mir ist […] das Ideelle nichts andres als das im Menschenkopf umgesetzte und übersetzte Materielle“ (Herv. d. Verf.). 4 Vgl. hier Lüdemann (2004), S. 32 ff., 36: „Auch Begriffe müssen […] als Metaphern der Erfahrung, können dagegen nicht als Abbilder des Realen verstanden werden. Dennoch kann die Unterscheidung von Begriffen und Metaphern einen heuristischen Wert behalten […]: Dass sie nämlich überhaupt getroffen wird, sagt etwas darüber aus, was zu einem bestimmten Zeitpunkt von einem bestimmten Leser […] als ‚buchstäblich wahre‘, was dagegen als ‚bloß übertragene‘ Sprechweise ohne ontologischen Gehalt […] wahrgenommen wird“ (Herv. i. Orig.). 5 Marx/Engels, 26 f.: „Die Produktion der Ideen, Vorstellungen, des Bewußtseins ist zunächst unmittelbar verflochten in die materielle Tätigkeit und den materiellen Verkehr der Menschen, Sprache des wirklichen Lebens. Das Vorstellen, Denken, der geistige Verkehr der Menschen erscheinen hier noch als direkter Ausfluß ihres materiellen Verhaltens. Von der geistigen Produktion, wie sie in der Sprache der Politik, der Gesetze, der Moral, der Religion, Metaphysik usw. eines Volkes sich darstellt, gilt dasselbe. […] Auch die Nebelbildungen im Gehirn der Menschen sind notwendige Sublimate ihres materiellen, empirisch konstatier­ baren und an materielle Voraussetzungen geknüpften Lebensprozesses. […] Nicht das Bewußtsein bestimmt das Leben, sondern das Leben bestimmt das Bewußtsein.“ 6 Eine kurze Einordnung des klassischen Marxismus in die Philosophiegeschichte der Metapher findet sich bei Jain, S. 19 f. 7 Vgl. die Marxismuskritik in Castoriadis (1984), S. 19 ff., 73, und zum Prinzip der kritischen Prüfung, das sich grundlegend gegen die Idee wendet, dass man „jede Auffassung, jede Überzeugung, jeden Glauben durch Rückführung auf positive sichere Gründe, auf ein unerschütterliches Fundament, rechtfertigen müsse“, Albert, S. 29 ff.

C. Mensch, Metapher, Recht, Geschichte

121

Dass es in diese Richtung gehen könnte, darauf deutet die wenn auch unterschiedlich stark, so doch stets deutlich zum Ausdruck gelangende anthropologische Orientierung der hier behandelten philosophischen Autorinnen und Autoren hin.8 In der Hinwendung auf die „Lebenswelt als dem ständigen – obwohl nicht ständig präsent zu haltenden – Motivierungsrückhalt aller Theorie“, wie Blumenberg formulierte, an die Metaphern in einem Frühstadium „des Prozesses der theoretischen Neugierde“ halbwegs unmittelbar anzuknüpfen scheinen9, spiegelt sich wohl das Interesse an der Frage wider, wie denn „die Begriffe unsres Kopfs als Abbilder der wirklichen Dinge“, oder besser: auf solche in jeder Hinsicht zurückgehend, sich entwickeln können. Jedoch bleibt das Interesse nicht ganz zufriedengestellt, bleiben die entsprechenden Gedanken und Bezugnahmen auf verstreute Andeutungen beschränkt. Insoweit mag der Vorwurf bis heute gerechtfertigt sein, den Gehlen der seinerzeit herrschenden Sprachphilosophie gemacht hat, sie sei durch einseitigen Intellektualismus gekennzeichnet, insofern sie die Sprache vom Erkennen, Ausdeuten und Symbolisieren her anzusehen pflege und die Herkunft aus dem Motorischen übersehe.10 Entsprechend wurde in dieser Untersuchung schon früher als Aufgabe definiert, eine Vorstellung davon zu vermitteln, aus welchen (materialen) Mächten sich das (eher formal bestimmte) menschliche „Vermögen der Horizontüberschreitung als Muskelspiel von Freiheit“ (Blumenberg) herbezieht; wie dem eine plastischere Formulierung gegeben werden kann, was „im Subjekte selbst und außer ihm, was nicht Natur, auch nicht Freiheit, doch aber mit dem Grund der letzteren, nämlich dem Übersinnlichen, verknüpft ist“ (Kant); wie über die Kreation einer konkreten Metapher anstelle einer anderen entschieden wird. Dies ist keine Kernaufgabe und erst recht keine Kernkompetenz rechtswissenschaftlichen Denkens.11 Das rechtswissenschaftliche Denken hat jedoch ein besonderes Interesse an der Erfüllung dieser Aufgabe, da darin vier Qualitäten metaphorologischer Mechanismen herauszuarbeiten sind, die für das Recht von ausgezeichnetem Wert sind: (I.) Vertrauenswürdigkeit, (II.) Beständigkeit, (III.) Rechtzeitigkeit und (IV.) menschliche Freiheit.

8

Aber auch etwa Zimmer, insbesondere S. 37 ff. Blumenberg (2001b), S. 193. 10 Gehlen (1974), S. 193. Vgl. aber z. B. Rifkin, S. 106 ff. (110 ff.). 11 Zur Angewiesenheit rechtswissenschaftlichen Denkens auf Offenheit gegenüber anderen Disziplinen unter der Bedingung eines subsystematisch ausdifferenzierten Wissenschafts­ systems instruktiv Baer (2011), S. 50 ff. 9

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C. Mensch, Metapher, Recht, Geschichte

I. Die sinnliche Seite der präskriptiven Analogie – Vertrauenswürdigkeit Der geltende Rechtsbegriff impliziert Vertrauen, und zwar dialektisch sowohl als Voraussetzung und Folge seiner Geltung.12 Dazu ist einleitend wichtig, sich bewusst zu machen, dass Vertrauen eine im normativen Sinne positive Erwartungshaltung ist, sich also auf die Zukunft bezieht.13 Ohne ausdrücklich von Vertrauen zu sprechen, hat Max Weber in diesem Zusammenhang einschlägig festgestellt, dass das Recht – als Ordnung zur oder, besser, der „Orientierung“ menschlichen Verhaltens – um so stabiler sei, desto legitimer es erscheine.14 Am labilsten sei demgegenüber eine Ordnung, die nur aus zweckrationalen Motiven, als Mittel zum Zweck, eingehalten werde (z. B. die Ordnung in meinem Kleiderschrank). Legitimität wird dabei als „Prestige der Vorbildlichkeit oder Verbindlichkeit“ definiert. Das Prestige finde seinen Grund in der Tradition, im affektuellen Glauben an ein Offenbartes oder Vorbildliches, im wertrationalen Glauben an ein als absolut gültig Erschlossenes (z. B. „Naturrecht“) und/oder im Glauben an die Legalität der positiven Satzung der Ordnung.15 Dieser Beschreibung ist Vertrauen in mehrfacher Hinsicht eingeschrieben. Vertrauen ist ein Unterfall von Glauben, der sich auf die Wahrscheinlichkeit profaner Tatsachen fokussiert und vermeidet, religiös vereinnahmt zu werden. Vorbildlichkeit verweist auf eine zur Objektivierung neigende Idealität, der unter anderem eine gewisse Wahrscheinlichkeit eignet, dass viele sie als Maßstab anerkennen. Die Tradition ist etwas, dem man vertraut, weil sie auf etwas verweist, das man wiedererkennt, weil man es schon mehrmals erlebt hat, woraus im Sinne einer regelmäßigen Kontinuierlichkeit geschlossen wird, dass es sich erneut wiederholen wird oder wiederholen lässt. Der Legalitätsglaube zeigt sich der Tradition eng verwandt, wenn ihn Weber als „die Fügsamkeit gegenüber […] in der üblichen Form zustandegekommenen Satzungen“ definiert.16 Dem Wertrationalen mag das Vertrauen eignen, dass es auch anderen Menschen zu erschließen sei; dieser Grund der Legitimität wird wie auch die Erscheinung des affektuellen Glaubens im ­Rahmen der Weberschen Legitimitätstheorie nicht sehr klar. Das Absolute ist als solches gedacht auch kein Thema einer Soziologie.

12

Vgl. zu Vertrauen und Recht Boehme-Neßler (2008), S. 428 ff., insbesondere 434 f., sowie Boehme-Neßler (2009), S. 439 ff.; zu Vertrauen in die öffentliche Verwaltung Rölle/Druml. 13 Eng mit dem Begriff des Vertrauens zusammen hängt der Begriff der Gewohnheit, der zum Begriff des Gewohnheitsrechts überführte, der hier jedoch nicht in den Mittelpunkt gestellt werden soll. Vgl. rechtsanthropologisch zur „Macht der Gewohnheit“ als „Boden, auf dem auch das Recht aufbaut“ Braun (2002), S. 13 ff. (19). 14 Auch im Folgenden Weber (2008 [1922]), S. 23. 15 Vgl. Weber (2008 [1922]), S. 26 f. 16 Weber (2008 [1922]), S. 27.

I. Die sinnliche Seite der präskriptiven Analogie – Vertrauenswürdigkeit

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1. Metaphern entspringen vertrauten Sachverhalten Dass zumindest gute Metaphern Vertrauen in die von ihnen mitgebildeten Aussagen wecken, sie glaubhaft machen, ist eine implizite Erkenntnis bereits der aristotelischen Metapherntheorie, die – dort eher „verstehenspsychologisch“17 – von Kant erkenntnistheoretisch gestählt gedacht wird. Denn, wie Rapp es in Auslegung der aristotelischen Rhetorik entwickelt, das bei Menschen durch Metaphern geweckte Interesse wird durch die Qualität des Vor-Augen-Führens verursacht. Die Pointe sei, „dass beim Vor-Augen-Führen die beschriebenen Dinge [oder Ideen, d. Verf.] als präsent, nahe, lebendig präsentiert werden und die einzelne Metapher, die über diese Qualität verfügt, dadurch zugleich größere, dem Rezipienten vertraute Handlungszusammenhänge ver­ gegen­wärtigt.“18

Das in Metaphern Formulierte lässt sich gewissermaßen besser und umfassender in den Geist des Rezipienten integrieren, unter anderem weil dieser Vertrautes in der Aussage findet, „Muster erkennt, die sich auch in seinem eigenen Tun finden“.19 Die Metapher ‚tradiert‘ also zum einen vertraute Muster in andere Zusammenhänge – zeitlich und sachlich. Zum anderen kann man der Metapher wohl auch zusprechen, einen gewissen „Glauben an ein Offenbartes“ im Sinne Webers zu affizieren; denn indem die „geistreiche“ Metapher auf größere Zusammenhänge verweist, verheißt sie etwas zu erfassen, das nicht schon an der Oberfläche sichtbar20 bzw. bewusst ist. 2. Theorie ist vertrauensbedürftig Weber spricht ausdrücklich von „Orientierung“. Orientierung ist im Zusammenhang mit sozialer Ordnung (z. B. der Rechtsordnung) eine typische präskriptive Metapher, weil sie historisch ursprünglich auf einen naturgesetzlichen Vorgang verweist, nämlich den regelmäßigen Aufgang der Sonne am östlichen Horizont. In der transponierten und ganz usualisierten Bedeutung verweist Orien­ tierung auf eine Sollens-Norm, an der jemand sich „ausrichtet“. Die von mir so genannte „präskriptive Metapher“ wurde hier eingeführt als etwas, das auf etwas Unsichtbares, allgemeiner auf etwas nicht unmittelbar sinnlich Wahrnehmbares verweist. In diesem Sinne kann man sie so theoretisch nennen wie das Recht, das in seiner Grundbedeutung als Sollens-Norm begrifflich auf etwas Zukünftiges, also nicht bereits Erfahrenes und deshalb Theoretisches verweist. Theorie im Allgemeinen lebt von Anerkennung, von dem Vertrauen, dass sie Probleme lösen kann, weil sie Wahrheit erfasst oder zumindest nahe kommt. Legitimität ist nur ein Spezialfall dieser Anerkennung, der gesellschaftsbezogenes Handeln betrifft. 17

Vgl. Rapp (2002a), S. 904 ff. Rapp (2002a), S. 905. 19 Rapp (2002a), S. 906. 20 Vgl. Rapp (2002a), S. 905. 18

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C. Mensch, Metapher, Recht, Geschichte

Zur Frage, wie sich Theorie deshalb grundsätzlich aus vertrauten, sinnlich wahrnehmbaren Zusammenhängen bezieht und metaphorisierend herstellt, wollen wir hier einer Spur folgen, welche die hier überwiegend gepflegte Bezugnahme auf Gehlen aus einer anderen politischen Richtung herkommend gut ergänzt.­ Oskar Negt und Alexander Kluge gehen in „Geschichte und Eigensinn“ unter anderem davon aus, dass „Menschen […] ein eigentümliches Bedürfnis [hätten, d. Verf.], sich innerhalb der Natur, der Geschichte und der Gesellschaft zu lokalisieren, eine Ortsbestimmung ihres Lebenszusammenhanges vorzunehmen“.21 In dieser Aussage findet sich das Potenzial der Metapher ganz erfasst: Der Ort im natürlichen Raum wird zum Ort in der geschichtlichen Zeit und weiter zum Ort in der Gesellschaft. Das Orientierungsbedürfnis des Menschen brauche zu seiner Befriedigung „etwas, das vertrauenswürdig ist im Sinne von Prüfbarkeit.“22 Jenseits dessen, was im unmittelbaren Sinne prüfbar ist (Tatsachen), weil es in der Raumzeit existiert, das ist für die Autoren die Gesellschaft, erfüllt „Theorie“ die Funktion der Orientierung.23 Ihr Theoriebegriff enthält aber auch eine sonderbare Unterscheidung zum Begriff der Praxis: Theorie erscheint als „am Erbe orientierter“ Vorgang eher durch Beharrung gekennzeichnet als durch Veränderung, am Ende als so etwas wie allmähliche Veränderung, während jedoch Praxis, also Arbeit im vulgären Sinne, ganz eindeutig dem „Veränderungsprinzip“ unterworfen gesehen wird.24 Theoriearbeit heißt nun für beide zunächst (1), aus der eigenen „Arbeitsweise, aus Observanzen, festen Gewohnheiten, Kontinuitäten“, also aus dem, was als Praxis dem Veränderungsprinzip unterworfen sein soll, „Fixpunkte zu machen“, dann (2) „aus den gleichen Materialien […] Methoden der Wirklichkeitsveränderung und der Orientierungsverbesserung (notfalls imaginär)“ zu produzieren.25 Die Orientierungsmuster stoßen sich von den festen Gewohnheiten in drei „Orientierungsbewegungen“ ab, die durch „Introvertierung“, „Diskurs“ und „Neugier“ umschrieben werden.26 Vertrauenswürdigkeit begründend erscheinen im Rahmen der Theoriearbeit sinngemäß die Selbstwahrnehmung des Theoretisierenden, die Sprache – insofern die eigene Zunge symbolisch kollektive Bedeutungen reproduziert bzw. das Ohr solche Bedeutungen (durch mehr oder weniger vertraute Menschen) rezipiert, werden diese gewissermaßen beglaubigt – und das Experiment als Methodik, die Vertrauenswürdigkeit der Dinge zu ergründen und neue Erkenntnisse auf das Prinzip der Wiederholbarkeit zu stützen.27 Der scheinbare Widerspruch zwischen einerseits konservativer Praxis, die dem Prinzip der Veränderung folge, und andererseits Theoriebewegung mit dem Ziel 21

Negt/Kluge, S. 408 Negt/Kluge, S. 1006. 23 Vgl. Negt/Kluge, S. 408. 24 Vgl. Negt/Kluge, S. 409 f. 25 Negt/Kluge, S. 1007. 26 Negt/Kluge, S. 1014. 27 Vgl. Negt/Kluge, S. 1008 ff. 22

I. Die sinnliche Seite der präskriptiven Analogie – Vertrauenswürdigkeit

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„Fixpunkte unseres Vertrauens“ zu simulieren, löst sich darin auf, dass Praxis ohne Theorie sich nach bloßer Zweckrationalität richtet und vor allem partikular ist. In der Theoriearbeit werden aus partikularen Praxen gemeinsame, generalisierende Begriffe entwickelt.28 So waren und sind das Bauwesen und die Architektur wesentliche Elemente einer nach Berufs- und Nutzungsgruppen (vgl. etwa Nomadismus) partikularen gesellschaftlichen Praxis, aus der heraus sich Orientierungsmuster entwickelt haben, die Kant und Hegel vor mehr als zweihundert Jahren über die „Architectonik der Vernunft“29 bzw. die „Architektonik der Vernünftigkeit des Staates“30 haben schreiben lassen und heute von „Sicherheitsarchi­ tekturen“31 reden lassen. Was den „Orientierungsbewegungen“ ihre jeweiligen Richtungen gibt, bleibt offen. Nicht zufällig klingen hier die gleichen Motive des

28

Negt/Kluge, S. 410 f. Kant (1781), S. 832 ff.: „Das Schema, welches […] empirisch, nach zufällig sich darbietenden Absichten […], entworfen wird, giebt technische, dasienige aber, was nur zu Folge einer Idee entspringt […], gründet architectonische Einheit. Nicht technisch, wegen der Aehnlichkeit des Mannigfaltigen, oder des zufälligen Gebrauchs der Erkentniß in concreto zu allerley beliebigen äusseren Zwecken, sondern architectonisch, um der Verwandtschaft willen und der Ableitung von einem einigen obersten und inneren Zwecke, der das ganze allererst möglich macht, kan dasienige entspringen, was wir Wissenschaft nennen […] Niemand versucht es, eine Wissenschaft zu Stande zu bringen, ohne daß ihm eine Idee zum Grunde liege. Allein, in der Ausarbeitung derselben entspricht das Schema, ia sogar die Definition, die er gleich zu Anfange von seiner Wissenschaft giebt, sehr selten seiner Idee […] Es ist schlimm: daß nur allererst, nachdem wir lange Zeit, nach Anweisung einer in uns versteckt liegenden Idee, rhapsodistisch viele dahin sich beziehende Erkentnisse, als Bauzeug, gesammelt, ia gar lange Zeiten hindurch sie technisch zusammengesezt haben, es uns dann allererst möglich ist, die Idee in hellerem Lichte zu erblicken und ein Ganzes nach den ­Zwecken der Vernunft architectonisch zu entwerfen. Die Systeme scheinen, wie Gewürme, durch eine generatio equivoca, aus dem blossen Zusammenfluß von aufgesammelten Begriffen, anfangs verstümmelt, mit der Zeit vollständig, gebildet worden zu seyn, ob sie gleich alle insgesamt ihr Schema, als den ursprünglichen Keim, in der sich blos auswickelnden Vernunft hatten und darum, nicht allein ein iedes vor sich nach einer Idee gegliedert, sondern noch dazu alle unter einander in einem System menschlicher Erkentniß wiederum als Glieder eines Ganzen zweckmässig vereinigt seyn und eine Architectonic alles menschlichen Wissens erlauben, die ietziger Zeit, da schon so viel Stoff gesammelt ist, oder aus Ruinen ein­ gefallener alter Gebäude genommen werden kan, nicht allein möglich, sondern nicht einmal so gar schwer seyn würde. Wir begnügen uns hier mit der Vollendung unseres Geschäftes, nemlich, lediglich die Architectonik aller Erkentniß aus reiner Vernunft zu entwerfen“ (Herv. d. Verf.). 30 Vgl. Hegel (1979 [1820]), S.  18: „Dies ist der Hauptsinn der Seichtigkeit, die Wissenschaft, statt auf die Entwicklung des Gedankens und Begriffs, vielmehr auf die unmittelbare Wahrnehmung und die zufällige Einbildung zu stellen, ebenso die reiche Gliederung des Sittlichen in sich, welche der Staat ist, die Architektonik seiner Vernünftigkeit, die durch die bestimmte Unterscheidung der Kreise des öffentlichen Lebens und ihrer Berechtigungen und durch die Strenge des Maßes, in dem sich jeder Pfeiler, Bogen und Strebung hält, die Stärke des Ganzen aus der Harmonie seiner Glieder hervorgehen macht,  – diesen gebildeten Bau in den Brei des ‚Herzens, der Freundschaft und Begeisterung‘ zusammenfließen zu lassen“ (Herv. d. Verf.). 31 Vgl. Dern, S. 79 ff.; Leggewie/Meier; Würtenberger/Gusy/Lange. 29

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C. Mensch, Metapher, Recht, Geschichte

Übergreifenden, der Bewegung32, des Kosmologischen an, wie bei Blumenberg, wenn er von der „Metakinetik historischer Sinnhorizonte“ spricht. Negt und Kluge kommt das Verdienst zu, die Funktion von Vertrauen für die menschliche Theorieproduktion herauszustellen und zugleich eine enge Verbindung zwischen Vertrauen und biologisch-sinnlicher Erfahrung (insbesondere der Zunge als Geschmacks- und Sprachorgan) zu erkennen. Dass die Technik der (präskriptiven) Metapher ein wichtiges, von diesen beiden nicht ausdrücklich erwähntes Mittel sein kann, um aus sinnlich vertrauten Zusammenhängen vertrauenswürdige Theorie herzustellen, ist offensichtlich, bedarf jedoch detaillierterer Betrachtung.33 3. Metaphern erzeugen (Analog-)Vertrauen in Theorie – zugleich ein Beitrag über die Metapherntheorie Arnold Gehlens Ist die Metapher die Übertragung vertrauter Zusammenhänge, so ist sie doch ein sprachliches Phänomen, das übrigens ohne bewusste innere Bilder auszukommen scheint.34 Wie die Sprache das Vertrauenswürdige, das heißt das sinnlich Beglaubigte gewohnter Muster aufheben kann, auch wenn sich das Gemeinte metaphorisch von der sinnlich wahrnehmbaren Wirklichkeit ablöst und das ursprüngliche Gewohnte schon nicht mehr als etwas konkret Lebensweltliches bewusst wird, ist bisher noch nicht hinreichend deutlich geworden. Neurowissenschaftliche Zugänge, wie die Lakoffs und Johnsons, mögen wichtige Erkenntnisse ergeben; dieser Spur wird hier aber nicht nachgegangen, da sie aus einer rechtsphilosophischen, das heißt nach dem hier vorausgesetzten Rechtsbegriff freiheitsbezogenen Perspektive die kreativen Momente des Menschen nicht hinreichend erfasst. Hierbei kann die Sprachtheorie Arnold Gehlens sehr hilfreich sein, deren Einführung in den Kontext dieser Untersuchung nicht zuletzt auch deshalb von Wert ist, weil sie von der Metaphernforschung bisher völlig ignoriert wird.35 Das Geh 32 Die Bewegung bezeichnet mehrdeutig etwas, das in seiner Mehrdeutigkeit dazu tendiert, das einzelne Menschenleben zu übersteigen (man denke an soziale Bewegungen, Truppen­ bewegungen, Himmelsbewegungen) und deshalb zumindest nicht ganz der Verfügungsgewalt eines Einzelnen zu unterliegen – das Bewegte behält seine Identität und Integrität. Veränderung tendiert dagegen zu individueller Verfügungsgewalt ohne vordefinierte Schranken. 33 Vgl. diesen Überlegungen verwandt Nussbaum, S. 24 ff.: „Der menschliche Geist ist […] eigenwillig und bevorzugt das Partikulare; er ist zu einer starken Bindung [an abstrakt formulierte Prinzipien, scil.] fähig“, wenn sie „mit bestimmten Wahrnehmungen, Erinnerungen und Symbolen verknüpft sind“. Sollten abstrakte Prinzipien uns anrühren, müssten sie in unseren „Betroffenheitsradius“ einbezogen werden. 34 Vgl. zur Diskussion um die diesbezügliche Auslegung Rapp (2002a), S. 908 ff., der die aristotelische Rede vom Vor-Augen-Führen für selbst metaphorisch hält, und Gehlen (1974), S. 264. 35 Zwar lassen sich menschenbildliche Grundannahmen im Rahmen etwa der Arbeiten Blumenbergs und Kaufmanns – wie dargestellt – mal mehr, mal weniger direkt auf Gehlen zurückführen. Diese fallen jedoch erstens – wahrscheinlich wegen seines durch NS-Verstrickungen bitter belasteten Rufs als „Radikal-Konservativer“ (Kriele, S. 113) politisch motiviert – tendenziell verstohlen und in der Bezugnahme zugleich Distanzierung suchend aus und verwei-

I. Die sinnliche Seite der präskriptiven Analogie – Vertrauenswürdigkeit

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lensche Verständnis der Metapher lässt sich im Wesentlichen dahingehend zusammenfassen, dass die Metapher im engeren, figuralen Sinne bei ihm lediglich als charakteristische Folgeerscheinung allgemeiner, wesentlicher Sprachgesetzlichkeiten erscheint, denen sein eigentliches Interesse gilt. Die Gewinne der Gehlenschen Sprachtheorie, die übrigens überaus phänomenologisch ausfällt, sollen anhand der metaphorologischen Schlüsselstelle in seinem Hauptwerk „Der Mensch“ dargestellt werden, in der die wesentlichen Grundlinien des Gesamtwerks vertreten sind: „Das Kraftfeld der Sprache ist ursprünglich ohne Zweifel das Jetzt der vorliegenden Situation. Aber erst in der Entlastung davon lernt die Sprache, sich in sich selbst zu bewegen, und damit dringt der Mechanismus der Assoziationen, der äußerlichen Angleichungen und Analogiebildungen, des bloßen Verständnisses von Formeln in dem Grade in sie ein, wie sie an hinweisender Suggestion, an Affektwert und an Bild- und Gefühlsgehalt verliert. Aber gerade dies ist der Boden für die Entwicklung reicheren, beziehenden, sich in sich selbst verfeinernden Denkens […]. Die in der Sprache einstmals lebendig gewesenen Bildelemente und originellen Gedanken kann man [durch Etymologie, d. Verf.] aus den längst funktionalisierten Formeln wiedererwecken und sich in die Zeiten versetzen, da eine anschauliche Phantasie in Wortbildern Gedanken erzeugte. […] Die Lautbewegung des Gedankens ist eine Weise der Kommunikation, die zugleich tätig und schöpferisch ist, indem sie den Reichtum der Welt ebenso vermehrt wie ‚konzentriert‘: so wird in den Phantasmen der Sprache die Welt anschaulicher und verdichteter Symbole selbst noch einmal symbolisch verfügbar. […] Die Phantasie der Versetzungen strömt dann ein in eine entlastete Ferntätigkeit und sie wird, weil die Intentionen der Sprache sich ineinander erfüllen, zur Fähigkeit, die gemeinten Inhalte phantasiemäßig ineinander zu transponieren. Von dieser Leistung ist hier die Rede, nicht von der durch die Sprache ebenfalls erst freigelegten Fähigkeit, sich rein ‚vorstellend‘ in andere Situationen zu versetzen. […] Schon in jedem Wort als solchem liegt eine elementare Leistung der Phantasie in der einfachen Symbolik, also darin, dass die Sprache die Gegenstände ‚bildlich‘ in Worten fasst. Insofern ist die bloße Zuordnung eines Lautes zu einer Sache, in der eins für das andere genommen wird, eine Phantasietat, und man kann davon die eigentlich intellektuelle Seite unterscheiden, die in der Intention besteht, in dem Sichrichten durch das Wort auf den Gegenstand: dieser Akt bleibt auch in verschiedenen Sprachen derselbe. […] In dieser ersten Betrachtung erscheint also das Wort […] bereits metaphorischen Gehalt zu haben. In der Tat ist die Sprache durch und durch Metapher, einfach deswegen, weil sie eben nicht die Gegenstände selbst enthält, sondern sie ‚im Widerscheine ausdrückt‘ ­(Goethe). Die Metapher im engeren Sinne, der eigentlich phantasievolle Sprachgebrauch, entwickelt nur diese Möglichkeit, A für B zu nehmen.“36 sen zweitens nicht auf den im engeren Sinne metapherntheoretischen Teil in Gehlens Werk. Auch Lüde­mann (2004) verweist trotz Verwendung offensichtlich zumindest mittelbar durch­ Gehlen inspirierter Terminologie und Ideologie nur an einer Stelle, S. 72, in Bezug auf die Stütze Blumenbergs (auch nur) „auf die Institutionentheorie Arnold Gehlens“ auf selbigen. Zur Rezeption Gehlens, den Sloterdijk, S. 701, „als den – vor Niklas Luhmann – geistreichsten unter den bekennenden Konservativen des 20. Jahrhunderts“ bezeichnet, im Hinblick auf seine Biografie Rehberg (2005) sowie Delitz., S. 23 ff. 36 Gehlen (1974), S. 283 ff. (Herv. i. Orig.). Vgl. Ralph Waldo Emerson, zit. nach Kohl, S. 60: „The etymologist finds the deadest word to have been once a brilliant picture. Language is fossil poetry.“

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Das „Jetzt der vorliegenden Situation“ ist mehr als die jeweilige Situation, in der der Mensch sich und seine Umwelt als gegenwärtig erlebt. Es ist die Situation, die der Mensch noch mit dem Tier teilt, woraus er hervorgegangen ist. Das Tier ist mehr oder weniger offensichtlich die Kontrastfolie einer jeden Anthropologie. Verhaltensbiologisch besteht dieses aus – zumindest nicht wesentlich mehr als – seinen Instinkten. In diesem Sinne ist das Tier zugleich nicht (überlegt) handelnd und egozentrisch. Das Tier ist durch seine Instinkte „festgestellt“, der Mensch ist aufgrund im Vergleich zum Tier reduzierter Instinkte „das nicht festgestellte Tier“.37 Dass der Mensch denkt, steht in dialektischem Verhältnis zu dem Umstand, dass er sich mangels instinktiver Vorgabe entscheiden muss. Entschiedenes Verhalten, das nennt man dann „Handeln“38, bedeutet, in Alternativen gedacht und deren jeweiligen Wirkungen verglichen zu haben. Dies setzt aber schon voraus, Folgen antezipieren zu können – sich phantasievoll ausmalen, sich eine Vorstellung davon machen zu können, was in welchem Fall passiert bzw. passieren könnte. Dies bedeutet eine Ablenkung nicht nur raumzeitlich von der Situation des Hier-undJetzt, sondern auch der Perspektive des Subjekts, das gezwungen ist, sich verobjektivierend in unterschiedlichen Handlungsvollzügen vorzustellen. Die menschliche Differenz zum Tier durch Distanz zu sich selbst hat später beispiellos prägnant­ Plessner als „Exzentrizität“ des Menschen gekennzeichnet: „Das Tier […] lebt aus einer Mitte heraus, in seine Mitte hinein, aber es lebt nicht als Mitte. Es erlebt Inhalte im Umfeld, Fremdes und Eigenes, […] aber es erlebt nicht – sich. […] Der Mensch als das lebendige Ding, das in die Mitte seiner Existenz gestellt ist, weiß diese Mitte, erlebt sie und ist darum über sie hinaus. […] Er erlebt das unmittelbare Anheben seiner Aktionen, die Impulsivität seiner Regungen und Bewegungen, das radikale Urhebertum seines lebendigen Daseins […] Ist das Leben des Tieres zentrisch, so ist das Leben des Menschen, ohne die Zentrierung durchbrechen zu können, zugleich aus ihr heraus, exzentrisch.“39

Gehlen spricht kongruent davon, dass der Mensch „den Bannkreis der Unmittelbarkeit durchbrochen“ habe, von der „Sprengung der Gegenwart“, und nennt diesen Umstand „Entlastung“40: vergleichsweise entlastet von der Beherrschung durch Instinkte ist der Mensch zum bewussten, zum entscheidenden Denken bestimmt, denn insoweit Instinkte nicht mehr determinieren, entstehen Bestimmbarkeit und Entscheidungsbedarf. Die vielleicht wichtigste Pointe der Sprachtheorie bei Gehlen ist nun in formaler Umkehrung des Grundansatzes Lakoffs und 37 Diese Wendung übernimmt Gehlen (1974), z. B. S. 10, 34, von Nietzsche (1954 [1886]), S. 623. 38 Insoweit kohärent etwa zum Handlungsbegriff, von dem die Strafrechtswissenschaft ausgeht, statt vieler Stratenwerth, S. 73: „Allgemein anerkannt, weil nahezu selbstverständlich, ist heute, dass strafrechtlich sanktionierte Verbote oder Gebote nicht weiter reichen können als die Fähigkeit des Menschen, in Geschehensabläufe handelnd einzugreifen.“ 39 Plessner, S. 287, 291 f. Vgl. den schon zitierten Zimmer, S. 37 ff., darin, auf der Grundlage des Plessnerschen Werkes eine anthropologische Ableitung des Metaphorischen zu versuchen. 40 Vgl. Gehlen (1974), S. 64, 134 ff.

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­Johnsons die Grundthese, dass nicht die Sprache aus dem menschlichen Denken, sondern das menschliche Denken aus der Sprache heraus zu erfassen ist.41 Die komplexen, sehr detaillierten Gehlenschen Ausführungen zu diesem Zusammenhang können und müssen an dieser Stelle nur sehr selektiv und zusammenfassend thematisiert werden.42 Stellvertretend kann der systematisch wie entwicklungsgeschichtlich grundlegende Schritt des Kleinkindes zur willkürlichen Erzeugung von Lauten thematisiert werden. Voraussetzung ist, dass das Kind motorische Selbstempfindung (z. B. die Bewegung seines Armes) mit akustischer Wahrnehmung verknüpft (z. B. wenn die Hand gegen ein über ihm aufgehangenes Glöckchen stößt). Das Kind wirkt in einem ganz primitiven Sinne auf etwas ein, und es wirkt zurück. Nicht viel anders verhält es sich mit der Bewegungsempfindung des eigenen Atems und Halsapparates und der Hörempfindung darin entstandener Laute – je nachdem auch der verlässlichen Laute entzückter Erwachsener. Diese Situation birgt nun drei für das Fortkommen des menschlichen Vermögens sehr wesentliche Aspekte: Das Kind hat erstens ein spielerisches Wohlgefal­ len am Gebrauch seiner Sinne, an der Wiederholung von Erfolgen, worin es zu einer Übung seines Bewegungsvermögens kommt.43 Weil die Erfolge (also die Rückempfindungen) seiner Bewegungen aus seinen Selbstempfindungen folgen können, aber nicht müssen (das Glöckchen z. B. klingt von ihm selbst angestoßen nicht anders als von den Eltern angestoßen), also nicht mit ihm identisch sind, liegt in der Rückempfindung bereits im Keim angelegt, dass der Mensch später ein objektivierendes Verhältnis zu sich selbst einnehmen kann, was Gehlen ein (im Vergleich zum Tier zu verstehendes) „entfremdetes Selbstverhältnis“ nennt.44 Und drittens richtet sich auf im weiteren Sinne solche Sachen wie den Laut des Glöckchens oder der Stimmbänder eine anfängliche Form von Intention, also Willen, der den intendierten Erfolg als „in der Phantasie vorentworfenes Motiv“ voraussetzt.45 Es ist schließlich eine Vielzahl solcher dialektisch wirksamer Aspekte, aus der heraus sich eine „eigentätig aufgebaute und verdichtete Symbolik der Dinge“46 ergibt, die stammesgeschichtlich, d. h. phylogenetisch, und ontogenetisch eng mit der Entwicklung des Stimmapparates und des Gehirns des Menschen verbunden 41

Deutlich Gehlen (1974), S. 290: die Sprache als „Basis“ des Denkens. Letztlich ergibt sich eine Nähebeziehung beider Ansätze daraus, dass sie das Verhältnis von Sprache und Denken nicht als hierarchisches, sondern in enger dialektischer Beziehung darstellen. Das stellt Gehlen übrigens auch für die Metapher klar: „[…] in den tiefsten Schichten der Sprache die Phantasie in ihrem Sichversetzen und Gleichsetzen, Ausdeuten […]. Das ist die Metapher, und auch die innere Sprachform mit ihrem Gleichsetzen der ‚Vorgänge‘ mit ‚Handlungen‘ oder der Handlungen mit ‚Erscheinungen‘ usw. ist zuletzt Metapher.“ 42 Es kann auf eine ausführliche, sich auch näher am Wortlaut des Gehlenschen Werks haltende Rekonstruktion der Sprachtheorie Gehlens durch den Verfasser verwiesen werden, Schindler (2010). 43 Vgl. Gehlen (1974), S. 156 f. 44 Vgl. Gehlen (1974), S. 134 ff., 166. 45 Vgl. Gehlen (1974), S. 142, 146, 156. 46 Vgl. Gehlen (1974), S. 174.

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ist. Ontogenetisch werden Laute, die aus eingeübten Bewegungen des Stimm­appa­ rates bestehen, intentional auf Gegenstände und Erfahrungen bezogen. Das mag auch heute noch in gewisser Weise damit anfangen, dass erfahrene Dinge oder Situationen (z. B. ein Hund oder das Umfallen eines Gegenstandes) nachgeahmt werden. Worte, und damit Sprache, entstehen als soziale Phänomene aber vor allem dadurch, das die Laute anderer Menschen (z. B. der Eltern) nachgeahmt werden. Worte haben eine geltende Bedeutung gegenüber einer hypothetischen Ursituation nicht mehr aus eigener situativer Zuschreibung, sondern als „Umlaufgeltung“.47 Was damit gemeint ist, lässt sich gut anhand eines in Führungskräfteseminaren häufig erzählten Experiments verdeutlichen. Eine Gruppe von Affen wird darin mit hoch aufgehangenen Bananen konfrontiert, die nur über eine Kletterhilfe (z. B. Leiter oder Kiste) zu erreichen sind. Sobald ein Affe dazu ansetzt, die Kletterhilfe zu berühren, erfolgt eine Bestrafung der Gruppe (die Affen werden z. B. mit kaltem Wasser abgespritzt). Den Affen wird so abgewöhnt, die Banane zu begehren. Wird ein Mitglied der Gruppe durch ein neues, unbefangenes Mitglied ersetzt, unternimmt dieses schnell, über die Kletterhilfe die Banane zu erlangen. Es wird jedoch von den anderen Affen gewaltsam an der Ausführung gehindert, bis es ebenfalls die Banane nicht mehr begehrt. Werden die ‚alten‘ Affen nach und nach durch ‚neue‘ Affen ersetzt, wiederholt sich dieser Vorgang, ohne dass noch einmal kaltes Wasser zum Einsatz käme. Am Ende verhält sich eine Gruppe von Affen so, als ob sie selbst die Bestrafung durch das kalte Wasser erlebt hätte, ohne dass diese Bestrafung für einen neuen Versuch gesichert wäre.48

Die aus einer bestimmten Situation heraus entstandene Regel, dass man eine bestimmte Kletterhilfe nicht berührt, hat am Ende etwas im Sinne der Gehlenschen „Umlaufgeltung“. Die Kletterhilfe entspricht in diesem Beispiel zugleich dem, was Gehlen als konzentriertes, verdichtetes, zunehmend dann abgelöstes Symbol bezeichnen würde. Denn die Kletterhilfe steht für die Affen, die ihre Antastung unterbinden, ja nicht für sich selbst allein, sondern zumindest im Sinne einer Assoziation auch für die selbst wiederholt erlittene Folge der Pein. Die von Affe zu Affe tradierte Vorbeugung, die Kletterhilfe nicht zu berühren, gilt am Ende unabhängig von einer Erinnerung ihres ursprünglichen Sinnes.49 Die Verdichtung verschärft 47 Vgl. Gehlen (1974), 291 f. Gehlen gebraucht die Metapher der Münze, die schon Nietzsche (2013 [1873]), S. 880 f., in Zusammenhang mit der Metapher gebraucht hatte: „Wahrheiten sind […] Metaphern, die abgenutzt und sinnlich kraftlos geworden sind, Münzen, die ihr Bild verloren haben und nun als Metall, nicht mehr als Münzen, in Betracht kommen.“ 48 Das geschilderte Experiment ist nicht wissenschaftlich nachgewiesen. Ein abstrakter dargestelltes Experiment mit weniger gesichertem und eindeutigem Ergebnis findet sich ungeprüften Internetquellen zufolge bei Stephenson, S. 279–288, belegt. 49 Lenzen gibt die texanische Kognitionswissenschaftlerin Christine Legare dahingehend wieder, dass hinter ritualisierten Handlungsweisen des Menschen, deren gesolltes Ergebnis sich nicht unmittelbar erschließe, ein Sachverhalt der „Überimitation“ liege, „einer Fähigkeit, in der manche Forscher den zentralen Unterschied zwischen Menschen und anderen Primaten sehen: Wenn Menschenkinder eine Handlung nachahmen sollen, sehen sie sich nicht einfach das Ergebnis an und versuchen, dieses irgendwie zu erreichen, sie ahmen genau nach, was ihnen vorgemacht wird, wie umständlich die Handlung auch sein mag. Legare und seine Mit­a rbeiter konnten zeigen, dass Kinder diese Überimitation an den Tag legen, wenn sie sich keinen Reim

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sich, wenn – fern des Anspruchs, Tierforschung zu betreiben – weitergedacht ein bloßer Laut oder eine Lautfolge ausreicht, um die die ursprüngliche Bestrafung für alle ersetzende Verteidigung der Kletterhilfe durch die anderen als Warnung zu ersetzen. Der Funktion der Analogie entspräche es (und besonders augenfällig auch der aristotelischen Definition der Metapher), wenn die Affen sich in Bezug auf eine ähnliche Kletterhilfe an anderer Stelle mit einer darüber aufgehangenen Banane oder in Bezug auf eine identische Kletterhilfe mit einer darüber aufgehangenen Mangofrucht identisch verhielten (es ist ja auch Menschen in Mitteleuropa nicht fremd, sich etwa vor wissentlich ungefährlichen Spinnen zu fürchten). Das Affenexperiment dient gemeinhin als nützliche Geschichte, als Anleitung zur Prüfung hergebrachter Verhaltensweisen auf ihre gegenwärtige Gültigkeit, als Ermutigung zu Innovation und kritisch-kreativem Denken. Es begründet indes keine allgemeine Vermutung, tradiertes Verhalten sei sinnlos. Tradiertes Verhalten ist als Gewohnheit andererseits auch gerade etwas, das den Menschen erst Höchstleistungen erbringen lässt. Auch diese Zweischneidigkeit hat Gehlen ganz treffend formuliert: „Gewohnheit […] entlastet […] in dem Sinne, dass bei einem gewohnten Verhalten der Motivations- und Kontrollaufwand, die Korrekturbemühungen und die Affektbesetzung wegfallen. […] Das [so] habitualisierte Verhalten wird eben dadurch, dass es der Intervention des Bewusstseins entgleitet und sich ablagert, auch stabilisiert, es wird kritikfest und einwandsimmun, und so die Basis für ein höheres, auf ihm erwachsendes variables Verhalten.“50

Dieses variable, von ‚echten‘ Situationen abgelöste Verhalten gelangt in der Sprache, mit der das entwickelte Denken untrennbar verwoben ist51, sehr weit. Sprache ist lebendig, weil sie nie zur Übereinstimmung mit der Wirklichkeit finden wird, sie jedoch sucht. Das Bewusstsein sucht, ein Ding ganz zu fassen. Doch immer sind es nur bestimmte Aspekte, „Hinsichten“, die in Worten aktualisiert werden können.52 Im Begriff des „Sachwiderstandes“ drückt Gehlen aus, dass nie alle Hinsichten gleichzeitig erfasst werden können. Mit der „Flüchtigkeit des Wortes“ wird erfasst, dass auch nacheinander erfasste Hinsichten nicht zu einem einheitlichen Bild nachhalten. Das „‚Andrängen‘ des gesamten Komplexes der vorschwebenden Aussage“ steht gegen „die bloß eindimensionale Wortfolge“. So gibt es eine „produktive und weitertreibende Wirkung des Missverstehens“ in Raum und Zeit, das ein existenzielles zu sein scheint. Als Tiefendimension dieser problematischen Verhältnismäßigkeit tritt noch die Spannung zwischen eindeutiger, aber Wirklichkeit tendenziell nur punktuell erfassender Präzision und instrumentell auf den Sinn einer Handlung machen können. Verstärkt wird dies durch Erklärungen wie ‚Das macht man eben so‘. Geht es hingegen um eine Handlung mit nachvollziehbarem Zweck, sind Kinder gut darin, umständliche Handlungen zu vereinfachen […]. Vielleicht standen also am Beginn […] der Entstehung komplexer Gesellschaften gerade nicht Kausalerklärungen und instrumentelles Lernen, sondern dass sorgfältige Nachahmen des Unverstandenen.“ 50 Gehlen (1974), S. 65. 51 Gehlen (1974), S. 201: „Denken ist ursprünglich von Sprechen gar nicht trennbar.“ 52 Vgl. auch im Folgenden Gehlen (1974), S. 246 ff.

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nicht befriedigender Allgemeinheit von Begriffen hinzu. Die Sprache erscheint als eine „Zwischenwelt“.53 Sprache ist beweglich in einer gewissen Unbestimmtheit der einzelnen Wortbedeutungen, die nur im Kontext des Satzes sich gegenseitig feststellen54, und mit „abgelöst“ kombinierbaren Bausteinen. Und schließlich weil, was bei Gehlen unterbetont ist55, „wir [uns] sozialisieren“. Alles Sprachliche „schwimmt im sozialen Medium“. Mit der Sprache ist die „vollkommene Befreiung des Menschen“ von der anschaulichen Situation erreicht.56 Im so abgesteckten Rahmen ist zu verorten, was Gehlen eine Metapher nennt, und zwar explizit in einerseits einem weiteren und andererseits einem engeren Sinne.57 Beide Bezeichnungen verweisen auf die Möglichkeit, A im menschlichen Sprechen und Denken für B zu nehmen. Die von ihm so bezeichnete Metapher im weiteren Sinne unterscheidet sich nicht vom einfachen, semiotisch verstandenen Symbol58; ein Buchstabe steht für einen Laut, eine Buchstabenfolge für eine Lautfolge, eine Lautfolge für einen Sachverhalt. Darin liegt, das muss ganz deutlich werden, im Gehlenschen Sinne in hohem und für die Besonderheit des Menschen entscheidendem Maße Entlastung – durch „Konzentration“ und „Verdichtung“. Das Hinsehen vertritt das Betasten, das Wort das Hinsehen, am Ende der Gedanke das Wort:59 „Der Gang der Intentionen erhält anscheinend erst dadurch vollkommene Freiheit ineinander zu verlaufen, also ‚Gedankengang‘ zu werden, dass er an den bloßen ‚Kernen‘ der Wortvorstellungen entlanggeführt wird, ohne dass diese anschaulich werden. ‚Denken‘ ist dann beschreibbar als der höchste Grad entsinnlichten, bloß andeutenden und ‚abgekürzten‘ Verhaltens“.60 Die Metapher im engeren Sinne bezeichnet 53

Gehlen (1974), S. 248, 254. Gehlen (1974), S. 297. 55 So auch schon Ammann, S. 32 f. 56 Gehlen (1974), S. 252, vgl. auch S. 241. 57 Gehlen spricht auch von „zwei Richtungen der Phantasiearbeit in der Sprache […]: die eine in der Bildebene des Wortes selbst, die andere in der ‚inneren Form‘ der Sprache, d. h. in der phantasiehaften Auswahl der Hinsichten, unter denen sie deutet und an denen sie festhält“, Gehlen (1974), S. 284. Die gleiche Unterscheidung findet sich übrigens auch bei C ­ astoriadis (1984), S. 571, angelegt: „Was ist eine ‚Redefigur‘, eine Trope, was ist der ‚eigentliche‘ Sinn? Was man seit dem Altertum Tropen genannt hat, sind nur besondere Tropen, Tropen zweiten Grades. Seinem Wesen nach ist jeder Ausdruck tropisch. Selbst wenn man ein Wort im ‚eigentlichen Sinne‘ oder in seiner ‚Hauptbedeutung‘ zu gebrauchen meint, handelt es sich noch um einen metaphorischen Sinn“ (Herv. i. Orig.). Vgl. noch radikaler Nietzsche (1999 [1873]), S. 879: „Ein Nervenreiz zuerst übertragen in ein Bild! erste Metapher. Das Bild wieder nachgeformt in einem Laut! Zweite Metapher.“ 58 Gehlen (1974), S. 271: „das, was man eine Metapher oder Permutation oder ein Symbol nennt, und was das Wesen alles sprachlichen Denkens ausmacht“. 59 Vgl. Gehlen (1974), S. 177, dort auch: „[J]ede Symbolleistung, vor allem die Sprache, hat die[se] Qualität der […] Erledigung mühsamerer und vorausgehender Leistungen durch bloß ‚antippende‘, und der ‚Verfügbarmachung‘ (sit venia verbo) der ersteren für indirektere und freiere Zusammenhänge“ (Herv. d. Verf.). 60 Gehlen (1974), S. 264. 54

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er als „eigentlich phantasievollen Sprachgebrauch“, der die Möglichkeit, A für B zu nehmen, entwickle. Wenig später erläutert er den „eigentlich metaphorischen Vorgang im engeren Sinne“ wie folgt61: Bei etymologischen Untersuchungen in verschiedenen Sprachen lasse sich feststellen, dass sich offensichtlich Bezeichnungen (Worte)  für Sachverhalte von Bezeichnungen (Worten) für andere Sachverhalte abgeleitet haben, denen sie in gewisser Hinsicht62 gleichen. So sei das Wort für Gießen im Griechischen das gleiche wie für das Abgleiten des Fleisches vom Spieß und für das Fallenlassen mancher Dinge, während im Lateinischen das Wort für Gießen auch Schießen und jemanden zu Boden zu werfen bedeute. Der die Sammlung dieser Bedeutungen unter die jeweiligen Worte begründende Vorgang ähnelt sehr dem, was bei Hassemer als Sinnstreckung erscheint. Nach Gehlen erklärt sich der metaphorische Vorgang aus einer verbindenden und im jeweiligen Wort gewissermaßen abgespeicherten „Hinsicht“. Dabei wird „Hinsicht“ in diesem Sinne umschrieben als ein „prägnantes Bild- wie Bewegungsphantasma“: im griechischen Beispiel die ein haltendes Objekt umwendende Drehung, im lateinischen Beispiel der gewaltsam treibende Stoß. Die Abstraktheit des jeweiligen Phantasmas ermögliche den eigentlich metaphorischen Vorgang engeren Sinnes, der darin definiert erscheint, „dasselbe [Phantasma, scil.] an andere Vorgänge heranzutragen und diese unter der gleichen Hinsicht aufzufassen“. Das, was hier präskriptive Metapher heißt, stellt Gehlen als Fall der Metapher im engeren Sinne dar: „Natürlich ist ein breites Feld notwendig metaphorischen Deutens auf allen den Gebieten der Wirklichkeit gegeben, die überhaupt keine sinnliche Realität haben. […] Vor allem aber sind alle Innenzustände des See­ lischen […] überhaupt nur durch Metaphern benennbar und also vom sinnlichen Phantasma her nachzuvollziehen: fassen, begreifen, auf oder an etwas verfallen […].“63 In seiner eigentümlichen anthropologischen Sprache fällt dies mit jenem existenziellen Aspekt des Menschen zusammen, den er im Ausdruck „innere Außenwelt“ zusammenfasst.64 Dies rekurriert letztlich in anderem Sinnzusammenhang auf dieselben Grundmechanismen, die zum Begriff des „entfremdeten Selbstverhältnisses“ geführt haben. Weil sich, vereinfacht gesagt, im Ansprechen der Außenwelt die Sprache entwickelt, mit der Sprache aber das Denken, so orientiert sich das Innere an der Außenwelt.65 Prägnant spricht er von einem „Hinein 61

Vgl. auch im Folgenden Gehlen (1974), S. 285 f. Vgl. zu diesem Ausdruck bei Gehlen schon oben und Gehlen (1974), S. 287 ff. 63 Gehlen (1974), S.  286 f. Im Sinne einer deskriptiven Metapher aber wohl noch Gehlen (1974), S. 220: „schon das Nehmen des Wortes für die Sache ist ein solches Gleichsetzen [A für B unter einer gewissen Hinsicht, scil.], erst recht die Deutung einer Erscheinung durch eine andere (Metapher)“. 64 Dieser Ausdruck ist von Novalis übernommen, vgl. Gehlen (1974), S. 195. 65 Deutlich Gehlen (1974), S. 256 bzw. 258: „Frage der ‚Verweltlichung‘ des Inneren […], der auch wieder durch die Sprache gleichgesetzten Innen- und Außenwelt. […] Die in der Sprache vollendete Aufschließung des Inneren, die Herauswendung desselben nach außen, ist im Kern derselbe Vorgang, wie die Besetzung dieses Innern mit äußeren Eindrücken“; vgl. auch a. a. O., S. 230, und Biese, S. 2 f., 13. 62

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wachsen der Welt in uns“ durch die Sprache.66 Daher sei das Innere „beschreibbar überhaupt nur uneigentlich mit Bildern, die wir von außen auf es übertragen“. Was die im hier gebrauchten Sinne in ein ‚Materialistisches‘ tendierende Qualität des Gehlenschen Denk- und Metaphernbegriffs ausmacht, ist, dass er stets die Rückanbindung, die ‚Verwurzelung‘ der höchsten, phantasievollsten Fähigkeiten des Menschen an seine sinnlich erfahrene Umweltsituation betont,67 auch wenn die sprachlich-kognitiven Möglichkeiten des Menschen als Gattung auf der einen Seite kaum begrenzt (und gerade darin übrigens erfolgreich) erscheinen.68 Er gibt auch eine plausible Beschreibung letztlich dafür, wie usualisierte (und insbesondere präskriptive) Metaphern funktionieren können. Denn wenn er davon spricht, dass der Gang der Intentionen einerseits dadurch vollkommene Freiheit erhalte, dass er an den bloßen Kernen der Wortvorstellungen entlanggeführt werde, ohne dass diese anschaulich würden, andererseits die Entlastung symbolischer, das heißt A für B verwendender Leistungen in der Metapher des An­tippens beschreibt69, so können diese Vorgänge nur als Verhältnisse des bewussten Denkens zum Unbewussten, nicht zum Nichts verstanden werden. Die nicht zur Anschaulichkeit gelangenden „Kerne der Wortvorstellungen“ (offenbar nicht die ‚Bedeutungszellen‘ als Ganze), also was angetippt wird, sind bzw. ist ja in spar­samer Weise vermittelt wirksam. Die usualisierte Metapher ist Metapher kraft unbewusster Erinnerung der in ihr zumindest kontextuell aufgehobenen Hinsichten (hätte Gehlen formuliert), Aspekte (würde man heute sagen). Aus dem geschilderten Theoriekontext ergibt sich für die Metapher, zum Beispiel eine präskriptive Metapher des Rechts, die These, dass sich Vertrauen mitüberträgt. Dies soll hier am Beispiel des „Erlöschens“70 erklärt werden: Das „Erlöschen“ bezeichnet ursprünglich nur eine sehr sinnliche, mit den Augen zu sehende, ggf. mit den Ohren zu hörende und mit der Nase zu riechende, mit dem Temperatursinn zu fühlende oder zu prüfende Erfahrung, nämlich das ‚Aufhören zu brennen, zu leuchten, Ausgehen‘ eines Feuers.71 Im diesen Vorgang ansprechenden Wort „Erlöschen“ ist einerseits der gemeinte Vorgang symbolisch (A für B) enthalten, erinnerungsfähig, von der wirklichen Situation abstrakt verfügbar. Zum anderen ist darin nicht nur der Vorgang, der Zustandswechsel an sich enthalten, sondern es sind die Zustände davor und danach ‚mitbegriffen‘; es ist etwas nicht mehr, was einmal war; wo Licht, Wärme, Energie herkam, daher kommt nichts mehr (also A auch für C und D, insoweit B für C und D). Das Erlöschen steht für ein vertrautes, sinnlich wahrnehmbares Sachverhältnis und ver 66

Auch im Folgenden Gehlen (1974), S. 259. Vgl. z. B. Gehlen (1974), S. 28, 30. 68 Gehlen (1974), S. 200: „Das Rätsel der Sprache besteht in erster Linie in der Fülle der in ihr enthaltenen und möglichen Integrationen.“ 69 Vgl. Gehlen (1974), S. 177, 339 f. 70 Im BGB, Stand: 01.01.2013, etwa kommt „Erlöschen“ in 47 Paragraphen vor. 71 Pfeifer (2010), s. v. „löschen“. 67

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mittelt dieses durch einen selbst noch sinnlich wahrnehmbaren Vorgang, nämlich die Bewegung des Stimmapparates und die Rückempfindung des erzeugten Wortlautes durch die Ohren. Das „Erlöschen“ ist ein vertrautes, gewohntes Wort. Im lautlosen Denken im Wege sprachlich gebildeter Begriffe ist die Sinnlichkeit der Vorstadien entfallen und es genügt die von Erinnerungen lebende kognitive Andeutung.72 Das in Erfahrung der äußeren Welt entwickelte innere Denken folgt deren Regeln – das meint die „innere Außenwelt“.73 Dem Entlastungsgesetz entspricht es weiter, dass sich das (physiologisch aufwändigere)  bewusste Denken im wörtlichen Sinne möglichst auf „Minimumcharaktere“74 konzentriert, die mit möglichst (physiologisch leichterem) unbewusst Kognischem verknüpft sind – Bewusstsein und Unbewusstsein bilden dabei die idealen Endpunkte einer Skala. Jedenfalls ist das Erlöschen ein vertrauter Gedanke. Dem Gedanken des Erlöschens eignet nun im Sinne Gehlens ein prägnantes, gleichwohl (vielleicht durch sein Abgleiten ins Unbewusste) abstraktes „Bild- wie Bewegungsphantasma“, und zwar der Wechsel vom energischen, sichtbaren, aktiven Sein ins ein unsichtbares bzw. durchsichtiges Nichts. Diese im Ursprung erfahrene und schrittweise abgeleitete, daher vertraute Struktur wird durch einen ‚Einfall‘ (darüber wird noch zu sprechen sein) in einen theoretischen, ggf. präskriptiven ‚Sinn-‘Zusammenhang gebracht, in dem sie funktioniert, ‚Sinn macht‘ – zum Beispiel in den Zusammenhang subjektiv-rechtlicher Ansprüche. Es entsteht so etwas wie ein analogisches Vertrauen75 in das „Erlöschen eines Anspruchs“. Dieses wird allerdings wesentlich ergänzt zum einen durch ein nichtanalogisches Vertrauen in die in vielen Fällen schon bewährte Methode der Übertragung, der Analogie, der Metapher überhaupt. Zum anderen entsteht ein Vertrauen in der Kommunikation der Metapher angefangen bei ihrer sinnlichen Aussprache und Rückempfindung in ursprünglich ungewohnten Kontexten, über die ihr durch vielzählige Verwendung zuerkannte Problemlösungsfähigkeit bis hin zur Usualisierung selbst, in deren Vorgang sie sich zur ‚Tradition‘ einschleift. Die Usualisierung adelt eine Metapher als sachlich angemessen.

72 Gehlen (1974), S. 264: „Denken […] verhält sich zur Sprache wie diese zur wahrnehmbaren Weltfülle […] ist dann beschreibbar als der höchste Grad entsinnlichten, bloß andeutenden und ‚abgekürzten‘ Verhaltens.“ 73 Vgl. auch im Folgenden Gehlen (1974), S. 265 f, dort u. a.: „Das Denken an konkreten Aufgaben hat nachweislich dieselben Gestalten wie eigentliche Handlungen.“ 74 Gehlen (1974), S. 172, zu Symbolen. 75 Vgl. in diesem Zusammenhang Jain, S. 53: „Die Erfahrung (an) der Metapher ist zwar nur vorgestellt, doch – wo sie Ansprache erzeugt, den (subjektiven) Eindruck der Verdichtung hinterläßt – erscheint sie in ähnlicher Weise sinnlich und erfahrbar wie die ‚realen‘ Körper und wirkt damit ‚anstößig‘.“

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II. Die (Metaphorizität der) Institutionalität des Rechts – Beständigkeit Die Beständigkeit des Rechts ist zum einen Gegenstand rechtlich geschützten Vertrauens (verfassungsrechtlich insbesondere in Form des Rückwirkungsverbotes, einfachgesetzlich am bekanntesten in den Vorschriften aller Rechtszweige über die Verjährung, der Verwaltungsverfahrensgesetze über den Widerruf und die Rücknahme, das heißt mittelbar der „Bestandskraft“ von Verwaltungsakten, §§ 43 ff. VwVfG).76 Denn Beständigkeit ist Voraussetzung für Vertrauen. Zum anderen gilt sie auch – vor jeder Legitimationstheorie – einfach als zweckmäßig, weil sie Kausalitäten im Rechtlichen absichert, die vor jeder Affektion Steuerung erst ermöglichen. Das Webersche Diktum, eine Ordnung sei umso stabiler, je mehr Legitimität ihr zukomme, lässt sich umdrehen: Je stabiler eine Ordnung ist, desto höher ist das Maß der ihr zuerkannten Legitimität. Beständigkeit ist etwas, das zum Beispiel der Politik im engeren Sinne in Unterscheidung vom Recht wesentlich weniger eignet. Verlässlichkeit mag ein Qualitätsmerkmal von Politik im engeren Sinne sein (als gesetzgebungsorientierte­ öffentliche Meinungsbildungs- und Entscheidungsverfahren letztlich in Parteien und Parlamenten), selbstverständlich ist sie dort nicht. Politik im engeren Sinne schafft etwas, das stabiler ist als sie selbst, wie der Gemeinplatz des „Rechts als geronnene Politik“ zeigt.77 Recht ist gewissermaßen greifbarer, transportabler, bissfester als Politik. Diese ist gerade durch andere Metaphern als solche der Beständigkeit gekennzeichnet, nämlich solche des Kampfes (z. B. im Wahlkampf) und des Wettbewerbs. Dies führt uns zum analytischen Begriff der Institution: Recht ist in herausgehobener Weise das, was sich als „auf Dauer gestellte Ordnung“ bezeichnen lässt. Doch wie wird eine Ordnungsleistung (zum Beispiel durch einen verfassungsgebenden Akt) erfolgreich auf Dauer gestellt (so dass die Verfassung – als unbefristete – in der Folge tatsächlich gilt)?78 Zur Beantwortung dieser Frage knüpft an die Bezeichnung „Institution“, in kritischer Fortschreibung unter anderen angeregt von Gehlen79, ein insbesondere in den politischen Wissenschaften nicht zufällig immer wieder mit Bezug auf rechts 76 Vgl. grundlegend Arnauld (2006), S. 271; zur Beständigkeit als Rechtsprinzip auch Leisner-Egensperger. 77 Bis heute lesenswert beschreibt Grimm (1969), hier S. 502, das Verhältnis von Recht und Politik. 78 Vgl. zu dieser Frage als Kernfrage der Institutionentheorie Jehne/Mutschler, S. 551; Rehberg (1998), S. 397; Vorländer (speziell zur Verfassungsgeltung), insbesondere S. 248. 79 Gehlen hatte seine Ausprägung der Philosophischen Anthropologie zu einer Kulturtheorie weiterentwickelt, die den Menschen als „von Natur ein Kulturwesen“ – Gehlen (1974), S. 80 – verdeutlicht, die zunächst seine Abhebung von der unreflektierten Instinktgebundenheit des Tieres, sein Unfestgestelltsein darstellt. Das natürliche Unfestgestelltsein realisiert sich gesellschaftlich in „auf Dauer gestellten“ und vergemeinschaftenden Gegebenheiten, den sogenannten „Institutionen“ – vgl. Gehlen (1974), S. 402. In diesem Zusammenhang Rehberg (2002), S. 51: „Es gehört zu den soziologischen Grundeinsichten, dass ein soziales Zusam-

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wissenschaftlich geprägte Themen80 entwickelter und diskutierter Theoriezusammenhang an.81 Die dafür so bezeichnete „Institutionentheorie“ ist zunächst einmal dadurch gekennzeichnet, dass der ihr zu Grunde gelegte Institutionenbegriff erheblich offener und weiter ist als derjenige, der im Verfassungsrecht und bestimmten rechtstheoretischen Ansätzen verankert ist.82 Die „Institution“ ist weiter selbst ein hochgradig metaphorischer Begriff in dem Sinne, dass aufgrund einer Mehrzahl sehr prägnanter historischer Verwendungsweisen von komplexen interdependenten Übertragungsprozessen auszugehen ist.83 Es soll im Folgenden, was den Input in Teil D. einschließt, als – zunächst skizzenhafte  – Grundlage für weitere Forschungen die Ausgangsthese begründet werden, dass Institutionentheorie aus einer grundlegenden und wissenssoziologisch vermittelnden, letztlich transdisziplinarisierend gesellschaftswissenschaftlichen Sicht trotz ihrer internen Spannungen gut brauchbar ist, um die Funk­ tionsweise präskriptiver Metaphern auch und gerade im Recht zu beschreiben, und zwar so brauchbar, dass der Aufwand sich (auch) für die Rechtswissenschaft rechtfertigt. 1. Ursprüngliche Verbindungen zwischen Institutionentheorie und Rechtswissenschaft Bemerkenswert ist im rechtswissenschaftlichen Zusammenhang an erster Stelle, dass die soziologische und die politikwissenschaftliche Institutionentheorie historisch auf die 1925 erschienene „théorie de l’institution et de la fondation“ des französischen Verwaltungsrechtswissenschaftlers Maurice Hauriou – gewissermaßen als ‚Gründungsvater‘ – zurückbezogen sind.84 Laut Luhmann, der den Institutionenbegriff, bevor er ihn ‚überwand‘, systemtheoretisch besetzte85, wird in der juristischen Dogmatik erst seit Hauriou „der Begriff der Institution […] als eine Art menleben nicht möglich wäre ohne institutionelle ‚Entlastung‘ […], weil dadurch Erwartbarkeiten stabilisiert“ werden. Eine Entwicklung einer kritischen Institutionentheorie aus dem Erbe Gehlens findet sich als Rehberg (1990) zusammengefasst. 80 Vgl. etwa Brodocz und Waschkuhn. 81 Vgl. zum Diskussionsstand noch immer instruktiv Brodocz, S. 35 ff. 82 Vgl. die seltene Auswertung zu den Verwendungsweisen bei insbesondere Luhmann, Weinberger/MacCormick und Schelsky durch Rottleuthner (1990); klarstellend ist deshalb mit Rowe, S. 86, davon auszugehen, dass es „auch in den Rechtswissenschaften die überlieferte Institutionenlehre, den unumstrittenen Institutionenbegriff“ gar nicht gebe (Herv. i. Orig.). 83 Vgl. Brodocz, S. 94 f., der richtigerweise neben anderen auf die „Institutiones“ des Jus­ tinian hinweist, die so bedeutungsvoll für die römische Rechtsgeschichte des europäischen Zivilrechts sind. 84 Vgl. etwa Gehlen (1974), S. 382 f., Göhler, S. 23 (Fn. 6), und mit historischer und systematischer Einordnung Rehberg (1994), S. 65 f.; sekundärliterarisch Brodocz, S. 64. In jüngerer Zeit hat Boehme-Neßler (2008), S. 598, den Begriff der Institution im Sinne der hiesigen Abhandlung rechtstheoretisch wieder in Bezug genommen. 85 Vgl. Rehberg (1994), S. 52, 55; Rehberg (2012a), S. 421.

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Kontaktbegriff zur sozialen Realität verwendet“.86 Dabei ist diese ehrliche Referenz mit der politischen Schwierigkeit verbunden, dass Carl Schmitt nicht nur als erster das Werk Haurious in den deutschsprachigen Wissenschaftsraum einführte, sondern auch extensiv für sich vereinnahmte.87 Interessant ist im Zusammenhang mit dem rechtlichen Wert der Beständigkeit weiter die zeitgeschichtliche Einordnung dieser ersten Erfindung des modernen theoretischen Institutionenbegriffs, die zum Beispiel Rehberg dahingehend vornimmt, dass sie in die Suche nach Antworten gehöre, „ob und wie die nachrevolutionäre und laizistische Gesellschaft des industriellen Zeitalters zustimmungsfähig und dadurch stabilisiert werden könne“, womit einschlägig eine legitimationstheoretische Funktion des Institutionen­begriffs angedeutet wird.88 Nach Haurious grob-funktionaler Eingangsdefinition bilden „[d]ie Institutio­ nen […] im Recht wie in der Geschichte die Kategorie der Dauer, der Beständigkeit und des Wirklichen“.89 Nach seiner Theorie ist eine Institution, in nicht ganz einfacher Übersetzung in die deutsche Sprache, genauer „die Idee eines Werkes oder einer Unternehmung, die sich in Gesellschaft verwirklicht und rechtlich fortbesteht; zur Verwirklichung dieser Idee organisiert sich einerseits ein Wille, der sich mit Organen ausstattet; andererseits entstehen unter den Mitgliedern der an der Verwirklichung der Idee interessierten sozialen Gruppe Zeichen der durch die Organe des Willens geleiteten und durch Verfahrensregeln bestimmten Gemeinschaft.“90

Im Denken Haurious ist die „Theorie der Institution“ der dritte Weg einerseits zu einem Rechtssubjektivismus, der das Recht auf einen im organisierten Staat als 86

Zit. nach Rottleuthner (1990), S. 341. Schmitt (1934), S.  45 ff., gibt angesichts der „nationalsozialistischen Bewegung“ 1934 an, die „gegenwärtige Art rechtswissenschaftlichen Denkens“ nur deshalb nicht als „institutionalistisches“, sondern „konkretes Ordnungs- und Gestaltungsdenken“ zu bezeichnen, weil das „Fremdwort […] vielleicht unbewusst in der Richtung auf eine Fixierung und Erstarrung“ wirke. Zu Schmitts Lehre von den „institutionellen Garantien“ vgl. Schmitt (2003 [1928]), S. 170 ff. Vgl. zur Dogmatik institutioneller und Institutsgarantien in der Nachfolge Schmitts Rehberg (2012a), S. 431, und Rottleuthner (1990), S. 339 f. 88 Rehberg (2012a), S. 430 f.; vgl. auch Lüdemann (2004), S. 106 ff. 89 Hauriou, S. 27. 90 Dies ist eine eigene Übersetzung des durch Jussen/Blänkner, S. 109, überlieferten Originalzitats. Vgl. dort  ff. ausführlich zur analytischen Ausdeutung der Institutionentheorie Haurious. Hauriou ging es nach Wohl zutreffender Einschätzung von Rehberg (1994), S. 66, nicht um eine Logik des Institutionellen überhaupt, sondern um konkrete Rechtsinstitutionen, was man für eine Verallgemeinerung vergessen müsse. Den folgenden Absatz kann man jedoch auch als Metapher für eine allgemeinere Theorie der Institutionen lesen: „Institutionen entstehen, leben und sterben nach den Regeln des Rechts. Sie entstehen durch Gründungsvorgänge, die ihnen ihre Rechtsgrundlage vermitteln und damit ihren Fortbestand sichern. Sie leben im Objektiven wie im Subjektiven dank wiederholter Rechtsakte von Regierung und Verwaltung, welche nach einem vorgeschriebenen Verfahren erlassen werden. Schließlich sterben sie auf Grund rechtlicher Auflösungs- oder Aufhebungsverfügungen. Auf diese Weise gewinnen sie Rechtsbestand und Dauer, und ihr breiter, sicherer Weg wird gelegentlich gekreuzt durch die Spuren flüchtiger Rechtsbeziehungen“ (Hauriou, S. 35 – Herv. d. Verf.). 87

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Rechtspersönlichkeit sich manifestierenden Willen gründen sehe, ohne Recht in außerstaatlichen Zusammenhängen erklären zu können, und andererseits einem Rechtsobjektivismus, der die kreative Schöpfung des Rechts nicht erklären könne. Der Rechtssubjektivismus habe die bewegende Kraft als Dauer aufgefasst, der Rechtsobjektivismus die Dauer als bewegende Kraft.91 Auf die Frage, „wo in der Gesellschaft die schöpferische Macht liegt“92, antwortet er mit der Annahme, die zu verwirklichenden Ideen hätten objektive Existenz, seien „bereits in der weiten Welt vorhanden, mitten zwischen den Dingen“, und das subjektive Element bestehe darin, sie zu finden „wie ein Bergmann auf einen Edelstein trifft“.93 Will man ihm in diesem Punkt, wie hier, nicht folgen, bleibt die Frage der Herkunft der Rechtsideen einstweilen offen. 2. „Symbolische“, auch metaphorische Verkörperung der Institutionen? Bei Hauriou ist der Prototyp der Institution, der sein Hauptaugenmerk gilt und die er erklären möchte, der menschliche Verband, die juristische Person („institution-personne“)94, die, wie gezeigt wurde, in der rechtswissenschaftlichen Literatur der Sache nach gerade als metaphorologisches Problem erkannt wurde. Hauriou hat den wesentlichen Vorgang ihrer Entstehung schließlich in der Verkörperung („incorporation“) des zur Verwirklichung einer leitenden Idee („idée ­directrice“) entschlossenen Willens gesehen, die zur Personifizierung („person­ nification“) führt.95 Die Personifizierung ist als Form der Metapher im Rahmen dieser Untersuchung insbesondere durch Lakoff und Johnson benannt worden. Tatsächlich sind zumindest viele der umgangssprachlich hauptsächlich als solche bezeichneten Institutionen solche, von denen personifiziert gedacht und gesprochen wird (der Staat ‚will‘, die Familie ‚verreist‘, die Kirche ‚sagt‘, Eigentum ‚verpflichtet‘ usw.). Die „Personifizierung“ ist eine Metapher, die „Verkörperung“ ist eine Metapher und beide bedingen Metaphern. Die Verkörperung und die Personifikation, deren Unterscheidung hier nicht wichtig ist, vollziehen sich offensichtlich keinesfalls zuletzt in Metaphern. Heutige Institutionentheorie, wie diejenige im Rahmen der hier als Haupt­ referenz dienenden „Theorie und Analyse institutioneller Mechanismen“ (TAIM) Karl-Siegbert Rehbergs, versucht in verhältnismäßig abstrakten Beschreibungen den an den Institutionenbegriff aufgrund des ausufernden allgemeinen Sprach­ gebrauchs herangetragenen Erwartungen gerecht zu werden, und definiert eine „Institution“ idealtypisch als „Sozialregulation“, als „Ordnung“, als „Stabilisierung 91

Hauriou, S. 33. Hauriou, S. 32. 93 Hauriou, S. 39. 94 Vgl. Rowe, S. 117 f. 95 Vgl. Hauriou, S. 36. 92

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von Orientierungen“, die ihre eigenen „Prinzipien und Geltungsansprüche symbolisch“ zum Ausdruck bringe.96 Die eingebürgerte, aber vielleicht nicht ganz glücklich gewählte Bezeichnung des „Symbolischen“ darf hier auf keinen Fall irritieren. Das Symbol ist – wie bei Gehlen – sehr weit und ziemlich nüchtern semiotisch gemeint.97 Gerade darin erscheint die Institution als Setzung, dass das, was als symbolische Dimension gekennzeichnet wird, etwas Selbstbezügliches, also etwas Zirkuläres hat.98 Institutionen sind „Regelsysteme und Organisationskomplexe, die eine Eigenidentität suggerieren“99, und zwar durch Darstellung, durch Sichtbarkeit.100 Hiermit ist etwas angesprochen und zum wesentlichen Definitionsmerkmal des Institutionellen gemacht, das der Sache nach der „Anschaulichkeit“ im Zusammenhang der Metapherntheorie zu gleichen scheint: Institutionen „erweisen sich bei näherem Hinsehen als Organisationen oder Interaktionsformen, in denen die Sichtbarkeit der Ordnung in den Mittelpunkt gerückt ist“101, „das Institutionelle an einer Ordnung ist die symbolische Verkörperung ihrer Geltungsansprüche“.102 Suggeriert wird durch Sichtbarkeit, dass das so charakterisierte Institutionelle nicht kontingent, nicht willkürlich sei und von „,Dauer‘ (die instituiert ist, als ob sie ewig währte)“. Ein ausdrücklicher Hinweis auf Vaihinger würde passen, wenn klar­ gestellt wird, dass es sich bei der leitenden Idee, die idealtypisch in Hinblick auf eine Institution ausformuliert werde103, um eine fiktionale Größe handele, wobei Fiktionalität nichts bloß Gedachtes oder Behauptetes meine, sondern „auf die Konstruktionsfreiheiten geltungsbegründender Deutung der Welt“ hinweise.104 Dies ist die objektive Seite der Institution. Die subjektive Seite findet sich darauf zulaufend, dass (idealtypische)  „Institutionen“ bzw. institutionelle Mechanismen als nur mehr oder weniger idealtypische Institutionalisierungsformen auf einer fließenden Skala von „Ausdrücklich 96

Rehberg (1994), S. 56. Vgl. einerseits Göhler, zit. nach Brodocz, S. 58, und Rehberg (1994), S. 62 f., schließlich Rehberg (2012a), S. 424 f. (‚Die Welt ist grundsätzlich symbolisch vermittelt.‘), andererseits jedoch, was das „ziemlich“ rechtfertigt, Rehberg (2002), S. 47 f.: „Institutionelle Symbolisierungen sind mehr als nur zeichenhafte Verweisungssysteme […] Gegenüber der semiotisch entwickelten Zeichenbegrifflichkeit haftet den Symbolbegriffen die vermittelnde Gegenwärtigkeit des Abwesenden, des Unsichtbaren, des Transzendenten an, also oft ein Moment des Archaischen. […] Institutionelle Stabilisierungen bleiben eng geknüpft an eine besondere Form der durch Sichtbarkeit suggestiv verstärkten Ordnungs-‚Magie‘“. Damit bleibt der Symbolbegriff allerdings immer noch weit hinter esoterischen Lehren, etwa den Symbolbegriffen Goethes und der Romantik, zurück. 98 Rehberg (1994) spricht auf S. 56 von „Selbstsymbolisierung“, auf S. 68 von „Selbstaus­ legung“. 99 Rehberg (1990), S. 138 (Herv. d. Verf.); Rehberg (1997), S. 102, spricht von „Eigenwert und Eigenwürde“. 100 Rehberg (1997), S. 102. 101 Rehberg (1997), S. 102 (Herv. i. Orig.). 102 Rehberg (1994), S. 57. 103 Rehberg (1994), S. 56. 104 Rehberg (1994), S. 68. 97

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keitsniveaus“105, das heißt extensiver Prägnanz, zugleich  – verweisend auf Max Weber – „Stufen der Verdichtung“ (Institutionen seien „‚geronnener Geist‘“106) intragesellschaftlicher Orientierungen darstellten, mit denen „Legitimationsglaube“ und schließlich Geltung verknüpft seien.107 Legitimationsglaube soll nicht entstehen können ohne die „,Sichtbarkeit‘“ eines Geltungsanspruches.108 Weber hatte in Wirtschaft und Gesellschaft „Geltung“ vieldeutig darin gesehen, dass „Handeln, insbesondere soziales Handeln und wiederum insbesondere eine soziale Beziehung, […] an der Vorstellung vom Bestehen einer legitimen Ordnung orientiert werden“ könnten.109 Die Schlussfolgerung Rehbergs bedeutet „Rechtfertigung durch Darstellung“!110 Im zitierten Zusammenhang spricht Weber übrigens auch vom „Prestige der Vorbildlichkeit“, das einer „infolge der Eingelebtheit eines Verhaltens“ erfolgenden Orientierung verstärkend eigne im Vergleich zu einer „bloß aus zweckrationalen Motiven eingehaltenen Ordnung“.111 Es liegt innerhalb der Institutionentheorie die Annahme auf der Hand, dass Metaphern eines der vorzüglichsten Darstellungsmittel des Institutionellen seien112, ja eine kleine Form institutioneller Mechanismen, indem sie eine gewisse Anschaulichkeit vermitteln, die zwar hinter der Anschaulichkeit sinnlich wahrnehmbarer Dinge zurückbleibt, jedoch an der ökonomischen Flexibilität und Zentralität der Sprache, wie sie beschrieben wurden, teilhat.113 Dabei zeigen Metaphern, wenn und soweit sie präskriptiv sind, in besonderer Weise die Kehrseitigkeit von Ord 105

Rehberg (1994), S. 57. Rehberg (1994), S. 56. 107 Vgl. Rehberg (1990), S. 138; Rehberg (1994), S. 72. 108 Rehberg (1995), S. 184. 109 Weber (2008 [1922]), S. 22 (Herv. i. Orig.). 110 s. wörtlich Rehberg (1994), S. 72. 111 Weber (2008 [1922]), S. 23 (Herv. d. Verf.). 112 Das Metaphorische selbst wird in der institutionentheoretischen Literatur nur selten ausdrücklich in Bezug auf die Funktion der Verkörperung genannt, mit Seltenheitswert deshalb Rehberg (1995), S. 190. Allgemeiner wird indes einschlägig formuliert, dass sich das Institutionelle in Textsymbolen (hingewiesen wird ausdrücklich auf „Verfassungen, autoritative Quellen richtigen Wissens“) und auch „eingeschliffenen Sprachformen“ ausdrücke, so etwa Rehberg (2002), S. 48 f. Weiter hierzu in Kapitel IV. 113 Vgl. Fritz, S. 21: „Konventionen [z. B. die Usualisierung einer Metapher, d. Verf.] bauen sich dadurch auf, daß zunächst eine erfolgreiche Verwendung eines Ausdrucks als Vorbild (Präzedenz) für neue Verwendungen genutzt wird. Durch Wiederholung verstärkt sich die Erwartung, daß gerade dieser Ausdruck für diesen Zweck geeignet ist und auch weiterhin in diesem Sinne benutzt wird, und gleichzeitig baut sich das gemeinsame Wissen über diese Erwartung auf. Konventionalisierung wird also nicht gemacht, sie stellt sich graduell ein. Das gemeinsame Wissen über die Erwartungen hat auch eine normative Wirkung. Die Konventionalisierung einer Verwendungsweise bedeutet nicht nur, daß es nun eine bestimmte Verhaltensregularität gibt, sondern daß diese Art der Verwendung als richtig gilt und daß Abweichungen als solche wahrgenommen werden können. Konventionen dieser Art werden oft auch als Regeln bezeichnet. Da man Gebrauchsregeln als Mikroinstitutionen betrachten kann, sind für diesen Fragenkreis auch Überlegungen zur Institutionalisierung einschlägig“ (Herv. i. Orig.). 106

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nung und Darstellung, weil die Vorstellung, die für bestandsähnliche Anschaulichkeit sorgt, zugleich den ideellen Aspekt der Institution (wesentlich mit-)konstituiert, der an seinem eingelebten Vorbild orientiert wird. Wenn also z. B. in Bezug auf das Verhältnismäßigkeitsprinzip von „Angemessenheit“ oder „Proportionalität“ die Rede ist, liegt darin die darstellende Suggestion, der zumindest ursprünglich kreative, produktive Schluss des symbolischen Nachvollzugs dessen im Rechtsdenken, was in der sinnlichen Umwelt fortwährend eingelebt wird (je Tasse Kaffee wird z. B. ein Teelöffel Kaffeepulver abgemessen), und zum anderen wird die Idee der gerechten Verteilung von Begünstigungen und Lasten strukturiert, so dass angemessen bzw. proportional nur ist, was an Lasten des einen Rechtsträgers nicht über ihm zuzuordnende Vorteile hinausgeht bzw. diese überwiegt.114 3. Metapher(n) und institutionelle Legitimität Der Gesichtspunkt der Legitimität soll hier vertieft werden. Institutionen müssen Stabilität behaupten und zugleich den Veränderungen der Welt gewachsen sein.115 Die Kultur, die sich in Institutionen ausmacht, erscheint theoretisch paradox und gleicht in praktischer Auflösung dieser Paradoxie einer Gratwanderung. In ihnen bringt es der Mensch seiner Freiheit zum Trotz und diese darin zugleich vollziehend „zu einem voraussehbaren, regelmäßigen, bei gegebenen Bedingungen denn doch mit einiger Sicherheit provozierbaren Verhalten, also einem solchen, das man quasi-instinktiv oder quasiautomatisch nennen könnte, das bei ihm an Stelle des echt instinktiven steht und das offenbar den stabilen sozialen Zusammenhang erst definiert. […] Werden Institutionen zerschlagen, so sehen wir sofort eine Unberechenbarkeit und Unsicherheit […] des Verhaltens erscheinen, das man jetzt als triebhaft bezeichnen kann.“116

Das Nichtfestgestelltsein ist der Naturzustand des Menschen, in dem er in empirischer Perspektive kaum verbleibt, sondern aus dem heraus er die Gemeinschaft mit anderen Menschen durch Institutionen sucht, in denen zu bestimmende gemeinsame Zwecke den Modus von (stabilen, Sicherheit erzeugenden) Denk­gewohnheiten einnehmen.117 Dies ist die institutionentheoretisch formulierte 114

Indem Rehberg übrigens einmal anmerkt, dass das für Institutionen grundlegende darstellende Verhalten „wesentlich Mimesis als nachahmende Expressivität“ sei, die beim Offensichtlichmachen herrschaftlicher Geltungsansprüche eine wichtige Rolle spiele, deutet er eine Verbindung zur aristotelischen Ästhetik an, der nachzugehen an anderer Stelle fruchtbar sein könnte, wenn die Klärung des Verhältnisses von einerseits Institutionen- und andererseits­ Metapherntheorie fortgeschritten ist. 115 Vgl. Gehlen (1974), S. 56. 116 Gehlen (1974), S. 79 (Herv. i. Orig.). 117 Zum sozialen Aspekt insbesondere auch Gehlen (1974), S.  165: Institutionen, „in denen sich unsere individuellen Bedürfnisse mit den allgemeinen, sachlichen Notwendigkeiten verschränken, die das Dasein der Gesellschaft entwickelt“. Vgl. schon jetzt weiter ebd., S. 402 ff.

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Grundsituation, die staatstheoretisch die Lehre vom Gesellschaftsvertrag bestimmt.118 Im Hobbesschen Leviathan erkennt Rehberg gerade auch eine Grundstellung des Institutionellen insofern, als die Menschen dort die von ihnen aus einer Selbsterhaltungsrationalität heraus entworfene Institution über das zweck­ rational Gebotene hinaus über sich selbst zur Gestalt einer unbedingten Souveränität erhöben. Er erkennt darin – als historisch-anthropologische Konstante – eine „merkwürdige Irrationalität“ von Geltungs-, d. h. „Vertrauens- und Autoritätsüberschüssen“.119 Tatsächlich hatte Hobbes ja selbst den vertragstheoretisch gerechtfertigten Staat als „Commonwealth by institution“ gekennzeichnet. Das harmonische Zusammenleben tierischer Völker, wie der Bienen und Ameisen, sei „natural; that of men is by covenant only, which is artificial: and therefore it is no wonder if there be somewhat else required, besides covenant, to make their agreement constant and lasting; which is a common power to keep them in awe and to direct their actions to the common benefit. The only way to erect such a common power […] is to confer all their power and strength upon one man, or upon one assembly of men, that may reduce all their wills, by plurality of voices, unto one will: which is as much as to say, to appoint one man, or assembly of men, to bear their person; and every one to own and acknowledge himself to be author of whatsoever he that so beareth their person shall act, or cause to be acted, in those things which concern the common peace and safety; and therein to submit their wills, every one to his will, and their judgements to his judgement. This is more than consent, or concord; it is a real unity of them all in one and the same person, made by covenant of every man with every man, in such manner as if every man should say to every man: I authorise and give up my right of governing myself to this man, or to this assembly of men, on this condition; that thou give up, thy right to him, and authorise all his actions in like manner. This done, the multitude so united in one person is called  a COMMONWEALTH; in Latin, CIVITAS.  This is the generation of that great LEVIATHAN, or rather, to speak more reverently, of that mortal god to which we owe, under the immortal God, our peace and defence. […] And in him consisteth the essence of the Commonwealth; which, to define it, is: one person, of whose acts a great multitude, by mutual covenants one with another, have made themselves every one the author, to the end he may use the strength and means of them all as he shall think expedient for their peace and common defence. And he that carryeth this person is called sovereign, and said to have sovereign power; and every one besides, his subject. The attaining to this sovereign power is by two ways. One, by natural force […]. The other, is when men agree amongst themselves to submit to some man, or assembly of men, voluntarily, on confidence to be protected by him against all ­others. This latter may be called  a political Commonwealth, or Commonwealth by ­Institution […].“120

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Grundlegend Hobbes sowie Rousseau (1977 [1762]). Hier bereits der Hinweis auf Lüdemann (2004), vgl. unten D.I.3. 119 Auch im vorhergehenden Rehberg (2002), S. 42. 120 Hobbes, Chapter XVII (Versalien i. Orig.).

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Richtigerweise findet das zweckrational Überschüssige hier seinen Höhepunkt in der Veranschaulichung des Leviathan121, liegt ihm aber im zwischen Mythe122 und Metapher123 changierenden Vertragsschluss und der daraus entstandenen „Person“ schon voraus. „Auch die Macht des Leviathan“, zitiert Susanne Lüdemann am Ende ihrer profunden Untersuchung zu „Metaphern der Gesellschaft“ Günter Nonnen­ macher, „beruht auf dem ‚Ruf‘, der ‚Reputation‘, also in letzter Instanz auf dem Glauben der Betroffenen. (…) Da auch der Souverän nur deshalb mächtig ist, weil die Untertanen an seine Macht glauben, muss er […] versuchen, den Glauben an seine Macht zu wecken, zu erhalten und zu festigen“. Der Schluss liege nahe, so Lüde­ mann, dass die metaphorische Drapierung des Leviathan den Zweck habe, die im übrigen Text aufgedeckte Fragilität der Macht in den Hintergrund treten zu lassen.124 In der Machttheorie liegt der vielleicht wichtigste Punkt, in dem metaphorische und institutionelle Mechanismen sich treffen: sie konservieren mehr oder weniger bewusst(e) politische Entscheidungen. Oben findet sich Blumenberg in Bezug auf die Rhetorik dahingehend zitiert, die zeitliche Begrenztheit des menschlichen Lebens lasse „auf abgekürzten Prozessen bestehen […], die der reinen Rationalität nicht genügen können, und zu Rechtsvermutungen und Präsumtionen der Beweislastlage zwingen“125, wobei Metaphern für solche abgekürzten Prozesse stehen, die phylogenetisch zunächst „in den selbstverständlichen Institutionen der Lebenswelt“ habilitiert waren, bevor sie dem Menschen zum „Muskelspiel seiner Freiheit“ dienten.126 Der Inbegriff des (philosophisch-anthropologisch so formulierten) Muskelspiels seiner Freiheit liegt in der Ausübung politischer Macht. Die institutionentheoretische Formulierung der gleichen Erkenntnis findet sich beispielhaft in einem Aufsatz von Martin Jehne und Fritz-Heinrich Mutschler, in dem diese die Rolle symbolisierender Techniken zur Erklärung der historisch verwunderlichen Stabilität der römischen Republik vom 3. bis ins 1. Jahrhundert v. Chr. darstellen: „Soziale Organisationen können die an ihnen teilhabenden und von ihnen betroffenen Menschen nicht dadurch von der Sinnhaftigkeit der ihnen zugrundeliegenden Ordnung überzeugen, dass führende Repräsentanten jedem einzelnen permanent die Vorteilhaftigkeit dieser Ordnung argumentativ vor Augen führen. Vielmehr gewinnen soziale Organisationen […] ihre spezifisch institutionelle Stabilität daraus, dass sie die Muster und Prinzipien ihrer Ordnung, eben weil sie im Alltag nicht ständig rational begründet werden können, in gut fassbaren Konkretisierungen symbolisch darstellen.“127 121 Vgl. einschlägig Utzinger, S. 5: „Wozu also der Leviathan? Wenn die Symbolik und die Rede vom Leviathan irgendeinen Sinn macht, dann weil sie die zweckrationale Begründung unterstützt und vielleicht sogar ergänzt.“ Die Antwort des Autors fokussiert am Ende ein­seitig auf die (nicht-sprachliche) Bildebene. 122 Rehberg (2002), S. 42; Vorländer, S. 245. 123 Lüdemann (2004), S. 155; Utzinger, S. 4. 124 Vgl. Lüdemann (2004), S. 178. 125 Blumenberg (2007), S. 93. 126 Blumenberg (2007), S. 88 und 110. 127 Jehne/Mutschler, S. 552.

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Eine weitere Gegenüberstellung von einerseits Metaphern- und andererseits Institutionentheorie soll ab dieser Stelle leitend wirken. Zum Phänomen der usualisierten Metapher, um die es in dieser Untersuchung prinzipiell geht, schreibt­ Lüdemann: „Entschieden ist […] der Vorstellung entgegenzutreten, die ‚tote‘, von der Sprachgemeinschaft übernommene Metapher sei die ‚unwirksame‘ Metapher. Im Gegenteil: Was Freud vom getöteten Vater sagt (‚Der Tote wurde nun mächtiger, als der Lebende gewesen war‘), gilt auch für die Metapher – erst die ‚tote‘ Metapher ist die eigentlich wirkmächtige Metapher. […] Die Metapher ‚stirbt‘ als Metapher in dem Augenblick, in dem die durch sie konstituierte sprachliche Realität für natürliche, materielle Realität gehalten wird.“

In Bezug auf die (staatstheoretisch verwendete) Organismusmetapher heißt es: „Gerade […] als vergessene [Metapher, scil], erfüllt sie aber ihren (ideologischen) Zweck, die soziale Spaltung und die Kontingenz sozialer Ordnung in allen ihren Formen zu verleugnen“, „These ist, dass jede Konstruktion gesellschaftlicher Totalität nur von dem her verständlich wird, was sie ausschließen will, ja muss, nämlich eine (jede)  andere Konstruktion gesellschaftlicher Totalität. Jede Konstruktion gesellschaftlicher Totalität will in ihrem referentiellen Begehren den ‚Bürgerkrieg‘ rivalisierender Konstruktionen beenden – ein für alle Mal.“128, 129

Und zur durch Legitimitätsglaube zumindest begünstigten Stabilisierung von Institutionen formuliert Rehberg: „Die Machtsteigerung und Macht-‚Speicherung‘ in Institutionen ist gleichermaßen machtgestützt und durch eine Tabuisierung der Macht garantiert. […] Institutionen sind […] kulturelle Einrichtungen“, wobei „[e]ntscheidend ist, dass die leitenden Zielsetzungen und grundlegenden Werte […] durch Macht zwar befördert und garantiert, nicht aber durch Macht kreiert […] erscheinen. Insofern gilt generell: institutionelle Macht präsentiert sich als ‚reine Geltung‘. Eine solche […] ‚Allmacht‘ des jeweiligen Institutionalisierungs-Prinzips (trete sie nun als der Wille Gottes oder als Sachzwang auf) darf auf einzelne Machtprozesse gerade nicht gegründet sein, denn alle relevanten, d. h. praktisch möglichen Alternativen von Grundsatz-Festlegungen sollen ja ausgeschaltet sein, und die Erwähnung des Einsatzes von Machtmitteln – von der Kontingenz des menschlichen Lebens abgeleitet – erinnert ja gerade an die Potentialität, an das Anders-Sein-Können.“130

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Lüdemann (2004), S. 44, 106 bzw. 13 (Herv. i. Orig.). Vgl. Felder, S. 544, wissenssoziologisch zu „semantischen Kämpfen“: Es „verbergen sich hinter fachlichen Auseinandersetzungen mitunter spezifische Begriffsnetze, die gemeinhin für ganze Schulen bzw. ein definiertes, methodisch durchorganisiertes Erkenntnisinteresse stehen können. […] Unter ‚semantischem Kampf‘ wird hier […] der Versuch verstanden, in einer Wissensdomäne bestimmte sprachliche Formen als Ausdruck spezifischer, interessensgeleiteter und handlungsleitender Denkmuster durchzusetzen.“ 130 Rehberg (1994), S. 72 f.; vgl. auch etwa zuletzt Rehberg (2012b), S. 5, Rehberg (2012a), S. 439. Vgl. Certeau, S. 37: „In der Tat fußt jede Autorität auf dem Realen, dessen Verkündigung ihr unterstellt wird. Das Produzieren und Mobilisieren von Gläubigen geschieht immer im Namen eines Realen.“ 129

146

C. Mensch, Metapher, Recht, Geschichte

Das auf der Hand liegende positive Verhältnis zwischen Metapher und Institution131 wird von der Institutionentheorie, die bislang nicht mit spezifischen Äußerungen zur Funktion von Metaphern verbunden wurde, wenigstens am Rande bestätigt, indem zum Beispiel festgestellt wird, die institutionelle Form einer Ordnung könne sich in „eingeschliffenen Sprachformen“ ausdrücken.132 Es lässt sich danach vorläufig wie folgt bestimmen: Präskriptive Metaphern tragen zur Gründung und insbesondere Geltung sozialer Beziehungen, das heißt Institutionen bei. Dies gilt in Bezug auf die Gründung, weil sie im Wege der Analogie eine Ordnungsidee setzen, und in Bezug auf die Geltung, weil sie anthropologisch begründet die in ihnen jeweils verkörperten Ordnungsideen (legitimations-)glaubhaft im Sinne einer Realitätssuggestion133 machen.134 Dies gilt umso stärker, desto usualisierter und damit terminologisierter sie sind, so dass sie prinzipiell nicht mehr als angemessen in Frage gestellt werden. Die präskriptive Metapher lässt sich in diesem Sinne durchaus als institutioneller Mechanismus bezeichnen. Für das Verhältnis der präskriptiven Metapher zur „Meta-Institution“ des Rechts (Rehberg) gilt danach, dass die Metaphern im Rechtssystem, seien es solche in Gesetzestexten oder solche, mit denen rechtswissenschaftlich an der Beschreibung des Rechts gearbeitet wird, in dialektischer Weise an dessen Legitimierung teilnehmen und es so stabilisieren, und zwar – ohne Widerspruch zur generalisierend daherkommenden, aber in Wirklichkeit auf deskriptive und auffällige Metaphern bezogenen juristischen Abneigung gegen „Metaphern“ – desto eher, je eingespielter und unauffälliger sie sind.

131 Dass Metapher und „Institutionalität“ ‚auf der gleichen Seite‘ stehen, weist Lüdemann (2004), z. B. S. 14, 28, 74, 103, immer wieder auf, ohne dieses Verhältnis institutionentheoretisch auszuarbeiten. Dort am erstgenannten Ort, offensichtlich nur in Bezug auf hier sog. präskriptive Metaphern zu verstehen: Die „‚wörtliche Übernahme‘ von Metaphern [verweist, d. Verf., …] auf einen Prozess der Institutionalisierung, in dem ‚gesellschaftliche Realität‘ ihrer metaphorischen Präfiguration erst nachfolgt“; ausführlicher unten. Auch bei Cornelius­ Castoriadis, auf den zurückzukommen ist, findet sich ein weiter erforschenswerter Gleichlauf von Institution und Metapher angedeutet, indem er einerseits die Institutionen als Symbolisches zweiten Grades bezeichnet, wobei zum Symbolischen allgemein insbesondere die Sprache gehört, und andererseits Metaphern im engeren Sinne als Tropen zweiten Grades kennzeichnet, Castoriadis (1984), S. 195 bzw. 571. 132 Rehberg (2002), S. 49. 133 Vgl. Rehberg (2002), S. 47 f.: „Institutionelle Stabilisierungen bleiben eng geknüpft an eine besondere Form der durch Sichtbarkeit suggestiv verstärkten Ordnungs-‚Magie‘.“ 134 Höchst aufschlussreich Lüdemann (2004), S.  40: „‚Wäre es nicht ein beunruhigender Gedanke‘, schreibt Max Black […], ‚wenn man annehmen müsste, eine Metapher legitimiere sich von selbst, indem sie eben jene Realität, auf die sie die Aufmerksamkeit zu lenken scheint, selbst herstellt?‘. Die Beunruhigung ist indes so wenig von der Hand zu weisen wie der Gedanke.“

III. Die Rechtzeitigkeit der Metapher – Verfahrensökonomie

147

III. Die Rechtzeitigkeit der Metapher – Verfahrensökonomie „Eine gerechte, angemessene Entscheidung ist immer sofort, unmittelbar erforderlich, ‚right away‘“, sagte Derrida135; „[e]ine glücklich gewählte Metapher vermag kraft ihrer Evidenz eine langatmige Begründung zu vertreten“ sagte der Münsteraner Rechtshistoriker Hans Kiefner.136 Es kann an dieser Stelle zunächst, sich anschließend, darauf verwiesen werden, was bereits zu Blumenbergs Erkenntnissen zur Funktion der Metapher im Hinblick auf die lebensnotwendige Bewältigung von Wahrheitsbedarf gesagt wurde. Blumenbergs Erkenntnisse137, angewendet auf den Bereich des Rechts, liegen zwischen den Zitaten Derridas und Kiefners. Die Aporie des Rechts, die Derrida beschreibt und der eine ihr verwandtschaftlich eng verbundene, ähnlich gelagerte Aporie auf der Ebene der Gesetzgebung vorgelagert ist, liegt in den aus menschlicher Sicht unendlichen Anforderungen der Gerechtigkeit an die an ihr gemessen richtige, das heißt gerechte Entscheidung, darunter jedoch ihre Dringlichkeit.138 Die Gerechtigkeit verhält sich bekanntlich überaus ähnlich der Wahrheit139; es handelt sich um in ihren jeweiligen Kontexten ebenso denknotwendige wie unerreichbare Ansprüche. Ist die Gerechtigkeit die Zwillingsschwester der Wahrheit, so ist die Zeitnot die Zwillingsschwester des Rechts.140 Die gerechte, angemessene Entscheidung muss „die Zeit ze­r reißen und den verschiedenen Dialektiken“ trotzen. Der entscheidende Mensch muss kraft seiner Autorität eine Wahrheit (Tatbestand) aussprechen und Gerechtigkeit ‚üben‘141, er kommt jedoch nie in Übereinstimmung mit ihr.142 Die Zeit des Unrechts auszugleichen, wenn überhaupt (z. B. durch Zuspruch entgangenen Gewinns, insbesondere Zinsen, durch Haftentschädigung etc.), markiert schon im Prinzip seine insoweit unlöschbare Existenz. Auf das Recht auf gerichtliche Entscheidung innerhalb „angemessener“ (engl. reasonable) Zeit als Teil des Rechts auf fairen Rechtsschutz nach Art. 6 EMRK, zugleich ein gemeineuropäischer Rechts­gedanke, wurde bereits hingewiesen. Angemessen muss die Zeit, die die Entscheidung braucht, dem jeweiligen Einzelfall (gemessen an seiner Schwierigkeit und seiner Bedeutung für die Rechtsuchenden) sein; dauerhafte Untätigkeit des Gerichts, das heißt Diskontinuität des materiellen Verfahrens, kann nicht angemessen sein.143 135

Derrida (1998), S. 54 (Herv. i. Orig.). Kiefner, S. 475. 137 s. unter B.I.3.b)bb) f. 138 Derrida (1998), S. 53 ff. 139 Ganz im Sinne der berühmt gewordenen Sentenz von Rawls, S.  19, die Gerechtigkeit sei die erste Tugend sozialer Institutionen, so wie die Wahrheit bei Gedankensystemen; vgl.­ Derrida (1998), S. 55 f. 140 Zur Zeitnot im Recht auch Kiesow (2004), S. 281 ff., 286. 141 Von ahd. uoben ‚Landbau treiben, (aus)üben, verrichten, treiben, verehren‘ (9. Jhd.), vgl. Pfeifer (2010), s. v. „üben“. 142 Vgl. Derrida (1998), S. 21: „man kann nicht sagen ‚dies ist gerecht‘ und noch weniger ‚ich bin gerecht‘, ohne bereits die Gerechtigkeit, ja das Recht zu verraten.“ 143 Vgl. Meyer-Ladewig, Art. 6 EMRK Rz. 200, 202. 136

148

C. Mensch, Metapher, Recht, Geschichte

Doch inwiefern tragen Metaphern dazu bei, es auf eine Beschwerde beim Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte in der Regel nicht ankommen lassen zu müssen? Wird schon einmal eine Metapher eine Verfahrensdauer um mehrere Monate reduziert haben? Zunächst einmal wäre radikal mit Arendt und anderen davon auszugehen, wobei Kiefner und wohl auch Blumenberg es konkret nicht so radikal gemeint haben, dass sich das Geistesleben ursprünglich ganz aus Metaphern, aus Übertragungen aus der Lebenswelt konstituiert habe und aus ihren anschließenden Vermischungen und gegenseitigen Verformungen bestehe. So wäre ohne Metaphern schon keine (Un-)Gerechtigkeit, keine (Un-)‚Angemessenheit‘ (zum Beispiel der Dauer des Verfahrens). Die Frage der Gerechtigkeit würde ohne Metapher gar nicht erst aufgeworfen. Die kategoriale Qualität der angemessenen Metapher ist die der gerechten Entscheidung: Die angemessene, gerechte Metapher – die angemessene, gerechte strukturelle Metaphorologie wäre diejenige, die als gewissermaßen actus contrarius zur ursprünglichen, ersten Metapher den Geist in absolute Übereinstimmung mit der Welt brächte. Sie ist dem Menschen unmöglich.144 Gemäßigt radikal wäre auf die vielen Metaphern der Sprache allgemein und nicht anders der Rechtssprache hinzuweisen, auf die für jede Falllösung grundlegende Metapher der Kausalität zwischen Tatbestand und Rechtsfolge, wie sie Engisch verstand. Striche man aus einem beliebigen Urteil und seiner Begründung sämtliche als solche erkennbaren Metaphern, bliebe von ihm wenig übrig. Dies weist da­rauf hin, dass es auch in diesem Zusammenhang weniger um die eine, auffällige Metapher gehen kann, die in einem Geniestreich ein Problem ein für alle mal löste, als um strukturelle Metaphorologien, die sich subtil, d. h. sich in einzelnen Wendungen und Anwendungen an neue Fälle ‚anpassend‘, fortschreiben. Man denke zum Beispiel an ein Entscheidungskriterium wie jenes, „ob eine zwischenstaatliche Einrichtung im Sinne des Art. 24 Abs. 1 GG sich in den Grenzen der ihr übertragenen Hoheitsrechte hält oder aus ihnen ausbricht“.145 Ohne Metaphern wie diejenigen des „Zuständigkeitsbereichs“, der „begrenzten Ein­zel­ermäch­ ti­gung“ (vgl. Art.  5 Abs.  1 Satz 1 EUV) oder diejenige der „Verdrängung“146 einer Regelung durch eine andere müsste, was jeweils gemeint ist, aufwändig (und praktisch unmöglich restlos unmetaphorisch) erklärt werden, um verstanden zu werden.147

144

Vgl. die in Joh 1, 1 zum Ausdruck gefundene jüdisch-christliche Tradition. BVerfG, Beschluss vom 08.04.1987, Az. 2 BvR 687/85 („Kloppenburg“), Absatz Nr. 58; vgl. aus neuerer Zeit etwa BVerfG, Beschluss vom 06.07.2010, Az. 2 BvR 2661/06 („Mangold“), Absatz Nr. 55 – jeweils zit. nach juris. 146 Allgemein geläufiger Rechtsbegriff, vgl. statt vieler (zufällig ausgewählt) BVerfG, Beschluss vom 06.07.2010, Az. 2 BvR 2661/06 („Mangold“), Absatz Nr. 54; BGH, Urteil vom 25.04.2013, Az. IX ZR 62/12, Absatz Nr. 25; BGH. Beschluss vom 19.03.2013, Az. 1 StR 8/13, Absatz Nr. 37 – jeweils zit. nach juris. 147 Vgl. auch Boehme-Neßler (2010), S. 141 f., zur, von ihm auf Art. 19 Abs. 4 GG bezogenen, Beschleunigung der Rechtskommunikation durch (‚echte‘) Bilder. 145

IV. Die Beliebigkeit der Metapher – Freiheit?

149

Diese aufwändige, utopischerweise möglichst wenig metaphorische Erklärung hätte, wenn sie überhaupt verstanden würde, auch einen weiteren Nachteil: Im Vergleich zur kurzen, metaphorischen Rede wäre ihr Inhalt tendenziell so gut zu erinnern wie die Lösung einer entsprechend aufwändigen mathematischen Rechenaufgabe. Metaphorische Rechtsbegriffe als mehr oder weniger vollständige, scharfe und bewusste „Bilder im Kopf“ haben auch einen mnemotechnischen Vorteil, das heißt sie sind leichter zu erinnern als unmetaphorische Texte148; gut das Recht, das sich ‚behalten‘ lässt. Dies trifft zum einen die richterliche Tätigkeit, denn Richterinnen und Richter neigen ebenso unter Vergesslichkeit wie andere Menschen auch; Metaphern ersparen ihnen nicht nur Schreib- und Redezeit durch kürzere Gründe, sondern auch Auffindezeit bezogen auf eine ‚passende‘ Argumentation. Auch auf der Seite der Rechtsunterworfenen hängt schließlich die Wirksamkeit des Rechts auch insofern von seinen metaphorischen Qualitäten ab, als sie Strukturen der Gerechtigkeit leichter erinnern und ‚zum Maßstab‘ eigenen Handelns machen lassen. Dies schließt an die Überlegungen zur auf Verkörperung angewiesenen und in Metaphern vollzogenen Institutionalität des Rechts an. Nur in der jeweiligen Situation angemessener Zeit subjektiv erinnertes Recht kann überhaupt objektiv befolgt werden und mithin (Rechts-)Konflikte vermeiden.

IV. Die Beliebigkeit der Metapher – Freiheit? Nach Blumenberg deuten Metaphern als solche auf menschliche Freiheit hin. Damit ist ein wesentliches Thema auch des modernen abendländischen Rechts angesprochen. Freiheit gehört zu den Leitideen der (west-)europäisch/nordamerikanisch geprägten Rechtskultur.149 In dieser Rechtskultur wird davon ausgegangen, dass die Gattung Mensch dazu befähigt sei, frei zu handeln – ja sogar „verurteilt ist, frei zu sein“.150 Dabei wird Freiheit überwiegend als Sache von Individuen vorgestellt, die im Idealfall – wie man so sagt – „souverän“ denken und handeln.151 Das Recht wird in dieser von liberalen Vertragstheorien geprägten Tradition als sozialregulative Ermöglichungsform möglichst unumschränkter individueller Freiheit(en) gedacht. Nicht das Recht an sich soll frei sein; im Gegenteil soll es beständig, also festgelegt sein. Diese Vorfestlegung soll aber durch freiwillige Übereinkunft, also freie menschliche Bestimmung legitimiert sein, wozu die abendländische Philosophie der Neuzeit allerhand Konstruktionen erfunden hat. Stünde die Metapher für menschliche Freiheit, fände sie eine andere Akzeptanz im Recht, als wenn sie für die Gefahr stünde, Kommunikationserfolge durch Doppeldeutigkeit zu ver 148

Vgl. in Bezug auf diesen Zusammenhang Boehme-Neßler (2010), S. 22 ff.; Röhl (2010), S. 17. Vgl. historisch statt vieler Art. 2 Abs. 1, 4 Abs. 1, 5 Abs. 1 und 3, 12 Abs. 1 Satz 1 GG und unten E.V.2. Die Schwierigkeiten eines rechtsdogmatischen Umgangs mit diesem Begriff zeigt etwa Alexy (1994 [1985]), S. 194 ff., auf. 150 Sartre, S. 950. 151 Vgl. zur historischen Individualisierung des Souveränitätsbegriffs insbesondere unten E.IV.1. 149

150

C. Mensch, Metapher, Recht, Geschichte

hindern. Die Frage, inwiefern Metaphern für Freiheit stehen, wird nicht ohne die Frage zu behandeln sein, wie Metaphern determiniert werden. 1. Die Geburt der Freiheit aus der Distanz zur kosmischen Wahrheit im jüdisch-christlichen Gründungsmythos Die Begründung, die Blumenberg für die Verbindung der Metapher mit Freiheit gibt, ist zweischneidig. Erstes Argument ist, dass es bei der Metapher nicht „um die Bedürfnisse des nackten Lebens und Überlebens geht“, sondern um die sehr dynamisch verlaufende Konstruktion solcher ‚Weltverhältnisse‘, die symbolisch und imaginativ sind.152 Mehr noch – zweites Argument – fungiert sie aber auch als Ausdruck der Nichtidentität der Sprache des Menschen mit dem „Logos der Welt selbst“, hinter dessen logischer Adäquanz im Verhältnis zur Wahrheit die menschliche Sprache (in jeder ihrer Fassungen) zurückbleibe.153 Diese Formulierung ist vor dem Hintergrund der jüdisch-christlichen Tradition zu verstehen, in der der Begriff des „Logos“ in enger Verbindung mit dem Gottes steht.154 Menschliches Leben – von der Bibel als solches in der Verbannung aus dem Paradies, von Heidegger nicht ganz unverwandt als „Sein zum Tode“ beschrieben155 – erhält seine Prägung aus der Distanz vom (originären) Logos: Nachdem die Frau als Erste die Möglichkeit wahrgenommen hatte, emanzipiert von Gott zu handeln, indem sie sich frei entschied, der Schlange zu glauben und von der göttlich verbotenen Frucht zu essen, nannte Adam (was Mensch bedeutete) „seine Frau Eva (Leben), denn sie wurde die Mutter aller Lebendigen“. Den Lebendigen, denen die jüdisch-christliche Überlieferung eine gewisse Ebenbildlichkeit im Verhältnis zu ihrem Schöpfer zuerkennt156, eröffnet nach Kohl gerade die Metapher „abenteuerliche[n] Möglichkeiten der Kreativität“157. Hier ist zunächst eine Strukturähnlichkeit zwischen Mensch und Metapher bemerkenswert. Der Mensch wird im Mythos gedacht als aus einer ursprünglichen Einheit mit dem Logos herausgetreten, was sich aus der Überschreitung der Grenzen eines mit dem Logos ursprünglich verwandten Nomos ergibt.158 Eine Me 152

Blumenberg (2007), S. 88 f. und 110. Blumenberg (2007), S. 89. 154 Dies geschieht auf der Grundlage des griechischen Textes zu Joh 1,1. Vgl. allgemein zu dessen Rezeptionsgeschichte Enders/Kühn und speziell in der römisch-katholischen Theologie Ratzinger, S. 115 ff. 155 Heidegger, S. 260 ff., insbesondere S. 264: „Das vorlaufende Freiwerden für den eigenen Tod befreit von der Verlorenheit in die zufällig sich andrängenden Möglichkeiten, so zwar, daß es die faktischen Möglichkeiten, die der unüberholbaren vorgelagert sind, allererst eigentlich verstehen und wählen lässt“ (Herv. i. Orig.); vgl. Gen 1, 17; 3, 19, 22. 156 Vgl. Gen 1, 26; 3,22. 157 Kohl, S. VII. 158 Wenn im Mythos Joh 14, 6 den christlichen Messias sagen lässt, er sei „der Weg und die Wahrheit und das Leben“, kam darin gerade die Verheißung der Wiederherstellung der ursprünglichen, eigentlichen Einheit der Menschheit mit dem Logos zum Ausdruck (Herv. d. Verf.). 153

IV. Die Beliebigkeit der Metapher – Freiheit?

151

tapher ist eine Bedeutung, die sich durch ihr Heraustreten aus den Grenzen des überkommenen Anwendungsbereichs ihrer sprachlichen Bezeichnung ergibt. Der lebensweltlich existierende Mensch, so könnte man in gewissem Sinne sagen, ist die Metapher des paradiesischen Menschen. Verläuft die imaginäre Bewegung der Grenzüberschreitung aus religionskritischer Perspektive auch in der Gegenrichtung, ändert sich doch nichts an der formalen Struktur. In jeder dieser Perspektiven eignet sich die Metapher als Symbol des Seins des Menschen als Gattung, insoweit er Grenzen überschreiten kann, weil er sie (jedenfalls überwiegend kulturell konkretisiert) selbst angenommen hat. 2. Die Metapher als Symbol soziokultureller Kontingenz Es handelt sich um eine Symbolbeziehung zweiten Grades. Unmittelbar (ersten Grades) symbolisiert die Metapher aufgrund der sie begrifflich definierenden Überschreitung vorhandener terminologischer Bedeutungsgrenzen den willkürlichen Aspekt der Sprache, mittelbar sodann (zweiten Grades) die Begabung des Menschen zu willkürlichem, nicht-determiniertem Handeln. a) Die ursprüngliche Beliebigkeit der Zeichen Auf der ersten Ebene ist der entscheidende Sachverhalt, was Arbitrarität, Willkürlichkeit, Beliebigkeit, „Unmotiviertheit“ oder Konventionalität des sprachlichen Zeichens genannt wird. Mit diesen Begriffen wird gemeint, dass zwischen einer Bedeutung und ihrer sprachlichen Bezeichnung keine natürliche Vorgegebenheit walte: „das sprachliche Zeichen ist beliebig.“159

„Für manche Leute“, leitete Ferdinand de Saussure, durch den der Begriff der Arbitrarität prominent wurde, den ersten Teil seines als Vorarbeit für den Strukturalismus berühmten „Cours de linguistique générale“ ein, „ist die Sprache im Grunde eine Nomenklatur, d. h. eine Liste von Ausdrücken, die ebensovielen Sachen entsprechen. […] Diese Ansicht […] setzt fertige Vorstellungen voraus, die schon vor den Worten vorhanden waren“.160 Damit sprach er die Möglichkeit einer „Abbildtheorie der Sprache“ an, in der Sprache wahr sein könnte, insoweit sie eine außersprachliche Wahrheit formell und materiell möglichst authentisch nachahmte. Dies entspricht dem von Blumenberg Descartes zugerechneten „Ideal voller Vergegenständlichung […, der Sprache, d. Verf.], die die Präsenz und Präzision der Gegebenheit in definierten Begriffen auffängt“.161 Nur vor dem Hintergrund 159

Saussure, S. 79. Saussure, S. 76; vgl. dort ff. auch im Folgenden. 161 Blumenberg (1998), S. 7. 160

152

C. Mensch, Metapher, Recht, Geschichte

der Vorannahme einer in Begriffsdefinitionen präzise aufnehmbaren präsenten Gegebenheit ist auch eine Theorie des „eigentlichen Wortes“ möglich, wie sie Aristoteles zugeschrieben wird und ‚übertragene‘ Sprechweisen als „uneigentlich“ diskreditieren lässt.162 Tatsächlich aber, so Saussure, seien die Worte und Vorstellungen, mit denen man jeweils bestimmte Sachen meine, nicht voneinander zu trennen. Das Verhältnis zwischen Vorstellungen und Worten beschreibt er als zwei Seiten eines einheitlichen Zeichens. Deren eine Seite soll ohne die andere nicht können. Vorstellungen und Artikulationen entstehen danach ‚dialektisch‘ – und man mag in diesem Zusammenhang an die von Kleist gemeinte „allmähliche Verfertigung der Gedanken beim Reden“163 denken. Es ist also nicht die formale Struktur des sprachlichen Zeichens beliebig, sondern sein materialer Inhalt – vielleicht sogar die Existenz des jeweiligen Zeichens an sich. Danach wäre jede neue Formung einer Vorstellung durch Artikulation im Prinzip eine kontingente164 Schöpfung, eine zumindest nicht restlos durch die jeweils gemeinte(n) ‚Sache(n) an sich‘ determinierte Auswahl aus der rein theoretischen Masse aller möglichen Vorstellungen/Artikulationen. Es gibt empirische Dinge in der Welt wie z. B. Steine, Bäume, Tische, Autos, in Bezug auf die es aufgrund alltäglicher Evidenzerscheinungen schwerfällt, die These ihrer prinzipiell kontingenten Konstruktion zu glauben. Anders dürfte es in Bezug auf präskriptive Metaphern sein, da insoweit die Unterscheidung zwischen Sachen und Vorstellungen nicht möglich ist. Für die beschriebene Beliebigkeit, die den oben referierten Annahmen Hasse­mers zumindest stark ähnelt, werden im Wesentlichen zwei Argumente vorgebracht. Das eine ist, in synchroner Betrachtungsweise, die Verschiedenheit menschlicher Sprachen, ohne dass eine Sprache grundsätzlich wahrer als die andere genannt werden könnte. Die Vorstellung, die mit Baum verknüpft ist, ist nach menschlichem Ermessen weder wahrer noch überhaupt verschieden gegenüber solchen, die mit tree oder arbre verknüpft sind.165 Auch deskriptive Metaphern zeigen, dass verschiedene Worte im Wesentlichen dasselbe meinen können. Während in diesen Beispielen von einer prinzipiell identischen Vorstellung ausgegangen werden kann, deren Lautung beliebig erscheint, zeigen Beispiele insbesondere im Anwendungsbereich präskriptiver Metaphern, dass es in einer Sprache viele nicht erweislich un 162

Vgl. Kohl, S. 6; Lüdemann (2013), S. 79 f. Kleist. 164 Kontingenz wird hier im Sinne der von Luhmann (1984), S. 152, überlieferten Definition verwendet: „Kontingent ist etwas, was weder notwendig ist noch unmöglich ist; was also so, wie es ist (war, sein wird), sein kann, aber auch anders möglich ist. Der Begriff bezeichnet mithin Gegebenes (zu Erfahrendes, Erwartetes, Gedachtes, Phantasiertes) im Hinblick auf mögliches Anderssein; er bezeichnet Gegenstände im Horizont möglicher Abwandlungen.“ 165 Was der Volksmund mit dem Spiel „Teekesselchen“ verbindet (linguistisch Homonyme), z. B. Schale für ein Gefäß und Schale für die Außenseite einer Frucht, stellt innerhalb eines Sprachraums den umgekehrten Fall identischer Lautung und unterschiedlicher Vorstellungen dar. 163

IV. Die Beliebigkeit der Metapher – Freiheit?

153

wahre Begriffe gibt, für die keine angemessene Übersetzung in eine andere Sprache möglich ist, weil dort kein entsprechendes Zeichen existiert. Im Bereich der Rechtsvergleichung stellen „rule of law“ und „Rechtsstaat“ als Begriffe, die ähnliche Funktionen erfüllen ohne sich zu entsprechen, ein besonders augenfälliges Beispiel dar. Gerade in philosophischen Texten dient häufig die Zitierung der originalsprachlichen Formulierung als letzter Ausweg in dem Bemühen, die Identität des Gemeinten zu sichern. Von dem beschriebenen Sachverhalt zeugt letztlich jedes Übersetzungswörterbuch, wie es viele z. B. bei Auslandsreisen verwenden, indem neben einzelnen Vokabeln der zu übersetzenden Sprache regelmäßig mehrere Vokabeln der anderen Sprache als Übersetzung angeboten werden. Das zweite Argument sind sprachgeschichtlich manchmal starke Bedeutungswandel identisch bleibender Wörter.166 Es entspricht dem ersten Argument, nur dass eine diachrone Sichtweise auf ‚eine‘ Sprache in zeitlich unterschiedenen Versionen gewählt wird. Die Rechtsanwendung ist ständig vor Probleme gestellt, die mit der Geschichtlichkeit in Gesetzesform fixierter Zeichen zusammenhängen und insbesondere unter dem Stichwort „Verfassungswandel“ diskutiert werden.167 Man denke z. B. an den Wandel der Vorstellungen von Familie und die Erstreckung von „Presse-“ und „Rundfunkfreiheit“ auf kabelgebundene Massenkommunikation. Während es sich bei solchen Wandlungsprozessen jedoch in der Regel um Prozesse der allmählichen „Sinnstreckung“ (im bei Hassemer168 verwendeten Sinne) handelt, wird als Metapher regelmäßig die ereignishafte (,Übertragung‘) Anreicherung der Bedeutung eines Wortes mit einem Sachverhalt verstanden, der im Verhältnis zur anzureichernden Bedeutung nicht so ‚nahe liegt‘, dass im Sinne einer „Streckung“ noch von einem einheitliche Begriff gesprochen werden könnte. Die Metapher ist von daher ein besonders signifikanter Beleg für die Arbitrarität des Zeichens. b) Auf der Suche nach dem Subjekt des Beliebens Wenn man sagt, das einzelne Zeichen sei beliebig, in wessen Belieben steht es? In wessen Belieben steht die Sprache, die Inbegriff der Struktur des Wechsel­spiels der einzelnen Zeichen ist? In wessen Belieben steht die Metapher? Die Frage nach dem Subjekt des sprachlich sich auswirkenden Beliebens impliziert eine positive Antwort auf die Frage nach der Möglichkeit und den Bedingungen menschlicher Freiheit überhaupt. Insbesondere geht es zugleich um die Frage der Freiheit menschlichen Denkens, da anzunehmen ist, dass Denken und Sprache effektiv nicht voneinander zu trennen sind. Die neurowissenschaftliche Diskussion der 166

Statt vieler etwa Autorenkollektiv unter Leitung von Werner Neumann, S. 382. Vgl. Voßkuhle, S. 452, u. a. mit der fortzitierten Definition von Verfassungswandel als „Änderung des ursprünglichen Sinns einer Verfassungsnorm oder Teile der Verfassung ohne Änderung des Verfassungstextes“. 168 Vgl. oben B.II.4. 167

154

C. Mensch, Metapher, Recht, Geschichte

Freiheitsfrage soll hier nicht reflektiert werden; traditionell wird die menschliche Befähigung zur Freiheit vorausgesetzt. Im rechtswissenschaftlichen Zusammenhang ist Freiheit regelmäßig als Freiheit gegenüber anderen169, also in sozialphilosophischer Hinsicht ein Thema. Zur Orientierung mag zunächst eine Grafik dienen, mit der Kohl die von S ­ aussure erfundene Grundstruktur eines Kreislaufschemas der Sprache in metapherntheoretischer Absicht ergänzt hat:

Quelle: Kohl 2007, S. 125.

Abbildung 1: Kognitiv-sprachlicher Kreislauf der Metapher (M)

Diese Grafik kann die wichtige Funktion erfüllen, die Vielfalt der an menschlicher Kommunikation beteiligten Faktoren zu vergegenwärtigen und einseitige Erklärungsmodelle zu verhüten.170 Sie verdeutlicht auch die ganz wesentliche Grundstruktur jeder Kommunikation, nämlich dass sie eine Tätigkeit mit anderen, also nicht einer Person für sich allein ist. Wie der Begriff des Rechts auf Gerechtigkeit, so ist Sprache auf Verständigung ausgelegt. Im Hinblick auf soziale Freiheit ist das Augenmerk im Rahmen des Schemas entschieden auf „Kultur“, „Sprache“ und den jeweils anderen Kopf zu legen, die die als historische Kontinuität wirkende Gesellschaft repräsentieren, der sich das einzelne Individuum zugleich angeschlossen fühlen und gegenüber sehen kann. Aus übergeordneter Perspektive sind die bzw. der Einzelne sprachlich weit­ gehend unselbstständig. Die Umgestaltung der Sprachordnung und die Erfindung neuer Wörter ohne sich eng am bestehenden zu orientieren, führen zu Unverständ 169

Vgl. etwa Di Fabio (2005), S. 72. In diesem Sinne kennzeichnet Kohl, S. 6, Metaphern als kognitiv-sprachliche Vermittlungsprozesse zwischen Individuum und Kulturgemeinschaft, die „in Verbindung zur physischen Wahrnehmung, zur körperlichen Erfahrung, zum rationalen Denken, zu den Emotionen sowie auch zum physischen und gesellschaftlichen Kontext“ der sie äußernden Individuen stünden.

170

IV. Die Beliebigkeit der Metapher – Freiheit?

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lichkeit. Die Dekonstruktion zahlt solche als Preis dafür, dass sie versucht, die Erkenntnis der Arbitrarität des Zeichens171 in Herrschaft zu überführen: im Denken „die Hierarchie umzustürzen“ und die „ganze übliche Anordnung zu zerrütten“.172 Dabei kann man Derridas Zentralbegriff der „différance“ als säkularisierte Fortschreibung des jüdisch-christlichen Mythos der Trennung des Menschen aus der Verbindung mit dem Wahren verstehen173, die in der Dekonstruktion als Bemühen um die Beseitigung jeden gegenteiligen Anscheins vollstreckt wird.174 Man kann auch an die Werke von Dadaistinnen und Dadaisten denken, die solche Neuschöpfung – für weite Teile des Publikums verstörend und von den Nazis später als „entartet“ diskriminiert – zum leitenden künstlerischen Prinzip gemacht hatten, allerdings weniger um mit den neu geschöpften Lautfolgen dauerhaft Inhalte zu vermitteln als die Möglichkeit der freien Neuschöpfung an sich zu vergegenwärtigen.175 Nachdem er die theoretische Beliebigkeit des sprachlichen Zeichens

171 Vgl. das deutliche Bekenntnis bei Derrida (1988 [1972]), S. 37 (Herv. i. Orig.), wonach die in der Sprache vorgenommenen Differenzierungen zwischen Vorstellungen „nicht in fertigem Zustand vom Himmel gefallen [seien, d. Verf.]; sie sind ebensowenig in einen topos­ noetos eingeschrieben noch in der Wachstafel des Gehirns vorgezeichnet“. 172 Jeweils Derrida, zit. nach Lüdemann (2013), S. 71. 173 Derrida (1988 [1972]), S. 35, 28, 42 bzw. 51: „Das Zeichen, so sagt man gewöhnlich, setzt sich an die Stelle der Sache selbst, der gegenwärtigen Sache, […] stellt das Gegenwärtige in seiner Abwesenheit dar. […] Wenn […] das Gegenwärtige nicht anwesend ist, […] gehen wir den Umweg des Zeichens. […] Das Zeichen wäre also die aufgeschobene (différée) Gegenwart.“ „Das Zeichen und die Göttlichkeit sind am gleichen Ort und zur gleichen Stunde geboren. Die Epoche des Zeichens ist ihrem Wesen nach theologisch.“ „Es kommt […] dazu, daß die Gegenwart – und besonders das Bewußtsein, das Beisichsein des Bewußtseins – nicht mehr als die absolute Matrixform des Seins, sondern als eine ‚Bestimmung‘ und ein ‚Effekt‘ gesetzt wird. Bestimmung oder Effekt innerhalb eines Systems, das nicht dasjenige der Gegenwart, sondern das der différance ist.“ „Eine solche différance, ‚älter‘ noch als das Sein, hat keinen Namen in unserer Sprache […, E]s gibt keinen Namen dafür, selbst nicht den der différance […] Dieses Unbenennbare ist kein unaussprechliches Wesen, dem kein Namen nahekommen könnte: Gott zum Beispiel. Dieses Unbenennbare ist jenes Spiel, das nominale Effekte bewirkt, […] und in denen zum Beispiel der nominale Effekt ‚différance‘ selbst herbeigeführt […] wird, als blinder Einstieg oder blinder Ausgang immer noch Teil des Spieles, Funktion des Systems ist“ (Herv. i. Orig.). 174 Derrida (2013 [1967]), S. 23 f., spricht von einer Rationalität, die „mit der Destruierung und, wenn nicht der Zerschlagung, so doch der De-Sedimentierung, der Dekonstruktion aller Bedeutungen, deren Ursprung in der Bedeutung des Logos liegt[ beginnt, d. Verf.]. Das gilt besonders für die Wahrheit. Alle metaphysischen Bestimmungen der Wahrheit […] sind mehr oder weniger unmittelbar nicht zu trennen von der Instanz eines Logos oder einer ihm ab­stammend gedachten Vernunft, wie immer man diesen Logos auch verstehen mag: im vorsokratischen oder im philosophischen Sinne, als unendlichen Verstand Gottes oder im anthropologischen Sinne“ (Herv. i. Orig.). 175 Vgl. etwa Ball, S. 29 ff. (18.6.–24.6.1916): „Wir haben die Plastizität des Wortes jetzt bis zu einem Punkte getrieben, an dem sie schwerlich mehr überboten werden kann. Wir er­reichen dies Resultat auf Kosten des logisch gebauten, verstandesmäßiges Satzes […, D]ie Sprache wird uns unseren Eifer einmal danken, auch wenn ihm keine direkt sichtbare Folge beschieden sein sollte. Wir haben das Wort mit Kräften und Energien geladen, die uns den evangelischen Begriff des ‚Wortes‘ (logos) als eines magischen Komplexbildes wieder entdecken ließen […]

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C. Mensch, Metapher, Recht, Geschichte

beschrieben hatte, hatte Saussure mit deutlichen Worten praktische Machtlosigkeit des Individuums gegenüber der Sprache behauptet: „Wenn die Bezeichnung hinsichtlich der Vorstellung, die sie vertritt, als frei gewählt erscheint, so ist sie dagegen in Beziehung auf die Sprachgemeinschaft, in der sie gebraucht wird, nicht frei, sondern ihr auferlegt. […] Nicht nur ein Individuum wäre außerstande, wenn es wollte, […] sondern auch die Masse selbst kann keine Herrschaft nur über ein einziges Wort ausüben; sie ist gebunden an die Sprache, so wie sie ist.“176

Für unverfügbar hielt er die Sprache aufgrund ihrer Tradition, die zwar „jede allgemeine und plötzliche Änderung“ ausschließe, aber zugleich „notwendigerweise […] eine mehr oder weniger beträchtliche Verschiebung der Beziehungen“ mit sich bringe.177 Die Veränderung der Sprache wäre danach eine langfristige Angelegenheit aufgrund geschichtlicher Veränderungen z. B. der ökologischen oder ökonomischen Basissituation einer Sprachgemeinschaft, die Änderungen in der Vorstellungswelt bedingen.178 Ein Subjekt, dem sich Veränderungen der Sprache zurechnen oder zutrauen ließen, kommt nicht vor.179 Wir wollen an dieser Stelle auf die Frage Haurious zurückkommen, „wo in der Gesellschaft die schöpferische Macht“ zur Erzeugung von Rechtsnormen und Institutionen (zu denen, wie gezeigt wurde, insbesondere auch institutionalisierte Metaphern zählen) liege.180 Auch Hauriou, ein knappes Jahr älter als Saussure, fragte „wo“ und nicht „bei wem“ – was freilich mit seiner irritierenden Antwort zusammenhängen mag, die zu institutionalisierten Ideen seien „bereits in der weiten Welt vorhanden, mitten zwischen den Dingen“. Derrida mag funktional in etwa denselben ‚Ort‘ meinen, wenn er die „Institutionalisierung“ des Rechts als „in sich selbst eine grund-lose Gewalt(tat)“ bezeichnet, die erfolgreich einen „mystischen Grund der Autorität“ etabliere, der sich weiterer Aufklärung verweigere.181 Ein

Ich habe eine neue Gattung von Versen erfunden, ‚Verse ohne Worte‘ oder Lautgedichte […] Man ziehe sich in die innerste Alchemie des Wortes zurück, man gebe auch das Wort noch preis, und bewahre so der Dichtung ihren letzten heiligsten Bezirk. Man verzichte darauf, aus zweiter Hand zu dichten: nämlich Worte zu übernehmen (von Sätzen ganz zu schweigen), die man nicht funkelnagelneu für den eigenen Gebrauch erfunden habe. Man wolle den poetischen Effekt nicht länger durch Maßnahmen erzielen, die schließlich nichts weiter seien als reflektierte Eingebungen.“ 176 Saussure, S. 83. 177 Saussure, S. 84 bzw. S. 93. 178 Vgl. Saussure, S. 90 f. 179 Allerdings hatte Saussure, S. 91, erklärt, Sprache sei „die Gesamtheit der sprachlichen Gewohnheiten, welche es dem Individuum gestatten, zu verstehen und sich verständlich zu machen. […] Aber diese Definition lässt die Sprache noch außerhalb der sozialen Tatsachen stehen; sie macht daraus etwas Irreales, weil sie nur eine Seite der Realität umfasst, nämlich die individuelle Seite“ (Herv. d. Verf.). Darin ist angedeutet, dass Saussure zumindest formal eine individuelle Seite anerkannte, deren Bedeutung er jedoch offensichtlich in seiner wissenschaftsgeschichtlichen Situation für vernachlässigenswert hielt. 180 Vgl. auch im Folgenden oben C.II.1.; Hauriou, S. 32. 181 Derrida (1998), S. 27 ff.

IV. Die Beliebigkeit der Metapher – Freiheit?

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Denker wie Gehlen geht immerhin zunächst vom individuellen ideativen, d. h. zur Setzung von Endzwecken fähigen Bewusstsein aus, dessen „Schöpferkraft“ sich „in der Gründung von Institutionen ausweist“182 – auch wenn er später zu dem bekannten Diktum gelangt, der Mensch müsse sich für den Preis der Beständigkeit von „den historisch gewachsenen Wirklichkeiten konsumieren lassen“, und das seien die Institutionen.183 Nach allem, was hier bereits gesagt wurde, muss man in solchen Formulierungen den hohen Institutionalisierungsgrad, den hohen Grad an Verselbstständigung solcher Institutionen wie „Sprache“, „Tradition“ und „Gesellschaft“, die ontisch, quasi ohne Individuen denkbar sind. Gerade insoweit hilft ein wiederholter Blick auf das Schema Kohls, um nicht zu vergessen, dass jede Theorie nur durch biologische Träger existiert. 3. Institutionalisierung als Grund und Grenze sprachlicher Freiheit (oder: Cornelius Castoriadis’ Beitrag zu einer Metaphorologie) Ein Modell, das die Individuen nicht ausblendet, bietet das Werk Cornelius Castoriadis’ an. Die Frage nach der schöpferischen Macht in der Gesellschaft hat auch ihn beschäftigt. Er fragte unter anderem: „Wer oder was gibt die Zielrichtung vor, ohne die die Funktionalität der Institutionen und der gesellschaftlichen Prozesse im Unbestimmten bliebe? […] Wer oder was […] lenkt alle abstrakt vorstellbaren Metaphern […] in eine der zahllosen möglichen Richtungen?“184

Seine Antwort heißt „gesellschaftliches Imaginäres“. Auf den ersten Blick legen Frage („Wer […]“) und Antwort nahe, dass Individuum und Gesellschaft nicht gegeneinander ausgespielt, sondern im Zusammenspiel betrachtet werden. Tatsächlich vermittelt seine sehr eigenständige und disziplinäre Grenzen vernachlässigende Theorie zwischen Individuum und Gesellschaft, Materialität und Imaginativität, historischer Determiniertheit und handlungsfähiger Zukunfts­zugewandt­heit des menschlichen Seins.185 Die Wahl Castoriadis’ mag trotz dieser ‚Qualifizierung‘ irritieren, weil sein Werk in Deutschland noch wenig verbreitet und nicht leicht verständlich ist. Zwei weitere Gründe sind leitend: (1) Jacob Taubes hat einmal formuliert: „Das Postulat der Aufklärung: Ausgang des Menschen aus seiner selbstverschuldeten Unmündigkeit ist moralisch und individualistisch formuliert und bleibt ohnmächtig den kollektiven Mächten gegenüber, die das Individuum verknechten und in seiner Unmündigkeit verhaften. Das Individuum bleibt immer verstrickt in gesellschaftlichen Ordnungen. Sei es, daß das archaische Erbe der Menschheit als Unbewußtes das Ich des Menschen 182

Gehlen (1974), S. 392 ff. (Herv. i. Orig.). Gehlen (1986 [1975]), S. 8. 184 Castoriadis (1984), S. 275 (Herv. d. Verf.). Auch Castoriadis versteht das Wort „Institution“ im weitesten Sinne, vgl. Castoriadis (1984), S. 187. 185 Zur Einführung empfehlen sich Joas/Knöbl, S. 558 ff. 183

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C. Mensch, Metapher, Recht, Geschichte

g­ efangenhält, sei es, daß die ökonomische Organisation der bürgerlichen Gesellschaft hinter dem Rücken des Individuums sein Geschick determiniert. […] Vergangenheit und Gegenwart der Gesellschaft sind die Schuld, die das Individuum trägt und abträgt – aus der es sich nicht wie Münchhausen an seinem Zopf selbst aus dem Sumpf ziehen kann. Alle Philo­sophie, die nach Marx und Freud das kantische Postulat: Ausgang des Menschen aus seiner selbstverschuldeten Unmündigkeit, unverändert wiederholt, klingt zwar erbaulich, aber ist wie alle existentialistische Predigt nichts als eine Münchhausiade.“186

Diesem überzeugenden Anspruch an Philosophie nach Marx und Freud, die zugleich Kritik der Philosophie vor Marx und Freud ist, wird Castoriadis – der in Studienzeiten marxistisch geprägt wird und sich später zum Psychoanalytiker ausbilden lässt187 – par excellence gerecht. (2) Während zu anderen Denkerinnen und Denkern wie z. B. Kant im Allgemeinen wie im Besonderen in Deutschland schon viel geschrieben wurde, steckt die deutschsprachige Castoriadis-Rezeption noch in den Anfängen. Bemerkenswerterweise wurde Castoriadis schon von Lüdemann im deutschsprachigen metapherntheoretischen Kontext besprochen. Sie verwirft seine Theorie indes in wesentlichen Hinsichten  – nach hiesigem Dafürhalten teilweise aufgrund einer unvollständigen bzw. Fehllektüre. Insofern jede wissenschaftliche Er­ örterung eine Einladung zur Diskussion darstellen soll, wird diese Einladung hier zugleich angenommen und weitergegeben. a) Vorstellungskraft als Schlüsselmoment des Menschen Die bereits anzitierte, sozusagen meta-metaphorologische Schlüsselstelle in Castoriadis’ Werk, anhand derer im Folgenden sein Modell menschlicher Kreativität und Freiheit erläutert werden soll, lautet insgesamt wie folgt: „Ohne die Kategorie des Imaginären ist die bisherige und gegenwärtige Geschichte der Menschheit nicht zu begreifen. Keine andere Kategorie erlaubt ein Nachdenken über folgende Fragen: Wer oder was gibt die Zielrichtung vor, ohne die die Funktionalität der Institutionen und der gesellschaftlichen Prozesse im Unbestimmten bliebe? Wer oder was wählt unter den unendlich vielen Möglichkeiten symbolischer Strukturen dasjenige Symbol­ system aus, das in einer Gesellschaft gilt? Wer oder was stellt die maßgeblichen kanonischen Beziehungen her und lenkt alle abstrakt vorstellbaren Metaphern oder Metonymien in eine der zahllosen möglichen Richtungen? Eine Gesellschaft ohne einen einigenden Faktor, der ihr einen Bedeutungsgehalt liefert und diesen mit den symbolischen Strukturen verknüpft, ist für uns undenkbar. Dieser Faktor ist nicht einfach ‚das Reale‘; jede Gesellschaft hat ihr Reales konstituiert (wir brauchen wohl kaum zu betonen, dass diese Konstitution niemals völlig willkürlich ist). Dieser Faktor ist aber auch nicht ‚das Rationale‘, wie schon ein Blick auf die Geschichte zeigt. Denn dann wäre die Geschichte gar nicht eigentlich Geschichte, sondern momentaner Eintritt in eine rationale Ordnung oder allenfalls 186

Taubes, S. 68 f. Vgl. Joas/Knöbl, S. 559 f.

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IV. Die Beliebigkeit der Metapher – Freiheit?

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noch r­ eines ­Fortschreiten innerhalb der Rationalität. Wenn nun die Geschichte solche Fortschritte in der Rationalität unbestreitbar enthält […], kann sie darauf doch nicht beschränkt werden. Von Anfang an zeigt sich in der Geschichte ein Sinn, der kein Sinn des Realen (als dem Referenten des Wahrgenommenen) ist, der aber auch weder rational noch positiv irrational ist; ein Sinn, der weder wahr noch falsch ist, aber dennoch zur Ordnung der Bedeutung zählt. Dieser Sinn ist eine imaginäre Schöpfung, die der Geschichte eigen ist; er ist das, worin und wodurch sich Geschichte zuallererst konstituiert.“188

Er setzt der Frage danach, warum eine bestimmte Metapher (zum Beispiel die juristische der Proportionalität) in der Menschheitsgeschichte vorkommt (statt einer anderen), die zumal zu stellen ist, wenn diese sich durchsetzt (statt einer anderen), eine grundlegendere Frage voraus: Was macht das Gemeinsame einer Gesellschaft aus? Was teilen die Mitglieder einer Gesellschaft? Die Frage gleicht strukturell der nach kulturellen Identitäten von (Staats-)Völkern und Gruppen, und entsprechend ähneln sich auch oberflächlich die Antworten: insbesondere von Sprache, aber auch von bestimmten Sitten und Symbolen im engeren Sinne ist die Rede (man denke, über Castoriadis hinaus, an „Sprachgemeinschaft“, Landes-„Küchen“, „Verfassungspatriotismus“ …). Ob sich mehrere Individuen zum Beispiel auf denselben sprachlich verfassten und deutungsoffenen Grundgesetzartikel gesetzgeberisch einigen oder beanspruchend berufen, ist eine Äußerlichkeit ebenso wie der bloße Umstand, kein Hundefleisch für den Sonntagsbraten zu verwenden oder nicht auf dem („Fuß-“)Boden, sondern auf Stühlen sitzend zu essen. Die Frage nach „dem Gemeinsamen“, das die Mitglieder einer Gesellschaft teilen, drückt ein Bedürfnis aus nach – wahrscheinlich metaphorischer, denn wahrscheinlich liegt ‚nur‘ eine partielle und annäherungsweise Gleichschaltung von Nervensystemen vor – Ontologisierung und Essentialisierung189; etwas, das man altmodisch wenigstens halbwegs idealistisch als „Geist“ oder – mit Jhering – eher materialistisch als „Sinnesart“ eines Volks bezeichnet hätte. Was meint Castoriadis mit „das Imaginäre“? Das Imaginäre ist, soweit kann man es dem Zitat entnehmen, nicht das Reale und nicht das Rationale. Das Imaginäre (in geläufigeren Begriffen die Summe der Inhalte, die das Psychische aus­machen) ist gewissermaßen das Gravitationszentrum der sozioliberalen Human­ontologie Castoriadis’, weil es für die Fähigkeit zur im wörtlichen Sinne ‚freiwilligen‘ Setzung und damit zu seinem Ideal der „Autonomie“190 steht. Es dient nicht der Behauptung, der Mensch sei nicht vom ersten Augenblick an sozialisiert, also existenziell bedingt in Abhängigkeiten von nicht seinerseits gesetzten Umständen und mit der Entwicklung der Sprache in ein nicht einfach nur fremd-, sondern so 188

Castoriadis (1984), S. 275 (Herv. i. Orig.). Da wahrscheinlich ‚nur‘ eine partielle und annäherungsweise Gleichschaltung von Nervensystemen vorliegt, handelt es sich bei einer solchen Ontologisierung und Essentialisierung wahrscheinlich um einen metaphorischen Prozess. 190 Castoriadis (2010c), S. 133: Autonomie meint „einen Zustand, in dem ‚jemand‘ – Einzel­ subjekt oder Kollektiv  – explizit und, soweit möglich, mit vollem Bewusstsein (also nicht ‚blindlings‘) Urheber seines eigenen Gesetzes ist“. 189

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gar durch vergangene Fremde erzeugtes Symbolsystem eingebunden. Castoriadis’ Menschenbild steht nicht im Widerspruch zur Kennzeichnung als „animal symbolicum“ ­(Cassirer)191, doch weitergehend treibt er sinngemäß Gehlens These auf die Spitze, der Mensch sei „als Phantasiewesen so richtig bezeichnet wie als Vernunftwesen“.192 Der Symbolismus setzt, nach Castoriadis, „Imaginationsfähigkeit voraus, denn er beruht auf der Fähigkeit, in einem Ding ein anderes – oder: ein Ding anders als es ist – zu sehen. In dem Maße jedoch, wie das Imaginäre letztlich auf eine ursprüngliche Fähigkeit zurückgeht, sich mit Hilfe der Vorstellung ein Ding oder eine Beziehung zu vergegenwärtigen, die nicht gegenwärtig sind (die in der Wahrnehmung nicht gegeben sind oder es niemals waren), werden wir von einem letzten radikalen Imaginären als der […] Wurzel des […] Symbolischen sprechen“.193 Das „radikale Imaginäre“ ist insofern nichts (jemals) Imaginiertes, sondern ein Vermögen, während das Imaginierte als Folge immer auch, aber praktisch (der Mensch ist historisch und synchron sozialisiert) nie allein des betätigten radikalen Imaginären als „aktuales Imaginäres“ bezeichnet wird.194 Eine erste ­Produktion setzt – neben dem Produktionsmaterial – einen ‚geborenen‘ Produzenten voraus.195 Das „radikale Imaginäre“ tendiert zur Denkfigur, denn es ist „notwendig, zumindest implizit“ zu unterstellen.196 „‚Zu Beginn‘“, schreibt ­Castoriadis, und setzt darin wie im Folgenden bemerkenswerte Anführungszeichen, sei „eine ‚erste‘ Vorstellung erfordert“, ein „Formend-Geformtes“ (eine Paradoxie, die den regressus ad infinitum verhindert), darin „keimhaft“ und „wie embryonal auch immer“ alles angelegt sein müsste, aus dem sich dann in unmittelbar einsetzender Interaktion mit der physischen Welt die psychische Welt entwickelt.197 In all 191 Castoriadis (1984), S. 177: „Wie sollte man beseitigen können, was unserem Menschsein zugrunde liegt oder damit doch zumindest untrennbar verbunden ist: die symbolische Funktion, die auf unserer Fähigkeit beruht, in einem Ding etwas zu sehen und zu denken, was es nicht ist?“ 192 Vgl. Gehlen (1974), S. 317. 193 Castoriadis (1984), S. 218 (Herv. i. Orig.). 194 Vgl. Castoriadis (1984), S. 218 Fn. 24. Diese Fußnote verwertet Lüdemann (2004), S. 52, leider nicht und verfehlt daher m. E., bei aller gelegentlichen Unschärfe des Castoriadischen Sprachgebrauchs, die gemeinte Bedeutung des radikalen Imaginären mit ihrer Interpretation, radikales und aktuales Imaginäres fielen weitgehend mit der Unterscheidung von Unbewusstem und Bewusstem zusammen, deutlich. 195 Castoriadis (1984), S. 470. Vgl. ebd., S. 218 f.: „der Symbolismus setzt die Fähigkeit voraus, zwischen zwei Termini ein dauerhaftes Band herzustellen, so dass der eine den anderen vertritt. Doch erst auf sehr weit fortgeschrittenen Stufen des klaren rationalen Denkens werden Einheit und Unterschiedenheit dieser drei Elemente (Signifikant, Signifikat und ihre Verbindung sui generis) in ihrer festen und zugleich geschmeidigen Beziehung erkannt. Geschieht das nicht, so regrediert die symbolische Beziehung – deren ‚eigentliche‘ Verwendung die imaginäre Funktion und deren Beherrschung durch die rationale Funktion voraussetzt – oder bleibt überhaupt, was sie ursprünglich war: […] eine Verbindung, die meist als Gleichsetzung, Teilhabe oder Verursachung gedacht wird. Mit anderen Worten, man bleibt im aktualen Imaginären“ (Herv. i. Orig.). 196 Castoriadis (1984), S. 469 (Herv. d. Verf.). 197 Castoriadis (1984), S. 471.

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gemeineren Begriffen könnte man sagen, es geht hier um die menschliche Seele und ihre abstrakt „indeterminierte“198 Fähigkeit, Intentionen, Willensrichtungen, Zwecke vorzugeben.199 b) Freiheit als ursprünglich unbestimmte Vorstellung in Gesellschaft Im Begriffshorizont und zum Erkenntnisinteresse dieser Untersuchung könnte der Versuch Castoriadis’  – wegen der in wesentlichen Teilen unterschiedlichen bis gegenläufigen ideologischen Voraussetzungen hypothetisch gegen ihn und den Vorwurf eines beliebigen Eklektizismus in Kauf nehmend – weiter als Versuch eingeordnet werden, einen positiven ‚Begriff‘ des „Nichtfestgestelltseins“­ (Gehlen) des Menschen und des Grundes der „Unbegrifflichkeit“ (Blumenberg)200 zu entwickeln.201 Dem Versuch liegt eine grundlegende Kritik der philosophischen Tradition in der ihr unterstellten Tendenz zu Grunde, das „wahrhaft Seiende“ im Bestimmten anzuerkennen, und was nicht bestimmt sei als nicht oder weniger Seiendes zu behandeln.202 Er nennt diese Tendenz „Identitätslogik“ und „Mengen­ logik“, was schon auf ihre enge Verbindung zu einem (positivistischen, ‚rationalistischen‘) Ideal der Mathematisierbarkeit hindeutet.203 In metapherntheoretischer Sichtweise ergibt sich folgende ‚Mangelanzeige‘: 198

Castoriadis (1984), S. 12. Vgl. Castoriadis (1984), S. 179 f.: Das Subjekt ist „die geschaffene und schaffende Einheit von Selbst und Anderem (Welt) […] Gewiss enthält das Subjekt ein Moment, das ‚niemals vergegenständlicht werden kann‘: die Freiheit, von der keine Entfremdung möglich ist, die stets vorhandene Möglichkeit einer Rückwendung des Blicks, der Absehung von jedem bestimmten Inhalt […] Doch ist dieses Moment abstrakt und leer; es hat niemals etwas anderes geschaffen und wird niemals etwas anderes schaffen als die stumme und nutzlose Evidenz des cogito sum, die unmittelbare Gewissheit, als denkendes Wesen zu existieren“. Ob und wie sich „das abstrakte Moment der philosophischen Subjektivität“ (ebd., S. 181) vom radikalen Imaginären abgrenzt, ist nicht eindeutig. Ich halte sie für synonym, differenziert aufgrund unterschiedlicher inhaltlicher und zeitlicher Kontexte (vgl. ebd., S. 9 ff.): Dieses Zitat aus dem ersten Teil „Marxismus und revolutionäre Theorie“ der „Gesellschaft als imaginäre Institution“, in deren Folge das Imaginäre schon redaktionell erst entwickelt wird, geht auf eine frühere Veröffentlichung zurück. Jedenfalls behauptet das radikale Imaginäre die Marxsche These, dass die Wurzel für den Menschen der Mensch selbst sei (Marx (1976c [1839–1844]), S. 385). Vgl. im Hinblick auf „Seele“ bei Castoriadis weiter Castoriadis (2010b), S. 51 ff., zum Vergleich mit Gehlen im Ansatz bereits Schindler (2010), S. 3 f. 200 Blumenberg (2007), S. 102: „Die Grenzwerte von Sagbarkeit und Unsagbarkeit […] die von definitorischer Bestimmtheit und imaginativer Annäherung oder Verzeichnung, Begrifflichkeit und Unbegrifflichkeit.“ 201 Castoriadis (1984), S.  559: „Muss man sich mit der bloßen Feststellung der Grenzen dieser Logik [Identitäts- und Mengenlogik, d. Verf.] und der ihr wesensgemäßen Ontologie begnügen – oder kann man diese einfach negative Ontologie überwinden und einen Weg (oder mehrere) freimachen, der es gestattet, das Seiende zu denken, ohne sich dabei auf Angaben darüber beschränken zu müssen, wie es nicht zu denken sei?“ 202 Castoriadis (2010c), S. 117 f. 203 Vgl. Castoriadis (1984), S. 372 ff. 199

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„Seit langem haben Philosophen und Grammatiker dieses [das bewegliche und unbestimmte, scil.] Sein der Bedeutung bemerkt, und doch wurde es immer wieder unangemessen beschrieben. In der Tat wurde es von den Unterscheidungen zwischen eigentlichem und bildlichem Sinn, zentraler Bedeutung und semantischem Umfeld, Denotation und Konnotation eher verschleiert. Worauf diese Unterscheidungen in Wahrheit abzielen, was sie aber nicht zu formulieren wissen, ist der Unterschied zwischen der identitäts- oder mengenlogischen Seite des Signifikats einerseits und der vollen Bedeutung andererseits.“204

Wurde Castoriadis Werk oben dahingehend interpretiert, dass die Seele durch eine abstrakt indeterminierte Fähigkeit zur Setzung von Gedanken gekennzeichnet ist, zielte dies auf einen in konkreter Hinsicht vertretenen subjektivistischen Kollektivismus205 ab. Er spricht vom gesellschaftlichen „Imaginären“ („Vermögen, innerhalb und dank des anonymen Kollektivs imaginäre Bedeutungen zu setzen, sowie Institutionen, die sie befördern und denen sie Leben einhauchen – beide bilden den Zusammenhalt der Gesellschaft, erschaffen sie als Gesellschaft und je diese Gesellschaft […]“)206, dessen semantische Tendenz zur Substanzialisierung seiner erklärten Intention jedoch zuwiderläuft207: Das Gesellschaftliche, das immer auch etwas Geschichtliches ist, weil es sich durch Kommunikationen ausmacht, die naturgemäß Zeit brauchen, in Institutionen weiteren und engeren Sinnes, soll mehr sein als Intersubjektivität. Das „Gesellschaftlich-Geschichtliche besteht einerseits aus vorgegebenen Strukturen, Institutionen und ‚materialisierten‘ Werken (die auch immateriell sein können), zum anderen jedoch aus dem, was da strukturiert, instituiert und materialisiert“. Das Intersubjektive wird im Wege der Analogie als „Stoff, aus dem das Gesellschaftliche gemacht ist“, beschrieben208, und das Individuum dem Gesellschaftlichen (und umgekehrt) inhärent wie im Verhältnis zur Natur.209 Der „Ort“ des gesellschaftlichen Imaginären (das „Imaginäre muss sich mit dem Symbolischen verschränken, weil sich die Gesellschaft sonst 204 Castoriadis (1984), S.  569 f. Vgl. an dieser Stelle über die bereits mehrfach zitierte Blumenbergsche Rationalismuskritik hinaus diejenige bei Lakoff/Wehling, S. 70: „Rationalismus […]: Denken ist bewusst. […] Denken ist buchstäblich. […] Denken ist universell. […] Rationalismus ist ein Mythos.“ 205 Vgl. Castoriadis (1984), S. 12 f.: „Es gibt keinen Blickwinkel, der der Geschichte und der Gesellschaft äußerlich wäre, der ihnen ‚logisch vorausginge‘ […] Jeder Gedanke […] ist nur ein Modus und eine Form des gesellschaftlichen Tuns. […] Was ich Aufklärung nenne, ist die Arbeit, in der die Menschen ihr Handeln zu denken und ihr Denken zu begreifen ver­ suchen. Auch das ist eine gesellschaftlich-geschichtliche Schöpfung. […] Die Geschichte ist wesentlich poiesis, und zwar nicht nachahmende Poesie, sondern ontologische Schöpfung und Genese im und durch das Tun und das Vorstellen/Sagen der Menschen“ (Herv. i. Orig.). Erlaubt sei an dieser Stelle der Hinweis auf Jain, S. 15, 94, der in Bezug auf Theorie konstituierende, also nach hiesiger Terminologie präskriptive Metaphern bewusst von „Ver-Dichtungen“ spricht, Steinhauer (2004), S. 636, und Kiesow (1997), S. 9: „An der poiesis kommt die wissenschaftliche – wie die juristische – Kognition nicht mehr vorbei.“ 206 Castoriadis (2010d), S. 16 (Herv. i. Orig.). 207 Vgl. Castoriadis (1984), S. 595 ff., 602 f. 208 Castoriadis (1984), S. 184. 209 Castoriadis (1984), S. 192; deutlich auch Castoriadis (2010a), S. 27: „Der Mensch existiert nur in der und durch die Gesellschaft.“

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nicht hätte ‚sammeln‘ können“210) ähnelt gewiss dem der „Zwischenwelt“ ­(Gehlen) als Metapher für die gesellschaftliche Systemleistung der Sprache, lässt aber deutlich die Individuen nicht außen vor oder am Rand stehen. Das Individuum zeigt sich weitgehend, aber nicht bis ins allerletzte durch die Gesellschaft konditioniert211, welche von den Individuen geschaffen wurde, fortwährend getragen und modifiziert wird. Das gesellschaftliche Imaginäre ist der „einigende Faktor“, in dem sich die Gesellschaft ausmacht, und aus dem heraus sie „ihr“ Reales schöpft. Wie Castoriadis die Geschichte gegenüber dem „Rationalen“ in Stellung bringt, lässt – fast unvermeidlich – an Blumenbergs sich vom cartesischen Weltbild abgrenzende und positiv auf Vicos „Logik der Phantasie“ beziehende Worte zur Einleitung seiner Paradigmen denken; im rationalistischen Ideal voller Vergegenständlichung der Welt im Denken und einer entsprechend vollendeten Terminologie erkennt er das Ideal einer absoluten Entwertung von Geschichte als ständigem „Auf dem Weg sein“.212 Das „Rationale“, von dem Castoriadis spricht, ist denn auch offensichtlich ein solches, das im Sinne der „Identitätslogik“ und „Mengenlogik“ auf Bestimmtheit eingestellt ist und den Bedürfnissen einer Zweckrationalität, einer instrumentellen Vernunft213 dient. Er behauptet nicht die Falschheit dieser (übrigens instituierten) Logik schlechthin, sondern rechtfertigt sie mitunter anthropologisch: Jede Gesellschaft müsse sich ständig auf das instrumentelle Denken stützen, um in der natürlichen Welt existieren zu können.214 Diese Institution habe sich jedoch als „Abkömmling der Vernunft“ im Laufe der Geschichte verselbstständigt und als Logik der Sachzwänge eine die menschliche Vernunft in Hinsicht auf ihre Möglichkeiten der Selbstgesetzgebung (das werkübergreifende Ideal heißt „Autonomie“) entwertende Dominanz entwickelt215: „[…] begünstigt durch den Rückgang der Religion und tausend anderer Faktoren fungiert diese Pseudo-‚Rationalität‘ letztlich als einzige explizite und explizierbare imaginäre Bedeutung, die heute noch in der Lage ist, die Institution zu stabilisieren, sie zu legitimieren, die Gesellschaft zusammenzuhalten. Die bestehende Gesellschaftsordnung ist vielleicht nicht von Gott gewollt, doch sie ist die Vernunft der Dinge, und dagegen könnt ihr nichts machen. […] Das Seiende, so wie es ist, ermöglicht uns, zu handeln und zu schöpfen; es schreibt uns jedoch nichts vor. Wir machen unsere Gesetze; und deshalb sind wir auch für sie verantwortlich.“216 210

Castoriadis (1984), S. 225. Vgl. Castoriadis (1984), S. 185: „Unter dem Druck des ‚Diskurses des anderen‘ wird individuelle Autonomie nahezu unmöglich, zumindest sind ihr enge Grenzen gezogen“ (mit Fn. 44). 212 Vgl. Blumenberg (1998), S. 7 f.; Castoriadis (1984), S. 194 f.; Castoriadis (2010c), S. 136 f. Der erste Weg der Menschen erfolgt der jüdisch-christlichen Schöpfungsgeschichte gemäß übrigens im Rahmen der Vertreibung aus dem Paradies, also als Folge der ersten verantwortlichen Entscheidung, vgl. Gen 3, 23 f. 213 Castoriadis (2010d), S. 19: „Imperialismus einer Logik des Verstandes, der regelmäßig wiederauflebt und in jüngster Zeit beträchtlich zugenommen hat, direkt proportional zu Ausdehnung einer (selbst auf theoretischem Gebiet) rein instrumentell gewordenen ‚Vernunft‘.“ 214 Vgl. Castoriadis (1984), S. 198. 215 Vgl. Castoriadis (1984), S. 372; Castoriadis (2010c), S. 138. 216 Castoriadis (2010c), S. 138; dies darf nicht als Plädoyer für Religion verstanden werden, vgl. ebd., S. 142 f. (Herv. i. Orig.): „Der Gott der rationalen christlichen Theologie ist […] letzter 211

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C. Mensch, Metapher, Recht, Geschichte

Das hauptsächlich gesellschaftlich zu denkende Imaginäre erscheint bisher eher als formale Klasse, die – bis vielleicht auf das individuell gedachte radikale Imaginäre – nicht entschieden nicht-deterministisch gekennzeichnet ist. Um für die eher materielle Kategorie des Unbestimmten und an sich Unbestimmbaren, welche die negative Bestimmung des Menschen als keineswegs gänzliches Nichtfestgestelltsein impliziert, eine positive Beschreibung zu finden, hat Castoriadis die unkonventionelle Metapher des „Magma“ (auch im Plural: die „Magmen“) erfunden.217 Es handelt sich um eine „Setzung“218 (also eine Institution wie die „Mengen-“ und „Identitätslogik“), über die sich sprachlich nicht adäquat reden lasse.219 Er versucht es deshalb mit dem alten Mittel des Paradoxes220, im Bewusstsein, dass dieses Unternehmen „inkonsistent“ und zum Scheitern verurteilt sei221 – aber nicht sinnlos. „Magma“ soll ein Mittel bereitstellen (nicht einmal ausdrücklich ein Mittel sein), „um die Antinomie und Zusammengehörigkeit von Logischem und Anders-alsLogischem, von Vernunft und Nicht-Rationalem anders zu denken denn als einseitige und untaugliche Alternative“.222 In der Bestimmung, was kein Magma sei, sei Menge oder Nichts223, wird deutlich, dass es nicht um Messbares geht. Das „Magma“ hat auf der Ebene des Gesellschaftlichen die Funktion des radikalen Imaginären, sie ist seine Transposition aus dem individuellen Maßstab – als solche jedoch im Gegensatz zum radikalen Imaginären begrifflich nicht un­abhängig von einem „Anderen“. Lüdemann hat die Metapher des Magma als „Verdeckung“ der „Verlegenheit“ kritisiert, „[i]n letzter Instanz“ die Antwort auf die Frage schuldig zu bleiben, woher die von Castoriadis als radikales Imaginäres behauptete Fähigkeit zur vorstellenden creatio ex nihilo224 stamme.225 Sie selbst rekurriert gegen den vermeintlichen Versuch Castoriadis’, Signifikate vor Signifikanten zu sehen, mit „Metaphysikkritik, Sinn und Quelle allen Sinns. […] Ergebnis ist – und war […] schon immer – die Ausblendung der Metakontingenz des Sinns, also der Tatsache, dass der Sinn Schöpfung der Gesellschaft ist, dass er radikaler Zufall ist für jemanden, der sich außerhalb ihrer aufhält, und absolute Notwendigkeit für den, der sich in ihrem Inneren befindet – folglich weder Notwendigkeit noch Zufall. Es läuft auf das Gleiche hinaus […]: dass die Gesellschaft […, und die von ihr geschaffenen Institutionen und Bedeutungen, d. Verf.] keine ‚absolute‘ Fundierung haben können.“ 217 Grundlegend Castoriadis (1984), S. 559 ff. 218 Castoriadis (2010c), S. 118. 219 Vgl. Castoriadis (1984), S. 564; Castoriadis (2010c), S. 118 f. 220 Vgl. Castoriadis (1984), S. 565. Vgl. statt vieler zum Paradox in der christlichen Theologie Feil, S. 116 ff., 118, dort Dietrich Bonhoeffer zitierend: „Das Begreifen jedoch soll hier darin bestehen, das Unbegreifliche stehen zu lassen.“ 221 Castoriadis (2010c), S. 118 f., 121. 222 Castoriadis (2010d), S. 19. Erlaubt sei der Hinweis auf Gehlen (1974), S. 19, der Heisen­ berg dahingehend zitiert, dass „die Wirklichkeit für unser Denken zunächst in getrennte Schichten zerfällt, die sozusagen erst in einem abstrakten Raum hinter den Phänomenen zusammenhängen“, so dass „alle Erkenntnis gewissermaßen über einer grundlosen Tiefe hängen muss“ (Herv. d. Verf.). 223 Castoriadis (2010c), S. 120. 224 Castoriadis (1984), S. 12. 225 Vgl. auch im Folgenden Lüdemann (2004), S. 51 ff.

V. Schluss: Die begrenzte Aufklärung

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Strukturalismus und strukturale[r] Psychoanalyse“ auf „Rhetorik als den beweglichen, ins Unbewusste der Subjekte eingelassenen Unterbau von identitäts- und mengenlogischen ‚Sekundärprozessen‘ (Freud)“.226 Damit bleibt sie indes schon jeden Versuch schuldig, die Möglichkeit des ‚Freiwilligen‘ in der Gesellschaft zu begründen, und verkennt die Position des radikalen Imaginären im Castoriadischen Theoriedesign.227 Die Verlegenheit um das Nichterklärliche gilt ja gar nicht als solche, sondern als Tugend, weil alle logische Erklärung der Freiheit diese beschränken würde. Die nicht zufällige, sondern auffällige Metapher des „Magma“ meint methodisch gerade die Möglichkeit des Aufbruchs einer durch bestimmte Signifikanten abgeschlossenen und verkrusteten Welt. „Autonomie“, also menschlich bewusste Selbstgesetzgebung, „ist nicht Geschlossenheit, sondern Öffnung […] Wenn die Mengen- und Identitätslogik das Seiende restlos erfassen würde, dann könnte von einem ‚Bruch‘ gleich welcher Art niemals die Rede sein“.228 Es ist ein verbindender Zug in der Theorie metaphorologischer Denker in einem ganz weiten Sinne, so unterschiedlich sie weltanschaulich auch zu verorten sein mögen, wie Blumenberg229 und Gehlen230 auf der einen, Castoriadis auf der anderen Seite, dass sie die Metapher im weiteren wie – besonders intensiv – im engeren Sinne als Zeugin und Realisierung eines jederzeitigen Abstandes der Sprache und des Denkens des lebenden Menschen von ‚der Wirklichkeit‘ auffassen und sie damit als besondere Zeugin und Weise der Realisierung menschlicher Freiheit darstellen.

V. Schluss: Die begrenzte Aufklärung – Zur Funktion der metaphorologischen Analyse des Rechts im demokratischen Rechtsstaat Die bisherigen Ausführungen führen zu einer Spannung zwischen notwendiger ökonomischer Entlastung und idealisierter Aufklärung. Die Entlastung steht, auch wenn sie als „Entlastung zu“ verstanden wird, doch tendenziell für Unfreiheit, He 226

Lüdemann (2004), S. 52. Vgl. Castoriadis (1984), S. 218 Fn. 24. 228 Castoriadis (2010c), S. 136 f.; weiter: „Alles wäre aus ‚bereits Vorhandenem‘ deduzierbar/produzierbar, und selbst unser Nachdenken über die Wirkungen […] ein für alle Mal gegebener Gesetze […] wäre bloß ein unvermeidlicher Effekt, in Verbindung mit der unerklärlichen Illusion, wir könnten nach dem Wahren streben und versuchen, das Falsche zu vermeiden.“ 229 Blumenberg (2007), S.  89, 103: „Manchen erscheint die Kongruenz von Sprache und Wirklichkeit als der Inbegriff unserer Freiheit, denn Sprache ist doch Gemächte des Menschen, folglich zu unserer Disposition. Dann wiederum wäre sie nicht Horizont unserer Möglichkeiten, sondern nur unserer Wirklichkeit, dessen also, was schon aufgearbeitet ist und wofür wir das Instrumentarium schon besitzen. Immer aber, wenn nicht unsere Erfahrung und deren Möglichkeitshorizont unsere Sprache formieren, sondern unsere Sprache unser Denken und über dieses unsere Erfahrung, kommt es zu einem Absolutismus vom Rücken her.“ 230 Vgl. Schindler (2010), S. 9 ff. 227

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C. Mensch, Metapher, Recht, Geschichte

teronomie231. Denn die Entlastung, deren Funktionsweise im Begriff der Institution klargestellt wird, bedeutet Entlastung des Bewusstseins. Institutionen sind außerhalb des Bewusstseins wirkende Entscheidungen früherer Zeit, überwiegend anderer Menschen. Bevorzugtes Medium der Heteronomie der Menschen ist also ihr Un(ter)bewusstes. Aufklärung, im Gegenteil, steht für das Ideal eines rest­losen Bewusstseins der Menschen für sich und die sie betreffende Welt. Sie negiert das Unbewusste, also auch das Institutionelle. Dennoch verspricht sie Befreiung, ohne Belastung anzudrohen. Darin liegt ihr Charme. Die abendländischen Gesellschaften des ausgehenden 20.  und des beginnenden 21. Jahrhunderts hatten zunächst ein reflexives Bewusstsein dahingehend entwickelt, dass jede Befreiungsbewegung ein nur vergleichsweise seltenes Durch­ brechen des Himmels/Auftauchen aus dem Meer des Institutionellen sei, bevor sie vom Kontinuum des Institutionellen absorbiert werde und es ein bisschen transformiere. Der Mensch ist im menschliche Entscheidungen institutionell auf Dauer stellenden Prozess der Kultur gefangen. Ob die jeweilige Kultur sich als aetas christiana, als Aufklärung oder als Postmoderne versteht, macht unter dem Gesichtspunkt des Wissens keinen großen Unterschied insofern, als letztlich regelmäßig Mythologien (zum Beispiel des „Fortschritts“, des „Marktes“) das menschliche Leben zu beherrschen scheinen.232 Die Dekonstruktion versucht inzwischen, der Wahrheit dadurch weiter entgegenzukommen, indem sie die Verunsicherung in Form eines Wissens, dass man nichts weiß, institutionalisiert. Sie unternimmt, die „Verhexung unseres Verstandes durch die Sprache“ (Wittgenstein) aufzu­ heben233, indem sie die Grenzen der Sprache und damit ihre Unzulänglichkeit aufweist, das menschliche Sein und seine Umwelt zu erfassen. Sie etabliert im pragmatischen Ansatz eine stilistische Haltung, die die Fraglichkeit jeglichen Sinns strategisch überbetont. Indes hatte Castoriadis zum einen ohne Scheu vor Ontologie und zum anderen weder so geschichtsvergessen, wie es der Dekonstruktion zukommt, noch so geschichtsversessen, wie es vermutlich eine ausgearbeitete Theorie Blumenbergs der Unbegrifflichkeit getan hätte, den Wirkungen der Selbstentfremdung das Ideal eines Selbstbewusstseins der Gesellschaft entgegengehalten, das ihrer ständigen Veränderung und Veränderlichkeit gewahr ist.234 Bei ihm ist Gesellschaft als insti-

231 Heteronomie meint mit Castoriadis (1984), S.  173 f., als „Gesetzgebung oder Regulation“, Konditionierung „durch einen anderen“ den Gegensatz zu „Autonomie, Selbstgesetz­ gebung oder Selbstregulation“. 232 Epochal Horkheimer/Adorno, S.  10: „Aufklärung schlägt in Mythologie zurück“; vgl. Blumenberg (2006 [1979]), S. 681: „Den Mythos zu Ende zu bringen, das soll einmal die Arbeit des Logos gewesen sein. Diesem Selbstbewusstsein der Philosophie […] widerspricht, dass sich die Arbeit an der Endigung des Mythos immer wieder selbst als Metapher des Mythos vollzieht.“ 233 Vgl. Boehme-Neßler (2010), S. 22. 234 Vgl. auch im Folgenden Castoriadis (1984), S. 607 ff.

V. Schluss: Die begrenzte Aufklärung

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tutierte eine geschichtliche Kraft, die sich ihrer Geschichte, als instituierende, das heißt sich unwillkürlich reproduzierende, aber mehr noch ihrer vollen Verantwortung für die Zukunft bewusst sein soll. In dem Maße, in dem eine Gesellschaft das nicht ist, ist sie Spielball partikularer Interessen oder institutioneller Eigendynamiken mit vergangenem Hintersinn.235 Castoriadis verbindet sein Ideal im gesellschaftlichen Bezugsrahmen mit demjenigen der Psychoanalyse, deren Absicht Freud damit angegeben hatte, „das Ich zu stärken, es vom Über-Ich unabhängiger zu machen, sein Wahrnehmungsbild zu erweitern und seine Organisation auszubauen, so dass es sich neue Stücke des Es aneignen kann. Wo Es war, soll Ich werden.“.236 Das soll aber „weder heißen, dass die Triebe unterdrückt werden sollen, noch dass das Unbewusste zu beseitigen oder aufzusaugen ist. Vielmehr geht es darum, ihren Platz als Entscheidungsinstanz einzunehmen. Autonomie wäre die Herrschaft des Bewussten über das Unbewusste“.237 Es fragt sich, wie diese Herrschaft ohne Identität des (andernfalls vormals) Unbewussten mit dem Bewussten zu arrangieren ist. Die Antwort ist kompromissbereit und entspricht einer sozialen Moral der Rücksicht auf das Andere: Es gilt, dass das Unbewusste – dessen Existenz als gegeben anerkannt wird – sich im Feld des Bewussten äußern können muss, um es wahrzunehmen und ihm – konstruktiv oder destruktiv – begegnen zu können.238 Diese Antwort kann nur in der Form einer Haltung funktionieren. Denn im wörtlichen Sinne „natürlich“ können weder ein Mensch noch seine Gesellschaft in jedem Moment über ihr imaginäres Sein als Ganzes entscheiden, das deshalb auch nie mit ihrem realen Sein annähernd zur vollständigen Deckung gelangt.239 Die Ethik, die daraus resultiert, ist eine solche verantwortlicher Tätigkeit bewusster Menschen, die in ihrem einen Aspekt den aktiven Eigensinn des Menschen als konstitutierende Funktion seines Bewusstseins reproduziert (hier liegt eine Anschlussstelle zu den Erkenntnissen der Anthropologie, insofern sie die Stellung des Menschen zutreffend über sein Handeln erfasst) und in ihrem anderen Aspekt auf „die Beförderung der Autonomie des oder der anderen“ orientiert.240 Auch ein Unterlassen hat Einfluss auf den Lauf der Welt; aber es geschieht selten bewusst. Diese Ethik stellt das Leben ständig vor die Alternative. Alternativlosigkeit bedeutet im gesellschaftlichen Bereich immer einen Schein, der auf unbewusster­ Heteronomie beruht.

235

Castoriadis (1984), S. 171 ff. Zit. nach Castoriadis (1984), S. 172 (Fn. 29). Freud fährt fort: „Es ist Kulturarbeit […].“ 237 Castoriadis (1984), S. 173. 238 Vgl. Castoriadis (1984), S. 177 f. 239 Der „ungeschichtliche Zustand“, den Castoriadis (1984), S.  178, 195, in der „völligen Beseitigung des undurchschaubaren Diskurses des Anderen“ sähe, ähnelt der „Vollendung der Terminologie“, die nach Blumenberg (1998), S.  7 f., die „Geschichtlichkeit außerkraftsetzt[e]“. 240 Castoriadis (1984), S. 128. 236

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C. Mensch, Metapher, Recht, Geschichte

Praktisch bedeutet eine solche Haltung, die recht verstanden nicht als Rechtfertigung für Entscheidungsschwäche dienen kann, zunächst, dass der Mensch dem Es möglichst viel Raum zu seiner bewussten Wahrnahme einräumt. Inwieweit er sich mit dem Wahrgenommenen auseinandersetzt, ist im individuellen Maßstab ebenso Gegenstand eines abgestuften, dialektisch abwägenden Entscheidungsprozesses wie im kollektiven Maßstab die Frage, inwieweit diese Arbeit in einer arbeitsteiligen Gesellschaft delegierbar ist. Dies sind in erster Linie Themen der Wissenschafts- und Bildungssoziologie (bezüglich der bestehenden Organisation ihrer Wahrnahme) bzw. -theorie. Die Gesellschaft stellt, dies im Wechsel auf eine (rechts-)politologische Perspektive der Betrachtung, den Demos. Der Demos stellt jedenfalls innerhalb des modernen Verständnisses der Demokratie nicht bloß den formalen Begriff einer rechtssoziologischen Gruppe dar, sondern lebt von einer Voraussetzung: Freiheit zur Selbstbestimmung.241 Im Grundgesetz ist diese Fähigkeit zuvorderst als regulative Idee der Würde des Menschen inhärent, mit der das Bundesverfassungsgericht eindrucksvoll die Vorstellung des Grundgesetzgebers verbindet, „dass es zum Wesen des Menschen gehört, in Freiheit sich selbst zu bestimmen und sich frei zu entfalten, und dass der Einzelne verlangen kann, in der Gemeinschaft grundsätzlich als gleichberechtigtes Glied mit Eigenwert anerkannt zu werden“242; sodann setzt Art. 38 Abs. 1 GG die Freiheit der Wahl voraus.243 Die Rechtswissenschaft im demokratischen Rechtsstaat, selbst von Bürgerinnen und Bürgern betrieben, dient dem Willen des Demos, der selbst über sich bestimmen will. Die (Rechts-)Metaphorologie, die zu einem „Bild von Geschichte der Wissenschaft, Kultur und Politik als einer Geschichte von Metaphern, nicht von Ent­ deckungen“ führt244, ist zum einen im Sinne des Gesagten zunächst eine Technik zur Ermöglichung, Wahrnahme und Verarbeitung der Bewusstwerdung institutionalisierter Entscheidungen und ihrer institutionellen Wirkungen zum Zwecke ihrer Überprüfung, das heißt im Ergebnis zu ihrer Bestätigung, Anpassung oder Verwerfung. In ihr aktualisieren sich Mensch und Gesellschaft als in ihrer Zeit selbst über sich bestimmend. Zugleich eignet sie sich als  – um einen Ausdruck Sloterdijks zu übernehmen – „demokratische Esoterik“.245 Die Würde des Menschen – das zeigt die Gegenwart in spezifischer Schärfe – lebt ihrem abendländi 241

Foljanty, Rz. 3 (S. 288). BVerfG, Urteil vom 15.2.2006, Az. 1 BvR 357/05  – „Luftsicherheitsgesetz I“, Absatz Nr. 121. Zum Zusammenhang von Demokratie, Würde des Menschen und seiner Freiheit auch Besson/Jasper, S. 11 ff. 243 Das BVerfG, Beschluss vom 30.6.2009, Az. 2 BvE 2/08 – „Lissabon“, Absatz Nr. 210 f., spricht von einem „Recht auf gleiche Teilhabe an der demokratischen Selbstbestimmung“; der „Anspruch auf freie und gleiche Teilhabe an der öffentlichen Gewalt ist in der Würde des Menschen (Art. 1 Abs. 1 GG) verankert“. 244 Rorty, S. 31. 245 Sloterdijk/Heinrichs, S. 153 a. E., in anderem Sachzusammenhang. 242

VI. Rechtsmetaphorologie als ästhetische (Sub-)Disziplin?

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schen Begriff gemäß von seiner inneren (vgl. Art. 1 Abs. 1 Satz 1 GG) und einer – symbolischen – äußeren (vgl. Art. 1 Abs. 1 Satz 2 GG) Geheimnishaftigkeit.246 Die Zeit für Metaphorologie ist deswegen gekommen, weil sie die innere Undurchsichtigkeit des Menschen als säkularen Widerstand gegen die technisch-­ industrielle Hyperrationalisierung institutionalisiert und zugleich dem gesellschaftlichen Bedürfnis nach einer Flexibilisierung des Diskurses und seiner (inter-)kulturellen Sensibilisierung durch Rückführung abstrakter Konzepte auf ihre lebensweltlichen, praktischen Grundnenner entgegenkommt.

VI. Zwischenüberlegung: Rechtsmetaphorologie als ästhetische (Sub-)Disziplin? Dies erscheint nun als die geeignetste Stelle, einer – wenn auch schwach ausgeprägten, aber metapherntheoretisch ebenfalls noch nicht merklich verwerteten – Spur nachzugehen und zugleich präventive Terminologiekritik zu üben: im Hinblick auf etwas, das man als ästhetische Dimension der Metapher – und folglich des metaphorisch konstituierten Rechts247 – bezeichnen könnte. 1. Metaphern, Ästhetik, Paradigmen (Thomas S. Kuhn) Zur Spur: Thomas S.  Kuhn sprach bekanntlich in seinem Grundwerk zur „Struktur wissenschaftlicher Revolutionen“ erstmals und mit bis heute großer Wirkung von „Paradigmen“ im Sinne wesentlich verbindender Theorieelemente von (wissenschaftlichen) Gemeinschaften. Ein Paradigma ist oder Paradigmen sind für die Erzeugung einer Normalität bestimmter Methoden und eine relative Ähnlichkeit von Fachurteilen einer wissenschaftlichen Disziplin ursächlich.248 Zu einem Zusammenhang zwischen historischen Wechseln von einem zu einem anderen Paradigma und „Ästhetik“ findet sich in der „Struktur wissenschaftlicher Revolutionen“ das folgende Zitat: 246 Wie die symbolische, äußere Geheimnishaftigkeit metaphorisch konstitutiert wird, ist unter anderem Gegenstand in Rahmen von unten E. 247 Vgl. in diesem Zusammenhang bemerkenswert Radbruch (2003 [1932]), S. 86, der auch den Ausdruck „Ästhetik“ verwendet: „‚Recht‘ ist […] nicht nur die Denkform, außerhalb derer man nichts Rechtliches zu denken vermag, sondern auch die reale Kulturform, die jede Tatsache der Rechtswelt ergreift und gestaltet. Eine neue Rechtsbestrebung verwirklicht sich ja nicht im rechtsleeren Raum, sondern entweder durch Umdeutung vorhandener Rechtsinstitute oder durch Einfügung neuer Rechtsinstitute in ein gegebenes Rechtssystem und wird in beiden Fällen in die Architektur eines gewaltigen, durch sie nur in Einzelheiten abgeänderten Rechtsgebäudes eingebaut und von dessen Stil unentfliehbar bestimmt“ (Herv. d. Verf.). Nach Gephart, S. 241, indes „sträubt sich bei dem Gedanken einer Rechts- oder gar ‚Gerichtsästhetik‘ das deutsche Gemüt“. 248 Vgl. Kuhn (2012), S. 193 f.

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C. Mensch, Metapher, Recht, Geschichte

„Wenn ein neuer Paradigma-Anwärter zum ersten Male vorgeschlagen wird, hat er meis­ tens nur wenige Probleme, mit denen er konfrontiert wurde, gelöst, und die meisten dieser Lösungen sind bei weitem noch nicht vollkommen […] Derjenige, der ein neues Paradigma in einem frühen Stadium annimmt, muss das oft entgegen den durch Problemlösungen gelieferten Beweisen tun. Das heißt, er muss den Glauben haben, dass das neue Paradigma mit den vielen großen Problemen, mit denen er konfrontiert wird, fertig werden kann, wobei er nur weiß, dass das alte Paradigma bei einigen versagt hat. Eine Entscheidung dieser Art kann nur in gutem Glauben getroffen werden. […] Es muss auch eine Basis des Vertrauens zu dem gewählten Kandidaten vorhanden sein, wenn sie auch nicht rational oder endgültig richtig zu sein braucht. Etwas muss wenigstens einigen Wissenschaftlern das Gefühl geben, dass der neue Vorschlag auf dem richtigen Wege ist, und manchmal sind es nur persönliche und unartikulierte ästhetische Erwägungen, die das tun können.“249 „Das sind die Argumente, die, wenn auch nur selten explizit, an den Sinn des Einzelnen für das Passende oder das Ästhetische appellieren – die neue Theorie, so heißt es, sei ‚sauberer‘, ‚besser geeignet‘ oder ‚einfacher‘ als die alte. Wahrscheinlich sind solche Argumente in den Naturwissenschaften weniger wirksam als in der Mathematik. Die ersten Versionen der Paradigmata sind roh. Bis sich ihre ästhetische Anziehungskraft voll entwickeln kann, ist die Mehrheit der Gemeinschaft auf anderen Wegen überzeugt worden. Trotzdem kann die Bedeutung ästhetischer Erwägungen manchmal entscheidend sein.“250

Mit anderen Worten: Ein neues Muster hat, nachdem es von einem Menschen in irgendeinem Modus ‚erfunden‘ wurde und bevor es als Paradigma gilt, noch keine Verdienste. Dies ist sein Nachteil gegenüber einem bereits geltenden Muster, das aufgrund seiner (ggf. nur anfänglichen) Verdienste als Paradigma gilt (und ggf. trotz später herausgestellter Schwächen fortgilt). Die ‚Erfindung‘ eines solchen Musters selbst ist ja ein Akt, in dem sich ein Glauben der Erfinderin bzw. des Erfinders in dieses Muster aufbauen muss als Voraussetzung dafür, dass es weiter kommuniziert und beworben wird, um andere von diesem Muster zu überzeugen (z. B. in einem Förderantrag, um Forschungsmittel zu erhalten, die das neue Muster testen lassen). Bei der Bildung einer solchen Überzeugung, so die These Kuhns, spielen subtile ästhetische Einordnungen eine Rolle. Dass Kuhn sich der genauen Bedeutung dieser „ästhetischen Erwägungen“ selbst unsicher ist, zeigt sich darin, dass er sich möglicherweise darin widerspricht, dass „die Bedeutung ästhetischer Erwägungen manchmal entscheidend sein“ könne, aber (so der Autor an gleicher Stelle) „nicht gesagt werden [soll, d. Verf.], dass neue Paradigmata letztlich durch irgendeine mystische Ästhetik triumphieren“.251 Ob ein Widerspruch und eine Unsicherheit vorliegen, würde sich danach entscheiden, ob es eine Ästhetik gibt, die nicht „mystisch“ ist. Dazu wären Differenzierungen interessant. Wie auch immer, es liegt auf der Hand, dass der historische Wechsel von Paradigmen solchen gesellschaftlich-geschichtlichen Veränderungen zugehört, die Blumenberg insgesamt als „Metakinetik geschichtlicher Sinnhorizonte und Sicht 249

Kuhn (1967), S. 205, 207. Kuhn (1967), S. 204 f. 251 Kuhn (1967), S. 207. 250

VI. Rechtsmetaphorologie als ästhetische (Sub-)Disziplin?

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weisen“ gekennzeichnet hatte, die der historische Wandel einer Metapher zum Vorschein bringe.252 Könnte also die Metapher ein ästhetisches Argument im von Kuhn gemeinten Sinne sein, das durch Ansprache des Sinns des Einzelnen für „das Passende oder das Ästhetische“ manchmal entscheidend eine „Basis des Vertrauens“ schafft, auf deren Grundlage sich ein Paradigma ohne erwiesenen wissenschaftlichen Nutzen gegen Konkurrenten durchsetzt? Kuhn hat sich an anderer Stelle, gar nicht so lange Zeit nach der „Struktur wissenschaftlicher Revolutionen“, zwar nicht ausdrücklich mit Metaphern und Paradigmata beschäftigt, aber mit Metaphern und Änderungen im Theoriegefüge einer (Natur-)Wissenschaft, was sich zumindest sehr ähnelt. „Die Metapher spielt eine essentielle Rolle bei der Herstellung von Bezügen zwischen der Sprache der Wissenschaft und der Welt. Diese Bezüge sind indessen nicht endgültig. Die Änderung einer Theorie, zum Beispiel, wird begleitet von einer Änderung relevanter Metaphern und in korrespondierenden Teilen des Netzwerkes der Ähnlichkeiten, durch welches die Ausdrücke der Natur beigelegt werden.“253

Das legt nahe, die gestellten Fragen zu bejahen. Was darin angelegt ist, geht im Horizont dieser Untersuchung zwar nicht eigentlich über das, was schon zur Funktion der Metapher (und zum Phänomen von „Protention“) gesagt wurde, hinaus. Im Gegenteil, in gewisser Weise bleibt es dahinter zurück, weil Kuhn zu meinen scheint, eine Theorie sei unabhängig von „relevanten“ Metaphern. Aber neben der Feststellung, dass in seinem Werk eine realistischere Einschätzung der Metapher angelegt ist, als in den (Natur-)Wissenschaften seiner Zeit, Kuhn also auch insofern ein feines Gespür für Erkenntnisbedarfe gezeigt hat, ist die konkludente Kennzeichnung der Metapher als „ästhetisch“ interessant. 2. „Ästhetik“ als komplizierter Begriff Zur Terminologiekritik: Nun ist der Begriff der „Ästhetik“, der kein einheitlicher ist, sehr verführerisch und aufgrund seines uneinheitlichen Gebrauchs problematisch. Am einen Ende, der jedenfalls im wissenschaftlichen Gebrauch wohl dominierenden Position, steht die Ästhetik als die Lehre der Kunst und des Schönen (eine in sich spätestens seit der Moderne schon höchst spannungsreiche Synthese).254 252

Blumenberg (1998), S. 13. Kuhn (1979), S. 416; nach Ost, S. 541, bilden „bestimmte Annahmen, die sich in autori­ sierten Metaphern und Analogien darstellen“, für Kuhn eine von vier Kategorien, in denen sich die Gesamtheit der Überzeugungen und Annahmen einer Gruppe darstellt, unter denen sich auch „Paradigmen im engeren Sinne“ befinden, woraus sich ergibt, dass jene „bestimmten Annahmen“ in einem weiteren Sinne als paradigmatisch zu gelten hätten. 254 In diesem Sinne wohl auch Blumenberg (2007), S. 28: „Die Metaphorologie ist zwar keine ästhetische Disziplin, sie betrachtet das Verhältnis von Begriff und Metapher als genetisches und funktionales, aber es gehört durchaus zu ihrer Thematik, zu beschreiben und zu erklären, wie die Metapher in den ästhetischen Kontext überhaupt eingeht oder besser: wie das Ästhe­ tische in seiner Gesamtheit aus dem metaphorischen und mythischen Substrat hervorgeht.“ 253

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C. Mensch, Metapher, Recht, Geschichte

Am anderen Ende steht die Verwendungsweise einer starken Minderheit, die sich nicht zuletzt über den etymologischen Ursprung der aisthesis (griechisch) zu legitimieren sucht; ihr ist Ästhetik jedenfalls in erster Linie eine Lehre der sinnlichen Wahrnehmung zunächst einmal unabhängig davon, ob das Wahrgenommene NichtKunst ist und welche normativen Empfindungen es auslöst.255 Diese Positionen können einer geläufigen Unterscheidung nach pointiert als Artistik bzw. ästhetisches Denken gekennzeichnet werden.256 Die im deutschsprachigen Raum bisher vereinzelt gebliebenen ausdrücklich „rechtsästhetischen“ Ansätze waren in diesem Bezugsrahmen zum Beispiel zumindest überwiegend der erstgenannten Position zuzuordnen. So brachte zum Beispiel Heinrich Triepel in seinem oben behandelten Werk mit „Beiträgen zu einer Ästhetik des Rechts“ die „ästhetische Seite“ des Rechts ebenso vornehmlich, und durch zahlreiche Belege aus der rechtswissenschaftlichen Literatur gestützt, mit dem Wert der „Schönheit“ in Verbindung257 wie Gustav Radbruch den kurzen § 14 („Ästhetik des Rechts“) seiner Rechtsphilosophie mit dem Begriff der Kunst.258 Um die heute eigentümliche Verbindung von Erkenntnisinteressen in der Ästhetik bezogen einerseits auf die empirischen Funktionen sinnlicher Wahrnehmung durch Menschen, andererseits den normativen Wert der Schönheit und drittens eine Theorie der Kunst zu verstehen, bedarf es einer Betrachtung der Entstehungszeit der Ästhetik als wissenschaftlicher Disziplin am Beginn der zweiten Hälfte des 18.  Jahrhunderts. Es lässt sich auf der Basis der Deutung Hans-­ Jürgen Ketzers in Verbindung mit der allgemeiner in Reinhart Kosellecks „Kritik und Krise“ beschriebenen Situation pointiert formulieren, dass die Aufklärung in Form der Ästhetik eine subtile Umwegstrategie zur Veränderung der politischen Wirklichkeit ausentwickelt hat, ohne sich insoweit dem direkten Konflikt mit dem Feudalstaat auszusetzen. Nach Koselleck war die Beendigung der religiösen Auseinandersetzungen und die Befriedung der Gesellschaften des europäischen Kontinents nur möglich durch eine Trennung von Moral (privat) und Politik (Staat).

255 Vgl. schon ‚klassisch‘ Kant (2009 [1790]), S. 442 f.: „Der Ausdruck einer ästhetischen Vorstellungsart ist ganz unzweideutig, wenn darunter die Beziehung der Vorstellung auf einen Gegenstand, als Erscheinung, zur Erkenntnis desselben verstanden wird; denn alsdenn bedeutet der Ausdruck des Ästhetischen, daß einer solchen Vorstellung die Form der Sinnlichkeit (wie das Subjekt affiziert wird) notwendig anhänge und diese daher unvermeidlich auf das Objekt (aber nur als Phänomen) übertragen werde. Daher konnte es eine transzendentale Ästhetik als zum Erkenntnisvermögen gehörige Wissenschaft geben. Seit geraumer Zeit aber ist es Gewohnheit geworden, eine Vorstellungsart ästhetisch, d. i. sinnlich, auch in der Bedeutung zu heißen, daß darunter die Beziehung einer Vorstellung nicht aufs Erkenntnisvermögen, sondern aufs Gefühl der Lust und Unlust gemeinet wird. […] Es bleibt also immer eine unvermeidliche Zweideutigkeit in dem Ausdrucke einer ästhetischen Vorstellungsart.“ Ein Überblick findet sich bei Kösser, S. 27 ff. 256 Vgl. insbesondere Welsch (1996a), S. 135. 257 Triepel, S. 11 ff., 14. 258 Radbruch (2003 [1932]), S. 103 ff.

VI. Rechtsmetaphorologie als ästhetische (Sub-)Disziplin?

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„Durch die politische Ordnung, die der Staat herstellte, indem er den durch die religiösen Bürgerkriege verwüsteten Raum pazifizierte, schuf er die Voraussetzung für die Entfaltung der moralischen Welt. Aber im Maße als die politisch machtlosen Individuen der religiö­ sen Bindung entwachsen, geraten sie in Widerspruch zu dem Staat, der sie zwar moralisch freisetzt, aber gleichwohl ihnen die Verantwortung vorenthält, indem er sie auf einen Privatraum reduziert. […] Die einmal vom Staat vollzogene Trennung von Moral und Politik wendet sich damit gegen ihn selbst, indem er sich den moralischen Prozess machen lassen muss für die Leistung, die darin bestand, einen Raum zu konstituieren, in dem sich überleben ließ.“259

Aus der Perspektive des die Aufklärung tragenden, gleichwohl aufstrebenden wie aus wirtschaftlichen Gründen friedfertigen Bürgertums260 entsprach in dieser Folge dem Auseinanderfallen von Moral und Politik ein solches von Rationalität und Sinnlichkeit, übergreifend ein solches von Vernunft und Realität.261 Wahrscheinlich zu Recht vorsichtig formuliert Ketzer, aus dieser Perspektive heraus hätten sich die Chancen von Aufklärung und Vernunft am Grad der Möglichkeit bemessen lassen, den sinnlich erfahrbaren Alltag den im wissenschaftlichen Denken entstandenen Normen zu unterwerfen.262 Denn jedenfalls zunächst und weit überwiegend werden den Handelnden die damit verbundenen politischen Folgewirkungen nicht bewusst gewesen sein.263 Dennoch handelte es sich um indirekt politisches Handeln264, weil sich so „die kulturellen Wertorientierungen und Normen auch als dominante und damit für das Verhalten und Werten in der sozialen Öffentlichkeit maßgebliche etablieren konnten“.265 259

Koselleck, S. 7 f. Vgl. Ketzer, S. XV f., Koselleck, S. 41 ff. 261 Vgl. Ketzer, S. XVI f. 262 Ketzer, S. XVI f. 263 Zu einem dementsprechenden Bewusstsein am Ende des 18. Jahrhunderts in Friedrich Schillers Schrift „Über die ästhetische Erziehung des Menschen“, worin er sagt, „dass man um jenes politische Problem in der Erfahrung zu lösen, durch das Ästhetische den Weg nehmen muss, weil es die Schönheit ist, durch welche man zu der Freiheit wandert“, ausführlich Glaser/Stahl, S. 153 ff. Ihnen verdanke ich auch den Hinweis auf Karl Marx hier bemerkenswertes, weitere 50 Jahre später formuliertes Motto: „Analysierung des mystischen, sich selbst unklaren Bewußtseins, trete es nun religiös oder politisch auf. Es wird sich dann zeigen, dass die Welt längst den Traum von einer Sache besitzt, von dem sie nur das Bewusstsein besitzen muss, um sie wirklich zu besitzen. Es wird sich dann zeigen, dass es sich nicht um einen großen Gedankenstrich zwischen Vergangenheit und Zukunft handelt, sondern um die Voll­ ziehung der Gedanken der Vergangenheit“ (Marx (1976a [1839–1844]), S. 346, Herv. i. Orig.). 264 Koselleck, S. 53: „Im ganzen ausgeschaltet von der Politik, fanden sich die Männer der Gesellschaft an völlig ‚unpolitischen‘ Orten zusammen: […] in den Salons […] oder in Bibliotheken und literarischen Gesellschaften, in denen Kunst und Wissenschaft, nicht aber staatliche Politik betrieben wurde. So schuf sich im Schutze des absolutistischen Staates die neue Gesellschaft ihre Institutionen, deren Aufgaben […] ‚gesellschaftliche‘ waren. Es kam zu einer Institutionalisierung im Hintergrund, deren politische Kraft sich nicht offen […] entfalten konnte; vielmehr konnten die Vertreter der Gesellschaft von vornherein einen politischen Einfluss, wenn überhaupt, nur indirekt ausüben.“ Er spricht weiter, ebd. S. 41, von der „Ausweitung des privaten Innenraums zur Öffentlichkeit“. 265 Ketzer, S. XV. 260

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C. Mensch, Metapher, Recht, Geschichte

Der Schönheit, die der Begründer266 des Ästhetik als wissenschaftliche Disziplin, Alexander Gottlieb Baumgarten mit seiner Schrift „Aesthetica“ von 1750 als Zweck der Ästhetik definierte267, scheinen in dieser Entwicklung zwei Funktionen zugekommen zu sein. Zum einen war Voraussetzung der Motivation und gesellschaftlichen Mobilisierung für eine Wissenschaft von den traditionell gering­ geschätzten268 ‚unteren Erkenntnisvermögen‘, dass sie mit einem Erkenntnisinteresse und Ideal verbunden wurden, das von unzweifelhaft hohem Wert war.269 Zum anderen lag in dieser positiven Besetzung der Beschäftigung mit den sinnlichen Fähigkeiten und Funktionen des Menschen durch einen übergreifenden Begriff zugleich die Voraussetzung einer theoretischen Sammlungsbewegung aller Werktätigen, deren Gewerke zuvor als nach Rang und – soweit vorhanden – Theorie strikt unterschieden galten (im Wesentlichen – mit Binnendifferenzierungen – in artes liberales und artes mechanicae).270 Diese Funktion des Schönen im Rahmen einer Lehre der sinnlichen Erkenntnis ist nun heute weitgehend abhanden gekommen und erscheint in der kulturell hyperkomplexen, insbesondere subkulturell ausdifferenzierten, ‚glokalisierten‘ (Welt-)Gesellschaft, die sich freilich ihrer Schicksalsgemeinschaft in Bezug auf die sinnliche Wahrnehmung menschlicher Existenzbedingungen bewusst sein sollte, eher als hinderlich.271 Wendet man den Blick zurück zur Metaphorologie, so ist festzustellen, dass Ästhetik in beiden Gebrauchsweisen und Metaphorologie tatsächlich sehr ähnliche Interessen verfolgen. Die Basis sowohl der Ästhetik in beiden Gebrauchsweisen als auch der Metaphorologie ist erstens ihre – in dieser Untersuchung in ebenfalls nicht unproblematischer, da weltanschaulich und historisch belasteter Weise ‚materialistisch‘ genannte  – Sichtweise hauptsächlich und begründend auf das körperlich empfindende, sensomotorische Dasein des Menschen. Hier sind jedoch auch wichtige Differenzierungen angebracht. Natürlich hat die präskriptive Metapher eine ‚ästhe­tische Seite‘, insofern sie Wortlaut ist oder (still) in der Vorstellung eines Wortlautes gedacht wird; insoweit ist jedoch alle Sprache wie alles sprachgebundene Denken ästhetisch. Lautend ist etwa die „Krähe“ eine „Krähe“, egal ob sie mit eigentlicher oder metaphorischer Bedeutung ausgestattet ist. Insoweit wäre 266

Vgl. Mirbach, S. IX. Baumgarten, § 14 (S. 21). 268 Majetschak, S. 19 ff. Vgl. dazu insbesondere Baumgarten, § 3 (S. 15), wo „Sinnliches, Einbildungen, Märchen, die Wirrnisse der Leidenschaften“ in einem Vorwurf zusammen­ gestellt werden. 269 Vgl. auch im Folgenden Ketzer, S. XVII f. 270 Dazu, dass das Denkregime der Ästhetik grundsätzlich dazu neigt, gesellschaftlich konstruierte Hierarchien zu konterkarieren Ranciere, S. 1–12, S. 4 ff. 271 Welsch (1996a) zeigt auf, dass die Disziplinierung der Ästhetik bloß auf die Kunst hin ihre Aufgabe verfehlt. Durch einerseits die Pluralisierung der Kunst und andererseits die globalisierte Ästhetisierung des Alltags – die keinesfalls von allen als genüssliche Verbesserung empfunden werde  – sei es unmöglich (geworden), von der „ästhetischen“ Selbstständigkeit der Kunst auszugehen. 267

VI. Rechtsmetaphorologie als ästhetische (Sub-)Disziplin?

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also keine Spezial-, und sei es als Hilfsdisziplin zu begründen. Im Gegensatz aber etwa zum (präskriptiven) „Kernbereich“ eines Rechtes ist die „Krähe“ der – soweit ersichtlich – ursprünglichen Bedeutung nach etwas sinnlich Wahrnehmbares sowie auch eine metaphorische Krähe, soweit sie sich deskriptiv auf einen sinnlich wahrnehmbaren Sachverhalt beziehen sollte. Hier stünden also an beiden Enden der Übertragung sinnlich wahrnehmbare Sachverhalte. Dort stünde nur an einem Ende der Übertragung ein sinnlich wahrnehmbarer Sachverhalt. Wenn das metaphorisch befriedigte Erkenntnisinteresse in einem nicht sinnlich wahrnehmbaren Sachverhalt besteht, ist das für eine Disziplin, die sich auf das sinnliche Erkenntnisvermögen bezieht, ein Problem.272 Entsprechend grenzte Baumgarten die insofern mehrdeutige Definition der Ästhetik als „Kunst des schönen Denkens“ dahingehend ein, dass damit immer das schöne, das heißt zutreffende Denken sinnlich erkannter Sachen gemeint sei.273 Eine signifikante Parallelität liegt zweitens darin, dass auf der einen Seite Baumgarten die Ästhetik als „Analogon der Vernunft“ (lat. ars analogi rationis) und die Logik als „ihre ältere Schwester“ gekennzeichnet hatte274; im metapherntheoretischen Diskurs auf der anderen Seite begegnet (unter Berufung auf Aristoteles) die Behauptung einer „alternativen Rationalität“275 der (gelungenen) Metapher. In beiden Fällen liegt in der Anlehnung an die unbestritten wertvolle Rationalität (im Idealsinne der formalen Logik) eine Legitimierungsstrategie. (Man stelle sich umgekehrt vor, ein Logiker bezeichne sein Werk als ‚Beiträge zu einer alternativen Ästhetik‘.) Ergänzend ist der Ästhetik in beiden Gebrauchsweisen und der Metaphorologie drittens ein „rationalismuskritischer Impuls“276 gemeinsam, weil die Geringschätzung der sinnlichen Erkenntnis als Summe der ‚unteren Erkenntnisvermögen‘ gerade auch bei den rationalistischen Hausphilosophen Descartes und ­Leibniz angelegt war. Dies wird besonders plastisch daraus ersichtlich, dass acht von 13 Paragraphen 272

Großzügig Johnson (2007b), S. 103, zunächst Dewey zitierend: „Hence an experience of thinking has its own esthetic quality. It differs from those ex­ periences that are acknowledged to be esthetic, but only in its materials. The material of the fine arts consists of qualities; that of experience having intellectual conclusion are signs or symbols having no intrinsic quality on their own, but standing for things that may in another experience be qualitatively experienced. […] The experience itself has a satisfying emotional quality because it possesses internal integration and fulfillment reached through ordered and organized movement. […] What is even more important is that not only is this quality a significant motive in undertaking intellectual inquiry and in keeping it honest, but that no intellectual activity is an integral event (is an experience), unless it is rounded out with this quality. Without it, thinking is inconclusive. Anyone who has ever reflected on their own thought processes […] will know immediately what Dewey is talking about when he speaks of the aesthetics of thinking. […] We feel ‚how to go on‘ connecting one thought to another“ (Herv. i. Orig.). 273 Vgl. Baumgarten, § 18 (S. 23); dazu Mirbach, S. LVI. 274 Baumgarten, § 1 (S. 11) bzw. § 13 (S. 17). Dazu ausführlich Mirbach, S. XXVII ff. 275 Nochmals Höffe (2009b), S. 9. 276 Majetschak, S. 19 ff.

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C. Mensch, Metapher, Recht, Geschichte

der Vorbemerkungen der Baumgartenschen „Aesthetica“ der Argumentation gegen Einwände gegen die Ästhetik gewidmet sind.277 Dieser offenkundige Widerspruch gegen den Rationalismus, der über die Aufklärung verbunden tatsächlich wie eine „ältere Schwester“ der Ästhetik erscheint, mag den (An-)Schein ihrer politischen Harmlosigkeit nicht geschmälert haben. Aufgrund der begrifflichen Probleme einer ‚Ästhetik der präskriptiven Metapher‘ (die Ästhetik nähme selbst metaphorischen Charakter an; sie wäre differenzierend vielleicht als Ästhetik zweiten Grades zu kennzeichnen) und der normativen Aufladung des überwiegenden Sprachgebrauchs ist es empfehlenswert, die Bezeichnung „Ästhetik“ im (rechts-)metaphorologischen Zusammenhang allenfalls mit Vorsicht zu gebrauchen.

277

Baumgarten, §§ 5–12 (S. 13–17).

D. Metaphorologische Analyse des Rechts als Perspektive (Teil 2, Praxis) „Eine […] integrative Rechtswissenschaft müsste darauf verweisen, dass man an das Recht glauben muss, wenn es etwas bewirken soll; es hat nicht nur mit Vernunft und Willen zu tun, sondern auch mit Gefühl, Intuition und Glauben. Es enthält ein umfassendes gesellschaftliches Engagement.“ Harold J. Berman1 „Gegen das Imaginäre hilft nur eine über sich selbst aufgeklärte Imagination.“ Dietmar Kamper 2

Im Folgenden gilt es, Möglichkeiten aufzuzeigen, das theoretische Wissen um die Bedeutung der Metapher in der und für die Rechtswissenschaft zu operationalisieren. Dabei kann es gerade angesichts der Vielfältigkeit rechtswissenschaftlicher Aufgabenstellungen nicht darum gehen, die eine Methode darzustellen, vermittels derer jede Metapher im Recht schematisch zu analysieren wäre. Vielmehr soll ein Instrumentarium, ein ‚Operationsbesteck‘ zusammengestellt werden, derer sich rechtswissenschaftliche Forschung je nach Situation angemessen bedienen kann – orientiert am jeweiligen Erkenntnisinteresse, an der zu erahnenden Valenz der relevanten Metapher(n) und den zur Verfügung stehenden Ressourcen. Metaphorologische Analyse ist dabei nicht in Reinform denkbar. Dieser Name kennzeichnet vielmehr die gelehrte Beachtung des metaphorischen Aspekts im Rahmen wissenschaftlicher, in der Regel historisch arbeitender Methodiken. Metaphorologie ist ja wissensschaftsgeschichtlich ein Kind der Begriffs- und Philo­ sophiegeschichte, systematisch ein Unterfall der historischen Semantik. Entsprechend bezeichnete Blumenberg in der Einleitung zu den Paradigmen das Verhältnis der Metaphorologie zur Begriffsgeschichte als „ein solches der Dienstbarkeit“.3 Die darin zum Ausdruck kommende Bescheidenheit sorgt bis heute für Irritationen4. Bescheidenheit und Irritation lassen sich dadurch erklären, dass eine methodische Metaphorologie mit ihrem pragmatischen Wert ihrem Selbstverständnis nach erstaunlich weit hinter dem zurückbleibt, was sie an Anthropologie voraussetzt und impliziert. Dies folgt daraus, dass wissenschaftliche Methodologie grundsätzlich finalistisch auf Bestimmtheit orientiert. Einer Metaphorologie, wel 1

Berman, S. 11. Kamper (1986), S. 72. 3 Blumenberg (1998), S. 13. 4 Mende (2009b), S. 12 ff. (Fn. 33). 2

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D. Metaphorologische Analyse des Rechts als Perspektive (Teil 2, Praxis) 

che den Prozess der Bestimmung als im Unterbewusstsein retro- und prospektiv folgenreich mit Kontingenzen und Willkürlichkeiten verbundene Geschichte eines Begriffs (in der Rechtswissenschaft insbesondere in Form eines Dogmas) im Fokus hat, also einstmals und künftig Bestimmbares zu Bewusstsein bringt, muss im wissenschaftlichen Gebrauch nur eine Komplementärfunktion zukommen. Im Rahmen des kritischen Unternehmens, als das sich Rechtsmetaphorologie erweist, kann es dabei nicht um ein einseitig erklärendes, im Sinne von recht­ fertigendem Nachvollziehen von Geschichte gehen, sondern (re-)konstruktiv um Bestätigung, Ablehnung und Fortschreibung rechtsdogmatischer Begriffsweisen, die notwendigerweise in (präskriptiven) Metaphern ent- und bestehen. Die Betrachtung einer (oder mehrerer) rechtssprachlicher Metapher(n) wird deshalb im im disziplinären Sinne rechtswissenschaftlichen5 Zusammenhang regelmäßig nur im Gleichlauf zur Betrachtung der im Medium dieser Metapher(n) erfolgenden begrifflichen Konstruktion, ihrer rechtsdogmatischen Funktion und ihres im weiteren Sinne rechtspolitischen Anlasses, also ihrer ‚Genese‘ erfolgen.

I. Vorfindliche metaphorologische Analytiken Die methodologische Verwertung der theoretischen Metaphorologie kann auf nur wenig beispielhafte Vorarbeiten aufbauen. Auf den folgenden Seiten werden drei Ansätze vorgestellt, die metaphernanalytisch jeweils mindestens Gesellschaftstheorie(n) betrachten, also ihrem Erkenntnisgegenstand nach der Rechtswissenschaft zumindest mehr oder minder nahe stehen. An dieser Stelle wird nicht ausführlich dargestellt, was Bernhard H. F. Taureck allgemein unter „kritischer Ikonologie“6 und – methodisch formuliert – „ikonologischer Derigidierung“7 versteht, der freilich in Zusammenhang mit dem letztgenannten Begriff explizit einen kritischen Nutzen dieses Verfahrens für die Verfassungsinterpretation behauptet.8 So führt er einen Text Di Fabios zur nominatio dei der Präambel des deutschen Grundgesetzes als Beispiel für rigide, „veritativ“ verwendete Metaphern mit „dem Ziel ihrer ordnungspolitischen Etablierung“ an, dessen derigidierte Lektüre helfen könne, „Transformationsoptionen politisch-theologischer in juristische Deutungen unserer Verfassung“  – seiner Meinung nach offensichtlich sinnvoll – auszuschalten. Sein „Programm einer kritischen Ikonologie“ findet sich jedoch nicht anwendungsbereit zusammengefasst, sondern soll in 5

Insbesondere in originär künstlerischen und kulturwissenschaftlichen Herangehensweisen erscheinen freie bzw. ganz auf die ‚Bildebene‘ fokussierte Perspektiven auf rechtssprachliche Metaphern möglich. 6 Taureck (2004), S. 34. 7 Taureck (2006), S. 131 f.: „Arbeit der Einsicht in den metaphorischen Status von Angaben, die von sich aus als starre und wahre Sachverhalte erscheinen oder deren Verständnis kulturell in diesem Sinn eingeübt wurde. […] Ikonologische Derigidierung […] bezieht sich auf das lateinische ‚rigidus‘, was ‚starr‘, aber auch ‚emporragend‘ oder ‚grausam‘ heißen konnte.“ 8 Im Folgenden Taureck (2006), S. 132 f.

I. Vorfindliche metaphorologische Analytiken

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seinem gesamten, komplexen Werk enthalten sein, das er als philosophisches disziplinär gegenüber indisziplinären Zugriffen abzuschirmen tendiert.9 Dem entspricht der Anschein, dass sich besagtes Programm charakteristisch auch eher durch inhaltliche als methodische Spezifität auszeichnet. In übersichtlicherer, nachvollziehbarerer und indisziplinärerer Weise verfolgen die nachfolgend dargestellten Ansätze eine gleichlaufend kritische Intention anhand für die Rechtswissenschaft sachnäherer Beispiele. 1. Anil K. Jain, Metaphorisch-imaginative heuristische Methode Einen Ansatz davon liefert Anil K. Jain. Aristoteles hatte empfohlen, angemessene Metaphern zu gebrauchen, um Aussagen unbemerkt einen fremden Ton zu geben, der sie für den menschlichen Intellekt reizvoll mache: Eine unbemerkte Metapher sei eine gute Metapher. Sowohl die Bezeichnung der „Angemessenheit“ als auch, „nicht weit hergeholt“ zu sein, beides metaphorische Ausdrücke, sowie weiter das analytische Abstellen auf einen Vergleichsgesichtspunkt setzen an, Metaphern über Ähnlichkeitsbeziehungen, ähnliche Beziehungen oder Teilidentitäten zu erklären. Ein solchermaßen vom Bestehenden auf das Neue schließendes Denken stellt zum Zwecke der rationalen Rekonstruktion einer jeden Metapher den­ logisch ersten Schritt dar. Das Ältere am Neueren zu erkennen, kann jedoch nur eine Seite der rationalen Rechtfertigung einer Metapher sein, die nicht bloß redundanter Sprachgebrauch ist. Anil K. Jain hat sich der Aufgabe zugewendet, gewissermaßen das Neue am Neueren, den Mehrwert der Metapher gegenüber dem vorherigen Zustand, die Differenz zwischen übertragenem Begriff und überlagertem Begriff zu betrachten. Er geht jedoch noch darüber hinaus, indem er weiter dem assoziativen Potenzial der jeweiligen Metapher nachgeht, um ihre künftigen Fortschreibungsmöglichkeiten zu erkunden. Letzteres ist ungewohnt, aber höchst konsequent an seinem Ansatz. Allen explizit metaphorologischen Wissenschaftsansätzen ging es bisher in erster Linie, wenn nicht allein darum, die Existenz von Metaphern im Allgemeinen und Besonderen zu ‚erklären‘, ihre Genese im Einzelfall nachvollziehbar zu machen und sie in Frage zu stellen – zum Teil bloß zum Zwecke kritischer Analyse, zum Teil auch zu Zwecken normativer Kritik tendierend, jedenfalls jedoch bezogen auf empirisch vorhandene Metaphern. Den Umstand voraussetzend, dass die (präskriptive) Metapher für Erkenntnis und folglich Wissen konstitutiv („kreatives Medium und Instrument der Erkenntnisbildung“10) ist, liegen die konstruktiven Möglichkei 9

Taureck (2004), S. 34 f., zum sicherlich einen Sonderfall darstellenden Verhältnis zwischen Philosophie und Psychoanalyse. Die Stelle ist freilich auch nicht als Einladung zu Synthesen mit rechtswissenschaftlichen Ansätzen zu lesen. Die ebd. vorgebrachten Argumente gegen die „Amalgamierung von Philosophie und Psychoanalyse“ erscheinen insoweit überwiegend übertragbar. 10 Jain, S. 12 (Herv. i. Orig.).

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D. Metaphorologische Analyse des Rechts als Perspektive (Teil 2, Praxis) 

ten einer methodischen Metaphorologie über die Kritik des Bestehenden hinaus auf der Hand. Idealerweise entfaltet sich ein metaphorologisches Bewusstsein bereits in der Entstehung einer Metapher; dieses ideale Bewusstsein setzt nicht erst als nachträgliche Bewusstwerdung irgendwie schon eingespielter Metaphern und ihrer Folgen an. Die „metaphorisch-imaginative heuristische ‚Methode‘“, die Jain mit deutlich dekonstruktivistisch geprägtem Überbau („[d]ie Dekonstruktion ist die Gerechtigkeit“, sagt Derrida11) versehen vorschlägt, strukturiert er in drei Schritten: „Eine initiale Metapher dient als Ausgangspunkt, sie überträgt einen ‚abstrakten‘ Gedanken in eine bildliche Vorstellung (imaginative Übertragung) [I., d. Verf.]. Diese initiale Metapher wird sodann immer weiter detailliert und verdichtet (Verdichtung) und schließlich – nach der parallelen kritischen Reflexion über ihr assoziatives Bedeutungsnetz – [II., d. Verf.] zurückgespiegelt auf die zugrunde liegende Vorstellung (überschreitender Retransfer/Rückübertragung) [III., d. Verf.]. Denn genau dort, wo die Metapher und ihre rückübertragen(d)e Interpretation auf Abwege führt, kann sie die ursprünglichen Gedanken auch ‚sinnvoll‘ überschreiten.“12

Was zunächst einmal auffällt, ist eine eigenwillige Beschreibung der Metapher, die sich ganz im Verzicht auf Sprache versucht. Es wird weiter auch nicht ein (bildliches) Wort auf eine abstrakte Vorstellung angewendet, sondern umgekehrt der abstrakte Gedankeninhalt in eine bildliche Vorstellung übertragen (gegen die ‚klassischen‘ Metapherntheorien). Darin erscheint drittens (gegen zumindest die Mehrheit der modernen Theorien der präskriptiven Metapher) der Gedanke nicht zugleich in der Metapher geboren, sondern ihr vorausgesetzt. Diese Eigenartigkeiten sind zu bemerken, haben aber keine Auswirkung auf die Anwendbarkeit der Methode auf sprachlich zumindest vermittelte Metaphern, von denen Jains Untersuchung faktisch handelt. a) Initiale Metapher Die initiale Metapher, anhand derer Jain als Sozialwissenschaftler seine Methode entwickelt, ist der Begriff der „sozialen Landschaft“ als Synonym für die (übrigens konventionalisiertere Metapher – mindestens zweiten Grades – der) Gesellschaft. Als initiale Metapher liegt, was er nicht ausdrücklich sagt, eine bestehende Metapher nahe, die von Erkenntnisinteresse ist. Theoretisch könnte man wohl auch eine neue Metapher erfinden, nur um sie im Rahmen der vorgeschlagenen Methode heuristisch auszutesten.13 11

Derrida (1998), S. 30. Jain, S. 13 (Herv. i. Orig). 13 Wenn nicht hinter eine solchen ‚neu erfundenen Metapher‘ in Wirklichkeit eine vorhandene Metapher stünde (eine aus freiem Willen ‚neu erfundene‘ Metapher käme kognitiv ja nicht aus dem Nichts), also zum Beispiel ein Zufallsgenerator ein Substantiv aus dem Wörterbuch auswürfe, wäre allerdings auch der heuristische Wert nur von Zufall, nicht zuletzt weil (vielleicht 12

I. Vorfindliche metaphorologische Analytiken

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In der praktischen Durchführung passiert in der ersten Phase dieser Methode mehr als die bloße Benennung einer Metapher, die dann untersucht werden soll. Es wird nämlich schon auf dieser Stufe die Metapher der Landschaft neben konkurrierende Metaphern für die Bedeutung von Gesellschaft gestellt, nämlich die des „Körpers“, der „Maschine“, des „Systems“ und der „Netzwerke“, indem für diese Metaphern jeweils gesondert zum einen ihre ursprünglichen Bedeutungen benannt und zum anderen prägnante Belege für ihre metaphorische Verwendung im einschlägigen Kontext vorgewiesen werden. Sachlich schafft er so die Grundlage für einen metaphorologischen Vergleich. Entsprechend begründet Jain sein neben­ einander stellendes Vorgehen damit, dass vor dem Hintergrund dieser konkurrierenden Metaphern „das spezifische Potenzial der Metapher der sozialen Landschaft deutlich“ werde.14 Letzteres kann aber naheliegenderweise nicht schon Ergebnis des ersten Schrittes sein; dieser wird durch den Vergleich schon mit viel Komplexität aufgeladen. Ebenso nahe liegt aber, dass das spezifische Potenzial und die spezifische Funktion einer Metapher im Rahmen ihrer detaillierteren Analyse um so besser herausgearbeitet werden können, desto klarer und definierter in Form konkurrierender Begriffe das Feld des Unspezifischen, Nichteinmaligen ist, in dessen Kontext (und sei es suboptimaler Weise unbewusst) Erkenntnis als Wechselspiel von Unterscheidung und (Teil-)Identifikation überhaupt erst möglich ist. b) Detaillierung und Verdichtung Was unter „Detaillierung und Verdichtung“ verstanden wird, betrifft nun ganz fokussiert die ursprüngliche Bedeutung des metaphorisch gebrauchten Ausdrucks; Jain spricht von „bildlich-historischen Verdichtungen“.15 Genauere Ausführungen macht er nicht. Am praktischen Beispiel verfährt er so, dass er, nicht zuletzt aufgrund von Sekundärquellen, in kompakter Form eine Geschichte des Begriffs der Landschaft, dem sein Fokus gilt, erzählt und seine wesentlichen Entwicklungsstadien mit den jeweils dominierenden Auffassungen von Gesellschaft in Verbindung bringt. Landschaft wird als Begriff der Verschränkung von Kultur und Natur gesehen; in welchem Maße die Landschaft begärtnert und durch welche Ideale gerechtfertigt sie zu welchen Formen getrimmt wird, daraus wird abgelesen, in welchem Maße und gerechtfertigt durch welche Ideale auch die Gesellschaft der jeweiligen Zeit durch analoge Ordnungsvorstellungen diszipliniert war.16 Es wird also nicht sogar nur) strukturell-metaphorologische Fortschreibungen höhere Chancen auf soziale Anerkennung haben, und begäbe man sich der unmittelbar (selbst-)kritischen (Teil-)Funktion der Methode. Dies wäre wenig effizient. 14 Jain, S. 13. 15 Jain, S. 94, 101. 16 Vgl. Jain, S. 94 ff.

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D. Metaphorologische Analyse des Rechts als Perspektive (Teil 2, Praxis) 

nur eine Geschichte des Landschaftsbegriffs erzählt, sondern nebenbei auch eine Geschichte der Gesellschaft angedeutet, also derjenigen, für die die initiale Metapher selbst steht.17 Dies ist sicher eine Besonderheit von Metaphern der Gesellschaft. Es fragt sich, ob die Nebenerzählung einer Gesellschaftsgeschichte grundsätzlich zu dem gehört, was er Detaillierung und Verdichtung nennt, oder durch die konkret untersuchte Metapher bedingt ist. Wären z. B. zur Detaillierung und Verdichtung im Rahmen einer Untersuchung der Metapher des „Eingriffs“ für ein staatliches Handeln (z. B. nur in sprachlicher Form) neben Betrachtungen zu historischer Semantik und technischen Entwicklungen des „Eingriffs“ in Bezug auf gestische Sitten, Medizin und Kleidung grundsätzlich auch Belege zu den jeweiligen gesellschaftlichen Haltungen in Bezug auf händische Interaktion und das Verhältnis zwischen Intimität und Öffentlichkeit angebracht? Jain beantwortet diese Frage  – wenn auch möglicherweise aufgrund einer falschen Prämisse – implizit positiv, indem er auch, insoweit er keine „direkte Verbindung“ zwischen Signifikant (Landschaft) und Signifikat (Gesellschaft) zu behaupten scheint, das Signifikat gesellschaftlich deutet.18 Grundsätzlich überzeugt dies jedoch, denn wie sich gerade am Beispiel des Eingriffs zeigt, lassen Metaphern sich kaum sinnvoll auf eine ungesellschaftliche Ursprungsbedeutung reduzieren, weil ihre Analogie eine solche der epistemisch produzierten Verhältnisse und nicht der ursprünglich bezeichneten ‚Substanz‘ ist. Was im Rahmen der metaphorisch-imaginativen heuristischen Methode als Detaillierung und Verdichtung bezeichnet wird, ähnelt damit im Hinblick auf die gesellschaftlichen Kontexte dem, was Blumenberg in Längs- und Querschnitten vorgenommen hat. c) Überschreitender Retransfer – Rückübertragung und hermeneutische Überschreitung Wenn von hermeneutischer Überschreitung die Rede ist, erinnert das im hier besprochenen Kontext an die Redewendung, ein Bild ‚überzustrapazieren‘. Tatsächlich wird diese Redewendung nicht auf jede Fortschreibung existierender Metaphern angewendet, sondern nur auf solche Fortschreibungen, die nicht angemessen, die nicht ‚sinnvoll‘ erscheinen. Detaillierung und Verdichtung einer Metapher haben diese auf der bildlichen Ebene im übertragenen Sinne konsequent ‚ausgemalt‘ 17

Vgl. auch im Folgenden Jain, S. 106. Vgl. Jain, S. 106 ff. Dort erklärt er zutreffend, dass „es sich beim Verhältnis von Garten­ (-Landschaft) und Gesellschaft nicht um ein rein metaphorisches“ handele, sondern eine „direkte Beziehung zwischen dem großen Rahmen der sozialen Landschaften, ihren historischen Wandlungen und der Entwicklung der Gartenkultur“ bestehe. Es handele sich jedoch nur um einen Ausschnitt und anhand der Betrachtung anderer (Landschafts-)‚Felder‘ ließen sich andere Elemente ergänzend verdeutlichen. Dies liest sich so, als seien diese anderen Elemente durch ein rein metaphorisches Verhältnis zur Gesellschaft gekennzeichnet, was angesichts der Gesellschaftlichkeit des Metaphorischen nicht stimmt. 18

I. Vorfindliche metaphorologische Analytiken

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und ‚ausgezeichnet‘, und damit aller Wahrscheinlichkeit nach auch Qualitäten und naheliegende Assoziationen bewusst gemacht, die im Gebrauch der initialen Metapher keine oder zumindest keine wesentliche Rolle spielen oder zu spielen scheinen. Hermeneutische Überschreitung meint der Sache nach die Übertragung des ‚ausgemalten Bildes‘ auf den durch die initiale Metapher ausgedrückten Sachverhalt („[b]etrachten wir also […] hier – versuchsweise – als […]“ ).19 Das formulierte „versuchsweise“ liegt in der Konsequenz des Selbstverständnisses der Methode, Neues über den ausgedrückten Sachverhalt zu erfahren, wobei offen bleiben mag, ob jenes Neue wirklich völlig neu sein oder bisher lediglich vorbewusst gewesen sein wird.20 Die Unterschiede dürften auf die Schnelle hauptsächlich intuitiv zu bestimmen sein: Parallelen, die vielleicht nie ausformuliert aber zumindest potenziell als auf der Hand liegend mitassoziiert wurden, die aus unbewussten Gründen ‚erlaubt‘ sind, gelten als bloßer Retransfer, alle weiteren als „Überschreitung“, sei dieses metaphorische Überschreiten empirisch oder (auch) normativ gemeint.21 Dass die Überschreitung unmittelbar aus dem Retransfer hervorgehen muss, zeigen beispielhaft drei Überlegungen, die in einem ersten Teil der Rückübertragung des „historisch-konkret“ verdichteten und detaillierten Bildes der Landschaft auf das Soziale entwickelt werden: (1) Die Landschaft teile sich in sich ausbreitende, ökonomischen Gesetzen unterworfene Flächen der Landwirtschaft und – kompensatorisch – dem Leitbild des Gartens folgende Bereiche des Ästhetischen und Natürlichen auf. Entsprechend könne es sein, dass auch die Gesellschaft einer ökonomischen Gesetzen folgenden „Ausdehnung der bloßen Funktionsräume“ unterliege, während zugleich, man denke an größere Wohnräume, Freizeitbudgets und auch Kulturförderung, aus dem Gesamtsystem heraus ausgleichende Gegensphären gepflegt würden.22 (2) Ebenso lasse die teils offen destruktive, teils ‚bloß‘ disziplinierende Gewalt, die in den differenzierten Landschaftsräumen (man mag einerseits an Kohleabbau, andererseits an eingefasste Blumenbeete denken) zur Anwendung komme, gesellschaftliche Gewaltverhältnisse entdecken (man mag einerseits an ein Fabrikkind in der „dritten Welt“, andererseits die Aufteilung des öffentlichen Raums in Bewegungs- und Aufenthaltsflächen, erstere differenziert nach Fortbewegungsarten, denken).23 (3) In der Globalisierung bestimmter gärtnerischer Typologien wie des Landschaftsgartens oder des japanischen Zierfischteichs, die jeweils mit Elementen anderen Ursprungs kombiniert und den spezifischen Situationen sol 19

Jain, S. 94. Jain, S. 110, formuliert denn auch offen: „Welches Bild von Gesellschaft legt sie uns nahe und was können wir durch sie (neues) erfahren?“ Später, S. 122, behauptet er „ein um zahlreiche Aspekte erweitertes und zugleich deutlicher umrissenes Bild der Gesellschaft“ (Herv. d. Verf.). 21 Vgl. Jain, S. 122, wonach die einer Metapher zugrunde liegende Anschauung „durch die erfolgte metaphorische Verdichtung und Rückspiegelung zwar bereits vielfach überschritten“ worden sei; doch „eine solche“ Überschreitung ist nicht die Überschreitung, auf die es nach Jain ankommt (Herv. i. Orig.). Eine Überschreitung ist offenbar nicht jedenfalls ein Fortschritt; sie vermag, wie (Detaillierung und) „Verdichtung“ ja auch zulassen, ‚intern‘ zu bleiben. 22 Jain, S. 110 ff. 23 Jain, S. 112 f. 20

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D. Metaphorologische Analyse des Rechts als Perspektive (Teil 2, Praxis) 

cher „Collagen“ angepasst würden (man denke an einen japanischen Zierfischteich, der an einer mallorcinischen Finka gelegen von einem Gartenzwerg bewacht wird), spiegelten sich gesellschaftliche Veränderungen in Richtung eines Spannungsfeldes zwischen Globalisierung und Fragmentarisierung wieder.24 Bei den pointiert zusammengefassten Überlegungen handelt es sich gewissermaßen um interpretatorische ‚große Linien‘, um makrometaphorologische Tendenzen. Unter die Rückübertragung fallen aber natürlich auch viele Details, die das ursprünglich Bedeutete mit dem metaphorisch Bedeuteten teilt oder teilen könnte, z. B. bezogen auf die Landschaft ihre Differenziertheit hinsichtlich privilegierter und nicht-privilegierter Lagen, ihre stark perspektivische Wahrnehmung zum Beispiel in Sichtachsen und ihre Eigenschaft als Raum, durch den man sich unter Zeitverbrauch bewegen kann.25 Im Zusammenhang dieses zweiten Teils der Rückübertragung finden auch Vergleiche („komparative Reflexionen“) statt, die hier noch lediglich Vorteile der Landschaftsmetapher darstellen, z. B. ihr positives Erschließungspotenzial hinsichtlich sozialer Ungleichheiten im Vergleich zur angeblich zweidimensionalen Netzwerkmetapher, hinsichtlich ihrer zeitlichen und potenziell auch räumlichen Unbegrenztheit im Vergleich zum sozialen „Körper“ und hinsichtlich der Stabilitäten und Stabilitätsbedarfe des Gesellschaftlichen im Vergleich zu (ökonomistischen Bedürfnissen entgegen kommenden) Metaphern der „Liquidität“, „Volatilität“ oder „Verflüssigung“. Dieser Teil bezieht sich inhaltlich auf die Vorarbeiten im Rahmen der Darstellung der initialen Metapher. Inwieweit jeweils die angesprochenen Qualitäten der ursprünglichen Bedeutung hier ‚neu‘ übertragen oder bloß ‚entdeckt‘ werden – als bisher unausgesprochen und zumindest teils unterbewusst Mitgedachte –, entzieht sich einer exakten Bestimmung und bedarf in praktischer Hinsicht wahrscheinlich auch keiner. Einem dritten Teil der Rückübertragung ist schließlich vorbehalten, das Unterdrückte zu definieren, an das die untersuchte Metapher unbewusst nicht denken lässt, die „Verfestigungen, die uns in bestimmten ‚Anschauungen‘ gefangen halten“.26 Im Falle der sozialen Landschaft identifiziert Jain als ihre problematischen Aspekte insbesondere Annahmen der prinzipiellen Vermessbarkeit, Romantisierung und Naturalisierung der sozialen Verhältnisse, wobei letztere einen latenten Konservativismus bedingten; tatsächlich ‚passt‘ etwas ‚in die Landschaft‘, wenn es sich in das Bestehende einfügt. An dieser Stelle der Rückübertragung findet also besonders ausgeprägt das ideologiekritische Element dieses Ansatzes zu einer metaphorologischen Analyse seinen Platz, das insbesondere dazu dient, zukünftig bewusst „alternative Anschauungen nicht auszuschließen“.27 24

Jain, S. 113 ff. Vgl. auch im Folgenden Jain, S. 115 ff. 26 Vgl. auch im Folgenden Jain, S. 120 ff. 27 Auch im Folgenden Jain, S. 122 f. Vgl. in diesem Zusammenhang Kohl, S. 133: „Metaphern lassen sich nicht aus der Wissenschaft eliminieren, aber […] wir können mit alternativen Metaphern experimentieren, um alternative oder auch neue Erkenntnisse möglich zu machen.“ 25

I. Vorfindliche metaphorologische Analytiken

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Die wirkliche, eigentliche Überschreitung soll in der Logik dieser Methode sinngemäß wohl nur dort und darin liegen, wo aus einer Metapher historisch anschlussfähig eine solche Varianz ihrer selbst abgeleitet würde, die angewendet auf die gesellschaftliche Wirklichkeit zu praktischen Überschreitungen bestehender Systemlogiken ermächtigte. In seiner Untersuchung der sozialen Landschaft geht Jain in dem, was er wirkliche hermeneutische Überschreitung nennt, bedauerlicherweise nicht nachvollziehbar systematisch vor. Aus der Darlegung einer dekonstruierten Raumtheorie heraus – immer noch „Raumtheorie“, worin der Autor die Verbindung zur Landschaft gewahrt zu sehen scheint – entwirft er Überlegungen zu die Logik der Landschaft tatsächlich utopisch „sprengenden“ Räumen. Die derart inszenierte fundamentale Infragestellung konventioneller Raumvorstellungen wird genutzt, um mit dem „Rhizom“ eine zur traditionellen Landschaft querliegende, aber immer noch verwandtschaftlich wirkende Figur einzuführen. Diese Figur soll auf konkret-bildlicher Ebene die Möglichkeit der ‚echten‘ Überschreitung, so hat man den Eindruck, zunächst zum Zwecke ihrer Sicherung gewissermaßen nur stellvertretend, das heißt vorübergehend einlösen. Hier, Diskurs öffnend, endet die metaphorisch-imaginative heuristische Methode in der hier behandelten Quelle abrupt. Es soll nicht der Anschein erweckt werden, eine Dogmatik im herkömmlichen Sinne durch eine andere zu ersetzen. Die Methode soll kein Ergebnis haben, sondern das Ergebnis sein: als „‚negative Hermeneutik‘ (Schönherr-Mann), die sich der interpretativen Unabgeschlossenheit und Subjektivität ihrer Deutungen bewußt ist und deshalb den Raum der Interpretation bewußt für abweichende Deutungen offen hält […] die entworfenen Bilder […] ständig kritisch hinterfragt und zurückspiegelt. Die so entstandene theoretische Anschauung wäre keine fixierende Metaerzählung“.28 Im Konjunktiv mag sich die sichere Ahnung Bahn brechen, dass die Vorstellung, die Institutionalisierung einer ‚Institutionalisierung unter Vorbehalt‘ sei anstelle ‚begrifflich vorbehaltloser Institutionalisierung‘ möglich, an einem inneren Widerspruch krankt, der ihr letztendlich höchstens Gültigkeit als Pointierung eines kritischen Gesichtspunktes zuerkennen lässt. 2. Anja Lobenstein-Reichmann, Archäologie der Metapher Die Germanistin Anja Lobenstein-Reichmann fokussiert demgegenüber nicht auf eine neue Hermeneutik, sondern eine metapherntheoretisch angereicherte konsequente Anwendung der alten. Sie sieht Metaphern unter Bezugnahme auf­ Nietzsche als „kulturanthropologische Uranschauungen“, aus denen Begriffe zeitlich folgen. Sie folgt gerade in Bezug auf die Rechtssprache der hier im Prinzip bereits in Bezug auf Arendt und Gehlen aufgezeigten These, alle Geistesbegriffe seien ursprünglich und notwendig metaphorisch, wenn auch eben sie sich durch 28

Jain, S. 18 (Herv. d. Verf.).

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Nietzsche inspiriert zeigt, nach dem Begriffe verflüchtigte Erzeugnisse der Metaphernbildung seien.29 Die Metapher erscheint als eine historische Vorform, die ursprünglichen, situativ geprägten Eindrücken (Bildern) zumindest nahesteht, während die Begriffe am anderen Ende einer Skala sprachlicher Anschaulichkeit durch große Abstraktheit gekennzeichnet seien.30 An diese streng sprachhistorische Sichtweise auf die Metapher knüpft konsequent die Bezeichnung des analytischen Umgangs mit Metaphern als „Archäologie der Metapher“31, an die weiterhin konsequent in Bezug auf die Rechtssprache der Rechtsgeschichte als Aufgabe zugesprochen wird: „Eine Archäologie der Metapher verfolgt diese Entwicklung durch einzelne Geschichten, z. B. die deutschsprachige, hindurch und zeigt auf, wie Menschen jeweils zeit- und kulturspezifisch über die Metapher ihren jeweiligen Weltbezug ausgehandelt haben […] ist also der Versuch, den Weg vom Begriff zur Metapher zurückzugehen und dabei eine rechts­ geschichtliche Schichtenlehre zu erstellen.“32

Die angesprochenen Schichten werden als typologische, räumliche und ideologische vorgestellt.33 a) Typologie In der Typologie werden bestimmte Bildspendebereiche herausgestellt, denen viele rechtssprachliche Ausdrücke zugeordnet werden können, wobei in der hier behandelten Quelle umfangreich und ohne zeitliche Beschränkung auf Beispiele aus dem Deutschen Rechtswörterbuch und dessen Quellen zurückgegriffen wird.34 Das heißt, die Typologisierung bezieht sich nicht auf bestimmte Arten der Formung oder Formen der Metapher, sondern auf ihren bildlichen Gehalt und seinen ursprünglichen Kontext. Ein Typus in diesem Sinne sind zum Beispiel Metaphern, die sich aus dem Bereich des Körperlichen herleiten. Das Körperliche übertrage die fundamentale Existenzerfahrung des Menschen ins Recht (z. B. Kapitalverbrechen, von lat. caput; „eine Klage am Hals haben“), das Sprechen – wenn auch nicht ausdrücklich, so doch wohl so etwas wie ein Untertypus – sei „der Inbegriff jeder Rechts 29 Nietzsche (2013 [1873]), S. 882: die „Illusion der künstlerischen Übertragung eines Nervenreizes in Bilder“ sei, „wenn nicht die Mutter, so doch die Großmutter eines jeden Begriffs“. 30 Vgl. deutlich Lobenstein-Reichmann, S. 386. 31 Lobenstein-Reichmann, S. 382, scheint sich auf Konersmann zu beziehen. Der Ausdruck kommt aber auch schon bei Weiß, Titel, S. 19 und 520 vor – da sich seine Untersuchung als Diskursanalyse versteht, vermutlich durch Foucault inspiriert. 32 Lobenstein-Reichmann, S. 382. 33 Vgl. auch im Folgenden Lobenstein-Reichmann, S. 387 ff. 34 Das zitierte Werk stellt die schriftliche Fassung eines im Rahmen der Tagung „Historische Rechtssprache“ der Forschungsstelle „Deutsches Rechtswörterbuch“ DRW am 29.02.2012 in Heidelberg gehaltenen Vortrags dar.

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handlung“ (verwiesen wird auf Rechtsanspruch, Absprache, Spruchkörper, das­ angerufene Gericht …). Weitere Metaphern knüpfen an sinnliche Wahrnehmung an, wie das rechtliche Gehör. Weitere Typologien resultieren aus der metaphorischen Bemessung rechtlicher Themen nach Gewicht (z. B. schwere Verbrechen, Beweislast), Enge und Weite (z. B. bei der Auslegung), Höhe und Tiefe (z. B. höhere Gewalt, höchstrichterliche Rechtsprechung). Neben den zuletzt genannten Raumqualitäten sind es auch architektonische Räume (der Gerichtshof, die Strafkammer …) und abstraktere Räume (Ermessensspielräume, Strafrahmen, Schranken …), die Untertypologien einer Obergruppe „Recht als Raum“ bilden. Als weitere Bildspendebereiche werden insbesondere Natur, Kampf und Familie identifiziert. b) Kulturspezifische europäische Bezüge Was Lobenstein-Reichmann als Raumdimension der „Archäologie der Metapher“ kennzeichnet, läuft auf eine historische Rechtssprachvergleichung h­ inaus, die sachlich einleuchtend Genealogien, Wechselbeziehungen und Differenzierungsbewegungen über gegenwärtige Rechtsräume und Sprachgrenzen hinaus nachvollziehen lässt. Exemplarisch macht sie das an der Etymologie der heutigen Worte law und Recht fest.35 Für law werde der gleiche Ursprung wie für das deutsche Wort Lage belegt. Es habe sich im angelsächsischen Raum seit 880/890 aus der Bedeutung des Festgelegten, fest Niedergelegten entwickelt. Lag und landrecht seien noch im 15. Jahrhundert in einer friesischen Quelle, also im deutschsprachigen Raum weitaus synonym verwendet worden, während Quellen aus dem 18. Jahrhundert zeigten, dass hier die Bedeutung des angelsächsischen low oder law durch die Bedeutung von Recht erklärt, also übersetzt wurde. In der ursprünglichen Differenzierung zwischen law und Recht, und damit zwischen zwei Bildspendebereichen, liege eine Unterscheidung im Rechtsverständnis begründet: „Wenn die Motivation von Lage etwas materiell Niedergelegtes einfordert, dann impliziert sie erstens irgendeine Form von skribaler Medialität, zweitens sozial handelnde Menschen, die die Niederlegung vornehmen, und drittens etwas Niederzulegendes, das motivationell aber nicht weiter bewertet wird. ‚Lage‘ wäre […] als schriftlich niedergelegte Übereinkunft von Menschen zu lesen. […] Recht als motivierter Ausdruck impliziert die direktionale Bewegung des […] Richtens. Von dort kommt es zur metaphorischen Übertragung, mit der das Richtige, das Recht als ein Ordnungsgefüge gesetzt wird, das alternativlos die Norm darstellt.“36

35

Auch im Folgenden Lobenstein-Reichmann, S. 394 ff. Lobenstein-Reichmann, S.  396 f. Vgl. in diesem Zusammenhang auch Pfeifer (2010), s. v. „Recht“, wo für schon die frühen Formen (8. Jhd.) des Ausdrucks „Recht“ bzw. reht unter anderem die Bedeutung „rechter Glaube, Wahrheit, das Gerechte“ behauptet wird. 36

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c) Ideologiekritik Damit ist bereits der Übergang gelegt von der „räumlich“ genannten, auf historische Rechtssprachvergleichung hinauslaufenden „Schicht“ der vorgeschlage­ nen Methode hin zur ideologischen, die Lobenstein-Reichmann ausdrücklich als „Ideologiekritik“37 verstanden wissen will. So formuliert sie den interessanten Gedanken, dass das Metaphernfeld des Rechten im Vergleich zum eher deskriptiven Lage/law nicht nur ein außerordentlich wertbezogenes Rechtsverständnis verdeutliche, sondern in Form der viele Jahrhunderte andauernden Benachteiligung von Linkshänderinnen und Linkshändern auch auf das Feld des Körperlichen eingewirkt habe.38 Sie bezieht diese Funktion sowohl ausführlich als auch treffend auf eine einführende Passage im Wörterbuch der philosophischen Metaphern: „Das Wissen, das die Metaphern vermitteln, ist das Ergebnis einer kulturellen Praxis sprachbildinduzierten Weltverstehens, und es ist die Aufgabe der philosophischen Metaphernanalyse, diese für gewöhnlich stillschweigend erfolgende, in die Schächte des kulturellen Unbewussten abgedrängte Aktivität am ausgesuchten Beispiel vorzuführen und bewusstzumachen.“39

Lobenstein-Reichmann deutet Möglichkeiten weitreichender Rechtskritik an, indem sie die nicht durchgesetzte Metapher der Lage der durchgesetzten Metapher der Rechtsunterworfenen gegenüberstellt; steht die Entwicklung eines Rechts­ begriffs auf der Grundlage von Lage metaphorologisch für ein personalen Rechtsverhältnissen zugrundeliegendes Recht, so sind es im anderen Falle die Menschen, die den Rechtsgesetzen unterliegen. Dies wird in der hier behandelten Quelle, die allerdings auf Michael Stolleis’ „Auge des Gesetzes“40 Bezug nimmt41, nicht weiter ausgebreitet. An deren Ende vermittelt sie über bloße Methodendarstellung­ hinaus eine Ahnung davon, dass die Rechtsunterworfenen in einem Rechtssys-

37

Lobenstein-Reichmann, S. 382. Dies ist sicherlich nicht monokausal, sondern im Sinne einer Verstärkungswirkung zu verstehen, da die linke Hand in sehr verschiedenen Kulturen als „unreine Hand“ galt und gilt, was vor allem mit der genetischen Disposition der Mehrheit zu tun haben wird. 39 Konersmann, S. 14, zitiert nach Lobenstein-Reichmann, S. 397. 40 Stolleis (2004). Nach hiesigem Dafürhalten stellt sich diese als „Geschichte einer Metapher“ untertitelte Untersuchung zwar als rechtsgeschichtlich höchst erkenntnisreich dar, geht allerdings im Schwerpunkt von ikonographischen Belegen aus und belegt darin eine zu weite und undifferenzierte Verwendung der Bezeichnung „Metapher“. Stolleis stellt anhand der Entwicklung des Auges des Gesetzes in bildlicher Darstellung und metaphorischem Sprachgebrauch dar, wie Herrschaft im Zuge der Aufklärung zum einen entpersonalisiert und objektiviert, zum anderen säkularisiert worden sei; das „Auge des Gesetzes“ sei Surrogat für die Augen göttlicher und monarchischer Herrschaft gewesen, bis sich „ein abstrakter, entpersonalisierter Gesetzgebungsstaat mit einer sich selbst konstruierenden und immer wieder neu generierenden Eigendynamik“ derart etabliert habe, dass die Referenz an ein personalisiertes Herrschaftsverständnis nicht mehr angemessen gewesen sei. 41 Lobenstein-Reichmann, S. 397 f. 38

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tem, das sich nach Möglichkeit in verblassten, also verborgenen Metaphern des Objekt(iv)seins konstituiert, in den verborgenen Bildern gefangen zu sein drohen, über die Verständigung eigentlich möglich ist.42 Was Lobenstein-Reichmann klar strukturiert als „Archäologie der Metapher“ vorstellt – ihrerseits eine Metapher, deren optimale Angemessenheit fraglich ist –, löst in Bezug auf die Rechtssprache verhältnismäßig substantiiert – soweit ersichtlich im deutschsprachigen Raum in diesem Umfang bisher einmalig – manches ein, was im Verlauf dieser Untersuchung gefordert wurde. Während für ein typologisches Vorgehen mit dem Ziel der Ideologiekritik insbesondere bei Blumenberg und Lakoff/Johnsons erste Grundlagen vorhanden sind, liegt die charakteristische etymologische Methode ganz auf der Linie Gehlens. Fällt indes die philosophischanthropologischen Rahmung der vorgestellten Untersuchungsstränge der Archäologie der Metapher auch tief aus, so verbleibt die Exemplarik ihrer Methode hier noch so weitgehend an der Oberfläche, dass man auf eine detaillierte und eigenständigere Analyse einer einzelnen Metapher durch Lobenstein-Reichmann neugierig sein könnte. 3. Susanne Lüdemann, Metaphern der Gesellschaft „Ideologiekritik“ ist auch die zentrale Funktion einer Analytik sozialwissen­ schaftlich gebrauchter Metaphern, für welche die Literaturwissenschaftlerin­ Susanne Lüdemann in ihrer theoretisch dichten und in ihren historischen Belegen profunden Habilitationsschrift wirbt. Hieraus floss bereits an früherer Stelle einiges in diese Untersuchung ein.43 Biografisch bedingt „untersucht“ sie „Organismus“ und „Vertrag“44 als Metaphern der Soziologie. Es handelt sich jedoch bekanntlich (auch) um ganz grundlegende Metaphern aus der Rechts- und Staatsphilosophie, was in zahlreichen Nachweisen insbesondere Gierkes, Jellineks und Schmitts auch deutlich wird und die Arbeit zu einer wichtigen Grundlagenarbeit auch in Bezug auf rechtsmetaphorologische Studien macht. An dieser Stelle sind jedoch nur ihre methodologischen Ansätze von Interesse, die bei aller präzisen philosophischen Fundierung sowie literarisch überzeugenden Interpretationsarbeit leider nicht gebündelt reflektiert und auch im Übrigen wenig transparent gemacht werden.45

42

Vgl. Lobenstein-Reichmann, S. 398 f. Vgl. oben C.II.3. 44 Lüdemann (2004), S. 25. 45 Ihr einleitendes, S. 28, Versprechen einer „methodische[n] [gemeinhin synonym zu methodologisch gebraucht und andernfalls tautologisch, d. Verf.] Grundlegung“, irritiert deshalb. 43

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a) Grundverständnis einer metaphorologischen Ideologie- und Institutionenkritik Was die philosophische Fundierung ihrer (von ihr nicht bevorzugt so genannten) metaphorologischen Interpretationsarbeit angeht, ist zunächst abkürzend auf ihren strukturalistischen und darin stark psychoanalytisch orientierten Hintergrund hinzuweisen. Der verwendete Ideologiebegriff zielt gerade darauf ab, was hier wie dort übereinstimmend als präskriptiver, abstrakt durchaus normativ gemeint sinnvoller Sprachgebrauch beschrieben wird. Das ideologische Vermögen des Menschen sei nicht als Mangel oder Hindernis auf dem Weg zur objektiven Erkenntnis zu begreifen, sondern als produktives Prinzip, dass seinen jeweiligen Gegenstand „für das Bewusstsein erst hervortreten“ lasse46  – und zwar insoweit eine natürliche Realität nicht existiere. Dabei stellen „juridische“ Kategorien für Lüdemann (nach der hier vertretenen Auffassung zutreffend) per se „explizit nicht-natürliche“ Kategorien dar, während Gesellschaft lediglich nicht als Ganze ideologiefrei beobachtet und beschrieben werden könne.47 Als solche konkret neutral zu bewertende Ideologie gälte demnach vereinfacht alles Denken von Umständen, das nicht (den) Tatsachen entspricht. Die ideologiekritische Tätigkeit beschreibt Lüdemann dementsprechend und übrigens insbesondere für die Rechtswissenschaft sehr treffend wie folgt: „Bei der Lektüre wissenschaftlicher Texte wird, so scheint es, auf die Kategorie ‚Metapher‘ immer dann rekurriert, wenn es darum geht, eine Bezeichnung als ‚uneigentlich‘, das Wesen der Sache nicht […] treffend etc. geltend zu machen, d. h. wenn eine bestimmte Interaktion von Kontexten als nicht (mehr) überzeugend, ontologisch unbegründbar etc. dargestellt werden soll oder empfunden wird. ‚Ideologiekritik‘ bestehe wesentlich in solchem Abtragen überlebter Metaphoriken […], freilich nicht, um diese durch ‚wahre Sätze‘, sondern um sie durch andere Metaphoriken zu ersetzen, die sich als solche indes zumeist nicht wissen oder sich aus strategisch-politisch-institutionellen Gründen als solche nicht wissen wollen (können, dürfen).“48

Eine Schwäche der Lüdemannschen Arbeit liegt nun darin, dass sie einerseits im Grunde – teils linguistisch, überwiegend auf der Basis psychoanalytischer Theorie argumentierend49 – einen weiten Metaphernbegriff einsetzt, in dem totalisiert alles Denken und Sprechen schon irgendwie (und jedenfalls tiefenpsychologisch determiniert) strukturell metaphorisch zu sein scheint. In diesem Sinne formuliert sie auch mitunter radikaler als zwischen natürlicher und sprachlicher Realität abgrenzend in einer Weise, die die grundsätzliche Unmöglichkeit wissenschaftlicher,

46

Lüdemann (2004), S. 15. Vgl. insbesondere auch im Folgenden Lüdemann (2004), S. 14: „dass es eine ‚ideologiefreie‘: sprich: eine in toto von den ‚Tatsachen‘ gedeckte Beobachtung und Beschreibung der gesellschaftlichen Wirklichkeit nicht geben kann“ (Herv. i. Orig.). 48 Lüdemann (2004), S. 38 f. 49 Vgl. Lüdemann (2004), S. 30 ff. bzw. 63 ff. 47

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Natur entsprechender Erkenntnis angedeutet.50 Andererseits fokussiert die Untersuchung auf zwei verhältnismäßig sehr bewusste, konkrete Metaphern im engeren Sinne, sollen „wissenschaftliche Theorien gerade auch von ihrem […] Bild-Wert her zu lesen“ sein, soll „jede Theorie […] in ihrem Zentrum [!] eine [!, …] Ikonographie mit sich“ führen.51 Das Verhältnis zwischen weitem, fundamentalem, und engerem Metaphernbegriff bleibt hier leider unklar. Bemerkenswert ist wiederum der von Lüdemann mit Bezug auf Blumenberg52 vorausgesetzte Zusammenhang von Institutionalisierung gesellschaftlicher Ordnungselemente und Terminologisierung/Usualisierung präskriptiver Metaphern. Die „‚wörtliche Übernahme‘ [i. e. Terminologisierung, d. Verf.] von Metaphern […, verweist, d. Verf.] auf einen Prozess der Institutionalisierung, in dem ‚gesellschaftliche Realität‘ ihrer metaphorischen Präfiguration erst nachfolgt“, das heißt in hiesiger Terminologie ‚präskribiert‘ wird.53 Die vermeintlich ‚toteste‘ Metapher erscheint als wirkmächtigste Metapher, weil in ihrer „Unwahrnehmbarkeit als Metapher“, in der „Illusion der Buchstäblichkeit“ als Verwechslung sprachlicher mit natürlicher Realität eine „Gewalt der Ideologisierung“ sich des common­ senses bemächtigt (als Beleg wird ein Ausschnitt aus von Gierkes „Das Wesen der menschlichen Verbände“ zur wahren Körperlichkeit des Staates angeführt).54 b) Methodologische Anhaltspunkte Wenn Lüdemann also von einer „Analytik und Typologie gesellschaftlicher Leitmetaphern“ spricht, über deren Interesse hinaus allerdings sie mit und gegen Castoriadis die Entwicklung eines „tragfähigen Begriffs des sozialen Imaginären“ (das sich bei ihr synonym zu Ideologie verhält55) bezwecke,56 ist damit in der Folge des zuvor Gesagten zugleich eine „Analytik der rhetorischen Verfasstheit von In-

50

Vgl. z. B. Lüdemann (2004), S. 39, 46; in diesem Sinne auch die Setzung der „Tatsachen“, S. 14, in Anführungszeichen. 51 Lüdemann (2004), S. 70. 52 Vgl. insbesondere Lüdemann (2004), S. 71 f. 53 Vgl. Lüdemann (2004), S. 28, 102 f. (mit Fn. 70): „Die Imagines (Metaphern) von Gesellschaft und Gemeinschaft, an denen wir unser Handeln orientieren, sind von zentraler Bedeutung für das, was wir schließlich füreinander darstellen, was wir leben können. In diesem Sinn insistiert auch Etienne Balibar darauf, dass ‚jede soziale Gemeinschaft, die durch das Wirken von Institutionen reproduziert wird, (…) imaginär (ist)“ (Herv. i. Orig.). Schwer nachvollzogen werden kann in diesem Zusammenhang, S. 28, die Bemerkung, seien Begriffe institutionalisierte Metaphern, könnten Institutionen umgekehrt als (metaphorisch?) inkorporierte Begriffe verstanden werden. Satzlogisch hieße das, Institutionen seien inkorporierte institutionalisierte Metaphern, was angesichts der verdoppelten Institutionalisierung einem Umkehrungsverhältnis widerspricht. 54 Lüdemann (2004), S. 44, vgl. z. B. auch a. a. O., S. 106. 55 Lüdemann (2004), S. 14. 56 Lüdemann (2004), S. 27.

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stitutionen“57 gemeint. Darauf, dass diese Absicht nicht unter anderem in Form einer abstrakten Methodologie eingelöst wird, sondern die Methode im Wesentlichen in traditioneller Hermeneutik liegt, verweist indes, wenn sie sich an anderen Stellen auf die Benennung ihres Vorgehens als „Interpretation“ bescheidet.58 Dass wissenschaftliche wie politische Metaphern mit anderen konkurrieren, da es im doppeldeutigen Sinne geradezu ‚zwingend‘ um durchzusetzende oder die Bewahrung durchgesetzter, gesellschaftlich wirksamer Deutungshoheit geht, ist eine in diesem Zusammenhang stark betonte und bereits oben deutlich zu Tage getretene Annahme.59 Beständigkeit von Macht darstellende Metaphern „verhüllen“ z. B. durch Bilder „den fragilen Charakter der Macht“60, worin eine andere Ideologie sich metaphorisch ausdrückt. Der den analytischen Teil der Schrift beherrschende methodische Ansatzpunkt ist entsprechend die Gegenüberstellung metaphorischer Beschreibungen der Gesellschaft als Organismus oder Vertrag („Leitunterscheidungen“). Diese Methode wird erklärt durch den Zweck, „transparent zu halten, was sie ausschließen“.61 Konkret wird das Vorgehen wie folgt gegliedert: (1) ganz auf die Organismusmetapher und ihre Genealogie fokussiert die Gesellschaftsmetaphorik in der griechisch-römischen Antike und bei Paulus (insbesondere die Erfindung der ek­ klesiologischen Zentralmetapher der Kirche als Leib Christi), (2) die Bedeutung 'der Organismus-Metapher für die Entstehung der Soziologie, wobei Lüdemann vor dem Hintergrund der Aufklärung mit ihren politischen Revolutionen einerseits organisches Körperschafts- und andererseits gewillkürtes Vertragsmodell als zwei grund­legend unterschiedliche Antworten auf die Frage identifiziert, „ob Recht und Staat und damit soziale Ordnung etwas bewusst zu Machendes, also Kontingentes und daher planmäßiger Veränderung Zugängliches darstellen, oder ob sie, ‚gegenrevolutionär‘, doch wieder als Gegebenes, wo nicht von Gott, so doch von der Natur, angesehen werden müssen.“62

57

Lüdemann (2004), S. 14 (Herv. i. Orig.). Vgl. Lüdemann (2004), S. 27, 77. 59 Lüdemann (2004), S. 46: „Kritik und Kontrolle bestimmter Figurationen, wie z. B. der Organismus-Analogie, können nicht vom ‚festen Boden‘ der Buchstäblichkeit und der im wissenschaftlichen Fortschritt endlich gewonnenen Wahrheit aus erfolgen, sondern nurmehr vor dem Hintergrund anderer Figurationen und anderer Metaphoriken“ (Herv. d. Verf.). Auf S. 13 spricht sie gar vom „Bürgerkrieg“ inkommensurabler, das heißt wohl im Wesentlichen nicht kohärenter (Lakoff/Johnson), Metaphern, vgl. auch ebd. S. 26. An anderer Stelle spricht sie in diesem Sinne die Legitimationsfunktion von Metaphern der Gesellschaft an: „Die Repräsentationen der Gesellschaft, die die Soziologie […] liefert, sind […] geeignet, bestehende Ordnungen und Ordnungsvorstellungen zu legitimieren oder zu delegitimieren; sie liefern der Gesellschaft Begriffe, Bilder und Metaphern des Sozialen, die politisch nutzbar sind und genutzt werden.“ 60 Lüdemann (2004), S. 178 (Herv. d. Verf.). 61 Lüdemann (2004), S. 13. 62 Lüdemann (2004), S. 112 (Herv. i. Orig.). 58

I. Vorfindliche metaphorologische Analytiken

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Auch hierbei gilt der Schwerpunkt eindeutig der ausführlich belegten und er­ örterten Organismus-Metapher (in der französischen und deutschen Soziologie), deren Implikationen jedoch sehr tiefgründig mit denen des Vertragsmodells verglichen und auch schon in Bezug auf die Gegenwart bewertet werden. („Ein adäqua­ter Begriff von Gemeinschaft lässt sich heute nur noch gewinnen, wenn es gelingt, das Denken der Gemeinschaft von allen holistischen Konnotationen, von jeder Metaphorik imaginärer Ganzheit und Einheit zu befreien.“)63 In einem letzten Schritt (3) wird ausführlich die politische Lehre des Gesellschaftsvertrags bei Thomas Hobbes erörtert und als zweckmäßiges metaphorisches Konstrukt gerechtfertigt.64 Im Vergleich mit den anderen hier vorgestellten Vorgehensweisen ist Lüdemanns Unter­suchung danach negativ dadurch gekennzeichnet, dass eine separate Erörterung des Quellbereichs („Detaillierung und Verdichtung“ bei Jain) nicht erfolgt und die genealogische Herleitung der untersuchten Metaphern auch nur bis zu ihrem Auftreten als sozialphilosophische Metaphern zurückgeht, sich also gewissermaßen auf eine Zielbereichsgeschichte beschränkt; dadurch wird nicht sehr betont, auf was im Rahmen der hiesigen Untersuchung im Sinne ursprünglich sinnlicher und vertrauensbildender Erfahrung Wert gelegt wird. Im Übrigen erschöpft sich die explizit in „Interpretationen“ integrierte Methodologie abgesehen von wenigen vereinzelten prägnanten Ausdrücken für zwischenmetaphorische Zusammenhänge wie der „Leitmetaphorik“65, dem „Zusammenfließen“ von Metaphern in der historisch-ideologischen Entwicklung66 und dem „metaphorischen Hof“ von Begriffen als „Gleitschiene“ des metaphorologischen Realitätseffekts67 auf die Übernahme der historischen Längs- und Querschnittsmetaphorik68, wobei auch Vergleiche innerhalb der Längsschnitte vorkommen.69 Ausdrücklich offen wird die Frage gelassen, ob eine „Systematik der Metaphern“ möglich sei, die in normativer Absicht danach unterschiede, ob Metaphern der Gesellschaft die – Lüdemanns Ansicht nach notwendige – Offenheit der Gesellschaft „mitbedenken“ oder sie „verleugnen“.70 4. Zwischenbemerkungen Betrachtet man die drei dargestellten Beispiele in der Zusammenschau, so ist ein wertender Vergleich angesichts ihrer der disziplinären Herkunft nach einigermaßen unterschiedlichen Verortung außerhalb der Rechtswissenschaften im 63

Lüdemann (2004), S. 126. Diese Bewertung arbeitet inhaltlich dem als „Meditationen zur Biopolitik“ überschriebenen und hier nicht besprochenen dritten Teil des Werkes vor. 64 Lüdemann (2004), S. 154 ff. 65 Lüdemann (2004), S. 13. 66 Lüdemann (2004), S. 125. 67 Lüdemann (2004), S. 129. 68 Vgl. Lüdemann (2004), S. 23, 26. 69 Vgl. insbesondere Lüdemann (2004), S. 85. 70 Lüdemann (2004), S. 111.

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engeren Sinne nicht ganz einfach. Dies gilt auch deshalb, weil es aus rechtswissenschaflicher Sicht an einem Vergleichsmaßstab fehlt (dieser ist hier erst für künftige rechtswissenschaftliche Untersuchungen zu konstruieren). Es ist zunächst einmal eine große Unterschiedlichkeit zu konstatieren  – verbunden mit der Feststellung, dass die jeweils gewählten methodischen Ansätze sich nicht notwendig gegenseitig ausschließen, sondern Ausschnitte einer denkbaren Phalanx methodologischer Werkzeuge darstellen. Sie schöpfen insbesondere nicht aus, was sich bei Blumenberg und Lakoff/Johnson an Tiefe bzw. Breite metaphorologischer Heuristik zeigt. Dabei zeigt Lüdemann eine unter dem Gesichtspunkt einer metaphorologischen Analysetechnik minimale Variante einer metaphorologisch etwas besser informierten und aufmerksameren soziologischen Theorie. Umgekehrt zeigen Jain und Lobenstein-Reichmann, dass auch Blumenberg und Lakoff/Johnson die denkbare Breite metaphorologischer Methodik noch lange nicht abbilden, indem einerseits über die Bewusstsein heischende Herleitung historischer Bedeutungen hinaus die bewusste Ableitung neuer Bedeutungen und andererseits die etymologische Erkundung der ‚Urgesteinsschichten‘ genealogisch metaphorisch bedingter Begriffe profiliert werden. Beides sind sicherlich annäherungsweise Endpunkte der Skala des methodisch Möglichen, deren Ertrag im Einzelfall nicht gefragt oder zweifelhaft sein mag. Eine wesentliche Gemeinsamkeit aller dargestellten Ansätze stellt neben ihrem historisierenden Blick auf Metaphern in ihrer gesellschaftlichen Bedeutung die Betonung der ideologiekritischen Funktion metaphernanalytischen Vorgehens dar, jeweils verbunden mit dem Ideal, prinzipiell Metaphern als solche und damit als kontingent im Bewusstsein zu halten (je mächtiger sie sind, desto dringlicher). Dieses Ideal, Metaphern weniger aus Gewohnheit als mit (bewusster) Vernunft zu gebrauchen, das übrigens dem Castoriadischen Ideal menschlicher Autonomie entspricht, steht offensichtlich in einem hohen Spannungsverhältnis mit dem an anderer Stelle dargestellten anthropologisch-ökonomischen Prinzip, die Vernunft durch institutionelle Metaphern zu entlasten. Es zeichnet Lüdemanns Arbeit besonders aus, Metapher und Institution in einen, wenn auch nicht besonders ausgearbeiteten Zusammenhang zu stellen, der sich für eine sich als Ideologiekritik verstehende Metaphorologie aufdrängt, um den Aspekt vermittels Metaphern ge­ sicherter Macht besser fassen zu können. Wenn man der Behauptung folgt, dass die präskriptive Metapher (als Typus) ein institutioneller Mechanismus im oben genannten und weiter auszuführenden Sinne ist, sind von einer „[Theorie und] Analyse institutioneller Mechanismen“ wichtige Orientierungen für eine metaphorologische Analyse des Rechts zu erwarten.

II. Input: Theorie und Analyse institutioneller Mechanismen (TAIM)

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II. Input: Theorie und Analyse institutioneller Mechanismen (TAIM) Die „Theorie und Analyse institutioneller Mechanismen (TAIM)“ zeigt schon in ihrem Namen an, dass sie mit der Theorie zugleich den Entwurf einer analytischen Heuristik verbindet. Die Abkürzung TAIM in Verbindung mit der Metapher der „Mechanismen“ verführt leicht dazu, einen formelhaften Erkenntnisschematismus zu erwarten. Dies erfährt jedoch mehrere Einschränkungen, die zur Vermeidung von Missverständnissen von vornherein zu bedenken sind. Zum einen orientiert die TAIM tatsächlich auf das Angebot einer Matrix institutionenanalytischer Kategorien, die aber aufgrund der Ubiquität und damit korrespondierend der Vielgestaltigkeit des „Institutionellen“ in der sozialen Welt sehr abstrakt formuliert sind. Dies bedingt, dass ihre ‚subsumierende‘ Anwendung im Einzelfall oft nicht leicht fällt. Weiter geht die TAIM davon aus, dass es idealtypische Institutionen wie den Staat (als „Leit“- und Makro-Institution) gebe, auf die bezogen tendenziell alle Analyse­kategorien Ertrag brächten, aber auch Mikro-Institutionen (im Privaten), für welche die ‚staatstragend‘ formulierten Kategorien dann mitunter etwas groß erscheinen; dass es weiter eine „fließende“ Skala sehr verschiedener „Ausdrücklichkeitsniveaus“ des Institutionellen gäbe, mit anderen Worten manche Aspekte des Institutionellen sehr leicht und andere allenfalls schwer zu erkennen seien; und dass es schließlich häufiger als den Idealtypus „die Übernahme einzelner Institutionalisierungs-Mechanismen und Legitimationsstrategien in kurzfristigere oder weniger prinzipielle Formen der Koordination von sozialem Handeln“ gebe, also als institutionell wahrgenommene Phänomene, deren Institutionalität gemessen am Idealtypus fragmentarisch bleibt.71 Eine besondere Rolle spielt in diesem Zusammenhang die Verhältnisbestimmung zum Begriff der „Organisation“, weil idealtypische Institutionen (Staat, Kirche, Universität, auch die Dorfkneipe) meist zugleich ein Organisationsgefüge darstellen. Die Rede von den institutionellen Mechanismen macht deutlich, dass es der TAIM nicht nur um (gegenüber ‚der Gesellschaft‘ besondere) Organisationen geht, sondern um alles die soziale Sphäre durch Wiederkehr kulturell Stabilisierende und Regulierende, auch insoweit es nicht mit einer besonderen Organisation verbunden ist.72 Dies ist für die Aussicht auf erfolgreiche Synthesen mit Metaphorologie wichtig, weil sich Metaphern als Sprache ja ziemlich frei und organisationsunabhängig durch das soziale Milieu bewegen. Die methodologische Matrix findet sich aufgeteilt in drei Analyseebenen und drei Dimensionen, wie sie in Anlehnung an Aussagen Rehbergs73 in das unten abgebildete Schema gebracht werden können. 71

Vgl. insgesamt Rehberg (1990), S. 136 f. Vgl. Rehberg (1997), S. 102; Rehberg (2002), S. 49 f. 73 Rehberg (1990), S. 137 ff., 141; Rehberg (1994), S. 77 ff. 72

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D. Metaphorologische Analyse des Rechts als Perspektive (Teil 2, Praxis) 

Zentrale Mechanismen der Selbst(re)produktion und Geltungsstilisierung (Leitende Ideen, sprachliche Distinktionen, Eigengeschichte …) Organisation (Trägerschaftsgruppen, Ressourcen, Verhältnis zu anderen Ordnungsgefügen …) Historie der (De-)Institutionalisierung (Entstehung, Bestandserhalt, Wandlungen, Auflösungstendenzen …)

Anthopologische Dimension („Formierung naturaler Ausgangsbedingungen)

Machtdimension

Symbolische Dimension

(Verteilung von Macht (Zeichen und Anzeichen) und ihre Abhängigkeiten)

Abbildung 2: Methodologische Matrix der TAIM

Charakteristische Kernstücke der TAIM sind die als oberste dargestellte Analyseebene der „zentralen [institutionellen, d. Verf.] Mechanismen“ und die Zusammenschau der in der untersten Tabellenzeile angeordneten drei „Dimensionen“. Es ist weiter davon auszugehen, dass die Betrachtung der institutionellen Organisation isoliert gedacht Perspektiven der Organisationssoziologie und empirischen Politikwissenschaften ähnelt, die historische Betrachtung solchen der Geschichtswissenschaften, diese Perspektiven(an-)teile also am wenigsten spezifisch sind. Schließlich kann davon ausgegangen werden, dass unter dem metaphorologischen Gesichtspunkt die anthropologische Dimension, die hier immer wieder angesprochene Machtdimension74 und die symbolische Dimension („als Ausdruck der kulturellen Form aller Sozialität“75) allgemein durch das vorige Kapitel schon näher bestimmt wurden. Entsprechend wird der Schwerpunkt im weiteren Text auf die oberste Ebene der Matrix gesetzt. 1. Leitende Ideen und Differenzierungen Mit leitenden Ideen (im zitierten Sprachgebrauch „Leitideen“, jeweils wohl ursprünglich als Übersetzung von frz. idées directrices) ist der besondere imaginative Gehalt alles Institutionellen angesprochen, den schon Hauriou ins Zentrum seiner Theorie der Institution stellte. Um Missverständnisse beim Gebrauch der Bezeichnung „Leitideen“ zu vermeiden, ist zunächst die Abgrenzung erforderlich, dass damit kognitive Gehalte gemeint sind nicht als gesellschaftsweit oder in ‚einer Kultur‘ geteilte Ideen (z. B. eines Menschenbilds oder sogar einer ‚Leit­ 74

Rehberg (2012b), S. 17 f., bietet ein typologisches Problem- und Begriffsraster von Machtformen und -dimensionen an. 75 Rehberg (1994), S. 77.

II. Input: Theorie und Analyse institutioneller Mechanismen (TAIM)

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kultur‘),76 sondern als sicher leitend nur für einen konkreten, als institutionalisiert wahrgenommenen Zusammenhang im Einzelfall. Es handelt sich immer um eine ‚leitende Idee zu‘ dem, was sich vermittels sozialer Handlungen institutionell ausformt. Die leitende Idee erscheint als ein entscheidendes, wenn nicht das wichtigste77 Merkmal des Institutionellen, weil „[d]ie Transformation von Zwecken in ausdrückliche Zielsetzungen und deren Formierung [es erst] ermöglicht […], dass mittels leitender Prinzipien jener Eigenzweck und Selbstwertgrad erreicht wird, der einen Handlungszusammenhang als identifizierbare Institution ausweist“.78 Ausdrücklichkeit meint dabei nicht Wörtlichkeit, sondern lässt das Medium des Ausdrucks offen.79 Die leitenden Ideen sind mit anderen Worten der verbindende Faktor80, der einem sozialen Handlungszusammenhang eine ‚eigene‘ (‚objektive‘, oft personifizierte, metaph.81) Identität zuerkennen lässt (z. B. „Institutionen üben Macht aus“). Solche metaphorische Beschreibung mag sich deshalb als angemessen aufdrängen, weil dem Institutionellen in seiner Zielorientierung etwas Nichtfestgestelltes eignet – wenn auch, metaphorisch gesprochen, beständig symbolisch umhegt –, das dem zweckrational bestimmt Funktionierenden nicht zukommt. Insofern besteht ein bemerkenswerter Kontakt in dem, was Baer an überschießendem Deutungsgehalt und kreatives Moment dem Begriff des „Leitbildes“ zuweist.82 Und auch insofern hatte bereits Hauriou erkannt, dass die für einen institutionellen Sachverhalt leitende Idee „in eigentümlicher Weise“ über seinen Zweck und seine Funktion hinaus weise, und dies am Beispiel des Staates veranschaulicht. Im Staat, im obigen Sinne eine idealtypische Makro-Institution, fänden mehrere Leitideen ihren Niederschlag, deren „uns am ehesten zugänglichen“ sich in der Formel wiedergeben ließen (Frankreich 1925): „Schutzherrschaft über eine nationale bürgerliche Gesellschaft durch eine öffentliche Gewalt in territorialer Zuständigkeit, aber unabhängig von Eigentum an Grund und Boden und unter Gewährung eines großen Freiheitsbereichs für die Staatsbürger“.83 Die bei ihm „den Rahmen“ der Institution darstellende Idee umfasst neben dem Zweck („Schutzherrschaft“) eben auch die Mittel (öffentliche Gewalt). Und die Funktion lasse an 76

Rechtswissenschaftlich spricht in solch allgemeinem Sinne von „Leitideen“ zum Beispiel Zippelius (1987) bzw. Zippelius (2004). 77 Hauriou, S. 36. 78 Rehberg (1990), S. 138. 79 Die leitenden Ideen, wobei es sich tatsächlich meist um einen Komplex nicht unbedingt bewusster kognitiver Leitvorstellungen und Wertigkeiten handeln wird, lassen sich in Wirklichkeit selten leicht oder überhaupt in Gänze sprachlich auf den Punkt bringen. 80 Hauriou, S. 35, spricht vom „Rahmen der Idee“. 81 Vgl. Hauriou, S. 38: „Die Leitidee […] ließe sich [..] mit dem Begriff des Objekts identifizieren. Die Idee des Unternehmens ist das Objekt des Unternehmens; denn das Unternehmen hat die Verwirklichung der Idee zum Objekt. Dies ist so sehr sein Objekt, dass sich gerade durch sie und in ihr das Unternehmen objektivieren lässt und damit seine soziale Individualität erhält.“ 82 Dazu oben B.II.8. 83 Auch im Folgenden Hauriou, S. 36 ff.

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D. Metaphorologische Analyse des Rechts als Perspektive (Teil 2, Praxis) 

Verwaltung und bestimmte Leistungen denken, aber die politische Führung, „die sich im Unbestimmbaren vollzieht“, sofern sie durch Entscheidung erst Bestimmungen trifft, sei mit „Funktion“ nicht erfasst, bewege die Bürger indes sehr viel mehr als die Arbeit der Verwaltung (was jedes Nachrichtenmedium bestätigt). Er spricht zusammenfassend von einem „Vorrang der so eigentümlich unbestimmten Leitidee gegenüber dem genau bestimmbaren Funktionsbereich“.84 So findet in jeder Institution Orientierung im doppelten Sinne statt. Sie bietet ein gewisses Maß an Sicherheit, an Bestehendem, das entlastet, aber als solches aus dem Fokus der Aufmerksamkeit herausgenommen nicht motiviert; sie weist aber auch immer Handlungsfreiheit auf, in deren Gebrauch sie sich sozial perpetuiert und zu deren Gebrauch sie vermittels der im Gebrauch perpetuierten und durch Sichtbarkeit glaubhaft gemachten abstrakteren Zielvorstellung, der „leitenden“ Idee Menschen (weiter) mobilisiert.85 Da nun aber das Bestimmte an der Institution in der Vergangenheit einmal bestimmt wurde und aus dem Unbestimmten in Gegenwart und Zukunft neue Bestimmungen entstehen, worin sich eine Institution in der Zeit als beständig wahrgenommene entwickelt, also eine Entscheidung für bestimmte Leitideen und gegen andere (potenzielle)  Leitideen stattgefunden hat,86 eine Differenzierung, welche die entstehende Institution als „individuell“ erscheinen lässt, ist es für die TAIM nach Rehberg „entscheidend, Leitideen vor allem als Leitdifferenzen zu verstehen“:87 Bezogen „auf eine als gültig empfundene Bestimmung dessen, was beispielsweise ‚der Staat‘, die römische Kirche, ‚die Kunst‘“ etc. jeweils sein sollen“ soll die „institutionelle Analyse […] genau aufschließen, in welcher Weise es sich dabei jeweils um die selektive Durchsetzung aus einer Vielzahl führender Ideen und Deutungskonzepte handelt, die miteinander konkurrieren und umkämpft sind. Jede durchgesetzte Leitidee zieht ihren Erfolg aus ihrer (temporären) Herausgehobenheit aus einem Komplex oftmals unvereinbarer Orientierungsmöglichkeiten. Da sie ein Kampfprodukt ist und eine Synthese von Widersprüchlichem, werden in ihr oftmals viele der konkurrierenden Sinnsetzungen und Ordnungsentwürfe verleugnet. Aber gerade deshalb ist ihre Geltung nie unbestritten und von unterschiedlichen Situationen, Interessen und Trägerschichten abhängig.“88

84

Hauriou, S. 38. In solchem Sinne wird z. B. von Brodocz, S. 227 ff., auch die (beschränkte) Deutungsoffenheit, das heißt Unbestimmtheit in der Institution der Verfassung institutionenanalytisch problematisiert. Vgl. zu Abstraktheit Rehberg (1990), S. 139. 86 Rehberg (1994), S. 69: „Solche Ideen sind selbst das Resultat von Institutionalisierungsprozessen, Bezugspunkt kontrollierenden wie oppositionellen Verhaltens, der Normenaffirma­ tion ebenso wie ihrer Negation.“ 87 Rehberg (2012a), S. 431. Rehberg spricht dem allgemeinen Sprachgebrauch folgend von „Leitdifferenzen“. Hier wird allgemein grundsätzlich von „Differenzierungen“ anstatt von „Differenzen“ gesprochen, um die Kontingenz des Gemeinten zu verdeutlichen. Dies schließt an eine spitzfindige Differenzierung von Baer (2009), S. 107, zu Kategorie und Kategorisierung an. 88 Rehberg (2002), S. 49; zuvor schon fast wortgleich Rehberg (1998), S. 388. 85

II. Input: Theorie und Analyse institutioneller Mechanismen (TAIM)

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Zu Deckungsgleichheiten kritischer Institutionentheorie und Metaphorologie, wie sie hier verstanden wird, wurde in theoretischer Hinsicht bereits viel gesagt.89 Dass die von Lobenstein-Reichmann und Lüdemann mehr oder weniger ausführlich dargestellten Ansätze zum Vergleich durchgesetzter Metaphern mit empirisch oder theoretisch gegebenen Alternativen praktische Wege darstellen, zugleich Leitdifferenzierungen im Sinne der TAIM zu rekonstruieren, liegt auf der Hand. Die anthropologische Dimension des Aspekts der Leitdifferenzierungen liegt übrigens darin, einerseits die Entlastungen und andererseits die Belastungen eines institutionellen Sachverhalts zu analysieren.90 Dem metaphorologischen Sprachgebrauch angenähert gilt es, die Angemessenheit institutionalisierter präskriptiver Metaphern im Hinblick auf eine (je nach übergeordnetem Erkenntnisinteresse historische oder synchrone) gesellschaftliche Interessenlage zu überprüfen. So ließe sich die in „Grundgesetz“ liegende Metaphorik als institutioneller Mechanismus daraufhin analysieren, welche Bedeutungen sie einschließt (Standfestigkeit, Standortfestigkeit, Nähe, Anziehungskraft) und ausscheidet (Mobilität, Flexibilität, auf gleicher Ebene liegend und dahinter ‚andere Gründe‘). In einem zweiten Schritt wäre jeweils zu betrachten, inwieweit diese Leitdifferenzierung der deutschen Rechtsordnung – zum Beispiel bei Interesse an größerem Einfluss inter- und „supranationalen“ Rechts – zu Entlastungen und zu Belastungen führt, um aus der Abwägung beider rational einen Änderungs- oder Beharrungsbedarf zu folgern.91 Es zeigt sich, dass zumindest unter dem Gesichtspunkt der analytischen Kategorie der „Leitidee“ Aussicht auf bedeutende Synergieeffekte zwischen überlieferter Metaphorologie und TAIM besteht. 2. Organisation Die Rolle der Organisation wird hier – im Hinblick auf die entwickelte methodologische Matrix systemwidrig zwischen unterschiedlichen zentralen Mechanismen der Selbst(re)produktion und Geltungsstilisierung  – thematisiert, weil ihre Klärung erforderlich ist, um die weiteren institutionellen Mechanismen in (rechts-) metaphorologischer Verwendungsabsicht einordnen zu können. Wenn von der Metaphorologie herkommend wichtig ist, im Hinblick auf die Analyse institutionell perpetuierter Macht nicht auf institutionalisierte Organisationen fixiert zu sein, so ist die Kategorie der Organisation doch sehr wichtig. 89

Oben C.II. Rehberg (1990), S. 134 f. Vgl. auch unter diesem Gesichtspunkt rechtsanthropolisch zur aus Gewohnheiten resultierenden „Erwartung rollenkonformen Verhaltens“ in einer „Welt des Normalen“ als „Boden, auf dem auch das Recht aufbaut“, Braun (2002), S. 13 ff. (19). 91 Vgl. z. B. Stolleis (2008), S.  426: „In der neueren […] Debatte ist […] permanent von ‚Mehrebenen-Modellen‘ die Rede. Die Rechtsordnung ist keine Pyramide mehr. Das Springen von Ebene zu Ebene lässt die Kollisionsmöglichkeiten anwachsen. Zugleich muss der Bürger, der sich wehren will, über mehr sprachliche und finanzielle Gewandtheit verfügen.“ 90

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D. Metaphorologische Analyse des Rechts als Perspektive (Teil 2, Praxis) 

Wiederum ist ein Blick auf Hauriou lehrreich. Dieser hatte Institutionelles, das nicht als mit einer Organisation deckungsgleich betrachtet wird, als institutionelle Sachen (frz. institutions-choses) von verbandsmäßigen Institutionen (frz. insti­tu­ tions-­personnes), denen sein Hauptaugenmerk galt und darunter z. B. alle juristischen Personen, mit folgender interessanter Bemerkung unterschieden: „Bei den […] Sach-Institutionen […] sind weder das Element der organisierten Macht noch das der Gemeinsamkeitsbekundungen der Mitglieder der Gruppe in den Rahmen der Idee vom Werk einbezogen, sie sind zwar im sozialen Milieu vorhanden, verbleiben aber außerhalb der Idee. So ist die sozial verankerte Rechtsnorm eine Institution dieses Typs. Sie ist insofern eine Institution, als sie sich in ihrer Eigenart als Idee im sozialen Milieu ausbreitet und in diesem lebt, bringt aber äußerlich keine eigene Körperschaft hervor. Sie lebt im sozialen Ganzen, etwa im Staat, entlehnt dabei dessen Strafgewalt und zieht Nutzen aus den Gemeinsamkeitsbekundungen, die sich in diesem vollziehen.“92

Diese darin liegende, nicht abschließende Definition der Sach-Institution lässt sich auf die Metapher übertragen und stützt den Versuch, die usualisierte, präskriptive Metapher als (mikro- und mithin sach-)institutionellen Mechanismus begreifen zu können. Mit ihrer Beschreibung ist zugleich Wichtiges zum Verhältnis eines solchen Mechanismus zur analytisch verwendeten Kategorie der Organisation erklärt. In jedem Fall gibt es enge Zusammenhänge zwischen Mechanismus und gesellschaftlicher Organisation, auch wenn keine solch enge, statische Verbindung zu einer bestimmten gesellschaftlichen (Teil-)Organisation besteht, dass beide als eins wahrgenommen würden. Die Kategorie der Organisation lenkt den Blick darauf, dass es der objektivistischen, selbstessentialisierenden Suggestion des Institutionellen zuwider notwendigerweise menschliche Interaktionen und Zusammenschlüsse sind, aus denen die Existenz der Institutionen folgt – nicht umgekehrt. Es gibt keine Idee der Familie, der Kirche, des Umweltschutzes oder des Gesetzes ohne Menschen. „Wer von der Institution des Rechts spricht, spricht auch von der Gruppe der Juristen als Verrechtlichungs- und Formalisierungsspezialisten, und von in den Institutionen des Rechtes konvergierenden Denkformen (juristisches Denken), ständischen Verhaltenskodizes, sozialen Herkunftslagen und Karrieremustern, von der ganzen Fülle der positiv vorliegenden Rechtsnormen und Verfahrensregeln und der Aktualisierung all dessen in der alltäg­ lichen Rechtsanwendung.“93

Ist bekannt, wie zuweilen von Interessengruppen und politischen Milieus in Gesetzgebungsverfahren nicht nur grob um neue bzw. geänderte Rechtsnormen von ihrer rein inhaltlichen Seite her, sondern detailliert um einzelne Formulierungen gestritten wird, so ist entsprechend vom ungleich weniger bewusst gesteuerten Prozess der Erfindung und Usualisierung präskriptiver Metaphern davon 92

Hauriou, S. 34 f. Rehberg (1990), S. 135 (Herv. i. Orig.). Für die Betrachtung von Regulierungsakteuren und Mechanismen der Mobilisierung von Recht gibt Baer (2011), S. 157 ff., 209 ff. wichtige Anregungen. 93

II. Input: Theorie und Analyse institutioneller Mechanismen (TAIM)

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auszu­gehen, dass sie meist von bestimmten Trägergruppen mit bestimmten Denkgewohnheiten (aus weltanschaulichen Frames im Sinne von Lakoff und Johnson heraus) abhängen, denen zur Durchsetzung in spezifischen Kontexten spezifische Ressourcen zur Verfügung stehen. Hier schlagen – in der anthropologischen Dimension – insbesondere die radikal sinnlichen Lebenswirklichkeiten durch, aus denen heraus Metaphern jeweils ihre Glaubhaftigkeit beziehen. So kann und konnte z. B. mit Metaphern des „Grundes“ zu allen Zeiten jeder etwas anfangen. Und auch der „Aufbau“ des Staates bezieht sich noch auf weitestgehend verbreitete Erfahrungswirklichkeiten, auch wenn die identifikatorisch erhebliche Erfahrung, selbst „Bauherr“ bzw. „Bauarbeiter“ zu sein, in einer Gesellschaft jeweils bestimmten Gruppen (einerseits unbeschränkt entsprechend Kapitalbesitzenden, andererseits je nach Spezialisierungsart und -grad in der Baubranche Tätigen) vorbehalten ist. Die zumindest für (zwischen-)staatliche Vorgänge eingeführte Metapher des „Netzwerks“ dürfte auf dem Festland noch partikularer radiziert sein, nämlich in mit Computernetzwerken vertrauten, technisch gebildeten Gruppen. 3. Symbolische Verselbstständigungstendenzen Als Prozesse und Formen der „Autonomisierung“ – ein Begriff, der in diesem Zusammenhang abgelehnt und für eine andere Verwendungsweise reserviert wird94 – kategorisiert die TAIM solche Aspekte des Institutionellen, die im wörtlichen Sinne eine Individualität, „Eigengesetzlichkeiten“ und „-logiken“ des Institutionellen suggerieren.95 Die heuristischen Kategorien, die die TAIM zur Verfügung stellt, sind im Wesentlichen „Eigenraum“, „Eigenzeit“ und „Eigengeschichte“. Diese sind nicht so einfach mit Bestimmungen der Metaphorologie in Zusammenhang zu bringen, weil sie zumindest in erster Linie für in sich organisierte Institutionen einschlägig sind.

94

Und zwar im Sinne einer Autonomie des Menschen, vgl. historisch grundlegend Pico della Mirandola, S. 7 f.: „Also nahm er [der Schöpfergott, scil.] den Menschen hin als Schöpfung eines Gebildes ohne besondere Eigenart, stellte ihn in den Mittelpunkt der Welt und redete ihn so an: ‚[…] Die fest umrissene Natur der anderen Geschöpfe entfaltet sich nur innerhalb der von mir vor­ geschriebenen Gesetze. Du wirst von allen Einschränkungen frei nach deinem eigenen freien Willen, dem ich dich überlassen habe, dir selbst deine Natur bestimmen. […] Weder als einen Himm­lischen noch als einen Irdischen habe ich dich geschaffen und weder sterblich noch unsterblich dich gemacht, damit du wie ein Former und Bildner deiner selbst nach eigenem Belieben und aus eigener Macht zu der Gestalt dich ausbilden kannst, die du bevorzugst. Du kannst nach unten hin ins Tierische entarten, du kannst aus eigenem Willen wiedergeboren werden nach oben in das Göttliche.“ Weiter grundlegend Kant (2002 [1785]), S. 89, 95: „Autonomie des Willens ist die Beschaffenheit des Willens, dadurch derselbe ihm selbst (unabhängig von aller Beschaffenheit der Gegenstände des Wollens) ein Gesetz ist“; Castoriadis (2010c), S. 133. 95 Rehberg (2002), S. 52 ff.; Rehberg (1998), S. 399 ff.; Rehberg (1990), S. 139.

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D. Metaphorologische Analyse des Rechts als Perspektive (Teil 2, Praxis) 

Mit dem Stichwort „Eigenraum“ bezeichnet die TAIM kategorial den Umstand, dass viele institutionelle Beziehungen „mit einer Sinnbesetzung der räumlichen Dimension menschlichen Zusammenlebens verbunden“ seien, wobei die als Beispiele regelmäßig angeführten, im historischen Wandel befindlichen politischen, administrativen, künstlerischen und religiösen „Kultstätten“ zeigen, dass reale Räume gemeint sind.96 Mit „Eigenzeiten“ sind zum einen in Institutionen geltende spezifische Zeitordnungen gemeint (z. B. Schichtarbeits- und Gleitzeitregeln, die universitären Semestereinteilungen und -phasen mit c.t.- und s.t.-Zeiten, religiöse Gebetszeiten, aber etwa auch, „wann jemand sich als ‚jung‘ oder ‚alt‘ zu definieren hat und was das für Körperpräsentation, Haltungen, Kleidung, Lebensäußerungen etc. bedeutet“).97 Die Kategorie der „Eigengeschichte“ ist nicht zu verwechseln mit der aus der Perspektive eines unabhängigen Dritten betretenen Analyseebene der Historie der (De-)Institutionalisierung, sondern die „spezifische Zurichtung der geschichtlichen Gegebenheiten im Hinblick auf die behauptete Kontinuität einer jeweiligen Ordnung“.98 Während Eigenräume und Eigenzeiten die sinnlich präsente Wahrnehmung des Institutionellen ermöglichen, ist mit dem Aspekt der „Eigengeschichte“, im Einzelfall beginnend mit Gründungsmythen, die legitimatorische Wirkung eines intellektuellen, und deshalb doch selbst sinnlich vermittelten und deshalb mit Eigenräumen und Eigenzeiten verschränkten, Eindrucks von Bestand und Dauer verbunden. Dankbare Beispiele sind idealtypischerweise solche der Staatsrepräsentation: Staatlichkeit zeichnet sich durch ‚individuelle‘ Eigenzeiten aus z. B. in Form von Wahl- und Sitzungsperioden, Nationalfeiertagen, Jahrestagen und Jubiläen, die in dafür prinzipiell reservierten Räumen (Plenar- und Sitzungssälen, Gedenkstätten und anderen historisch bedeutsame Plätzen) mit besonders symbolischem Inventar begangen werden. Hier wird die Verschränkung mit den jeweiligen „Eigengeschichten“ und ihren Funktionen offenbar. So war es z. B. für beide nach 1945 entstandenen deutschen Staaten wichtig, sich in selektiver historischer Anknüpfung mit den (selben) Farben ihrer Nationalflaggen zu legitimieren, sei es um Rechtskontinuität zur Weimarer Republik zu symbolisieren, sei es um „das revolutionäre Ergebnis der Kämpfe vom Jahre 1848 [zu vollstrecken, d. Verf.]“ (Grotewohl). Umgekehrt kann die erfolgreiche Überwindung mit einer lange bestandenen Ordnung Anknüpfungspunkt für die Glaubhaftigkeit der Behauptung sein, die neue Ordnung habe eine überlegene Bestandskraft (man denke an die Bedeutung archa­ ischer Trophäen ebenso wie an Gedenkstätten etwa zur Berliner Mauer).99 Durch die Suggestion von Kontinuität liegt – in der anthropologischen Dimension – zugleich eine stabilisierende Entzeitlichung, weil die Erfolgschancen für die Ver­ änderung eines Bestehenden der Lebenserfahrung nach desto geringer sind, desto länger es besteht bzw. desto mehr Bestandskraft ihm zugeschrieben wird.100 96

Rehberg (2002), S. 52, Rehberg (1998), S. 399. Rehberg (2002), S. 52 f. 98 Rehberg (2002), S. 53. 99 Vgl. Rehberg (2012b), S. 9. 100 Zur faktischen Legitimierungswirkung von Stabilität vgl. oben. 97

II. Input: Theorie und Analyse institutioneller Mechanismen (TAIM)

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Im Hinblick auf (Rechts-)Metaphern fragt sich, ob nicht auch metaphorische Räume und Zeiten die beschriebenen Funktionen erfüllen können. Ich meine, das ist in dem Sinne, was oben als „(Analog-)Vertrauen in Theorie“ gekennzeichnet wurde, der Fall. Beispiele wären die Beschreibung des politischen Systems der Europäischen Union nach dem Vertrag von Maastricht mit „Säulen“ (flankiert durch, dazu in Wechselwirkung stehend, Aufbauorganisationsschemata in Tempelform), aber auch „Rechtsräume“ und „Schutzbereiche“. Der „Schutzbereich“ stellt in diesem Sinne ein wesentliches Element des metaphorischen Eigenraums der Institution der „Grundrechte“ dar, strukturiert unter anderem durch „Schranken“ und „Kerngehalte“.101 In der „juristischen Sekunde“ kommt eine metaphorische Eigenzeit des Rechtssystems ebenso zum Tragen wie in der Ordnung der Wirksamkeit rechtlichen Handelns (z. B. ex tunc Nichtigkeit; schwebende Unwirksamkeit, d. h. unter Umständen ex tunc Wirksamkeit; ex nunc Unwirksamkeit).102 Die Stabilitätssuggestion des Rechts könnte zum einen gerade deshalb auch erfolgreich sein, weil seine metaphorischen Räume und Zeiten so „abstrakt“, von den Veränderungen der Welt unabhängig und dadurch entzeitlicht erscheinen103, zum anderen, weil diese als metaphorisch Vorwaltende auf der Ebene des Geistes so subtil wirken. Die Traditionen des Denkens sind eben nicht auf einen Schlag durch einen „Bildersturm“ oder eine „Bücherverbrennung“ zu unterbrechen, die deshalb auch hauptsächlich symbolische Bedeutung haben. Den Wissenstransfer insoweit abschließend ist auf den als inhaltliche Kategorie bereits angesprochenen überschießenden Deutungsgehalt (übrigens für sich schon eine Verselbstständigungstendenz) zurückzukommen, der flankiert wird durch eine über das funktional Notwendige hinausschießende Tendenz einer Institution zur Erweiterung ihres Geltungsanspruchs und damit einhergehend zur „Akkumulation“ der symbolischen Mittel ihrer Präsenz.104 Diese Grundannahme ist wichtig, weil sie bedeutet, dass eine ‚überflüssige‘, ‚auswuchernde‘ Metapher eine gesellschaftliche (zum Beispiel rechtsdogmatische)  Problemstelle ausfüllen kann, ohne dafür an funktionalen Kriterien gemessen bestens geeignet zu sein. Hier setzt der Castoriadische Begriff der Entfremdung an, soweit die Gesellschaft in 101

Zur Verwendungsweise des „Kerngehalts“ als Synonym zum Wesensgehalt vgl. insbeson­ dere BVerfG, 2 BvE 2/08 vom 30.06.2009, Lts. 4, Absatz Nr. 240 („Vertrag von Lissabon“); früher z. B. BVerfG, 1 PBvU 1/02 vom 30.04.2003, Absatz Nr.  21; 2 BvR 1500/97 vom 19.12.2000, Absatz Nr. 84 – jeweils zit. nach juris. 102 Vgl. Kohl, S. 150, die die Zeitstruktur der Präambel des deutschen Grundgesetzes zum Teil („hat sich das Deutsche Volk kraft seiner verfassungsgebenden Gewalt dieses Grundgesetz gegeben“) als metaphorisch analysiert, weil die „verfassungsgebende Gewalt“ erst mit der Genehmigung des Gesetzes durch die Alliierten rechtskräftig geworden sei, so dass die Vergangenheitsform zum Zeitpunkt der Unterzeichnung eine auf die Zukunft projizierte Perspektive vermittele. 103 Nicht weiter ausgeführt, aber als Spur für weitere Untersuchungen soll in diesem Zusammenhang die Hypothese angemerkt werden, dass im „Leviathan“ der Souverän im metaphorischen Raum ist, was der Vertrag in der metaphorischen Zeit ist. 104 Rehberg (1990), S. 140 f.

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D. Metaphorologische Analyse des Rechts als Perspektive (Teil 2, Praxis) 

folge der „Verselbstständigung und Vorherrschaft des imaginären Moments der Institution“ im „Imaginären der Institutionen“ nicht mehr ihr eigenes Produkt zu erkennen vermöge.105

III. Synthese eines verbindenden, flexiblen und offenen Ansatzes – Orientierungen für rechtsmetaphorologische Analytiken Die elementaren Vorlagen der insbesondere in Philosophie und Sprachwissenschaft entstandenen Metapherntheorie und die TAIM lassen sich zu einem solch analytischen Behelfssystem verbinden, wie es für das Projekt einer metaphorologischen Analyse des Rechts im demokratischen Rechtsstaat beansprucht wird.106 Die Verbindung zu einer für weitere interdisziplinäre Transfers offenen Theorie und Analyse institutionalisierter Metaphern verspricht insbesondere Legitimationsfragen unterschiedlicher rechtlicher (Selbst-)Deutungskonzepte, die sich in Metaphern herauskristallisieren, kulturell erweitert zu betrachten. Rechtsmetaphorologische Analytiken können, die Ergebnisse dieser Untersuchung zusammenfassend107, pragmatisch vor allem folgende Deutungsmuster gebrauchen: –– Erstens: Als quantitative Grundformen der präskriptiven Metapher(n) sind aus der Perspektive des durch die Metapher(n) Gemeinten grob Mikro- und Makrokonzepte sowie Zwischenformen danach zu unterscheiden, wie weitgehend ihr Anwendungsbereich ist. Auf der Seite der Metapher(n) kann es sich davon unabhängig jeweils um eine einzelne Metapher oder um eine aus mehreren Metaphern sich ergebende strukturelle Metaphorologie (was Blumenberg ein „Imaginationssystem“ genannt hat) handeln. Strukturelle Metaphorologien sind in sich eigenlogisch assoziiert. Will man diese Eigenlogik erfassen, bietet sich der Begriff des mappings an. –– Zweitens: Die genannten Grundformen existieren jeweils auf unterschiedlichen Ausdrücklichkeitsniveaus. Der ausdrücklichen Metapher, die als solche bisher in der Regel nicht besonders gekennzeichnet wird, steht auf der anderen Seite gegenüber, was man als „Hintergrundmetaphorik“ (oder – fokussierter – implizite Metaphorik) bezeichnen kann, die als kognitive Grundstruktur zumindest ähnlich der Funktion eines Welt- und Menschenbildes mit dafür verantwortlich ist, wie Details in Sprache und Denken gemeinsam angeordnet werden. Hintergrundmetaphorik lässt sich als die implizite Quintessenz einer hypothetischen ausdrücklichen strukturellen Metaphorologie umschreiben.

105

Castoriadis (1984), S. 226. Vgl. oben C.V. und unten D.IV. 107 Auf wiederholte Zitierung wird in den folgenden Absätzen verzichtet. 106

III. Synthese eines verbindenden, flexiblen und offenen Ansatzes  

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–– Drittens: Als zur Klärung metaphorischer Verhältnisse zu wenig gebraucht erscheint mir die aristotelische Grundbestimmung, eine Metapher gemäß der Analogie beruhe auf einer „Beziehung, in der sich die zweite Größe zur ersten ähnlich verhält wie die vierte zur dritten. Dann verwendet der Dichter statt der zweiten Größe die vierte oder statt der vierten die zweite; und manchmal fügt man hinzu, auf was sich die Bedeutung bezieht, für die das Wort eingesetzt ist.“ Das Verhältnis von B zu A wird zur Beschreibung des Verhältnisses von D zu C verwendet. Nimmt man das Wort „Grundrecht“, so wird das Verhältnis von Grund im Sinne von Fundament (B) zu einem Gebäude (A) zur Beschreibung der Beziehung dessen, was „Grundrecht“ genannt wird (D) zum Recht (C) verwendet. Das Netzwerk (B) als Begriff der Beziehungen vieler Knoten (A) untereinander wird zur Beschreibung der Beziehungen (D) verwendet, die zwischen Staaten (C) gesehen werden. Es ist erkenntnisreich, auf solche Art und Weise immer wieder zu analysieren, welche Funktion eine Metaphorik einnimmt. –– Viertens: In historischer (Längsschnittsperspektive)  und/oder systematischer (Querschnittsperspektive) Hinsicht sind einseitige und wechselseitige Ableitungen bzw. Ableitbarkeiten von Metaphern zu untersuchen. Historisch ist von zumindest theoretisch bestimmbaren historischen, sinnlichen, lebensweltlichen Erfahrungen auszugehen, deren Begriff ursprünglicher Gegenstand von sich bis hin zur untersuchten Metaphorik108 fortsetzenden Übertragungsprozessen war; ein Übertragungsprozess ist durch einen Quellbereich und einen Ziel­bereich zu bestimmen. Die den ursprünglichen Erfahrungen historisch nächsten Metaphern, für deren Aufspüren die Mittel der Etymologie aufschlussreich sein werden, können als „Metaphern erster Ordnung“ (eine Bezeichnung, die numerisch fortgeschrieben werden könnte)  gekennzeichnet werden. Idealtypisch werden Längs- und Querschnittsperspektive so ineinander verschränkt, dass Querschnitte verschiedener Zeiten rekonstruktiv in Beziehung zueinander gesetzt werden. –– Fünftens: Im Hinblick auf den Quellbereich einer Metaphorik kann, was Jain als Detaillierung und Verdichtung bezeichnet, also das mit einiger Akribie betreibbare Nachvollziehen des ursprünglichen Bedeutungsfeldes einer Metapher in all seinen Verästelungen, das unterbewusst möglicherweise die Strukturen im Zielbereich mitbestimmende Assoziationsfeld tiefgreifend darstellen und im Hinblick auf eine schlüssige Fortschreibung theoretischer Konstruktionen Potenziale aufweisen. –– Sechstens: Im Zusammenhang mit der Längsschnittsperspektive ist wichtig, was Blumenberg als Protention bezeichnet. Insoweit Metaphoriken die Vorstellungen bestimmen, die sich Menschen vom Funktionieren der Welt machen, bestimmen sie auch Erwartungshorizonte. Sie führen darin im Hinblick auf die 108 Metaphorik verwende ich als verbindenden Oberbegriff für Metapher (im Sinne des einzelnen Wortes) und struktureller Metaphorologie (im Sinne eines semantischen Zusammenhangs mehrerer Metaphern).

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D. Metaphorologische Analyse des Rechts als Perspektive (Teil 2, Praxis) 

jeweilige historische Zukunft zu instrumenteller Zurüstung und normativer Kriterienbildung, die ihren Geltungsanspruch in die Zukunft fortsetzen. Ein frame ist ein mapping, welches unter dem Gesichtspunkt der Protention, das heißt auf seine Wirkung auf Erkenntnis hin analysiert wird; darauf, welche Erkenntnis ermöglicht und welche Erkenntnis verhindert wird. –– Siebtens: Innerhalb struktureller Metaphorologien – man kann also auch sagen: ihrer „mappings“ – sind in gewissem Grade immer Hierarchisierungen zu be­obachten. Oft wird es so sein, dass sich die Varianzen innerhalb einer Struktur metaphorischer Vorkommnisse, die als zusammenhängend erkannt werden, um eine Metapher herum gruppieren, die als Leitmetapher ein verhältnismäßig simples Grundmodell verkörpert, an das andere Metaphern in gewissen Hinsichten selektiv anknüpfen; dabei ist im Hinterkopf zu behalten, dass die Vorstellung abgrenzbarer struktureller Metaphorologien rein praktische Funktion hat. –– Achtens: Bei der Analyse der Rollenverteilung innerhalb struktureller Metaphorologie mag die Kennzeichnung beteiligter Metaphern danach erfolgen, ob sie ihre Funktion hinsichtlich eines Seins (ontologische Metapher), einer Raumvorstellung (orientationale Metapher) oder einer ganzen Verhältnismäßigkeit (strukturelle Metapher) erfüllen. –– Neuntens: All dies ist nun wesentlich im Hinblick auf externe Bedingungen und Funktionen der zu untersuchenden Metapher bzw. strukturellen Metaphorologie zu betrachten. Hierzu gehört zuallererst die Ermittlung des Bedürfnisses, der leeren Problemstelle, das bzw. die eine Metaphorik historisch erfüllt und dessen bzw. deren Erfüllung sie behauptet. Ist eine Metaphorik usualisiert, das heißt hat sie sich durchgesetzt, lässt das die Vermutung ihrer zumindest ursprünglichen Angemessenheit zu. In der Analyse fungiert die vermutliche historische Angemessenheit einer Metapher als Indikator für das vermittels ihrer erfüllte Bedürfnis. –– Zehntens: Zu den externen Funktionen und Bedingungen gehört, vielleicht sogar als ihr Inbegriff, für die usualisierte präskriptive Metapher ihre Institutionalität. Das meint zum einen, dass eine solche Metapher selbst immer Mikro-Institution ist insbesondere mit der Folge, dass sie Ausdruck von Machtverhältnissen ist, die gerade auch in der Metapher symbolisch als schlechthin gegeben, aus sich heraus geltend suggeriert werden. –– Elftens: Gleichzeitig wird eine solche Metapher im Sinne des Ausdrucks „institutioneller Mechanismus“ an der Institutionalisierung größerer Zusammenhänge beteiligt sein, was über das sprachlich augenscheinliche Phänomen struktureller Metaphorologien weit hinaus bis hin auf die großen gesellschaftlichen Funk­ tionskomplexe (insbesondere Organisationen) zu beziehen ist. Organisationsund Managementtheorie haben übrigens seit langem die Bedeutung von Metaphern für das Selbstverständnis von Organisationen, insbesondere veränderter

III. Synthese eines verbindenden, flexiblen und offenen Ansatzes  

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Metaphern als Instrumente zum Organisationswandel (engl. change management) erkannt.109 Damit sind nun all die Analyseformen eröffnet, in denen die TAIM das Gesellschaftlich-Geschichtliche zu erfassen sucht.110 –– Zwölftens: Metaphern stellen insbesondere Ordnungsprinzipien soziokulturell existierender Strukturen (die als solche alle in einem weiten Begriff „institutionell“ genannt werden können, um den Prozess der Institutionalisierung in den Wahrnehmungshorizont zu integrieren) her und dar. Der Begriff der „Leitideen“ oder oder (wie hier) „leitenden Ideen“, die symbolisch zur Darstellung gebracht würden, ist aus der Perspektive einer metaphorologisch informierten Institutionalitätstheorie sehr terminologiekritisch zu sehen, insofern er anstelle einer Dialektik die Vorgängigkeit eines ideellen Signifikats gegenüber einem symbolischen Signifikanten (zum Beispiel einer Metapher) suggeriert. –– Dreizehntens: Anhand des Auftauchens, Wandels und Verschwindens von Meta­ phoriken können in soziohistorischen Quer- und Längsschnitten nicht nur (De-) Institutionalisierungsprozesse und Wandlungsbewegungen des Institutionellen nachvollzogen werden, sondern auch regelmäßig in gesellschaftlich nur sehr teilweise bewusstem Umfang getroffene kulturelle Grundentscheidungen einerseits für, andererseits gegen bestimmte soziale Strukturierungsvarianten.111 Im Vergleich soziohistorisch opponierender Konzepte, deren Opposition sich regelmäßig in distinkten Metaphern ausdrücken wird, lassen sich Eigenheiten gewohnter Konzepte erkennen; je nach Erkenntnisinteresse sind die soziohisto­rischen Kontexte mitzubetrachten, um ‚Systemkonformitäten‘ bzw. „-differenzierungen“ hervortreten zu lassen. –– Vierzehntens: Da sich Institutionalisierung aus der ganzen Bandbreite gesellschaftlicher Ausdrucksmittel heraus vollziehen kann, kommen im Rahmen der Kontexte wiederum nicht nur „Ideen“, sondern auch die Materialien der jeweils in Bezug genommenen, anderen gesellschaftlichen Subsysteme in Betracht. Das erschließt sich unter dem Gesichtspunkt von Metaphorik schon dadurch, dass die Bedeutung von Metaphern in Abhängigkeit von der Entwicklung des Quell 109

Vgl. statt vieler Cornelissen/Holt/Zundel, Fuchs/Huber und Wittink. Das Gesellschaftlich-Geschichtliche ist das, was an der Gesellschaft in Längs- und Querschnitten einschließlich vorwirkender Protention zu beobachten ist. Castoriadis (1984), S. 184, nennt es etwas, das „einerseits aus vorgegebenen Strukturen, Institutionen und ‚materialisierten‘ Werken (die auch immateriell sein können), zum anderen jedoch aus dem, was da strukturiert, instituiert und materialisiert“ besteht, „die spannungsvolle Einheit von instituierender und instituierter Gesellschaft, geschehener und geschehender Geschichte“. 111 Vgl. das von Foucault (1981 [1969]), S.  11, umworbene Modell einer Geschichtswissenschaft als auch einer solchen der „Deplazierungen und Transformationen der Begriffe: […] daß die Geschichte eines Begriffs nicht alles in allem die seiner fortschreitenden Rationalität, seines Abstraktionsanstiegs ist, sondern die seiner verschiedenen Konstitutionsund Gültigkeitsfelder, die seiner aufeinander folgenden Gebrauchsregeln, der vielfältigen theo­ retischen Milieus, in denen sich seine Herausarbeitung vollzogen und vollendet hat“ (Herv. i. Orig.). 110

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D. Metaphorologische Analyse des Rechts als Perspektive (Teil 2, Praxis) 

bereichs aktualisiert wird.112 Mit einem so erweiterten Blickwinkel lässt sich auch tiefenschärfer beobachten, inwieweit ein institutionell-metaphorischer Bedeutungskomplex in einer Gesellschaft seinen Geltungsanspruch in Form einer „Akkumulation“ und Verbreitung ihn versinnlichender Mittel intensiviert oder ausgeweitet hat, und – im Hinterkopf, dass es etwas wie „Entfremdung“ gibt – unter dem Gesichtspunkt der Funktion beurteilen. –– Fünfzehntens: Deshalb ist abschließend auch besonders wichtig, ggf. vermittelt über die Kategorie der Organisation, die Gruppen und Personen ausfindig zu machen, die eine Metaphorik und die mit ihr verbundenen Institutionalitäten aus welchen Umständen heraus tragen (bzw. getragen haben). Es können vielfältige Motive und Interessen mit abgestuften Dringlichkeiten aufzufinden sein. Offensichtlich ist diese Analyseebene (im Rahmen der TAIM als solche der „Organisation“ vorgestellt) auch besonders geeignet, um Gendergesichtspunkte in die Analyse zu integrieren. Die Aufzählung wesentlicher heuristischer und methodischer Begrifflichkeiten ist terminologisch durch die für diese Untersuchung behandelte Literatur bedingt und nicht abschließend gemeint. Sie soll auch kein Schema darstellen, das automatisiert auf eine bestimmte Metaphorik anzuwenden wäre. Es geht vielmehr um ein Angebot im Sinne eines Operationsbestecks, aus dem je nach Erkenntnisinteresse und -gegenstand das angemessene Werkzeug zusammenzustellen ist, um Metaphoriken und ihre Funktion (nach-)denken zu können. Wie schon verschiedentlich angesprochen wurde, ist Metaphorologie nicht losgelöst von Geschichte, Begriffsgeschichte insbesondere, und als Rechtsmetaphorologie nicht losgelöst von Rechtsdogmatik; es handelt sich um eine wissenschaftliche Grundlagen-, eine Schlüsselkompetenz. Letztlich gilt es in diesem Sinne, der (rechts-)wissenschaftlichen Denkweise allgemein eine Perspektive hinzuzufügen, die nur zu Denkübungs- und Veranschaulichungszwecken umfassend expliziert werden muss. Diesem Programm folgt auch die diese Untersuchung im Wesentlichen abschließende Skizze einer methodischen Metaphorologie der Grundrechte.

112 Zum Beispiel hätte man um 1900 in Herleitung von Fischer- und Spinnennetzen unter Vernetzung/Netzwerk wahrscheinlich etwas horizontal Ausbreitbares, räumlich klar abgegrenztes Zweidimensionales verstanden, dessen Begriff man entsprechend z. B. auf Rechtsbeziehungen gleichgeordneter Subjekte hätte anwenden können, nicht jedoch (auch) – nachdem Netzwerke dreidimensional kabelgebunden und -ungebunden nicht nur ganze Häuser und Städte, sondern den Raum zwischen Erde und Satellitenumlaufbahnen durchziehen – auf Beziehungen zwischen allem und jedem.

IV. Rechtsmetaphorologie als historisch-systematische Auslegungsmethodik  

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IV. Rechtsmetaphorologie als historisch-systematische Auslegungsmethodik Es soll und muss die Frage wiederholt, variiert und weiter gestellt werden: Wie ist die metaphorologische Sichtweise im Recht brauchbar? Welches sind ihre sinnvollen Einsatzbereiche? Sind es zumindest in erster Linie solche der Theorie von Metagesichtspunkten des Rechts, das heißt insbesondere des Staates und der Verfassung?113 Oder sind es auch einzelne Rechtsnormen? Falls es auch einzelne Rechtsnormen sein sollten, wie ordnete sie sich in den konventionellen Besteckkasten der praktischen Rechtsanwendung ein oder setzte ihn fort? Gewiss erscheint zu diesen Fragen, dass eine Integration in ein Feld nicht ganz leicht vonstatten gehen kann, das erstens über keinen geteilten Begriff der Metapher verfügt, das sich zweitens zwar einerseits unpolitisch dünkt, aber andererseits die historische Auslegung tendenziell geringschätzt, und drittens zunehmend postmodern mit der Infragestellung der Sinnhaftigkeit hermeneutischer Auslegung überhaupt114 konfrontiert ist. Hier ist nicht der Ort, unmittelbar die grundsätzlichen Probleme der Sprachförmgkeit des Rechts zu behandeln. Praktisch liegt ausgehend von einer Auffassung der Metaphorologie als charakteristischerweise geschichtlich orientierter Disziplin, wie sie hier im Wesentlichen vorgestellt wurde, und aus dem Bewusstsein heraus, dass die Bedeutung eines zur Norm berufenen Wortlauts auf Konvention, also historischen Vorgängen beruht115, die These nahe, dass für eine Integration metaphorologischer Sichtweisen in die juristische Rechtsanwendungsmethodik die sog. historische Auslegung am ehesten in Betracht kommt.116 Ist von Auslegung die Rede, wird unter Juristinnen und Juristen häufig reflexhaft der Name v. Savignys genannt, der diese paradigmatisch als „Anfang und Grundlage der Rechtswissenschaft“ kennzeichnete.117 Seit ihm gilt neben dem Wortlaut eines 113 Nach Möllers (2012), S. 171 (Rz. 51), „bedürften [auch] die – nicht selten metaphernreich geführten – Diskussionen der Verwaltungsrechtswissenschaft […] einer kulturwissenschaftlichen Analyse“. 114 Prominent Müller/Christensen (2004), beispielhaft S. 494 (Rz. 506): „Die Unbeherrschbarkeit […] des Sinnzentrums, das ich in den Text legen ‚will‘, ist […] das – in aller Regel verdrängte – Grundphänomen der Vertextung […] Dem schriftlichen Text ist eine Sinneinheit, ist ein Sinnzentrum (und noch weniger sein einer Sinn) nicht unterzuschieben. […] Er wird durch andere (schriftliche) Texte in einen ebenso unvermeidlichen wie unabbrechbaren Semantisierungsvorgang und – nicht zuletzt auch als juristischer Text – in als solche ebensowenig beendbare semantische Kämpfe, in praktische Sprachkämpfe hineingezogen. Diese Vorgänge und diese Kämpfe sind es, welche die Realität der Rechtsarbeit ausmachen; und nicht das kognitive Auffinden des einen richtigen ‚Normsinns‘, nicht das getreue Anwenden des ‚objektiv/objektivierten‘ gesetzgeberischen ‚Willens‘.“ 115 Vgl. Müller, S. 530 f.; Schneider (1997), S. 922. 116 Vgl. indes auch zum Folgenden insgesamt den Beitrag Knut Ipsens (2000), der engagiert, wenn auch wenig methodenspezifisch für den Nutzen kulturwissenschaftlicher Ansätze im (öffentlichen) Recht eintritt. 117 Auch im Folgenden Savigny, S. 213 ff.

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Gesetzes die Vergegenwärtigung der historischen Situation, in die das Gesetz regelnd einspringt, als Schlüssel zum Verständnis des jeweiligen Gedankens, den das Gesetz zur Lebenswirklichkeit machen soll. Er bestimmte Auslegung insbesondere „als die Reconstruction des dem Gesetze innewohnenden Gedankens […] Das grammatische Element der Auslegung hat zum Gegenstand das Wort, welches den Übergang aus dem Denken des Gesetzgebers in unser Denken vermittelt. Es besteht daher in der Darlegung der von dem Gesetzgeber angewendeten Sprachgesetze. […] Das historische Element hat zum Gegenstand den zur Zeit des gegebenen Gesetzes für das vorliegende Rechtsverhältniß durch Rechtsregeln bestimmten Zustand. In diesen Zustand sollte das Gesetz auf bestimmte Weise eingreifen, und die Art dieses Eingreifens, das was dem Recht durch dieses Gesetz neu eingeführt worden ist, soll jenes Element zur Anschauung bringen. Das systematische Element endlich bezieht sich auf den inneren Zusammenhang, welcher alle Rechtsinstitute und Rechtsregeln zu einer großen Einheit verknüpft. Dieser Zusammenhang, so gut als der historische, hat dem Gesetzgeber gleichfalls vorgeschwebt […] Von zwey Bedingungen [aber] hängt der Erfolg jeder Auslegung ab […]: erstlich daß wir uns die geistige Thätigkeit, woraus der vor uns liegende einzelne Ausdruck von Gedanken hervorgegangen ist, lebendig vergegenwärtigen: zweytens, daß wir die Anschauung des historisch-dogmatischen Ganzen, woraus dieses Einzelne allein Licht erhalten kann, in hinlänglicher Bereitschaft haben, um die Beziehungen desselben in dem vorliegenden Text sogleich wahrzunehmen.“

Die in vordemokratischer Zeit entstandenen Gedanken v. Savignys sind heute ganz gewisslich nur modifiziert zu übernehmen. Denn dafür, dass der Gedanke angesichts der Veränderlichkeit der Kontexte der jeweiligen Lebenswirklichkeit auch vernünftigerweise evolutiv zu aktualisieren ist, sprechen insbesondere demokratietheoretische Gründe. Es ist trotz aller dekonstruktivistisch inspirierten Verunsicherung betreffend die Möglichkeiten der Reproduktion historischer Textbedeutung118 und des Umstands, dass der eine, tatsächliche Wille des Gesetzgebers119 (er ist die Personifikation eines Funktionszusammenhangs) eine Fiktion ist, richtig, dass die Mitglieder der jeweils gesetzgeberisch tätigen Organe als Vertreterinnen und Vertreter des ganzen Volkes120 einem Rechtsbegriff eine bestimmte und keine beliebige Bedeutung zumessen und diese festlegen wollten.121 In aktueller Zeit machen indes „Stuttgart 21“ und die damit symbolisch verbundenen Legitimationsprobleme repräsentativ-administrativ gestalteter Entscheidungsverfahren die Wichtigkeit der Erkenntnis deutlich, dass sich die freiheitliche 118

Statt einiger Augsberg. Looschelders/Roth, S.  153 ff.; da es unter den Bedingungen der Volkssouveränität (Art. 20 Abs. 2 GG) „den Gesetzgeber“ in Form einer natürlichen Person von der alle Entscheidungsgewalt ausgeht, nicht gibt, ist die wahrscheinlich zivilrechtlich inspirierte Rede sowohl vom „tatsächlichen“ wie „mutmaßlichen Willen“ des Gesetzgebers zumindest missverständlich. 120 Vgl. Art. 38 Abs. 1 Satz 2 GG. 121 Vgl. Enders, S. 165. 119

IV. Rechtsmetaphorologie als historisch-systematische Auslegungsmethodik  

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Demokratie nicht in periodischen Wahlen erschöpfen kann, die zu gesetzgeberischer Tätigkeit führen, sondern von der „Freiwilligkeit ihrer Bürger, d. h. der Spontaneität ihres täglichen Plebiszits“ lebt.122 Die Freiwilligkeit derer, an die eine Rechtsnorm addressiert ist, wird sich maßgeblich nach zwei Faktoren bestimmen, die treffend als „Nachvollziehbarkeit“ gekennzeichnet werden können: erstens die sprachliche Verständlichkeit der Rechtsnorm faktisch zunächst von der Sprache der jeweiligen Gegenwart aus im Hinblick auf die unmittelbare Gesetzesanwendung (das heißt die Arbeit mit dem Gesetzestext) durch Menschen in Verwaltung, Gerichten, Hochschulen und rechtsberatenden Berufen; zweitens im Hinblick auf die mittelbare Gesetzesanwendung ihr Funktionieren123 auch unter den Bedingungen veränderlicher Lebensverhältnisse. Beide Aspekte kommen bezüglich der Legitimation richterlicher Rechtsfortbildung im „Soraya“-Beschluss des BVerfG zum Ausdruck: „Die Auslegung einer Gesetzesnorm kann nicht immer auf die Dauer bei dem ihr zu ihrer Entstehungszeit beigelegten Sinn stehenbleiben. Es ist zu berücksichtigen, welche vernünftige Funktion sie im Zeitpunkt der Anwendung haben kann. Die Norm steht ständig im Kontext der sozialen Verhältnisse und der gesellschaftlich-politischen Anschauungen, auf die sie wirken soll; ihr Inhalt kann und muß sich unter Umständen mit ihnen wandeln. Das gilt besonders, wenn sich zwischen Entstehung und Anwendung eines Gesetzes die Lebensverhältnisse und Rechtsanschauungen so tiefgreifend geändert haben wie in diesem Jahrhundert. Einem hiernach möglichen Konflikt der Norm mit den materiellen Gerechtigkeitsvorstellungen einer gewandelten Gesellschaft kann sich der Richter nicht mit dem Hinweis auf den unverändert gebliebenen Gesetzeswortlaut entziehen; er ist zu freierer Handhabung der Rechtsnormen gezwungen, wenn er nicht seine Aufgabe, ‚Recht‘ zu sprechen, verfehlen will.“124

Im Rahmen der Bindung der öffentlichen Gewalt an die verfassungsmäßige Ordnung bzw. an Recht und Gesetz (Art. 20 Abs. 3 GG), die zu einem Spannungsverhältnis zwischen Rechtmäßigkeitskontrolle und Gesetzmäßigkeitskontrolle führt, besitzt die nach demokratischen Verfahrensgrundsätzen gebildete, nur in „objektivierter“ Fassung zu rekonstruierende gesetzgeberische ‚Intention‘, die sich nicht zufällig zu einem bestimmten Zeitpunkt an bestimmter Stelle mit einem bestimmten Wortlaut vorläufig zur Norm ausgewirkt hat, zumindest die Bedeutung eines starken ersten Anscheins einer Regierung des Volkes, durch das Volk und für das Volk.125 Mit Radbruch ist das genannte Spannungsverhältnis auch als „Konflikt zwischen der Gerechtigkeit und der Rechtssicherheit“ zu konzipieren, der im Zweifel zu Gunsten des durch Satzung und Macht gesicherten Rechts zu entscheiden ist.126 In diesem Sinne sagt Zippelius ganz richtig, die Normen des Rechts und die Rechtstradition böten Anhaltspunkte für die in der Rechtsgemeinschaft mehr 122

Böckenförde, S. 226. Auf diesen Gesichtspunkt kann auch eine dekonstruktivistisch-sprachkritische Gesetzesauffassung maßgeblich abstellen, vgl. Augsberg, S. 94 f. 124 BVerfG, Beschluss vom 14.02.1973, Az. 1 BvR 112/65, Absatz Nr. 41 – zit. nach juris. 125 So die bekannten Worte Abraham Lincolns in seiner Gettysburg Address am 19.11.1863. 126 Radbruch (1946), S. 107. 123

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heitlich konsensfähigen Gerechtigkeitsvorstellungen.127 Wer ein Gesetz offensichtlich anders interpretiert, als der historische Gesetzgeber es gemeint hat, hat dies deshalb besonders sorgfältig zu rechtfertigen.128 Dies kann zum Beispiel durch die Darlegung von Veränderungen geschehen, die der Gesetzgeber zwischenzeitlich an anderen Stellen des Gesetzessystems vorgenommen hat, soweit sich dadurch aus der Perspektive des historischen Gesetzgebers möglicherweise motivationserhebliche Rahmenbedingungen der zu interpretierenden Norm geändert haben. Was nun jenen ohnehin ‚objektivierten‘ Willen des Gesetzgebers angeht, so handelt es sich in der praktischen Anwendung dieser Figur regelmäßig um einen im Hinblick auf Wissen und Wollen idealisiert vorgestellten Willen des Gesetzgebers. Die Mitglieder des jeweils zuständigen Gesetzgebungsorgans werden im Zeitpunkt des Normsetzungsbeschlusses (zum Beispiel nach der dritten Beratung gemäß § 86 GO-BT) im Durchschnitt kaum konkret-präsentes Wissen und Wollen im Hinblick auf alle Einzelheiten der vorliegenden Normtextentwürfe haben, geschweige denn in Bezug auf jedenfalls zum jeweiligen Zeitpunkt nicht unmittelbar relevant erscheinende rechtshistorische Voraussetzungen und rechtsdogmatische Verknüpfungen. Sie repräsentieren nicht nur den Willen des Volkes, sondern auch in höchsten Maße das Wissen anderer: insbesondere zum einen der Spezialistinnen und Spezialisten in den eigenen Reihen, zum anderen in der Verwaltung, die sich – aufgrund veränderlicher politischer Mehrheiten veränderlich geleitet – vermittels des Berufsbeamtentums durch eine ihr ganz eigene Kontinuität auszeichnet.129 Nicht zuletzt treffen sich in der anonymen Masse des Volkes, das in den Formen von Wahlen, Abstimmungen (vgl. jeweils Art. 20 Abs. 2 GG), Parteien (vgl. Art. 21 Abs. 1 Satz 1) und des „täglichen Plebiszits“ im Gebrauch der Kommunikationsgrundrechte auf sich aufmerksam machen kann, Wollen und Wissen um die jeweils betroffenen Interessen. Die Gesetzgebung, geht man vom „wirklichen Willen des Gesetzgebers“ als regulativer Idee aus, erfolgt immer aus einer bestimmten Situativität menschlicher Aufmerksamkeits- und Vertrauensökonomie heraus. All dies verweist, und dies markiert die eigentliche Differenz zwischen dem mit der Analyse der gesetzgeberischen Materialien verbundenen130 Begriff der geneti 127

Zippelius (2012), S. 47. Vgl. Schneider (1997), S.  918. Und es soll einen Erfahrungssatz geben, dass der spätere Gesetzgeber, sofern nicht gegenteilige Anhaltspunkte vorhanden sind, einen eingeführten und feststehenden Rechtsbegriff im bisherigen Sinne verstehen will, wenn er ihn unverändert übernimmt, so Looschelders/Roth, S. 156 (Fn. 10). Aus dem Parlamentarischen Rat ist die Äußerung v. Mangoldts überliefert, die Grundrechte hätten „einen geschichtlich gewachsenen Gehalt“, sie müssten nur neu formuliert werden, Stenographisches Wortprotokoll der zweiundzwanzigsten Sitzung des Ausschusses für Grundsatzfragen, 18.11.1948, in: Schick/ Kahlenberg (1993b), S. 584 (S. 601). Vgl. in diesem Zusammenhang auch Hoffmann-Riem, S. 206: „Die Berufung auf die Traditionen der Grundrechtsdogmatik hat einen wichtigen Stellenwert, kann aber nicht die Klärung ersetzen, welche in der Entstehungs- und Entwicklungsgeschichte entwickelten Grundrechtsinhalte gegenwärtig als normativ verbindlich gelten und welche sich in Weiterentwicklung befinden.“ 129 Vgl. Baer (2011), S. 172 ff.; Coing, S. 325 f.; Looschelders/Roth, S. 158 f. 130 Vgl. Looschelders/Roth, S. 157 ff.; Müller/Christensen (2002), S. 275. 128

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schen Auslegung und im weiteren Sinne historischer Auslegung, auf das Nichtexplizierte und darüber hinaus das (fiktive und tatsächliche) Unterbewusste wie das an andere delegierte Bewusstsein. Auf die solchermaßen umschriebenen Bedingungen im Zeitpunkt der Normkreation verweisen über die „geistige Thätigkeit“ im Sinne v. Savignys (der von „Volksgeist“ anstelle von Unterbewusstsein einen Begriff hatte) hinaus zum Beispiel auch die „Seele des Gesetzgebers“, in die „sich unter Beachtung aller erreichbaren Momente möglichst vollständig […] hineinzudenken“ sei131, die „Hilfe der Gesamtheit der geschichtlichen Elemente, die die Entstehung des Gesetzes bestimmt haben“132, und die „Vertrautheit mit dem stillschweigend vorausgesetzten Umfeld des Textes“, an der es einer bloß logischen Herangehensweise an den Normtext mangele133.134 Wenn nun die metaphorologische Forschung zeigt, dass und wie das menschliche Denken von metaphorisch geprägten Konzepten beherrscht wird, die im Spiegel ihrer zeitlich und lebensbereichlich mehr oder minder stark entfernten Ursprünge verständlicher werden können; dass in ihnen „Strukturen einer geschichtlichen Epoche in ihrer anthropologischen Verfasstheit [….], die noch in unsere Gegenwart hineinreichen“135, sichtbar werden können; dass sie das Recht auf ebenso subtile wie besondere Weise – und in erfolgreicher Weise nur, wenn sie aus schwer zu erhellenden Gründen „angemessen“ erscheinen – „verkörpern“ und damit zur Legitimation von Recht beitragen. Dann handelt es sich bei diesen metaphorisch induzierten Konzepten um Elemente, die zu einer idealtypischen Auslegung dazugehören können. Inwieweit dies in Einzelfällen möglich ist, deren Lösung verfahrensökonomisch regelmäßig nicht dem Maßstab einer idealtypischen Auslegung, sondern einer tragfähigen Auslegung folgt, muss sich in Zukunft zeigen.

131

Windscheid, zit. bei Engisch, S. 81 (Herv. d. Verf.). Coing, S. 326. Vgl. im hiesigen Zusammenhang einschlägig ebd., S. 320: „Jene […] Richtung, die von dem objektiven Gehalt der Sprache ausgeht, in der der Autor sich ausdrücken muss, führt […] in eine Reihe von überindividuellen Zusammenhängen hinein. Da ist zunächst die Sprache selbst, die ja eine Gedankenentwicklung von Generationen, die uns vorangegangen sind, aufbewahrt. Kein Mensch denkt losgelöst von den Traditionen des Denkens, das sich in der Sprache niedergeschlagen hat. Über die Sprache führt dieser Gesichtspunkt dann zurück zur allgemeinen Geistesgeschichte: zu Stilentwicklung, Formenentwicklung, Ideenentwicklung, in die der Autor hineingestellt war und die ihm die Möglichkeit des Ausdrucks gegeben haben, wie sie auch vielleicht die Richtung seines Denkens schon bestimmt haben.“ 133 Braun (2002), S. 333. Auf das „historische Umfeld der Entstehung“ einer Verfassungsnorm stellt mitunter auch das BVerfG ab, Beschluss vom 23.11.1988, Az. 2 BvR 1619/83 u. a. („Rastede“), Absatz Nr. 41 – zit. nach juris. 134 Auch Radbruch (2003 [1932]), S. 107, stellt scharfsinnig darauf ab, „als Wille des Gesetzgebers festzustellen, was im bewußten Willen der Gesetzesverfasser niemals vorhanden war“ (Herv. d. Verf.), das Gesetz könne und müsse „klüger sein als seine Verfasser“, allerdings um die Bedeutung der historischen Situation der Normkreation zu relativieren und den „Willen des Staates“ bzw. „Gesetzes“ zum Auslegungsziel zu erklären, was zu weit vom Leben wegführt. 135 Diese hier treffend empfundene Formulierung findet sich weder speziell noch ausdrücklich auf Metaphern bezogen bei Koselleck, S. IX. 132

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D. Metaphorologische Analyse des Rechts als Perspektive (Teil 2, Praxis) 

Eine Anwendung erscheint aufgrund des mit ihr verbundenen Aufwandes zunächst vor allem für solche grundlegenden Fragen realistisch, deren Beantwortung mit dem herkömmlichen Instrumentarium besonders legitimierungsbedürftig und deshalb weiterer Argumente zugänglich ist. Dies ist besonders im Verfassungsrecht der Fall, dessen besonderer Charakter beispielhaft mit Weite, Unbestimmtheit, Allgemeinheit und Abstraktion136, als durch ranghöhere Rechtsnormen nicht abgesichert und „politisch“, das heißt geschichtlicher Veränderung in erhöhtem Maß ausgesetzt umschrieben wird.137 Zutreffender ist allerdings auf den erhöhten Stabilitätsanspruch von Verfassungen abzustellen, mag er institutionentheoretisch betrachtet auch auf eine besondere Labilität der mit ihrem Begriff verbundenen Ordnungsvorstellungen hindeuten.138 Ganz einschlägig formuliert Hans-Peter Schneider, es komme: „der Entstehung von Verfassungsnormen für deren Verständnis schon deshalb besonderes Gewicht zu, weil mit ihr immer zugleich ein Stück Gründungsgeschichte staatlichen Lebens, ein Moment der Entscheidung eines Volkes über seine künftige politische Existenz sowie eine Art ‚gesamtgesellschaftlicher Identitätsfindung‘ verbunden sind. Insofern trägt die Erforschung der Genese von Verfassungsnormen stets auch zu Vergewisserung und Vergegenwärtigung des Ursprungs eines politischen Gemeinwesens als solches bei und dient damit letztlich der Festigung seines Selbstverständnisses gerade in der aktuellen Auseinandersetzung um kontroverse Verfassungspositionen. Hinzu kommt die hervorgehobene Bedeutung der Geschichte politischer Institutionen und staatlicher Lebensformen für die Verfassungsnomenklatur. Wenn vor allem in den Strukturnormen des Grundgesetzes etwa von ‚Demokratie‘, ‚Rechtsstaat‘ bzw. ‚Bundesstaat‘ die Rede ist, wenn ein Bekenntnis zu den Menschenrechten abgelegt wird oder wenn die Grundfreiheiten des Bürgers garantiert werden, ist jeweils ein Stück konkreter Verfassungsgeschichte mit in Bezug genommen, vor deren Hintergrund sich der aktuelle Sinngehalt solcher Verfassungsbegriffe oder -institutionen überhaupt erst erschließt und ohne deren Erforschung sie weitgehend abstrakte Formeln bleiben müssen. Es geht bei der Auslegung von Verfassungsrecht – anders als bei bloßem Gesetzesrecht – also immer auch um die Einbeziehung der entsprechenden Verfassungstradition, ja der gesamten sie umgreifenden Verfassungskultur.“139

136

Schneider (1997), S. 904. Müller, S. 523. 138 Vgl. Foucault (2006 [1978]), S. 360: „dieses zugleich zerbrechliche und drängende Etwas, das sich der Staat nennt“. 139 Schneider (1997), S.  911 f.; grundsätzlich zustimmend Starck (2009), S.  126. In solchem Sinne BVerfG, Beschluss vom 23.11.1988, Az. 2 BvR 1619/83 u. a. („Rastede“), Absatz Nr. 41 – zit. nach juris: „Um Sinngehalt und Tragweite der Grundrechtsbestimmungen und anderer Garantienormen, denen oft eine lapidare Sprachgestalt eigen ist, richtig zu erfassen, ist jedoch der Blick auf das rechtliche und historische Umfeld der Entstehung der Verfassungsnorm sowie auf ihre Zielrichtung erforderlich, wie sie sich in den Beratungen darstellte und wie sie schließlich im Normzusammenhang ihren Ausdruck gefunden hat“. Herangezogen werden in der Folge u. a. „[f]ür das 19. Jahrhundert“ die Reichsverfassung von 1849 und die Preußische Verfassungsurkunde von 1850 mit historischer Kommentarliteratur. 137

IV. Rechtsmetaphorologie als historisch-systematische Auslegungsmethodik  

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Diese Ausführungen könnten in eine institutionentheoretisch angeleitete Metakritik der historischen Auslegungsmethode überleiten, die – in Ergänzung der bereits erfolgten Bemerkungen zur Funktion der metaphorologischen Analyse des Rechts im demokratischen Rechtsstaat – unerwünschten Vereinseitigungen vorgreift. Die historische Auslegung (einschließlich der genetischen Auslegung) steht im Verdacht, vor allem etwas für Persönlichkeiten zu sein, denen die Vergangenheit mit positiver Wertung besonders wichtig ist140 – Geschichte ist „der konservative Gott“ (C. Schmitt).141 Umgekehrt wird ihr gerade in solchen rechtlichen Zusammenhängen wenig Verbindlichkeit zugebilligt, deren leitende Ideen mitunter mit der Metapher der „Dynamik“ beschrieben werden.142 Es hilft hier zunächst die häufig zu interessanten Gedanken führende Kontrollüberlegung, was ohne – hier die – historische Auslegung wäre; in einem geschichtslosen Zustand alleingelassen mit einem Gesetzestext und den Möglichkeiten systematischer und objektivteleologischer Auslegung würde ein Mensch wahrscheinlich eine Geschichte erfinden müssen, schon um sich selbst vom „Sinn“ der Ergebnisses der Auslegung zu überzeugen.143 Tatsächlich zeigen die zitierten Ausführungen besonders klar und beispielhaft die Funktion historischer Auslegung als Institutionalisierungsstrategie im Sinne dessen, was die Theorie und Analyse institutioneller Mechanismen als „Eigen­ geschichten“ begreift; Institutionen beziehen ihre Stabilität unter anderem aus (gründungs-)mythologischen Eigengeschichten, die sie als von den kleinteiligen Veränderungen der Lebenswirklichkeit unabhängig, für sich bestehend und vorgegeben suggerieren. Dies, „Methode als Machtfaktor“144 reflektierend, lassen 140 Vgl. Schneider (1997), S. 918: „vor allem ‚affirmativ‘ eingesetzt, d. h. zur Absicherung eines bereits feststehenden Ergebnisses gebraucht“. Man denke auch an den bekannten, das US-amerikanische Rechtssystem beherrschenden Grundkonflikt zwischen den als „originalism“ (konservativ) bzw. „living constitution“ (progressiv) gekennzeichneten Richtungen. 141 Vollständig Schmitt-Dorotić, S. 53 f.: „[…] Geschichte. Sie ist der konservative Gott, der restauriert, was der andere revolutioniert hat, sie konstituiert die allgemeine menschliche Gemeinschaft zum historisch konkretisierten Volk, das durch diese Begrenzung zu einer soziologischen und historischen Realität wird und die Fähigkeit erhält, ein besonderes Recht und eine besondere Sprache als Äußerung seines individuellen Nationalgeistes zu produzieren. Was […] ‚Volksgeist‘ bedeutet, läßt sich daher nur historisch feststellen, auch das Volk ist hier nicht […] Herr seiner selbst, sondern das Ergebnis geschichtlicher Entwicklung. Der Gedanke einer willkürlichen Herrschaft über die Geschichte ist der eigentlich revolutionäre Gedanke; er hat zum Inhalt, etwas beliebig ‚machen‘, selber schaffen zu können; […] der Quietismus der Restaurationszeit konnte sich damit rechtfertigen, daß alles, was geschieht, gut ist, weil es historisches Geschehen ist; was ist, ist vernünftig, weil es das Werk des geschichtlich sich produzierenden Weltgeistes ist.“ 142 Vgl. jeweils beschränkt auf die genetische Auslegung für das internationale öffentliche Recht Art. 31 f. WVK, für das europäische Unionsrecht differenzierend Leisner. 143 Ganz zutreffend stellt deshalb auch Schneider (1997), S. 917, darauf ab, dass er informierte Rückgriff auf die Entstehungsgeschichte einer Norm dem Adressaten einer Entscheidung hilft, eine auf seine Lebenssituation angewendete Vorschrift in einen Gesamtzusammenhang stellen und besser verstehen zu können. 144 Dieter Grimm, zit. nach Baer (2011), S. 38.

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D. Metaphorologische Analyse des Rechts als Perspektive (Teil 2, Praxis) 

sich gerade aus einer historischen Auslegung Spielräume für autonom-vernünftiges Handeln gewinnen; der aus vergangenen Zeiten in Gegenwart und Zukunft hinüberwirkenden Heteronomie lässt sich durch Historisierung, Bilanzierung, Wertung und Folgenabschätzung begegnen.145 Schneider hat Bedingungen und Maßstäbe historischer Argumentation im Verfassungsrecht dargestellt, auf die hier verwiesen werden kann und zu denen vor allem die umfassende „historische“ und „diskursive Gesamtschau“ gehört: „Damit gewinnt nicht nur das konkrete Entscheidungsergebnis ein höheres Maß an Transparenz und Kontrollierbarkeit, sondern zugleich die Norm selbst eine neue rechtspolitische Dimension: Sie wird aus den ‚luftigen Höhen‘ überzeitlicher Geltung heruntergeholt auf die Ebene des Interessenstreits und politischen Kampfes mit der Folge, daß ihre dadurch ins Bewußtsein gehobene Zeitbedingtheit nicht zuletzt die Diskussion über Alternativen erleichtert.“146

Der Streit um die richtigen Metaphern im Gesetz und in der Rechtsdogmatik wird häufig nicht ausdrücklich geführt, sondern – da sie dann schon konventionalisiert sind – in der einschlägigen Fachdiskussion der Normkreation vorausgegangen sein, und auch zu diesem früheren Zeitpunkt selten ausdrücklich und bewusst. Das darf nicht darüber hinwegtäuschen, dass sie nicht vorgegeben sind und es – je folgenreicher sie sind desto eher – verdienen, dass ihre rechtspolitische Dimension gelegentlich neu aufscheint, um über Alternativen erstmalig oder erneut nachdenken, diskutieren und entscheiden zu können. Das soll ein Ausblick auf eine Metaphorologie der Grundrechte zeigen.

145 Vgl. in diesem Zusammenhang auch Rückert/Schmoeckel/Zimmermann, die ihre Nötigung erklären, den historisch-kritischen Kommentar zum BGB durch das Wort „kritisch“ vor dem Verdacht bloßer ‚Kontemplativität‘ zu verwahren. 146 Schneider (1997), S. 917 f. (Herv. d. Verf.). Ordnet man Rechtsmetaphorologie als kulturwissenschaftlichen Ansatz im Recht ein, kann man auf sie beziehen, sie könne „dazu dienen, staatsübergreifende Rechtsordnungen wie das europäische Gemeinschaftsrecht und das Völkerrecht verständlicher und akzeptabler zu machen“, Ipsen (2000), S. 420.

E. Ausblick auf eine methodische Metaphorologie der „Grundrechte“ „markier wiederholung als ort wohin ich zurückkehren kann der empfindlichkeit bindet.“ Daniela Seel1

Zu den wichtigsten metaphorischen Begriffen, aus denen die Bundesrepublik Deutschland ihre Geltung als Staatsordnung herleitet, gehört der Begriff der „Grundrechte“. Denn dass der erste Bestandteil dieses zusammengesetzten Wortes (grammatisch „Kompositum“) eine Ursprungsbedeutung außerhalb des Rechts hat, also eine Metapher ist, ist offensichtlich. „Die Grundrechte“ ist der erste Teil des „Grundgesetzes“ überschrieben.2 Der folgende Teil dieser Arbeit zu Begriff, Funktion und Analyse rechtswissenschaftlicher Metaphern wird bewusst als „Ausblick“3 markiert. Dem liegt zu Grunde, dass es einerseits die praktischen Konsequenzen und Potenziale einer Rechtsmetaphorologie an einem Beispiel nachzuweisen gilt (die sprichwörtliche „Probe aufs Exempel“), das thematisch nicht zu speziell, sondern im Gegenteil für die Rechtswissenschaftlerinnen und Rechtswissenschaftler möglichst allgemein interessant ist, dessen metaphorisch konstruierte Eigenschaften aber auch verhältnismäßig leicht plausibel zu machen scheinen. Beide Bedingungen erfüllen die „Grundrechte“, das heißt auch das, was die Dogmatik aus ihnen macht, in ganz besonderer Weise. Das gilt für Erstere aufgrund der das ganze Rechts­system übergreifenden Funktion der Grundrechte, die vor allem durch Art.  1 Abs.  3, Art. 19, Art. 20 Abs. 3 GG definiert wird;4 für Letztere, weil die Grundrechte gewissermaßen an der Nahtstelle zu präsystematischen Annahmen des Rechts im Sinne grundlegender „Gesellschaftsmodelle“ stehen, die institutionell verbreitet 1

Seel, S. 60. Herv. nicht i. Orig. 3 Diese Wortwahl ist durch Blumenberg (2001b), S. 193, inspiriert. 4 Im Anschluss an das vorangestellte Kapitel sei, ohne ihm das Projekt einer Rechtsmetaphorologie zurechnen zu wollen, Enders, S. 166, zitiert: „Die Bindung des Gesetzgebers an die Grundrechte […] kommt nicht aus ohne eine geistesgeschichtlich ansetzende Klärung des Begriffs der Grundrechte, welchen Art. 1 GG mit den Menschenrechten in Verbindung bringt, dadurch historisch verankert (Art. 1 Abs. 2 GG), im übrigen aber voraussetzt“; vgl. Starck (2010), Rz. 165, „wonach die Geschichte der Entwicklung der Grundrechte in der Neuzeit […] eine gewisse Hilfe bei der Auslegung zu leisten [vermag], da die meisten Grundrechte in einem längeren geschichtlichen Prozess entstanden und selbst in ihrer Formulierung aus früheren inländischen oder ausländischen Verfassungen übernommen worden sind“. 2

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E. Ausblick auf eine methodische Metaphorologie der „Grundrechte“ 

als „Leitbilder“, vor allem in Form von „Leitmetaphern“ erscheinen und vergleichsweise gut erforscht sind. Andererseits sind aufgrund der sehr allgemeinen Bedeutung der Grundrechte die möglichen Gesichtspunkte ihrer Betrachtung ebenso Legion wie die Forschungs- und Lehrliteratur zu ihrer Entwicklung und Gegenwart, so dass schon ihre Kenntnisnahme weit über das hinaus geht, was hier geleistet werden kann und – am Zweck der Erprobung einer rechtsmetaphorologisch informierten und sensibilisierten Perspektive gemessen – muss.5 Die folgenden Überlegungen versuchen übrigens nicht, die eine, umfassende Geschichte der Grundrechte im Hinblick auf ihre gegenwärtigen und künftigen Funktionen zu schreiben. Sondern sie versuchen Anhaltspunkte zu ermitteln, zu begründen und vorzuzeichnen, inwieweit die (rechts-)metaphorologische Perspektive um des Wahrheits- bzw. Zweckmäßigkeitsanspruchs der Rechtswissenschaft willen zur Schreibung der Geschichte und weiteren Entwicklung beispielhaft der Grundrechte dienen kann.

I. Geschichten der „Grundrechte“ Befragt man die juristische Standardliteratur nach der Geschichte der in der Form des Kompositums „Grundrechte“ gebundenen Metapher, also danach, wann es von wem und unter welchen Umständen erfunden wurde, findet man keine Antwort. Die Geschichte der Grundrechte zeigt sich weit überwiegend aufgelöst in eine materielle Ideengeschichte der Menschenrechte dargestellt, ohne dass nur eine Ahnung vermittelt würde, dass mit der lexikalischen Erfindung der „Grundrechte“ als Metapher für konstitutionelle Bürgerinnen- und Bürgerrechte ein Epochen­ übergang zu verbinden sein könnte. Immerhin legt mit Kleinheyer ein Rechtshistoriker in den Geschichtlichen Grundbegriffen dar, dass der Gebrauch des Ausdrucks „Grundrechte“ in der im Wesentlichen bis heute geltenden Bedeutung erstmals durch den Abgeordneten Jacob Venedey am 3. April 1848 im Frankfurter Vorparlament nachgewiesen und die Wahl des Ausdrucks wenig eindeutig erklärbar sei.6 Der Begriff wäre danach wesentlich jüngeren Datums, als es die üblichen Genealogien zur Geschichte der Grundrechte, die überkommener Weise ideengeschicht 5

Insofern gilt, was schon für grundlegende Untersuchungen im Schwerpunkt dogmatischen Inhalts gilt, im methodologischen Kontext erst recht; beispielsweise Bauer, S. 21: „Periodenübergreifende Studien zwingen zu einer notwendig vergröbernden Beschränkung auf das Wesentliche und zu einer oft nur kursorischen Beleuchtung des geschichtlichen Werdens. Auch fordern sie vielfach den Rückgriff auf anderweitige Vorarbeiten unter gleichzeitigem Verzicht auf eine umfassende Aufarbeitung insbesondere des Quellenmaterials. Dass gegen ein solches Vorgehen mannigfaltige Einwände erhoben werden können, wird nicht verkannt.“ 6 Kleinheyer, S. 1075 ff., der jedoch zwei vereinzelte lexikalische Nachweise aus den Jahren 1824 und 1846 benennt, in deren Rahmen „Grundrechte“ als randständige Umschreibung des Terminus „Bürgerrechte“ dient. Im Hinblick auf die Tat Venedeys ist richtigerweise auf den 2. April 1848 abzustellen, an dem Venedey einen Antrag stellte, der den Terminus „Grundrechte“ in die Debatte einführte und über den das Vorparlament am Folgetag verhandelte.

I. Geschichten der „Grundrechte“  

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lich orientiert bei der englischen „Magna Carta Libertatum“ von 12157 und spätestens mit den Amerikanischen bills of rights und der französischen „Déclaration des Droits de l’Homme et du Citoyen“ ansetzen8, vermuten lassen.9 Eine solche Grundrechtsgeschichte beschäftigt unter anderem die Frage nach einem „Urgrundrecht“, seit Jellinek ein solches in der Glaubens- und Gewissensfreiheit erkannte.10 Eine (methodisch-)metaphorologisch reflektierte Geschichte der Grundrechte kommt zu einem etwas anderen Ergebnis. Für sie ist die Erfindung der „Grundrechte“ die Fusion zweier (strukturell-)metaphorologischer Vorbilder. Zum einen handelt es sich um die dem Quellbereich der Architektur zuzuordnende und allgemeinsprachlich, insbesondere in der (Alltags-)Logik stark usualisierte Metapher des „Grundes“. Einen besonderen, bei der Genealogie der Grundrechte mit zu betrachtenden Anwendungsfall dieser Metapher stellt im rechtssystematisierenden Gebrauch der Ausdruck „Grundgesetz“ dar. Zum anderen handelt es sich um die „Grundrechte“ als Bezeichnung für mit Grund und Boden verbundene Rechte, insbesondere wie sie historisch mit dem Begriff der „Grundherrlichkeit“ verbunden sind. 1. Voraussetzungen in der europäischen Rechtskultur Seit Gerhard Oestreich zum Aufkommen jener Metapher angegeben hat, der Begriff der „droits fondamentaux“ sei „um 1770“ zum ersten Mal im Zusammenhang mit den Schriften Mirabeaus aufgetaucht und habe sich dann mit großer Schnelligkeit verbreitet11, wird im grundrechtshistorischen Zusammenhang immer wieder auf dieses Datum verwiesen12 und damit gewissermaßen zu einer historisch-komparatistischen Semantik angesetzt. Im Handbuchwörterbuch zur deutschen Rechtsgeschichte wird für denselben Zeitraum auch das Auftauchen der „fundamental rights“ behauptet und instruktiv auf die sehr viel ältere Kategorie der „leges fundamentales“ verwiesen, die jedoch „eher sprachlicher Natur“ sei, die „keine zwingenden sachlichen Verwandtschaften – von der Heraushebung des 7

Vgl. Brockhaus’ Conversations-Lexikon (1884), s. v. „Grundrechte“; Epping/Lenz/Leydecker, Rz. 1 ff. (S.  1 f.); Ipsen (1998), S.  6 (Rz. 3 ff.); Kleinheyer, S.  1048; Kriele, S.  133;­ Meyers Großes Konversations-Lexikon (1904), s. v. „Grundrechte“; Pierers KonversationsLexikon (1890), s. v. „Grundrechte“; Rittstieg, S. 10, 15 ff. Letzterer auch dazu, dass die Magna Charta, anders als es solche Bezugnahmen suggerieren, nicht die angeblich größte, als Zubehör des Grundbesitzes vorgestellte Bevölkerungsgruppe berechtigte. 8 Vgl. statt vieler Borowski, S. 9 ff.; Dreier; Schmitt (1983 [1928]), S. 157. 9 Vgl. insgesamt auch Bernhardt, der die (Ideen-)Geschichte der Grundrechte mit der griechischen und römischen Philosophie beginnen lässt, während die Grundrechte der Frankfurter Reichsverfassung nur eine unbedeutende Bemerkung (Sp. 1850) finden. 10 Vgl. Borowski, S. 64 ff.; Kriele, S. 133 ff. 11 Oestreich, S. 66. Dazu, dass diese Angabe, jedenfalls in dieser undifferenzierten Form, inzwischen als überholt angesehen werden muss, ausführlich sogleich. 12 Borowski, S. 15 (m. w. N.); Dreier; Bernhardt, Sp. 1845; Hofmann, S. 3179; Vec, S. 69.

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E. Ausblick auf eine methodische Metaphorologie der „Grundrechte“ 

Grund­legenden einmal abgesehen – “ bedeute.13 Die Heraushebung des Grundlegenden ist nun aber, schon ohne die damit verbundenen weiteren Konnotationen einzubeziehen, nichts, was sich im Hinblick auf die Bedeutung der „Grundrechte“ oder von „Grundgesetz(en)“ leicht ausblenden ließe, ohne damit ein wesentliches Charaktermerkmal zu verlieren. a) „Leges fundamentales“ Die Ursprünge des Ausdrucks „Grundgesetz“ sind besser erforscht als diejenigen der „Grundrechte“, wobei sein erstes Aufkommen im Deutschen in der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts anzunehmen ist.14 Nach Mohnhaupt tritt zunächst in Frankreich der Begriff der „lois fondamentales“ seit 1576 neben den Ausdruck der „leges imperii“, die Grundsätze darstellten, die „in ihrer Unverrückbarkeit einen die überkommene Ordnung bewahrenden Regelungskern darstellen“ und insbesondere auch für den Herrscher unveränderlich sind und für ihn „rechtliche Handlungsgrenzen“ festlegen.15 In Deutschland soll der Begriff der „lex fundamentalis“ sodann, als Übernahme aus Frankreich und in Konkurrenz zum Ausdruck „Verfassung“, 1591/1592 erstmals nachzuweisen sein.16 Als „dogmatische Elemente“ der „von den ‚leges fundamentales‘ umfassten und repräsentierten zahlreichen rechtlichen Regelungsformen“ beschreibt Mohnhaupt das Folgende: „1. Herrscher und Stände sind weitgehend die Verfasser und wechselseitigen Adressaten dieser Urkunden, durch die das Verhältnis zwischen diesen beiden rechtlich fixiert wird; 2. Die dieses Verhältnis gestaltende Rechtsform ist zumeist der Vertrag; 3. Als Zweck und Inhalt dieser Verträge sind einerseits Begrenzung der Herrschermacht und andererseits Sicherung der Ständerechte erkennbar; 4.  Regelungen dieser Art genießen einen höheren Rang der Dauerhaftigkeit und Unverbrüchlichkeit vor allen anderen normativen Quellen. Darin liegt folgerichtig auch eine dem modernen Verfassungsverständnis angenäherte Rechtsqualität. Eine dogmatische Kernfrage der ‚leges fundamentales‘ war ihre Bindungskraft gegenüber dem Souverän. […] Die ‚leges fundamentales‘ unterstellten […] auch den Herrscher einer ihm übergeordneten Norm und machten so den alle Beteiligten und Mitglieder des Gemeinwesens rechtlich übergreifenden Staat erkennbar.“

Es soll sich um einen gemeineuropäischen Begriff gehandelt haben, dem auch „‚fundamentele wetten‘, ‚leyes fundamentales‘, ‚prawda kardinalne‘, ‚fundamental lag‘ usw.“ entsprochen hätten.17 Aus England ist aus dem Jahr 1596 ein Zitat 13

Dreier. Während Kleinheyer, S.  1055, angibt, der deutsche Begriff „Grundgesetz“ sei bereits ab 1645 gebräuchlich gewesen, gibt Mohnhaupt (1995), S.  64, hierfür erst den Beginn des 18. Jahrhunderts an. 15 Mohnhaupt (1995), S. 38 f. (Herv. d. Verf.); vgl. auch Stourzh, S. 17. 16 Auch im Folgenden Mohnhaupt (1995), S. 62 f. 17 Mohnhaupt (2000) [1982], S. 7. Es handelt sich um den jeweiligen niederländischen, spanischen, polnischen bzw. schwedischen Ausdruck. 14

I. Geschichten der „Grundrechte“  

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Francis Bacons überliefert, wobei ein Vergleich mit dem anschließend zitierten, knapp 110 Jahre jüngeren Zitat eines Gießener Rechtswissenschaftlers (aus dem Jahre 1709) metaphorologisch besonders aufschlussreich wirkt: „König Edward I. hat sich selbst gebunden, um seinen Staat mit einigen beachtlichen und fundamentall lawes auszustatten, auf denen die Regierung seitdem beruht.“18 „Leges fundamentales werden zweifellos deshalb nach dem ‚Grund‘ bezeichnet, weil er an erste Stelle gesetzt und auf ihn der gesamte Aufbau der Häuser gestützt wird.“19

Mit allen Unsicherheiten, die ein Vergleich solcher isolierter Zitate bedeutet, ist doch zumindest vorläufig im Rahmen des hier unternommenen Ausblicks auf eine Metaphorologie der Grundrechte eine gewisse Tendenz abzulesen, die angesichts der im zeitlichen Ablauf nachweisbaren Kontinuität der Terminologie nicht fern liegt. Zunächst ist bei Bacon „fundamentall“ ein Adjektiv neben „beachtlich“; für Wucherer ist „leges fundamentales“, aus dem Lateinischen auch im Sinne von „die leges fundamentales“ übersetzbar, offensichtlich schon eine gebräuchliche Wortkombination. Im Zitat von 1596 (Bacon) wird die ideelle Erfindung der „grundartigen“20 Gesetze nacherzählt, ihr Zweck erklärt und zugleich die Metapher „fundamentall“ verwendet, die als solche aufgrund ihrer Kombinierbarkeit mit der Standardvokabel „beachtlich“ wie auch das metaphorische Beruhen der Regierung auf etwas nicht ungewöhnlich, aber eben in der Kombination mit „Gesetzen“ noch kein ‚feststehender‘ terminus technicus zu sein scheint. Es ist auch eine Spannung zwischen dem Ereignis der Selbstbindung König Edwards einerseits und der Stabilität der von ihm niedergelegten Grundsätze andererseits zu spüren, die bedingt, dass sich die – so könnte man das Bild variieren – Grundkoordinaten der Regierung in Bezug auf die Fülle denkbarer Herrschaftsmaximen nicht erheblich verändert haben. Wie sich der Grund zu dem verhält, das auf ihm ruht, so verhalten sich die grundartig genannten Gesetze zur Regierung. Gerade dass das Königtum Edwards I. zu dieser Zeit 300 Jahre zurückliegt (seinerzeit war insbesondere die Rede von leges fundamentales unbekannt), erhellt übrigens besonders die Institutionalisierungsfunktion der in diesem einen Satz verborgenen Geschichte. Es wird in Form weni 18 Francis Bacon, „The Epistle Dedicatorie“ zu „The Maximes of the Law“ (1596), in: ders., A collection of some principall Rules and Maximes of the Common Lawes of England, London 1630, zit. nach Mohnhaupt (1995), S. 44 (Fn. 265) (Übers. d. Verf.), orig.: „King Edward the first […] bent himselfe to endow his state with sundry notable and fundamentall lawes, upon which the government hath ever since principally rested“ (Herv. jeweils d. Verf.). 19 Conrad Christian Wucherer, De legibus fundamentalibus in genere et singulatim in imperio romano germanico …, Gissae-Hassorum 1709, S. 4, zit. nach Mohnhaupt (2000), S. 9 (Fn. 26) (Übers. d. Verf.), orig.: „Leges fundamentales haud dubie dictae sunt a fundamento, quod primo loco ponitur, et cui tota aedium structura innititur“ (Herv. jeweils d. Verf.). 20 Mithilfe des ungewohnten Ausdrucks „grundartig“ erscheint „fundamental laws“ bzw. „leges fundamentales“ eigentlich präziser übersetzt als mit „grundlegende Gesetze“, weil in letzterer Übersetzung die Gesetze personifiziert werden, oder mit „Grundgesetze“, was aus zwei Wörtern eines machte.

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E. Ausblick auf eine methodische Metaphorologie der „Grundrechte“ 

ger Metaphern ein 300 Jahre zuvor noch unbekannter funktionaler Gesetzestypus konstruiert, dessen Erfindung aber auf diesen Zeitpunkt zurückbezogen wird, wobei die gewählten Metaphern die damit verbundene Kontinuitätsbehauptung metaphorisch verkörpernd intensiv darstellen, ‚untermauern‘ könnte man auch sagen. Es handelt sich institutionentheoretisch formuliert um eine Eigengeschichte mit einem kleinen Gründungsmythos. Bacon hätte auch formulieren können: „König Edward I. hat sich selbst gebunden, um seinen Staat mit einigen beachtlichen Regeln auszustatten, denen die Regierung seither folgt.“ Dem würde aber eine für das Verständnis von Bacons tatsächlicher Formulierung ganz wesentliche Qualität fehlen, die im Zitat von 1709 besonders gut zum Ausdruck kommt: das Zukunftsversprechen, das in der metaphorischen Darstellung gegenüber Subjekten verselbstständigter, verobjektivierter Grund-Gesetze liegt. Hier zeigt sich ein Begriff grundartiger Gesetze schon re-konstruierbar. Es ist ein vorhandener Begriff, den andere geläufig verwenden („dictae sunt“), und der Autor müsste keinen Zweifel an seinem Verständnis ausräumen, wenn er diesen Begriff selbst erst zu prägen vermeinte. Die Autorin bzw. der Autor dieser Gesetze ist unbekannt, worauf es für ihre Funktion genauso wenig ankommt wie darauf, wer das Haus gebaut hat, dessen weder erster noch letzter Bewohner man in den meisten Fällen sein wird. Der durchgängige Präsens (als Tempus) des Satzes aus dem Jahr 1709 zeugt davon, dass hier im Sinne einer abstrakten, das heißt zeit- und wahrscheinlich auch raumübergreifenden Definition gesprochen wird. Dass in der Mehrzahl von den Häusern gesprochen wird, deutet darauf hin, dass nicht (nur) eine Metapher im Verhältnis zum bewohnbaren Haus gemeint ist, sondern die Fürstenhäuser des Heiligen Römischen Reichs Deutscher Nation gemeint sein könnten.21 Gerade auch von daher verdient die Deutung Mohnhaupts Zustimmung, die „leges fundamentales“ machten den alle Mitglieder des Gemeinwesens rechtlich übergreifenden Staat erkennbar.22 Die Grundlagen, auf denen der Staat23 steht, sind allen seinen Mitgliedern gemeinsam.24 Dies ist eine Bedeutungsdimension, an die in Bezug auf die Wahl des Terminus „Grundrechte“ durch die im damaligen Sinne überwiegend nationalistisch gesinnte Frankfurter Nationalversammlung 1848 zu denken ist. Das nivellierende Moment der zunächst auf Gesetze bezogenen „Grund“-­ Metaphorik, die später auf Rechte bezogen wird, ist ein Umstand, den auch die im im klassischen Sinne begriffsgeschichtliche Literatur thematisiert. Die Entwicklung des Begriffes ‚Grundgesetz‘, so Kleinheyer, bezeichne eine wichtige Epoche auf dem Wege von der dem überkommenen verfassungsstiftenden Instrument der Herrschaftsverträge zugrundeliegenden Horizontalbeziehung Landesherr-Land 21 Zur engen Verbindung von „Haus“ in diesem Sinne und „Verfassung“ seit Beginn des 17. Jahrhunderts Mohnhaupt (1995), S. 59 ff. 22 Mohnhaupt (1995), S. 63. 23 Von lat. status, gewöhnlich übersetzt mit ‚Stehen, Zustand, Umstände, Lage, Stellung, fester Bestand‘ so Pfeifer (2010), s. v. „Staat“ (Herv. d. Verf.); vgl. weiter Weinacht, S. 31 ff. 24 Kleinheyer, S. 1055: „Grundgesetze sind nur da denkbar, wo sie etwas auf ihnen aufbauendes Gemeinsames tragen.“

I. Geschichten der „Grundrechte“  

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stände zur Vertikalbeziehung Staat-Untertan (Bürger).25 Es liegt nahe, in diesem Prozess eine metaphorologische Dialektik zur Wirkungsgeschichte der Souveränitätslehre zu erkennen, wie sie in Folge der 1576 erschienenen „Sechs Bücher über den Staat“ Jean Bodins prominent wurde.26 Der Souverän – von alt-/mittelfranzösisch souverän für ‚oberst‘, ‚höchst‘, ‚vortrefflich‘, vulgärlateinisch superanus für ‚oben befindlich‘27 – ist ein relationaler Begriff (in Form einer orientationalen Metapher); er bezeichnet jemanden, der aus der den Ausdruck als implizite Norm prägenden untergeordneten Perspektive heraus ein auffälliger Spezialfall, ein Sonderfall ist. Die spätere Metapher des Absolutismus verstärkt die hierin liegende Distinktion noch einmal.28 Carl Schmitt hat die Polarität, die in solcherlei verräumlichender Metaphorik begründet liegt und aus der heraus die Nichtsouveränen sich in Gemeinschaft gesetzt sehen können, in seiner Politischen Theologie mit der ihm eigentümlichen übertriebenen Ernsthaftigkeit beschrieben: Souveränität als „Grenzbegriff“, als „Begriff der äußersten Sphäre“, als „absolute Ausnahme“ von der „generelle[n] Norm, wie sie der normal geltende Rechtssatz darstellt“, „höchste, nicht abgeleitete Herrschermacht“, „keiner Kontrolle unterworfen“, „außerhalb der normal geltenden Rechtsordnung und […] doch zu ihr“ gehörend.29

Und im Zentrum seiner Definition der Souveränität steht: „Das Entscheidende in den Ausführungen Bodins liegt darin, daß er die Erörterung der Beziehungen zwischen Fürst und Ständen auf ein einfaches Entweder-Oder bringt dadurch, daß er auf den Notfall verweist. […] Bodin fragt, ob die Versprechungen, die der Fürst den Ständen oder dem Volke gibt, seine Souveränität aufheben. Er antwortet mit dem Hinweis auf den Fall, daß es nötig wird, solchen Versprechungen zuwider zu handeln, die Gesetze abzuändern oder ganz aufzuheben“, andernfalls wäre die Souveränität eine jouée à deux parties; bald dass Volk und bald der Fürst wäre der Herr, und das ist gegen alle Vernunft und alles Recht.“30

Steht der Souverän nur im Ausnahmefall außerhalb der Rechtsordnung, stehen alle anderen im Regelfall erst recht innerhalb der Rechtsordnung; sie bilden aus der metaphorologischen Perspektive des Souveränitätsbegriffs unterschiedslos das Normale, das Allgemeine. Dieses „Allgemeine“ wird, so zitiert Schmitt am Ende seines die Souveränität definierenden Kapitels Søren Kierkegaard31, von der Ausnahme mit energischer Leidenschaft gedacht.32 25

Kleinheyer, S. 1054. So auch Kleinheyer, S. 1055 f. 27 Pfeifer (2010), s. v. „souverän“. 28 Von lat. absolūtus ‚in sich abgeschlossen, vollständig, vollkommen, unbedingt, ohne Einschränkung‘, eigentlich Partizip Perfekt von lat. absolvere ‚ab-, loslösen, los-, freisprechen, vollenden‘, Pfeifer (2010), s. v. „absolut“. 29 Allesamt Schmitt (2009 [1934]), S. 13 f. (Herv. d. Verf.). 30 Schmitt (2009 [1934]), S. 15 f. 31 Kierkegaard, S. 95. 32 Schmitt (2009 [1934]), S. 21. 26

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E. Ausblick auf eine methodische Metaphorologie der „Grundrechte“ 

So lässt sich in den staatsrechtlich epochemachenden Metaphern der „leges fundamentales“ und der „Souveränität“ auch ablesen, dass dem Wechsel von der Horizontalbeziehung zwischen Fürst und Ständen zumindest tendenziell auch ein solcher zu einer neuen Horizontalbeziehung zwischen Ständen und ‚Volk‘ auf der Ebene der Untertanen inhärent ist. Ihr Gehorchen ist im metaphorischen Raum des Rechts gleichmäßig auf den hin gerichtet oder orientiert, der allein letztlich zumindest keinem anderen Menschen gehorchen muss. Ihr ‚geschichtliches Kolorit‘ erhält die Metaphorik der „Grundgesetze“, ihre Leitdifferenzierung besteht also in der Ablösung der vertraglichen Verfügung weniger (Landesherr und Landstände) über das Sein des Staates in den von ihnen beherrschten Gebieten durch Umstrukturierungsbewegungen in der Bedeutungshierarchie seiner Mitglieder, die nur metaphorologisch exakt zu beschreiben sind. Die ‚Gleichheit vor dem Monarchen‘, als deren Fernwirkung Kleinheyer überzeugend die heutige „Gleichheit vor dem Gesetz“ identifiziert,33 ist nur durch die Metaphern der „leges fundamentales“ und des „Souveräns“ erklärbar; formal sind die Stände dem Fürsten nicht weniger zum Befehlsgehorsam verpflichtet als ein einfacher Tagelöhner. Es wird zwar faktisch nicht auf einen Schlag das stratifikatorische Differenzierungsprinzip nivelliert (mit der einen Ausnahme des Monarchen); das Verhältnis des Bauern zum Monarchen bleibt vermittelter, distanzierter als dasjenige des Adels. Indes wird zwischen Grundgesetzen und der Gewalt, die über das Sein der Rechtsordnung entscheidet, ein öffentlicher Raum metaphorisch wahrnehmbar. Dieser öffentliche Raum macht sich in der zumindest ähnlichen Orientierung derjenigen aus, die ihn bevölkern. Die ‚experiential gestalt‘, welche die Basis­metapher dieser Ähnlichkeit in der Orientierung ist, besteht im Stand auf dem Boden, während Augen und Ohren darauf eingestellt sind, auf den Monarchen wie die Sonne zu achten.34 Dass der Typus der „Grundgesetze“, obwohl der Form nach Vereinbarungen zwischen dem Souverän und den Ständen, als ein die Partner des Vertrags selbst übergreifendes Denken, als Ausdruck transpersonaler Staatlichkeit35 von einer Allgemeinheit auf sich bezogen werden konnte, beruht weiter  – institutionen­ analytisch formuliert – auf dem Mechanismus symbolischer Verselbstständigung. Die Metapher des „Grundgesetzes“, die auf anthropologisch allgemein geteilte ‚Grundbefindlichkeiten‘ zurückführt, suggeriert ihr Signifikat als essentiell, von seinen Urhebern und mit ihnen von menschlichen Lebenszyklen unabhängig sowie von Dritten instrumentalisierbar. Es stellen sich die Fragen, warum die privilegierten Stände sich darauf eingelassen haben, ob die Folgen dieses symbolischen Wandels nicht erkannt wurden, wer die Trägergruppen dieses Wandels waren? Die Antwort scheint eine zweifache zu sein: Die privilegierten Stände waren zunächst selbst die Trägergruppe. Sie hatten nach dem Dreißigjährigen Krieg ein 33

Kleinheyer, S. 1055. Man erinnere sich an die bekannte, legendäre Bezeichnung Ludwigs XIV. als „Sonnenkönig“. 35 Kleinheyer, S. 1055, bzw. Mohnhaupt (1995), S. 65. 34

I. Geschichten der „Grundrechte“  

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Interesse am mit den „leges fundamentales“ verbundenen Stabilitätsversprechen zeitlich im Hinblick auf ihren Status und räumlich im Hinblick auf die Ökonomie ihrer Güter in einer sich wieder zunehmend entwickelnden transterritorialen Wirtschaft. Und sie waren immer noch in weitestgehendem Umfang die Herrscher über Grund und Boden im Reich; analog, so ist ihnen zum einen als naive Erwartung unterzulegen, würden sie (wer auch sonst?) Herrscher über die „Grund­ gesetze“ sein und bleiben. Sollten Untertanen auf der Basis ihrer „Grundgesetze“ ebenso wie auf ihrem Grundbesitz ihren Unterhalt verdienen.36 Zum anderen ist ein dialektisches Verhältnis zwischen der Prominenz der vertragsweisen Fundamentalnormen und der Entwicklung der Theorie des Gesellschaftsvertrages anzunehmen. Verträge über die Macht des Souveräns waren Gesellschaftsverträge, egal wer sie formal schloss, weil sie die ganze Gesellschaft betrafen. In einer Zwischenphase waren einerseits noch „in einer auf Grundherrschaft basierenden Gesellschaftsstruktur“ mit einer „repräsentativen Öffentlichkeit“ (Habermas) der Fürst und die Stände das Land.37 Helmut Quaritsch hat dies als „absorbtive Repräsentation“ bezeichnet, in deren Zusammenhang dem Volk, wie wir es heute verstehen38, traditionell nur die Rolle einer zeremonialen Legitimationsfigur zukam.39 Andererseits war eben dieses Volk bereits auf seinem im Begriff der bloßen Legitimationsfigur schon angelegten langen Weg zum politischen Subjekt im heutigen Sinne. („Subjekt“ ist eine auch im hiesigen Zusammenhang vielsagende, wendungsvolle Metapher, der eine eigene Untersuchung gebührte.40) Damit die leges fundamentales als „wichtigstes Kampfinstrument“ im sich ab dem 16. Jahrhundert zuspitzenden Konflikt zwischen Ständen und dem Monarchen41 funktionieren konnten, waren die wachsenden Teilhabeansprüche zunächst ökonomisch aufstrebender Bevölkerungsgruppen in Rechnung zu stellen. 1815 spricht die „Deutsche Bundesakte“, völkerrechtlicher Vertrag zwischen den „souverainen Fürsten und freien Städten Deutschlands“42 und in der Geschichtsschreibung zugleich als erstes Bundes-„Verfassungsgesetz“43 apostrophiert, von der 36

Dazu ausführlicher unten E.II.1.c). Fast wörtlich Habermas, S. 60 f.; vgl. ebd. S. 86 f. 38 Nach Luhmann (2012 [1989]), S.  17, wurden Begriffe wie populus/peuple/people im 17. und noch weit ins 18. Jahrhundert hinein in der gesellschaftlich-politischen Literatur nur auf Eigentümer angewandt; vgl. ebd., S. 40 f., zur Naturrechtslehre Christian Wolffs (1742): „Wer kein Eigentum hat, gehört nicht zur Gesellschaft und hat auch keine politisch vertret­ baren Interessen.“ 39 Quaritsch, S. 44 f.; Habermas, S. 72 f. (Fn. 35). 40 Vgl. Pfeifer (2010), s. v. „Subjekt“: von lat. subicere „unterlegen“, „unterbreiten“, „unterwerfen“, subiecti „die Unterworfenen, die Untertanen“, erst zu Zeiten Kants und seiner Verwendung in der Grammatik gewendet zum mit Bewusstsein begabten, erkennenden, handelnden Wesen. Der „Subjekt“-Begriff und das „subjektive Recht“ erscheinen vor diesem Hintergrund aufgrund ihrer konstitutiven Bedeutung für das Rechtssystem insgesamt als überkommene Rechtsbegriffe mit größtem, aber metaphorologischem Hintersinn. 41 Stourzh, S. 17. 42 So die Präambel des Vertrags, Primärquelle zitiert nach Kotulla (2006), S. 591. 43 Kotulla (2008), Rz. 1306 (S. 327). 37

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E. Ausblick auf eine methodische Metaphorologie der „Grundrechte“ 

Aufgabe der durch sie eingerichteten Bundesversammlung, die „Grundgesetze des Bundes“ abzufassen (Art. 6, 10), und enthält eine Regelung zu deren Änderung (Art. 7 Abs. 3). Was ideengeschichtlich als Grundrechte gelten kann, findet sich als Rechte der „Unterthanen“ (Art. 18), an erster Stelle die Freiheit des Erwerbs von Grundeigenthum in anderen Vertragsstaaten, an zweiter die Freyzügigkeit und drittens Pressefreiheit und das Urheberrecht. Die Bundesakte kennt im Zusammenhang der Gleichbehandlung der christlichen Konfessionen auch den Ausdruck der bürgerlichen und politischen Rechte (Art. 16 Abs. 2). Die Schlussakte der Wiener Ministerkonferenzen von 1819 erklärt in ihrer Präambel, der Deutschen Bundesakte „ergänzende und erläuternde Grundgesetze“ hinzuzufügen und definiert die Deutsche Bundesakte ausdrücklich als den „Grundvertrag und das erste Grund­ gesetz“ (Art. 3). Von der Geläufigkeit der Metapher der „Grundgesetze“ in der folgenden Zeit zeugen Sammelbände zu „Staatsgrundgesetzen“, deren Inhalt sich von hochmittelalterlich-kaiserlichen Verordnungen über völkerrechtliche Akte bis hin zu (später) Verfassungen und Staatsorganisationsgesetzen erstreckt.44 b) „Fundamental rights“ bzw. „droits fondamentaux“ in England, den USA und Frankreich Die Entwicklung und Institutionalisierung der (Metapher der) „Grundrechte“ liegt ganz in der Konsequenz der beschriebenen Prozesse. Rein fremdsprachlich betrachtet lässt sich der Gebrauch des Ausdrucks „fundamental right“ schon spätestens in einer auf das Jahr 1687 datierten, in Philadelphia gedruckten und dem Staatsgründer von Pennsylvania, William Penn, zugeschriebenen Quelle mit dem Titel „The Excellent Priviledge of Being the Birth-Right of the Free-born Subjects of England“ finden, in dem sowohl von den „Fundamental Laws of England“45 als auch in einschlägiger Bedeutung von einem „Fundamental-Right“ die Rede ist: „In England the Law is both the measure and the bound of every Subjects Duty and Allegiance, each man having a fixed Fundamental-Right born with him, as to Freedom of his Person and Property in his Estate, which he cannot be depriv’d of, but either by his Consent, or some Crime, for which the Law has impos’d such a penalty or forfeiture.“46

44

So etwa Oertel; Manz. Penn (1687), Titel f. 46 Penn (1687), S. III (o.N.): „In England ist das Gesetz zugleich das Maß und die Grenze der Schuldigkeit und Gefolgschaftspflicht jedes Einzelnen, wobei jedermann durch Geburt ein festes Grund-Recht auf Freiheit und Eigentum an seinem Besitz mit sich trägt, das ihm nicht entzogen werden kann außer mit seinem Einverständnis oder aufgrund eines Verbrechens, für das das Gesetz eine derartige Strafe oder Verwirkung vorsieht“ (Übers. d. Verf.). Der Text wurde bis in die Mitte des 18. Jahrhunderts vielfach neu aufgelegt, was auf einen hohen Verbreitungsgrad schließen lässt. 45

I. Geschichten der „Grundrechte“  

227

Aus der Zeit ab 1700 sind sodann zahlreiche Belege für den Gebrauch des Ausdrucks „fundamental right“ zugänglich, wo dieser der Kennzeichnung in ihrer jeweiligen Wichtigkeit besonders betonter Rechtspositionen am staatlichen oder kirchlichen Verfassungsleben Beteiligter, aber eben auch des Volks diente.47,48 Im französischen Sprachgebrauch ist der Gebrauch der Wortkombination „droit fondamental“ noch früher ab 167349, von „droits fondamentaux“ spätestens für die Zeit ab 1739 zu belegen,50 wobei ihre Bedeutung wie im englischen Sprach­ gebrauch zunächst keineswegs auf Individualrechte der Bürger beschränkt ist, sondern allgemein zur Bezeichnung als besonders wichtig erkannter, also ‚grundlegender‘ Rechtspositionen gebraucht wird. Auch wenn von Mirabeau tatsächlich der grundrechtsmetaphorologisch höchst interessante Ausspruch über Richelieu stammt: „ganz besessen von seiner Macht wollte er [Richelieu, scil.] nicht sehen, dass er einige loix fondamentales nicht mit Gewalt und nicht aufgrund von Launen ersetzen kann (weder in Frankreich noch in irgendeinem Land, weil sie für jede Gesellschaft absolut notwendig sind und weil das natürliche Recht überhaupt die Basis (1) dessen ist, was man die codes oder eher die droits fondamentaux nennt). […, Fn.] (1) Dieses einzige Wort entscheidet die erstaunliche Frage nach der Existenz von loix fondamentales.“51

47 Für kirchliche Amtsträger schon Eliot, S. 3; weiter Atterbury, S. 2; Gandy, S. 11; übrigens werden auch Gott „fundamental rights“ zugeordnet, z. B. Forrester, S. vii, und Rogers, S. 120. 48 Z. B. zu „[some Gentlemen’s, scil.] Liberty of their persons“ Somers, S. 24; zu „Security […] of English People“ Penn (1702 [1675]), S. 113; der „Commons of England“ Mackworth, Titel, und Jones, S. 80; für das „House of Commons“ Crew, S. 95; im Sinne von Staatsgrundprinzipien Astell, S. 17, und N. N. (1728) (in Verbindung mit „fundamental Law“ und gehäuft – wohl als Kurzform – „Fundamentals“, als deren erstes und großes „Liberty and Property“ angegeben werden); True Lover of the Queen and Country, S. 17 („of every Nation to be govern’d by such Laws, in such Manner, and by such Persons as they think most conducing to their own Good“); Philocatholicus, S. 3 („of the Kingdoms“). 49 González Salezo, S. 116 („Espagnols […] droit fondamental de leur Souveraineté“; Renaudot, S. 630 („que les Roys estant Roys par un droit fondamental de succession“). 50 Dumont/Rousset de Missy, S. 415, 416 zitiert eine Erklärung Königs August II. (‚des Starken‘) von Polen („les Libertez, les Constitutions et les Droit fondamentaux des 2 Royaumes [Polen und Schweden, scil.]“); du Pont de Nemours, S. 131 f. („Actionnaires de la Compagnie […] leurs droits fondamentaux“); Épinay, S. 461 („droit fondamentaux de la société générale“); Bertolio, S. 247 („droit fondamentaux de son royaume“); N. N. (1789a), S. 5 f. („La liberté individuelle des Citoyens. La liberté de la Presse. La périodicité des Etats-Généraux. […] ces droits fondamentaux, sans l’usage desquels on ne doit attendre sur la terre que servitude & déprédation“). 51 Mirabeau, S. 156 (Übers. d. Verf., Herv. teilw. i. Orig.): „tout occupé de l’intérèt de sa puissance, il [Richelieu, scil.] ne voulut pas voir qu’il ne pouvoit pas remplacer par la force & par de caprices, des loix fondamentales, (en France, comme en tout autre pays, parce qu’elles sont absolument nècessaires à tout société, & que le droit naturel est par-tout la base (1) de ce qu’on appelle les codes ou plutôt les droits fondamentaux) […, Fn.] (1) Ce seul mot décide l’étonnaute question sur l’existence des loix fondamentales“; wesentlich ältere Schriften Mirabeaus sind übrigens nicht überliefert. Das Zitat Mirabeaus weist im zweiten Teil bereits eine Art. 1 Abs. 2 und 3 GG erstaunlich ähnliche Erzählfolge auf.

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E. Ausblick auf eine methodische Metaphorologie der „Grundrechte“ 

Hierin steht indes die Wörtlichkeit der „loix fondamentales“ ganz im Vordergrund als der Begriff der Wahl für etwas, das ‚gesehen‘ werden kann, also vorhanden ist, und das vorhanden ist, weil es nicht nur notwendig, sondern absolut notwendig ist und offenbar mit dem Naturrecht in zumindest sehr enger Beziehung steht. Die im Gegensatz zu den „loix fondamentales“ im Original kursiv gesetzten droits fondamentaux erscheinen als sich anbietende, aber durchaus nicht zwingende Bezeichnung für Normen, die – ungeachtet ihrer signifikanten ‚fondamentalité‘ – selbst noch eine andere Basis haben, wobei die „loix fondamentales“ eine Zwitterstellung einnehmen. Der Name der „loix“, der unverkennbar mit dem englischen law verwandt ist52 – bei den „loix fondamentales“ handelt es sich also bei ihrer ursprünglichen Bedeutung genommen um ‚zugrundeliegende Niedergelegte‘ – verhält sich zur Metapher des Natürlichen nicht sehr kohärent. Abgesehen davon, dass das Natürliche hier an die Stelle des Heiligen gerückt ist, liegt der zitierte Text auf einer Linie z. B. mit der Erklärung ­Rousseaus von 1762 ganz am Anfang seines Gesellschaftsvertrags, die gesellschaftliche Ordnung sei „ein geheiligtes Recht, das als Basis für alle anderen dient. Doch dieses Recht resultiert nicht aus der Natur; es ist vielmehr auf Konventionen gegründet“.53 So hat in Frankreich doch keine Terminologisierung des Ausdrucks „droits fondamentaux“ (und übrigens auch nicht einer anderen Bezeichnung für die entsprechende Sache) stattgefunden, die auch nur halbwegs der entwickelten Monopolstellung der deutschen „Grundrechtstradition“ entspräche. Vielmehr konkurrieren heute „libertés individuelles“, „libertés publiques“ und „droits fondamentaux“. Dabei herrscht in der französischen Staats- und Verwaltungsrechtswissenschaft ein höchst interessanter Streit darüber, wie eine seit 1990 diagnostizierte Verdrängung der „libertés publiques“, die als originär französischer Rechtsbegriff verstanden werden, durch denjenigen der „droits fondamentaux“, die nicht zuletzt der deutschen Rechtstradition zugeordnet werden, im Hinblick ihre Folgen zu beurteilen sei. Hierauf wird an anderer Stelle etwas mehr zu sagen sein.54 c) Exkurs: Grundgesetze an der Spitze der Normenhierarchie Anonym erschien im Jahr 1789 auf Französisch: „frei sein, Eigentümer sein; auf die Wiedergutmachung des Unrechts zählen, das man erleiden wird […] Das ist das Wesen des Staatsbürgers, das ist zugleich seine Verfassung; und verfassungsmäßige Eigenschaften fallen keinesfalls unter die Gesetzgebung. Also, wenn

52

Vgl. oben D.I.2. Rousseau (1762), S. 4 (Übers. und Herv. d. Verf.), i. Orig.: „Mais l’ordre social est un droit sacré qui sert de base à tous les autres. Cependant, ce droit ne vient point de la nature; il est donc fondé sur des conventions.“ 54 Unten E.V.2. 53

I. Geschichten der „Grundrechte“  

229

dies die Gegenstände sind, die man dadurch zu kennzeichnen bezweckt, dass man Loix fondamentales behauptet, sollte man besser die Bezeichnung droits fondamentaux gebrauchen […, souveräne, absolute, präexistierende Rechte].“55

Unter metaphorologischen Gesichtspunkten kritisch liegt die Frage auf der Hand: Wie können Grundgesetze und ihnen folgend Grundrechte metaphorologisch nicht unter die Gesetzgebung fallen, souverän sein? Wie können Grundgesetze höchste Gesetze eines Staates sein? Die von Blumenberg formulierte These, Metaphern könnten sich zusammenschließen „zu Metaphernwelten mit einer eigenen Logik ihrer Assoziation, ihrer bildlichen Deckung und Berührung, die aber […] eine vordergründige Unvereinbarkeit haben können“,56 zeigt sich hier in aller Deutlichkeit veranlasst. Die vordergründige Untervereinbarkeit zwischen den Umschreibungen des höchsten Rechts, dem alle anderen Normen untergeordnet sind, als das grundlegende Recht, auf dem alle anderen Normen aufbauen und umgekehrt, setzt sich bis heute fort. „Der Stufenbau der Rechtsordnung“, schreibt knapp 150 Jahre später Kelsen, „läßt sich etwa schematisch in folgender Weise darstellen: Unter Voraussetzung der Grundnorm […] stellt die positivrechtlich höchste Stufe die Verfassung dar […], deren wesentliche Funktion darin besteht, die Organe und das Verfahren der generellen Rechtserzeugung, das heißt der Gesetzgebung zu regeln. […] Die der Verfassung nächste Stufe sind die im Gesetzgebungsverfahren erzeugten generellen Normen […] Die Stufe der […] generellen Rechtserzeugung ist in der positiven Gestaltung […] zumeist wieder in zwei oder mehrere Stufen gegliedert.“57

Lakoff und Johnson erklären solche scheinbaren Inkohärenzen58 mit der partiellen Funktion, die viele unterschiedliche Metaphern jeweils in Bezug auf einen metaphorisch zu konstituierenden Begriff einnehmen (Gehlen würde heute möglicherweise von verschiedenen „Hinsichten“ sprechen, die verschiedene Metaphern für eine Schöpfung des ideativen Bewusstseins abdeckten).59 Eine Metapher ist umso weniger weit hergeholt, desto weitgehender sich ihre Quellbedeutung mit den Quellbedeutungen der bereits gesetzten Metaphern berührt bzw. überschneidet; sie füllt die Lücke einer Hinsicht umso angemessener, desto mehr praktisch 55

N. N. (1789b), S. 99 f., i. Orig.: „être libre, […]être propriétaire;[…] domptrer sur la réparation des torts qu’il pourra souffrir […] C’est là l’essence du Citoyen, c’est sa constitution même; & certainement des attributs constitutifs ne tombent pas sous la législation. Donc, si tels sont les objets qu’on prétend désigner en invoquant les Loix fondamentales, on seroit mieux d’employer le nom de droits fondamentaux […] droits souverain, absolus, préexistans.“ 56 Blumenberg (2007), S. 74. 57 Kelsen, S. 74 ff., spricht ausdrücklich vom „räumlichen Bild der Über- und Unterordnung […]. Die Erzeugung bestimmende ist die höhere, die bestimmungsgemäß erzeugte ist die niedere Norm. Die Rechtsordnung ist somit nicht ein System von gleichgeordneten, gleichsam nebeneinander stehenden Rechtsnormen, sondern eine Stufenordnung verschiedener Schichten von Rechtsnormen.“ 58 Lakoff/Johnson (2008 [1980]), S. 53. 59 Vgl. auch im Folgenden Lakoff/Johnson (2003 [1980]), S. 41 ff., 97 ff. = Lakoff/Johnson (2008 [1980]), S. 53 ff., 103 ff.

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E. Ausblick auf eine methodische Metaphorologie der „Grundrechte“ 

vernünftige Hinsichten sie dem Begriff hinzufügt, ohne mit den bereits gesetzten Metaphern wirklich in Widerspruch zu geraten: „Eine Metapher funktioniert, wenn sie einen Zweck erfüllt, nämlich einen Aspekt des Begriffes zu verstehen. Wenn zwei Metaphern erfolgreich zwei Zwecke erfüllen, dann werden den Überschneidungen in den Zwecken Überschneidungen in den Metaphern entsprechen.“60

In den Grundgesetzen als den höchsten aller Rechtsnormen begegnen sich zwei Metaphern, die sich sehr weitgehend überschneiden: sie setzen eine stufige Raumstruktur voraus, deren Randerscheinungen sie sind. Ihren jeweiligen orientierenden Anteil (oben/unten, hoch/niedrig) ausgeblendet, sind sie strukturell gleich, überschneiden sich also; verschieden sind sie darin, dass in der einen Metapher das Gravitationszentrum des Planeten die Funktion einnimmt, die in der anderen Metapher dem Gravitationszentrum des Sonnensystems zugeordnet ist. Die Metapher im Hintergrund der Grundgesetze (und Grundrechte)  ist die menschliche Konstruktion des Gebäudes im Hinblick auf ihren systematischen Anfang.61 Die Metapher im Hintergrund des höchsten Rechts (wie des Souveräns) ist die mythologische Ordnung der Welt durch ‚höhere‘ Wahrheiten, die mit der Sonne identifiziert werden oder personalisiert den höchsten Berg des Landes bewohnen. Die Fundamente sind pragmatisch das Erste, was am Gebäude gebaut wird, und das Letzte, was von einem Gebäude zerstört wird. Auch das höhere Wesen gilt idealistisch als Anfang und Ende, in jüdisch-christlicher Tradition „Erster und Letzter“, „Α und Ω“.62 Die beiden Metaphern sind miteinander vereinbar, weil sie sich in funktionaler Hinsicht (systematisch bzw. normativ) ergänzen. Es ist richtig, dass die Metapher des Gebäudes die Vorstellung eines übermenschlichen, göttlichen Ursprungs nicht ausschließt63, ihn aber auch nicht notwendig voraussetzt. Man kann sie im Sinne eines Ausschlusses fortschreiben, wie Marx es getan hat, um, „nachdem das Jenseits der Wahrheit verschwunden ist, die Wahrheit des Diesseits zu etablieren. […] Die Kritik des Himmels verwandelt sich damit in die Kritik der Erde, die Kritik der Religion in die Kritik des Rechts“.64 Das Recht kommt dann allein aus der Erde. 60

Lakoff/Johnson (2003 [1980]), S. 97 (Übers. d. Verf.). Auch im Hintergrund der verbreiteten Metapher der „Kernbereiche“ von Grundrechten steht die Metapher des terrestrischen „Gravitationszentrums“, die die „Kernbereiche“ metaphorologisch ganz schlüssig als Schnittbereiche mit der unantastbaren Menschenwürde theoretisieren lässt (dazu unten). Alle drei Metaphern gemeinsam finden sich exemplarisch bei Michael/Morlok, S.  6: „Die Grundrechte stehen im Zentrum des Staats- und Verfassungsrechts. Sie sind Ausgangspunkt und Krönung der deutschen Rechtsordnung[ und unterliegen zunehmend auch europäischen Einflüssen]“ (Herv. d. Verf.); die Metaphorik europäischer Einflüsse wird hier nicht behandelt, das vollständige Zitat erscheint indes anregend für weitergehende Überlegungen. 62 Vgl. Jes 14, 6 Luther 1545: „Jch bin der Erst vnd ich bin der Letzt/vnd ausser mir ist kein Gott.“ bzw. Offb 22, 12 f. Luther 1545: „Vnd sihe/ich kome balde/vnd mein Lohn mit mir/zu geben einem jglichen/wie seine werck sein werden. Jch bin das A vnd das O/der anfang vnd das ende/der erst vnd der letzte.“ 63 Vgl. Joh 14, 2 Luther 1545: „Jn meines Vaters hause sind viel Wonungen. Wens nicht so were/so wolt ich zu euch sagen/Jch gehe hin/euch die Stete zubereiten.“ 64 Marx (1976c [1839–1844]), S. 379 (Herv. d. Verf.). 61

I. Geschichten der „Grundrechte“  

231

2. Die drei Bedeutungen der „Grundrechte“ bis 1848 Die „Grundrechte“, wie wir sie heute im Sinne der Art. 1 ff. GG kennen, beziehen ihre Wirkungskraft im Anschluss vor allem aus zwei wichtigen Vorbedeutungen ihrer Wortung neben den „Grundgesetzen“, nämlich den „Grundrechten“ im internationalen öffentlichen Recht (Völkerrecht) und – das stellt den wesentlichen Gewinn einer metaphorologischen Betrachtung der modernen „Grundrechte“ dar – den „Grundrechten“ der Feudalherrschaft. a) Die „Grundrechte“ im Sinne der Grundrechte Der Gebrauch des Wortes „Grundrechte“ im Deutschen gilt anders als derjenige des englischen Ausdrucks „fundamental rights“ bzw. des französischen Ausdruck „droits fondamentaux“ als bis ins Jahr 1848 nur ganz vereinzelt zu belegen.65 Bis dahin wurden im Prinzip ähnliche Rechtspositionen vor allem als Untertanenrechte, Rechte der Staatsbürger oder Volksrechte bezeichnet. Auch diesbezüglich lassen elektronisch weiterentwickelte Möglichkeiten der Quellenrecherche frühere Befunde zu. Bereits 1766 schreibt ein unbekannter Autor (also nicht unbedingt Jurist) in einer politischen Schrift: „Aus der Natur der menschlichen Seele kann man mit grosser Wahrscheinlichkeit s­ chliessen, daß harte Sklaverey, in die Länge, ihr unerträglich falle. Knechtschaft, so bald sie unsere gleichgültige Handlungen einschränken will, so bald sie den Gebrauch unseres erworbenen Vermögens aufheben oder nur bestimmen will, so bald sie versucht, die Anwendung un­ serer sittlichen oder körperlichen Kräfte unserer Willkür zu entziehen, so bald sie in die natürlichen Grundrechte der ehelichen, hausväterlichen und bürgerlichen Verbindungen eingreift, so bald wird sie dem Menschen zu schwer.“66

Auch wenn die Einbettung in ein naturrechtsphilosophisches Weltbild klarliegt, so ist es von dort doch noch ein merklicher Schritt zum späteren juridifizierten, verselbstständigten Zentralbegriff der „Grundrechte“; vor dem Hintergrund jener späteren individualistischen Entwicklung des Begriffs erstaunt aus heutiger Sicht die sozialphilosophische Ausrichtung des Begriffs auf zwischenmenschliche Beziehungen. An die Unabhängigkeitserklärung der Vereinigten Staaten von Amerika (1776) erinnert dagegen schon sehr stark eine Aussage, die vom Aufklärungsphilosophen Johann Georg Heinrich Feder (1786) überliefert ist: „Das Recht, sein Leben zu erhalten, und das Recht, seine Kräfte nach eigenen Einsichten zur Beförderung seiner Glückseligkeit zu gebrauchen, Freyheit, sind also offenbar we­ nigstens in so weit Grundrechte aller Menschen, daß in dem natürlichen Zustande derselben sie keinem ganz abgesprochen werden können.“67

65

Kleinheyer, S. 1070 f., 1076, nennt als früheste Quelle eine solche aus dem Jahr 1824. N. N. (1766), S. 138 f. (Herv. d. Verf.). 67 Feder (1786), S. 265. 66

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E. Ausblick auf eine methodische Metaphorologie der „Grundrechte“ 

Für 1792 ist unmittelbar nachweisbar, wie „fundamental rights“ aus dem Englischen in „Grundrechte“ übersetzt wird.68 Der spätere bayerische Abgeordnete der Frankfurter Nationalversammlung Carl August Joseph Kleinschrod baut 1799 in einer strafrechtswissenschaftlichen Arbeit auf der Voraussetzung angeborener Rechte des Menschen und ihres – von diesen offenbar verschiedenen – Eigentums eine bemerkenswerte Strafbemessungs- und (implizit) Staatszwecklehre auf: Da die Gesellschaft „nur existirt, um jene Rechte zu schützen; so wird ein Unfall gegen die Form des Staats nicht so schwer seyn, als eine Beschädigung der Grundrechte der Menschen: die Verletzung des Endzwecks wird schwerer zu bestrafen seyn, als der Mittel zum Zwecke. Wenn die Form der Gesellschaft überschritten wird; so ist die Handlung nur deswegen ein Verbrechen; weil zu fürchten ist, es möchten die Grundrechte der Mitglieder des Staats darunter leiden. […] Der Schutz der natürlichen Rechte ist bekanntlich die Hauptabsicht, warum sich Menschen vereinigt haben. Je größer also der Angriff auf diese Grundrechte, desto nöthiger wird eine Erhöhung der Strafe seyn. […, W]enn dem Menschen sein wirklich erworbenes Eigenthum durch List und Betrug des Andern entzogen wird, wenn die angebohrnen Rechte der Menschen verletzt werden, wenn die erste und heiligste Pflicht, seines Mitmenschen Grundrechte nicht zu beschädigen, übertreten wird.“69

Unter weiteren Funden70 befinden sich gerade auch solche, deren Gebrauch des Wortes „Grundrechte“ kurios anmutet71, was auf einen geringen Terminologisierungsgrad hindeutet. Definiert und im allgemeinen deutschen (innenpolitischen) Sprachgebrauch etabliert wird die Bedeutung der „Grundrechte“ erst im Laufe des Revolutionsjahres 1848.

68

Paine (1792), S. 6 = Paine (1791), S. 5. Kleinschrod, S. 15 f., 33 f., 48 f., 277 (Herv. d. Verf.). 70 Zum Beispiel unterscheidet ein sich auch als Schriftsteller betätigender Franziskaner, Waibel, S. 286, 295, zwischen „zwei Grundverrichtungen oder Grundrechtsausübungen, im Staate, er mag dann was immer für eine Form haben: die Verrichtungen der obersten Gewalt und ihrer Organe; und die Verrichtungen oder eigentlicher die Grundrechte der Untergebenen. […] Sie fodern [sic!] von der Majestät, daß sie deren Rechte schütze, nur gerechte und der Mehrheit nützliche Gesetze gebe, und ihre Freiheit in dem, was den Staat nicht berührt, nicht beschränke“ (Herv. d. Verf.). Der Geograf und Völkerkundler Meinicke, S. 254, 471, der nach Lindgren als Rezensent englischer Bücher erfahren ist, schreibt über die „Grundrechte des Volkes“ von Barbados und „von Colonisten“. Welcker (1846a), S. 322–337, S. 332, spricht von der „Beleidigung der ersten Grundrechte der Preßfreiheit und des Schwurgerichts“ durch die französischen Septembergesetze 1835. 71 Der Philosoph Abicht, S. 6 f. bezeichnet einen schwer nachvollziehbaren psychologischen Sachverhalt als „Grundrechte“; Paulsen, S. 271, bezeichnet „die Rechte des Geistes und Herzens der Menschheit als Grundrechte der Majestät und Souveränität der Regenten“; hier nur im Titel zu belegen ist Grattenauer. 69

I. Geschichten der „Grundrechte“  

233

b) Die „Grundrechte“ der Grundherrschaft Dass die Bedeutung der Grundrechte im Sinne des ‚Immobiliarsachenrechts‘ in seiner im Feudalstaat für die Gesellschaft konstitutiven öffentlich-rechtlichen Erscheinungsform für die Entwicklung der Grundrechte im Sinne individueller, gegen staatliche Supraregulierung gerichteter Freiheitsrechte nicht zu unterschätzen ist, zeigen instruktiv und eigentlich evident die Einträge zum Lemma „Grundrechte“ im Deutschen Wörterbuch (1932) und im Deutschen Rechtswörterbuch (1951), die für sich „die Darstellung des hochdeutschen schriftsprachlichen Wortbestandes in seiner Entwicklung und seinem Gebrauch von der Mitte des 15. Jahrhunderts bis zur Bearbeitungsgegenwart“72 bzw. der „Sprache des Rechts vom Beginn der schriftlichen Überlieferung in lateinischen Urkunden der Völkerwanderungszeit bis etwa 1800“73 bezwecken. Das zuerst genannte und verfasste hält zwei Bedeutungen des Wortes fest, nämlich erstens „das auf grund und boden bezügliche recht“, in einer Variante frühestens nachgewiesen Ende des 13. Jahrhunderts in österreichischen Rechtsquellen in der spezielleren Bedeutung von ‚Leistung, Abgabe für die Nutznießung von Grund und Boden, Grundzins‘, in einer zweiten Variante im Sinne von Rechten, „die aus der grundherrlichen verfügungsgewalt entspringen“. Die zweite Bedeutung ist schließlich die als „fundamentales recht, ursprüngliches recht“; seit Mitte des 19. Jahrhunderts „in specifischerem sinne die ‚politischen und sittlichen rechte und freiheiten, die aus dem natürlichen recht entspringen‘, die sog. ‚allgemeinen menschenrechte‘, die ‚urrechte der menschen‘“, wofür allerdings nur wenige Belege geliefert werden, die in dieser Richtung dem heutigen Grundrechtsverständnis sehr nahe kämen (z. B. „das recht, häuser zu bauen, gehörte zu den grundrechten der menschheit“).74 Das zweitgenannte Wörterbuch geht auf diese spezifische Bedeutung gar nicht ein, beschränkt sich diesbezüglich allerdings auch faktisch auf Nachweise vor 1800, sondern erwähnt in fünf Zeilen als sechste von sechs Bedeutungen mit zwei Belegen „fundamentales Recht, Privileg“. Die anderen fünf Bedeutungen, deren Erklärung und Beleg vom 13. bis 18. Jahrhundert eine gute ganze Seite einnehmen, haben allesamt mit sinnlich wahrnehmbarem Boden, zumindest mit seinem Ertrag zu tun: „Recht am oder auf Grund und Boden“ (allein eine gute Dreiviertelseite), „Anrecht auf gestrandete Schiffe oder Güter und auf aufgeschwemmtes Holz“, „Holzleistung als Besoldungsteil“, „Ufergebühr, Niederlagsgeld“, „Baurecht auf einem fremden Grundstück“.75 Wie ist es möglich, sich diese beiden Bedeutungen im rechtswissenschaftlichen Bewusstsein, selbst dem rechtshistorischen, als quasi zusammenhangslos, also nicht existenziell miteinander verbunden vorzustellen? Ein metaphorologi 72

N. N. (Das Deutsche Wörterbuch von Jacob und Wilhelm Grimm). N. N. (Was ist das Deutsche Rechtswörterbuch). 74 Deutsches Wörterbuch (1854–1961), s. v. „Grundrechte“. 75 Deutsches Rechtswörterbuch (1939–1951), s. v. „Grundrecht“. 73

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E. Ausblick auf eine methodische Metaphorologie der „Grundrechte“ 

scher Zusammenhang könnte nur ausgeschlossen werden, indem man eine rein zufällige Homonymie, eine Parallelschöpfung, ein ungewolltes „Teekesselchen“ annähme. Ein solcher Zufall liegt angesichts der Verwandtschaft beider Bedeutungen fern. Denn beide sind Begriffe des Rechts, das Recht auf Grundeigentum ist klassischer Bestandteil des allgemeinen Grundrechts auf Eigentum, der „Grund“ im Sinne des menschenrechtlichen Minimums ist offensichtlich eine Metapher von „Grund und Boden“ als des – hier im ganz wörtlichen Sinne – Grundes menschlichen Seins. In der vergleichenden Staatsrechtswissenschaft der DDR wurden beide Bedeutungen der „Grundrechte“ interessanterweise gelegentlich in einen suggestiv ahnungsvollen Zusammenhang gestellt.76 Das beruhte sicherlich zum einen auf einem ausgeprägt polemisch motivierten Interesse. Aus diesem resultierte zum anderen aber auch eine objektivierende, den Blick partiell schärfende Distanz zur liberalen Grundrechtsideologie.77 Es gibt außer der Homonymie weitere starke Indizien dafür, dass die Grundrechte im menschenrechtlichen Sinne ihr Verständnis zu einem nicht unerheblichen Teil  auch den Grundrechten der Grundherrschaft verdanken. Sie führen zu der These, dass die „Einheit von Dominium und Imperium“, die mittelalterliche Identität zwischen Eigentumsordnung und politischer Struktur78, sich (zumindest auch) im Ausdruck der metaphorischen Neubeziehung der „Grundrechte“ auf alle Rechtsunterworfenen gewandelt hat zu einer ideellen Identität von „Individuum und Imperium“ als Hauptmerkmal der neuen politischen Ordnung. Die (partielle) Strukturgleichheit zwischen späterem Grundrechtsverständnis und mittelalterlicher Grundherrlichkeit sei an dieser Stelle anhand ihrer Charakterisierung durch Karl Salomo Zachariä aufgewiesen: „Die freien Männer der Nation waren nur unter der Bedingung Mitglieder des Nationalvereins (oder Staatsbürger) daß sie Grundherren waren. Nur die Grundherren waren in vollstem Sinne freye Männer; sie waren Edelleute, dieses Wort in seiner ursprünglichen Bedeutung genommen.  – Es bestand aber die Grund-Herrlichkeit in der Hoheit über einen bestimmten – größeren oder kleineren – Bezirk, wenn auch diese Hoheit gewißen durch das Volk oder Landrecht gesetzten Einschränkungen unterworfen war; sie bestand in dem Rechte, über einen bestimmten Bezirk mit derselben Freyheit zu gebiethen, mit welcher der freye Mann über sich selbst zu gebiethen befugt war […] Der Grund und Boden, auf welchen sich das Recht eines Grundherrn bezog, wurde als ein Gebieth und zwar als geschlossenes Gebieth betrachtet. Niemand, selbst die königlichen Beamten nicht, durften in die 76

Stüber, S. 42: „Die Grundrechte sind die in der Verfassung und/oder in der Gesetz­gebung geregelten Rechte der Staatsbürger oder die bestimmten, nach Privilegien unterschiedenen Rechte der besitzenden Klasse unter den Bedingungen unmittelbarer Herrschafts- und Knechtschaftsverhältnisse im Sklavenhalter- und Feudalstaat“. Unter den Bedingungen des ‚Kalten Krieges‘ der Ideologien und der westlichen Bestrebungen zur Institutionalisierung eines internationalen Grundrechtsregimes konnten umgekehrt derartige Konnotationen aus Sicht von Rechtswissenschaftlerinnen und Rechtswissenschaftlern in der BRD nicht dienlich sein. 77 Vgl. zur Figur der objektiven Erkenntnis als, Nietzsche auslegend, „Funke[n] zwischen zwei Schwertern“ und zur „radikale[n] Bosheit“ der Erkenntnis als Ausfluss von Kämpfen Foucault (2004 [1994]), S. 21 ff. 78 Rittstieg, S. 2 f.

I. Geschichten der „Grundrechte“  

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ses Gebieth eindringen. […] Die Grundherren waren als solche geborene Mitglieder der Volksversammlung. […] Die Mitglieder des National-Vereines, also die Grundherren, waren als solche verpflichtet, zur Landesvertheidigung in Person Kriegsdienste zu leisten […] Gegen Erfüllung dieser Verbindlichkeit standen die Grundherren unter dem unmittelbaren Schutze des National-Vereines und des Königs.“79

Freiheit, Staatsbürgerschaft, eine Vorstellung von Würde („Edelleute“), Hoheit über einen bestimmten Bereich, also „Grund“, Schutz durch die verfasste Gesellschaftsstruktur (die, im absolutistischen Zeitalter beginnend, der „Staat“ wurde), Wehrpflicht und „angeborene“ politische Teilhabe („Volksversammlung“) sind hier die charakteristischen Elemente der Grundherrlichkeit. Zum Teil identisch, in jedem Fall deutlich erkennbar prägen diese Merkmale bis in die jüngste Vergangenheit auch die Semantik der Grundrechte im menschenrechtlichen Sinne und der Stellung ihrer Träger (und inzwischen auch Trägerinnen) in der verstaatlichten Gesellschaft. Ein selten signifikantes Dokument für diese Entwicklung der deutschen Rechtsgeschichte, deren allgemeinere Kontexte als historische Klammer aller drei Elementarbedeutungen der „Grundrechte“ gebündelt im nächsten Kapitel zusammengefasst sind, ist das königlich-preußische „Edikt den erleichterten Besitz und den freien Gebrauch des Grundeigenthums so wie die persönlichen Verhältnisse der Land-Bewohner betreffend“ (sog. Oktoberedikt) von 1807, dessen erster Paragraph mit den Worten „Jeder Einwohner Unserer Staaten ist ohne alle Einschränkung in Beziehung auf den Staat zum eigenthümlichen […, B]esitz unbeweglicher Grundstücke aller Art berechtigt“, sein letzter mit den Worten „Mit dem Martinitage eintausendachthundertundzehn (1810) hört alle Gutuntertänigkeit in Unsern sämtlichen Staates auf. Nach dem Martinitage 1810 gibt es nur freie Leute“ begann.80 Zwar selten, aber sehr zu Recht wird also in der heutigen Staatsrechtslehre darauf hingewiesen, das „räumliche Bereichsdenken“ in der Grundrechtsdogmatik sei historisch treffend, weil sich heute abstrakt verstandene Freiheit früher auf flächenhaft konkret befreite Orte bezogen habe.81 Dies ist nicht nur auf die 79

Zachariä, S. 16 ff. Friedrich Wilhelm, König von Preußen, S. 41 ff. 81 Merten, Rz. 26, 28 (S. 22 ff.) mit umfangreichen Nachweisen (Herv. i. Orig.): „[…] weil sich die heute abstrakt verstandene ‚Freiheit‘ früher flächenhaft auf konkret befreite (d. h. mit Freiheiten, Gerechtsamen, Privilegien ausgestattete) Orte, z. B. als ‚Stadtfreiheit‘, bezog. Diese mittelalterlichen Vorstellungen einer ‚juristisch besonders qualificirten räumlich-dinglichen Einheit‘ führten auch dazu, dass die räumliche Sphäre den Status einer Person bestimmte: ‚Landluft macht eigen‘, ‚Stadtluft macht frei‘. Die geschichtliche Herkunft des Freiheitsbegriffs wird bis auf den heutigen Tag in Bestimmungen deutlich, die z. B. die Wohnung als ‚Freistätte‘ garantieren oder ‚befriedetes Besitztum‘ schützen. Wegen der Konnexität, teilweise sogar Identifikation von Freiheit und Eigentum, wie sie auch die rechtsstaatliche Formel vom Vorbehalt des Gesetzes prägt, wird dann auch das subjektive Recht verräumlicht als ‚ein Gebiet verstanden, in dem der Wille der Einzelperson herrscht‘. […] Gleichsam entmaterialisiert wird das Bereichsdenken auch auf Freiheitsrechte ohne konkreten räumlichen Bezug übertragen, wenn von der ‚Freiheitssphäre der elterlichen Betätigung‘, dem ‚freien Bereich persönlicher und autonomer Verantwortung des […] Wissenschaftlers‘, dem ‚Frei(heits)raum im vermögensrechtlichen Bereich‘, dem ‚Freiheitsraum‘ des Erblassers die Rede ist.“ 80

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E. Ausblick auf eine methodische Metaphorologie der „Grundrechte“ 

„als kleiner bürgerlicher Rechtsstaat“ romantisierte mittelalterliche Stadt82 zu beziehen, sondern gerade auch auf den Grundherrn in Beziehung auf seinen Herrschaftsbereich. c) Die „Grundrechte“ der Staaten und ihrer Organisation Der früheste Nachweis und einige der frühesten sowie viele weitere Nachweise für die Terminologie „Grundrecht(e)“, die oben für den französischen (1673, 1739) und englischen (1710, 1712) Sprachraum erbracht wurden, zeigen eine dritte Bedeutung an, die aufgrund ihres frühen Vorkommens für die Analyse der weiteren Entwicklung historisch nicht von vornherein unbedeutend sein kann und bis heute vorwaltet: die Bedeutung von Rechtspositionen von Völkerrechtssubjekten, das heißt in erster Linie als „Grundrechte von Staaten“.83 Im Hinblick auf den französischen Sprachraum besteht nach heutigem Stand eine Lücke von rund hundert Jahren zwischen dem frühesten Nachweis bezogen auf die Rechtsposition einer Nationalität (der „Espagnols“ auf ihre „Souveränität‘“84) und demjenigen bezogen auf die Rechtsposition einer natürlichen Person. Im englischen Sprachraum ist es mit erheblich geringerem Abstand umgekehrt, wobei festzustellen ist, dass der entscheidende, früheste Nachweis im Sinne einer Rechtsposition natürlicher Rechts­subjekte (1687) aus Pennsylvania stammt.85 Zur Erforschung der Geschichte der „Grundrechte der Staaten“ hat Vec in jüngerer Zeit festgestellt, dass ihr Stand hinter derjenigen der „Grund- und Freiheitsrechte, die dem einzelnen Menschen zugeschrieben werden“, zurückgeblieben sei,86 und ihr einige Bemerkungen hinzugefügt, die auf profunder, aber auf die Völkerrechtswissenschaft des 18. und 19. Jahrhunderts87 vielleicht zu sehr fokussierter Quellenlektüre beruhen. Die im hiesigen Untersuchungszusammenhang von Interesse erscheinenden Aussagen seien mit folgendem Satz wiedergegeben: Die Terminologie der „Grundrechte“ sei im völkerrechtlichen Zusammenhang zwischen 1770 und 1790 aufgetaucht und habe sich in der intensiven Naturrechtsdiskussion der damaligen Zeit rasch ausgebreitet88; die Grundrechte der Staaten seien denen der Individuen nachgebildet worden.89 Die Verortung des Erscheinens der Grundrechte nach ca. 1770 wirkt insofern ganz schlüssig, wenn man wie die bisher ganz herrschende Lehre die Erfindung der Grundrechtsterminologie bezogen auf natürliche Personen ca. 1770 annimmt. Die oben dargestellten frühe 82

Ebel, S. 1; vgl. zur Ableitung der Staatsangehörigkeit Grawert, S. 23. Aus der heutigen Lehrbuchliteratur statt vieler Dahm/Delbrück/Wolfrum, S. 775 ff. 84 González Salezo, S. 116. 85 In Deutschland schreibt Zachariä, S. 13, vom Bannrecht als einem „Grund- und Hauptrecht“ der deutschen Könige. 86 Vec, S. 66. 87 Vec, S. 67. 88 Vec, S. 69. 89 Vec, S. 67, 72 ff.; vgl. Dahm/Delbrück/Wolfrum, S. 775 f. 83

I. Geschichten der „Grundrechte“  

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ren Belege stellen die Annahme einer eindeutigen Ableitungsbeziehung indes in Frage. Vielmehr legen sie die nachträgliche Konstruktion einer entsprechenden Genealogie nahe. Die insofern noch bloß chronologisch bedingte Annahme mag die 1793 ver­ öffentlichte Äußerung des Göttinger Philosophen, und engen Kollegen des bereits in Bezug auf naturpersönliche Grundrechte zitierten Johann Georg Heinrich­ Feder, Christoph Meiners veranschaulichen, „daß unsere Lehrer des Naturrechtes unveräusserliche Menschenrechte und unwandelbare Grundrechte der Nationen behaupten, und es gerade zu führ Ungerechtigkeit erklären, mit Unterthanen, seyen sie schwarz oder weiß, wie mit Vieh zu handeln.“90

Beide, Menschenrechte und Grundrechte der Nationen, entstammen zwar der Naturrechtsphilosophie. Und dennoch sind es zwei terminologisch geschiedene Begriffe; die Menschenrechte erscheinen nicht nur als solche im wörtlichen Sinne in gleichem Maße ‚subjektiver‘ als die Grundrechte wie umgekehrt diese ‚objektiver‘ als jene. Als unveräußerliche müssen sie den Menschen identitär innewohnen, können nicht zum Objekt von Tauschbeziehungen werden, während Unwandelbarkeit eine schlechthin unsubjektive Eigenschaft darstellt, weil sich Wille nicht ohne Wandel bilden kann; Menschenrechte sind intim, unwandelbare Grundrechte erfüllen eine statische Funktion. Freilich ist nicht auszuschließen, dass lange vor der zitierten Quelle die Terminologie „Grundrechte“ für Individuen erfunden wurde, aus der die Grundrechte der Nationen abgeleitet wurden, bevor (zum Beispiel unter dem Eindruck der Déclaration des Droits de l’Homme et du Citoyen von 1789) die individuellen Grundrechte terminologisch durch die Menschenrechte ersetzt wurden. Dafür fehlt bislang jedoch jeder Beleg. Im Rahmen des vorliegenden Materials bedeutet zum Beispiel der Beleg eines für Könige in Bezug auf die Erblichkeit der Monarchie behaupteten „droit fondamental“91 ein Indiz dafür, dass sich in den Grundrechten der Staaten (und ihren jeweiligen landessprachlichen Übersetzungen) ein Begriff herausbildet, der sich zwar einerseits ideengeschichtlich aus der Annahme natürlicher Rechte des Menschen speist, andererseits aber die Terminologie der „Grundrechte“ in Fortschreibung der bestehenden „leges fundamentales“-Metaphorologie früher entwickelt als die Philosophie menschlicher Minimalrechte. Der Staat wird zwar in seiner theoretischen Konstruktion „als eine freye Person angesehen, die in natürlichem Stande lebt“, deshalb „bedienen sie [verschiedene Völker, scil.] sich untereinander des Naturrechts. Das Recht der Natur, so fern es auf die Völker angewendet wird, wird das nothwendige oder natürliche Völkerrecht (jus gentium necessarium, vel naturale) genennet.“92

90

Meiners/Spittler, S. 557. Renaudot, S. 630. 92 Wolff, § 977 (S. 688), § 1088 (S. 780 f.). Zur Infragestellung der Angemessenheit dieser Analogie in der zeitgenössischen Völkerrechtswissenschaft Vec, S. 73. 91

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E. Ausblick auf eine methodische Metaphorologie der „Grundrechte“ 

Diese Analogie führt unmittelbar zur Metapher der Völkerrechtssubjektivität/ völkerrechtlichen Rechtspersönlichkeit von Staaten. Aber die Bezeichnung als „Grundrechte“ konnte nicht der frühindividualistischen Naturrechtsphilosophie entstammen, weil dort keine entsprechende Tradition vorzufinden war. Sie resultierte aus der staatsorganisationsrechtlichen Kategorie der „leges fundamentales“. Die Spannung beider genealogischer Linien, die sich letztlich im Begriff der „Grundrechte“ der Staaten trifft, wird auch in Emer de Vattels erstmals 1758 erschienenen Völkerrecht deutlich, in dessen Einleitung zwar zu Beginn die Definition eines Staates als „moralische Person“ steht, weil er sich durch eine wie auch immer organisierte Willensbildung auszeichne, sichtbar letztlich in jedweder effektiven unabhängigen Regierung.93 Insofern schlüssig, beschäftigt sich das erste von neun Büchern, in die das Werk gegliedert ist, über 400 Seiten mit Angelegenheiten der inneren Regierung der Staaten, aus der die äußere Souveränität über das Motiv eines korporativen Willens abgeleitet wird.94 Die begriffliche Unterscheidung zwischen äußerer und innerer Souveränität ist bei ihm zumindest in der späteren Schärfe noch nicht vorhanden. Und auch wenn er im Hinblick auf Rechte und Pflichten des Fürsten prononciert ihren treuhänderischen Charakter vertritt – seine Souveränität leitet sich aus ihrer gesellschaftlichen Belassung bei ihm ab –, sind für ihn praktisch die Souveränität und die Funktion des Fürsten noch identisch.95 Wenn er als Fürst und im Namen des Staates handelt, ist er – so Vattel ausdrücklich – lediglich den loix fondamentales und dem Völkerrecht unterworfen;96 das Völkerrecht hat nach außen die begrenzende Funktion, die nach innen den loix fondamentales entspricht. Im Gegensatz zu den Regeln des Völkerrechts entsprechen die loix fondamentales aber nur mittelbar dem Naturrecht. Die Situation des Völkerrechts liest sich als ein vergangener, originaler Zustand des Menschen: Weil die Menschen von Natur aus frei und gleich sind, sind es entsprechend auch die Nationen, repräsentiert durch ihre souveränen Fürsten, untereinander als Zusammenschlüsse von Menschen.97 So war das Völkerrecht, das internationale öffentliche Recht, Schauplatz einer real Geltung beanspruchenden Rechtsstruktur, die sich zwar theoretisch aus der Ursituation jedes Menschen ableitete, als solche aber noch nie realisiert worden war. Die Achtung der Individualität im Innern durch den Souverän ist bei Vattel zwar angelegt, wird aber noch nicht als Pflicht, sondern lediglich als Tugend des „guten Fürsten“ als selbst „heiligem und unverletzlichen“ Souverän dargestellt.98 93 Vattel, S.  1, 9, ausdrücklich: „le Droit des Gens n’est originairement autre chose, que le droit de la nature appliqué aux nations. Mais […] un Etat, est un sujet bien différent d’un individu humain“ (das Völkerrecht ist ursprünglich nichts anderes, als das Naturrecht auf­ Nationen angewendet. Allerdings […] unterscheidet sich ein Staat um einiges von einem menschlichen Individuum, Übers. d. Verf.). 94 Vattel, S. 29 ff. Der Hinweis stammt von Quaritsch, S. 104. 95 Vgl. Vattel, S. 67 ff. 96 Vattel, S. 79. 97 Vgl. Vattel, S. 15 f., 18 f. 98 Vgl. Vattel, S. 68 ff., 80 f.

I. Geschichten der „Grundrechte“  

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Es ist nach alledem eine gewisse Wahrscheinlichkeit begründet, dass die Terminologie der „Grundrechte“ in Wirklichkeit sehr viel stärker durch die aus naturrechtlichen Vorstellungen heraus lediglich theoretisch angeleitete, souveräne Praxis des Völkerrechts geprägt wurde, bevor es zu ihrer individualrechtlichen Verwendung kam, als es eine hauptsächlich ideengeschichtlich geprägte Herangehensweise darstellt, die das Neue an der tatsächlichen Geltung von „Grundrechten“ im internationalen öffentlichen Recht des 18. Jahrhunderts aufgrund des naturrechtlichen Mythos zu übersehen neigt. 3. Grundrechte als Leitmetapher der fortgeschrittenen Revolutionsbewegung 1848/1849 Den archimedischen Punkt der Grundrechtsentwicklung stellt unter metaphorologischen Gesichtspunkten die Verfassung des Deutschen Reichs vom 28.03.1849 („Paulskirchenverfassung“) dar. Von da an wird im deutschsprachigen Raum explosionsartig von „Grundrechten“ gesprochen. Zunächst war dieser Sprach­ gebrauch stark an die am 27.12.1848 als Reichsgesetz erlassenen und Einheit betrachteten „Grundrechte des Deutschen Volkes“ gebunden und erlangte nach dessen formeller Unwirksamkeit spätestens ab August 1851 vorübergehend überwiegend nur rechtshistorische Bedeutung. Die Entwicklung des gleichnamigen materialen Gattungsbegriffs setzte sich erst in der Folge in Erinnerung und Anlehnung an die Grundrechte der Paulskirche durch.99 Die zwischen 1839 und 1862 erschienenen Ausgaben des Rotteck-/Welckerschen Staatslexikons zu den Anfangsbuchstaben „Grund“ zeigen die Suche – zumindest des Autors Theodor Welcker – nach der angemessenen Variante eines juristischen Kompositums mit „Grund“ als Determinans. 1839 findet sich dort nur ein Artikel zu „Grundvertrag[, Staatsvertrag, politische Vertragstheorie]“100, 1846 und 1847

99

Das Stichwort „Grundrechte“ bleibt unerwähnt insbesondere in Rotteck/Welcker (1839), Rotteck/Welcker (1846), Rotteck/Welcker (1847), Blum und noch in Allgemeine Encyclopädie der Wissenschaften und Künste (1875). Erwähnt wird es insbesondere in Lette („Grundrechte nennt man die von der constituierenden deutschen Nationalversammlung im Jahre 1848 aufgestellten allgemeinen Rechte, welche die Gesammtverfassung des Deutschen Reichs der Nation gewährleisten und welche gewissermaßen die Grundlage für eine freiheitliche Ent­ wickelung des deutschen Volkes bilden sollten. […]“), Allgemeine deutsche Real-Encyclo­ pädie für gebildete Stände (1866), s. v. „Grundrechte“, Pierer Konversations-Lexikon (1890), s. v. „Grundrechte“ („[…] im Staatsrecht die den Unterthanen verfassungsmäßig zustehenden Befugnisse, welche die persönliche Freiheit, die freie Bewegung u. die Freiheit des Eigentums vor allem gegen willkürliche Eingriffe der Behörden schützen wollen und so die Grundlage des Rechtsstaates bilden […]“), Brockhaus’ Conversations-Lexikon (1884) („Grundrechte nannte man in der polit. Bewegung von 1848 diejenigen Rechte und Freiheiten der Staatsbürger, welche man als die Grundlage und Verbedingung eines freiern Zustandes des allgemeinen Staats- oder Volkslebens ansehen zu müssen glaubte“). 100 Welcker (1839).

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E. Ausblick auf eine methodische Metaphorologie der „Grundrechte“ 

steht stattdessen ein solcher „Grundgesetz, Grundvertrag[, Verfassung]“. Hier findet sich – in nun schon bekannter Ineinssetzung des Obersten mit dem Untersten – erklärt: „Grund heißt Dasjenige, worauf etwas Anderes beruht oder woraus es hervorgeht. Grundgesetz des Staates ist also das höchste Gesetz, worauf die übrigen Gesetze der Staats­ gesellschaft beruhen, woraus sie hervorgehen sollen. […] Man nennt das Grundgesetz oder den Grundvertrag auch Verfassungsgesetz oder auch Verfassung im engeren Sinne […] Der allgemeinste Charakter jedes Grund- oder Verfassungsgesetzes ist die in der Wortbedeutung und in dem Begriff enthaltene Festigkeit; im vernunftrechtlichen Sinne also seine verbindliche Kraft auch für die Regierung. Es begründet somit Rechte auch gegen die Regierung.“101

Die Anlehnung des rechtswissenschaftlichen Denkens an die Welt des sinnlich Gegenständlichen zeigt sich hier noch viel bewusster, viel hinterfragbarer als es dem Sprachgebrauch spätestens ab der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts zu eigen ist. Von Grundgesetz und Grundvertrag ist es zu Grundrechten kein weiter Weg; 1839 ist schon von „Grundvertragsrechten“ die Rede.102 In der 1962 erschienenen dritten Auflage wird unter dem Stichwort „Grundvertrag“ nur noch auf den Artikel „Grundgesetz“ verwiesen, der dann „Grundgesetz[, Grundvertrag, Verfassung]“ ausgeschrieben wird103 – und es findet sich erstmals das Lemma „Grundrechte“; insgesamt zeigt sich also die Terminologie gefunden, die ab 1949 für die west-, inzwischen gesamtdeutsche Verfassung namensgebend ist. Es ist der Abgeordnete im Vorparlament Jacob Venedey, der allem Anschein nach den Ausdruck „Grundrechte“, diese für die deutsche Sprache so spezifisch zusammengesetzte Vokabel für individuelle Rechte, nachhaltig in die deutsche Verfassungsgeschichte einführte.104 Bis dahin war dort nur von „Rechten des deutschen Volkes“, „einigen und unveräußerlichen Menschenrechten“, „Volksrechten“, „Garantien“, „Principien, die die Garantie der Freiheit bilden“, „Freiheitsrechten“, einer „magna charta“ bzw. „Rechtserklärung des deutschen Volkes“ die Rede.105 Am 02.04.1848106 reichte er beim Präsidium des Vorparlaments einen Antrag für eine „Erklärung der Grundrechte des deutschen Volkes“ ein, um die „armen Leute“ schnellstmöglich vom Verfassungsprojekt profitieren zu lassen: 101

Welcker (1846b), S. 520 f., bzw. Welcker (1847), S. 162. Welcker (1839), S. 247. 103 Welcker (1862). 104 Ein Umstand, den seine Biographen in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts nicht zu würdigen wissen. Koppen, S. 109, der später in nationalsozialistischen Medien veröffentlicht, spricht nicht einmal von „Grundrechten“, sondern verwendet weiter den Begriff der „Volksrechte“. Venedey, S.  174 f. erwähnt bloß, dass J. Venedey „zu den Grundrechten der Deutschen […] einen Antrag“ gestellt habe, der vom Vorparlament übernommen worden sei. Wenn Kröger, S. 15, meint, die frühkonstitutionellen Verfassungen in Deutschland hätten die Bezeichnung „Grundrechte“ „sorgfältig gemieden“, ist das insofern missverständlich, als das die Gängigkeit der Bezeichnung suggeriert. 105 Vgl. Jucho (1848c), S. 5, 17, 19, 20, 22, 119, 135, 137. 106 Vgl. Jucho (1848c), S. 135 f. 102

I. Geschichten der „Grundrechte“  

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„[I]n Frankreich […] hat man mit Abstimmungen so lang Alles niedergeschlagen, bis zuletzt das Volk selbst hat aufstehen müssen. So lange noch Zweifel über Ansichten herrschen, muss darüber gesprochen werden. Der Antrag des Herrn […] ist gut und richtig, allein es fehlt darin […] namentlich eine Garantie für die ‚armen Leute‘, die gegenwärtig besonders nothwendig ist; es fehlt darin eine Bürgschaft, daß wir den Armen […] nach Kräften zu helfen bereit sind. Die Ereignisse in Frankreich mögen uns zur Warnung dienen. Dort ist heute Alles in der größten Verwirrung weil man die Arbeitsfrage verkehrt gestellt hat. Es droht uns eine ähnliche Gefahr, wenn wir die Aufgabe der Zeit in dieser Beziehung nicht klarer auffassen und zu lösen suchen. Doch nicht diese Gefahr ist es, die mich treibt, für die ‚armen Leute‘ hier einzutreten, sondern vor Allem der Umstand, daß sie wirklich und in Wahrheit bis jetzt oft nur zu sehr hintenangestellt wurden. Es muß ihnen geholfen werden, weil sie viel gelitten haben. Der Grund genügt. (Allgemeine Zustimmung.) Ich habe einen kurzen Vorschlag zu einer Erklärung der Grundrechte des deutschen Volkes entworfen, welcher also lautet: 1) Schutz der persönlichen Freiheit. 2) Allgemeine Preßfreiheit ohne Cautionen, Stempel und Concession. 3) Freiheit der öffentlichen Besprechung. 4) Freiheit der Verbindung. 5) Gleichheit aller Glaubensbekenntnisse vor dem Gesetze und Unabhängigkeit der Kirche vom Staate. 6) Lehrfreiheit und Lernfreiheit. 7) Volksthümliches Steuersystem auf dem Grundsatze der Billigkeit und Gerechtigkeit. […] achtens ‚ein volksthümliches Creditsystem, Ackerbau-Creditcassen und Arbeit-Creditcassen‘ […] neuntens ‚Schutz der Arbeiter gegen Noth und Elend‘ […] zehntens ‚Schulunterricht für alle Klassen, Gewerbe und Berufe aus Staatsmitteln;‘ elftens ‚Volkswehr und Bürgerheer‘ […] Zwölftens ‚alljährliche Zusammenberufung des deutschen Parlaments, gewählt aus dem ganzen Volke, zur Beurtheilung der innern und äußern Politik des Landes‘.“107

Der im Rahmen der Aussprache am 03.04.1848 unmittelbar antwortende Abgeordnete Heinrich Karl Jaup sprach noch von „diesen Volksrechten“, die der kürzeste und sicherste Weg seien, auf dem die „arbeitenden Klassen zu demjenigen Grade des Wohlstandes gelangen [könnten, d. Verf.], durch den ein glücklicher Zustand der Nation“ erreicht werden könne.108 Das Wort „Grundrechte“ wird noch nicht aufgenommen. Nach Jaup spricht der Abgeordnete Karl Biedermann, der sich implizit mit der Metapher des Grundes auseinanderzusetzen scheint, indem er sich ganz mit der Gesinnung der Venedeyschen Erklärung einverstanden erklärt, dass von den „arbeitenden Klassen […] als der Basis des ganzen Volks, am Ende auch das Wohl des ganzen Volks abhängt“. Doch es sei „von einem ­Minimum der Rechte die Rede“, die sie dem Volke „zugetheilt wissen“ wollten. Er möchte

107

Jucho (1848c), S. 141 f. Jucho (1848c), S. 142.

108

242

E. Ausblick auf eine methodische Metaphorologie der „Grundrechte“ 

fragen, „ob das, was Herr Venedey im Auge hat, unter die Rubrik ‚Rechte‘ aufgenommen werden kann? […] In dem Antrage, den ich übergab, habe ich mehrere solche Punkte bezeichnet, die wirklich eine Rechtsbasis für die Arbeiter bilden.“109 Wenig später spricht der Abgeordnete Blum und zitiert Venedeys Vorschlag als „Rechte des deutschen Volks“.110 Im weiteren Verlauf spricht der Abgeordnete Leue „von allgemeinen Menschenrechten, von bürgerlichen und politischen Rechten, […] lauter solche[n] Rechte[n], die durch die Staatsverfassung gesichert werden sollen“.111 Die Terminologie der „Grundrechte“ wird also nicht spontan übernommen. In den Protokollen desselben Sitzungstags findet sie keine zweite Verwendung. Die Redner des Vorparlaments sind sich einig, dass die Situation der arbeitenden Klassen verbessert werden müsse. Man will aber zum einen keine sozialpolitischen Wünsche, über deren Erfüllung das Vorparlament nicht entscheiden kann, zu Rechten erklären, und zum anderen der Frankfurter Nationalversammlung nicht vorgreifen. An diese werden die mannigfaltigen Anträge zu garantierten Rechten aller Mitglieder des Volks mit der Bitte um Berücksichtigung mit Beschluss vom selben Tage verwiesen.112 Die den sieben Tage später, am 10.04.1848, von Friedrich Siegmund Jucho herausgegebenen Protokollen beigefügte Zusammenstellung der Beschlüsse des Vorparlaments enthält jedoch bereits ein Unterkapitel überschrieben mit „Grundrechte und Forderungen des deutschen Volkes.“ „Die Versammlung empfiehlt, mit ihrer grundsätzlichen Zustimmung, dem constituierenden Parlamente zur Prüfung und geeigneten Berücksichtigung die nachstehenden Anträge, welche bestimmte Grundrechte als geringstes Maß deutscher Volksfreiheit verlangen und die im deutschen Volke lebenden Wünsche und Forderungen aussprechen [Aufzählung ­aller im Vorparlament antragsgegenständlichen Rechte …].“113

Wer diese Zusammenstellung redigiert hat, kann hier nicht gesagt werden; sie entfaltet jedenfalls Wirkung. Es ist, als hätte die Suche nach einem neuen Begriff, der die Inhalte der vielen verschiedenen Ausdrücke vereinigte, ihr Ziel gefunden. Dies betrifft sowohl den auf Beschluss des Bundestages des Deutschen Bundes vom 10. März 1848 vom 3. April 1848 bis 8. Mai 1848 tagenden Siebzehnerausschuss, der also im Auftrag der Fürsten handelte114, als auch den vom 4. April 1848 109

Jucho (1848c), S. 142 (Herv. d. Verf.). Jucho (1848c), S. 145. „Rechtserklärung des deutschen Volkes“ wird sie auch noch am Ende der Sitzung genannt, vgl. a. a. O., S. 171. 111 Jucho (1848c), S. 147. 112 Jucho (1848c), S. 152. 113 Jucho (1848c), S. 173 f. 114 Der Siebzehnerausschuss setzte am 05.04.1848 eine Kommission zum Vorentwurf einer deutschen Reichsverfassung bestehend aus seinen Mitgliedern Dahlmann, Albrecht, Basser­ mann und Jordan ein, wobei im Wesentlichen Dahlmann und Albrecht mit dem Verfassungsentwurf beschäftigt waren, vgl. Bleek, S. 292. Nach der Synopse bei Hübner, S. 104, zu urteilen fertigte Albrecht unter dem 14.04.1848 einen Vorentwurf, der einen Artikel IV mit der Überschrift „Grundzüge der Verfassungen der einzelnen Staaten“ und darin einen § 24 mit dem 110

I. Geschichten der „Grundrechte“  

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bis 18. Mai 1848 tagenden Fünfzigerausschuss der Vorparlaments115, dem auch Venedey angehörte. Dass die zunächst wohl ungewohnte Metapher dann schnell akzeptiert wurde, ist allein mit ihrer metaphorischen Angemessenheit gemessen an der politischen Situation, dem vorbestehenden Sprachgebrauch und den Zielen der Rechte zu erklären, für die in einer revolutionären Bewegung zur Gründung eines politisch vereinigten Reiches logischerweise Bedarf nach einem neuen und einheitlichen Begriff bestand. Der „Grund“ als materielle Zentralmetapher des Verfassungsprojekts leuchtete ein, wurde die Schaffung neuer, stabiler staatlicher Strukturen doch allgemein in der Metapher des Hausbaus begriffen; insbesondere eine „Verfassung aufzubauen“ gehörte zum gängigen Sprachgebrauch.116 Umgekehrt wurde die (befürchtete) Eliminierung überkommener politischer Strukturen, insbesondere in der Erinnerung der Französischen Revolution und ihrer Folgen bis hin zum bonapartistisch dekonstruierten Europa, als metaphorisches Schreckensszenario mindestens eines ‚in seinen Grundfesten erschütterten Hauses‘ bis hin zu ‚Ruinen‘ der alten Ordnung Inhalt „Das Reich gewährleistet dem Volk, den einzelnen Regierungen gegenüber, folgende Grundrechte und Einrichtungen […]“ vorsah. Für die 16. Sitzung des Siebzehneraussschusses am 20.  April 1848 protokolliert Petri, S.  72 f., lapidar, es sei beschlossen worden, statt der im Entwurf enthaltenen Überschrift des Art. IV die Überschrift „Grundrechte des deutschen Volkes“ zu setzen und auf Antrag Uhlands die Eingangsworte des § 24, späteren § 25 zu verändern. Dagegen hält Droysen, S. 74, nach ausführlicher Darstellung eines Vorbringens Uhlands, fest: „Dahlmann: Wir hatten früher die Überschrift ‚(gewährleistete) Grundrechte des Volkes‘. So wird denn angenommen und nach Uhlands Antrag die Einleitung modifiziert.“ Der Entwurf des Siebzehnerausschusses vom 25.04.1848 enthält schließlich entsprechend einen Artikel IV mit der Überschrift „Grundrechte des deutschen Volkes“ und darin einen § 25 mit dem Inhalt „Das Reich gewährleistet dem deutschen Volke folgende Grundrechte, welche zugleich der Verfassung jedes einzelnen deutschen Staates zur Norm dienen sollen […]“, Jucho (1848b), S. 280. 115 Vgl. Jucho (1848b), S. 56. 116 Abg. Jaup in Jucho (1848c), S. 135: „dem kräftigen Aufbaue der neuen Bundesverfassung“; Abg. Colonius, a. a. O., S.  144: „daß auf der Grundlage der Freiheit und Sicherheit der Person und des Eigenthums die Verfassung Deutschlands […] aufzubauen […] sei“. Die Präambel des Verfassungsentwurfs des Siebzehnerausschusses lautete: „Da nach Erfahrung eines ganzen Menschenalters der Mangel an Einheit in dem deutschen Staatsleben innere­ Zerrüttung und Herabwürdigung der Volksfreiheit, gepaart mit Ohnmacht nach Außen hin, über die deutsche Nation gebracht hat, so soll nunmehr an die Stelle des bisherigen deutschen Bundes eine auf Nationaleinheit gebaute Verfassung treten“, Bleek, S. 295 (Herv. d. Verf.). Die Sammlung der Protokolle der Vorparlaments beginnt in der Einleitung, Jucho (1848a), S. III, mit den Worten: „Als das französische Volk im Jahre 1789 aufstand, seine Freiheit zu erringen, war es bald genöthigt, einen völlig neuen Bau auszuführen“. Es ließen sich unzählige weitere Beispiele anführen. Die Metaphorik wurde auch von Gegnern des Nationalstaates bemüht, so in der Erklärung zum Königlich Bayerischen Entwurf einer deutschen Gesammtverfassung im Sommer 1848, in Roth/Merck, S. 385 (404): „Die nationale Einheit kann nur das Resultat freier und wahrhafter Einigung aller verschiedenen Interessen, Gegensätze und Rechte sein. Auf der Grundlage der neuerrungenen und alten Freiheiten wie Rechte, auf der Grundlage unserer bestehenden konstitutionellen Staatsformen allein kann das neue­ Gebäude des deutschen Bundesstaates auferbaut werden. Diese müssen das Fundament des Gebäudes bleiben.“

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E. Ausblick auf eine methodische Metaphorologie der „Grundrechte“ 

zum Ausdruck gebracht.117 So sprach für sie erstens, dass in ihr die Bedeutung der ‚Neugründung‘ eines stabilen Staatsgebildes anklang. In der Metapher des Grundes fand sich zum Zweiten das Volk als Orientierungsgröße der Demokraten wieder, die der Abgeordnete Biedermann ausdrücklich in die Metapher der ­„Basis“ übersetzt; ganz zu Beginn des Vorparlaments hatte es als Argument für den Eintritt in die Diskussion über die „Volksrechte“ geheißen, man solle „nicht mit dem Dach anfangen, ehe man ein Fundament hat und nicht die Rechte der Fürsten zur Diskussion bringen, ehe von den Rechten des Volkes die Rede ist“.118 Drittens passte sie zur ebenfalls im obigen Zitat des Abgeordneten Jaup angesprochenen normativen Funktion dieser Rechte als Mindestrechte jedes Deutschen, wobei der darin zum Ausdruck kommende Gleichberechtigungsgedanke als wichtiges Strukturelement eines gemeinsamen deutschen Nationalstaates erkannt wurde.119 Auch in diesem Sinne „waren die ‚Grundrechte des deutschen Volks‘ […] nicht nur ein Palladium der individuellen Freiheit, sondern zugleich ein Symbol der nationalen Einheit“.120

II. Historische Kontexte der Genese der Grundrechte Die These der drei sich in wechselseitiger Beeinflussung entwickelnden Bedeutungen der „Grundrechte“, primär im Sinne der Grund- und Hausherrschaft, sekundär der Staaten und erst drittens im bürgerrechtlichen Sinne, muss innerhalb weiter gezogener Kontexte Plausibilität beweisen. Eine Metapher hat zunächst strukturell immer zwei Basiskontexte, nämlich denjenigen ihres Zielbereichs und denjenigen ihres Quellbereichs. Der Zielbereich ist umso wichtiger, desto leichter 117

Vgl. etwa Schulz, S. 427: „Die Erschütterungen der französischen Revolution […] hatten größere Massen als je zuvor aus der beschränkten Sphäre häuslicher Interessen gerissen und zu allseitigem Kampfe in die verschlungenen Bahnen eines bewegten öffentlichen Lebens gedrängt. So verläßt der Bürger die sich sicher geglaubte Wohnung, wenn im Erdbeben ihre Pfeiler bersten: […] und wenn die erste Gefahr beseitigt scheint, so erhebt sich neuer Streit über den Trümmern der Habe und über den Plan der Bauten, die aus den Ruinen sich erheben sollen.“ 118 Abg. Wesendonk, in: Jucho (1848c), S. 19 (20). Vgl. die Aussage des Präsidenten ebd., S. 22 f., gegen die Erörterung der Frage des Staatsoberhauptes: „(…) es kommt mir ebenfalls sonderbar vor, dass man mit der Spitze anfangen will. Die Vertretung des Volks ist die Hauptsache (…).“ 119 „[…] damit ein deutsches Bürgerrecht eine Wahrheit werde“, so der Präsident in Jucho (1848c), S. 141, 159 f.; zur Mindestmaßfunktion auch etwa der Abg. Jaup, ebd., S. 134. 120 Huber, S. 782. Vgl. auch den Bericht des Verfassungsausschusses der Frankfurter Nationalversammlung am 3. Juli 1848, in: Wigard/Stoll, S. 681 f.: „das Verfassungswerk, welches jetzt unternommen ist, soll ja die Einheit und Freiheit Deutschlands, das Wohl des Volkes für die Dauer begründen. Es soll einen großen Wendepunkt in der deutschen Geschichte bezeichnen, und auch für späte Geschlechter sich noch segensreich erweisen. Das kann aber nur dann mit Zuversicht erwartet werden, wenn auch jene Volksrechte dem festen Bau eines einheitlichen, nationalen Staatswesens als dessen Bestandteile eingefügt, und jeder einseitigen Einwirkung des Particularismus und der Sonder-Interessen entzogen werden.“

II. Historische Kontexte der Genese der Grundrechte  

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man Metaphern für „tot“ hält (so verhält sich im Ergebnis die juristische ­Praxis). Der Quellbereich wird hingegen umso wichtiger sein, desto progressiver das jeweilige Erkenntnisinteresse ist: seine Darstellung dient der Remobilisierung einer usualisierten Metapher, sei es um ihre Angemessenheit unter den jeweiligen historischen Bedingungen als überholt zu erweisen, sei es um zeitgemäße Aktualisierungsmöglichkeiten auszuloten (so methodologisch im überschreitenden Retransfer die metaphorisch-imaginative heuristische Methode nach Jain). Jeder Basiskontext steht selbst wiederum in spezifischen historischen Kontexten, die für die Untersuchung einer Metapher bezogen auf den Quellbereich strukturell ferner liegen als diejenigen des Zielbereichs. Zu diesen Kontexten gehören ins­besondere metaphorologische Zusammenhänge aus Längsschnitts- wie aus Querschnitts­ perspektive. 1. Die Entwicklung des modernen Staates im Hintergrund („Obrigkeit“ und „Untertänigkeit“, „Souveränität“ und „Subjektivität“, „Bürger“ und „Land“ etc.) Den Zielbereich der metaphorischen Bedeutungen der „Grundrechte“ stellt im Wesentlichen die dynamische Entwicklung von Staatlichkeit im weiteren Sinne – in der von Koselleck als „Sattelzeit“ gekennzeichneten Epoche – dar, die in den konfessionellen Bürgerkriegen Europas ihre Anfänge nimmt, ihre weltpolitischen Höhepunkte in den europäischen Revolutionswellen zwischen 1789 und 1848 entfaltet und spätestens mit der Gründung des Deutschen Reichs 1871 abgeebbt ist. Im Kontext ihrer Geschichte, wie sie im letzten Jahrhundert einflussreich durch­ Foucault, Habermas, Koselleck und Luhmann niedergeschrieben wurde und im Folgenden nur in den Grundzügen widergespiegelt werden soll, plausibilisiert sich der angedeutete Verdachtskomplex weiter.121 a) Feudalistische Herrschaftsordnung Am Anfang steht eine auf Grundherrschaft basierende Gesellschaftsstruktur122, in der sich auch die normative Kraft eines klassischen Musters ausprägt: die bürgerliche Stellung im griechischen Stadtstaat basierte auf der Stellung des Oiko­ despoten, des Hausherrn.123 Dessen ans Haus gebundene Privatautonomie umfasste 121 Die folgende Absätze (a. bis e.), die aus der parallelen Lektüre der in den Fußnoten hauptsächlich genannten Autoren resultieren, wurden weit überwiegend im Sinne einer Inhalts­ collage zusammengesetzt. Wörtliche Übernahmen sind insoweit nur ausnahmsweise als solche markiert. Es ist deshalb bei der Lektüre der genannten Absätze stets zu Ungunsten des Verfassers zu vermuten, dass nicht er der Urheber der gebrauchten Formulierungen ist; im Zweifel deutet das nächste Fußnotenzeichen auf die Urheberschaft hin. 122 Auch im Folgenden Habermas, S. 56 ff., 60. 123 Vgl. insoweit auch Luhmann (2012 [1989]), S. 12, 14.

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E. Ausblick auf eine methodische Metaphorologie der „Grundrechte“ 

die Befehlsgewalt über die Hauswirtschaft einschließlich Leben und Tod der dort lebenden Sklaven und Frauen. Ihr korrespondierte die Fähigkeit zur Teilnahme am öffentlichen Leben: an Marktgespräch, Gericht, Beratung und Krieg. Auch unter den Bedingungen der feudalen Grund- und Lehnsherrschaft ist das Haus der „Herrn“ (auch „Burg“) der Mittelpunkt aller Herrschaftsverhältnisse124, allerdings in einem Sinne, der sich nicht als öffentlich oder privat kategorisieren lässt; private und öffentliche Herrschaftsbefugnisse haften als untrennbare Einheit an Grund und Boden. (Grund-)Eigentum steht zugleich für Unabhängigkeit und (politischmilitärische) Abkömmlichkeit und gilt deshalb als wichtigstes Merkmal persönlicher Individualität und öffentlicher Bedeutung.125 Bei voller Verwirklichung des Feudalismus wäre das gesamte Regierungssystem Teil der ­Eigentumsordnung.126 Diese Gesellschaftsstruktur ist zugleich eine solche, die nach Luhmann auf Stratifikation beruht, das heißt, sie benutzt „Schichtung als ihr primäres Einteilungsprinzip“, gliedert sich „in höhere und niedere Schichten in dem Sinne, dass jede Schicht ein gesellschaftliches Subsystem wird, das andere (höhere bzw. niedere)  Schichten als seine Umwelt behandeln kann“.127 Allerdings sind die internen Beziehungen komplizierter als es im Prinzip erscheint. Man kann Landesherr, Lehnsmann und Untertan zugleich sein, und der Landsasse des einen Landesherrn kann zugleich in lehnsrechtlichen Beziehungen zu einem anderen Landesherrn stehen; Grawert spricht von einem fast unüberschaubar differenzierten und dadurch erstaunlich ausbalancierten Herrschaftssystem.128 Unter diesen Bedingungen kann es zum Beispiel nicht die heutigen Begriffe von Staatsangehörigkeit129 und Souveränität130 geben; das Wort souverain kennzeichnet zunächst einen mobilen Relationsbegriff, der auf alle großen Landesherren in ihrer Rangfolge an­ gefangen beim König bis hin zum Baron angewendet wird.131 In diesem Gefüge legt sich eine Entscheidungsstruktur an, die als „ständischer Dualismus“132 charakterisiert wird und deren Grund eine Differenzierung zwischen dem Landesherrn, dem Fürsten als Oberstem der Obrigkeit, und dem in 124

Vgl. auch Brunner, S. 254 ff. Luhmann (2012 [1989]), S. 15, 18; vgl. Brunner, S. 412; Habermas, S. 59. 126 Rittstieg, S. 5. 127 Luhmann (1993 [1980]), S. 72, mit der interessanten Bemerkung, man finde in entwickelten Gesellschaftssystemen dieses Typs semantische Darstellungen, die die Einheit des Differenzierten erklärten oder doch plausibel machten; dabei habe zum Beispiel die mittelalterliche Lehre von den drei Ständen durch Unterscheidung von Geistlichkeit und Adel die Einheit der Oberschicht verschleiert. 128 Insgesamt Grawert, S.  26. Auf der Kehrseite der Herrschaft stehen (hier auf die Zeit Frankreichs um 1560 bezogen) „gleitende Übergänge“ in einer „Angehörigkeitspluralität […] von – heute sogenannten – völkerrechtlichen zu staatsrechtlichen Angehörigkeitsbeziehungen, ebd., S. 114. 129 Grawert, S. 22 ff. 130 Quaritsch, S. 34 ff.; vgl. Brunner, S. 387 ff. 131 Quaritsch, S. 16 ff. 132 Brunner, S. 437 ff.; Grawert, S. 32; Habermas, S. 86 f. 125

II. Historische Kontexte der Genese der Grundrechte  

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Landstände gegliederten Landvolk, das heißt allen übrigen zum Land gehörenden Personen ist, die an der Gesamtheit der Herrschaftsrechte teilhaben, das heißt Herrschaft in irgendeiner Form ausüben.133 Der weltliche Fürst kann dabei schon deshalb nicht schlechthin souverän sein, weil er nur die Herrschaft über die Temporalien, die weltlichen Dinge, nicht aber über die Spiritualien, die geistlichen Dinge innehat (man erinnere die Zwei-Schwerter-Lehre).134 Die Rede vom Landvolk in diesem Zusammenhang erinnert daran, dass bis weit ins 18. Jahrhundert­ hinein B ­ egriffe wie populus/peuple/people in der gesellschaftlich-politischen Literatur nur auf Eigentümer angewendet worden sind.135 „C’est la proprieté qui fait le citoyen“, zitiert Luhmann Diderot. Der Fürst und das so verstandene Volk, das ist der kleinere Teil  der Bevölkerung136, „sind“ miteinander und nebeneinander das Land.137 b) Konfessionskriege und ihr Ausgang im Absolutismus Das komplizierte Geflecht von Herrschafts- und Loyalitätsbeziehungen, darin geistliche Würden inbegriffen, das die ständische Gesellschaft charakterisierte, war eine schlechte Voraussetzung für die Bewahrung seiner Balance unter den Bedingungen konfessioneller Ausdifferenzierung. Mit der Aufspaltung der Kircheneinheit gerät es aus den Fugen und in den Bürgerkrieg: „Damit geschieht ein tiefer Einbruch in die Stellung der Untertanen, die bisher ihren Platz hatten in einem mannigfachen, wenn auch aufgelockerten Verantwortungsgefüge […] In dem Hin und Her der Verfolger und der Verfolgten, die ihre Rollen ständig tauschten, der Opfer und der Henker, blieb nicht der übrig, der seinem Glauben treu blieb, sondern der, der den Frieden suchte um des Friedens willen. […] Der Kluge ziehe sich in die Geheimkammern seines Herzens zurück, dort bleib er sein eigener Richter, die äußeren Taten seien dem Urteil und Gericht des Herrschers zu unterwerfen.“138

Plakativ wird das Religiöse im Augsburger Religionsfrieden von 1555 einem politischen Kompromiss („cuius regio, eius religio“) unterworfen und damit sein Primat gebrochen.139 Der Staat wird zum Instrument der Pazifizierung der Religion.140 Der absolutistische Fürst rückt in die aufgebrochene Lücke zwischen das Land und Gott. Hierarchie, die „heilige Ordnung“ aus der mittellateinischen Kirchensprache141, wird zum Begriff einer Ordnung nicht mehr nur von Graden, son 133 Vgl. Brunner, S. 411 ff. Grawert, S. 31, unterscheidet sie deshalb als „Herrschaftsstände“ von „sozialen Ständen“. 134 Vgl. Quaritsch, S. 35 ff. 135 Auch im Folgenden Luhmann (2012 [1989]), S. 17, 40 f. 136 Luhmann (2012 [1989]), S. 17 (Herv. d. Verf.). 137 Auf Gierke zurückgehend Brunner, S. 437 ff.; Habermas, S. 61; vgl. Quaritsch, S. 44 f. 138 Koselleck, S. 14 f. 139 Vgl. auch im Folgenden Koselleck, S. 13; Quaritsch, S. 48 ff. 140 Luhmann (2012 [1989]), S. 139. 141 Pfeifer (2010), s. v. „Hierarchie“.

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E. Ausblick auf eine methodische Metaphorologie der „Grundrechte“ 

dern von Weisungsbefugnissen, was angesichts der politischen Unruhen als Bedingung von Frieden und Ordnung schlechthin gesehen wird.142 Aus dem Einen an der Spitze der Hierarchie als Ursprung und Grund der politischen Gewalt, direkt von Gott beauftragt, geht das Viele hervor.143 Der Souverän steht außerhalb, oberhalb des Systems der Stratifikation.144 Der Dualismus zwischen Landesherr/Fürst und Landständen hatte sich schon einige Zeit vom gemeinsamen Handeln in den Modus des Verhandelns miteinander gewandelt, Fürstenmacht auf der einen Seite und Durchbildung der ständischen Organisation auf der anderen Seite hatten den Dualismus dahingehend gesteigert, dass sich nun in spätbarocker Zuspitzung des ständischen Feudalismus Landesherr und Land gegenüberstehen.145 Im absolutistischen Herrscher findet die stratifizierte Gesellschaft ihren pointierten Höhe- und Wendepunkt. Dies hat vielfältige Folgen. In ihrem Mittelpunkt steht die Geburt des modernen Staates. Dieser wird allein in der Person des absoluten Fürsten repräsentiert (man denke an das Ludwig XIV., dem Sonnenkönig – aus dessen Amtszeit von 1643 bis 1715 der früheste Nachweis des Begriffs „droit fondamental“ stammt146 – zugeschriebene Wort „L’État c’est moi“), zwischen Fürst und Staat kann zunächst nicht unterschieden werden.147 (Die Landstände sind folglich nicht mehr das Land, sondern bilden repräsentative, idealtypisch höfische Öffentlichkeit.148) Fürst und Staat sind theoretisch identisch und als solches souverän. Kraft der absoluten Souve­ ränität wird das Innere des Staates scharf abgegrenzt gegen die Innenräume anderer Staaten; dass der Innenraum des Staates mit dem absolut freien Gewissen des Fürsten identifiziert wird, ist nach Koselleck erhebliches Moment für die Identifikation der Staaten als „moralische Personen“, aus der heraus sich völkerrechtliche Verbindlichkeit entfaltet.149 Die Souveränität ist nach Innen noch weniger beschränkt als nach außen; was schon von der formalen Gleichordnung im Völkerrecht her gesehen rechtlich gilt, gilt – wegen der Durchsetzungsmacht des letzten Wortes allein im Innern  – erst recht faktisch.150 Beide Wirkungskreise der Souveränität basieren auf der Zurückhaltung gesinnungsmoralischer Ver­ urteilung.151

142

Auch im Folgenden Luhmann (2012 [1989]), S. 12 f. Luhmann (2012 [1989]), S. 132 f. 144 Luhmann (1993 [1980]), S. 119 f.; Luhmann (2012 [1989]), S. 129 f. 145 Vgl. Brunner, S. 438 f. 146 s. oben E.I.1.b). 147 Koselleck, S. 49; Luhmann (2012 [1989]), S. 108 ff. 148 Vgl. Habermas, S. 64 f. 149 Koselleck, S. 32. 150 Vgl. Quaritsch, S. 54 ff., 62 ff., 100. 151 Vgl. Koselleck, S. 37. 143

II. Historische Kontexte der Genese der Grundrechte  

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c) Ökonomie in der Frühmoderne Diese Entwicklung hat Voraussetzungen im Bereich der Wirtschaft. Seit dem 13. Jahrhundert entwickelt und breitet sich in Europa der frühe Finanz- und Handelskapitalismus aus.152 Der Frühkapitalismus erscheint konservativ, der alten, feudal gebundenen landwirtschaftlichen Produktionsweise einer unfreien Bauernschaft und der städtischen Kleinwarenproduktion dienend. Im Fernhandel, institutionalisiert zum Beispiel in „Messen“ und „Börsen“ als Spezialisierungen der alten, städtischen Märkte, entwickelt sich jedoch ein „Tauschverkehr“, über den sich „ein weitgespanntes horizontales Netz ökonomischer Abhängigkeiten, die sich im Prinzip nicht mehr den, auf Formen der geschlossenen Hauswirtschaft basierenden, vertikalen Abhängigkeitsverhältnissen des herrschaftsständischen Systems einordnen lassen.“153 Hiermit ist der Wandel angesprochen, den Luhmann als „Umbau einer stratifizierten in eine funktional differenzierte Gesellschaft“ beschrieben hat154; die funktionale Differenzierung ist durch die Bildung von Teil­systemen gekennzeichnet, die jeweils einen spezialisierten Bezug haben (Wirtschaft, Politik, Justiz, Erziehung, Forschung, Kunst …) und „nicht in eine allgemein gültige Rangordnung gebracht, […] also nicht wie Schichten hierarchisiert werden können“.155 Der Absolutismus bedeutet die Trennung von Eigentum und Politik, denn der Monarch bildet als Monopol der staatlichen Gewalt nicht zugleich ein Monopol des (Grund-)Eigentums; dadurch wird erst das primär wirtschaftliche Verständnis des Eigentums in der modernen Gesellschaft möglich.156 Die Trennung ist aber ihrerseits nur möglich durch die begonnene Transformation der Gesellschaft in eine „commercial society“, in der jede und jeder in fast allen Hinsichten vom Geld, also vom Markt abhängt.157 Das ständische, auf unveräußerlicher Grundherrschaft basierende Eigentum wird von Geld als mobilem Vermögen, als Tauschwert abgelöst. So wird Eigentum im Laufe des 18. Jahrhunderts mehr und mehr nur noch als ein Aspekt der Geldwirtschaft, als Funktion von Produktion, Handel und Kredit aufgefasst, nicht mehr, wie noch um die Jahrhundertwende als Grundlage der Ständeordnung und der politischen Herrschaft.158 Die moderne Ökonomie orientiert sich nicht mehr am Oikos, an die Stelle des Hauses ist der Markt getreten.159 Durch die Ausbreitung der marktwirtschaftlichen Beziehungen entsteht die Sphäre des „Sozialen“, die die Schranken grundständischer Herrschaft durchbricht.160

152

Auch im Folgenden Habermas, S. 69 ff. Habermas, S. 71 (Herv. d. Verf.). 154 Luhmann (2012 [1989]), S. 67. 155 Luhmann (1993 [1980]), S. 27. 156 Vgl. Luhmann (2012 [1989]), S. 12 f., 15, 46 f. 157 Luhmann (2012 [1989]), S. 45. 158 Luhmann (2012 [1989]), S. 20, 45. 159 Habermas, S. 76 f. 160 Auch im Folgenden Habermas, S. 225. 153

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E. Ausblick auf eine methodische Metaphorologie der „Grundrechte“ 

d) Staat in der Frühmoderne Der Staat ist die aus der kapitalistischen Relativierung und religionskriegerischen Desavouierung des Feudalismus als Friedensordnung historisch ernötigte Form obrigkeitlicher Verwaltung. Mit dem absolutistischen „Ausbau des Territorialstaates“161 geht die „Kapitalisierung des Territoriums162“ (Foucault) einher, das (ebenso wie „die Bevölkerung“163) mit dem Staat und seiner im Fürsten integrierten Souveränität erst und immer schärfer heutigen Verständnissen entsprechend gedacht wird.164 Der Staat bezeichnet synonym das Land und seine Regierungsverwaltung.165 Luhmann spricht in seiner Theorie interessanterweise von der Ausdifferenzierung von „Zentren politischer Macht“ auf der „Grundlage von Stratifikation und/oder Zentrum/Peripherie-Differenzierungen“166; die metaphorische Schnittstelle im Hintergrund dieser beiden Differenzierungsarten ist Sonne, die zugleich (aus geozentrischer Perspektive) zuhöchst und (aus heliozentrischer Perspektive) das Zentrum ist.167 Das Zentrum ist in der Hausbildung des Territorialstaats ein virulentes Thema, weil sich in ihm das Problem einer Herrschaft ohne Grundeigentum über solches hinweg in aller Schärfe stellt. Eine Facette der Zentralisierung der Macht zur administrierten Staatsgewalt liegt darin, dass das Land von der Stadt aus der Distanz beherrscht wird, was einerseits nur im Vergleich zur Grundherrschaft personell gelockert möglich ist und andererseits den Bedürfnissen der ‚Marktwirtschaft‘ entgegenkommt. Was also die frühen Staaten deutlich von ihren Vorformen unterscheidet, ist die Erstreckung der Herrschaft der Stadt auf das umgebende Land.168 Darin ist eine Ver 161

Grawert, S. 32. Nach Grawert, S. 80, im 16. und 17. Jahrhundert „Grundlage, Grenze und gebietliches Substrat der politischen Herrschaft“. 163 Vgl. Foucault (2006 [1978]), S. 69 ff. 164 Vgl. Foucault (2006 [1978]), S. 35, 39 f. Entsprechend Habermas, S. 65 f., 73: „auf der Basis der frühkapitalistischen Verkehrswirtschaft“ seien „die nationalen und territorialen Machtstaaten entstanden“, hätten „sich die National- und Territorialwirtschaften zugleich mit dem modernen Staat“ herausgebildet. 165 Vgl. Luhmann (2012 [1989]), S. 146. 166 Luhmann (2012 [1989]), S. 67; vgl. ebd. S. 145 f., wonach der Charakter der frühneuzeitlichen (mitteleuropäischen) Staaten als Einheit der Differenz von Zentrum und Peripherie zu beschreiben ist. 167 Weiter unten E.IV.1. und 3. sowie Luhmann (1993 [1980]), S. 120, wo in zwei aufeinander folgenden Sätzen von „Hierarchie“, „Prinzip der Spitze“, „Zentralfürst“ (sowie weiteren Orientierungsmetaphern) und „religiöser Kosmologie“ die Rede ist. 168 Luhmann (2012 [1989]), S. 145; Habermas, S. 74: „Die alte Operationsbasis der städtischen Heimatgemeinden erweitert sich [so] zur neuen des staatlichen Territoriums. Es beginnt jener Prozess, den Heckscher als die Nationalisierung der Stadtwirtschaft beschrieben hat“. Vgl.­ Foucault (2006 [1978]), S. 29 f., der eine über den räumlich ideal situierten Staat nachdenkende Primärquelle aus dem Jahr 1682 (Alexandre Le Maître, „La metropolitée“) wiedergibt: „Der Staat […] ist in Wirklichkeit aus drei Elementen zusammengesetzt, drei Ordnungen, drei Ständen nämlich, den Bauern, den Handwerkern und dem, was er […] den dritten Stand […] nennt, der seltsamerweise der Souverän ist […]. Im Verhältnis zu diesen drei Elementen 162

II. Historische Kontexte der Genese der Grundrechte  

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wandlung des bisherigen Privilegs des „Bürgertums“ zu sehen, abgeschottet hinter dem Wall der befestigten Stadt zu wohnen inmitten der gefährlichen Welt der Wanderung von Pilgern, Hausierern, Soldaten und Exilierten.169 Nun war es in Städten als Verwaltungssitzen und Hauptumschlagsplätzen für mit immer mehr Energie zirkulierende Waren den politisch wesentlichen gesamtgesellschaftlichen Prozessen regelmäßig unmittelbar gegenwärtig und profitierte von dieser Nähe.170 Doch die Bürger verlieren durch die Integration in die Staatseinheit auch an politischer und ökonomischer Eigenständigkeit171 und mit dem durch die ökonomische Entwicklung motivierten „Wegfall der Festungsmauern“ auch an Sicherheit, woraus der ausgeprägt polizeiliche Charakter des Staates resultiert.172 Die „eigentlichen“ Bürger steigen ab, es gewinnen diejenigen, die insbesondere von­ Habermas als „Bürgerliche“ bezeichnet werden: die „Kapitalisten“, Händler, Bankiers, Manufakturisten, Verleger, Gelehrten als sozialer Stand, der sich nicht über den Wohnsitz in der Stadt mit Bürgereid definiert.173 Die Diffusion der räumlichen und ständischen Grenzen durch den Finanz- und Handelsverkehr führt insgesamt zur Polarisierung des Herrschaftsgefüges. Die Rechtshoheit des Fürsten realisiert sich in Gesetzen, die im 17. Jahrhundert zunehmend den Untertanenstatus definieren174; dabei verwandelt sich Grundherrschaft in „Polizei“.175

muss der Staat wie ein Gebäude sein. Das Fundament dieses Gebäudes, das in der Erde, unter der Erde ist, das man nicht sieht, das jedoch die Solidität des Ganzen sichert, sind gewiss die Bauern. Die gemeinschaftlichen Teile […] sind selbstverständlich die Handwerker. Was die edlen Teile […] anbelangt, dies sind die Beamten des Souveräns und der Souverän selbst. Von dieser architektonischen Metapher ausgehend soll auch das Territorium sein Fundament, seine gemeinschaftlichen Teile und seine edlen Teile umfassen. Das Fundament ist das Land, und auf dem Land sollen […] all die Bauern […] wohnen. Zweitens, in den Kleinstädten, sollen all die Handwerker und Händler wohnen. Und in der Hauptstadt schließlich, dem edlen Trakt des Staatsgebäudes, sollen der Souverän, seine Beamten und diejenigen Handwerker und Händler wohnen, die unentbehrlich sind für den Betrieb des Hofes selbst und das Gefolge des Souveräns. […] Es muss ein geometrisches Verhältnis [zwischen dieser Hauptstadt und dem Rest des Territoriums, d. Verf.] in dem Sinne sein, dass ein ordentliches Land im Grunde ein Land ist, das die Form eines Kreises hat und dessen Hauptstadt sich schon im Zentrum dieses Kreises befinden muss. […, E]s muss auch eine politische Beziehung gegeben sein, derart, dass die Erlasse und Gesetze eine Art von Verwurzelung in einem Territorium aufweisen müssen, damit auch nicht das kleinste Fleckchen des Königreichs diesem allgemeinen Netz von Gesetzen und Erlassen des Souveräns entgeht.“ 169 Eindrücklich Virilio, S. 14 ff. 170 Vgl. Foucault (2006 [1978]), S. 52: Der Souverän des Territoriums war „zum Architekten des disziplinierten Raumes geworden […], aber auch, und beinahe gleichzeitig, zum Regulator eines Milieus, in dem es nicht sosehr darum geht, Grenzlinien zu ziehen, Grenzen fest­zusetzen oder Standorte zu bestimmen, sondern vor allem und im wesentlichen darum, Zirkulationen zuzulassen, zu gewährleisten, sicherzustellen: Zirkulation von Leuten, Zirkulation von Waren, Zirkulation von Luft etc.“; vgl. zur Nähe Habermas, S. 89, 92. 171 Vgl. Grawert, S. 56 ff.; Habermas, S. 82. 172 Vgl. Foucault (2006 [1978]), S. 37, 98 ff. 173 Habermas, S. 80 f. 174 Auch im Folgenden Grawert, S. 34 f., S. 59. 175 Habermas, S. 75.

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E. Ausblick auf eine methodische Metaphorologie der „Grundrechte“ 

Das allgemeine Gesetz als rationelles176 Instrument distanzierter, regulierender Herrschaft macht selbige und Untertänigkeit zu unvereinbaren Gegenpositionen. „Diese Alternative von Herrschaft und Untertänigkeit, Oben und Unten usw., die im Verhältnis Gottes zum Menschen abgesichert wird, hat insofern einen aktuellen politischen Ertrag, als sie die Mitregierung der Landstände ausschließt, ihre Mitwirkung auf die Stufe untertäniger Beratung stellt“; aufgrund und mit Hilfe des Gesetzes wird das Band zwischen Herrscher und Untertan verhältnismäßig direkt ausgestaltet.177 Die individuelle Zuordnung zur auf die zentrale Regierungsinstanz bezogenen, staatsangehörigen Bevölkerung aufgrund jedenfalls formal ständisch neutraler Merkmale, die auf das Territorium bezogen sind (wie insbesondere Geburtsort oder Domizil178) verdrängt auf dem Weg in Richtung eines Staatsangehörigkeitsrechts im heutigen Sinne die für den Feudalismus typischen zweiseitigpersonalen Bindungen.179 Aus dieser Perspektive stehen sich anstelle des Fürsten und der Landstände (als Land) nun die souveräne Gewalt und die ihr Unterworfenen (mit dem Staatsgebiet gleichgesetzt) gegenüber:180 In der Herstellung eines geschlossenen Untertanenverbandes wird nach Habermas zugleich das Negativ der bürgerlichen Gleichheit hergestellt: Alle, außer dem einen König, sind gleichermaßen Untertanen.181 An diesen Sachverhalt in der fortgeschrittenen Variante der „Bevölkerung“ knüpft Foucault die Entwicklung dessen an, was er als „Gouvernementalität“182 kennzeichnet. Mit ihrer Herausbildung hat die Stratifikation der Gesellschaft im Sinne Luhmanns, die im Absolutismus noch gleichsam ihre Schlusspointierung 176

Quaritsch, S. 58 f., sieht den Grund für die Etablierung der Rechtsetzung als primärer wie normaler Aufgabe des Staates gerade auch in der ökonomischen und sozialen Differenzierung, der die von der ständestaatlichen Konzeption vorausgesetzte Harmonie der Werte, Interessen und folglich auch Rechtsvorstellungen zum Opfer gefallen sei. 177 Grawert, S. 109 f. 178 Grawert, S. 83: „das Domizil [erscheint, d. Verf.] als Konkretisierung und Individualisierung des Territoriums“. 179 Vgl. Grawert, S. 29 f., 78, 118. 180 Vgl. Luhmann (2012 [1989]), S. 86 f. 181 Habermas, S. 134; Grawert, S. 40 (Fn. 20), 56, historische Quellen aus der Mitte bis zum Ende des 18. Jahrhunderts zitierend: „Im Hauptwerk selbst seynd alle Unterthanen gleich“; Koselleck, S. 14: „Die absolute Verantwortlichkeit des Souveräns erfordert die absolute Beherrschung aller Subjekte und setzt sie voraus. Nur wenn alle Untertanen in gleicher Weise dem Herrscher unterworfen sind, kann dieser die Verantwortung für Frieden und Ordnung­ allein übernehmen.“ 182 Vgl. Foucault (2006 [1978]), S. 162 f., mit der grundlegenden, hier anlassgemäß verkürzten Definition: „Ich verstehe unter ‚Gouvernementalität‘ die aus Institutionen, den Vorgängen, Analysen und Reflexionen, den Berechnungen und den Taktiken gebildete Gesamtheit, welche es erlauben, diese recht spezifische, wenn auch sehr komplexe Form der Macht auszuüben, die als Hauptzielscheibe die Bevölkerung, als wichtigste Wissensform die politische Ökonomie und als wesentliches technisches Instrument die Sicherheitsdispositive hat. Zweitens [..] ‚Regierung‘ […] Schließlich […] das Ergebnis des Vorgangs […], durch den der mittelalterliche Staat der Gerichtsbarkeit, der im 15. und 16. Jahrhundert zum Verwaltungsstaat wurde, sich nach und nach ‚gouvernementalisiert‘ hat.“

II. Historische Kontexte der Genese der Grundrechte  

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erfährt, den Scheitelpunkt ihrer Entwicklung bereits hinter sich gelassen. Verwaltungssoziologisch ist damit die „Herausbildung moderner Staatsbürokratien“ angesprochen, die im Ausgang des Absolutismus in der Verselbstständigung des Staatsapparates (in der Stadt) gegenüber der persönlichen Sphäre des Monarchen, vergegenständlicht in seinem Hof (häufig außerstädtisch gelegen – man denke an Versailles und Potsdam) liegt.183 Es tritt an die Stelle des Souveräns die Regierung und an die Stelle der Untertanen die „Bevölkerung“.184 Die „Bevölkerung“ ist einerseits der Begriff der Bewohnerinnen und Bewohner des Territoriums als ökonomische Größe, als technisch-politisches Objekt der öffentlichen Verwaltung, als die Basis des Reichtums und der Macht des Staates.185 Das politische Denken sucht und findet unter diesen Bedingungen in der „Staatsräson“ eine Eigenrationalität186, in der sich Regierung als Teilsystem ausbildet.187 Im Rahmen dieser Entwicklung des Staates – bis heute mehrdeutig mal (aus der inneren Perspektive) synonym mit dem Regierungsapparat, mal (aus der äußeren Perspektive) synonym mit der Staatsgesellschaft, mal (geopolitisch) synonym mit ihrem Territorium – kann die internationale Rivalität der Fürsten erst in eine Konkurrenz der Staaten über­gehen188 und sich Souveränität in Gedanken losgelöst vom alten Souverän bewegen. e) Privatheit, Gesellschaft und Öffentlichkeit in der Frühmoderne Die Bevölkerung ist andererseits das, was man Öffentlichkeit nennt; Öffentlichkeit ist die Bevölkerung unter dem Aspekt ihrer Meinungen betrachtet.189 Meinung ist der formal reflexive und inhaltlich relative Aggregatzustand subjektiven Dafürhaltens unter den Bedingungen einerseits des Leviathans (1651) und andererseits sozialer Differenzierung, der das religiös erhärtete Gewissen ablöst.190 Die Reflexion und Relativierung des individuellen Dafürhaltens und ihre Entwicklung zur Meinung setzt voraus, dass sich zufällige Bevölkerung als Gesellschaft begreift. Dieser komplexe Prozess hat einen von Koselleck in den Vordergrund gestellten moralischen und einen von Habermas in den Vordergrund gestellten strukturellen 183

Habermas, S. 66, 89. Vgl. Foucault (2006 [1978]), S. 101: „Nicht mehr Sicherung des Fürsten und seines Territoriums, sondern Sicherheit der Bevölkerung und infolgedessen derer, die es regieren“, und ebd., S. 116. 185 Auch im Folgenden Foucault (2006 [1978]), S. 105 ff.; vgl. Grawert, S. 112. 186 Das Eigene dieser Rationalität liegt historisch erstens in ihrer Differenzierung gegenüber religiöser Moral: Der Staat ist die einzige Gottheit der Politiker, vgl. Foucault (2006 [1978]), S.  350 ff.; das Staatsinteresse, worüber zu entscheiden der Souverän allein befugt ist, fällt nicht mehr in die Kompetenz der Moral – „Auctorias, non veritas facit legem“ (Hobbes), vgl. Koselleck, S. 22 ff. Zweitens kann man sie – in der ersten Phase des modernen Staates – mit Foucault (2006 [1978]), S. 400 ff., 421, in seinem strikten Selbstbezug ausmachen. 187 Ausführlich Foucault (2006 [1978]), S. 335 ff., 371 ff. 188 Vgl. Foucault (2006 [1978]), S. 425 ff. 189 Foucault (2006 [1978]), S. 116. 190 Vgl. Koselleck, S. 21; Luhmann (2012 [1989]), S. 139. 184

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E. Ausblick auf eine methodische Metaphorologie der „Grundrechte“ 

Aspekt. Zunächst einmal scheint in der politischen Nivellierung der traditionellen Stände ein Moment der Gemeinsamkeit auf, der mit der historischen Erfahrung des Problems, zu überleben191, und dem sich naturwissenschaftlich anschließenden Menschenbild in Kontakt steht; im Spiegelbild der „Bevölkerung“ reüssiert im untertänigen Raum ein Blick auf das „bloß Menschliche“, der u. a. Generalität und Abstraktheit des Gesetzes verständlich macht.192 Das „bloß Menschliche“, Leidenschaft wie Vernunft, findet seinen Raum dort, wo der Staat ihn lässt: im Privaten. Der Mensch wird modellgebend bei Hobbes geteilt in eine öffentliche Hälfte, die in Handlungen und Taten restlos dem Staatsgesetz unterliegt, und eine private, nicht-öffentliche Hälfte, in der er „in secret free“ (Hobbes) sein kann.193 Diese Hälfte hat zunächst zwei Orte relativ autonomen Handelns: die patriarchalische Kleinfamilie und den Markt.194 Diese entsprechen interessanterweise den wichtigsten Handlungsplätzen des klassischen Oiko­ despoten. Aus der kleinfamilialen Privatsphäre erwachsen nach Habermas die Ideen der Freiheit, der Liebe und der Bildung, die im Sinne einer außerstaatlichen, diesseitsbezogenen Vernunft195 zum moralischen Begriff der Humanität führen werden.196 In Kaffeehäusern, Salons und Gesellschaften, schließlich in Theatern, Museen und Konzert, nicht zuletzt in der Presse (ab Mitte des 17. Jahrhunderts; 1750 wird Baumgartens Aesthetica erscheinen) fangen diejenigen an, die materiell und ideell ausreichend begütert sind, immer stärker zu kommunizieren.197 Desto stabiler politische Ordnung und ökonomischer Wohlstand sind, desto vergessener die Religionskriege, desto eindrücklicher werden die Mechanismen, mit denen die solchermaßen gestärkten, bürgerlichen Gesellschaftsgruppen ihr außerstaatliches moralisches Reich in privaten, politische Konflikthaftigkeit umgehenden Formationen emanzipieren.198 Dies geschieht in signifikanter Weise in der Konstitution von Gesellschaft durch die Analogie kleinfamilial verursachter Strukturen und Werte, wie es – von Koselleck besonders hervorgehoben – die Freimaurerlogen vollführen.199 Hier konstituieren sich Assoziationen durch die freien, d. h. pri 191

Vgl. Koselleck, S. 8, mit der Formulierung, die Leistung des Staates sei gewesen, „einen Raum zu konstituieren, in dem sich überleben ließ“. 192 Vgl. Habermas, S. 97, 119; Foucault (2006 [1978]), S. 501 f.: „Die Gesellschaft als spezifisches Feld der dem Menschen eigentümlichen Natürlichkeit wird das, was man die bürgerliche Gesellschaft nennt, gegenüber dem Staat zur Erscheinung bringen. […] Die bürgerliche Gesellschaft ist das, was das gouvernementale Denken, die neuen Formen der Gouverne­ mentalität, die im 18.  Jahrhundert entstehen, als notwendiges Korrelat des Staates sichtbar machen.“ Zum „bloß Menschlichen“ ausführlich auch Hoffmann, S. 16, 26. 193 Koselleck, S. 29. 194 Habermas, S. 109 f. 195 Koselleck, S. 31. 196 Vgl. Habermas, S. 109 ff. 197 Vgl. ausführlich Habermas, S. 99 ff. 198 Vgl. Koselleck, S. 38, 48, 53. 199 Vgl. auch im Folgenden Habermas, S. 14, 95 f.; Koselleck, insbesondere 29 f., 55 ff. Weiter unten E.II.3.

II. Historische Kontexte der Genese der Grundrechte  

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vaten Entscheidungen ihrer Gründungsmitglieder, rekrutieren ihre Mitglieder aus Freiwilligen und praktizieren im Innern egalitäre Verkehrsformen, Diskussionsfreiheit, Majoritätsentscheidungen usw. und üben retrospektiv so die politischen Gleichheitsnormen einer künftigen Gesellschaft ein.200 Die Emanzipation des sich erweiternden Bürgertums201 erfolgt – jedenfalls zunächst – in einer Dialektik von Geheimnis und Aufklärung. Es entsteht nach Habermas schon Öffentlichkeit, die noch auf Geheimhaltung angewiesen ist, und sich von Stufe zu Stufe enthüllt. Am vorläufigen Ende dieser Entwicklung hat sich eine „öffentliche Meinung“ institutionalisiert, die nicht zum Staat gehört, sondern aus sich selbst zuerkanntem moralischem Recht über diesen urteilt: 1792 ist im englischen Unterhaus erstmals und hochachtungsvoll von „public opinion“ im strengen Sinne die Rede; der Parlamentsabsolutismus, so Habermas, muss der Souveränität ihrer Subjekte schrittweise weichen.202 Die Öffentlichkeit wirkt, so ist im Rotteck- / Welckerschen Staatslexikon ab 1841 zu lesen, „wie ein öffentliches Gewissen und wie ein moralisch-politisches Censurgericht“203 nicht nur „gegen nachlässige, untreue, verfassungswidrige Anwendung der politischen Gewalt der Regenten“, sondern auch der „Beamten und Bürger“204. Die Spannung, die sich zwischen staatlicher Politik und bürgerlicher Moral dadurch aufbaut, dass die tatsächlichen Verhältnisse nicht dem gewachsenen Anspruch Letzterer genügen, erklärt die Motivation der bevorstehenden Revolutionen.205 2. Die Geschichte der „Grundrechte“ als (Grund-)Eigentumsmetapher Die „Grundrechte“ tauchen inmitten dieser als Absolutismus geprägten Phase zwischen feudalistischer Land- und konstitutioneller Staatsordnung auf. Ihr Aspekt als (Grund-)Eigentumsmetapher ist hier besonders zu würdigen, weil sich in ihr die leitende Idee, dass die bloßen Menschen „das Land“ sind, als historisches Novum verkörpert und er der deutschen Rechtskultur sonderlich eignet. Zunächst ist, als Vorlaufsform in verschiedenen Sprachen, seit spätestens 1576 die Rede von den „leges fundamentales“. Und in diesem Ausdruck findet sich in zweierlei Hinsicht metaphorisch verkörpert, was der Politik der Zeit vorausliegt, 200

Habermas, S. 14. Als neu sich formierende, heterogen zusammengesetzte Schicht und im Wesentlichen denjenigen entsprechend, die Habermas als „Bürgerliche“ bezeichnet, definiert Koselleck, S. 49 ff., diejenigen, für die im absolutistischen Staat kein ihrer Geschichte, wirtschaftlichen Macht oder Bildung adäquater Platz war: antiabsolutistischer Adel, Geldaristokratie, Bourgeoisie, Emigrierte, Bildungsbürgertum. 202 Habermas, S. 131 f. Vgl. zum Parlamentsabsolutismus Koselleck, S. 17. 203 Rotteck/Welcker (1841), S.  305. Vgl. zur Gesetzesartigkeit der öffentlichen Meinung schon bei Locke um 1670 Koselleck, S. 41 ff. 204 Rotteck/Welcker (1841), S. 296. 205 Vgl. Koselleck, S. 48. 201

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E. Ausblick auf eine methodische Metaphorologie der „Grundrechte“ 

nämlich zum einen zeitlich und zum anderen wertlogisch. Der eine Aspekt liegt in der Annahme des Vorhandensein bestimmter Gesetze als gültig (zum Beispiel der lex salica aus dem 6. Jahrhundert n. Chr.206), der andere in einer – mit dem Alter solcher Gesetze eng zusammenhängenden – mythologisch-metaphysisch aufgeladenen Vorstellung vom „guten alten Recht“, in dem sich zeitlose Weisheit (als Mittelbegriff zwischen Offenbarung und Vernunft) verkörpert.207 Dieser Grenzund Verbindungsbegriff zwischen Präsystematik und System ist in dem Maße angemessen, in dem die politische Stratifikation der Gesellschaft ihren ambivalenten Höhepunkt erreicht und in Form des Absolutismus überschreitet, der den König als Grenz- und Verbindungsperson zwischen (theologischer) Präsystematik und (Gesellschafts-)System installiert. Dabei ist der Absolutismus ein Hyperreflex auf die eingesetzte und fortschreitende Differenzierung der Welt. Die „leges fundamentales“ sind über ihre systematische Funktion hinaus in ihrer symbolischen Mehrdeutigkeit für viele interessengerecht. Für diejenigen, die mit dem Absolutismus an Macht verlieren, bieten die „leges fundamentales“ Einschränkung und Berechenbarkeit der ihnen zusehends klarer und organisierter übergeordneten Macht. Diese Gruppe, die sich in überkommener und zunehmend mythologischer Weise als „das Land“ fühlt, kann sich zudem gerade in diesem kontinuierlich wirksamen Selbstverständnis und Anspruch nicht nur im Hinblick auf ihre politischen Interessen, sondern auch symbolisch gegenüber den Monarchen und ihrem Gefolge im Ausdruck der „leges fundamentales“ repräsentiert fühlen. Funktional für diejenigen, deren Herrschaftsfreiheit sie einschränken, wirken „leges fundamentales“ darin zugleich faktisch legitimierend und ihre Herrschaft stabilisierend – und zwar, soweit vorhanden, insgesamt auch in jenem feudal komplex vorstrukturierten Bereich, in dem sich völker- und staatsrechtliche Beziehungen noch nicht trennen lassen, was den späteren „Grundrechten“ der Staaten mit den Weg bereitet. Die symbolische Bedeutung wird man über das Bild des Baumeisters/Architekten208 erschließen müssen. Wem nur das Fundament vorgegeben ist, ist freier als diejenigen, denen mehr als das Fundament vorgegeben ist (im unverantwortlichsten Fall in Form fertiger Wohnungen209). Die Differenz zwischen seiner und ihrer Freiheit bestimmt das Maß, in dem der Baumeister/Architekt diese programmiert; eine Instabilität des Fundaments führt zur Instabilität des ganzen Aufbaus, aber nicht umgekehrt. Das „Fundament“ ist schließlich ein im vorgängigen wie metaphorischen Sinne eng mit der Kirche verknüpfter Begriff, wie zum Beispiel der Artikel zu diesem Lemma im Grimmschen 206

Mohnhaupt (1995), S. 62 f. Vgl. Rittstieg, S. 44. Vgl. Luhmann (2012 [1989]), S. 13: „Man darf zunächst davon ausgehen, dass die Annahme, der Anfang sei Grund der Ordnung, eine allgemein überzeugende Voraussetzung gewesen war.“ 208 Nach Pfeifer (2010), s. v. „Architekt“, von „lat. architectus […], das gleichbed. griech. architéktōn (άρχιτέχτων) fortsetzt, eine Zusammensetzung aus griech. arch(i)-, (άρχ(ι)-) ‚Ober-, Haupt-, Erz-‘, zu griech. árchein (άρχειν) ‚der erste sein, vorangehen, anfangen, herrschen‘ […] und téktōn (τέχτων) ‚Zimmermann, Handwerker‘.“ 209 Vgl. Joh 14, 2 Luther 1545: „Jn meines Vaters hause sind viel Wonungen.“ 207

II. Historische Kontexte der Genese der Grundrechte  

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Wörterbuch eindrücklich aufweist, der u. a. definiert: „bildlich von der grundlage dessen, das einem gebäude verglichen wird. das fundament der christlichen kirche ist Christus“.210 Die spätmittelalterliche Phase, in der nach Luhmann die Prinzipien der Monarchie und der Hierarchie von Papsttum bzw. Kirche auf die Organisation der (weltlichen) politischen Gewalt übertragen werden, womit eine Trennung der Theorie der politischen Herrschaft von der Theorie des Eigentums verbunden ist211, ist auch die Phase, in der die Metapher des Fundaments in Gestalt der „leges fundamentales“ auf den Bereich der weltlichen Politik angewandt wird. Es erstaunt unter diesen Voraussetzungen nicht, dass der Ausdruck der Grundrechte sodann in der Übergangsphase, in der der Herr „hinter den Wolken [bleibt, d. Verf.] oder in einem von riesigen Parks umgebenen Schloss“, man andererseits aber „nicht auf dem Boden einer rein historischen Positivität“ steht212, zunächst in Bezug auf kirchliche Amtsträger und Monarchen (im völkerrechtlichen Zusammenhang) Verwendung findet. Nun werden die Rechte an Grund und Boden im Quellbereich der ursprünglich der Grundherrschaft zugeordneten Grundrechte – auf dem europäischen Kontinent unter zunehmendem Einfluss des römischen Rechts – versachlicht und mobil. In enger Wechselwirkung zu dieser Entwicklung steht und ihr voraus liegt das Entstehen der Marktwirtschaft aus der Kommerzialisierung der Landwirtschaft und mit ihr die Entwicklung von Handel und Gewerbe.213 In England, wo einerseits aus der Aristokratie erfolgreiche Kaufleute hervorgehen, erwirbt andererseits „die Großbourgeoisie oft genug Grundbesitz“, mit dem häufig auch Parlamentssitze verbunden waren.214 Rittstieg geht so weit, eine gesellschaftspolitisch weitgehend homogene besitzende Schicht, die sich ohne scharfe Abgrenzung aus Bürgertum, Gentry und Adel zusammensetzt, zu sehen.215 Das mobilisierte Eigentum als Ganzes hat für die entstehende bürgerliche Gesellschaft nicht nur materiell konstitutive Funktion. In dem Maße, in dem die feudale Einheit von Dominium und Imperium aus der Spannung zwischen Staat und Markt heraus zerbricht, scheint sich das klassische Modell des Oikodespoten in die bürgerliche Kleinfamilie zu verflüchtigen (gerade ohne Elemente „öffentlicher Gewalt“ im heutigen Sinne). Hier entsteht die Rolle des Privatmannes, in dem sich, wie Habermas ausführlich beschrieben hat, die Rollen des Warenbesitzers und Familienvaters, des Eigentümers und des Menschen kombinieren; die Privatleute bilden die Gesellschaft, die als bürgerliche Öffentlichkeit ein Gegengewicht zur Regierung zu sein beginnt.216 Das „Domizil“ als Lebensmittelpunkt wird auch zum primären Kriterium der Staatsangehörigkeit.217 210

Deutsches Wörterbuch (1854–1961), s. v. „Fundament“. Luhmann (2012 [1989]), S. 12 ff. Vgl. Rittstieg, S. 191. 212 Luhmann (2012 [1989]), S. 11. 213 Vgl. ausführlich auch im Folgenden Rittstieg, S. 21 ff., 54 ff.; zur rund 200 Jahre verzögerten Entwicklung in Deutschland und ihren Besonderheiten ebd., S. 191 ff., 222 ff. 214 Habermas, S. 122. 215 Rittstieg, S. 25. 216 Vgl. Habermas, S. 88, 110 ff., 120 f., 142 ff. 217 Vgl. Grawert, S. 78 ff., 84. 211

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E. Ausblick auf eine methodische Metaphorologie der „Grundrechte“ 

Die zunehmende (Ver-)Käuflichkeit des Landes hatte es auch symbolisch zunehmend beweglich gemacht; die Grundrechte waren frei (ver-)handelbar geworden. Früher hatte eine landbesitzende Obrigkeit als das Land gegolten; in leges fundamentales, grundartigen Gesetzen, waren parallel zur Konzentrationsbewegung politischer Herrschaft zunächst die Interessen des so verstandenen Landes gegenüber der konzentrierten Herrschaft institutionalisiert worden. „Treu und Glauben“, die nach Bodin „Fundamente und Pfeiler der Gerechtigkeit“ sind, auf die „alle Staaten, Bündnisse und menschliche Gemeinschaften gegründet“ seien218, wirken konservativ. Insofern sich aber die Menschen im entstehenden Staat politisch in der Gegenüberstellung mit der Regierung formal entdifferenzieren, vereinnahmt die in der Folge entstehende Gesellschaft als Ganze die Identifikation mit den leges fundamentales. Zugleich werden die abstrakt vereinten Untertanen auch mit dem Staatsgebiet gleichgesetzt.219 Dialektisch können im Verhältnis zum ländlichen Raum alle Untertanen, nachdem sich die befestigte Stadt in einen Verkehrsknotenpunkt verwandelt hatte und besonders wichtige Städte Hauptstädte geworden waren, „Bürger“ genannt werden220; auch wird die Subsumtion unter das „Volk“ von der Voraussetzung eines (Grund-)Eigentums entbunden.221 Teil der Institutionalisierung der bürgerlichen „Gesellschaft“ ist schließlich ein „Takt der Ebenbürtigkeit“222, in dessen Rahmen sich „Herr“  – ehedem Bezeichnung für einen Inhaber von Herrschaftsgewalt über Sachen, insbesondere Grund, und Personen223 – allgemein als ‚höfliche‘ Anrede von Männern durchsetzen wird.224 Ungefähr gleichzeitig wird aus dem unterworfenen, untergeordneten „Subjekt“ ein solches, das mit einem bewusst handelnden, erkennenden, rechtsfähigen Wesen identifiziert wird.225 Die europäische Lehre vom „Völkerrecht“, dessen überkommene deutsche Bezeichnung kaum ein Lehrbuch problematisiert226, tendiert unterdessen seit Grotius dazu, Staaten mit Völkern gleichzusetzen, und unterminiert damit von ihrem Anfang an die Souveränität der Fürsten.227 Staat zu sein, so muss man es verstehen, ist dann doch keine allein fürstliche Angelegenheit. 218

Zit. nach Quaritsch, S. 53 (Fn. 169). Luhmann (2012 [1989]), S. 86. 220 Vgl. Weinacht, S. 42 ff. 221 Vgl. Luhmann (2012 [1989]), S. 17. 222 Habermas, S. 97. 223 Deutsches Wörterbuch (1854–1961), s. v. „Herr“. 224 Nach Pfeifer (2010), s. v. „Herr“, seit dem 18. Jahrhundert. 225 Vgl. Pfeifer (2010), s. v. „Subjekt“: „‚das Zugrundegelegte, Untergeordnete, Abhängige, Substanz, (Roh)stoff‘ (1. Hälfte 16. Jh.), ‚Gegenstand der Erkenntnis, zugrundeliegender Begriff in einem Urteil‘ (Ende 16. Jh.) […], in der Kanzleisprache ‚Person in abhängiger, untergeordneter Position‘ (17. Jh. […]), in der Philosophie (Kant) ‚mit Bewusstsein begabtes, erkennendes, handelndes Wesen, Ich, Individuum‘ (18. Jh.)“. 226 Üblicherweise wird Bezug auf das römische ius gentium als Übersetzungsbegriff genommen. Dabei handelte es sich um privatrechtliche Regeln außerhalb des Geltungsbereichs des römischen Rechts (im Sinne eines allgemeinen Rechts), das in der naturrechtlichen Ver­ arbeitung Grotius’ zum Recht zwischen den Völkern wird, vgl. Wesel, S. 78 f. 227 Vgl. Quaritsch, S. 106, zur Ineinssetzung von Staat, Nation und Gesellschaft als geistesgeschichtlicher Voraussetzung der revolutionären Entsouveränisierung der Fürsten bei­ 219

II. Historische Kontexte der Genese der Grundrechte  

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Nach Maus ist der Übergang vom modernen absolutistischen Staat zum demokratischen Nationalstaat gerade dadurch bestimmt, dass das Territorialprinzip im ganzen durch das des Personenverbands ersetzt werde.228 Für diese These, die sie der These einer Fortschreibung des mittelalterlichen Zusammenhangs von Land und Herrschaft im Nationalstaatsprinzip diametral entgegenstellt229, beruft sie sich auf eine Formulierung in Kants „Zum ewigen Frieden“: „Ein Staat ist nämlich nicht (wie etwa der Boden, auf dem er seinen Sitz hat) eine Haabe […]. Er ist eine Gesellschaft von Menschen, über die niemand anders, als er selbst, zu gebieten und zu disponiren hat“.230 Dass Kant statt des Bodens die Gesellschaft als Staat gilt, dass das Staatsgebiet auf den „Rang des Zufälligen zurückgestuft“ (Maus231) erscheint, kommt nicht unvermittelt; die Vermittlung erfolgt darin, dass der Zusammenhang von Land und Herrschaft nicht nur reflexiv, sondern auch metaphorisiert wird. Diese Entwicklung lässt sich gerade auch im Kant-Zitat entdecken: „über … gebieten … disponieren“.232 Es ist bezeichnend, dass der Boden, auf dem der Staat seinen Sitz habe, die passende Vergleichsgröße für die Gesellschaft darstellt. Sie ist ihm vergleichbar, aber ohne Objekt von Herrschaft zu sein, sondern – in jenem neuen Sinne – erhobenes ‚Subjekt‘. Die liberale Tendenz weist mithin auf den souveränen Menschen, der Herr über seinen eigenen Bereich ist.233 In der deutschen Grundrechtsliteratur der Gegenwart weist in einmaliger Weise Merten auf die Genealogie von territorialer Freiheit im Mittelalter hin zu personaler Freiheit im liberalen Konstitutionalismus hin:

Vattel, vgl. grundlegend bereits die Einleitung von Vattel, S. II: Das ‚Völkerrecht‘ (le Droit des Gens) „est certainement un Droit des Gens naturel, puisque la loi de la nature n’oblige pas moins les Etats, les hommes unis en société politique, qu’elle n’oblige les particuliers“ (… es ist wirklich ein natürliches Völkerrecht, weil das Naturrecht die Staaten, die Männer/Menschen vereint in politischer Gesellschaft, nicht weniger verpflichtet als die Einzelnen“, Übers. d. Verf.). 228 Auch im Folgenden Maus, S. 378 f. 229 Etwa Luhmann (2012 [1989]), S.  87, erklärt umgekehrt, der „zivilrepublikanische[n] Lehre des Mittelalters“, die „personal gedacht und das Gemeinsame der Personen daher vom Recht her gesehen“ habe, „unterschiebt sich […] allmählich der Territorialstaat, der Ordnung und Irritierbarkeit auf sein Staatsgebiet beziehe. 230 Kant (1795), S. 7. 231 Maus, S. 379. 232 Vgl. Pfeifer (2010), s.  v. „Gebiet“: „,Bezirk, Bereich‘. Mhd. gebiet(e)  ‚Befehl, Gebot‘ (13. Jh.), dann auch ‚Gerichtsbarkeit, Botmäßigkeit‘ entwickelt im 14.  Jh. den lokalen Sinn ‚Befehlsbereich, Bereich der Herrschaftsgewalt, der Gerichtsbarkeit, der sich im Nhd. allein fortsetzt und verallgemeinert wird (Gebiet der Wissenschaft, der Kunst). Wie älteres Gebot […] gehört Gebiet als Abstraktbildung zu gebieten.“ Als „Enteignungsprozess“ bezeichnet Schroer, S. 191, das Entstehen „befriedeter Räume“ durch die Monopolisierung der Gewalt als Staatsgewalt. 233 Nach Stern (1988), S. 406, wurden Freiheitsrechte, soweit sie als eigene Kategorie von Rechten aufgefasst wurden, seit dem Vormärz nach „Lebensbereichen“, „Sphären“, „Kreisen“ oder „Bereichen“ unterteilt.

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E. Ausblick auf eine methodische Metaphorologie der „Grundrechte“ 

„Der Bereichsgedanke ist historisch treffend, weil sich die heute abstrakt verstandene ‚Freiheit‘ früher flächenhaft auf konkret befreite (d. h. mit Freiheiten, Gerechtsamen, Privilegien ausgestattete)  Orte, z. B. als ‚Stadtfreiheit‘, bezog. Diese mittelalterlichen Vorstellungen einer ‚juristisch besonders qualificirten räumlich-dinglichen Einheit‘ führten auch dazu, dass die räumliche Sphäre den Status einer Person bestimmte: ‚Landluft macht eigen‘, ‚Stadtluft macht frei‘. Die geschichtliche Herkunft des Freiheitsbegriffs wird bis auf den heutigen Tag in Bestimmungen deutlich, die z. B. Wohnung als ‚Freistätte‘ garantieren [z. B. Art. 106 Abs. 3 BV, d. Verf.] oder ‚befriedetes Besitztum‘ schützen. Wegen der Konnexität, teilweise sogar Identifikation von Freiheit und Eigentum, wie sie auch die rechtsstaatliche Formel vom Vorbehalt des Gesetzes prägt, wird dann auch das subjektive Recht verräumlicht als ‚ein Gebiet verstanden, in dem der Wille der Einzelperson herrscht‘. Daher verwundert es nicht, dass die klassischen Freiheitsrechte, die im Wesentlichen Abwehrrechte sind, räumlich als ‚Bereiche freier Lebensgestaltung‘ definiert werden. Georg Jellinek sieht in ihnen die ‚Abgrenzung von Gebieten …, die der Staat nicht betreten soll‘ […] Diese klassische Grundrechtsfunktion, die in der Umhegung eines Freiheitsraums besteht, [….] wird bei denjenigen Grundrechtsbestimmungen am deutlichsten, die einen räumlich-gegenständlichen Bereich schirmen […], aber auch […] z. B. der Eigentumsgarantie (Art. 14 GG) in ihrer klassischen Funktion des Schutzes des Grundeigentums (,Haus und Hof‘).“234

Für das Konzept der „Grundrechte“ ist deshalb anders als für „fundamentale Rechte“ nicht nur der zugleich zeitliche und räumliche Anfang als leitende Idee und leitende Differenzierung von allen räumlich und zeitlich abhängigen Elementen wesentlich. Es impliziert darüber hinaus die metaphorische Identifizierung von Recht und Raum, deren in Untiefen der Menschheitsgeschichte verwurzelte Bedeutung Schmitt als „Einheit von Ordnung und Ortung“ herausgearbeitet hat.235 Beide Dimensionen der innersten Metaphorologie der Grundrechte treffen sich darin, dass in einer Hinsicht die Erde als Ernährungsgrundlage des Menschen die Minimalvoraussetzung für seine Existenz darstellt, und in anderer Hinsicht ein Fundament grundsätzlich als umso stabiler gilt, auf desto mehr Fläche es sich stützen kann. Die tendenziell horizontale ‚grundeigentumsrechtliche‘ Dimension des Grundes ist eine Besonderheit der deutschen Bezeichnung für verfassungsmäßige Individualrechte.236 Dies könnte im Rechtsvergleich ein Schlüssel zum besseren Verständnis unterschiedlicher Rechtswirklichkeiten sein.

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Merten, Rz. 26 f. (S. 22 f.), unter Hinweis unter anderem auf Art. 73 § 2 der Constitutio Criminalis Theresiana von 1769, wonach ‚als Landfriedensbruch auch das Eindringen in das Haus ‚oder Gebiete‘ eines anderen“. Die Genealogie kann, über die archaischen Wurzeln der Menschheit hinaus, auf tierische Reviertriebe zurückgeführt werden. S. schon Fn. 81. 235 Auch im unmittelbar Folgenden Schmitt (2011 [1950]), S. 13 ff., darin: „Die Erde wird in mythischer Sprache die Mutter des Rechts genannt. […] Das Recht ist erdhaft und auf Erde bezogen. […] Die großen Ur-Akte des Rechts […] bleiben erdgebundene Ortungen. Das sind: Landnahmen, Städtegründungen […]. In jedem Falle ist die Landnahme nach Innen und Außen der erste Rechtstitel, der allem folgenden Recht zugrunde liegt.“ 236 Ebenso verhält es sich mit der Sprachform des Kompositums (Grund|rechte), das – metaphorisch gesprochen – als Legierung besonders dazu tendiert, sich im Bewusstsein als stabile, kategoriale Einheit zu verankern.

II. Historische Kontexte der Genese der Grundrechte  

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Um die hier behauptete metaphorische Konzeption der Grundrechte und ihre Bedeutung verständlich zu machen, soll schließlich auf zwei in der Gegenwart besonders lebhaft diskutierte Vergleichsfälle verwiesen werden: Der Ausdruck „Ressource“ bezog sich zumindest in der deutschen Industriegesellschaft des 19. und 20. Jahrhunderts ganz hauptsächlich real auf Rohstoffe, theoretisch auf knappe Güter wie zum Beispiel auch Arbeitszeit und Geld. Seit der Schwelle zum 21. Jahrhundert verbindet sich mit dem Selbstbild der Gesellschaft als „Wissensgesellschaft“ die Metapher des Wissens als „Ressource“.237 In dem Maße, in dem die „Wissensgesellschaft“ zugleich „digital society“ ist, wird die in der Zeit der Aufklärung geprägte Metapher des „geistigen Eigentums“ virulent.238 Diese metaphorischen Schiebungen verarbeiten und vollziehen epochale Veränderungen bei der gegenständlichen Definition ökonomischer Macht. In der Erfindung der Grundrechte, dahin geht hier die These, verarbeitete und vollzog die Transformations­ gesellschaft im Zeitraum der ersten europäischen Revolutionsepoche vergleichbare Veränderungen politischer Macht. 3. Das ethisierte ‚Bauwerk‘ in der Freimaurerei 1848/1849 Die Bedeutung, die Koselleck für die Freimaurerei239 im Vorfeld der französischen Revolution (also bis 1789) erkennt, führt im Verbund mit drei weiteren Indizien zu mehr als bloß einem Anfangsverdacht, dass freimaurerisches Gedankengut im Besonderen auch bei der Durchsetzung der Metaphorologie der Grundrechte ein nicht unerheblicher Faktor gewesen sein könnte. Die Indizien sind (1) die das freimaurerische Gedankengut wesentlich beherrschende Metaphorik einer ‚Arbeit am Bau‘, die deutliche Parallelen zur Rhetorik der Gründung des deutschen National(verfassungs)staates als ‚Bau‘ aufweist, (2) dass Jacob Venedey, der die „Grundrechte“ im Frankfurter Verfassungsgebungsprozess 1848/1849 im wörtlichen Sinne signifikant prägte, mit einer relevanten Minderheit in den dortigen Gremien freimaurerisch ‚vorbelastet‘ war, und (3) dass der die Frankfurter Nationalversammlung vorbereitende Fünfzigerausschuss des Vorparlaments seinen Sitz in den Räumen der Frankfurter Loge „Zur Einigkeit“ gehabt haben soll.240 Bei einer solchen Untersuchung ist es hilfreich, sich bewusst zu machen, dass das wissenschaftliche Schreiben über Freimaurerei, die „populärste Assoziations-

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Vgl. statt vieler Mohr, S. 1; Rehberger, S. 19. Vgl. zu den verknüpften Metaphern des „geistigen Diebstahls“ und der „Piraterie“ ­L arsson (2011), S. 97 ff. 239 Hasselmann (2009), S. 205 f., stellt klar, dass es sich bei der Übersetzung des englischsprachigen „freemason“ in deutsch „Freimaurer“ um eine Fehlübersetzung handelt, die wegen ihrer Durchsetzung und Etablierung nicht zuletzt auch als Selbstbezeichnung bestehender Vereinigungen nicht zu korrigieren sei. Der englische „mason“ sei Steinmetz, Steinbildhauer und Bauunternehmer, nicht aber ein „Maurer“ nach der der deutschen Allgemeinsprache. 240 Nur bei Hoffmann, S. 82, gefunden; dem Hinweis wird hier nicht weiter nachgegangen. 238

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E. Ausblick auf eine methodische Metaphorologie der „Grundrechte“ 

form des 18. Jahrhunderts“241, ein besonderes Problem darstellt, weil sie zum einen bis heute in der öffentlichen Wahrnehmung zwischen Heimlichkeit und Unheimlichkeit changiert und wohl auch deshalb erst seit den 1990er Jahren Gegenstand universitärer, wissenschaftlichen Standards genügender Forschung ist.242 Zum anderen kann ihre als spiritualisierte Tugend verstandene Verschwiegenheit wissenschaftsethische Fragen im Hinblick auf Respekt vor ihrem Geheimnis aufwerfen. a) Die Baumetaphorik in der Freimaurerei Historisch erscheint gesichert, dass die Logen243 der Freimaurer, jedenfalls ganz regelmäßig Männer, „ihre Wurzeln in berufsgenossenschaftlichen Zusammenschlüssen und Körperschaften der Steinmetzenzunft [haben, d. Verf.], die sich einigermaßen sicher bis ins 14. Jahrhundert zurückverfolgen lassen“.244 Im Sinne einer „Gilde“ erfüllten diese Zusammenschlüsse vielfältige Funktionen von der Sicherung des Gewerbemonopols über die Entwicklung und Sicherung handwerklicher und gewohnheitsrechtlicher Standards ihrer Tätigkeit einschließlich der Ausbildung und solidarischer Fürsorge bis hin zu Gottesdienst und allerlei profanen Formen der Geselligkeit. Der Zusammenschluss machte sich nicht nur in geteilten handwerklichen Pflichten aus, sondern auch in sozial und religiös geteilten Praxen, einem spezifischen „Sittengesetz“. Dass sich in diesem Rahmen grundständige Hierarchien zur Entscheidungsfindung entwickelten und er auch Regeln der Vertraulichkeit bezogen auf gruppenspezifische handwerkliche Kenntnisse bzw. Wissen über persönlicher Angelegenheiten enthielt, liegt nahe. Es kommt spätestens in der Folgezeit – in England dokumentiert – zu Selbstmythisierungen der Steinmetze, die sich zum einen aus biblischen und englischvolkstümlichen „Baugeschichten“ speisen (Gott als Bildner von Himmel und Erde, Turmbau zu Babylon u. a.), zum anderen auf Euklid als Begründer der Geometrie berufen.245 Gerade die Inanspruchnahme der Geometrie als klassischer ars liberalis zeugt vom Legitimations- und Nobilitierungsinteresse, das die Steinmetze mit diesen Mythisierungen verfolgen.246 Wenn die althergebrachten Logen 241

Hoffmann, S. 31. Hasselmann (2009), S. 17 f.; zur kriegsbedingt lange Zeit erschwerten, heute aber dafür umso besseren Quellenzugänglichkeit die deutsche Freimaurerei betreffend Hoffmann, S. 22 f. 243 Weiß, S. 330, erklärt dazu: „Der Begriff Loge ist komplex. Er konnte auf ein Gebäude referieren, welches für unterschiedliche Zwecke genutzt wurde: zur Steinbearbeitung, als Werkzeuglager, als Schlafplatz. Er bedeutete aber auch eine soziale Gruppe von Steinmetzen und schließlich bezeichnete der Begriff eine Institution mit besonderen Bräuchen und Regeln“ (Herv. i. Orig.). 244 Vgl. auch im Folgenden Hasselmann (2009), S. 40 ff.; Reinalter, S. 11 f. 245 So das ‚Cooke Manuskript‘ um 1415, übersetzt abgedruckt in: Begemann, S. 141 ff.; vgl. dazu Hasselmann (2009), S. 42 ff. 246 Weiß, S. 331: „Es war vor allem die Gleichsetzung von Steinmetzhandwerk, Architektur und Geometrie, […] die auch von spätmittelalterlichen Gelehrten akzeptiert war, und die die besondere Stellung der Steinmetzen innerhalb des spätmittelalterlichen Zunftwesens begründete.“ 242

II. Historische Kontexte der Genese der Grundrechte  

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bis heute als „Bauhütten“ romantisiert und idealisiert werden, die sich zum zeitlich begrenzten Bau einer Kirche konstituierten247, weist das auf den Aspekt hin, dass für die Steinmetze aufgrund der Miturheberschaft ihres Berufsstandes für die kirchlichen wie weltlichen Repräsentationsbauten, die Regierungs- und Konfessionswechsel überdauerten, ein Eigensinn wahrscheinlicher war, der die Repräsentationsansprüche dieser Bauten irgendwie auf sie selbst beziehen würde, als z. B. für Bierbrauer und Gerber.248 Die Freimaurerei löst sich im 17. Jahrhundert von der im wirtschaftlichen Niedergang befindlichen „Werkmaurerei“, indem zunehmend „angenommene Maurer“ in die Logen aufgenommen werden, die sich von deren Brauchtum angezogen fühlen – und am Ende der Entwicklung die Regel sind. Sie reichern die ritualisierten Versammlungen dieser Gesellschaften derart an, dass „ein eigentümliches, ethisches, in Allegorien gehülltes und durch Symbole verdeutlichtes System“ entsteht,249 das auch 1848/1849 in Deutschland­ populär ist.250 Im Zentrum des spezifisch freimaurerischen Brauchtums steht nun ein „bib­ lisches Bauprojekt“, der „Salomonische Tempel; ein Bauwerk ‚[dessen] Fundament […] so erstaunlich tief gelegt war und die Steine waren nicht nur die Größten, sondern hart und standhaft genug, um allen Wettern zu trotzen; ineinander verzapft und in den Felsen gekeilt.‘ […] Der Tempel signifiziert den Wunsch nach Festigkeit und Beständigkeit einer auf den Grundfesten der Wahrheit, Tugendhaftigkeit und Nächstenliebe errichteten Gemeinschaft“.251 Die Loge in ihrer ganzen Mehrdeutigkeit ist der Tempel. Die Rituale, die von den Mitgliedern dort durchgeführt werden, „sind symbolische Handlungen und Wechselreden, die den Baugedanken sowohl hinsichtlich der moralischen Veredelung der Mitglieder als auch hinsichtlich des symbolischen Tempelbaus der Menschheit zum Inhalt haben“.252 Die Freimaurerei liest ihre Prinzipien und Werte insbesondere in die innerhalb der Steinmetzenzunft gebräuchlichen Werkzeuge hinein und „systematisch moraldidaktisch“ aus ihnen heraus.253 Die Werkzeuge werden durchaus rechtsphilosophisch gedeutet: Die Richtschnur soll klassischerweise für Geradlinigkeit bei der Erfüllung christlicher Pflichten sorgen (Bindung an das Gesetz), das Senkblei er 247

Digruber, S. 21; zu Recht kritisch Hasselmann (2009), S. 206 f.; auf Dombauhütten als ehemalige Versammlungsorte verweisend allerdings Hasselmann (2002), S. 58. 248 Hasselmann (2009), S. 206, zu einem traditionell hervorgehobenen Status. 249 Eine besondere lebensnahe und schlüssige Geschichte liefert Weiß, S. 330 ff.; vgl. Hassel­ mann (2009), S. 54 f.; Di Bernardo, S. 22 f. 250 Zur deutschen Gesellschaftsgeschichte der Freimaurerei bis zu diesem Zeitpunkt Hoffmann, S. 29 ff., 54 ff. 251 Hasselmann (2009), S. 200, den jüdischen Historiker Josephus zitierend (Herv. i. Orig.). 252 Weiß, S. 334 (Herv. d. Verf.). 253 Vgl. Hasselmann (2009), S. 203; Di Bernardo, S. 55; Moore, S. 4 f.: „the Masonic ritual provided Freemasons with  a metaphoric vocabulary with which to comprehend moral be­ haviour“. Bei diesen Werkzeugen handelt sich um Zeichenbrett, Lineal, Winkelmaß, Zirkel, unbehauenen Stein, Spitzhacke, behauenen Stein u. a. Vgl. auch zu weiteren, nicht im Bau­ gewerbe verwurzelten Symbolen, Reinalter, S. 32 ff.

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E. Ausblick auf eine methodische Metaphorologie der „Grundrechte“ 

mahne den Maurer zur Aufrichtigkeit und Gerechtigkeit und zur Einhaltung des rechten Maßes zwischen Enthaltsamkeit und Sinnlichkeit (Verhältnismäßigkeit), die Maurerkelle beschwöre den Kitt der Gesellschaft (Sozialstaatsprinzip), die Wasserwaage solle stets die Gleichwertigkeit und Gleichberechtigung aller Menschen vor Gott erinnern lassen (Gleichbehandlungsgebot), ….254 An die Stelle der ursprünglichen Festlegung auf den christlichen Gott tritt ab 1730 die religiös deutungsoffene Metapher des „Großen Baumeisters“ (Great Architect).255 Hasselmann identifiziert den Architekten als Leitmetapher der Persönlichkeitsbildung des Virtuoso, um die Anziehungskraft der Freimaurerei auf Männer aller Gesellschaftsschichten, insbesondere solche „von Lebensart und Charakter, die Ansehen in guter Erziehung und Bildung begründet sehen wollten“, zu erklären.256 Das Verhältnis der deutschen Freimaurerei zur Idee des Nationalstaates behaup­ offmann wie folgt: tet H „Die Vision der Logen, individuelle Bürgertugend und Bürgergesellschaft zu einer politisch-moralischen Ordnung zu verbinden, schien sich seit der Mitte des 19. Jahrhunderts im Begriff der Nation zu erfüllen. Die Nation schob sich zwischen Individuum und Menschheit und stand wie die Bürgergesellschaft jenseits des alten Staates und der Kirche. In der Sprache des Nationalen nahmen sich die Individuen als Teil  der Gesellschaft wahr, begriffen sie ihre individuelle Tugend als Garant für die moralische Ordnung der Bürgergesellschaft wie der Menschheit schlechthin. Nicht nur Tocqueville sah in der Nation jenes größere Band, das die Individuen in der Demokratie miteinander verknüpft. Die politischmoralische Ordnung und ihr Fortschritt gründeten im Selbstverständnis der Freimaurer zwischen dem Vormärz und dem Ersten Weltkrieg auf der Überschneidung dieser unterschiedlichen Kreise: Die ständige Verbesserung des Selbst und der politischen Gemeinschaft im Erwartungshorizont der geeinten Menschheit.“257

Die beschriebene Hoffnung entspricht der in Lessings „Ernst und Falk“ als freimaurerisch entfalteten Staatsmoral, wonach die Staaten als notwendiges Mittel zum Zwecke der individuellmenschlichen Glückseligkeit die Menschen vereinigen, ohne dass ein Weltstaat realistisch sei, denn ein „so ungeheurer Staat würde keiner Verwaltung fähig sein“.258 b) Freimaurer und Baumetaphorik in Frankfurt 1848/1849 Der Einfluss von Freimaurern auf den Verfassungsprozess, der in den bekannten in Frankfurt am Main tagenden Versammlungen kulminierte, war keinesfalls quantitativ überwältigend. Der Anteil derjenigen, die Mitglied in einer Frei­ 254

Vgl. Hasselmann (2009), S: 204, auf eine freimaurerische Lehrschrift aus dem Jahr 1775 Bezug nehmend. 255 Weiß, S.  336 ff.; Hasselmann (2009), S.  47 f.; Reinalter, S.  35 ff.; zur zeitgenössischen Deutung aus kirchenrechtlicher Sicht Digruber, S. 228 ff., 277 ff. 256 Hasselmann (2009), S. 205 ff. 257 Hoffmann, S. 283 f. 258 Lessing, S. 51.

II. Historische Kontexte der Genese der Grundrechte  

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maurer­loge waren, lag im vom Bundestag des Deutschen Bundes zum Entwurf einer Bundesverfassung eingesetzten Siebzehnerausschuss mit zwei bekannten Mitgliedern259 bei mindestens etwa einem Zehntel, ebenso im vom Frankfurter Vorparlament zur Vorbereitung der Frankfurter Nationalversammlung eingesetzten Fünfzigerausschuss mit fünf bekannten Mitgliedern.260 Von den insgesamt 809  Abgeordneten der Frankfurter Nationalversammlung dagegen sind bisher höchstens 38 als Freimaurer belegt261, was nur knapp fünf Prozent bedeuten würde. Doch waren sie insbesondere unter dem Gesichtspunkt der „Grundrechte“  – vermittelt über die Biografie Jacob Venedeys – qualitativ markant beteiligt, wobei viele eindrückliche Belege für Baumetaphorik im Revolutionsjahr 1848 auch von bekannten Nichtfreimaurern stammen, so dass auch insofern zumindest der unmittelbare Einfluss freimaurerischen Gedankenguts nicht überschätzt werden sollte. So erklärte etwa Friedrich Daniel Bassermann, wenig später wortführendes Mitglied des Frankfurter Vorparlaments sowie der Frankfurter Nationalversammlung und wohl kein Freimaurer, im Februar 1848 in der zweiten Kammer des Großherzogtums Baden: „Es steht schlecht um die Gemeinde, deren Bürger nur Theilnahme fühlt für das, was die Mauern seines Hauses umschließen, es stünde schlecht um Baden, wenn der Patriotismus der Gemeinden nicht über die Gränzen ihrer Gemarkungen reichte, und gut steht es nur dann um Deutschland, wenn die Vertreter der einzelnen Länder auch ein Herz haben für das gemeinsame Vaterland […] Die Einsicht ward mit blut erkauft und feierlich vor gott gelobt, man werde sie nutzen, der Neubau soll nun ‚im ureignen Geist‘ der Nation als ein herrliches Gebäude ausgeführt werden, unter dessen Säulendach es sich freudig und sicher wohnen lasse.“

Besonders eindrucksvoll ist der Redebeitrag, der freilich plastisch einen mittelbaren Einfluss christlich-freimaurerischer Metaphorik belegt, des fromm evangelischen, später als „Vorkämpfer für christlichen Sozialismus“262 vereinnahmten Carl Christian Mez (nach dem Protokoll dritter Redebeitrag im Vorparlament überhaupt): 259 Sylvester Jordan und Karl Gotthelf Todt. Die Angaben zu Mitgliedschaften in Frei­ maurerlogen stützen sich auch im Folgenden, soweit nichts anderes angegeben ist, auf die jeweiligen Einträge in der deutschsprachigen Wikipedia (letzter Abruf 26.09.2013). 260 Robert Blum, Gottlieb Wilhelm Freudentheil, August Hergenhahn, Franz Schuselka,­ Jakob Venedey, mit gewisser Wahrscheinlichkeit auch der oben erwähnte Karl Biedermann. 261 Hoffmann, S. 83, zählt 25 Abgeordnete auf; die deutschsprachige Wikipedia verzeichnet 38 ohne den Eintrittszeitpunkt zu berücksichtigen. Auf mittelbare Einflüsse weist der Umstand hin, dass nach Klenner (1994), S. 8 f., sowohl Theodor von Rotteck als auch ­T heodor Welcker, deren Staats-Lexikon als „Bibel des Vormärzliberalismus“ bezeichnet wurde, Freimaurer waren – wofür auch die deutschsprachige Wikipedia, letzter Abruf: 10.10.2013, spricht. Eine biographische Verbindung hier zur Terminologiegeschichte der „Grundrechte“ genannter Autoren zu Freimaurerei ist übrigens ab 1782 auch für den oben, E.I.2.a), genannten Johann Georg Heinrich Feder belegt, vgl. Feder (1825), S. 141 ff. Ein freimaurerisches Engagement Mirabeaus wird angenommen, ist aber nicht zweifelsfrei belegt. 262 Vgl. Kober.

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E. Ausblick auf eine methodische Metaphorologie der „Grundrechte“ 

„Mitbrüder! Deutsche Männer! Franklin[263], der große Franklin, der Mann des Verstandes und der Freiheit und der Tugend, hat in seinem Leben oft gesagt: lebendig sei er von der Wahrheit des biblischen Satzes überzeugt: ‚wo der Herr nicht mitbaut, da arbeiten umsonst, die da bauen.‘ Meine Mitbrüder! Ich erkläre hier von dieser Tribüne aus, dass ich wie Franklin, fest an diesen Satz glaube. Ich erkläre, dass ich, wie Franklin oft getan hat, den Herrn bitte, mitzuhelfen an unserem Bau, damit er gedeihe. Wir haben vor, einen großen und mächtigen Bau zu errichten und bedürfen einer guten und starken Hilfe. Ich schlage daher vor und bitte den Herrn Präsidenten, die Männer, die mit mir und mit Franklin an die Wahrheit jenes Satzes glauben, aufzufordern, dies auszusprechen und anzuerkennen, dass sie sich erheben.“264

Ausgerechnet der aus Köln stammende Publizist, studierte Rechtswissenschaftler Jacob Venedey war nun 1833 in Nancy in die Loge „St. Jean de Jerusalem“ aufgenommen worden. Von 1832 bis 1845 lebte er wegen politischer Verfolgung im französischen, überwiegend Pariser Exil, eng verbunden mit dem dort lebenden Ludwig Börne, ebenfalls Freimaurer.265 In seinen Schriften taucht das Wort „Grundrechte“ bis 1848 nicht auf, so dass unbekannt bleibt, wie er zu seiner Verwendung kam. Dass er dazu neigte, freimaurerisches Gedankengut in politische Strukturen zu transponieren, hatte er indes als Leiter des „Bundes der Geächteten“ von 1834 bis 1840 im Pariser Exil gezeigt266, der um erhöhte politische Benachteiligung seiner Mitglieder zu vermeiden als Geheimbund organisiert war: „Wichtig ist für Venedeys weitere Entwicklung und seine spätere Zugehörigkeit zu geheimen politischen Verbindungen, dass er in Nancy in die dortige Freimaurerloge St. Jean de Jerusalem eingetreten ist. Der politisch fortschrittliche Geist, der damals in den Frei­ maurern lebte, hat ihn in ihre Reihen geführt; ihre Disziplin und Rangordnung, der er hier vorfand, sind ihm später bei der Gründung des ‚Bundes der Geächteten‘ zugute gekommen, der in seiner Rangordnung, Stufeneinteilung und Ämterbesetzung Ähnlichkeit mit den Logeneinrichtungen zeigt“267,

schreibt sein erster Biograph. Es gibt Menschen, die einer Religion oder Welt­ anschauung angehören und regelmäßig deren kultischen Handlungen beiwohnen, ohne sich in ihrem profanen, insbesondere beruflichen und politischen Leben primär den religiösen Gleichnissen (bzw. ‚Sonntagsreden‘) entsprechend zu verhal 263 Benjamin Franklin selbst war freilich mit Voltaire, dem l’abbé Sieyès und dem ­Marquis de La Fayette Mitglied der deshalb berühmten Pariser Loge „Les Neuf Sœurs“; zu dieser­ Koselleck, S. 64. 264 Das Protokoll, Jucho (1848c), S. 5, vermerkt: „Die ganze Versammlung erhebt sich zum Zeichen ihrer Zustimmung von ihren Sitzen.“ 265 Koppen, S. 37, erwähnt den „starke[n] Einfluss, den Börne ständig auf V. übte“. 266 Best/Weege zu „Venedey, Jacob“. 267 Venedey, S. 51 f. Koppen, S. 34 f., schreibt zur Organisation des Bundes der Geächteten: „Man wird wohl anerkennen, dass die Statuten des damals begründeten ‚Bundes der Geächteten‘ meist auf ihn [Venedey, scil.] zurückzuführen sind. Sie sahen nach dem Grundsatz der carbonari eine Trennung der Mitglieder in kleine Arbeitsgemeinschaften, zuerst ‚Hütten‘, dann ‚Zelte‘ genannt, vor, die wieder in ‚Berge‘ (später ‚Lager‘) zusammengefasst wurden, u. an der Spitze stand die ‚Nationalhütte‘, die ab 1836 ‚Brennpunkt‘ hiess, mit den Lagern durch die Zwischeninstanz der ‚Dikasterien‘ oder ‚Kreislage‘ verkehrte und eine schlechthin absolute Gewalt ausübte, wenigstens auf dem Papier, denn in Wirklichkeit hat der Bund keine wichtigere Tätigkeit ausgeübt.“

II. Historische Kontexte der Genese der Grundrechte  

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ten. Wäre Jakob Venedey ein solcher Anhänger der Freimaurerei, müsste man einen möglichen Einfluss auf die Diktion der „Grundrechte“ für eher unwahrscheinlich halten; dies ist jedoch nicht der Fall. c) Logen als katalysatorische Sphäre des Souveränitätswandels In den Studien von Foucault, Habermas, Hoffmann und Koselleck werden die Logen, mit unterschiedlichem Aufwand, als durch das freimaurerische Geheimnis geschütztes „Modell der Bürgergesellschaft“268 dargestellt, in dem als eine „Alternative zur [gegenwärtigen, d. Verf.] gouvernementalen Verhaltensführung“269 die „[N]ormen einer künftigen Gesellschaft eingeübt“270 werden. Dass sie historisch so funktionieren (konnten), wird im Wesentlichen mit dem Geheimnis, das den Staat sie als Nichtöffentlichkeit wähnen lässt, und ihrer Beteuerung, unpolitisch zu sein, erklärt271; diesen Ansprüchen widersprechende Diskussionen in den Logen waren verpönt. Darin wird der historische Charakter der Logen auf die Demokratie der Zukunft, also unsere Gegenwart hin gelesen. Darin kommt eine Eigenschaft der Loge zu kurz, die hier bemerkenswert ist, weil sie strukturell der Entwicklung der Grundrechte stark ähnelt. Die These ist, dass die Freimaurerei nicht zuletzt auch deshalb erfolgreich war, weil sie den Staat spiegelte und sich symbolisch aneignete. Die Logen vollzogen den absolutistischen Staat nach. Vielmehr dadurch als durch das Geheimnis erschien die Freimaurerei unrevolutionär. Sie stellte keine Alternative, sondern eine übertragene Variante des Staates dar. Die Freimaurerei war nicht nur gesellschafts-, sondern auch hoffähig. Aus diesem Umstand heraus ist zumindest auch ihre Attraktivität für konservative Zeitgenossen bis hin zu mehreren preußischen Königen erklärbar (Friedrich II., Wilhelm I. bzw. Friedrich III. ersuchten jeweils als Kronprinzen um Aufnahme in eine Loge272). Allerdings erweist sich die von ­Koselleck in Bezug auf die Vernunft geprägte Metapher des „Eigengefälles“273 auf diesen Aspekt bezogen als sehr treffend. Worin äußert sich dieser staatsanaloge Aspekt der Loge? –– Der auffälligste Aspekt ist erstens derjenige, dass die Freimaurerei sich seit ihren Anfängen als „königliche Kunst“ bezeichnet274, was sich ungeklärter Herkunft zwar auf Platons Umschreibung der Philosophie als königliche Kunst (basilikê technê)275 und altorientalische Legenden wie insbesondere diejenige Salomos 268

Hoffmann, S. 16. Foucault (2006 [1978]), S. 288. 270 Habermas, S. 14. 271 Vgl. Koselleck, S. 57 ff. 272 Vgl. zu Friedrich II. Oslo, S. 318 ff., zu Wilhelm I. und Friedrich III. Hoffmann, S. 97 ff. 273 Vgl. Koselleck, S. 26. 274 Vgl. Koselleck, S. 56; Lennhof/Posner/Binder (2006), s. v. „Königliche Kunst“. 275 Vgl. Lesjak, S. 173 f., wonach in den Originalquellen – was sehr hintersinnig wäre – die Begriffe königliche Kunst, politische Kunst, Staatskunst und Herrscherwissenschaft synonym gebraucht würden. 269

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E. Ausblick auf eine methodische Metaphorologie der „Grundrechte“ 

als Baumeister des monotheistischen Tempels beziehen lässt276, aber nicht der zunächst irritierenden Wirkung einer Identifikation mit Monarchie entgeht. Das Attribut „königlich“ hat offensichtlich nicht die Funktion einer Negativabgrenzung zu monarchischen Traditionen, mithin auch nicht zum Staat, sondern ihm liegt eine idealisierte, mit einem biblischen Gründungsmythos verbundene leitende Idee von Königtum zu Grunde, das als Vorbild dient. –– Dem entsprechend tritt zweitens, wie Koselleck konstatiert, das freimaurerische Geheimnis, „– in Nachahmung beider – neben die Mysterien der Kirche und neben die Arcanpolitik der Staaten“.277 Das Verhältnis der Logen zur bürgerlichen Gesellschaft entspricht insofern dem Verhältnis der in Latein zelebrierenden­ katholischen Priesterschaft zum Kirchenvolk278 und dem Verhältnis des absolutistischen Souveräns zur Öffentlichkeit279. –– Im idealisierten Vorbild des Königs280, als Vorbild zur Selbstregierung gebraucht281, liegt drittens eine unübersehbare Gleichschaltung der freimaurerischen Ethik mit der staatsräsonalen Amtsethik, wie sie den neu entstehenden Verwaltungsapparat prägt: unabhängig von Partikularinteressen (insbesondere auch eigenen), konfessionell neutral, am Ganzen orientiert (Luhmann282). Es ist eine Amtsethik, die Foucault eindrücklich dahingehend umschreibt, dass „derjenige, der regiert, […] die Elemente kennen [muss], welche die Aufrechterhaltung des Staates ermöglichen, […] das ist genau das, was man damals ‚Statistik‘ nennt.“283 Die Logen bezeichnen ihre internen Funktionsträger als „Beamte“, deren Aufgabe im Jahre 1818 wie folgt beschrieben wird: 276

Vgl. Lennhof/Posner/Binder (2006), s. v. „Königliche Kunst“ Koselleck, S. 57 (Herv. d. Verf.). 278 Vgl. Habermas, S. 62 f. 279 Vgl. Foucault (2006 [1978]), S. 398. 280 Vgl. in diesem Kontext 1 Könige 2 ff.: „Das Volk opferte zu jener Zeit auf den Kulthöhen, weil dem Namen des Herrn noch kein Haus gebaut war. […] In Gibeon erschien der Herr dem Salomo nachts im Traum und forderte ihn auf: Sprich eine Bitte aus, die ich dir gewähren soll. Salomo antwortete: […] Verleih […] deinem Knecht ein hörendes Herz, damit er dein Volk zu regieren und das Gute vom Bösen zu unterscheiden versteht. Wer könnte sonst dieses mächtige Volk regieren? Es gefiel dem Herrn, dass Salomo diese Bitte aussprach. Daher antwortete ihm Gott: Weil du gerade diese Bitte ausgesprochen hast und nicht um langes Leben, Reichtum oder um den Tod deiner Feinde, sondern um Einsicht gebeten hast, um auf das Recht zu hören, werde ich deine Bitte erfüllen. Sieh, ich gebe dir ein so weises und verständiges Herz, dass keiner vor dir war und keiner nach dir kommen wird, der dir gleicht. […] Wenn du auf meinen Wegen gehst, meine Gesetze und Gebote befolgst […], dann schenke ich dir ein langes Leben.“ 281 Vgl. Lennhof/Posner/Binder (2006), s. v. „Königliche Kunst“ a. E. 282 Vgl. Luhmann (2012 [1989]), S. 116 ff. 283 Foucault (2006 [1978]), S. 395 f. Er spricht ebd. S. 398 von „Erhebungen, die gewissermaßen koextensiv im Verhältnis zur Ausübung einer Administration sind“, und davon, dass zu dem gewonnenen Wissen das gehört, „was man damals die arcana imperii, die Geheimnisse der Macht nannte“ (Herv. i. Orig.). Die Struktur dieses Sachverhalt wäre im Folgenden als heuristische Schablone auf die interne Organisation der Logen anzuwenden. 277

II. Historische Kontexte der Genese der Grundrechte  

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„Jede Loge hat deren, nemlich 1) den Meister vom Stuhl. 2) Den ersten Vorsteher. 3) Den zweiten Vorsteher. […] In einigen Logen werden die Vorsteher auch Aufseher genannt […] Diese Aemter, besonders die ersteren drei, sind in jeder Loge von Wichtigkeit, wenn nemlich die Beamten von Mehrerem ergriffen sind, als blos um eine Verzierung mehr zu haben. Es ist ihre Pflicht, Weisheit, Stärke und Schönheit zu verbreiten, und gleich der Sonne und dem Monde den Weg der Brüder zu erleichtern. Aber dies werden sie nicht im Stand seyn, und sich die Achtung und Liebe der ihnen nachstehenden Brüder nicht erwerben, wenn sie, wie oben gesagt, von dem Zweck des Ordens nicht ergriffen sind, und sich die umfassende Kenntnisse von demselben nicht zu eigen gemacht haben. Nur sehr wichtige Abhaltungen dürfen sie verhindern, den Logenarbeiten beizuwohnen und ihre Aemter zu verwalten. Die Meister von den Stühlen und die Vorsteher sollen und müssen sich bemühen, die anderen Brüder alle ganz genau kennen zu lernen, sie eigentlich studiren, damit sie ihren Unterricht und Hülfe mit destmehr Sicherheit ertheilen können.“284

In der dargestellten freimaurerischen „Amtsethik“ liegt natürlich viel, was sie von einer staatlichen Amtsethik unterscheidet, insbesondere in ihrer Orientierung auf das Individuum, das zwischen gleichgeordnetem („brüderlichen“) Subjekt und Objekt der Ausübung von Amtsgewalt changiert. Auch werden diese Beamten gewählt.285 Es ist aber eben auch jenes andere in ihrer historischen Faktizität angelegt, das sich im Sinne des 17. und 18. Jahrhunderts als Polizei286 kennzeichnen lässt. Wenn die Gegner der Freimaurerei diese als „Staat im Staat“ (bzw. „Kirche in der Kirche“) denunzierten287, so war damit etwas getroffen, das den Verdacht von Wechselwirkungen zwischen sich entwickelnder Staatlichkeit und Freimaurerei bestärkt. Die subversive Wirkung der Freimaurerei, welche die Logen als katalysatorische Sphären des Souveränitätswandels erkennen lässt, kann man nur verstehen, wenn man ihre Janusköpfigkeit sieht. Sie predigt den Männern die Anpassung an das Ganze, damit es funktioniere, und zugleich, dass der Mann dem Manne ein König sei. „[U]nsere königlich Kunst“, führt eine Quelle aus dem Jahre 1806 aus, bezieht sich „auf den Bau eines geistigen Tempels“288; zugleich aber müsse der Maurer „sich gleichsam als einen rohen Stein betrachten, den er sorgsam behauen und bearbeiten muß, um ihm die nöthige Form zu geben, durch welche er zu dem schönen großen Baue unsers geistigen Tempels passe“.289 284

Gädicke (1818), s. v. „Beamte“. Vgl. Gädicke (1818), s. v. „Beamtenwahl“. Nach Hoffmann, S. 90, allerdings setzt eine Demokratisierung der Logen in Deutschland erst im Zuge der Geschehnisse der Jahre 1848/1849 ein. 286 Dazu Foucault (2006 [1978]), S. 449 ff., 451: „[…] die Gesamtheit der Mittel […] durch die man die Kräfte des Staates erhöhen kann, wobei man zugleich die Ordnung dieses Staates erhält“. 287 Vgl. Hoffmann, S. 95 ff. 288 Kerndörffer, S. 59. Der Autor soll ein Lehrer Heinrich von Kleists gewesen sein. 289 Kerndörffer, S. 20 f. Ganz ähnlich Bobrik, S. 63: „Die ganze Menschheit soll zu einem großen Tempel werden; jeder einzelne Mensch ist ein Baustein dazu […] Ihm selbst […], seiner Freiheit und Geisteskraft bleibt es überlassen, den rohen Stein zu bearbeiten […], wenn er seine wahre Stellung im großen Ganzen richtig erkannt hat.“, und Schmidt, S. 152: „Wer sein eignes Wesen erkannt hat, der arbeitet an dem rohen Steine, und sucht ihm die Gestalt zu geben, die zum Ganzen paßt.“ 285

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E. Ausblick auf eine methodische Metaphorologie der „Grundrechte“ 

III. Quellbereichskontexte: Grund – Architektur – Raum (Notizen) „Grund“ ist ein kommunizierender Begriff in dem Sinne, dass er nur als Grund von oder für etwas verständlich ist; er entspricht der Perspektive der ‚breiten Bevölkerung‘, die sich soziokulturell ‚mit ihrem Land‘ identifiziert. Er kombiniert Raumerfahrung mit der Erfahrung der Abhängigkeit eines gebauten Oben vom Unten auf der Erde. Er, auf dem der Mensch steht, ist das ‚Zentrum‘ eines bestimmten, schon nicht mehr unbegrifflichen Kontinuums der Übertragung elementarer, natürlich räumlicher Strukturen der erfahrenen Umwelt zur intelligiblen Sphäre. Diese Umwelt wird seit vielen Zeitaltern als strukturierter Raum erfahren. Er gliedert sich klassischerweise dreidimensional insbesondere in Bereiche, Felder, Flächen, Sphären, Orte – und allgemeiner „Räume“. Dabei liegt die plastische, am leichtesten begreifbare und deshalb idealtypische Strukturierung des Raums – definiert als das, was uns umgibt – im gebauten Raum als Gehäuse; der erste Raum, den der Mensch prägnant als solchen erfährt, ist sein Schlafraum. Der thematische und historische Fundus für eine Quellbereichsanalyse ist un­ ermesslich. Es sollen hier, was auch die Beschränkung auf einen Ausblick rechtfertigt, lediglich einigen Notizen gemacht werden, die Ansatzpunkte für detailliertere Untersuchungen an anderem Ort darstellen. 1. Probleme der Quellbereichsdefinition Zunächst einmal ist zu präzisieren, dass der hier bezeichnete Quellbereich einen primären Quellbereich, der auch Quellbereich erster Ordnung genannt werden könnte, darstellt. Die Genealogie über lange Zeiträume entwickelter präskriptiver Metaphorologien wird in der Regel hoch komplex sein, ohne dass sie sich bis in alle Enden zurückverfolgen lassen wird. Es kann vorausgesetzt werden, dass schon die „Grundrechte“ der Grundherrschaft nicht als einfaches Kompositum von Recht und Grund, auf den im Sinne von Boden dieses regelnd Bezug nimmt, zu verstehen sind; in ihrem Symbolgehalt verweisen sie auch auf die Stabilität dieses Grundes und stabilisieren sich darin institutionell-präskriptiv selbst. Dann ist Grund als Boden der Quellbereich ersten Grades. Dann sind die Grundrechte der Grundherrschaft zumindest partiell selbst Metapher ersten Grades (im Verhältnis zum Grund als Boden) und Quellbereich nur zweiten Grades (im Verhältnis zu den Grundrechte als Individualrechten). Die Grundrechte der Staaten stellen dann im selben Maße eine Metapher des Grundes als Boden zweiten Grades und einen Quellbereich dritten Grades für die Grundrechte als Individualrechte dar. Dabei sind alle drei Quellbereiche im Vorfeld der Durchsetzung der Grundrechte als Individualrechte zeitlich parallel gesellschaftlich aktiv. Es gibt also schon insoweit keine lineare Genealogie, wie sie bei Menschen möglich ist. Zum anderen muss man berücksichtigen, dass es sich bei der Metapher des Gebäudes um keine spezifisch rechtswissenschaftliche Metapher handelt, sondern

III. Quellbereichskontexte: Grund – Architektur – Raum (Notizen)  

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eine solche, die zumindest das abendländische Geistesleben insgesamt prägt.290 Dies liegt angesichts der anthropologischen Bedeutung, um nicht zu sagen ‚Fundamentalität‘ seiner Erfahrung auch nahe. So meinen etwa in Bezug auf die Philosophie, freilich das präskriptive Denken par excellence, Welsch mit vielen Beispielen, sie und Architektur seien näher verwandt als man gemeinhin annähme, denn die Philosophie habe sich immer wieder architekturaler Metaphern bedient291, und Strub, eines scheine ihm eine der interessantesten Aufgaben der philosophischen Metaphorologie zu sein, „wie sich die bisher anspruchsvollste Gestalt eines Denkens, das sich seiner selbst versichern zu können glaubt, das philosophische Systemdenken eben, um drei verschiedene Metaphernfelder herum organisiert […]: die architektonische Metapher von Gebäude und Fundament[, die biologische Metapher vom Organismus und die technische Metapher von der Kette]“.292 Hier handelt es sich um keine zusammenhanglosen Parallelschöpfungen, sondern es ist von vielfältigen und -dimensionalen Wechselwirkungen auf der Basis zu weiten Teilen identischer oder eng verknüpfter Genealogien auszugehen, deren Funktion sich im Sinne metasystematischer Hintergrundmetaphorik verstehen lässt. Die Bedeutung der architektonischen Metapher für die Rechtswissenschaft mögen hier einige Aussagen für viele repräsentieren: Radbruchs, neue „Rechtsbestrebungen“ würden „in die Architektur eines gewaltigen, durch sie nur in Einzelheiten abgeänderten Rechtsgebäudes eingebaut“293, Brauns, „das Gebäude des Rechts [gleiche aus der Ferne betrachtet, d. Verf.] einem großen Palast, der bei je­ iesows, dem Besucher, der sich ihm nähert, gespannte Erwartungen hervorruft“, K das Recht sei eine „Fabrik“, in deren Hallen „das normative Gerüst der Gesellschaft geschmiedet“ werde, und Poschers (zumindest zeitweiliges) Einfinden „[a]m Fuße der Kathedrale“, von wo er über „Bedingungen, Grenzen und Kosten eines idealistischen Systemanspruchs an das Recht“ nachsinnt.294 290 Vgl. zur wissenschaftsdisziplinäre Grenzen überschreitenden Existenz struktureller Metaphorologien Larsson (2011), S. 72 f. 291 Welsch (1996a), S. 260 ff. 292 Strub, S. 108. 293 Vgl. oben C.VI. (Fn. 247). 294 Radbruch (2003 [1932]), S. 86, Braun (2006), S. 1, Kiesow (2004), S. 106, bzw. ­Poscher (2008), S. 105. Die Analogie der Kathedrale formuliert Schubert, S. 1 ff., eindrucksvoll aus; zum BGB als solche Wefing. In Frankreich erschien mit Brunet/Champeil-Desplats/ ­Béchillon/ Millard eine Festschrift für einen Staatsrechtslehrer unter dem Titel „L’architecture du droit“. Günter Dürig erklärte 1971 auf der Jahrestagung der Vereinigung der Deutschen Staatsrechtslehrer, S. 154 f., zur Theorie der Grundrechte im Leistungsstaat: „Wir haben hier gleichsam als Fußboden eine Reihe von Basisrechten, die durchaus egalitär und statisch sind […] Es geht hier […] um Bedingungen und Voraussetzungen für das Gebrauchmachen von […] individuellen, ja egoistischen Freiheitsrechten […]. Diese Freiheitsrechte sind dynamisch, streben also gleichsam von der Basis aus senkrecht nach oben. […] Die Risiken dieser Freiheitsrechte fangen wir […] auf durch eine neue Horizontale. Im Bild ist es gleichsam die Decke auf den senkrechten Stützpfeilern der Freiheit: Ich meine Sozialhilfe […] Sie können verbal hier im Bild zwischen Fußboden und Decke noch weitere egalitäre Zwischenrechte einschieben […] Aber […] dieses Modell ist nicht unbegrenzt belastbar. Als derartige Decken kann nur tragen, was sie für die produzierende Generation als Stützpfeiler freisetzen

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E. Ausblick auf eine methodische Metaphorologie der „Grundrechte“ 

2. Lokales Geheimnis und globaler Raum Zwei Beispiele sollen hier zunächst genügen, um Perspektiven für eine erkenntnisförderliche Integration historischer Quellbereichsentwicklungen in rechtsmetaphorologisches Denken aufzuweisen. Das Erste zielt auf die Zeit der vorrevolutionären gesellschaftlichen Transformation, aus deren Geschichte die Grundrechte nach insofern ebenso zutreffender wie herrschender Ansicht hervorgegangen sind. Mitte des 17. Jahrhunderts transformiert Edward Coke, ein Autor der Petition of Right (1628), in seinen „Institutes of the Laws of England“ einen Rechtssatz der Digesten in eine volkssprachliche Metapher, die in der Folgezeit weit über die britischen Inseln hinaus sprichwörtlich werden wird: „for a mans house is his castle, & domus sua cuique est tutissimum refugium“.295 Diese ohne Einschränkung für Männer formulierte Gleichsetzung bestätigt den bereits in Bezug auf die Grundherrschaft vertretenen Eindruck, dass die Emanzipation der bürgerlichen Gesellschaft auch darin besteht, dass sie sich der Feudalherrschaft zugeordnete Begriffe metaphorisch aneignet. Für etwa dieselbe Zeit weist Habermas’ „Strukturwandel der Öffentlichkeit“, um eine nahe liegende Referenz zu wählen, einen bemerkenswerten Abschnitt zur Veränderung der Architektur für die besitzenden, Öffentlichkeit ausbildenden Schichten auf (englischer Landadel des 17., die Bürgerlichkeit des 18.  Jahrhunderts). Er beschreibt den Wandel ihrer Wohn- und Lebensform weg von der Einheit des „ganzen Hauses“, den in ländlichen Bereichen bis ins 20.  Jahrhundert gepflegten „Formen großfamilialer Gemeinsamkeit“, den klassischen patriarchalen Herrschaftsverbänden im Kleinen, die sich der Unterscheidung von „öffentlich“ und „privat“ noch nicht fügten, hin zu architektonisch ablesbaren Verhältnissen, die das Private in Abgrenzung zum Öffentlichen kultivieren.296 und freigesetzt belassen, also Individualrechte mit Initiative […] Wenn Sie diese in der Vertikalen stehenden Leistungsfreiheiten kappen, fällt die Decke auf den Fußboden. Dann bricht dieses Verfassungsmodell […] zusammen. Und was hier im Bild als senkrechte Stützpfeiler erscheint, […] sind nichts anderes als schulmäßig schlichte subjektive öffentliche Rechte.“ Vgl. auch die auffällige Variante der „Unterkante des Rechts“ bei Schroeder für Situationen, in denen „alles Rechtliche vermieden, aber doch irgend etwas geregelt werden“ soll. Eine näher liegende wissenschafts- statt rechtstheoretische Variante, die den fließenden Übergang von der allgemeinen zur speziellen Metaphorik deutlich macht, ist die Rede vom „Fundament, auf dem das Gebäude der deutschen Rechtswissenschaft errichtet ist“, bei Becker, S. 1087. Kaum zufällig erscheint auch bei Grimm (1969), S. 502, das Verhältnis des „Architekt[en] zum Maurer“ zur Umschreibung desjenigen der Rechtsidee zur Politik. Für den interdisziplinären Zwischenraum mögen hier Hegel (1979 [1820]), S. 18, mit der „Architektonik seiner [des Staates, scil.] Vernünftigkeit, die durch die bestimmte Unterscheidung der Kreise des öffentlichen Lebens und ihrer Berechtigungen und durch die Strenge des Maßes, in dem sich jeder Pfeiler, Bogen und Strebung hält, die Stärke des Ganzen aus der Harmonie seiner Glieder hervorgehen macht –“, dieses gebildeten „Bau[s]“ und Habermas’, S. 26 bzw. 62, Erwähnung einerseits der „Architektonik des Rechtsstaates“ und andererseits der „Architektur“ der repräsentativen Rede stehen. 295 Coke, S. 162 (Herv. d. Verf.). Zur lateinischen Quelle Lautenbach, S. 230. 296 Habermas, 107.

III. Quellbereichskontexte: Grund – Architektur – Raum (Notizen)  

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„,Die hohe […] Halle […] kam nun aus der Mode. Speisezimmer und Wohnzimmer wurden jetzt in Stockwerkhöhe aufgeführt, wogegen die verschiedenen Zwecke, denen die alte Halle hatte dienen müssen, einer Anzahl von Räumen gewöhnlicher Größe zugeteilt wurden. Auch der Hof […] schrumpfte […, wurde, d. Verf.] von der Mitte des Hauses an seine Hinterfont verlegt.‘ […] ‚In den modernen großstädtischen Privathäusern sind fast alle dem ‚ganzen Hause‘ dienenden Räume auf das dürftigste Maß beschränkt: […] statt der Familie und der Hausgeister tummeln sich nur noch Mägde und Köchinnen in der profanierten Küche; namentlich sind aber die Höfe […] häufig zu schmalen, feuchten, stinkenden Winkeln geworden […] Schauen wir in das Innere unserer Wohnungen, so findet sich’s, dass das ‚Familienzimmer‘, der gemeinsame Aufenthalt für Mann und Weib und Kinder und Gesinde immer kleiner geworden oder ganz verschwunden ist. Dagegen werden die besondern Zimmer für einzelne Familienmitglieder immer zahlreicher und eigentüm­licher ausgestattet. Die Vereinsamung des Familienmitgliedes selbst im Innern des Hauses gilt für vornehm.‘“297

Hier wird zum einen die Entwicklung funktionaler Differenzierung innerhalb der Hauswirtschaften deutlich, mit der eine soziale Differenzierung einhergeht. Solche räumliche Reorganisation des Haushalts legt nahe, dass man in über die jeweiligen spezialisierten Tätigkeiten definierten Räumen eher nebeneinander her als miteinander lebt. Ihren großmaßstäblichen Höhepunkt wird die Funktionentrennung 1933 in der vom IV. Kongress des Congrès International d’Architecture Moderne verabschiedeten „Charta von Athen“ finden, mit der sich der Städtebau für Jahrzehnte einer formal recht strikt in Wohnen, Arbeiten, Erholen und Verkehr untergliederte Stadt verschrieb.298 Zum anderen ähnelt die Kritik der historischen Quelle an der Vereinsamung des Familienmitgliedes im Innern des Hauses (geschrieben wohl um 1855 von keinem revolutionär begeisterten Menschen) in frappierender Weise der Kritik der Menschenrechte durch Marx, sie seien Rechte des „egoistischen, […] vom Menschen und vom Gemeinwesen getrennten Menschen“.299 Die Privatisierung durch Differenzierungsprozesse im Innern des Hauses, die Möglichkeit des „Geheimnisses“ im modernen Sinne, korreliert anscheinend mit der Differenzierung von Regierung, Öffentlichkeit und Privatsphäre in Staat/Gesellschaft insgesamt.300 Nun hängt die Innenorganisation eines Hauses nicht von seinem Grund, seinem Fundament ab. Deshalb können, auf der Zielebene, die „leges fundamentales“ 297

Habermas, S.  108 f. zitiert hier den britischen Historiker George Macaulay Trevelyan (1876–1962) und den süddeutschen Kulturgeschichtler Wilhelm Heinrich Riehl (1823–1897). 298 Vgl. Welsch (1996b), S. 265 f. Zum Verhältnis zwischen Architektur und Recht allgemein als über die Sphäre der objektiven Kultur verbundene gegenseitige Spiegel finden sich bei ­Gephart, S. 237 ff., einige Bemerkungen. 299 Marx (1976b [1839–1844]), S. 364. Vgl. unten E.V. a. A. 300 Das „Geheimnis“, so ist an dieser Stelle zu bemerken, wie es in § 142 (Briefgeheimnis) der Paulskirchenverfassung, Art. 17, 22 und 125 (geheime Wahl), 34 und 117 (Brief-, Post-, Tele­graphen- und Fernsprechgeheimnis) WRV sowie Art.  10, 18 und 44 (Brief-, Post- und Fernmeldegeheimnis) GG positivrechtliche Aufnahme gefunden hat, kommt nach Pfeifer (2010), s. v. „geheim“, von „zum Haus, zum Heim gehörig, vertraut“ und entwickelte seine heutige Bedeutung „erst im 17. Jh. aus ‚vertraut‘ im Gegensatz zu öffentlich“ (Herv. i. Orig.).

274

E. Ausblick auf eine methodische Metaphorologie der „Grundrechte“ 

und „Grundgesetze“ auch schlüssig Geltung für das Ganze der Gesellschaft beanspruchen. Umgekehrt erscheint es aber unwahrscheinlich, dass Mindestrechte sich unter der Bezeichnung „fundamentale Rechte“ oder „Grundrechte“ in einer Gesellschaft, in der intern geöffnete Wohnformen dominieren, gleich effizient als Individualrechte institutionalisieren lassen wie in einer Gesellschaft, in der die Wohnraumorganisation nach dem Prinzip funktionaler und personaler Trennung erfolgt. Dass in der deutschen Version der Grund mit Eigentum assoziiert ist, dieser Umstand mag das seine zum hiesigen Erfolg des Terminus beigetragen ­haben.301 In der Gegenwart findet nun im Quellbereich ein gegenläufiger Prozess statt, der die Menschheit seit dem Fall des „eisernen Vorhangs“ in einem sich dynamisch verstärkenden Spannungsfeld zwischen erstens der Beschleunigung bzw. Popularisierung des globalen Nachrichten- und Personenverkehrs, zweitens der Transnationalisierung ökonomischer Strukturen und drittens terroristischer Bewegungen erscheinen lässt, denen die staatlichen Sicherheitsapparate folgen. Dies ist das zweite Beispiel. Im „spatial turn“ versuchen die Kulturwissenschaften den Raum wiederzufinden, da Grenzsetzung (als höchst wirksame Metapher) als wichtig gilt, das Zeitalter aber aus der soeben genannten Dynamik heraus als solches der Entgrenzung erfahren wird.302 Der Raum, der hinter dem „spatial turn“ liegt, gilt denn auch ausdrücklich „längst nicht mehr als physisch-territorialer“ Begriff.303 Es sind nicht nur nationale Grenzen betroffen. Mit der bidirektionalen „Vernetzung“ als Lebensgewohnheit, die erdungebunden den weit überwiegenden Teil  aller baulichen Strukturen durchdringt und „Trojaner“ in Richtung eines Alltagsbegriffes avancieren lässt, werden auch ‚die eigenen vier Wände‘ zunehmend weniger als Grenzen des Außen erlebt. Mit dem Gebäude verliert der Grund als Gebäudegrund (in der vertikalen Dimension) an Bedeutung. Diese gravierenden Veränderungen im Quellbereich stehen in enger Wechselwirkung mit dem Veränderungsdruck, der in Gestalt invasiver Metaphoriken zunehmend auf die traditionellere „Grundrechtstheorie“ ausgeübt wird. Dies ist Thema der abschließenden Abschnitte dieser Untersuchung.

301

Vgl. auch wiederum Schmitt (2011 [1950]), S. 14: „[…] endlich trägt die Erde auf ihrem sicheren Grunde Umzäunungen und Einhegungen, Grenzsteine, Mauern, Häuser und andere Bauwerke. Hier werden die Ordnungen und Ortungen menschlichen Zusammenlebens offenkundig. Familie, Sippe, Stamm und Stand, die Arten des Eigentums und der Nachbarschaft, aber auch die Formen der Macht und der Herrschaft werden hier öffentlich sichtbar.“ 302 Vgl. etwa Negt: „Grenzsetzung ist wichtig, sowohl im Denken als auch im realen Lebenszusammenhang. Wir stehen heute vor dem Problem der Entgrenzung. Das führt zu einer Art Ohnmacht. Menschen, die nicht mehr wissen, wo Innen und Außen ist, sind manipulierbar. Die Neubestimmung von Grenzen ist Aufgabe der Intellektuellen.“ 303 Bachmann-Medick, S. 284 ff., insbesondere 292 ff. Zum physisch-territorialen Raumbegriff in der Rechtswissenschaft noch Dreier/Wittreck.

III. Quellbereichskontexte: Grund – Architektur – Raum (Notizen)  

275

3. Raumaneignung und bautechnische Berufe als exemplarische Genderaspekte Rechtswissenschaft als wertbezogene Wissenschaft ist im demokratischen Rechtsstaat dessen wertenden Grundentscheidungen, wie sie insbesondere in der Verfassung verankert sind, verpflichtet. Ihre am unmittelbarsten in der Rechtsdogmatik erfüllte Funktion, die praktische Rechtsanwendung vorzubereiten, erfüllt sie nur, wenn sie sich in die Bindungen des Rechts hineinversetzt. Zu diesen Bindungen gehört in Deutschland als systematisch zweites Staatsziel nach dem Schutz der Menschenwürde (Art.  1 Abs.  1 Satz 2 GG) die tatsächliche Durch­ setzung der Gleichberechtigung von Frauen und Männern, insbesondere in Form der Beseitigung bestehender Nachteile (Art. 3 Abs. 2 Satz 2 GG). Deshalb ist es immer richtig, rechtswissenschaftliche Positionen kritisch auf ihren Bezug zu Frauen und Männern hin zu prüfen, wofür sich Gender als methodischer Schlüsselbegriff etabliert hat.304 In diesem Rahmen sollen die zwei insofern wohl hauptsächlichen Gesichtspunkte der Bauwerksmetaphorik angesprochen werden. Erstens ist in der Raum- und Stadtsoziologie gut erforscht, dass es genderspezifische Unterschiede bei der Raumaneignung gibt. So wird beispielsweise festgestellt, dass Jungen auf Freiflächen in Parks zahlenmäßig überlegen und aktiver sind als weibliche Kinder und Jugendliche, die sich auch unauffälliger verhalten.305 Dass Jungen statistisch einen größeren Aktionsradius in öffentlichen Räumen haben als Mädchen, ist empirisch darauf zurückzuführen, dass diese von ihren Eltern eher dazu angehalten werden, zu Hause zu spielen bzw. vorsichtig zu sein, auch weil die Übertragung elterlicher Angst auf Jungen mit dem Rollenideal des werdenden Mannes, im klassischen Klischee als „starker Beschützer“, konfligierte.306 Auf die Wirksamkeit dieser bzw. verwandter Rollenvorstellungen kann auch zurückgeführt werden, dass die Tendenz von Mädchen, ihre Freizeit seltener als Jungen in öffentlichen Räumen zu verbringen, bei Mädchen mit (zum Beispiel schon südosteuropäischem) Migrationshintergrund verstärkt gegenüber jungen Frauen ohne Migrationshintergrund festzustellen ist.307 Derartige Sozialisationsfaktoren führen wahrscheinlich dazu, dass Mädchen im Durchschnitt ungefähr ab einem Lebensalter von zehn Jahren anfangen, langsamer als Jungen bei der Lösung psychologischer Testaufgaben zu werden, die räumliches Vorstellungsvermögen erfordern.308 Zweitens liegt unter den Berufsgruppen, die mit der Bearbeitung von Stein und der Herstellung von Bauwerken zu tun haben, der Anteil der Frauen noch besonders weit unterhalb ihres Anteils an der Gesamtbevölkerung; dabei erscheint der Anteil tendenziell um so geringer, desto mehr die jeweilige Tätigkeit in der Bautätigkeit selbst besteht. So betrug im Jahr 2011 der Anteil der Frauen an 304

Vom Verfasser dazu Schindler (2011), S. 160 ff. Krisch, S. 160 ff. 306 Vgl. Muri/Friedrich, S. 79; Zinnecker, S. 142 ff. 307 Boos-Nünning/Karakasoglu, S. 185 ff. 308 Löw, S. 89 ff. 305

276

E. Ausblick auf eine methodische Metaphorologie der „Grundrechte“ 

der Berufsgruppe der Maurerinnen und Maurer 0,5, der Steinbearbeiterinnen und Steinbearbeiter (darunter Steinmetzinnen und Steinmetze) 13,9 und der Architektinnen und Architekten immer noch lediglich 27,7 Prozent.309 Die beschriebenen Verhältnisse überraschen nicht vor dem Hintergrund einer patriarchal geprägten Rechtstradition, das heißt Männern als Trägergruppe der mit ihr verbundenen institutionellen Mechanismen.310 Sie bedeuten eine bestehende Benachteiligung von Frauen, sofern Rechtswissenschaft sich raumanalog strukturierter Konzepte bedient, solange Frauen und Männer sich nicht in gleicher Weise im Raum verhalten.311 Dies ist bei der Bewertung konkurrierender Metaphern mit zu berücksichtigen. Für die Rechtssoziologie eröffnet sich durch eine rechts­metaphorologische Analyse zum Beispiel der Wandel rechtswissenschaftlicher Metaphern als ein möglicher Untersuchungsgegenstand zur Erklärung geschlechterdifferenzierter Wirkung und Wahrnehmung von Recht – und als Indikator, um zu messen, wie Frauen die Justiz möglicherweise (weiter312) verändern.

IV. Die Grundrechte des Grundgesetzes Zwischen den Grundrechten der Paulskirchenverfassung und den Grundrechten des Grundgesetzes liegen ziemlich genau 100 Jahre; das Jubiläum der Revolution und der ersten deutschen Nationalversammlung wurde 1948 sowohl in Berlin als auch in Frankfurt a. M. unter gesamtdeutscher Anteilnahme gefeiert und parteiübergreifend zum historischen Anknüpfungspunkt für das neu entstehende Deutschland erklärt.313 Nach dem Scheitern der Paulskirchenverfassung und der Aufhebung des Reichsgesetzes betreffend die Grundrechte des deutschen Volkes 1851 ist von Grundrechten verfassungspolitisch zunächst keine Rede mehr; in Le 309 Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung der Bundesagentur für Arbeit (Hrsg.), Berufe im Spiegel der Statistik, http://bisds.infosys.iab.de/, abgerufen am 05.09.2015. 310 Sie leiteten in einer vertiefenden Untersuchung dazu über, dass (weitenteils un- oder schlecht bezahlte)  „Hausarbeit“, das heißt im Haus stattfindende Arbeit, umgekehrt proportional zu hausbauenden Berufen durch Frauen wahrgenommen wird. Dieser Umstand ist Schlüsselmoment intensiver feministischer Kritik, insbesondere weil er eine deutliche asymmetrische Verteilung wirtschaftlicher Abhängigkeiten im Geschlechterverhältnis zur Folge hat, vgl. Liebscher, Rz. 2 f. (S. 149 f.), Wersig, Rz. 1 ff. (S. 173 f.). Insofern hat eine feministische Kritik an Bauwerksmetaphern im Verfassungsrecht einen doppelten Boden: es sind nicht nur traditionell Männer, die Häuser bauen, sondern es sind auch Frauen, denen der von Männern baulich definierte Raum kulturell als Lebensmittelpunkt zugewiesen ist (und die lange ohne ausreichende rechtliche Gegenhandhabe und verstärkt durch besagte wirtschaftliche Abhängigkeiten „häuslicher Gewalt“ ausgesetzt waren), vgl. dazu Lembke. 311 Insofern wäre die feministische Kritik von MacKinnon, S. 161 f., die formalen Normen des Staates rekapitulierten die männliche Perspektive auf der Ebene des Designs, auf die Metaphern der Staatstheorie zu erstrecken. Beachtenswert in diesem Zusammenhang auch die Assoziation von Hierarchie mit Männlichkeit und von Gleichordnung mit Weiblichkeit­ Nussbaum, S. 60 ff., 70 f., 90 f. 312 Jaeger. 313 Zu den Feierlichkeiten ausführlich Klemm, 319 ff.

IV. Die Grundrechte des Grundgesetzes  

277

xika wurden sie als spezifische Erscheinungen der Jahre 1848/1849 historisiert.314 Von daher ist irreführend, wenn Teile der verfassungsgeschichtswissenschaftlichen Literatur bemerken, die „Grundrechte“ hätten ihre philosophisch-naturrechtliche Basis verloren und seien zu staatlich verliehenen Rechten geworden.315 Erst in der Entstehungsgeschichte der Verfassung des Deutschen Reichs vom 11.08.1919 („Weimarer Reichsverfassung“) taucht die Terminologie der „Grundrechte“, bemerkenswerter Weise als Errungenschaftssymbol gegenüber der Monarchie überkommener Ordnung, von Beginn der Entwurfsarbeiten an unhinter­ fragt wieder auf.316 Alle diese Entwicklungen sollen hier jedoch nicht näher untersucht werden und bleiben weiteren Studien vorbehalten. Die deutsche Politik der Nachkriegszeit bezieht sich ihrerseits in gründungsmythologischer Weise auf die erste deutsche Demokratiebewegung im Jahre 1848/1849; dazu gehört nicht zuletzt die Übernahme der Terminologie und vieler Inhalte der „Grundrechte“. Zusammen mit „Grundgesetz“, scheinbar eher zufällig mit jener Bezeichnung teilidentischer Name der Verfassung des in den westlichen Besatzungszonen entstehenden Staates, und Formulierungen einzelner Grundrechtsbestimmungen ergeben sich prägnante strukturell-metaphorische Sinnzusammenhänge. 1. Grundgesetz, Grundrechte, Artikel 1 Am konzentriertesten und zugleich an systematisch denkbar hervorgehobenem Ort stellen sich die Zusammenhänge in Art. 1 des Grundgesetzes dar. „[…] gilt dieses Grund[-]gesetz für das gesamte Deutsche Volk. I. Die Grundrechte Artikel 1 (1) Die Würde des Menschen ist unantastbar. Sie zu achten und zu schützen ist Verpflichtung aller staatlichen Gewalt. (2) Das Deutsche Volk bekennt sich darum zu unverletzlichen und unveräußerlichen Menschenrechten als Grund[-]lage jeder menschlichen Gemeinschaft, des Friedens und der Gerechtigkeit in der Welt. (3) Die nachfolgenden Grundrechte binden Gesetz[-]gebung, vollziehende Gewalt und Rechtsprechung als unmittelbar geltendes Recht.“

Die verschiedenen Metaphorologien, die hier verankert sind, einmal detailliert anzugeben und historisch zu verknüpfen, auf ihre Konsistenzen, Kohärenzen und Inferenzen einzugehen, das Grundgesetz insgesamt dergestalt zu überprüfen, wird Aufgabe anderer Untersuchungen sein. Grund und Grund-lage sind konsistente 314

Auf die lexikalischen Nachweise unter E.I.3. a. A. wird Bezug genommen. Bernhardt, Sp. 1846; Huber, S. 101. 316 Zur Entstehungsgeschichte der Weimarer Grundrechte Pauly, S. 7 ff.

315

278

E. Ausblick auf eine methodische Metaphorologie der „Grundrechte“ 

Metaphern schon insofern sie synonym zu gebrauchen sind. Die Grund-lage ist mehr tätigkeitsbezogen, was offen ist für eine Beziehung auf Gott in der Präambel und die Menschen in der menschlichen Gemeinschaft. Wie Grundlage auf legen verweist, verweist Gesetz auf setzen. Beides sind orientationale Tätigkeitsmetaphern mit dem qualitativen Unterschied, dass legen auf die Horizontale, ideal­ typisch einen Boden, setzen auf die Vertikale verweist. Geben, ziehen und sprechen sind Tätigkeiten, die sich oberhalb des Erdbodens abspielen. Diese Beobachtungen verhalten sich kohärent zur allgemein in Form einer „Normenpyramide“ in realbildlicher Gestalt geläufigen Metaphorik der „Rangordnung der Gesetze“ – mit umgekehrtem Vorzeichen.317 Die Würde des Menschen ist unantastbar, das heißt, sie kann weder gelegt noch gesetzt werden, sie liegt nicht greifbar noch tiefer318 als die nicht ungreifbaren, aber unverletzlichen und unveräußerlichen Grund­lagen jeder menschlichen Gemeinschaft und menschengegebenen319 Grundgesetze.320 Unverletzlichkeit und Unveräußerlichkeit scheinen auf den ersten Blick etwas aus dem dargestellten metaphorisch räumlichen Rahmen zu fallen. Kohärent verhalten sie sich zu den auf die räumliche Dimension fokussierten Metaphern zunächst insofern, als Grund im Sinne von Boden wie im Sinne von Fundament wie im – bereits metaphorischen – Sinne der Ursache nicht zerstört (verletzt), nicht mobilisiert (veräußert), nicht hinweggedacht werden kann, ohne dass was ­‚darauf beruht‘, ‚daraus folgt‘ in Mitleidenschaft gezogen wird.321 Spätestens auf den zwei 317 Zur Umkehrbarkeit oben E.I.1.c). Vgl. Haltern, S.  66: „Die Menschenwürde war das neue Fundament der neuen Ordnung […] Die Verankerung der Menschenwürde an der Spitze des neuen fundierenden Textes […]“; Herdegen, Rz. 21: „[…] Achtung der Menschenwürde als Grundlage des grundrechtlichen Wertsystems. Die systematische Stellung der Menschenwürde an der Spitze des Grundrechtsteiles der Verfassung […].“ 318 Isensee, Rz. 111 (S. 76 f.) argumentiert in bemerkenswerter Weise in erweiterter Form und ‚metaphorologisch‘ mit der Metapher des Grundes, indem er aus dem „darum“ des Abs. 2 sinngemäß ableitet, die Erkenntnis der Würde in Abs. 1 sei Grund für das Bekenntnis zu den Menschenrechten: „Die Menschenwürde des Art.  1 Abs.  1 GG wird in Art.  1 Abs.  2 GG durch das Wort ‚darum‘ ausdrücklich als der Grund genannt, weshalb sich das deutsche Volk zu den vorstaatlichen, universalen Menschenrechten bekannt. Ein ungeschriebenes ‚Darum‘ verbindet auch die Inpflichtnahme der Staatsgewalt auf die nachfolgenden Grundrechte (Art. 1 Abs. 3 GG) mit der Menschenwürde. Diese ist kein Grundrecht wie jene. […] Sie bildet deren Grund, ihren letzten, im Horizont des säkularen Rechts nicht weiter begründbaren Grund. Auf diesem bauen die nachfolgenden Grundrechte. […] ‚Grund‘ erscheint hier also in dem Doppelsinn, der dem Wort eignet: als der Boden, auf dem gebaut wird, und als das Warum des Bauens.“ 319 Vgl. Präambel, Satz 1 a. E. 320 An die hintergründige Tiefenmetaphorik knüpft auch die Metapher der Würde als „Wurzel aller Grundrechte“ an, vgl. BVerfG, Beschlüsse vom 10.10.1995, Az. 1 BvR 1476/91 u. a. („Soldaten sind Mörder“), Absatz Nr. 116, vom 04.02.2010, Az. 1 BvR 369/04, Absatz Nr. 26 – jeweils zit. nach juris. Vgl. Haltern, S. 65 ff., zur Deutung der Menschenwürde, die nicht der Abwägung „zugänglich“ auf etwas ‚Verborgenes‘ im Sinne eines Mysteriums verweist (Herv. d. Verf.). 321 Vgl. den alten Grundsatz zur Begrenzung des Eigentums in § 905 BGB, „Das Recht des Eigentümers eines Grundstücks erstreckt sich auf den Raum über der Oberfläche und auf den Erdkörper unter der Oberfläche.“

IV. Die Grundrechte des Grundgesetzes  

279

ten Blick zeigt sich jedoch auch die Unveräußerlichkeit als räumlich konnotierte Metapher, denn sie kann metaphorologisch nur etwas Innerlichem eignen. Die Menschenrechte verhalten sich zum Menschen wie die Grundlagen, Fundamente eines Hauses zu seinen Bewohnern; die Menschenrechte verhalten sich zum einfachen Recht (zum Beispiel einer kommunalen Satzung) wie die Grundlagen, Fundamente eines Hauses zu einer Dachschindel. Unverletzlichkeit und Unveräußerlichkeit verweisen darüber hinaus auf eigene Geschichten, die in enger Verbindung mit dem Begriff der Würde stehen; die Unverletzlichkeit integriert in sich die Verweise (1) auf das Bild des Schmerzen erleidenden Körpers (am bekanntesten ist derjenige Jesu Christi) und die mit ihm verbundene „negative Ökonomie“ (Haltern)322, und ­darüber (2) an die historische Entwicklung des „Würde“-Begriffs eng verknüpft mit Herleitung von Souveränität (verkürzt: Gott323 – absolutistischer Herrscher324 – Volk325 – Einzelmensch)326, wobei die Formulierung der drei „un-“ einer Technik der negativen Theologie entspricht; die Unveräußerlichkeit verweist (3)  auf die als Schablone der Grundrechte in Betracht zu ziehende Grundherrschaft im Feudalismus.327 Das binden ist wie geben, ziehen und sprechen etwas, das oberhalb der Erdoberfläche in Handhöhe geschieht. Insofern ist Abs. 3 in sich ganz stimmig. Stimmig ist allerdings auch das Verhältnis zu den anderen Absätzen, insofern Grund-

322

Haltern, S. 95. Vgl. Quaritsch, S.  13 f., 18 f., mit der interessanten Bemerkung: „Die metaphorische Übertragung vermittelt eine Vorstellung vom Rang des feudalen Herren im Denken der Zeitgenossen; sie kann zugleich die Thesen über die Zusammenhänge theologischer und politischjuristischer Begriffsbildung stützen, die gerade am Beispiel der Souveränität entwickelt worden sind.“ Dieser Gedanke ist konsequent auf die folgenden Übertragungen zu erweitern. 324 Vgl. Quaritsch, S. 39 ff. 325 Vgl. Art. 20 Abs. 2 GG. 326 Aus heutiger Sicht ist präziserweise zwischen innerer und äußerer Souveränität zu unterscheiden, wobei anzunehmen ist, dass beide Begriffe sich – historisch definitorisch verbunden, vgl. Quaritsch, S. 64 – dialektisch verändern. Die Entwicklung hin zum Einzelmenschen ist im Hinblick auf die innere Souveränität auf der Grundlage der Entwicklung der Grundrechte, symbolisch insbesondere desjenigen des Widerstandsrechts, bereits weit fort­ geschritten, auch wenn überwiegend noch das Volk als konstitutiver Bezugspunkt für Staatlichkeit gesehen wird und entsprechend von Volkssouveränität die Rede ist. Änderungstendenzen deuten aber zum Beispiel die Verfassung des Landes Brandenburg vom 20.08.1992 und die Verfassung des Landes Mecklenburg-Vorpommern vom 23.05.1993 an, in deren Präambeln den Bürgerinnen und Bürgern statt einem Volk oder einer Bevölkerung die verfassungsgebende Gewalt zugerechnet wird; vgl. in diesem Kontext Schulze (1995), S.  33, zur Lehre aus der Rechtsgeschichte der DDR, dass sich „die Souveränität der Gesellschaft nur über die Souveränität des Einzelnen verwirklichen kann“. Zum noch in den ‚Kinderschuhen‘ steckenden Gedanken „individueller Souveränität“ im Völkerrecht Arnauld (2012), Rz. 309 ff. (S.  124 ff.); zur besonderen europarechtlichen Entwicklung BVerfG, Beschluss vom 30.6.2009, Az. 2 BvE 2/08 – „Lissabon“, Lts. 1: „die Völker – das heißt die staatsangehörigen Bürger – der Mitgliedstaaten“, Di Fabio (2008), S. 410, der von „den Menschen als Souverän“ spricht – vgl. schon Di Fabio (2005), S. 276 –, und Haltern, S. 98 f. 327 s. insbesondere oben E.I.2.b). 323

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E. Ausblick auf eine methodische Metaphorologie der „Grundrechte“ 

rechte in der aufsteigenden Dramaturgie des Artikels die oberste, das heißt in dieser Metaphorologie ‚greifbarste‘, ‚bodenständigste‘ Erscheinungsform dessen sind, was da nicht bloß in der Erde wurzelt und aus ihr heraus wächst, sondern die Erde ist.328 Im Wort Grundrechte klingt das Wort „richten“ an, das zum Vertikalen eher als zum Horizontalen tendiert329, weil Richtung traditionell mit Sonne als Orientierungsmittel und Himmelsrichtungen als Orientierungsgrößen assoziiert ist, während sich dies in Bezug auf die Grundlage umgekehrt verhält. Dieses binden scheint sich dennoch nicht ganz schlüssig einzufügen, weil der Fokus vom Menschen weg geht; in der Logik der vorgenannten auf den Menschen zentrierten und die räumliche Dimension fokussierten Metaphorik hätte eher die Formulierung gelegen: „Die nachfolgenden Grundrechte begrenzen Gesetzgebung, vollziehende Gewalt und Rechtsprechung als unmittelbar geltendes Recht.“ Insofern man binden in seiner Bedeutung von ‚fesseln‘ nimmt, ist schließlich eine sinnvolle Verknüpfung zu Unantastbarkeit, Unverletzlichkeit und Unveräußerlichkeit gegeben (die alle dazu angetan sind, einen ‚Handschlag‘ die Menschenwürde, Menschenrechte bzw. Grundrechte betreffend unvorstellbar zu machen). Die Grundrechte sind die Instrumente, welche die chimärenhafte Existenz des Unantastbaren, Unverletzlichen und Unveräußerlichen zwischen Idee (Zielbereich) und Substanz (Quellbereich der Metaphern) im wörtlichen Sinne ‚praktisch‘ (geben, vollziehen, sprechen) werden lassen.330 Auf drei (zum Teil nur potenzielle) Unstimmigkeiten soll hingewiesen werden: (1) Das „Grundgesetz“ fügt sich in die dargestellte Logik des Art.  1 GG nicht ganz leicht ein, weil die Basismetapher des Setzens ihrer Höhenlage nach (am Kopf gemessen) zwischen Legen (Lage) und (Auf-)Richten (Recht) eingeordnet, also raummetaphorologisch zwischen Abs. 2 und Abs. 3 zu sehen ist. Deshalb können Würde und Menschenrechte nicht auf ihm ‚beruhen‘. Gerade das behauptet Art. 1 GG indes auch inhaltlich nicht, indem es im Horizont von Individuum (Abs. 1) und Gemeinschaft (Abs. 2) die Unverfügbarkeit gewisser Werte darstellt. Die systematische Einordnung unter „Die Grundrechte“ bedeutet einen Widerspruch, der zumindest wesentlich zum Streit um die Grundrechtsqualität der Menschenwürde beiträgt. (2) Schützen bedeutet einen Widerspruch zur Unantastbarkeit, denn wovor ist etwas, das unantastbar ist, zu schützen? Sophistisch ließe sich gerade unter den Bedingungen der modernen Technik sagen, dass es viele nicht ‚handgreifliche‘, mittelbare Wege gibt, auf etwas einzuwirken, dass unantastbar ist. An 328 Vgl. Gen 3, 19 Luther 1545: „Im Schweiße deines Angesichts sollst du dein Brot essen, bis daß du wieder zu Erde werdest, davon du genommen bist. Denn du bist Erde und sollst zu Erde werden.“ 329 Ein „rechter“ Winkel wird am anthropologisch wahrscheinlichsten über eine Orthogo­nale dargestellt, die sich von einer Geraden aufrichtet, so dass sie vom Erdmittelpunkt weg zeigt. 330 Bei der Redaktion des Art. 1 nannte sie v. Mangoldt einmal „die natürlichen Grundrechte in einer fassbaren Form“ (Herv. d. Verf.), Schick/Kahlenberg (1993a), S. 66.

IV. Die Grundrechte des Grundgesetzes  

281

tasten setzt nicht spüren, sondern berühren, rühren voraus.331 So lässt sich die Luft, auch in dünneren Konzentrationen, vielleicht nicht spüren, aber anrühren. Das Nichts hingegen lässt sich nicht anrühren, aber spüren; kategorial ist nur das Nichts nicht anzutasten. Ein Schutz durch Menschen ist deshalb nur mittelbar vorstellbar, was die Unantastbarkeit hintergründig antithetisch mit der­ jenigen der Unmittelbarkeit in Abs. 3 verbindet. Die auffälligste und wichtigste Erscheinung, die praktisch für den Menschen unantastbar ist, ist die Sonne: Symbol des höchsten Gottes oder Herrschers, Richtung der Pyramide; sie ist verbunden mit dem absolutistischen Herrscher par excellence, dem als „Roi Soleil“ bekannten Ludwig XIV. von Frankreich.332 Götter auf Erden (leidenschaftlich auf dem Olymp, leidend auf dem Berg Golgatha) waren schon immer widersprüchliche Wesen. (3) In der Literatur ist umstritten, ob Art. 1 GG die Menschenwürde als Grundrecht statuiert, während das Bundesverfassungsgericht dieses in ständiger Rechtsprechung annimmt.333 Im Ergebnis zutreffend weist Isensee darauf hin, dass die metaphorische Beschreibung, Art.  1 GG sei Wurzel und Quelle aller später formulierten Grundrechte, nicht den juridischen Schluss trage, er sei damit selbst das materielle Hauptgrundrecht. Dies kann aber nur gelten, weil hier Metaphern gebraucht worden sind, die der Norm selbst nicht zu entnehmen sind. Einseitig metaphorologisch gesehen ist die Grundfrage leicht zu beantworten: Da die Menschenwürde unerreichbar, verborgen, nicht heranzuziehen ist, da sie jenseits der Grundlagen und erst recht der Grundrechte ist, kann sie selbst nicht „Recht“ sein, so wie sie selbst nicht ‚richtig‘334, sondern nur 331

Vgl. Pfeifer (2010), s. v. „tasten“. Vgl. Isensee, Rz. 112, 116 (S. 77 bzw. 78): „Als Idee verstanden, kann der Absolutheitsanspruch der Würde innerhalb des Verfassungssystems nicht in Frage gestellt werden. Auf ihrem Niveau innerhalb der Normenhierarchie […] steht sie einzig da. Keine andere Norm macht ihr den Rang streitig. […] Die Idee strahlt auf die ganze Rechtsordnung aus und bringt in ihr zum Leuchten, was ihr gemäß ist. Darüber hinaus ist sie Inspirationsquelle der Rechtspolitik und – über die Grenzen des Rechts hinaus – für das Ethos der Gesellschaft. Als Idee verstanden, gewinnt der MenschenwürdeSatz sein naturrechtliche Aura zurück […] Die Idee bildet ein Zentrum, das auf seine rechtliche und reale Umwelt ausstrahlt. Die Ausstrahlung ist nicht trennscharf eingrenzbar. Sie wirkt mehr oder weniger intensiv, je nach Nähe und Inhalt der Normen und Sachverhalte“ (Herv. d. Verf.), ebd., Rz. 117 (S. 79) wird die Idee der Menschenwürde auch als „Stern“ bezeichnet. Vgl. zum Symbol des Dreiecks/der Pyramide, deren Spitze (z. B. im Großen Siegel der Vereinigten Staaten von Amerika) mit dem Göttlichen verbunden wird, Stolleis (2004), insbesondere S. 51 ff. Es besteht ein bemerkenswerter metaphorologischer Zusammenhang mit dem Begriff der (Freiheits-, Intim-, Privat-)„Sphäre“, metaphorisch von „mhd. spære, spēre, spēr ‚das (kugelig vorgestellte)  Himmelsgewölbe, Himmelskörper, Kreisbahn eines Himmelskörpers und die dadurch umschriebene Himmelszone, Hof und Umgebung eines Himmelskörpers‘“, Pfeifer (2010), s. v. „Sphäre“. 333 Statt vieler aus jüngerer Zeit BVerfG, Urteil vom 18.7.2012, Az. 1 BvL 10/10  – Absatz Nr. 88 f. Vgl. auch im Folgenden Isensee, Rz. 103 ff. (S. 69 ff.), 105 (S. 70). 334 Im Sinne von sich auf etwas richtend. 332

282

E. Ausblick auf eine methodische Metaphorologie der „Grundrechte“ 

Richtung335 sein kann. Die Würde des Menschen bindet auch nicht, denn das würde wohl Berührung voraussetzen. Dies entspricht dem, was unter (2) zur Antithese zwischen der „Unantastbarkeit“ des Abs. 1 und „Unmittelbarkeit“ in Abs. 3 gesagt wurde: Grundrechte sind unmittelbar praktisch verwendbar, die Menschenwürde nur mittelbar. Auf ihrer doppelt metaphorischen Basis können allerdings praktische Gründe gelegt und gesetzt werden: ‚Grundrechte‘. 2. Entstehungsgeschichte in metaphorologischer Hinsicht Es ist nun die Frage interessant, inwieweit solche Zusammenhänge im Rahmen der Entstehungsgeschichte des Grundgesetzes zur Sprache gebracht wurden. Damit zusammen hängt die Frage, ob es eine bewusste Entscheidung für die Terminologie „Grundrechte“ bzw. „Grundgesetz“ gab, inwiefern also nur eine aus dem Jahr 1848 herrührende konventionalisierte Metapher übernommen worden ist. Was die „Grundrechte“ im Gegensatz zum „Grundgesetz“ angeht, ist zunächst einmal festzustellen, dass die Arbeit ihrer Urheberinnen und Urheber im Parlamentarischen Rat nachkriegsgeschichtlich nicht voraussetzungslos war. Ein Blick in die Materialien zu den ersten Nachkriegsverfassungen westalliiert besetzter Länder zeigt deutlich weniger Pathos als die Dokumente von 1848/1849, allerdings war die Metaphorik des (Wieder-)Aufbaus auch hier  – überparteilich  – sehr präsent. In der verfassunggebenden Landesversammlung für Württemberg-Baden als erstem Land, das sich eine neue Nachkriegsverfassung gab, erklärte es Alterspräsident Wilhelm Keil (SPD) in seiner Eröffnungsrede zur Aufgabe, dem „neuen Staat ein neues demokratisches Staatsgrundgesetz zu geben […] In dieser Lage nun ist uns der Auftrag erteilt, das Fundament eines neuen Staatsgebäudes zu errichten. Dieses Staatsgebäude wird nicht nur in seinen äußeren Umrissen neue Formen aufweisen, es wird und soll auch in seiner inneren Ausgestaltung von neuem Geist erfüllt sein. Als selbstverständlich sehen wir alle es an, dass wir die unveräußerlichen Menschenrechte, die vom nationalsozialistischen Schaftstiefel zertreten worden sind, wieder zur Geltung bringen.“336

Es ist bemerkenswert, dass bereits an dieser Stelle mit „Grundgesetz“ (in der Form des Kompositums „Staatsgrundgesetz“337), „Fundament“ und „unveräußer 335

Nicht als Verbalsubstantiv, also Tätigkeit des auf etwas richten, sondern als das, auf das zu man richtet, verstanden. 336 Verhandlungen der Verfassunggebenden Landesversammlung für Württemberg-Baden (15.07.1946), S. 2. 337 In Bezug auf diese Terminologie hat seit 1848 ein Begriffswandel stattgefunden, vgl. Schulze (2002), S. 15 ff. Entsprechend erklären Maunz/Zippelius, S. 32, zum damaligen Verfassungsentwurf Dahlmanns, dieser sei mit dem Begriff eines ‚Reichsgrundgesetzes‘ überschrieben gewesen, weil entgegen dem aus der Entstehungsgeschichte der bundesrepublikanischen Verfassung stammenden Verständnis, dass damit der anspruchsvollere Begriff

IV. Die Grundrechte des Grundgesetzes  

283

lichen Menschenrechten“ auf dichtestem Raum wesentliche Motive des späteren bundesrepublikanischen Grundgesetzes auftauchen. Noch plastischer in die Situation der Zeit versetzt der Redebeitrag des Abgeordneten Felix Walter (CDU) mit im Grunde identischer Metaphorik: „Hunderttausende liegen unter den Trümmern der Großstädte begraben. Ein Chaos herrscht weitgehend auf staatspolitischem und kulturpolitischem Gebiet in Deutschland. Die Grundlagen des Rechts sind erschüttert. Das Verfassungsrecht, die Grundlage jeder geordneten Gesetzgebung und Verwaltung im Staat, die Weimarer Verfassung und die Verfassungen in den Ländern sind […] de facto beseitigt. Bei dieser Sachlage ist es die vordringlichste Aufgabe des Gesetzgebers des neuen Staates, dem badisch-württembergischen Volk ein Staatsgrundgesetz für die weitere Gesetzgebung zu geben. […] Die Aufzählung der einzelnen Grundrechte, wobei im wesentlichen an die Grundrechte der Weimarer Reichsverfassung angeknüpft worden ist, halten wir für zweckmäßig und notwendig.“338

Das Chaos auf politischem Gebiet erscheint als Metapher der Trümmer der Großstädte. Ihm entspricht auf dem Gebiet des Rechts die Erschütterung seiner Grundlagen, insbesondere des Verfassungsrechts, das Ordnung bedeutet. Staatsgrundgesetz und Verfassung verhalten sich anscheinend im Wesentlichen synonym zueinander.339 Es erscheint hier symptomatisch für das oben für Art. 1 GG dargestellte Verhältnis zwischen (allgemein grundlegenden) Menschenrechten und (praktisch auf etwas gerichteten) Grundrechten, dass zu Beginn der Verfassungsberatungen feier­lich von Menschenrechten gesprochen wird, um anschließend die Terminologie hin zu Grundrechten zu wechseln. Entsprechend verhielt sich die Reihenfolge in der verfassunggebenden Landesversammlung für WürttembergHohenzollern.340 Carlo Schmid, Autor des Vorentwurfs der verfassunggebenden

einer ‚Verfassung‘ vermieden werden solle, für ihn der alteuropäische Begriff eines ‚Grundgesetzes‘ eine noch größere normative Kraft gehabt, und zwar die unverbrüchlichen, unabänderlichen Grundlagen einer politischen Ordnung gemeint habe, die in ihrer Kraft und Stabilität noch über die wandelbaren Grundsätze einer Staatsverfassung hinausgingen; Dahlmann hatte schon das Hannoversche ‚Staatsgrundgesetz‘ von 1833 als solches entworfen, vgl. Bleek, S. 294. 338 Verhandlungen der Verfassunggebenden Landesversammlung für Württemberg-Baden (18.07.1946), S. 7 f. 339 Vgl. auch Carlo Schmid, in: Verhandlungen der Verfassunggebenden Landesversammlung für Württemberg-Hohenzollern (02.12.1946), S. 5: „Eine Verfassung ist nur dann wirklich eine Verfassung, wenn ein Volk sich dieses Grundgesetz gibt.“ 340 Hier sprach der Präsident Karl Gengler (CDU) in seiner Eröffnungsrede, Verhandlungen der Verfassunggebenden Landesversammlung für Württemberg-Baden (15.07.1946), S. 4, von der „Wiederherstellung und […] Anerkennung der Menschenrechte“, bevor Carlo Schmid (SPD) in einem Grundlagenreferat von den „Grundrechten“ sprach, Verhandlungen der Verfassunggebenden Landesversammlung für Württemberg-Hohenzollern (02.12.1946), S. 9, 11; weitere Verwendung ebd., S.  20. Vor Schmid hatte freilich der Abgeordnete Lorenz Bock (CDU) „die Sinaigesetze das Grundrecht [auch im demokratischen Staat, scil.]“ (im ­Singular!) genannt, Verhandlungen der Verfassunggebenden Landesversammlung für Württemberg-­ Hohenzollern (22.11.1946), S. 20.

284

E. Ausblick auf eine methodische Metaphorologie der „Grundrechte“ 

Landesversammlung für Württemberg-Baden, erklärte dort weiter bemerkenswerter Weise: „Verfassung ist das Fundament, auf dem die politische Existenz eines Volkes sich aufrichtet. So wie dies Fundament liegt, muss man die Mauern aufführen. Es bleibt, nachdem die Verfassung einmal ergangen und verkündet ist, dem Gesetzgeber nicht mehr sehr viel Freiheit, er muss seine Mauern nach dem Fundament entwerfen. Auch die Höhe, die er bauen kann, ist immer durch die Schwere und Festigkeit dieses Fundaments vorgeschrieben. Es steht ihm nachher nur noch frei, ob er überhaupt auf dem Fundament weiterbauen will oder nicht, ob er sich damit begnügen will, im Fundament eine Art Kellerwohnung einzurichten. […] Von welchen Grundwerten aus fühlen wir alle […] das Gebäude getragen, das wir Staat nennen und in dem wir alle wohnen wollen und zwar so wohnen wollen, dass wir miteinander auskommen können [?, d. Verf., …] Ich glaube also, dass, wenn unsere Verfassung legitim sein soll, […] sie beruhen muss in erster Linie auf dem einen Pfeiler: Der Mensch ist um seiner selbst willen da und der Staat ist dazu da, damit der Mensch Mensch sein könne.“341

Der letzte Satz dieses Zitats sollte weitgehend identisch im Parlamentarischen Rat, dessen SPD-Fraktion Schmid vorsaß, als Formulierung für Art. 1 Abs. 1 GG diskutiert werden. Der Mythos des Bauwerks prägte offensichtlich auch die „Väter des Grundgesetzes“. Am 14.11.1946 beschloss in der sowjetisch besetzten Zone der Parteivorstand der Sozialistischen Einheitspartei Deutschlands (SED) den „Entwurf einer Verfassung für die Deutsche Demokratische Republik“, deren erste beiden Abschnitte „Die Grundlagen der Staatsordnung“ bzw. „Grundrechte und Grundpflichten der Bürger“ betitelt waren. Es ist bemerkenswert, dass diese Makrogliederung der Mikrogliederung in Art. 1 Abs. 2 und 3 GG (erst Grundlagen, dann Grundrechte) entsprach. Die Formulierung „Grundrechte und Grundpflichten“ hat offen­ sichtlich die Überschrift des zweiten Hauptteils der WRV übernommen, die als solche ohne historisches Vorbild war. Kurz darauf begann die erste, vor-grundgesetzliche Welle inkrafttretender Landesverfassungen, die zum überwiegenden Teil auch einzelne Abschnitte zu den seit 1848 üblicherweise sog. Grundrechten enthielten, wie folgende Auflistung zeigt.

341

Verhandlungen der Verfassunggebenden Landesversammlung für Württemberg-Hohenzollern (22.11.1946), S. 3 bzw. 7. Dort., S. 6, auch „Staatsmetaphysik des calvinistischen Protestantismus“ als „Bauzement für die angelsächsische Verfassung“ und die Rede von der „meta-juristische[n] Fundierung“ einer Verfassung.

IV. Die Grundrechte des Grundgesetzes  

Länder (nach Verkündungsdatum)

Terminologie

Württemberg-Baden vom 28.11.1946

„Die Grundrechte“

Land Hessen vom 01.12.1946

„Rechte des Menschen“

Freistaat Bayern vom 02.12.1946

„Grundrechte und Grundpflichten“

Land Thüringen vom 20.12.1946

ohne eigenen Titel (aber im Text: „Freiheiten“342)

Provinz Sachsen-Anhalt vom 10.01.1947

„Grundrechte und Grundpflichten der ­ Bürger“

Land Mecklenburg vom 16.01.1947

„Grundrechte und Grundpflichten der ­ Bürger“

Mark Brandenburg vom 06.02.1947

ohne eigenen Titel (aber im Text: „Grundrechte“)343

Land Sachsen vom 28.02.1947

„Grundrechte und Grundpflichten“

Land Baden vom 18.05.1947

„Grundrechte“

Rheinland-Pfalz vom 18.05.1947

„Grundrechte“

Württemberg-Hohenzollern vom 18.05.1947

„Die Pflichten und Rechte der Staatsangehörigen“

Freie und Hansestadt Bremen vom 21.10.1947

„Grundrechte“

Quelle: Eigene Darstellung.

285

342 343

Abbildung 3: Vorgrundgesetzliche Landesverfassungen

Die Länder in der sowjetisch besetzten Zone stellten an den Anfang ihrer Verfassungen übrigens jeweils einen Abschnitt „Demokratischer Aufbau“344 (zum Teil mit Zusatz „des Landes“ bzw. „der Provinz“), in den Bestimmungen über Grundrechte aufgenommen wurden, soweit kein eigener Titel vorgesehen wurde. Der sonderbaren Hessischen Formulierung liegt keine bewusste Abgrenzung zu Grunde.345 342 Art. 3 Abs. 3: „Die Grenzen der Staatsgewalt liegen in der Anerkennung der Freiheit der Person, der Glaubens- und Gewissensfreiheit, der Freiheit der Meinungsäußerung und der Freiheit der Wissenschaft und ihrer Lehre. Nur im Rahmen allgemeiner Gesetze können diese Freiheiten beschränkt werden.“ 343 Art. 6: „Die Staatsgewalt findet im Rahmen der Gesetze ihre Grenzen an den Grund­ rechten. Diese sind […]. Gegen Gesetze, die gegen Moral und Menschlichkeit verstoßen, besteht ein Widerstandsrecht.“ 344 Herv. d. Verf. 345 Der von Walter Jellinek stammende Vorentwurf sprach ebenso von den „Grundrechten“ (ohne Grundpflichten) wie es bis zum Ende der Beratungen auch die Abgeordneten parteiübergreifend gewohnt waren. Über den nicht sog. „Grundrechtsteil“ der beschlossenen Verfassung,

286

E. Ausblick auf eine methodische Metaphorologie der „Grundrechte“ 

Warum in der Verfassung für Württemberg-Hohenzollern von den „Pflichten und Rechten der Staatsangehörigen“ gesprochen wurde, erschließt sich nicht; der Antrag, den Titel in „Grundrechte und Grundpflichten“ (als nicht beschränkt auf Staatsangehörige) umzuändern, wurde mit 25 gegen 29 Stimmen abgelehnt.346 In der Regel wurde die Terminologie der Grundrechte bereits in Vorentwürfen verwendet und von den zuständigen Gremien unhinterfragt übernommen347, wobei die Terminologie der „Menschenrechte“ immer wieder synonym verwendet wurde. Die Diskussion einer gemeinsamen Verfassung für das Gebiet der späteren Bundesrepublik Deutschland ging im Wesentlichen von einem Schreiben vom 01.07.1948 aus, das die Ministerpräsidenten der Länder zur Einberufung einer Verfassunggebenden Versammlung aufforderte. Darin wurden gewisse Grund­ anforderungen an das möglicherweise entstehende Dokument gestellt, darunter „Garantien der individuellen Rechte und Freiheiten“.348 Die Konferenz der Ministerpräsidenten, die den später sog. „Verfassungskonvent von Herrenchiemsee“ formell als Verfassungsausschuss einsetzte, beschäftigt sich mit diesem Punkt unmittelbar zunächst gar nicht; im Zusammenhang mit den Inhalten eines Besatzungsstatuts wurden allerdings „die allgemeinen Menschenrechte sowie die bürgerlichen Rechte und Freiheiten“ genannt, die der deutschen Bevölkerung „auch“ den Besatzungsmächten gegenüber zu gewährleisten seien.349 In terminologischer Hinsicht beschäftigte sie vor allem eine Kontroverse mit den westalliierten Militärgouverneuren über die Bezeichnung „Grundgesetz“, die von diesen, die eine „Verfassung“ gefordert hatten, als zu schwach empfunden wurde. Den westlichen Besatzungsmächten ging es im Wesentlichen darum, sich gegenüber der Sowjetunion nicht als im postnazistischen nation building weniger erfolgreiche Besatzungsmächte zu profilieren, die westliche Position durch die politische und administrative Vereinigung ihrer Zonen allgemein im Hinblick auf die gesamtdeutsche Frage zu stärken und den entsprechenden Anspruch durch eine Verfassung zu dokumentieren. Den Ministerpräsidenten der westdeutschen Länder ging es umgekehrt zunächst gerade darum, nicht die Gründung eines ­Weststaates

der auf einem Entwurf der CDU beruhte, herrschte parteiübergreifende Einigkeit, vgl. Will, S.  115 ff., 328 ff. Dies erstaunt umso mehr, als auch die CDU ursprünglich einen Parteientwurf vertrat, der von „Grundrechten [und Grundpflichten]“ sprach, vgl. Will, S. 204. Allerdings zeigen Aussagen aus den Verhandlungen in Hessen parteiübergreifend deutlichere Abgrenzungsabsichten auch gegenüber 1848 als in den süddeutschen Ländern, vgl. Will, S. 89, sowie Stenographische Protokolle der Verfassungsberatenden Landesversammlung Großhessen (29.09.1946), S. 135. 346 Verhandlungen der Verfassunggebenden Landesversammlung für Württemberg-Hohenzollern (21./22.04.1947), S. 9. 347 Vgl. für Bayern Gelberg, S. 16, 54, 72. Es ist unklar, ob der Singular „Grundrecht[!] und Grundpflichten“ ebd., sowie nach Pfetsch, S. 333 (341), auf einen Schreibfehler zurückgeht. 348 „Frankfurter Dokumente“ vom 01.07.1948, in: Wernicke/Booms (1975), S. 30 (31). 349 Stellungnahme der Ministerpräsidenten der westdeutschen Besatzungszonen zu den „Frankfurter Dokumenten“ vom 10.07.1948, in: Wernicke/Booms (1975), S. 143 (149).

IV. Die Grundrechte des Grundgesetzes  

287

und damit die Aufgabe eines gesamtdeutschen Staates zu dokumentieren; auch dies fand zuweilen Ausdruck in Metaphern des ‚Bauwerks‘: „Wir wollen das neue deutsche Haus bauen. Dieses Haus muss groß sein und so gebaut werden, dass alle Deutschen, dass alle Länder in ihm Platz haben. Und wenn die schmerzlichen Gegebenheiten […] es heute noch nicht allen ermöglichen, in dieses neue deutsche Haus einzuziehen, so werden wir […] die Türen so groß bauen und so weit offen halten, dass jederzeit die Länder des deutschen Ostens in dieses neue deutsche Haus Einkehr halten können.“350

Auch wenn die Kontroverse um die Bezeichnung, wie sich herausstellte, auf der Übersetzung von „Grundgesetz“ als „basic law“ beruhte und die deutsche Seite die Vorbehalte weitgehend durch die Erklärung ausräumen konnte, „Grundgesetz“ sei treffender mit „Basic Constitutional Law“ zu übersetzen – so ist den Mate­rialien doch eine mustergültige Gradwanderung darin zu entnehmen, die Bezeichnungen „Grundgesetz“ und „Verfassung“ einerseits als synonym, andererseits als von­ politisch erheblicher Unterscheidungskraft zu erklären; konkret als offen für eine Deutung als ‚vorläufiges Verwaltungsstatut für ein nichtstaatliches Gebilde‘ einerseits, eindeutig staatlich andererseits.351 Ein Ministerpräsident sprach in diesem Zusammenhang von „dem glücklichen Gedanken des Grundgesetzes“352; das erinnert an die Angemessenheit von Metaphern. Metaphorologisch ist zu vermuten, dass „Verfassung“ den ‚umfassenderen‘ Begriff darstellt, im wörtlichen wie sodann auch übertragenen Sinne. Das Wort „Verfassung“ entspricht nach heutigem Stand dem, was in der Einleitung als „nachträgliche Metapher“ oder „Als-Ob-Metapher“ gekennzeichnet wurde: Mit dem Wort 350 So der rheinland-pfälzische Ministerpräsident Altmeier, Protokoll der Konferenz der Ministerpräsidenten der westdeutschen Besatzungszonen, Koblenz (Rittersturz) vom 08.–10.07.1948, in: Wernicke/Booms (1975), S. 60 (62 f.). 351 Vgl. Protokoll der Konferenz der Ministerpräsidenten der westdeutschen Besatzungs­ zonen, Koblenz (Rittersturz) vom 08.–10.07.1948, in: Wernicke/Booms (1975), S.  60 (89 f.); Protokoll der Konferenz der Militärgouverneure mit den Ministerpräsidenten der westdeutschen Besatzungszonen, Frankfurt a. M. am 20.07.1948, in: Wernicke/Booms (1975), S. 163 (167); Protokoll der Konferenz der Ministerpräsidenten der westdeutschen Besatzungszonen, Niederwald vom 21.–22.07.1948, in: Wernicke/Booms (1975), S. 172 (185); Bericht über den Verfassungskonvent auf Herrenchiemsee vom 10. bis 23. August 1948, in: Wernicke/Booms (1981), S. 504 (S. 506 ff.). 352 Hermann Lüdemann aus Schleswig-Holstein (SPD), Protokoll der Konferenz der Ministerpräsidenten der westdeutschen Besatzungszonen, Niederwald vom 21.–22.07.1948, in: Wernicke/Booms (1975), S. 172 (204 f.); weiter: „Hier handelt es sich nun um eine Art Sprachunterricht, den wir den Besatzungsmächten erteilen. Eine Verfassung ist nach deutschem Sprachgebrauch ein Grundgesetz, und nur bei einem Staat hält man eine Verfassung für einen ausreichenden Begriff. Wendet man das Wort Grundgesetz an, so spricht man in der Regel von einem Staatsgrundgesetz. Eine Verfassung ist ein Grundgesetz […] Wenn […] die Besatzungsmächte daran das Zustandekommen einer Verfassung scheitern lassen wollen, dann würden sie sich lächerlich machen.“ Das letzte Argument ließ sich umdrehen, was auch geschehen ist, vgl. Protokoll der Konferenz der Ministerpräsidenten der westdeutschen Besatzungszonen, Niederwald vom 21.–22.07.1948, in: Wernicke/Booms (1975), S. 172 (210).

288

E. Ausblick auf eine methodische Metaphorologie der „Grundrechte“ 

„Verfassung“ wird zumindest überwiegend eine außerrechtliche Ursprungsbedeutung in Hinsicht auf eine stabile Rahmung assoziiert, im Sinne von „Fassung“ (eines Schmucksteins oder – bereits als Metapher wahrscheinlich ersten Grades – kontrollierter Gesichtszüge)  oder körperlicher „Verfassung“ und „Konstitution“. In Wirklichkeit jedoch geht das deutsche Wort primär auf die Bedeutung von Absprache, gütliche Streitbeilegung, sekundär Textab- bzw. -zusammenfassung zurück; die vulgärmedizinische Redeweise von der „körperlichen Verfassung“ beruht entgegen verbreiteter Vermutung wohl auf einer Metapher aus dem Bereich des Rechts.353 Bei dieser Als-Ob-Metapher handelt es sich strukturell typisiert um eine Gefäßmetapher.354 Das Gefäß (der menschliche Körper, die Einfassung eines Schmucksteins) ist tendenziell dadurch gekennzeichnet, dass es seinen Inhalt auch zu den Seiten hin abschirmt (nicht mit stets weit offen gehaltenen Türen) und stabilisiert; es hat eine Höhen- und Außendimension. Eine Verfassung inkorporiert, ein Grundgesetz trägt bloß. Weil der Begriff der Verfassung in metaphorologischer Hinsicht eine Höhendimension aufweist, kommt er dem Begriff der „Souveränität“ näher als jener des Grundgesetzes. Weil er die Unterscheidung zwischen Innen und Außen als Leitdifferenzierung beinhaltet, kommt er gerade auch dem Ansinnen einer nationalen Identität näher; eine westdeutsche Nachkriegsverfassung hätte deshalb die Trennung Deutschlands in zwei Teile klarer bedeutet als ein westdeutsches Nachkriegsgrundgesetz. Eine tiefergehende Untersuchung dieser Verfassungsfragen würde zu weit vom ausblicksmäßigen Kernthema der Grundrechte wegführen. Im Hinblick auf die Arbeit des Parlamentarischen Rats und die Kontroverse um den Namen des deutschen „Grundgesetzes“ zeugte gegen Ende der Beratungen die im Grundgesetz selbst an verschiedenen Stellen angedeutete Verfassungsmäßigkeit seines Charakters355 davon, dass der Parlamentarische Rat seinen Willen inzwischen auf Staatlichkeit hin geändert hatte. Im Hinblick auf die heute sog. „Grundrechte“ tendierte auch der Sprachgebrauch im Verfassungskonvent von Herrenchiemsee wie im Parlamentarischen Rat von Anfang an zur später durchgesetzten Terminologie, ohne die Begrifflichkeit ausdrücklich zu thematisieren.356 Gerade die Berichte des auch für den Grundrechts 353 Vgl. Mohnhaupt/Grimm, S. 19 ff. Die Rückwirkung dieser ‚organischen‘ Metapher ins öffentliche Recht ist aber wahrscheinlich als Ursache für die vormoderne „Verfassung als Seinsbegriff“, Schulze (2002), S. 18 ff., anzusehen. 354 Vgl. explizit Montenbruck, S. 213 ff.; zu Gefäßmetaphern allgemein Lakoff/Johnson (2008 [1980]), S. 39 ff. 355 Vgl. insbesondere Präambel, Art. 2 Abs. 1, 9 Abs. 2 und 20 Abs. 3, 92 ff. GG. 356 Die in Wernicke/Booms (1981) veröffentlichten Protokolle aus Herrenchiemsee zeigen den Ausdruck „Grundrechte“ an mehr als sechzig Stellen, die Ausdrücke „Freiheiten“ bzw. „Menschenrechte“ jeweils an ca. zehn Stellen, die in Schick/Kahlenberg (1996) veröffentlichten Protokolle des Plenums des Parlamentarischen Rates den Ausdruck „Grundrechte“ an ca. 50 Stellen, den Ausdruck „Freiheiten“ an unter 20 und den Ausdruck „Menschenrechte“ an unter zehn Stellen. Ein früher bayerischer Entwurf des Grundgesetzes sprach in Bezug auf die Landesverfassungen zunächst noch von „allgemeinen Rechten der Menschen und Bürger“, später von

IV. Die Grundrechte des Grundgesetzes  

289

teil zuständigen Ausschusses für Grundsatzfragen zeigen indes immer wieder ein Ringen um einzelne Formulierungen, das offensichtlich auch im weitesten Sinne ‚ästhetisch‘ motiviert war, ohne dass die Beteiligten über eine gemeinsame Sprache verfügt hätten, ihre Eindrücke und Ideale zu rechtfertigen.357 Bei der Diskussion über den Umfang des aufzunehmenden Grundrechtekataloges, insbesondere im Hinblick auf in der WRV enthaltene Regelungen zur sozialen „Lebensordnung“358, kam verschiedentlich zum Ausdruck, dass als „echte Grundrechte“ nur solche gelten und in das Grundgesetz aufgenommen werden sollten, die einen konkreten „Mindeststandard“ an Rechten ausdrücken würden, die die Rechtspersönlichkeit ausmachten359; das Adjektiv „echt“ kann hier eigentlich nur auf den metaphorologischen Gehalt der Grundrechte bezogen werden, der ein (quantitativ) ‚niedriges Niveau‘ bedeutet. Besonders bemerkenswert ist auch diesbezüglich die fein differenzierende Auseinandersetzung um die konkrete Formulierung des Art. 1 GG. Als Beispiel360: „Dr. Bergsträsser: Sprachlich ist nur noch zu sagen, dass zweimal das Wort ‚Grundlagen‘ vorkommt. Vielleicht kann man im ersten Satz statt ‚Grundlagen‘ ‚Voraussetzungen‘ sagen. Vors. [Dr. v. Mangoldt]: Ich hatte hier in dem Satz das Wort ‚Voraussetzungen‘ drin. Aber ich finde, das klingt nicht. Vielleicht könnte man den zweiten Satz noch etwas umgestalten, indem man das Wort ‚Grundlage‘ irgendwie ersetzt. Dr. Bergsträsser: ‚Voraussetzung‘ ist etwas anderes. Vors. [Dr. v. Mangoldt]: Kann man nicht vielleicht vom ‚Inhalt‘ reden? Man müsste nur wieder ein Beiwort hinzusetzen und etwa sagen: als unverlierbaren Inhalt. Dr. Bergsträsser: ‚Inhalt‘ ist auch wieder etwas anderes. Mayr: Vielleicht könnte man sagen: … auf der seine menschliche Gemeinschaft ruht. den „Grundrechte[n] aller Deutschen“ als Oberbegriff für „Freiheitsrechte und Bürgerrechte“. Die Umstände deuten darauf hin, dass hier noch der an 1848/1849 erinnernde länderübergreifende Aspekt der Grundrechte (der nach 1945 grundsätzlich kaum zu erkennen ist) leitend war, vgl. Wernicke/Booms (1981), S. 5, 44 ff. Ein synonymes Verständnis von Menschen- und Freiheitsrechten einerseits und Grundrechten andererseits ist für v. Mangoldt belegt im Stenographischen Wortprotokoll der zweiundzwanzigsten Sitzung des Ausschusses für Grundsatzfragen, 18.11.1948, in: Schick/Kahlenberg (1993b), S. 584 (601). Vgl. auch schon etwa Protokoll der Konferenz der Ministerpräsidenten der westdeutschen Besatzungszonen, Niederwald vom 21.–22.07.1948, in: Wernicke/Booms (1975), S. 172 (180). 357 So argumentierte Heuss (erfolglos) für die „Würde des menschlichen Wesens“ „auch aus Gründen der sprachlichen Kadenz. Der Satz wird dadurch melodischer, rhythmischer; er klingt besser“, Stenographisches Wortprotokoll der vierten Sitzung des Ausschusses für Grundsatzfragen, 23.09.1948, in: Schick/Kahlenberg (1993a), S. 62 (73). Vgl. z. B. zu „Würde und Klang“ bzw. „Duktus“ Stenographisches Wortprotokoll der zweiundzwanzigsten Sitzung des Ausschusses für Grundsatzfragen, 18.11.1948, in: Schick/Kahlenberg (1993b), S. 584 (588, 594). 358 Vgl. Rensmann, S. 1; Ruffert, S. 256 f. 359 Vgl. Stenographisches Wortprotokoll der vierten Sitzung des Ausschusses für Grundsatzfragen, 23.09.1948, in: Schick/Kahlenberg (1993a), S. 62 (67, 71). 360 Die jeweils zugrundeliegenden Arbeitsformulierungen lassen sich kaum rekonstruieren, sollen hier aber auch nicht detailerheblich sein.

290

E. Ausblick auf eine methodische Metaphorologie der „Grundrechte“ 

Vors. [Dr. v. Mangoldt]: Ja, in irgendeiner solchen Form. Dr. Bergsträsser: Vielleicht sagt man: Das deutsche Volk anerkennt, dass alle menschliche Gemeinschaft auf ihnen beruhen muss, oder: beruht […]361 Können wir ‚Fundament‘ nicht ersetzen und statt ‚Grundlagen‘ sagen ‚tragende Kräfte‘? Dr. Süsterhenn: ‚Grundlagen‘ ist besser als ‚tragende Kräfte‘. Da ist zuviel Dynamik darin, es schwimmt etwas. ‚Grundlagen‘ ist stabiler und klingt stabiler. Dr. Bergsträsser: Der Begriff ‚tragende Kraft‘ ist subjektiver, vom einzelnen Menschen aus gesehen, ‚Grundlage‘ ist objektiver. Dr. Süsterhenn: Ich möchte das objektiv verankern. Dr. Heuss: Ich habe ein bisschen Sorge, dass das Wort ‚Grundlage‘ sich entfernt hat von der Plastik des Grundes, auf dem es ruht. Es ist etwas verwaschen geworden. Vielleicht können wir sagen: ‚ … auf denen Freiheit, Gerechtigkeit und Frieden ruhen.‘ Ich würde am liebsten ‚Fundament‘ mit ‚Grund‘ übersetzen, aber ‚Grund‘ ist gleichzeitig ein kausaler und ein­ plastisch-örtlicher Begriff, und der kausale wäre hier ganz sinnlos. (Dr. Bergsträsser: Unterpfand!) Fundament ist deutlicher. Das Wort Grundlage […] hat auch so ein bisschen einen kausalen Klang, den es hier nicht haben soll. Es soll damit erfasst sein das Ruhen in den Dingen. Ich würde sagen: ‚Auf denen Freiheit, Gerechtigkeit und Frieden ruhen.‘ Frau Dr. Weber: Mir würde ‚Unterpfand‘ besser gefallen. […] Lensing: Ich bin für die Formulierung von Herrn Dr. Heuss: ‚… auf denen Freiheit, Gerechtigkeit und Frieden ruhen.‘ Wunderlich: Ich finde das sprachlich sehr schön. Vors. [Dr. v. Mangoldt]: Also: ‚… auf denen Freiheit, Gerechtigkeit und Frieden ruhen.‘ […].“362

Dialoge wie dieser sind in den veröffentlichten Materialien selten. Er belegt indes, dass den „Müttern und Vätern des Grundgesetzes“ ein effektiv geteiltes Bewusstsein für die metaphorische Angemessenheit ihrer Formulierungsversuche nicht fremd war, mögen sie diese auch nicht selbst so genannt haben. Es ist anzunehmen, dass das Feilen an Detailformulierungen schon damals (wie in der heutigen parlamentarischen Praxis) nur in Ausnahmefällen zur Angelegenheit der förmlichen Ausschusssitzungen gemacht wurde, und diese im Wesentlichen in informellen Zirkeln erfolgt bzw. vorbereitet worden sind. Belege wie dieser sind wichtig, weil sie im Hinblick auf das überkommene juristische Methodenbewusst 361 Stenographisches Wortprotokoll der zweiundzwanzigsten Sitzung des Ausschusses für Grundsatzfragen, 18.11.1948, in: Schick/Kahlenberg (1993b), S. 584 (599 f.). 362 Stenographisches Wortprotokoll der zweiunddreißigsten Sitzung des Ausschusses für Grundsatzfragen, 11.01.1949, in: Schick/Kahlenberg (1993b), S.  910 (914 f.). Dass die Menschenwürde in sich ruhen müsse, war schon Heuss’ Argument gegen ihre „Gewährleistung“, Stenographisches Wortprotokoll der zweiundzwanzigsten Sitzung des Ausschusses für Grundsatzfragen, 18.11.1948, in: Schick/Kahlenberg (1993b), S. 584 (588).

IV. Die Grundrechte des Grundgesetzes  

291

sein belegen, dass die Bildlichkeit der Intention eines Gesetzes angehört. Dabei erweisen sie im Grunde nur eine anthropologische Standardsituation als zutreffend auch auf solche Personen, die Gesetze schreiben bzw. auslegen. Dabei entsprechen sie nur der sprichwörtlichen ‚Nussschale auf dem Meer des Un(ter)bewussten‘. Wenn das dem Gesetzgeber Unbewusste, wovon die objektiven Theorien ausgehen, zum Sinn des Gesetzes gehört, so muss dies doch für das ihn unterbewusst Leitende erst recht gelten. 3. Grundrechtsdogmatik und metaphorische Topologie Die Kenntnis der „klassischen“ deutschen Grundrechtsdogmatik, das heißt derjenigen, die sich dann seit 1949 auf der Grundlage des Grundgesetzes kontinuierlich bis zum heutigen Stand entwickelt hat, kann im hiesigen Rahmen als bekannt vorausgesetzt werden. Sie gründet auf einer auf Freiheitsgrundrechte zugeschnittenen Heuristik der Bedeutung eines Grundrechts im Einzelfall in drei Stufen, die mit „Schutzbereich“, „Eingriff“, „Schranken“ gekennzeichnet werden. „Beim Schutzbereich handelt es sich um einen von der Rechtswissenschaft geschaffenen und von der Rechtsprechung übernommenen Begriff. Das Grundgesetz verwendet den Begriff ‚Eingriff‘ in Art. 2 Abs. 2 Satz 3 und Art. 13 Abs. 3. […] Den Begriff ‚Schranke‘ liest man in Art. 5 Abs. 2 und Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG. Von ‚Beschränkungen‘ sprechen die Art. 8 Abs. 2, Art. 10 Abs. 2 und Art. 13 Abs. 3 GG. Der Begriff ‚Einschränkungen‘ findet Verwendung in den Art. 11 Abs. 2, Art. 12a Abs. 6 Satz 1 und Art. 17a GG.“363

Über die Herkunft der Begriffe, seien sie ausdrücklich im Grundgesetz verankert oder von dogmatischem Charakter, ist erstaunlich wenig bekannt. Insbesondere der Begriff des Schutzbereichs ist zunehmend Gegenstand alternativer Terminologisierungsversuche, die an späterer Stelle noch ausführlicher thematisiert werden; die Kritik erkennt die metaphorische Konstruktion der Grundrechtsdogmatik empirisch an (möchte von ihr aber normativ abstrahieren).364 Der „Schutzbereich“ hat als zentraler, methodisch vorrangiger Begriff, der nicht im Grundgesetz selbst erscheint, dogmatischen Charakter. Ein grundrechtswissenschaftliches Dogma ist eine den Inhalt von Grundrechten konkretisierende Eigenleistung der Rechts­ anwendung in Form eines zu systematisierenden Begriffs.365 In Verbindung mit anderen Elementen des „Rechtsstoffes“ (Luhmann) bilden sich Rechtsdogmatiken. An dieser Stelle geht es darum, die metaphorische Effektivität der traditionellen Grundlinien der Grundrechtsdogmatik aufzuzeigen. Auf die bereits erfolgten Bemerkungen zur Geschichte der Grundrechte als (Grund-)Eigentumsmetapher, zu

363

Peine, Rz. 6 (S. 90). Dazu unten E.V.3. 365 Vgl. Kahl (2009), 465; Luhmann (1974), S. 13. Zum Begriff der Verfassungskonkretisierung grundlegend Stern (1994), S. 1712 ff. 364

292

E. Ausblick auf eine methodische Metaphorologie der „Grundrechte“ 

Grundgesetz, Grundrechten und Art. 1 wird Bezug genommen.366 Es sollen hier drei Ausschnitte des grundrechtsdogmatischen Diskurses kurz angerissen werden, deren spätere Vertiefung lohnenswert erschiene. Sie entstammen drei Betrachtungsebenen des Systems der Grundrechte. „Je weiter der Schutzbereich eines Grundrechts verstanden wird, desto eher ist ein Eingriff in ihn möglich. Umgekehrt vermindert jede einengende Auslegung des Schutzbereichs die Zahl möglicher Eingriffe.“367

Dieses grundrechtsdogmatische Zitat Peines zeigt die Funktion einer im physischen Raum zu erfahrenden Regel mit solcher Einfachheit, das fast jede Erläuterung überflüssig erscheint: Je größer die Angriffsfläche (Schutzbereich), desto größer die Wahrscheinlichkeit, getroffen zu werden (Eingriff). Es betrifft ein Detail der überkommenen grundrechtsdogmatischen Auslegungsheuristik. Aus einem etwas erhöhten, umfassenderen Blickwinkel heraus beschreibt sie beispielhaft Isensee in Abgrenzung zum Sonderfall der Menschenwürde: „Die Menschenwürde kennt keinen abgezirkelten Schutzbereich (Grundrechtstatbestand), wie ihn die Grundrechte, etwa Meinung, Versammlung, Eigentum, aufweisen, also einen gegenständlich definierten Sektor, welcher der Selbstbestimmung des Individuums vorbehalten und der Staatsgewalt verschlossen ist, es sei denn, diese erlangte nach Überwindung formeller und materieller Hindernisse, den ‚Schrankenschranken‘, Zutritt. […] Es entfällt auch [mit dem Schutzbereich, d. Verf.] die Kategorie der Grenze, innerhalb deren grundrechtliche Freiheit gewährleistet wird, außerhalb deren nicht. […] Die Idee bildet ein Zentrum, das auf seine rechtliche und reale Umwelt ausstrahlt. Die Ausstrahlung ist nicht trennscharf eingrenzbar. Sie wirkt mehr oder weniger intensiv, je nach Nähe und Inhalt der Normen und Sachverhalte.“368

Isensee benutzt hier zwei Metaphern, die introvertrierte des nach Außen bewehrten Bereiches und die extravertierte der Sonne, des Energiezentrums, um die Interpretationen zweier Grundrechte deutlich voneinander abzuheben. Selten wird auf so engem Raum die Assoziation etwa von „Schrankenschranken“ mit realen Hindernissen, gleich Grenzschranken so explizit wie hier. Bei ihrem Lesen im grundrechtsdogmatischen Kontext wird sich aber niemand über die Formulierung wundern, sondern sich eher nebenbei ein beim Lesen juristischer Fachliteratur seltenes Gefühl erfahrungsgesättigter Vertrautheit einstellen.369 366

s. oben E.II.2. bzw. E.IV.1. Peine, Rz. 11 (S. 91). 368 Isensee, Rz. 116 (S. 78, Herv. d. Verf.). 369 Die Metapher der (einfachen) „Schranke“ fehlt im Rahmen des Zitats nicht zufällig; sie lässt zwar latent Raum assoziieren, fügt sich jedoch ‚manifest‘ nicht in das aus den genannten Metaphern konstruierte Narrativ ein. Sie wird erstens mit ‚Grenz-‘ oder ‚Altarschranke‘ assoziiert, ist aber dem dogmatischen Modell gemäß gerade nicht mit den Grenzen des Schutzbereichs identisch. Sie bedeutet vielmehr umgekehrt seine Durchlässigkeit. In (partiell) nachträglicher Metaphorik wird sie zweitens auch mit ‚Verkehrs-‘, ‚Eisenbahnschranke‘ assoziiert. Begrifflich bewegter Verkehr passt jedoch nicht zum Grundmodell der statischen Abgrenzung zwischen privater und staatlicher Sphäre; der Schutzbereich wird nicht beweglich imaginiert. Innerhalb der Trias „Schutzbereich“ – „Eingriff“ – „Schranke“ ist die letztgenannte 367

IV. Die Grundrechte des Grundgesetzes  

293

Eine logische Fortschreibung solcherlei Metaphorik findet statt, wenn beispielsweise von der „Architektur“370 von Verfassungsnormen, von „Verfassungsarchitektur“371, „Eckpfei­ lern“372 der Verfassung oder „zentralen Bausteinen“ des Rechts- und Ordnungsgefüges“373

die Rede ist. Dabei handelt es sich um eine etwas andere Imagination, weil der umschränkte Schutzbereich wohl zumindest überwiegend als Bereich unter freiem Himmel und tendenziell zweidimensional imaginiert wird. Architektur dagegen lässt an dreidimensionale, üblicherweise überdachte Gebäude denken. Es gibt allerdings keinen Widerspruch, weil der Gebäudegrundriss dem Modell von Bereich, Grenzen und Durchlass entspricht. „Architektur“ verweist in ihrer metaphorischen Höhendimension auf das funktionale Zusammenspiel vieler Elemente, die über das Minimum hinausgehen, und ihre Konstruktion durch menschliches Handwerk. Architektur heißt schließlich, mit Böhme, „sich im Sein einrichten, sich bauend auf der Erde gründen“.374

Metapher das begriffsgeschichtlich vermutlich unerforschteste und in der juristischen Literatur auch am wenigsten terminologisch thematisierte Element. Zugleich ist seine Ersetzung und Vermeidung durch einen alternativen Begriff, und zwar der „Rechtfertigung“ in Verbindung mit „Gesetzesvorbehalten“, am gebräuchlichsten. Da die „Schranke“ eine dem Grundrechtstatbestand zumindest näher zugeordnete Funktion bezeichnet als es deliktische Rechtfertigungsgründe (an die bei „Rechtfertigung“ zu denken ist) im Hinblick auf Tatbestände des Straf- und Zivilrechts tun, läge begrifflich näher die bloße Rede vom Gesetzesvorbehalt, der aber nicht den Fall der „verfassungsimmanenten Schranken“ (für die sich noch kein Alternativausdruck etabliert hat) impliziert. 370 Badura (2013b), vor Rz. 28; Badura (2013a), vor Rz. 22. 371 In Bezug auf das Grundgesetz etwa Dürig, Rz. 1; Herdegen, vor Rz. 1; in Bezug auf die Europäische Union etwa Schlussanträge des Generalanwalts Mengozzi vom 17. April 2012, Az. C-C035/10, Absatz Nr. 18; de Wet, S. 779; Di Fabio (2013), Rz. 83 (Fn. 5). 372 So z. B. die Grundentscheidungen nach Art. 79 Abs. 3 GG als „Eckpfeiler“ unserer grundgesetzlichen Ordnung in BVerfG, Urteil vom 03.03.2004, Az. 1 BvR 2378/98, Absatz Nr. 366; das Bundesstaatsprinzip als „Eckpfeiler“ des Staatswesens der Bundesrepublik Deutschland in BVerfG, Beschluss vom 07.05.2001, Az. 2 BvK 1/00, Absatz Nr. 78; die grundgesetzliche Finanzverfassung als „Eckpfeiler“ der bundesstaatlichen Ordnung in BVerfG, Beschluss vom 09.11.1999, Az. 2 BvL 5/95, Absatz Nr.  28; Urteil vom 28.03.2002, Az. 2 BvG 1/01 u. a., Absatz Nr. 43; Urteil vom 19.03.2003, Az. 2 BvL 9/98 u. a., Absatz Nr. 48; Beschluss vom 17.07.2003, Az. 2 BvL 1/99 u. a., Absatz Nr. 117. 373 Vgl. Bauer, S. 113. Ebd., S. 5, wird Otto Bühler zum subjektiven öffentlichen Recht als „Eckstein im Bau der rechtsstaatlichen Grundbegriffe und des Rechtssystems“ zitiert. 374 Böhme (2001), vor Fn. 28.

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E. Ausblick auf eine methodische Metaphorologie der „Grundrechte“ 

V. Metaphorologische Konkurrenzen „[…] das eigentliche Problem der Menschenrechte, eine reservierte individuelle Sphäre des Menschen gegenüber einer ihm fremden staatlichen Macht zu schaffen […]“ Gerhard Oestreich375 „[…] der bürgerliche Rechtsbegriff […] baut auf dem isolierten Individuum der bürgerlichen Gesellschaft auf, darauf, dass die […] Gesellschaft in ihrer Gesetzmäßigkeit, ihren Ursachen, dem einzelnen als unerkennbar entgegentritt, als ‚fremd und feindlich‘, als eine ihn beherrschende Macht.“ Karl Polak376

Über den Wert metaphorologisch angeleiteter Theorievergleiche zum Zwecke anschaulich erweiterter Ideologiekritik ist bereits im bisherigen Verlauf dieser Untersuchung einiges geschrieben worden. In der Metaphernforschung gilt, diese Stichworte seien hier in Erinnerung gerufen, die „historische Konfrontation“ verschiedener Theorien unter dem Gesichtspunkt ihrer Metaphern als wichtige, vielleicht wichtigste Methode, um die „Konturen“, das „Kolorit“, die „Kontrastfärbung“ einer Theorie herauszuarbeiten. Zu jeder distinkten Ideologie gehört eine distinkte Metaphorologie, was nicht unbedingt die Verwendung gänzlich distinkter Metaphern bedeuten muss, sondern auch eine lediglich unterschiedliche Konstellation weitgehend gleichbleibender Metaphern bedeuten kann. In den folgenden Passagen geht es – weiter anhand des gesellschaftlich wichtigen Beispiels der Grundrechte – darum, die Erkenntnismöglichkeiten eines solchen Verfahrens auszumessen. Die gewählten Vergleichspunkte sind unterschiedlich gelagert, ohne den geopolitischen Nahbereich der deutschen Grundrechtsdogmatik zu verlassen. Die metaphorologische Forschung zeigt sich dabei als mit vielfältigen Erkenntnisinteressen verwendbar. Bezogen auf die Rahmenbedingungen einer Grundrechtstheorie in der DDR wird es um die Aufarbeitung und Integration eines Stücks deutscher Rechts­ geschichte gehen. Der rechtsvergleichende Blick auf die französischen „libertés publiques“ wird Empathie für die Positionen und ‚Opfer‘ anderer im Rahmen des europäischen Einigungsprozesses fördern. Die Differenzen der zwei in der Grundrechtsdogmatik der innerdeutschen Gegenwart um Dominanz ringenden Theo 375

Oestreich, S. 65. Polak (1961), S. 643. Es handelt sich um eine die sozialistische Rechtswissenschaft bestimmende Kritik – vgl. etwa auch Autorenkollektiv (1977), S. 185; Klenner (1982), S. 101 f. – die auf Marx (1976b [1839–1844]), S. 364, zurückzuführen ist: „Vor allem konstatieren wir die Tatsache, daß die sogenannten Menschenrechte, die droits de l’homme im Unterschied von den droits du citoyen, nichts anderes sind als die Rechte des Mitglieds der bürgerlichen Gesellschaft, d. h. des egoistischen Menschen, des vom Menschen und vom Gemeinwesen getrennten Menschen.“

376

V. Metaphorologische Konkurrenzen  

295

rierichtungen werden sich in anderer Deutlichkeit zeigen, als es bisherige Darstellungen vermögen. Und auch im Hinblick auf rechtstheoretisch an Popularität gewinnende Netzwerktheorien des (Verfassungs-)Rechts werden sonst selten im Zusammenhang – wenn überhaupt explizit – zum Ausdruck gebrachte Teilaspekte sichtbar gemacht, die Schlussfolgerungen für eine im Sinne des geltenden Verfassungsrechts demokratisch engagierte Rechtswissenschaft aufzeigen lassen. In jedem Fall gilt es, andere Perspektiven kennen zu lernen und den eigenen Orientierungsrahmen in ihnen zu spiegeln. 1. „Sozialistische Gesetzlichkeit“ in der DDR Ohne die Opfer der „Konsensdiktatur“377 in der DDR zu vergessen, für deren offensichtlichste Entgleisungen mit Selbstschussanlagen ausgerüstete innerdeutsche Grenzanlagen und Isolationshaftanstalten einer Geheimpolizei stehen, kann sich die deutschsprachige Rechtswissenschaft im Hinblick auf die Rechts­ geschichte der DDR in einer privilegierten Lage sehen. Hier haben sich vorübergehend auf der Grundlage identischer historischer Voraussetzungen und Sprache378 zwei harsch konkurrierende Menschheitsideologien auch als jeweilige (Weiter-) Entwicklung des Rechtssystems geäußert. Insbesondere beanspruchte die Rechtswissenschaft der DDR in expliziter Abgrenzung zum Recht bürgerlicher Staaten, sozialistische Grundrechte in Diskontinuität zur Tradition jener „qualitativ neu“ und in „sachlicher Unvergleichbarkeit“ zu gewährleisten.379 Eine wissenschaftliche Unvergleichbarkeit ist damit jedoch keineswegs gegeben, vielmehr ist die Situation ideal für einen metaphorologischen Vergleich, in dem die markanten

377

Dieser gegenüber dem verbreiteten, aus einer Opferperspektive verständlichen ­Polem des „Unrechtsstaates“ soziologisch schärfere Begriff stammt von Rehberg (09.12.2008) (Herv. i. Orig.): „Eine ‚totalitäre Diktatur‘ war die DDR in den letzten zwei Jahrzehnten ihres Bestehens nicht, und doch gab es auch nach der Überwindung des Stalinismus keine ausdrückliche Abkehr vom ‚Totalitären‘, wohl aber – um an Webers herrschaftssoziologische Kategorie anzuknüpfen – dessen ‚Veralltäglichung‘. Der offenen Angst vor der Auslöschung der Person folgten die latenten Ängste vor unterschiedlichsten Sanktionierungen. Am wichtigsten war, dass der Terror zunehmend durch eine Verinnerlichung entdramatisierter Konsenszwänge abgelöst wurde: Das soll ‚Konsensdiktatur‘ heißen“, vgl. auch Rehberg (1994). Rehbergs weitere Beschreibung der DDR enthält auch die Bezeichnung als „Stagnationsgesellschaft“, was hier bemerkenswert der Beschreibung des Standes der DDRRechtswissenschaft ab 1958 durch Klenner (2005), S. 291, gleicht: „Tatsachlich […] zielte damals die ‚stete Sorge‘ der SED-Parteiführung nicht auf die Entwicklung der Rechtswissenschaft, sondern auf deren Stagnation, sie galt dem Erhalt der vorhandenen, vom Stalinismus affizierten Machtstrukturen und -methoden samt deren ideologischer Legitimation und Konsequenz.“ 378 Zur in den unterschiedlichen Sprachen bereits angelegten unterschiedlichen Erfassung der Wirklichkeit vgl. Hassemer, S. 76, und Gehlen (1974), S 263, 287 f. 379 Vgl. statt vieler für das Staatsrecht allgemein überaus prägend Polak (1960) sowie im Besonderen für die Grundrechte Autorenkollektiv (1977), S. 186.

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E. Ausblick auf eine methodische Metaphorologie der „Grundrechte“ 

Eigenheiten beider Vergleichsgrößen hervortreten. Daneben gilt, dass es sich bei der Geschichte der individuellen öffentlichen Rechte in der DDR um einen Teil gesamtdeutscher Rechtsgeschichte handelt, dessen gesamtdeutsche Aneignung zu wünschen übrig lässt.380 Eine zweckorientiert konzentrierte Darstellung dieses Teil der Rechtsgeschichte ist auf Pauschalisierung und Selektivität angewiesen. Dabei darf nicht der Eindruck entstehen, die Rechtswissenschaft der DDR sei als Einheitsblock zu betrachten. Dies gilt aufgrund ihrer starken Orientierung am Selbstverständnis der Staatsführung, das seinerseits Entwicklungen in der Sowjetunion nachvollzog, vor allem in zeitlicher Hinsicht. Aber auch im Hinblick auf die synchrone Staatsund Grundrechtstheorie ist mehr Variationsbreite festzustellen, als es das Klischee vermuten lässt. Stolleis hat eine höchst lesenswerte, um Differenzierung bemühte Darstellung der Staats- und Verwaltungsrechtswissenschaft der DDR­ vorgenommen.381 Die hiesige Darstellung versucht, der rechtsgeschichtlichen Situation der DDRRechtswissenschaft durch einen Spagat gerecht zu werden. Einerseits wird im methodischen Interesse der „Kontrastfärbung“ unterschiedlicher Metaphern in den zwei Systemen auf ‚deutschem Boden‘ versucht, die DDR-Rechtsideologie in ihrer historisch größten Distanz von derjenigen der bundesrepublikanischen Rechtsideologie zu rekonstruieren, die mit dem Ereignis der Babelsberger Konferenz im Jahre 1958 und ihren Protagonisten zu verbinden ist. Andererseits wird – Stolleis folgend – der Begriff der „sozialistischen Gesetzlichkeit“ als rechtsideologischer Schlüsselbegriff aufgefasst, der wahrscheinlich für die historisch größte Nähe der Rechtsverständnisse in beiden Systemen steht, indem er ab Mitte der 1980er Jahre für einen nach westdeutschen Maßstäben progressiven Teil  der Rechtswissenschaft der späten DDR eine dem bürgerlich-liberalen „Rechtsstaatsprinzip“ ähnliche – kaum rechtspraktisch gewordene – Systemfunktion einnahm.382 Innerhalb dieser näherten sich auch die Grundrechte der DDR erst wirklich dem westlichen 380

Die mit der Vollendung der deutschen Einheit verbundene Aufgabe, „die Ähnlichkeiten und gegenseitigen Herausforderungen der beiden Systeme [BRD und DDR, scil.] zu verstehen“, vgl. S­ tolleis (2009), S. 9, wurde bisher nicht erfüllt, obwohl sie angesichts der anhaltenden Nachwirkungen der vierzigjährigen ideologischen Teilung Deutschlands, die besonders in signifikant differierendem Wahlverhalten sichtbar werden, weiter angezeigt ist. Dies gilt zumal für eine demokratische Rechtswissenschaft, die sich für das Gerechtigkeitsempfinden in der Gesamtbevölkerung als Legitimationsvoraussetzung interessieren muss, vgl. aus post­ sozialistischer Perspektive etwa Mollnau, S.  62: „Die Beschäftigung mit der Hinterlassenschaft der Gesetzlichkeitsdoktrin der DDR im Beitrittsgebiet gehört zur Zukunftsarbeit an einer dem Rechtsfrieden zuträglichen deutschen Rechtseinheit.“ 381 Stolleis (2009). 382 Vgl. inhaltlich Arnauld (2006), S. 55; Brunner, Rz. 28 (S. 552); Pieroth/Schlink, S. 316 ff.; Stolleis (2009), S. 156. Besonders offenbar wird diese Funktionsähnlichkeit darin, dass der westdeutsche „Rechtsstaatsbegriff“ in marxistisch-leninistischen Lehrbüchern (wenn überhaupt) als „bürgerliche Gesetzlichkeit“ bezeichnet wurde, vgl. Autorenkollektiv unter Leitung von Carola Schulze, S. 70 f.

V. Metaphorologische Konkurrenzen  

297

Verständnis an.383 Insofern bietet er eine geeignete ‚Verständnisbrücke‘ zur DDRRechtsideologie für die gesamtdeutsche Sicht an. Die gegenüber dem Rechtsstaatsprinzip grundlegend andere, sich auf Marx berufende Begründung der „sozialistischen Gesetzlichkeit“ wird heute am ehesten durch die Formel verstehbar: Sozialistische Gesetzlichkeit reflektiert Gesetz­ mäßigkeit. a) Gesetzmäßigkeit der gesellschaftlichen Entwicklung Dabei meint Gesetzmäßigkeit grundlegend – ihrerseits Schlüsselbegriff für das Selbstverständnis des Sozialismus – keinen Sollensbegriff, sondern orientiert sich vielmehr an einem naturwissenschaftlichen Gesetzesbegriff, der auf den Bereich der Wirtschafts- und Sozialwissenschaften erweitert wurde.384 „[D]er dialek­tische und historische Materialismus konnte“, erläutert ein Wörterbuch der marxistisch-leninistischen Philosophie aus dem Jahr 1974, „die Existenz und das Wirken objektiver Gesetze nicht nur in der Natur, sondern auch in der Gesellschaft begründen; er wurde so zur Philosophie der ersten und einzigen konsequent wissenschaftlich begründeten Weltanschauung in der Geschichte der Menschheit“.385 Für diese Weltanschauung gilt als bewiesen, dass Geschichte ein dialektisch zu verstehender Prozess ist, in dem ein gesetzmäßiger Übergang vom Kapitalismus zum Kommunismus stattfindet.386 Kommunismus bedeutet die Rückkehr des Menschen in sein gesellschaftliches Dasein, wobei Gesellschaft als ursprünglich klassenfrei und gleich, das heißt ohne Individualeigentum, das heißt in der Folge herrschaftsfrei, das heißt ohne Bedarf nach Staat und Recht vorgestellt wird.387 Der Staat (und mit ihm der Sozialismus388) ist ein historisch gesetzmäßiges Produkt einer bestimmten geschichtlichen Entwicklungsphase und das entscheidende Instrument der jeweils ökonomisch herrschenden Klasse zur Durchsetzung ihrer Interessen; er wirkt als Überbau in seiner jeweiligen interessengeleiteten Struktur so lange fördernd oder hemmend 383

Dazu, dass es den Rechtswissenschaften in den sozialistischen Ländern nicht gelungen ist, ein eigenständiges Grundrechtsverständnis zu entwickeln, Schulze (1995), S. 29. Vgl. zur Verbindung von Grundrechten und sozialistischer Gesetzlichkeit Klenner (1982), S. 137: Bei der Korrektur von Handlungen, „die im Einzelfall Grundrechte oder Grundpflichten verletzten […] handelt es sich um […] Wiederherstellung der sozialistischen Gesetzlichkeit“. 384 Vgl. allgemein zur naturwissenschaftlichen Tätigkeit und zur Auseinandersetzung mit der „Bedeutung der Naturwissenschaften als Basis des Verständnisses für die Geschichte des Menschen als Naturgeschichte“ durch Marx Griese/Krüger/Sperl, S. 698 ff. 385 Buhr/Kosing, S. 122 f. 386 Vgl. Klenner (1982), S. 105. Die marxistische Gesellschaftswissenschaft als Meta-­Wissen­ schaft insbesondere auch im Verhältnis zur Rechts- und Staatswissenschaft wurde entsprechend als „Entwicklungstheorie“ konzipiert, vgl. Wippold, S. 871. 387 Vgl. Klenner (1982), S. 106. 388 Vgl. Buhr/Kosing, S. 174, 260.

298

E. Ausblick auf eine methodische Metaphorologie der „Grundrechte“ 

auf die Gesellschaft zurück, bis er im Endpunkt letztlich abstirbt.389 Zur Dialektik des gesetzmäßigen Prozesses der Gesellschaft gehört auf der einen Seite das wachsende Bewusstsein der unter den Bedingungen des Kapitalismus unterdrückten Werktätigen für diese Struktur, welche auf der anderen Seite die Weiterentwicklung des Überbaus durch bewusste Nutzung und Beherrschung der Gesetzmäßigkeiten der Entwicklung der Gesellschaft fördern.390 Die bewusste Beherrschung der Gesetzmäßigkeiten hin zum Endzustand des Kommunismus findet sich in der marxistisch-leninistischen Zentralmetapher der Revolution konzentriert, wobei „Revolution“, seine Bedeutung in Richtung auf die astronomische Ursprungs­ bedeutung zurückbewegend391, institutionalisiert wurde: „Es ist […] von einem marxistischen Revolutionsverständnis auszugehen, das soziale Revolution als Epoche des welthistorischen Wechsels ökonomischer Gesellschaftsformation, als Prozess des Übergangs zu einer neuen Gesellschaftsformation in einem Land, gleichsam als Glied des Epochenübergangs, als revolutionären Prozess in seiner Dialektik von revolutionären Entfaltungen der Gesellschaftsformation insgesamt und in einem bestimmten Lande begreift.“392

Erinnert man sich an die Metaphern- und Gegenmetaphern der Revolution von 1848/1849, so liegt hier gegenüber dem, was damals als erstrebenswert galt, tatsächlich ein in Metaphern konstituiertes qualitativ ganz anderes, vielleicht neues Metakonzept staatlicher Ordnung vor393: Der Standfestigkeit wird die Revolution, dem Status der Prozess, der Kontinuität der Wechsel, der Form die Formation394, der Verfassung die Entfaltung gegenübergestellt. Die Systemkonkurrenz wird hier metaphorologisch greifbar und es fragt sich aus einer metaphorologisch aufgeklärten und nicht ignoranten Perspektive – das heißt im vollen Begriff dessen, welche Bedeutung strukturellen und im Verhältnis zueinander kohärenten Metaphorologien für Welt- und Staatsbilder zukommt – wie metaphorologisch zumindest ­kohärent noch von „Grundrechten“ die Rede sein konnte.

389

Vgl. Meßmann, S. 1 f. Vgl. Buhr/Kosing, S. 123; Polak (1960), S. 2: „Der gesellschaftliche Entwicklungsprozeß, der sich bei uns vollzog und vollzieht, ist die Entwicklung der Volksmassen zu hoher gesellschaftlicher Bewußtheit und Disziplin […] Was der sozialistische Staat ist, ist er durch die sich ihrer Aufgaben für die Entwicklung der Gesellschaft bewußt gewordene Arbeiterklasse.“ 391 Vgl. Pfeifer (1993b), s. v. „Revolution“. 392 Schöneburg, S. 459. Marx (1960 [1850]), S. 89, zitiert von Krüger/Meßmann/Zinnecker, S. 9, hatte selbst einmal den Sozialismus als „Permanenzerklärung der Revolution“ definiert. 393 Wenn man die Schmittsche Fabel des Rechts als Einheit von Ordnung und Ortung, Schmitt (2011 [1950]), S. 13 ff., auf die metaphorische Dimension des Staates erweitern will; denn in der eigendynamischen Bewegung in der Zeit kann von Ortung zumindest nicht im selben Sinne die Rede sein wie unter den Bedingungen eines sich auf Dauer gestellt in seinem Sosein prinzipiell genügenden Staates. 394 Eine Metapher, die konsistent zur anderen, hier nicht weiter thematisierten Metapher des „Klassenkampfes“ auch an die militärische Bedeutung von „Formation“ erinnern lässt, vgl. Pfeifer (1993b), s. v. „Format“. 390

V. Metaphorologische Konkurrenzen  

299

b) Der hier sog. verfassungsimmanente Vorbehalt der Gesetzmäßigkeit Dies war im Sinne der neuen Gesellschaftsformation wahrscheinlich nicht­ möglich. Zu den bemerkenswerten Eigenheiten der Staatsideologie der Deutschen Demokratischen Republik gehörte es, dass man zum einen ein waches Gespür für solche Widersprüche hatte, deren Existenz insbesondere in der marxistisch-leninistischen Staats- und Rechtstheorie grundsätzlich auch nicht bestritten wurde, es zum anderen jedoch gerade diese Theorie ermöglichte, die Widersprüchlichkeit als notwendige Erscheinung im dialektisch sich vollziehenden, gesetzmäßigen Prozess hin zum Kommunismus zu begreifen395; ein Sozialismus ohne Widersprüche, in denen der ideologische Klassenkampf zum Ausdruck kommt, wäre seiner Definition als Übergangserscheinung nach nicht Sozialismus.396 Ein Zitat Walter Ulbrichts soll illustrieren, was insoweit gemeint ist. Es stammt aus seiner Rede auf der Babelsberger Konferenz 1958, die Recht und Rechtswissenschaft im weiteren Staatsleben der DDR nachhaltig negativ vorprägte397: „Nicht umsonst nennt sich unsere Wissenschaft die dialektische und materialistische Geschichtsauffassung. Das soll mahnen, nicht den Boden der Geschichte zu verlassen, sonst verliert unsere Staats- und Rechtswissenschaft den Boden unter den Füßen. Hier in den Klassenkämpfen liegen die geschichtlichen Kräfte, in denen unsere Wissenschaft ver­ ankert ist. Ohne sie ist der dialektische Entwicklungsgang der menschlichen Gesellschaft gar nicht erfassbar. Sie sind das Fundament, die Grundlage der staatlichen und rechtlichen Einrichtungen. Nicht aber ist es umgekehrt. Nicht können die juristischen Begriffe als die Grundlage der Forschung genommen werden. Dann dreht sich alles um, wird von den Füßen auf den Kopf gestellt.“398

Vor dem Hintergrund der Feststellung, dass eine der wichtigsten Zentral­ metaphern des Marxismus-Leninismus, um dessen Durchsetzung als Staatsideologie es im geschichtlichen Kontext des Zitats ging, diejenige der Entwicklung und Bewegung war, erstaunt zunächst die Wahl der in dieser Untersuchung bisher mit dem bürgerlich-liberalen Projekt assoziierten Stabilitätsmetaphern. Textintern erschließt sich der metaphorologische Zusammenhang schlüssig aus dem letzten Satz: Es geht hier nicht primär um die Bewegung der Gesellschaft, sondern die Perspektive der Wissenschaft  – materialistisch oder idealistisch. Die­ 395 Vgl. zum Beispiel Schüßler, S. 799: „Die Verankerung des Rechts in der Politik gewährleistet, dass es sich als eines der wichtigsten Instrumente bei der immer vollständigeren Entfaltung der gesellschaftlichen Triebkräfte in der Phase der Gestaltung des reifen Sozialismus erweist und dabei auftretende Widersprüche im Interesse der gesellschaftlichen Fortbewegung lösen hilft.“ 396 Faktisch waren rund 40 bzw. 70 Jahre (DDR bzw. UdSSR) lang genug, um zu scheitern, aber bei Weitem nicht lange genug, um Sprache und Denken gerade in vermeintlich unpolitischen Hinsichten auf sozialistische Metaphern umzustellen. 397 Zu Hintergründen, Ablauf und Folgen der Babelsberger Konferenz ausführlich Eckert; Stolleis (2009), S. 49 ff., S. 138 ff. 398 Walter Ulbricht, zit. nach Kröger/Schulze/Unger, S. 1119 (Herv. d. Verf.).

300

E. Ausblick auf eine methodische Metaphorologie der „Grundrechte“ 

Logik ist, dass die Gesellschaft Fortschritte im wörtlichen Sinne macht, dem Gang, dem Lauf der Geschichte folgt und dazu ihre Füße benutzt. Aber um voranzukommen, benötigt sie festen Boden (das sind wohl die objektiven Gesetzmäßigkeiten) unter den Füßen (ein allzu ‚idealistischer Kopfstand‘ wäre unproduktiv): Die objektiven Gesetzmäßigkeiten der Geschichte sind stabil (vorprogrammiert). Sie sind die Grundlage für den Fortschritt. Boden, Geschichte und Klassenkampf werden gleichgesetzt; die (tatsächliche)  Geschichte und der Klassenkampf werden verlassen, soweit man nicht materialistisch denkt. Das materialistische Denken entspricht der Geschichte. Die Rede vom Fundament und den Grundlagen der staatlichen und rechtlichen, also gesellschaftlichen, das heißt in Entwicklung befindlichen Einrichtungen lässt sich jedoch metaphorologisch nicht ganz auf­lösen; einen Staat aufzubauen, damit er abstirbt, ist der Grundwiderspruch des real existierenden Sozialismus. Textextern kann man die verwendeten Metaphern als rhetorisches Instrument interpretieren, den Zuhörerinnen und Zuhörern mit alten Metaphern ein Gefühl der Sicherheit zu vermitteln, subtil geschichtliche Kontinuität zu vermitteln (der Boden der Geschichte währt überzeitlich objektiv, das heißt unabhängig von menschlicher Willkür399) und damit Metaphern, die der gesetzmäßigen Entwicklung im Rechtssystem hinderlich wären, an ihre richtige Stelle zu rücken. So zeigt eine metaphorologische Analyse methodisch zum einen, dass eine auf den ersten, ideologisch anders befangenen Blick unschlüssige strukturelle Metaphorologie bei genauerem Hinsehen für sich schlüssig sein kann. Und sie kann zum anderen auf die vorgenannte Beobachtung aufbauend zu differenzierterer Ideologiekritik führen: sie schärft den Blick auf die Spannung zwischen sozial als endgültig erkannten Gesetzmäßigkeiten, die die Sphäre des Sozialen zu permanenter Bewegung und Vergänglichkeit bestimmen sollen. Das bei Ulbricht angelegte Spannungsverhältnis wird in einem Zitat des seinerzeit in der DDR arbeitenden Rechtsphilosophen Hermann Klenner weiter ausgezeichnet, das unmittelbar zum marxistisch-leninistisch vertretenen Rechts­begriff führt: „Ein der Übergangsperiode vom Kapitalismus zum Kommunismus gemäßes Recht kann nur als selbst im Entwicklungsprozess sich befindend der Dynamik der Gesellschaft Stabilität verleihen. Es kann nicht ‚ewige Normen mit immerwährendem Geltungsanspruch paraphieren‘, vielmehr hat es, auf wissenschaftlicher Analyse der tatsächlichen Gesellschaftsentwicklung beruhend, die von ihm ausgehenden generellen Verhaltensanforderungen an die sich entwickelnde objektive Realität, die sich verändernden inneren und äußeren Bedingungen des Sozialismus anzupassen, um selbst in diese Bedingungen progressiv eingreifen zu können.“400

399

Buhr/Kosing, S. 122: „Unter dem objektiven Charakter eines Gesetzes versteht man seine Existenz und Wirkung unabhängig vom Bewußtsein, vom Willen und den Wünschen der Menschen.“ 400 Klenner (1982), S. 117 (Herv. d. Verf.).

V. Metaphorologische Konkurrenzen  

301

In diesem Zitat sind die auf den ersten Blick widersprüchlich anmutenden Phänomene im deutlich herausgestellten Spannungsverhältnis, das zwischen einerseits der aus der (Verfassungs-)Geschichte wohlbekannten Raum-, insbesondere Bauwerksmetaphorik, andererseits der typischen sozialistischen Bewegungs-, insbesondere Revolutionsmetaphorik besteht, metaphorologisch nicht schlüssig auflösbar. Stabilität erscheint nicht unbedingt als angemessene Metapher zur Beschreibung einer Eigenschaft von „Übergang“, „Entwicklung“ oder „Dynamik“. Sie bezeichnet die räumliche Identität einer Sache in der Zeit, ihr Begriff ist nach dem „Stehen“ strukturiert.401 Die Metapher wird verstanden unter dem Aspekt des Andauerns, suggeriert aber einen Zustand. Einen Prozess textintern als Zustand zu beschreiben, passt in einen textexternen Kontext, in dem versucht wird, einen Zustand (die DDR als ‚ausgebauten‘ Staat) als Aspekt dynamischer Entwicklung verständlich zu machen.402 Das Recht beruht indes nicht auf der Dynamik, sondern auf wissenschaftlicher Analyse. Dass die wissenschaftliche Analyse in sich ruht, verhält sich schlüssig zur dem Ulbricht-Zitat enthaltenen Gleich­setzung von Boden, Geschichte und materialistischem, das heißt quasi naturwissenschaftlichem Denken. Das Recht im Sozialismus hat sich also, so ist inhaltlich an Klenner anknüpfbar, „an die sich entwickelnde objektive Realität, die sich verändernden inneren und äußeren Bedingungen des Sozialismus anzupassen.“ Hierin ist das ganze Problem des Rechts im Sozialismus aufgehoben. Recht gilt nicht als per se objektiv, auch nicht als wichtigster Maßstab, denn diese Rolle ist der objektiven Realität, das heißt praktisch ihrer wissenschaftlichen Erkenntnis zugewiesen. Dem Recht, besser: dem Gesetz, eignet folglich auch nicht die erste Vermutung seiner objektiven Richtigkeit. Zur Definitionshoheit über die objektive Realität sah sich allerdings nur die marxistisch-leninistische Partei als Anführerin der sich ihrer Bestimmung bewusst gewordenen Arbeiterklasse in der Lage und berufen: „Der dialektische Entwicklungsprozess der Gesellschaft[!] bestimmt […] das Wesen sowie die Tätigkeit unserer Staatsorgane, wobei die staatliche Tätigkeit dadurch auf das Niveau der gesamtgesellschaftlichen Entwicklung gehoben wird, daß die führende Rolle der marxistisch-leninistischen Partei in der gesamten staatlichen Entwicklung durchgesetzt wird. Darum […] läßt sich weder das Wesen noch die Tätigkeit der Organe unserer Staatsmacht – also auch unser Staatsrecht – in die alten bürgerlich-abstrakten, jeder Entwicklung feindlichen Normen und Begriffe fassen.“403

401 Vgl. Pfeifer (1993b), s. v. „stabil“: „Adj. ‚fest, dauerhaft, beständig, im gleichen Zustand verharrend‘, Entlehnung […] von lat. stabilis ‚fest, feststehend, nicht wankend, unveränderlich, dauerhaft, standhaft‘, zu lat. stāre ‚stehen‘“ (Herv. i. Orig.). 402 Vgl. etwa Meßmann, S. 7: „Die wichtigste wissenschaftlich-praktische Schlußfolgerung, zu der Marx und Engels […] gelangen, besteht in […] der Errichtung des Staates der Diktatur des Proletariats als Hauptinstrument der Revolution und der revolutionären Umwandlung des Kapitalismus in den Sozialismus“ (Herv. d. Verf.). 403 Polak (1960), S. 3.

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E. Ausblick auf eine methodische Metaphorologie der „Grundrechte“ 

Stolleis übersetzt die zum Ausdruck kommende Ideologie dahingehend, dass die Einheitspartei auf dem Primat der Politik vor dem instrumentell verstandenen Recht beharrte; die DDR sei als Normenstaat zu charakterisieren, insofern das Recht als Regelung von Standardfällen gehandhabt worden sei, die für Entscheidungen, die in der Partei gefällt wurden, durchlässig blieb.404 Um diese Ideologie in Kategorien unseres bürgerlich-liberalen Rechtsstaates verständlich zu machen, ist auch folgende Übersetzung möglich: Es gab einen verfassungsimmanenten Vorbehalt der Gesetzmäßigkeit.405 Karl Polak, der Autor des vorigen Zitats und wohl ein maßgeblicher Organisator der Babelsberger Konferenz an der Seite ­Ulbrichts, fährt unter metaphorologischen Gesichtspunkten hoch aufschlussreich fort: „[W]er hat wen geweckt, das Staatsrecht die Kraft der Volksmassen oder die Volksmassen das Staatsrecht? Man mag hier sagen, daß das aus der gesellschaftlichen Bewegung der Massen entstandene Staatsrecht auf diese zurückwirkt und sie fördert. Das ist unbestreitbar, aber das enthebt die Wissenschaft nicht der Verpflichtung, genau zu bestimmen: Wo liegen die Fundamente für das ‚neue Staatsrecht‘, was ist sein Motor, von wo kommt es, wohin wirkt es zurück […]? […] Wird die Darlegung dieser Fundamente [d. h. der gesellschaftlichen Entwicklung selbst, der Klassenkämpfe, der in diesen Kämpfen sich vollziehenden Entfaltung der schöpferischen Kräfte der Volksmassen, d. Verf.] unterlassen, so werden die Grundlagen des sozialistischen Staatsrechts nicht ans Tageslicht geholt, und es kann dann auch nicht richtig dem bürgerlichen Staatsrecht entgegengestellt werden.“406

Es sind im Groben drei metaphorische Geschehen, die hier zum Ausdruck kommen. (1) Die Volksmassen sind in Bewegung. Wenn sie das Staatsrecht wecken,­ gerät auch dieses in Bewegung. Die Volksmassen verhalten sich zum Staatsrecht wie ein Motor zum Kraftfahrzeug, können also metaphorisch Motor genannt werden. Die Bewegung erfolgt von irgendwo irgendwohin. Das Staatsrecht verhält sich zu den Volksmassen wie ein Mensch, der – geweckt bzw. auferweckt – dem Bett oder dem Grabe entsteht, oder etwas, das aus dem Boden entsteht.407 (2) Das entstandene Staatsrecht steht; und die materialistische Wissenschaft hat darauf zu achten, worauf und weswegen es überhaupt steht. Als außertextlicher Bezug liegt die marxistische Metaphorik von Unter- und Überbau nahe. Die Grundlage, das Fundament des Staatsrechts sind der gesellschaftliche Unterbau. Die Grundlagen ans Tageslicht zu holen, bricht die Bauwerksmetaphorik, aber nicht die orientationale Hintergrundmetapher Oben-Unten, verweist textintern hinsichtlich des ‚Hervorholens‘ zurück auf das ideologisch zentrale Bewegungsmotiv und hinsichtlich des Lichts auf den ganzen Komplex der Lichtmetapher im europäischen Den-

404

Stolleis (2009), S. 38. Middendorf, S. 109 ff., spricht ganz ähnlich von einer „immanenten Beschränkung durch das gesellschaftliche Interesse“. 406 Polak (1960), S. 4 (Herv. d. Verf.). 407 Vgl. zu diesem heute unüblichen Sprachgebrauch Deutsches Wörterbuch (1854–1961), s. v. „Entstehen“ zu 2); als ein beliebiges Beispiel statt vieler Hölderich, S. 9: „den Tod des Fluches am Kreuze sterben, dann siegreich dem Grabe entstehen“. 405

V. Metaphorologische Konkurrenzen  

303

ken408. (3) Im Klassenkampf ist das neue, den Volksmassen entstandene Staatsrecht dem bürgerlichen Staatsrecht entgegenzustellen. Die Metaphorologie funktioniert an dieser Stelle anscheinend nicht mehr, denn es ist nicht nachvollziehbar, warum eine Sache einer anderen nur dann „richtig entgegengestellt“ werden kann, wenn die Grundlagen jener ans Tageslicht gebracht wurden. Nach 1989 wurden die zuvor dem Warschauer Pakt angehörenden Staaten und Jugoslawien als „Transformationsstaaten“ bezeichnet, an die sich bis heute eine ganze Forschungsrichtung knüpft. Tatsächlich war die DDR bereits nach 1945 in ganz besonderer Weise ein „Transformationsstaat“, weil sie ihre staatliche Identität aus der Veränderung heraus zu konstruieren versuchte. Der spezifische Widerspruch ihres Systems im (metaphorisch zu verstehenden) ‚Übergang‘ liegt darin, dass sie sprachkonventionell auf die Metaphern der zu überwindenden gesellschaftlichen Seinsweise in (metaphorisch zu verstehendem) ‚Überbau und Unterbau‘ angewiesen war, um die angestrebte Seinsweise zu legitimieren.409 Es sind spannende Fragen, die sich an die Betrachtung der Metaphern knüpfen und Lehren in Hinblick auf Gegenwart und Zukunft versprechen. An erster Stelle ist es die sozialanthropologisch dimensionierte Frage, inwieweit es dem sesshaft gewordenen Menschen möglich und erstrebenswert ist, seine in Staaten organisierte Existenz in Metaphern der Bewegung zu leben. c) „Grundrechte“ als kollektive Gestaltungs- und Teilhabenormen Die Frage, wie eine sozialistische Konzeption von „Grundrechten“ (unter Beibehaltung dieser Terminologie) vor dem Hintergrund des ideologischen Anspruchs gesellschaftlicher Bewegung überzeugend möglich bzw. unmöglich war, stellt einen Teilaspekt der dargestellten Widersprüchlichkeiten dar. Wenn nach Schulze ein neues, sozialistisches Grundrechtsdenken sich trotz vieler Versuche der Begründung „nur, soweit überhaupt, verkürzt  – bezogen auf die sozialen Grundrechte  – im Verfassungsbewusstsein der Bürger der DDR“ widerspiegelte,410 so 408

Zur Metapher des Lichts der Erkenntnis auch etwa Blumenberg (2001c). In diesem Sinne hätte man zu Polak (1960) anmerken können, dass er sich metaphorologisch in sehr weiten Teilen selbst noch in den Bahnen des bürgerlichen Staates bewegte (und bewegen musste), deren vollständiges Verlassen er auf der Ebene der Rechtsdogmatik von ­anderen verlangte. Stolleis (2009), S. 140, weist auf die Schwierigkeit bei der Abfassung des ersten Lehrbuchs zum „Staatsrecht der DDR“ überhaupt 1977 hin, „ein semantisches Gebäude des Staatsrechts zu errichten, das auf die traditionellen Bausteine des Verfassungsdenkens seit der Französischen Revolution zwar nicht verzichten konnte, gleichzeitig aber diese Bausteine als Bestandteil einer ‚marxistisch-leninistischen Staatsrechtswissenschaft der DDR‘ gänzlich neu ordnen musste“. 410 Schulze (1995), S. 29; unter die „Bürger“ sind vor allem auch die Funktionärinnen und Funktionäre innerhalb der Staatsverwaltung und der „Nationalen Front“ zu subsumieren, deren staats- und verwaltungspraktisches Handeln jedes neue Grundrechtsverständnis primär hätte realisieren müssen. Vgl. zur offiziellen Rolle der Massenorganisationen etwa Mand/ Schulze, S. 51 f., sowie Autorenkollektiv (1977), S. 221 f. 409

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E. Ausblick auf eine methodische Metaphorologie der „Grundrechte“ 

ist dieser Umstand neben ihrer Instrumentalisierung für die Zwecke der Einheitspartei auch damit zu erklären, dass es jedem Versuch, die ererbte („bürgerliche“) Grundrechtsterminologie mit Metaphern der (Werktätigen-)Bewegung zu kombinieren, an metaphorologischer Schlüssigkeit fehlte; denn verkürzt konnte im sozialistischen Sprachgebrauch auch der Sinngehalt der Grundrechte in ihrer metaphorischen Dimension nur Wirksamkeit entfalten. So ist es kein Zufall, dass die sozialistische und die von ihr sog. „bürgerliche“ Grundrechtsauffassung sich am ehesten unter solchen Hinsichten gleichen, die mit der Jellinekschen Kategorie des status activus zu beschreiben wären. Aus westdeutsch geprägter Perspektive kaum nachvollziehbar, wurde der in der Verfassung der DDR ab 1968 in Art. 19 allen Bürgern ausgesprochenen „Garantie“ der „Ausübung ihrer Rechte und ihre[r] Mitwirkung an der Leitung der gesellschaftlichen Entwicklung“ und dem dort in Art. 21 verankerten „Recht, das politische, wirtschaftliche, soziale und kulturelle Leben der sozialistischen Gemeinschaft und des sozialistischen Staates umfassend mitzugestalten“, verfassungsrechtlich eine ähnlich zentrale Bedeutung zugemessen wie sie der Menschenwürde innerhalb des theoretischen Gefüges des Grundgesetzes zugebilligt wurde und wird.411 Dabei wurden sozialistische Grundrechte im Wesentlichen „als Gestaltungsrechte mit einer orientierenden Funktion“ definiert.412 Ulbricht etwa nannte als wesentliches Motiv für den „zentralen Platz“ der Grundrechte in der Verfassung der DDR von 1968, dass „sie alle Bürger […] befähigen mögen, aktiv und bewusst ihr Leben und damit ihren sozialistischen Staat zu gestalten“.413 Im krassen Gegensatz zum bundesrepublikanischen Grundrechtsverständnis, aber eben nicht zum als reale Gesetzmäßigkeit vorgestellten Ideal einer zielgerichteten gesellschaftlichen Fortschrittsbewegung, wurden Grundrechte nicht als Vielfalt und Abweichung ermöglichende und legitimierende Funktion, sondern vielmehr als Vereinheitlichungsmechanismus aufgefasst: „Grundrechte und -freiheiten [haben, d. Verf.] eine maßgebliche politisch-ideologische Funktion bei der Homogenisierung einer sozial noch differenzierten Gesellschaft mit unterschiedlichen und auch widersprüchlichen Interessen, also bei der Festigung der politisch-moralischen Einheit des Volkes.“414

411 Autorenkollektiv (1969), S. 23, 46, und Ulbricht, S. 70, z. B. nennen Art. 21 Abs. 1 der Verfassung der DDR von 1968 „das entscheidende Grundrecht der Bürger“. 412 Schulze (1991b), S. 46 f. 413 Ulbricht, S. 69. 414 Poppe, Staat und Recht 1979 (4), S. 369, zit. nach Kunz, S. 16; ähnlich Staatsrecht der DDR – Lehrbuch, hrsg. von der Akademie für Staat und Recht der DDR, Potsdam-Babelsberg 1984, zit. nach Roggemann, S.  263: „Die Grundrechte haben eine bedeutende Harmonisierungsfunktion, haben für die Interessenübereinstimmung von Gesellschaft und Individuum zu wirken und möglichen Konflikten prophylaktisch oder lösend zu begegnen“, und – im Hinblick auf die Verfassung der DDR von 1949 – Autorenkollektiv (1977), S.  71: „Die neue Grundrechtskonzeption war […] darauf gerichtet, die Bürger zur gesellschaftlichen Aktion zusammenzuführen und dabei die Einheit von Staat und Bürger zu entwickeln.“

V. Metaphorologische Konkurrenzen  

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Der Umstand, dass in der DDR überhaupt von sozialistischen Grundrechten gesprochen werden konnte, erhält Plausibilität aus einem von der liberalen bzw. bürgerlichen Grundrechtskonzeption abweichenden Bezugsrahmen: Im Fokus der sozialistischen Adaption steht zum einen die anthropologisch geteilte Gemeinsamkeit der Menschen, „Grund“ unter den Füßen zu haben, zum anderen ein Bild vom Staat als Bauwerk des Volkes, das sich im Gebrauch und in der Erfüllung staatsbürgerlicher Rechte bzw. Pflichten als Staatsvolk und den Staat als Volksstaat konstituiert; Grundrechte sind so gewissermaßen die unterste oder eine untere Schicht im „Aufbau des Staates“.415 Sie sind per se von staatlicher Existenz.416 Der „Grund“ der liberalen Grundrechte verweist dagegen auf den Mutterboden eines urwüchsigen, zur Freiheit begabten Daseins, aus dem (der jüdischchristlichen Schöpfungsgeschichte folgend417) das Individuum hervorgeht. Die Grundrechte stellen hier lediglich einen politischen Reflex dieser vorgestellten Natur dar. d) Gesetzlichkeit als bewusst-formalisierte Gesetzmäßigkeit Was oben über das marxistisch-leninistisch als vorherbestimmt prognostizierte Schicksal des Staates gesagt wurde, gilt entsprechend für das Recht: Recht hat als Machtinstrument der als Staat organisierten herrschenden Klasse nicht immer existiert und wird mit der Aufhebung der Klassenunterschiede im Kommunismus verschwinden; es ist eine vergängliche, historische Kategorie.418 Auch die Legitimität der „fundamentalen Bürgerrechte und -pflichten in einer Gesellschaft zwischen Kapitalismus und Kommunismus ist historischen Charakters […]. Nicht irgendwelche ewigen Rechte des Menschen, nicht überirdische Verhaltensmuster irgendeiner Offenbarung  – die Gesetzmäßigkeiten gesellschaftlicher Vorwärtsentwicklung im Hier und Heute sind der objektive Maßstab de lege lata und de lege ferenda.“419 Angesichts der Unterordnung des öffentlichen Rechts unter die Politik hat es eine Verbindlichkeit, die zumindest zum Teil eher den westdeutschen Verwaltungsvorschriften als den Gesetzen vergleichbar zu sein scheint.

415 Entsprechend begannen der Verfassungsentwurf der SED vom 14.11.1946, die Verfassung der DDR vom 07.10.1949 und die Verfassungen der Länder in der sowjetisch besetzten Zone um 1950 jeweils mit einem Abschnitt zu den „Grundlagen“ oder zum „demokratischen Aufbau“ des Staates bzw. Landes, dem dann – wenn überhaupt, vgl. oben E.IV.2. – der Abschnitt zu „Grundrechten und Grundpflichten“ folgte. Die Fokussierung auf den status activus verhält sich kohärent zur oben, E.V.1.b),  belegten Gleichsetzung von Boden (Geschichte) und Klassenkampf. 416 Schulze (1995), S. 30, charakterisiert „Grundrechte“ in der DDR sogar nur als „staatliche Verleihungen“, die „vorrangig als kollektive Rechte der Klasse begriffen wurden“. 417 Gen 2, 7; 3, 19. 418 Vgl. Gerlach/Schulze, S. 13 f. 419 Klenner (1982), S. 126 (Herv. i. Orig.).

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E. Ausblick auf eine methodische Metaphorologie der „Grundrechte“ 

Es kann selbst „Verfassungsbruch als Bestandteil von Verfassungsfortschritt“ verstanden werden.420 Die Grundrechte in der Verfassung sind prinzipiell entstehungszeitbedingte Programmsätze, deren gegenwartsbezogene Aktualisierung der wissenschaftlichen Erkenntnis der Politik folgt.421 Der sozialistischen Rechtswissenschaft ist folgerichtig die deskriptiv klingende Aufgabe zugewiesen, sich mit den „Gesetzmäßigkeiten der Herausbildung und der Entwicklung, der Struktur, des Systems, der Anwendung und der gesellschaftlichen Wirksamkeit der Normen des Rechtszweiges“ zu beschäftigen, nicht Entscheidungen kritisch vor- und nachzubereiten.422 Es wird in den 1970er und 1980er Jahren in Überwindung der Denkverbote von 1958 verstärkt versucht, mit der Entwicklung eines sozialistischen Verwaltungsrechts423, unterstützt durch Begriffe seiner „Leitungsfunktion“ und der „sozialistischen Gesetzlichkeit“, die „relative Selbstständigkeit des Rechts gegenüber der Politik“424, das heißt seinen demokratischen Sinn wieder zu etablieren.425 Die individuellen Rechte und Freiheiten in bürgerlichen Staaten werden offener positiv gewürdigt.426 Unter Beibehaltung des Dogmas, dass dem Sein der von der Einheitspartei angeführten gesetzmäßigen Entwicklung der sozialistischen Gesellschaft kein eigenständiges Sollen gegenüberstehe427, wird das Recht zum Ausdruck der politischen „Leitung des Staates“ erklärt, die auf ein allgemeinverbindliches428 Steuerungsinstrument zur Durchsetzung ihrer die Entwicklungsbedürfnisse der Gesellschaft wissenschaftlich rezipierenden Politik angewiesen ist.429 Mit dem „Prinzip der sozialistischen Gesetzlichkeit“ wird etwa um die Zeit der Einführung einer Verwaltungsgerichtsbarkeit versucht, das Gesetz als möglichst verlässliche, verbindliche Handlungsform zu institutionalisieren, die regelmäßig das angemessene Instrument ist, um politisch erkannte Veränderungen der gesellschaftlichen Entwicklung formalisiert abzuzeichnen.430

420

Schöneburg, S. 460. Vgl. Autorenkollektiv (1977), S. 186; Klenner (1982), S. 108. 422 Vgl. Benjamin, S. 743. 423 Zu dieser Entwicklung Stolleis (2009), S. 150 ff. 424 Schüßler, S. 798. 425 Ausführlich zu Rahmenbedingungen und Einzelheiten dieser Entwicklung Schulze (1991a). 426 Henker, S. 68. 427 Vgl. Klenner (1982), S. 107. 428 Vgl. zu dieser Funktion auch zur Bindung des Staates selbst Gerlach (1988a), S. 169 f. 429 Vgl. Benjamin, S. 740; Klenner (1982), S. 118. 430 Vgl. etwa Gerlach (1988b), S. 219 ff.: „Die sozialistische Gesetzlichkeit hat die Aufgabe, zum Schutz und zur Wahrung der demokratischen Rechte und Freiheiten, zur Ausprägung der Rechtssicherheit der Bürger beizutragen, die sozialistischen Gesellschaftsverhältnisse zu organisieren und zu entwickeln, entschieden jegliche Verstöße gegen die gesellschaftliche Ordnung zu unterbinden und die Unausbleiblichkeit der Verantwortlichkeit gegenüber jedermann zu gewährleisten.“ 421

V. Metaphorologische Konkurrenzen  

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Ein Beispiel für Bauwerksmetaphorik (in diesem Fall in der frühen DDR) findet sich noch heute am Beruflichen Schulzentrum (BSZ) Bau und Technik am Straßburger Platz in Dresden, eröffnet 1952 als Gebäude der Betriebsberufsschule des VEB Bau-Union, mit Sgraffito­schriftband der ersten Zeile eines Textes von Max Zimmerling: „Wo das arbeitende Volk der Bauherr ist, kann der Bauende glücklich sein, denn er richtet sein eigenes Haus auf, / Lernen und Bauen heißt Leben, / Frieden, Gemeinschaft, Wissen und Plan sind die Fundamente, auf denen das deutsche Volk sein Glück erbauen muss, / erbaut 1951 umgeben von Ruinen.“431

431 Simpson, S. 207. Prägnant auch Radek, im auf Stalin zu beziehenden Titel „Der Baumeister der sozialistischen Gesellschaft“, und Polak (1948), S. 247, 249: „Daß sich aus der Vorstellungs- und Begriffswelt unseres hergebrachten Staatsrechts heute kein festes Staats­ gebilde mehr errichten lässt, ist jedem Einsichtigen […] offenbar. […] Das Fundament, auf dem die alten Begriffe aufbauten, ist erschüttert, ganz neue Horizonte tun sich auf. […] Das ganze bisherige Wissensgebäude scheint im luftleeren Raum zu schweben und mit ihm derjenige, der in diesen Begriffen lebte und dachte. […] In einem solchen Augenblick ist es die Aufgabe einer ihrer Funktionen bewußten politischen Führung, den Weg deutlich aufzuzeigen, der in eine bessere Zukunft führt, unser Volk für diesen Neuaufbau des Staates zu­ begeistern.“

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E. Ausblick auf eine methodische Metaphorologie der „Grundrechte“ 

V. Metaphorologische Konkurrenzen  

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Quelle: Zugeschnittene und geteilte Fotografie von Ardonix, Wikimedia Commons, Weitergabe unter der Creative Commons-Lizenz ­ Namensnennung-Weitergabe unter gleichen Bedingungen 3.0 Unported ausdrücklich gestattet.

Abbildung 4: „Wo das arbeitende Volk der Bauherr ist […]“, Dresden

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E. Ausblick auf eine methodische Metaphorologie der „Grundrechte“ 

2. Die „libertés publiques“ der französischen Rechtstradition Die „libertés publiques“ der französischen Rechtstradition stellen weniger eine Konkurrenz für das deutsche Grundrechtsdenken dar als umgekehrt.432 Dies ist höchst erhellend, wird doch der deutschen Perspektive unter umgekehrten Vor­ zeichen ein Spiegel vorgehalten. Hierzulande erscheint die europäische Rechtsordnung, auch wegen Französisch und Englisch als faktisch dominierenden Arbeitssprachen, fremd und unverständlich. Schlimmer als Bürokratie ist europäische Bürokratie. Allein das Bundesverfassungsgericht verhindert, so wirkt es, in Brüssel und Straßburg nach ökonomischen Maßstäben kalkulierte Übergriffe auf in Deutschland seit jeher kultivierte Freiräume. In Frankreich erscheint dagegen zumindest unter dem Gesichtspunkt der Grundrechte die europäische Integration als Vehikel für die Durchsetzung deutscher (Grund-)Rechtsauffassungen auch in Frankreich, was sich signifikant in der Verdrängung des in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts geprägten und als liberal und republikanisch rezipierten Begriffs der libertés publiques433 durch droits fondamentaux, die Übersetzungsbezeichnung des deutschen „Grundrechte“, ausdrückt434; die „Convention de sauvegarde des droits de l’homme et des libertés fondamentales“ (Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten) aus dem Jahr 1950 erscheint bis auf das letzte Wort noch in völliger Übereinstimmung mit der in Frankreich tradierten Terminologie. Mit der „Charte de droits fondamentaux de l’Union européenne“ (Charta der Grundrechte der europäischen Union) aus dem Jahr 2000 zeigt sich die Perspektive geändert. Ein traditions­bewusster, nicht unerheblicher, aber im Ergebnis unterlegener Teil der französischen doctrine lehnt diesen Wandel ab, dessen Folgen dem Grunde und der Bewertung nach intensiv diskutiert werden. Die Pariser Staatsrechtslehrerin Champeil-Desplats erkennt als Wirkungen des Wandels der Terminologie jeweils dreierlei einerseits der unmittelbaren Bedeutung (nämlich bezogen auf Rechtssubjekt, Regelungsgegenstand und Verbindlichkeitsrang), andererseits der praktischen Folgewirkungen (bezogen auf die Umgrenzung juristischer Subdisziplinen, der Diskussionsfelder bzw. Machtausübung). Die wesentlichen Punkte, die sich allein auf das Attribut der „fondamentalité“ unter französischen Voraussetzungen konzentrieren und nicht etwa unmittelbar deutsche Grundrechtsdogmatik thematisieren, sollen hier kurz dargestellt werden, um zu ermessen und zu erwägen, inwieweit jeweils metaphorische Wirkungen eine Rolle spielen und was der französische Blickwinkel ergibt, das dem deutschen aufgrund seiner Gewöhnung an die „Grundrechte“ nicht (mehr) bewusst ist:

432

s. in diesem Zusammenhang bereits oben E.I.1.b). Burgorgue-Larson, S. 390; Champeil-Desplats, S. 5, 13. 434 Ausführlich zum deutschen Einfluss Burgorgue-Larson, S. 390 ff. 433

V. Metaphorologische Konkurrenzen  

311

–– Im Hinblick auf das jeweils vorausgesetzte Subjekt, das als Rechtssubjekt konstituiert wird, wird erstens mit dem ‚Begriffsuniversum‘ (univers conceptuel) der „droits de l’homme“ ein universalistischer Individualismus verbunden, in deren korrigierender Entwicklung das universalistische Denken der „libertés pu­bliques“ die universelle Gemeinschaftsgebundenheit individueller Rechte im Sinne eines gesellschaftspolitischen Projekts betone. Das Grundrechtsdenken dagegen tendiere zu einem in atomistischen, auf Individual- und Gruppeninte­ ressen (intérêts catégoriels) bezogenen Denken, das die Unterschiede innerhalb der Gesellschaft hervorhebe und darin universalistisches Denken vermeide.435 Gruppeninteressen in diesem Sinne meine gerade keine ‚sozialen‘ Gemeinschaftsinteressen, sondern eher egoistische Interessen aufgrund einer bestimmten, mit anderen übereinstimmenden Situiertheit. Den in der französischen Tradition betonten Gemeinschaftsrechten (Assoziationsfreiheit, Demonstrationsfreiheit, Streikfreiheit) natürlicher Personen steht im Grundrechtsdenken eine stärkere Tendenz zur Berechtigung auch juristischer Personen gegenüber.436 Unter dem Gesichtspunkt der Metapher der Grundrechte lassen sich die dargestellten Differenzen wie folgt nachvollziehen: Menschenrechte sind vom Menschen als Gattung untrennbar, Bestandteil der menschlichen Existenz von Anfang bis Ende; wo Menschen sind, sind – nicht ortsgebunden – auch Menschenrechte. Ist auch überall, wo ein Mensch ist, Menschenrecht? Dass Menschenrecht im Singular in fast jeder Hinsicht sinnlos ist (die Ausnahme bildet historisch die aktuell irrelevante Abgrenzung zu göttlichem Recht), nimmt der Begriff der öffentlichen Freiheiten (libertés publiques) wahr. Die oben bereits zitierte These Maus’ von der Ersetzung des Territorialprinzips „im ganzen durch das des Personenverbands“437 mit der Durchsetzung des demokratischen Nationalstaats fände hier ein passendes Argument. Freiheit unterscheidet von Vermögen, dass sie nur da vorkommt, wo auch andere (in welcher Form auch immer) im Spiel sind. Menschen wie Gemeinschaften an sich sind mobil. Grundrechte sind nicht mobil; das äußert sich praktisch zum Beispiel darin, dass Immobiliarsachenrechte nicht durch Übergabe einer Sache an einen anderen, sondern durch Eintragung des anderen ins Grundbuch ‚übertragen‘ werden. Der Grund ist dem Menschen äußerlich, fest, unbeweglich. Er ist lokal, das heißt im Grundrechtsdenken hat der Mensch eine bestimmte ‚Position‘ und eine damit verbundene individuelle Sichtweise, die im Rahmen derselben metaphorischen Ebene nicht teilbar ist. Wo ein Mensch steht, kann ein anderer lediglich da­neben stehen438; dies macht erklärlich, warum die Grundrechte so wirken, dass 435

Vgl. Champeil-Desplats, S. 5 f. Vgl. Champeil-Desplats, S. 3, 6. 437 Maus, S. 378; oben E.II.2. 438 Vgl. zur Ausschließlichkeit des Raums Schroer, S. 65 ff. (Georg Simmel zitierend): „In dem Maß, in dem ein gesellschaftliches Gebilde mit einer bestimmten Bodenausdehnung verschmolzen oder sozusagen solidarisch ist, hat es einen Charakter von Einzigkeit und Ausschließlichkeit, der auf andere Weise nicht ebenso erreichbar ist“; vgl. Augé, S. 60. 436

312

E. Ausblick auf eine methodische Metaphorologie der „Grundrechte“ 

sie das Trennende zu betonen scheinen. So lokal eine Grundposition ist, so limitiert ist ihre Sichtweise. „Uni[-]versalität“ setzt (wie die „Universität“) gegenläufige Blickwinkel voraus, was aber Mobilität, die theoretische Fähigkeit, überall zu sein, erfordert. Deshalb haben Grundrechte keinen universellen Anschein. –– Zweitens hat die Theorie der öffentlichen Freiheiten (libertés publiques) dafür kaum auszuräumende semantische Probleme, soziale Leistungsrechte zu erfassen439; sie scheinen als Freiheiten der Menschen an sich auf das beschränkt, was der deutschen Grundrechtsdogmatik, die sich mit der Anerkennung von Grundrechten als Leistungsrechten gerade auch angesichts grundrechtsdogmatischer Metaphorik nicht leicht getan hat440, als status negativus, als abwehrrechtliche Dimension bekannt ist. Der Ausdruck „Grundrechte“ ist diesbezüglich zumindest neutral. In Frankreich wird darüber hinaus auf Literatur aus dem spanischen Sprachraum referiert, die die „fondamentalité“ mit dem Begriff des Existenzminimums assoziiert441; dies ist, wie bereits angesprochen wurde, eine metaphorisch begründete Assoziation, weil Grund und Minimum den Sinn einer „unteren Grenze“ teilen. –– Drittens, dies wird als zentraler Punkt der Unterscheidung zwischen libertés publiques und droits fondamentaux markiert und hängt offensichtlich mit dem vorgenannten Punkt besonders eng zusammen, liegt im Begriff der droits fondamentaux eine Aussage zum hierarchischen Niveau der so bezeichneten Rechte, die jenem der libertés publiques nicht enthalten ist. Das französische Verfassungsrecht verfügt über keinen zusammenhängenden Katalog öffentlicher Freiheiten, wie es für die Grundrechte kennzeichnend ist; libertés publiques ist eine Kategorie für Rechte, die sich auf unterschiedliche, auch einfachgesetzliche Rechtstexte verteilen, also nicht Verfassungsrechtsqualität haben müssen. Dies führt auf der einen Seite zum Argument, die fehlende Abstufung der libertés­ publiques schwäche die darunter verstandenen Rechte insgesamt, auf der anderen Seite zu dem Argument, es fehle an Kriterien zur Differenzierung wichtigerer von weniger wichtigen öffentlichen Freiheiten. Aus dieser kritischen Sicht bedeutet eine rein verfassungsrechtliche Kategorie der Grundrechte als hierarchische Kategorie eine formale Rechtsanschauung, die, was kein Kompliment sein soll, einer positivistischen Sichtweise auf das Recht nahe stehe.442 439

Vgl. Champeil-Desplats, S. 6 ff. Vgl. Häberle, S. 67 f.: „Er gibt zwar noch ‚alte Fronten‘, an denen Schrankendenken aktuell bleibt, um Eingriffe abzuwehren. Wesentlich ist aber, dass Inhalte und Formen des bürgerlichen Rechtsstaats […] angesichts neuer sozialstaatlicher Aufgaben nicht mehr ‚greifen‘. […] Für die Grundrechte besteht insofern ein Nachholbedarf, als kaum nach staatlichen Leistungen für ‚Freiheit und Eigentum‘ gefragt wird. […] Der Staat selbst ist nur noch zum Teil ‚Gegner‘ der Grundrechte; in Wirklichkeit sind es Zwischenmächte mit angemaßter quasi-öffentlicher Gewalt, die der demokratische Staat domestizieren muss“ (Herv. teilw. i. Orig.). Analog liegt bei Champeil-Desplats, S. 7, die Unterscheidung zwischen „droits de“ und „droits à“. 441 Champeil-Desplats, S. 7 (Fn. 21). 442 Vgl. insgesamt Burgorgue-Larson, S. 397 f.; Champeil-Desplats, S. 7, 9 f., 16. 440

V. Metaphorologische Konkurrenzen  

313

In metaphorologischer Betrachtung werden wiederum die normenhierarchiebildende Wirkung der „Grundrechte“, zu der bereits genug gesagt wurde, sowie die Assoziation mit dem Positivismus erhellt. Nicht weil Kelsen zufällig den „Grund“ und die „Norm“ zur Grundnorm verbunden hätte, um daraufhin seine Lehre vom Stufenbau der Rechtsordnung und von der Identität des Staates mit der Rechtsordnung443 zu entfalten, gelten die Grundrechte als Ausdruck einer posi­ tivistischen Rechtsauffassung. Sondern weil die Bedeutung von „Grund“, wie Kelsen erkannt hat, changiert zwischen dem, was natürlich vorgegeben, voraus­ gesetzt ist, und dem, was Ausdruck menschlicher Setzung ist – in beiden Fällen außerhalb des Menschen, weshalb der Grund unverbunden mit ihnen denkbar ist, aber im Rahmen des Setzbaren und Gesetzten äußerste Grenzen setzend. –– An die ultimativ begrenzende und lokale Bedeutung der Grundrechte knüpft viertens eine bemerkenswerte Kritik an, die exemplarisch vielen Leserinnen und Lesern des Titels der „Europäischen Grundrechte Zeitschrift (EuGRZ)“ nachvollziehbar sein dürfte, ohne dass sie ihr Unbehagen ametaphorologisch zum Ausdruck bringen könnten. Es geht um das Paradox, „dass die Grundrechte sich gleichermaßen in anderen Rechtsquellen als der Verfassung – wie zum Beispiel internationalen Abkommen – finden, obwohl diese letztgenannten sich nicht auf der gleichen hierarchischen Ebene wie jene befinden. […, ‚E]ntweder definieren sich die Grundrechte wesentlich durch ihren normativen Rang und können sich deshalb nicht auf zwei unterschiedlichen Ebenen finden; oder sie können sich auf zwei verschiedenen Ebenen finden, aber dann können sie sich nicht, was ihre Natur anbelangt, durch den Rang charakterisieren, auf dem sie sich in der formalen Hierarchie befinden.‘ Die Kritik ist messerscharf.“444

Trifft diese Kritik zu, lässt sie nach dem Differenzierungsvorteil der Grundrechte gegenüber öffentlichen Freiheiten noch einmal anders fragen; der Sache nach steht die Angemessenheit der fondamentalité als Metapher in Frage. Diese Frage stellt sich angesichts der beschriebenen Begriffslogik nicht unvermindert auch im Versuch, fondamentalité apositivistisch, materiell zu definieren.445 In­ sofern berühren sich traditionalistische Kritik am neuen Begriff der Grundrechte in Frankreich und progressive deutsche Kritik an der tradierten Verfassungs­ theorie in Deutschland.446 –– Die praktischen Folgewirkungen des terminologischen Wandels sind, fünftens, beträchtlich. Sie machen anschaulich, wie allein das „Einbrechen der fondamentalité in die Landschaft des französischen öffentlichen Rechts“447, also einer 443

Kelsen, S. 117. Burgorgue-Larson, S. 397 f., zum Teil Etienne Picard zitierend. 445 So angedeutet bei Burgorgue-Larson, S. 407. 446 Vgl. sogleich E.V.3. 447 Burgorgue-Larson, S. 396 („l’irruption de la ‚fondamentalité‘ dans le paysage du droit public français“). Wie könnte es ohne Bedeutung sein, dass die Autorin ihren Aufsatz in die Abschnitte „Terrain sensible“, „Terrain controversé“, „Terrain mouvant“ und „Terrain pacifié?“ gliedert? Terrain bezeichnet den Boden, das Spielfeld, das Gelände. Der Assoziationen suchende Hintersinn wirkt mit. 444

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E. Ausblick auf eine methodische Metaphorologie der „Grundrechte“ 

rechtssprachlichen Metapher, an freilich systematisch sensibler Stelle zu beträchtlichen Strukturbewegungen führt. Mit der als (Re-)Konstitutionalisierung beschriebenen448 Veränderung der wichtigsten subjektiven öffentlichen Rechte in Frankreich ist zum einen eine spürbare Erhöhung der Bedeutung der Verfassungsrechtslehre verbunden, die auf Widerstand in den realistischerweise einen eigenen Bedeutungsverlust befürchtenden Verwaltungs- und Strafrechtswissenschaften stößt.449 Zum anderen geht sie aber auch mit einem deutlichen, freilich nicht allein metaphorisch indizierten, sondern sich gemeineuropäischen Systemstandards anpassenden Funktionswandel der Verfassungsgerichtsbarkeit einher. Mit dem der europäischen Integration nach heutigem Stand impliziten Grundrechtsbegriff entsteht nicht nur eine Rechtskategorie, die der bundesrepublikanischen Tradition entsprechend einer verfassungsgerichtlichen Kontrolle des einfachen Gesetzgebers einen Maßstab bietet.450 Aufgrund der ausstehenden Aufteilung der libertés publiques in solche mit und solche ohne Verfassungsrang bestimmt die Verfassungsgerichtsbarkeit insoweit auch über die Ausgestaltung ihres Maßstabes. 3. Veränderungstendenzen der neuen Grundrechtswissenschaft In der deutschen Grundrechtsdogmatik der Gegenwart wird nicht der von Verfassungs wegen vorgegebene Begriff der „Grundrechte“, aber die überkommene rechtsdogmatische Terminologie ihrer Konkretisierung von vielen Autoren zumindest für flexibilisierungswürdig gehalten; kritisiert wird ein von den Metaphern des „Schutzbereichs“, des „Kernbereichs“, des „Eingriffs“ und der „Schranken“ ausgehendes räumliches Denken, das – metaphorologisch aufgeklärt formuliert – den unter grundrechtlichen Gesichtspunkten zu würdigenden Sachverhalten nicht (mehr) angemessen sei. a) Verwechslungsgefahr zwischen realen und metaphorischen Bereichen Die Kritik hat im Wesentlichen zwei Stoßrichtungen, mit deren erster leicht umzugehen ist, weil sie sehr konkret und politisch einleuchtend ausfällt. Die Warnung vor „falschem räumlichem Denken“ in Bezug auf „Schutzbereiche“451 bzw. „Sphären“ und „absoluten Kernbereich“ der freien Entfaltung der Persönlichkeit452 bezieht sich auf die Identifizierung dieser metaphorischen Räume mit empirischen – architektonischen, städtebaulichen und sonstwie realkosmologischen – ‚Räumen‘. 448

Beaud, S. 3. Vgl. Burgorgue-Larson, S. 399; Champeil-Desplats, S. 12 ff. 450 Vgl. auch im Folgenden Burgorgue-Larson, S. 395 f.; Champeil-Desplats, S. 10 f., 14. 451 Vgl. Pieroth/Schlink, S. 57 (Rz. 231 f.) 452 Vgl. Poscher (2010), Rz. 10 ff.

449

V. Metaphorologische Konkurrenzen  

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„Die Redeweise vom grundrechtlichen Schutzbereich suggeriert ein räumliches Denken, das allenfalls auf einzelne Grundrechte passt, wie etwa die Garantie der Unverletzlichkeit der Wohnung als der räumlich abgegrenzten Privatsphäre, in der man verlangen kann, vom Staat prinzipiell in Ruhe gelassen zu werden. Zumeist weist der grundrechtliche Gewährleistungsgehalt aber keine räumlichen Dimensionen auf […] Von einem ‚Freiraum‘ kann insoweit nur in einem metaphorischen Sinne gesprochen werden.“453

Die Tendenz zur Simplifizierung, die mit dem Umstand der Metapher verbunden befürchtet wird, könnte sich zum Beispiel darin realisieren, Schlaf- und Badezimmer eines Rechtssubjekts mit der Intimsphäre, alle übrigen Räume bis zur Haustür mit der Privatsphäre und die Welt im Übrigen mit der Sozialsphäre zu identifizieren. Denn etwa Tagebücher und ihre heutigen, oftmals elektronisch medialisierten Äquivalente, in verlorenen Haaren aufbewahrtes Erbgut etc. stellen Intimsphäre dar, die nicht an einen einzigen, physikalisch-kulturell als solchen definierten „Raum“ gebunden sind. b) Äußerlichkeit als Unangemessenheit Die zweite Stoßrichtung ist abstrakter und bezieht sich auf das in metaphorischer Räumlichkeit (mit)strukturierte Imaginationssystem der Grundrechtsdogmatik als solches.454 Poscher hat im Hinblick auf das Sphären- und Kernbereichsdenken 453

Hillgruber, Rz. 3 (S. 982 f.). Als einer der ersten hat Ipsen (1998), S. 41 (Rz. 117), solche Kritik geübt (seither unverändert nun in der 15. Aufl. 2012): „Gegen die in der Grundrechtsdogmatik verbreitete Raummetaphorik ergeben sich prinzipielle Einwände. Grundrechte eröffnen weder ‚Räume‘ noch ‚Bereiche‘, noch ist überhaupt die gängige verräumlichende Vorstellung ihrer Qualität als subjektiver Rechte angemessen. In Grundrechtsfällen stellt sich stets die Frage, welche Grundrechte welchen staatlichen Maßnahmen entgegengesetzt werden können. Bei dieser Suche vollzieht sich kein quasi-metaphysischer Vorgang, in dem die Verfassung einen ‚Schutzbereich‘ ‚eröffnet‘, gefordert ist vielmehr die Subsumtion unter verfassungsrechtliche Begriffe. Hierbei ist jede metaphorische oder sonstwie suggestive Begrifflichkeit schädlich. weil sich nachprüfbare juristische Interpretation und Subsumtion andernfalls in einem Abwägungsdunst aufzulösen drohen.“ Grundrechte sollen nach Ipsen durch einen „Grundrechtsinhalt“ bezogen auf ein bestimmtes „Schutzgut“ (statt „Schutzbereich“) charakterisiert sein; überdies soll statt von einem „Eingriff“ in ein Grundrecht von „Einwirkungen“ auf das jeweilige „Schutzgut“ die Rede sein, Ipsen (1998), S. 43 ff. (Rz. 123 ff.). Aufgrund der offensichtlichen Ersetzung von Metaphern durch Metaphern liegt insoweit indes keine in sich schlüssige Argumentation vor. Denn offensichtlich handelt es sich bei „Grundrechtsinhalt“ und „Schutzgut“ ebenfalls um metaphorische Begriffe, denen entsprechend entgegenzuhalten wäre, Grundrechte hätten keinen „Inhalt“, der irgendwie in sie hineingekommen wäre oder aus ihnen herauskommen könnte, insbesondere dürfe nicht der Eindruck eines (handelbaren) Gutes erweckt werden und überhaupt sei jede gefäßartige Vorstellung von Grundrechten unangemessen usw. Die Annahme eines Vorwirkens der vormetaphorologischen Tendenz in Ipsens Diktion, Metaphern nur gemessen an ihrem Usualisierungsgrad als solche zu bezeichnen, hilft hier nicht weiter, weil objektiv nicht zu sehen ist, dass „Gewährleistungsinhalt“ und „Schutzgut“ erheblich usualisierter wären als „Schutzbereich“. Dies bzw. sein Gegenteil wäre rechtssoziologisch zu beweisen. Hier zeigt sich der Bedarf an rechtsmetaphorologischer Grundlagenforschung noch ganz deutlich. 454

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E. Ausblick auf eine methodische Metaphorologie der „Grundrechte“ 

zur Konkretisierung des Inhalts der Menschenwürdegarantie seine Bedenken wie folgt formuliert: „Nach einer verbreiteten Vorstellung wird der Menschenwürdeschutz des Kernbereichs zwar nicht mit dem Schutz eines physischen Raumes gleichgesetzt, aber der Kernbereichsschutz doch so verstanden, dass ein ideeller Raum, nämlich der ideelle Kern der Persönlichkeit, vor jedem Eindringen geschützt ist. Die Menschenwürdegarantie schützt diesen ideellen Raum gleichsam durch eine ideelle Grenze, die ihn gegenüber allen staatlichen Eingriffen abdichtet. Jedes Eindringen in diesen ideellen Raum bedeutet danach eine Menschenwürdeverletzung […] Von Bildern kann eine große suggestive Kraft ausgehen. Dies gilt auch von ihren sprachlichen Verwandten, den Metaphern. So ist die Metapher von einem Kernbereich der privaten Lebensgestaltung geeignet, einen komplexen psycholo­ gischen und sozialen Befund auf einen Begriff zu bringen und grundrechtsdogmatische Aufmerksamkeit zu binden. Doch sollte sich die Dogmatik von den Bildern nicht verleiten lassen, sie unbesehen in Konstruktionen zu überführen. Der aus der Menschenwürdegarantie abgeleitete Kernbereichsschutz gilt nicht der Abdichtung eines […] ideellen Raums, sondern der Achtung vor bestimmten Lebensäußerungen von hoher Relevanz für die psychologische und soziale Integrität eines Grundträgers.“455

Das rechtsdogmatische Problem, das diesen Erwägungen zu Grunde liegt, ist ein gewichtiges und hochgradig aktuelles. Hochtechnologische Maßnahmen zum Zwecke der Strafprävention und -aufklärung (zum Beispiel akustische Wohnraumüberwachung, Online-Durchsuchung, Vorratsdatenspeicherung, geheimdienstliche Datenverkehrseinsicht) unterliegen nicht der epistemischen und normativen Selektivität rückwirkender Sachverhaltsrekonstruktion  – das heißt dem Herausfinden, ob ein bestimmter Straftatbestand, für den ein bestimmender Anfangsverdacht im Hinblick auf Tatzeit, Tatort und Tatobjekt begründet ist, verwirklicht wurde, und der Belastung der Bürgerinnen und Bürger durch Ermittlungsmaßnahmen nur in einem vernünftigen Verhältnis zur Schwere des Tatverdachts. Die klassische Funktion der Aussage- und Zeugnisverweigerungsrechte, die Kommunikation in objektiv typisierten Vertrauensverhältnissen vor Kenntnis schützte, Heimlichkeit ermöglichte, wird durch die Möglichkeiten technischer Sinnverstärkung unterminiert. Wer Überwachungsmaßnahmen programmiert, müsste im Prinzip wie im Film „Minority Report“ vorhersehen können, wann in jenen Vertrauensverhältnissen öffentlich taterheblich gehandelt wird, wann abwägbar privat, aber mit einiger Wahrscheinlichkeit taterheblich, und wann intim. Dies kann sie bzw. er nicht. Bei Anwendung entsprechender Erkenntnismittel ist mithin „praktisch unvermeidbar“, dass Kernbereichsdaten staatlich erhoben werden.456 Der Raum, wie der Mensch ihn physisch erfährt, kennt kein eingeschränktes Sein an einem bestimmten Ort. Bin ich hier, so bin ich an keinem anderen Ort; dort kann ich nur gewesen sein oder sein werden.457 Eine solche, binäre Topologik des „unantastbaren“ Aspekts des Men 455

Poscher (2010), Rz. 20, 47. Vgl. insgesamt unter Auswertung von Rechtsprechung des BVerfG Poscher (2010), Rz. 21 ff. 457 Die Quantenphysik machte in den letzten Jahren dadurch Schlagzeilen, dass sie einzelne Teilchen an mehreren Orten gleichzeitig lokalisieren konnte; die Befürchtung, dass sich daraus der „perfekte Mord“ ermöglichen lasse, beruhigen Löw/Pfau, S. 77. 456

V. Metaphorologische Konkurrenzen  

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schen, wie ihn Art. 1 Abs. 1 GG als „Würde“ schützt, widerstrebt einer mit pragmatischen Kautelen operierenden Eingriffsdefinition.458 Poscher versucht, diesem Konflikt zu entgehen, indem er zunächst Art. 1 Abs. 1 Satz 1 GG wörtlich nimmt (als institutionelle Feststellung der Unantastbarkeit der Menschenwürde) und deshalb nur an Art. 1 Abs. 1 Satz 2 GG als Maßstab der Verfassungs­mäßigkeit staatlichen Verhaltens anknüpft.459 Wohl weil er diese Norm auf den subjektiven Aspekt der „Achtung“ reduziert, ohne den objektiven Aspekt des „Schutzes“ zu berücksichtigen, meint er, die „Verräumlichung des Kernbereichsschutzes“ sei seine unangemessene Anwendung des „Modell[s] anderer Freiheitsrechte“. Dieses Modell ist wegen ähnlich gelagerter Konfliktlagen460 indes ebenfalls Gegenstand gegen seine räumliche Metaphorik gerichteter Kritik, die insbesondere in Form einer 2004 in der Zeitschrift „Der Staat“ ausgetragenen Kontroverse zwischen Kahl und Hoffmann-Riem in die Wissenschaftsgeschichte der Grundrechte eingegangen ist.461 Die Auffassungen zur richtigen Art und Weise der Rekonstruktion von Gesetz und Recht im Einzelfall scheiden sich – auch im Folgenden vereinfacht dargestellt – an der Frage, ob im freiheitlichen Staat im Ansatz jedes oder nur manches menschliche Verhalten grundrechtlich geschützt wird. Die eine, als traditionell geltende Auffassung, geht im Sinne eines „Grundsatzes umfassend-universaler Schutzbereiche“462 von der ersten Alternative aus. Sie hat in der Rechtsanwendung zur Folge, dass die erste Stufe der Grundrechtsprüfung (die Schutzbereichsprüfung) lediglich dazu dient, das oder die jeweils einschlägige(n) Grundrechte zu ermitteln. Diese Bestimmung kann anhand der bloßen Äußerlichkeiten des jeweiligen Sachverhalts erfolgen, die ihn einem oder mehreren Lebenszusammenhängen zugehörig zeigen, wie sie die Grundrechte speziell oder allgemein (durch das Persönlichkeitsentfaltungsrecht gemäß Art. 2 Abs. 1 GG) erfassen. Metaphorologisch mag ein solches Verständnis an eine als historische Intention nicht verbürgte und ‚flach‘ erscheinende Assoziierung des metaphorischen Grundes mit dem realen Grund anknüpfen in der Hinsicht, dass sich alles ‚Irdische‘ auf ihm bewegt, und mit dem damit zusammenhängenden – anderweitig metaphorischen – Sprichwort, dass ‚alles seinen Grund hat‘. Die andere, neuere Auffassung kann sich auf die metaphorologische Bedeutung der Grundrechte als die staatliche Gemeinschaft charakterisierende Min 458 Vgl. Poscher (2010), Rz. 29; deutlich und scharfsinnig Ipsen (1998), S. 44 f. (Rz. 132): „,Eingreifen‘ oder ‚hineingreifen‘ tut man in etwas, so dass diesem Begriff – ähnlich wie dem des ‚Schutzbereichs‘ – notwendig eine verräumlichende Vorstellung innewohnt. Damit ist der Begriff auf eine Differenz von Außen und Innen angelegt und erfordert im Prinzip eine Entscheidung. Eine solch dezisionäre Tendenz erweist sich als unzuträglich, wenn geprüft werden soll, ob ein Schutzgut überhaupt beeinträchtigt ist“ (Herv. i. Orig.). 459 Auch im Folgenden Poscher (2010), Rz. 33 ff. 460 Ausdrücklich bezieht sich Hoffmann-Riem, S. 216, auf die Erfahrung, dass es Grundrechte gebe, „bei denen der Schutzgehalt erst mit dem Blick auf den Verletzungserfolg zu bestimmen ist“. 461 Vgl. Augsberg/Unger, S. 317 ff. 462 Kahl (2004), S. 179.

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E. Ausblick auf eine methodische Metaphorologie der „Grundrechte“ 

destrechte berufen, indem sie in Frage stellt, „ob jegliches menschliches Verhalten nicht nur allgemein in der Rechtsordnung, sondern speziell auch grundrechtlich geschützt ist“.463 Ist nicht jedes Handeln grundrechtlich geschützt, bedarf es auf der ersten Stufe der Grundrechtsprüfung über die Einordnung in einen grundrechtlich (hier: möglicherweise) geschützten Lebenszusammenhang hinaus einer „Herausarbeitung des normativen Gewährleistungsgehalts“.464 Anhand teleologischer, also nicht mehr bloß äußerlicher Gesichtspunkte, werden Sachverhalte als bereits im Ansatz nicht grundrechtlich geschützt erklärt, soweit dies – dies ist der Unterschied zu den weiteren Prüfungsstufen – typisierend möglich ist. c) „Gewährleistungsgehalt“ Der „Gewährleistungsgehalt“ ist das, was vom „Schutzbereich“ nach Einbeziehung ungeschriebener, häufig teleologischer Tatbestandsmerkmale übrig bleibt. So wird der – nennen wir ihn seiner funktionalen Äquivalenz halber so – ‚Schutzbereich‘ von Art. 1 Abs. 1 Satz 2 GG auf eine Rechtsposition des Menschen gegenüber in bestimmter Weise intentionalem Handeln beschränkt465, die Schutzbereiche von Berufsfreiheit (Art. 12 Abs. 1 GG) bzw. Religions- und Weltanschauungsfreiheit (Art. 4 Abs. 1 GG) sollen gegenüber „sachlich geführter Informationstätigkeit“ des Staates nicht einschlägig sein466, unwahre Tatsachenbehauptungen sollen ebenso wenig in den Schutzbereich der Meinungsfreiheit fallen wie in den Schutz der Versammlungsfreiheit Versammlungen, die nicht im Schwerpunkt die Intention der Meinungsbildung und -kundgabe in öffentlichen Angelegenheiten verfolgen.467 Neben solchen Mechanismen einer qualitativen Schutzbereichseingrenzung über eine bloß quantitative Schutzbereichsdefinition hinaus ist ausschlaggebend für eine Änderung der rechtsdogmatischen Termino-

463 Hoffmann-Riem, S. 214, unter Bezugnahme auf die abweichende Meinung des BVR Grimm zur Entscheidung „Reiten im Walde“, BVerfGE 80, 137 (164 ff.): „Die Grundrechte unterscheiden sich von der Vielzahl sonstiger Rechte dadurch, daß sie Integrität, Autonomie und Kommunikation des Einzelnen in ihren grundlegenden Bezügen schützen. Eben wegen dieser fundamentalen Bedeutung ihres Schutzobjekts für eine auf die Menschenwürde gegründete Ordnung werden sie aus der Menge der Rechte hervorgehoben und verfassungsrechtlich mit erhöhten Garantien gegenüber der öffentlichen Gewalt, insbesondere mit Bindungswirkung für den Gesetzgeber, ausgestattet. Dabei können die Auffassungen darüber, was den gesteigerten Schutz der Grundrechte im einzelnen verdient, nach den historischen Umständen wechseln. Es ist aber weder historisch noch funktional der Sinn der Grundrechte, ­jedes erdenkliche menschliche Verhalten unter ihren besonderen Schutz zu stellen.“ 464 Hoffmann-Riem, S. 217. 465 Vgl. Poscher (2010), Rz. 39 ff. 466 Vgl. Hoffmann-Riem, S. 217 f., und Kahl (2004), S. 170 f., 173 f., jeweils im Hinblick auf die sog. „Osho“- (ihr ist das Zitat entnommen) bzw. „Glykol“-Entscheidung des BVerfG  – BVerfGE 105, 252 bzw. 279. 467 Vgl. insgesamt mit weiteren Beispielen Kahl, S. 170 ff.

V. Metaphorologische Konkurrenzen  

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logie das Ziel, die zu mehr Komplexität gewandelte Funktion der Grundrechte insgesamt besser zu erfassen.468 Hierzu gehören die Anerkennung zum Beispiel von Grundrechten als Leistungsrechten, für die ein bereichsförmig strukturiertes Recht wenig Sinn macht, und der „Ausstrahlungswirkung“469 von Grundrechten, die die überkommene, statische Metaphorologie offensichtlich sprengt.470 „Grundrechtsnormen verbürgen – wie allseits anerkannt wird – nicht nur ‚Schutz‘ von Freiheit gegen den Staat, sondern umfassender die Gewährleistung von Freiheit in Staat und Gesellschaft, zwar auch gegen den eingreifenden Staat, aber auch durch den die Freiheitsausübung aller sichernden Staat. Die mit dem Begriff ‚Bereich‘ verbundene räumliche Vorstellung des Schutzausmaßes – als eines abgegrenzten, von staatlicher Ingerenz freien Bereichs gesellschaftlicher Entfaltung – greift hierfür allerdings zu kurz. […] Angesichts der vielfältigen Vernetzungen von staatlichen und gesellschaftlichen Verantwortungen und Aktivitäten […] sind für die Bezeichnung des Normgehalts und damit des grundrechtlichen Maßstabs m. E. alle Bilder schief, die auf abgegrenzte Sphären (,Bereiche‘) verweisen […] Der nach meiner Vorstellung den Begriff ‚Bereich‘ verdrängende Begriffsbestandteil ‚Gehalt‘ soll verdeutlichen, dass es darum gehen muss […] das Normprogramm nicht nur in seiner Breiten, sondern auch in seiner Tiefenwirkung zu erfassen.“471

Es kann und soll hier keine grundrechtsdogmatische Diskussion der widerstreitenden Positionen erfolgen. Im Zusammenhang dieser Untersuchung ist erstens ihren Ausgangspunkt bestätigend festzustellen, dass sich der Konflikt zwischen „Schutzbereich“ und „Gewährleistungsgehalt“ um die grundrechtsdogmatische Wahl von den Anforderungen der Zeit gerecht werdenden Metaphern dreht, weil Metaphern der Grundrechtsdogmatik wie „Schutzbereich“ und „Eingriff“ trotz seit mindestens Jahrzehnten routinierter Verwendung weder tot sind noch bloß sprachliche Umschreibungen eines tatsächlichen ideellen Wesens wären, sondern Dogmatik konstituieren. Des Weiteren ergeben sich in metaphorologisch informierter Ansehung der konkurrierenden Metaphern einige folglich nicht unwesentliche Gesichtspunkte für die künftige Diskussion, die in diesem Rahmen nur angedeutet werden können: Inwieweit korrespondiert die rechtsdogmatische Metaphorik des „Gewährleistungsgehalts“ mit der verfassungsunmittelbaren Metaphorik? Die Metapher des „Gehalts“, das erfasst Hoffmann-Riem mit der Rede von „Tiefenwirkung“ ganz richtig, zielt auf Innerlichkeit. Insofern ähnelt sie der Metapher des „Eingriffs“, die traditionell die zweite Stufe der Grundrechtsprüfung bestimmt. Die verfassungsunmittelbare Metaphorik des „Grundes“, der „Grundlage“ und der „Grundrechte“ 468 Vgl. Hoffmann-Riem, S. 228: „Angesichts der starken Ausdifferenzierungen moderner Gesellschaften, der hohen Komplexität multipolarer und multidimensionaler Grundrechtskonflikte und der vielfältigen Dimensionen staatlicher Verantwortungsübernahme im Gewährleistungsstaat ist Grundrechtsanwendung sehr komplex und deshalb immer schwie­r iger“. 469 Vgl. aus der jüngeren Zeit etwa BVerfG, Beschluss vom 10.12.2010, Az. 1 BvR 1739/04, Absatz Nr. 17; BVerfG, Beschluss vom 21.12.2010, Az. 1 BvR 2760/08, Absatz Nr. 19. 470 Vgl. Hoffmann-Riem, S. 226 f. 471 Hoffmann-Riem, S. 226 (Herv. i. Orig.).

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E. Ausblick auf eine methodische Metaphorologie der „Grundrechte“ 

zeichnet indes im Ansatz gerade ein ‚breites‘, äußerliches Bild der Grundrechte.472 Dies ergibt sich daraus, dass historisch der zu ihrer Durchsetzung ganz erheblich beitragende bauwerksmetaphorische Kontext und funktional ihre Bedeutung als Mindestmaß die Grundrechte als Grenze strukturieren; Grenzen sind zweidimensional.473 Progressive Grundrechtstheorie hätte sich mit diesen Bindungen vertieft – derigidierend (im Sinne Taurecks) und deinstitutionalisierend (im Sinne der TAIM) – auseinanderzusetzen, wollte sie eine veränderte Terminologie durchsetzen.474 Es ist weiter auf einer allgemeineren Ebene zu diskutieren, welche Folgen eine weniger als bisher durch zentrale, in sich schlüssige, relativ anschauliche Metaphorologien charakterisierte Verfassungsrechtsdogmatik hätte.475 Die Kritik am überkommenen Standardmodell der Grundrechtsauslegung leitet über – was sich an der zitierten Rede Hoffmann-Riems von den „vielfältigen Vernetzungen“ festmachen lässt – zur „Netzwerk“-Metaphorik, die auf übergreifender Ebene die Rechtsdogmatik in ihren eingefahrenen Konzepten herausfordert. 472

Vgl. Bethge, Rz. 62 f. (S. 139 f.): „[Nicht nur für den Grundrechtseingriff, auch für die Grundrechtsbeeinträchtigung in der Qualität eines Eingriffsäquivalents gilt, dass sie begriffsnotwendigerweise auf den Schutzbereich eines Grundrechts bezogen ist.] Der Grundrechtseingriff wie überhaupt eine eingriffsgleiche Einwirkung auf das Schutzgut eines Freiheitsrechts setzen auch dann die Existenz eines grundrechtlichen Schutzbereichs voraus, wenn man nicht der Faszination räumlicher Bereichsmetaphorik erliegt. […] Der ‚rechtslogische Vorrang des Schutzbereichs‘ ist die zwingende Konsequenz des rechtsstaatlichen Verteilungsprinzips, das von der grundsätzlich unbeschränkten Freiheit des Bürgers und der grundsätzlich begrenzten und besonders rechtfertigungsbedürftigen Staatsgewalt ausgeht.“ Dabei wird allerdings nicht klar, woraus sich der „rechtslogische Vorrang“ des Schutzbereichs ergeben könnte, wenn nicht aus dem bereichsmetaphorischen Konzept, wonach ein Eingriff einen Eingriffsbereich voraussetzt. Bethge ist danach vernünftig nur so zu verstehen, dass er nicht räumliche Bereichsmetaphorik an sich, sondern nur einen unreflektierten Umgang mit ihr („Faszination“) ablehnt. Eine solche Reflexion findet indes gerade nicht statt, indem der metaphorologisch radizierte „rechtslogische Vorrang“ unhinterfragt so behandelt wird, wie es dem Erliegen einer „Bereichsmetaphorik“ entspräche. 473 Zu bemerken ist allerdings, dass das Konzept des Schutzbereichs eine defensive, strukturell beminderheitete Haltung ausdrückt, die nicht der liberalen Annahme prinzipieller Freiheit entspricht. Sollte es eine solche ursprünglich gegeben haben, wären Schutzbereiche reservatsartige Restbestände ihres ursprünglichen Lebensraums. 474 Hierin liegt methodisch  – neben dem systematischen Grundmodell der Abfolge von Grundrechten und Regelungsvorbehalten – eine mögliche Begründung für die von HoffmannRiem bei der konservativen Grundrechtstheorie sinngemäß vermisste These, dass der Verfassungsgeber dem ersten Moment ihrer Betrachtung keine Betrachtung kollidierender Rechtsgüter zugedacht habe, Hoffmann-Riem, S. 205. 475 Im Vorgriff auf das nächste Kapitel ließe sich auch formulieren: ‚metaphorologisch fragmentarischer strukturiert würde‘. Es spricht viel dafür, dass erstens (auch) insoweit die Determinationskraft des Gesetzes (und damit des parlamentarischen Gesetzgebers) sänke, während Freiheit und Verantwortung der Rechtsanwendung, die dann vermehrt der Gesetzeslage inhärente Konflikte zu entscheiden hätte, stiege. Zweitens verlöre wahrscheinlich das Rechtssystem an zentraler Stelle – signifikant für das Gesamtsystem – an Komplexität reduzierender ‚Anschaulichkeit‘ mit der Folge, dass die Autorität des Staates sich weiter vom Gesetz zu Rechtsexpertinnen und Rechtsexperten verschöbe. Dies würde eine sehr wesentliche Umstellung der den demokratischen Rechtsstaat bisher kennzeichnenden Legitimationsidee erfordern.

V. Metaphorologische Konkurrenzen  

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4. Vernetzte Fragmente als Zukunft des globalisierten Rechts(?) „Die Rechtsordnung ist keine Pyramide mehr“, findet Stolleis476, und von Bogdandy beantwortet die Frage „Should the legal pyramid be deconstructed on ­account of the internationalization of constitutional law?“ differenziert in bestimmter Hinsicht mit: „the pyramid should be deconstructed“.477 Es sind keine abseits des wissenschaftlichen Mainstreams situierten Rechtswissenschaftlerinnen und Rechtswissenschaftler, die für die Gegen- und Alternativmetaphorik des Netzwerkes anstelle der im bürgerlich-liberalen Rechtsstaat bisher herrschenden Metaphorik werben. Desto globaler der Maßstab wird, desto mehr sich der Fokus von nationalen Grenzen löst, desto entschiedener äußert sich der Wille zur Ver­ änderung der alten Modelle. Fischer-Lescano und Teubner, zwei der energischsten und theoretisch ausgefeiltesten Vertreter des semantischen Wandels, sehen eine „Fragmentierung des globalen Rechts […] viel radikaler, als es eine reduktionistische Einheitssicht […] begreifen kann“. Statt „über rechtsbegriffliche, normative und institutionelle Hierar­chien die Einheit des internationalen Rechts herzustellen“, müsse man sich darauf beschränken, „in einem neuartigen Kollisionsrecht eine eigentümliche Netzwerklogik zu verwirklichen“, um „eine bloße Kompatibilität der Rechtsfragmente anzustreben“.478 „Fragment“ – „‚Bruchstück‘, im 16. Jh. aus lat. fragmentum ‚abgebrochenes Stück, Bruchstück, Splitter‘ (zu lat. frangere ‚zerbrechen‘, S. Fraktur) entlehnt“479 – ist die verbreitetste Gegenmetapher, „Netzwerk“ die verbreitetste Alternativmetapher zur Konstruktion des Bauwerks. In der Diskussion werden Differenzierungen zwischen Staat, Recht und Gesellschaft, inner- und überstaatlichen Kontexten kaum deutlich; zum Teil jedenfalls ist ein solcher Effekt der Ideologie der neuen Metaphern immanent. Hier ist nicht der Ort für eine Analyse, inwieweit Differenzierungen zum Teil dennoch vertreten werden; da es um die Institutionalisierung eines im Zeitgefühl des Staatsrechts neuen Paradigmas480 geht, sind Differenzierungen zum jetzigen Zeitpunkt vielleicht nicht angemessen.481 476

Stolleis (2008), S. 426. Diese Antwort von Bogdandy, S. 397 f., bezieht sich auf eine monistische Theorie des Rechts im Hinblick auf das Verhältnis transnationalen und nationalen Rechts, wie er sie mit der kelsianischen Schule verbindet; er spricht sich letztlich für eine rechtspluralistische „Rekonstruktion“ der Pyramide aus, in der „jedenfalls innerhalb liberaler Demokratien“ die Möglichkeit bleiben müsse, sich einer in einem anderen Bezugssystem kreierten Norm zu entziehen. Vgl. Buckel/Christensen/Fischer-Lescano, S. XIII, die das „Bauwerk des ‚alteuro­ päischen Denkens‘“ als ein „mehrstöckiges Gebäude“ beschreiben, „worin im obersten Stockwerk die Rechtsphilosophie residiert, welche die Frage beantwortet: ‚Was ist Recht?‘. Im Stockwerk darunter sagt die juristische Methodik, wie das Recht angewendet wird, während im Erdgeschoss die Dogmatiker vorgegebene Rechtsinhalte am Fall erkennen. […] Die Fundamente dieses Bauwerks sind brüchig geworden“. 478 Fischer-Lescano/Teubner, S. 24 bzw. 170 (Herv. d. Verf.). 479 Pfeifer (2010), s. v. „Fragment“ (Herv. i. Orig.). 480 Boehme-Neßler (2008), S. 500; Böhme (2004), S. 28. 481 Vgl. auch Ladeur, Titel bzw. S. 184 f. 477

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E. Ausblick auf eine methodische Metaphorologie der „Grundrechte“ 

a) Fragmentierung des Rechts Eine „Fragmentierung“, auch „Rechtszersplitterung“482 liegt auf einer Linie mit „Auflösung“ und „Verfall des Rechts“, die Klaus F. Röhl zu naheliegenden Metaphern der Veränderungen des Rechts erklärt, wenn auch diese sich „vielleicht besser als ein Wechsel des Aggregatzustands interpretieren“ ließen.483 Speziell zu den Grundrechten wird mitunter die Gefahr benannt, ihre unumgängliche allbezügliche Expansion drohe in eine „Erosion“ umzuschlagen, „welche die überkommenen Bauelemente der Grundrechtssystematik als überholt erscheinen lässt“.484 (Entsprechende Metaphern in Bezug auf den Staat haben eine lange Geschichte und sind heute vielleicht umkämpfter denn je.485) Röhl gibt für seine Zeitdiagnose folgende zwei Gründe an: „Faktisch handelt es sich um das, was allgemein als Entstaatlichung und Globalisierung beschrieben wird. Epistemologisch geht es darum, dass postmoderne Wissenschaftstheorie alle Gewissheiten und damit letztlich auch den Rationalitätsanspruch der Jurisprudenz zur Auflösung gebracht hat.“ Staat, Gewissheit, Rationalitätsanspruch sind demnach mit einem alten Recht verbunden, dessen gegenwärtige Form, so ist zu schließen, zunehmend durch Nichtstaatlichkeit, Ungewissheit und Irrationalität geprägt ist. In diesem Zusammenhang taucht auch die Metapher des festen, „sicheren“ Fundaments wieder auf: „Der Staat ist längst nicht in Auflösung begriffen, aber vieles ist beweglicher oder flüssiger geworden. […] Letztlich geht es um das Fundamentalproblem der Philosophie: Wo finden wir einen sicheren Anfang, auf dem wir bauen können? […] Während Kant […] apriorische Vernunfteinsichten für möglich hielt und an wissenschaftlichen Fortschritt glaubte, hat das 20. Jahrhundert die antifundamentalistische Einstellung radikalisiert.“486

Bei der Fragmentierung handelt es sich um die Ausweitung oder Übertragung des systemtheoretischen Modells der funktionalen Differenzierung von Teilbereichen der Gesellschaft487 auf den Innenbereich des Teilbereichs Recht. Ein der Gesellschaft angemessenes objektives Recht, so lässt sich das Prinzip dieses Vorgangs zusammenfassen, richtet sich nach der objektiven Wahrnehmung der Gesellschaft.488 Die Differenzierung des Rechts vollzieht in der Theorie FischerLescanos und Teubners die Differenzierung der Gesellschaft nach; „[d]er globale Rechtspluralismus ist […] Ausdruck tiefer liegender gesellschaftlicher Widersprüche, die von miteinander kollidierenden Sektoren der Weltgesellschaft produziert 482

Fischer-Lescano/Teubner, S. 25. Auch im Folgenden Röhl (2005), S. 1161 (Herv. d. Verf.). 484 Bethge, Rz. 44 f. (S. 133, Herv. d. Verf.). 485 Vgl. Schuppert (2010), S. 57 ff. Bei Röhl (2005) erscheinen beide „Auflösungstendenzen“ denn auch weitestgehend gleichgeschaltet. 486 Röhl (2005). 487 Luhmann (1993 [1980]), S. 27 f. 488 Vgl. etwa Franzius/Kötter, S.  66: „Netzwerke beschreiben die Gesellschaft und stellen das Hierarchiemodell des Staates in Frage“; Di Fabio (2008), S. 400: „Die Konstruktion des Verfassungsstaates ist nicht nur eine Rechtskonstruktion, sondern auch die Beschreibung einer politischen Gemeinschaft.“ 483

V. Metaphorologische Konkurrenzen  

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werden. […] Treibende Dynamik ist die sich beschleunigende Differenzierung der Gesellschaft in autonome gesellschaftliche Teilsysteme, die heute jeweils ihre territorialen Grenzen überspringen und sich weltweit konstituieren.“489 Nicht nur die Wirtschaft folge dieser Dynamik, sondern auch Wissenschaft, Kultur, Technik etc. sowie – wenngleich mit Verzögerung – Politik, Recht und Sozialfürsorge, die alle jeweils zu eigenständigen „Weltsystemen“ geworden seien. Hier allerdings erscheint ein Spannungsverhältnis zwischen einerseits den Metaphern der Fragmentierung/Auflösung und andererseits der Metapher der Weltsysteme; deuten die erstgenannten auf eine ‚Verkleinerung‘ bis hin zu einer Atomisierung hin, zeigt die letztgenannte ihre ‚Ausbreitung‘. Schlüssig werden sie in der eher hintergründig wirksamen Metapher geringerer Dichte des Rechts. Weniger radikal als „Fragmentierung“ und „Auflösung“ des Rechts ist die „Zerfaserung“ des (Rechts-)Staates. Was sie damit meinen, haben Leibfried und Genschel wie folgt beschrieben: „[I]n dem Maße, in dem Staatlichkeit aus dem Staat heraus quillt und sich um ihn herum anlagert, verliert sie ihre alte Einheit und Konsistenz. Anders als im alten ‚Container-Staat‘ der 1950er und 1960er Jahre, der, wenn nicht unmittelbar im staatlichen Gehäuse so doch zumindest im staatlichen Weichbild, alles gesellschaftlich Wesentliche entschied, eine Fülle von Leistungen erbrachte und alles verantwortete, was mit politischer Herrschaft zusammenhing, ist die Herrschaftsverantwortung heute auf eine Vielzahl von Akteuren verteilt, die jeweils nur einzelne, sektoral oder funktional spezifische Herrschaftsleistungen erbringen. Im Gegensatz zum Staat, dessen Herrschaftsanspruch sich sektorenübergreifend auf praktisch alle politischen Herrschaftsfelder bezieht, ist der Herrschaftsbereich privater, transnationaler oder internationaler Akteure in der Regel sektoral begrenzt. […] Ihnen fehlt die ‚Kompetenz-Kompetenz‘. Dazu kommt, dass das Herrschaftshandeln nicht-staatlicher Akteure in der Regel auch funktional begrenzt ist. Im Gegensatz zum Nationalstaat, der im Prinzip alle drei Herrschaftskomponenten – Entscheidungskompetenz, Organisa­ tionskompetenz und Letztverantwortung  – gleichzeitig besitzt, verfügen nicht-staatliche Instanzen in der Regel nur über eine dieser Herrschaftskomponenten. Staatlichkeit wird im Zuge der Internationalisierung und Privatisierung nämlich nicht en bloc auf nicht-staat­liche Träger in Gesellschaft und internationalem Raum verteilt, sondern nach Einzelkompetenzen getrennt: Internationale Institutionen erhalten wichtige Entscheidungs-, aber kaum Organisationskompetenzen, wohingegen private Instanzen genau umgekehrt wichtige Organisationskompetenzen zugewiesen bekommen, aber kaum Entscheidungskompetenzen. Und die Letztverantwortung für die politische Legitimation der Herrschaftsergebnisse bleibt ohnehin beim Staat. […] Die Verantwortung für die Herbeiführung, Durchsetzung und Legitimation kollektiv verbindlicher Entscheidungen ist nicht mehr an einem institutionellen Ort konzentriert, sondern zerfasert: Entscheidungs-, Organisations- und Legitimationsverantwortung werden von unterschiedlichen  – teils konkurrierenden, teils ko­ operierenden, teils sich gegenseitig ignorierenden  – Akteuren wahrgenommen. Und wie bei jedem Zerfaserungsprozess stellt sich die Frage, was denn die einzelnen Fasern noch zusammenhält, wenn überhaupt.“490 489 490

Auch im Folgenden Fischer-Lescano/Teubner, S. 23 f., 25 f. Genschel/Leibfried, S. 361 ff.

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E. Ausblick auf eine methodische Metaphorologie der „Grundrechte“ 

Der beschriebene Sachverhalt liegt zumindest im Prinzip auch der Metapher der Fragmentierung zu Grunde, insofern sektoral und funktional spezifische Herrschaftsleistungen nach zunehmend differenziert kreierten und ausgestalteten Regelungssystemen erfolgen. Die „Zerfaserung“ des Rechtsstaates unterscheidet sich von den anderen hier genannten Metaphern indes darin, dass sie auf zweierlei Weise nicht als ontologische Metapher verstanden wird: erstens, weil sie nicht an die traditionelle Bauwerksmetaphorik anschließt und deshalb auffällig ist491, zweitens weil ihre Erfinder sie im Streit mit Schuppert um die Angemessenheit der jeweils verwendeten Metaphern als heuristischen Diskussionsbegriff markieren, der zu „Fragen“ anregen und sie ins Bewusstsein heben soll.492 Auch wenn Leibfried und Genschel mit einem Begriff der „Metapher“ (wahrscheinlich mangels Grundlagentheorie) hadern493, liefern sie ein insofern hervorzuhebendes Beispiel dafür, wie innovative Metaphern zum Zwecke der wissenschaftlichen Re­ flexion ­einzusetzen sind. b) Recht als Netzwerk Fragmentierung und Auflösung des Rechts (und des Staates) werden von denjenigen, die sie beobachten, im Hinblick auf ihre destruktive Tendenz zunächst scheinbar nicht ganz konsequent mit der konstruktiven Metapher des Netzwerks in Verbindung gebracht. So behauptete Amstutz bereits 2003, „[d]ass wir in poröser Legalität leben, in ‚multiple networks of legal orders‘, dass parallele Normsysteme unterschiedlicher Herkunft sich wechselseitig anregen, gegenseitig verbinden, ineinandergreifen und durchdringen, ohne zu einheitlichen Super-Ordnungen zu verschmelzen, […], sondern in ihrem Nebeneinander als heterarchische Gebilde dauerhaft bestehen“.494 Porösität und Beständigkeit des Rechts zugleich? Der Lebenserfahrung nach bedeutet Porösität eine geringe Stabilität (man denke an „Osteoporose“), physikalisch handelt es sich indes neutraler um einen Dichtebegriff. Die Atomisierung des alten Ganzen zu einer Vielzahl kleinerer Funktionseinheiten bei gleichzeitiger räumlicher Ausbreitung bedeutet eine geringere Dichte. Die Metapher des Netzwerks als durch durchlässige Zwischenräume („Maschen“) charakterisiertes Gebilde495 macht insofern den veränderten Zustand anschaulich.496 Einen den systemtheoretisch inspirierten ‚Netzwerkmetaphoriken‘ des (internationalisierten) öffentlichen Rechts gegenüber eigenständigen 491

Wobei Genschel/Leibfried, S. 361 (Fn. 7), unnötiger Weise einen Anschluss an historisch vorgängige Metaphern versuchen. 492 Genschel/Leibfried, S. 364. 493 Genschel/Leibfried, S. 360 (Fn. 5). 494 Amstutz, S. 213. 495 Vgl. Böhme (2004), S. 21 ff.; Friedrich (2012b). 496 Innerhalb dieser Metaphorologie ganz schlüssig spricht Möllers (2005), S. 288, von der „Entstehung von Sonderrechtsdogmatiken, die die Bezüge zu allgemeinen Rechtsgrundsätzen verdünnen“ (Herv. d. Verf.).

V. Metaphorologische Konkurrenzen  

325

Entwurf einer Netzwerktheorie des Rechts insgesamt hat in seiner Habilitationsschrift Boehme-Neßler vorgelegt.497 Er definiert den heutigen Begriffskern des Netzwerks wie folgt: „Ein Netz ist ein komplexes Organisationsmuster, bei dem unterschiedliche, autonome Bestandteile und Einheiten vielfältige neue Verknüpfungen miteinander eingehen. Die Verknüpfungen heterogener Möglichkeiten führen zu deutlichen Optionssteigerungen. Vernetzung erhöht die Zahl der Möglichkeiten erheblich. Netze sind dezentral: Es gibt keine zentrale Koordinierungsinstanz, die alle Verknüpfungen steuern würde – oder überhaupt könnte.“498

Die Metapher des Netzwerks ist historisch besser erforscht als diejenige des Bauwerks; wahrscheinlich ist sie trotz ihrer jüngeren Geschichte aufgrund ihrer Vielgradigkeit auch komplexer. Ihre Vertreter im Bereich der Staats- und Rechtstheorie scheinen indes keine Reflexion darüber für nötig zu befinden, auf welche Bedeutungsebene/,Phase‘ dieser Geschichte sie sich in ihrem Metapherngebrauch primär beziehen wollen. Die Geschichte des Netzwerks lässt sich nach Alexander Friedrich, einem ihrer besten Kenner im deutschsprachigen Raum, etwa wie folgt zusammenfassen499: Im Anfang steht eine bis heute zwölftausend Jahre alte Tradition des Netzes als „Technik des Beutemachens“, ursprünglich der Spinne, die in einer Metapher zweiten Grades auf menschliche Jagd- und Kriegsformationen angewendet wird.500 An diese Bedeutung in Verbindung mit dem in der juristischen Fachsprache ohnehin, und zwar in Bezug auf Argumente geläufigen Wort „verfangen“, wird auch im rechtswissenschaftlichen Netzwerk-Diskurs gelegentlich angeknüpft.501 Mit einer anderen Metapher wahrscheinlich ersten und zweiten Grades beginnt sich im 19. Jahrhundert die ‚moderne‘ Bedeutung zu entwickeln; in gleichzeitiger Anwendung auf das Schienennetz und das Telegraphennetz tritt die kriegerische Bedeutung des Netzes in den Hintergrund.502 Das neue an dieser Metapher ist die Assoziation von Struktur (zuvor äußerliches Netz) mit innerlicher Interaktion, die den Grundcharakter aller historisch nachfolgenden Infrastrukturnetze bestimmt. Dies betrifft insbesondere die Telegraphie, von der ausgehend das Netz als dialektisch rückwirkende Metapher zweiten und dritten Grades schon Mitte des 19. Jahrhunderts auf das tierische und folglich das menschliche Nerven 497 Boehme-Neßler (2008), S. 500 ff., 535 ff., dort S. 631 mit der Aussage, die Rechtsdogmatik müsse sich auf eine Sicht des Rechts als Netz einlassen. 498 Boehme-Neßler (2008), S. 500 f.; vgl. ebd., S. 508: „Netze als Systeme […], die aus zahllosen unterschiedlichen, miteinander verbundenen, autonomen und interagierenden Elementen bestehen.“ 499 s. insgesamt Boehme-Neßler (2008), S. 501 ff. 500 Friedrich (2012b), S. 56 ff. Vgl. neuerdings auch allgemein Gießmann, hier S. 19 ff. 501 Vgl. etwa Boysen/Bühring/Franzius/Kötter/Kreutz/Lewinski/Meinel/Nolte/Schönrock, S. 298; Möllers (2005), S. 300. 502 Auch im Folgenden Friedrich (2012b), S. 62 ff.; Friedrich (2012a), S. 123 ff. Dieser zitiert insbesondere einen deutschen Geographen, der in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts geschrieben habe: „Das französische Bahnnetz […] ist ein Spinnennetz, das deutsche ein­ Fischernetz.“

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E. Ausblick auf eine methodische Metaphorologie der „Grundrechte“ 

system bezogen wurde.503 Im Begriff des „Internets“, populär wirksam seit den 1990er Jahren, sind die älteren Bedeutungen in unterschiedlichen Maßen wirksam, wobei der Aspekt des „Einfangens“ – parallel zum Begriff des „Datensammelns“ – wieder verstärkt wirkt.504 Ist Netzwerk einerseits ein die Öffentlichkeit dominierender Allgemeinbegriff geworden, sind andererseits bislang kaum konkrete Folgen der Netzwerkmetapher für innerstaatliche Rechtsdogmatiken dargetan. Die Beispiele, für die eine Verwendung der Netzwerk-Kategorie einigermaßen konkret in Betracht gezogen wird, sind fast ausschließlich solche des Organisationsrechts.505 Dies hat wohl damit zu tun, dass das Netzwerk von Betätigung lebt. Ein Netzwerk, das nicht unter Strom steht, ist bedeutungslos; ein Netzwerk ist so gut, wie die Kommunikation, die es ermöglicht. Netzwerk ist in erster Linie eine Organisationsform, nicht Organisiertes. Anders als die alte Metapher des Bauwerks wird mit ihm keine Eigenwürde verbunden. Das Bauwerk, insbesondere das hoheitliche, scheint über Jahrtausende und Jahrhunderte gleichgültig gegenüber seiner Nutzung oder Nichtnutzung zu verharren (erst recht tun es seine Fundamente). Es entsteht der Eindruck, dass „Fragmentierung“ und „Netzwerk“ nur insofern Folgen für das innerstaatliche Recht haben, als sie als Heuristik transnationaler Inter­dependenzen in verschiedenen Lebensbereichen, deren Entwicklung wahrgenommen wird, als ob es sich um naturgesetzliche Dynamik handelte, einen weiter zu bestimmenden Anpassungsdruck erzeugen. Dieser Anpassungsdruck liegt anthropologisch darin begründet, dass die menschliche Erfahrungswelt eine ist und zum Beispiel die sprichwörtlichen „eigenen vier Wände“ in Zeiten mobiler, kabelungebundener Funktion in alten, metaphorisch werdenden Kategorien ‚totalverkabelt‘ (ohne Kabel) erscheinen. Für Boehme-Neßler scheint die alltägliche Faktizität der Vernetzung der Lebenswelt, eben der paradigmatische Charakter des Netzwerks, einer der ausschlaggebenden Punkte dafür zu sein, Recht als Netzwerk begreifen zu wollen.506 In diesem Zusammenhang stellt sich zum einen die Frage, inwieweit empirisch die Wahrnehmung von Netzwerkstrukturen das Leben der Gesamtbevölkerung im Verhältnis zur Wahrnehmung (unmetaphorisch) materieller Konstruktionsleistungen tatsächlich dominiert. Zum anderen ist die Frage zu stellen, zu welchen Anpassungsbewegungen ein staatssoziologisch wahrgenomme 503

Friedrich (2012a), S. 127 ff. Friedrich (2012b), S. 64 ff., und reflexiv Böhme (2004), S. 32: „Im Bann des epistemischen Modells ‚Netz‘ stehend, verfangen wir uns in diesem selbstgewobenen Netz immer mehr und wissen dies immer genauer.“ 505 Zu solchen Boehme-Neßler (2008), S.  653 f.; Boysen/Bühring/Franzius/Kötter/Kreutz/ Lewinski/Meinel/Nolte/Schönrock, S.  293 f.; Möllers (2005), S.  288 ff.; Schuppert (2012), Rz. 134 ff. (S. 1122 ff.). Vgl. auf der anderen Seite die übersichtliche Darstellung der, allerdings Grundprobleme des Rechts berührenden, Folgen einer Betrachtung des Rechts als Netzwerk bei Boehme-Neßler (2008), S. 625 ff., und Franzius/Kötter, S. 66, dazu, dass sich die Karriere des Netzwerkbegriffs in der Soziologie bereits ihrem Ende zuzuneigen scheine, weil es nicht gelungen sei, belastbare Folgerungen aus dem Modell zu entwickeln. 506 Boehme-Neßler (2008), S. 33 f., 505, 535. 504

V. Metaphorologische Konkurrenzen  

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ner Sachverhalt, dessen Wahrnehmung ökonomisch und kriminell507 motivierten Transnatio­nalisierungslogiken folgt, den demokratischen Verfassungsstaat zu welcher Zeit veranlassen darf oder sogar soll. Was sind nun die spezifischen Merkmale, die die Netzwerkmetapher in Unterscheidung von der traditionell dominierenden Raum-, das heißt auf Gebäude als Gehäuse fokussierenden Metaphorik kennzeichnen?508 Auch wenn jedes Netzwerk als Verbindungsstruktur ebenso wie ein Gebäude eine räumliche Quellbereichsstruktur aufweist, ist insbesondere – nach Friedrich – in Bezug auf den Raum „die These seiner Eliminierung diskutiert worden […]. Netze, so der Tenor, machen den Raum verschwinden, und zwar durch die Überbrückung von Distanzen, die Verbindung von Orten, deren Nähe zueinander plötzlich nicht mehr durch Längen-, sondern in Zeit­ einheiten definiert wird. Die Geschwindigkeit der Transportmittel und die Verknüpfung ihrer Routen schafft einen Raum, einen Transitraum, dessen Entfernung sich nicht mehr über die Strecke zwischen zwei Orten bestimmt, sondern nur noch über die Zeit, die benötigt wird, um sie zu überwinden. […] Entsprechend verändert sich die Bedeutung dessen, was Grenze ist. Ist sie im euklidischen Raum durch Aus- und Einschluss bestimmt, konstituiert sie sich im Netz-Raum nur noch durch Anschluss- oder Nicht-Anschluss.“509

Das Motiv der Entgrenzung, das bereits oben angesprochen wurde, taucht hier wieder auf.510 Dass im Netzwerkbegriff Grenzen zwischen „Staat und Gesellschaft, öffentlich und privat, innen und außen, national und international verschwimmen“, 507

Vgl. Dern, S. 77. Der Hinweis auf die Überlegungen, die Boehme-Neßler (2008) in Bezug auf das Verhältnis von Recht und Netzwerk angestellt hat, ist an dieser Stelle mit einer besonderen Betonung zu verbinden. Die methodische Struktur seines Vorgehens ähnelt sehr stark demjenigen der metaphorisch-imaginativen heuristischen Methode nach Jain. Doch stehen seine Über­legungen eher unter einem Vorzeichen deskriptiver Rechtstheorie statt unter einem solchen normativer Metaphorologie, vgl. etwa Boehme-Neßler (2008), S. 535, 593, 625, aber auch 500, 631. Während sich der überwiegende rechtstheoretische Gebrauch der Netzwerkmetapher terminologisch ganz hauptsächlich darauf beschränkt, von „Netzen“ und „Kopplung“ zu sprechen (vgl. zum Beispiel Amstutz, S. 214 f., Franzius/Kötter, S. 70), detailliert und verdichtet Boehme-Neßler die Netzwerkmetapher zum Zwecke ihrer größtmöglichen Übertragung, um im Produkt dieser Übertragung über Schlagworte hinaus Beschreibungsgewinne zu erzielen. So definiert er etwa als wesentliche Aspekte von Netzwerken erstens „Knoten“ als Quasi-Akteure der Informationsverarbeitung, darunter besonders wichtige „Super­k noten“, und zweitens „Fäden“ als immer wieder geschaffene und sich auflösende Kommunikationswege, Boehme-Neßler (2008), S.  513 ff. Wenn er von Rechtsbegriffen als Netzwerk-„Knoten“ spricht, die (nur) als „prägnante Begriffe […] psychologisch zum Kristallisationskern für Assoziationen“ werden und „von Menschen besser wahrgenommen und kognitiv verarbeitet werden“ (S. 538 ff.), weist auch dies darauf hin, dass das Projekt seiner Netzwerktheorie des Rechts, die allerdings mehr eine Perspektiven- als eine dogmatische Theorie ist, vielversprechende Berührungspunkte mit dem einer Rechtsmetaphorologie, wie sie hier aufgefasst wird, aufweist. Aufgrund der breiten, gegenüber dem allgemeinen Diskurs sehr besonderen Anlage des Unternehmens Boehme-Neßlers ist hier kein geeigneter Ort, sein Werk ausführlicher zu integrieren und halbwegs angemessen zu würdigen. 509 Friedrich (2012b), S. 66 f. 510 Vgl. zu (insbesondere geografischen) Grenzen und ihrem „Funktionswandel […, v]on der klaren Trennung zur diffusen Verbindung“ Boehme-Neßler (2008), S. 126 ff., 134 ff. 508

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E. Ausblick auf eine methodische Metaphorologie der „Grundrechte“ 

führt nach Franzius und Kötter dazu, dass „auf diesen Begriffen aufbauende Konstruktionen […] wie die Grundrechte als Abwehrrechte gegen den Staat, […] aber auch die Unterscheidung von individuellem und kollektivem Interesse“ an rechtlicher Steuerungskraft verlören.511 In einer solchen Aussage steckt ideell betrachtet, dass Abwehr nur gegen etwas möglich sei, das vom abwehrenden Subjekt verschieden sei. Es wird aber einmal mehr ‚handgreiflich‘, wie stark Rechtsbegriffe von ihren strukturell-metaphorologischen Prämissen abhängen. Es ist zu fragen, wo der Mensch sich in der Metapher des Netzwerks wiederfinden soll. Als „Knoten“512, der wahrscheinlichsten Antwort, wäre er nur angeschlossen vorstellbar; Knoten als Netzwerkkategorie sind Verbindungsknoten und damit außerhalb eines Netzes begrifflich ausgeschlossen. Umgeben sind jene Knoten von Transitraum, der ohne Eigenwert als nichts gilt, als „eine stets zu verringernde Distanz“.513 Dies erhärtet den Verdacht, dass sich die Netzwerkmetapher angemessen allenfalls als (staats-)organisationsrechtliche begreifen lässt. Aber auch insofern ist ihre Brauchbarkeit als angemessene Schlüsselmetapher unter demokratischen Vorzeichen als eingeschränkt zu beurteilen, als der Anschluss von Individuen kaum gelingt, die von Verfassungs wegen durch eine individuelle Freiheitssphäre (das heißt soziale Abstände)  gekennzeichnet sind, ohne dieses Charakteristikum zu ignorieren. Recht als Netzwerk stellte nicht mehr den freiwillig ausfüllbaren Vorrat an Entfaltungsraum für den Menschen als Selbstzweck ins Zentrum, sondern wäre lediglich ein instrumentell vernünftiges Dasein (zum Beispiel als Kommunikationssystem); während das Gebäude im Prinzip auch­ gesellschaftlich abweichendem Verhalten als Schutzschirm dient, muss ein solches aus der Netzwerkperspektive tendenziell als Fehlfunktion oder als ineffektiv vernetzt (hieße das rechtlos?) gelten.514 Was setzen die rechtstheoretischen Netzwerkmetaphoriker staatlicher und wirtschaftlicher Heteronomie des Individuums entgegen? Die informationstechnologische Metapher der „firewall“, deren rechtstheoretische Adaption solches leisten könnte, gehört bisher jedenfalls nicht wirkungsvoll zum Netzwerkdiskurs in der Rechtswissenschaft.

511

Franzius/Kötter, S. 67. Vgl. Boehme-Neßler (2008), S. 535 ff. 513 Friedrich (2012b), S.  67 f., zum „Cyberspace“ als „ortlos, überall und nirgends, eine im Netz-Raum emergierte Sphäre körperloser Interaktion“. Dieser negativ definierte Raum, der da ist, wo Netzwerk nicht ist, ist im Sinne Marc Augés Nicht-Ort im Gegensatz zu einem Raum, der einen anthropologischen Ort bietet. Anthropologische Orte sind „Orte, deren Analyse Sinn hat, weil sie mit Sinn aufgeladen sind und jeder neue Weg, jede rituelle Wieder­ holung ihre Notwendigkeit bestärkt und bestätigt“, idealtypisch zum Beispiel der Ort, an dem man geboren wird und „eine Wohnstatt zugewiesen“ bekommt; s. Augé, S. 60 ff., zu Nicht-­ Orten als Ergebnis der „Übermoderne“ insbesondere dort S. 83. 514 Vgl. hier Boysen/Bühring/Franzius/Kötter/Kreutz/Lewinski/Meinel/Nolte/Schönrock, S. 297: „Eine nähere Betrachtung von Netzwerken rückt das einzelne Rechtssubjekt weniger in seinen sozialen Verpuppungen als mit seinen Verknüpfungen ins Blickfeld.“ 512

V. Metaphorologische Konkurrenzen  

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c) (Post-)Demokratische Verfassungsmetaphorologie im Prozess? Es müsste also angesichts der Ambivalenz der Netzwerkmetapher515 sehr viel genauer definiert werden, welche normativen oder empirischen Sachverhalte sie zu welchen Zwecken (präskriptiv verfassungsdogmatisch oder deskriptiv staats­ soziologisch) mit welchem Geltungsanspruch beschreiben soll, um sie bewerten zu können.516 (Verfassungs-)Metaphorologisch angeleitet liegen auf grundsätzlicher Ebene folgende Bemerkungen nahe: –– Als übergreifendes, dominierendes Rechtsparadigma ist die Netzwerkmetapher erstens aufgrund ihrer deutlichen metaphorologischen Widersprüche zum geltenden Verfassungsrecht ungeeignet, das nur Anknüpfungspunkte von vergleichsweise geringem Umfang und Gewicht für eine strukturelle Netzwerkmetaphorologie bietet.517 –– Zweitens macht eine kritische Auseinandersetzung mit der Vergangenheit sensibel für Herausforderungen der Gegenwart: Die Netzwerkmetapher lässt, zumindest im undifferenzierten Gebrauch, Qualitäten des Rechts entstehen, die man eher vergangenen Zeiten zuschreiben würde. Es ist zum einen frappierend, wie zeitgenössische Beschreibungen der rechtlichen Zusammenhänge im Bereich der inter- und transnationalen Beziehungen solchen des historischen Gesamten der politischen Ordnung („Verfassung“) des Mittelalters insofern ähneln, als die damalige Situation zum Beispiel als „Geflecht“518 oder gar „ein riesiger Knäuel untereinander verknüpfter (subjektiver) Berechtigungen“519 beschrieben wird. Diese Ähnlichkeit wird in der Rechtswissenschaft gesehen520 und zuweilen auch explizit thematisiert: „Was im 17. Jahrhundert mühsam errungen wurde“, meint Stolleis, „die Einheit der Staatsgewalt gegen regellose private Gewalt und lokale Kriegsherren, verflüchtigt sich nun wieder […] Mit der Wiederkehr des vorstaatlichen Rechtspluralismus könnten auch die vorstaatlichen Übel wie-

515 Friedrich (2012b), S. 66 ff. Man denke hierzu an die umgangssprachlich verbreitete Rede von den „Netzen der Justiz“, in denen es sich unverschuldet verfangen lässt, vgl. etwa bereits Spangenberg, S. 67. 516 In diesem Sinne auch Möllers (2005), S. 301 f. 517 s. die Begriffe der „Bindung“ in Art. 1 Abs. 3, 5 Abs. 3 Satz 2, 20 Abs. 3 GG, der „Verbundenheit“ in Art. 29 Abs. 1 GG und des „Zusammenhangs“ in Art. 12a Abs. 2 Satz 3, Art. 29 Abs. 1 GG. Die (grundsätzlich unzulässige) „Trennung“ zwischen Kindern und ihren Erziehungsberechtigten in Art. 6 Abs. 3 GG käme im Hinblick auf gängige telekommunikationstechnologische Terminologie für eine nachträgliche Metaphorik in Betracht. Mittelbar ließe sich daran anknüpfen, dass der Gesetzestext „Text“ ist, und Text (was im Wort „Textilien“ noch anklingt) sprachhistorisch eine „Bildung zu lat. texere (textum) ‚weben, flechten, [aber auch, d. Verf.] zusammenfügend verfertigen, bauen, errichten“ darstellt, vgl. Kurz, S. 31, und Pfeifer (2010), s. v. „Text“. 518 Bauer, S. 34 519 Kern, S. 41, zit. nach Bauer, S. 26. 520 Vgl. Boehme-Neßler (2008), 135 ff.

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E. Ausblick auf eine methodische Metaphorologie der „Grundrechte“ 

derkehren“.521 Zum anderen zeigt der vergleichende Blick auf die marxistische Kritik an der liberalen Konstruktion der Menschen- bzw. Grundrechte, wie sie insbesondere die dieses Kapitel einleitenden Zitate verdeutlichen, ähnliche Entgrenzungs-/Verbindungsmetaphoriken. Dies lässt darüber nachdenken, ob eine strukturelle Netzwerkmetaphorologie nicht auch in ähnlicher Weise ge­fährdet ist, ins Totalitäre zu kippen, sollte sie den Rechtsdiskurs einmal dominieren. –– Drittens: Dass mit der Verringerung der strukturbildenden Kraft relativ autonomer politischer Handlungseinheiten, vor allem souveräner Staaten, faktisch „Unübersichtlichkeit […] zum Programm“522 wird, dessen theoretische Re-Strukturierung mit der Netzwerkmetapher versucht wird, ist unter dem Gesichtspunkt der Rechtssicherheit dermaßen problematisch, dass Netzwerk als rechtsnormativer, das heißt präskriptiv gemeinter Begriff auch insofern ungeeignet erscheinen muss. Zum Gebot der Rechtssicherheit gehört die „Forderung nach Übersichtlichkeit“, damit das Recht denjenigen, die es angeht, erkennbar sei.523 Die der Netzwerkmetapher implizite Unübersichtlichkeit hat ein strukturelles Moment, das weniger aus ihr als solcher als aus den mit ihr verbundenen Beschreibungen ‚entgrenzter Verflechtungen‘ folgt. Es kommt aber ein zeitliches Moment hinzu, das darin liegt, dass Netze „durch und durch dynamisch“524 sind und ihr „Ideal im Modus der ‚Echtzeit‘“ finden.525 Der Begriff der ‚Echtzeit‘ erfasst sachlich verzögerungslose Kommunikation, das heißt Gleichzeitigkeit von Sendung und Empfang und negiert alle anderen, vermeintlich unechten Zeiten im Sinne eines alternativlosen funktionalistischen Situativismus. Es handelt sich um eine Eigenzeit im Sinne der TAIM, also einen institutionellen Mechanismus, der der imaginären Autonomisierung einer symbolischen Ordnung (hier im Kern des Internets) dient.526 Materielle Beständigkeit, moralische Verlässlichkeit – deren anthropologischer Grundwert oben erläutert wurde – ist dieser formalen Logik fremd. Hinzu kommt etwa die Schwierigkeit, angesichts multipolarer Machtverhältnisse diejenige Instanz auszumachen, die als Rechtsbehelfsgegnerin passivlegitimiert ist. –– Viertens ist diesem eher formellen Problem von Zurechenbarkeit das verfassungstheoretische Problem vorgelagert, wie das Volk als im allgemeinen, freien 521

Stolleis (2008), S. 427, 428. Fischer-Lescano/Teubner, S. 23 f., wenden sich ausdrücklich gegen die wohl von Umberto Eco stammende These, der globale Rechtspluralismus sei Folge eines „neuen Mittelalters“. 522 Franzius/Kötter, S. 66. 523 Dazu ausführlich Arnauld (2006), S. 167 ff., 204 ff. 524 Boehme-Neßler (2008), S. 517. 525 Friedrich (2012b), S. 67. Boehme-Neßler (2008), S. 474, beschreibt Digitalisierung als „Treiber einer immer enger werdenden sozialen Vernetzung. Digitale Technologie führt dazu, dass weltweit potenziell alle Ereignisse gleichzeitig in Echtzeit erlebt werden können. Dieser Trend hat nicht nur einen räumlichen Aspekt, sondern auch eine zeitliche Dimension. Die digitale Technologie gibt Individuen das Gefühl, zu jeder Zeit an jedem Ort der Welt sein zu können. Die soziale Gegenwart wird enger, Vergangenheit und Zukunft verlieren – jedenfalls im Zeitgefühl der Menschen – an Bedeutung.“ 526 Vgl. oben D.II.3.

V. Metaphorologische Konkurrenzen  

331

und gleichen Wahlrecht signifikant gewordene Summe absolut gleichberechtigt gedachter Herrschaftssubjekte unter dem Vorzeichen einer durch Dezentralität/ Multipolarität gekennzeichneten Netzwerkmetaphorik noch als souveräne Primärquelle politischer Ordnung gelten können sollte.527 Die Netzwerkmetaphorik blendet die Quelle der im Netzwerk kommunizierten und verarbeiteten Informationen aus und geht jedenfalls insofern am Problem demokratischer Selbstbestimmung der natürlichen Personen vorbei. Das Problem mangelnder Übersichtlichkeit ist auch insofern ein demokratietheoretisches, als demokratische Zurechenbarkeit von Regierungsleistungen als Zurechnungsobjekt die ‚Durchschaubarkeit‘ der Vermittlungsmechanismen für das Zurechnungssubjekt voraussetzt. Dass die Metapher des Netzwerkes diesem Gebot entsprechen könnte, ist zumindest nach heutigem Stand unabhängig von ihrer inhaltlichen Bedeutung schon im Ansatz höchst zweifelhaft, weil sie nicht hinreichend bekannt ist. Dabei ist von dem informationstechnologischen Netzwerkbegriff auszugehen, ohne den die Metapher kaum zum Trend geworden wäre. Der Anteil der Internetnutzenden stagniert zwischen 75 und 80 Prozent der deutschen Gesamtbevölkerung, wobei die Wahrscheinlichkeit dazuzugehören desto geringer ist, umso älter, weniger gebildet und weiblicher jemand ist.528 Das heißt eine an der Metapher des Netzwerks orientierte Konzeption von Regierung benachteiligt Bevölkerungsgruppen in Bezug auf demokratische Teilhabe faktisch, die verfassungsnormativ besonders gegen (weitere) Benachteiligung zu schützen sind.529 –– Mit der Netzwerklogik verbindet sich fünftens bisher auch kein Eindruck von Transzendenz, der aber erforderlich ist, um einerseits die gleiche Eigenwürde jedes Menschen als Erkenntnissubjekt und andererseits die Unzulässigkeit menschlicher Heteronomie als regulative Idee begründen zu können. Das Netzwerk als vollständig artifizielles, instrumentelles und an sich nicht existenznotwendiges Informationsverarbeitungssystem gilt bisher als rein immanente Angelegenheit. Ihm fehlt eine transzendentale, hypothetische Instanz. Anders als den Ergebnis 527 Vgl. Möllers (2005), 301, und Di Fabio (2008), S. 405: „Der Sieg der sozialen Netzwerke und der ‚Zivilgesellschaft‘ über den Staat als Ort des Politischen wäre eine Niederlage für individuelle Freiheit, persönliche Sicherheit und den kollektiven Selbstgestaltungsanspruch. Politische Primärgemeinschaften mit demokratisch und rechtlich regulierter Machtausübung sind unentbehrlich.“ 528 Initiative D21 – Gemeinsam für die Digitale Gesellschaft, S. 18 ff. Bei den in „IT-Kernberufen“ Beschäftigten lag der Anteil der Frauen in den vergangenen Jahren mit abnehmender Tendenz jeweils unter 19 Prozent, vgl. Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung der Bundesagentur für Arbeit (Hrsg.), Berufe im Spiegel der Statistik, http://bisds.infosys.iab.de/, zuletzt abgerufen am 05.09.2015. 529 Vgl. auch Stolleis (2008), S. 426: Der „Bürger, der sich wehren will, [muss, d. Verf.] über mehr sprachliche und finanzielle Gewandtheit verfügen. Wer ‚einfacher Bürger‘ ist, tastet sich nicht nur durch einen Dschungel von national gesetztem Recht, internen Ausführungsnormen und Rechtsprechung, er erfährt auf seinem Gang durch die Ämter auch die europa- und welthandelsrechtlichen Vorgaben und stößt am Ende auf nicht-staatliche Regelwerke, die ihm vor allem dann entgegentreten, wenn er den Befehl ‚Klicken Sie hier‘ befolgt.“ Diese Beschreibung ist noch beschönigt.

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E. Ausblick auf eine methodische Metaphorologie der „Grundrechte“ 

sen der „Baukunst“ sind mit ihm bisher keine ins Transzendente verweisenden Narrative etwa besonderer Kunstfertigkeit als ‚Begabung‘, Eignung zum Gottesdienst und zur Bewahrung von Geheimnissen verbunden.530 Im Gegenteil ist die Metapher des Netzwerks aufgrund der undifferenzierten geheimpolizeilichen Überwachung der Telekommunikationsnetzwerke mit einer unheimlichen Geheimnislosigkeit der Bürgerinnen und Bürger assoziiert, die ihre Individualität gegenüber dem Staat negiert. –– Dabei könnte sechstens, in der Terminologie Jains, ein überschreitender Retransfer der Metaphorik des „Netzwerks“, der „Vernetzung“ nach ihrer Detaillierung und Verdichtung durchaus Perspektiven für ihre Versöhnung mit der Metapher des Gebäudes bzw. ihre „Domestizierung“ eröffnen. Denn in der Lebenswirklichkeit handelt es sich ja auch nicht um Gegensätze. Vielmehr gehen Gebäudetechnik und Netzwerktechnik Symbiosen ein. Das gilt historisch schon für die metapherngeschichtlichen Vorläufer der IT-Netze, nämlich die Infrastrukturnetze bezüglich (Ab-)Wasser, Elektrizität, Gas, klassischer Telefonie und ggf. Fernwärme mit ihren jeweiligen Netzanschlüssen, die heute durch erdungebundene Kommunikationstechnologien ergänzt werden. Netzwerke, handele es sich um Computer- oder Spinnennetze, hängen schließlich auch nicht freischwebend in der Luft, sondern hängen regelmäßig von erdgebundenen, stationären Einrichtungen ab, die in den Blick zu nehmen sind. Überdies existiert zum Beispiel der Begriff der „Netzwerkarchitektur“, in dem sich Netzwerk und Baukunst treffen. Vielleicht könnte eine an solche Sachverhalte anknüpfende Synthesebewegung beider Metaphorologien es erreichen, dem „digital-industriellen Komplex“531 ein Leitbild entgegenzusetzen, das demokratische Normativität und technologische Faktizität wieder mehr in Einklang bringt. Auf einem Flugblatt, das im Frühling 2009 an einem stillen Ort im Fachbereich Rechtswissenschaft der Freien Universität Berlin aushing, wird der Kampf um empirisch und normativ angemessene Metaphern sehr deutlich. Die Autorinnen oder Autoren wenden sich, bemerkenswerter Weise unter dem Pseudonym „Societas Arcana“, gegen eine vermeintliche „Zersetzung“ des Parlamentarismus, der für ihr Demokratieverständnis offensichtlich wesentlich ist. Die Gegenseite definieren sie über eine offensichtlich für signifikant gehaltene rechtswissenschaftliche Lehrmeinung, die angesichts „nicht-hierarchische[r] grenzüberschreitende[r] Verflechtungen“ im politischen System einer relativierten Rolle des Bürgers das Wort zu reden scheint.532 530

Vgl. Böhme (20./21.12.1997), S. 66: „Wenn wir […] keine Kultur entwickeln, welche Demokratie und Geheimnis zu vermitteln versteht, sinkt die Aussicht auf dauerhaften Erhalt der demokratischen Institutionen. Diese haben eine Chance nur in dem Maß, wie sie das Geheimnis eines jeden Lebewesens als Bedingung seiner Integrität zu wahren vermögen.“ Vgl. in diesem Zusammenhang auch die Beschreibung des Ursprungs von Legitimationsglauben im rechtsphilosophischen Zusammenhang durch Derrida (1998), S. 28, als „mystischen Grund der Autorität“: „ein Schweigen ist darin eingeschlossen oder vermauert. Vermauert, von Mauern umgeben, weil dieses Schweigen der Sprache nicht äußerlich bleibt“. 531 Lübberding. 532 Die dem Flugblatt enthaltenen Zitate wurden nicht überprüft.

V. Metaphorologische Konkurrenzen  

Abbildung 5: „Societas Arcana“, Flugblatt, Berlin 2009

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F. Schluss – eine Rechtskritik der Zukunft „Eine ihrer Hauptaufgaben, derentwegen sie [Rechtswissenschaft, scil.] als Vorbild für andere gesellschaftlich-geschichtliche Disziplinen dienen könnte, besteht darin, das zugleich komplementäre und gegensätzliche Verhältnis der beiden folgenden Momente begreiflich zu machen: Auf welche Weise veranlasst das Gesellschaftssystem die Herausbildung einer besonderen, geschichtlich spezifizierten und überdeterminierten Logik/Technik für ein bestimmtes Gebiet? Und auf welche Weise, bis zu welchem Punkt verselbstständigt sich diese Logik/Technik?“ Cornelius Castoriadis1

Am Ende dieser Untersuchung, die  – stets im Blick auf die Rechtswissenschaft – einen weiten Bogen von der Metapherntheorie des Aristoteles bis hin zur Netzmetapher in der digitalen Gesellschaft geschlagen hat, gilt es, die wesentlichen Ergebnisse zu resümieren. Es war Anspruch dieser Untersuchung, angesichts des auf niedrigem Niveau disparat ausfallenden rechtswissenschaftlichen Forschungsstandes zu Metaphern wenigstens in philosophischen, rechtsanthro­ pologischen und methodischen Grundzügen die Möglichkeiten eines ‚Rechtsmeta­ phorologie‘ genannten Forschungsprogramms zu umreißen, das zu weiteren Forschungen anstoßen soll. Die folgenden thesenförmigen Bemerkungen sollen also zwar vor allem die praktisch wesentlichen Wissenspositionen herausstellen, die sich im Verlauf der Untersuchung ergeben haben. Es gilt aber auch, einige offene Probleme aufzuzeigen, deren zukünftige Klärung zu erhoffen ist. I. Die Rechtswissenschaft gebraucht – ebenso wie die Gesetzgebung – laufend Metaphern. Dies geschieht nicht nebenbei, vermeidbar oder zufällig. Jedenfalls die allermeisten Begriffe, in denen Rechtswissenschaft existiert, sind zu erheblichen Anteilen ihrer Bedeutung metaphorisch konstituiert. Diese Erkenntnisse decken sich mit der Annahme, die in der Sprachwissenschaft und -philosophie allgemein und insbesondere für die Wissenschaft, auch die Naturwissenschaften, anerkannt ist, dass ein nicht-metaphorisches Denken, Kommunizieren und Wissen nicht möglich ist.2 II. In der Rechtswissenschaft wird dieser Umstand schon lange und auch in der Gegenwart noch ganz überwiegend ignoriert. Dies hat damit zu tun, dass sie, mit den Worten von Schlieffens ausgedrückt, „ihre Methodik und ihr Selbstbewusst 1

Castoriadis (1981 [1978]), S. 167. Vgl. Kohl, S. 132.

2

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sein in eine praktische, rhetorikkundige Kryptolehre, die vorwiegend mündlich und durch Imitation tradiert wird, und ein szientistisches, ideales Pseudoprogramm, das gelehrt und diskutiert, aber nicht angewendet wird“, spaltete.3 Denn was außerhalb der Rechtswissenschaften als Metapher bezeichnet wird, gilt als in Poesie oder Rhetorik beheimatetes Stilmittel ohne wissenschaftlichen Eigenwert. III. Dass Letzteres so ist, wird dadurch begünstigt, dass Sprachwissenschaft und -philosophie, die sich selbst erst seit einigen Jahrzehnten wieder verstärkt und auf hohem theoretischen Niveau mit dem Phänomen der Metapher auseinandersetzen, keinen auf die Bedürfnisse der Rechtswissenschaft zugeschnittenen Begriff der Metapher anbieten. Das Optimierungsgebot der Rechtssicherheit fordert den Gebrauch einer Rechtssprache, die mit einer möglichst übersichtlichen Anzahl klar definierter Worte/Begriffe auskommt, um die komplexen Lebens- und Interessenlagen schnell zu erfassen, zu deren Lösung das Recht dient. 1. Unter diesem Gesichtspunkt muss eine Vorstellung von „Metapher“ befremdlich wirken, in der diese etwas bereits Definiertes bloß „mit anderen Worten“ sagt – wie es zum Beispiel in der Lyrik oft der Fall ist. Dieser „deskriptiv“ genannte Fall der Metapher ist aber bei Weitem nicht ihr alleiniger Fall. Denn die Übertragung kann auch an einen Platz im Raum erfolgen, an dem noch nichts ist, was eine Metapher hier „präskriptiv“ nennen lässt. Es spricht viel dafür, dass jede neue „Idee“, also auch jede neue rechtswissenschaftliche Idee, eine präskriptive Metapher ist. Die genannten Typen der Metapher sind jedoch Idealtypen. Das heißt, es gibt – in juristisch bekannter Terminologie – typengemischte Metaphern, deren Beurteilung im Einzelnen problematisch ist. Das liegt vor allem daran, dass Metaphern ihrerseits übertragen werden können und in der Sprach- und Begriffsgeschichte vielfach wurden. Insbesondere können präskriptive Metaphern zur Beschreibung der Bedeutung institutionalisierter präskriptiver Metaphern und damit deskriptiv verwendet werden. Die entstehenden Metaphern wurden in dieser Untersuchung hochgradige Metaphern genannt. 2. Ein weiteres grundsätzliches Problem, das die Analyse der sprachwissenschaftlichen und -philosophischen wie der wenigen vorhandenen rechtswissenschaftlichen Literatur zur Metapher aufgewiesen hat, liegt in der schwierigen Definition ihres Begriffs. Wenn von „der Metapher“ die Rede ist, ist damit hauptsächlich ein prägnanter, idealtypisch auf ein Wort beschränkter sprachlicher Ausdruck gemeint. Betrachtet man diese Metapher im engeren Sinne jedoch unter dem Aspekt des den Ausdruck bedingenden Übertragungsprozesses, so steht sie im weiteren Sinne für ein kognitives Funktionsprinzip des Menschen, in dem sich ihr Begriff zu verflüchtigen droht.4

3

Schlieffen (2009), S. 1811. Vgl. zusätzlich Leiris, S. 14: „Allerdings weiß man nicht, wo die Metapher anfängt und wo sie aufhört. […, D]as ganze intellektuelle Leben beruht auf einem Spiel der Umsetzungen, […] das man als metaphorisch bezeichnen kann.“ 4

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3. Mit der Unterscheidung zwischen präskriptiven und deskriptiven Metaphern und der Metapher im engeren und im weiteren Sinne steht der Rechtswissenschaft ein hinreichend differenzierter Begriff der Metapher zur Verfügung, der sie sprechfähig in Bezug auf solche (präskriptiven) Metaphern (im engeren Sinne) macht, die ihren Erkenntnisgegenstand und ihre Erkenntnisweise prägen. IV. Die Notwendigkeit und Zweckmäßigkeit von Metaphern im Recht und für das Recht ist auf anthropologischer Basis zu erklären. 1. Der Mensch, auch wenn er Rechtswissenschaft betreibt, entnimmt den praktischen Erfahrungen seiner körperlichen Existenz konkrete Begriffe, die er zu abstrakten, an Sprache gebundenen Begriffen sublimiert.5 Dies ist die Leistung präskriptiver Metaphern. In ihrer Form werden die konkreten, ‚anschaulichen‘ Begriffe zu Vorbildern des gesamten ideellen Geisteslebens. Gemeinschaftlich kultiviert gewinnen sie ein soziales ‚Sein‘ als institutionelle Elemente zwischenmenschlicher Kommunikation, werden durch die Geschichte überliefert und mit der Geschichte modifiziert. Gegenüber ihren Anfängen gebräuchlich, abstrahiert und modifiziert können die Ursprünge irgendwann nicht mehr nachvollzogen werden. In der Folge können Metaphern auch nicht mehr als solche identifiziert werden. 2. Entgegen der bisher herrschenden Rechtswissenschaftstheorie, der solche nicht mehr erkennbaren Metaphern am liebsten sind, weil sie als unauffällige Nicht-mehr-Bilder6 ihr rationalistisches Wissenschaftsideal nicht stören, kommt subtil aktiven Metaphern, wie sie unter den rechtswissenschaftlichen Metaphern wohl den Regelfall darstellen, über ihren jeweiligen Inhalt hinaus ein Rechtswert zu. Dieser Wert hat vereinfacht gesagt damit zu tun, dass der Glaube an die praktische Problemlösungsfähigkeit des Rechts leichter fällt, wenn seine Begriffe mit lebensweltlichen Erfahrungen in Verbindung gebracht werden. Dies ist angesichts einer begrenzten Kognitionsfähigkeit des Menschen effizient grundsätzlich nur im unterschwelligen Bereich des Bewusstseins möglich. Die regelmäßig unterschwellig bleibende Verbindung mit objektiven Erfahrungswelten des Menschen dient schließlich einer Stabilisierung der ideellen Rechtswelt, die zur Rechts­sicherheit beiträgt.7

5

Vgl. Leiris, S. 14. Vgl. zum Spannungsverhältnis von Recht und real-visuellen, also nicht sprachlich vermittelten Bildern ausführlich Boehme-Neßler (2008), S. 271 ff. Dieses auch von K. F. Röhl erforschte Problemfeld wurde hier ausgeklammert, obwohl der Begriff des Bildes (z. B. Sprachbild, Leitbild)  verschiedentlich unvermeidlich war. Es wird davon ausgegangen, dass die Marginalisierung rechtswissenschaftlicher Metaphern stark durch das faktische Bilderverbot in der Rechtswissenschaft bedingt ist. Diese Studie zeigt dagegen gerade, dass rechtswissenschaftliche Metaphern vom Medium Bild unabhängig betrachtet werden können und müssen. 7 Vgl. Luhmann (1974), S. 13, wonach ein höherer Abstraktionsgrad zwar höhere Dispositionsfreiheiten bedeuten kann, für die aber „der Preis der Unverbindlichkeit“ bezahlt werden kann. 6

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3. Gutes Leben steht in dem Bemühen, in jedem Moment ein gerechtes Maß­ jeweils von Freiheit und Sicherheit zu finden. Freiheit ist eine Voraussetzung gesellschaftlicher Sicherheit, so wie gesellschaftliche Sicherheit eine Voraussetzung von Freiheit ist. Eine Gesellschaft ist umso demokratischer, desto mehr ihrer Mitglieder der gesellschaftlichen Sicherheit in ihrer konkreten Form möglichst frei zustimmen. Ein grundsätzliches Bewusstsein, dass gesetzgeberisch und dogmatisch konstruierte Rechtssicherheit das Ergebnis menschlicher Freiheit und nicht naturgesetzähnlicher Entwicklung ist, stellt dafür eine Voraussetzung dar. Nun besteht einerseits der begründete Verdacht, dass das Geistesleben des Menschen ganz wesentlich metaphorisch arbeitet, seine ideelle Welt metaphorisch verfasst ist. Andererseits ist der Grund der Auswahl/Vornahme einer Metapher durch „den Gesetzgeber“ bzw. „die Rechtswissenschaft“ nicht restlos rational erklärbar. Sie ist menschliche Schöpfung – insofern ist ein Blick auf Metaphern in der Poesie nicht falsch. Ein entsprechend informiertes grundsätzliches Bewusstsein, dass Rechtswissenschaft nicht zuletzt die Entwicklung von und Arbeit mit Metaphern ist, erhöht die Freiheit. Ansonsten droht eine Gesellschaft, die Metaphern in ihren Dienst stellt, zu einer Gesellschaft im Dienste von Metaphern zu mutieren.8 V. Das solchermaßen idealisierte Bewusstsein entwickelt sich anhand konkreter Beispiele, die einen wie auch immer gearteten Anlass geben, sie ins (volle) Bewusstsein zu heben und sich mit ihnen auseinanderzusetzen. Eine solche Beschäftigung kann auf einige methodologische Vorarbeiten aufbauen, aus denen ein gewisses Angebot methodischer und heuristischer Instrumente resultiert, das situationsspezifisch nach Bedarf (Erkenntnisgegenstand, -interesse und -ressourcen) angewendet, modifiziert und erweitert werden kann. Im Hinblick auf die theoretisch leitende Rechtsmethodik lässt sich die metaphorologische Analyse des Rechts als besondere Erweiterung der historischen und systematischen Auslegung verstehen. VI. Hier wurde das für eine Rechtswissenschaft, die dem Grundgesetz verpflichtet ist, prominenteste und hoffentlich noch lange aktuelle Beispiel der „Grundrechte“ gewählt, um einen Ausblick darauf zu unternehmen, was eine rechtswissenschaftliche Reflexion ihrer Metaphern zu leisten vermag. 1. Die Grundrechte konsequent als Metapher in Betracht zu ziehen, lässt schnell Aspekte aufweisen, die die als annähernd monopolistisch zu beurteilende ideengeschichtliche Betrachtungsweise der Grundrechte übersehen muss. So entgeht es ihr zum Beispiel, die „Grundrechte“ in der Bedeutung des Grundgesetzes, in der (historischen) Bedeutung als grundherrschaftliche Rechte und in der Bedeutung 8

In Abwandlung von Castoriadis (1984), S. 188, der über die den Begriff der „Entfremdung“ begründende Verselbstständigung von Institutionen schreibt: „was ‚zunächst‘ wie ein Ensemble von Institutionen im Dienste der Gesellschaft aussah, wird zu einer Gesellschaft im Dienste von Institutionen.“

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als Grundrechte von Staaten in einem genealogischen Zusammenhang zu betrachten, für den historisch einiges spricht. Vertiefende Arbeiten müssten sicher ins­ besondere die tatsächliche Verbreitung des Terminus „Grundrechte“ im Zusammenhang mit Rechten an Grund und Boden kritisch prüfen.9 2. Als Nebenprodukt hat sich ergeben, dass die in der Grundrechtsliteratur genannten Daten zum erstmaligen Auftauchen der Terminologie „Grundrechte“ (und ihrer französischen bzw. englischen Entsprechungen) aktualisiert werden müssen. 3. Nur über das „Scharnier“ der Metapher lässt sich weiter dezidiert die Verbindung des Rechtsbegriffs mit denjenigen Lebenswirklichkeiten erfassen, aus deren Erfahrung heraus er sich ursprünglich übertragungsweise gebildet hatte. Es steht als Regel zu vermuten, dass Veränderungen der Lebenswirklichkeit im Quell­ bereich die mit ihnen verbundenen Rechtsbegriffe umso weniger unbeeinflusst lassen, desto bewusster ein Rechtsbegriff als Metapher wahrgenommen wird. Welche Funktion die bewusste Rekonstruktion dieser Verbindung haben kann, wurde am Beispiel eines genderbezogenen Anrisses gezeigt. 4. Dass sich das vielleicht größte Potenzial einer methodischen Rechtsmetaphorologie im Vergleich unterschiedlicher struktureller Metaphorologien entfalten dürfte, wurde bereits im Kontext der besprochenen Vorarbeiten des Öfteren erwähnt und hat sich bei der Betrachtung der Grundrechte in ihrer dogmatischen Aufbereitung mit konkurrierenden Begriffen und ihren Systemen bestätigt. Hier hat sich die Metaphorologie als ertragreiche Querschnittskompetenz zum Verständnis und zur Kritik von Ideologie gezeigt: für eine Zeitgeschichte des Rechts (Grundrechtstheorie in der DDR) ebenso wie für die Rechtsvergleichung (französische libertés publiques), zur Erhellung gegenwartsdogmatischer Kontroversen (Schutzbereich oder Gewährleistungsgehalt) ebenso wie zur Bewertung rechtstheoretischer Alternativterminologien. Bezüglich der weiteren inhaltlichen Ergebnisse des Versuchs, zu einer Metaphorologie der Grundrechte anzusetzen, darf an dieser Stelle aufgrund ihres vorläufigen, vertiefter Studien bedürftigen Charakters verzichtet werden. In Zukunft zunehmend interessant dürften metaphorologische Vergleiche mit Rechtssystemen sein, die geschichtlich und geopolitisch weiter entfernt von der bundesrepublikanischen Tradition als die postkolonialen Mächte in Europa, Nordamerika und Australien stehen, jedoch ihr mehr oder weniger unverständiges politisches Engagement wecken: vor allem Chinas und Russlands.

9 Es wurden erstaunlicherweise keine den verhältnismäßig umfangreichen Nachweisen im Grimmschen Wörterbuch entsprechende Hinweise in historischen Rechts- oder Staatswörter­ büchern gefunden. Diese Konstellation könnte darauf hinweisen, dass lediglich umgangssprachlich/untechnisch von Grundrechten gesprochen wurde. Sollten die vorhandenen Nachweise allerdings auf einen nur höchst vereinzelten Sprachgebrauch zurückzuführen sein, bliebe für die Entstehungsgeschichte der Grundrechte die Vermutung einer (nachträglichen) Als-Ob-Metapher.

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VII. Abschließend möchte ich auf eine Frage zurückkommen, die mich während der Arbeit immer wieder bewegt hat und die an verschiedenen Stellen der Erörterung aufscheinen sollte. Es ist die Frage, ob die Ignoranz der Metapher im Recht insbesondere und darüber hinaus nicht eine wichtige Funktion haben könnte, ob nicht die Metaphorologie zu einer Destabilisierung historisch begründeter Ordnungsmuster in unerwünschten Ausmaßen führt oder an solcher teilhat. Es ist eine zweischneidige Perspektive, die sich ihrem hiesigen Entwurf entsprechend eröffnet: Deutlich geworden ist, dass diese Rechtsmetaphorologie in gewissem Maße auf Deinstitutionalisierung, Derigidierung, Destabilisierung zielt. Aber zugleich kann sie neue, zusätzliche Weisen der historischen Begründung ermöglichen, die auch, falls sie aufgrund ihres reflexiven Bewusstseins nicht selbst als Gründungsmythos zu klassifizieren sein mögen, einem solchen legitimatorisch doch zumindest adäquat sein könnten.

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Personen- und Sachverzeichnis Ableitung  125, 128, 133, 135, 194, 223, 237, 316 –– metaphorische 83 Absolutismus  223, 249, 256, 259 Abstraktion  23, 74, 90, 93, 99, 102, 127, 186, 198, 207, 254, 336 –– abstrakte Erkenntnis ohne  43 –– abstraktes Denken  70 abtreten 94 Ähnlichkeit  36, 43, 70, 171, 179, 224 Alexy, Robert  78, 114 Alltäglichkeit  22, 72 als ob  49, 52, 53, 115, 130, 140 Analogie  34 ff., 44 ff., 61, 70, 96 f., 101, 127 ff., 146, 162, 182, 238, 254 –– rechtliche 36 –– -verbot im Strafrecht  36 Analyse  66, 68, 76, 84, 177, 181, 186, 188, 191, 194 f., 198, 202, 208, 217, 270 Angemessenheit  32, 36, 39, 43, 46, 142, 148, 179, 197, 199, 206, 239, 245, 324 anglo-amerikanische Ansätze  71, 88 Angriffs- und Verteidigungsmittel  78 Anschaulichkeit  33, 40, 46, 47, 52, 94, 102, 113, 123, 140, 141, 142, 210 Anspruch  24, 135 Anthropologie  32, 41, 46, 49, 52, 56, 60, 68, 118, 121, 143, 163, 167, 177, 196, 201, 271, 303 –– Kultur- 185 –– philosophische  58, 73, 84, 189 Arbitrarität/(Un-)Willkürlichkeit  52, 60 ff., 136, 151 ff., 178 Architektur/Architektonik  92, 169, 219, 251, 256, 262 ff., 270 ff., 289 –– der Rede 272 –– der Vernunft  125 –– der Vernünftigkeit des Staates  125 –– des Rechtsstaates 272 –– Netzwerk- 332 –– Verfassungs- 289

Arendt, Hannah  27, 69, 87, 148, 185 Aristoteles  26, 30 f., 51, 60, 68, 78, 86, 106, 115, 123, 152, 205 Assoziation  127, 179, 180, 183, 205, 229 Ästhetik  18, 54, 169, 170 f., 254, 289 –– aristotelische 142 –– des Rechts  92, 169, 172 –– zweiten Grades  176 Auffälligkeit  24 f., 148, 165, 272, 324, 336 Aufklärung  23, 29, 156 f., 162, 165 f., 172 f., 176, 188, 192, 255, 261, 351, 358, 368 Ausdrücklichkeit  64 f., 141, 195, 197 –– Un-  98, 113 Auslegung  18, 187, 209 ff., 292, 337 –– genetische  213, 215 –– historische  213, 215 Ausstrahlungswirkung  281, 292, 319 Autonomie  159, 165, 167, 194, 201, 216, 245 autopoiesis  107, 109 Baer, Susanne  21, 110 ff., 116, 121, 197, 198, 200 Bau 266 –– Arbeit am  261 –– -arbeiter 201 –– Auf-  201, 203, 221 f., 229, 243, 256, 282, 305, 307 ff. –– -elemente 322 –– -herr  201, 307 ff. –– -hütten 263 –– -meister  256, 264, 268, 307 –– -tätigkeit 275 –– -werk  83, 326 BauGB –– § 1  111 –– § 34  79 Baumgarten, Alexander Gottlieb  174 f., 254 Bedeutung –– Quell- 229 –– -swandel 153 –– uneigentliche 30

Personen- und Sachverzeichnis –– ursprüngliche  24 f., 100, 130, 175, 181, 184, 228 begreifen  24, 27, 102, 133 Begriff  27, 46, 47, 54 f., 63, 75, 102, 120, 152, 186, 191, 207, 230 –– Grenz- 223 –– im strengen Sinne  77 –– im weiteren Sinne  77 –– in Abrenzung zur Metapher  102 –– Rechts- 110 –– -sgeschichte  29, 56, 88, 177, 208, 222, 293 –– -sjurisprudenz 97 –– theoretischer 28 –– Übergang von der Metapher zum  65 –– überlagerter 179 –– übertragener 179 –– Vor-  100, 104 –– Vorfeld seiner Bildung  57 Bereich  260, 270 –– Bildspende- 186 –– Kern-  175, 314 –– Quell-  78, 107, 193, 219, 244, 270, 327, 338 –– Ziel-  78, 80, 108, 205, 244 –– Zuständigkeits- 148 Beständigkeit  121, 136, 138, 157, 192, 198, 202, 263, 330 Bestandskraft  136, 202 Bestimmtheit 177 –– Un-  59, 99, 132 Bevölkerung  250, 252 ff., 270 Bewusstsein  21, 33, 57, 61, 94, 120, 131, 166, 192, 194, 216, 233, 290, 337, 338 –– Rechts- 21 BGB  134, 216, 271 –– § 812  28 –– § 905  278 Biese, Alfred  26, 133 Bild(er)  5, 17 f., 21, 24, 26 f., 41 f., 47 f., 64 f., 68, 70, 89, 94, 106 f., 111 ff., 148 f., 180 ff., 271, 336 –– -feindlichkeit 21 –– -lichkeit  28, 82, 90 ff., 115, 127, 180 ff., 291 –– -sprache  95 ff. –– überstrapazieren 182 –– -verbot 336 Bindung  263, 280, 318, 329

373

Blumenberg, Hans  17, 20, 29, 54, 71, 72, 77, 84, 103, 115 f., 121, 126, 137, 144, 147, 150 f., 161, 165, 171, 177, 182, 189, 191, 194, 217, 229 Boehme-Neßler, Volker  8, 122, 325 f., 336 Bürger/Bürgertum  158, 168, 173, 197, 199, 211, 218, 223, 226, 228, 231, 245, 251 f., 257 f., 264 ff., 279, 284, 289, 294, 316, 331 f. Castoriadis, Cornelius  120, 146, 157, 166, 191, 194, 201, 207, 334, 337 DDR  202, 234, 284, 294, 295, 301, 302, 338 Deinstitutionalisierung  320, 339 Dekonstruktion/Dekonstruktivismus 117, 155, 166, 180, 210 f. Demokratie  168, 210, 211, 331 f. Derigidierung  178, 320, 339 Derrida, Jacques  147, 155, 156, 180 Descartes, René  45, 55, 58, 151, 175 Destabilisierung 339 Detaillierung und Verdichtung  180 ff., 193, 205, 327, 332 Dialektik  37, 39, 119 –– von Metaphorik und Begrifflichkeit  104 Didaktik  86, 149 Di Fabio, Udo  21, 154, 178, 279, 331 différance 155 Dogmatisierung 110 droits fondamentaux  219, 227, 231, 237, 248, 310 Dynamik  61, 63, 150, 215, 271, 274, 290, 301, 323, 326 Eigengeschichte  201, 215, 222 Eigenraum  201, 203 Eigentlichkeit/das (Un-)Eigentliche  17, 24, 28, 56, 60, 132, 152, 190 Eigentum  246, 257 –– geistiges 261 Eigenzeit  201, 203 Eindeutigkeit 102 Eingriff  7, 24, 79, 182, 291, 314 EMRK –– Art. 6  62, 147 Endlichkeit 62 –– Un- 59

374

Personen- und Sachverzeichnis

Engels, Friedrich  119 Engisch, Karl  19, 22, 95 ff., 116, 148 Entfremdung  46, 102, 103, 104, 119, 133, 166, 203, 208, 337 Entgrenzung  274, 327, 330 Enthymem  40, 42, 44 Entlastung  165, 194, 199 Entzauberung 23 Erfahrung  74, 205, 336 Erkenntnis  206, 245 –– -fähigkeit 32 Erlöschen  94, 134 f. Essentialisierung  85, 159, 200, 224 Etymologie  24, 25, 67, 133, 187, 205 Europäische Union  203 EUV –– Art. 3  112 –– Art. 5  148 Figur  105, 127 –– pragmatische 105 Fiktion(en)  52 ff., 96, 140, 210, 341 Foucault, Michel  22, 28, 186, 207, 214, 234, 245, 250, 252 f., 267, 268 Fragment 321 –– -ierung  184, 321 Frames  73, 74, 75, 201, 206 –– alternative 76 –– Deep Seated  76 –– Surface 76 Freiheit  21 ff., 51, 54, 58 f., 62 f., 85, 88, 103, 119, 121, 132, 134, 142, 149, 154, 158, 161, 165, 168, 259, 337 –– -en  233, 235, 239, 243, 260, 285 f., 288, 304, 306, 311 ff. –– Muskelspiel der  63, 88, 121, 144 Freimaurerei  254 ff. Freud, Sigmund  73, 158, 167 Fundament  81, 205, 256, 260, 263, 271, 273, 278, 282, 284, 299, 326 fundamental laws/rights  219, 221, 226 ff., 231 f. Gebäude  125, 205, 230, 251, 265, 270, 274, 284, 293 –– Staats- 282 –– Theorien sind  81 Gebiet 259

Gefahren der Metapher  20, 97, 149, 184, 189, 191 Gefäß/-metapher  83, 288, 315 Geheimnis/Geheimnishaftigkeit  1, 169, 255, 267 f., 277, 332, Gehirn 75 Gehlen, Arnold  26, 32, 58, 61, 73, 103, 105, 116, 121, 126, 140, 157, 161, 165, 185, 189, 229 Geltung  199, 203, 206, 208 Gender  71, 150, 208, 275, 331, 338 Genealogie  22, 56, 74, 178, 187, 192 f., 219, 238, 270, 338 Gerichtsrede  38, 45 Geschichte  22, 66, 158, 163, 168, 207, 208, 336 –– Gesellschafts- 182 Geschichtlichkeit  102, 120, 153 Gesellschaft  46, 124, 157, 162, 181, 183, 191, 195, 201, 225, 257, 258, 259, 337 –– als Metapher  180 Gesellschaftsvertrag  54, 143, 225, 228 Gesetzgeber  210, 212, 337 Gesichtssinn  52, 93 Gestalt  75, 82 Gewährleistungsgehalt  318, 338 Gewohnheit  22, 81, 122, 131, 194, 201 GG –– Art. 1  26, 168, 169, 217, 275, 277, 280, 283, 289, 317, 318, 329 –– Art. 2  317 –– Art. 3  275, 329 –– Art. 6  329 –– Art. 10  273 –– Art. 12  318 –– Art. 12a  329 –– Art. 14  260 –– Art. 18  273 –– Art. 19 Abs. 4  148 –– Art. 20  279, 329 –– Art. 20a  110 –– Art. 24  148 –– Art. 29  329 –– Art. 38  168 –– Art. 44  273 –– Präambel 278 Gierke, Otto von  94, 108, 191 Glaubhaftigkeit  43, 52, 201, 202

Personen- und Sachverzeichnis Glaubwürdigkeit  20, 39 Gleichheit  224, 226, 248, 252, 254 f., 258, 264 Globalisierung  183, 322 Gott  178, 192, 247, 252, 262, 264, 278 f., 332 Gouvernementalität 252 gradueller Prozess bzw. gleitende Skala  24 f., 62, 100 f., 140 f., 186, 195 Grenzüberschreitung  79, 151, 332 f. Grimm, Dieter  26, 88, 136, 215 Grimm, Jacob  89 ff., 116 Grund  52, 201, 219, 221, 234, 239, 243, 256, 270, 273 f., 277, 305, 312 –– § 812 BGB  28 –– -lage(n) 257, 278 ff., 289 f., 299 f., 303 f., 319 –– -norm 229 –– -pflichten  284 ff., 297, 305 Grundeigentum  234, 250, 255, 260 Grundgesetz  199, 203, 217, 220 ff., 224 f., 229 f., 240, 277, 282, 286, 337 –– Reichs- 282 –– Staats- 282 Grundherrschaft/Grundherrlichkeit 219, 225, 233 ff., 245, 249 ff., 257, 270, 272, 279, 337 Grundrechte  203, 205, 208, 217, 219 f., 222, 229, 231, 236, 239, 256, 260 f., 266, 270, 274, 276, 282, 288, 311, 314, 337 f. –– als grundherrschaftliche Rechte  234, 337 –– der Staaten  236, 338 Grundrechtsinhalt 315 Gründungsmythos  150, 202, 222, 268, 339 Grundvertrag  226, 239 Habermas, Jürgen  18, 78, 114, 225, 245, 249, 251 ff., 255, 258, 267, 272 Haft, Fritjof  17, 105 f., 116 Hassemer, Winfried  98 ff., 104, 116, 153 Hauriou, Maurice  137 f., 156, 196, 197, 200 Hegel, Georg Wilhelm Friedrich  18, 24, 27, 125 Heidegger, Martin  102, 111, 150 hermeneutischer Zirkel  104 Herr 258 Heteronomie  166, 167 Hierarchie  155, 247, 257, 262, 321

375

–– Bedeutungs- 224 –– Nicht- 333 –– Normen-  228, 313 –– -sierung  206, 312 Hintergrundfunktion 21 Hintergrundmetaphorik  20, 65, 67, 192, 204, 230, 271 historische Konfrontation  67, 294 historische Längsschnitte  66, 207, 245 historische Querschnitte  66, 68, 207, 245 Historisierung  17, 22, 54, 66 Hoffmann-Riem, Wolfgang  212, 317 ff. Ideengeschichte  218, 226, 237, 337 idées directrices  196 Ideologie  30, 76, 190, 191, 194, 294, 300 –– -kritik  76, 184, 188 ff., Ignoranz  19, 21, 190, 339 Imaginäres  21, 147, 157 ff., 167, 177, 191, 193, 204 –– aktuales 160 –– gesellschaftliches  157, 162 f., –– radikales  160, 164 Imagination  21, 43, 61, 72, 196 implikatives Modell  65 Inferenz 83 Inhalte 23 Institution(en)  60, 62 f., 112, 127, 136 ff., 156 f., 161 ff., 173, 191, 194 ff., 206 ff., 214 ff., 252, 332, 337 –– als geronnener Geist  141 –– Commenwealth by  143 –– Makro-  195, 197 –– Meta- 146 –– Mikro-  141, 195, 200, 206 –– und Metaphern Institutionalisierung  65, 140 f., 145 f., 156 f., 166, 173, 185, 191, 196, 198, 202, 206 f., 215, 221, 226, 258, 274, 298, 320, 339 Institutionelle Mechanismen  140 f., 144, 146, 194 ff., 206, 276, 330 Institutionelle Tatsachen  28 Ipsen, Jörn  18, 219, 315, 317 Irrationalität  21, 103, 143 Jhering, Rudolf von  98, 119, 159 Johnson, Mark  27, 71 ff., 87, 126, 129, 175, 189, 194, 201, 229

376

Personen- und Sachverzeichnis

Kahl, Wolfgang  317 Kant, Immanuel  27, 29, 46, 58, 64, 68, 70 f., 85, 87, 88, 106, 116, 123, 125, 158, 172, 201, 259 Katachrese  26, 44 katalysatorische Sphäre  56 Kaufmann, Arthur  102 ff., 116, 126 Kausalität  96, 148 Kern 84 –– -bereich  175, 314 –– -gehalt 203 Kiesow, Rainer Maria  46, 147, 162, 271 Klarheit  32, 39, 45, 56 Kluge, Alexander  124 ff. Kognition  23, 72, 74 Kohärenz  77, 80, 82 f., 192, 229, 277 –– kulturelle 84 Kohl, Katrin  24, 31, 72, 150, 154, 184, 203 Kolorit 67 Komplexität  73, 82 f. Konkurrenz  181, 192 Konsistenz  82, 277 Kontingenz  100, 145, 152, 178, 192, 194 Kontrastfärbung  67, 224, 294, 296 Konventionalisierung  24 f. Konzeptsystem 72 Körper 184 –– -schaft  94, 111, 192, 200 Koselleck, Reinhart  172 f., 245, 248, 252 ff., 267 Kreativität  52, 88, 111, 119, 121, 126, 139, 142, 150, 158, 164, 179, 190 Kritik  21 f., 66, 168, 178, 188, 192 Kuhn, Thomas S.  20, 169 Kultur  52, 75, 84, 142, 145, 154, 159, 166, 168, 188, 195, 196, 207, 214 –– -wesen 136 Kunst/Künste 31 Lakoff, George  71 ff., 87, 126, 128, 189, 194, 201, 229 Landschaft  181, 183 Lebenswelt  104, 169 Lebenswirklichkeit 338 leere Problemstelle  229 leges fundamentales  219, 220, 221, 222, 224, 225, 237, 255, 256

Legitimation  23, 192, 195, 202, 262, 339 –– -sglaube  20, 91, 141, 145, 332 Legitimität  20, 21, 122, 142 Leitbild(er)  110 ff., 183, 197, 218, 332, 336 Leitdifferenzierungen/-differenzen 192, 198, 260, 288 Leitfunktion der Sprache  66 Leitmetapher/-metaphorik  191, 193, 206, 218 Leitvorstellung(en) 65 –– mechanische 67 –– organische 67 Leviathan  144, 203, 253 Lexikalisierung  25, 81 libertés publiques  228, 294, 310, 338 Linguistik, kognitive  28 f., 55, 76 Lobenstein-Reichmann, Anja  18, 78, 185 ff., 199 Logos  60, 150, 155, 166 lois fondamentales  220 Lüdemann, Susanne  53, 120, 127, 138, 143, 144, 145, 146, 158, 160, 164, 189 ff., 199 Luhmann, Niklas  137, 152, 225, 245, 246, 247, 249, 250, 252, 257, 268, 291, 336 Macht  21, 22, 80, 87, 118, 122, 139, 144 f., 192, 194, 196 f., 206, 215, 250 Magma 164 Makro-Konzept  77, 82, 204 Mängelwesen  59, 60 Mapping  74, 204, 206 Markt  166, 249, 257 –– -wirtschaft 250 Marx, Karl  158, 173, 230, 273, 294, 297 f. Materialismus  134, 159, 162, 174 Materialistische Rechtsauffassung  119 Menschenrechte  217, 218, 237, 242, 286, 288, 294 Menschenwürde  275, 278, 280, 292, 316 Metapher(n) –– absolute  26, 55 ff., –– alle philosophischen Termini als  69 –– Als-Ob-  25, 287 f., 338 –– auffällige  24, 146, 148, 165, 336 –– ausdrückliche  67, 100 f., 204 –– Basis-  74, 224, 280

Personen- und Sachverzeichnis –– deskriptive  25 ff., 44, 51, 71, 82, 106 f., 133, 146, 152, 188, 336 –– ersten Grades  151, 180, 270, 288 –– erster Ordnung  74, 206 –– im engeren Sinne  52 f., 54, 89, 117, 127, 132 f., 146, 165, 191, 335 f. –– im weiteren Sinne  132, 165, 335 f. –– initiale  180, 182 ff. –– isolierte  77, 84 –– katachretische 44 –– komplexe 74 –– konstitutive  19 f., 26 –– konventionalisierte  24 f., 141, 180, 282 –– konventionelle  28, 100, 119 –– konzeptuelle  77 f., 114 –– nachträgliche  25, 287, 338 –– nicht ausdrückliche  65, 67 –– nominative  25 f., 28, 44 –– notwendige  26, 114 f., 178 –– ontologische  78 f., 85, 120, 206, 324 –– orientationale  79 f., 206, 278 –– Orientierungs-  79, 250 –– präskriptive  25 ff., 44, 46, 51 f., 58, 71, 81, 86 f., 106, 117, 123, 134 f., 146, 152, 162, 174, 178 ff., 194, 199 f., 204, 206, 335 f. –– primary metaphor  74 –– strukturelle 78 –– systematische  77, 271 –– tote  24 f., 52, 65, 81 f., 88, 94, 145, 191, 244 f., 319 –– uneinheitlicher Begriff  116 –– unsystematische 77 –– ursprüngliche  25 f., 99, 148, –– usualisierte  24, 28, 82, 91, 134, 146, 200, 206, 219, 245, 315 –– verblasste  24 f., 100 f., 189 –– -welten 229 –– wiederbelebte  25, 127 –– Willkürlichkeit der  52 –– zweiten Grades  146, 180, 325 Metaphorik 205 Metaphorologie  29, 169, 174 –– Hilfsdisziplin der Philosophie  68 –– historische 55 –– methodische  17, 30, 180 –– strukturelle  17, 30, 181, 204, 206, 338 Mikro-Konzept  77, 204

377

Möllers, Christoph  22, 117, 209 Moral  60, 74, 98, 115 Mythos  166, 230, 239 –– Gründungs-  150, 202, 222, 268, 339 Nachahmung  31, 46, 99 Naturalismus 85 Naturrecht 122 Naturwissenschaft(en)  19 f., 23, 37, 45, 55, 108, 110, 170, 254, 297, 301, 330 Negt, Oskar  124 ff., 274 Netzwerk/Vernetzung  82, 111, 181, 184, 201, 205, 208, 274, 295, 319 ff., 324 ff. Nichtfestgestelltsein  161, 164, 197 Nietzsche, Friedrich  59, 119, 132, 185 Objektivismus  87, 189, 200 Objektivität 61 Öffentlichkeit  173, 253, 255, 268, 272 Ökonomie  62, 87, 165, 194 Ontologisierung 30 Ordnung  71, 99, 122, 123, 136, 139, 144, 192, 198, 202, 207, 230, 247 –– auf Dauer gestellte  136 –– Rechts- 223 Organisation  140, 195, 199, 206, 208 Organismus  48, 107, 109, 189, 192, 271 Orientierung  62, 64, 71, 79, 123, 140, 198, 224 Ornament 34 –– juristischer Sprache  19 Paradigma 169 Personifikation  79, 139, 200 –– juristische 96 Phantasie  61, 93, 127, 129, 133, 163 –– -wesen 160 Philosophie  204, 267, 271 –– Rechts- 30 Piraterie 261 Platon 31 Plessner, Helmuth  75, 128 Poesie  31, 46, 89, 127, 162, 337 Poetik  26, 30, 33 f., 43, 56, 89 Polizei  251, 269 Poscher, Ralf  82, 271, 315 Positivismus  19, 55, 87 pragmatisch  64, 66, 68

378

Personen- und Sachverzeichnis

Präzision/Exaktheit  101, 151 Problemstelle, leere  67, 203, 206 Projektion 64 Protention  65, 171, 205, 207 Pyramide 281 Quellbereich  78, 107, 186, 193, 205, 208, 219, 244, 270, 327, 338 Radbruch, Gustav  169, 211, 271 Rationalisierung  21, 23, 169 Rationalismus  32, 72, 76, 103, 161 f., 175, 336 Rationalität  59, 61 f., 114, 155, 207, 253, 322, 337 –– alternative  43, 175 –– -sideal 18 –– technische 103 Raum  83, 124, 184, 187 –– -bezogenheit des Denkens  93 –– Eigen- 202 –– Freiheits- 115 –– -metaphern 80 –– metaphorischer  203, 224 –– Rechts- 203 Recht 79 –– als geronnene Politik  136 –– als Kampf  78 –– als Meta-Institution  146 –– -sverletzung 79 –– -swirkung 96 –– und law  187 Rechtsgeschichte 186 Rechtssicherheit 336 Rechtsvergleichung  153, 260, 338 Rechtsverletzung  22, 24 Rechtswissenschaft  7 f., 62, 86, 101, 112, 115, 117, 168, 177, 190, 193, 209, 276, 336 –– Grenzen der Leistungsfähigkeit  23 –– Wissenschaftlichkeit der  21, 23 Rechtzeitigkeit  121, 147 ff. Rehberg, Karl-Siegbert  136, 139, 141, 143, 195, 198, 200 f., 295 reine Vernunft  29, 51, 73 Rekonstruktion  22, 30 Religion  79, 163 Ressource 261

Revolution 298 Rhetorik  17 f., 21, 26, 30, 32 f., 37, 58, 60, 62 f., 66, 72, 87, 105, 113, 123, 144, 165, 191, 335 Röhl, Klaus F.  25, 88, 322, 336 Rottleuthner, Hubert  107 ff., 116 Sachlichkeit  18, 19, 23 Sarasin, Philipp  22 Saussure, Ferdinand de  151, 156 Savigny, Friedrich Carl von  209, 213 Schlieffen, Katharina von  19, 40, 334 Schlussverfahren  37 f., 41 ff., 142, 175 –– metaphorische Folgerung  61 Schmid, Carlo  283 Schmitt, Carl  138, 215, 223, 260, 274 Schranke(n) 7, 186, 291 ff., 312 –– Eisenbahn- 292 –– -schranken 292 –– verfassungsimmanente 293 Schulze, Carola  8, 279, 288, 297, 303, 305 f. Schutzbereich  7, 203, 291, 314, 319 Schutzgut 315 Sein und Sollen  51 semantische Satelliten  107 Sichtbares 70 Sichtbarkeit 140 Sinnenwelt  27, 69, 84, 94 Sinnlichkeit  47, 61, 64, 69, 72, 75, 79, 87, 90, 92, 95, 172, 173, 174, 233, 264 Sinnstreckung  99, 100, 101, 153 Sonne  224, 230, 248, 250, 280, 281, 292 Sophistik 38 Souverän/Souveränität  144, 149, 203, 220, 223 ff., 229 f., 236, 238 f., 245 ff., 250 ff., 258 f., 267 ff., 279, 330 f. Sozialadäquanz 19 Sphäre  259, 270, 281, 314 Sprachbilder 97 Sprache  166, 204, 209 –– Abbildtheorie 151 –– des Denkens  27 –– topologisches Modell  35 –– Vergegenständlichung 151 Staat  48, 61, 138 f., 200, 202, 209, 214, 220, 224, 235, 237, 243, 247 f., 250, 253 f., 258, 259, 264, 267, 322 –– Transformations- 303

Personen- und Sachverzeichnis Staatsräson  253, 268 Stabilisierung  138 f., 146, 184, 195, 202, 270 Steinhauer, Fabian  19, 25, 53, 89 Stil  19, 106 –– des Rechts  92 Stolleis, Michael  89, 188, 199, 281, 296, 302 f., 321, 329, 331 Stratifikation 252 Stufenbau der Rechtsordnung  113 Subjekt  161, 225, 258 Subjektivität  188, 245 Suggestion  140, 142, 146, 200, 202 f., 206, 224 Syllogismus  40, 43 Symbol  29, 46, 48, 51, 58, 61, 102, 132, 140, 151, 196, 207 Symbolisches  160, 162 Synonym 26 Systemtheorie  109, 137 Taiwan   78 Tatbestand 28 Taureck, Bernhard H. F.  26, 41, 103, 178, 320 Teil, unbenutzter  81 Terminologisierung  65, 191, 228 Theorie  124, 170 Triepel, Heinrich  92, 116, 172 Tropus  26, 132 Übersichtlichkeit 330 Übersinnliches  46, 51, 64, 94, 121 Übertragung  22, 25, 34, 57, 61, 70, 77, 94, 100, 107, 126, 153, 175, 180, 187, 205, 270, 275 Überzeugung  21, 33, 37, 39 Ubiquität der Metapher  71 Umlaufgeltung 130 Unantastbarkeit  26, 282 Unbegrifflichkeit  57, 64, 161, 166 Unsichtbares  69, 70, 123 Unterbewusstsein  64 f., 71, 73, 94, 100, 123, 131, 134, 157, 166 f., 178, 183 f., 207, 213 –– kulturelles 188 unterwerfen 79 Unvereinbarkeit, vordergründige  65

379

Ursprünglichkeit 22 Urteil –– Abgrenzung zur Metapher  61 –– ästhetisches 92 –– Urteilskraft 48 Usualisierung  24, 28, 135, 191, 200 Usualität 80 Vaihinger, Hans  52, 68, 140 Vec, Miloš  236 Venedey, Jacob  218, 240, 243, 265 Verantwortung  21, 62, 74, 163, 167 Verborgenheit  20, 22, 31, 39, 95, 189 Verdrängung 148 Verfassung  24 ff., 209, 220, 225, 229, 243, 283 f., 286 f. Verflüssigung 184 Vergleich  22, 39, 42, 83, 100, 108, 179, 193, 207 Verhältnismäßigkeitsprinzip 142 Verkörperung  139 f., 222, 256 Verselbstständigung  56, 157, 163, 203, 224 Vertrag  189, 192 Vertragstheorie 149 Vertrauen  122, 170, 171 –– analogisches  135, 203 –– rechtlich geschütztes  136 Vertrauenswürdigkeit 121 Vertrautheit 213 Verwaltungsprozess 78 Verwaltungsrechtswissenschaft 110 Volk  91, 168, 210, 214, 224 f., 227, 241, 247, 258, 279, 283, 290, 330 Völkerrecht 258 Volksgeist  213, 215 Vorbild/Vorbildlichkeit  71, 122, 141 f. Vorparlament  218, 240, 244, 261, 265 VwVfG –– §§ 43 ff.  136 Wahrheit  32, 43, 58 ff., 62, 147, 155, 166, 190, 230 –– absoluter Metaphern  64 –– provisorische 59 Wahrnehmungsmuster 72 Wahrscheinlichkeit  31, 43, 114, 122 Weber, Max  20, 23, 91, 122, 141

380

Personen- und Sachverzeichnis

Weimarer Reichsverfassung  277 Weiterfresserschaden 113 Wirtschaft  225, 249 Wissenschaft(en)  18 ff., 28 f., 37 f., 44 ff., 55, 58 ff., 94, 117, 120, 125, 158, 169 ff., 184, 190 ff., 208, 271, 275, 297 ff., 324 –– Geistes-  20, 108 –– Geschichts-  5, 207 –– Kognitions-  73 ff., 116, 130 –– Kultur-  74, 92, 112, 209, 216, 274 –– Neuro-  73, 126, 153 –– Politik-  136 f., 196 –– Sozial-  110, 180, 297 –– Sprach-  17, 29 f., 74, 113, –– -sgeschichte  68, 116, 317 –– -stheorie  69, 91, 168, 322

Wortfeld 98 Wortschatzlücke  26, 27 WRV  273, 283, 289 Zeitökonomie  62, 147 Zielbereich  78, 80, 108, 193, 205, 244 Zivilprozess 78 ZPO –– § 25 78 –– § 61 78 –– §§ 64 ff.  78 –– §§ 68, 96, 146, 282  78 –– § 253 78 –– § 276 38 Zweckmäßigkeit  49, 50, 83, 86, 230, 336 Zwischenwelt  61, 132, 163