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German Pages 500 Year 1996
RÜDIGER KRAUSE
Rechtskrafterstreckung im kollektiven Arbeitsrecht
Schriften zum Sozial- und Arbeitsrecht Band 143
Rechtskrafterstreckung im kollektiven Arbeitsrecht Ein Beitrag zur Lehre parteiübergreifender Entscheidungswirkungen sowie zum kollektiven Rechtsschutz im Arbeitsrecht
Von Rüdiger Krause
Duncker & Humblot · Berlin
Die Deutsche Bibliothek- CIP-Einheitsaufnahme Krause, Rüdiger: Rechtskrafterstreckung im kollektiven Arbeitsrecht : ein Beitrag zur Lehre parteiübergreifender Entscheidungswirkungen sowie zum kollektiven Rechtsschutz im Arbeitsrecht I von Rüdiger Krause. - Berlin : Duncker und Humblot, 1996 (Schriften zum Sozial- und Arbeitsrecht ; Bd. 143) Zugl.: Göttingen, Univ., Diss., 1994 ISBN 3-428-08529-9 NE: GT
Alle Rechte vorbehalten © 1996 Duncker & Humblot GmbH, Berlin Fremddatenübernahme und Druck: Berliner Buchdruckerei Union GmbH, Berlin Printed in Germany ISSN 0582-0227 ISBN 3-428-08529-9 Gedruckt auf alterungsbeständigem (säurefreiem) Papier entsprechend ISO 9706 @
Meinen Eltern
Vorwort Fragen der Rechtskrafterstreckung im kollektiven Arbeitsrecht gehören seit einigen Jahren zu den meistdiskutierten Problemen des arbeitsgerichtliehen Verfahrens. Ihre Erörterung weist jedoch weit über dieses Rechtsgebiet hinaus und berührt in vielfältiger Weise sowohl das Zivilprozeßrecht als auch das materielle Arbeitsrecht. Ein derartiges Thema stellt eine ebenso reizvolle wie schwierige Aufgabe dar, will man die in den angesprochenen Rechtsbereichen häufig weitgehend unabhängig voneinander stattfindenden Entwicklungen gleichermaßen aufnehmen und ein stimmiges Gesamtkonzept entwerfen. Die vorliegende Studie möchte hierzu einen Beitrag leisten. Zugleich setzt sie sich mit der Lehre parteiübergreifender Entscheidungswirkungen sowie der Problematik des kollektiven Rechtsschutzes im Arbeitsrecht auseinander. Die Arbeit hat der Juristischen Fakultät der Georg-August-Universität zu Göttingen im Sommersemester 1994 als Dissertation vorgelegen. Sie ist für die Drucklegung an einigen Stellen geringfügig überarbeitet worden. Außerdem wurden Rechtsprechung und Schrifttum bis Ende Juli 1995 systematisch ausgewertet und vor allem in den Fußnoten berücksichtigt. Meinem Doktorvater, Herrn Prof. Dr. Hansjörg Otto, möchte ich an dieser Stelle meinen herzlichen Dank für seine kontinuierliche Förderung und Begleitung meines Werdeganges von der studentischen Hilfskraft bis zum wissenschaftlichen Assistenten aussprechen. Neben der stets reichlichen Gelegenheit zu selbständiger Arbeit hatte die Atmosphäre an seinem Lehrstuhl, die gleichermaßen von einem wahrhaft wissenschaftlichen Erkenntnisstreben wie von herzlicher Anteilnahme am Wohlergehen der Mitarbeiter geprägt ist, einen kaum zu überschätzenden Anteil am Entstehen dieses Werkes. Herrn Prof. Dr. Renekel danke ich für die zügige Erstattung des Zweitgutachtens und eine Reihe wichtiger Hinweise zu prozessualen Fragen. Hervorheben möchte ich, daß er mir freundlicherweise die Gelegenheit zur Einsichtnahme in seine Dissertation gegeben hat. Mein besonderer Dank gilt meiner lieben Frau Birgit, die nicht nur die Entbehrungen eines langen Schaffens geduldig mitgetragen und mir die erforderliche Aufmunterung gegeben, sondern auch noch neben ihrer Berufstätigkeit die Mühen des Korrekturlesens auf sich genommen hat. Mit tiefer Dankbarkeit möchte ich meine Eltern erwähnen, die mir durch ihre langjährige, aufopferungsvolle Unterstützung einen Lebensweg ermöglicht haben,
Vorwort
8
der ihnen selbst nicht offenstand. llmen widme ich deshalb die vorliegende Untersuchung. Schließlich danke ich dem Arbeitskreis Wirtschaft und Recht im Stifterverband für die Deutsche Wissenschaft, der die Publikation durch einen Druckkostenzuschuß gefördert hat, sowie dem Verlag Duncker & Humblot für die Aufnahme der Arbeit in seine Schriftenreihe zum Sozial- und Arbeitsrecht. Göttingen, im August 1995
Rüdiger Krause
Inhaltsübersicht
Erster Teil
Einführung §I
Problemstellung
§2
Instrumentarium der Bindung Dritter
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Zweiter Teil
Einfachgesetzliche Ausgangslage für die erweiterte Maßgeblichkeil gerichtlicher Entscheidungen in kollektivrechtlichen Streitigkeiten
77
§3
Positive Anordnungen einer erweiterten Bindungswirkung
§4
Generalisierende Lehren zur Problematik ungeschriebener Drittbindungen
§5
Zur Rechtskrafterstreckung kraft Repräsentation durch die Verbände oder den Betriebsrat !54 00
§6
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Verfahrensrechtliche Besonderheiten des arbeitsgerichtliehen Beschlußverfahrens als Zurechnungsfaktoren 175 0
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§7
Rechtskrafterstreckung auf Grund materiellrechtlicher Wertungen
§8
Ergebnisse des zweiten Teils
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Dritter Teil
Verfassungsrechtliche Vorgaben für parteiübergreifende Entscheidungswirkungen
§9
Anspruch auf Gewährung rechtlichen Gehörs ....
§ 10 Grundsatz des effektiven Rechtsschutzes § 11 Ergebnisse des dritten Teils
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Inhaltsübersicht Vierter Teil
Die erweiterte Bindungswirkung gerichtlicher Entscheidungen in ausgewählten Bereichen des kollektiven Arbeitsrechts
267
§ 12 Tarifvertrags- und Koalitionsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 267 § 13 Arbeitskampf- und Schlichtungsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 344
§ 14 Betriebsverfassungsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 372
Fünfter Teil
Zusammenfassung und Schlußbetrachtung
463
§ 15 Zusammenfassung der wesentlichen Ergebnisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 463 § 16 Schlußbetrachtung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 469
Literaturverzeichnis
471
Sachverzeichnis
494
Inhaltsverzeichnis
Erster Teil 23
Einführung
§ 1 Problemstellung .
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I. Problemaufriß . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
II. Abgrenzung der Thematik ..
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III. Gang der Untersuchung . ... .
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§ 2 Instrumentarium der Bindung Dritter ....
I. Vorgreifliehkeil .
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23 23 27 29
31 31
II. Bindungswirkung kraft materiellrechtlichen Sinnzusammenhanges . . . . . . . . . .
33
III. Formen der Maßgeblichkeil . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
34
1. Bindung kraft materiellen Rechts
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a) Tatbestandswirkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
36
aa) Begriffsklärung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
36
bb) Formale Bestimmung der subjektiven Reichweite einer Tatbestandswirkung
38
cc) Bedeutung für die Betroffenen . . . ....
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b) Gestaltungswirkung .
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aa) Grundfragen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
40
bb) Subjektiver Umfang der Gestaltungswirkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
43
cc) Bedeutung der Gestaltungswirkung . . .
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c) Zur Normwirkung gerichtlicher Entscheidungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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d) Privatautonome Verknüpfungen . ..
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Inhaltsübersicht 2. Bindung kraft prozessualen Rechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
50
a) Inhalt der materiellen Rechtskraft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
50
b) Gesichtspunkte bei der Bestimmung der subjektiven Reichweite der Rechtskraftwirkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
51
c) Bedeutung der Rechtskraftwirkung .. . . . .. . . . .. .. . . . .. . .. .. . . . . . . .. . . . .
52
3. "Drittwirkung" der Rechtskraft . . . . . . .. . . . . . . . . . . . .. . . . . . . . .. . . . . . . . .. . . . .
53
a) Herkömmliche Lehren von der "Drittwirkung" als weiterer Entscheidungswirkung . . . . . . . . .. .. . . . . . . . . .. . . . . . . . . . . .. . . . .. . . . . .. . . . . . .. . . . . .
54
b) Neuere Ansätze in Rechtsprechung und Schrifttum . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
57
aa) Die "präjudizielle Bindungswirkung" in der arbeitsgerichtliehen Rechtsprechung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
57
bb) Drittbindung qua "Hinnahme" des durch die Vorentscheidung geprägten Rechtsverhältnisses . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
59
cc) Materiellrechtlicher Einwendungsverlust . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
63
dd) Materiell-rechtliche Reflexwirkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
64
ee) Bindung durch Vemeinung materiellrechtlicher Zurechenbarkeit .
66
4. Austauschbarkeit der Bindungsformen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
69
a) Grundsatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
69
b) Grenzen .. .. .. .. . .. .. .. .. . .. .. .. . .. .. . .. .. .. .. .. .. .. . .. .. .. .. .. . . . .. ..
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5. Ergebnis . . . .. .. . . . .. . . . . . . .. . . . . . . .. .. . . .. . . . . . .. . . . .. . . . .. . . . . . . . . . . . . .. .
76
Zweiter Teil
Einfachgesetzliche Ausgangslage f'tir die erweiterte Maßgeblichkeit gerichtlicher Entscheidungen in kollektivrechtlichen Streitigkeiten
77
§ 3 Positive Anordnungen einer erweiterten Bindungswirkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
79
I. Gestaltungswirkungen . . . . . . . . . .. . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . .. . .. . . . . .. . . . . . . . .. .. .
80
I. Anfechtung von Betriebsratswahlen .. .. .. .. . .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .
80
a) Konstitutiver Charakter der stattgebenden gerichtlichen Entscheidung .
81
b) Folgen für die Arbeitnehmer
82
c) Grundlagen der Zurechnung
83
2. Auflösung des Betriebsrats . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
89
3. Vorgehen gegen ermessensfehlerhafte Sprüche der Einigungsstelle . . . . . . . .
90
Inhaltsübersicht
13
a) Vorliegen einer Gestaltungsentscheidung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
91
aa) Stand der Rechtsprechung.......... . ..................... . .. .. .. .
91
bb) Auffassungen in der Lehre . ... .. . .. . . ... ... . . ... .. ..... :. . . . .. . . .
92
cc) Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . .. . . . . . . .. .. . . . . . . . . . . . . . .. . .. . . . . . . . .
94
b) Folgen für die Arbeitnehmer . . . . .. .. . . .. . . . . . .. .. .. . . . . . . . . . . . . .. . . . . .
96
c) Zurechnungsgrundlagen.................... .. .........................
97
II. Rechtskraftwirkungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
98
I. Geltung und Inhalt von Tarifverträgen . .. . . . . . . . . . . . . .. . . .. . . . . . . . . . . . . . . .
98
a) Auslegung des § 9 TVG als Rechtskrafterstreckungsvorschrift . . . . . . . .
99
aa) Herrschende Auffassung . . . . . . . . . .. . . . . . . . . .. . . . . . . . . . . .. . . . . . .. .
99
bb) Abweichende Stimmen im Schrifttum . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
99
cc) Semantische Interpretation .. . ... . . . .. . . .... . ........... .... . . . ·. . . 100 dd) Entstehungsgeschichte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 101 ee) Ablehnung einer materiellrechtlichen Bindung kraft Normwirkung der Entscheidung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 103 ff) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 105
b) Grundzüge der Regelung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 106 aa) Parteien des Vorprozesses . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. .. . . . . . . . . . . . . . . 106 bb) Gegenstand des vorherigen Rechtsstreits . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 107 (I) Rekurs auf das "Innenverhältnis" der Tarifparteien . . . . . . . . . . 108
(2) Feststellung von Drittrechtsverhältnissen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 111 (3) Normsetzungsbefugnis als Verfahrensgegenstand . . . . . . . . . . . . 116 (4) Klärung der Normsituation als Inhalt des Verfahrens . . . . . . . . . 116 (5) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 119 cc) Gebundener Personenkreis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 120 c) Grundlagen der Zurechnung .. . . . . . . . . . . . . . .. .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. . . . 121 2. Feststellung der Tariffähigkeit oder Tarifzuständigkeit einer Vereinigung . . 125 3. Entscheidungen im Betriebsabgrenzungsverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 127 § 4 Generalisierende Lehren zur Problematik ungeschriebener Drittbindungen . . . . . . . 128 I. Zum Bestehen einer Sperrwirkung gegenüber ungeschriebenen Drittwirkungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 129 I. Meinungsspektrum . . . . . . . . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . .. . .. . . . . . . . .. .. . . . . . . .. . . . . 129
a) Restriktive Auffassungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. . . . . . 130 b) Gegner einer Sperrwirkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 132
14
Inhaltsübersicht 2. Zum Vorhandensein einer strikten Negativregelung
134
a) Aussagegehalt von § 325 ZPO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 134 b) Schlußfolgerungen aus den§§ 148, 149 ZPO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 137 c) Normativerinhalt von§ 97 Abs. 5 ArbGG .. . .. .. . .. .. .. . .. .. .. .. .. .. . 137 d) Rückschlüsse aus § 9 TVG sowie dem Fehlen einer entsprechenden betriebsverfassungsrechtlichen Regelung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 138 e) Zwischenergebnis . . .. . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . .. . . . .. . . .. . . .. . . .. . . . . . . . . . 140 3. Zum Bestehen einer Sperrwirkung für die Herausbildung allgemeiner Grundsätze . . . .. . . .. . . . . . . . .. . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . .. . . . .. . . . . .. . . . . . .. . . . . . 140 4. Ergebnis........... .. .. .... .................... .. ................. ...... .. 144 II. Zum Bestehen umfassender Drittbindungen.... .. .......... . ......... .. ... . . . 144 I. Aussagegehalt der Rechtskraftlehren . .. . . .. . .. . . . .. . . .. . . . . . .. . . . . . . . . . . . . 144
2. Lehre von der absoluten Wirkung der relativen Feststellung . . . . . . . . . . . . . . . 148 3. Auffassungen über eine einseitige Rechtskraftwirkung gegenüber Dritten . 151 III. Ergebnis.......... .. ...... . ..................... . .. .. ...... . .......... . ... .. . 154
§ 5 Zur Rechtskrafterstreckung kraft Repräsentation durch die Verbände oder den Betriebsrat . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 154 I. Bindung durch Prozeßstandschaft........ .. ..... . .......... .. ......... . ...... 155
I. Gesetzliche Prozeßstandschaft . . .. . . .. .. .. . . . . .. .. . . . .. . .. .. . . . . . . .. . . . .. . 155
a) Allgemeine Grundlagen.. . .. .. .......... .. ... .. .. ... .......... .. .. . .. . 155 b) Stellung der Tarifvertragsparteien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 156 aa) Individuelle Rechte als Streitgegenstand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 156 bb) Kollektivrechtliche Fragen als Gegenstand des Verfahrens. . ... . .. 157 c) Stellung der Arbeitskampfparteien . . . .. . . . .. .. . . . .. . . .. . . . . . . . .. . . .. . . 163 d) Stellung des Betriebsrats . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 165 aa) Durchsetzung von Individualansprüchen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 165 bb) Geltendmachung kollektiver Rechte. . ... . .... ....... . ... . . . . . . . . . 167 e) Zwischenergebnis.. .. ....................................... . ......... 171 2. Gewillkürte Prozeßstandschaft .. . . .. . . .. . . . . .. . . . . .. . . . .. . . . . .. .. . . . . .. . . . 171 II. Zur Bindung kraft Repräsentation als allgemeiner Zurechnungsgrundsatz . . . . 173 III. Ergebnis ... . ...... .. .. .. .. . . ............... .. ...... : . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 174
Inhaltsübersicht §6
15
Verfahrensrechtliche Besonderheiten des arbeitsgerichtliehen Beschlußverfahrens als Zurechnungsfaktoren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 175 I. Bedeutung des Untersuchungsgrundsatzes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 175 Il. Bindungswirkung kraft Beteiligung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 178 III. Verfahrensrechtliche Eigenheiten des § 97 ArbGG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 182 IV. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 184
§ 7 Rechtskrafterstreckung auf Grund materiellrechtlicher Wertungen . . . . . . . . . . . . . . . . 184
I. Herkömmliche Auffassungen über materiellrechtlich determinierte Rechtskraftausdehnungen . . . .. . . . . . . . . . . .. . . . . . .. . . . . . . . .. . . .. .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 185 1. Rechtskrafterstreckung bei besonderer "gesetzlicher" Verknüpfung von Rechtsverhältnissen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 186 2. Rechtskrafterstreckung auf Grund materiellrechtlicher Dispositionsbefugnisse .................. .. ................... ... .. .. ................ .. ... . . . 188 a) Rechtsgebietsübergreifende literarische Ansätze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 189 b) Rezeption im Arbeitsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 191 c) Restriktive Ansichten . . .. . . . .. . .. .. .. . . . . . . . .. .. . .. .. . . . .. . . . . . . . .. .. . 192 II. Allgemeine Grundsätze zur Rechtskrafterstreckung kraft materiellrechtlicher Vorgaben .. . . .. . . . .. . . . . . . . .. . . . . . . .. . . .. .. .. .. . .. . . .. . . . . . .. . . .. . . .. . . . .. .. . 198 1. Ermittlung der maßgebenden Kriterien für ungeschriebene Drittbindungen
198
a) Bedeutung der Rechtskraftwirkung für die Parteien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 198 b) Bedeutung der grundsätzlich fehlenden Bindung im Verhältnis zu Dritten ............ . .. . .. . . . ... . . . . ..... . .... . .. . .. ........... . ............ 199 c) Folgerungen für die Rechtfertigung ungeschriebener Drittbindungen . . 201 2. Konkretisierung der Kriterien . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. . . . .. . . . . . . .. . . . 202 a) Gesteigertes Erfordernis nach Rechtssicherheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 202 aa) Statusentscheidungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 206 bb) Sonstige vorgreifliehe Rechtsverhältnisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 207 b) Erhöhte Richtigkeitsgewähr der Erstentscheidung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 207 c) Rechtfertigung der Begrenzung dauerhaft eigenständigen Rechtsschutzes . ... ............ . ..................... . ... . .. .... ........... . .. . .. . . 209 aa) Gemeinsames Interesse an feststehenden Daten für das Arbeitsverhältnis . .. . . . . .. . . .. . . .. .. .. . . . . . . . . . . . . .. .. . . .. . . . .. . . . .. . .. . . 211 bb) Unterworfenheit unter fremde Dispositionsmacht . . . . . . . . . . . . . . . . 212
16
Inhaltsübersicht cc) Eingebundenheit des Rechts in einen kollektiven Zusammenhang 214 (1) Fallgruppen außerhalb des Arbeitsrechts............. . ....... 216 (a) Familien- und Erbrecht....... . .................. . ... . .. . 216 (b) Zwangsvollstreckungsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. .. .. .. 217 (c) Konkursrecht ................ .. ......................... 218 (d) Gesellschaftsrecht....................................... 218 (e) Zwischenergebnis ......... . ..... ... ............ .. ....... 220 (2) Übertragung auf arbeitsrechtliche Strukturen . . . . . . . . . . . . . . . . 220 (a) Bestehen eines Bezugssytems .. .. .. .. .. .. .. .. . . . .. .. .. .. 220 (b) Das Fehlen "eigener Rechte" als Wertungsfaktor . . . . . . . . 222 (c) Funktionsbedingungen des Bezugssystems . . . . . . . . . . . . . . 222 (d) Grenzen der Bindung Dritter .. .. .. .. .. .. .. .. .. . . . .. .. .. . 225 3. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 226
§ 8
Ergebnisse des zweiten Teils .. .. .. .. .. .. .. . .. .. . .. .. .. . .. .. .. .. . .. .. .. .. .. .. .. .. . 226
Dritter Teil Verfassungsrechtliche Vorgaben für parteiübergreifende Entscheidungswirkungen
§9
227
Anspruch auf Gewährung rechtlichen Gehörs . . . . . . . . .. .. . . . . . .. . .. .. .. . . . . . . . . . . 227 I. Einordnung der Problematik . . .. .. . . .. . . . . . .. . .. . .. . . .. . . . .. . . .. . .. .. .. .. .. . . 228 II. Grundsätzliche Einbeziehung "materiell Beteiligter" . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 230 III. Personelle Reichweite des Anspruchs auf rechtliches Gehör . . . . . . . . . . . . . . . . . 233 1. Aussagen des Bundesverfassungsgerichts . . . .. . . . .. . . .. . . . . . . .. . . . . . . . . . . . 233
2. Konkretisierungen im Schrifttum . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 237 a) Bestimmung der erforderlichen Drittposition . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 237 b) Erfordernis der Unmittelbarkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 243 3. Zusammenfassende Würdigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 246 a) Unbeachtliche Gesichtspunkte ........................................ 246 b) Rechtlich relevante Wertungsaspekte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 247 aa) Materiellrechtliche Unterworfenheil des Dritten . . . . . . . . . . . . . . . . . . 247
Inhaltsübersicht
17
bb) Sonstige Fallkonstellationen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 248 (I) Eingeschränkte Betroffenheit des Dritten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 248
(2) Notwendigkeit umfassender Drittbindung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 250 (3) Mittelbare Gewährung rechtlichen Gehörs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 252 IV. Zum Bestehen eines Analogieverbotes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 255 § 10 Grundsatz des effektiven Rechtsschutzes . . . .. .. . . . . . .. . . .. . . .. . . .. . . . .. . . . . .. .. .. 258 I. Einordnung der Problematik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 258
II. Zum Erfordernis einer "normativen" Grundlage für eine Bindung Dritter . . . . 261 III. Zum Grundsatz der Gewährung "vollständigen" Rechtsschutzes . . . . . . . . . . . . . 262 IV. Zum Verbot der "Entwertung" des materiellen Rechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 264 § II Ergebnisse des dritten Teils . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 265
Vierter Teil Die erweiterte Bindungswirkung gerichtlicher Entscheidungen in ausgewählten Bereichen des kollektiven Arbeitsrechts
267
§ 12 Tarifvertrags- und Koalitionsrecht .. . . . .. . . .. . . .. . .. . . . . . . .. .. . . . .. .. . . .. .. . .. .. . 267 I. Rechtsstreitigkeiten auf tarifvertraglicher Grundlage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 267
1. Randbereiche der Bindung im Hinblick auf den Vorprozeß . . . . . . . . . . . . . . . . 268 a) Parteien des Vorprozesses . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 268 aa) Besonderheiten auf der Seite der Tarifvertragsparteien . . . . . . . . . . . 268 (1) Mehrgliedrige Tarifverträge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 268
(2) Veränderungen in der Rechtsstellung der Tarifparteien . . . . . . . 271 bb) Beteiligung Dritter am Vorprozeß . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 274 (1) Rechtsstreitigkeiten mit Mitgliedern des gegnerischen Verbandes ... .. ................ ... . . .. . . ................. . .. . ... 277 (a) Aussagen der Rechtsprechung . .. .. .. . . . . . . .. . . .. . . .. .. . . 277 (b) Ansichten im Schrifttum . . .. . . . . . . .. . . . . . . .. . .. . . . .. .. . . 279 (c) Stellungnahme . . . . . . . . .. . . . . .. . . . .. .. . . .. . . . . . . . . . .. . .. . 279 (2) Rechtsstreitigkeiten mit einem ehemaligen Mitglied . . . . . . . . . 283 (3) Verfahren mit sonstigen Parteien . . . . . .. . .. . . . .. . . . . . . . .. . . .. 284 2 Krause
18
Inhaltsübersicht b) Streitgegenstand des Vorprozesses . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 284 aa) Tarifverträge im Nachwirkungsstadium . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 285 bb) Weitergeltung nach§ 613a BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 288 (1) Betriebsübergang nach einem Kollektivverfahren . . . . . . . . . . . . 288 (2) Durchführung eines Kollektivverfahrens nach einem Betriebsübergang . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 289 cc) Schuldrechtliche Bestimmungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 290 (1) Problemstellung und Meinungsstand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 290
(2) Schuldrechtliche Regelungen der Arbeitsbedingungen . . . . . . . 292 (3) Durchführungs- bzw. Einwirkungspflicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 295 dd) Rechtsstreitigkeiten mit Außenseitern/ Allgemeinverbindlicherklärung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 300 (1) Außenseiter als Partei des Vorprozesses . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 300 (2) Streitigkeiten über die Allgemeinverbindlicherklärung . . . . . . . 303 2. Grenzbereiche der Maßgeblichkeit im Folgeverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 307 a) Objektiver Umfang der Bindung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 307 b) Personelle Reichweite der Rechtskraftwirkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 307 aa) Maßgeblicher Zeitpunkt für die Tarifgebundenheit . . . . . . . . . . . . . . . 308 bb) Bindung von Außenseitern . ............ . ......... . ........... . .. . 310 (1) Grundsätzliche Erstreckung der Wirkung des § 9 TVG bei Bezugnahmeklauseln . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 311 (2) Inhaltliche Anforderungen an die Bezugnahmeklausel . . . . . . . 314 (3) Erfordernis der Tarifgebundenheit einer Partei . . . . . . . . . . . . . . . 315 (4) Ergebnis . . .. .. .. . ... . .. . .......... . .. . .............. . ... . ... 316 cc) Mehrgliedrige Tarifverträge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 317 dd) Bindung sonstiger Dritter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 319 (1) Betriebsrat und Einigungsstelle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 319
(2) Außenstehende Personen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 323 II. Statusentscheidungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 324 I. Grundsätzliche Rechtskrafterstreckung bei Feststellung der Tariffähigkeit oder Tarifzuständigkeit einer Vereinigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 324 a) Analoge Anwendung des § 9 TVG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 325 b) Anwendung der allgemeinen Grundsätze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 326 c) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 330 2. Sachlicher Anwendungsbereich des Verfahrens nach§ 97 ArbGG . . ... . ... 331 a) Eigenschaften von Arbeitnehmervereinigungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 331
Inhaltsübersicht
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b) Umstände auf Arbeitgeberseite . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 335 aa) Tariffähigkeit einer Einzelperson . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 335 bb) Feststellung der Verbandsmitgliedschaft.. . . ....... . . .. . . . . . .... .. 339 cc) Satzungskonforme Organisiertheit des Arbeitgebers . . . . . . . . . . . . . . 343 3. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 344 § 13 Arbeitskampf- und Schlichtungsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 344
I. Tarifvertragliche Streitigkeiten und Statusverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 345 II. Rechtswidrigkeit von Arbeitskämpfen ........... . ... . . . ............... .... .. 347
I. Gesamtbeurteilung eines Arbeitskampfes . . . .. .. .. . . . . . . .. . . .. .. .. . . .. . .. . 347 a) Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 348 b) Feststellung der Rechtswidrigkeit eines Arbeitskampfes . . . . . . . . . . . . . . . 351 c) Subjektive Reichweite der Bindungswirkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 353 d) Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 357 2. Sonstige Fallgruppen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 357 a) Einzelne Kampfmaßnahmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 357 b) Geltendmachung von Mitgliederrechten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 359 III. Rechtsstreitigkeiten im "Vorfeld" eines Arbeitskampfes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 360
I. Vorbeugende Unterlassungsklage und Feststellung der ,,Normsituation" . . . 360 2. Klärung der rechtlichen Zulässigkeil von Tarifforderungen . . . . . . . . . . . . . . . . 362 IV. Arbeitskampfbedingte Nichtbeschäftigung von Arbeitnehmern . . . . . . . . . . . . . . 367 V. Besonderheiten des Schlichtungsrechts . . .. . . . . . .. . .. . . .. . . . .. . .. .. .. . . .. .. . . 369
I. Verbandliehe Schlichtung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 369 2. Staatliche Schlichtung . . . . . . . .. .. . .. . .. . . . .. .. . . . . . . .. . .. .. . .. .. . . . . .. .. . . 371 § 14 Betriebsverfassungsrecht .. .. .. . . . .. . . . . .. . . . . . . . .. .. .. . . . . .. .. . . . .. .. . . .. . . . . . . .. 372
I. Organisationsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 373
I. Statusentscheidungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 373 a) Betriebseigenschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 373 aa) Grundsätzliche Erweiterung der Bindungswirkung . . . . . . . . . . . . . . . 374 bb) Einzelfragen ............. . . . ..... .. . .. .. .. .. ...... ....... . ..... .. 377 b) Tendenzeigenschaft eines Unternehmens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 380 2*
20
Inhaltsübersicht c) Arbeitgebereigenschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 381 d) Status von Arbeitnehmern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 382 2. Anfechtung und Nichtigkeit von Betriebsratswahlen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 383 a) Erklärung der Ungültigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 383 b) Feststellung der Nichtigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 384 c) Zurückweisung von Anträgen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 386 3. Betriebsverfassungsrechtliche Voraussetzungen individualrechtlicher Ansprüche gemäߧ 37 BetrVG ..... . ...... . ... . ... . ....... . ............ . ... . 387 a) Ausgangslage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 387 b) Erstreckung der Rechtskraft auf nicht beteiligte Betriebsratsmitglieder
388
c) Entscheidungen über die Geeignetheit von Schulungs- und Bildungsveranstaltungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 389 4. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 393 ll. Mitwirkungsrechte des Betriebsrats . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 393 1. Betriebsvereinbarungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 393
a) Grundsatz der Rechtskrafterstreckung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 394 aa) Meinungsstand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 394 bb) Grundlagen der Drittbindung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 396 b) Einzelfragen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 400 aa) Anforderungen an das vorhergehende Beschlußverfahren . . . . . . . . . 400 (1 ) Beteiligte des kollektiven Rechtsstreits . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 400
(a) Grundsatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 400 (b) Gewerkschaftliches Vorgehen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 402 (aa) Meinungsspektrum zum Rechtsschutz der Verbände 403 (bb) Maßgebliche Unterscheidungskriterien . . . . . . . . . . . . 405 (cc) Zutreffende Verfahrensart...... .. ... . ..... . ........ 405 (dd) Antragsbefugnis . . . . . .. . . .. .. . .. .. . .. . .. . . . . .. . . .. . 406 (ee) Wirksamkeit der Betriebsvereinbarung als Verfahrensgegenstand . . . .. . . . . . .. . . . . .. . . . .. . .. . . . . . . . . . . 406 (ft) Unterlassungsanspruch als Gegenstand des Rechts-
streits . . .. . . . .. . . . .. . . . . . . . .. . . . . . . . . . .. . . . . . . . . . . . 408
(gg) Verfahren gegen den Betriebsrat nach § 23 Abs. 1 BetrVG ... . .. . ............ . ... .. . . . . . . .. . .... .. .. . . 408 (hh) Berechtigung eines zusätzlichen Urteilsverfahrens 409
Inhaltsübersicht
21
(2) Gegenstand des Beschlußverfahrens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 410 (a) Klärung der Regelungsbefugnis vor Abschluß einer Betriebsvereinbarung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 410 (b) Betriebsvereinbarungen im Nachwirkungsstadium . . . . . . 412 (c) Weitergeltung nach§ 613a BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 412 (aa) Beschlußverfahren vor einem Betriebsübergang . . . 413 (bb) Beschlußverfahren nach einem Betriebsübergang . . 414 (cc) Besonderheiten bei einem Teilbetriebsübergang . ... 416 (d) Durchführungsanspruch als Verfahrensgegenstand . . . . . . . 417 bb) Reichweite der Maßgeblichkeil im nachfolgenden Urteilsverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 419 (1) Gebundener Personenkreis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 419
(2) Umfang der Bindung in objektiver Hinsicht
422
(a) Auslegung von Betriebsvereinbarungen . . . . . . . . . . . . . . . . . 422 (b) Bestehen von Betriebsvereinbarungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 423 (c) Billigkeitskontrolle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 424 (aa) Kontrollmaßstäbe im Urteilsverfahren . . . . . . . . . . . . . 425 (bb) Kontrollmaßstäbe im Beschlußverfahren . . . . . . . . . . . 427 (d) Bestandsschutz nach ablösenden Betriebsvereinbarungen bzw. nach der Kündigung von Betriebsvereinbarungen . . 428 (e) Besonderheiten im Rahmen der betrieblichen Altersversorgung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 434 2. Regelungsabreden/Interessenausgleich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 437 3. Einigungsstellensprüche . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 439 4. Bestehen von Mitbestimmungsrechten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 443 a) Mitbestimmung als Wirksamkeitsvoraussetzung (§ 87 BetrVG) . . . . . . . 443 aa) Meinungsstand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 444 bb) Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 445 (1) Grundsatz der erweiterten Bindungswirkung.......... . .. .. .. 445 (a) Keine Analogie zu § 9 TVG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 445 (b) Herleitung der Rechtskrafterstreckung aus allgemeinen Grundsätzen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 446 (2) Einzelfragen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 447 (a) Präzisierung der Vorgreifliehkeil in objektiver Hinsicht. . 447 (b) Drittwirkung bei Anerkennung eines allgemeinen Unterlassungsanspruchs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 449 (c) Einzelfälle im Rahmen des § 87 Abs. 1 BetrVG . . . . . . . . . 450
22
Inhaltsübersicht b) Sanktionen bei der Verletzung betriebsverfassungsrechtlicher Pflichten (§§ lllff. BetrVG) .............................................. .... .. 451 aa) Grundsatz der Rechtskrafterstreckung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 452 bb) Einzelprobleme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 456 5. Besondere Verfahrensarten ...................... .. .. .. ............. . .. . . . 458 a) Sanktionsverfahren gemäߧ 23 Abs. 3 BetrVG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 458 b) Bestellungsverfahren nach § 98 ArbGG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 461
Fünfter Teil
Zusammenfassung und Schlußbetrachtung
463
§ 15 Zusammenfassung der wesentlichen Ergebnisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 463 I. Grundsätze für parteiüberschreitende Wirkungen gerichtlicher Entscheidungen ........................ .. .................... . .. . . .. ............. .. ... . .. 463
li. Grundsätze zu erweiterten Bindungswirkungen bei kollektivarbeitsrechtlichen Streitigkeiten . . . . . . . . . .. .. . . .. .. . .. .. . .. . .. .. . . . .. . . . .. . .. .. .. . . . .. . . . . 465 1. Allgemeines . . . .. . . . . . . . . .. .. . . . . .. . . . .. . . . . .. . . . . . .. . .. . . . . .. . . . . . . . .. . . . 465
2. Tarifvertrags- und Koalitionsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 465 3. Arbeitskampf- und Schlichtungsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 466 4. Betriebsverfassungsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 467 § 16 Schlußbetrachtung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 469
Literaturverzeichnis
471
Sachverzeichnis
494
Hinsichtlich der Abkürzungen wird auf Hildebert Kirchner, Abkürzungsverzeichnis der Rechtssprache, 4. Aufl., Berlin, New York, 1993, verwiesen.
Erster Teil
Einführung
§ 1 Problemstellung I. Problemaufriß
Die Bedeutung arbeitsgerichtlicher Beschlüsse in betriebsverfassungsrechtlichen Angelegenheiten für die Individualvertragsparteien zählt seit einigen Jahren zu den meistdiskutierten Problemen an der Schnittstelle zwischen Arbeitsrecht und Verfahrensrecht 1 Wenngleich die Tendenz der Rechtsprechung, Bindungswirkungen in einem über den unmittelbaren Wortlaut der einschlägigen Normen hinausgehenden Maße zu bejahen, 2 im Schrifttum überwiegend auf Zustimmung stößt,3 kann doch nicht übersehen werden, daß es an einem umfassenden systematischen Ausloten von Grund und Grenzen derartiger Entscheidungswirkungen bislang fehlt. Nun zeigt bereits eine erste Annäherung an diese Thematik, daß eine isolierte Betrachtung betriebsverfassungsrechtlicher Fallgestaltungen nur einen begrenzten Erkenntnisgewinn verheißt. Die Möglichkeiten, Vergleiche zu ähnlichen Konstellationen aus sonstigen Bereichen des kollektiven Arbeitsrechts zu ziehen, sind derart zahlreich, daß ihre Einbeziehung ratsam erscheint. Darüber hinaus ermöglicht erst eine Schau, die sich gleichermaßen dem Tarif- und Arbeitskampfrecht wie dem Betriebsverfassungsrecht zuwendet, einerseits das Herausarbeiten von Wertungen, die den engeren Bereich des betrieblichen Geschehens wie auch des arbeitsgerichtliehen Beschlußverfahrens übersteigen. Andererseits wird auf diesem Wege in stärt Den Ausgangspunkt der Diskussion bildet das Urteil des BAG vom 10. 11. 1987, AP Nr. 15 zu§ 113 BetrVG 1972. 2 Vgl. die weiteren Entscheidungen des BAG, Urt. v. 9. 4. 1991, AP Nr. 8 zu§ 18 BetrVG 1972, und Urt. v. 17. 2. 1992, AP Nr. 1 zu§ 84 ArbGG 1979. J Siehe Hess, in: Hess!Schlochauer/Glaubitz, BetrVG, § 111 Rdnr. 84; Kreutz, GKBetrVG, § 18 Rdnr. 63; Klebe, in: Däubler!Kittner/Klebe/Schneider, BetrVG, Einl. Rdnr. 179; Däubler, in: Däubler/Kittner/Klebe/Schneider, BetrVG, § 111 Rdnr. 137; Wieser, Arbeitsgerichtsverfahren, Rdnr. 627-629; Leipold, Anm. zu BAG, AP Nr. 15 zu § 113 BetrVG 1972; Dütz/Rotter, Anm. zu BAG, EzA § 18 BetrVG 1972 Nr. 7; Rieble, Anm. zu BAG, EzA § 112 BetrVG 1972 Nr. 59; derselbe, Anm. zu BAG, EzA § 99 BetrVG 1972 Nr. 122 (unter II 2); Otto, RdA 1989, 247, 250ff.; Dütz, FS Gnade (1992), 487, 490ff.; Konzen, FS Zeuner (1994), 401,413 ff. Im Erg. ähnlich Prütting, RdA 1991, 257, 266/267; v. HoyningenHuene, RdA 1992, 355,364. Abl. Jox, NZA 1990,424,425 ff.
24
1. Teil: Einführung
kerem Maße einer unterschiedlichen und damit widersprüchlichen Beurteilung vergleichbarer Fallgruppen entgegengewirkt, als es einer nur das Betriebsverfassungsrecht als einen Teilbereich des kollektiven Arbeitsrechts ins Blickfeld nehmenden Betrachtung oder gar der nur über Einzelfälle judizierenden Rechtsprechung möglich ist. Zudem ist das kollektive Arbeitsrecht rechtsgebietsübergreifend davon geprägt, daß eine einheitliche Rechtsfrage für eine Vielzahl von Individualarbeitsverhältnissen von Relevanz ist. Ein Lösungsansatz, der in diesem Problemkreis zu einer Entscheidungskonvergenz führt, würde daher einem durchgängig zu konstatierenden Bedürfnis Rechnung tragen. Mit der auf Grund der vorstehenden Überlegungen gebotenen Fragestellung, in welchem Umfang gerichtlichen Entscheidungen in den übrigen Bereichen des kollektiven Arbeitsrechts eine in subjektiver Hinsicht erweiterte Bindungswirkung zukommt, ist die Problematik indessen noch nicht ausgeschöpft. Vielmehr tritt bei einem vertieften Eindringen in die aufgeworfene Thematik zutage, daß der Untersuchungsgegenstand an der Schnittstelle mehrerer heterogener rechtlicher Problemfelder angesiedelt ist. So kann die Frage nach der Reichweite der Maßgeblichkeit arbeitsgerichtlicher Erkenntnisse in kollektiven Rechtsstreitigkeiten erst dann abschließend beantwortet werden, wenn zuvor Klarheit darüber hergestellt ist, welche unterschiedlichen Formen des kollektiven Rechtsschutzes das Arbeitsrecht den Koalitionen bzw. den Betriebsparteien einräumt. Nur auf einer insoweit hinreichend gefestigten Grundlage erscheint es möglich, zu tragfähigen Aussagen über das Folgeproblem des Bindungsumfangs entsprechender Entscheidungen zu gelangen. Freilich kann von einem allseits anerkannten System des kollektiven Rechtsschutzes im Arbeitsrecht keine Rede sein. So zeigt schon ein flüchtiger Blick beispielsweise auf den Komplex des Rechtsschutzes der Verbände gegenüber tarifwidrigen Betriebsvereinbarungen, wie vielgestaltig die Prämissen sind, auf denen die zu erörternden Fragen aufbauen.4 Dementsprechend erweist es sich als unumgänglich, im Rahmen der vorliegenden Thematik auch zu den verschiedenartigen Wegen des kollektiven Rechtsschutzes im Tarif-, Arbeitskampf- und Betriebsverfassungsrecht Stellung zu beziehen. Ein weiterer Problemkreis, der durch den Gegenstand der Studie angeschnitten wird, rührt an Grundfragen des Zivilverfahrensrechts: Zum einen geht es um die allgemeinen Themen der subjektiven Grenzen der Rechtskraft sowie der Stellung des "Dritten"5 im Zivilprozeß, die schon seit langem intensiv diskutiert werden6 und bis in die jüngste Zeit hinein den Gegenstand 4 Vgl. etwa BAG, Beschl. v. 18. 8. 1987, AP Nr. 6 zu§ 81 ArbGG 1979; Beschl. v. 23. 2. 1988, AP Nr. 9 zu§ 81 ArbGG 1979; Beschl. v. 20. 8. 1991, AP Nr. 2 zu§ 77 BetrVG 1972 Tarifvorbehalt; Urt. v. 29. 4. 1992, AP Nr. 3 zu § 1 TVG Durchführungspflicht; Beschl. v. 22. 6. 1993, AP Nr. 22 zu§ 23 BetrVG 1972. 5 Als "Dritter" ist jeder anzusehen, der im vorherigen Verfahren nicht die Stellung einer Partei innehatte.
§ 1 Problemstellung
25
umfangreicher Erörterungen darstellen. 7 Die Verknüpfung mit dieser Thematik resultiert aus dem Umstand, daß zumindest das an den Zivilprozeß angelehnte arbeitsgerichtliche Urteilsverfahren dem klassischen Modell des Zwei-Parteien-Prozesses8 folgt. Eine Berücksichtigung von Interessen Dritter ist bei dieser Form der Rechtsverwirklichung, deren Hintergrund die Vorstellung bildet, daß sich das materielle Recht vollständig auf bipolare Zwei-Personen-Beziehungen zurückführen lasse, die also letztlich im römischrechtlichen Aktionendenken wurzelt, im Grundsatz nicht vorgesehen. Daher stellt sich die Frage, ob und in welchem Umfang parteiübergreifende Entscheidungswirkungen überhaupt in ein auf zwei Seiten beschränktes Verfahren integriert werden können. Zum anderen handelt es sich um das Verhältnis von materiellem Recht und Verfahrensrecht Wenn auch das heutige Rechtsdenken durch eine prinzipielle Sonderung beider Rechtsgebiete9 geprägt ist, 10 so besteht dennoch vor allem seit den grundlegenden Untersuchungen von Zeuner11 , Hencke/ 12 und Konzen 13 weithin Ei6 Siehe nur Mendelssohn Bartholdy, Grenzen der Rechtskraft (1900); Hellwig, Wesen und subjektive Begrenzung der Rechtskraft (1901); Hofmann, Über das Wesen und die subjektiven Grenzen der Rechtskraft (1929); BetteT7'TUlnn, Die Vollstreckung des Zivilurteils in den Grenzen seiner Rechtskraft (1948); A. Blomeyer, ZZP 75 (1962), 1 ff.; Schwab, ZZP 77 (1964), 124ff.; Calavros, Urteilswirkungen zu Lasten Dritter (1978); Koussoulis, Beiträge zur modernen Rechtskraftlehre (1986), S. 98-188; Marotzke, ZZP 100 (1987), 164ff.; Jauernig, ZZP 101 (1988), 361 ff.; Häsemeyer, ZZP 101 (1988), 385 ff. 7 Siehe etwa Schober, Drittbeteiligung im Zivilprozeß (1990); Stucken, Einseitige Rechtskraftwirkung von Urteilen im deutschen Zivilprozeß (1990); Jox, Die Bindung an Gerichtsentscheidungen über präjudizielle Rechtsverhältnisse (1991); Berger, Die subjektiven Grenzen der Rechtskraft bei der Prozeßstandschaft (1992); W. Lüke, Die Beteiligung Dritter im Zivilprozeß (1993); Schultes, Beteiligung Dritter am Zivilprozeß (1994). Die Diskussion ist keineswegs auf das deutsche Prozeßrecht beschränkt: vgl. zum Österreichischen Recht nur Ballon, ZZP 101 (1988), 413ff.; Rechberger/Oberhammer, ZZP 106 (1993), 347ff.; zur Rechtslage in Frankreich und England siehe den Überblick von Spellenberg, ZZP 106 (1993), 283 ff. Im übrigen stellt diese Problematik nur einen Ausschnitt aus dem Gesamtkomplex der Bindung an Vorentscheidungen dar, zu der laut Kissel, GVG (1. Aufl.), § 13 Rdnr. 19, ,,kaum noch überschaubare Stellungnahmen" vorhanden sind. 8 Vgl. hierzu nur Zöller/Vollkommer, ZPO, Vor§ 50 Rdnr. 1; Stein/Jonas/Bork, ZPO, Vor§ 50 Rdnr. 17;A. Blomeyer, ZPR, § 6 II, S. 65; Rosenberg!Schwab/Gottwald, ZPR, § 40 III, S. 203-205; Bruns, ZPR, § I Rdnr. 3 b ; M. Wolf, AcP 180 (1980), 430; sehr deutlich auch MünchKommZPO/Lindacher, Vor§ 50 Rdnr. 9: ,,Absage an ein Mehrparteienverfahren". 9 Kritisch gegenüber der Bezeichnung von Prozeßrecht und materiellem Recht als "Rechtsmaterien" oder "Rechtsgebieten" aber Henckel, Prozeßrecht und materielles Recht, S. 25. Vom Ansatz her anders auch Pawlowski, ZZP 80 (1967), 345, 388: Prozeß als eine besondere "Seinsweise" des Rechts. 10 Jauemig, ZPR, § 2 IV, S. 6; Rosenberg/Schwab/Gottwald, ZPR, § 1 V, S. 5; MünchKommZPO/G. Lüke, Ein!. Rdnr. 23. II In: Die objektiven Grenzen der Rechtskraft im Rahmen rechtlicher Sinnzusammenhänge (1959). 12 In: Prozeßrecht und materielles Recht (1970). 13 In: Rechtsverhältnisse zwischen Prozeßparteien (1976).
26
1. Teil: Einführung
nigkeit über die innere Verbundenheit der beiden Rechtsbereiche 14. So hat Zöllner vor einiger Zeit die "Sinneinheit von materiellem Privatrecht und Prozeßrecht" erneut mit wünschenswerter Klarheit herausgestellt und darauf hingewiesen, daß auf Grund dieser Sinneinheit sowohl der Inhalt des materiellen Rechts durch das Prozeßrecht mitgeformt als auch das Prozeßrecht durch verstärkten Rückbezug auf das materielle Privatrecht mitgeprägt werde. 15 Zudem hat sich in den bislang vorgelegten Schriften gerade der Umfang der Rechtskraft gerichtlicher Erkenntnisse als einer der wichtigsten Berührungspunkte von Verfahrensrecht und materiellem Recht herauskristallisiert. 16 Überlegungen, die sich mit der Reichweite - verfahrensrechtlich vermittelter - Bindungen arbeitsgerichtlicher Entscheidungen in kollektivrechtlichen Streitigkeiten befassen, dürfen somit an den zugrundeliegenden materiellrechtlichen Sinnstrukturen, die durch eine vielfältige Verzahnung von Kollektiv- und Individualarbeitsrecht gekennzeichnet sind, nicht vorbeigehen. Ferner begegnet dem gewählten Untersuchungsgegenstand der Umstand, daß nicht nur verschiedene Bereiche des einfachen Rechts aufeinander treffen, sondern darüber hinaus anerkanntermaßen verfassungsrechtliche Wertungen in die Gewinnung des Verfahrensrechts einfließen. 17 Dementsprechend ist das Augenmerk insbesondere auf die Frage zu richten, welchen Schutz der Anspruch auf Gewährung rechtlichen Gehörs gemäß Art. 103 Abs. 1 GG dem nichtbeteiligten Dritten einräumt. Weiterhin treffen die Wertungen des Verfassungsrechts zum einen auf Rechtssätze, die sich innerhalb des dem einfachen Recht durch Auslegung zu ermittelnden Rahmens halten. Zum anderen aber gerät jede auf die Ermittlung parteiübergreifender Entscheidungswirkungen im kollektiven Arbeitsrecht angelegte Untersuchung angesichts der schmalen Basis gesetzlicher Vorgaben zwangsläufig auch in den Bereich der Rechtsfortbildung mit allen damit verbundenen methodischen Problemen. Schließlich muß eine Erörterung, die nach verallgemeinerungsfähigen Lösungen sucht, zumindest von dem Bemühen getragen sein, die verschiedenen Argumentationslinien systematisch zusammenzuführen. 18 Es ist schon zweifelhaft, ob die 14 Siehe etwa Stein/Jonas/Schumann, ZPO, Ein!. Rdnr. 27; Bruns, ZPR, § 3 Rdnr. 21; Baur, in: summum ius summum iniuria (1963), S. 97, 106: "funktioneller Zusammenhang"; Puttfarken, JuS 1977,493, 499. 15 In: AcP 190 (1990), 471, 486, 495. In diese Richtung ebenfalls A. Blomeyer, ZPR, § 1 II 1, S. 3/4; Jauemig, JuS 1971, 329; Bötticher, ZZP 85 (1972), 1, 2; Arens, AcP 173 (1973), 250, 251; siehe aber auch Häsemeyer, AcP 188 (1988), 140ff. 16 Siehe Zeuner, Die objektiven Grenzen der Rechtskraft im Rahmen rechtlicher Sinnzusammenhänge, S. 176; Henckel, Prozeßrecht und materielles Recht, S. 26, 231 . Im Grundsatz zustimmend auch Bötticher, ZZP 85 (1972), I, 15. 17 Vgl. hierzu nur Zöller/Vollkommer, ZPO, Einl. Rdnr. 98, 101 ff.; MünchKommZPO/G. Lüke, Ein!. Rdnr. 111 ff.; Gilles, JuS 1981, 402, 404/405; Schumann, ZZP 96 (1983), 137 ff.; Benda/Weber, ZZP 96 (1983), 285 ff.; Dütz, Rechtsstaatlicher Gerichtsschutz im Privatrecht (1970); Schwab/Gottwald, Verfassung und Zivilprozeß (1984). 18 Zur Notwendigkeit systematischen Denkens eindrucksvoll Canaris, Systemdenken und Systembegriff in der Jurisprudenz, S. 11-18. Für eine begrifflich-systematische Durchdrin-
§ 1 Problemstellung
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Rechtsprechung die von ihr erzielten Ergebnisse im wesentlichen "von den Umständen des Einzelfalles" anhängig machen darf. 19 Rechtswissenschaftliche Betätigung kann sich jedenfalls nicht damit begnügen, lediglich diejenigen Gesichtspunkte mehr oder weniger unstrukturiert aufzulisten, die bei der Beurteilung konkreter Fallgestaltungen zu "berücksichtigen" sind. Vielmehr ist das Schwergewicht stets auf das Aufspüren nachvollziehbarer Ableitungszusammenhänge zu legen, wenngleich es sich dabei häufig genug um ein glanzloses Vorgehen und, um ein Wort von Zöllner aufzugreifen, "mühsames Detailgeschäft"20 handelt. Nur auf diesem Wege kann es gelingen, Wertungswidersprüche zu vermeiden und damit dem fundamentalen Postulat der Gleichbehandlung von im wesentlichen gleichgelagerten Fällen zu genügen. 21 II. Abgrenzung der Thematik
Diente der Problemaufriß dem Zweck, das Umfeld der vorliegenden Studie näher zu beleuchten, so gilt es nunmehr, den Untersuchungsgegenstand "Rechtskrafterstreckung im kollektiven Arbeitsrecht" in mehrfacher Hinsicht zu präzisieren und abzugrenzen. So ist im Hinblick auf die Umschreibung ,,Rechtskrafterstreckung" zunächst klarzustellen, daß der Kreis der in Betracht kommenden Instrumente zur Herbeiführung einer Bindung Dritter von vornherein weit gezogen werden soll. Die folgenden Ausführungen beschränken sich deshalb nicht auf die subjektive Erweiterung der materiellen Rechtskraft, sondern beziehen die Tatbestands- sowie die Gestaltungswirkung als weitere Formen einer parteiübergreifenden Maßgeblichkeit von Entscheidungen22 ein. Dies ergibt sich zum einen aus der Überlegung, daß der Anwendungsbereich für Rechtskrafterstreckungen um so kleiner wird, je mehr Fallgruppen mit Hilfe anderer Bindungsmodalitäten einer Lösung zugeführt werden. Zum anderen wird teilweise ein- und dieselbe hier zu erörternde Konstellation unterschiedlichen Entscheidungswirkungen zugeordnet, so daß der Blick nicht nur auf die Rechtskraftausdehnung gerichtet sein darf, sondern notwendigerweise auch auf weitere Bindungsarten gelenkt werden muß. gung des Rechts auch Dreier, in: Dreier/Schwegmann, Probleme der Verfassungsinterpretation, S. 21 ; Alexy, Theorie der Grundrechte, S. 37/38. 19 Kritisch gegenüber dieser Erscheinung Zöllner, AcP 188 (1988), 85, 88. 2o In: AcP 190 (1990), 471 , 495. 21 Das Erfordernis der Vermeidung von Wertungswidersprüchen bei der Auslegung und Fortbildung des Rechts wird allgemein anerkannt; vgl. Larenz, Methodenlehre der Rechtswissenschaft, S. 334; Bydlinski, Juristische Methodenlehre und Rechtsbegriff, S. 410; Krey, JZ 1978, 465, 467/468; Reuter, RdA 1985, 321, 327; Zöllner, AcP 188 (1988), 85, 90; W. Blomeyer, NZA 1988, Beil. I, 3, 8-1 0; Canaris, Systemdenken und Systembegriff in der Jurisprudenz, S. 116; einschränkend Engisch, Einführung in das juristische Denken, S. 164. 22 Zu Begriff und Inhalt von Tatbestands- und Gestaltungswirkung siehe sogleich unten § 2 III. 1. a) u. b ).
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1. Teil: Einführung
Demgegenüber bleiben die Phänomene der faktischen Bindungswirkung auf Grund der inneren Überzeugungskraft eines Erkenntnisses sowie der in der Methodenlehre diskutierten Bindung an eine gefestigte Rechtsprechung23 außerhalb der Betrachtung. Vielmehr geht es nur um die Ermittlung solcher Formen der Maßgeblichkeit, die eine darüber hinausgehende Verbindlichkeit aufweisen. Bereits an dieser Stelle aber ist die immer wieder anzutreffende Vorstellung zurückzuweisen, daß für Rechtskraftwirkungen, die das gesetzlich zwingend gebotene Mindestmaß übersteigen, deshalb von vornherein kein Bedürfnis bestehe, weil das Gericht eines Folgeprozesses eine bereits ergangene Entscheidung, die es für zutreffend halte, ohnehin berücksichtige; halte das Gericht das vorherige Erkenntnisse für falsch, so könne die Bejahung einer Bindung aber nicht überzeugen. 24 Denn einerseits zielt die Untersuchung gerade darauf ab, solche Entscheidungswirkungen herauszuarbeiten, die das geltende Recht jenseits der subjektiven Einschätzung des jeweils erkennenden Gerichts gebietet. Andererseits wird die Frage der "Richtigkeit" des ersten Judikats für das Gericht eines Folgeverfahrens häufig genug unklar sein. Zudem ändert eine im Grundsatz abweichende Beurteilung der Rechtslage durch das zweite Gericht nichts am Bestand der ersten Entscheidung, deren rechtlich gebotene Wirkungen zu ermitteln sind?5 Darüber hinaus kann es auch nicht als gewährleistet angesehen werden, daß die zweite Entscheidung stets ,,richtiger" als die erste ausfällt. 26 Sodann sollen Erscheinungen wie die innerprozessuale Bindungswirkung (§ 318 ZPO) oder die Interventions- bzw. Streitverkündungswirkung (§§ 68, 74 ZPO) aus den folgenden Überlegungen ausgeklammert werden. Vielmehr werden nur solche Bindungsmodalitäten einbezogen, die sich ohne weitere Parteihandlungen in Folgeverfahren auswirken. Mit dem Element der "Rechtskrafterstreckung" wird das Schwergewicht der Studie auf die Frage gelegt, in welchen Fallgruppen vor allem die Individualvertragsparteien an die in einem Kollektivverfahren ergehenden Entscheidungen gebunden sind. Indessen werden die Ausführungen zeigen, daß eine Einbeziehung der Problematik des objektiven Umfangs der Rechtskraft vielfach unabweisbar ist, da die Prüfung einer parteiübergreifenden Bindungswirkung ohne vorherige Klarheit über das inhaltliche Ausmaß der gegebenenfalls eintretenden Bindung buchstäblich "in der Luft hinge". Außerdem erfordert gerade eine Berücksichtigung materiellrechtlicher Sinnzusammenhänge häufig eine umfassende Betrachtungsweise. 23 Siehe Bydlinski, Juristische Methodenlehre und Rechtsbegriff, S. 501-515; derselbe, JZ 1985, 149, 151-155; Mayer-Maly, JBll984, I, 6; Ale.xy, Theorie der juristischen Argumentation, S. 334-341. 24 In diesem Sinne Münzberg, ZZP 80 (1967), 493, 496/497; derselbe, ZZP 104 (1991), 227,239. 25 Siehe hierzu auch Brox, ZZP 73 (1960), 46, 52: "Fälle denkbar, in denen eine abweichende Entscheidung schädlicher sein kann als eine ungerechte." 26 Insoweit zweifelnd auch Rosenberg/Schwab/Gottwald, ZPR, § 151 I, S. 915.
§ 1 Problemstellung
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Soweit es schließlich um das Moment des "kollektiven Arbeitsrechts" geht, sind damit, wie eingangs bereits erwähnt, Fallgestaltungen aus den Bereichen des Tarif-, des Arbeitskampf- wie des Betriebsverfassungsrechts angesprochen. Allerdings sollen im wesentlichen nur solche Konstellationen erörtert werden, bei denen der Gegenstand des vorhergehenden Verfahrens eine Vielzahl von Arbeitsverhältnissen berührt. Ausgeschlossen sind daher insbesondere die Probleme, die sich um die Bindungswirkungen bei Entscheidungen über personelle Einzelmaßnahmen im Sinne der§§ 99, 102, 103 BetrVG ranken.
111. Gang der Untersuchung Die vorliegende Darstellung der Maßgeblichkeit arbeitsgerichtlicher Entscheidungen in kollektivrechtlichen Streitigkeiten ist wie folgt strukturiert: Diesem Überblick schließt sich - noch im Rahmen der Einführung - eine Darlegung des Instrumentariums an, mit dessen Hilfe eine Bindung Dritter an gerichtliche Entscheidungen bewirkt werden kann (§ 2). Dabei geht es in erster Linie um die Klarstellung einer Reihe von Ausgangspositionen, auf denen die folgenden Überlegungen aufbauen. Zudem fehlt es vor allem im Bereich der Entscheidungswirkungen vielfach schon an präzisen Begriffsinhalten, wodurch eine Verständigung erschwert wird oder aber der trügerische Eindruck eines Konsenses entsteht. Der zweite Teil der Untersuchung(§§ 3 bis 8) behandelt die einfachgesetzlichen Prämissen für eine erweiterte Maßgeblichkeit arbeitsgerichtlicher Erkenntnisse in kollektiven Rechtsstreitigkeiten. Diese Verfahrensweise basiert zum einen auf der Grundannahme, daß die - im dritten Teil (§§ 9 bis 11) zu erörternden - verfassungsrechtlichen Vorgaben lediglich Grenzwerte für die Rechtsgewinnung auf der Ebene des einfachen Rechts darstellen, das einfache Recht also nicht bereits im Verfassungsrecht enthalten ist und daher auch nicht durch schlichte Konkretisierung verfassungsrechtlicher Normen ermittelt werden kann. Zum anderen sollen die Überlegungen im vierten Teil der Studie(§§ 12 bis 14) zu einer Vielzahl konkreter Fallgestaltungen auf der Grundlage gesicherter Ergebnisse vorgenommen werden. Die einfachgesetzlichen Prämissen werden innerhalb des zweiten Teils in fünf Schritten erarbeitet: Zunächst wird der Bereich abgesteckt, in dem sich eine erweiterte Bindungswirkung unmittelbar auf Anordnungen des positiven Rechts stützen läßt(§ 3). Auf diese Weise können vorab die Ergebnisse festgehalten werden, die durch die späteren Ausführungen zur Zulässigkeit bzw. den Grenzen von im Wege der Rechtsfortbildung gewonnenen parteiübergreifenden Entscheidungswirkungen von vornherein unberührt bleiben. Zugleich spiegelt dieses Vorgehen das Grundverständnis wieder, daß der Rechtsgewinnungsprozeß stets von den gesetzlichen Vorgaben ausgehen muß, die normativen Prämissen also nicht aus allgemeinen Erwägungen heraus beiseite geschoben werden dürfen. Der zweite Schritt (§ 4) ist
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I. Teil: Einführung
der Frage gewidmet, welche Überzeugungskraft "generellen" Lösungsvorschlägen zukommt, also solchen Ansätzen, die entweder sämtliche ungeschriebene Drittbindungen verneinen oder - umgekehrt - pauschal befürworten. Anschließend wird erörtert, ob der vielfach verwendete Gedanke der Repräsentation für sich genommen tragfähig ist, um eine Zurechnung von Erkenntnissen zu rechtfertigen, die durch die Verbände oder den Betriebsrat erwirkt worden sind(§ 5). In einem vierten Schritt werden die Besonderheiten des arbeitsgerichtliehen Beschlußverfahrens daraufhin untersucht, ob sie zur Legitimation für eine erweiterte Bindungswirkung nutzbar gemacht werden können (§ 6). Zuletzt soll der Versuch unternommen werden, allgemeine Grundsätze zu ungeschriebenen Rechtskrafterstreckungen auf Grund materiellrechtlicher Vorgaben herauszuarbeiten, um mit ihrer Hilfe heterogene Fallkonstellationen aus dem Bereich des kollektiven Arbeitsrechts einer Lösung zuführen zu können (§ 7). Den zweiten Teil beschließt eine Übersicht über die insoweit gewonnenen Ergebnisse(§ 8). Der dritte Teil (§§ 9 bis 11) befaßt sich - wie schon erwähnt- mit den verfassungsrechtlichen Vorgaben parteiübergreifender Entscheidungswirkungen. Im Vordergrund steht dabei die Frage, in welchem Umfang sich der Anspruch auf Gewährung rechtlichen Gehörs gemäß Art. 103 Abs. 1 GG geschriebenen wie auch ungeschriebenen Drittbindungen entgegenstemmt (§ 9). An zweiter Stelle wird untersucht, ob sich dem Grundsatz effektiven Rechtsschutzes weitergehende Gewährleistungen zum Schutz der gegebenenfalls betroffenen Dritten entnehmen lassen (§ 10). Die verfassungsrechtlichen Ausführungen schließen mit einer Zusammenfassung der insoweit erzielten Ergebnisse(§ 11). Im vierten Teil(§§ 12 bis 14) geht es darum, die in den vorhergehenden Teilen gewonnenen Ergebnisse auf eine Fülle konkreter Fallgestaltungen aus dem Bereich des kollektiven Arbeitsrechts anzuwenden. Den Anfang bilden das Tarifvertragsund das Koalitionsrecht (§ 12). Ihre Fortsetzung finden die Überlegungen mit Fallgruppen aus dem Gebiet des Arbeitskampf- und Schlichtungsrechts (§ 13). Abschließend richtet sich der Blick auf die vielfältigen Fragen, die das Betriebsverfassungsrecht aufwirft(§ 14). Die Untersuchung endet mit einer Zusammenfassung ihrer wesentlichen Ergebnisse(§ 15) und einer Schlußbetrachtung (§ 16). Nach alledem ist die Arbeit darauf angelegt, daß der an konkreten Lösungsvorschlägen interessierte Leser vorrangig auf§ 3 sowie die §§ 12 bis 14 verwiesen wird. Die theoretischen Grundlegungen finden sich demgegenüber in erster Linie in§ 2 sowie den§§ 3 bis 11.
§ 2 Instrumentarium der Bindung Dritter
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§ 2 Instrumentarium der Bindung Dritter Im Zusammenhang mit der Bindung Dritter an gerichtliche Entscheidungen lassen sich in rechtstechnischer Hinsicht mehrere Instrumente unterscheiden, durch die eine solche Maßgeblichkeit bewerkstelligt wird. Da diese Instrumente als Grundlage der späteren Ausführungen immer wieder zur Sprache kommen, erscheint es ratsam, sie vorab zu erläutern. Dabei geht es vor allem bei den verschiedenen Entscheidungswirkungen darum, von vomherein begriffliche Klarheit herzustellen. 1 Ein einheitlicher Sprachgebrauch ist nämlich unabdingbar, um zu vermeiden, daß die Verständigung durch unterschiedliche Bedeutungsgehalte identischer Begriffe wie auch durch die Verwendung verschiedener Begriffe für denselben Inhalt unnötig erschwert wird.Z Die gilt um so mehr, als das neuere, wissenschaftstheoretisch orientierte Methodenschrifttum durch die Anwendung sprachanalytischer Erkenntnisse auf rechtliche Kontexte Überlegungen zur Mehrdeutigkeit, Inkonsistenz und Vagheit rechtlicher Begriffe3 entwickelt und damit das Bewußtsein für die Grenzen des sprachlich eindeutig Vermittelbaren geschärft hat. Daher bedarf es der Feststellung und gegebenenfalls der Festsetzung des maßgeblichen Sprachgebrauchs.
I. Vorgreiflichkeit Das Problem einer Bindung der Individualvertragsparteien an die in einem Kollektivverfahren ergangene Entscheidung stellt sich grundsätzlich nur dann, wenn das streitgegenständliche kollektive Rechtsverhältnis für das individualrechtliche Rechtsverhältnis in materiellrechtlicher Hinsicht vorgreiflieh ist. Dies ergibt sich schon daraus, daß das Rechtsverhältnis, über das eine Entscheidung ergangen ist, für die Parteien des Arbeitsvertrages ansonsten irrelevant ist. Es gilt somit dasselbe wie zwischen den Parteien des ersten Verfahrens selbst, bei denen die Rechtskraftwirkung nach allgemeiner Ansicht - abgesehen von der hier nicht interessierenden Identität des Streitgegenstandes - ebenfalls nur im Falle der Vorgreiflichkeit der rechtskräftig festgestellten Rechtsfolge für den Gegenstand eines Folgeprozesses eintritt. 4 Jede Überlegung zu Rechtskraftwirkungen, die über die Parteien des vorI Zur Notwendigkeit einer derartigen Klarheit vgl. etwa Mayer-Maly, JZ 1986, 557, 562; Alexy, Theorie der Grundrechte, S. 32. 2 Für das Erfordernis eines gleichen Wortgebrauchs auch Alexy, Theorie der juristischen Argumentation, S. 183-186, 237/238. 3 V gl. dazu Koch I Rüßmann, Juristische Begründungslehre, S. 191-201; Herberger I Koch, JuS 1978, 81 0-813; siehe auch Wank, Die juristische Begriffsbildung, S. 35-50. 4 ThomasiPutzo, ZPO, § 322 Rdnr. 9; ZölleriVollkommer, ZPO, Vor§ 322 Rdnr. 22, 24; MünchKommZPO/Gottwald, § 322 Rdnr. 46; SteinllonasiLeipold, ZPO, § 322 Rdnr. 204; Jauemig, ZPR, § 62 III 2, S. 224; A. Blomeyer, ZPR, § 89 V 2, S. 489; RosenbergiSchwabl
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1. Teil: Einführung
herigen Verfahrens in personeller Hinsicht hinaus greift, knüpft demnach im Grundsatz an das Vorliegen eines derartigen Vorgreiflichkeitsverhältnisses an. Diese Beziehung umschreibt§ 148 ZPO mit den Worten, daß die Entscheidung des Rechtsstreits von dem Bestehen oder Nichtbestehen eines (anderen) Rechtsverhältnisses "abhängt". Weiter wird das vorgreifliehe Rechtsverhältnis häufig als "Vorfrage" bezeichnet. 5 Ferner findet sich die Wendung, daß der Inhalt der Entscheidung zum Tatbestand der im folgenden Verfahren geltend gemachten Rechtsfolge gehören muß. 6 Gemeint ist stets das Bestehen eines materiellrechtlichen Abhängigkeitsverhältnisses, also einer in der Struktur des materiellen Rechts angelegten Beziehung von bedingendem und bedingtem Rechtsverhältnis.7 Soweit darüber hinaus von einer präjudiziellen Bedeutung, einem präjudiziellen Rechtsverhältnis oder schlicht von Präjudizialität gesprochen wird, 8 wird damit regelmäßig entweder der Umstand benannt, daß über ein vorgreifliebes Rechtsverhältnis bereits eine - rechtskräftige - Entscheidung ergangen ist, oder es wird damit eine Fallgruppe charakterisiert, bei der das Gebot einer Bindung qua Rechtskraft für einen Prozeß mit einem abweichenden Streitgegenstand besteht. Zuweilen wird der Begriff aber auch rein materiellrechtlich verwendet und mit der Vorgreiflichkeit gleichgesetzt. 9 In den folgenden Ausführungen soll von Präjudizialität nur dann die Rede sein, wenn eine Bindung an die vorhergehende Entscheidung im Ergebnis bejaht wird. Soweit ein kollektives Rechtsverhältnis kraft materiellen Rechts für die Rechtsstellung der Individualvertragsparteien zwar vorgreiflieh ist, also eine Vorfrage darstellt, eine Bindung aber abgelehnt wird, wird das Rechtsverhältnis, über das entschieden wurde, demnach nicht als präjudiziell bezeichnet.
Gottwald, ZPR, § 154 III, S. 928; Grunsky, Grundlagen des Verfahrensrechts, § 47 IV 2 a, s. 513-519. s Vgl. ZölleriGreger, ZPO, § 148 Rdnr. 5; ZölleriVollkommer, ZPO, Vor§ 322 Rdnr. 24; MünchKommZPO/Peters, § 148 Rdnr. 6; MünchKommZPO/Gottwald, § 322 Rdnr. 46; Grunsky, Grundlagen des Verfahrensrechts, § 47 IV 2 a, S. 513. 6 RosenbergiSchwabiGottwald, ZPR, § 154 III, S. 928. 7 Den materiellrechtlichen Zusammenhang hervorhebend auch ZölleriVollkommer, ZPO, Vor § 322 Rdnr. 24; Stein I Jonas I Leipold, ZPO, § 322 Rdnr. 204; A. Blomeyer, ZPR, § 89 V 2, s. 489. s Siehe etwa ZölleriVollkommer, ZPO, Vor§ 322 Rdnr. 22, 36; MünchKommZPO/Gottwald, § 322 Rdnr. 46; SteiniJonasiLeipold, ZPO, § 322 Rdnr. 204; Rosenbergi Schwabl Gottwald, ZPR, § 151 III 2, S. 917/918, § 154 Ill, S. 928; Schwab, JZ 1959, 786, 787; Nicklisch, Die Bindung der Gerichte an gestaltende Gerichtsentscheidungen und Verwaltungsakte, s. 35-37. 9 So etwa von Huber, JuS 1972, 621. Unentschieden Schlosser, ZPR, Bd. I, Rdnr. 216, wenn es heißt, daß bei "präjudizieller (vorgreiflicher) Bedeutung" eine ,,Präjudizialwirkung der materiellen Rechtskraft" eintrete. Beide möglichen Bedeutungsgehalte zugleich nennend auch MünchKommZPO/Schilken, § 66 Rdnr. 15.
§ 2 Instrumentarium der Bindung Dritter
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II. Bindungswirkung kraft materiellrechtlichen Sinnzusammenhanges
Die Erörterung der Bindungsproblematik darf sich nun allerdings nicht auf solche Fallkonstellationen beschränken, in denen die Individualrechtsverhältnisse auf das im Kollektivverfahren -im Tenor- geklärte Rechtsverhältnis als solches materiellrechtlich aufbauen. Vielmehr bedarf es in zweifacher Richtung eines erweiterten Blickwinkels: Zum einen istes-wie sogleich näher ausgeführt werden soll 10 - durchaus denkbar, daß sich die Maßgeblichkeit der vorhergehenden Entscheidung konstruktiv gesehen auf eine andere Weise im Folgeverfahren auswirkt als gerade mittels eines Vorgreiflichkeitsverhältnisses. Wie Bötticher11 hervorgehoben hat, kann eine Entscheidung in einem späteren Prozeß nämlich nicht nur über den Weg einer Bindung im Sinne des Verbotes einer inhaltlichen Abweichung 12 und damit einer Beschränkung des Erkenntnisakts, sondern auch als Teil des zu erfassenden Erkenntnisobjekts Bedeutung erlangen. 13 Zum anderen darf nicht nur eine Bindung der Individualvertragsparteien an den im ersten Verfahren erfolgten Subsumtionsschluß als Ganzen in die Betrachtung einbezogen werden. Zwar urnfaßt die objektive Rechtskraft nach allgemeiner Ansicht im Grundsatz nur die ausgesprochene Rechtsfolge als solche, 14 also den "Subsumtionsschluß als Ganzen". 15 Hingegen erstreckt sie sich nicht generell auf sämtliche Vorfragen der im ersten Verfahren festgestellten Rechtsfolge. 16 Dennoch wird seit den grundlegenden Ausführungen von Zeuner 17 zunehmend anerkannt, daß eine Rechtskraftwirkung ausnahmsweise auch dann zu befürworten ist, wenn die im Folgeverfahren geltend gemachte Rechtsfolge nicht an die im ersten Prozeß festgestellte Rechtsfolge als solche, sondern an ein - bei rein konstruktiver Betrachtung - für diesen Schluß seinerseits vorgreifliebes Rechtsverhältnis anSiehe dazu unter III. 1. a) aa). In: FS Hundert Jahre DIT (1960), Bd. I, S. 511, 522. 12 Vgl. zu diesem Verständnis von "Bindung" die grundsätzlichen Ausführungen von Bötticher, Kritische Beiträge zur Lehre von der materiellen Rechtskraft im Zivilprozeß, S. 7294. 13 Ähnlichjetzt H. F. Gaul, FS Zeuner (1994), S. 317,336/337. 14 Zöller/Vollkommer, ZPO, Vor § 322 Rdnr. 31; MünchKommZPO/Gottwald, § 322 Rdnr. 78, 83; Stein/Jonas/Leipold, ZPO, § 322 Rdnr. 78179. 15 BGH (GS), Beschl. v. 20. 5. 1954, BGHZ 13, 265, 278; Urt. v. 24. 6. 1993, NJW 1993, 3204, 3205; Schwab, Der Streitgegenstand im Zivilprozeß, S. 148. 16 Siehe nur BGH, Urt. v. 17. 3. 1964, BGHZ 42, 340, 350; Urt. v. 30. 1. 1985; BGHZ 93, 330, 335; Urt. v. 25. 2. 1985; BGHZ 94, 29, 33; Urt. v. 7. 7. 1993, BGHZ 123, 137, 140; Urt. v. 11. 11. 1994, NJW 1995, 967; Thomas/Putzo, ZPO, § 322 Rdnr. 28; Zöller/Vollkommer, ZPO, Vor§ 322 Rdnr. 34; Stein/Jonas/Leipold, ZPO, § 322 Rdnr. 89; Jauemig, ZPR, § 63 III 2, S. 228. 17 In: Die objektiven Grenzen der Rechtskraft im Rahmen rechtlicher Sinnzusammenhänge (1959), passim; derselbe, JuS 1966, 147, 149. IO
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1. Teil: Einführung
knüpft. 18 So führt etwa die rechtskräftige Feststellung eines Unterlassungsanspruchs dazu, daß der Schuldner zumindest bei einer späteren Zuwiderhandlung gegenüber einem Schadensersatzbegehren nicht mehr einwenden kann, die Schadenszufügung sei nicht rechtswidrig gewesen, 19 obwohl die Unterlassungspflicht als solche keine Vorfrage für den Schadensersatzanspruch darstellt. Des weiteren soll nach h. M. mit der Entscheidung über den Grundbuchberichtigungsanspruch nach § 894 BGB gleichzeitig rechtskräftig über das Eigentum am Grundstück befunden werden?0 Demnach ist auch an die Fallgestaltung zu denken, daß das individuelle Rechtsverhältnis von einem kollektiven Rechtsverhältnis abhängig ist, das streng genommen zwar seinerseits nur Vorfrage für das streitgegenständliche Rechtsverhältnis im Kollektivprozeß ist, auf das sich aber ausnahmsweise aus Gründen materiellrechtlicher Sinnzusammenhänge die objektive Rechtskraft der im kollektiven Verfahren ergehenden Entscheidung erstreckt.
111. Formen der Maßgeblichkeil
Im Folgenden sollen die verschiedenen Formen, durch die gerichtliche Entscheidungen für Dritte bindenden Charakter entfalten können, näher erläutert werden. Wie bereits ausgeführt21 erfolgt die Begriffsbestimmung einmal zu dem Zweck, den Bedeutungsinhalt bestimmter Begriffe, die in den anschließenden Darlegungen verwendet werden, von vornherein möglichst präzise festzulegen. Dies erscheint gerade im Bereich der Entscheidungswirkungen notwendig, um der Gefahr zu entgehen, aufgrunddes "schwer überschaubaren Begriffswirrwarrs"22 Unterschiede in 18 MünchKommZPO/Gottwald, § 322 Rdnr. 48-51; Steinllonas/Leipold, ZPO, § 322 Rdnr. 218-220; Schlosser, ZPR, Bd. I, Rdnr. 225/226; A. Blomeyer, § 89 V 4, S. 491-495; Grunsky, Grundlagen des Verfahrensrechts, § 47 IV 2 b, S. 519-524; Konzen, FS Zeuner (1994), S. 401/402; Foerste, ZZP 108 (1995), 167, 175-191 ; Henckel, Prozeßrecht und materielles Recht, S. 149ff.; Rimmelspacher, Materiellrechtlicher Anspruch und Streitgegenstandsprobleme im Zivilprozeß, S. 184/185, 202-226. In diese Richtung auch Zeiss, ZPR, Rdnr. 574. Im Erg. ähnlich Schwab, JZ 1959, 786, 787, der allerdings stärker darauf abstellt, ob durch eine im Folgeprozeß ergehende gegensätzliche Entscheidung das Erkenntnis des Vorprozesses in seiner Existenz beeinträchtigt würde. 19 MünchKommZPO/Gottwald, § 322 Rdm. 50; Stein/Jonas/Leipold, ZPO, § 322 Rdnr. 219; A. Blomeyer, § 89 V 2, S. 490; Zeuner, JuS 1966, 147, 149/150; derselbe, Die objektiven Grenzen der Rechtskraft im Rahmen rechtlicher Sinnzusammenhänge, S. 21-26, 58/59; Henckel, Prozeßrecht und materielles Recht, S. 191. Für den Fall eines vertraglichen Unterlassungsanspruchs auch BGH, Urt. v. 17. 3. 1964, BGHZ 42, 340, 348 ff.; Beseht. v. 6. 3. 1969, NJW 1969, 1117, 1118. Grds. abl. aber RG, Urt. v. 3. 7. 1901, RGZ 49, 33, 35/36; Urt. v. 15. 3. 1939, RGZ 160, 163, 165/166. 2o RG, Urt. v. 3. 7. 1936, JW 1936, 3047; Urt. v. 21. 7. 1938, RGZ 158, 40, 43; MünchKommZPO/Gottwald, § 322 Rdnr. 50, 95; Stein/Jonas/Leipold, ZPO, § 322 Rdnr. 92, 220; A. Blomeyer, ZPR, § 89 V 4 d, S. 495; Henckel, Prozeßrecht und materielles Recht, S. 180; Zeuner, a. a. 0., S. 138-143. A. A. aber Zöller/Vollkommer, ZPO, Vor§ 322 Rdnr. 36. 21 Siehe dazu oben vor I.
§ 2 Instrumentarium der Bindung Dritter
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der Sache vorzutäuschen oder aber zu verwischen. Zugleich soll klargestellt werden, welcher Stand von Rechtsprechung und Lehre in der vorliegenden Untersuchung nicht hinterfragt wird, sondern vielmehr als Grundlage dient, auf der die weiteren Überlegungen aufbauen. Insbesondere wird im folgenden von der weithin anerkannten Unterscheidung verschiedenartiger Entscheidungswirkungen wie Tatbestands-, Gestaltungs- und Rechtskraftwirkung23 ausgegangen, 24 mag diese Lehre auch nicht nur hinsichtlich der - noch zu behandelnden - Zuordnung einzelner Phänomene, sondern bereits im Grundsätzlichen angezweifelt werden. 25 Darüber hinaus soll darauf geachtet werden, in welchem Umfang zumindest bei einem Teil der anerkannten Fälle von Drittwirkungen materielle und prozessuale Elemente derart miteinander verzahnt sind, daß es verfehlt wäre, bei der Lösung umstrittener Fallkonstellationen von einem strikten Trennungsdenken26 auszugehen. Sofern sich nämlich erweist, daß materiellrechtliche und prozessuale Bindungsformen außerhalb der durch das Gesetz nicht eindeutig vorgegebenen Bahnen jedenfalls weitgehend austauschbar sind, ist das Schwergewicht von vomherein auf die Frage zu verlagern, welche prozessualen und materiellrechtlichen Aspekte im einzelnen für bzw. gegen eine Bindung Dritter sprechen. Die folgenden begrifflichen Klärungen verstehen sich dementsprechend nicht als ein Versuch, aus der Einordnung bestimmter Phänomene rechtliche Schlußfolgerungen vorzubereiten. Insoweit unterliegt es keinem Zweifel, daß die Sachfrage gegenüber der Einordnungsfrage den Vorrang genießt. 27 Um der Transparenz der anschließenden Überlegungen willen erscheint es indessen erforderlich, zumindest die wichtigsten der im vorliegenden Zusammenhang interessierenden Bindungsformen daraufhin zu untersuchen, ob und in welchem Ausmaße es sich um eigenständige rechtliche Gebilde mit dem Anspruch auf eine eigene Benennung handelt. Ein 22
So Jox, Die Bindung an Gerichtsentscheidungen über präjudizielle Rechtsverhältnisse,
s. 56.
23 Vgl. nur Thomas/Putzo, ZPO, § 322 Rdnr. 2; MünchKommZPO/Gottwald, § 322 Rdnr. 19/20; Stein/Jonas/Leipold, ZPO, § 322 Rdnr. 8ff.; Jauernig, ZPR, § 61 III u. IV, S. 221; Rosenberg/Schwab/Gottwald, ZPR, 149, S. 909/910; Brox, JuS 1962, 121, 122. Die regelmäßig genannten weiteren Entscheidungswirkungen "Innerprozessuale Bindungswirkung" und "Vollstreckbarkeit" sind für die hier zu behandelnden Problembereiche unerheblich. 24 Es sei daran erinnert, daß der Frage nach den verschiedenen Wirkungen einer Entscheidung die Fragen nach ihrer Existenz und ihrer Geltung vorausgehen. Letztere sind nicht Gegenstand der vorliegenden Erörterungen. Vgl. zur Unterscheidung Bruns, ZPR, Rdnr. 204d/ 204e sowie Rdnr. 217. 25 Siehe Costede, Studien zum Gerichtsschutz, S. 157- 166, der den Versuch unternommen hat, die unterschiedlichen Entscheidungswirkungen durch einen neuen übergreifenden Begriff der "Verbindlichkeit" zu ersetzen. Vergleichbares kennt das amerikanische Zivilprozeßrecht, das unter den Begriff der ,,res judicata" die in der vorliegenden Studie voneinander gesonderten Bindungsarten faßt; vgl. Enge/mann-Pilger, Die Grenzen der Rechtskraft des Zivilurteils im Recht der Vereinigten Staaten, S. 25-30. 26 Dazu grundsätzlich schon oben § 1. 27 Jauemig, ZZP 101 (1988), 361, 377; H. F. Gaul, FS Schwab (1990), S. 111, 112. 3*
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derartiges Unterfangen verspricht am ehesten, eine tragfähige Grundlage für das Herausarbeiten der Bindungsvoraussetzungen in den einzelnen Fallgruppen, die anschließend erörtert werden sollen, zu sein.
1. Bindung kraft materiellen Rechts
a) Tatbestandswirkung
aa) Begriffsklärung Eine Tatbestandswirkung 28 (teilweise auch neutraler als "Nebenwirkung"29 bezeichnet) ist eine Entscheidungswirkung, die sich dadurch auszeichnet, daß der Eintritt bestimmter Rechtsfolgen kraft materiellen Rechts an das schlichte Vorhandensein einer wirksamen gerichtlichen Entscheidung geknüpft ist. 30 Während das Vorliegen eines Judikats als solches in einem Folgeprozeß regelmäßig unerheblich ist, 31 stellt das Urteil in Fällen dieser Art ein Tatbestandsmerkmal für die Entstehung, die Inhaltsänderung oder den Untergang subjektiver privater Rechte einer der Parteien oder eines Dritten dar. 32 Damit führt das Vorliegen einer Entscheidung im Ergebnis zu einer Veränderung des materiellen Rechts, 33 wenn auch vermittelt durch einen besonderen Rechtssatz, der die Verbindung zwischen Urteil und Rechtsfolge anordnet. 34 Dieser Rechtssatz kann auf einer ausdrücklichen Vorgabe des Gesetzgebers beruhen. So führt etwa die rechtskräftige Feststellung eines Anspruchs gemäß § 218 Abs. 1 S. 1 BGB als solche zu einer dreißigjährigen Verjährungsfrist. Die rechts28 Grundlegend hierzu Kuttner, Die privatrechtliehen Nebenwirkungen der Zivilurteile (1908), passim. Ausführlichjelzt auch H. F. Gaul, FS Zeuner (1994), S. 317 ff. 29 Dafür z. B. Bruns, ZPR, Rdnr. 217 b. 30 Thomas I Putzo, ZPO, § 322 Rdnr. 2; MünchKommZPO/Gottwald, § 322 Rdnr. 20; Stein/Jonas/Leipold, ZPO, § 322 Rdnr. 16; A. Blomeyer, ZPR, § 86 III I, S. 456; Rosenberg/Schwab/Gottwald, ZPR, § 149 V, S. 909; Brox, JuS 1962, 121, 122; Schack, NJW 1988, 865, 868; H. F. Gaul, FS Zeuner (1994), S. 317. 3t Kissel, GVG (1. Aufl.), § 13 Rdnr. 22; Brox, ZZP 73 (1960), 46, 50. 32 Zöller/Vollkommer, ZPO, § 325 Rdnr. 43; Jauemig, ZPR, § 61 IV, S. 221; A. Blomeyer, ZZP 75 (1962), l, 6; Kuttner, Die privatrechtliehen Nebenwirkungen der Zivilurteile, S. 3, 5; Calavros, Urteilswirkungen zu Lasten Dritter, S. 163. Die Fälle, in denen Nebenwirkungen auf anderen Rechtsgebieten außerhalb des materiellen Zivilrechts eintreten, sollen außer Betracht bleiben. 33 Bettermann, Die Vollstreckung des Zivilurteils in den Grenzen seiner Rechtskraft, S. 114. Umfassend zu der hieraus resultierenden Deutung der Bindung des in einem zweiten Prozeß entscheidenden Richters als (schlichten) Normenvollzug H. F. Gaul, FS Zeuner (1994), S. 317, 332-338. 34 Bötticher, FS Hundert Jahre DJT (1960), Bd. I, S. 511, 522; Kisch, Beiträge zur Urteilslehre, S. 34; Schlosser, Gestaltungsklagen und Gestaltungsurteile, S. 24.
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kräftige Verurteilung eines Erben zur Befriedigung eines im Aufgebotsverfahren ausgeschlossenen Gläubigers wirkt nach § 1973 Abs. 2 S. 3 BGB gegenüber einem anderen Gläubiger wie die Befriedigung und mindert auf diese Weise den an die ausgeschlossenen Nachlaßgläubiger herauszugebenden Überschuß?5 Die Rechtsprechung anerkennt aber auch Tatbestandswirkungen, die aus den für die rechtliche Lage eines Dritten jeweils einschlägigen materiellrechtlichen Vorschriften entwickelt werden?6 Schließlich kann die Verknüpfung von Entscheidung und Rechtsänderung auch durch privatautonome Vereinbarung hergestellt werden. 37 Dies belegt, daß es sich bei der durch eine Tatbestandswirkung herbeigeführten Bindung eines Dritten als solche ausschließlich um eine materiellrechtliche Erscheinung handelt. Anknüpfungspunkt ist allerdings in jedem Falle ein prozessualer Akt, nämlich eine gerichtliche Entscheidung. Nun bedarf es fraglos eines Urteils mit einem bestimmten Inhalt, um die Nebenwirkung auszulösen?8 Indessen sollte man von der vereinzelt begegnenden Vorstellung Abstand nehmen, das Gesetz erkläre durch die Tatbestandswirkung den Inhalt der Gerichtsentscheidung als für Dritte verbindlich. 39 Die im Vorprozeß festgestellte Rechtsfolge steht nämlich, soweit es um die Nebenwirkung als solche geht, in keinem Vorgreiflichkeitsverhältnis zu der Rechtsfolge im Zweitprozeß. 40 35 Als weitere Beispiele seien die§§ 283,775 Abs. I Nr. 4, 864 Abs. 2, 1991 Abs. 3 BGB, §§ 302 Abs. 4 S. 3, 717 Abs. 2 u. 3 ZPO genannt. 36 Ein Beispiel hierfür bildet die Auslegung des früheren § 1265 Abs. 1 S. 1 RVO (vgl. jetzt die Übergangsregelung in § 243 SGB VI) durch den Großen Senat des BSG, Beschl. v. 27. 6. 1963, BSGE 20, 1 ff. Danach ist die Existenz eines vollstreckbaren Unterhaltstitels gegen den Sozialversicherten als "sonstiger Grund" i. S. dieser Norm angesehen worden, der unabhängig vom wirklichen Bestehen einer materiellen Unterhaltspflicht - die Verpflichtung des Trägers der Rentenversicherung auslöst, nach dem Tode des Versicherten an den Überlebenden eine Rente zu leisten. Ebenso das Urt. des BSG v. 24. 6. 1987, BSGE 62, 50 ff., zu § 65 RKG (ReichsknappschaftsG = ehemaliger § 1265 RVO), in dem (S. 53) ausdrücklich von einer Tatbestandswirkung die Rede ist. Krit. hierzu unter Verweis auf die Umgehung der Rechtskraftgrenzen Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, ZPO, § 325 Rdnr. 2. In seinem Urt. v. 23. 11. 1988 modifiziert das BSG, NJW 1989, 2011/2012, seine Begründung allerdings - in wenig überzeugender Weise - dahin, daß die "Tatbestandswirkung" aus dem schlichten Gesichtspunkt der Respektierung von Hoheitsakten anderer Staatsorgane durch die Verwaltung resultiere. Dieser Aspekt hat mit der Auslegung einer bestimmten materiellrechtlichen Norm im Sinne der Bezugnahme auf ein gerichtliches Erkenntnis nichts mehr zu tun. 37 Rosenberg/Schwab/Gottwald, ZPR, § 149 V, S. 910; Kuttner, Die privatrechtliehen Nebenwirkungen der Zivilurteile, S. 10-15; Calavros, Urteilswirkungen zu Lasten Dritter, S. 1611162. Die Nebenwirkungen, die ihre Grundlage in einer vertraglichen Abrede finden, sollen im Folgenden der Übersichtlichkeit halber zunächst außer Betracht bleiben. Zu Einzelheiten siehe unter d). 38 Schlosser, Gestaltungsklagen und Gestaltungsurteile, S. 21122; Nicklisch, Die Bindung der Gerichte an gestaltende Gerichtsentscheidungen und Verwaltungsakte, S. 66. 39 So aber Schwab, ZZP 77 (1964), 124, 131 ; ihm zust. Martens, ZZP 79 (1966), 404, 447. 40 Allerdings ist es nicht ausgeschlossen, daß das materielle Recht im Einzelfall neben der Existenz eines Erkenntnisses das Vorliegen der festgestellten Rechtsfolge selbst zur Voraussetzung für den Eintritt der einen Dritten betreffenden Rechtsfolge erhebt. Nach Schack,
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Es kann also keine Rede davon sein, daß alle hier zu erörternden Urteilwirkungen ein Zurückgreifen auf die "wahre" materielle Rechtslage abschneiden. 41 Vielmehr ist die Richtigkeit des Urteils für den Eintritt bestimmter Rechtsfolgen und damit eine entsprechende Einwendung des durch die Entscheidung betroffenen Dritten von vornherein unerheblich. 42 Die Frage einer Bindung an den Entscheidungsinhalt stellt sichangesichtsder Ausgestaltung des materiellen Rechts in den mit Tatbestandswirkung umschriebenen Konstellationen nicht. 43 bb) Formale Bestimmung der subjektiven Reichweite einer Tatbestandswirkung Der Personenkreis, dessen Rechtsstellung durch die gesetzlich angeordnete Tatbestandswirkung einer gerichtlichen Entscheidung berührt wird, läßt sich abstrakt einfach bestimmen: Es handelt sich um diejenigen Personen, die von den jeweils einschlägigen materiellrechtlichen Normen als Regelungsadressaten angesprochen sind.44 Bei der Frage nach etwaigen Nebenwirkungen richtet sich das Hauptaugenmerk demnach darauf, ob das einem zweiten Verfahren mit Drittbeteiligung zugrundeliegende materielle Recht auf den Umstand eines (rechtskräftigen) Erkenntnisses in einem anderen Prozeß Bezug ninunt. cc) Bedeutung für die Betroffenen Um einen Vergleich der verschiedenen in ihrer Struktur unterscheidbaren Entscheidungswirkungen zu ermöglichen, empfiehlt es sich, ihre Auswirkungen auf die Betroffenen, also für die Parteien wie für Dritte, jeweils näher zu betrachten. Zu diesem Zweck soll der funktionale Gehalt der verschiedenen EntscheidungswirNJW 1988, 865, 868, trifft dies für § 775 Abs. 1 Nr. 4 BGB zu, da der Befreiungsanspruch des Auftragsbürgen gegen den Hauptschuldner neben einer vollstreckbaren Verurteilung des Bürgen zusätzlich das Bestehen der Hauptforderung (die wiederum Voraussetzung für die Bürgschaftsschuld ist) erfordere; ebenso im Erg. M. Wolf, JZ 1971, 405 (Fn. 5). A. A. ohne nähere Begründung Kuttner, Die privatrechtliehen Nebenwirkungen der Zivilurteile, S. 3840, 192; Calavros, Urteilswirkungen zu Lasten Dritter, S. 161. 41 So aber Kuttner, Urteilswirkungen außerhalb des Zivilprozesses, S. 4. 42 Prägnant Huber, JuS 1972, 621, 622/623. Siehe im übrigen Kuttner, Die privatrechtliehen Nebenwirkungen der Zivilurteile, S. 190-192; Hofmann, Über das Wesen und die subjektiven Grenzen der Rechtskraft, S. 8; Calavros, Urteilswirkungen zu Lasten Dritter, S. 164. Die Tatbestandswirkung läßt sich daher entgegen Jox, Die Bindung an Gerichtsentscheidungen über präjudizielle Rechtsverhältnisse, S. 56, nicht als Bindung "im Rahmen der materiellen Rechtskraft" bezeichnen, da es sich bei der letzteren gerade um eine an den Inhalt der gerichtlichen Entscheidung anknüpfende Wirkung handelt. 43 So im Erg. auch Brox, ZZP 73 (1960), 46, 49/50; H. F. Gaul, FS Zeuner (1994), S. 317, 336/337. 44 Stein/Jonas/Leipold, ZPO, § 325 Rdnr. 5; H. F. Gaul, FS Zeuner (1994), S. 317,340.
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kungen aus ihrer instrumentalen Einkleidung herausgelö~t werden.45 Dabei ergibt sich für die- gesetzliche - Tatbestandswirkung folgendes Bild: Zum einen wird die Maßgeblichkeit der getroffenen gerichtlichen Entscheidung für das Rechtsverhältnis zwischen den Parteien auch insoweit gesichert, als es um - wie auch immer geartete - rechtliche Beziehungen zu Dritten geht. Denn dieselbe Rechtsfolge wird in einem weiteren Prozeß mangels materiellrechtlicher Erheblichkeit grundsätzlich46 nicht noch einmal aufgeworfen und seitens des Gerichts unter Umständen anders entschieden. Die Parteien laufen mittels dieser gesetzgeberischen Konstruktion nicht Gefahr, durch eine abweichende gerichtliche Beurteilung der im ersten Verfahren umstrittenen Rechtsfolge eine mögliche Entwertung ihres Prozeßerfolges hinnehmen zu müssen. Die Konvergenz verschiedener gerichtlicher Entscheidungen ist damit prinzipiell gewährleistet. 47 Zum anderen befindet sich der Dritte bei einer ihn belastenden Rechtsänderung aus seiner Sicht im Ergebnis in derselben Situation, als wenn der Entscheidungsinhalt für seine rechtliche Lage zwar vorgreifliehen Charakter hätte, er aber an diesen Inhalt qua Rechtskraft gebunden und mit sämtlichem Vorbringen gegen die Richtigkeit des Erkenntnisses präkludiert wäre. So gesehen ist Grunsky zuzustimmen, wenn er in der Rechtskraftwirkung und in der Tatbestandswirkung lediglich unterschiedliche Wege sieht, die zu demselben Ziel der Präjudizierung Dritter führen.48 Nun liegt das Anordnen einer Tatbestandswirkung grundsätzlich im Rahmen des Gestaltungsermessens, das dem Gesetzgeber bei der Schaffung der einfachgesetzlichen Ordnung zusteht. Allerdings wirft die soeben beschriebene Bedeutung dieser Entscheidungswirkung für Dritte die Frage auf, ob und inwieweit es verfassungsrechtliche Grenzen der Drittbindung qua Tatbestandswirkung - insbesondere im Hinblick auf das Gebot der Gewährung rechtlichen Gehörs (Art. 103 Abs. 1 GG)- gibt. 49 Auf dieses Problem ist im Rahmen der verfassungsrechtlichen Ausführungen zurückzukommen. 50 45 Für eine Trennung zwischen einer instrumentalen und einer funktionalen Betrachtung rechtlicher Phänomene etwa Bruns, ZZP 78 (1965), 264 ff., insbesondere S. 284-286. Anklänge auch bei Bötticher, ZZP 85 (1972), I, 15. Krit. aber H. F. Gaul, FS Flume (1978), Bd. I, S. 443, 525 (Fn. 469).
46 Ausgenommen sind diejenigen Fälle, in denen die festgestellte Rechtsfolge zusätzlich zum Vorhandensein eines entsprechenden Erkenntnisses für die Änderung der Rechtslage eines Dritten vorliegen muß; vgl. dazu oben Fn. 40. 47 Die verfahrensmäßige Sicherung des Prozeßergebnisses kann daher entgegen Bruns, ZPR, Rdnr. 217 a- d, nicht nur durch innerprozessuale Bindungswirkung oder durch materielle Rechtskraft erfolgen, sondern vom Gesetzgeber auch durch die Anordnung einer, von Bruns, a. a. 0., als "praktische Wirkung" bezeichneten Tatbestandswirkung herbeigeführt werden. 48 In: FamRZ 1969, 522, 524. Ähnlich H. F. Gaul, FS Zeuner (1994), S. 322 (einschränkend aber S. 341-345). 49 In diese Richtung Grunsky, FamRZ 1969, 522, 524 (Fn. 19); M. Wolf, AcP 180 (1980), 430; Schlosser, Gestaltungsklagen und Gestaltungsurteile, S. 171 ; Calavros, Urteilswirkun-
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b) Gestaltungswirkung
aa) Grundfragen Als Gestaltungswirkung bezeichnet man diejenige Entscheidungswirkung, die gestaltenden Gerichtsentscheidungen zukommt. Sie besteht darin, daß durch diese Urteilsart eine Änderung der materiellen Rechtslage51 herbeigeführt wird. 5 2 Sie ist eine Inhaltswirkung in dem Sinne, als die gerichtliche Entscheidung nach Streitgegenstand und Urteilstenor auf die Veränderung des materiellen Rechts abzielt, 53 wenngleich nicht zu verkennen ist, daß der Grund für die Umgestaltung der Rechtslage nicht in einer besonderen richterlichen Gestaltungsmacht liegt, sondern in deijenigen Norm, die die Rechtsänderung an das Vorliegen einer entsprechenden Entscheidung knüpft. 54 Eine durch die Gestaltungswirkung vermittelte Bindung Dritter setzt zumindest voraus, daß die Rechtsstellung des Dritten kraft materiellen Rechts vom Bestehen bzw. Nichtbestehen des umgestalteten Rechtsverhältnisses abhängig ist. Die Rechtsnatur dieser Drittbindung wird ganz überwiegend auf der Ebene des materiellen Rechts angesiedelt, auch wenn für den Eintritt der Gestaltungswirkung stets ein prozessualer Akt erforderlich ist. 55 Die Bindung qua Gestaltung bedeutet für gen zu Lasten Dritter, S. 167. Für eine völlige Freiheit des Gesetzgebers beim Statuieren von Nebenwirkungen noch Kisch, Beiträge zur Urteilslehre, S. 36; Kuttner, Die privatrechtliehen Nebenwirkungen der Zivilurteile, S. 3. Ebenso Nicklisch, Die Bindung der Gerichte an gestaltende Gerichtsentscheidungen und Verwaltungsakte, S. 67; Waldner, Der Anspruch auf rechtliches Gehör, Rdnr. 432. 50 Siehe dazu unten § 9 II. 51 Gestaltungswirkungen außerhalb des materiellen Rechts bleiben im Folgenden unberücksichtigt. 52 Vgl. nur Stein/Jonas/Leipold, ZPO, § 322 Rdnr. 13; Jauemig, ZPR, § 65 I I, S. 241 ; A. Blomeyer, ZPR, § 94 I, S. 523; Rosenberg/Schwab/Gottwald, ZPR, § 94 I 1, S. 526; Grunsky, Grundlagen des Verfahrensrechts, § 38 II 3 a, S. 374; K. Schmidt, JuS 1986, 35, 38. 53 Bötticher, FS Hundert Jahre DJT (1960), Bd. I, S. 511, 515; Nicklisch, Die Bindung der Gerichte an gestaltende Gerichtsentscheidungen und Verwaltungsakte, S. 109. 54 H. F. Gaul, FS Zeuner (1994), S. 317, 335; Schlosser, Gestaltungsklagen und Gestaltungsurteile, S. 22; eingehend Nicklisch, Die Bindung der Gerichte an gestaltende Gerichtsentscheidungen und Verwaltungsakte, S. 131-136. Dieser Umstand veranlaßt manche dazu, die Gestaltungswirkung nur als einen besonderen Fall der Tatbestandswirkung aufzufassen; vgl. A. Blomeyer, ZPR, § 86 III 2, S. 456, § 94 I, S. 523; Bötticher, FS Hundert Jahre DJT (1960), Bd. I, S. 511, 515. In diese Richtung auch Kisch, Beiträge zur Urteilslehre, S. 47. Für Martens, ZZP 79 (1966), 404, 447, sind die beiden Entscheidungswirkungen- allerdings bedingt durch sein Verständnis vom Urteil als "Vervollständigung" der materiellen Rechtslagesogar identisch. 55 Im einzelnen finden sich eine Fülle unterschiedlicher Vorstellungen: Nach Ansicht von Stein/Jonas/Leipold, ZPO, § 325 Rdnr. 7; Nikisch, ZPR, § 104 IV 2, S. 409; Schack, NJW 1988, 865; Kuttner, Urteilswirkungen außerhalb des Zivilprozesses, S. 19/20, und Hofmann, Über das Wesen und die subjektiven Grenzen der Rechtskraft, S. 5, sollen Dritte die Tatsache, daß das Gestaltungsurteil die Rechtslage geändert habe, nicht bestreiten können. Zeiss,
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den von ihr erfaßten Dritten inhaltlich, daß er die mit der Rechtskraft der Gestaltungsentscheidung eintretende Veränderung der Rechtslage als solche nicht mehr in Frage stellen kann. Der Einwand des Dritten, in Wirklichkeit habe kein Gestaltungsgrund bestanden und daher habe sich die Rechtslage zumindest ihm gegenüber nicht geändert, ist somit unerheblich.56 Die Gestaltungswirkung ist nach heutzutage einhellig vertretener Auffassung nicht mit der materiellen Rechtskraft identisch. 57 Den auf eine Gestaltungsklage ergehenden Urteilen kommt vielmehr eine eigenständige Rechtskraftwirkung zu. Dies ist auch dann der Fall, wenn das Urteil der Klage stattgibt, also die Rechtsgestaltung ausspricht. 58 In einer solchen Konstellation entfaltet die Entscheidung demnach sowohl Gestaltungs- als auch Rechtskraftwirkung. Als Gegenstand der Rechtskraft sieht man die Feststellung des Bestehens eines Gestaltungsklagerechts59 bzw. eines Gestaltungsgrundes60 an. Daraus folgt, daß eine diesbezügliche
ZPR, Rdnr. 564; Lent, ZZP 61 (1939), 279, 306; Bötticher, FS Hundert Jahre DJT (1960), Bd. I, S. 511, 514, H. F. Gaul, FS Zeuner (1994), S. 317, 334-336, und Henckel, Parteilehre und Streitgegenstand im Zivilprozeß, S. 207/208, vertreten die Auffassung, daß der Richter eines zweiten Prozesses die veränderte Rechtslage auf Grund seiner allgemeinen Bindung an das gesamte materielle Recht zu beachten habe. Nicklisch, Die Bindung der Gerichte an gestaltende Gerichtsentscheidungen und Verwaltungsakte, S. 87/88 u. 100/101, will zwischen der unter Umständen nur zwischen den Parteien erfolgenden Rechtsänderung und ihres "Anerkennenmüssens" durch Dritte unterscheiden, wobei letzteres aber ebenfalls auf der Gesetzesbindung der Gerichte fuße, S. 138-141; diese Differenzierung ab!. Zeuner, ZZP 80 (1967), 504, 506; Grunsky, Grundlagen des Verfahrensrechts, § 48 II (Fn. 2), S. 550; Schlosser, Gestaltungsklagen und Gestaltungsurteile, S. 162. Koussoulis, Beiträge zur modernen Rechtskraftlehre, S. 1411142 (Fn. 189, 191), führt die Bindung Dritter auf das vom "allgemeinen objektiven Recht" streng zu trennende, durch das Gestaltungsurteil geschaffene "besondere objektive Recht" zurück. Calavros, Urteilswirkungen zu Lasten Dritter, S. 121 ff., meint unter unzutreffender Berufung, S. 123 (Fn. 63), auf Henckel, a. a. 0., S. 208 - , die auf Grund der Gestaltungswirkung in einem späteren Prozeß eintretende Bindung nur prozessual erklären zu können. 56 Durch das Gestaltungsurteil findet gleichsam eine "Emanzipation" der Rechtsfolgen von ihren Voraussetzungen statt. Eingehend zur "Loslösung" des Gestaltungsurteils vom Gestaltungsgrund Lent, ZZP 61 (1939), 279, 282-287, 302-310. Siehe auch Becker, AcP 188 (1988), 24, 31 (Fn. 26): "Abkoppelung" von den besonderen Wirksamkeits-voraussetzungen des materiellen Rechts. Anders aber Goldschmidt, AcP 117 (1919), I, 16/17. 57 Stein / Jonas/Leipold, ZPO, § 325 Rdnr. 7; Jauemig, ZPR, § 65 I 4, S. 2411242; A. Blomeyer, ZPR, § 94 IV vor 1, S. 529; Rosenberg/Schwab/Gottwald, ZPR, § 94 111 2, S. 529; K. Schmidt, JuS 1986, 35, 38; Schlosser, Gestaltungsklagen und Gestaltungsurteile, S. 25-28; mißverständlich aber Baumbach I Lauterbach I Albers/ Hartmann, ZPO, Einf §§ 322-327 Rdnr. 9; Jox, Die Bindung an Gerichtsentscheidungen über präjudizielle Rechtsverhältnisse, S. 55. Grundlegend Lent, ZZP 61 (1939), 279, 281 ff. Zu älteren Anschauungen in der Literatur vgl. Nicklisch, Die Bindung der Gerichte an gestaltende Gerichtsentscheidungen und Verwaltungsakte, S. 73-75, 83-86. 58 Vgl. nur Zöller/Vollkommer, ZPO, § 322 Rdnr. 4; Stein/Jonas /Leipold, ZPO, § 322 Rdnr. 65-67; Rosenberg/Schwab/Gottwald, ZPR, § 94 III 2, S. 529; Schlosser, ZPR, Bd. I, Rdnr. 218. Grundlegend Dölle, ZZP 62 (1941), 281 ff. Ebenso bereits Hellwig , System des Deutschen ZPR, § 228 111 1, S. 774.
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Bindung Dritter nur eintritt, sofern sie von der Rechtskraft der Gestaltungsentscheidung erfaßt werden. Durch die Gestaltungswirkung als solche wird für Dritte somit keine Bindung an das Bestehen eines Gestaltungsgrundes herbeigeführt. Die Frage, ob die Beeinflussung der Rechtsstellung eines Dritten überhaupt in Betracht zu ziehen ist, hängt deshalb davon ab, ob sich das Vorgreiflichkeitsverhältnis auf die neue rechtliche Situation oder auf das Vorliegen des Gestaltungsgrundes selbst61 bezieht. Demgegenüber tritt in keinem Fall eine Bindung des Dritten an das Bestehen des zu ändernden Rechtsverhältnisses ein, da dieses als bloße Vorfrage von der materiellen Rechtskraft der Gestaltungsentscheidung anerkanntermaßen nicht umfaßt wird62 . Schließlich setzt die in einem konkreten Fall zu bejahende Bindung Dritter qua Gestaltungswirkung das Vorhandensein eines Rechtssatzes voraus, der der gerichtlichen Entscheidung unmittelbar rechtsändernden Charakter zuerkennt. Neben den insoweit unproblematischen ausdrücklichen Anordnungen ist es durchaus möglich, daß zwar äußerlich eine Feststellungsentscheidung ergeht, eine Norm des materiellen Rechts dem Erkenntnis aber eine rechtsändernde Wirkung beimißt, auf die das gesamte Verfahren angelegt ist. 63 Ein Beispiel hierfür stellt § 24 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG dar, nach dem die gerichtliche Feststellung der Nichtwählbarkeit zum Erlöschen der Mitgliedschaft im Betriebsrat führt. Der rechtskräftige Beschluß des Arbeitsgerichts hat somit trotz seines lediglich feststellenden Tenors rechtsgestaltende Wirkung.64 Ferner ist in Rechtsprechung und Schrifttum anerkannt, daß ausdrücklich geregelte Gestaltungsklagerechte unter eingeschränkten Voraussetzungen einer analogen Anwendung zugänglich sind.65 Gerichtliche Entscheidungen 59 So MünchKommZPO/Gottwald, § 322 Rdnr. 172; Jauemig, ZPR, § 65 II, S. 242; Rosenberg/Schwab/Gottwald, ZPR, § 94111 2, S. 529; Bötticher, FG Rosenberg (1949), S. 73, 84-87. In diesem Sinne wohl auch Zöller/Vollkommer, ZPO, § 322 Rdnr. 4. 60 So Henckel,Parteilehre und Streitgegenstand im Zivilprozeß, S. 33-35, 209-211 , 286288. 61 Das Bestehen von in diesem Zusammenhang häufig genannten Bereicherungs- oder Schadensersatzansprüchen, für die es auf das Fehlen des Gestaltungsgrundes ankäme, ist im Verhältnis einer Partei zu einem Dritten allerdings nur schwer vorstellbar. 62 Vgl. Hellwig, Wesen und subjektive Begrenzung der Rechtskraft, S. 4 (Fn. 10); Zöller/ Vollkommer, ZPO, § 322 Rdnr. 3. Zu pauschal Hecker, AcP 188 (1988), 24, 54/55: "Feststellung hinsichtlich des ( ?) streitbefangenen Rechtsverhältnisses". 63 Eingehend zu den Gestaltungsentscheidungen in Form von Feststellungsentscheidungen Schlosser, Gestaltungsklagen und Gestaltungsurteile, S. 23/24, 59-63, sowie Nicklisch, Die Bindung der Gerichte an gestaltende Gerichtsentscheidungen und Verwaltungsakte, S. 115128, der für diese Fallgruppe allerdings den Terminus "Quasigestaltungswirkung" verwendet. Gegen diese Begriffsbildung aber Schlosser, a. a. 0., S. 24. 64 BAG, Urt. v. 29. 9. 1983, AP Nr. 15 zu § 15 KSchG 1969 (unter II 3 a d. Gr.); Wiese, GK-BetrVG, § 24 Rdnr. 52. Dasselbe gilt nach BAG, Beseht. v. 29. 11. 1989, AP Nr. 20 zu § 78a BetrVG 1972, für die arbeitsgerichtliche Entscheidung, die einem Feststellungsantrag i. S. des § 78a Abs. 4 S. 1 Nr. 1 BetrVG stattgibt. 65 RG, Urt. v. 9. 10. 1914, RGZ 85, 312, 313; BGH, Urt. v. 24. 10. 1951, BGHZ 3, 285, 289/290; Urt. v. I. 4. 1953, BGHZ 9, 157, 166-174; Urt. v. 17. 2. 1955, BGHZ 16, 317, 322;
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können demnach trotz des Fehlens einer unmittelbar anwendbaren gesetzlichen Grundlage66 zu einer Rechtsänderung führen. Als arbeitsrechtliches Beispiel sei die Rechtsprechung des BAG genannt, nach der gegen betriebsratsinterne Wahlen (§§ 26, 27 BetrVG) Rechtsschutz in Form einer Anfechtungsklage gewährt wird, wobei sich das Gericht auf eine Analogie zu § 19 BetrVG (Wahlanfechtungsverfahren) stützt. 67 bb) Subjektiver Umfang der Gestaltungswirkung Die subjektive Reichweite der Gestaltungswirkung ist umstritten. Die h. M. vertritt die These, jedermann sei an die eintretende Rechtsänderung gebunden. 68 Zur Begründung begnügt man sich in aller Regel mit der Aussage, daß eine Umgestaltung der Rechtslage notwendigerweise für und gegen alle wirken müsse. 69 Dies allein vermag jedoch noch nicht zu überzeugen, da eine relative Wirkung gerichtlicher Gestaltungen keineswegs eine "logische Ungeheuerlichkeit"70, sondern ebenso denkbar ist wie beispielsweise eine relative Rechtszuständigkeit. 71 Gegen die h. M. hat sich deshalb schon recht frühzeitig eine Gegenströmung entwickelt, die eine Gestaltungswirkung gegenüber Dritten nur in dem Umfange anerkennt, in dem diese auch von der Rechtskraft der Entscheidung erfaßt werden. 72 Allerdings wird Urt. v. 21. 3. 1988, BGHZ 104,66, 69; Thomas!Putzo, ZPO, Vorbem. § 253 Rdnr. 7; Stein/ Jonas/Schumann, ZPO, Vor§ 253 Rdnr. 46; Rosenberg!Schwab/Gottwald, ZPR, § 94 II, S. 527; Grunsky, Grundlagen des Verfahrensrechts, § 38 II 3, S. 375; Fasching, JBI 1975, 505, 507-511 ; Schlosser, Gestaltungsklagen und Gestaltungsurteile, S. 276-286. 66 Insoweit ist das Wort Böttichers, FS Hundert Jahre DJT (1960), Bd. I, S. 511, 522 (Fn. 19), vom "numerus clausus" der Gestaltungsklagen zu relativieren. 67 Beschl. v. 13. 11. 1991, AP Nr. 9 zu§ 26 BetrVG 1972 (unter B 1 d. Gr.), und AP Nr. 3 zu § 27 BetrVG 1972 (unter B II 1 b d. Gr.); Beschl. v. 15. l. 1992, AP Nr. 10 zu § 26 BetrVG 1972 (unter B II 2 d. Gr.). 68 RG, Urt. v. 2. 11. 1912, RGZ 80, 317, 323; BGH, Urt. v. 16. 11. 1951, BGHZ 3, 385, 388; Thomas/Putzo, ZPO, Vorbem. § 253 Rdnr. 6; Zöller/Vollkommer, ZPO, § 322 Rdnr. 3; Stein/Jonas/Leipold, ZPO, § 325 Rdnr. 7; Jauemig, ZPR, § 65 I 4, S. 242; Bruns, ZPR, Rdnr. 223; K. Schmidt, JuS 1986, 35, 40. 69 RG, Urt. v. 2. 11. 1912, RGZ 80, 317, 323; Stein/Jonas/Leipold, ZPO, § 325 Rdnr. 7; Jauemig, ZPR, § 65 I 4, S. 242; Schack, NJW 1988, 865; H. F. Gaul, FS Beitzke (1979), S. 997, 1026; Hellwig, Wesen und subjektive Begrenzung der Rechtskraft, S. 3; Hofmann, Über das Wesen und die subjektiven Grenzen der Rechtskraft, S. 4/5. Gegen den in diesem Zusammenhang häufig verwendeten Begriff der "inter-omnes-Wirkung" Bötticher, FS Hundert Jahre DJT (1960), Bd. I, S. 511, 515. 70 So Bachof, MDR 1950, 375, 376. 71 Brox, FamRZ 1963, 392, 393 (Fn. 12); Grunsky, ZZP 76 (1963), 49, 71 (Fn. 81); Schlosser, JZ 1967, 431, 436; derselbe, Gestaltungsklagen und Gestaltungsurteile, S. 27/28, 195. Gegen eine begriffliche Argumentation ebenfalls K. Schmidt, JuS 1986, 35, 40. Auch Henckel, Parteilehre und Streitgegenstand im Zivilprozeß, S. 208, wendet sich lediglich gegen die relative Gestaltung eines einheitlichen Rechtsverhältnisses. n So schon Goldschmidt, AcP 117 (1919), 1, 18-24; derselbe, Der Prozeß als Rechtslage, S. 205 (Fn. 1138). Ebenso Bettermann, Die Vollstreckung des Zivilurteils in den Grenzen sei-
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diese Tendenz zur Einschränkung der Gestaltungswirkung regelmäßig dadurch abgemildert, daß die materielle Rechtskraft über die subjektiven Grenzen hinaus ausgedehnt wird, die ihr nach der h. M. gesetzt sind. 73 Dieser Sichtweise ist zuzugestehen, daß die Gleichbehandlung funktionsäquivalenter Bindungsformen ein berechtigtes Anliegen zur Vermeidung von Wertungswidersprüchen 74 ist. Die subjektive Reichweite von Drittbindungen kann in den durch das Gesetz nicht eindeutig vorgezeichneten Fällen schwerlich allein von ihrer konstruktiven Einordnung als Gestaltungs- oder Rechtskraftwirkung abhängen, sondern muß von materiellen Wertungen zumindest mitbeeinflußt sein. Ausgangspunkt muß indessen die Analyse der unmittelbar einschlägigen gesetzlichen Bestimmungen sein. Insoweit läßt sich den jeweiligen Gesetzesregelungen über Gestaltungsprozesse der gemeinsame übergreifende Zweck entnehmen, Rechtsklarheit und Rechtssicherheit über die nach seinem Abschluß bestehende Rechtslage zu schaffen.75 Hieraus ist zu schließen, daß die neue rechtliche Situation grundsätzlich für und gegen jedermann und nicht nur für und gegen die Parteien gelten soll.76 Der Berufung auf den Gesetzeszweck, dem mangels semantischer Anhaltspunkte bei der Frage nach dem subjektiven Umfang der Gestaltungswirkung entscheidende Bedeutung zukommt, steht nicht etwa entgegen, daß sich die Gesetzesmaterialien zu diesem Problem zumindest nicht in allen Fällen äußem. 77 Denn zum einen handelt es sich bei dem Gebot der Rechtssicherheit um einen generellen normativen Zweck, der bei der Gesetzesauslegung und -ergänzung - im Sinne der herkömmlichen Methodenlehre - als objektiv-teleologisches Kriterium78 bzw. - im Sinne neuerer argumentationstheoretiner Rechtskraft, S. 97-100; A. Blomeyer, ZPR, § 94 li, S. 524; Grunsky, Grundlagen des Verfahrensrechts, § 48 li, S. 551-554; Fasching, JBl 1975, 505, 519/520; Häsemeyer, AcP 188 (1988), 140, 153. Für eine Relativierung der Gestaltungswirkung auch Rechberger/Oberhammer, ZZP 106 (1993), 347, 360. In diese Richtung ebenfalls Zeuner, Rechtliches Gehör, materielles Recht und Urteilswirkungen, S. 54155. Zum Hintergrund dieser Ansicht, der darin besteht, daß es für den Eintritt der Gestaltungswirkung stets auf das Vorliegen des Gestaltungsgrundes ankommen soll, siehe Bötticher, FS Hundert Jahre DJT (1960), Bd. I, S. 511, 516. Weniger weitgehend bei der Einschränkung der Gestaltungswirkung Brox, FamRZ 1963, 392, 397/398. 73 Vgl. Bettermann, Die Vollstreckung des Zivilurteils in den Grenzen seiner Rechtskraft, S. 79ff.; A. Blomeyer, ZPR, § 93 III, S. 519-522; Grunsky, Grundlagen des Verfahrensrechts, § 48 II, S. 550-554; Fasching, JB11975, 505,519/520. 74 Zu diesem Postulat siehe bereits oben § 1 I. mit Fn. 21. 75 Bötticher, FS Hundert Jahre DJT (1960), Bd. I, S. 51l, 516; K. Schmidt, JuS 1986, 35, 36; H. F. Gaul, FS Zeuner (1994), S. 317, 335; ausführlich Schlosser, Gestaltungsklagen und Gestaltungsurteile, S. 30-33, 196. 76 Stein/Jonas / Schumann, ZPO, Vor§ 253 Rdnr. 61 ; Bötticher, FS Hundert Jahre DJT (1960), Bd. I, S. 511, 516; K. Schmidt, JuS 1986, 35, 40; Schlosser, Gestaltungsklagen und Gestaltungsurteile, S. 163; Schuttes, Beteiligung Dritter am Zivilprozeß, S. 1031104. 77 Auf die fehlende Erwähnung der Gestaltungswirkung in den ZPO- bzw. 8GB-Materialien weist Brox, FamRZ 1963, 392, ausdrücklich hin. 78 Vgl. dazu Larenz. Methodenlehre der Rechtswissenschaft, S. 333-339; Bydlinski, Juristische Methodenlehre und Rechtsbegriff, S. 453/454; Wank, Die juristische Begriffsbildung, s. 96.
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scher Begründungsmuster- als "vernünftig"79 zugrundelegt werden kann. Zum anderen läßt sich sagen, daß ein Gesetzgeber, der angesichts der seit langem festgefügten h. M. über die umfassende Wirkung gestaltender Gerichtsentscheidungen bewußt einen Gestaltungsprozeß statuiert, deren Auffassung über die subjektive Reichweite der Drittwirkung rezipiert. 8° Für die Ermittlung des subjektives Umfangs der Gestaltungswirkung in einem konkreten Fall bedeutet dies, daß es - vorbehaltlich verfassungsrechtlicher Korrekturen81 - auf der einfachgesetzlichen Ebene nur darauf ankommt, ob einer gerichtlichen Entscheidung eine das materielle Recht verändernde Kraft zukommen soll. cc) Bedeutung der Gestaltungswirkung Beleuchtet man die Gestaltungswirkung unter dem oben genannten Aspekt der Auswirkungen für die Parteien sowie für Dritte, 82 so ergibt sich folgende Lage: Zunächst werden beide Parteien dahingehend geschützt, daß sie die veränderte rechtliche Situation in Zukunft ihren Rechtsbeziehungen zu Dritten zugrundelegen können. Sie müssen nicht befürchten, daß die Umgestaltung der Rechtslage in einem anderen Prozeß mit Erfolg in Frage gestellt werden kann. Durch die vom Gesetzgeber angeordnete Gestaltungswirkung wird ein Auseinanderfallen verschiedener materieller Rechtslagen im Verhältnis zum Prozeßgegner sowie zu Dritten verhindert. Der Dritte wird durch die Gestaltungswirkung so behandelt, als hätte eine Partei nach der Ausübung eines Gestaltungsrechts einen Feststellungsprozeß über die nunmehr im Verhältnis zur anderen Partei bestehenden Rechtslage geführt und gewonnen und der Dritte wäre durch Rechtskraftwirkung an das Erkenntnis gebunden. Der Rekurs des Dritten auf die frühere - angeblich weiterbestehende Rechtslage ist abgeschnitten. Der vom Gesetzgeber gewählte konstruktive Weg für die Herbeiführung einer Drittbindung ist insoweit austauschbar. Siehe Alexy, Theorie der juristischen Argumentation, S. 296. Vgl. den entsprechenden Gedanken der legislatorischen Übernahme eines durch Rechtsprechung und Rechtslehre ausgebildeten Begriffs in BAG, Beschl. v. 24. 2. 1976, AP Nr. 2 zu§ 4 BetrVG 1972 (unter III 2 d. Gr.); Urt. v. 22. 5. 1979, AP Nr. 3 zu§ 111 BetrVG 1972 (unter I 1 b d. Gr.); Beseht. v. 17. 8. 1982, AP Nr. ll zu§ lll BetrVG 1972 (unter B II 3 b d. Gr.); Urt. v. 6. 12. 1990, AP Nr. 12 zu § 2 BeschFG 1985 (unter II 2 b d. Gr.); Beschl. v. 25. 3. 1992, AP Nr. 4 zu§ 2 BetrVG 1972 (unter BI 1 d. Gr.). Damit relativiert sich der für sich genommen durchaus zutreffende Einwand von Brox, FamRZ 1963, 392/393, daß sich der Begriff der Gestaltungswirkung außerhalb des Gesetzes in der Wissenschaft entwickelt und bislang, soweit ersichtlich, in keiner zivilrechtliehen Vorschrift Niederschlag gefunden hat. Zu den Grenzen eines solchen Denkens siehe aber auch BVerfG, Beseht. v. 9. 2. 1988, BVerfGE 78, 20, 25. 81 Siehe hierzu unten§§ 9 u. 10. 82 Siehe dazu oben unter a) cc). 79
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l. Teil: Einführung
c) Zur Nonnwirkung gerichtlicher Entscheidungen
Die Eigenart eines Teils der zu verhandelnden Fallkonstellationen gibt zu der Frage Anlaß, ob sich eine Bindung Dritter zumindest im Grundsatz aus einer materiellrechtlich zu deutenden normativen Wirkung einer gerichtlichen Entscheidung herleiten läßt. Hintergrund dieser Überlegung ist der Umstand, daß im Folgenden unter anderem die Wirkung von Urteilen über Tarifverträge untersucht werden soll, die gemäß § 1 TVG - jedenfalls regelmäßig - einen normativen Teil enthalten. Darüber hinaus plädiert ein Teil des Schrifttums für diese Bindungsmodalität zur Erklärung der - als solche in § 9 TVG positivrechtlich verankerten - parteiübergreifenden Urteilswirkung. So hat Bötticher unter Verweis auf § 31 Abs. 2 BVerfGG, der die Gesetzeskraft der Entscheidung des BVerfG im Normenkontrollverlabren anordnet, davon gesprochen, daß eine Norm, die zum Streitgegenstand wird, "die Betroffenen mit sich zieht". 83 Hieran anknüpfend setzt sich in neuerer Zeit vor allem Rieble für eine materiellrechtlich zu verstehende Normwirkung der in einem Verfahren im Sinne des§ 9 TVG ergehenden Entscheidung ein.84 Nun wird zwar die in § 31 Abs. 2 BVerfGG vorgesehene "Gesetzeskraft" in der Tat überwiegend im Sinne einer von der materiellen Rechtskraft zu unterscheidenden "Allgemeinverbindlichkeit" gedeutet, 85 ohne allerdings - wie teilweise ausdrücklich hervorgehoben wird86 - einem Gesetz gleichzustehen. Indessen hat Sachs in seiner grundlegenden Schrift zu den Wirkungen der Entscheidungen des BVerfG in überzeugender Weise dargetan, daß dieser Ansicht nicht gefolgt werden kann und die Gesetzeskraft stattdessen als materielle Rechtskraft inter omnes aufzufassen ist.87 Dies beruht zum einen darauf, daß eine Normwirkung sinnvollerweise nur dann angenommen werden könnte, wenn die Entscheidung selbst Verhaltensregeln beinhalten würde. Dies ist jedoch weder bei der Feststellung der Wirksamkeit noch der Unwirksamkeit einer Norm der Fall. 88 Weiter kann vom In: FS Hundert Jahre DJT (1960), Bd. I, S. 511, 523. In: NZA 1992, 250, 255; derselbe, Anm. zu BAG, EzA § 112 BetrVG 1972 Nr. 59 (unter I 1); ebenso Löwisch/Rieble, TVG, § 9 Rdnr. 55-59. Abweichend nunmehr derselbe, Anm. zu BAG, EzA § 99 BetrVG 1972 Nr. 122 (unter II 2), wo§ 9 TVG als "Spezialfall der präjuziellen Bindungswirkung" bezeichnet wird, bei der es sich um eine "Folgewirkung auf der prozessualen Ebene" handeln soll (vgl. dazu ferner unter 3. b) dd) sowie § 3 II. 1. a) bb) u. ee)). Siehe auch BAG, Urt. v. 8. 1. 1957, AP Nr. 7 zu§ 256 ZPO (unter I d. Gr.), wo es ebenfalls heißt, daß im Wege der Feststellungsklage eine "normative Wirkung" erzielt werden könne. 85 Siehe etwa BVerfG, Beschl. v. 30. 5. 1972, BVerfGE 33, 199, 203; BGH (OS), Beschl. v. 20. 5. 1954, BGHZ 13, 265, 278/279; Umbach/Clemens, BVerfGG, § 31 Rdnr. 98; H. F. Gaul, FS Beitzke (1979), 997, 1017. 86 Vogel, FS BVerfG (1976), Bd. I, S. 568, 610-616; Lange, JuS 1978, I, 6. 87 In: Die Bindung des Bundesverfassungsgerichts an seine Entscheidungen (1977), S. 292-307. Ebenso Stern, BonnerKomm, GO, Art. 100 (Zweitbearbeitung) Rdnr. 139; Bettermann, ZZP 72 (1959), 32, 36; Brox, FS Geiger (1974), S. 809, 818. 88 Sachs, a. a. 0., S. 300. 83
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Entscheidungsgegenstand nicht ohne weiteres auf die Rechtsnatur der Entscheidungswirkung geschlossen werden. Bestünde ein derartiger Rechtssatz, so müßte dem Urteil über die Wirksamkeit eines Rechtsgeschäfts rechtsgeschäftlicher Charakter, der Entscheidung über einen Verwaltungsakt die Qualität eines solchen beigelegt werden. 89 Ferner hat sich bereits für die Normenkontrollentscheidungen des Reichsstaatsgerichtshofs die Auffassung herausgebildet, daß insoweit eine Rechtskraft inter ornnes eintrete,90 eine Sichtweise, die interessanterweise auch von Bötticher vertreten wurde91 . Darüber hinaus wird die in § 47 Abs. 6 S. 2 VwGO ausgesprochene Allgemeinverbindlichkeit der Nichtigerklärung einer Norm durch das OVG ebenfalls im Sinne einer Rechtskraftwirkung inter ornnes gedeutet. 92 Die Ablehnung der Rechtskraft als Bindungsmodalität kann entgegen Rieble93 auch nicht damit begründet werden, daß anderenfalls das "absurde" Ergebnis einer Nebeninterventionsberechtigung im Sinne des § 66 ZPO aller von der Entscheidung Betroffenen eintrete. Dieser Einwand verkennt, daß die Befugnis zur Streithilfe nach einhelliger Ansicht nicht an eine zu erwartende Rechtskraftwirkung gebunden ist, sondern sämtliche Entscheidungswirkungen umfaßt. 94 Sofern man das Recht zu einer Nebenintervention überhaupt beschneiden will, kann dies allein auf sachliche Gesichtspunkte, nicht aber auf die Form der Drittbindung gestützt werden. Nach alledem ist die Möglichkeit, daß einer gerichtlichen Entscheidung materiellrechtliche Normwirkung eignet, grundsätzlich abzulehnen. Das Urteil über die Gültigkeit einer Norm ist und bleibt Richterspruch. 95 Neben der schon erwähnten Tatbestands- und Gestaltungswirkung und der noch zu erörternden Rechtskraftwirkung ist für eine eigenständige, gesetzesähnliche Normwirkung der Entscheidung eines Gerichts kein Raum.
d) Privatautonome Verknüpfungen
Die in Betracht kommenden Möglichkeiten der Bindung Dritter durch arbeitsgerichtliche Entscheidungen blieben unvollständig, würde man Anknüpfungen auf privatautonomer (rechtsgeschäftlicher) Grundlage außer acht lassen.
Sachs, a. a. 0., S. 300. Vgl. Schäfer, NJW 1954, 1465, 1466 mit Nachw. in Fn. 11. 91 In: LZ 1926, Sp. 882, 888-890. 92 Bettemulnn, DVBI1982, 954, 956/957; Prütting, RdA 1991, 257, 262. 93 Ip: NZA 1992, 250, 255; derselbe, Anm. zu BAG, EzA § 112 BetrVG 1972 Nr. 59 (unter II); ebenso Löwisch/Rieble, TVG, § 9 RdNr. 59. 94 Vgl. nur Thomas/Putzo, ZPO, § 66 Rdnr. 5; Zöller/Vollkommer, ZPO, § 66 Rdnr. 11; MünchKommZPO/Schilken, § 66 Rdnr. 10-18; Stein/Jonas/Bork, ZPO, § 66 Rdnr. 18-23. 95 So ausdrücklich Brox, FS Geiger (1974), S. 809, 818. 89
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I . Teil: Einführung
Die Besonderheit vertraglicher Bezugnahmen auf gerichtliche Entscheidungen liegt zunächst darin, daß -anders als bei gesetzlichen Drittbindungen - die individuelle Abrede über die Tragweite der Bindung entscheidet. Generelle Aussagen lassen sich deshalb von vornherein nur über den Rahmen, den die Rechtsordnung hierfür bereithält, sowie über die typische, von den Besonderheiten des Einzelfalles abstrahierende Bedeutung von Bezugnahmeklauseln tätigen. Inhaltlich sind einerseits Konstellationen denkbar, in denen bereits abschließend fixierte Rechtsfolgen dann eintreten sollen, wenn ein Urteil bestimmten Inhalts ergeht. Der Entscheidung kommt in diesem Falle eine -auf vertraglicher Basis - beruhende Tatbestandswirkung zu, deren Zulässigkeit allseits anerkannt ist. 96 Andererseits ist es auch möglich, den Inhalt eines zwischen zwei Parteien ergehenden Judikats als verbindlich für die Rechtsbeziehungen zu einem Dritten zu erklären. Allerdings handelt es sich hierbei trotz der Anknüpfung an den Entscheidungsinhalt nicht um eine Rechtskrafterstreckung. Eine vertragliche Disposition über die subjektiven Grenzen der Rechtskraft ist nach überwiegender Ansicht, die sich auf den öffentlichrechtlichen Charakter der Rechtskraft beruft, nämlich ausgeschlossen.97 Vielmehr liegt eine ausschließlich materiellrechtliche Bindung vor. Beispielhaft sei die vom BGH vorgenommene Auslegung von Klauseln genannt, durch die sich ein Leasinggeber in wirksamer Weise von seiner mietrechtlichen Mängelhaftung unter Abtretung der kaufrechtlichen Gewährleistungsansprüche gegen den Lieferanten freigezeichnet hat. Danach hat der Leasinggeber das Ergebnis eines für den Leasingnehmer erfolgreichen rechtskräftigen Gewährleistungsprozesses gegen den Lieferanten als für sich verbindlich hinzunehmen, was nach Ansicht des BGH keine Folge einer vereinbarten Rechtskrafterstreckung ist, sondern auf einer materiellrechtlich wirkenden Auslegung der Freizeichnungsklausel beruht.98 96 Vgl. Rosenberg!Schwab/Gottwald, ZPR, § 149 V, S. 910; Huber, JuS 1972, 621, 623; Kuttner, Die privatrechtliehen Nebenwirkungen der Zivilurteile, S. 10-15; Calavros, Urteilswirkungen zu Lasten Dritter, S. 161/162. 97 Rosenberg!Schwab/Gottwald, ZPR, § 151 III 2, S. 918; MünchKommZPO/Gottwald, § 325 Rdnr. 76; Stein/Jonas I Leipo/d, ZPO, § 325 Rdnr. 9; Jauernig, ZZP 64 ( 1950/51 ), 285, 305/306; Kempf, ZZP 73 (1960), 342, 371; Hofmann, Über das Wesen und die subjektiven Grenzen der Rechtkraft, S. 1391140. Die von der h. M. bejahte Zulässigkeil gewillkürter Prozeßstandschaft stellt kein Gegenargument dar; dazu ausführlich Jauernig, ZZP 64 (1950/51), 285, 302/303; Sinaniotis, ZZP 79 (1966), 78, 97/98; a. M. aber Goldschmidt, Der Prozeß als Rechtslage, S. 198. Koussoulis, Beiträge zur modernen Rechtskraftlehre, S. 49-51 , bejaht eine Parteidisposition über die "materielle Seite" der Rechtskraft, die allerdings nur auf dem Hintergrund seiner prozeßtheoretischen Grundlagen über die Rechtskraft als prozessuale wie auch materiellrechtliche Beendigung des dreiseiligen Prozeßrechtsverhältnisses zwischen dem Gericht und den Parteien wie auch den Parteien untereinander (S. 34-37) verständlich ist. Hierbei drängt sich allerdings die Frage auf, welche zusätzliche Erkenntnis, die über die allseits anerkannte Möglichkeit der Disposition über die rechtskräftig festgestellte Rechtsfolge hinausreicht, mit dieser terminologischen Distinktion gewonnen wird. 98 BGH, Urt. v. 16. 9. 1981, BGHZ 81, 298, 205; Urt. v. 13. 3. 1991, BGHZ 114, 57, 62; Urt. v. 7. 10. 1992, NJW 1993, 122, 123/124. Entsprechendes gilt bei der Auslegung eines Bürgschaftsvertrages für die Frage, ob sich die Verurteilung des Hauptschuldners zu Lasten
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Ob diese Überlegung zu einer Bindung nichttarifgebundener Personen an gerichtliche Entscheidungen zwischen den Tarifvertragsparteien über den Bestand oder den Inhalt des Vertrages führt, die für den Inhalt ihres Arbeitsvertrages auf einen Tarifvertrag Bezug genommen haben,99 wird zu untersuchen sein. 100 Aus den folgenden Überlegungen ausgeschlossen bleiben Musterprozeßabreden, durch die die Beteiligten bei gleichgelagerten Fällen vereinbaren können, nur ein einzelnes Verfahren zur verbindlichen Klärung der Rechtslage zu betreiben, um dessen Ergebnis dann ihren Rechtsbeziehungen zugrundezulegen. 101 Zwar begegnen auch im Arbeitsrecht wiederholt derartige Fallgestaltungen, 102 was als Beleg für das Bedürfnis nach einheitlichen Entscheidungen 103 wie auch für die praktische Relevanz des gewählten Untersuchungsgegenstandes gewertet werden kann. Gleichwohl sollen im Folgenden die sich heteronom aus der Rechtsordnung ergebenden - und damit entsprechende Vereinbarungen erübrigenden - Entscheidungswirkungen im Mittelpunkt stehen. 104 Privatautonome Verknüpfungen werden nur insoweit erwähnt, als sie ihrem Inhalte nach gerade nicht als Musterprozeßabreden bezeichnet werden können.
des Bürgen auswirkt; vgl. BGH, Urt. v. 19. 3. 1975, NJW 1975, 1119, 1121. Ein Abschneiden des Rekurses seitens des Bürgen auf die wahre Rechtslage wird auch von BGH, Urt. v. 12. 2. 1987, NJW 1987, 2076, 2077, vorausgesetzt. Schließlich sei auf die allseits bejahte Bindungswirkung der Entscheidung im Haftpflichtprozeß zwischen einem Versicherungsnehmer und einem verletzten Dritten für den Deckungsprozeß zwischen Versicherungsnehmer und Haftpflichtversicherer verwiesen; vgl. etwa BGH, Urt. v. 18. 3. 1992, BGHZ 117, 345, 350; Urt. v. 30. 9. 1992, BGHZ 119, 276, 278/279 (jeweils mit weit. Nachw.); so bereits RG, Urt. v. 22. 1. 1880, RGZ 3, 21, 24-26; hierbei handelt es sich nach der Ansicht des BGH, Urt. v. 18. 3. 1992, a. a. 0., um eine "im materiellen Recht wurzelnde Besonderheit der Haftpflichtversicherung". 99 In diese Richtung tendierend z. B. Stein/ Jonas/Schumann, ZPO, § 256 Rdnr. 195. 100 Siehe dazu unten§ 12 I. 2. b) bb). 101 Zöller/Vollkommer, ZPO, § 325 Rdnr. 43b; MünchKommZPO/Gottwald, § 325 Rdnr. 78; Rosenberg/Schwab/Gottwald, ZPR, § 156 IV, S. 941; ausführlich Kempf, ZZP 73 (1960), 342 ff. ; siehe auch Hirte, ZZP 104 (1991), 11, 55/56. 102 Vgl. BAG, Urt. v. 30. 1. 1970, AP Nr. 142 zu§ 242 BGB Ruhegehalt (BI. 2); Urt. v. 18. 2. 1992, AP Nr. 115 zu § 4 TVG Ausschlußfristen. 103 Die Praxis behilft sich zuweilen mit der Verbindung zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung gemäߧ 147 ZPO; vgl. BAG, Urt. v. 26. 4. 1990, AP Nr. 4 zu§ 77 BetrVG 1972 Nachwirkung (BI. 2), bei dem 92 (!) Prozesse verbunden wurden, in denen es jeweils um die identische Frage der Nachwirkung einer Betriebsvereinbarung ging. 104 Zu Musterprozessen in betriebsverfassungs- und mitbestimmungsrechtliehen Angelegenheiten siehe Dütz, BB 1978, 213 ff. 4 Krause
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1. Teil: Einführung 2. Bindung kraft prozessualen Rechts
a) Inhalt der materiellen Rechtskraft
Unter der materiellen Rechtskraft, die jedem formell rechtskräftigen (unanfechtbaren) arbeitsgerichtliehen Endurteil und Beschluß zukommt, 105 versteht man ungeachtet der verschiedenen Auffassungen über ihr "Wesen" die Maßgeblichkeit des Entscheidungsinhalts. 106 Da sich die materielle Rechtskraft - wie bereits dargelegt107 - grundsätzlich nur auf das Bestehen oder Nichtbestehen derjenigen Rechtsfolge bezieht, um die der Rechtsstreit geführt wurde (Feststellungswirkung108), kommt eine durch Rechtskraft bewirkte Drittbindung regelmäßig nur in Frage, wenn die Rechtslage des Dritten vom Subsumtionsschluß als Ganzen abhängt. 109 Dies setzt voraus, daß die festgestellte Rechtsfolge kraft materiellen Rechts vorgreiflich 110 für die Rechtsstellung des Dritten ist. Soweit eine Rechtskrafterstreckung auf einen Dritten zu bejahen ist, wirkt diese in derselben Weise wie bei einem Folgeprozeß zwischen den ursprünglichen Parteien, d. h. die rechtskräftige Feststellung ist bei der Rechtsfindung als verbindlich zugrundezulegen. 111 Allerdings wird die objektive Reichweite der Rechtskraft nicht ausgedehnt, so daß dem Dritten alle Einwendungen aus seinem eigenen Rechtsverhältnis zu einer der Parteien erhalten bleiben. 112
105 Zur materiellen Rechtskraft von Beschlüssen vgl. nur BAG, Beschl. v. 27. 8. 1968, AP Nr. 4 zu§ 80 ArbGG 1953 (unter B 1 d. Gr.); Beschl. v. 27. 1. 1981, AP Nr. 2 zu§ 80 ArbGG 1979 (unter II 2 a d. Gr.); Grunsky, ArbGG, § 46 Rdnr. 32, § 80 Rdnr. 50; Matthes, in: Germelmann/Matthes/Prütting, ArbGG, § 84 Rdnr. 22; Wieser, Arbeitsgerichtsverfahren, Rdnr. 621. 106 Thomas/Putzo, ZPO, § 322 Rdnr. 1; MünchKommZPO/Gottwald, § 322 Rdnr. 1; Stein/Jonas/Leipold, ZPO, § 322 Rdnr. 1, 9; Rosenberg/Schwab/Gottwald, ZPR, § 149 II, S. 908; Brox, JuS 1962, 121; Braun, JuS 1986, 364, 365; Schwab, Der Streitgegenstand im Zivilprozeß, S. 144; Koussoulis, Beiträge zur modernen Rechtskraftlehre, S. 13. 107 Siehe dazu oben unter II. 108 In neuererZeithat Liebman, ZZP 91 (1978), 449, 451-455, für das italienische Recht die Vorstellung entwickelt, daß die materielle Rechtskraft von der Feststellungswirkung zu trennen und als eine besondere Eigenschaft der verschiedenen Urteilswirkungen (Feststellung, Gestaltung, Vollstreckbarkeit) zu verstehen sei. 109 Die Fälle der Identität des Streitgegenstandes eines zweiten Verfahrens mit demjenigen des Erstprozesses spielen für die hier zu behandelnden Fragestellungen keine Rolle. 110 Zum Begriff der Vorgreiflichkeit siehe oben unter I. 111 Stein/Jonas/Leipold, ZPO, § 325 Rdnr. 10; A. Blomeyer, ZPR, § 91 vor I, S. 503/504; Henckel, Prozeßführungsmacht kraft Rechtsscheins, S. 56. Die unterschiedlichen Ansichten über die Wirkungsweise der materiellen Rechtskraft seien hier dahingestellt. Näheres dazu unter § 4 II. 1. 112 A. Blomeyer, ZPR, § 91 vor I, S. 504; Bettermann, Die Vollstreckung des Zivilurteils in den Grenzen seiner Rechtskraft, S. 111 .
§ 2 Instrumentarium der Bindung Dritter
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b) Gesichtspunkte bei der Bestimmung der subjektiven Reichweite der Rechtskraftwirkung
Die Frage nach dem subjektiven Umfang der materiellen Rechtskraft einer gerichtlichen Entscheidung ist jenseits der ausdrücklich geregelten Fälle noch schwerer zu beantworten als diejenige nach dem Vorhandensein einer Tatbestands- bzw. Gestaltungswirkung. Eine sachgerechte Antwort erscheint nämlich nur dann möglich, wenn zuvor geklärt ist, ob weitere funktionsäquivalente Entscheidungswirkungen mit Drittbindungscharakter existieren, 113 da in diesem Falle das Bedürfnis für eine Ausdehnung der materiellen Rechtskraft als Bindungsmodalität geringer wäre. Sodann stellen die §§ 325 ff. ZPO sowie die sonstigen eine Rechtskrafterstreckung regelnden Normen schon auf den ersten Blick besondere Anforderungen an die Rechtfertigung nicht unmittelbar aus dem Gesetz ableitbarer Rechtskraftbindungen Dritter.114 Darüber hinaus geben die verschiedenen Sichtweisen zur materiellen Rechtskraft 115 sowie die Überlegung, ob ein dem materiellen Recht angehörender Tatbestand überhaupt prozessuale Rechtsfolgen zeitigen kann, 116 hinreichenden Anlaß für weitere Erörterungen. Allein die Auflistung dieser Aspekte zeigt, wie vielgestaltig die außerhalb des Arbeits(verfahrens)rechts angesiedelten Vorfragen schon auf der einfachgesetzlichen Ebene 117 sind, die diskutiert werden müssen, bevor eine abschließende Stellungnahme zu der speziellen Thematik von Rechtskrafterstreckungen im kollektiven Arbeitsrecht möglich ist. Angesichts der bis in den Bereich der allgemeinen Rechtslehre 118 sowie der Rechtstheorie 119 hineinreichenden Überlegungen zur Rechtskraft sei aber schon hier darauf hingewiesen, daß Antworten auf die "dogmatische" Frage nach der subjektiven Reichweite der Rechtskraft im Folgenden - lediglich - auf der Ebene von Gesetz und Dogmatik erarbeitet werden sollen.120 Da es der Grundlagenforschung bislang nicht gelungen ist, allseits anerkannte Ergebnisse zu determinieren, 121 erscheint ein Vorgehen auf dogmatischen Wegen gegenüber rechtstheoretischen Bemühungen vorzugswürdig, will man zu praktisch verwertbaren Lösungen gelangen. Siehe dazu sogleich unter 3. Hierzu unten § 4 I. 115 Vgl. unter§ 4 II. 1. 116 Siehe hierzu unten § 7 I. 2. 117 Zu den verfassungsrechtlichen Maßgaben siehe§§ 9 u. 10. 118 Siehe etwa Binder, Prozeß und Recht (1927), passim; in diese Richtung auch Koussoulis, Beiträge zur modernen Rechtskraftlehre, S. 516, 37-42. 119 Kelsen, Reine Rechtslehre, S. 242-260. 12o Zum Unterschied zwischen rechtstheoretischen und rechtsdogmatischen Herangehensweisen auch Neuner, ZZP 54 (1929), 217. 121 Zur Unergiebigkeit (rechts-)philosophischer Lehren für die Methodik zur Lösung konkreter Rechtsfragen siehe Bydlinski, Juristische Methodenlehre und Rechtsbegriff, S. 303 (Fn. 241). 113
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1. Teil: Einführung
c) Bedeutung der Rechtskraftwirkung
Eine Betrachtung der Rechtskrafterstreckung unter dem oben 122 genannten Blickwinkel der Auswirkungen auf die Parteien und auf den Dritten zeigt folgendes Bild: Die Rechtskrafterstreckung auf Dritte führt zu einer Übereinstimmung bei der Beurteilung vorgreiflieber Rechtsverhältnisse, durch die den Parteien die Sicherheit gegeben wird, ihren Prozeßerfolg auch insoweit umsetzen zu können, als es um Rechtsbeziehungen zwischen einer der Parteien und Dritten geht. 123 Der inhaltliche Gleichklang verschiedener gerichtlicher Entscheidungen wird auf diese Weise gesichert. Für den Dritten bewirkt die durch eine Erstreckung der materiellen Rechtskraft eintretende Bindung- unabhängig von den im einzelnen vertretenen Rechtskrafttheorien- in den objektiven und zeitlichen Grenzen der Rechtskraft den Ausschluß sämtlichen tatsächlichen oder rechtlichen Vorbringens, 124 mit dem die festgestellte Rechtsfolge in Zweifel gezogen werden soll. 125 Damit läßt sich die Rechtskrafterstreckung auf diejenigen Zwecke zurückführen, die der materiellen Rechtskraft überhaupt zugeschrieben werden: Schutz des geltend gemachten privaten Rechts 126 sowie Wahrung des allgemeinen 127 Rechtsfriedens 128 durch Sicherung des inneren Bestandes der Entscheidung. 129 Siehe hierzu oben unter I. a) cc). Siehe auch Grunsky, Grundlagen des Verfahrensrechts, § 47 vor I, S. 483/483, der im Zusammenhang mit dem allgemeinen Zweck der Rechtskraft davon spricht, daß eine "Verwirklichung" des materiellen Recht nur dann erfolgt, wenn die obsiegende Partei sicher sein kann, daß in einem neuen Prozeß nicht wieder alles umgestoßen wird. · 124 Die h. M. zieht den Kreis des präkludierten Vorbringens sehr weit und erstreckt die Ausschlußwirkung (als Rechtskraftwirkung) insbesondere auch auf Tatsachen, die im ersten Prozeß nicht vorgetragen wurden, sofern sie nur bei der letzten Tatsachenverhandlung bereits vorhanden waren; vgl. BGH, Urt. v. 15. 10. 1986, BGHZ 98, 353, 358/359; Urt. v. 19. 12. 1991, BGHZ 117, 1, 617; Urt. V. 24. 6. 1993, NJW 1993, 3204; Urt. V. 11. 11. 1994, NJW 1995,967, 968; Thomas/Putzo, ZPO, § 322 Rdnr. 39; Rosenberg/Schwab/Gottwald, ZPR, § 155 II I, S. 932/933; Schwab, Der Streitgegenstand im Zivilprozeß, S. 169; Henckel, Parteilehre und Streitgegenstand im Zivilprozeß, S. 302. Nach a. A. wird der nicht vorgebrachte Prozeßstoff nicht durch die Rechtskraftwirkung ausgeschlossen; vgl. Habscheid, AcP 152 (1952/53), 169-173; Brox, JuS 1962, 121, 126/127. Teilweise wird das enge Verständnis der Präklusion qua Rechtskraft allerdings durch die Annahme eines zusätzlichen Instituts der prozessualen Präklusion ergänzt und damit teilweise kompensiert. Umfassend hierzu Otto, Die Präklusion, S. 88-104. 125 Vgl. allgemein zur Ausschlußwirkung Thomas/ Putzo, ZPO, § 322 Rdnr. 36-43; Jauernig, ZPR, § 62 IV, S. 225. Es mag offenb1eiben, ob diese Präklusion die Folge der durch die Rechtskraft primär verursachten (positiven) Bindung an das rechtskräftige Erkenntnis ist (so z. B. Zöller/Vollkommer, ZPO, § 325 Rdnr. 68) oder ob sich umgekehrt die Bindung erst aus der Präklusion ergibt; vgl. hierzu H. F. Gaul, FS Flume ( 1978), Bd. I, S. 443, 517/518, sowie Otto, Die Präklusion, S. 87/88. 126 Stein/Jonas!Leipold, ZPO, § 322 Rdnr. 30-32; Jauemig, ZPR, § 62 I, S. 222; Rosenberg/Schwab/Gottwald, ZPR, § 151 I, S. 915; Grunsky, Grundlagen des Verfahrensrechts, 122 123
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3. "Drittwirkung" der Rechtskraft
Neben der soeben erörterten Rechtskraftwirkung werden in der zivilprozessualen Literatur seit langem "Drittwirkungen" 130 bzw. "Reflexwirkungen'" 31 rechtskräftiger Entscheidungen angenommen. Allerdings treten bei den diesbezüglichen § 47 vor I, S. 483/484; H. F. Gaul, FS Flume (1978), Bd. I, S. 443, 453; derselbe, FS Henckel (1995), s. 235, 271. 127 Bei manchen Autoren läßt sich nicht eindeutig ausmachen, ob es ihnen mit der Nennung von Rechtssicherheit und Rechtsfrieden lediglich um die internen Interessen der Parteien oder (zusätzlich) um Allgemeininteressen geht. Auch die verfassungsrechtliche Verankerung des Rechtssicherheitsaspektes im Rechtsstaatsprinzip (so Schwab/Gottwald, Verfassung und Zivilprozeß, S. 28) läßt sowohl die Möglichkeit der Verfolgung von individuellen als auch von generellen Schutzzwecken offen. Dezidiert gegen eine Rückführung der Rechtskraft auf Interessen der Allgemeinheit und für ihre ausschließliche Rechtfertigung aus privatrechtsadäquaten Wertungen Henckel, Prozeßrecht und materielles Recht, S. 97/98; einschränkend aber Bötticher ZZP 85 (1972), 1, 22. 128 BGH, Urt. V. 18. 1. 1985, BGHZ93, 287, 289; Urt. V. 12. 1. 1987, NJW-RR 1987,831, 832; Stein/Jonas!Leipold, ZPO, § 322 Rdnr. 30-32; Rosenberg/Schwab/Gottwald, ZPR, § 151 I, S. 915; Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, ZPO, Einf. §§ 322-327 Rdnr. 9; Nikisch, ZPR, § 104 I, S. 401; Grunsky, Grundlagen des Verfahrensrechts, § 34 III 2 a, S. 325; Habscheid, FS Nipperdey (1965), Bd. I, S. 895, 896; Rimmelspacher, Materiellrechtlicher Anspruch und Streitgegenstandsprobleme im Zivilprozeß, S. 203/204; Otto, Die Präklusion, S. 153. 129 Als weitere Zwecke der Rechtskraft werden teilweise die Sicherung der Autorität der Gerichte (so BGH, Urt. v. 18. 1. 1985, BGHZ 93, 287, 289; Thomas/Putzo, ZPO, § 322 Rdnr. 1) sowie deren Entlastung genannt (so Rosenberg/Schwab/Gottwald, ZPR, § 151 I, S. 915; Grunsky, Grundlagen des Verfahrensrechts, § 34 III 2 a, S. 325, § 47 vor I, S. 484). Gegen die Einordnung als eigenständige Rechtskraftzwecke aber Habscheid, FS Nipperdey (1965), Bd. I, S. 895, 896 (Fn. 4). Letztlich hängt die Frage nach dem Zweck der Rechtskraft zum einen damit zusammen, ob im Vordergrund der Betrachtung die richtige, gegen Angriffe zu schützende, oder die unrichtige Urteilsfeststellung steht, deren Bestandsschutz einer besonderen Rechtfertigung bedarf, die man schwerlich in Rechten der einzelnen Partei findet. Zum anderen wird sie von der hier nicht eigens zu behandelnden Frage nach dem Zweck des Zivilprozesses als solchem beeinflußt; hierzu etwa BGH, Urt. v. 6. 11. 1991, NJW 1992,438, 439; ausführlich H. F. Gaul, AcP 168 (1968), 27 ff.; Henckel, Prozeßrecht und materielles Recht, S. 48-64. 130 Schwab, ZZP 77 (1964), 124ff.; Koussoulis, Beiträge zur modernen Rechtskraftlehre, S. 117-188; Kissel, GVG, § 13 Rdnr. 26, 44; wohl auch Waldner, Der Anspruch auf rechtliches Gehör, Rdnr. 433. Ansätze schon bei Planck, BGB, Bd. I , Vorbem. IV 5 a, S. 41 ; Seuff ert, CPO, § 325 Anm. I a; Mendelssohn Bartholdy, Grenzen der Rechtskraft, S. 424-449; derselbe, FS Klein (1914), S. 147, l60ff. 131 Die Verwendung dieses Begriffs geht - soweit ersichtlich - auf Wach, Handbuch des Deutschen Civilprozessrechts (1885), Bd. I,§ 55 III 2, S. 626, zurück, der ihn im Zusammenhang mit den Voraussetzungen für eine Nebenintervention benutzt hat; in einem weiteren Sinne ist er allerdings bereits von v. Jhering, JherJb. 10 (1871), 245, 248 ff., eingeführt worden. Siehe auch Hellwig, Wesen und subjektive Begrenzung der Rechtskraft, S. 21 ff., derselbe, System des Deutschen ZPR, § 232 III, S. 802; Pagenstecher, RheinZ 6 (1914), 489, 520/ 521; Kuttner, Die privatrechtliehen Nebenwirkungen der Zivilurteile, S. 10; Heim, Die Feststellungswirkungdes Zivilurteils, S. 195, 203-205; Nikisch, ZPR, § 108 VI, S. 432/433.
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1. Teil: Einführung
Ausführungen Wirkungsweise und Umfang der befürworteten "Drittwirkungen" sowie ihre Abgrenzung zu den sonstigen anerkannten Urteilswirkungen nicht immer mit wünschenswerter Deutlichkeit hervor. Zudem wird das Verständnis teilweise dadurch erschwert, daß nicht hinreichend zwischen der Ebene der Bindungsmodalitäten und der Ebene der Voraussetzungen für die Annahme einer Drittwirkung differenziert wird. 132 Darüber hinaus wird die Frage der Abgrenzung der verschiedenen Entscheidungswirkungen gegenüber Dritten vor allem in der älteren Literatur von der Auseinandersetzung um das "Wesen" der materiellen Rechtskraft zwischen den Parteien überlagert. 133 Da die Untersuchung erweiterter Bindungen bei arbeitsgerichtliehen Entscheidungen bestimmten Inhalts Klarheit über die möglichen Bindungsformen voraussetzt, erscheint es angezeigt, die "Drittwirkungslehren" einer kurzen Analyse zu unterziehen. Dabei liegt es nahe, in diesem Zusammenhang auch neuere Ansätze in Rechtsprechung und Literatur zu behandeln, die - zumindest dem ersten Anschein nach - auf bislang noch unbekannten Wegen versuchen, zu einer Verknüpfung von gerichtlicher Entscheidung und Folgeprozeß mit Drittbeteiligung zu gelangen. a) Herkömmliche Lehren von der,. Drittwirkung" als weiterer Entscheidungswirkung
Läßt man die bei den verschiedenen Autoren anzutreffende abweichende Terminologie zunächst beiseite, so geht es in der Sache im Grundsatz um folgendes: Zum einen findet sich die Aussage, daß jeder Dritte an die Existenz einer zwischen den Parteien ergangenen rechtskräftigen Entscheidung gebunden sei, da es sich insoweit um eine unbestreitbare Tatsache handele.134 Für sich genommen ist 132 So grenzt z. B. lax, Die Bindung an Gerichtsentscheidungen über präjudizielle Rechtsverhältnisse, S. 56, die Drittbindung durch Tatbestandswirkung von der Drittbindung auf Grund materiellrechtlicher Abhängigkeit ab. Richtig dagegen Bettennann, Die Vollstreckung des Zivilurteils in den Grenzen seiner Rechtskraft, S. 114/115: Unterscheidung zwischen der Drittbindung durch materiellrechtliche Einwirkung auf ein Rechtsverhältnis und Herleitung einer Rechtskrafterstreckung aus einem Rechtsverhältnis. 133 Vgl. nur Pagenstecher, RheinZ 6 (1914), 488 ff. ; Goldschmidt, Der Prozeß als Rechtslage, S. 185-187. Für eine Unabhängigkeit des Problems der Reichweite der Rechtskraft von der Frage ihrer Wirkungsweise aber bereits Mendelssohn Bartholdy, FS Klein (1914), S. 147, 162. 134 Planck, BGB, Bd. 1, Vorbem. IV 5 a, S. 41; Wach/ Laband, Zur Lehre von der Rechtskraft, S. 9; Hellwig, Wesen und subjektive Begrenzung der Rechtskraft, S. 22; Heim, Die Feststellungswirkung des Zivilurteils, S. 194/195. Das Herausarbeiten der wesentlichen Gedanken von Planck und Wach erweist sich allerdings als schwierig, da beide Autoren nicht hinreichend zwischen der Bindung an den Umstand einer Entscheidung als solcher einerseits sowie an ihren Inhalt andererseits unterscheiden. Dies hat z. B. Schwab, ZZP 77 (1964), 124, 133, und Calavros, Urteilswirkungen zu Lasten Dritter, S. 173/174, zu der eher zweifelhaften
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dieser Satz durchaus zutreffend. Allerdings ist die damit umschriebene Bindung an ein gerichtliches Erkenntnis im Regelfall unerheblich, da bei der Beurteilung der Rechtsstellung eines Dritten die Frage des Vorhandenseins eines Judikats als solches normalerweise ohne jede Relevanz ist. 135 Die über die Rechtslage des Dritten bestimmenden Rechtsnormen knüpfen nämlich regelmäßig an die Rechtsfolge an, deren Bestehen oder Nichtbestehen Gegenstand der Entscheidung war, also an den Urteilsinhalt Demgegenüber spielt die Existenz eines Erkenntnisses, die für Dritte "unbestreitbar" ist, nur dann eine Rolle, wenn eine materiellrechtliche Norm existiert, die eine Veränderung der materiellrechtlichen Situation des Dritten gerade an das Urteil als solches bindet. 136 Die Struktur des einem Folgeprozeß zugrundeliegenden materiellen Rechts entscheidet somit darüber, ob der Entscheidungsinhalt, also die rechtskräftige Feststellung eines Rechtsverhältnisses, für die Rechtsstellung des Dritten vorgreifliehen Charakter hat oder ob es lediglich auf das äußere Vorhandensein eines Erkenntnisses über das besagte Rechtsverhältnis ankommt. Im letztgenannten Fallliegt aber nichts anderes als eine schlichte Tatbestandswirkung in dem oben näher beschriebenen Sinne 137 vor. Soweit es bei der ,,Reflexwirkung" nur um eine terminologische Hervorhebung derjenigen Fälle der Tatbestandswirkung geht, in denen nicht eine der Parteien, sondern ein Dritter von der Änderung der Rechtslage betroffen ist, 138 handelt es sich demnach nicht um eine weitere Urteilswirkung, die eigenständigen tatbestandliehen Voraussetzungen unterliegt. 139 Zum anderen vertritt insbesondere Schwab in Fortführung einer langen Tradition innerhalb der Zivilprozeßrechtswissenschaft140 die Auffassung, daß die rechtskräftige Feststellung eines Rechtsverhältnisses zwischen den Parteien auch im Verhältnis zu allen Dritten maßgeblich sei. 141 Der Inhalt dieser Maßgeblichkeil besteht Aussage geführt, die Ausführungen Plancks seien als eine Befürwortung der sogleich zu erörternden "absoluten Wirkung der relativen Feststellung" zu verstehen. 135 So richtig Kissel, GVG (I. Aufl.), § 13 Rdnr. 22. 136 Zur insoweit erforderlichen Differenzierung zwischen der Anknüpfung an die Existenz oder an den Inhalt einer Entscheidung deutlich bereits Heim, Die Feststellungswirkung des Zivilurteils, S. 195; Bettermann, Die Vollstreckung des Zivilurteils in den Grenzen seiner Rechtskraft, S. 112 (Fn. 236). Klare Unterscheidung auch bei Huber, JuS 1972,621, 623. 137 Siehe dazu oben unter 1. a) aa). 138 In diesem Sinne Bettermann, Die Vollstreckung des Zivilurteils in den Grenzen seiner Rechtskraft, S. 114; zust. Schwab, ZZP 77 (1964), 124, 136 (Fn. 37). 139 Dementsprechend ist Kuttner, Urteilswirkungen außerhalb des Zivilprozesses (1914), S. 20 (Fn. 9), zuzustimmen, wenn er den Begriff der Reflexwirkung als "wenig brauchbar" bezeichnet. Zugleich beleuchtet dieses Verdikt treffend die - das Verständnis erheblich erschwerenden - terminologischen Fragen innerhalb der Lehre von den Entscheidungswirkungen, da Kuttner sechs Jahre zuvor (in: Die privatrechtliehen Nebenwirkungen der Zivilurteile [1908], S. 10) den Begriff noch ohne Beanstandungen verwendet hat. 140 Wach! Laband, Zur Lehre von der Rechtskraft, S. 9 (zu den Schwierigkeiten bei der Interpretation dieser Passage siehe bereits oben Fn. 134); Mendelssohn Bartholdy, Grenzen der Rechtskraft, S. 424ff.; derselbe, DJZ 1910, Sp. 189/190; derselbe, FS Klein (1914), s. 147, 160 ff.
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1. Teil: Einführung
nach Schwab darin, daß das zwischen den Parteien festgestellte Rechtsverhältnis als solches den Dritten ebenfalls bindet. 142 Damit erklärt diese Ansicht nicht den äußeren Bestand eines Judikats, sondern dessen Inhalt als für den Dritten verbindlich. Voraussetzung für diese Drittbindung ist für Schwab lediglich, daß die Rechtsstellung des Dritten von dem Bestehen bzw. dem Inhalt des Rechtsverhältnisses kraft materiellen Rechts als Vorfrage abhängt. 143 Diese Lehre läßt sich somit, wie auch Schwab nicht verkennt, 144 als "absolute Geltung der relativen Feststellung" charakterisieren. 145 Auf ihrer Grundlage genügt mithin bloße Vorgreiflichkeit für die Bejahung einer Bindung Dritter an den Inhalt rechtskräftiger Entscheidungen.146 Dies würde für den vorliegenden Zusammenhang letztlich bedeuten, daß in allen Fällen, in denen eine individualarbeitsrechtliche Rechtsstellung von einer kollektivrechtlichen Vorfrage abhängt, das rechtskräftige Erkenntnis über diese Vorfrage für das Individualarbeitsverhältnis bindend wäre. Eine Einzelabwägung der für und gegen eine erweiterte Bindungswirkung arbeitsgerichtlicher Entscheidungen sprechenden Wertungsgesichtspunkte wäre dann von vornherein entbehrlich. Indem die soeben skizzierte Auffassung Dritte an den Entscheidungsinhalt binden will, führt sie dieselbe Wirkung herbei, die bei einer Erstreckung der materiellen Rechtskraft eintreten würde. 147 Diese Wirkungen bestehen in den Fällen, in denen die rechtskräftige Feststellung für die Rechtsbeziehungen zwischen den Parteien selbst vorgreifliehe Bedeutung hat, einerseits darin, daß das Gericht des Folgeprozesses an die rechtskräftige Feststellung im ersten Verfahren gebunden ist. Andererseits ist - innerhalb der zeitlichen Grenzen der Rechtskraft - jegliches Vorbringen ausgeschlossen, mit dem die Entscheidung des Vorprozesses in Frage gestellt werden soll. Ist der Inhalt der Bindung aber identisch, 148 so vermag es nicht 141 In: ZZP 77 (1964), 124, 137 ff.; ebenso derselbe bereits in NJW 1960, 2169, 2671, sowie in Rosenberg/Schwab, ZPR, 14. Aufl., § 157 II, S. 992-994 (anders nunmehr Rosenberg/Schwab/Gottwald, ZPR, § 156 III, S. 940). Zust. Koussoulis, Beiträge zur modernen Rechtskraftlehre, S. 117-188; Kissel, GVG, § 13 Rdnr. 26, 44; offenbar auch Waldner, Der Anspruch auf rechtliches Gehör, Rdnr. 433. In diesem Sinne ebenfalls OLG Hamburg, Urt. v. 16. 11. 1972, VersR 1973,563, 564. 142 In: ZZP 77 (1964), 124, 142. 143 In: ZZP77 (1964), 124, 142. 144 In: ZZP77 (1964), 124, 137, 160. 145 Stein/ Jonasl Leipold, ZPO, § 325 Rdnr. 78; Koussoulis, Beiträge zur modernen Rechtskraftlehre, S. 114; Schilken, ZZP 101 (1988), 106, 108. So auch schon Mendelssohn Bartholdy, Grenzen der Rechtskraft, S. 427: "allgemeine Geltung des zwischen den Parteien ergangenen ... Urteils"; Bötticher, FS Hundert Jahre DJT (1960), Bd. I, S. 511, 537/538 (Fn. 47 a. E.): "allseitige Bindung ... an die Feststellung dieser Relation". 146 So zu Recht Grunsky, AcP 186 (1986), 523, 524/525. Zu den älteren Auffassungen, nach denen das schlichte Vorliegen von Vorgreifliehkeil zur Drittbindung führen soll, vgl. Bettermann, Die Vollstreckung des Zivilurteils in den Grenzen seiner Rechtskraft, S. l01ll3. 147 Stein/ Jonas/ Leipold, ZPO, § 325 Rdnr. 80; A. Blomeyer, ZPR, § 91 II 2, S. 506; Jauemig, ZZP 101 (1988), 361, 377; Calavros, Urteilswirkungen zu Lasten Dritter, S. 173/174.
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zu überzeugen, diejenigen Fälle, in denen es um abhängige Rechtsverhältnisse der Parteien geht, von denen begrifflich zu sondern, in denen das Vorgreiflichkeitsverhältnis zu einem Dritten besteht. 149 Aber auch dann, wenn man auf der terminologischen Eigenständigkeit beharren wollte, bedürfte es einer Begründung für die befürwortete "absolute Geltung der relativen Feststellung", die den Anforderungen genügt, die an eine Erstreckung der materiellen Rechtskraft zu stellen sind. Die "Drittwirkung" im Sinne einer rechtskraftgleichen Bindung stellt im Hinblick auf ihre funktionsäquivalente Wirkungsweise jedenfalls keine selbständige Bindungsform dar, die abweichende Voraussetzungen rechtfertigt. b) Neuere Ansätze in Rechtsprechung und Schrifttum
aa) Die "präjudizielle Bindungswirkung" in der arbeitsgerichtliehen Rechtsprechung Eine eigentümliche Bindungsform hat das BAG in dem eingangs 150 bereits genannten Urteil vom 10. 11. 1987 kreiert, indem es eine Erstreckung der Rechtskraft des arbeitsgerichtliehen Beschlusses auf das Verhältnis zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer ausdrücklich ablehnte, dafür aber eine "präjudizielle Bindungswirkung" der Entscheidung annahrn. 151 Der Inhalt dieser Bindungswirkung wurde darin gesehen, daß die Feststellung, eine vom Arbeitgeber geplante Maßnahme löse keine Beteiligungsrechte des Betriebsrats aus, für ein späteres Verfahren, in dem ein Arbeitnehmer einen Nachteilsausgleich fordere, bindend sei. Das BAG hat für die Bejahung der Drittbindung demnach an die materiellrechtliche Vorgreiflichkeit zwischen dem Bestehen von Mitwirkungsrechten des Betriebsrats und dem Anspruch des Arbeitnehmers auf Nachteilsausgleich im Falle der Mißachtung dieser Rechte angeknüpft und somit für eine Wirkung des Inhaltes der rechtskräftigen Feststellung plädiert. Eine nähere Einordnung dieser Bindung als prozessual oder materiellrechtlich unterblieb seitens des BAG indessen ebenso wie ein Bezug auf die in der Literatur vertretenen, oben dargestellten "Drittwirkungs1ehren". 152 Die 148 Schwab, ZZP 77 (1964), 124, 131, unterstreicht- wenn auch ungewollt- die Dekkungsgleichheit von Rechtskraftwirkung und Drittwirkung, indem er letztere ebenfalls ausdrücklich als eine rein prozessuale Wirkung bezeichnet. 149 Stein/Jonas!Leipold, ZPO, § 325 Rdnr. 80; A. Blomeyer, ZZP 75 (1962), I, 7; Prütting, RdA 1991, 257, 262; Calavros, Urteilswirkungen zu Lasten Dritter, S. 174. Für eine eigenständige Kategorie von Drittwirkungen in bestimmten Fällen aber Braun, JuS 1986, 364, 367; in diese Richtung offenbar auch MünchKommZPO/Gottwald, § 325 Rdnr. 8 a. E. 150 Siehe dazu oben § I I. Fn. 1. 151 AP Nr. 15 zu§ 113 BetrVG 1972 (unter I und 2 [vor a] der Gründe). 152 Demgegenüber hat das BAG in seinem Urt. v. 12. 6. 1990, AP Nr. 10 zu§ 1 BetrAVG Hinterbliebenenversorgung, die "Drittwirkungslehre" erwähnt (unter II 1 d. Gr.). Allerdings gründete das Gericht seine Entscheidung, nach der die Abweisung der Klage eines Arbeitnehmers gegen den Pensions-Sicherungs-Verein auf Gewährung von Insolvenzschutz auch den
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vom BAG geschaffene "Präjudizialitätswirkung" als Mittel der Verknüpfung von Kollektivverfahren und Individualprozeß hat in der arbeitsgerichtliehen Judikatur Gefolgschaft gefunden. So hat das LAG Hamm 153 die Ansicht vertreten, die Entscheidung in einem Beschlußverfahren über die zutreffende Anwendung eines Sozialplanes, in der eine Nachschußpflicht des Arbeitgebers verneint wurde, entfalte präjudizielle Bindungswirkung für anschließende Einzelklagen von betroffenen Arbeitnehmern auf Erfüllung des Sozialplanes. Eine Rechtskrafterstreckung wird explizit abgelehnt. 154 In der Literatur ist die vom BAG befürwortete neuartige Bindungsform demgegenüber weithin auf Ablehnung gestoßen, 155 während das Ergebnis, also die Bindung des Arbeitnehmers an das vorhergehende Beschlußverfahren, durchaus positiv aufgenommen wurde. 156 Soweit überhaupt der Versuch einer dogmatischen Einordnung unternommen wurde, findet sich in erster Linie die Sichtweise, daß es sich bei der Drittbindung um eine Erstreckung der materiellen Rechtskraft des Beschlusses auf die belegschaftsangehörigen Arbeitnehmer handele. 157 In der Tat wird man die Bindung der Arbeitnehmer an die rechtskräftige Feststellung des vorgreifliehen Rechtsverhältnisses im Beschlußverfahren als solche 158 nur als Rechtskrafterstreckung begreifen können. Eine Wirkung des Entscheidungsinhaltes, die am Rechtsstreit nicht beteiligten Hinterbliebenen binden soll, nicht unmittelbar auf diese Rechtsmeinung, sondern vornehmlich auf Überlegungen zur Abhängigkeit der Rechtsstellung des Hinterbliebenen von der des Versprechensempfängers (unter II 2 d. Gr.). Im übrigen ist in dieser Konstellation daran zu denken, die Erstreckung der Rechtskraft auf den Dritten auf eine weite Auslegung des Begriffs des .,Rechtsnachfolgers" i. S. des § 325 ZPO zu stützen und den Hinterbliebenen insoweit nicht als einen Drittbegünstigten i. S. der §§ 328 ff. BGB anzusehen, bei dem der BGH eine Ausdehnung der Rechtskraft ablehnt, vgl. Urt. v. 16. 11. 1951, BGHZ 3, 385 ff. 153 Urt. v. 1. 7. 1991, LAGE§ 112 BetrVG 1972 Nr. 18. 154 LAG Hamm, a. a. 0 . (unter 1.1. d. Gr.). Dazu im Widerspruch stehen allerdings die Ausführungen unter 1.4. der Gründe, in denen von einer .,auf die einzelnen Arbeitnehmer erweiterten(n) Rechtskraftwirkung" die Rede ist. 1ss Siehe Leipold, Anm. zu BAG, AP Nr. 15 zu§ 113 BetrVG 1972 (unter 2); Otto, RdA 1989,247, 254. Der Terminologie des BAG folgend Rieble, Anm. zu BAG, EzA § 99 BetrVG 1972 Nr. 122 (unter II 2)- (zur Position Riebles siehe aber auch noch unter dd)); Hernnann, Der gemeinsame Betrieb mehrerer Unternehmen, S. 203. Für eine von der Rechtskraft zu unterscheidende (prozessuale) Bindungswirkung ebenfalls Schaub, Arbeitsrechtliche Formularsammlung und Arbeitsgerichtsverfahren (5. Aufl.), § 114, 14, S. 849/850; zurückhaltender aber nunmehr derselbe, a. a. 0. (6. Aufl.), § 114 IV 5 d, S. 948. 156 Befürwortend neben den in Fn. 155 Genannten etwa Zeiss, SAE 1988, 230; ·Prütting, RdA 1991, 257, 267/268; Dütz, FS Gnade (1992), S. 487, 498/499; Rieble, Anm. zu BAG, EzA § 112 BetrVG 1972 Nr. 59 (unter II); Konzen, FS Zeuner (1994), S. 401, 426-430; wohl auch Wieser, Arbeitsgerichtsverfahren, Rdnr. 629; vorsichtiger Grunsky, EWiR § 113 BetrVG, 1988, S . 329; abl. Jox, NZA 1990, 424,425 ff. 157 Wieser, Arbeitsgerichtsverfahren, Rdnr. 629; Leipold, Anm. zu BAG, AP Nr. 15 zu § 113 BetrVG 1972; Otto, RdA 1989, 247, 254; wohl auch Dütz, FS Gnade (1992), S. 487, 498/499. 158 Zu anderen Verknüpfungsformen siehe sogleich unter bb) bis ee).
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dasselbe herbeiführen soll wie eine Ausdehnung der subjektiven Rechtskraftgrenzen, ohne indessen mit ihr identisch zu sein, ist abzulehnen. Insoweit gilt dasselbe wie bei den Protagonisten einer umfassenden "Drittwirkung" der Rechtskraft. 159 Welche Bedenken einer Schaffung neuartiger rechtskraftgleicher Entscheidungswirkungen entgegenstehen, wird daran deutlich, daß es das BAG nach der Vemeinung einer Rechtskrafterstreckung nicht mehr für erforderlich hielt, die Vereinbarkeit der befürworteten Bindungswirkung mit dem auch im arbeitsgerichtliehen Beschlußverfahren gemäß §§ 80 Abs. 2, 46 Abs. 2 ArbGG entsprechend geltenden § 325 ZPO zu untersuchen. 160 Mittlerweile scheint auch das BAG selbst von seiner Konstruktion einer von der materiellen Rechtskraft zu trennenden präjudiziellen Bindungswirkung - wenn auch stillschweigend - abgerückt zu sein, indem das Gericht in seinem Urteil vom 9. 4. 1991 -wenn auch unzutreffend- behauptet, daß es in seiner früheren Entscheidung eine Rechtskrafterstreckung bejaht habe. 161 Allerdings führte die nunmehr vorgenommene Einordnung der Wirkung eines arbeitsgerichtliehen Beschlußverfahrens über die Frage, ob zwei Unternehmen einen gemeinsamen Betrieb bilden, 162 auf das Verhältnis zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer als Rechtskrafterstreckung 163 ebenfalls nicht dazu, die Problematik des nonnativen Gehalts von § 325 ZPO aufzuwerfen. bb) Drittbindung qua "Hinnahme" des durch die Vorentscheidung geprägten Rechtsverhältnisses Um einen neuen Ansatz in der scheinbar festgefahrenen Diskussion über die Wirkung von Entscheidung gegenüber Dritten bemüht sich Häsemeyer. 164 Nach seiner Auffassung kranken die bisherigen Überlegungen in der Prozeßrechtswissenschaft bereits im Grundsatz daran, daß sie die Frage nach den Urteilswirkungen zum Ausgangspunkt gewählt haben. 165 Vielmehr müsse zuvor untersucht werden, ob das Rechtsverhältnis, das dem ersten Verfahren zugrundeliege, mit dem Rechtsverhältnis der Parteien zu Dritten ,,materiellrechtlich verbunden" oder von ihm "getrennt" sei. Im Falle einer materiellrechtlichen Trennung müsse der Dritte das Siehe dazu oben unter a). Hierzu näher unten§ 4 I. 2. a). 16 1 AP Nr. 18 zu§ 18 BetrVG 1972 (unter II 2 a d. Gr.). Im Urteil des BAG v. 17. 2. 1992, AP Nr. l zu§ 84 ArbGG 1979, wird die frühere Befürwortung einer "präjuziellen Bindungswirkung" lediglich referiert (unter II 2 d. Gr.); zur Deutung dieser Entscheidung siehe unten § 1411. l. a)bb). 162 Einzelheiten dazu unten § 14 I. I. a). 163 Immerhin erledigen sich damit die von Fastrich, SAE 1992, 13, 18, gegen den Begriff der "präjudiziellen Bindungswirkung" erhobenen Bedenken. 164 In: ZZP 101 (1988), 385, 388-402. 165 Häsemeyer, a. a. 0., S. 394. 159
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Urteil in dem für ihn fremden Rechtsverhältnis "hinnehmen", ohne daß es auf die subjektiven Wirkungsgrenzen der Entscheidungen ankomme. Insoweit trete eine materiellrechtlich zu deutende "absolute Geltung relativer Feststellungen" ein. 166 Erst bei einer materiellrechtlichen Verbundenheit sei zur Beeinflussung der Rechtsstellung des Dritten eine - begründungsbedürftige - Urteilswirkung erforderlich. 167 Diese Lehre wäre für die hier interessierenden Fallgestaltungen von erheblicher Bedeutung, sofern man das im Vorprozeß geklärte kollektive Rechtverhältnis und die in den Folgeverfahren umstrittenen Individualrechtsverhältnisse als "materiellrechtlich getrennt" im Sinne der Ausführungen Häsemeyers anzusehen hätte. Nun deutet das von Häsemeyer genannte Beispiel zweier unabhängig voneinander abgeschlossener Mietverträge 168 zunächst darauf hin, daß eine materiellrechtliche Trennung nur dann vorliegen soll, wenn das Rechtsverhältnis zwischen den Parteien für das Drittrechtsverhältnis materiellrechtlich irrelevant, insbesondere nicht vorgreiflieh ist. Häsemeyer würde mit seiner Lehre damit nur den Umstand beschreiben, daß sich eine gerichtliche Entscheidung rein tatsächlich auf Dritte auswirken kann. 169 Eine solche Aussage ist für den vorliegenden Zusammenhang indessen unerheblich, da nur solche Konstellationen erörtert werden sollen, bei denen das kollektive Recht eine Vorfrage des Individualrechtsverhältnisses darstellt. Häsemeyer führt als weiteres Beispiel jedoch den Fall eines Verschmelzungsvertrages zweier Aktiengesellschaften an, der gemäß § 340c Abs. I AktG a. F. 170 eines zustimmenden Beschlusses beider Hauptversammlungen bedarf. 171 Obwohl der Beschluß demnach kraft materiellen Rechts vorgreiflieh für die Wirksamkeit des Verschmelzungsvertrages ist, faßt Häsemeyer den internen Willensbildungsprozeß der Aktiengesellschaft und das Vertragsanbahnungsverhältnis mit der fusionsbereiten Gesellschaft als materiellrechtlich getrennt auf. Die Entscheidung in einem Verfahren über die Wirksamkeit des Hauptversammlungsbeschlusses (§§ 241ff. AktG) müsse der Vertragspartner ohne weiteres hinnehmen. Die Frage nach der Reichweite der Urteilswirkungen sei von vomherein irrelevant. 172 Die Bedeutung dieser Überlegungen sei an Hand der Konstellation erläutert, die der bereits erwähnten Entscheidung des BAG vom lO. 11. 1987 173 zugrundelag: Häsemeyer, a. a. 0 ., S. 394/395. Häsemeyer, a. a. 0 ., S. 402. 168 A. a. 0., S. 388/389. 169 So die Deutung von Spellenberg, ZZP 106 (1993), 283, 296, der eine Parallele zur opposabiliti des französischen Rechts zieht, die als lediglich faktische Urteilswirkung von der Rechtskraft zu unterscheiden sei. 170 Die entsprechende Regelung findet sich seit dem l. I. 1995 in den§§ 13 Abs. I, 65 Abs. l UmwG. 111 A. a. 0., S. 389. 172 Häsemeyer, a. a. 0., S. 389. 173 AP Nr. 15 zu§ 113 BetrVG 1972. 166 167
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Ein Arbeitnehmer nimmt den Arbeitgeber wegen einer angeblichen Betriebsänderung ohne vorherige Betriebsratsbeteiligung auf Nachteilsausgleich gemäß § 113 Abs. 3 BetrVG in Anspruch, nachdem zuvor in einem Beschlußverfahren rechtskräftig festgestellt worden ist, daß dem Betriebsrat wegen der vom Arbeitgeber geplanten Maßnahme keine Beteiligungsrechte nach §§ 111, 112 BetrVG zustehen. 174 Folgte man nun dem Ansatz Häsemeyers, so wäre es zumindest nicht ausgeschlossen, in diesem Fall schlicht davon zu sprechen, daß das Bestehen von Mitbestimmungsrechten des Betriebsrats gemäß §§ 111 ff. BetrVG für den Nachteilsausgleichsanspruch einzelner Arbeitnehmer nach § 113 Abs. 3 BetrVG zwar eine Vorfrage darstelle, aber dennoch als materiellrechtlich getrennt anzusehen sei, weil die Mitbestimmung ein Internum zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat bilde. Indessen zeigt diese Überlegung bereits die Fragwürdigkeit einer solchen Gedankenführung. Wenn und soweit die zwischen zwei Parteien ergangene Entscheidung für die rechtliche Stellung Dritter maßgeblich sein soll, so bedarf es einer rechtlichen Verknüpfung zwischen dem Erkenntnis und dem Drittrechtsverhältnis. Sofern eine solche Verknüpfung nicht besteht, sind in einem gerichtlichen Verfahren, in dem es nunmehr um die Rechtsposition des Dritten geht, sämtliche Vorfragen uneingeschränkt zu beurteilen. Die Aussage, der Dritte habe die vorgängige Entscheidung ,,hinzunehmen", ersetzt weder die Feststellung, daß der Dritte qua Tatbestands-, Gestaltungs- oder Rechtskraftwirkung an das erste Judikat gebunden ist, noch beinhaltet sie eine ausreichende Begründung für eine Bindung des Dritten. Zudem können mit einer solchen Umschreibung die zum Schutze Dritter bestehenden Grenzen von Entscheidungswirkungen nicht ausgehebelt werden. Der Gedanke Häsemeyers, Dritte müßten ein für sie fremdes Rechtsverhältnis unter Umständen in der durch ein Urteil geprägten Form ,,hinnehmen", gibt nun allerdings zu der Überlegung Anlaß, ob sich in speziellen Konstellationen eine Drittwirkung daraus ergeben kann, daß die Rechtsstellung des Dritten nicht an das Urteil als solches, sondern stattdessen an die Lage angeknüpft, in die die Entscheidung die Parteien versetzt hat. Zur Erläuterung dieses Aspektes kann auf ältere Argumentationslinien zurückgegriffen werden: So führen beispielsweise Hellwig 175 und Hofmann 176 das im Ergebnis überwiegend bejahte Recht des Bürgen, sich gemäß §§ 767 Abs. 1 S. 1, 768 Abs. 1 S. 1 BGB gegenüber dem Gläubiger auf die rechtskräftige Abweisung der Hauptschuldklage berufen zu können, 177 darauf zurück, daß der Bürge nur das zu leisten verpflichtet sei, was der Gläubiger vom Hauptschuldner fordern dürfe. Könne der Gläubiger aber auf Grund seines Prozeß174 Die Probleme, die sich um den objektiven Inhalt des rechtskräftigen Beschlusses ranken, seien vorerst dahingestellt. Zu den Einzelheiten siehe unten§ 14 li. 4. b) bb). 175 In: Wesen und subjektive Begrenzung der Rechtskraft, S. 30. 176 In: Über das Wesen und die subjektiven Grenzen der Rechtskraft, S. 116. 177 BGH, Urt. V. 24. l. 1969, NJW 1970, 279; Urt. V. 10. 2. 1971, WM 1971, 614; Urt. V. ll. 12. 1986, NJW-RR 1987, 683, 685; Jauemig/Vollkommer, BGB, § 767 Anm. 2 b bb; Palandt/Thomas, BGB, § 767 Rdnr. 4; Weber, JuS 1971, 553, 560; Huber, JuS 1972, 621, 627; Goldschmidt, Der Prozeß als Rechtslage, S. 195/196.
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l. Teil: Einführung
verlustes vom Hauptschuldner nichts mehr verlangen, so gelte dasselbe im Verhältnis zum Bürgen. Eine entsprechende Sichtweise findet sich zur Problematik, ob und auf welche Weise sich die Verurteilung einer OHG auf die Haftung der Gesellschafter nach §§ 128 S. 1, 129 Abs. 1 HGB auswirkt. 178 In dieser Fallgruppe soll nach Auffassung von Hellwig 179 und Hofmann 180 der Umstand der Verurteilung der Gesellschaft die Gesellschafterhaftung deshalb auslösen, weil der Gläubiger durch das Erkenntnis in die tatsächliche Lage versetzt werde, von der Gesellschaft Leistung verlangen zu können, und der einzelne Gesellschafter nicht nur für die wirklich bestehende Verbindlichkeit, sondern auch für die tatsächliche Befriedigungsmöglichkeit hafte. Die Bedeutung einer solchen Sicht der Dinge für die hier interessierenden Fallgestaltungen sei wiederum an Hand der Konstellation erörtert, über die das BAG in seiner Entscheidung vom 10. 11. 1987 181 zu befinden hatte. Danach wäre eine Bindung des Arbeitnehmers auf der Grundlage der oben genannten Anschauung dann zu bejahen, wenn§ 113 BetrVG so auszulegen sein sollte, daß er einen materiellrechtlichen Anspruch gegen den Arbeitgeber in sämtlichen Fällen - sei es mangels Vorliegens einer Betriebsänderung, sei es wegen einer entsprechenden gerichtlichen Feststellung - versagen will, in denen es dem Betriebsrat nicht möglich ist, auf das Zustandekommen eines Interessenausgleichs hinzuwirken. Geht man zunächst einmal davon aus, daß das Bestehen eines Mitwirkungsrechtes des Betriebsrats vorgreiflieh für einen Nachteilsausgleichsanspruch ist, so besteht die Eigentümlichkeit einer derartigen Sichtweise in konstruktiver Hinsicht darin, daß sie das vor der Rechtskraft der Entscheidung über die Vorfrage bestehende Vorgreiflichkeitsverhältnis mit Rechtskrafteintritt aufkündigt und von diesem Zeitpunkt an die Rechtsfolge im Zweitprozeß nicht mehr an den Inhalt der rechtskräftigen Feststellung, sondern kraft materiellen Rechts an den Umstand knüpft, daß es überhaupt zu einem entsprechenden Judikat gekommen ist. Die dadurch herbeigeführte Drittbindung ist, wie schon Hofmann erkannt hat, 182 nichts anderes als die bereits erläuterte Tatbestandswirkung: Das rechtskräftige Erkenntnis im Verfahren über das Hauptschuldverhältnis führt eine Veränderung der mate178 Eine Rechtskrafterstreckung bejahen ausdrücklich BGH, Urt. v. 16. 11. 1951, BGHZ 3, 385, 391; Urt. v. 11. 12. 1978, BGHZ 73,217, 224/225; Urt. v. 15. 6. 1993, LM § 425 BGB Nr. 20 (Ls. 1); Heyrru:mn/ Emmerich, HGB, § 129 Rdnr. 5; K. Schmidt, GesellschaftsR, § 49 VI 1 a, S. 1192; Bruns, ZPR, Rdnr. 246; Rosenberg/Schwab/Gottwald, ZPR, § 156 II 4 a, S. 939; Goldschmidt, Der Prozeß als Rechtslage, S. 1951196. Zurückhaltender im Hinblick auf die Bindungsmodalität etwa BGH, Urt. v. 13. 7. 1970, BGHZ 54, 251, 255; Urt. v. 22. 9. 1980, BGHZ 78, 114, 120. 179 In: Wesen und subjektive Begrenzung der Rechtskraft, S. 28. 180 In: Über das Wesen und die subjektiven Grenzen der Rechtskraft, S. 128/129. 181 AP Nr. 15 zu § 113 BetrVG 1972. 182 In: Über das Wesen und die subjektiven Grenzen der Rechtskraft, S. 118, zur Deutung der von ihm befürworteten Befreiung des Bürgen auf Grund einer Abweisung der Hauptschuldklage.
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riellrechtlichen Stellung des Dritten herbei. Eine durch - ergänzende - Auslegung bestimmter materiellrechtlicher Normen gewonnene Drittbindung mittels Anknüpfung an die durch die Gerichtsentscheidung geschaffene tatsächliche Lage ist damit denselben rechtlichen Anforderungen zu unterwerfen wie die Herbeiführung einer Bindung Dritter durch eine von vornherein offen ausgewiesene Tatbestandswirkung. Eine Umformung des materiellen Rechts stellt für sich genommen keine Rechtfertigung für das Außerachtlassen von Rechtsgrundsätzen dar, die einer funktionsäquivalenten Drittbindung entgegenstehen könnten. cc) Materiellrechtlicher Einwendungsverlust Um Drittbindungen auf andere Weise als durch die überkommenen Urteilswirkungen zu erklären, wird teilweise das Schwergewicht darauf gelegt, daß dem Dritten in den bezeichneten Fällen der Bürgen- und Gesellschafterhaftung kraft materiellen Rechts die Einwände zustehen bzw. versagt sind, die auch die Partei hat bzw. mit denen sie ausgeschlossen ist. So ist nach Schack 183 die dem Hauptschuldner zustehende Einwendung der Rechtskraft durch den Bürgen als materiellrechtliche Einrede geltend zu machen; der Verlust von Einwendungen seitens der OHG auf Grund eines rechtskräftig verlorenen Vorprozesses soll für den Gesellschafter zu einem materiellrechtlichen Einwendungsausschluß führen. In der oben angesprochenen Fallgruppe eines Nachteilsausgleichsanspruchs nach rechtskräftiger Feststellung des Nichtbestehens von Mitbestimmungsrechten bedeutete dies, daß dem Arbeitgeber gegen den Arbeitnehmer unter Umständen der materiellrechtliche Einwand 184 zustünde, im Beschlußverfahren seien Mitbestimmungsrechte rechtskräftig verneint worden. Nun führt die materielle Rechtskraft im jeweiligen Hauptrechtsverhältnis - auf der Grundlage des heute herrschenden prozessualen Rechtskraftverständnisses 185 zu einer lediglich prozessual wirkenden Bindung in einem Folgeprozeß, in dem die entschiedene Rechtsfrage von präjudizieller Bedeutung ist. Tatsächliches Vorbringen, mit dem die rechtskräftige Feststellung angegriffen werden soll, ist dementsprechend kraft prozessualen Rechts präkludiert. 186 Werden diese prozessualen Wirkungen eines rechtskräftigen Urteils im abhängigen Rechtsverhältnis des Gläubigers zum Bürgen bzw. OHG-Gesellschafters - wie Schack annimmt - als materiellrechtliche Erscheinung gedeutet, so heißt dies nichts anderes, als daß er der geIn: NJW 1988, 865, 870. Auf der Grundlage der Sichtweise Schacks, NJW 1988, 865, 870, müßte wohl von einer Einwendung ausgegangen werden. 1ss Siehe hierzu unten§ 4 II. 1. mit Nachw. in Fn. 111 u. 11 2. Diese Auffassung legt auch Schack seinen Ausführungen zugrunde; vgl. NJW 1988, 865. 186 Zu Reichweite, Rechtsgrundlage und Verhältnis der Präklusion zur Rechtskraftbindung siehe bereits oben 2. c) Fn. 124 u. 125. 183
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riebtliehen Entscheidung die Kraft beimißt, die materielle Rechtslage, in der sich der Bürge bzw. OHG-Gesellschafter befindet, konstitutiv zu verändern. Allerdings tritt bei Schack nicht eindeutig hervor, ob er die rechtsgestaltende Wirkung im jeweils abhängigen Rechtsverhältnis an die Entscheidung als solche knüpft oder ob er die Vorstellung hat, daß der Inhalt der rechtskräftigen Feststellung gegenüber dem Bürgen bzw. gegenüber dem OHG-Gesellschafter 187 nunmehr kraft materiellen Rechts gilt. Im erstgenannten Fall läge eine Tatbestandswirkung vor, im letzteren eine "Drittwirkung" der materiellen Rechtskraft, die indessen auf der zweifelhaften Annahme basierte, daß sich die prozessuale Bindung an die rechtskräftige Feststellung im Hauptschuldverhältnis in eine materiellrechtliche Bindung hinsichtlich derselben Rechtsfrage im abhängigen Rechtsverhältnis umwandelt. Der gesetzgebensehe Wille zu einer- zur Bejahung einer Auswirkung der rechtskräftigen Hauptsachenentscheidung hinzukommenden - Transformation prozessualen Rechts in materielles Recht dürfte den §§ 767, 768 BGB, §§ 128, 129 HBG allerdings nur schwerlich zu entnehmen sein. Die Überlegungen Schacks zwingen demnach nicht dazu, die überlieferte Alternative von materiellrechtlicher Tatbestandsund prozessualer Rechtskraftwirkung aufzugeben. dd) Materiell-rechtliche Reflexwirkung Noch eindeutiger in die Richtung einer materiellrechtlichen Inhaltswirkung bewegen sich die Vorstellungen Riebles, indem er im Zusammenhang mit der Bindung an Entscheidungen außerhalb des Bereichs der Normenkollektivverträge für eine "materiell-rechtliche Reflexwirkung der richterlichen Entscheidung" plädiert. 188 Hierfür verweist Rieble zum einen auf Bötticher, der sich für eine materiellrechtliche Deutung der in § 9 TVG angeordneten "Bindung" ausgesprochen hat 189• Allerdings hat Bötticher hinzugefügt, daß sein Verständnis darauf hinaus187 Schack, NJW 1988, 865, 870, spricht zwar nur von einer Präklusion derjenigen Einwendungen, die die Gesellschaft selbst im Vorprozeß verloren hat. Ist aber das gesamte Vorbringen ausgeschlossen, mit dem das Bestehen einer bestimmten Rechtsfolge in Frage gestellt werden soll, so bedeutet dies zugleich eine Bindung an den Inhalt der Rechtsfolge, wenn nicht der Umstand der Präklusion als solcher Anknüpfungspunkt für die Drittbindung sein soll. 188 In: Anm. zu BAG, EzA § 112 BetrVG 1972 Nr. 59 (unter II); Anm. zu BAG, EzA § 1 TVG Durchführungspflicht Nr. 2 (unter II I); ebenso Löwisch/Rieble, TVG, § 1 Rdnr. 325 (es leuchtet allerdings nicht ein, welchen Zweck die zugleich erwähnte prozessuale Sicherung der materiellrechtlichen Bindung durch Streitverkündung haben soll, da eine Interventionswirkung überflüssig ist, wenn der Dritte ohnehin schon kraft materiellen Rechts an den Urteilsinhalt - unabhängig von dessen Richtigkeit - gebunden ist). In diesem Sinne wohl auch BAG, Beseht. v. 22. I. 1980, AP Nr. 7 zu § !II BetrVG 1972 (unter B I 2 b d. Gr.), mit der Aussage, daß die Einigungsstelle unmittelbar von der rechtskräftigen Feststellung des Bestehens eines Mitbestimmungsrechts ausgehen müsse, da sie sich ansonsten "ihrer gesetzlichen Aufgabe entziehe". 189 In: FS Hundert Jahre DJT (1960), Bd. I, S. 511 , 5221523.
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laufe, die im Verfahren nach § 9 TVG ergehende Entscheidung als rückwirkendes Gestaltungsurteil zu begreifen. 190 Die Bindung Dritter würde daher letztlich qua Gestaltungswirkung, nicht aber auf Grund einer hiervon zu unterscheidenden "Reflexwirkung" eintreten. Zum anderen beruft sich Rieble auf die bereits erwähnte Möglichkeit, durch vertragliche Vereinbarungen den Inhalt einer Entscheidung in einem fremden Rechtsstreit den eigenen materiellrechtlichen Beziehungen zugrundezulegen191. Nun resultiert die rein materiellrechtliche Deutung vertraglicher Abreden auf dem schon genannten Umstand, daß die materielle Rechtskraft privater Disposition nicht zugänglich ist. 192 Für den Gesetzgeber besteht bei der Anordnung von Bindungen hingegen kein derartiges Hindernis. Zwar ist es ihm nicht verwehrt, materiellrechtliche "Reflexwirkungen" im Sinne Riebles zu statuieren. Jedoch sollte man gegenüber einer erst durch Deutung ermittelten Entscheidungswirkung, die der materiellen Rechtskraft wegen ihrer Ausrichtung auf den Inhalt des Erkenntnisses in jeder Hinsicht gleichkommt, aber vollständig auf der Ebene des materiellen Rechts verharrt, Zurückhaltung üben, da sie nur eine Verdoppelung der Bindungsformen ohne eigenen Erklärungsgehalt mit sich bringt. Zudem führt eine solche Ansicht zu dem merkwürdigen Dualismus, daß die im Innenverhältnis zwischen den Parteien des Rechtstreits eintretende Bindung prozessualer Natur ist, während ihre schlichte Erweiterung im Außenverhältnis zu Dritten materiellrechtlich verstanden wird. In der Sache läuft eine derartige Auffassung auf eine Wiederbelebung der Lehre Krückmanns hinaus, der sich dafür eingesetzt hat, die Tatbestandswirkung als "materielle Urteilswirkung" im Sinne einer materiellrechtlichen Bindung an den Urteilsinhalt zu verstehen 193. Indessen hat schon Goldschmidt dargetan, daß ein solches Verständnis geradewegs in die - inzwischen überwundene194- materiellrechtliche Rechtskraftlehre zurückführt. 195 In jüngster Zeit tendiert Rieble allerdings zu einem prozessualen Verständnis der Bindung der Individualvertragsparteien, indem er davon spricht, daß die "präjudizielle Bindungswirkung" die ,,reflexartige Folgewirkung auf der prozessualen Ebene" wieder aufnehme. 196 Soweit er sich damit auf die herkömmlichen Lehren von der "Reflexwirkung" gerichtlicher Entscheidungen bzw. die anfänglichen Vorstellungen des BAG zubewegt, ist das hierzu Erforderliche bereits ausgeführt worden.I97
190 19 1 192 193 194 195
1% 197
A. a. 0., S. 523. Siehe dazu oben unter 1. d). Vgl. hierzu oben unter 1. d) Fn. 97. In: ZZP 46 (1917), 371, 378-383; ZZP 47 (1918), I, 13. Siehe dazu unter§ 4 II. 1. Fn. 111 u. 112. In: Der Prozeß als Rechtslage, S. 221-226. In: Anm. zu BAG, EzA § 99 BetrVG 1972 Nr. 122 (unter II 2). Siehe dazu oben unter a) u. b) aa).
5 Krause
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Zusammenfassend läßt sich festhalten, daß die bisher behandelten Drittwirkungsmodalitäten bei einer näheren Betrachtung ihres Bindungscharakters keinen Anlaß geben, von der grundsätzlichen Einteilung in Tatbestands- und Rechtskraftwirkung Abstand zu nehmen. ee) Bindung durch Verneinung materiellrechtlicher Zurechenbarkeit Einer besonderen Betrachtung wert ist der Lösungsansatz von Prütting, 198 der sich in den Betriebsänderungsfällen in einen deutlichen Gegensatz zur Einordnung der Arbeitnehmerbindung als Erstreckung der materiellen Rechtskraft stellt und die von ihm im Ergebnis ebenfalls bejahte Bindung als eine besondere Form materiellrechtlicher Verknüpfung des arbeitsgerichtliehen Beschlusses mit dem Bestehen eines Nachteilsausgleichsanspruchs versteht. Ausgangspunkt der Überlegungen Prüttings ist der allgemein anerkannte Sanktionscharakter des § 113 BetrVG. 199 Hieraus folgert er, daß der Nachteilsausgleichsanspruch stets einen zurechenbaren Fehler des Arbeitgebers voraussetze. Der Anspruch entfalle daher, wenn das Vorliegen eines gemäß § 111 BetrVG mitbestimmungspflichtigen Tatbestandes rechtskräftig verneint worden sei. Denn selbst wenn der Beschluß materiell unrichtig sein sollte, also in Wirklichkeit eine Betriebsänderung gegeben ist, hafte der Arbeitgeber nicht für sein objektives Fehlverhalten, da es ihm in dieser Konstellation nicht zurechenbar sei. 200 Wie Prütting folgerichtig ausführt, entfaltet der Beschluß über das Nichtvorliegen einer Betriebsänderung auf der Grundlage seiner Auffassung seine Wirkung in der Weise, daß das von Prütting dem § 113 BetrVG inkorporierte Tatbestandsmerkmal der ,,Zurechenbarkeit" einer eventuellen Verletzung betriebsverfassungsrechtlicher Pflichten grundsätzlich entfällt. Im Gegensatz zu den oben genannten Ansichten, die - unter welcher Bezeichnung auch immer - an den Inhalt des arbeitsgerichtlichen Beschlusses anknüpfen, ist für Prütting also nicht der Inhalt der rechtskräftigen Feststellung, sondern ihr äußeres Vorhandensein das die Drittbindung auslösende Moment. Er knüpft damit, entsprechend den Gedankengängen von Hellwig und Hofmann, 201 an die durch die Existenz des arbeitsgerichtliehen Beschlusses geschaffene- tatsächliche -Lage für den Arbeitgeber an. Seine Sichtweise läuft nämlich sinngemäß darauf hinaus, daß dem Arbeitnehmer nur dann ein Nachteilsausgleichsanspruch zusteht, wenn der Arbeitgeber den Betriebsrat zu der von ihm geplanten Maßnahme hinzuziehen mußte. Der Arbeitgeber ist aber dann nicht (mehr) gezwungen, sich mit dem Betriebsrat auseinanderzusetzen, wenn eine In: RdA 1991,257,266/267. Ihm folgend v. Hoyningen-Huene, RdA 1992, 355, 364. Vgl. nur Hess, in: Hess/Schlochauer/Glaubitz, BetrVG, § 113 Rdnr. I; Dietz /Richardi, BetrVG, § 113 Rdnr. 2; Fabricius, GK-BetrVG, § 113 Rdnr. 1. 200 In: RdA 1991, 257, 267. So auch v. Hoyningen-Huene, RdA 1992, 355, 364. 2o1 Siehe dazu oben unter bb). 198 199
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Betriebsänderung im Sinne des § 111 BetrVG nicht vorliegt oder wenn das Nichtbestehen von Beteiligungsrechten durch arbeitsgerichtliehen Beschluß festgestellt ist. Zwar lehnt Prütting für seinen Lösungsvorschlag die Einordnung als Tatbestandswirkung ausdrücklich ab. 202 Diese Einschätzung ist allerdings insofern zweifelhaft, als die Existenz der Entscheidung des Arbeitsgerichts nach Prüttings Ansicht zu einer Veränderung der materiellrechtlichen Situation derjenigen Arbeitnehmer führten soll, die von einer Unternehmerischen Maßnahme betroffen sind. Wenn nun das Erkenntnis über das Nichtvorliegen einer Betriebsänderung als solches bewirken soll, daß eine bestimmte materiellrechtliche Anspruchsvoraussetzung ebenfalls entfällt, dann entspricht dies der oben203 näher aufgefächerten inneren Struktur der Tatbestandswirkung. 204 Ebenso wie bei den vereinzelt vertretenen materiellrechtlichen Erklärungsmodellen der Bindung bei der Bürgen- und OHGGesellschafterhaftung bedeutet die Sichtweise Prüttings im Grundsatz, daß er das Vorgreiflichkeitsverhältnis zwischen dem Vorliegen einer mitbestimmungspflichtigen Betriebsänderung und dem Bestehen eines Nachteilsausgleichsanspruchs mit der Rechtskraft des Beschlusses aufkündigt, der die Betriebsänderung verneint. Von diesem Zeitpunkt an sollen Arbeitnehmeransprüche aus § 113 Abs. 3 BetrVG zumindest im Grundsatz auch dann nicht mehr entstehen können, 205 wenn die unternehmerische Maßnahme in Wirklichkeit unter die Voraussetzungen des § lll BetrVG zu subsumieren wäre. Ein Unterschied zu den bislang erwähnten Fällen der Tatbestandswirkung besteht lediglich darin, daß es dort um die Entstehung bzw. den Untergang von Ansprüchen ging, während hier - jedenfalls bei einem rechtskräftigen Abschluß des Beschlußverfahrens vor dem Beginn der Arbeitgebermaßnahme - die Konstellation gegeben ist, daß die Entstehung eines materiellrechtlichen Anspruchs aus§ 113 Abs. 3 BetrVG von vornherein verhindert wird. Eine die völlige Gleichstellung mit einer Tatbestandswirkung hindernde Modifikation scheint Prütting dadurch vorzunehmen, daß er die Zurechenbarkeit des Arbeitgeberhandelns trotz eines Beteiligungsrechte ablehnenden Beschlusses bejaht, wenn der Arbeitgeber durch bewußt falsches Vorbringen die materiellrechtliche Unrichtigkeit des Beschlusses herbeiführt.Z06 Indessen vermag auch dieser Aspekt nicht zu überzeugen: Wenn Prütting nämlich damit ein Arbeitgeberverhalten umschreiben will, das als vorsätzliche sittenwidrige Schädigung im Sinne des § 826 BGB zu bezeichnen ist, besteht im Ergebnis kein Unterschied zu den Fällen der In: RdA 1991,257, 267. V gl. dazu unter 1. a) aa). 204 Für eine Deutung der Auffassung von Prütting als Tatbestandswirkung jetzt auch Konzen, FS Zeuner (1994), S. 401,413. 205 Die den Ausführungen Prüttings jedenfalls nicht ohne weiteres entnehmbare Antwort auf die Frage, ob auch bereits entstandene Nachteilsausgleichsansprüche nachträglich wieder entfallen sollen, sei zunächst dahingestellt. Näheres dazu unter 4. b ). 206 In: RdA 1991, 257, 267. 202 203
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1. Teil: Einführung
Tatbestandswirkung. Es ist nämlich anerkannt, daß der Berufung einer Partei auf die durch die gerichtliche Entscheidung eintretende Veränderung der Rechtslage von dem betroffenen Dritten der Einwand des sittenwidrigen Verhaltens entgegengehalten werden kann. 207 Gleiches gilt im übrigen auch für die Drittbindung qua Rechtskrafterstreckung, da nach ständiger Rechtsprechung und zumindest Teilen der Literatur die Durchbrechung der materiellen Rechtskraft auf dem Wege des § 826 BGB jedenfalls grundsätzlich möglich ist. 208 Will Prütting die Schwelle für die Verneinung einer Drittbindung mit seiner Formulierung hingegen deutlich niedriger ansetzen, so stellt er damit die von ihm grundsätzlich befürwortete Bindungswirkung der arbeitsgerichtliehen Entscheidung in Frage. Das Arbeitsgericht, das über den Nachteilsausgleichsanspruch befindet, müßte dann nämlich das gesamte Arbeitnehmervorbringen darauf untersuchen, ob einzelne Tatsachen dargelegt werden, die im Beschlußverfahren nicht berücksichtigt wurden und den Schluß auf ihre bewußte Unterdrückung durch die Arbeitgeberseite zulassen. Da sich eine Unternehmerische Maßnahme im Themenbereich des§ 111 BetrVG vielfach aus äußerst komplexen Teilaspekten zusammensetzt, 209 bedeutete eine Aufweichung der Bindungswirkung im Sinne einer prinzipiellen Zulassung jeglichen neuen tatsächlichen Vorbringens im Grunde genommen deren Preisgabe. Eine Bindung des Inhalts, daß lediglich eine abweichende rechtliche Beurteilung desselben Sachverhalts unterbleibt - darauf liefe eine großzügige Handhabung des Kriteriums der Zurechnung hinaus-, vermag eine Einheitlichkeit der gerichtlichen Entscheidungen nicht zu gewährleisten, da sie durch zusätzliche Darlegungen nahezu beliebig unterlaufen werden kann. Der Ansatz, durch eine spezifische Auslegung einer materiellrechtlichen Norm gleichsam eine Zwischenebene oberhalb der faktischen Bindungswirkung, aber noch unterhalb der rechtlichen Drittbindung mittels Rechtskrafterstreckung oder funktionsäquivalenter Bindungsformen einzuziehen, läßt sich daher jedenfalls bei den hier zur Diskussion stehenden komplexen Sachverhalten nur sehr eingeschränkt nutzbar machen. Solange sich der Rechtsordnung - was zu untersuchen sein wird - weitergehende Bindungen entnehmen lassen, die zu einem wirkungsvolleren Schutz der in dem ersten Verfahren geltend gemachten 207 H. F. Gaul, FS Zeuner (1994), S. 317, 3421343; ebenso BGH, Urt. v. 11. 12. 1963, NJW 1964, 1277; Urt. v. 23. 2. 1984, BGHZ 90, 207, 210; Stein/Jonas/Leipold, ZPO, § 325 Rdnr. 6 Fn. 7 a. E., zur Gläubigeranfechtung nach § 2 AnfG, bei der die Erwirkung eines vollstreckbaren Titels durch den Gläubiger - wie H. F. Gaul, FS Schwab ( 1990), S. 111 ff., insb. S. 134-138, überzeugend nachgewiesen hat - ebenfalls als Tatbestandswirkung zu Lasten des Anfechtungsgegners einzustufen ist. 2os Umfassend BGH, Urt. v. 27. 3. 1968, BGHZ 50, 115 ff.; aus neuererZeitetwa BGH, Urt. V. 24. 9. 1987, BGHZ 101,380, 383/384; Urt. V. 22. 12. 1987, BGHZ 103,44, 46; Urt. V. 23. 4. 1991, NJW 1991, 1884, 1885; unter zusätzlichem Hinweis auf§ 242 BGB auch Urt. v. 24. 6. 1993, NJW 1993, 3204, 3205. Ebenso Zöller!Vollkommer, ZPO, Vor§ 322 Rdnr. 76; Stein/Jonas/Leipold, ZPO, § 322 Rdnr. 268-279, mit weit. Nachw. auch zu abw. Ansichten in Rdnr. 275 (Fn. 346 u. 347). 209 Vgl. etwa die von Kittner, Anm. zu BAG, EzA § 111 BetrVG 1972 Nr. 5 (unter I b), hervorgehobenen Probleme bei der Feststellung des Beginns einer Unternehmerischen ,,Planung".
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Rechte führen und Drittinteressen nicht unverhältnismäßig beeinträchtigen, bedarf es keines Rückgriffs auf Drittbindungen "minderer Art". Sie sollen daher in den folgenden Ausführungen grundsätzlich außer Betracht bleiben.
4. Austauschbarkeit der Bindungsformen
a) Grundsatz Die bisherigen Erörterungen haben ergeben, daß sich die in vielfältiger Weise befürworteten Drittbindungen auf die Grundformen der Tatbestands-, Gestaltungsoder Rechtskraftwirkung zurückführen lassen. Diese Entscheidungswirkungen können trotz der in allen drei Formen zu beobachtenden Verknüpfung materiellrechtlicher und prozessualer Elemente in ihrer rechtstechnischen Ausgestaltung idealtypisch voneinander getrennt werden. Hinsichtlich ihrer Bedeutung für den Schutz des Bestandes der ersten Entscheidung und damit für die rechtliche Lage der Parteien sowie der jeweils gebundenen Dritten bestehen indessen weitgehende Parallelen. 210 Soweit es um die den einzelnen Urteilswirkungen zukommende Präklusivwirkung geht, kann deshalb im Grundsatz von einer Funktions- oder Ergebnisäquivalenz211 gesprochen werden. 212 Dieser Umstand legt zunächst den Schluß nahe, daß schon in denjenigen Fällen, in denen auf der einfachgesetzlichen Ebene sowohl das "Ob" als auch das "Wie" der Drittbindung eindeutig vorgegeben ist, verfassungsrechtliche Schranken der Einwirkung auf die Rechtsstellung Dritter nicht von der vom Gesetzgeber jeweils gewählten Struktur der Rechtsordnung abhängen kann. Für präzisere Aussagen ist es allerdings erforderlich, die dem Gesetzgeber durch die Verfassung aus Gründen des Drittschutzes gezogenen Grenzen im einzelnen herauszuarbeiten, da es stets eine Frage des Gewährleistungsinhaltes der jeweiligen Verfassungsnorm ist, welchen Widerstand sie welcher Form und Intensität einer Drittbindung entgegensetzt.213 Wichtiger noch sind die Folgerungen, die sich für die Behandlung der Fallkonstellationen ziehen lassen, bei denen dem Gesetz weder das "Ob" noch das "Wie" einer Drittbindung unmittelbar entnommen werden kann. Sind nämlich die durch 210 Siehe dazu oben 1. a) cc), b) cc) u. 2. c). Einschränkendjetzt aber H. F. Gaul, FS Zeuner(1994),S. 317,343-345. 211 Zum Begriff der Ergebnisäquivalenz vgl. Alexy, Theorie der Grundrechte, S. 483. 212 In funktionaler Hinsicht daher zutreffend bereits Kuttner, Urteilswirkungen außerhalb des Zivilprozesses, S. 17, nach dem eine generelle Präklusivwirkung eine gemeinsame Eigentümlichkeit sehr verschiedener Urteilswirkungen ist. Die durchaus vorhandenen Unterschiede in der Frage der Einwirkung auf das materielle Recht und somit der nach dem Erlaß des Erkenntnisses bestehenden konkreten Verhaltensmaßstäbe für die Parteien und für die Dritten sollen hiermit, wie nochmals hervorgehoben sei, keinesfalls negiert werden. 213 Siehe dazu unten§§ 9 u. 10.
70
§ 2 Instrumentarium der Bindung Dritter
Auslegung oder Gesetzesergänzung zu gewinnenden Bindungsformen funktionsäquivalent, so kann die Bejahung einer Bindung schwerlich davon abhängen, welche Form hierfür im einzelnen in Betracht zu ziehen ist. Sollte sich herausstellen, daß ein Weg abzulehnen ist, muß dies auch für einen Lösungsansatz gelten, der auf einem konstruktiv anderen Weg zum selben Ergebnis gelangt. 214 Das Hauptaugenmerk ist daher auf die Untersuchung derjenigen prozessualen und materiellrechtlichen Wertungsgesichtspunkte zu richten, die im einzelnen für bzw. gegen eine Bindung Dritter sprechen. Die Problematik läuft demnach im Kern darauf hinaus, unter welchen Voraussetzungen eine Zurechnung von Prozeßergebnissen gerechtfertigt ist. Etwas anderes mag nur gelten, wenn sich nachweisen ließe, daß der Gesetzgeber selbst Schranken gegenüber bestimmten Bindungsformen aufgestellt hat, die er auf andere Formen nicht angewendet wissen will, oder wenn strukturelle Überlegungen es verbieten würden, materiellrechtliche Umstände mit prozessualen Rechtsfolgen zu versehen. Konkret gesagt wären Versuche, in materiellrechtlichen Formen zu Drittbindungen zu gelangen, nur dann eindeutig vorzugswürdig, wenn § 325 ZPO als eine Vorschrift zu verstehen wäre, die sich ausschließlich ungeschriebenen Rechtskrafterstreckungen, nicht aber materiellrechtlichen Drittbindungen entgegenstemmen würde? 15 Gleiches würde gelten, wenn die subjektive Rechtskraftausdehnung als eine - zumindest auf der Grundlage der heute herrschenden Meinung - prozessuale Rechtsfolge nicht auf materiellrechtlichen Prämissen beruhen könnte? 16 Erweisen sich indessen beide Überlegungen als nicht stichhaltig, bestehen gegen die Erstreckung der subjektiven Rechtskraft gerichtlicher Entscheidungen auf Dritte also keine weitergehenden Bedenken als gegen sonstige Drittbindungen, so sind Tatbestands-, Gestaltungs- und Rechtskraftwirkung - abgesehen von privatautonomen Bindungsanordnungen - insoweit als austauschbar anzusehen, zumal häufig ohnehin keine scharfen Grenzen gezogen werden können217 . Gegen die Rechtskrafterstreckung als die nächstliegende Form der Bindung Dritter an rechtskräftig festgestellte präjudizielle Rechtsverhältnisse könnte schließlich noch vorgebracht werden, daß rein materiellrechtlichen Verknüpfungen eine größere Flexibilität bei der Bejahung oder Vemeinung einer Wirkung im Verhältnis zu Dritten zu eigen sei, ein Aspekt, der offenbar auch Prütting zu seinem Lösungsvorschlag motiviert hat. 218 Diesem möglichen Einwand ist indessen entgegenzuhalten, daß es gerade eine Stärke der Rechtskraftbindung darstellt, daß sie 214 In diesem Sinne bereits RG, Urt. v. 26. 11. 1903, RGZ 56, 73, 77, indem das Gericht u. a. aus dem Nichtbestehen einer Rechtskraftwirkung darauf schließt, daß auch keine sonstige, auf ein vergleichbares Ergebnis hinauslaufende Entscheidungswirkung eintritt. 21s Siehe dazu unten § 41. 2. a). 216 Vgl. hierzu unten§ 71. 2. 217 Zu letzterem ebenso Schlosser, Gestaltungsklagen und Gestaltungsurteile, S. 159. 21s In: RdA 1991,257,267. Zu den Einzelheiten seines Modells siehe oben unter 3. b) ee).
§ 2 Instrumentarium der Bindung Dritter
71
trotz mancher Unschärfen bei der Frage der Reichweite der Präklusion in objektiver wie zeitlicher Hinsicht im wesentlichen klar konturiert ist. Dieser der Rechtssicherheit dienende Umstand würde neu zu entwickelnden materiellrechtlichen Bindungsformen jedenfalls nicht von vornherein zukommen. Bei einer Orientierung neuartiger Formen an den zur Rechtskraft entwickelten Grundsätzen aber würde deren Berechtigung um so zweifelhafter sein. Darüber hinaus ist es für den Fall, daß die Verknüpfung materiellrechtlicher Voraussetzungen mit einer als prozessual verstandenen Rechtskrafterstreckung überhaupt bejaht werden kann, nicht ausgeschlossen, die Bindungsstrenge auf der Rechtsfolgenseite von sorgfaltig austarierten Tatbestandsvoraussetzungen abhängig zu machen, um so das erforderliche Maß an Flexibilität zu gewährleisten. Gegen die Ausdehnung der subjektiven Rechtskraft als primär in Betracht kommende Bindungsmodalität bestehen demnach auch unter dem zuletzt genannten Aspekt keine stichhaltigen Einwände.
b) Grenzen
Die soeben beschriebene Austauschbarkeit der Bindungsformen stößt allerdings in bestimmten Fallkonstellationen an ihre Grenzen. Als paradigmatisch für die Bedenken, die rein materiellrechtlichen Drittbindungen entgegenstehen, sei nochmals auf den Lösungsansatz von Prüttinl 19 für die Verbindung von kollektivrechtlichem Verfahren und lndividualprozeß in den Fällen der Betriebssänderung eingegangen. Die von Prütting befürwortete materiellrechtliche Verknüpfung des arbeitsgerichtliehen Beschlusses mit der Zurechenbarkeit eines eventuellen Fehlverhaltens des Arbeitgebers begegnet schon bei der einfachsten Fallgruppe, nämlich bei der Durchführung einer Maßnahme nach dem Eintritt der Rechtskraft eines Beschlusses, der ihre Mitbestimmungspflichtigkeit verneint, ernsthaften Zweifeln. Dabei sei vorab in Erinnerung gerufen, daß Prütting aus dem Sanktionscharakter des § 113 BetrVG das Erfordernis der Zurechenbarkeit einer betriebsverfassungsrechtlichen Pflichtverletzung als Voraussetzung eines Nachteilsausgleichsanspruchs folgert und diese Zurechenbarkeit bzw. Vorwerfbarkeit auch dann verneint, wenn ein rechtskräftiger Beschluß das Vorliegen einer Betriebsänderung zu Unrecht ablehnt. Dieser Sichtweise ist zunächst entgegenzuhalten, daß der Nachteilsausgleichsanspruch nach ständiger Rechtsprechung220 sowie ganz einhelliger Meinung im Schrifttum221 nicht an ein Verschulden des Arbeitgebers geknüpft ist. Der AnIn: RdA 1991, 257, 267. BAG, Urt. v. 4. 12. 1979, AP Nr. 6 zu§ 111 BetrVG 1972 (unter 1 c d. Gr.); BAG, Urt. v. 29. 11. 1983, AP Nr. 10 zu§ 113 BetrVG 1972 (unter I d. Gr.). So auch schon zu§ 74 BetrVG 1952 BAG, Urt. v. 20. 11. 1970, AP Nr. 7 zu§ 72 BetrVG (unter 112 d. Gr.). 221 Fitting/Auffarth/Kaiser/Heither, BetrVG, § 113 Rdnr. 7; Hess, in: Hess/Schlochauer/Glaubitz, BetrVG, § 113 Rdnr. 20; Galperin/Löwisch, BetrVG, § 113 Rdnr. 48a; Dietz/ Richardi, BetrVG, § 113 Rdnr. 20; Fabricius, GK-BetrVG, § 113 Rdnr. 24. 219 220
1. Teil: Einführung
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spruch ist vielmehr die Folge eines objektiv betriebsverfassungswidrigen Verhaltens des Arbeitgebers. Der Nachteilsausgleich würde in eine vom BAG gerade abgelehnte222 bußgeldähnliche Verpflichtung mit Strafcharakter umgeformt werden, wenn man die Zurechenbarkeit als Tatbestandsmerkmal einführte, um einem vorherigen Beschlußverfahren auf diese Weise Geltung für die Frage eines späteren Ausgleichsanspruchs zu verschaffen. 223 Sodann wird die Meinung, die Zurechenbarkeit des Arbeitgeberhandeins bilde ein zusätzliches Tatbestandselement, der Ausgleichsfunktion nicht gerecht, die dem § 113 Abs. 3 BetrVG neben der Sanktionsfunktion nach überwiegender Ansicht im Anschluß an die Gesetzesmaterialien224 zu Recht zuerkannt wird225 . Der Anspruch soll die Arbeitnehmer nämlich dafür entschädigen, daß der von der Rechtsordnung objektiv gebotene Versuch, durch einen Interessenausgleich zwischen dem Arbeitgeber und dem Betriebsrat Nachteile von vornherein zu vermeiden, nicht genutzt worden ist. Eine Subjektivierung der Anspruchsvoraussetzungen läuft dieser gesetzgebensehen Zielsetzung zuwider. Auch in der Sache selbst ist der Vorschlag Prüttings zur Erklärung der Drittbindung angreifbar. Wenn sich der Beschluß des Arbeitsgerichts im Rahmen der für einen Anspruch angeblich erforderlichen Vorwerfbarkeit auswirken soll, so bedeutet dies nichts anderes, als daß der Arbeitgeber auf die Rechtsauskunft des Gerichts vertrauen darf, ein Rechtsirrtum seinerseits stets als unverschuldet zu gelten hätte. Der Arbeitgeber müsse, wie es Prütting selbst umschreibt, 226 nicht klüger als der rechtskräftiger Beschluß eines Arbeitsgerichts sein. Nun ist die Verknüpfung gerichtlicher Erkenntnisse mit dem Verneinen des für Schadensersatzansprüche erforderlichen Verschuldeus ein der Rechtsprechung durchaus geläufiges Phänomen: So handelt nach Ansicht des BAG die einen Arbeitskampf führende Gewerkschaft nicht schuldhaft, solange sie sich im Einklang mit der höchstrichterlichen Rechtsprechung befindet. 227 Indessen kann diese Auffassung nur im Zusammenhang mit dem Bestreben des BAG gesehen werden, es den Gewerkschaften durch die Verringerung von Haftungsrisiken zu erleichtern, Arbeitskämpfe zu organisieren. 228 Urt. v. 29. 11. 1983, AP Nr. lO zu§ 113 BetrVG 1972 (unter 1 d. Gr.). Die Ansicht von Priitting als Uminterpretation des § 113 Abs. 3 BetrVG bezeichnend auch Konzen, FS Zeuner (1994), S. 401, 413. 224 RegE zum BetrVG, BT-Drucks. Vl/1786, S. 55. 225 Hess, in: Hess/Schlochauer/Glaubitz, BetrVG, § 113 Rdnr. I; Galperin/Löwisch, BetrVG, § 113 Rdnr. I; Dietz/Richardi, BetrVG, § 113 Rdnr. 2; Fabricius, GK-BetrVG, § 113 Rdnr. 112. Den Lösungsansatz Prüttings aus diesem Grunde ausdrücklich ab!. auch Dütz, FS Gnade (1992), S. 487,498. 226 In: RdA 1991, 257, 267. 227 Urt. v. 9. 4. 1991, AP Nr. 116 zu Art. 9 GG Arbeitskampf (unter I 3d. Gr.). 228 Vgl. das allerdings nicht ganz durchsichtige Urt. v. 21. 3. 1978, AP Nr. 62 zu Art. 9 GG Arbeitskampf, nach dem ein Rechtsirrtum der Gewerkschaft über die Rechtmäßigkeit eines Streiks bei fehlender höchstrichterlicher Klärung zwar als vermeidbar angesehen, das Verschulden aber unter Hinweis darauf verneint wurde, daß es Aufgabe der Gewerkschaften 222 223
§ 2 Instrumentarium der Bindung Dritter
73
Diese letztlich in Art. 9 Abs. 3 GG verankerten besonderen Privilegien der Gewerkschaften lassen sich nicht entsprechend auf den eine Betriebsänderung planenden und durchführenden Arbeitgeber übertragen. Noch einen Schritt weiter in der Verbindung von gerichtlicher Entscheidung und materiellrechtlichem Anspruch geht der BGH, wenn er bei der Prüfung von Amtshaftungsansprüchen das Verschulden des Amtsträgers grundsätzlich verneint, sobald ein Kollegialgericht die fragliche Amtshandlung als objektiv rechtmäßig angesehen hat. 229 Allerdings bezeichnet der BGH diesen Grundsatz selbst im Amtshaftungsrecht nur als eine allgemeine Regel, von der er Ausnahmen wie beispielsweise die fehlerhafte Beurteilung "leichter Rechtsfragen" sowie die "eindeutige Verkennung" der Rechtslage anerkennt. 230 Dasselbe soll gelten, wenn das Kollegialgericht in entscheidenden Punkten von einem unrichtigen Sachverhalt ausgegangen ist oder diesen nicht erschöpfend gewürdigt hat. 231 Darüber hinaus findet der genannte Grundsatz im Bereich des gewöhnlichen Schuldnerverschuldeus nach Ansicht der Rechtsprechung keine Anwendung?32 Vielmehr wird insoweit ein strenger Maßstab angelegt. 233 So soll das Vertrauen in die Entscheidungsgründe eines vorangegangenen Parallelverfahrens nicht entlastend wirken. Dies gilt selbst dann, wenn das betreffende Gericht für den aktuellen Prozeß zuständig ist. 234 Bei der Frage nach der Vermeidbarkeit eines eventuellen Rechtsirrtums könnte man ferner- jedenfalls bei erst- und zweitinstanzliehen Beschlüssen - kaum der Frage ausweichen, ob die erste Entscheidung inhaltlich richtig war bzw. in welchem Ausmaße sie das ,,richtige Recht" verfehlt hat, da dies für die Entlastung des Schuldners eine gewichtige Rolle zu spielen hätte. Damit aber würde das Bemühen um eine einigermaßen scharf konturierte Drittbindung eine empfindliche Einbuße erleiden. Ferner trägt die Begründung Prüttings von vornherein nicht diejenigen Fälle, in denen der das Vorliegen einer Betriebsänderung negierende arbeitsgerichtliche Beschluß auf einem Anerkenntnis bzw. - bei entsprechender Verfahrensrolle - einem Verzicht des Betriebsrats im Sinne der §§ 306, 307 ZP0235 beruht, vorausgesetzt sei, ohne Haftungsrisiko Neuland betreten zu können. Das BVerfG hat dies gebilligt: Beschl. v. 2. 11. 1979, AP Nr. 62a zu Art. 9 GG Arbeitskampf. 229 Urt. v. 29. 5. 1958, BGHZ 27, 338, 343; Urt. v. 21. 12. 1961, LM § 839 (B) BGB Nr. 20; Urt. v. 14. 12. 1978, BGHZ 73, 161, 164; Urt. v. 20. 2. 1992, BGHZ 117, 240, 250. 230 Urt. V. 14. 12. 1978, BGHZ 73, 161, 164/165. 231 BGH, Urt. V. 29. 10. 1987, NJW 1988, 1143, 1144; Urt. V. 5. 7. 1990, NJW 1990, 3206, 3207 (jeweils zur Notarshaftung). 232 BGH, Urt. V. 4. 11. 1975, NJW 1976, 363; Urt. V. I. 12. 1981, NJW 1982, 635, 637; Urt. V. 10. 7. 1984, NJW 1985, 134, 135. 233 BGH, Urt. v. 11. I. 1984, BGHZ 89, 296, 303; ausführlich Mayer, Der Rechtsirrtum und seine Folgen im bürgerlichen Recht (1989), S. 101-156. 234 BGH, Urt. v. 18. 4. 1974, NJW 1974, 1903, 1904/1905; siehe aber auch BAG, Urt. v. 12. 11. 1992, AP Nr. 1 zu§ 285 BGB: entschuldbarer Rechtsirrtum bei Vertrauen auf höchstrichterliche Rechtsprechung und Äußerungen in Gesetzgebungsverfahren. 235 Die grundsätzliche Möglichkeit einer Anerkenntnis- bzw. Verzichtsentscheidung wird bei vorhandener Dispositionsbefugnis ganz überwiegend bejaht; vgl. Grunsky, ArbGG, § 80
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1. Teil: Einführung
man anerkennt eine entsprechende Verfügungsbefugnis der Betriebspartner über die Beteiligungsrechte gemäߧ§ 111, 112 BetrVG.236 Derartige Verfahrenshandlungen des Betriebsrats können kein schutzwürdiges Vertrauen des Arbeitgebers darauf auslösen, daß die von ihm intendierte Maßnahme von der Rechtsordnung nicht als Betriebsänderung im Sinne des § 111 BetrVG angesehen wird. Um die Arbeitnehmer an das Ergebnis eines auf diese Weise zustande gekommenen rechtskräftigen Beschlusses zu binden, bedarf es anderer Zurechnungsmechanismen. Demgegenüber müßte Prütting bei der Reichweite der Bindung nach der Ursache der arbeitsgerichtliehen Entscheidung differenzieren und damit die Einheitlichkeit der Drittbindung aufgeben. Schließlich könnte man nach Einführung der Zurechenbarkeit betriebsverfassungswidrigen Arbeitgeberverhaltens als Voraussetzung für einen Nachteilsausgleichsanspruch nicht dabei haltmachen, nur den Beschluß über das Nichtvorliegen eines Betriebsänderung als zurechnungsausschließend anzusehen. Vielmehr müßten konsequenterweise ähnlich schwerwiegende Gründe, die das Verhalten des Unternehmers als nicht vorwertbar erscheinen lassen, die Anspruchsentstehung hindem. Damit aber würde der Sinn und Zweck des rigoros gefaßten § 113 Abs. 3 BetrVG vollends verändert. Zwar mögen sich für eine Verschärfung der Voraussetzungen eines Nachteilsausgleichsanspruchs Gründe finden lassen. Es ist aber zu fordern, daß die hierfür vorgebrachten Wertungen offen ausgewiesen werden und nicht als notwendige Begleiterscheinungen eines Vorschlags zur Erklärung drittbezogener Auswirkungen eines arbeitsgerichtliehen Beschlußverfahrens auftreten. Der Ansatz, dem Ergebnis eines Beschlußverfahrens über das Kriterium der Zurechenbarkeit betriebsverfassungswidrigen Arbeitgeberverhaltens Geltung in einem anschließenden Individualprozeß zu verschaffen, stößt weiterhin auf argumentative Schwierigkeiten, wenn der Unternehmer die Betriebsänderung durchführt, bevor rechtskräftig festgestellt ist, daß die Maßnahme keine Mitbestimmungsrechte des Betriebsrats nach§§ 111, 112 BetrVG auslöst. Genau diese Fallkonstellation aber lag der Entscheidung des BAG vom 10. 11. 1987237 zugrunde, da laut Tatbestand die fragliche Arbeitgebermaßnahme (Schließung einer Niederlassung) bereits zur Jahresmitte 1982 vorgenommen worden war, während der Beschluß des Landesarbeitsgerichts, daß hierdurch nicht die Voraussetzungen der §§ 111, 112 BetrVG erfüllt wären, erst mit der Verwerfung der Rechtsbeschwerde des Betriebsrats durch das BAG im August 1983 materielle Rechtskraft erlangte.238 Bei einer derartigen Sachlage läßt sich kaum behaupten, daß dem Arbeitgeber das Nichtzustandekommen eines - objektiv geforderten - Interessenausgleichs Rdnr. 30; Matthes, in: Germelrrumn/Matthes/Prütting, ArbGG, § 80 Rdnr. 55,§ 84 Rdnr. 6; Dütz, RdA 1980, 81, 99; Fenn, FS Schiedermair (1976), S. 117, 137; derselbe, FS 25 Jahre BAG (1979), S. 91 , 113. 236 Siehe hierzu unten § 14 II. 4. b) aa). 237 AP Nr. 15 zu§ 113 BetrVG 1972. 238 Zur Reichweite des Suspensiveffektes bei der Rechtsbeschwerde vgl. nur Grunsky, ArbGG, § 87 Rdnr. 13.
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nicht zuzurechnen ist. Mit der Durchführung der Maßnahme vor Rechtskraft der Entscheidung im Beschlußverfahren gibt der Arbeitgeber zu erkennen, daß er gerade nicht das Ergebnis der gerichtlichen Auseinandersetzung mit dem Betriebsrat abzuwarten und sich dementsprechend zu verhalten gedenkt. Der Unternehmer handelt in diesem Fall nicht im Vertrauen auf das rechtskräftige gerichtliche Erkenntnis über das Nichtvorliegen einer Betriebsänderung.239 Vielmehr geht es ihm in erster Linie um die Durchführung der Maßnahme zu dem ihm genehmen Termin, wobei er lediglich die Hoffnung hegen kann, die Arbeitsgerichtsbarkeit werde seine Rechtsansicht bestätigen. Diese Hoffnung allein kann aber nicht dazu führen, die Zurechenbarkeit eines unterlassenen Interessenausgleichs grundsätzlich zu verneinen, selbst wenn zu einem späteren Zeitpunkt eine - inhaltlich unzutreffende gerichtliche Entscheidung ergeht, nach der die Maßnahme nicht den Vorschriften der§§ 111, 112 BetrVG unterfallen soll. Die Anknüpfung an die Zurechenbarkeit betriebsverfassungswidrigen Verhaltens vermag einem arbeitsgerichtliehen Beschluß über das Nichtvorliegen einer Betriebsänderung somit in der beschriebenen und der HAG-Entscheidung zugrundeliegenden Konstellation in einem späteren lndividualprozeß keine Geltung zu verschaffen. 240 Wenn Prütting die Zurechenbarkeit eines Fehlverhaltens des Arbeitgebers und damit einen Anspruch aus§ 113 BetrVG generell verneint, sofern ein Arbeitsgericht das Vorliegen einer Betriebsänderung ablehnt, ohne eine Differenzierung nach dem Zeitpunkt der Rechtskraft des Beschlusses vorzunehmen, und er zudem der Entscheidung des BAG vom 10. 11. 1987, bei der- wie ausgeführt - die Rechtskraft der Unternehmerischen Maßnahme zeitlich nachfolgte, auf der Grundlage seiner Ausführungen im Ergebnis ausdrücklich zustimmt, 241 so erscheint dies nicht folgerichtig. Wenig überzeugend ist ein materiellrechtlicher Lösungsansatzes schließlich bei der Behandlung derjenigen Fallgruppe, in der das Arbeitsgericht - vor oder nach Durchführung der Arbeitgebermaßnahme- eine Betriebsänderung zu Unrecht bejaht. In diesem Falle müßte die Zubilligung eines Nachteilsausgleichsanspruchs in einem späteren Individualprozeß nämlich damit begründet werden, daß der Arbeitgeber zwar betriebsverfassungsgemäß gehandelt haben mag, er aber für die Mißachtung des gerichtlichen Ausspruches sanktioniert werden und deshalb an die Arbeitnehmer finanzielle Leistungen erbringen müsse. Dies wäre die konsequente Fortschreibung des Erklärungsmodells von Prütting, da das Vorliegen einer Betriebsänderung in einem nachfolgenden Prozeß zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer weder selbständig geprüft werden noch auf Grund einer Rechtskrafterstreckung feststehen soll, sondern nach einem Beschlußverfahren über diese Frage materiellrechtlich unerheblich wäre.Z42 Dem arbeitsgerichtliehen Beschluß würde demnach offen eine rechtserzeugende Nebenwirkung beigemessen werden. So auch Otto, RdA 1994, 313,314. In diesem Sinne auch Otto, RdA 1994, 313, 314. 241 In: RdA 1991, 257, 266/267. 242 Vgl. die entsprechenden Ausführungen zur Rechtslage bei der Verneinung einer Betriebsänderung in: RdA 1991, 257, 267. 239
240
1. Teil: Einführung
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Nun mag man insbesondere in den zuletzt erörterten Fallgruppen der Auffassung sein, daß eine Auswirkung des Beschlußverfahrens auf die Rechtsstellung der Arbeitnehmer und damit auch die Aussagen des BAG in der Entscheidung vom 10. 11. 1987 abzulehnen seien. Von den Gründen und Grenzen einer Zurechnung des Verfahrensergebnisses wird noch zu handeln sein. 243 An diesem Punkt der Untersuchung ging es lediglich darum, beispielhaft die Problematik ausschließlich materiellrechtlicher Verknüpfungen zwischen einem prozessualen Ereignis wie einem arbeitsgerichtliehen Beschluß und der Rechtslage des einzelnen Arbeitnehmers darzutun. Wer die Rechtskrafterstreckung als Bindungsform von vomherein beiseite schiebt, um sich materiellrechtlichen Verbindungen zuzuwenden, muß gewärtigen, mit Fallgruppen konfrontiert zu werden, die mit den angebotenen Begründungsmustem nicht bewältigt werden können. Die unabweisbare Konsequenz einer solchen Betrachtungsweise läge in der voreiligen Ablehnung jeglicher Drittbindungen außerhalb der durch die materiellrechtliche Verknüpfung vorgezeichneten engen Bahnen oder - gleichermaßen unersprießlich - in der Preisgabe einer einheitlichen Form zur Verwirklichung einer durch die Wertungen des materiellen Rechts geforderten Entscheidungskonvergenz.
S. Ergebnis
Für eine Bindung Dritter an gerichtliche Entscheidungen stellt das geltende Recht in instrumentaler Hinsicht drei Grundformen zur Verfügung: Die- jeweils dem materiellen Recht zugehörige - Tatbestandswirkung und Gestaltungswirkung sowie die - dem prozessualen Recht zuzuordnende - Rechtskraftwirkung. Eine Einführung neuartiger Begriffe, denen letztlich kein von diesen Grundformen abweichender Bedeutungsgehalt zugewiesen werden kann, ist abzulehnen. Insbesondere ist eine unmittelbare Normwirkung einer gerichtlichen Entscheidung zu verneinen. Statt dessen ist in den einschlägigen Fällen von einer Rechtskraftwirkung inter ornnes auszugehen. Die verschiedenen Grundformen, in denen sich eine Bindung Dritter vollzieht, wirken sich in vergleichbarer Weise aus. Sofern gegen eine Modalität aus Gründen des Drittschutzes Bedenken bestehen, läßt sich die erwünschte Drittwirkung nicht allein damit rechtfertigen, daß man eine andere instrumentale Ausgestaltung wählt.
243
Siehe dazu unten § 14 II. 4. b) aa).
Zweiter Teil
Einfachgesetzliche Ausgangslage für die erweiterte Maßgeblichkeit gerichtlicher Entscheidungen in kollektivrechtlichen Streitigkeiten Der folgende Abschnitt befaßt sich mit denjenigen Überlegungen zu einer parteiübergreifenden Bindung, die ihre Grundlage im einfachen Gesetzesrecht finden. Verfassungsrechtliche Aspekte sollen hingegen erst im dritten Teil 1 behandelt werden. Ein derartiges "Trennungsdenken", dessen Gründe bereits angedeutet wurden, 2 bedarf der näheren Erläuterung: Zunächst ist trotz der grundsätzlich nicht zu bestreitenden Beeinflussung des einfachen Rechts durch das höherrangige Verfassungsrecht3 daran festzuhalten, daß der konkrete Inhalt des Privatrechts wie des Zivilverfahrensrechts auch weiterhin in erster Linie im einfachen Recht selbst zu suchen ist. 4 Diese Rechtsgebiete stellen keineswegs nur "angewandtes" oder "konkretisiertes Verfassungsrecht" dar, 5 so daß es nicht angängig ist, das Zivil(verfahrens)recht durch deduktive Ableitung aus grundgesetzliehen Normen ermitteln zu wollen, 6 die einfache Rechtsordnung also nicht von der Verfassung her "gedacht" werden kann. 7 Vielmehr handelt es sich um einen Bereich, der vielfältigen GestalSiehe unten §§ 9-11. Siehe dazu oben § 1 III. 3 Erinnert sei vor allem an die nicht enden wollende Diskussion um die Wirkung der Grundrechte im Zivilrecht, bei der die traditionelle Lehre von der mittelbaren .,Drittwirkung" der Grundrechte zunehmend durch die Auffassung von den grundrechtliehen Schutzpflichten des Staates präzisiert wird; vgl. BVerfG, Beschl. v. 7. 2. 1990, BVerfGE 81, 242ff. ; Urt. v. 28. I. 1992, BVerfGE 85, 191, 213; Beschl. v. 16. 11. 1993, BVerfGE 89,276, 286; Canaris, AcP 184 (1984), 201 ff.; derselbe, JuS 1989, 161 ff.; Stern, StaatsR, Bd. IIUl, § 76 li 4 b, S. 1560/1561, § 76 IV 5, S. 1572-1578; Pietzker, FS Dürig (1990), S. 345, 362/363; Hager, JZ 1994, 373, 378-383; einschränkend aber lsensee, in: Handbuch des StaatsR, Bd. V,§ 111 Rdnr. 128 ff. 4 Eine herausragende Darstellung des Verhältnisses von Verfassungsrecht und Privatrecht bietet Müller-Freienfels, FS Rittner (1991), S. 423, insb. S. 443 ff. s In diesem Sinne auch H. F. Gaul, ZZP 80 (1967), 151; P. Krause, JZ 1984, 711, 716. Ebenso für das Arbeitsrecht ausdrücklich Schwerdtner, Gern. Anm. zu BAG, AP Nr. 83, 84 und 86 zu § 611 BGB Gratifikation (unter 1): "Verfassungszauber" gegen Achterberg, JZ 1975,713,714. 6 Gegen eine Entscheidung privatrechtlicher Konflikte (allein) mit Hilfe der Grundrechte auch Henckel, Prozeßrecht und materielles Recht, S. 3581359. I
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2. Teil: Einfachgesetzliche Ausgangslage
tungsmöglichkeiten des Gesetzgebers wie auch Eigengesetzlichkeiten des Zivilrechts breiten Raum gibt. 8 Dementsprechend muß auch die Rechtsgewinnung bei der Lösung problematischer Fälle primär danach trachten, die einfachgesetzlichen Vorgaben auszuloten und zu verwirklichen, ohne vorschnell jedes Problem auf der Ebene des einfachen Gesetzes in einen verfassungsrechtlichen Konflikt zu konvertieren. Die Vorschriften des Grundgesetzes können bei der Ermittlung des einfachen Rechts lediglich insoweit als "Eckpunkte" 9 angesehen werden, als eindeutige und allseits anerkannte Kernbereiche berührt sind. Die den Verfassungsnormen darüber hinaus eignenden Wertgehalte sind bei der Rechtsgewinnung auf der einfachgesetzlichen Ebene zwar zu berücksichtigen, kollidieren aber mit den dort angesiedelten Wertungen, ohne von vomherein unbedingten Vorrang beanspruchen zu können, sondern müssen sich den bei der Auflösung von Prinzipienkollisionen anzuwendenden Regeln 10 unterwerfen. Die Konsequenz dieser Sichtweise besteht darin, daß die Bejahung bzw. Verneinung erweiterter Bindungswirkungen in konkreten Fallgestaltungen erst dann abschließend entschieden werden kann, wenn die zuvor isoliert herausgearbeiteten einfachgesetzlichen wie verfassungsrechtlichen Wertungen in einem weiteren Schritt 11 zusammengeführt worden sind. Außerdem wird ein solches Vorgehen am ehesten dem schon des öfteren angemerkten Umstand12 gerecht, daß es im Bereich der gesetzesferneren Rechtsgewinnung zu einem Zusammenspiel von zwei Variablen kommt: der nicht von vomherein feststehenden subjektiven Reichweite der Entscheidung auf der einen und der Ermittlung der zum Schutz betroffener Dritter bestehenden normativen Vorgaben auf der anderen Seite. 13
7 Plastisch zu dieser auf die Grundrechte bezogenen - von ihm allerdings nicht geteilten Vorstellungsweise Lerche, FS Steindorff (1990), S. 897, 901 -903. s Hierzu immer noch grundlegend Dürig, FS Nawiasky (1956), S. 157, 164, 180-184. Ebenso Lerche, FS Steindorff (1990), S. 897, 903/904; Medicus, AcP 192 (1992), 35, 54-62; Alexy, Theorie der Grundrechte, S. 492-494. 9 Söllner, ArbuR 1991, 45, 46. to Dazu Koch/Rüßmann, Juristische Begründungslehre, S. 97-103, 244-246; Alexy, Theorie der Grundrechte, S. 488/489. Für die Relativierung eines unbedingten Vorrangdenkens auch Müller-Freienfels, FS Rittner (1991), S. 423,470. 11 Siehe hierzu den vierten Teil, §§ 12-14. 12 Vgl. Rechberger/Oberhammer, 'ZZP 106 (1993), 347, 360; Zeuner, Rechtliches Gehör, materielles Recht und Urteilswirkungen, S. 52-55; Schlosser, Gestaltungsklagen und Gestaltungsurteile, S. 1881189; Calavros, Urteilswirkungen zu Lasten Dritter, S. 1771178; W. Lüke, Die Beteiligung Dritter im Zivilprozeß, S. 117; Schuftes, Beteiligung Dritter am Zivilprozeß, s. 100-107. n Siehe zu diesem Zusammenhang auch unten § 6 II. u. § 9 I.
§ 3 Positive Anordnungen einer erweiterten Bindungswirkung
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§ 3 Positive Anordnungen einer erweiterten Bindungswirkung Die anschließenden Ausführungen beschäftigen sich mit denjenigen Bindungswirkungen, deren Reichweite sich mehr oder weniger ~weifelsfrei durch Auslegung der einschlägigen gesetzlichen Vorschriften gewinnen läßt. 1 Dabei wird unter Auslegung in Abgrenzung zur ergänzenden Rechtsfortbildung mit der überwiegenden Ansicht2 diejenige Rechtsgewinnung verstanden, die sich innerhalb des durch den Wortlaut abgesteckten Rahmens einer bzw. mehrerer Norm(en) bewegt, 3 mag sich der "Sinn" einer Vorschrift letztlich auch erst unter Heranziehung "objektivteleologischer" Kriterien4 ergeben. 5 Mit dem Herausarbeiten der Drittwirkungen, die unmittelbar auf positiven Anordnungen des Gesetzes gründen, steht zugleich fest, welche - in Rechtsprechung und Literatur teilweise durchaus anerkannten Bindungen Dritter nicht in dieser Weise auf das Gesetz zurückgeführt werden können. Ob derartige Drittbindungen durch Rechtsfortbildung begründbar sind, wird zusammen mit einigen im Grenzbereich angesiedelten Zweifelsfragen - zu erörtern sein.6 Bereits an dieser Stelle kann indessen festgehalten werden, daß die AnaI Korrekturen aus verfassungsrechtlichen Gründen bleiben entsprechend dem soeben Gesagten (vor§ 3) vorbehalten. 2 BVerfG, Beschl. v. 23. 10. 1985, BVerfGE 71, 108, 115; Beschl. v. 10. I. 1995, NJW 1995, 1141; Larenz, Methodenlehre der Rechtswissenschaft, S. 322, 324; Bydlinski, Juristische Methodenlehre und Rechtsbegriff, S. 441; Canaris, Die Feststellung von Lücken im Gesetz, S. 22/23; Krey, JZ 1978, 361, 364, 368; ebenso Engisch, Einführung in das juristische Denken, S. 153, zur Abgrenzung zwischen extensiver Auslegung und Analogie. 3 Zwar ist der Übergang von der Auslegung zur Rechtsfortbildung fließend; vgl. nur Larenz, Methodenlehre der Rechtswissenschaft, S. 366/367. Gegen jede begriffliche Trennung deshalb z. B. Schlosser, Gestaltungsklagen und Gestaltungsurteile, S. 2811282. Gleichwohl ist an der grundsätzlichen Abgrenzung nicht zuletzt wegen der Notwendigkeit, in der zuweilen "chaotische Züge" (Bydlinski) annehmenden Methodendiskussion Kontinuität zu bewahren, festzuhalten. Zu weiteren Gründen siehe die gelungene Zusammenfassung bei Krey, JZ 1978, 361, 368. 4 Gemeint sind Sachgesetzlichkeiten sowie Konkretisierungen der Rechtsidee, für deren Berücksichtigung die Gesetzesmaterialien zwar keine greifbaren Anhaltspunkte bieten, die aber bei einer "vernünftigen" Rechtsgewinnung gleichwohl verwendet werden dürfen; vgl. Larenz, Methodenlehre der Rechtswissenschaft, S. 333; Bydlinski, Juristische Methodenlehre und Rechtsbegriff, S. 454. s Der Begriff der Auslegung wird damit weiter gefaßt als nach der in weiten Teilen überzeugenden Konzeption von Koch/ Rüßmann, Juristische Begründungslehre, S. 163-236, die ausgehend von staatstheoretischen Erwägungen - als Auslegung lediglich die Ermittlung des vom Gesetzgeber Gesagten und (subjektiv) Gewollten ansehen und den Bereich der "objektiv-teleologischen Auslegung" bereits der Rechtsfortbildung zuschreiben. Berücksichtigt man, daß die Ansprüche an die Begründung der Rechtsgewinnung jenseits des vom Normgeber eindeutig Gesagten bzw. Gewollten, dem selbstverständlich der unbedingte Vorrang einzuräumen ist, in jedem Falle erheblich ansteigen, dürften sich die Unterschiede auf terminologische Abweichungen reduzieren. In diesem Sinne bezeichnet etwa Krey, JZ 1978, 361, als Auslegung den Bereich der Rechtsfortbildung innerhalb des gesetzlichen Regelungsrahmens. 6 Siehe dazu unten die§§ 4-14.
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2. Teil: Einfachgesetzliche Ausgangslage
lyse der vorhandenen Einzelregelungen von hervorragender Bedeutung für die Lösung der vom Gesetz nicht ausdrücklich behandelten Fallgruppen ist. Die Wahrung der Wertungseinheit des Rechts als eines der wichtigten Prinzipien systematischer Rechtsfindung hat nämlich primär von besonderen, positiv angeordneten Wertungen auszugehen?
I. Gestaltungswirkungen
Wie dargelegt, 8 kommt es für die Bindung Dritter qua Gestaltungswirkung darauf an, ob sich einer gesetzlichen Regelung entnehmen läßt, daß der gerichtlichen Entscheidung in einer bestimmten Rechtsstreitigkeit konstitutive, die materielle Rechtslage verändernde Wirkung eignet. Hierfür bestehen im Bereich des Koalitions- und Tarifvertragsrechts, abgesehen von der noch zu behandelnden Vorschrift des § 9 TVG, 9 sowie im Arbeitskampfrecht keinerlei Anhaltspunkte. 10 Demgegenüber enthält das Betriebsverfassungsrecht mehrere Anknüpfungspunkte für die Bejahung des Gestaltungscharakters gerichtlicher Beschlüsse, die sich auf eine Vielzahl von Arbeitnehmern auswirken können.
1. Anfechtung von Betriebsratswahlen
Als erste Fallgruppe sei die - von der im Gesetz nicht geregelten Feststellung der Nichtigkeit zu unterscheidende 11 -Anfechtung des Wahlergebnisses von Betriebsratswahlen gemäߧ 19 BetrVG erörtert. Dabei sollen sich die Ausführungen auf die Anfechtung des gesamten Wahlergebnisses konzentrieren, da hierbei die am weitesten gehenden Rechtsfolgen in Rede stehen. 12
7
100.
Dazu ausführlich Canaris, Systemdenken und Systembegriff in der Jurisprudenz, S. 991
Siehe hierzu oben § 2 III. 1. b) aa). Siehe dazu unten II. IO Dies wäre zwar bei einer Auflösungsklage als Instrument zur außerordentlichen Beendigung eines Tarifvertrages anders. Eine derartige Rechtsschutzform ist de lege lata indes nicht anzuerkennen; dazu näher Oetker, RdA 1995, 82, 91. II Siehe dazu unten§ 141. 2. b). 12 Neben der Gesamtanfechtung ist nach einhelliger Meinung auch die Teilanfechtung möglich; vgl. nur BAG, Beseht. v. 12. 2. 1960, AP Nr. II zu § 18 BetrVG (unter 1 d. Gr.); Fitting I Auffarthl Kaiser I Heither, BetrVG, § 19 Rdnr. 28/29; Dietzl Richardi, BetrVG, § 19 Rdnr. 40; Kreutz, GK-BetrVG, § 19 Rdnr. 89/90. B
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§ 3 Positive Anordnungen einer erweiterten Bindungswirkung
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a) Konstitutiver Charakter der stattgebenden gerichtlichen Entscheidung
Soweit die Rechtsprechung und die Lehre die Frage nach dem Charakter des arbeitsgerichtlichen Beschlusses, der einem Wahlanfechtungsantrag stattgibt, näher behandeln, sprechen sie ihm rechtsgestaltende Wirkung zu. 13 Angesichts des Fehlens einer eindeutigen gesetzlichen Vorgabe über die Wirkungen einer solchen Entscheidung 14 versteht sich dies allerdings keineswegs von selbst. Vielmehr läßt der Gesetzeswortlaut, nach dem die "Wahl ... beim Arbeitsgericht angefochten" werden kann, durchaus eine Auslegung des Inhalts offen, das Arbeitsgericht stelle lediglich die für eine wirksame Anfechtung erforderlichen Voraussetzungen und damit die Ungültigkeit der Wahl fest. 15 Der Hinweis auf den Charakter des Anfechtungsrechts als Gestaltungsantragsrecht 16 stellt keine Begründung für die rechtsgestaltende Wirkung des stattgebenden Beschlusses dar. 17 Auch die Anordnung von Neuwahlen nach erfolgreicher Wahlanfechtung durch § 13 Abs. 1 Nr. 4 BetrVG erlaubt für sich genommen noch nicht den zwingenden Schluß, daß die rechtsändernde Wirkung gerade dem arbeitsgerichtliehen Beschluß18 beizumessen ist. Die Gesetzesmaterialien sind auf den ersten Blick ebenfalls wenig ergiebig: Die Begründl!ngen verweisen allenfalls auf frühere Regelungen desselben Sachverhaltes, ohne sich zur Frage einer konstitutiven Wirkung der 13 BAG, Beschl. v. 29. 5. 1991, AP Nr. 2 zu§ 9 BetrVG 1972 (unter BI 1 d. Gr.); Beschl. v. 21. 7. 1993, AP Nr. 8 zu§ 5 BetrVG 1972 Ausbildung (unter BI d. Gr.); Dietz iRichardi, BetrVG, § 19 Rdnr. 52; Kreutz, GK-BetrVG, § 19 Rdnr. 114, 121; MünchArbR!Joost, § 296 Rdnr. 281; Dütz, SAE 1978, 4/5. Undeutlich G. Müller, FS Schnorr von Carolsfeld (1972), S. 367, 368/369, 372/373, der die Wahlanfechtung als ein Gestaltungsrecht bezeichnet, dessen Wirkungen allerdings erst mit der rechtskräftigen Entscheidung des Arbeitsgerichts eintreten sollen. Das BVerwG, Beschl. v. 6. 6. 1991, AP Nr. 1 zu§ 12 LPVG Berlin (unter 2 a d. Gr.), bezeichnet die Anfechtung einer Personalratswahl ebenfalls als Gestaltungsantrag; im Beschl. v. 8. 5. 1992, AP Nr. 3 zu§ 25 BPersVG (BI. 2/2R), spricht es dagegen von der Feststellung der Unwirksamkeit der Wahl. 14 So auch Thiele, GK-BetrVG, 2. Bearb., § 19 Rdnr. 57; Dietzl Richardi, BetrVG, § 19 Rdnr. 52; Kreutz, GK-BetrVG, § 19 Rdnr. 116; G. Müller, FS Schnorr von Carolsfeld (1972), S. 367,368. 15 Zumindest mißverständlich daher Galperinl Löwisch, BetrVG, § 19 Rdnr. 2, 30; Schlochauer, in: Hessi SchlochaueriGlaubitz, BetrVG, § 19 Rdnr. 42. Nach Fitting I Auffarthl Kaiser I Heither, BetrVG, § 19 Rdnr. 36, steht mit der rechtskräftigen Entscheidung die Gültigkeit oder Ungültigkeit der Wahl fest. Dies suggeriert eine gleiche Behandlung beider Fälle, obwohl dem abweisenden Erkenntnis sicherlich keine Gestaltungswirkung zukommt. 16 Kreutz, GK-BetrVG, § 19 Rdnr. 114. 17 Bezeichnenderweisefolgen Kreutz, GK-BetrVG, § 19 Rdnr. 55, das Vorliegen eines Gestaltungsantragsrechts seinerseits aus der Rechtsgestaltungswirkung der arbeitsgerichtliehen Entscheidung. 18 Zur Abgrenzung sei hinzugefügt, daß von einer Gestaltungswirkung auch dann noch gesprochen werden kann, wenn die Änderung der Rechtslage kraft Gesetzes an die rechtskräftige Feststellung einer ausgeübten Gestaltungsbefugnis geknüpft ist; siehe hierzu Bötticher, FS Dölle (1963), Bd. I, S. 41, 58. Dies läßt sich aus dem Text der Wahlanfechtungsvorschriften allein aber gerade nicht herleiten.
6 Krause
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2. Teil: Einfachgesetzliche Ausgangslage
Entscheidung zu äußern. 19 Indessen ist zu berücksichtigen, daß sich sowohl zum BRG 1920 als auch zum BetrVG 1952 die Meinung herausgebildet hatte, daß das Arbeitsgericht die Wahl bei erfolgreicher Anfechtung für ungültig erklärt, der Beschluß also rechtsändernden Charakter hat. 20 Wenn nun der Gesetzgeber eine Regelung aufrechterhält, von der er annehmen muß, daß sie von der herrschenden Meinung in einer bestimmten Weise verstanden wird, so darf hieraus auf einen dieser Auffassung entsprechenden Geltungswillen geschlossen werden. 21 Hinzu kommt der systematische Gesichtspunkt, daß auch in anderen Fällen, in denen das Gesetz die gerichtliche Geltendmachung einer Wahlanfechtung vorsieht, überwiegend von einer gestaltenden Wirkung der stattgebenden Entscheidung ausgegangen wird. 22 Gleiches gilt für die Anfechtung der Betriebsratswahl nach dem österreichischem §59 Abs. 1 ArbVG.Z3 Aus alledem ist zu folgern, daß der arbeitsgerichtliche Beschluß, der dem Wahlanfechtungsantrag stattgibt, in der Tat konstitutiven Charakter hat. b) Folgenfürdie Arbeitnehmer Mit dem rechtsändernden Wirkung der rechtskräftigen Entscheidung steht fest, daß der Betriebsrat - zumindest von nun an24 - nicht mehr besteht. 25 Damit entfal19 Der RegE zum BetrVG 1952, BT-Drucks. 111546, S. 43, enthält lediglich die Aussage, daߧ 18 BetrVG 1952 den§§ 19, 20 WahlO zum BRG 1920 entspricht. In den Materialien zum BetrVG 1972 finden sich keine weiteren Anhaltspunkte. 20 Zum BRG 1920 (die Wahlanfechtung war in den§§ 19, 20 WO geregelt); RAG, Urt. v. 10. 7. 1929, ARS 6, 405, 406; Mansfeld, BRG, § 19 WO Anm. 2; FlatowiKahn-Freund, BRG, Vor§ 19 WO Anm. 3; undeutlich aber RAG, Beschl. v. 9. 3. 1929, ARS 5, 320, 322: Ergebnis wirke für und gegen alle an der Wahl Beteiligten, es sei denn, daß es auf einem Rechtsverstoß (?)beruhe. Zu§ 18 BetrVG 1952: Dietz, BetrVG, § 18 Rdnr. 29; ähnlich Fitting I KraegelohlAuffarth, BetrVG, § 18 Rdnr. 35. 21 Zur Klarstellung sei hinzugefügt, daß der "Geltungswille" nicht empirisch zu verstehen ist; er ließe sich bei der Novellierung komplexerer Gesetzesmaterien auch schwerlich feststellen. Gemeint ist ein aus dem Gebot der Rechtssicherheit zu folgernder Auslegungsgrundsatz des Inhalts, daß ein Gesetzgeber bei einer unveränderten Übernahme einzelner Regelungen aus einem älteren Normenkomplex dasjenige Verständnis - normativ - bestätigt, das sich als herrschende Meinung zu der übernommenen Vorschrift entwickelt hat. Vgl. zu diesem Gedanken auch BAG, Beschl. v. 12. 10. 1976, AP Nr. 1 zu§ 8 BetrVG 1972 (unter III 2 a d. Gr.), wonach- im Rahmen der Auslegung des § 8 BetrVG- das Schweigen des Gesetzgebers schon bei bloßen Anhaltspunkten für eine bestimmte Richtung der Rspr. ein Indiz für einen entsprechenden gesetzgebensehen Willen darstellt. Ähnlich BSG, Urt. v. 5. 6. 1991, BSGE 69, 25, 59/60, bei der Auslegung des Beeinflussungstatbestandes gemäß § 116 Abs. 3 S. I Nr. 2 AFG 1969. Siehe zu diesem Gedanken ferner bereits§ 2 III. 1. b) bb) Fn. 80. 22 Vgl. zu den §§ 21, 22 MitbestG: Raiser, MitbestG, § 21 Rdnr. 10, § 22 Rdnr. 18; HanauiUlmer, MitbestG, § 21 Rdnr. 33, § 22 Rdnr. 18. Zu den§§ 251,252 Abs. 2 AktG: Hüffer, in: GeßleriHefermehl/EckardtiKropff, AktG, § 252 Rdnr. 10, 13; KölnerKomrn/Zöllner, AktG, § 252 Rdnr. 7, 15. 23 Floretta I Strasser, Arb VG, § 59 Fn. 7. 24 Zur Frage der von der h. M. verneinten Rückwirkung siehe unten§ 14 I. 2. a).
§ 3 Positive Anordnungen einer erweiterten Bindungswirkung
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len bis zur Wahl eines neuen Betriebsrats sämtliche Mitwirkungsrechte, die das BetrVG der Arbeitnehmervertretung einräumt. So ist beispielsweise die Rechtswirksamkeit von Maßnahmen des Arbeitgebers im Bereich des § 87 Abs. 1 BetrVG von nun an nicht mehr an die Beteiligung des Betriebsrats gebunden; 26 desgleichen sind personelle Einzelmaßnahmen wie eine Versetzung oder eine Kündigung nicht mehr von einer vorherigen Konsultation des Betriebsrats gemäß § 99 BetrVG27 bzw. § 102 BetrVG abhängig. Der von einer solchen Maßnahme betroffene Arbeitnehmer kann in einem Individualprozeß nicht geltend machen, daß sich der Arbeitgeber ihm gegenüber auf die erfolgreiche Wahlanfechtung nicht berufen kann, da es in Wirklichkeit an einem Anfechtungsgrund gefehlt habe oder das Arbeitsgericht aus einem anderen Grunde28 unrichtig entschieden habe. c) Grundlagen der Zurechnung
Die soeben dargelegten einschneidenden Rechtsfolgen für die Arbeitnehmer geben Anlaß zu einer näheren Betrachtung derjenigen Gründe, die die als Folge der Gestaltungswirkung eintretende Bindung der Arbeitnehmer rechtfertigen, obwohl diese am Anfechtungsverfahren nicht beteiligt sind29 . Zudem erscheint ein Heraus25 Siehe nur BAG, Beschl. v. 29. 5. 1991, AP Nr. 5 zu§ 4 BetrVG 1972 (unter BI d. Gr.). Bei der Gesamtanfechtung rücken nicht etwa die Ersatzmitglieder gemäß § 25 BetrVG nach; vgl. Wiese, GK-BetrVG, § 25 Rdnr. 11. Im übrigen kann der Anfechtungsantrag auch auf die -konstitutive- Feststellung des richtigen Wahlergebnisses gerichtet werden; vgl. Dietz /Richardi, BetrVG, § 19 Rdnr. 42; Kreutz, GK-BetrVG, § 19 Rdnr. 88, 114, 118-120. In diesem Falle ist der Betriebsrat in einer dem zutreffenden Ergebnis entsprechenden Zusammensetzung nunmehr für alle Beteiligungsrechte zuständig. 26 Die Mitwirkung des Betriebsrats ist nach der herrschenden, insbesondere von der Rspr. vertretenen Theorie der notwendigen Mitbestimmung Wirksamkeitsvoraussetzung für mitbestimmungspflichtige Arbeitgebermaßnahmen; vgl. Wiese, GK-BetrVG, § 87 Rdnr. 73 ff., 94ff.; siehe dazu im einzelnen unten§ 14 II. 4. a). 27 Das Unterlassen einer nach § 99 BetrVG erforderlichen Beteiligung des Betriebsrats bei einer Versetzung führt nach Ansicht der Rspr. zu deren Unwirksamkeit; vgl. BAG, Urt. v. 26. 1. 1988, AP Nr. 50 zu§ 99 BetrVG 1972 (unter II 4 d. Gr.); Urt. v. 30. 9. 1993, AP Nr. 33 zu § 2 KSchG 1969 (unter B I 3 e ff d. Gr.); differenzierend etwa Dietz/ Richardi, BetrVG, § 99 Rdnr. 238; Kreutz, GK-BetrVG, § 99 Rdnr. 110. 28 Etwa wegen einer fehlerhaften Berechnung der Zweiwochenfrist des § 19 Abs. 2 BetrVG. 29 Zwar wird die Beteiligung einzelner Arbeitnehmer im Wahlanfechtungsverfahren in bestimmten Fallkonstellationen befürwortet, vgl. etwa Grunsky, ArbGG, § 83 Rdnr. 14; Dietz l Richardi, BetrVG, § 19 Rdnr. 46; Laux, Die Antrags- und Beteiligungsbefugnis im arbeitsgerichtliehen Beschlußverfahren, S. 78; ab!. Kreutz, GK-BetrVG, § 19 Rdnr. 99. Soweit die Belegschaft als Kollektiv betroffen ist, wird indessen ganz allgemein davon ausgegangen, daß nicht sämtliche Arbeitnehmer gemäß § 83 Abs. 3 ArbGG materiell beteiligt sind, sondern eine Repräsentation durch den Betriebsrat stattfindet, so schon ~AG, Beschl. v. 13. 7. 1955, AP Nr. 2 zu§ 81 BetrVG (unter II a d. Gr.); ebenso Hueck/Nipperdey, ArbR, Bd. I,§ 103 IV 4, S. 978/979; Laux, a. a. 0., S. 65; in diesem Sinne auch Grunsky, ArbGG, § 83 Rdnr. 14;
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arbeiten der Umstände, denen eindeutig bestehende Drittbindungen zugrundeliegen, als ein geeigneter Anknüpfungspunkt für die Überlegung, ob in vergleichbaren Fällen eine ungeschriebene Bindung Dritter geboten ist. Als erstes ist in diesem Zusammenhang der Gesichtspunkt der Rechtssicherheit zu nennen. Schon aus der gesetzgebensehen Entscheidung für einen gestaltenden Charakter des stattgebenden Beschlusses ist zu schließen, daß die Regelung durch das Bemühen, für alle Betroffenen Klarheit über die nunmehr bestehende Rechtslage zu schaffen, motiviert ist. 30 Darüber hinaus würde eine lediglich im Verhältnis zu den das Anfechtungsverfahren betreibenden Arbeitnehmern bindende Gerichtsentscheidung zu unlösbaren Widersprüchen führen : Der gewählte Betriebsrat wäre dann nämlich zwar nicht mehr für die anfechtenden Arbeitnehmer, wohl aber für die sonstigen Belegschaftsmitglieder zuständig. Dies wäre schon bei personellen Einzelmaßnahmen, die der Mitwirkung des Betriebsrats unterliegen, zweifelhaft. Vollends undurchführbar wäre eine Aufteilung der Belegschaft bei kollektiven Maßnahmen wie etwa dem Abschluß einer Betriebsvereinbarung über die Einführung von Torkontrollen oder von Kurzarbeit (§ 87 Abs. 1 Nr. 1 bzw. Nr. 3 BetrVG) oder die Mitwirkung bei Betriebsänderungen (§§ lll ff. BetrVG). Zudem müßte man den erfolgreich anfechtenden Arbeitnehmern, sofern sie ihrer Anzahl nach die Voraussetzungen der §§ 1, 7 ff. BetrVG erfüllen, das Recht zubilligen, eine eigenständige, parallel zum gewählten Betriebsrat bestehende Betriebsvertretung zu wählen, was offenkundig verfehlt wäre. Zum zweiten ist das Anfechtungsverfahren in besonderem Maße geeignet, das Vorhandensein von Verstößen gegen Wahlvorschriften zu klären. Zwar sind die im Betrieb vertretenen Gewerkschaften, die von ihrer Wahlanfechtungsbefugnis keinen Gebrauch gemacht haben, nach der neueren Rechtsprechung des BAG nicht mehr gemäß § 83 Abs. 3 ArbGG kraft Gesetzes an den von drei Wahlberechtigten oder dem Arbeitgeber eingeleiteten Anfechtungsverfahren zu beteiligen. 31 Sie können ihre Sachkunde also nicht mehr in allen Wahlanfechtungsverfahren einbringen. Ferner ist auch der im Beschlußverfahren nach § 83 Abs. 1 S. 1 ArbGG geltende Untersuchungsgrundsatz entgegen einer zuweilen vertreten Ansicht32 zumindest kein Umstand, der ohne weiteres zur Rechtfertigung von Bindungen gegenüber Dritten angeführt werden kann, was sich schon an Hand der Verfahrensordnungen zeigt, die trotz Geltung der Untersuchungsmaxime an einem vergleichweise engen Verständnis der subjektiven Rechtskraft festhalten? 3 Jedoch läßt die GegnerstelOtto, RdA 1989, 247, 250 (Fn. 27); Dütz, FS Gnade (1992), S. 487, 491/492; Dütz/Rotter, Anm. zu BAG, EzA § 18 BetrVG 1972 Nr. 7 (unter III 2 a aa). 30 Siehe zum Zweck von Gestaltungsprozessen bereits oben§ 2 III. 2. b) bb). 31 Beschl. v. 19. 9. 1985, AP Nr. 12 zu § 19 BetrVG 1972 (unter li d. Gr.); Beschl. v. 4. 12. 1986, AP Nr. 13 zu§ 19 BetrVG 1972 (unter li 2 d. Gr.); anders noch BAG, Beschl. v. 20. 7. 1982, AP Nr. 26 zu§ 76 BetrVG [1952] (unter B li 4 d. Gr.). Derneueren Rspr. zust. etwa Schlochauer, in : Hess/Schlochauer/Glaubitz, BetrVG, § 19 Rdnr. 37; Kreutz, GKBetrVG, § 19 Rdnr. 98; zweifelnd Grunsky, ArbGG, § 83 Rdnr. 19b. 32 Siehe Dütz, ArbRGegw Bd. 20 (Dok. für 1982), S. 33, 44.
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lung des Betriebsrats34 erwarten, daß sämtliche für die Gültigkeit der Wahl sprechenden tatsächlichen und rechtlichen Aspekte in das Verfahren eingeführt werden, wodurch die bestmögliche Grundlage für eine zutreffende gerichtliche Entscheidung geschaffen wird. 35 Der letzte Zurechnungsgrund betrifft die im vorhergehenden Verfahren wie im Folgeprozeß berührten materiellrechtlichen Positionen. Insoweit lassen sich die Stellung des bzw. der Anfechtungsberechtigten, des Betriebsrats sowie die rechtliche Lage der Drittbetroffenen voneinander sondern. Das Gesetz räumt den in § 19 Abs. 2 S. l BetrVG genannten Anfechtungsberechtigten die Befugnis ein, die Betriebsratswahl anzufechten, ohne daß die Entscheidung über das "Ob" der Verfahrenseinleitung irgendwelchen Einschränkungen unterliegt. 36 Demgegenüber ist der Erfolg der Anfechtung, abgesehen von der Einhaltung der Anfechtungsfrist des§ 19 Abs. 2 S. 2 BetrVG, an die Erfüllung der Voraussetzungen des§ 19 Abs. 1 BetrVG gebunden. Weitergehende Möglichkeiten zur Herbeiführung eines stattgebenden Beschlusses stehen den Anfechtungsberechtigten, auch im Zusammenwirken mit den sonstigen Beteiligten, nicht zu. Die Ordnungsgemäßheit der Wahl unterliegt nämlich ungeachtet der Möglichkeit des Betriebsrats, jederzeit mit Mehrheit zurücktreten zu können, 37 nicht der (materiellrechtlichen) Verfügungsmacht der Verfahrensbeteiligten, 38 was Voraussetzung für eine Anerkenntnis- bzw. Verzichtsentscheidung wäre. 39 Im übrigen enthält sich das Gesetz einer näheren Charakterisierung der Stellung der Anfechtungsberechtigten. 33 Vgl. die§§ 86, 121 VwGO, §§ 103, 141 SGG und§§ 76, 110 FGO. Näheres zur Bedeutsarnkeit des Untersuchungsgrundsatzes unten§ 6 I. 34 Nach h. M. ist Antragsgegner bei der Wahlanfechtung grundsätzlich der Betriebsrat. So schon RAG, Beschl. v. 10. 10. 1928, ARS 4, 11, 12. Ebenfalls BAG, Beschl. v. 24. 5. 1965, AP Nr. 14 zu § 18 BetrVG (unter I 1 d. Gr.); Fitting I Auffarth/ Kaiser/ Heither, BetrVG, § 19 Rdnr. 27; Schlochauer, in: Hess/Schlochauer/Glaubitz, BetrVG, § 19 Rdnr. 29; Dietz/Richardi, BetrVG, § 19 Rdnr. 39; Kreutz, GK-BetrVG, § 19 Rdnr. 96. Einschränkend zur Notwendigkeit eines Antragsgegners aber BAG, Beschl. v. 20. 7. 1982, AP Nr. 26 zu § 76 BetrVG [1952], (unter B III d. Gr.); insoweit zust. Otto/Bachmann, SAE 1983,337. 35 Eine gewisse Parallele findet sich in der Auffassung des BAG, Urt. v. 24. 4. 1975, AP Nr. 3 zu § 103 BetrVG 1972, nach der mit der rechtskräftigen Zustimmungsersetzung durch das Arbeitsgericht gemäß § 103 Abs. 2 BetrVG zugleich die Berechtigung der außerordentlichen Kündigung für einen nachfolgenden Kündigungsschutzprozeß feststeht, da das BAG (unter II 3 c d. Gr.) zur Begründung der Bindung die besondere Geeignetheit des Beschlußverfahrens zur Wahrung der Interessen des betroffenen Arbeitnehmers hervorhebt. 36 Vgl. BAG, Beschl. v. 19. 9. 1985, AP Nr. 12 zu § 19 BetrVG 1972 (unter II d. Gr.): keine Pflicht; ebenso Kreutz, GK-BetrVG, § 19 Rdnr. 56. Siehe auch Otto/ Bachmann, SAE 1983, 337,341: Gebrauch des Anfechtungsrechts (durch die Gewerkschaften) "nach ... Belieben". 37 Vgl. § 13 Abs. 2 Nr. 3 BetrVG. 38 Kreutz, GK-BetrVG, § 19 Rdnr. 104. 39 Nach h. M. ist auch im Beschlußverfahren eine Anerkenntnis- bzw. Verzichtsentscheidung bei entsprechender Dispositionsmacht der Beteiligten möglich; vgl. Grunsky, ArbGG, § 80 Rdnr. 30, sowie die weit. Nachw. in§ 2 TII. 4. b) Fn. 235.
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2. Teil: Einfachgesetzliche Ausgangslage
Wählt man die neuere Rechtsprechung zur Wahlanfechtung als Ausgangspunkt, so ist die Anfechtungsberechtigung der einzelnen Arbeitnehmer als eine individuelle Befugnis zu verstehen, die Unwirksamkeit der Wahl auf dem Wege eines Gestaltungsprozesses herbeizuführen. 40 Nun ist die prinzipielle Frage nach der materiellrechtlichen Grundlage von Gestaltungsklagen seit langem Gegenstand heftiger Auseinandersetzungen,41 die in vorliegendem Zusammenhang keiner abschließenden Lösung zugeführt werden können. Die Betonung der Wahrnehmung individueller Interessen seitens der Anfechtungsberechtigten durch die Rechtsprechung legt es indes nahe, eine materiellrechtlich zu deutende Gestaltungsbefugnis des einzelnen Belegschaftsmitglieds anzunehmen, das seinem Inhalte nach darauf gerichtet ist, die Belastung abzuwehren, durch einen unter Verstoß gegen Wahlvorschriften gewählten Betriebsrats repräsentiert zu werden. 42 Allerdings handelt es sich hierbei nicht um ein Gestaltungsrecht im technischen Sinne, da die Wahlanfechtung nicht durch schlichte Gestaltungserklärung, sondern nur im Rahmen eines gerichtlichen Verfahrens erfolgen kann. Das Mindesterfordernis von drei anfechtenden Wahlberechtigten bedeutet zudem, daß der Gesetzgeber die Rechtsmacht des einzelnen von vornherein verkürzt und an die parallele Ausübung des Anfechtungsrechts durch zwei weitere Belegschaftsmitglieder gebunden hat. Hingegen bietet das Gesetz keine Anhaltspunkte dafür, daß die drei anfechtenden Arbeitnehmer lediglich ein überindividuelles "Gruppenrecht" bzw. ein kollektives Interesse der gesamten Belegschaft wahrnehmen. 43 Damit ist aber nicht gesagt, daß die Arbeitnehmer nicht zugleich überindividuelle Interessen wahrnehmen. Vielmehr dient die Wahlanfechtung neben der Wahrung des Rechtskreises des einzelnen Arbeitnehmers gleichzeitig einem kollektiven Interesse von Belegschaft und Arbeitgeber 40 BAG, Beschl. v. 12. 2. 1985, AP Nr. 27 zu§ 76 BetrVG [1952] (unter B li 2 b d. Gr.); Beschl. v. 4. 12. 1986, AP Nr. 13 zu§ 19 BetrVG 1972 (unter li 4 b d. Gr.); BAG, Beschl. v. 15. 2. 1989, AP Nr. 17 zu§ 19 BetrVG 1972. So auch Schneider, in: Däubler/Kittner/Klebe/Schneider, BetrVG, § 19 Rdnr. 21 ; Kreutz, GK-BetrVG, § 19 Rdnr. 66. 41 Während Thomasl Putzo, ZPO, Vorbem. § 253 Rdnr. 5; A. Blomeyer, ZPR, § 38 III, S. 224; Rosenberg/Schwab/Gottwald, ZPR, § 94 I 2, S. 526/527; Häsemeyer, AcP 188 (1988), 140, 153, und vor allem Bötticher, FG Rosenberg (1949), S. 73, 82-84; derselbe, FS Dölle (1963), Bd. I, S. 41, 54-58, ein subjektives Privatrecht gegen den Beklagten die Grundlage der Gestaltungsklage bildet, ist nach Auffassung von Grunsky, Grundlagen des Verfahrensrechts, § 5 III 2, S. 38/39, und Schlosser, Gestaltungsklagen und Gestaltungsurteile, S. 366-382, von einem subjektiven Recht gegen den Staat auf Gestaltung auszugehen. Henckel, Parteilehre und Streitgegenstand im Zivilprozeß, S. 31-35, 286, lehnt demgegenüber ein subjektives Recht völlig ab und sieht als Grundlage einer Gestaltungsklage lediglich den Klageantrag sowie den zu seiner Rechtfertigung angeführten Gestaltungsgrund an. 42 Das BAG, Beschl. v. 25. 8. 1981, AP Nr. 2 zu§ 83 ArbGG 1979 (unter li 3 c d. Gr.); Beschl. v. 12. 2. 1985, AP Nr. 27 zu § 76 BetrVG [1952] (unter B li 2 b d. Gr.), spricht unpräzise von einem Anspruch des einzelnen Arbeitnehmers, nur von einem ordnungsgemäß gewählten Betriebsrat vertreten zu werden. 43 So im Erg. auch BAG, Beschl. v. 12. 2. 1985, AP Nr. 27 zu§ 76 BetrVG [1952] (unter B II 2 b d. Gr.); Beschl. v. 15. 2. 1989, AP Nr. 17 zu§ 19 BetrVG 1972. Demgegenüber geht es nach BVerwG, Beschl. v. 6. 6. 1991, AP Nr. 1 zu§ 12 LPVG Berlin (unter 2 a dd d. Gr.), ausschließlich um das allgemeine Interesse an der Ordnungsmäßigkeit der Wahl.
§ 3 Positive Anordnungen einer erweiterten Bindungswirkung
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an der ordnungsgemäßen Wahl des Betriebsrats.44 Dabei ist die kumulative Verfolgung von Interessen unterschiedlicher Provenienz durchaus nicht ungewöhnlich, wie eine parallele Erscheinung im Gesellschaftsrecht belegt. So bezweckt das Anfechtungsrecht des einzelnen Aktionärs gegen Beschlüsse der Aktiengesellschaft nach der Rechtsprechung des BGH nicht nur den Schutz der Interessen des einzelnen Aktionärs, sondern zugleich der Gesamtbelange der Aktiengesellschaft. 45 Mit der Zuweisung der Wahrung überindividueller Interessen an die anfechtenden Arbeitnehmer hat sich der Gesetzgeber zugleich dafür entschieden, den stattgebenden gerichtlichen Beschluß mit umfassender Drittwirkung zu versehen. Dies erlaubt die Schlußfolgerung, die Verfolgung des über den Rechtskreis des einzelnen Arbeitnehmers hinausweisenden Interesses als maßgeblich für die erweiterte Bindungswirkung des Gerichtsbeschlusses anzusehen. Entsprechendes läßt sich für den anfechtenden Arbeitgeber mit der Maßgabe sagen, daß er primär sein Interesse verfolgt, nicht auf Dauer in betriebsverfassungsrechtliche Beziehungen zu einem nicht hinreichend legitimierten Betriebsrat treten zu müssen. Ebenso hat der Gesetzgeber den im Betrieb vertretenen Gewerkschaften mit dem Anfechtungsrecht eine eigene materiellrechtliche Rechtsposition zuerkannt.46 Sie kann nicht nur als eine prozessuale Hilfsfunktion angesehen werden, mittels derer die Wahlprüfung um der von der Betriebsratswahl materiellrechtlich Betroffenen willenerleichtert werden soll.47 Faßt man die bisherigen Überlegungen zusammen, so zeigt sich, daß den Anfechtungsberechtigten die materielle Rechtsmacht zukommt, zur Wahrung kollektiver Interessen eine Entscheidung mit Breitenwirkung herbeizuführen, obwohl sie über den Verfahrensgegenstand nicht dispositionsbefugt sind. Ein besonderes Augenmerk bei der Frage nach den Zurechnungsgründen verdient der Betriebsrat, der gemeinhin als Gegner der Wahlanfechtung angesehen wird. 48 Da es in dem Anfechtungsverfahren um die Beseitigung seiner Rechtsstel-
lung geht, ist es vorrangig seine Aufgabe, die für die Gültigkeit der Wahl sprechenden Aspekte geltend zu machen. Dabei nimmt auch der Betriebsrat überindividuelle Interessen in dem Sinne wahr, als es ihm darum zu tun ist, daß die Belegschaft als solche nicht durch eine inhaltlich unzutreffende Entscheidung des kollektiven Schutzes beraubt wird. Der Betriebsrat wahrt nach der gesetzlichen Konzeption al44
Gr.).
Ebenso BAG, Beschl. v. 4. 12. 1986, AP Nr. 13 zu § 19 BetrVG 1972 (unter II 4 b d.
45 Urt. V. 22. 5. 1989, BGHZ 107, 296, 310; Urt. 571; Urt. V. 5. 10. 1992, BGHZ 119, 305, 316.
V.
14. 10. 1991, NJW 1992, 569, 570/
46 Damit wird die hiervon zu unterscheidende bis in die jüngste Zeit umstrittene Frage nach der notwendigen Beteiligung der Gewerkschaften gemäß § 83 Abs. 3 ArbGG in einem von anderen betriebenen Anfechtungsverfahren (siehe dazu bereits Fn. 31) keineswegs präjudiziert. 47 So aber BVerwG, Beschl. v. 8. 7. 1977, PersV 1978, 312, 313. In diese Richtung auch Otto/Bachmann, SAE 1983, 337, 341/342. 48 Siehe dazu die Nachweise oben in Fn. 34.
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2. Teil: Einfachgesetzliche Ausgangslage
so die betriebsverfassungsrechtlichen Rechtspositionen der Belegschaft in einem gerichtlichen Verfahren. Sofern der Betriebsrat unterliegt, wird sein verfahrensrechtlicher Mißerfolg den belegschaftsangehörigen Arbeitnehmern qua Gestaltungswirkung der Entscheidung zugerechnet. Jedenfalls in dem durch das Gesetz umrissenen Rahmen läßt sich deshalb von einer "bis in das Stadium der Rechtsdurchsetzung ... ausgedehnte(n) ... Repräsentation"49 der Arbeitnehmer durch den Betriebsrat sprechen. Auf Seiten der drittbetroffenen Arbeitnehmer ist die Bindung dadurch gekennzeichnet, daß sie sich stets nur auf die Vorfrage des Vorhandenseins eines Betriebsrats bezieht. Geht es beispielsweise in einem Individualarbeitsverhältnis um die Frage der Wirksamkeit einer Versetzung, so ergreift die Gestaltungswirkung die Rechtsbeziehungen nur insoweit, als das Nichtbestehen einer Betriebsvertretung, bei deren Existenz die Arbeitgebermaßnahme wegen Mißachtung von Mitwirkungsrechten aus § 99 BetrVG unwirksam wäre, 50 im Verhältnis der Arbeitsvertragsparteien zueinander bindend feststeht. Die Bindung erstreckt sich demnach nur auf einen geringen Ausschnitt der rechtlichen Beziehungen zwischen den Individualvertragsparteien. Zudem erfaßt die Entscheidungswirkung nur solche Elemente, die nicht durch Besonderheiten des einzelnen Arbeitsverhältnisses gekennzeichnet sind, sondern den Rechtskreis der gesamten Belegschaft als solcher betreffen. Zwar erscheint es zu weitgehend, entsprechend der Überlegung des BAG zur Bindungswirkung einer Entscheidung über das Nichtvorliegen eines gemeinsamen Betriebes zweier Unternehmen anzunehmen, daß trotz Bejahung einer Bindung Rechte und Pflichten von Arbeitnehmern von vomherein überhaupt nicht betroffen seien.51 Die Gestaltungswirkung greift- wie dargelegt- durchaus in die Rechtsstellung verfahrensunbeteiligter Arbeitnehmer ein. Jedoch werden nur solche rechtlichen Elemente berührt, die keinen Bezug zur Person des einzelnen Arbeitnehmers aufweisen, sondern in einem überindividuellen Sinnzusammenhang stehen. Der Betriebsrat läßt sich trotz der Auswirkungen einer Mißachtung von Beteiligungsrechten auf die individualvertragliche Ebene nicht dem einzelnen Arbeitsverhältnis zuordnen. Vielmehr ist er der gesamten Belegschaft zugewiesen. Diese Eigenschaft der von der Gestaltungswirkung erfaßten rechtlichen Teilposition der Arbeitnehmer ist als ein weiterer die Bindung rechtfertigender Zurechnungsgrund anzusehen. Damit bleibt folgendes festzuhalten: Die umfassende Gestaltungswirkung einer Entscheidung, die einem Wahlanfechtungsantrag stattgibt, findet ihre innere Rechtfertigung in dem Gebot der Rechtssicherheit, der besondereren Geeignetheil des 49 So Dütz, FS Gnade (1992), S. 487, 499; ähnlich Dütz/Rotter, Anm. zu BAG, EzA § 18 BetrVG 1972 Nr. 7 (unter III 2 a bb). 50 Siehe dazu oben unter b) mit Fn. 27. 51 Urt. v. 9. 4. 1991, AP Nr. 8 zu § 18 BetrVG 1972 (unter II 2 c d. Gr.). Ähnlich Rieble, Anm. zu BAG, EzA § 112 BetrVG 1972 Nr. 59 (unter II a. E.); zurückhaltender jetzt derselbe, Anm. zu BAG, EzA § 99 BetrVG 1972 Nr. 122 (unter II 2): "mittelbare Rechtsreflexe".
§ 3 Positive Anordnungen einer erweiterten Bindungswirkung
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Anfechtungsverfahrens zur Klärung der Rechtslage sowie der materiellrechtlichen Strukturen, in die das Verfahren eingewebt ist. Es wird zu erörtern sein, ob sich auf dieser Grundlage die Fragen nach einer rückwirkenden Drittbindung sowie - bei abweisenden Entscheidungen bzw. der Feststellung der Nichtigkeit der Wahl - nach einer Bindung an die Rechtskraft beantworten lassen.52
2. Auflösung des Betriebsrats
Das Verfahren nach § 23 Abs. 1 S. 1 BetrVG mit dem Ziel der Auflösung des gesamten Betriebsrats53 wirft ähnliche Fragen auf wie die soeben behandelte Wahlanfechtung. Dem rechtskräftigen arbeitsgerichtliehen Beschluß, der dem Auflösungsantrag stattgibt, kommt rechtsgestaltende Wirkung zu. 54 Dies ergibt sich zum einen aus dem eindeutigen Wortlaut der Vorschrift ("Auflösung"). Zum anderen wird der Betriebsratsauflösung seit jeher rechtsändernder Charakter zuerkannt,55 so daß die obigen Erwägungen zur gesetzgebensehen Rezeption früherer Anschauungen56 entsprechend gelten. Die Gestaltungswirkung der Entscheidung führt für die gesamte - am Verfahren nicht beteiligte - Belegschaft wiederum zu denselben Rechtsfolgen wie die erfolgreiche Wahlanfechtung: Vom Zeitpunkt der Rechtskraft an5 7 entfallen sämtliche Beteiligungsrechte des Betriebsrats. Der Arbeitgeber ist von nun an bei Maßnahmen gegenüber den Arbeitnehmern nicht mehr zur Wahrung der betriebsverfassungsrechtlichen Befugnisse des Betriebsrats verpflichtet. Siehe dazu unten § 14 I. 2. Der ebenfalls vorgesehene Ausschluß eines einzelnen Mitglieds soll außer Betracht bleiben, da er sich wegen des Nachrückens eines Ersatzmitgliedes gemäß § 25 Abs. 1 S. 1 BetrVG nicht auf die Rechtsstellung der Belegschaft auswirkt. 54 Im Erg. h. M.: BAG, Beseht. v. 29. 5. 1991, AP Nr. 5 zu§ 4 BetrVG 1972 (unter BI d. Gr.); Fitting/Auffarth/Kaiser/ Heither, BetrVG, § 23 Rdnr. 31; Galperin!Löwisch, BetrVG, § 23 Rdnr. 25; Dietz/Richardi, BetrVG, § 23 Rdnr. 55; Wiese, GK-BetrVG, § 23 Rdnr. 104. 55 Vgl. Fitting /Kraegeloh/Auffarth, BetrVG, § 23 Rdnr. 26; so auch BAG, Beschl. v. 8. 12. 1961, AP Nr. 7 zu § 23 BetrVG (unter 3 a d. Gr.), für den Ausschluß eines einzelnen Betriebsratsmitgliedes. 56 Siehe dazu oben unter 1. a). 57 Nach einhelliger Meinung wirkt der Beschluß nur für die Zukunft; vgl. nur Fitting I Auffarth/Kaiser/Heither, BetrVG, § 23 Rdnr. 31; Trittin!Blanke, in: Däubler!Kittner/Klebel Schneider, BetrVG, § 23 Rdnr. 61; Wiese, GK-BetrVG, § 23 Rdnr. 104. Dies ist unproblematisch, da weder der Wortlaut noch der Zweck der Vorschrift, der nach richtiger Ansicht in der Sicherstellung zukünftiger ordnungsgemäßer Amtsausübung des Betriebsrats liegt (überzeugend Wiese, GK-BetrVG, § 23 Rdnr. 10 mit Nachw. zur Gegenansicht), Anhaltspunkte für eine Rückwirkung bieten. 52 53
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2. Teil: Einfachgesetzliche Ausgangslage
Als Grundlage für die Breitenwirkung der Betriebsratsauflösung sind dieselben Gründe wie bei der Wahlanfechtung anzuführen: Neben der aus Gründen der Rechtssicherheit zwingend einheitlichen Entscheidung und der besonderen Geeignetheit des Verfahrens zur Klärung der Rechtslage kommt der materiellrechtlichen Einbettung wiederum ein entscheidendes Gewicht zu. Zum einen machen die das Verfahren betreibenden Antragsteller neben einer eigenen Rechtsposition zugleich ein übergreifendes Interesse an der Vermeidung einer in Zukunft aller Voraussicht nach ebenfalls pflichtwidrigen Amtsausübung durch den Betriebsrat geltend, 58 das die erweiterte Wirkung der Entscheidung rechtfertigt. Zum anderen ist der Betriebsrat gemäß § 83 Abs. 3 ArbGG zu beteiligen,59 so daß er die für seinen Weiterbestand sprechenden Gesichtspunkte als Repräsentant der Belegschaft in das Verfahren einführen kann. Darüber hinaus werden lediglich überindividuelle Bereiche der Rechtsstellung der Arbeitnehmer durch die Bindung an den arbeitsgerichtliehen Beschluß berührt.
3. Vorgehen gegen ermessensfehlerhafte Sprüche der Einigungsstelle
Das Betriebsverfassungsgesetz sieht in § 76 Abs. 5 S. 4 BetrVG vor, daß der Arbeitgeber oder der Betriebsrat die Überschreitung der Grenzen des Ermessens, das der Einigungsstelle bei ihrer Beschlußfassung eingeräumt ist, innerhalb einer bestimmten Frist beim Arbeitsgericht "geltend machen" kann. Da sich erweiterte Bindungen bei einer Gestaltungswirkung eines Erkenntnisses zumindest einfachgesetzlich leichter bejahen lassen als bei einer Drittbindung qua Rechtskrafterstreckung, 60 soll die Frage näher behandelt werden, ob die arbeitsgerichtliche Entscheidung, die dem Antrag stattgibt, einen die Unwirksamkeit herbeiführenden oder sie lediglich feststellenden Charakter aufweist. Es ist allerdings von vornherein darauf hinzuweisen, daß die verschiedenen Ausführungen, die sich mit einer möglichen Unterscheidung zwischen Nichtigkeit und bloßer Anfechtbarkeit befassen, regelmäßig mit der weiteren Frage verknüpft sind, welche Mängellediglich eine Aufbebung rechtfertigen. Dabei ist für die Befürworter einer Autbebbarkeit von Einigungsstellensprüchen, wie im einzelnen zu zeigen sein wird, die Grenze zwischen Anfechtbarkeit und Nichtigkeit nicht stets mit der Grenzlinie zwischen den Mängeln, die innerhalb der Zweiwochenfrist des § 76 Abs. 5 S. 4 BetrVG geltend gemacht werden müssen, und den sonstigen Einwänden deckungsgleich.
58 Auf die Einhaltung bzw. Wiederherstellung der betriebsverfassungsrechtlichen Ordnung als Zweck des Antragsrechts abstellend BAG, Beschl. v. 22. 6. 1993, AP Nr. 22 zu § 23 BetrVG 1972 (unter I d. Gr.). 59 Vgl. Matthes, in: Germelmann/Matthes/Prütting, ArbGG, § 83 Rdnr. 52. 60 Siehe dazu oben§ 2 III. 1. b) bb).
§ 3 Positive Anordnungen einer erweiterten Bindungswirkung
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a) Vorliegen einer Gestaltungsentscheidung
aa) Stand der Rechtsprechung Die Rechtsprechung tendiert ganz überwiegend zu einer "Einheitslösung" in dem Sinne, daß unabhängig von der Art des Einwandes gegenüber dem Einigungsstellenspruch stets ein feststellendes Erkenntnis ergehen soll. So spricht das BAG mehrfach ausdrücklich davon, daß die gerichtliche Entscheidung über die Wirksamkeit des Spruchs einer Einigungsstelle nur feststellende, nicht aber rechtsgestaltende Wirkung habe. 61 Soweit diese Aussage auf einen Vergleich des Einigungsstellenspruchs mit einer - durch den Spruch ersetzten - Einigung zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat gestützt wird, 62 geht es allerdings nicht um die hier allein interessierende Konstellation der Ermessensüberschreitung. Die gerichtliche Überprüfung dieser Grenze ist nämlich keineswegs mit der Frage identisch, ob diejenigen Umstände, die zur Unwirksamkeit einer Einigung zwischen den Betriebspartnern führen, bei einem Einigungsstellenspruch dieselbe Rechtsfolge verursachen. Gleiches gilt für die Geltendmachung der Unzuständigkeit der Einigungsstelle mangels Mitbestimmungspflichtigkeit der entschiedenen Angelegenheit, 63 ein Aspekt, der bei einer freiwilligen Vereinbarung zwischen den Betriebspartnern jedenfalls nicht per se die Nichtigkeit der Abmachung bewirkt.64 Mit den Ausführungen des BAG, die sich auf die Rüge der genannten Mängel beziehen, ist also noch nicht gesagt, daß auch die bloße Geltendmachung der Ermessensüberschreitung im Sinne des § 76 Abs. 5 S. 4 BetrVG zwangsläufig zu einer lediglich feststellenden arbeitsgerichtliehen Entscheidung führt.65 Demgegenüber ist der Be61 BAG, Beschl. v. 30. 10. 1979, AP Nr. 9 zu § 112 BetrVG 1972 (unter B I 2 d. Gr.); Beschl. v. 31. 8. 1982, AP Nr. 8 zu§ 87 BetrVG 1972 Arbeitszeit (unter BI 2 d. Gr.); Beschl. v. 14. 5. 1985, AP Nr. 16 zu§ 76 BetrVG 1972 (unter B II I und 2 d. Gr.); Beschl. v. 22. 10. 1985, AP Nr. 3 zu § 87 BetrVG 1972 Leistungslohn (unter B I d. Gr.); Beschl. v. 6. 11. 1990, AP Nr. 8 zu§ 3 AZO Kr (unter BI d. Gr.); Beschl. v. 14. 12. 1993, AP Nr. 65 zu§ 87 BetrVG 1972 Lohngestaltung (unter B I 2 d. Gr.). 62 So ausdrücklich BAG, Beschl. v. 30. 10. 1979, AP Nr. 9 zu§ 112 BetrVG 1972 (unter BI 2 d. Gr.); Beschl. v. 6. 11. 1990, AP Nr. 8 zu§ 3 AZO Kr (unter BI d. Gr.). 63 So etwa die Konstellation in BAG, Beschl. v. 22. 10. 1985, AP Nr. 3 zu § 87 BetrVG 1972 Leitungslohn (unter BI d. Gr.). 64 Dem Unzuständigkeitseinwand entspricht bei einer Abrede zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat das Vorbringen eines Intums über die Erzwingbarkeit der Mitbestimmung, der sich der irrende Betriebspartner vorsorglich gebeugt hat. Ob ein derartiger Irrtum zur Anfechtung gemäß § 119 Abs. 2 BGB berechtigen würde, mag hier dahinstehen. Jedenfalls bedürfte es zur Herbeiführung der Nichtigkeit nach§§ 142 Abs. 1, 143 BGB zuerst der Ausübung des Gestaltungsrechtes. Zudem wird die Rückwirkung der Anfechtung (des normativen Teils) einer Betriebsvereinbarung abgelehnt; BAG, Urt. v. 15. 12. 1961, AP Nr. 1 zu § 615 BGB Kurzarbeit (unter 5 c d. Gr.). Näher dazu Kreutz, GK-BetrVG, § 77 Rdnr. 50 mit weit. Nachw. 65 Dementsprechend heißt es in BAG, Beschl. v. 30. 10. 1979, AP Nr. 9 zu§ 112 BetrVG 1972 (unter B I 2 d. Gr.), daß für den Einigungsstellenspruch dasselbe wie für die Einigung zwischen den Betriebspartnern "unbeschadet der Vorschrift des § 76 Abs. 5 S. 4 BetrVG" gelte.
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2. Teil: Einfachgesetzliche Ausgangslage
schluß des BAG vom 14. 5. 198566 dahin zu verstehen, daß die Aussage von der Feststellungswirkung auch auf die Überschreitung der Ermessensgrenzen abzielt. 67 In weiteren Entscheidungen68 ist im Zusammenhang mit der Geltendmachung von Ermessensfehlern schließlich eindeutig von der Feststellung der Unwirksamkeit die Rede. Teilweise69 werden jedoch gleichzeitig ausführliche Parallelen zur Wahlanfechtung gemäߧ 19 BetrVG gezogen, bei der- wie dargelegt70 - eine rechtsgestaltende Entscheidung ergeht. Im Beschluß des BAG vom 10. 8. 19947 1 heißt es nunmehr, daß ein Sozialplan von Anfang an nichtig sein oder wegen Ermessensüberschreitung nach § 76 Abs. 5 BetrVG "angefochten und für unwirksam erklärt" werden könne. In der Judikatur der LAGe finden sich wiederholt Formulierungen ("Anfechtung" der Entscheidung ; "Aufhebung" des Spruchs), die auf eine konstitutive Wirkung der gerichtlichen Entscheidung hindeuten. 72 Allerdings werden die Nichtigkeit und die Aufhebbarkeit von Einigungsstellensprüchen nicht derart voneinander gesondert, 73 daß den Erkenntnissen eindeutige Aussagen über verschiedenartige Entscheidungswirkungen entnommen werden könnten. bb) Auffassungen in der Lehre Soweit sich die Literatur mit dieser Problematik befaßt, lassen sich folgende Standpunkte voneinander scheiden: In Anlehnung an die Rechtsprechung des BAG hält Kreutz daran fest, daß es bei der gerichtlichen Entscheidung stets nur um die Feststellung der Wirksamkeit oder Unwirksamkeit des Spruches gehe? 4 AllerAP Nr. I6 zu§ 76 BetrVG 1972 (unter B II I und 2 d. Gr.). In diesem Sinne auch BAG, Beschl. v. I6. I2. 1986, AP Nr. 8 zu § 87 BetrVG I972 Prämie (unter B I 4 b d. Gr.). 68 BAG, Beschl. v. 26. 5. 1988, AP Nr. 26 zu § 76 BetrVG I972 (unter B I 2 d d. Gr.); Beschl. v. 27. 10. 1992, AP Nr. 29 zu§ 95 BetrVG I972 (unter BI u. C II u. III d. Gr.); Beschl. v. 10. 8. I993, AP Nr. I2 zu § 87 BetrVG 1972 Auszahlung (unter III 3 d. Gr.); Beschl. v. 21. 9. 1993, AP Nr. 62 zu § 87 BetrVG 1972 Arbeitszeit (unter BI 2 u. II 3d. Gr.); Beschl. v. 14. 12. 1993, AP Nr. 65 zu§ 87 BetrVG I972 Lohngestaltung (unter BI I u. 2 d. Gr.); Beschl. v. 14. 9. I994, AP Nr. 87 zu§ 112 BetrVG I972 (unter B d. Gr.). 69 BAG, Beschl. v. 26. 5. 1988, AP Nr. 26 zu§ 76 BetrVG 1972 (unter BI 2 d aa d. Gr.). 70 Siehe dazu oben unter 1. a). 66 67
AP Nr. 86 zu § I 12 BetrVG 1972 (unter II 3 c bb d. Gr.). n Vgl. LAG Düsseldorf/Köln, Beschl. v. 27. 2. I975, EzA § 87 BetrVG I972 Lohn u. Arbeitsentgelt Nr. 1; LAG Hamm, Beschl. v. 21. 10. I977, EzA § 76 BetrVG I972 Nr. I9 (unter I 2, II d. Gr.); LAG Hamm, Beschl. v. 22. 6. 1978, EzA § I48 ZPO I977 Nr. 6; LAG Düsseldorf, Beschl. v. 4. 7. I980, EzA § 76 BetrVG 1972 Nr. 26 (unter I d. Gr.). Im Erg. auch LAG Berlin, Beschl. v. 15. 6. I977, EzA § 87 BetrVG 1972 (unter II 2 d d. Gr.), da dem 71
Spruch bis zur rechtskräftigen Entscheidung Geltung zukommen soll. 73 Zur Verrnengung beider Kategorien siehe nur LAG Düsseldorf I Köln, Beschl. v. 27. 2. I975, EzA § 87 BetrVG 1972 Lohn u. Arbeitsentgelt Nr. I. 74 Kreutz, GK-BetrVG, § 76 Rdnr. 115. Ebenso GalperiniLöwisch, BetrVG, § 76 Rdnr. 46; Berg, in: Däubler I Kittner I Klebe I Schneider, BetrVG, § 76 Rdnr. 95; MünchArbR!Joost, § 312 Rdnr. 90.
§ 3 Positive Anordnungen einer erweiterten Bindungswirkung
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dings spricht Kreutz zugleich davon, daß der Spruch bei einer stattgebenden Entscheidung mit Wirkung für alle Arbeitnehmer beseitigt werde. 75 Indessen kann auf der Grundlage eines prozessualen Rechtskraftverständnisses76 schwerlich von der Beseitigung eines Rechtsverhältnisses die Rede sein. Auch bedürfte die Bindung der am Verfahren nicht beteiligten einzelnen Arbeitnehmer (offenbar qua Rechtskraft) einer näheren Begründung. Gleiches gilt für die These von Pünnel, daß bei der Feststellung der Unwirksamkeit eines Spruchs dessen Wirkungen mit Geltung für alle betroffenen Arbeitnehmer entfallen würden77 . Es kann deshalb entgegen Rieble78 nicht als selbstverständlich bezeichnet werden, daß ein Arbeitnehmer aus einem Einigungsstellenspruch keine Rechte mehr herleiten kann, nachdem ein Arbeitsgericht dessen Ermessensfehlerhaftigkeit festgestellt hat. Ein anderer Teil des Schrifttums plädiert - wenn auch mit mannigfachen Varianten - dafür, im Grundsatz zwischen der Nichtigkeit und der bloßen Aufhebbarkeit von Einigungsstelleusprüchen zu unterscheiden: So nimmt Richardi an, daß bei der Geltendmachung von Ermessensfehlern im Sinne des§ 76 Abs. 5 S. 3 BetrVG eine Gestaltungsentscheidung ergeht. 79 Otto will in diesem Falle ein gestaltendes Erkenntnis immerhin in Betracht zu ziehen. 80 Dütz spricht sich für eine Übernahme der verwaltungsrechtlichen Grundsätze für die Abgrenzung von Fehlerhaftigkeit und Unwirksamkeit aus. 81 Nach Leipol~ 2 sollen sowohl die Ermessensüberschreitung als auch sonstige Mängel, die nur das Innenverhältnis zwischen Arbeitgeber und Betriebsrats berühren, zur Anfechtbarkeit führen. Bei Jäcker ist generell von einer "Beseitigung" des Spruchs mit Wirkung für und gegen alle Arbeitnehmer die Rede. 83 D. Gaul! Bartenbach sprechen davon, daß das ArbG den Spruch im Verfahren nach § 76 Abs. 5 S. 4 BetrVG aufhebe, wodurch einer Leistungsklage "die Grundlage entzogen" werde. 84 Heinze schließlich unterscheidet zwischen Verstößen der Einigungsstelle gegen die durch § 2 Abs. 1 BetrVG vorgegebene treuhändensehe Interessenbindung, die gemäß § 134 BGB eine Nichtigkeit des Spruchs bewirken soll, 75 In: GK-BetrVG, § 77 Rdnr. 136. Ähnlich Fiebig, Der Ermessensspielraum der Einigungsstelle, S. 201, wonach ein Aröeitnehmer auf die f estgestellte Unwirksamkeit des Spruchs "verweisen" könne. · 76 Zum "Wesen" der materiellen Rechtskraft näher unten § 4 li. 1. 77 In: Die Einigungsstelle des BetrVG 1972, Rdnr. 153. 78 In: Anm. zu BAG, EzA § 112 BetrVG 1972 Nr. 59 (unter 1 2). 79 In: Dietz / Richardi, BetrVG, § 76 Rdnr. llO; derselbe, Anm. zu BAG, EzA § 87 BetrVG Arbeitszeit Nr. 13 (unter III 1). In diese Richtung auch Hess, in: Hess/Schlochauerl Glaubitz, BetrVG, § 76 Rdnr. 64, bei dem von einer "Aufhebung" des Spruchs die Rede ist. 80 In: RdA 1989, 247,250. 81 In: Die gerichtliche Überprüfung der Sprüche von betriebsverfassungsrechtlichen Einigungs- und Vermittlungsstellen (1966), S. 87-102. Mittlerweile hat Dütz seine Position aber offenbar eingeschränkt, da er eine Gestaltungswirkung nunmehr nur noch bei Ermessensfehlern für möglich hält; vgl. FS Gnade (1992), S. 487, 496 (Fn. 45). 82 In: FS Schnorr von Carolsfeld (1972), S. 273, 295-298. 83 In: Die Einigungsstelle nach dem Betriebsverfassungsgesetz, S. 149. 84 In: NZA 1985, 341, 342/243.
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und Ermessensverstößen innerhalb dieser Rechtsschranken, die lediglich eine Anfechtbarkeit zur Folge haben sollen. 85 cc) Stellungnahme Geht man bei der Lösung des aufgeworfenen Problems vom Wortlaut des § 76 Abs. 5 S. 4 BetrVG aus, so spricht dieser zwar nicht völlig eindeutig für die Charakterisierung des Vorgehens gegen den Einigungsstellenspruch als Gestaltungsantrag. Indessen ist zu berücksichtigen, daß die Überschreitung der Ermessensgrenzen nur in dem hierfür vorgesehenen Verfahren durch den Arbeitgeber oder den Betriebsrat geltend gemacht werden. Den Arbeitnehmern, deren Rechtsstellung von dem Spruch abhängt, ist die Berufung auf diesen Mangel verwehrt. 86 Dies gilt auch dann, wenn einer der Betriebspartner sich innerhalb von zwei Wochen gegen den Spruch gewendet hat, da selbst die Anhänger der These von der Feststellungswirkung die Drittbindung von der Rechtskraft des arbeitsgerichtliehen Beschlusses abhängig machen. 87 Genau dieser Umstand aber, die Realisierung einer Rechtsfolge, die außerhalb des hierfür geschaffenen Verfahrens nicht geltend gemacht werden kann, ist - wie Schlosser herausgearbeitet hat88 - das Kennzeichen einer Gestaltungsentscheidung. Würde dem Beschluß lediglich feststellender Charakter eignen, so müßte es jedem Arbeitnehmer unbenommen sein, sich jedenfalls bei Wahrung der Zweiwochenfrist durch den Arbeitgeber bzw. den Betriebsrat auf die dann inzident zu prüfende - Überschreitung der Ermessensgrenzen zu berufen. Damit läßt sich bereits dem Normtext in hinreichender Deutlichkeit eine Differenzierung zwischen Nichtigkeit und bloßer Anfechtbarkeil entnehmen, so daß es auf die Frage, welche Voraussetzungen an eine entsprechende Anwendung zivilrechtlicher Vorschriften über Anfechtungsklagen zu stellen sind, 89 nicht ankommt. Gegen die Möglichkeit einer Gestaltungsklage spricht auch nicht der Charakter des Einigungsstellenspruchs. Zwar könnte man daran denken, eine Parallele zu In: RdA 1990, 262, 277. Otto, RdA 1989, 247, 251, spricht insoweit von einem "bewußt eingegrenzten Anfechtungsrecht des einzelnen Arbeitnehmers"; zust. Fiebig, Der Ermessensspielraum der Einigungsstelle, S. 199. 87 Kreutz, GK-BetrVG, § 77 Rdnr. 136. 88 In: Gestaltungsklagen und Gestaltungsurteile, S. 25-27, 37. 89 So befürwortet die ganz h. M. die analoge Anwendung der aktienrechtlichen Anfechtungsklage auf die Geltendmachung bestimmter Mängel von GmbH-Gesellschafterbeschlüssen; vgl. RG, Urt. v. 9. 10. 1914, RGZ 85, 311, 313/314; BGH, Urt. v. 14. 12. 1961, BGHZ 36, 207, 210/211; Meyer-Landrut, in: Meyer-Landrut/Miller/Niehus, GmbHG, § 47 Rdnr. 63; Scholz/ K. Schmidt, GmbHG, § 45 Rdnr. 36. Demgegenüber wird eine Anwendung der §§ 241 ff. AktG, 51 GenG auf fehlerhafte Vereinsbeschlüsse überwiegend abgelehnt; siehe BGH, Urt. v. 3. 3. 1971, NJW 1971, 879 (nicht abgedruckt in BGHZ 55, 381 ff.); Urt. v. 9. I. 1972, BGHZ 59, 369, 372; Urt. v. 26. 5. 1975, NJW 1975, 2101. Nach MünchArbR/Otto, § 287 Rdnr. 35, ist für eine Unterscheidung zwischen Nichtigkeit und bloßer Anfechtbarkeit stets eine ausdrückliche Grundlage zu fordern. 85
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dem öffentlich-rechtlichen Grundsatz zu ziehen, nach dem bei Normen lediglich die Alternative zwischen Nichtigkeit und Wirksamkeit, nicht aber das Zwischenstadium der Anfechtbarkeit besteht. 90 Indessen ist zunächst daran zu erinnern, daß dem Spruch keineswegs stets eine Normwirkung eignen muß. Seine Rechtsnatur hängt vielmehr von der Überlegung ab, welchen rechtlichen Charakter diejenige Einigung zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat hätte, die er ersetzt. 91 Insoweit kann dem Spruch durchaus die nichtnormative Wirkung einer Regelungsabrede zukommen, wenn nur die Betriebspartner im Falle einer Einigung eine solche Abrede getroffen hätten. 92 In diesem Fall, in dem es unmittelbar93 lediglich um die Aufhebung des durch den Einigungsstellenspruch gestalteten Rechtsverhältnisses zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat geht, ist nicht ersichtlich, welche Aspekte gegen eine gestaltende Wirkung der gerichtlichen Entscheidung sprechen sollten. Aber auch wenn dem Spruch Normwirkung beizulegen ist, erscheint ein anderes Ergebnis nicht geboten. Zum einen wird durch den Spruch - anders als durch eine generelle und abstrakte Norm - ebenfalls das Rechtsverhältnis zwischen den Betriebsparteien konkret gestaltet. So richtet sich etwa der Inhalt der Durchführungspflicht gemäß § 77 Abs. 1 BetrVG nach den Vorgaben des Einigungsstellenspruches.94 Zum anderen ist die normative Wirkung gegenüber den Arbeitnehmern kein Grund, die gestaltende Kraft einer Gerichtsentscheidung a priori auszuschließen. Denn wenn ohnehin offenbar ein Bedürfnis nach einer Drittwirkung des zwischen den Betriebspartnern ergehenden Beschlusses besteht,95 ist nicht einzusehen, warum diesem Anliegen zumindest in den Fällen der Rüge einer Ermessensüberschreitung nicht schon dadurch Genüge getan werden kann, daß das Erkenntnis durch ihren rechtsverändernden Charakter Drittwirkung entfaltet. Es wäre ungereimt, der in einem bestimmten Verfahren erlassenen Entscheidung wegen der materiellrechtlichen Breitenwirkung des Streitgegenstandes die konstitutive Natur zunächst vorzuenthalten, um die für erforderlich angesehene erweiterte Wirkung gegenüber Dritten hernach auf dem Wege einer - ungeschriebenen - Rechtskrafterstreckung herbeizuführen. Mithin ist davon auszugehen, daß der arbeitsgerichtliehe Beschluß, der dem sich auf§ 76 Abs. 5 S. 4 BetrVG stützenden Antrag stattgibt, eine Gestaltungsentscheidung darstellt. Damit steht zugleich fest, daß sonstige Mängel, die von jedermann zu jeder Zeit gerügt werden können, von vomherein die Unwirksamkeit des Spruches bewirken.96 Einer entsprechenden Entscheidung des Arbeitsgerichts, die den Spruch als Siehe etwa Bettermann, ZZP 72 (1959), 32, 33. Kreutz, GK-BetrVG, § 76 Rdnr. 106; Heinze, NZA 1994, 580, 586. Ungenau deshalb BAG, Beschl. v. 19. 2. 1991, AP Nr. 25 zu§ 95 BetrVG 1972 (unter li 3 b d. Gr.). 92 Fitting/Auffarth/Kaiser/Heither, BetrVG, § 76 Rdnr. 23; Kreutz, GK-BetrVG, § 76 Rdnr. 106. 93 Zur Wirkung auf die Arbeitnehmer siehe sogleich unter b. 94 Kreutz, GK-BetrVG, § 76 Rdnr. 107. 95 Vgl. die Nachw. in den Fn. 75, 77 u. 78. 90
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solchen zum Gegenstand hat, kommt lediglich feststellende Wirkung zu. Demnach liegt auch keine Diskrepanz zu der in vielerlei Hinsicht vergleichbaren gerichtlichen Kontrolle von Schlichtungssprüchen vor, bei der die h. M. nur feststellende Entscheidungen anerkennen will. 97 Die dort in Rede stehenden Mängel können nämlich - ebenso wie die Mängel eines Tarifvertrages - grundsätzlich in jedem Rechtsstreit gerügt werden. Damit erfüllt eine Klage, die von einer der Parteien des Schlichtungsverfahren erhoben wird, nicht die Kriterien, die zu ihrer Einordnung als Gestaltungsklage führen. 98 b) Folgenfürdie Arbeitnehmer
Für die Arbeitnehmer resultiert aus der Gestaltungswirkung der stattgebenden Entscheidung, daß sie jedenfalls von nun an99 nicht mehr dem Inhalt des Einigungsstellenspruchs unterfallen. 100 Allgemeine Aussagen lassen sich in diesem Zusammenhang nur schwer treffen, da die Angelegenheiten, mit denen die Einigungsstelle befaßt werden kann, sehr disparat sind. Beispielhaft sei eine Kurzarbeitsregelung genannt, die auf Antrag des Arbeitgebers von der Einigungsstelle beschlossen wurde(§ 87 Abs. 1 Nr. 3 BetrVG). Hat das vom Betriebsrat angerufene Arbeitsgericht die Regelung wegen Mißachtung der Belange der Arbeitnehmer (vgl. § 76 Abs. 5 S. 3 BetrVG) aufgehoben, so kann sich der Arbeitnehmer gegenüber der Anordnung des Arbeitgebers, die im Spruch geregelte Kurzarbeit zu leisten, da das Arbeitsgericht "falsch" entschieden habe, auf die konstitutive Wirkung der Gerichtsbeschlusses berufen. Im übrigen sei daran erinnert, daß es im Beschlußverfahren stets nur um die Aufhebung des Einigungsstellenspruchs als solchen geht. Dieser Spruch kann den Charakter einer Betriebsvereinbarung haben, muß es aber - wie ausgeführt 101 - nicht in allen Fällen. Die Aufhebung braucht 96 Die problematische Abgrenzung, welche Mängel als Ermessensfehler anzusehen sind und welche Fehler bei der Rechtskontrolle von Einigungsstellensprüchen, gegebenenfalls in einem Individualprozeß, gerügt werden können, kann hier nicht weiter vertieft werden. An dieser Stelle muß der Hinweis genügen, daß zumindest keine Deckungsgleichheit zwischen den unter verschiedenen Ansätzen erfolgenden Inhaltskontrollen bestehen kann, da die Frist des § 76 Abs. 5 S. 4 BetrVG ansonsten funktionslos wäre. Zu weiteren Einzelheiten vgl. Fiebig, Der Ermessensspielraum der Einigungsstelle, S. 193 ff. 97 Vgl. MünchArbR/Ottq, § 287 Rdnr. 35; Brox, in: Brox/Rüthers, ArbK, Rdnr. 696; anders Dütz, DB 1968,938/939. 98 Etwas anderes könnte allenfalls insoweit gelten, als man lediglich die am Schlichtungsverfahren beteiligten Parteien für befugt hält, die teilweise befürwortete Kontrolle des Spruchs auf offenbare Unbilligkeil analog§ 319 Abs. 1 BGB (vgl. hierzu MünchArbR/Otto, § 287 Rdnr. 43; Brox/Rüthers, ArbK, Rdnr. 696) zu rügen. 99 Die Befürwortung eines Gestaltungsentscheidung zwingt keineswegs zu der Folgerung einer bloßen ex-nunc-Wirkung, da eine Rückwirkung der Gestaltung nicht grundsätzlich ausgeschlossen ist. Näher dazu unten§ 14 II. 3. wo Hiervon scheint auch das BAG, Beschl. v. 10. 8. 1994, AP Nr. 86 zu § 112 BetrVG 1972 (unter II 3 b cc d. Gr.), auszugehen.
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sich deshalb aus der Perspektive der betroffenen Arbeitnehmer nicht in allen Fällen als die Aufhebung einer das Arbeitsverhältnis unmittelbar regelnden Norrn 102 darzustellen. Vielmehr ist es durchaus möglich, daß die Arbeitnehmer erst dadurch von der Gestaltungsentscheidung berührt werden, daß eine Maßnahme des Arbeitgebers auf Grund der fehlenden und nun nicht mehr ersetzten Mitwirkung des Betriebsrats unwirksam ist bzw. wird.
c) Zurechnungsgrundlagen
Als Grundlage der Erstreckung der Entscheidungswirkung auf die am Verfahren nicht beteiligte Belegschaft ist auch in diesem Fall zunächst das Gebot der Rechtssicherheit und Rechtsklarheit zu nennen. Die Aufhebung des Einigungsstellenspruchs kann sich sinnvollerweise nicht auf das Verhältnis der Betriebspartner untereinander beschränken, sondern muß ebenso das Verhältnis zu den Arbeitnehmern erfassen. So wie der Spruch selbst auf materiellrechtliche Breitenwirkung angelegt ist, was sich nicht zuletzt aus dem Umstand ergibt, daß er gemäß § 76 Abs. 5 S. 3 BetrVG unter Beachtung der Belange der betroffenen Arbeitnehmer zu fassen ist, so muß auch einer gerichtlichen Entscheidung, die diesen Sp111ch wieder beseitigt, eine erweiterte Wirkung zukommen. Des weiteren erweist sich das Verfahren mit seiner Gegnerstellung von Arbeitgeber und Betriebsrat wiederum als besonders geeignet zur Klärung der Rechtslage, da die Betriebspartner über diejenigen Umstände am besten informiert sind, an Hand derer über das Vorliegen von Ermessensfehlern zu entscheiden ist. Hält man sich schließlich die materiellrechtlichen Rechtspositionen der Beteiligten vor Augen, so kann als Grundlage der Befugnis der Betriebspartner, die Überschreitung der Ermessensgrenzen geltend machen zu können, ein an die Voraussetzungen des § 76 Abs. 5 S. 4 BetrVG gebundenes materielles Gestaltungsrecht 103 angenommen werden. 104 Demnach korrespondiert mit der durch die umfassende Gestaltungswirkung gegebenen Möglichkeit, auf die Rechtsstellung der gesamten Belegschaft einzuwirken, die Rechtsmacht der Betriebspartner, zumindest mit Wirkung für die Zukunft die Aufhebung der in dem Spruch getroffenen Regelung herbeizuführen. Dies verdient insofern Beachtung, als Arbeitgeber und Betriebsrat zwar den Einigungsstellenspruch auch durch eine einvernehmliche Neuregelung zwar zu jedem Zeitpunkt ablösen könnten, Rechtspositionen der Arbeitnehmer hierbei aber nur in einem begrenzten Maße ihrem Zugriff unterliegen. 105 Ein verSiehe dazu oben unter a) cc). Die ganz h. M. erkennt der Betriebsvereinbarung Normwirkung zu; vgl. nur BAG (GS), Beschl. v. 16. 9. 1986, AP Nr. 17 zu § 77 BetrVG 1972 (unter C II 2 b d. Gr.). Weit. Nachw. unter§ 14 II. I. a) bb) Fn. 135. 103 Im Sinne der Ausführungen oben unter I. c). 104 Zur aUgemeinen Deutung von Gestaltungsklagen siehe bereits oben I. c) Fn. 41. 101
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gleichbarer Schutz der rechtlichen Stellung einzelner Arbeitnehmer kann im Falle der Aufhebung eines Einigungsstellenspruchs selbst dann nicht angenommen werden, wenn die arbeitsgerichtliche Entscheidung erst nach Jahren rechtskräftig wird, da dies einer effizienten Ermessensfehlerkontrolle zuwiderlaufen würde. Folglich können Arbeitnehmer nach der Struktur der gesetzlichen Regelung durch die erweiterte Wirkung der gerichtlichen Entscheidung in einem stärkeren Maße betroffen werden als durch eine vergleichbare materiellrechtliche Disposition der Verfahrensbeteiligten. Der Grund für diese erweiterte Zugriffsmöglichkeit zu Lasten der Arbeitnehmer liegt in der Wertung des Gesetzgebers, nicht nur Rechts-, sondern auch schon bloße Ermessensfehler für eine Beseitigung des Einigungsstellenspruchs genügen zu lassen, so daß die Belegschaftsrechte von vornherein mit der "Schwäche" behaftet sind, daß ihnen im nachhinein wegen eines Ermessensfehlers der Einigungsstelle ihre Grundlage entzogen werden kann.
II. Rechtskraftwirkungen 1. Geltung und Inhalt von Tarifverträgen
Das Tarifvertragsrecht weist mit § 9 TVG eine spezielle Vorschrift auf, die bestimmten arbeitsgerichtliehen Entscheidungen für Dritte 106 "bindenden" Charakter zuschreibt und damit im vorliegenden Zusammenhang von besonderem Interesse ist. An dieser Stelle soll zunächst die Rechtsnatur der in der genannten Norm geregelten Bindung geklärt werden, um ihren Bedeutungsgehalt eingehender erfassen zu können und damit den Boden für die Behandlung von Zweifelsfällen bzw. eine entsprechende Anwendung auf ähnlich gelagerte Konstellationen aufzubereiten. Sodann werden die wesentlichen Züge der Regelung dargelegt, soweit sie sich auf eine "gesetzesnahe" Auslegung des § 9 TVG stützen lassen. Die möglichst genaue Erfassung des zweifelsfreien Normbereiches gewährleistet nämlich am ehesten das Herausarbeiten des hinter der positiven Vorschrift stehenden verallgemeinerungsfähigen Rechtsprinzips 107, das wiederum als Grundlage für die Lösung problematischer Fälle in Betracht zu ziehen ist.
105 Zu den insoweit heranzuziehenden Grenzen bei der Ablösung von Betriebsvereinbarungen vgl. etwa BAG, Urt. v. 22. 5. 1990, AP Nr. 3 zu§ 1 BetrAVG Betriebsvereinbarung (unter 2 a d. Gr.); BAG, Urt. v. 23. 10. 1990, AP Nr. l3 zu§ 1 BetrAVG Ablösung (unter I d. Gr.); Kreutz, GK-BetrVG, § 77 Rdnr. 279-286. Für erweiterte Zugriffsmöglichkeiten der Betriebspartner bei einem Wegfall der Geschäftsgrundlage aber nunmehr BAG, Beschl. v. 10. 8. 1994, AP Nr. 86 zu§ 112 BetrVG 1972 (unter B II 3 b cc d. Gr.). 106 Mit "Dritte" sind hier - weiter als in § 9 TVG - sämtliche Personen gemeint, die an dem vorherigen Prozeß nicht beteiligt waren. 107 Zur Gewinnung von Rechtsprinzipien aus dem positiven Recht siehe Canaris, Die Feststellung von Lücken im Gesetz, S. 97-106.
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a) Auslegung des § 9 1YG als Rechtskrafterstreckungsvorschrift
aa) Herrschende Auffassung Die Rechtsprechung hat in § 9 TVG (bis 1969: § 8 TVG) von Anfang an eine Vorschrift gesehen, die die materielle Rechtskraft der dort genannten Entscheidungen in subjektiver Hinsicht ausdehnt. 108 Die Entscheidung vom 28. 9. 1977, nach der die Norm eine mit § 318 ZPO vergleichbare materielle Bindungswirkung entfalte, 109 kann demgegenüber nur als ein einmaliger Fehlgriff gewertet werden." 0 Das Schrifttum versteht§ 9 TVG ganz überwiegend ebenfalls als eine Rechtskrafterstreckungsvorschrift 111 bb) Abweichende Stimmen im Schrifttum Allerdings sind auch anderslautende Stimmen zu verzeichnen. So hat sich W Bogs dafür ausgesprochen, die Bindung der Verbandsangehörigen nicht als Rechtskraftwirkung, sondern wie das Gebundensein an einen Ergänzungstarifvertrag, also materiellrechtlich zu begreifen. 112 Lediglich die in§ 9 TVG genannten Dritten sei108 Erstmals in BAG, Urt. v. 23. 3. 1957, AP Nr. 18 zu Art. 3 GG (BI. 3/3R). Ebenso Urt. v. 15. 11. 1957, AP Nr. 1 zu§ 8 TVG (unter I d. Gr.); Urt. v. 14. 10. 1960, AP Nr. 10 zu Art. 9 GG Arbeitskampf (unter I d. Gr.); Urt. v. 19. 2. 1965, AP Nr. 8 zu § 8 TVG (unter III 2 u. 3d. Gr.); Urt. v. 30. 5. 1984, AP Nr. 3 zu§ 9 TVG 1969 (BI. 2); Urt. v. 29. 1. 1985, AP Nr. 83 zu Art. 9 GG Arbeitskampf (unter A 2 d d. Gr.); Urt. v. 10. 5. 1989, AP Nr. 6 zu § 2 TVG Tarifzuständigkeit (Ls.); Urt. v. 29. 4. 1992, AP Nr. 3 zu§ 1 TVG Durchführungspflicht (BI. 5). 109 AP Nr. 1 zu§ 9 TVG 1969 (BI. 2R). uo Die Parallele zur innerprozessualen Bindungswirkung des§ 318 ZPO ist eindeutig verfehlt und dementsprechend in der Lit. einhellig auf Ablehnung gestoßen; vgl. Wieser, Arbeitsgerichtsverfahren, Rdnr. 221 ; Wiedemann/Moll, Anm. zu BAG, AP Nr. 1 zu§ 9 TVG 1969 (unter II 1 b); Dütz, ArbRGegw Bd. 20 (Dok. für 1982), S. 33, 37; Rieble, NZA 1992, 250, Z55. 111 Wiedemann/Stumpf, TVG, § 9 Rdnr. 2; Zilius, in: Hagemeier/Kempen/Zachert/Zilius, TVG, § 9 Rdnr. 1; Matthes, in: Germelmann/Matthes/Prütting, ArbGG, § 2 Rdnr. 19; Dersch/Volkmar, ArbGG, § 47 Rdnr. 77; Stein/Jonas/Schumann, ZPO, § 256 Rdnr. 191 ; Stein/Jonas/Leipold, ZPO, § 325 Rdnr. 101; Wieser, Arbeitsgerichtsverfahren, Rdnr. 221; Däubler, TarifvertragsR, Rdnr. 166; Buchner, AR-Blattei D-Blatt "Tarifvertrag IX" (unter D III); MünchArbR!Brehm, § 378 Rdnr. 18; A. Blomeyer, ZPR, § 93 III 2 c, S. 522; Rosenberg I Schwab/Gottwald, ZPR, § 156 li 4 a, S. 939; Schnorr von Carolsfeld, Anm. zu BAG, AP Nr. 4 zu§ 8 TVG (unter II 3 b); Kraft, Anm. zu BAG, AP Nr. II zu§ 112 BetrVG 1972 (unter III 4 c); Walker, SAE 1993, 243; Brox, JuS 1961, 252, 253; Dütz, ArbRGegw Bd. 20 (Dok. für 1982), S. 33, 37; Hersehe/, FS E. Molitor (1962), S. 161 ; derselbe, ZfA 1973, 183, 197; ähnlich bereits derselbe, BArbBI. 1949, 22, 35; Michaelis, FS Larenz (1983), S. 443, 479; Hirte, ZZP 101 (1991), 11, 44; Konzen, FS Zeuner (1994), S. 401, 425; Maywald, Rechtsstreitigkeiten zwischen Tarifvertragsparteien über die Gültigkeit oder die Auslegung von Tarifnormen, S. 41-43. Nicht eindeutig Koberski/Clasen/Menzel, TVG, Rdnr. 1; Grunsky, ArbGG, § 2 Rdnr. 62/63. 112 In: FS von Gierke (1950), S. 39, 64.
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en auf Grund einer Erstreckung der materiellen Rechtskraft (auf dem Wege prozeßrechtlicher "Gestaltung") gebunden. 113 Auffarth bezweifelt, ob man § 9 TVG als eine Vorschrift ansehen könne, die die subjektive Rechtskraft erweitere; vielmehr müsse die gerichtliche Interpretation der tariflichen Norm, an die die Tarifparteien qua Rechtskraft gebunden seien, für alle (Tarifgebundenen) "gelten". 114 Nikisch lehnt eine Rechtskraftausdehnung ebenfalls ausdrücklich ab, soweit Parteien betroffen sind, für die die Tarifnorm kraft Allgemeinverbindlicherklärung oder auf Grund Vertrages gilt; stattdessen ordne die Norm eine "Reflexwirkung" des Urteils an. 115 Schreiber spricht - in ausdrücklicher Abgrenzung zur Rechtskraftwirkung- von einer "Bindungswirkung eigener Art". 116 Für Bötticher geht es bei § 9 TVG lediglich um materiellrechtliche Wirkungen der arbeitsgerichtliehen Entscheidung, der er "praktisch" die Natur eines rückwirkenden Gestaltungsurteils zuerkennt. 117 Daran anknüpfend plädiert in neuerer Zeit insbesondere Rieble vehement für einen ausschließlich materiellrechtlichen, normativen Charakter der ergehenden Entscheidung. 118 Die Position von Otto schließlich zeichnet sich dadurch aus, daß er - freilich auf der Grundlage seiner Deutung der materiellen Rechtskraft als solcher 119 - sowohl eine prozessuale Rechtskrafterstreckung als auch kumulativ eine materiellrechtlich vermittelte Einwirkung auf die Rechtsverhältnisse der betroffenen Dritten annimmt. 120 cc) Semantische Interpretation Für ein Verständnis des § 9 TVG als Rechtskrafterstreckungsnorm spricht zunächst der Wortlaut der Vorschrift, das arbeitsgerichtliche Judikat solle "für die Gerichte und Schiedsgerichte" bindend sein. 121 Die materielle Rechtskraft ist nämIn: FS von Gierke (1950), S. 39,66/67. In: BetrV 1956, 165, 169. 115 In: ArbR, Bd. II, § 69 111 7 c, S. 226; anders aber derselbe, in: Dietz/ Nikisch, ArbGG, § 63 Rdnr. 2. 116 In: ZfA 1983,31,46. 117 In: FS Hundert Jahre DJT (1960), Bd. I, S. 511, 522/523. 11s In: NZA 1992,250, 255; derselbe, Anm. zu BAG, EzA § 112 BetrVG 1972 Nr. 59 (unter I 1); ebenso Löwisch/Rieble, TVG, § 9 Rdnr. 55-59. Abweichend aber nunmehr derselbe, Anm. zu BAG, EzA § 99 BetrVG 1972 Nr. 122 (unter II 2), indem§ 9 TVG als "Spezia1fall der präjudiziellen Bindungswirkung" bezeichnet wird, die Rieble generell der "prozessualen Ebene" zuordnet. 119 Danach folgt aus der materiellen Rechtskraft nicht nur ein prozessuales Gebot, sondern zugleich die materiellrechtliche Verpflichtung der Parteien, das Urteil "privat" zu respektieren; vgl. Otto, Die Präklusion, S. 81 (Fn. 97). Abi. gegenüber einem solchen Verständnis aber H. F. Gaul, FS Flume (1978), Bd. I, S. 443, 515/516 (Fn. 419), 524. 120 In: RdA 1989, 247, 252 (Fn. 50). 121 Demgegenüber vermag Brox, JuS 1961, 252, 253, dem Wortlaut des§ 9 TVG nichts Entscheidendes abzugewinnen. Rieble, NZA 1992, 250, 255, schließt aus dem Tenninus 113
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lieh zumindest in erster Linie durch eine an das Gericht adressierte prozessuale Verhaltensnorm charakterisiert, über die res iudicata nicht noch einmal zu entscheiden bzw. sie zukünftigen Entscheidungen ungeprüft zugrundezulegen.122 Es wäre ungereimt, wenn das Gesetz die Bindung der Gerichte lediglich wegen der selbstverständlichen - Pflicht zur Beachtung der materiellrechtlichen Streitentscheidungsnormen erwähnt hätte.123 Des weiteren ist die Bindung Dritter schwerlich anders als durch Rechtskrafterstreckung erklärlich, da sie - anders als die Verbandsangehörigen - nicht in einem tarifrechtliehen Abhängigkeitsverhältnis zu den Parteien des Rechtsstreits stehen. Für eine Differenzierung bei der Bindungsart je nachdem, ob es sich um den Rechtsstreit zwischen einem Tarifgebundenen und einem Dritten oder zwischen tarifgebundenen Parteien handelt, fehlt es aber, wie schon Brox zutreffend ausgeführt hat, 124 an gesetzlichen Anhaltspunkten. dd) Entstehungsgeschichte Die Befürworter einer materiellrechtlichen Bindungsform berufen sich nun vor allem auf die Entwicklungsgeschichte der Problematik, ob und in welcher Weise sich rechtskräftige Entscheidungen zwischen den Tarifparteien über den Bestand bzw. den Inhalt von Tarifverträgen auf die Verbandsmitglieder auswirken.125 In der Tat hat das RAG in seinem wegweisenden Urteil vom 3. 7. 1929 auch ohne eine entsprechende gesetzliche Grundlage anerkannt, daß der Einzelarbeitsvertrag zwischen den Tarifunterworfenen nur so "angesehen" werden kann, wie ihn die Tarifparteien auf Grund ihrer Rechtskraftbindung für und gegen sich gelten lassen müssen. 126 Zwar hat das RAG ausdrücklich unentschieden gelassen, ob sich dieses Ergebnis auch aus einem "Gedanken prozessualer Erstreckung der Rechtskraft" herleiten lasse. 127 Indessen diente dieser Gedanke dem RAG lediglich dazu, "Bindung", der von der "Wirkung" des § 325 ZPO abweicht, sogar auf eine unterschiedliche Bindungsform. Die Berufung hierfür auf Bötticher, FS Hundert Jahre DJT (1960), Bd. I, S. 511, 523, geht indessen fehl, da Bötticher unter Verweis auf die Erkenntnis Kuttners, Urteilswirkungen außerhalb des Zivilprozesses, S. 2 (Fn. 5), daß die Verwendung des Begriffs ,,Bindung" in der Regel der Umschreibung einer Steuerung hoheitlichen Verhaltens dient, den aus seiner Sicht mißverständlichen Wortlaut der Norm gerade gerügt hat. 122 H. F. Gaul, FS Flume (1978), Bd. I, S. 443, 512-524. 123 Zum Zusammenhang zwischen der Eigenschaft von Rechtssätzen als Verhaltensnormen für die Rechtsunterworfenen und Entscheidungsnormen für den Richter Goldschmidt, Der Prozeß als Rechtslage, S. 245-253. 124 In: JuS 1961, 252, 253. 12s Vgl. etwa Bötticher, FS Hundert Jahre DIT (1960), Bd. I, S. 511, 522/523; Rieble, NZA 1992, 250, 255. 126 ARS 6, 241, 243. Eine Vorläuferentscheidung stellt das Urteil v. 20. 3. 1929, ARS 5, 398, 400, dar, in es bereits obiter heißt, daß es Sache der Tarifvertragsparteien sei, die Rechtslage für alle Mitglieder und sämtliche Einzelarbeitsverhältnisse einheitlich zu klären (Hervorhebung im Original).
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die Begründung für die bejahte Bindung deutlich herauszustellen. Das RAG hob nämlich entscheidend auf einen Vergleich mit der automatischen Wirkung ab, den die Tarifnormen für die Tarifgebundenen nach § l TVV0 128 hatten. Wenn das von den Tarifparteien geschaffene Recht automatisch wirke, so sei dasselbe für das Recht anzunehmen, das zwischen den Verbänden auf Grund der Rechtskraft gelte. 129 Damit ist aber noch nicht gesagt, daß die Tarifunterworfenen von der materiellen Rechtskraft der Entscheidung über den Inhalt des Tarifvertrages nicht erlaßt werden. Es geht lediglich darum, daß der von der Bindungsform zu trennende Grund der Bindung nicht in allgemeinen prozessualen Überlegungen 130, sondern im materiellen Recht verwurzelt ist. 131 Zudem spricht das RAG davon, daß das Urteil über den Tarifinhalt "mit seiner deklaratorischen Kraft" für das Einzelarbeitsverhältnis gelte. Würde es sich um eine materiellrechtliche Wirkung handeln, so würde, wie Bötticher insoweit zu Recht ausführt, 132 der Entscheidung im Grunde genommen ein rückwirkender Gestaltungscharakter eignen. Darüber hinaus findet sich sowohl im Leitsatz des Judikats wie auch in der späteren Rechtsprechung des RAG die Formulierung, daß das zwischen den Tarifparteien ergangene arbeitsgerichtliche Urteil zwischen den Verbandsmitgliedern "Rechtskraft" schaffe.133 Demnach ist festzuhalten, daß sich das RAG entgegen einer weit verbreiteten Ansicht134 in der hier in Rede stehenden Konstellation keinesfalls gegen eine Rechtskrafterstreckung als solche, sondern lediglich dagegen ausgesprochen hat, diese auf eine ausschließlich prozessuale Argumentation zu stützen. Statt dessen hat das Gericht für eine materiellrechtliche Herleitung plädiert und damit eine - prozessuale - Rechtskraftwirkung mit materiellrechtlichem Tatbestand auch ohne ausdrückliche gesetzliche Grundlage anerkannt. Mit dem im Jahr 1949 geschaffenen § 8 TVG (heute § 9 TVG) bezweckte der Gesetzgeber die Festschreibung der als bewährt angesehenen Rechtsprechung des RAG zur erweiterten Bindungswirkung ARS 6, 241, 242/243. Vom 23. 12. 1918, RGBI. I, S. 1456. 129 ARS 6, 241, 243. 130 So läßt das RAG die zum Entscheidungszeitpunkt in der Praxis noch nicht abschließend geklärte Frage offen, ob dem rechtskräftigen Urteil als solchen rechtsgestaltende Wirkung zukommt. 131 In diesem Sinne bereits Hentschel, JW 1928, 161111612, in einer Anm. zum Urt. des RAGv. 11. 1.1928,ARS2, 102ff. 132 In: FS Hundert Jahre DJT ( 1960), Bd. I, S. 511, 523. m ARS 6, 241; Urt. v. 26. 11. 1930, ARS 11, 101. Demgegenüber ist die Literatur der Weimarer Zeit in dieser Frage überwiegend weniger aussagekräftig gewesen: so sprechen Hueck/Nipperdey, ArbR, Bd. II, 3.-5. Auf!.,§ 80 II 1, S. 713 (Fn. 30), lediglich davon, daß die rechtskräftige Feststellung auch für die Tarifunterworfenen "maßgebend" sei; Neumann, NZfA 1928, Sp. 221, 230 (Fn. 35), läßt es ausdrücklich dahinstehen, ob es sich um eine "echte Rechtskrafterstreckung" oder um eine "zivilistische Nebenwirkung", wohl im Sinne der Ausführungen oben unter § 2 III. I. a), handelt. 134 Anders aber schon Goldschmidt, ZPR, § 63, 6 a, S. 211 , der - unter Berufung auf das RAG - ausdrücklich von einer Rechtskrafterstreckung auf die tarifunterworfenen Einzelarbeitsvertragsparteien spricht. 127
12s
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von Urteilen über den Inhalt von Tarifverträgen. 135 Besondere Bedeutung kommt dabei dem Umstand zu, daß Hersehe[ wiederholt von § 9 TVG als einer Rechtskraftvorschrift gesprochen hat. 136 Vor diesem Hintergrund muß davon ausgegangen werden, daß der historische Gesetzgeber die Konstruktion der Rechtskrafterstreckung gewählt hat, um die Bindung an Entscheidungen über Tarifverträge in dem von ihm gewünschten Maße herbeizuführen. Da gesetzgebensehe Konstruktionen nicht ohne Not außer acht gelassen werden sollten, 137 bedürfte es zwingender Gründe, um gleichwohl zu einem anderen Ergebnis zu gelangen. ee) Ablehnung einer materiellrechtlichen Bindung kraft Normwirkung der Entscheidung Die Bindungsfrage und damit der Charakter des Verfahrens nach § 9 TVG wären möglicherweise dann anders zu beantworten, wenn die Auffassungen von Bötticher138 und Rieble 139 zuträfen, nach denen es in dem Rechtsstreit in der Sache um ein Normenkontrollverfahren 140 geht. Hieraus soll zu folgern sein, daß der gerichtlichen Entscheidung über die Norm ebenfalls normative Wirkung eignet. 141 Es ist bereits dargelegt worden, daß die Vorstellung einer unmittelbaren gesetzesgleichen Normwirkung gerichtlicher Entscheidungen schon im Grundsatz nicht zu überzeugen vermag und stattdessen eine verbreiterte Urteilswirkung als Rechtskraft inter omnes zu deuten ist. 142 Im Folgenden soll daher nur noch denjenigen Bedenken nachgegangen werden, die sich speziell im Bereich des § 9 TVG gegen die Charakterisierung des Erkenntnisses als "normativ" richten. So ist es zunächst einmal nicht plausibel, wenn Rieble Streitigkeiten über die Gültigkeit ("Bestehen oder Nichtbestehen") und über den Inhalt von Tarifverträgen Nipperdey, RdA 1949, 81, 89; ausführlich Herschel, ZfA 1973, 183, 197. In: FS E. Molitor (1962), S. 161 ; derselbe, ZfA 1973, 183, 197; ähnlich bereits derselbe, BArbBI. 1949, 22, 35. 137 Zur Bindung an gesetzliche Konstruktionen Canaris, Systemdenken und Systembegriff in der Jurisprudenz, S. 100-104. 138 In: FS Hundert Jahre DJT (1960), Bd. I, S. 511, 523. 139 In: NZA 1992,250, 251; siehe auch Löwisch/Rieble, TVG, § 9 Rdnr. 9. 140 Ebenso Maywald, Rechtsstreitigkeiten zwischen Tarifvertragsparteien über die Gültigkeit oder die Auslegung von Tarifnormen, S. 15-20. In diese Richtung auch Sieg, AcP 151 (195011951), 246, 256. Anklänge hierzu finden sich ebenfalls in BAG, Urt. v. 23. 3. 1957, AP Nr. 18 zu Art. 3 GG (BI. 3R), wo sich das Gericht mit der Frage einer Zuständigkeit des BVerfG (!) auseinandersetzt 141 In diesem Sinne spricht das BAG, Urt. v. 8. 1. 1957, AP Nr. 7 zu§ 256 ZPO (unter I d. Gr.), ebenfalls davon, daß im Wege der Feststellungsklage eine "normative Wirkung" erreicht werden könne. 142 Siehe dazu oben § 2 III. 1. c). 135
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2. Teil: Einfachgesetzliche Ausgangslage
in der Weise voneinander trennt, daß er nur im ersteren Falle von einem Normenkontrollverfahren spricht, während das zweite Verfahren ein normaler kontradiktorischer Prozeß sein soll. 143 Da Rieble aus dem Wesen des Rechtsstreits als Normenkontrollverfahren hernach die (materiellrechtliche) normative Wirkung der Entscheidung ableitet, 144 müßte diese Kraft einem Erkenntnis in einem Prozeß über den Inhalt eines Tarifvertrages konsequenterweise ermangeln. Eine unterschiedliche Behandlung der beiden Fälle vermag indessen nicht einzuleuchten. Sie ist auch nicht in der erwähnten Ausgangsentscheidung des RAG 145 angelegt, auf die sich Rieble beruft, da es dort gerade um eine den Inhalt einer Tarifnorm betreffenden Auseinandersetzung ging. Zudem lassen sich Gültigkeitskontrolle und Auslegung, wie Rieble nicht verkennt, 146 nur schwer voneinander trennen. 147 Aber auch wenn man einen Prozeß nach § 9 TVG einheitlich als Normenkontrollverfahren auffaßt 148, so erscheint es jedenfalls nicht zwingend, der daraufhin ergehenden Gerichtsentscheidung Normwirkung beizumessen. 149 Soweit Bötticher eine Parallele zu§ 31 Abs. 2 BVerfGG gezogen hat, 150 wurde schon dargetan, daß die dort statuierte Gesetzeskraft als umfassende Rechtskraftwirkung aufzufassen ist. 151 Im übrigen krankt der Vergleich mit dieser Vorschrift daran, daß das Gesetz der Entscheidung des BVerfG ausdrücklich Gesetzeskraft zuerkennt, was bei § 9 TVG ersichtlich nicht der Fall ist. Außerdem regelt § 31 Abs. 2 BVerfGG nur die Wirkung von Entscheidungen, durch die Gesetze als mit dem Grundgesetz für vereinbar, unvereinbar bzw. für nichtig erklärt werden, während die Frage, wie normative Bestimmungen auszulegen sind, von vornherein nicht Gegenstand eines verfassungsgerichtlichen Verfahrens sein kann. § 47 Abs. 6 VwGO sieht sogar vor, daß lediglich in den Fällen, in denen das OVG die angegriffene Norm für ungültig hält, die Entscheidung allgemein verbindlich ist. Demgegenüber kommt dem arbeitsgerichtliehen Judikat nach § 9 TVG in den unterschiedlichsten Konstellationen erweiterte Bindungswirkung zu, so daß man durch einen Vergleich mit den genannten Verfahrensarten selbst dann nicht die These von der Normwirkung der arbeitsgerichtlichen Urteile stützen könnte, wenn man § 31 Abs. 2 BVerfGG bzw. § 47 Abs. 6 VwGO im Gegensatz zur hier geäußerten Ansicht im Sinne einer materiell143 144 145 146 147
Natur.
In: NZA 1992, 250, 251; ebenso Löwisch/ Rieble, TVG, § 9 Rdnr. 9, 11. In: NZA 1992, 250, 255. ARS 6, 241 ff. In: NZA 1992,250,251. Nach Wiedemann/Stumpf, TVG, § 9 Rdnr. 6 ist der Unterschied lediglich quantitativer
Zum Streitgegenstand siehe sogleich unter b) bb). So im Erg. auch Maywald, Rechtsstreitigkeiten zwischen Tarifvertragsparteien über die Gültigkeit oder die Auslegung von Tarifnormen, S. 15-20, 43-45. 150 In: FS Hundert Jahre DJT (1960), Bd. I, S. 511, 523. 151 Siehe dazu oben § 2 III. 1. c). Ferner ist daran zu erinnern, daß Bötticher, LZ 1926, Sp. 882, 888-890, selbst ausdrücklich dafür plädiert hat, die "Gesetzeskraft" einer Normenkontrollentscheidung im Sinne einer Rechtskraft inter omnes zu deuten. 148 149
§ 3 Positive Anordnungen einer erweiterten Bindungswirkung
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rechtlichen Entscheidungswirkung deuten würde. Soweit Rieble die Normenkontrolle im Anschluß an Herschel 152 als Statusverfahren bezeichnet, 153 spricht dies ebenfalls eher gegen als für eine materiellrechtliche Entscheidungswirkung. Die familien- und kindschaftsrechtlichen Statusurteile im Sinne der §§ 636a, 638, 640h, 64lk ZPO führen eine Bindung Dritter nämlich nicht über eine konstitutive Veränderung der materiellen Rechtslage, sondern über eine Erstreckung der Rechtskraft herbei. Gegen eine Normwirkung der Entscheidung selbst, einer im Zivilprozeß - soweit ersichtlich - ohnehin singulären Erscheinung, ist darüber hinaus anzuführen, daß der Gesetzgeber den gebundenen Personenkreis zwar weit gefaßt, letztlich aber doch begrenzt hat. Bei einer materiellrechtlichen normativen Wirkung wäre indessen anzunehmen, daß die Vorschrift keine personellen Grenzen enthält, da man ansonsten von der wenig überzeugenden Vorstellung einer "relativen" Norm auszugehen hätte. Diese Überlegung steht nicht im Gegensatz zu der bereits geäußerten Auffassung, daß eine relative Gestaltungswirkung durchaus denkbar ist, 154 da es in diesen Fällen um die Gestaltung eines konkreten Rechtsverhältnisses ging, während hier die relative Geltung einer Norm in Rede stünde. Im übrigen muß auch der Vergleich der Entscheidung mit einem rückwirkenden Gestaltungsurteil durch Bötticher 155 zurückgewiesen werden, da es - anders als bei Gestaltungsentscheidungen - jedermann möglich ist, vor der Rechtskraft im Prozeß der Tarifparteien die Unwirksamkeit bzw. einen bestimmten Inhalt des Tarifvertrages geltend zu machen. 156 ft) Zwischenergebnis
Somit bleibt festzuhalten, daß es sich bei § 9 TVG um eine Vorschrift handelt, die in bestimmtem, im Folgenden näher zu ermittelndem Umfange arbeitsgerichtliehen Entscheidungen eine subjektive Erweiterung der materiellen Rechtskraft zuspricht. Ob das gerichtliche Erkenntnis zusätzlich zu einer Konkretisierung materiellrechtlicher Verhaltensmaßstäbe insbesondere für die Tarifgebundenen führt, 157 ist eine Frage, die in den Bereich der allgemeinen Rechtsgeltungslehre hineinführt und daher hier nicht zu erörtern. 158
In: BArbBI. 1949, 22, 25. In: NZA 1992, 250, 254; ebenso Löwisch / Rieble, TVG, § 9 Rdnr. 44. 154 Siehe dazu oben § 2 111. I. b) bb). 155 In: FS Hundert Jahre DJT (1960), Bd. I, S. 511, 523. 156 So auch Schlosser, Gestaltungsklagen und Gestaltungsurtei1e, S. 25/26. Gegen eine gestaltende Wirkung der Entscheidung nach§ 9 TVG ebenfalls Schwarze, ZTR 1993, 229, 233. 157 In diesem Sinne Otto, RdA 1989, 247, 252 (Fn. 50). 158 Siehe hierzu auch noch unten§ 4 II. I. mit den Fn. 114 u. 115. 152
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2. Teil: Einfachgesetzliche Ausgangslage
b) Grundzüge der Regelung
An dieser Stelle soll es darum gehen, die Voraussetzungen der - wie soeben dargelegt - als Rechtskrafterstreckung zu qualifizierenden Bindungswirkung nach § 9 TVG in ihrem "Kembereich" zu skizzieren. Erst die Bestimmung dessen, was dem positiven Recht als Normtext bzw. als Normzweck zweifelsfrei zu entnehmen ist, erlaubt nämlich das Herausarbeiten der diesem Recht zugrundeliegenden Wertungen. Diese wiederum beeinflussen- zusammen mit aus anderen Grundlagen ableitbaren Rechtsprinzipien - die Rechtsgewinnung bei denjenigen Problemfällen, die sich nicht mittels einer gesetzesnahen Auslegung lösen lassen. Die Ableitung des Allgemeinen aus dem geregelten Besonderen sowie das Zusammenführen verschiedener allgemeiner Rechtswertungen - sowie weiterer einzelner positivrechtlicher Anhaltspunkte - bei der Behandlung des ungeregelten Besonderen bedingt so·· mit die hier zugrunde gelegte Vorgehensweise. 159 Die bindungsauslösenden Umstände lassen sich im wesentlichen nach den Parteien des Vorprozesses, dessen Streitgegenstand sowie den Personen gruppieren, die am Folgeprozeß beteiligt sein müssen. aa) Parteien des Vorprozesses Der vorherige Rechtsstreit muß grundsätzlich zwischen den Parteien geführt 160 worden sein, die den umstrittenen Tarifvertrag auf Arbeitgeber- und Arbeitnehmerseite vereinbart haben. 161 Sind an dem Tarifabschluß Spitzenverbände beteiligt gewesen, so kommt es darauf an, ob diese den Tarifvertrag in eigenem Namen geschlossen haben und damit gemäß § 2 Abs. 3 TVG selbst Tarifpartei sind oder ob sie lediglich nach § 2 Abs. 2 TVG im Namen der angeschlossenen Verbände gehandelt haben. 162 159
171.
Zur Methodik vgl. Canaris, Die Feststellung von Lücken im Gesetz, S. 97-106, 160-
160 Die Verwendung des Begriffs "Parteifähigkeit" durch Rieble, NZA 1992, 250, 252, als Zulässigkeitsvoraussetzung für das Verfahren leuchtet in diesem Zusammenhang nicht ein, da sich die Fähigkeit, Partei in einem arbeitsgerichtliehen Urteilsverfahren über einen Tarifvertrag zu sein, ausschließlich nach den§§ 50 ZPO, 10 ArbGG richtet. Die anschließende Erläuterung, nur die Tarifparteien seien ,,klagebefugt", ist im übrigen keine Umschreibung der Parteifähigkeit, sondern, sofern es nicht um die Sachlegitimation geht, eine andere Bezeichnung für die Prozeßführungsbefugnis, die Dritten, die die umstrittenen tariflichen Rechte für sich selbst in Anspruch nehmen, schwerlich abgesprochen werden kann. Bei dem von Rieble angeführten Urteil des BAG v. 10. 5. 1989, AP Nr. 6 zu§ 2 TVG Tarifzuständigkeit, schließlich wurde die Klage weder mangels Parteifähigkeit noch auf Grund fehlender Prozeßführungsbefugnis abgewiesen, sondern deshalb, weil sie nach Ansicht des BAG nicht auf die Feststellung eines Rechtsverhältnisses i. S. des § 256 ZPO gerichtet war. 161 Wiedemann/Stumpf, TVG, § 9 Rdnr. 4; Zilius, in: Hagemeier/Kempen/Zachert/Zilius, TVG, § 9 Rdnr. 2; Koberski/Clasen I Menzel, TVG, § 9 Rdnr. 4; Dütz, ArbRGegw Bd. 20 (Dok. für 1982), S. 33, 38; Rieble, NZA 1992, 250, 252.
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bb) Gegenstand des vorherigen Rechtsstreits Die Bestimmung des Streitgegenstandes, um den es im Vorprozeß gegangen sein muß, bereitet bei näherem Hinsehen einige Schwierigkeiten. Der Wortlaut des § 9 TVG fordert einen Rechtsstreit "über das Bestehen oder Nichtbestehen des Tarifvertrages" bzw. "aus dem Tarifvertrag". Hierunter wird man bei unbefangener Betrachtung einen Streit um die Gültigkeit oder um den Inhalt des Tarifvertrages zu verstehen haben. 163 Damit ist zunächst klargestellt, daß auch bei einer Auseinandersetzung über die Vereinbarkeit eines Tarifvertrages mit höherrangigem Recht der Vertrag als solcher, nicht aber die Auslegung des heranzuziehenden Prüfungsmaßstabes den Gegenstand des Verfahrens bildet. 164 Allerdings bestehen im einzelnen durchaus unterschiedliche Auffassungen darüber, in welcher Weise diese Umschreibung zu konkretisieren ist. Dabei stellen sich im wesentlichen zwei Probleme : Zum einen geht es um die grundsätzliche Deutung des Verfahrensgegenstandes. Die Tarifklage wirft nämlich die Fragestellung auf, ob und in welcher Weise sie mit § 256 ZPO harmonisiert werden kann, da der zulässige Gegenstand einer Feststellungsklage nach allgemeiner Meinung nur in einem ,,konkreten" Rechtsverhältnis bestehen kann, 165 während der normative Teil eines Tarifvertrages nach § l TVG objektives Recht, also Gesetze im materiellen Sinne enthält. 166 Die Klärung der "abstrakten" Gültigkeit und des Inhaltes von Rechtsnormen als solche soll indessen nicht Inhalt einer Feststellungsklage sein können. 167 Zum anderen ist erörterungsbedürftig, ob bei Auseinandersetzungen zwischen Tarifparteien Streitigkeiten, die die Bindungswirkung I62 Rieble, NZA 1992, 250, 252. Im zuletzt genannten Fall ist aber denkbar, daß der Spitzenverband den Rechtsstreit um den Tarifvertrag als gewillkürter Prozeßstandschafter für den Mitgliedsverband führt. In diesem Falle träte eine gestufte Rechtskrafterstreckung ein: über die Bindung des angeschlossenen Verbandes als Rechtsinhaber würden dessen Mitglieder von der Rechtskraft der Entscheidung erfaßt werden. Näheres dazu unten § 5 I. 2. !63 Allgemein ebenso Wiedemann/Stumpf, TVG, § 9 Rdnr. 6; Löwisch/Rieble, TVG, § 9 Rdnr. 8; Dütz, ArbRGegw Bd. 20 (Dok. für 1982), S. 33, 38. !64 In diesem Sinne hat das BAG, Urt. v. 25. 9. 1987, AP Nr. 1 zu§ 1 BeschFG 1985 (unter AI d. Gr.), zutreffend den Fortbestand der Protokollnotiz Nr. 1 zu SR 2y BAT, nicht aber die Auslegung von Art. 1 § 1 BeschFG 1985 als Streitgegenstand des Verfahrens zwischen der GEW und der TdL aufgefaßt. !65 Vgl. nur BGH, Urt. v. 13. 12. 1984, NJW 1986, 1815; Thomas/Putzo, ZPO, § 256 Rdrn. 5; Zöller/Greger, ZPO, § 256 Rdnr. 3; Stein/Jonas/Schumann, ZPO, § 256 Rdnr. 21 ; Rosenberg/Schwab/Gottwald, ZPR, § 93 II 1, S. 519. !66 Siehe nur BVerfG, Beschl. v. 24. 5. 1977, BVerfGE 44, 322, 341; BAG, Urt. v. 15. 1. 1955, AP Nr. 4 zu Art. 3 GG (BI. 2RJ3); Urt. v. 23. 3. 1957, AP Nr. 18 zu Art. 3 GG (BI. 3R); Wiedemann/Stumpf, TVG, § 1 Rdnr. 14; Löwisch/Rieble, TVG, § 1 Rdnr. 8-22. Ausführlich Zöllner, Die Rechtsnatur der Tarifnormen nach deutschem Recht (1966), insbesondere S. 3438. !67 Vgl. RG, Urt. v. 30. 4. 1935, RGZ 148, 81, 100; Zöller/Greger, ZPO, § 256 Rdnr. 3, 5; MünchKommZPO/G. Lüke, § 256 Rdnr. 22.
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nach § 9 TVG auslösen, von solchen unterschieden werden können, bei denen dies nicht der Fall ist. Nun steht unter dem Gesichtspunkt des praktischen Ertrages bei der Behandlung von problematischen Konstellationen der zuletzt genannte Bereich eindeutig im Vordergrund. Allerdings hängt die Stellungnahme zu den in der Rechtsprechung und im Schrifttum umstrittenen Punkten, ob beispielsweise eine Entscheidung über den Inhalt der tarifvertragliehen Durchführungspflicht eine erweiterte Bindung entfaltet bzw. ob ein Urteil über Tarifverträge zulässig ist, die nur noch nachwirken, 168 von der grundsätzlichen Frage der zutreffenden Einordnung des von § 9 TVG gemeinten Streitgegenstandes ab. Es erscheint daher erforderlich, sie einer prinzipiellen Klärung zuzuführen. (1) Rekurs auf das "Innenverhältnis" der Tarifparteien
Wie bereits ausgeführt, 169 bezweckte der Gesetzgeber mit der Schaffung des § 9 TVG, die bereits zuvor durch das RAG geprägten Grundsätze zu präzisieren und zu verfestigen. so daß der Analyse dieser Judikatur eine herausragende Bedeutung zukommt. Das RAG hat sich in den gemeinhin als leading cases angesehen Urteilen vom 11.1. und vom 22. 2. 1928 170 dafür ausgesprochen, daß eine Feststellungsklage bezüglich des normativen Teils eines Tarifvertrages zulässig sei. Zur Begründung hat es ausgeführt, daß dieser Teil des Tarifvertrages Doppelcharakter habe und nicht nur (nach der damals geltenden TVVO) normativ die Arbeitsverhältnisse der tarifgebundenen Arbeitnehmer bestimme, sondern gleichzeitig die schuldrechtlichen Rechte und Pflichten der Tarifparteien, insbesondere die Durchführungs- und Friedenspflicht regele. Bei der Feststellung des Inhalts von Tarifnormen handele es sich demnach um die Feststellung des Bestehens eines Rechtsverhältnisses im Sinne des § 256 ZPO zwischen den Tarifvertragsparteien. 171 Das RAG hat demnach keinen neuen Klagetyp (etwa entsprechend § 47 VwGO) schaffen wollen. Vielmehr hat es versucht, den Konflikt zwischen dem Normencharakter des Tarifvertrages und dem herkömmlichen Verständnis über den zulässigen Inhalt einer Feststellungsklage dadurch zu lösen, daß es als Streitgegenstand der Klage das (konkrete) Innenverhältnis der Tarifvertragsparteien ansah. Wenn der Gesetzgeber mit § 9 TVG indessen nur das bestätigen wollte, was bereits zuvor anerkannten Rechtes war, so kann dieser Norm nicht im nachhinein ohne jede weitere Begründung eine eigenständige, also § 256 ZPO völlig außer acht lassende Grundlage für die Einordnung der Tarifklage als abstraktes Normenfeststellungsverfahren entHierzu unten§ 12 I. 1. b) aa) u. cc). Siehe dazu oben unter a) dd). 11o ARS 2, 103 ff. und 117 ff. 171 ARS 2, 103, 107; deutlicher noch in ARS 2, 117, 119/120; bestätigt durch RAG, Urt. v. 20. 3. 1929, ARS 5, 398, 400/401; andeutungsweise auch RAG, Urt. v. 19. 9. 1928, ARS 4, 53 (Ls. 1). 168 169
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nommen werden. 172 Ebensowenig vermag der vom BAG in seinen neueren Entscheidungen173 zur "Verbandsklage" neben § 9 TVG regelmäßig herangezogene § 2 Abs. 1 Nr. I ArbGG etwas zur Klärung der Voraussetzungen für die Zulässigkeit der Feststellungsklage und damit zugleich zur Streitgegenstandsproblematik beizutragen. Die Vorschrift des § 2 Abs. 1 Nr. 1 ArbGG regelt nämlich nur die sachliche Zuständigkeit der Arbeitsgerichte 174 bzw. nunmehr den Rechtsweg 175. Die Frage der richtigen Bestimmung des Streitgegenstandes wird, wie gesagt, davon beeinflußt, daß der normative Teil des Tarifvertrages auf eine aus der Sicht des Einzelarbeitsverhältnisses abstrakte Regelung des Arbeitsvertragsinhalts abzielt. Die Problematik erwächst somit aus dem Bemühen, die um die Kollektivität und damit um den notwendigerweise mit Abstraktion verbundenen Abstand zwischen Norm und normiertem Einzelrechtsverhältnis bereicherte Vorstellungswelt des materiellen Arbeitsrechts in das Prokrustesbett des auf die Beurteilung isolierter, "konkreter" Rechtsbeziehungen angelegten Zivilprozeßrechts zu zwängen. Es liegt deshalb nahe, den vom RAG vorgezeichneten Weg zu gehen und das aus der Sicht der tarifschließenden Parteien zwischen ihnen bestehende konkrete schuldrechtliche Rechtsverhältnis, nämlich die Friedens- und Durchführungspflicht 176, 172 Ebenso Schnorr von Carolsfeld, Anrn. zu BAG, AP Nr. 4 zu § 8 TVG (unter II 3 a); Wiedemannl Moll, Anrn. zu BAG, AP Nr. I zu§ 9 TVG I969 (unter I); Wiedemann, Anrn. zu BAG, AP Nr. 3 zu§ 9 TVG 1969. Die apodiktische Aussage Rieb/es, NZA 1992, 250, 251, daß § 9 TVG die abstrakte Feststellungsklage "in Abweichung von § 256 ZPO" ermögliche, vermag somit nicht zu überzeugen. Gleiches gilt für die in den jüngeren Entscheidungen des BAG benutzte Wendung, § 9 TVG eröffne "nach dem Willen des Gesetzgebers" die Möglichkeit, das Bestehen oder Nichtbestehen von Tarifnormen in abstrakter Weise klären zu lassen; vgl. Urt. v. 30. 5. 1984, AP Nr. 3 zu § 9 TVG (BI. 2); Urt. v. 25. 9. 1987, AP Nr. 1 zu § 1 BeschFG 1985 (unter B II 2 d. Gr.). 173 BAG, Urt. v. 28. 9. 1977, AP Nr. 1 zu§ 9 TVG 1969 (BI. 2); Urt. v. 11. 3. 1981 , AP Nr. 2 zu§ 39 TV Ang Bundespost (BI. 2); Urt. v. 30. 5. 1984, AP Nr. 3 zu§ 9 TVG (BI. IR); Urt. v. 26. 9. 1984, AP Nr. 21 zu § I TVG (BI. IR); Urt. v. 25. 9. 1987, AP Nr. 1 zu § 1 BeschFG 1985 (unter B II 2 d. Gr.). 174 Wiedemann/Moll, Anrn. zu BAG, AP Nr. 1 zu§ 9 TVG 1969 (unter I); Bickel, SAE 1978, 299, 300; Wiedemann, Anrn. zu BAG, AP Nr. 3 zu § 9 TVG 1969 (unter 1). Anders Maywald, Rechtsstreitigkeiten zwischen Tarifvertragsparteien über die Gültigkeit oder die Auslegung von Tarifnormen, S. 15-20, der gerade in § 2 Abs. 1 Nr. 1 ArbGG die alleinige Grundlage für die tarifliche Normenklage als ein zivilrechtliches Normenkontrollverfahren sieht. Siehe in diesem Zusammenhang auch BAG, Urt. v. 8. 2. I963, AP Nr. 42 zu § 256 ZPO, nach dem die Zuständigkeitsregelung des ArbGG nicht die Prüfung des Feststellungsinteresses i. S. des § 256 ZPO ersetzt. 175 Seit der Novellierung des GVG und des ArbGG durch das 4. VwGOÄndG mit Wirkung vorn 1. I. 1991 ist davon auszugehen, daß es sich bei dem Verhältnis der ordentlichen Gerichtsbarkeit zu den Arbeitsgerichten um eine Frage des Rechtsweges und nicht mehr, wie es früher der h. M. entsprach, der sachlichen Zuständigkeit handelt; vgl. BAG, Urt. v. 26. 3. 1992, AP Nr. 7 zu§ 48 ArbGG 1979 (unter II I a bb d. Gr.); Zöller/Gummer, GVG, Vor §§ 17-17b Rdm. IO. 176 Zu den schuldrechtlichen Pflichten der Tarifparteien siehe Löwisch/ Rieb/e, TVG, § 1 Rdm. 258ff.; Wiedemann/Stumpf, TVG, § 1 Rdm. 314ff.; Zöllner/ Loritz, ArbR, § 35 V, s. 351-354.
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deren Inhalt durch den normativen Teil des Tarifvertrages bestimmt wird, als Streitgegenstand der von § 9 TVG gemeinten Klage anzusehen. In dieser Weise haben denn auch das BAG 177 und die überwiegende Literatur 178 bei der Zulässigkeit der Feststellungsklage und damit bei der Ermittlung des Streitgegenstandes der Tarifklage zunächst auf das schuldrechtliche "Innenverhältnis" der Tarifparteien rekurriert. 179 Eine derartige Sichtweise stößt allerdings auf das Bedenken, ob man den Gegenstand einer Feststellungsklage über den normativen Tarifvertragsteil zutreffend erfaßt, wenn man annimmt, daß es insoweit lediglich um den konkreten Inhalt des Schuldverhältnisses zwischen den Tarifvertragsparteien geht. Zudem wird bei einer auf das Innenverhältnis der Tarifparteien abstellenden Schau der Dinge unklar, welche Rolle einer ebenfalls dieses Rechtsverhältnis betreffenden Klage auf das Bestehen und den Inhalt der jedem Tarifvertrag immanenten Durchführungs- und Friedenspflicht zukommt. Geht man dieser Frage nach, so wird man mit der vom BAG in seinem Urteil vom 15. 11. 195i 80 geäußerten Rechtsa~sicht konfrontiert, daß sorgsam zwischen dem Streit über Inhalt und Auslegung eines Tarifvertrages und der Klage auf Erfüllung der Durchführungspflicht zu unterscheiden sei, insoweit eine objektive Klagehäufung i. S. des § 260 ZPO zulässig sei und - was hier von besonderem Interesse ist - nur der in dem erstgenannten Verfahren ergehenden Entscheidung weitergehende Bindungswirkung gemäß § 9 TVG zukomme. 181 Demgegenüber findet sich diese Differenzierung in den Leitentscheidungen des RAG 182 nicht. 183 Vielmehr m Urt. v. 23. 3. 1957, AP Nr. 18 zu § 3 GG (BI. 2). Anders dieneueren Urt. v. 30. 5. 1984, AP Nr. 3 zu § 9 TVG 1969 (BI. 2) und v. 29. 5. 1987, AP Nr. I zu§ I BeschFG (unter B II 2 d. Gr.). 178 Dezidiert Schnorr von Carolsfeld, Anm. zu BAG, AP Nr. 4 zu § 8 TVG (unter II 3 a); im Erg. ebenso Stein/Jonas/Schumann, ZPO, § 256 Rdnr. 181; Hueck/Nipperdey, ArbR, Bd. I,§ 97 IV 2, S. 922 (Fn. I unter 1); Auffarth, BetrV 1956, 165. 179 Dasselbe Resultat erzielt Bickel, SAE 1978, 299, 300, der das Problem allerdings von vomherein dadurch umgeht, daß er dem normativen Teil des Tarifvertrages keine gesetzesgleiche Wirkung beimißt, sondern ihn stattdessen als denjenigen Teil des tarifvertragliehen Rechtsverhältnisses ansieht, der gemäß § 4 Abs. 1 S. 1 TVG kraft Gesetzes unmittelbare Wirkung in den dem Tarifvertrag unterworfenen Arbeitsverhältnissen entfaltet. Bei diesem hier nicht weiter zu diskutierenden Ausgangspunkt ist Streitgegenstand in jedem Falle das durch den "normativen" Teil des Tarifvertrags begründete Rechtsverhältnis zwischen den Tarifparteien. 180 AP Nr. I zu § 8 TVG (unter I d. Gr.). 181 Für eine strikte Trennung zwischen normativer Regelung sowie der Durchführungsund Friedenspflicht als Verfahrensgegenstände auch Bickel, SAE 1978, 299, 300; ebenso Buchner, DB 1992, 572, 578; nicht eindeutig Oetker, SAE 1992, 158, 162. 182 ARS 2, I 03 ff. und I 17 ff. 183 Anders aber offenbar BAG, Urt. v. 29. 1. 1985, AP Nr. 83 zu Art. 9 GG Arbeitskampf (unter A 2 d. Gr.). Bei einem Streit über den Inhalt einer Betriebsvereinbarung judiziert das BAG ebenfalls in entgegengesetztem Sinne; vgl. Urt. v. 17. 2. 1992, AP Nr. l zu§ 84 ArbGG 1979 (unter li 4 d. Gr.); siehe dazu unten§ 14 II. 1. b) aa) (2) (d).
§ 3 Positive Anordnungen einer erweiterten Bindungswirkung
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werden in diesen Urteilen die Feststellungen, daß eine Tarifnorm in einem bestimmten Sinne auszulegen ist und daß der Arbeitgeber gegenüber der Gewerkschaft verpflichtet ist, den Tarifvertrag in eben diesem Sinne auszuführen, gleichgesetzt. In der Vorstellungswelt des RAG war die "Normenklage" demnach nur eine Art abgekürzter Antrag auf Feststellung des Inhaltes von Durchführungs- und Friedenspflicht und damit des ,,horizontalen" Rechtsverhältnisses zwischen den Tarifvertragsparteien. Die in späteren Entscheidungen bejahte Rechtskrafterstrekkung auf die Rechtsverhältnisse zwischen tarifgebundenen Arbeitsvertragsparteien beruhte, wie dargelegt 184, konsequenterweise auf der Überlegung, daß dasjenige, was zwischen den Tarifpartnern verbindlich feststehe, auch zwischen den dem Tarifvertrag Unterworfenen bindend sein müsse. Wenn das BAG demgegenüber eine Unterscheidung zweier verschiedener Streitgegenstände vornimmt und nur bei einem dieser Streitgegenstände eine erweiterte Bindungswirkung befürwortet und dies zudem auf einer Gesetzeslage geschieht, die nur das festschreiben soll, was der gefestigten Rechtsprechung des RAG entsprach, dann stellt das einen Bruch in der Argumentation dar: Entweder handelt es sich bei Normenklage und Durchführungspflichtklage entsprechend den Ausführungen des RAG um denselben Streitgegenstand, bei dem es jeweils zu einer erweiterten Bindungswirkung kommt dann wäre die vom BAG vorgenommene Trennung als unzutreffend zurückzuweisen- oder die Auffassung des BAG, daß zwei Streitgegenstände mit unterschiedlicher Bindungswirkung vorlägen, ist zutreffend. Dann hätte § 9 TVG die frühere Rechtsprechung nicht in vollem Umfang bestätigt, sondern lediglich für einen Teil der in Betracht kommenden Streitgegenstände eine besondere Rechtskrafterstrekkung geschaffen. (2) Feststellung von Drittrechtsverhältnissen
Den am schuldrechtlichen Band der Tarifvertragsparteien orientierten Begründungsmustern hat bereits Neumann 185 einen Lösungsansatz gegenüber gestellt, der darauf abhebt, daß der normative Teil des Tarifvertrages in erster Linie "vertikal" den Inhalt der Arbeitsverhältnisse tarifgebundener Parteien bestimmt. Derselbe Anknüpfungspunkt findet sich bei Wiedemannl Moll 186 sowie bei Michaelis 187 • Schließlich hat das BAG in einem Sonderfall, in dem eine Gewerkschaft gegenüber einem einzelnen Arbeitgeber die Feststellung der Anwendbarkeit eines bestimmten Tarifvertrages auf dessen Betrieb begehrte, ebenfalls dafür gehalten, daß das Rechtsverhältnis zwischen dem Arbeitgeber und seinen Arbeitnehmern den Verfahrensgegenstand bilde. 188 Es geht nach dieser Sichtweise somit um die FestSiehe dazu oben unter a) dd). In: NZfA 1928, Sp. 224-227. 186 In: Anm. zu BAG AP Nr. 1 zu§ 9 TVG 1969 (unter 1). 187 In: FS Larenz (1983), S. 443,479. Allerdings liegt nach Michaelis "zugleich" ein Fall gesetzlicher Prozeßstandschaft des Verbandes für seine Mitglieder vor. 188 Urt. v. 8. 2. 1963, AP Nr. 42 zu § 256 ZPO (unter 4 d. Gr.). 184
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2. Teil: Einfachgesetzliche Ausgangslage
stellung des Inhalts von Drittrechtsbeziehungen 189, nämlich denjenigen zwischen den tarifgebundenen Partnern des Einzelarbeitsvertrages. Eine solche Konzeption begreift § 9 TVG folglich als eine Ausnahme des Grundsatzes, daß bei der Feststellung eines Drittrechtsverhältnisses - anders als bei der hiervon abzugrenzenden Prozeßstandschaft 190 - keine Rechtskrafterstreckung auf den oder die Rechtsträger erfolgt 191 . Dieser Auffassung ist zunächst insofern beizupflichten, als sie den Blick zu Recht darauf lenkt, daß es den Tarifparteien mit dem Normenstreit in erster Linie um den Bestand bzw. den Inhalt der von ihnen geschaffenen Ordnung des Arbeitslebens geht, weniger um ihre damit einhergehenden schuldrechtlichen Verpflichtungen. 192 Daß auch für das BAG letztlich die Tarifnorm in ihren Auswirkungen auf die tarifunterworfenen Arbeitnehmer und nicht die schuldrechtlichen Beziehungen der Tarifparteien den Kern der Auseinandersetzung bildet, zeigt sich an zwei Entscheidungen in signifikanter Weise. Sowohl im Urteil vom 23. 3. 1957 193 als auch in den Urteilen vom 28. 9. 1977 194 und vom 26. 9. 1984 195 sah es das Gericht als für das Feststellungsinteresse unschädlich an, daß der umstrittene Tarifvertrag zum Zeitpunkt des Schlusses der Revisionsverhandlung auf Grund einer Kündigung bereits abgelaufen und im erstgenannten Fall sogar schon durch eine Neuregelung ersetzt worden war. Dies mag im Ergebnis sachgerecht sein. 196 Indessen erweist sich hieran die fehlende Stringenz in der Argumentation des BAG. Wäh189 Die Zulässigkeil einer Feststellungsklage, bei der es um ein Rechtsverhältnis zwischen am Rechtsstreit nicht beteiligten Personen geht, wird von der h. M. anerkannt; vgl. nur BGH, Urt. v. 3. 12. 1954, LM § 256 ZPO Nr. 25 (unter II d. Gr.); Urt. v. 17. 5. 1977, BGHZ 69, 37, 40; Urt. V. 14. 5. 1990, NJW 1990, 2627, 2628; Urt. V. 16. 6. 1993, BGHZ 123, 44, 46; Urt. v. 18. 10. 1993, NJW 1994, 459; Thomas/Putzo, ZPO, § 256 Rdnr. 9; Stein!Jonas/Schumann, ZPO, § 256 Rdnr. 37/38. Im Schrifttum mehren sich freilich die ab!. Stimmen: vgl. MünchKomrnZPO/G. Lüke, § 256 Rdnr. 34; derselbe, FS Henckel (1995), S. 563, 564ff.; Häsemeyer, ZZP 101 (1988), 385, 396/397; derselbe, ZZP 107 (1994), 2311232; im Grundsatz auch Michaelis, FS Larenz (1983), S. 443, 452 ff., 460 f. 190 Während es bei der Prozeßstandschaft um den Schutz eines fremden Rechtes geht, bezweckt die Feststellung einer Drittrechtsbeziehung den Schutz eigener Rechte des Klägers; vgl. Stein/Jonas/Schumann, ZPO, § 256 Rdnr. 41; Henckel, Parteilehre und Streitgegenstand im Zivilprozeß, S. 89. Näheres zur Prozeßstandschaft sowie der dabei erfolgenden Erstreckung der Rechtskraft auf den Rechtsträger unten § 5 I. 191 BGH, Urt. v. 30. 3. 1953, LM § 325 ZPO Nr. 4 (unter 2 d. Gr.); Urt. v. 3. 12. 1954, LM § 256 ZPO Nr. 25 (unter II d. Gr.); Stein/Jonas/Leipold, ZPO, § 325 Rdnr. 64; G. Lüke, FS Henckel (1995), S. 563,572. 192 Insoweit haben bereits Dietz/Nikisch, ArbGG, § 2 Rdnr. 72/73, zu Recht ausgeführt, daß das Begründungselement der h. M., nämlich die Abgrenzung der Friedenspflicht bzw. Durchführungspflicht, offensichtlich nur eine Hilfskonstruktion ist. Eine solche Sichtweise aber zugrundelegend Nikisch, ArbR, Bd. Il, § 69 II 7, S. 224. 193 AP Nr. 18 zu Art. 3 GG (BI. 4). 194 AP Nr. I zu§ 9 TVG 1969 (BI. 2). 195 AP Nr. 21 zu§ 1 TVG (BI. 1R/2). 1% Siehe dazu näher unten§ 12 I. I. b) aa).
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rend das BAG insbesondere in der Entscheidung vom 23. 3. 1957 die vertragliche Beziehung der Tarifpartner untereinander als Gegenstand der Feststellung auffaßt 197, wird dieser Begründungsansatz bei der Prüfung des Feststellungsinteresses nicht fortgeführt, sondern stattdessen das Interesse an der Feststellung hervorgehoben, ob und in welcher Weise der Tarifvertrag die Arbeitsverhältnisse ordnen konnte 198 . Indessen fordert§ 256 Abs. 1 ZPO nicht nur das zufallige Aufeinandertreffen eines feststellungsfähigen Rechtsverhältnisses und eines Interesses an der Feststellung irgendeines (anderen) Rechtsverhältnisses, sondern kumulativ, daß der Kläger ein rechtliches Interesse gerade an der Feststellung des von ihm zur gerichtlichen Entscheidung gestellten Rechtsverhältnisses hat. Zwar ließe sich letztlich in beiden Fällen trotz der Kündigung des jeweiligen Tarifvertrages von der Klärung eines zwischen den Tarifparteien bestehenden Rechtsverhältnisses ausgehen. Denn der Feststellungsantrag der klagenden Gewerkschaft bezog sich jeweils (auch) auf einen zurückliegenden Zeitraum, in dem der umstrittene Tarifvertrag noch unmittelbar und zwingend gegolten hatte. 199 Bei einer solchen Sachlage ist anzunehmen, daß die Durchführungs- und Einwirkungspflicht den Bestand des Tarifvertrages überdauert und die Tarifparteien auch weiterhin auf die tatsächliche Einhaltung des Tarifvertrages dringen können, soweit es um Regelungen geht, deren Tatbestand vor Ablauf des Tarifvertrages vollständig erfüllt wurde. Jedoch zeigt die Ansicht des BAG, der zwischenzeitliche Ablauf des Tarifvertrages ändere nichts daran, daß er in der Vergangenheit in einer zwischen den Tarifvertragsparteien umstrittenen Weise die Rechtsbeziehungen der Tarifunterworfenen geregelt habe, wie sehr der Blick vom Innenverhältnis der Tarifparteien auf die kollektive Ordnung der Arbeitsverhältnisse gewendet ist. Damit scheint der Lösungsweg von Neumann 200 und Wiedemann I Moll201 , als den Streitgegenstand der Normenklage die Feststellung von Drittrechtsbeziehungen zu verstehen, vorgezeichnet zu sein. Indessen vermag er aus mehreren Gründen nicht völlig zu befriedigen: Zum einen müßte nach der herkömmlich zu § 256 ZPO vertretenen Auffassung das festzustellende Drittrechtsverhältnis ebenso konkret umschrieben werden wie bei einer Klage auf Feststellung eines Rechtsverhältnisses zwischen den streitenden Parteien. Demzufolge wäre konsequenterweise der (tariflich geregelte) Inhalt einer bestimmten Anzahl genau bezeichneter Arbeitsverhältnisse Streitgegenstand der Feststellungsklage. Dies brächte das Problem mit sich, daß auf diese Weise auch individuelle Besonderheiten einzelner Arbeitsverhältnisse zum Prozeßstoff gehören würden, obwohl es den Tarifvertragsparteien nur um die - bezogen auf das einzelne Arbeitsverhältnis - "abstrakte" Frage geht, AP Nr. 18 zu Art. 3 GG (BI. 3). AP Nr. 18 zu Art. 3 GG (BI. 4). 199 Damit unterscheiden sich diese Fälle von der Konstellation, daß der Rechtsstreit von vomherein nur um einen im Nachwirkungszustand befindlichen Tarifvertrag geführt wird; hierzu unten§ 121. 1. b) aa). 200 In: NfZA 1928, Sp. 221, 224-227. 2o1 In: Anm. zu BAG, AP Nr. I zu§ 9 TVG 1969 (unter I). 197
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2. Teil: Einfachgesetzliche Ausgangslage
ob die Rechtsbeziehungen zwischen Arbeitnehmer und Arbeitgeber durch tarifliche Normen in einer bestimmten Art und Weise geordnet sind. Neben den Besonderheiten des einzelnen Arbeitsverhältnisses müßte sich die "Konkretheit" zudem auf die Frage erstrecken, welche Drittrechtsverhältnisse überhaupt Streitgegenstand sein sollen, da dieser nach allgemeinen zivilprozessualen Grundsätzen hinreichend bestimmt sein muß, schon um die Reichweite von Rechtshängigkeit und Rechtskraft ermitteln zu können. Damit aber dürfte die Deutung des § 9 TVG mit ihrer erweiterten Bindungswirkung vor unnötige Schwierigkeiten gestellt werden: Denn einerseits ist es nicht ohne weiteres einleuchtend, daß ein Urteil über eine gewerkschaftliche Klage, mit der tarifliche Rechte der Arbeitnehmer A, B und C festgestellt werden, für den in der gleichen Situation befindlichen Arbeitnehmer D Bindungswirkung entfalten soll, während dies bei einer Klage von A, B oder C selbst unzweifelhaft nicht der Fall wäre. Die Bindungswirkung wäre demnach ausschließlich eine Frage der streitenden Parteien des Vorprozesses, nicht aber der Besonderheit des Streitgegenstandes und der eigentümlichen Beziehung der Prozeßparteien, nämlich der Tarifpartner, hierzu. Andererseits gerät die Charakterisierung der Normenklage als Drittfeststellungsklage in die Nähe der Geltendmachang individualrechtlicher Rechtspositionen der Arbeitsvertragsparteien durch die Koalitionen in Prozeßstandschaft, die zumindest nach Auffassung des BAG unzulässig sein soll.Z02 Der Annahme, daß es bei der Tarifklage um die Feststellung von Drittrechtsbeziehungen gehe, steht jedoch noch ein weiterer Gesichtspunkt entgegen, der durch eine Entscheidung des BAG203 in sinnfälliger Weise beleuchtet wird. Danach ist bei Eingruppierungsstreitigkeiten zwischen der konkreten Eingruppierung eines oder mehrerer Arbeitnehmer und der abstrakten Auslegung tariflicher Eingruppierungsmerkmale zu differenzieren. Sofern es nicht um die Zuordnung von Arbeitnehmern auf Grund ihrer jeweils unterschiedlichen Tätigkeit zu einer Tarifgruppe, sondern um die Frage geht, wie ein bestimmtes Eingruppierungsmerkmal verstanden werden muß, ist nach Ansicht des BAG der Weg zur Verbandsklage eröffnet. 204 Zum besseren Verständnis sei dargelegt, welcher gedanklichen Schritte es bedarf, um die Kluft zwischen dem Text einer Tarifgruppe und der konkreten Tätigkeit eines Arbeitnehmers zu überwinden. 205 Hierfür müssen auf der einen Seite die abstrakt gefaßten Eingruppierungsmerkmale auslegend konkretisiert werden und auf der anderen Seite die wesentlichen tatsächlichen Umstände so beschrieben werden, bis ein Punkt erreicht ist, der es erlaubt, die Sachverhaltsumschreibungen 2o2 Urt. v. 8. l. 1957, AP Nr. 7 zu § 256 (unter II d. Gr.); Urt. v. 8. 2. 1963, AP Nr. 42 zu § 256 ZPO (unter 2 d. Gr.); Beschl. v. 20. 8. 1991, AP Nr. 2 zu fr 77 BetrVG 1972 Tarifvorbehalt (unter B III 2 b d. Gr.). 203 Urt. v. 19. 2. 1965, AP Nr. 4 zu§ 8 TVG. 204 Urt. v. 19. 2. 1965, AP Nr. 4 zu§ 8 TVG (unter III 1 und 2 d. Gr.). 205 Zu den Grundlagen dieser auf die Anforderungen an juristische Entscheidungsbegründungen zurückzuführenden Überlegungen vgl. Koch/Rüßmann, Juristische Begründungslehre, S. 18-28.
§ 3 Positive Anordnungen einer erweiterten Bindungswirkung
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den konkretisierten Merkmalen zuzuordnen. 206 Angesichts solcher Vorgaben könnte man auf den ersten Blick der Auffassung sein, daß dies im Verhältnis von Kollektiv- und Individualklage zwar zu quantitativ unterschiedlichen Konkretisierungsgraden des streitgegenständlichen Tarifvertrages, nicht aber dazu zwinge, die Annahme eines qualitativ letztlich identischen Rechtsverhältnisses aufzugeben. Dem steht jedoch entgegen, daß von der Feststellung eines konkreten Rechtsverhältnisses im herkömmlichen Sinne nur dann gesprochen werden kann, wenn zusätzlich zur Normauslegung eine Sachverhaltsbeschreibung sowie die Zuordnung von Norm und (konkretem) Sachverhalt erfolgt. Da es beim Kollektivverfahren an einer konkreten Umschreibung der Beziehungen zwischen Arbeitgeber und einzelnen Arbeitnehmern fehlt, kann die Tarifklage nicht als Begehren auf Feststellung eines Drittrechtsverhältnisses gedeutet werden. Ein qualitativ ausschließlich im Bereich präskriptiver Interpretation eines Sollenssatzes verbleibendes Vorgehen kann ohne die Zuordnung deskriptiver Elemente 207 eines Sachverhaltes nicht als Feststellung eines zwischen Dritten bestehenden Rechtsverhältnisses aufgefaßt werden. Da im Kollektivverfahren - aus der Sicht des Einzelarbeitsverhältnisses somit nur die Normseite geklärt wird, während es für ein vollständiges Feststellungsbegehren zusätzlicher tatsächlicher Element bedürfte, geht es auch qualitativ um etwas anderes als um die Feststellung eines Drittrechtsverhältnisses. Freilich dürfen diese Überlegungen - wie zur Klarstellung hinzugefügt sei nicht dahin mißverstanden werden, daß der gesamte Konkretisierungsprozeß auf der Normseite den Gegenstand der Tarifklage bildet, sofern nur der Feststellungsantrag entsprechend gefaßt ist. Dabei würde verkannt, daß die Konkretisierung der tariflichen Normmerkmale ein gleitendes, zielgerichtetes Vorgehen ist, das bei der Eingruppierung eines bestimmten Arbeitnehmers von vomherein dessen ausgeübte Tätigkeit im Auge hat. Diesem Gedanken entsprechend differenziert auch Engisch zwischen detjenigen Auslegung, die auf die allgemeine Ermittlung der vom Gesetzessinn betroffenen Fälle abzielt und der Auslegung des Gesetzes im Hinblick auf einen konkreten Einzelfall. 208 Man wird deshalb die Abgrenzung der Tarifklage von der Individualklage nicht nur qualitativ, sondern darüber hinaus auch quantitativ vorzunehmen haben. Ihr Vorliegen hängt damit nicht von der Formulierungskunst des Feststellungsantrages ab, der es geschickt vermeidet, einen oder mehrere Arbeitnehmer namentlich zu bezeichnen, sondern davon, daß es bei ihr lediglich um ein bestimmtes Maß an auslegender Konkretisierung gegenüber den abstrakter gehaltenen Tarifmerkmalen geht. Der Grund liegt - wie gesagt - darin, daß die Aufbereitung normativer Merkmale ein Prozeß ist, der zwar stufenförmig verläuft, auf dem Weg zur Ermöglichung einer unmittelbaren Subsumtion aber keine qualitativen Sprünge beinhaltet. Für die nähere Bestimmung des zulässigen Ausmaßes der Konkretisierung kann auf die Deutung der Wendung "Auslegung eines TarifSiehe hierzu Engisch, Logische Studien zur Gesetzesanwendung (1963), S. 13 ff. Zur Unterscheidung zwischen präskriptiver und deskriptiver Sprache siehe Schünemann, FS Klug (1983), Bd. I, S. 169, 178. zos In: Logische Studien zur Gesetzesanwendung, S. 26/27. 206 207
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vertrages" im Rahmen der Nichtzulassungsbeschwerde gemäß § 72a Abs. 1 Nr. 2 ArbGG durch das BAG zurückgegriffen werden, das darunter eine fallübergreifende, abstrakte Interpretation des umstrittenen Tarifvertrages versteht. 209 Kann somit nur durch die Zusammenfassung qualitativer und quantitativer Elemente eine Abgrenzung der Kollektivklage im Sinne des§ 9 TVG von einer Individualklage erfolgen, so bleibt zu überlegen, ob der Streitgegenstand überzeugender als durch die bislang vorgestellten Erklärungsmodelle gedeutet werden kann. (3) Normsetzungsbefugnis als Verfahrensgegenstand
Die Einseitigkeiten der beiden zunächst genannten Deutungen vermeidet der Lösungsansatz von Otto, der in Anlehnung an einen Gedanken Böttichers2 10 in der Rechtsetzungsbefugnis der Tarifparteien ein (konkretes) Rechtsverhältnis zwischen den gemeinsamen Normsetzern einerseits und den Normunterworfenen andererseits sieht. 211 Damit wendet diese Ansicht den Blick zu Recht von der Innenbeziehung der Tarifvertragsparteien auf die geregelten Einzelarbeitsverhältnisse, ohne indes der Ebene des Individualrechts verhaftet zu bleiben. Der Nachteil dieser Konzeption besteht freilich zum einen darin, daß der Umfang der Normsetzungsbefugnis der Tarifparteien für Einzelarbeitsverhältnisse, in denen tarifliche Regelungen entscheidungserheblich sind, streng genommen nur eine Vorfrage für die Gültigkeit bzw. den Inhalt des fraglichen Tarifvertrages darstellt. Die von§ 9 TVG intendierte Breitenwirkung von Urteilen über Tarifverträge würde somit gleichsam nur über einen Umweg erreicht. Zum anderen bietet sie letztlich nur für den Streit um die Reichweite der Normsetzungskompetenz ein schlüssiges ErklärungsmodelL Die Feststellung des konkreten Inhalts eines Tarifvertrages, der sich unstreitig im Rahmen des von den Tarifparteien zulässigerweise Regelbaren hält, kann nämlich allein mit der Frage nach der Kompetenz zur Normsetzung nicht erfolgen. Die Auffassung von Otto führt daher je nach Fallgestaltung zu einer unterschiedlichen Deutung des Verfahrensgegenstandes. Sie vermag deshalb nicht vollends zu überzeugen. (4) Klärung der Normsituation als Inhalt des Verfahrens
Schließlich bietet es sich an, die tariflichen Normen in ihrer Eigenschaft als abstrakte Regelungen als Streitgegenstand anzusehen. Um die aus § 256 ZPO er209 Beschl. v. 5. 12. 1979, AP Nr. 1 zu§ 72a ArbGG 1979 Grundsatz (BI. 2R); zust. etwa Matthes, in: Germetmann I Matthes/ Prütting, ArbGG § 72a Rdnr. 12. 21o Nach Bötticher, Gestaltungsrecht und Unterwerfung im Privatrecht (1964), S. 18-21, hätte die Geltung tariflicher Regelungen in den Einzelarbeitsverhältnissen in der Zeit vor lnkrafttreten des TVG als gemeinsame Ausübung eines Bestimmungsrechtes im Sinne des § 317 BGB durch die Verbände erklärt werden können. 211 In: Anm. zu BAG, EzA § 256 ZPO Nr. 32 (unter III 1 b dd).
§ 3 Positive Anordnungen einer erweiterten Bindungswirkung
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wachsenden Bedenken zu überwinden, kann auf die gründlichen und überzeugenden Vorarbeiten von Trzaskalik?- 12 zur Funktion und Zulässigkeil von Feststellungsklagen aufgebaut werden. 213 Wie er im einzelnen aufgezeigt hat, ist die Unterscheidung von ,,konkretem" und "abstraktem" Rechtsverhältnis in der Rechtsprechung nahezu beliebig eingesetzt worden, um gewünschte Ergebnisse herbeizuführen, ohne eine eindeutige Vorstellung dessen erkennen zu lassen, welche Merkmale vorliegen müssen, um einem Rechtsverhältnis das Prädikat "konkret" verleihen zu können. Nach Trzaskalik ist deshalb die gemeinhin gebräuchliche Aussage, daß ein Feststellungsstreit über abstrakte Rechtsfragen unzulässig sei, für sich genommen ohne Erkenntniswert. 214 Es bedarf stattdessen einer Rückbesinnung auf die Funktionen des richterlichen Urteils. Trzaskalik sieht den Zweck der Aussage, eine Feststellungsklage über abstrakte Rechtsverhältnisse sei unzulässig, zu Recht darin, daß Gerichte grundsätzlich nur dann in Anspruch genommen werden sollen, wenn ihr Urteil praktische Relevanz hat, das Erkenntnis also in irgendeiner Form zur Klärung der Rechtslage in einem bestimmten real verwirklichten Geschehen beiträgt oder als Richtschnur für zukünftiges normgemäßes Verhalten dienen kann.2 15 Nun scheidet Trzaskalik die letztgenannte Form der Feststellungsklage als Normanwendungsstreit sorgsam vom Normenkontrollverfahren. Dabei bezeichnet er als Normanwendungsstreit nur den Streit zwischen der zum Normenvollzug berufenen Stelle und dem potentiell Betroffenen.216 Zwar ist diese auf das spezifische Verhältnis zwischen gesetzesvollziehender Verwaltung und regelungsunterworfenem Bürger bezogene Sichtweise allenfalls auf die Situation des Arbeitgebers, der einen Tarifvertrag gegenüber einem einzelnen Arbeitnehmer anwendet, übertragbar, nicht aber auf einen Streit zwischen den normsetzungsbefugten Parteien des Tarifvertrages. Die Argumentation mit der Funktion des Urteils eröffnet aber durchaus den Weg, auch im Bereich der Verbandsklage die Tarifnorm als solche als Verfahrensgegenstand aufzufassen und damit zu einer klaren Abgrenzung zur (unzulässigen) Individualklage zu gelangen. Dient der Begriff "abstraktes Rechtsverhältnis" nämlich lediglich dazu, ein Urteil zu verhindern, das keine praktische Relevanz aufweist, dann erlaubt dies den Urnkehrschluß, daß ein Streitgegenstand, der zu einer praktisch bedeutsamen Entscheidung führt, zulässig sein muß, ihm mithin- begrifflich gesprochen- das Prädikat ,,konkret" eignet. 217
212
In: Die Rechtsschutzzone der Feststellungsklage im Zivil- und Verwaltungsprozeß
(1978), passim.
213 Eine positive Resonanz haben die Überlegungen Trzaskaliks auch bei Grunsky, AcP 179 (1979), 410-412, sowie bei Noack, Fehlerhafte Beschlüsse in Gesellschaften und Verei-
nen, S. 83, gefunden. 214
A. a. 0., S. 57.
A. a . 0., S. 57/58, 127-129. a. 0., S. 56. 217 In diesem Sinne auch Grunsky, Grundlagen des Verfahrensrechts, § 38 II 2, S. 372; ähnlich MünchKommZPO/G. Lüke, § 256 Rdnr. 22: "flexible ... Handhabung des § 256 21s
216
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ZPO". Die Feststellungsklage nähert sich auf der Grundlage dieser Auffassung damit der von
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Bei der Verbandsklage über den normativen Teil eines Tarifvertrages handelt es sich um einen derartigen Streitgegenstand. Denn mit ihr soll geklärt werden, ob und mit welchem Inhalt Tarifnormen auf die Arbeitsverhältnisse tarifunterworfener Parteien anzuwenden sind. Dabei kann man zunächst von der in§ 9 TVG angeordneten Bindungswirkung durchaus abstrahieren. Selbst wenn es diese Bindungswirkung nicht gäbe, könnte ein rechtskräftiges Urteil in einem Rechtsstreit zwischen den Tarifvertragsparteien über Geltung und Inhalt des Tarifvertrages sowohl der ökonomischen Bewältigung bereits verwirklichten Geschehens dienen als auch Klarheit über die Normsituation schaffen. Dies gilt insbesondere für den Firmentarifvertrag, bei dem der Arbeitgeber zum einen als Tarifpartei, zum anderen aber zugleich als Anwender des Tarifvertrages fungiert, läßt sich aber auch auf den Verbandstarifvertrag übertragen. Somit erfüllt eine Klage über die Tarifnormsituation als solche das Erfordernis eines ,,konkreten" Rechtsverhältnisses. Wie dehnbar die den Rechtsschutz kanalisierenden zivilprozessualen Normen im übrigen auch nach der Rechtsprechung sind, illustriert der offenbar bestehende Wille des BAG, die Vorschrift des § 256 Abs. 1 ZPO in besonderen Konstellationen analog anzuwenden, sofern auf andere Weise ein legitimes Rechtsschutzbedürfnis nicht zu befriedigen ist. 218 Für die Zulässigkeit einer Feststellungsklage im Sinne des § 256 ZPO, die als Streitgegenstand die Gültigkeit bzw. den Inhalt der Tarifvertragsnormen selbst ansieht, lassen sich weitere Argumente anführen: Wenn auch die §§ 2 Abs. I Nr. 1 ArbGG, 9 TVG- wie ausgeführt219 - selber keine eigenständige Klageart statuieren wollen, so lassen sie doch mittelbar den Willen des Gesetzgebers erkennen, Feststellungsstreitigkeiten zwischen den Tarifparteien über den normativen Teil des Tarifvertrages zu ermöglichen. So zielt die in § 9 TVG angeordnete Rechtskrafterstreckung in erster Linie auf diejenigen Fälle ab, in denen der Inhalt der arbeitsrechtlichen Beziehungen der Einzelarbeitsvertragsparteien vom Bestand und Inhalt tariflicher Normen abhängt. 220 Zudem sollte mit § 9 TVG - wie bereits erwähnt221 -die frühere Rechtsprechung des RAG auf eine neue, feste Grundlage gestellt werden. Daraus läßt sich ableiten, daß der Gesetzgeber jedenfalls das vom RAG- wenn auch über den konstruktiven Umweg des Innenverhältnisses - gefundene Ergebnis, Feststellungsklage über Tarifnormen, als erhaltenswert ansieht.
Cohn, FS von Hippe! (1967), S. 41, 43/44, für das englische Recht berichteten Möglichkeit, den Inhalt juristischer Obersätze zur Gewinnung konkreter Verhaltensmaßstäbe klären zu lassen. 218 Urt. v. 19. 6. 1984, AP Nr. 3 zu § 1 TVG Verhandlungspflicht (unter I 2 vor a d. Gr.). Grundsätzlich zurückhaltend gegenüber dem Gedanken einer analogen Anwendung des § 256 ZPO aber BGH, Urt. v. 3. 5. 1977, BGHZ 68, 331, 334/335. 219 Siehe dazu oben unter (1). 22o Für eine Indizwirkung von § 9 TVG auch Buchner, Anm. zu BAG, AR-Blattei D-Blatt "Tarifvertrag IX: Entsch. 29" (unter 1 a). 221 Siehe dazu oben unter a) dd).
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Die hier befürwortete Betrachtungsweise, die tariflichen Normen selbst als zulässigen Streitgegenstand aufzufassen, wird ferner durch den Umstand gestützt, daß sich die Bindungswirkung gemäß § 9 TVG auch auf Rechtsstreitigkeiten zwischen tarifgebundenen Parteien und Dritten erstreckt, was gegenüber dem zuvor geltenden Recht ein Novum darstellt. Die Rechtfertigung für die Gebundenheit Dritter im Rechtsstreit zwischen tarifgebundenen Parteien erscheint nämlich einleuchtender, wenn man als Gegenstand des Vorprozesses die Existenz und den Inhalt tariflicher Normen und nicht nur das schuldrechtliche Innenverhältnis der Tarifparteien ansieht. Denn es ist gerade die durch die Normen des Tarifvertrages geschaffene Ordnung des' Arbeitslebens eines bestimmten Berufszweiges, die es erlaubt, Dritte an entsprechende rechtskräftige Entscheidungen zu binden. Der vorliegenden Argumentation könnte nun der Einwand entgegengesetzt werden, daß durch sie der Begriff des Rechtsverhältnisses seine Konturen verliert und so weit gefaßt wird, daß beispielsweise auch der Streit über die Anwendung gesetzlicher Normen auf Arbeitsverhältnisse als ,,konkret" angesehen werden müßte, was widersinnig wäre. In der Tat entfällt das Korrektiv ,,konkretes" Rechtsverhältnis, wenn man sich etwa fragt, ob § 15 AZO so auszulegen ist, daß Arbeitnehmer in bestimmten zweifelhaften Konstellationen Mehrarbeitszuschläge zu erhalten haben. Indessen setzt die Zulässigkeil einer Feststellungsklage gemäß § 256 ZPO neben dem Streit um ein Rechtsverhältnis das Bestehen eines Feststellungsinteresses voraus. 222 Dabei muß es sich um ein rechtliches, also ein normativ verstandenes Interesse handeln. Das Feststellungsinteresse, das sich beim Streit über Tarifnormen ergibt, resultiert- neben der durch § 9 TVG eintretenden parteiübergreifenden Bindungswirkung -daraus, daß die Tarifparteien über die von ihnen selbst verfaßte Ordnung des Arbeitslebens im Interesse ihrer Mitglieder zu wachen haben. 223 Eine derartige Aufgabe zur Überwachung der Wirksamkeit und des Inhalts gesetzlicher Bestimmungen obliegt ihnen indessen nicht. Freilich zeigt das AZO-Beispiel mit aller Deutlichkeit, daß der gerichtliche Rechtsschutz im Arbeitsrecht einer systematischen Aufarbeitung bedarf, die auch die vorliegende Untersuchung nur zum Teilleisten kann.
(5) Zwischenergebnis In der Streitgegenstandsfrage bleibt somit festzuhalten, daß es bei dem Rechtsstreit, an dessen rechtskräftige Entscheidung § 9 TVG in jedem Fall eine erweiterte 222 Krit. gegenüber dem Ansatz, ein zunächst weites Anwendungsfeld der Feststellungsklage durch das Instrument des Feststellungsinteresses wieder zu begrenzen aber G. Lüke, FS Henckel (1995), S. 563, 571; insoweit zurückhaltend auch Zöllner, AcP 190 (1990), 471, 492. 223 Vgl. BAG, Urt. v. 23. 3. 1957, AP Nr. 18 zu Art. 3 GG (BI. 4); Nikisch, ArbR, Bd. II, § 69 III 7 a, S. 225; Hersehe/, FS E. Molitor (1962), 161, 195; derselbe, Anm. zu LAG Düsse1dorf, EzA § 9 TVG Nr. 1 (unter II 2). Zur Einräumung von Klagerechten, die überindividuellen Gruppenbelangen dienen, siehe auch Thiere, Die Wahrung überindividueller Interessen im Zivilprozeß, S. 70-99, 248.
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2. Teil: Einfachgesetzliche Ausgangslage
Bindungswirkung knüpft, um die tariflichen Normen als solche geht. Der "Umweg" über das schuldrechtliche Innenverhältnis der Tarifparteien erweist sich als unnötig, um den Anforderungen des als Zulässigkeitsvoraussetzung nicht außer acht zu lassenden § 256 Abs. I ZPO gerecht zu werden. Ein Rekurs auf individuelle Drittrechtsverhältnisse ist ebenfalls abzulehnen. Die Abgrenzung zur Individualklage ist im übrigen nicht ausschließlich nach der abstrakten Fassung des Feststellungsantrags vorzunehmen, sondern zusätzlich danach, ob ein Konkretisierungsgrad eingehalten ist, der noch einen hinreichenden Abstand zu einer Normauslegung wahrt, bei der auch beliebige atypische Einzelfälle unmittelbar subsumiert werden könnten. Die Frage nach der Abgrenzung zur schuldrechtlichen Durchführungs- und Einwirkungsklage sowie einer durch sie eventuell herbeigeführten erweiteren Bindungswirkung bleibt damit vorläufig offen?24 cc) Gebundener Personenkreis Nach dem Wortlaut des § 9 TVG greift die Rechtskrafterstreckung dann ein, wenn tarifgebundene Parteien untereinander oder mit Dritten einen Rechtsstreit führen. Der Begriff der Tarifgebundenheit verweist auf § 3 TVG. Dementsprechend werden nach einhelliger Meinung neben den Mitgliedern der Tarifvertragsparteien bei Tarifnormen über betriebliche und betriebsverfassungsrechtliche Fragen auch die nichtorganisierten Arbeitnehmer tarifgebundener Arbeitgeber erfaßt. Hinzu kommen die von einer Allgemeinverbindlicherklärung gemäß § 5 Abs. 4 TVG betroffenen Außenseiter. 225 Dagegen bestehen unterschiedliche Auffassungen hinsichtlich der Frage, welche Personen als "Dritte" anzusehen sind. So wollen etwa Löwisch/Rieble226 entgegen der überwiegenden Ansicht227 Außenseiter, deren Arbeitsverhältnis mit einem organisierten Arbeitgeber nur kraft Bezugnahme einem Tarifvertrag unterfällt, nicht gebunden wissen. Um die konkrete Reichweite des von der Rechtskrafterstreckung erfaßten Personenkreises überzeugend bestimmen zu können, sind allerdings zunächst diejenigen Wertungen herauszuarbeiten, die eine Zurechnung von Prozeßergebnissen im Rahmen des§ 9 TVG, 228 darüber hinaus aber auch ganz allgemein 229 rechtfertigen.
Näheres dazu unten§ 12 I. 1. b) cc). Vgl. nur Löwisch/Rieble, TVG, § 9 Rdnr. 60; Wiedemann/Stumpf, TVG, § 9 Rdnr. 12; Zilius, in: Hagemeier/Kempen/Zachert!Zilius, TVG, § 9 Rdnr. 6; Koberski/Clasen/Menzel, TVG, § 9 Rdnr. 8; Stein/Jonas/Schumann, ZPO, § 256 Rdnr. 195; Dütz, ArbRGegw Bd. 20 (Dok. für 1982), S. 33, 39. 226 In: TVG, § 9 Rdnr. 61. 227 Wiedemann/Stumpf, TVG, § 9 Rdnr. 13; Dütz, ArbRGegw Bd. 20 (Dok. für 1982), s. 33, 39. 22s Siehe dazu sogleich unten c). 229 Siehe hierzu die §§ 4-8. 224 225
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c) Grundlagen der Zurechnung
Die Gründe, die die in § 9 TVG angeordnete Bindung Verfahrensunbeteiligter230 fertigen, lassen sich- wie schon bei der Drittbindung qua Gestaltungswirkung 231 im wesentlichen auf drei Aspekte zurückführen. Als erstes ist der Normzweck hervorzuheben, der gemeinhin in der Gewährleistung von Rechtssicherheit und Rechtsklarheit über die Gültigkeit und den Inhalt von Tarifverträgen gesehen wird.Z32 Der Zweck des Tarifvertrages als ein Instrument zur Regelung kollektiv geltender Arbeits- und Wirtschaftsbedingungen erfordert seine einheitliche Auslegung und Anwendung. Nur auf diese Weise vermag er seine Schutz-, Ordnungs- und Verteilungsfunktionen 233 wirksam zu erfüllen.Z34 Zudem bestünde insbesondere bei einem Finnentarifvertrag die Gefahr, daß der Arbeitgeber unter Umständen einander diametral zuwiderlaufenden Pflichten gleichzeitig nachkommen müßte, würde man den Tarifvertrag im Verhältnis zwischen den Tarifparteien anders beurteilen als im Verhältnis zwischen den tarifgebundenen Individualvertragsparteien. Zum zweiten ist das Kollektivverfahren in besonderem Maße zur Klärung der Rechtslage geeignet. Zwar sind die Vorschriften des § 16 Abs. 2 S. 2 und des§ 35 Abs. 2 S. 2 ArbGG a. F., nach denen bei Rechtsstreitigkeiten im Sinne des § 9 TVG die sogenannte erweiterte Kammer beim ArbG wie beim LAG entschied, durch die Arbeitsgerichtsgesetznovelle von 1979 ersatzlos aufgehoben worden. Jedoch sind in dem Verfahren auch weiterhin diejenigen Parteien beteiligt, die in der Lage sind, die für eine sachgerechte Entscheidung notwendigen rechtlichen und vor allem tatsächlichen Aspekte beizutragen. Dies ist schon deswegen bedeutsam, weil bei der Auslegung von Tarifverträgen auf die Tarifgeschichte, die praktische 230 Eine in welcher Form auch immer vorzunehmende Beteiligung der durch § 9 TVG gebundenen Personen ist weder gesetzlich vorgesehen noch wird sie für erforderlich gehalten; vgl. Wiedemann/Stumpf, TVG, § 9 Rdnr. 3; Zeuner, Rechtliches Gehör, materielles Recht und Urteilswirkungen, S. 29. Demgegenüber ist umstritten, ob Drittbetroffenen zumindest die Möglichkeit einer Nebenintervention gemäß § 66 Abs. I ZPO offensteht; dafür Grunsky, ArbGG, § 2 Rdnr. 62; Matthes, in: Germelmann/Matthes/Prütting, ArbGG, § 2 Rdnr. 23; Dütz, ArbRGegw Bd. 20 (Dok. für 1982), S. 33, 41; dagegen Löwisch/Rieble, TVG, § 9 Rdnr. 59; Rieble, NZA 1992, 250, 255; derselbe, Anm. zu BAG, EzA § 112 BetrVG 1972 Nr. 59 (unter Il). 23 1 Siehe dazu oben unter I. I. c), 2. u. 3. c). 232 Löwisch/Rieble, TVG, § 9 Rdnr. 4; Zilius, in: Hagemeier/Kempen/Zachert/Zilius, TVG, § 9 Rdnr. I; Koberski!Clasen/Menzel, TVG, § 9 Rdnr. 1; Dütz, ArbRGegw Bd. 20 (Dok. für 1982), S. 33, 37. 233 Zu den Funktionen des Tarifvertrages vgl. BAG, Urt. v. 10. 10. 1989, AP Nr. 3 zu§ 1 TVG Vorruhestand (unter II 3 d [2] d. Gr.); siehe auch Löwischl Rieble, TVG, Einl. Rdnr. 46; Wiedemann/Stumpf, TVG, Einl. Rdnr. 2-9. 234 Die Gewährleistung der Ordnungsfunktion des Tarifvertrages durch das Verfahren ebenfalls betonend Hersehe[, FS E. Molitor (1962), 161, 195; derselbe, BB 1977, 1161, 1162; in diese Richtung auch BAG, Urt. v. 29. I. 1985, AP Nr. 83 zu Art. 9 GG Arbeitskampf (unter A 2 d. Gr.).
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2. Teil: Einfachgesetzliche Ausgangslage
Tarifübung und die Entstehungsgeschichte des jeweiligen Tarifvertrages zurückgegriffen werden kann.Z35 Dabei handelt es sich um Kriterien, die sich zumindest beim Verbandstarifvertrag der Kenntnis der Arbeitsvertragsparteien weitgehend entziehen. Darüber hinaus wird die Einbringung des Sachverstandes der Tarifparteien um so dringender, je stärker die Entscheidung der Streitigkeit von umfassenden Ausführungen zum tatsächlichen Hintergrund einer tariflichen Regelung abhängt. Hierzu halte man sich beispielsweise vor Augen, wie detailreich das Bestehen eines Bedürfnisses nach erhöhter personalwirtschaftlicher Flexibilität zur Rechtfertigung unterschiedlicher Kündigungsfristen von Arbeitern und Angestellten nach Ansicht des BAG dargelegt werden muß236 . Ferner stehen sich Arbeitgeber- und Arbeitnehmerseite im Kollektivverfahren kontradiktorisch gegenüber, so daß auch insoweit für eine angemessene Interessenwahrnehmung Sorge getragen ist. Berücksichtigt man schließlich, daß der gerichtliche Prozeß in zunehmendem Maße als Verfahren diskursiver Rechtsgewinnung begriffen wird, 237 so läßt sich die Mitwirkung der beiden Kollektivvertragsparteien gleichermaßen als Fortsetzung ihrer tariflichen Rechtsetzung verstehen. In dem Maße, wie der tariflichen Regelung selbst eine materielle Richtigkeitsgewähr zugeschrieben wird, 238 eignet auch der im kollektiven Verfahren ergehenden Entscheidung eine gegenüber dem Individualprozeß erhöhte inhaltliche Richtigkeit. Als drittes Kriterium ist die materiellrechtliche Verknüpfung der im Kollektivverfahren wie im Folgeprozeß geltend gemachten Positionen zu erwähnen. Nach Dütz stellt § 9 TVG einen Fall der Rechtskrafterstreckung kraft materiellrechtlicher Abhängigkeit dar, wobei er darunter eine Bindung in dem Umfange versteht, in dem Dritte 3J.!Ch durch ein entsprechendes materielles Rechtsgeschäft gebunden wären.Z39 Daran anlehnend führt Grunsky aus, daß die fehlende Einflußmöglichkeit der Dritten240 deshalb unerheblich sei, weil die Tarifvertragsparteien auch ohne deren Hinzuziehung eine entsprechende Tarifklausel hätten vereinbaren kön235 Vgl. nur BAG, Urt. v. 12. 9. 1984, AP Nr. 135 zu § 1 TVG Auslegung (BI. 3); Urt. v. 4. 3. 1993, AP Nr. 40 zu§ 622 BGB (unter II 1 b d. Gr.); Urt. v. 24. 3. 1993, AP Nr. 1 zu§ 1 TVG Autokraft (unter II 2 a d. Gr.); Urt. v. 21. 7. 1993, AP Nr. 144 zu § 1 TVG Auslegung (unter B II 1 a aa d. Gr.). 236 Vgl. etwa Urt. v. 23. 1. 1992, AP Nr. 35 zu § 622 BGB (unter I1 4 d. Gr.), AP Nr. 36 zu § 622 BGB (unter II 2 d. Gr.) u. AP Nr. 37 zu § 622 BGB (unter II 2 b d. Gr.); Urt. v. 16. 9. 1993, AP Nr. 42 zu§ 622 BGB (unter II 4 c d. Gr.). 237 Vgl. Gilles, JuS 1981, 402, 408. In diese Richtung bereits Zeuner, FS Nipperdey (1965), Bd. I, S. 1013, 101411015: Mitwirkung der von einem Verfahren Betroffenen am Vorgang der Konkretisierung des Rechts. 238 Siehe etwa BAG, Urt. v. 23. 1. 1992, AP Nr. 37 zu§ 622 BGB (unter II 2 b cc d. Gr.); Urt. v. 2. 4. 1992, AP Nr. 38 zu § 622 BGB (unter II 4 b cc d. Gr.); Urt. v. 16. 9. 1993, AP Nr. 42 zu § 622 BGB (unter II 3 b d. Gr.); Löwisch/Rieble, TVG, § 1 Rdnr. 1-5; MünchArbR/Löwisch, § 239 Rdnr. 85. 239 In: ArbRGegw Bd. 20 (Dok. für 1982), S. 33, 40. 240 Unter den Dritten sind sowohl die tarifgebundenen Parteien als auch die sonstigen "Dritten" i. S. des § 9 TVG zu verstehen.
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nen, die die Dritten binden würde. 241 Otto rückt § 9 TVG ebenfalls in einen Zusammenhang mit der Kompetenz der Tarifparteien zur Normsetzung. 242 In diesem Sinne folgt auch für Rieble die - materiellrechtlich verstandene243 - Bindungswirkung aus dem normativen Charakter der Entscheidung244 bzw. aus der Normsetzungsbefugnis der Kollektivvertragsparteien, da diese als Annex auch das Recht umfasse, Gültigkeit und Inhalt der von ihnen geschaffenen Normen verbindlich feststellen zu lassen. 245 Wendet man sich zunächst dem Gedanken der materiellrechtlichen Dispositionsbefugnis der Tarifvertragsparteien zu, so liegt es in der Tat nahe, die Zurechenbarkeit der Bindung an die Entscheidung auf eine entsprechende im TVG verankerte materiellrechtliche Unterworfenheit zurückzuführen. Allerdings umfaßt die Bindung nach § 9 TVG nach dem Wortlaut der Norm, der keine Einschränkungen vorsieht, eine Reihe von Fallgruppen, die einer entsprechenden Regelung durch die Tarifvertragsparteien nicht zugänglich sind. So können die Tarifparteien nicht über die Grenzen der Tarifmacht disponieren. Ein Entscheidung, bei der es um die Frage eines Verstoßes des Tarifvertrages gegen höherrangiges Recht, vor allem Grundrechte, 246 geht, entfaltet nach der insoweit eindeutigen Regelung des § 9 TVG gleichwohl umfassende Bindungswirkung.Z47 Entsprechendes gilt für Auslegungsstreitigkeiten, die sich auf einen von vornherein umstrittenen Tarifinhalt beziehen. Während der Rechtskraft der Entscheidung in diesem Falle Rückwirkung zukommt, könnten die Tarifparteien vielfach keine vergleichbare materiellrechtliche Regelung treffen. 248 Schließlich kommt den Tarifvertragsparteien keine Regelungsbefugnis hinsichtlich der in § 9 TVG genannten "Dritten" zu. Das alleinige Abstellen auf die materiellrechtliche Normsetzungsmacht der Tarifparteien kann daher zumindest in diesen Fallgruppen die klare Anordnung einer inhaltlich uneingeschränkten Bindung nicht zu erklären.
In: ArbGG, § 2 Rdnr. 62. In: RdA 1989, 247, 252. 243 Siehe dazu oben § 2 III. 1. c). 244 In: Anm. zu BAG, EzA § 112 BetrVG 1972 Nr. 59 (unter I 1). 245 In: Anm. zu BAG, EzA § ll2 BetrVG 1972 Nr. 59 (unter I 3 und II). 246 Zur Bindung der Tarifvertragsparteien an die Grundrechte siehe nur BAG, Urt. v. 17. 5. 1988, AP Nr. 27 zu§ 5 BetrAVG (unter 4 a d. Gr.); Urt. v. 12. 2. 1992, AP Nr. 5 zu § 620 BGB Altersgrenze (unter II3 d. Gr.); Urt. v. 28. 7. 1992, AP Nr. 10 zu§ 1 TVG Tarifverträge: Seniorität (unter 2 b d. Gr.); Urt. v. 30. 7. 1992, AP Nr. 1 zu§ 1 TV Ang Bundespost (unter B Il3 a d. Gr.). 247 So im Erg. auch Konzen, FS Zeuner (1994), S. 401, 425. Zu der an dieser Stelle nicht zu erörternden Vereinbarkeit der in § 9 TVG einschränkungslos angeordneten Rechtskrafterstreckung mit höherrangigem Recht siehe unten §§ 9-11. 248 Zu den durch den Vertrauensgrundsatz gebotenen Grenzen der Rückwirkung von Tarifverträgen vgl. etwa BAG, Urt. v. 10. 10. 1989, AP Nr. 2 zu§ I TVG Vorruhestand (unter III 5 b d. Gr.); Urt. v. 10. 10. 1989, AP Nr. 3 zu § I TVG Vorruhestand (unter II 3 d d. Gr.); großzügigjetzt Urt. v. 23. 11. 1994, EzA § 1 TVG Rückwirkung Nr. 3 (unter ll2 c cc u. dd d. Gr.). Siehe ferner LöwischlRieble, TVG, § 1 Rdnr. 204-211. 241
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Von größerer Aussagekraft scheinen auf den ersten Blick die Überlegungen zu sein, von denen sich das RAG bei der erstmaligen Begründung einer Bindungswirkung praeter Iegern leiten ließ. Wie bereits erörtert, hat das RAG die materiellrechtliche Normwirkung des zwischen den Tarifvertragsparteien Vereinbarten als Schaltstelle für die Erweiterung der materiellen Rechtskraftwirkung angesehen. 249 Mit diesem Gedanken wendet das RAG den Blick von der Rechtsetzungsmacht der Tarifparteien auf die Struktur des materiellen Rechts, nach der der normative Teil des zwischen den Tarifparteien bestehenden Tarifvertrages "automatisch" den Inhalt der tarifgebundenen Arbeitsverhältnisse bestimmt. Nun verdeutlicht dieser Aspekt zutreffend die gleichsam "technische" Verknüpfung zwischen der Rechtkraftwirkung im Verbandsverfahren und derjenigen im Individualrechtsverhältnis. Allerdings vernachlässigt er sowohl die Stellung der Parteien des Vorprozesses als auch die von der Rechtskraftbindung erfaßte rechtliche Position der Arbeitnehmer und sonstigen Dritten. Im Hinblick auf die Tarifparteien hat schon das RAG in einer anderen Entscheidung hervorgehoben, daß es deren Sache sei, einen Streit über den Tarifvertrag im Wege der Feststellungsklage auszutragen und auf diese Weise die Rechtslage für alle Mitglieder und sämtliche Einzelarbeitsverhältnisse einheitlich zu klären. 250 Hersehe/ hat von der "Erfüllung einer Kollektivaufgabe als Ordnungsfaktor des sozialen Seins"251 bzw. von der Wahrnehmung eines ,,kollektiven Rechtsschutzbedürfnisses"252 gesprochen. Nach Zeuner sind die Tarifvertragsparteien die für die gerichtliche Klärung des auf Außenwirkung angelegten Vertrages ,,Zuständigen"?53 Dütl54 und Leipold255 schließlich haben auf den Gedanken der Repräsentation durch die Koalitionen hingewiesen. Die genannten Überlegungen lassen sich im Kern auf zwei Gedanken zurückführen: Zum einen nehmen die Parteien bei der Verbandsklage überindividuelle Interessen wahr. Das Verfahren ist nach Streitgegenstand und Streitstoff auf Breitenwirkung angelegt. Zum zweiten wird die materiellrechtliche Repräsentationsfunktion der Koalitionen in das Verfahrensrecht hinein verlängert. Dabei kommt den Tarifvertragsparteien die über ihre Normsetzungsmacht hinausgehende Befugnis zu, mit Wirkung für Dritte prozessual zu handeln. Der Gesetzgeber hat damit für einen bestimmten verfahrensrechtlichen Bereich den Repräsentationsgedanken in spezifischer Weise konkretisiert. Die betroffenen Drittpositionen sind wiederum dadurch gekennzeichnet, daß sich die Bindung nur auf eine Vorfrage erstreckt, der keine Besonderheiten des individuellen Siehe dazu oben unter a) dd). Urt. V. 20. 3. 1929, ARS 5, 398, 400. 251 In: ArbuR 1977, 137, 139. 252 In: BB 1977, 1161, ll62. 253 In: Rechtliches Gehör, materielles Recht und Urteilswirkungen, S. 29. Ähnlich Konzen, FS Zeuner (1994), S. 401,425. 254 In: ArbRGegw Bd. 20 (Dok. für 1982), S. 33, 41. 255 In: Anm. zu BAG, AP Nr. 15 zu§ ll3 BetrVG 1972 (unter 7). 249
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Arbeitsverhältnisses eignen. Vielmehr geht es um die davon abgehobene Gesamtheit der an den tarifgebundenen Arbeitsverhältnissen Beteiligten als solche. Zusammenfassend läßt sich festhalten, daß die innere Rechtfertigung der durch § 9 TVG angeordneten erweiterten Entscheidungswirkung ebenfalls im Gebot der Rechtssicherheit, der besonderen Geeignetheit des Verfahrens und des materiellrechtlichen Kontextes liegt.
2. Feststellung der Tariträhigkeit oder Tarifzuständigkeit einer Vereinigung
Den zweiten Anknüpfungspunkt für die Suche nach einer eindeutigen Rechtskraftwirkung gegenüber Dritten bildet die gerichtliche Feststellung der Tariffähigkeit oder der Tarifzuständigkeit einer Vereinigung. Hierfür sehen die§§ 2a Abs. 1 Nr. 4, 97 ArbGG ein Beschlußverfahren vor, das in einigen Punkten vom einem normalen Beschlußverfahren im Sinne der §§ 80 ff. ArbGG abweicht. 256 Die herrschende Meinung im Schrifttum erkennt der in diesem Verfahren ergehenden Entscheidung, durch die über den Status als solchen befunden wird, seit jeher eine Rechtskraftwirkung gegenüber jedermann zu, 257 ohne daß man insoweit auf Vorläufer in der Judikatur des RAG zurückgreifen konnte. 258 Das BAG hat sich zunächst in mehreren Entscheidungen ohne nähere Begründung der Lehre von der bindenden Rechtskraftwirkung des Feststellungsbeschlusses gegenüber jedermann angeschlossen.259 In einem neueren Erkenntnis plädiert das BAG dagegen für eine analoge Anwendung des § 9 TVG.260 Allerdings ist mangels näherer Erläuterun256 So gelten Besonderheiten für die Einleitung des Beschlußverfahrens, die Übersendung rechtskräftiger Entscheidungen sowie die Wiederaufnahme. Gleichwohl handelt es sich nicht um ein selbständiges, neben Urteils- und normalem Beschlußverfahren stehendes Verfahren; vgl. Matthes, in: Germelmann/Matthes/Prütting, ArbGG, § 97 Rdnr. 2. 257 Bötticher, Anm. zu BAG, AP Nr. I zu§ 97 ArbGG 1953 (unter I); zust. Nikisch, Anm. zu BAG, AP Nr. 25 zu § 11 ArbGG 1953 (unter Ill). Ebenso Dersch/Volkmar, ArbGG, § 97 Rdnr. I; Grunsky, ArbGG, § 97 Rdnr. 22; Matthes, in : Gennelmann/Matthes/Prütting, ArbGG, § 97 Rdnr. 28; Wieser, Arbeitsgerichtsverfahren, Rdnr. 629; Kraft, SAE 1978, 43; Otto, Anm. zu BAG, EzA § 256 ZPO Nr. 32 (unter III 1 b dd); Löwisch, ZfA 1970, 295, 312. 258 Das RAG hatte eine Klage auf Feststellung der Tariffähigkeit oder Tarifzuständigkeit mit der Begründung verneint, daß es am Erfordernis eines feststellungsfähigen Rechtsverhältnisses fehle; vgl. Urt. v. 6. 3. 1929, ARS 5, 393, 397. Bei den weiteren von Wiedemannl Stumpf, TVG, § 2 Rdnr. 53, genannten Urteilen v. 20. 3. 1929, ARS 5, 398ff., und v. 27. 2. 1929, ARS 5, 403 ff., ging es um die von der vorliegenden Problematik zu unterscheidende Frage, ob eine Gewerkschaft berechtigt ist, gegen ein einzelnes Mitglied des Arbeitgeberverbandes bzw. gegen einen Außenseiter (nach Allgemeinverbindlicherklärung) auf Feststellung zu klagen, daß dieser verpflichtet ist, den beschäftigten Arbeitnehmern die tariflichen Leistungen zu erbringen. 259 Beschl. v. 15. 3. 1977, AP Nr. 24 zu Art. 9 GG (unter li 3 d. Gr.); Beschl. v. 14. 3. 1978, AP Nr. 30 zu § 2 TVG (unter li 3 d. Gr.); Beschl. v. 14. 3. 1978, AP Nr. 3 zu § 97 ArbGG 1953 (unter li 3d. Gr.); Beschl. v. 25. 11. 1986, AP Nr. 36 zu § 2 TVG (unter I 2 d. Gr.).
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2. Teil: Einfachgesetzliche Ausgangslage
gen nicht ersichtlich, ob damit eine Abkehr von der zuvor obiter vertretenen interomnes-Wirkung verbunden ist. In jüngerer Zeit verneint Leinemann sogar jegliche erweiterte Bindungswirkung, weil es hierfür an gesetzlichen Anhaltspunkten fehle. Zudem stehe Art. 9 Abs. 3 GG einer derartigen Annahme entgegenstehe, da sie einer Konzessionierung gleichkomme. 261 Für die an dieser Stelle allein interessierende Frage, ob sich durch Auslegung der einschlägigen Vorschriften in bestimmten Streitigkeiten eine über die Parteien hinausgehende Maßgeblichkeit der rechtskräftigen Entscheidung gewinnen läßt, ist der Hinweis Leinemanns auf die mangelnde Grundlage im Normtext in der Tat einschlägig. Geht man mit der überwiegenden Ansicht im methodischen Schrifttum davon aus, daß der Wortlaut einer Vorschrift die Grenze der Auslegung markiert262, so kann die Bejahung einer erweiterten Rechtskraftwirkung, für die sich durchaus eine Reihe guter Gründe ins Feld führen läßt263 , nicht mehr als Auslegung der§§ 2a Abs. 1 Nr. 4, 97 ArbGG bezeichnet werden, da es an jeglichen semantischen Anknüpfungspunkten für die Rechtsfolge "Erstreckung der subjektiven Rechtskraft" fehlt. In der Literatur ist dies auch durchaus vermerkt worden. 264 Die Ansicht Prüttings, die auch von ihm befürwortete Ausdehnung der Rechtskraft ergebe sich zwar nicht "unmittelbar aus dem Gesetzeswortlaut", wohl aber ,,im Wege der Auslegung der Norm", die sich auf die Urteilsübersendungs- sowie die Aussetzungspflicht gemäß § 97 Abs. 3 und Abs. 5 ArbGG stützen lasse265 , kann deshalb nicht überzeugen. Sie basiert auf einem Begriff der Auslegung, der von der in der Methodenlehre gebräuchlichen Verwendung abweicht. 266 Mit Hilfe des bei der Auslegung zulässigen methodischen Instrumentariums kann eine Rechtskrafterstreckung bei Entscheidungen über die Tariffähigkeit bzw. die Tarifzuständigkeit demnach nicht begründet werden. Die in diesem Zusammenhang erforderlichen Überlegungen müssen somit dem Teil der Untersuchung vorbehalten bleiben, in dem es - methodisch gesehen - um 260 Urt. v. 10. 5. 1989, AP Nr. 6 zu § 2 TVG Tarifzuständigkeit (BI. 2R). Ebenso Wiedemann/Stumpf, TVG, § 9 Rdnr. 7. 261 In: GK-ArbGG, § 97 Rdnr. 69. So im Erg. auch schon Stein/Jonas/Schumann, ZPO, § 256 Rdnr. 203, allerdings ohne Auseinandersetzung mit der anderslautenden h. M. 262 Larenz, Methodenlehre der Rechtswissenschaft, S. 322, 324; Bydlinski, Juristische Methodenlehre und Rechtsbegriff, S. 441; Canaris, Die Feststellung von Lücken im Gesetz, S. 22/23; Krey, JZ 1978, 361 , 364, 368. Dementsprechend nimmt auch das BVerfG, Beschl. v. 3. 4. 1990, BVerfGE 82, 6, 12, an, daß eine Rechtsfindung, die vom Wortlaut einer Norm nicht mehr erfaßt wird, über die "Auslegung im engen Sinne" hinausgeht, und stattdessen Rechtsfortbildung darstellt. Ungenau aber Beschl. v. 11. 3. 1992, NJW 1992, 149811499. 263 Näheres dazu unten§ 13 II. 1. a) u. b). 264 MünchArbR/Brehm, § 381 Rdnr. 54; Nikisch, ArbR, Bd. II, § 70 V 3, S. 260; Konzen, FS Zeuner (1994), S. 401, 424. In diesem Sinne auch Otto, RdA 1989, 247 (Fn. 5): "nur mittelbar ab(zu)leiten)". 265 In: RdA 1991, 257, 266; ebenso Jox, Die Bindung an Gerichtsentscheidungen über präjudizielle Rechtsverhältnisse, S. 84. 266 Siehe dazu die Nachweise in Fn. 262.
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die Rechtsgewinnung in konkreten Fallgruppen außerhalb des durch den Normtext abgesteckten Rahmens geht. 267
3. Entscheidungen im Betriebsabgrenzungsverfahren
Eine letzte hier zu erörternde Fallgruppe stellen Entscheidungen im Betriebsabgrenzungsverfahren gemäß § 18 Abs. 2 BetrVG dar. Nach dieser Vorschrift kann vor einer Betriebsratswahl ein arbeitsgerichtliches Erkenntnis darüber herbeigeführt werden, ob ein Nebenbetrieb oder ein Betriebsteil selbständig oder dem Hauptbetrieb zuzuordnen ist. Die Bedeutung derartiger Feststellungsverfahren wird dadurch erheblich gesteigert, daß nach einhelliger Meinung über den Wortlaut dieser Norm hinaus darauf angetragen werden kann, ob ein oder mehrere selbständige Hauptbetriebe vorliegen, selbständige Kleinstbetriebe einem anderen Betrieb zugeordnet werden können oder mehrere Kleinstbetriebe zu einem Betrieb zusammenzufassen sind. 268 Zudem ist ein Verfahren nicht nur anläßlich einer Wahl, sondern jederzeit bei entsprechendem Rechtsschutzinteresse möglich. 269 Die Frage, ob ein rechtskräftiger Beschluß, der in einem solchen Betriebsabgrenzungsverfahren ergeht, über die unmittelbar Beteiligten hinaus Rechtskraftwirkung gegenüber den Arbeitnehmern entfaltet, wird kontrovers beurteilt. Ein Teil des Schrifttums lehnt eine Rechtskrafterstreckung ab. 270 Im Gegensatz dazu hat sich das BAG unter Anknüpfung an frühere Ausführungen von Dütl 1 1 in einer neueren Entscheidung für eine solche Bindung ausgesprochen272, ohne sich allerdings mit einem früheren, anderslautenden Erkenntnis273 auseinanderzusetzen. Für Siehe dazu unten § 12 II. l. BAG, Beschl. v. 17. l. 1978, AP Nr. 1 zu § 1 BetrVG 1972 (unter II 1 c d. Gr.) mit zust. Anm. von Wiese/Starck; Beschl. v. 7. 8. 1986, AP Nr. 5 zu§ 1 BetrVG 1972 (unter BI 1 d. Gr.); Beschl. v. 29. l. 1987, AP Nr. 6 zu§ 1 BetrVG 1972 (unter I I d. Gr.); Beschl. v. 25. 9. 1986, AP Nr. 7 zu§ 1 BetrVG 1972 (unter 1 d. Gr.); Fitting/Auffarth/ Kaiser/ Heither, BetrVG, § 18 Rdnr. 25; Kreutz, GK-BetrVG, § 18 Rdnr. 56 mit weit. Nachw. 269 BAG, Beschl. v. 25. 11. 1980, APNr. 3 zu§ 18 BetrVG 1972 (unter2 ad. Gr.); Kreutz, GK-BetrVG, § 18 Rdnr. 56. 270 Fitting I Auffarthl Kaiser/ Heither, BetrVG, § 18 Rdnr. 29b: Bindung erfasse (nur) Beteiligte des Besch1ußverfahrens; differenzierend Dietzl Richardi, BetrVG, § 18 Rdnr. 25. 271 In: Dütz, ArbRGegw Bd. 20 (Dok. für 1982), S. 33, 51. 2n Urt. v. 9. 4. 1991, AP Nr. 8 zu§ 18 BetrVG 1972. Zust. etwa Kreutz, GK-BetrVG, § 18 Rdnr. 63; Rieble, Anm. zu BAG, EzA § 112 BetrVG 1972 Nr. 59 (unter II a. E.). Zu weit. Nachw. siehe unten § 14 I. 1. a) aa). 273 Urt. v. 13. 6. 1985, AP Nr. 10 zu § 1 KSchG 1969 (unter A II 3 a d. Gr.). Als Unterschied zwischen den Sachverhalten ist aber immerhin hervorzuheben, daß es in der älteren Entscheidung im folgenden Individualprozeß um eine Kündigungsschutzklage ging, während die neuere Fallgestaltung einen Nachteilsausgleichsanspruch betraf, einen Anspruch also, dessen Grundlage im Betriebsverfassungsrecht wurzelt. Ob dies eine abweichende Behandlung beider Konstellationen rechtfertigt, sei hier offengelassen; näheres dazu unten§ 14 I. 1. a) bb). 267
268
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2. Teil: Einfachgesetzliche Ausgangslage
eine Ausweitung der Entscheidungswirkung enthält der Wortlaut des § 18 Abs. 2 BetrVG keinerlei Anhaltspunkte. Auch die Befürworter einer Rechtskrafterstrekkung behaupten nicht, daß sich ihr Verständnis aus einer schlichten Auslegung dieser Norm herleiten lasse, zumal es in den Konstellationen, in denen es nicht lediglich um die benannten Fälle der Selbständigkeit eines Nebenbetriebes oder Betriebsteiles geht, ohnehin einer Analogie zu § 18 Abs. 2 BetrVG bedarf274 . Das Problem des subjektiven Umfanges der Rechtskraft von Feststellungsentscheidungen in Betriebsabgrenzungsverfahren ist somit ebenfalls in den Bereich der Rechtsgewinnung im weiteren Sinne zu verweisen. 275
§ 4 Generalisierende Lehren zur Problematik ungeschriebener Drittbindungen Jede Erörterung erweiterter Maßgeblichkeitswirkungen, die nicht unmittelbar auf einen Normtext rückführbar sind, muß sich mit zwei Fragen auseinandersetzen: Zum einen geht es darum, ob den vorhandenen gesetzlichen Regelungen ein abschließender Charakter und damit von vornherein eine Sperrwirkung gegenüber weitergehenden Ansätzen zukommt. Nach einhelliger Auffassung ist es nämlich grundsätzlich unzulässig, bei der Rechtsgewinnung eine entgegenstehende Normierung zu überspielen. In einem derartigen Fall fehlt es - in den Denkkategorien der klassischen Methodenlehre- jedenfalls an der "Planwidrigkeit" des unter Umständen als "unvollständig" anzusehenden Gesetzes 1 bzw. - bei einer mehr an der verfassungsrechtlichen Kompetenzverteilung zwischen Gesetzgebung und Rechtsprechung orientierten Betrachtungsweise - an der Zulässigkeit jeglicher Rechtsfortbildung2. Die Wahrung der Autorität des Gesetzgebers gebietet die Annahme einer Sperrwirkung allerdings lediglich bei einer eindeutig als abschließend zu bezeichnenden gesetzlichen Regelung. 3 Anderenfalls tritt das Gesetz dem Herausar274 Die Analogie bezieht sich zwar nicht auf die Zuständigkeit des ArbG, die allgemein auf § 2a Abs. I Nr. I ArbGG gründet, wohl aber auf die Antragsberechtigung unabhängig von ihrer Einordnung als Zulässigkeits- oder Begründetheitsvoraussetzung; vgl. Kreutz, GKBetrVG, § 18 Rdnr. 57; Wiese/Starck, Anm. zu BAG, AP Nr. I zu§ 1 BetrVG 1972 (unter I 1). Die Auffassung von Fabricius/Decker, SAE 1979, 19, übersieht das Erfordernis der Antragsbefugnis. 275 Siehe dazu unten § 141. 1. a). I Vgl. Larenz, Methodenlehre der Rechtswissenschaft, S. 376; Bydlinski, Juristische Methodenlehre und Rechtsbegriff, S. 475; Engisch, Einführung in das juristische Denken, S. 142; Krey, JZ 1978,361, 362, 365/366; Canaris, Die Feststellung von Lücken im Gesetz, S. 17/18, 21, 37. 2 So Koch/Rüßmann, Juristische Begründungslehre, S. 253-257; die verfassungsrechtlichen Aspekte ebenfalls betonend Krey, JZ 1978, 361, 363; 465-468.
§ 4 Generelle Lehren zu ungeschriebenen Drittbindungen
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beiten ungeschriebener Rechtssätze nicht entgegen, was freilich noch nicht den umgekehrten Schluß erlaubt, daß die fraglichen Grundsätze dem geltenden Recht inhärent sind.4 Fehlt es an einer Sperrwirkung, so ist zum anderen die gleichsam auf dem gegenüberliegenden Ende der Skala angesiedelte Frage zu klären, ob sich auf Grund allgemeinerer Überlegungen eine generelle oder doch zumindest weitgehende Wirkung gerichtlicher Entscheidungen gegenüber Dritten befürworten läßt. In diesem Falle könnte bei kollektivarbeitsrechtlichen Erkenntnissen ungeachtet der jeweiligen konkreten Sachverhaltsgestaltung auf jene Grundsätze zurückgegriffen werden. I. Zum Bestehen einer Sperrwirkung gegenüber ungeschriebenen Drittwirkungen
Den einführenden Bemerkungen entsprechend soll im Folgenden allein danach gefragt werden, ob sich eindeutige (einfachgesetzliche) Entscheidung des Normgebers gegen erweiterte Drittbindungen nachweisen lassen. Die für und gegen derartige Wirkungen sprechenden Einzelaspekte, deren Grundlage allenfalls mittelbar im Gesetz zu finden ist, bleiben dagegen vorerst außer Betracht.
1. Meinungsspektrum
Nach der in Rechtsprechung 5 und Literatur6 ganz überwiegend vertretenen Ansicht hat der Gesetzgeber durch § 325 ZPO den Grundsatz der Rechtskraftbe3 Krey, JZ 1978, 361 , 366/367; 465, 467. Im Erg. ebenso BVerfG, Beschl. v. 19. 6. 1973, BVerfG 35, 263, 280; Beschl. v. 3. 4. 1990, BVerfGE 82, 6, 12. Großzügiger Mayer-Maly, JZ 1986, 557, 560-562, unter Hervorhebung des Kriteriums der Rechtssicherheit, ohne allerdings zwischen eindeutigen Grenzen und bloßen Problemen der Rechtsfortbildung zu unterscheiden. 4 Canaris, Die Feststellung von Lücken im Gesetz, S. 37. Zur Differenzierung zwischen der Frage nach der grundsätzlichen Zulässigkeil einer Rechtsfortbildung und der Begründung einer Fortbildung des Rechts im einzelnen vgl. Koch/Rüßmann, Juristische Begründungslehre, S. 253-257. Dies entspricht der Aussage, daß die Grenzen der richterlichen Rechtsfortbildung sowohl in der Verfassung als auch in der Methodenlehre zu suchen sind; siehe Wank, Grenzen richterlicher Rechtsfortbildung, S. 82, 251. 5 Siehe etwa RG, Urt. v. 22. 5. 1909, RGZ 71 , 199, 201/202; Urt. v. 21. 6. 1935, RGZ 148, 166, 173; BGH, Urt. v. 16. 11. 1951, BGHZ 3, 385, 388; Urt. v. 11. 3. 1983, NJW 1984, 126, 127; im Erg. auch Urt. v. 28. 5. 1969, BGHZ 52, 150, 151; Beschl. v. 16. 6. 1993, BGHZ 123,30, 24. 6 Vgl. Zöller!Vollkommer, ZPO, § 325 Rdnr. 2; Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, ZPO, § 325 Rdnr. 1; MünchKommZPO/Gottwald, § 325 Rdnr. 1-5; Stein!Jonas / Leipold, ZPO, § 325 Rdnr. 112; Jauemig, ZPR, § 63 IV 1, S. 230; Zeiss, ZPR, Rdnr. 582; Grunsky, Grundlagen des Verfahrensrechts, § 47 VI 2 c, S. 544; Brox, ZZP 73 (1960), 46, 58; Bet-
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2. Teil: Einfachgesetzliche Ausgangslage
schränkung auf die Parteien niedergelegt. Es bestehen jedoch tiefgreifende Meinungsunterschiede hinsichtlich der Frage, wie strikt dieser Grundsatz zu verstehen ist, insbesondere ob durch ihn ungeschriebene Drittbindungen gänzlich ausgeschlossen werden. a) Restriktive Auffassungen
Zu diesem Problembereich hat in jüngerer Zeit vor allem Prütting einen restriktiven Standpunkt eingenommen.7 Seiner Meinung nach bedarf jede Rechtskraftwirkung bzw. vergleichbare Bindungsform einer normativen Anordnung. Bindungswirkungen ohne eine solche Grundlage seien dagegen abzulehnen. Zur Begründung beruft sich Prütting zunächst auf § 325 Abs. 1 ZPO, dessen Wortlaut nach seiner Ansicht eine Rechtskrafterstreckung nur durch normative Anordnung zulasse. Des weiteren erlaube eine Gesamtbetrachtung dieser Norm, der Aussetzungsvorschriften der §§ 148, 149 ZPO, der divergierenden Regelungen über die Folgen von Verbandsklagen gemäߧ§ 13, 21 AGBG auf der einen und§ 13 UWG auf der anderen Seite sowie die Statuierung einer allgemeinen Verbindlichkeit der Entscheidung nach§ 47 Abs. 6 VwGO den Schluß auf die durchgängige Wertung, daß der Gesetzgeber stets bewußt über das Bestehen oder Nichtbestehen einer Bindung Dritter entscheide. Diese gesetzgebensehe Vorgabe dürfe durch ungeschriebene Drittwirkungen nicht konterkariert werden. Zusätzlich führt Prütting den entstehungsgeschichtlichen Gesichtspunkt der Aufhebung älterer landesrechtlicher Bindungsanordnungen durch§ 14 Abs. 2 Nr. 1 EGZPO an. 8 Die in der Literatur vorgeschlagene 9 - und mittlerweile auch vom BAG angenommene10 - analoge Anwendung des § 9 TVG auf einen Rechtsstreit über die Gültigkeit und den Inhalt einer Betriebsvereinbarung lehnt Prütting unter anderem mit der Begründung ab, daß die Nichtübernahme dieser Vorschrift in das BetrVG nicht als Zufall angesehen werden könne. Zudem erlaube die Aussetzungspflicht in den bereits erwähnten Verfahren zur Feststellung der Tariffähigkeit bzw. Tarifzuständigkeit gemäß § 97 Abs. 5 ArbGG den Umkehrschluß auf im übrigen nicht gewollte Bindungswirkungen. 11 Andere Autoren setzen sich ebenfalls für das Er-
termann, ZZP90 (1977), 121, 129. So bereits R. Schmidt, ZPR, § 121 IV, S. 762 (Fn. 3: "ganz feste Überlieferung"); Sauer, Grundlagen des Prozeßrechts, § 13 B VII 1, S. 274. 7 In: RdA 1991, 257, 264/265. s In: RdA 1991, 257, 264. 9 Kraft, Anm. zu BAG, AP Nr. 11 zu § 112 BetrVG 1972 (unter III 4 c); Dütz, ArbRGegw Bd. 20 (Dok. für 1982), 33, 51-54; differenzierend Otro, RdA 1989,247, 252/253. to Urt. v. 17. 2. 1992, AP Nr. 1 zu§ 84 ArbGG 1979 (unter II 3 b d. Gr.). II In: RdA 1991, 257, 265. Die von Prütring darüber hinaus dargelegten verfassungsrechtlichen Gesichtspunkte sollen im dritten, den Vorgaben des Grundgesetzes gewidmeten Teil behandelt werden (siehe dazu die §§ 9 u. 10).
§ 4 Generelle Lehren zu ungeschriebenen Drittbindungen
131
fordemis einer gesetzlichen Anordnung als Grundlage einer Rechtskrafterstrekkung ein 12 . Setzt man diese Ansichten in Beziehung zu den eingangs aufgeworfenen methodologischen Fragestellungen, so zeigt sich folgendes: Prüttings These von der Erforderlichkeit einer normativen Grundlage bedeutet, daß eine Erstreckung der Rechtskraft auf Dritte nur auf Grund einer positiven gesetzlichen Regelung statthaft ist. 13 Allerdings geht er nicht so weit, eine ausdrückliche normative Anordnung zu verlangen, sondern hält es für ausreichend, wenn sich die Bindung aus der Auslegung einer Gesetzesvorschrift ergibt. 14 Damit entspricht die Grenze zwischen zulässiger und unzulässiger Bejahung einer Drittbindung deljenigen Grenze, die in der klassischen Methodenlehre, auf die auch Prütting Bezug nimmt, zwischen Normauslegung und (ergänzender) Rechtsfortbildung gezogen wird. 15 Das Postulat einer normativen Grundlage bedeutet demnach in der Sache das- auf die Sperrwirkung der vorhandenen Regelungen über die Erweiterung der Rechtskraft bzw. rechtskraftgleicher Wirkungen gestützte - prinzipielle Verbot einer Rechtsfortbildung in Richtung auf erweiterte Drittbindungen einschließlich des Verbots einer analogen Anwendung von Rechtskrafterstreckungsvorschriften. Die Brisanz dieser Grenzziehung erweist sich vor allem darin, daß die Auffassungen von Bettermann 16, A. Blomeyer17 , Kraft 18 , Dütz19 , Otto 20 und Leipold21 zu erweiterten Bindungswirkungen innerhalb und außerhalb des Arbeitsrechts von Prütting dem Bereich der - unstatthaften .:... Bindung ohne gesetzliche Anordnung zugewiesen werden. 22 Von seinem Standpunkt aus handelt es sich bei diesen Ansätzen somit um eine a priori unzulässige Rechtsfortbildung. 12 Jox, NZA 1990, 424, 427; MünchKommZPO/Gottwald, § 325 Rdnr. 3-5; großzügiger aber derselbe, in: Rosenberg/Schwab!Gottwald, ZPR, § 156 III, S. 940: zumindest "besondere Rechtfertigung" erforderlich, sowie in ZZP 91 (1978), 1, 18: "ganz überwiegende Interessen" ausreichend. 13 Gleiches gilt für die bereits erwähnte Ansicht von Gottwald, in: MünchKommZPO, § 325 Rdnr. 3-5. 14 In: RdA 1991, 257, 265/266. Ebenso Stein/ Jonas I Leipold, ZPO, § 325 Rdnr. 92, der es bei grundsätzlicher Beschränkung der Rechtskraft auf die Parteien als zulässig ansieht, durch Auslegung einzelner gesetzlicher Bestimmungen zu einer Rechtskrafterstreckung zu gelangen. 15 Vgl. Larenz, Methodenlehre der Rechtswissenschaft, S. 322, 324; Bydlinski, Juristische Methodenlehre und Rechtsbegriff, S. 454; Canaris, Die Feststellung von Lücken im Gesetz, s. 22123. 16 In: Die Vollstreckung des Zivilurteils in den Grenzen seiner Rechtskraft, S. 79-115. 17 In: ZZP 75 (1962), 1 ff.; derselbe, ZPR, § 91 II, S. 505-508, § 93, S. 517-522. 18 In: Anm. zu BAG, AP Nr. 11 zu§ 112 BetrVG 1972 (unter III 4 c). 19 In: ArbRGegw Bd. 20 (Dok. für 1982), 33, 51-54; derselbe, FS Gnade (1992), S. 487, 496; ebenso Dütz /Rotter, Anm. zu BAG, EzA § 18 BetrVG 1972 Nr. 7 (unter III2). 2o In: RdA 1989, 247, 252/253. 21 In: Anm. zu BAG, AP Nr. 15 zu§ 113 BetrVG 1972 (unter 7). 22 In: RdA 1991,257,264.
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2. Teil: Einfachgesetzliche Ausgangslage
Nun ist allerdings auch Prütting trotz dieser Ausgangsposition der Ansicht, daß sich die Problematik der Koordinierung von Kollektiv- und Individualverfahren unter Umständen durch Rechtsfortbildung (eventuell in Form einer Analogie) lösen lasse. 23 Dies erscheint jedoch für sich genommen zweifelhaft. Wenn die Forderung nach einer nonnativen Grundlage nämlich einen konkreten Gehalt aufweisen soll, dann kann dieser nur im Ausschluß nicht unmittelbar auf das Gesetz rückführbarer Drittbindungen liegen. Die Zulassung von durch Rechtsfortbildung gewonnener erweiterter Bindungen widerspräche dem zuvor betonten Erfordernis einer jeweils bewußten Entscheidung des Gesetzgebers. Insbesondere wäre eine vom Gesetzgeber gewollte Analogie ein Widerspruch in sich. Die anschließenden Überlegungen Prüttings zur Frage einer analogen Anwendung des § 9 TVG weichen im Ergebnis indessen nicht von dem anfangs eingenommenen Standpunkt einer Negierung ungeschriebener Drittbindungen ab, da seine Lösung - wie bereits erwähnt - dahin geht, daß sich der Gesetzgeber in diesem Falle bewußt für eine Nichtbindung entschieden habe; damit fehle es an der für eine Analogie erforderlichen Gesetzeslücke. b) Gegner einer Sperrwirkung
Im Gegensatz insbesondere zu der dezidierten Haltung Prüttings haben sich die Befürworter ungeschriebener Drittbindungen mit dem eigentlich vorrangigen Gesichtspunkt einer abschließenden Wirkung des Gesetzes nur am Rande befaßt. 24 Dies gilt vor allem für Stellungnahmen, in denen lediglich in allgemeiner Weise davon gesprochen wird, daß eine sinngemäße Anwendung von Sonderregelungen in Einzelfällen zumindest nicht ausgeschlossen sei?5 Indessen läßt sich aus einzelnen, detaillierteren Begründungen ersehen, daß es nicht darum geht, gesetzliche Wertentscheidungen zu konterkarieren und damit Rechtsfortbildung contra legem zu betreiben. So begegnet Koussoulis der Problematik mit dem schlichten Hinweis, daß die von ihm befürwortete umfassende Drittwirkung gerichtlicher Entscheidungen mit der grundsätzlichen Rechtskraftbeschränkung auf die Parteien ohne weiteres harmoniere. 26 Bei Rettermann ist von der Ableitung eines allgemeinen Prinzips In: RdA 1991, 257, 265. Die Ansicht Grunskys, Grundlagen des Verfahrensrechts, § 47 VI 2 c, S. 544, daß nach dem Gesetz "sonstige Dritte an das Urteil nicht gebunden sein sollen", dürfte kaum als Umschreibung einer eindeutigen Negativregelung zu verstehen sein, da sich die unmittelbar anschließende Bejahung einer Gesamtanalogie ansonsten als eine methodisch wie verfassungsrechtlich unhaltbare contra-legem-Rechtsgewinnung darstellen würde. 2s So z. B. BGH, Urt. v. 16. 11. 1951 , BGHZ 3, 385, 391; Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, ZPO, § 325 Rdnr. I; Stein/Jonas/Leipold, ZPO, § 325 Rdnr. 3; Habscheid, FS Nipperdey (1965), Bd. I, S. 895,907. 26 In: Beiträge zur modernen Rechtskraftlehre, S. 125-127. Zu Recht krit. gegenüber dieser Behauptung aber Schilken, ZZP 101 (1988), 106, 1081109. 23
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§ 4 Generelle Lehren zu ungeschriebenen Drittbindungen
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aus einem gesetzlichen geregelten Fall27 bzw. der gesetzlichen Kasuistik28 die Rede. Nach Vollkommer, der sich ebenfalls für Rechtskrafterstreckungen jenseits ausdrücklicher gesetzlicher Vorschriften einsetzt, hat "das Gesetz selbst" erweiterte Drittbindungen "eingeplant". 29 Fenge spricht davon, daß jenseits der Grundregel des § 325 ZPO eine "ergänzende Entwicklung von Ausnahmesätzen" ebenso wie in anderen Rechtsbereich zulässig sei?° Konzen bezeichnet es als ,,klar", daß die Ausnahmevorschriften über die Rechtskrafterstreckung keinen abschließenden Charakter haben sollen? 1 A. Blomeyer versteht seinen Lösungsvorschlag als eine "Gesetzesergänzung", die die Voraussetzungen der von ihm selbst geforderten gesetzlichen Anordnung für eine Bindung Dritter durch Rechtskraft erfüllt. 32 Indem A. Blomeyer darauf hinweist, daß die gesetzliche Regelung über eine Rechtskrafterstreckung auf Dritte in den Fällen der Präjudizialität "offenkundig lückenhaft" sei,33 deutet er im übrigen zugleich die Prämisse an, von der die Protagonisten erweiterter Drittwirkungen ausgehen: Danach lasse sich§ 325 ZPO sowie den über die gesamte Rechtsordnung verstreuten Vorschriften über eine Drittbindung durch Rechtskraft bzw. rechtskraftähnliche Wirkung - im Gegensatz zur Ansicht Prüttings - keine eindeutige gesetzliche Wertung des Inhalts entnehmen, daß in sämtlichen anderen Konstellationen eine Bindung Dritter gerade nicht zu erfolgen habe. In der Tat stellt sich das Vorhandensein einer derartigen gesetzlichen Sperrwirkung als archimedischer Punkt für die Suche nach ungeschriebenen Drittbindungen dar. Ließe sich eine solche normative Grundentscheidung nämlich nachweisen, so wäre die Bejahung einer Drittbindung außerhalb des Bereichs, der mittels Auslegung der einschlägigen Normen bewältigt werden kann, eine Rechtsfortbildung contra Iegern, deren Voraussetzungen 34 in den hier zu erörternden arbeitsrechtlichen Fallgestaltungen ernsthaft nicht in Betracht käme. Dabei lassen sich zwei in der bisherigen Diskussion nicht hinreichend voneinander getrennte Stufen einer möglichen Sperrwirkung gesetzlicher Entscheidungen unterscheiden: Zum einen ist eine - normalerweise einer einzelnen Norm zu entnehmende - strikte Negativregelung denkbar, die dazu führt, daß für den Fall der Unähnlichkeit eines geregelten Sachverhaltes mit einer nicht (ausdrücklich) geregelten Konstellation ein Umkehrschluß zu ziehen, für den Fall der Ähnlichkeit dagegen von einem Analogieverbot auszugehen ist. Zum anderen kann eine - in der Regel aus einer Mehrzahl von Vorschriften herzuleitende - Sperrwirkung bestehen, 27
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In: Die Vollstreckung des Zivilurteils in den Grenzen seiner Rechtskraft, S. 80 In: Die Vollstreckung des Zivilurteils in den Grenzen seiner Rechtskraft, S. 100. In: Zöller, ZPO, § 325 Rdnr. 28. In: PS Wahl (1973), S. 475. In: PS Zeuner (1994), S. 401,421. In: ZZP 75 (1962), 1, 8-12; derselbe, ZPR, § 91 II 2, S. 505, § 93 vor I, S. 517. In: ZPR, § 91 II 2, S. 505. Vgl. dazu nur Larenz, Methodenlehre der Rechtswissenschaft, S. 413-429.
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2. Teil: Einfachgesetzliche Ausgangslage
die lediglich die Herausbildung allgemeiner Prinzipien hindert. 35 Grundlage der Sperre für eine Rechtsfortbildung kann im übrigen in beiden Fällen das Unterlassen einer Regelung durch den Gesetzgeber sein. 36 Es stellt sich demnach die Frage, ob die Regelungen der §§ 325 ZPO, 97 ArbGG, 9 TVG sowie die Nichtübernahme der zuletzt genannten Vorschrift in das BetrVG einen Umkehrschluß hinsichtlich einer Nichtbindung bei sonstigen kollektiven Rechtsstreitigkeiten bzw. die Annahme eines Analogieverbotes erlauben oder ob wenigstens von einem Rechtsfortbildungsverbot hinsichtlich allgemeiner Rechtsprinzipien auszugehen ist.
2. Zum Vorhandensein einer strikten Negativregelung
a) Aussagegehalt von § 325 ZPO
Angesichts der Vielzahl der Normen über eine Erweiterung des subjektiven Umfanges der Rechtskraft über die Parteien hinaus 37 ist evident, daß § 325 ZPO für sich genommen keine abschließende Regelung der Drittbindungsfälle enthält. Dieser Aspekt allein würde den Gesetzgeber freilich nicht daran hindern, in der genannten Vorschrift eine in jeder Hinsicht abschließende Wirkung der Sonderbestimmungen über die Rechtskrafterstreckung auf Dritte zu statuieren. 38 Nach Auffassung von Prütting ist offenbar von einem derartigen Norminhalt auszugehen, da 35 In diesem Sinne auch BVerfG, Beschl. v. 19. 10. 1983, BVerfGE 65, 182, nach dem die "Ergänzung" des Systems der bevorrechtigten Konkursforderungen gemäߧ 61 Abs. 1 Nr. 1 bis 5 KO durch den Rang "Nr. 0" eine unzulässige Rechtsfortbildung darstellt (S. 191-193), während eine Analogie gleichwohl nicht von vornherein verworfen wird (S. 193). Zu den methodischen Grundlagen siehe im übrigen die überzeugenden Darlegungen von Canaris, Die Feststellung von Lücken im Gesetz, S. 44-48, 180-188, 194-196. Danach setzt ein argumentum e contrarioneben der Unähnlichkeil der zu vergleichenden Tatbestände stets einen ausschließenden Charakter des vorhandenen Rechtssatzes voraus (S. 48). Ein Analogieverbot betrifft demgegenüber diejenigen Fälle, in denen zwar die zu vergleichenden Tatbestände ähnlich sind, der Gesetzgeber die rechtliche Regelung aber gleichwohl abschließend gemeint hat (S. 183/184). Der in beiden Fällen zu prüfende Aspekt der Abgeschlossenheil der gesetzlichen Bestimmungen rechtfertigt es, unter Übergehung der Frage, ob die hier zu untersuchenden, durchaus heterogenen Konstellationen den geregelten Fällen jeweils ähneln, sogleich das Problem der Sperrwirkung zu behandeln. Zu den methodischen Fragen im Zusammenhang mit einem Verbot der Entwicklung allgemeiner Rechtsgrundsätze siehe ferner noch unter 3. Fn. 80. 36 Zur Sperrwirkung unterlassener bzw. laufender Gesetzesvorhaben Wank, Grenzen richterlicher Rechtsfortbildung, S. 229-231. 37 Vgl. z. B. §§ 326, 327, 636a, 638 S. 2, 640h, 641 k, 856 Abs. 4 ZPO, § 1629 Abs. 3 S. 2 BGB, §§ 145 Abs. 2, 147 KO, §§ 248, 249, 252 AktG, § 75 Abs. 2 GmbHG, §§ 51 Abs. 5, 96, 111 Abs. 2 GenG. 38 Dadurch würde § 325 ZPO die Funktion zukommen, die Art. 103 Abs. 2 GG, § 1 StGB auf dem Gebiet des Strafrechts haben.
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er § 325 ZPO das Erfordernis einer normativen Anordnung für eine Rechtskraftausdehnung entnimmt, also als Weg für eine entsprechende Drittbindung ausschließlich die Auslegung der einschlägigen Normen für zulässig erklärt. 39 Der Wortlaut der Vorschrift bringt eine derartige Beschränkung entgegen der Auffassung Prüttings4ü nicht zum Ausdruck, da es an einer Umschreibung in dem Sinne, daß die Rechtskraft "nur" zwischen den Parteien und den sonstigen dort bzw. in Sonderregelungen genannten Personen wirkt, - anders als etwa bei der Auflistung der Gründe für die Nichtigkeit eines Hauptversammlungsbeschlusses41 -gerade fehlt. 42 Entscheidende Bedeutung kommt daher dem vom Gesetzgeber mit dieser Norm verfolgten Zweck zu. 43 Der Blick in die danach maßgeblichen Gesetzesmaterialien zeigt zunächst, daß der Gesetzgeber beabsichtigte, die Rechtskraft des Urteiles lediglich für und gegen die Parteien wirken zu lassen, zwischen denen das Urteil ergangen ist. 44 Zur Begründung hierfür wird darauf verwiesen, daß der Inhalt der gerichtlichen Entscheidung in vielfältiger Weise vom Verhalten der Parteien abhänge.45 Werden somit Parteiverhalten und Rechtskraftbegrenzung verknüpft, so ist 39 In: RdA 1991, 257, 264. Die Ausführungen sind allerdings nicht nicht völlig zweifelsfrei; siehe dazu bereits unter 1. a). 40 Gleiches gilt für die abweichende Ansicht von MünchKommZPO/Gottwald, § 325 Rdnr. 8. 41 § 241 Halbs. 1 AktG. 42 So auch Stucken, Einseitige Rechtskraftwirkung von Urteilen im deutschen Zivilprozeß, S. 25/26. Auf diesen Umstand sowie die vielfach anzutreffende Neigung, das Wort "nur" in den gesetzlichen Tatbestand einzufügen, hat schon Mendelssohn Bartholdy, Grenzen der Rechtskraft, S. 305/306 (Fn. 1), hingewiesen. Ebenso bereits Seuffert, CPO, § 325 Anm. 1 a. Die späteren, auf den ersten Blick dazu in Widerspruch stehenden Ausführungen von Mendelssohn Bartholdy, DJZ 1910, Sp. 189, 190, nach denen die Rechtskraftwirkung ausnahmslos nur zwischen den Parteien des Rechtsstreits eintrete, sind nur vor dem Hintergrund seiner Ansicht erklärlich, die relative Entscheidung zwischen den Parteien müsse als solche von jedermann anerkannt werden. Näher zu dieser absoluten Wirkung der relativen Feststellung unter II. 2. Aufschlußreich auch Hofmann, Über das Wesen und die subjektiven Grenzen der Rechtskraft, S. 47/48, der das Hineininterpretieren des Wortes "nur" ausdrücklich bejaht. 43 Zum Vorrang der Zwecke des Gesetzgebers, der seine Grundlage in dem staatstheoretischen Postulat der Gesetzesbindung der Rechtsprechung findet, vgl. Koch/ Rüßmo.nn, Juristische Begründungslehre, S. 181-184; im Erg. ebenso Engisch, Einführung in das juristische Denken, S. 249/250 Fn. 106b; in diese Richtung auch Larenz, Methodenlehre der Rechtswissenschaft, S. 343-346. 44 Motive (zu§ 192 BGB-E I= 293c CPO a. F. = § 325 ZPO), Bd. I, S. 376/377. 45 Motive, Bd. I, S. 377. Der Zusammenhang zwischen Verhandlungsmaxime und Rechtskraftbeschränkung auf die Parteien entspricht überwiegender Meinung; vgl. nur RG, Urt. v. 22. 5. 1909, RGZ 71, 199, 202; MünchKommZPO!Gottwald, § 325 Rdnr. 1, 8; Stein/ Jonas/ Leipold, ZPO, § 325 Rdnr. 1/2; Grunsky, Grundlagen des Verfahrensrechts, § 47 VI 1, 2 d, S. 535/536, 548; Henckel, ZZP 70 (1957), 448, 462; Bettermo.nn, Die Vollstreckung des Zivilurteils in den Grenzen seiner Rechtskraft, S. 81; einschränkend aber immerhin Hellwig, Wesen und subjektive Begrenzung der Rechtskraft, S. 19; jetzt auch W. Lüke, Die Beteiligung Dritter im Zivilprozeß, S. 116.
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dies ein erster Anhaltspunkt für die Überlegung, daß die subjektive Beschränkung der Rechtskraft ihre innere Berechtigung verliert, wenn Dritte ohnehin der materiellrechtlichen Verfügungsmacht der Parteien unterliegen. 46 Weiterhin ist in den Materialien davon die Rede, der Grundsatz der Rechtskraftwirkung inter partes gelte nur "regelmäßig" und sei "nicht ohne Ausnahme". 47 Aus der Eigentümlichkeit einzelner Rechtsinstitute oder Rechtsverhältnisse seien - wie hervorgehoben wird- Bestimmungen über eine Rechtskraftausdehnung erwachsen. 48 So wird in diesem Zusammenhang erwähnt, daß das in einem von der Ehefrau mit Zustimmung ihres Ehemannes geführten Prozesses ergehende Urteil auch gegenüber dem Ehemann im Hinblick auf die ihm - nach damaligem Eherecht - auf Grund seines Nutznießungs- und Verwaltungsrechts zukommenden Rechte wirke. 49 Den materiellrechtlichen Vorschriften der §§ 1293, 1302 BGB-E 150 wurde damit ohne eindeutige Grundlage im Gesetz und ohne Rücksicht auf die dem heutigen § 325 ZPO entsprechende Norm die Wirkung zuerkannt, eine Rechtskrafterstreckung auszulösen. 51 Demnach beinhaltet § 325 ZPO zwar den Grundsatz der Rechtskraftbeschränkung auf die Parteien. Die Bejahung erweiterter Bindungen stellt - insoweit ist Prüttini2 zuzustimmen - eine Ausnahme dar, die einer eigenständigen Begründung bedarf. Hierfür kann die schlichte Aussage, daß widersprechende Entscheidungen möglichst zu vermeiden seien, 53 nicht genügen. 54 Dieser Vorschrift kann jedoch keine abschließende Regelung in dem Sinne entnommen werden, eine Rechtsfortbildung und damit auch eine analoge Anwendung einzelner Rechtskrafterstreckungsvorschriften sei strikt untersagt. 55 Eine solche Abgeschlossenheit müßte von demjenigen zweifelsfrei dargetan werden, der sich hierauf zur Abwehr ungeschriebener Drittbindungen beruft. 56 Siehe dazu Näheres unten§ 7 I. 2. u. II. 2. c) bb). Motive, Bd. I, S. 377. 48 Motive, Bd. I, S. 380. 49 Motive, Bd. I, S. 380/381; ebenso Bd. IV, S. 232. 50 § 1293 BGB-E I wurde nicht in das BGB aufgenommen,§ 1302 BGB-E I ist als§ 1400 BGB a. F. in das BGB eingestellt worden, vgl. Mugdan, Bd. IV, S. XVIII und XXI. 51 In diesem Sinne auch RG, Urt. v. 26. 11. 1903, RGZ 56, 73, 76177; Urt. v. 4. 12. 1918, RGZ 92, 153, 156. 52 In: RdA 1991,257, 264. 53 So BAG, Urt. v. 10. 11. 1987, AP Nr. 15 zu§ 113 BetrVG 1972 (unter 2 c d. Gr.). 54 Abi. auch Leipold, Anm. zu BAG, AP Nr. 15 zu § 113 BetrVG 1972 (unter 4 a. E.); Dütz, FS Gnade (1992), S. 487, 497/498; Konzen, FS Zeuner (1994), S. 401,407. 55 Gegen die Vorstellung eines erschöpfenden Charakters des § 325 ZPO ebenfalls bereits Goldschmidt, Der Prozeß als Rechtslage, S. 197; vergleichbar schon Seuffert, ZZP Bd. 22 (1896), 322, 339: Abgeschlossenheit der§§ 326, 327 ZPO als (abzulehnende) "formalistische Gesetzesauslegung". 56 Vgl. Canaris, Die Feststellung von Lücken im Gesetz, S. 48 mit Fn. 132, zur Situation beim Umkehrschluß sowie S. 184 zum Analogieverbot 46 47
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b) Schlußfolgerungen aus den§§ 148, 149 ZPO
Die Aussetzungsvorschriften der §§ 148, 149 ZPO sind entgegen der Ansicht Prüttings57 für die Frage einer gesetzgebensehen Entscheidung gegen Rechtskrafterstreckungen unergiebig. Die Möglichkeit der Aussetzung wegen der Vorgreiflichkeit anderer Verfahren spricht nicht gegen, sondern eher für eventuelle Drittbindungen.58 Eine Aussetzung wäre bei einer erweiterten Bindungswirkung nicht, wie Prütting annimmt, überflüssig, sondern im Gegenteil geboten. 59 Dementsprechend wird diskutiert, ob die Aussetzung nach § 148 BGB nur bei einer späteren Bindung der vorgreifliehen Entscheidung60 oder auch in sonstigen Fällen zu erfolgen hat61 . c) Normativer Inhalt von§ 97 Abs. 5 ArbGG
Die von Prütting des weiteren herangezogene Bestimmung des § 97 Abs. 5 ArbGG eignet sich ebenfalls nicht als Anknüpfungspunkt für einen Umkehrschluß auf außerhalb des Anwendungsbereiches dieser Norm ausnahmslos nicht gewollte Bindungswirkungen. Wie bereits dargelegt, 62 kann dieser Vorschrift durch Auslegung nicht die Anordnung einer Rechtskrafterstreckung entnommen werden. Vielmehr ist es allenfalls möglich, die gesetzliche Regelung "zu Ende zu denken" und aus noch zu erörternden Gründen 63 zu einer Ausdehnung des subjektiven Umfanges der Rechtskraft zu gelangen. Wenn sich der Gesetzgeber aber bei Sonderbestimmungen über das Beschlußverfahren zur Feststellung der Tariffähigkeit bzw. Tarifzuständigkeit einer Norm über eine Drittbindung enthalten hat, dann ist es nicht möglich, einen Umkehrschluß des Inhalts zu ziehen, daß in sonstigen Beschlußverfahren eine erweiterte Maßgeblichkeil der gerichtlichen Entscheidung nicht gewollt ist. Die Argumentation Prüttings läuft demnach in der Sache darauf In: RdA 1991, 257, 264. Allerdings kann aus der Aussetzungsmöglichkeit allein noch nicht auf eine Bindung geschlossen werden, vgl. Bötticher, FS Hundert Jahre DIT (1960), Bd. I, S. 511 , 535/536 (Fn. 42). Immerhin läßt sich aus einem fehlenden Aussetzungszwang auch nicht der Schluß auf eine mangelnde Bindung ziehen, wie die Regelung der §§ 191, 268 öZPO belegt; vgl. dazu H. F. Gaul, FS Fasching (1988), S. 157, 165. 59 Bei der sogleich zu erörternden Konstellation des§ 97 Abs. 5 ArbGG schließt Prütting, RdA 1991, 257, 266, denn auch von der Aussetzungspflicht auf eine erweiterte Bindungswirkung. 60 So z. B. OLG Frankfurt a. M., Beschl. v. 12. 11. 1985, MDR 1986, 325; Zöller/ Greger, ZPO, § 148 Rdnr. 5. 61 So MünchKommZPO/Peters, § 148 Rdnr. 10. Nicht einleuchtend daher auch die Ausführungen von Jox, Die Bindung an Gerichtsentscheidungen über präjudizielle Rechtsverhältnisse, S. 71. 62 Siehe dazu oben § 3 II. 2. 63 Siehe dazu unten § 13 li. l. a) u. b ). 57
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hinaus, nicht der gesetzlichen Regelung selbst, sondern der über den Gesetzeswortlaut hinausgehenden, weithin anerkannten64 Rechtsfortbildung abschließenden Charakter zuzusprechen. Dies ist im Ergebnis zwar dann nicht ausgeschlossen, wenn die rechtsfortbildend entwickelte Begründung einer Rechtsfolge auf sonstige Fallkonstellationen nicht anwendbar ist und auch keine Alternativbegründungen ersichtlich sind. Der Grund für den Nichteintritt der besagten Rechtsfolge liegt in diesem Falle aber nicht in dem angeblich abschließenden Charakter einer Norm, sondern in der fehlenden Begründbarkeil einer - weiteren - Rechtsfortbildung.
d) Rückschlüsse aus§ 9 TVG sowie dem Fehlen einer entsprechenden betriebsverfassungsrechtlichen Regelung
Als letztes besonderes Hindernis für ungeschriebene Drittbindungen in kollektiven Rechtsstreitigkeiten kommt § 9 TVG bzw. das Fehlen einer vergleichbaren Norm im BetrVG in Betracht. Die Argumentation Prüttings geht zunächst dahin, daß bei der entsprechenden Anwendung von § 9 TVG auf bestimmte Konstellationen im Betriebsverfassungsrecht ohnehin nur eine Rechtsanalogie, nicht aber eine Gesetzesanalogie vorliegen könne. 65 Dies ist insofern zweifelhaft, als die Literatur in erster Linie die analoge Anwendung des § 9 TVG bei Streitigkeiten über die Gültigkeit bzw. den Inhalt von Betriebsvereinbarungen (Sozialplänen) diskutiert66 und sich das BAG ebenfalls gerade in dieser Fallkonstellation zumindest auch auf diese Vorschrift gestützt hat67 . Wären Tarifvertrag und Betriebsvereinbarung in der für die Schaffung des § 9 TVG maßgeblichen Hinsicht (nur darum kann es gehen) hinreichend ähnlich, dann stünde insoweit allein die Frage einer Gesetzes- bzw. Einzelanalogie68 in Rede. Ein weiteres Argument Prüttings liegt in der Verneinung einer Gesetzeslücke, die aus der fehlenden Übernahme des § 9 TVG in das BetrVG hergeleitet wird. 69 Bei der Einordnung dieses Gedankens ist zu berücksichtigen, daß Prütting zuvor Siehe dazu die Nachw. oben§ 3 II. 2. Fn. 257. In: RdA 1991, 257,265. 66 Kreutz, GK-BetrVG, § 77 Rdnr. 349; Kraft, Anm. zu BAG, AP Nr. 11 zu§ 112 BetrVG 1972 (unter III 4 c); Dütz, ArbRGegw Bd. 20 (Dok. für 1982), 33, 51 -54; Otto, RdA 1989, 247, 252/253. Allerdings plädiert Leipold, Anm. zu BAG, AP Nr. 15 zu§ 113 BetrVG 1972 (unter 7), auch in den Fällen eines Beschlußverfahrens über das Vorliegen einer Betriebsänderung (zur Fallgestaltung siehe bereits oben § 2 III. 3. b) aa)) für eine Rechtskrafterstrekkung auf die Arbeitnehmer aus dem "Gedanken einer kollektiven Repräsentation in Verbindung mit der analogen Anwendung von § 9 1VG". 67 Urt. v. 17. 2. 1992, APNr. 1 zu§ 84ArbGG 1979 (unter li 3 b d. Gr.). 68 Zum Unterschied zwischen Einzel- und Gesamtanalogie siehe Larenz, Methodenlehre der Rechtswissenschaft, S. 383-387; Bydlinski, Juristische Methodenlehre und Rechtsbegriff, s. 477-479. 69 In: RdA 1991,257,265. 64
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die Ähnlichkeit zwischen Tarifvertrag und Betriebsvereinbarung negiert hat. Demnach behandelt er in seinen späteren Ausführungen die Frage eines Umkehrschlusses aus § 9 TVG auf die Situation im Betriebsverfassungsrecht Aber auch wenn man von einer grundsätzlich bestehenden Ähnlichkeit der beiden Kollektivregelungsarten ausgeht, ist das Problem aufzuwerfen, ob der Gesetzgeber mit der Schaffung des§ 9 TVG sowie der Nichtübernahme in das BetrVG eine bewußt abschließende Normierung getroffen hat. Was § 9 TVG angeht, so lassen sich weder dem Wortlaut noch der Entstehungsgeschichte der Norm Anhaltspunkte dafür entnehmen, daß mit diesem Gesetz eine abschließende Regelung statuiert werden sollte. 70 Insbesondere kann aus dieser Vorschrift keine negative Regelung für das BetrVG hergeleitet werden. Das Fehlen einer ausdrücklichen Vorschrift im BetrVG wiederum läßt sich ebenfalls nicht auf eine bewußte Entscheidung des Gesetzgebers zurückführen. Ein derartiger Nachweis wäre anband der Gesetzesmaterialien zu führen. Die bloße Berufung darauf, die Nichtübernahme in das BetrVG angesichts der Vorgeschichte des § 9 TVG könne nicht als Zufall angesehen werden, 71 reicht hierfür nicht aus. Vielmehr kann eine Negativregelung, die eine Sperrwirkung gegenüber weitergehenden Rechtsgewinnungsansätzen auslöst, bei einem Fehlen semantischer Anhaltspunkte nur dann bejaht werden, wenn sich der Gesetzgeber nachweislich mit einer problematischen Fallgruppe befaßt, von einer Sonderregelung aber unter Verweis auf die allgemeinen Vorschriften gerade abgesehen hat. 72 Daher führt auch der Kodifikationscharakter des BetrVG73 nicht zu einer absoluten Rechtsfortbildungssperre. Dies belegen nicht zuletzt die insoweit vergleichbare allgemeine Befürwortung der Geltung des Günstigkeilsprinzips im Verhältnis zwischen Arbeitsvertrag und Betriebsvereinbarung74 trotzdes Fehlenseiner § 4 Abs. 3 TVG entsprechenden Norm.75 Welche hohen und in der Regel nicht erfüllten Anforderungen an eine eindeutige Negativregelung zu stellen sind, beleuchten im übrigen die Ausführungen von Canaris76 in überzeugender Weise, nach denen nicht einmal eine zweifelsfreie enumerative Regelung die gesetzgebensehe Entscheidung über die Abgeschlossenheit der Aufzählung enthält. 77 70 In diese Richtung aber Brox, JuS 1961, 252, 254; Habscheid, FS Nipperdey (1965) Bd. I, S. 895, 905/906. 71 Prütting, RdA 1991, 257, 265; ebenso Hanau, RdA 1989, 207, 211. n Das Bestehen einer Sperrwirkung auf Grund parlamentarischer Aktivitäten im Vorfeld der Normbildung ist noch nicht abschließend geklärt. So sah es das BVerfG in der SorayaEntscheidung, Beschl. v. 14. 2. 1973, BVerfGE 34, 269, 291/292, als für eine Rechtsfortbildung unschädlich an, wenn ein Gesetzgebungsvorhaben bereits zweimal jeweils zu Anfang gescheitert war. Siehe hierzu auch noch Wank, Grenzen der Rechtsfortbildung, S. 229-231. 73 Vgl. BR-Drucks. 715170, S. 31. 74 Vgl. nur BAG (GS), Beschl. v. 16. 9. 1986, AP Nr. 17 zu§ 77 BetrVG (unter C II 3d. Gr.); Fitting!Au.ffarth/Kaiser/Heither, BetrVG, § 77 Rdnr. 44; Kreutz, GK-BetrVG, § 77 Rdnr. 204; jetzt auch Hess, in: Hess/Schlochauer/Glaubitz, BetrVG, § 77 Rdnr. 89. 75 So auch BAG, Urt. v. 17. 2. 1992, APNr. 1 zu§ 84 ArbGG 1979 (unter li 3 bd. Gr.). 76 In: Die Feststellung von Lücken im Gesetz, S. 184.
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Zusätzlich sei daran erinnert, daß Rechtsprechung und Literatur in bestimmten Konstellationen die analoge Anwendung von Vorschriften über Gestaltungsurteile gestatten78 , obgleich die hierdurch hervorgerufene allseitige Bindung an die neue Rechtslage - wie dargelege9 - Dritte ebenso stark belasten kann wie eine Rechtskrafterstreckung. Diese Parallele zu anerkannten Rechtsentwicklungen beleuchtet, wie wenig überzeugend es wäre, eine Vielzahl einzelner, nicht zusammenhängender Regelungen als ein in sich abgeschlossenes, Erweiterungen unter keinen Umständen zugängliches System zu verstehen.
e) Zwischenergebnis
Damit ist festzuhalten, daß sich den im vorliegenden Zusammenhang relevanten Vorschriften der§§ 325 ZPO, 97 ArbGG und§ 9 TVG sowie der Nichtübernahme der tariflichen Norm in das BetrVG keine jegliche Rechtsfortbildung abschneidende gesetzliche Negativregelung entnehmen läßt.
3. Zum Bestehen einer Sperrwirkung für die Herausbildung allgemeiner Grundsätze
Zu überlegen bleibt, ob der Gesamtheit der Drittbindungsvorschriften die Wertung zu entnehmen ist, daß zumindest die Entwicklung allgemeiner Prinzipien für eine Rechtskrafterstreckung (etwa auf Grund materiellrechtlicher Abhängigkeit) zu unterbleiben hat. 80 So wendet sich Prütting gegen die in der Literatur teilweise befürworteten allgemeinen Grundsätze über eine Ausdehnung der Rechtskraft auf Dritte81 unter anderem mit der Begründung, aus einer Gesamtschau der Drittbindungsvorschriften ergebe sich die bewußte Ablehnung ungeschriebener Rechtskrafterweiterungen. 82 77 Angesichts der seit Heck, AcP 112 (1914), 1, 186-189, vom Methodenschrifttum bekämpften, wenngleich immer wieder begegnenden These, einer Norm zunächst Ausnahmecharakter zuzuschreiben, um daraus hernach ein Analogieverbot abzuleiten, erscheint ein Eingehen auf die Frage des Ausnahmecharakters von § 9 TVG an dieser Stelle entbehrlich. Gegen diese Denkform z. B. auch Larenz, Methodenlehre der Rechtswissenschaft, S. 355/ 356; Engisch, Einführung in das juristische Denken, S. 151; Bydlinski, Juristische Methodenlehre und Rechtsbegriff, S. 440; Canaris, Die Feststellung von Lücken im Gesetz, S. 181. 78 Nachweise oben§ 2 III. 1. b) aa) Fn. 65. 79 Siehe dazu oben§ 2 III. 1. b) cc), 2. c) u. 4. a). so Insoweit geht es um ein gesetzliches Verbot, aus einer Mehrzahl von Vorschriften wie auch aus einer einzelnen Norm einen allgemeinen Rechtsgrundsatz abzuleiten (Induktionsverbot); zu den Einzelheiten Larenz, Methodenlehre der Rechtswissenschaft, S. 383-388; Canaris, Die Feststellung von Lücken im Gesetz, S. 181-188. BI Siehe dazu im einzelnen unten § 7 I. 2. sz In: RdA 1991,257, 264.
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Unterzieht man diese Ansicht einer näheren Betrachtung, so zeigt sich, daß Prütting den Normen, die als Rechtsfolge eine Rechtskraftwirkung oder eine vergleichbare Bindungsform anordnen, zugleich die Bedeutung beimißt, negativ den Nichteintritt einer Rechtskraftbindung zu regeln, sofern nicht die tatbestandliehen Voraussetzungen der jeweiligen Normen gegeben sind. Prütting versteht die einschlägigen Vorschriften demnach nicht lediglich als positive konditionale Verknüpfung von Tatbestand und Rechtsfolge, sondern als eine bikonditionale Verbindung, bei der die betreffende Rechtsfolge dann und nur dann eintrete, wenn die Tatbestandselemente der geschriebenen Normen über eine Drittbindung vorlägen. In der Sache läuft dies auf eine Restauration der Lehre vom allgemeinen negativen Satz im Sinne Zitelmanni3 hinaus. Danach stünde - übertragen auf die Fälle der Rechtskrafterstreckung - im Hintergrund sämtlicher besonderen Rechtssätze, die die Rechtskraftwirkung auf Dritte ausdehnen, der allgemeine negative Grundsatz, daß eine Rechtskrafterstreckung außerhalb dieser besonderen Fälle gerade nicht zu erfolgen habe. 84 Der Ansatz, Rechtsnormen generell einen derartigen Inhalt zu entnehmen, wird in der Methodenlehre jedoch ganz überwiegend abgelehnt. 85 In der Tat kann aus der bloßen Existenz der in der Rechtsordnung auffindbaren vielfältigen Bindungsvorschriften allein nicht der Schluß auf eine gesetzliche Grundwertung gezogen werden, nach der außerhalb der benannten Fälle eine generelle Regel der Nichtbindung eingreift. Auch der Gedanke, ein Verbot ungeschriebener Drittbindungen auf Grund allgemeiner Prinzipien daraus herleiten zu wollen, daß man die Schaffung spezieller Normen über eine Drittwirkung gerichtlicher Entscheidungen in verschiedenen Rechtsbereichen als enumerative Aufzählung versteht, verleiht der Auffassung Prüttings keine stärkere Überzeugungsk[aft. Die Annahme eines Enumerationsprinzips würde nämlich voraussetzen, daß sich der Gesetzgeber bei der Statuierung der einzelnen Drittbindungsregelungen derjenigen Fallkonstellationen überhaupt bewußt gewesen ist, in denen es außerhalb des jeweils geregelten Lebensbereiches zu einem Bedürfnis nach konvergierenden Entscheidungen bei Drittbeteiligung kommen kann. Angesichts der inhaltlich häufig völlig unverbundenen Rechtsbereiche sowie der zeitlich weit auseinanderliegenden Gesetzgebungsverfahren kann 83 In: Lücken im Recht (1903), S. 19. Im Erg. ebenso Kelsen, Reine Rechtslehre, S. 251253, nach dem beim Fehlen einer einzelnen Rechtsnorm stets die dahinter stehende generelle Rechtsordnung anwendbar sei. 84 Bei der Einordnung der Lehre vom allgemeinen negativen Satz in die hier vorgenommene Aufteilung einer "strikten" und einer "allgemeinen" Sperrwirkung gesetzlicher Bestimmungen wird davon ausgegangen, daß es in der Konsequenz dieser Lehre liegt, lediglich die Gewinnung allgemeiner Rechtsprinzipien zu unterbinden. Erkennt man ihr einen weitergehenden Inhalt zu, so wäre sie bei der Erörterung einer strikten Negativregelung (unter 2.) zu rubrizieren. 85 Larenz, Methodenlehre der Rechtswissenschaft, S. 378; Bydlinski, Juristische Methodenlehre und Rechtsbegriff, S. 236, 472/473; Canaris, Die Feststellung von Lücken im Gesetz, S. 49/50 mit weit. Nachw.
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von einer bewußten Mitberücksichtigung fremder Rechtsmaterien indessen nicht die Rede sein. 86 Aus der Schaffung spezieller Bindungsvorschriften kann lediglich gefolgert werden, daß der Normgeber die - allgemeinen - Vorschriften der §§ 325 bis 327 ZPO nicht für ausreichend hielt, das jeweilige materielle Recht adäquat zu verwirklichen. Eine weitergehende gesetzliche Wertentscheidung ergibt sich auch nicht aus der Entstehungsgeschichte der ZPO, auf die sich Prütting zur Bekräftigung seiner Sichtweise beruft. 87 Die von ihm herangezogene Vorschrift des § 14 Abs. 2 Nr. 1 EGZPO beseitigt ausdrücklich nur die bindende Kraft des strafgerichtliehen Urteils für den Zivilrichter. Sie dient, ebenso wie die weiteren Bestimmungen des § 14 Abs. 2 Nr. 2 und 3 EGZPO, der Gewährleistung des in § 286 ZPO niedergelegten Grundsatzes der freien richterlichen Beweiswürdigung. Dagegen wird die Frage der subjektiven Reichweite der materiellen Rechtskraft von den genannten Normen weder angesprochen noch wollte sich der historische Gesetzgeber hierzu überhaupt äußern. Vielmehr hat sich der Normgeber der CPO von 1877 einer Aussage über die Reichweite der Rechtskraftwirkungen gegenüber (privaten) Dritten enthalten, da dies allgemein als eine zivilrechtliche Materie angesehen wurde. 88 Auch bei der im Zusammenhang mit der Schaffung des BGB stehenden Novellierung der CPO im Jahre 1898 entschied man sich lediglich dafür, die Grundnorm über die Rechtskraftbeschränkung auf die Parteien und die Rechtsnachfolger (§ 191 BGB-E I =§ 293c CPO a. F. = § 325 ZPO) in das Zivilprozeßrecht zu weisen. Die "auf der Eigenthümlichkeit einzelner Rechtsinstitute oder Rechtsverhältnisse beruhenden Sonderbestimmungen" sollten statt dessen im BGB belassen werden. 89 Argumente für einen numerus clausus der Sonderregelungen über die Rechtskrafterstreckung ergeben sich hieraus nicht. Schließlich ist darauf hinzuweisen, daß sich Rechtsprechung und Schrifttum durch die Existenz der Sonderbestimmungen zur Rechtskrafterstreckung auf Dritte keineswegs gehindert gesehen haben, außerhalb des Arbeitsrechts sachgerechte Grundsätze für ungeschriebene Drittbindungen zu entwickeln. 90 So wirkt die Rechtskraft zumindest in den Fällen, in denen einem gesetzlichen Prozeßstand86 So können die einzelnen Vorschriften über eine Rechtskrafterstreckung keinesfalls mit den Regelungen über bevorrechtigte Konkursforderungen gemäߧ 61 Abs. 1 Nr. 1 bis 5 KO verglichen werden, die nach BVerfG, Beschl. v. 19. 10. 1983, BVerfGE 65, 182, 191-193, ein geschlossenes System bilden. 87 In: RdA 1991, 257, 264. 88 Vgl. RG, Urt. v. 6. 3. 1900, RGZ 46, 8, 10/11; Seuffert, CPO, § 293 Anm. 5. Wach/ Laband, Zur Lehre von der Rechtskraft, S. 60/61. Siehe auch Stein/ Jonas I Leipold, ZPO, § 322 Rdnr. 50. 89 Protokolle, Bd. I, S. 254. 90 In diesem Sinne bereits RG, Urt. v. 21. 6. 1935, RGZ 148, 166, 173: Ausnahmen vom Grundsatz der Rechtskraftbeschränkung auf die Parteien seien "der Entwicklung fähig"; ebenso Hofmann, Über das Wesen und die subjektiven Grenzen der Rechtskraft, S. 48: Rechtskrafterstreckungsvorschriften enthielten "entwicklungsfähige Grundgedanken".
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schafter die alleinige Prozeßführungsbefugnis zukommt, bei einem durch den Prozeßstandschafter geführten Rechtsstreit nach einhelliger Ansicht auch gegen den Rechtsinhaber. 91 Die Grundlage hierfür ergibt sich zum Beispiel bei den Parteien kraft Amtes92 weder aus dem Wortlaut des lediglich die Testamentsvollstreckung regelnden § 327 ZPO noch aus den Vorschriften über den Konkurs-, Zwangs- oder Nachlaßverwalter, sondern auch ohne eine entsprechende gesetzliche Bestimmung93 aus der Überlegung, daß gegen den Rechtsträger mangels Prozeßführungsbefugnis anderenfalls niemals ein rechtskräftiges Erkenntnis zu gelangen wäre. 94 Methodisch handelt es sich insoweit eindeutig um (zulässige) Rechtsfortbildung und nicht lediglich um Auslegung. 95 Gleiches gilt für die allseits befürwortete Rechtskrafterstreckung in den Fällen der gewillkürten Prozeßstandschaft.96 Hier stellt die Erweiterung der für sich genommen nicht disponiblen97 materiellen Rechtskraft eine gesetzliche Folge der privatautonomen Einräumung der Prozeßführungsbefugnis dar98 , ohne daß sich dieses sachgerechte Ergebnis auf eine explizite Norm gründen läßt. Diese Beispiele zeigen, zu welch unbefriedigenden Lösungen die Annahme einer enumerativen Auflistung der Rechtskrafterstreckungsvorschriften konsequenterweise führen müßte. Wer indessen diesen angeblichen Grundsatz auch nur in einem einzigen Fall außer acht läßt, offenbart damit, wie brüchig und konturenlos er
91
Vgl. etwa BGH, Beschl. v. 27. 10. 1983, BGHZ 88, 331, 334; MünchKommZPO!Gott-
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Bei der Einordnung der Vermögensverwalter vertritt die h. M. die Amtstheorie; vgl. nur
wald, § 325 Rdnr. 38; Stein/Jonas/Leipold, ZPO, § 325 Rdnr. 54; Wieczorek/Schütze/ Hausmann, ZPO, Vor§ 50 Rdnr. 60; A. Blomeyer, ZPR, § 92 I 1, S. 509; Bruns, ZPR, Rdnr. 244; Schack, NJW 1988, 865, 867. Siehe dazu auch noch unten§ 5 I. l. a) mit weit. Nachw.
Zöller/Vollkommer, ZPO, §51 Rdnr. 7; Grunsky, Grundlagen des Verfahrensrechts, § 28 I 3,
S. 259 jeweils mit weit. Nachw. Die in diesem Zusammenhang teilweise vorgenommene begriffliche Sonderung von (eigentlicher) Prozeßstandschaft und (bloßer) Prozeßgeschäftsführung mag auf sich beruhen; dazu Pawlowski, JuS 1990, 378/379, mit weit. Nachw. Zu den sonstigen Fällen siehe im übrigen Rosenberg/Schwab/Gottwald, ZPR, § 46 V 3 a, S. 242. 93 So ausdrücklich Rosenberg/Schwab/Gottwald, ZPR, § 46 V 2, S. 241. 94 Rosenberg/Schwab/Gottwald, ZPR, § 46 V 2, 3 a, S. 241/242; Schack, NJW 1988, 865, 867. Anders aber z. B. Jauemig, ZPR, § 63 IV 4, S. 232: .,Art von Rechtsnachfolge". 95 Die gegenteilige Ansicht von Prütting, RdA 1991, 257, 266, vermag nicht zu überzeugen. Auch Schacks, NJW 1988, 865, 867, Versuch, diesen Fall als eine Urteilswirkung ,,kraft Gesetzes" (siehe die Überschrift unter II [S. 865] - anders aber unter III 3 [S. 872]) einzuordnen, ist zurückzuweisen. 96 Siehe BGH, Urt. v. 3. 7. 1980, BGHZ 78, 1, 7; Urt. v. 11. 5. 1988, NJW 1988, 2375, 2376; Urt. v. 7. 7. 1993, BGHZ 123, 132, 135/136; Thomas/Putzo, ZPO, §51 Rdnr. 39; Zöller/Vollkommer, ZPO, Vor§ 50 Rdnr. 54; A. Blomeyer, ZPR, § 92 I 3, S. 512; Michaelis, FS Larenz (1983), S. 443, 462/463; Pawlowski, JuS 1990, 378,379. 97 Jauemig, ZZP 64 (1950/51), 285, 305. 98 So ausdrücklich Goldschmidt, Der Prozeß als Rechtslage, S. 459 (Fn. 2432a a. E.); Jauemig, ZZP 64 (1950/51), 285, 303. Etwas anders jetzt Berger, Die subjektiven Grenzen der Rechtskraft bei der Prozeßstandschaft, S. 141-144.
144
2. Teil: Einfachgesetzliche Ausgangslage
trotz verbaler Anerkennung letztlich gehandhabt würde99 , was zusätzlich gegen seine Existenz spricht. 4. Ergebnis
Aus den §§ 325 ZPO, 97 ArbGG, 9 TVG wie auch aus der Gesamtheit der Drittbindungsvorschriften kann nach alledem weder eine abschließende, ein Analogieverbot beinhaltende Negativregelung noch die Unzulässigkeit der Herausbildung allgemeiner Rechtsprinzipien über ungeschriebene Bindungen Dritter durch gerichtliche Entscheidungen hergeleitet werden.
II. Zum Besteben umfassender Drittbindungen Lassen sich, wie die vorstehenden Überlegungen gezeigt haben, keine unübersteigbaren gesetzlichen Hindernisse für ungeschriebene Entscheidungswirkungen gegenüber Dritten konstatieren, so bedarf es nunmehr einer näheren Betrachtung der - gleichsam auf dem anderen Ende der Skala angesiedelten - Auffassungen, die zu einer generellen Drittwirkung gerichtlicher Entscheidungen führen. Die Bedeutung dieser Frage für die hier zu behandelnden Fallkonstellationen liegt auf der Hand: Würde ein arbeitsgerichtliches Erkenntnis in einem Kollektivverfahren sämtliche Arbeitnehmer, deren Rechtsstellung von dem entschiedenen Rechtsverhältnis materiellrechtlich abhängt 100, qua Rechtskraft oder durch eine vergleichbare Wirkung binden, so wäre jegliches Bemühen um eine Einzelanalyse der für bzw. gegen seine Maßgeblichkeit sprechenden Gesichtspunkte unnötig.
1. Aussagegehalt der Rechtskraftlehren
Festzuhalten ist zunächst, daß sich aus den unterschiedlichen Verständnissen zur Wirkungsweise der materiellen Rechtskraft 101 keine Erkenntnisse für die Bestimmung des von ihr erfaßten Personenkreises herleiten lassen. 99 So gibt MünchKommZPO/Gottwald, § 325, das unter Rdnr. 4 aufgestellte Postulat einer gesetzlichen Bestimmung unter Rdnr. 38 stillschweigend wieder auf, indem er bei der gesetzlichen Prozeßstandschaft die materielle Verfügungsbefugnis sogar über restriktive Auffassungen in der Literatur (vgl. Sinaniotis, ZZP 79 [1966], 78, 90-97) hinaus als Rechtfertigung einer Rechtskrafterstreckung anerkennt. 100 Zu denken ist vor allem an die nicht durch § 9 TVG geregelten arbeitskampf- und betriebsverfassungsrechtlichen Fallgruppen. 101 Eine Darlegung der hinlänglich bekannten Rechtskrafttheorien erscheint angesichts des Vorhandenseins einer Reihe vorzüglicher Darstellungen entbehrlich; vgl. nur Stein/Jonas/Leipold, ZPO, § 322 Rdnr. 19ff., sowie H. F. Gaul, FS Flume (1978) Bd. I, S. 443ff.
§ 4 Generelle Lehren zu ungeschriebenen Drittbindungen
145
Dies gilt insbesondere für die ,,klassischen" Rechtskraftlehren. Zwar wird in diesem Zusammenhang immer wieder die These vertreten, daß die Auseinandersetzung mit den subjektiven Grenzen der Rechtskraft zwingend eine Stellungnahme zu den verschiedenen Rechtskrafttheorien erfordere. 102 Insbesondere, so ist zu lesen, müsse die materiellrechtliche Sichtweise der Rechtskraft 103 zu einer absoluten Wirkung auch gegenüber Dritten führen. 104 Dem letztgenannten Standpunkt, der häufig ohnehin nur dazu diente, die Unhaltbarkeit der materiellrechtlichen Rechtskrafttheorie darzutun, ist aber mit Recht schon frühzeitig entgegengehalten worden, daß eine relative, nur zwischen den Parteien wirkende Veränderung des materiellen Rechts durchaus vorstellbar sei. 105 Darüber hinaus ist es aber grundsätzlich abzulehnen, von einer dem Gesetz zumindest nicht unmittelbar entnehmbaren Theorie auszugehen und ihr die gesetzlichen Regelungen bei der Lösung konkreter Fälle unterzuordnen. 106 Zudem ist gedanklich zwischen der Rechtskraftwirkung Zudem dürfte eine auf Genauigkeit bedachte Schilderung die vielen Nuancierungen innerhalb der materiellrechtlichen (vgl. nur die Sonderlehre von Pagenstecher, Zur Lehre von der materiellen Rechtskraft, passim, insb. S. 302 ff., die lediglich vor dem Hintergrund seiner von der h. M. abweichenden Auffassung vom Urteilsgegenstand verständlich ist) und der prozessualen Rechtskraftlehren nicht außer acht lassen; darüber hinaus wäre eine im Einzelfall durchaus schwierige rechtsdogmatische Einordnung erforderlich (so wird etwa die Lehre von Mendelssohn Bartholdy, Grenzen der Rechtskraft, S. 424-449, von Koussoulis, Beiträge zur modernen Rechtskraftlehre, S. 104, als materiellrechtlich, von Neuner, ZZP 54 [1929], 216, 251 [Fn. 129], hingegen als prozessual bezeichnet; Vergleichbares gilt für die "Vermutungslehre" von Pohle, FS Calamandrei [1958], Bd. 2, S. 379, 383 ff., die er selbst [S. 397] als materiellrechtlich bezeichnet, während H. F Gaul, FS Flume [1978], Bd. I, S. 443, 520/521 [Fn. 443], sie für prozessual hält). 102 So schon Pagenstecher, RheinZ 6 (1914), 489, 492/493; Heim, Die Feststellungswirkung des Zivilurteils, S. 108, 203; Jauemig, ZZP 64 (1950/51), 285, 294/295 (Fn. 44). In diese Richtung auch Martens, ZZP 79 (1966), 404, 405. 103 Wie bereits Lent, Die Gesetzeskonkurrenz im bürgerlichen Recht und Zivilprozeß, S. 168-170, und Bötticher, Kritische Beiträge zur Lehre von der materiellen Rechtskraft im Zivilprozeß, S. 95-104, überzeugend herausgearbeitet haben, sind als materiellrechtlich (i. e. S.) nur diejenigen Lehren zu bezeichnen, die die im Ergebnis einhellig bejahte Bindung des später entscheidenden Gerichts an das rechtskräftige Erkenntnis auf das materielle Recht zurückführen. Zust. Neuner, ZZP 54 (1929), 217, 226; Otto, Die Präklusion, S. 81. Davon ist die Frage nach etwaigen zusätzlichen materiellrechtlichen Wirkungen der Rechtskraft strikt zu trennen; siehe dazu auch Koussoulis, Beiträge zur modernen Rechtskraftlehre, S. 26-29. 104 So bereits Hellwig, System des Deutschen ZPR, § 229 VI 2, S. 783; Kuttner, Urteilswirkungen außerhalb des Zivilprozesses, S. 18; Heim, Die Feststellungswirkung des Zivilurteils, S. 121; Hofmann, Über das Wesen und die subjektiven Grenzen der Rechtskraft, S. 20. Dieselbe Schlußfolgerung findet sich (befürwortend) auch bei Martens, ZZP 79 (1966), 404, 433, der die materiellrechtliche Wirkungsweise des Urteils allerdings darauf stützen will, daß jeder Entscheidung eine die materielle Rechtslage vervollständigende Funktion zukomme (S. 417-419). ws Goldschmidt, Der Prozeß als Rechtslage, S. 177; Pohle, FS Calamandrei (1958), Bd. 2, S. 379, 383, 389, 391. Ebenso Schwab, ZZP 77 (1964), 124, 132; Habscheid, ZZP 78 (1965), 401, 424; J. Blomeyer, JR 1968,407/408. 106 So schon Neuner, ZZP 54 (1929), 216, 239/240; ebenso Stein/Jonas/Leipold, ZPO, § 322 Rdnr. 26; Bettermann, Die Vollstreckung des Zivilurteils in den Grenzen seiner Rechts10 Krause
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2. Teil: Einfachgesetzliche Ausgangslage
als Modalität der Bindung und dem Rahmen, innerhalb dessen sich diese Bindung entfaltet, zu trennen. 107 Deshalb kann umgekehrt aus einem prozessualen Verständnis der materiellen Rechtskraft nicht auf eine zwangsläufig auf die Parteien beschränkte Wirkung geschlossen werden. 108 Ausgangspunkte für die Ermittlung der subjektiven Reichweite der materiellen Rechtskraft bzw. weiterer Entscheidungswirkungen dürfen vielmehr nur das Gesetz selbst und die aus ihm in nachvollziehbarer Weise ableitbaren Wertungen sein. 109 Vermögen die ,,klassischen" Rechtskraftlehren die Antworten auf die hier zu behandelnden Fragestellungen daher nicht zu präjudizieren, so erübrigt sich ihre zu einer neuerlichen Aktualisierung der "Unendlichkeit des Streits" (Binder) 110 führende eingehende Untersuchung. Den folgenden Erörterungen soll daher ohne eine detaillierte Begründung die heute ganz herrschende 111 und vor allem von der Rechtsprechung 112 vertretene Auffassung zugrundegelegt werden, die die Bindung des zweitentscheidenden Gerichts auf ein prozessuales Gebot und nicht auf die Veränderung der materiellen Rechtslage zurückführt. 113 kraft, S. 22, 93. Krit. zu einer solchen Vorgehensweise auch Grunsky, Grundlagen des Verfahrensrechts, § 47 III 2, S. 494, sowie A. Blomeyer, ZZP 75 (1962), 1, 4. Ähnlich Brox, JuS 1962, 121, 124, zu Versuchen, den Umfang der objektiven Rechtskraft aus Theorien und Begriffen zu entwickeln. Im Erg. ebenso Henckel, Prozeßrecht und materielles Recht, S. 251; Bötticher, ZZP 85 (1972), 1, 15; R. Schmidt, ZPR, § 121 I, S. 748 "ausschließlich doktrinäre Bedeutung". Für eine Relevanz der verschiedenen Theorien aber Koussoulis, Beiträge zur modernen Rechtskraftlehre, S. 69-86. 107 Besonders deutlich Bruns, ZPR, Rdnr. 226a-226c, der - im Zusammenhang mit den objektiven Grenzen der Rechtskraft - zwischen formellem und materiellem Prozeßrecht unterscheidet. 108 So aber etwa Hofmann, Über das Wesen und die subjektiven Grenzen der Rechtskraft, S. 104; ähnlich Heim, Die Feststellungswirkung des Zivilurteils, S. 203. 109 Stein/ Jonas I Leipold, ZPO, § 322 Rdnr. 26; ebenso Bettermann, Die Vollstreckung des Zivilurteils in den Grenzen seiner Rechtskraft, S. 22: Beantwortung der konkreten Fragen "auf dem Boden des positiven Rechts". Nach Grunsky, Grundlagen des Verfahrensrechts, § 47 III 1, S. 494, kommt es für die Lösung der im Zusammenhang mit der materiellen Rechtskraft stehenden Probleme entscheidend auf die Interessenlage an. Beachte aber auch H. F. Gaul, FS Flume (1978), Bd. I, S. 443, 444/445, der sich sowohl gegen "doktrinäre Schlußfolgerungen" aus den jeweiligen Rechtskrafttheorien als auch gegen eine "unkontrollierte Interessenwertung" bei der Lösung praktischer Fragen wendet. uo In: Prozeß und Recht, S. 310. 1ll Vgl. nur Thomas/Putzo, ZPO, § 322 Rdnr. 6; Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, ZPO, Einf. §§ 322-327 Rdnr. 9; Jauemig, ZPR, § 62 II 3, S. 222/223; Rosenbergl Schwab/Gottwald, ZPR, § 151 II 3, S. 916/917; Schilken, ZZP 101 (1988), 106, 108; eindringlich und umfassend H. F. Gaul, FS Flume (1978), Bd. I, S. 443, 512-525. Im Erg. auch Häsemeyer, AcP 188 (1988), 140, 162. l12 Z. B. BAG, Urt. v. 3. 12. 1954, AP Nr. 7 zu § 11 ArbGG (BI. 3R); BGH, Urt. v. 27. 2. 1961, BGHZ 34, 337, 339; BGH, Urt. v. 14. 2. 1962, BGHZ 36, 365, 367; BGH, Urt. v. 18. l. 1985, BGHZ 93, 287, 288/289; Beschl. v. 16. 6. 1993, BGHZ 123, 30, 34. m Das entscheidende Argument für die prozessuale Rechtskraftlehre ist darin zu sehen, daß das zivilgerichtliche Urteil grundsätzlich auf die Feststellung der bestehenden Rechtslage und nicht auf deren Veränderung abzielt. Zu weiteren Gründen siehe Jauemig, ZPR, § 62 II
§ 4 Generelle Lehren zu ungeschriebenen Drittbindungen
147
Aus den oben genannten Gründen bedarf es ebenfalls keiner umfänglichen Erörterung der zunehmend zu verzeichnenden Ansätze, die neben der prozessualen Wirkung der Rechtskraft in einem späteren Rechtsstreit vor Gericht materiellrechtliche Auswirkungen der Entscheidung auf die Rechtsbeziehungen der Parteien zu bejahen 114. Auch wenn man dieser Auffassung folgen würde 115 , so ergibt sich aus ihr keineswegs, daß die subjektiven Grenzen der Rechtskraft weiter zu stecken sind als bei einem rein prozessualen Rechtskraftverständnis. Insoweit gilt wiederum der Vorrang des Gesetzes und der aus ihm herzuleitenden Wertungen. Allerdings öffnen dieneueren Tendenzen in der Lehre den Blick dafür, welche Konfliktlagen die materielle Rechtskraft insbesondere im Arbeitsrecht, das wie kaum eine andere Rechtsmaterie durch eine Verwobenheit verschiedenartiger rechtlicher Ebenen geprägt ist, hervorrufen kann. Als Beispiel hierfür sei der Fall genannt, daß der Arbeitgeber und der Betriebsrat zur Beilegung von Meinungsdifferenzen in einem Beschlußverfahren den Inhalt einer zwischen ihnen bestehenden Betriebsvereinbarung rechtskräftig geklärt haben. 116 Bei der Durchführung der Betriebsvereinbarung, auf die der Betriebsrat grundsätzlich einen Anspruch gegen den Arbeitgeber hat 117, wird man diesen- unter Zugrundelegung der oben erwähnten Rechtskraftlehren - kraft materiellen Rechts für verpflichtet halten müssen, den gerichtlich festgestellten Inhalt der Vereinbarung zu beachten. Gewährt nun diese Betriebsvereinbarung der Belegschaft vermögensrechtliche Ansprüche, so ist denkbar, daß sich einzelne Arbeitnehmer auf einen von der rechtskräftigen Feststellung abweichenden Inhalt der Vereinbarung berufen. Auch wenn der Arbeitgeber diese Rechtsansicht teilt, ist es ihm auf Grund seiner Durchführungspflicht gegenüber dem Betriebsrat indessen verwehrt, dem Ansinnen dieser Arbeitnehmer nachzugeben. Bedenklicher noch wird die Situation, wenn ein Arbeitnehmer sein Recht einklagt und vor dem Arbeitsgericht 3, S. 222/223. Der innerhalb der prozessualen Lehre anzutreffende Unterschied zwischen Widerspruchsverbot und Wiederholungsverbot ("ne bis in idem") ist praktisch unerheblich; vgl. Jauemig, ZPR, § 62 III I, 2, S. 224. 114 Stein/Jonas/Leipold, ZPO, § 322 Rdnr. 34-38; Otto, Die Präklusion, S. 81 (Fn. 97); G. Lüke, FS Schiedermair (1976), S. 377, 387 (Fn. 26); Koussoulis, Beiträge zur modernen Rechtskraftlehre, S. 39-41. 115 Immerhin läßt sich zu ihren Gunsten ins Feld führen, daß die Rechtskraftzwecke, Sicherung des materiellen Rechts und Wahrung des Rechtsfriedens, durch eine materielle Pflicht der Parteien, das rechtskräftige Urteil zu beachten, durchaus gefördert werden. Krit. aber H. F. Gaul, FS Flume (1978), Bd. I, S. 443, 524, dem zuzugestehen ist, daß die Frage nach materiellrechtlichen Wirkungen rechtskräftiger Entscheidungen in den Bereich der Rechtsgeltungslehre hineinführt; so schon Bötticher, Kritische Beiträge zur Lehre von der materiellen Rechtskraft im Zivilprozeß, S. 104; dem zust. Schwab, JuS 1976, 69, 73. Die neueren Ansätze abl. auch Schilken, ZZP 101 (1988), 106, 108. 116 Vgl. zu dieser Möglichkeit BAG, Beschl. v. 24. 2. 1987, AP Nr. 21 zu § 77 BetrVG 1972 (unter BI 2 d. Gr.); weit. Nachw. siehe unten§ 14 II. l. a) Fn. 118. 117 BAG, Beschl. v. 24. 2. 1987, AP Nr. 21 zu§ 77 BetrVG 1972 (unter B II 1 a d. Gr.); BAG, Beschl. v. 10. 11. 1987, AP Nr. 24 zu§ 77 BetrVG 1972 (unter B li 1 d. Gr.); zu weit. Nachw. siehe unten§ 14 li. l. b) aa) (2) (d) Fn. 243. 10*
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2. Teil: Einfachgesetzliche Ausgangslage
wegen fehlender Bindung an das vorgängige Beschlußverfahren obsiegt. In diesem Fall sieht sich der Arbeitgeber vor die Situation gestellt, zwei konträre materielle Rechtspflichten zu erfüllen, will er "gemäß dem Urteil leben". Mag dieser Aspekt allein auch noch keine Erstreckung der Rechtskraft des Beschlusses über den Inhalt der Betriebsvereinbarung auf die Belegschaft rechtfertigen, so zeigt das Beispiel doch mit aller Deutlichkeit, welche Probleme die durch die materielle Rechtskraft eintretende Bindung auslöst, wenn das festzustellende Rechtsverhältnis nicht nur für die Rechtsbeziehungen zwischen den streitenden Parteien von Bedeutung sind, sondern von vornherein auf eine materiellrechtliche Drittgerichtetheit angelegt ist.
2. Lehre von der absoluten Wirkung der relativen Feststellung
Eine größere Bedeutung als den verschiedenen Rechtskrafttheorien kommt der bereits erwähnten 118 vor allem von Schwab 119 in Anknüpfung an ältere Auffassungen120 vertretenen Lehre von der Drittwirkung der Rechtskraft zu. Nach ihr soll rechtskräftigen Feststellungen eine umfassende Drittwirkung in der Weise zu eigen sein, daß das zwischen den Parteien festgestellte -relative - Rechtsverhältnis als solches auch für sämtliche Dritten unabhängig vom konkreten Streitgegenstand des ersten Prozesses, mithin vom Bedeutungsgehalt der jeweils einschlägigen materiellrechtlichen bzw. prozessualen Normen und Sinnzusammenhänge maßgeblich ist. In der Literatur hat diese Sichtweise vereinzelt Gefolgschaft gefunden. 121 Während es bei den obigen Ausführungen lediglich um den Nachweis ging, daß die "Drittwirkung" der Rechtskraft auf Grund ihres Inhaltes keine Entscheidungswirkung darstellt, die es rechtfertigt, andere tatbestandliehe Voraussetzungen als für die Rechtskraftwirkung selbst aufzustellen, erlauben insbesondere die Erörterungen zur Sperrwirkung gegenüber ungeschriebenen Drittbindungen nunmehr eine abschließende Stellungnahme zu dieser Ansicht. Die These von der "Drittwirkung" gründet Schwab zum einen auf den Gedanken, die durch die materielle Rechtskraft zwischen den Parteien eintretende Maßgeblichkeit des Entscheidungsinhaltes sei nur "eine halbe Sache" 122, wenn sich die Parteien hierauf nicht im Verhältnis zu Dritten berufen könnten. 123 Zum anderen Siehe dazu oben § 2 III. 3. a). In: ZZP 77 (1964), 124, 137 ff. 12o Zu Nachw. siehe oben § 2 III. 3. a) Fn. 140. 121 Vor allem Koussoulis, Beiträge zur modernen Rechtskraftlehre, S. 117-188; im Grundsatz ebenso Fenge, FS Wahl (1973), S. 475, 487-489. In diese Richtung auch Waldner, Der Anspruch auf rechtliches Gehör, Rdnr. 433; Kissel, GVG, § 13 Rdnr. 26, 44. 122 Ähnlich schon Mendelssohn Bartholdy, Grenzen der Rechtskraft, S. 426: keine "bloß halbe Existenz" der Rechtskraft. 123 In: ZZP 77 (1964), 124, 138. 11s
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§ 4 Generelle Lehren zu ungeschriebenen Drittbindungen
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seien die Parteien für die Feststellung eines zwischen ihnen bestehenden Rechtsverhältnisses als legitimi Contradietores anzusehen, da sie durch das Rechtsverhältnis am nächsten betroffen seien und der Gesetzgeber nur ihnen die Dispositionsbefugnis über den Streitgegenstand eingeräumt habe. Werde nun ein Urteil durch legitimi Contradietores erstritten, so müsse es auch gegenüber Dritten wirken. 124 Darüber hinaus greift Schwab auf Ausführungen von Bötticher zurück, der die Billdungswirkung bei gerichtlichen Zuständigkeitsentscheidungen sowie im Verhältnis der Zivilgerichtsbarkeit zu Verwaltungsbehörden und -gerichten auf den Gedanken der Repräsentanz sämtlicher Gerichte durch das jeweils entscheidende Gericht 125 bzw. den Grundsatz des "ne bis in idem" 126 gestützt hat. Diese Argumentationslinien ließen sich, so Schwab 127, auch zur Begründung einer allseitigen Drittwirkung bei zivilrechtliehen Sachentscheidungen heranziehen. Koussoulis sucht dieses Ergebnis durch eine breit angelegte Untersuchung zum Wesen der Rechtskraft zu untermauern, die darauf hinausläuft, daß der Dritte als ein Glied der Allgemeinheit das zwischen anderen Subjekten durch die gerichtliche Entscheidung individualisierte Rechtsverhältnis hinzunehmen habe. 128 Nun ist nicht zu leugnen, daß die Ablehnung einer Bindung Dritter dazu führen kann, daß sich der von einer Partei errungene Prozeßerfolg als weitgehend wertlos erweist. Durch eine Drittbindung qua Rechtskrafterstreckung wird dies - ebenso wie mittels einer Tatbestands- oder Gestaltungswirkung 129 - verhindert. Damit ist aber noch nicht gesagt, daß der Gesetzgeber die Entwertung der Rechtsstellung der Parteien in allen Fällen vermeiden wollte, in denen es für die Beurteilung der Lage eines Dritten materiellrechtlich auf ein bereits rechtskräftig geklärtes Rechtsverhältnis ankommt. Aus einer erwünschten Rechtsfolge (Schutz der Parteien) allein kann nicht darauf geschlossen werden, daß das hierfür erforderliche Mittel (Drittbindung) Bestandteil des geltenden Rechts ist. Zur Bejahung einer bei sämtlichen zivilrechtliehen Streitigkeiten eintretenden Drittwirkung der relativen Feststellung bedürfte es des Nachweises, daß die zivilprozessualen Vorschriften über die subjektive Reichweite der Rechtskraft die Wertung beinhalteten, die Interessen der Parteien an der Verbindlichkeit der einmal festgestellten Rechtsfolge seien gegenüber denen des Dritten an der Möglichkeit einer abweichenden Beurteilung der Vorfrage generell vorrangig. Der Nachweis einer solchen gesetzgebensehen Wertung wird nicht durch die Aussage erbracht, die Parteien seien die legitimi contradictores zur Klärung des streitbefangenen Rechtsverhältnisses. Vielmehr handelt es sich insoweit lediglich 124 In: ZZP 77 (1964), 124, 139/l40; ebenso bereits Mendelssohn Bartholdy, Grenzen der Rechtskraft, S. 314. In diesem Sinne auch Fenge, FS Wahl (1973), S. 475,487. 125 In: FS Hundert Jahre DIT (1960), Bd. I, S. 5ll, 512. 126 A. a. 0., S. 538. 127 In: ZZP 77 (1964), 124, 139-141. 128 In: Beiträge zur modernen Rechtskraftlehre, S. 122. 129 Siehe dazu oben§ 2m. I. a) cc) u. b) cc).
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2. Teil: Einfachgesetzliche Ausgangslage
um eine Reminiszenz an gemeinrechtliche Denkfonnen 130, die- wie schon Hellwig dargetan hat 131 -nur eine Umschreibung dessen bilden, was es zu begründen gilt. 132 Entsprechendes läßt sich für den Versuch sagen, die "ne bis in idem"-Lehre für eine Ausdehnung von Drittwirkungen nutzbar zu machen. Wenn man ihr nicht ohnehin nur "instrumentalen" Charakter bei der Frage beimißt, auf welche Weise es in einem Folgeprozeß zu einer Bindung kommt, sondern - wie es Bötticher selbst angedeutet hat 133 - sie in der Weise mit den subjektiven Grenzen der Rechtskraft verknüpft, daß diese eine Komponente bei der Bestimmung des "idem" bilden, so bedeutet dies, den Rechtskraftgrenzen konstitutive Wirkung für die Herausarbeitung des "idem" beizumessen. Wird das "idem" aber durch die Bestimmungen über die subjektive Reichweite der Rechtskraft konstituiert, so kann ihm nicht seinerseits die Wirkung entnommen werden, diese Grenzen generell im Verhältnis zu Dritten zu verschieben. 134 Der Gedanke der Repräsentanz des erstentscheidenden Gerichts für alle anderen Gerichte genügt ebenfalls nicht zur Rechtfertigung einer Drittbindung, da die Frage, ob das Gesetz die Zuständigkeitsverteilung in anderer Weise vorgenommen hat, gerade offen bleibt. 135 Über diese eher allgemein gehaltenen Ansätze hinaus fehlt es an Bemühungen, den Nachweis zu erbringen, daß sich aus den Vorschriften über den subjektiven Umfang der Rechtskraft eine umfassende Bindung Dritter herleiten lasse. Stattdessen haben sich die Befürworter einer derartigen Wirkung auf die Darlegung beschränkt, daß ihre Lehre mangels Identität mit der Rechtskraftwirkung den Vorschriften der §§ 325 ff. ZPO nicht widerspreche. 136 Dies reicht für eine tragfähige Begründung jedoch gerade nicht aus. Es vermag nicht zu überzeugen, aus dem "Wesen" der Rechtskraft eine Wirkung zu extrahieren, die in jeder relevanten Hinsicht der Rechtskraftwirkung entspricht, die zwischen den Parteien bei Vorgreiflichkeit der entschiedenen Rechtsfolge für eine weitere Rechtsfolge eintritt, den für ihre subjektive Reichweite maßgeblichen Vorschriften aber nicht unterworfen sein soll. 137 Darüber hinaus haben die Erörterungen zur Frage einer Sperrwirkung gegenüber ungeschriebenen Drittbindungen ergeben, daß der - wenn auch nicht im Wortlaut des § 325 ZPO, so doch in den Materialien zum Ausdruck kommende - gesetzgeSiehe dazu etwa Wach/ Laband, Zur Lehre von der Rechtskraft, S. 100-106. In: Wesen und subjektive Grenzen der Rechtskraft, S. 54. 132 Insoweit ab!. auch Stein/Jonas/Leipold, ZPO, § 325 Rdnr. 82; Bettermann, FS Baur (1981), S. 273, 280; H. F. Gaul, FS Zeuner (1994), S. 317, 326/327; Hofmann, Über das Wesen und die subjektiven Grenzen der Rechtskraft, S. 39. 133 in: FS Hundert Jahre DJT (1960), Bd. I, S. 5ll, 537. 134 Insoweit läge eine Verrnengung des formellen und des materiellen Prozeßrechts i. S. der Begriffsbestimmung von Bruns, ZPR, Rdnr. 226a-226c, vor. 135 Gegen diesen Gesichtspunkt deshalb auch Huber, JuS 1972, 621,622 (Fn. 13). 136 Symptomatisch Koussoulis, Beiträge zur modernen Rechtskraft1ehre, S. 125-127. 137 Bedenken deshalb auch bei Schilken, ZZP 101 (1988), 106, 108/109. 130 131
§ 4 Generelle Lehren zu ungeschriebenen Drittbindungen
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berische Wille eindeutig dahin geht, die Rechtskraft grundsätzlich auf die Parteien zu beschränken. 138 Zwar kann dieser Regelung - wie dargelegt - keine in jeder Hinsicht abschließende Wirkung entnommen werden. Wenn der Gesetzgeber die Interessenlage jedoch dahin bestimmt hat, daß Dritte regelmäßig vor der Maßgeblichkeit von Feststellungen bewahrt werden sollen, auf deren Zustandekommen sie keine Einflußmöglichkeit hatten, so ist es unzulässig, durch Rechtsfortbildung eine generell abweichende Interessenbewertung vorzunehmen. Dies aber ist das Anliegen der Drittwirkungslehre, da sie ihre Legitimation gerade aus einer unterschiedslosen Bewertung der Parteiinteressen und ihrer Beziehung zum Gegenstand der gerichtlichen Entscheidung herleitet. Der Versuch, die Bedeutung der Dispositionswie der Verhandlungsmaxime für die Grundregel der Rechtskraftbeschränkung abzuschwächen,139 zielt in der Sache darauf ab, sich der vom Gesetzgeber hergestellten Verknüpfung 140 zu entziehen. Indem die Lehre von der absoluten Wirkung der relativen Feststellung nicht nur für Ausnahmefälle, sondern für den Regelfall den gesetzlichen Grundsatz der Rechtskraftbeschränkung auf die Parteien außer acht läßt, stellt sie eine Rechtsfortbildung contra Iegern dar. 141 Da die Zulässigkeitsvoraussetzungen für eine derartige Rechtsgewinnung 142 eindeutig nicht vorliegen, ist diese Auffassung mit der überwiegenden Ansicht in der Literatur143 abzulehnen.
3. Auffassungen über eine einseitige Rechtskraftwirkung gegenüber Dritten
Einen ebenfalls noch als generell zu bezeichnenden Charakter weisen diejenigen Ansichten auf, die auf eine einseitige Rechtskraftwirkung im Verhältnis zu Dritten hinauslaufen. Siehe dazu oben unter I. 2. a). Schwab, Z:ZP 77 (1964), 124, 141 ; Koussoulis, Beiträge zur modernen Rechtskraftlehre, S. 127/128. 140 Motive, Bd. I, S. 377. 141 Die h. L. sieht in der Drittwirkungstheorie ebenfalls einen Verstoß gegen den Wertgehalt des§ 325 ZPO; vgl. Zöller/Vollkommer, ZPO, § 325 Rdnr. 2; MünchKommZPO/Gott· wald, § 325 Rdnr. 8; Stein/Jonas/Leipold, ZPO, Rdnr. 81; Schlosser, ZPR, Bd. I, Rdnr. 236; Schilken, ZPR, Rdnr. 1043; A. Blomeyer, ZPR, § 91 II 2, S. 506; Rosenberg/Schwab/Gott· wald, ZPR, § 156 III, S. 940; Grunsky, Grundlagen des Verfahrensrechts, § 47 VI 2 d, S. 547/ 548; derselbe, AcP 186 (1986), 523, 525; Bettermann, ZZP 90 (1977), 121, 128; Huber, JuS 1972,621,622 (Fn. 13); Konzen, FS Zeuner (1994), S. 401, 416; Calavros, Urteilswirkungen zu Lasten Dritter, S. 174/175. 142 Vgl. nur Larenz, Methodenlehre der Rechtswissenschaft, S. 413-429. 143 Siehe außer den in Fn. 141 genannten noch Münzberg, ZZP 80 (1967), 493, 496/497; Bettermann, FS Baur (1981), S. 273, 277, 290; Braun, JuS 1986, 364, 367; Schack, NJW 1988, 865, 872; Jauemig, ZZP 101 (1988), 361, 377-379, 384; Jox, NZA 1990, 424, 427; Schlosser, Gestaltungsklagen und Gestaltungsurteile, S. 189; Bedenken auch bei Zeuner, Rechtliches Gehör, materielles Recht und Urteilswirkungen, S. 52. 138
139
152
2. Teil: Einfachgesetzliche Ausgangslage
So bejaht A. Blomeyer eine generelle Ausdehnung der Rechtskraft zugunsten eines Dritten. 144 Der unterlegenen Partei sei die Bindung an die Rechtskraft deshalb zuzumuten, weil sie im Prozeß die Gelegenheit gehabt habe, ihre Auffassung zu Gehör zu bringen. 145 Eine etwas andere Akzentsetzung findet sich bei Costede 146 und- ihm folgend- bei Schlosser 147• Danach soll die das Recht einer Partei aberkennende Seite einer Entscheidung im Gegensatz zur zusprechenden Seite absolut, also auch im Verhältnis zu Dritten wirken. Legte man diese Lehre zugrunde, so würde zwar nicht in allen Konstellationen, aber doch regelmäßig ebenfalls eine Wirkung zugunsten Dritter eintreten. Eine besondere Bedeutung gewinnen diese Überlegungen für den vorliegenden Zusammenhang dadurch, daß Otto den Arbeitgeber bei einem Kollektivstreit mit dem Betriebsrat über die Gültigkeit oder die Auslegung einer Betriebsvereinbarung auch im Individualprozeß generell an eine für ihn ungünstige Entscheidung binden will, während er eine Wirkung zu Lasten der - im vorherigen Verfahren nicht beteiligten - Arbeitnehmer nur in eingeschränktem Maße vorsieht. 148 Diese Ansicht ließe sich ohne weiteres rechtfertigen, folgte man den soeben skizzierten Lehren. Nun ist gegen eine Differenzierung nach dem Ausgang des Prozesses schon des öfteren eingewendet worden, daß sie der Partei, soweit es um deren Verhältnis zu Dritten gehe, lediglich die einfache Gewinnchance, zugleich aber das doppelte Verlustrisiko auferlege. 149 Dies verstoße gegen den Grundsatz prozessualer Chancengleichheit. 150 Übertragen auf arbeitsrechtliche Zusammenhänge bei Rechtsver144 In: ZZP 75 (1962), I, 10. Etwas anders ist in ZPR, § 91 II 3, S. 506, von einer Rechtskraftwirkung (lediglich) in den Fällen die Rede, in denen der Inhaber eines vorgreifliehen Rechts den Angriff eines Gegners erfolgreich abgewehrt hat. Allerdings bleibt in dem von Blomeyer gewählten Beispiel zweifelhaft, welches vorgreifliehe Recht der Hauptschuldner innehaben soll, der sich gegen eine Klage des Bürgschaftsgläubigers mit Erfolg verteidigt hat. 145 In: ZZP 75 (1962), 1, 10. In diesem Sinne auch Grunsky, Grundlagen des Verfahrensrechts, § 47 VI I u. 2 b cc, S. 537 u. S. 544; derselbe, JZ 1969, 604/605; Bürck, DB 1975, 1829, 1831; ebenso wohl v. Olshausen, JZ 1976, 85, 88/89. Einen vergleichbaren Gedanken berichten Engelmann-Pilger, Die Grenzen der Rechtskraft des Zivilurteils im Recht der Vereinigten Staaten, S. 116-124, Koch, Kollektiver Rechtsschutz im Zivilprozeß, S. 56, und Rainer Krause, Urteilswirkungen gegenüber Dritten im OS-amerikanischen Zivilprozeßrecht, S. 246-261, für das amerikanische Zivilverfahrensrecht: danach wird die mutuality rule, nach der eine Entscheidung nur zugunsten desjenigen wirkt, zu dessen Ungunsten sie bei einem entgegengesetzten Prozeßausgang ebenfalls wirken würde, zunehmend zu Lasten der Person eingeschränkt, die ihren day in court gehabt hat. 146 In: Studien zum Gerichtsschutz, S. 206/207. 147 In: ZPR, Bd. I, Rdnr. 231. Zust. auch Braun, JuS 1986,364, 367. 148 In: RdA 1989,247,253. 149 Stein/Jonas/Leipold, ZPO, § 325 Rdnr. 87; Schack, NJW 1988, 865, 872; Prütting, RdA 1991, 257, 263; Konzen, FS Zeuner (1994), S. 401, 422; Calavros, Urteilswirkungen zu Lasten Dritter, S. 88. 150 Stucken, Einseitige Rechtskraftwirkung von Urteilen im deutschen Zivilprozeß, S. 3642. In diesem Sinne auch BT-Drucks. 7/3919, S. 56, und 7/5617, S. 4, im Zusammenhang mit § 13 AGBG. Für eine Geltung des Grundsatzes der Chancengleichheit zu Lasten der durch
§ 4 Generelle Lehren zu ungeschriebenen Drittbindungen
153
hältnissen mit Drittbezug - man denke wiederum an die Bejahung einer Betriebsänderung in einem Beschlußverfahren zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat könnte man sogar von einem vielfachen Verlustrisiko sprechen. Allerdings spricht dieser Aspekt - wie zur Klarstellung hervorgehoben sei - nur gegen eine generelle einseitige Rechtskrafterstreckung. Ist eine Rechtskraftwirkung eventum litis im Einzelfall gerechtfertigt, wie dies bei der Hauptschuldklage im Verhältnis des Bürgen zum Gläubiger überwiegend bejaht wird, 151 so ist der Aspekt, in welchem Verhältnis Gewinn- und Verlustrisiko stehen, belanglos. Von größerem Gewicht ist das Argument, daß sich der Gesetzgeber- wie dargelegt 152 - durch die Statuierung des § 325 ZPO gegen eine generelle Wirkung der Rechtskraft für oder gegen Dritte entschieden hat. Dabei erlaubt § 325 ZPO zwar ausnahmsweise eine Abweichung vom Grundsatz der Rechtskraftbeschränkung auf die Parteien. 153 Diese Abweichung darf aber nicht so geartet sein, daß sie den Grundsatz praktisch aushöhlt. Das wäre jedoch der Fall, würde man es jedem Dritten gestatten, sich auf die zwischen zwei Parteien ergehende Entscheidung zu berufen, soweit es für seine Rechtsstellung dienlich ist. 154 Zudem würde eine generelle, einseitige Wirkung kollektiver Entscheidungen zugunsten von Arbeitnehmern in arbeitsrechtlichen Fallgestaltungen, in denen eine Vielzahl von Drittrechtsverhältnissen in höchst unterschiedlicher Weise betroffen sein können, erhebliche Friktionen auslösen. So wäre es danach möglich, daß sich nach einem Beschlußverfahren über den Inhalt einer Sozialleistungen umstrukturierenden Betriebsvereinbarung ein Teil der Belegschaft auf die für sie günstige Entscheidung stützt, während ein anderer, durch die Entscheidung belasteter Teil, nicht gehindert wäre, sein Heil in Einzelprozessen zu suchen. Der Arbeitgeber wäre demnach einer Verpflichtung zur ,,Meistbegünstigung" von Arbeitnehmern ausgesetzt. Dies alles zeigt, daß eine lediglich mit dem Gedanken der Zumutbarkeit begründete pauschale einseitige Rechtskrafterstreckung zugunsten Dritter nicht überzeugen kann. Ob schutzwürdige Positionen Dritter eine nach dem Ausgang des Prozesses differenzierende Lösung gebieten 155 , muß an dieser Stelle dahinstehen. 156 eine Entscheidung begünstigten Dritten ebenfalls Berger, Die subjektiven Grenzen der Rechtskraft bei der Prozeßstandschaft, S. 153, der auf diese Weise die Bindung des Rechtsträgers an das Urteil im Standschafterprozeß begründet. 151 Siehe zur Bindung des Gläubigers gegenüber dem Bürgen an die Abweisung der Hauptschuldklage die Nachw. oben§ 2 III. 3. b) bb) Fn. 177. Demgegenüber wirkt eine für den Gläubiger günstige Entscheidung nach überwiegender Meinung nicht zu Lasten des Bürgen; vgl. etwa BGH, Urt. v. 12. 2. 1987, NJW 1987, 2076, 2077; Urt. v. 28. 2. 1989, BGHZ 107, 92, 96; Urt. v. 9. 3. 1993, NJW 1993, 1594, 1595; MünchKommZPO/Gottwald, § 325 Rdnr. 60; Stein/ Jonas/ Leipold, ZPO, § 325 Rdnr. 96. 152 Siehe dazu oben unter I. 2. a). 153 A. a. o. 154
Ebenso Stucken, Einseitige Rechtskraftwirkung von Urteilen im deutschen Zivilprozeß,
155
So die weitere Überlegung von Otto, RdA 1989, 247, 253. Siehe dazu Näheres unter§ 7 II. 2. c) cc) u. § 14 II. 1. b) bb) (2) (a).
s. 25-31. 156
154
2. Teil: Einfachgesetzliche Ausgangslage
111. Ergebnis Eine generelle Drittwirkung relativer gerichtlicher Feststellungen sowie eine allgemeine Wirkung zugunsten Dritter, die eine Analyse der für und gegen eine im Einzelfall bestehende Bindung sprechenden Gesichtspunkte jeweils erübrigen würden, sind nicht anzuerkennen.
§ 5 Zur Rechtskrafterstreckung kraft Repräsentation durch die Verbände oder den Betriebsrat Die bisherigen Ausführungen haben ergeben, daß jenseits der eindeutig normierten Drittwirkungen von arbeitsgerichtliehen Entscheidungen kollektivrechtlichen Inhalts weder eine umfassende Sperrwirkung gegenüber ungeschriebenen Drittbindungen noch eine generelle Breitenwirkung besteht. Dieser Befund leitet zu der Frage über, ob und in welchem Umfang in dem damit eröffneten Rahmen Entscheidungswirkungen im Verhältnis zu Arbeitnehmern anzuerkennen sind. Ziel der folgenden Überlegungen ist demnach das Herausarbeiten von abgegrenzten Tatbeständen, die auf einfachgesetzlicher Ebene die Zurechnung von Prozeßergebnissen als Kernproblem von Rechtskrafterstreckungen 1 rechtfertigen. Dabei soll zunächst untersucht werden, ob sich - unter Zuhilfenahme weitgehend anerkannter Rechtsinstitute - im Bereich des Tarif-, Arbeitskampf- und Betriebsverfassungsrechts vergleichsweise allgemeine Grundsätze für erweiterte Drittwirkungen bejahen lassen? Im Anschluß daran ist zu klären, ob zumindest im arbeitsgerichtliehen Beschlußverfahren übergreifende Zurechnungsgesichtspunkte nachgewiesen werden können.3 Schließlich wird danach gefragt, in welchem Maße sich die Wertungen des materiellen Rechts im prozessualen Bereich durch die Annahme einer Rechtskrafterstreckung fortsetzen. 4 Allerdings ist daran zu erinnern, daß die Befürwortung einer Drittbindung auf der Ebene des einfachen Gesetzes stets unter dem Vorbehalt der Korrektur aus verfassungsrechtlichen Gründen 5 steht.
So K. Schmidt, NJW 1981, 159, 160. Siehe dazu sogleich unter I. u. II. 3 Vgl. dazu unten § 6. 4 Siehe dazu unten§ 7. s Siehe hierzu unten §§ 9-11 . I
2
§ 5 Rechtskrafterstreckung kraft Repräsentation
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I. Bindung durch Prozeßstandschaft 1. Gesetzliche Prozeßstandschaft
a) Allgemeine Grundlagen
Die Rechtsprechung6 sowie die ganz herrschende Lehre7 bejahen bei dem Führen eines Rechtsstreits durch einen gesetzlichen Prozeßstandschafter zumindest in bestimmten Konstellationen eine Erstreckung der Rechtskraft des Urteils auf den Rechtsträger. Überwiegend wird gefordert, daß die Prozeßführungsbefugnis dem Prozeßstandschafter deshalb eingeräumt worden ist, um die Interessen des Rechtsträgers wahrzunehmen. 8 Als Konkretisierung dieses Erfordernisses werden das Bestehen der ausschließlichen Prozeßführungsbefugnis auf Seiten des Prozeßstandschafters sowie der materiellrechtlichen Verfügungsbefugnis über das umstrittene fremde Recht angesehen. 9 Ungeachtet der umstrittenen Frage, ob diese Voraussetzungen einer Rechtskrafterstreckung zu eng gefaßt 10 oder vielmehr bereits zu weitgehend sind 11 , ist für eine Nutzbarrnachung dieses Rechtsinstituts erforderlich, daß in den hier zu behandelnden Fallgruppen überhaupt die Situation einer Prozeßstandschaft vorliegt. Es geht somit darum, ob die Verbände in tarif- oder arbeitskampfrechtlichen bzw. der Betriebsrat in betriebsverfassungsrechtlichen Verfahren Rechte ihrer Mitglieder bzw. der Belegschaft in eigenem Namen geltend machen.
6 BGH, Urt. v. 23. 1. 1981, BGHZ 79, 245, 248; BGH, Beschl. v. 27. 10. 1983, BGHZ 88, 331, 334 (jeweils obiter dicta). 7 ThomasiPutzo, ZPO, § 51 Rdnr. 14; MünchKommZPO/Gottwald, § 325 Rdnr. 38; SteiniJonasiLeipold, ZPO, § 325 Rdnr. 54; WieczorekiSchützeiHausmann, ZPO, Vor§ 50 Rdnr. 60; JaegeriHenckel, KO, § 6 Rdnr. 86ff.; A. Blomeyer, ZPR, § 91 I, S. 504, § 92 I 1, S. 508/509; RosenbergiSchwabiGottwald, ZPR, § 46 V 2, S. 241; Grunsky, Grundlagen des Verfahrensrechts, § 28 I 6, S. 264; Sinaniotis, ZZP 79 (1966), 78, 90-92; Schack, NJW 1988, 865, 867; Häsemeyer, ZZP 101 (1988), 385,404: ,,Existenzbedingung"; Calavros, Urteilswirkungen zu Lasten Dritter, S. 55-58; Berger, Die subjektiven Grenzen der Rechtskraft bei der Prozeßstandschaft, S. 141-144, 285. s MünchKommZPO/Gottwald, § 325 Rdnr. 38; Stein I Jonas I Leipold, ZPO, § 325 Rdnr. 54. 9 MünchKommZPO/Gottwald, § 325 Rdnr. 38; Stein I Jonas I Leipold, ZPO, § 325 Rdnr. 54. Zu vergleichbaren Ergebnissen gelangt Henckel, Prozeßführungsmacht kraft Rechtsscheins, S. 105, 112ff., sowie ZZP 70 (1957), 448, 456/457, 461 ff., der auf Grund historischer Interpretation davon ausgeht, daß § 325 Abs. I ZPO der materielle Parteibegriff zugrundeliegt, und somit durch unmittelbare Normanwendung zu einer Bindung des Rechtsträgers gelangt, sofern dem Prozeßstandschafter nicht ausnahmsweise die Verfügungsbefugnis fehlt. Etwas anders nunmehr Berger, Die subjektiven Grenzen der Rechtskraft bei der Prozeßstandschaft, S. 141-144, 287, der auf die Ermächtigung des Standschafters zur Ausübung der dem Rechtsträger zustehenden Prozeßhandlungsbefugnisse abstellt. w Siehe etwa ZölleriVollkommer, ZPO, Vor§ 50 Rdnr. 39. 1l Vgl. Sinaniotis, ZZP 79 (1966), 78, 93.
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2. Teil: Einfachgesetzliche Ausgangslage
b) Stellung der Tarifvertragsparteien
Betrachtet man zunächst Streitigkeiten, bei denen tarifrechtliche Fragen im Vordergrund stehen, so lassen sich unter dem Gesichtspunkt des Verfahrensgegenstandes verschiedene Fallgruppen voneinander sondern. aa) Individuelle Rechte als Streitgegenstand Aus der näheren Erörterung auszuscheiden hat die Frage, ob die Gewerkschaften befugt sind, im Wege der Prozeßstandschaft 12 tarifliche Rechte der verbandsangehörigen Arbeitnehmer geltend zu machen. 13 Im Gegensatz zur Rechtsprechung 14 und dem überwiegenden Schrifttum 15 wird dies zwar in der Literatur zuweilen bejaht.16 Als Vorbild könnten dabei die §§ 14, 15 MindArbBedG 17 und § 25 HAG angesehen werden, nach denen ein Bundesland Ansprüche der durch diese Gesetze begünstigten Arbeitnehmer bzw. arbeitnehmerähnlichen Personen in eigenem Namen gerichtlich geltend machen kann. 18 In diesem Fall wäre zu überlegen, ob die 12 Zur Abgrenzung von der Feststellung eines Drittrechtsverhältnisses siehe oben § 3 II. l. b) bb) (2). 13 Hiervon ist ein denkbarer eigener materiellrechtlicher Anspruch des Verbandes auf Erfüllung von Mitgliederrechten zu unterscheiden. 14 BAG, Urt. v. 8. ll. 1957, AP Nr. 7 zu § 256 ZPO (unter li d. Gr.) mit zust. Anm. von Tophoven; Urt. v. 8. 12. 1963, AP Nr. 42 zu§ 256 ZPO (unter 2 d. Gr.); Beschl. v. 17. 10. 1989, AP Nr. 39 zu § 76 BetrVG 1972 (unter B I 2 b bb d. Gr.) und AP Nr. 53 zu § 112 BetrVG 1972 (unter B 1 c d. Gr.); Beschl. v. 20. 8. 1991, AP Nr. 2 zu § 77 BetrVG 1972 Tarifvorbehalt (unter 111 2 b d. Gr.). 15 Löwisch/Rieble, TVG, § 4 Rdnr. 73; Wiedemann/Stumpj, TVG, § l Rdnr. 356; MünchArbRJLöwisch, § 268 Rdnr. 5 (das als Beleg angeführte Urt. des BAG v. 3. 12. 1985, AP Nr. 3 zu § 146 KO [unter II 2 d. Gr.] betrifft indes ein Handeln der Gewerkschaft als Vertreter und nicht als Prozeßstandschafter); Nikisch, ArbR, Bd. II, § 75 111 I, S. 339 (Fn. 70); M. Wolf, Die Klagebefugnis der Verbände, S. 37 (Fn. 104). Ebenso Henckel, Prozeßrecht und materielles Recht, S. 1241125 (auch de lege ferenda); ihm zust. Bötticher, ZZP 85 (1972), l, 23. 16 Kittner, FS Stahlhacke (1995), S. 247, 251, der aber zugleich die geringe Praktikabilität bei einer Vielzahl betroffener Arbeitnehmer hervorhebt. Wohl auch Hagemeier, in: Hagemeier/Kempen/Zachert!Zilius, TVG, § 4 Rdnr. 9l -92a, der allerdings eine hinreichend deutliche Abgrenzung zwischen einem eigenen materiellrechtlichen Anspruch der Gewerkschaften, einer gesetzlichen sowie einer gewillkürten Prozeßstandschaft vermissen läßt; ebenso Ramm, Die Parteien des Tarifvertrages, S. 92-94, auf der Grundlage einer "sozialen Vormundschaft" der Gewerkschaften, wenn auch regelmäßig begrenzt auf das Geltendmachen tariflicher Ansprüche. Eine entsprechende Regelung kennt das französische Arbeitsrecht mit der action individuelle exercie syndicalement gemäß Art. L. 135-4 Abs. l code du travail, der in der Praxis eine erhebliche Bedeutung zukommen soll, vgl. Krieger, Das französische Tarifvertragsrecht, S. 193. Für ein- wohl nicht als Prozeßstandschaft zu deutendes- eigenständiges Klagerecht der Gewerkschaft, wenn einer Gruppe von Arbeitnehmern tarifliche Rechte vorenthalten werden, nunmehr Gamillscheg, FS Henckel (1995), S. 215, 223-226. 17 Gesetz über die Festsetzung von Mindestarbeitsbedingungen vom 11. I. 1952 (BGBI. I, s. 17).
§ 5 Rechtskrafterstreckung kraft Repräsentation
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ursprünglich bestehende Prozeßführungsbefugnis des einzelnen Arbeitnehmers für die Geltendmachung der Ansprüche zumindest mit Klageerhebung durch die Gewerkschaft erlischt 19, um Interferenzen zu vermeiden, so daß eine Erstreckung der Rechtskraft erfolgen würde, zumal auch § 14 S. 2 MindArbBG und§ 25 S. 2 HAG eine Wirkung für und gegen den Betroffenen anordnen. Jedoch geht es in Fällen dieser Art vom Streitgegenstand her nicht um ein Kollektivverfahren. Auch wenn eine Vielzahl von Ansprüchen durch eine Gewerkschaft geltend gemacht wird, handelt es sich doch stets nur um eine Bündelung individueller Rechtsverhältnisse. Dies wird daran deutlich, daß die einzelnen Entscheidungen letztlich von den Besonderheiten des jeweiligen Einzelarbeitsverhältnisses abhängen. 20 So kann eine Klage auf Zahlung einer tariflichen Zulage an der bereits erfolgten Überweisung, einer wirksamen Aufrechnung oder auch an der Versäumung einer tariflichen Ausschlußfrist scheitern. Die kollektivrechtliche Frage des Bestandes und des Inhalts des den Ansprüchen zugrundeliegenden Tarifvertrages stellt lediglich ein vorgreifliebes Rechtsverhältnis dar, dessen Entscheidung nicht einmal in Rechtskraft erwächst. Die kollektivrechtliche Vorfrage ist zwar in allen Individualprozessen identisch, sie selbst bildet aber nicht den Gegenstand des jeweiligen Rechtsstreits.
bb) Kollektivrechtliche Fragen als Gegenstand des Verfahrens Einer eingehenderen Untersuchung bedürfen demnach nur diejenigen Fälle, in denen der Streitgegenstand selbst kollektivrechtlicher Natur ist. Hierzu sind vor allem Streitigkeiten um die Gültigkeit oder den Inhalt von Tarifverträgen zu rechnen. Auch wenn die Frage der Rechtskrafterstreckung positivrechtlich durch § 9 TVG gelöst ist, 21 erscheint es doch erforderlich, die dieser 18 Siehe etwa BAG, Urt. v. 3. 4. 1990, AP Nr. 11 zu § 2 HAG, worin das Land Hessen für mehrere Näherinnen als Hausgewerbetreibende i. S. des HAG Vergütungszuschläge verlangte. 19 Anders - jedoch ohne Problembewußtsein - Hagemeier, in: Hagemeier/ Kempen!Zachert/Zilius, TVG, § 4 Rdnr. 92. Demgegenüber wohl für einen völligen Ausschluß der Klage durch den einzelnen Arbeitnehmer Ramm, Die Parteien des Tarifvertrages, S. 93. 20 Diesen Aspekt (im Zusammenhang mit gewillkürter Prozeßstandschaft) zu Recht hervorhebend M. Wolf, Die Klagebefugnis der Verbände, S. 3/4, 66. Allerdings sind Mischformen zwischen gebündelter Geltendmachung von Einzelansprüchen und echter Verbandsklage durchaus möglich, wie das Beispiel der amerikanischen class action zeigt. Mit Hilfe dieser Klageform können einzelne Kläger in den Fällen, in denen eine größere Gruppe von Personen in etwa gleicher Weise tatsächlich oder rechtlich betroffen ist, unter bestimmten Voraussetzungen Ansprüche zugunsten der gesamten Gruppe geltend machen. Insbesondere ist es möglich, einen Gesamtschaden einzuklagen, bei dessen Berechnung individuelle Begleit- oder Folgeschäden unberücksichtigt bleiben. Die class action ist somit etwas anderes als die Durchsetzung einzelner Rechtsverhältnisse. Zu alledem ausführlich Gottwald, ZZP 91 (1978), I ff., insb. S. 4-6, 28/29; Koch, Kollektiver Rechtsschutz im Zivilprozeß (1976), passim; W. Lüke, Die Beteiligung Dritter im Zivilprozeß, S. 168-175; Rainer Krause, Urteilswirkungen gegenüber Dritten im US-amerikanischen Zivilprozeßrecht, S. 122-156.
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Norm innewohnenden Rechtsgedanken22 noch näher herauszuarbeiten. Auf diese Weise wird es nämlich erheblich erleichtert, Grenzfälle wie auch das Problem einer entsprechenden Anwendung der Vorschrift, etwa im Betriebsverfassungsrecht, überzeugend zu lösen. Soweit sich die Literatur mit dem Verhältnis von § 9 TVG zum Institut der Prozeßstandschaft überhaupt befaßt, verneint sie ganz überwiegend, daß die Tarifparteien insoweit als Prozeßstandschafter zumindest der Verbandsmitglieder auftreten. 23 Die Tarifvertragsparteien prozessierten, so heißt es bei Wiedemann I Stumpf 24 , in ihrer eigenen Angelegenheit; sie handelten weder im Auftrage noch im unmittelbaren Interesse ihrer Mitglieder. Diesen Ausführungen ist zunächst insoweit zuzustimmen, als es im Rahmen des § 9 TVG um die Geltendmachung kollektiver Interessen geht. Zwar ist die Abgrenzung zur gesetzlichen Prozeßstandschaft - entgegen dem von Wiedemannl Stumpf 25 erweckten Anschein- nicht danach vorzunehmen, ob der Prozeßstandschafter vom Rechtsträger beauftragt ist oder in dessen unmittelbarem Interesse handelt. Vielmehr kommt es ausschließlich darauf an, ob die Prozeßpartei ein eigenes oder ein fremdes materielles Recht geltend macht. Die gerichtliche Kontrolle der Wirksamkeit oder des Inhalts von Tarifverträgen als solche läßt sich indessen nicht ausschließlich als Durchsetzung fremder, individueller Rechte der Verbandsmitglieder auffassen. Mit der Vereinbarung von Tarifverträgen ist die Ebene der Individualrechtsbeziehung zwischen Arbeitgeber und einzelnem Arbeitgeber verlassen, auch wenn aus dem Tarifvertrag wiederum Einzelansprüche erwachsen. Es wäre ungereimt, würden diese beiden unterschiedlichen Ebenen im Verfahrensrecht unbesehen nivelliert werden. Der prozessuale Schutz der Einzelrechtssphären ist dem Verband als eigenes Interesse zugewiesen. Dem entspricht es, wenn auf der materiellrechtlichen Ebene als Schuldner und Gläubiger tarifvertraglicher Verpflichtungen nur die Tarifparteien selbst angesehen werden. 26 Diese Betrachtungsweise korrespondiert des weiteren mit der herrschenden, insbesondere in der Rechtsprechung des BVerfG nachweisbaren Auffassung, nach der die Koalitionsfreiheit gemäß Art. 9 Abs. 3 GG nicht nur den einzelnen, sondern auch die Koalition als solche schützt ("Doppelgrundrecht"). 27 Dies bedeutet die Anerkennung eiSiehe dazu oben § 3 li. 1. a) cc) bis ff). Siehe dazu bereits oben § 3 II. 1. c). 23 Wiedemann/Stumpj, TVG, § 9 Rdnr. 3; Grunsky, RdA 1986, 196, 197; Konzen, FS Zeuner (1994), S. 401, 423. Eine Ausnahme bildet Michaelis, FS Larenz (1983), S. 443, 479, der freilich "zugleich" eine Drittfeststellungsklage annimmt, siehe hierzu bereits oben § 3 II. 1. b) bb) (2). 24 In: TVG, § 9 Rdnr. 3. 25 In: TVG, § 9 Rdnr. 3. 26 Vgl. Wiedemann/Stumpj, TVG, § 1 Rdnr. 315; Hueck/Nipperdey, ArbR, Bd. Il/1 , § 38 A I, S. 700, und B I, S. 702. 27 Vgl. aus der Judikatur des BVerfG etwa Urt. v. 18. 11. 1954, BVerfGE 4, 96, 101; Beseht. v. 14. 4. 1964, BVerfGE 17, 319, 333; Beseht. v. 30. 11. 1965, BVerfGE 19, 303, 21
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ner eigenständigen, rechtlich geschützten Interessensphäre der Koalitionen, die mehr ist als die Summe der Einzetinteressen. 28 Ferner findet eine derartige Sicht der Dinge in der Diskussion um die Rechtsnatur der Verbandsklagen im Sinne der§ 13 AGBG, § 13 UWG, § 12 RabattG, § 2 ZugabeVO ihre Parallelen. Die genannten Rechtsschutzformen sind mit dem in § 9 TVG angesprochenen Verfahren insofern vergleichbar, als es bei ihnen um die Wahrnehmung von Interessen geht, die über die den Zivilprozeß kennzeichnende Zweipersonenbeziehung hinausweisen. Allerdings ist die dogmatische Einordnung der sonstigen Verbandsklagen bis in die jüngste Zeit hinein äußerst umstritten. Teilweise wird die Auffassung vertreten, die Klagebefugnis der Verbände sei rein prozessual zu verstehen, 29 wodurch sich die Frage nach einer Prozeßstandschaft, also der Geltendmachung eines fremden materiellen Rechts, von vomherein erübrigt. 30 Demgegenüber steht die h. M. zwar auf dem Standpunkt, daß den jeweiligen Verbandsklagen materiellrechtliche Ansprüche zugrundeliegen. Indessen werden diese Ansprüche ganz überwiegend als eigene Rechte der Verbände angesehen. 31 Nur vereinzelt findet sich die Vorstellung von einer gesetzlichen Prozeßstandschaft des Verbandes für die Gruppe der jeweils betroffenen Verbraucher. 32 Auch wenn 312; Beschl. v. 26. 5. 1970, BVerfGE 28, 295, 304; Urt. v. I. 3. 1979, BVerfGE 50, 290, 367; Beschl. v. 17. 2. 1981, BVerfGE 57,220, 245; Beschl. v. 26. 6. 1991, BVerfGE 84,212, 224; zuletzt Beschl. v. 2. 3. 1993, BVerfGE 88, 103, 114. Aus der Rspr. des BAG etwa Urt. v. 2. 8. 1963, AP Nr. 5 zu Art. 9 GG (unter II 2 d. Gr.); Urt. v. 14. 2. 1967, AP Nr. 10 zu Art. 9 GG (unter 2 d. Gr.); Urt. v. 14. 2. 1978, AP Nr. 26 zu Art. 9 GG (unter II 2 d. Gr.); Urt. v. 23. 2. 1979, AP Nr. 30 zu Art. 9 GG (unter II 2 c aa d. Gr.). Ebenso MünchArbR/Löwisch, § 237 Rdrn. 7; Wiedemann/Stumpf, TVG, Ein!. Rdnr. 29 mit weit. Nachw. aus der Literatur. Folgerichtig daher Zöllner, Anm. zu BAG, EzA Art. 9 GG Nr. 30 (unter B a. E.), indem er - auf der Grundlage der Ansicht, daß die kollektive Koalitionsfreiheit nur eine Entfaltung der individuellen Grundrechte der Koalitionsmitglieder darstelle, deren sachliche Trägerschaft bei ihnen verbleibe -den Gedanken an eine Prozeßstandschaft aufwirft. 28 Zu dieser Unterscheidung allgemein auch M. Wolf, Die Klagebefugnis der Verbände, S. 22. 29 Hadding, JZ 1970, 305, 310/311; E. Schmidt, NJW 1989, 1192, 1193/1194; Thiere, Die Wahrung überindividueller Interessen im Zivilprozeß, S. 280-294. Unentschieden Lindacher, ZZP 103 (1990), 397, 403-405, sowie Grunsky, Grundlagen des Verfahrensrechts, § 28 I 9, s. 268. 30 Allerdings ist darauf hinzuweisen, daß Hadding, JZ 1970, 305, 311, trotz Verneinung eines streitbefangenen materiellen Rechts die Möglichkeit einer Rechtskrafterstreckung auf sonstige Mitbewerber des Beklagten andeutet. 31 Allgemein Rosenberg/Schwab/Gottwald, ZPR, § 47 3 a, S. 244. Zu § 13 AGBG: BGH, Urt. v. 21. 2. 1990, LM § 253 ZPO Nr. 91 (unter II 1 b bb d. Gr.); Palandt/Heinrichs, BGB, Vorbem. v. § 13 AGBG Rdnr. 3; MünchKomrn!Gerlach, BGB, § 13 Rdnr. 10, 50; M. Wolf, ZZP 94 (1981), 107, 109. Zu § 13 UWG: BGH, Urt. v. 24. 4. 1964, BGHZ 41, 314, 317/318; BGH, Urt. v. 11. 4. 1991, LM § 13 UWG Nr. 58 (unter II 1 d. Gr.); Urt. v. 15. 2. 1995, NJW 1995, 1488; Henckel, AcP 174 (1974), 97, 138; Bettermann, ZZP 85 (1972), 133, 135 mit Fn. 2; M. Wolf, Die Klagebefugnis der Verbände, S. 20/21, 23/24, 34, 63 (Fn. 193). 32 Berg, JuS 1966,461,463 (zu§ 13 UWG); Gilles, ZZP 98 (1985), 1, 9/10, der sich aber dennoch gegen eine Rechtskrafterstreckung auf den Einzelverbraucher mit der - letztlich we-
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die einzelne Verbandsklage auf den Schutz fremder Rechtssphären (Verbraucher, Mitbewerber) abzielt, so hat sich die Rechtsstellung des Verbandes nach der Konzeption des Gesetzes doch zu einem eigenen materiellrechtlichen Interesse am Schutz der jeweiligen Sphäre verdichtet. 33 Dies belegt den übergreifenden, auch für das Verfahren nach § 9 TVG geltenden Rechtsgedank:en, daß die Geltendmachung kollektiver Interessen qualitativ etwas anderes ist als die bloße Bündelung von Einzelinteressen. 34 Eine derartige Schau der Dinge entspricht nun wiederum der prozessualen Regelung des § 10 ArbGG, durch die den Arbeitnehmervereinigungen ungeachtet ihrer Rechtsform die Parteifähigkeit zuerkannt wird. Demnach sind die Gewerkschaften als solche und nicht ihre einzelnen Mitglieder Partei, so daß es nicht schon gemäß § 325 ZPO zu einer Bindung der Arbeitnehmer an das im Kollektivverfahren ergangene Urteil kommt. 35 Allerdings läßt sich auf Arbeitnehmerseite noch unter einem anderen Gesichtspunkt an eine Prozeßstandschaft denken. Die Frage, ob der Koalition als solcher statt oder neben Ansprüchen der einzelnen Mitglieder eigene materielle Rechte zustehen, ist nämlich von der weiteren Fragestellung zu trennen, wer als Zuordnungssubjekt für das Koalitionsrecht anzusehen ist. Wie bereits ausgeführt,36 bildet insbesondere nach dem in der älteren Rechtsprechung vorherrschenden Verständnis das schuldrechtliche Innenverhältnis der Tarifparteien die Grundlage für die Klage auf Feststellung der Gültigkeit bzw. des Inhalts von Tarifnormen. Die schuldrechtlichen Rechte und Pflichten wiederum treffen auf Arbeitnehmerseite angesichts des Umstandes, daß es sich bei den Gewerkschaften traditionell um nichtrechtsfähige Vereine handelt, 37 zwar nicht das einzelne Verbandsmitglied als solches38 , nig überzeugenden - Begründung wendet, daß es an einem Vorgreiflichkeitsverhältnis fehle (S. 23/23). Grundsätzlich abl. gegenüber dem Gedanken einer Prozeßstandschaft etwa MünchKomrn!Gerlach, AGBG, § 13 Rdnr. 50; Jauemig, ZPR, § 22 III 5, S. 65. Distanziert auch Lindacher, ZZP 103 (1990), 397, 402 (Fn. 12), der die Konzeption von Gilles als "eigenwillig" bezeichnet. Von einer Prozeßstandschaft des Verbandes zugunsten einer Gruppe ist die Auffassung Marotzkes, ZZP 98 (1985), 160, 188/189, 199, zu unterscheiden, der den Verband als Prozeßstandschafter des Staates ansieht, und folgerichtig eine Rechtsk:rafterstrekkung auf die Mitglieder ablehnt (S. 184). 33 Vgl. Henckel, AcP 174 (1974), 97, 138; M. Wolf, Die Klagebefugnis der Verbände, S. 20/21. So im Erg. auch Bettermann, ZZP 85 (1972), 133, 136-144, der allerdings im übrigen eine sehr restriktive Haltung gegenüber Verbandsklagen einnimmt. 34 In diese Richtung auch Gilles, ZZP 98 (1985), 1, 26. 35 Grunsky, ArbGG, § 10 RdNr. 16. 36 Zu den Einzelheiten siehe oben § 3 ll. 1. b) bb) ( 1). 37 Vgl. nur MünchArbR/Löwisch, § 243 Rdnr. 4. 38 Vgl. nur Wiedenumn/Stumpf, TVG, § 1 Rdnr. 67; Hueck/Nipperdey, ArbR, Bd. Il/1, § 21 I 1, S. 448. Das vereinzelt bejahte Bestehen einer Friedenspflicht für die durch den Tarifvertrag begünstigten Arbeitnehmer stellt keine Ausnahme dar, da die Bindung nicht als eine unmittelbare Geltung der schuldrechtlichen Pflicht aus dem Tarifvertrag, sondern als eine einzelvertragliche Bindungaufgrund eines lückenausfüllenden, dispositiven Rechtsgrundsat-
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wohl aber die Mitglieder in ihrer Gesamtheit. 39 Die den Arbeitnehmerkoalitionen durch das TVG zuerkannte Tariffähigkeit ändert, wie auch immer man sie im einzelnen versteht40, als solche nichts an ihrer zivilrechtliehen Struktur. Es ist daher zumindest ungenau, wenn das BAG in einer frühen Entscheidung von einer sich aus dem TVG ergebenden Rechtsfähigkeit der Gewerkschaften auf dem Gebiet des kollektiven Arbeitsrechts spricht. 41 Nach alledem ließe sich sagen, daß die Gewerkschaften bei Verfahren im Sinne des § 9 TVG zwar prozessual im eigenem Namen handelten, die Rechtszuständigkeit der von ihnen geltend gemachten Rechte materiellrechtlich aber bei den Verbandsmitgliedern liege. Dies wäre als eine Prozeßstandschaft zu bezeichnen, bei der die Gewerkschaft die alleinige Prozeßführungsbefugnis für die Geltendmachung des Kollektivrechts innehat, so daß eine Rechtskrafterstreckung auf die verbandsangehörigen Arbeitnehmer auch ohne die Sonderregelung des § 9 TVG nach allgemeinen Grundsätzen naheläge. Gegenüber einer solchen, das Handeln der Gewerkschaft bei einer Klage gemäß § 9 TVG als gesetzliche Prozeßstandschaft begreifenden Sichtweise ist jedoch daran zu erinnern, daß als Gegenstand der gerichtlichen Gültigkeits- und Inhaltskontrolle von Tarifverträgen nicht das schuldrechtliche Innenverhältnis der Tarifparteien, sondern der normative Teil des Tarifvertrages als solcher anzusehen ist. 42 Die Bestimmung des eigentlichen Streitgegenstandes ist aber nicht nur für die Zulässigkeit der Klage von Bedeutung. Vielmehr muß sie auch bei der Antwort auf die Frage herangezogen werden, in welcher Beziehung die Parteien des Rechtsstreits zum Streitgegenstand stehen. Ebenso wie dort würde es eine Verkennung des normativen Teils des Tarifvertrages sowie eine Übergewichtung seiner lediglich zur Unterstützung dienenden schuldrechtlichen Bestandteile darstellen43 , würde man das Hauptaugenmerk auf den schuldrechtlichen Tarifvertragsteil richten. Der damit im Vordergrund stehende .normative Teil läßt sich indessen nicht als Geflecht von subjektiven Rechten und Pflichten der Tarifparteien auffassen.44 Vielmehr ist die Befugnis der Tarifparteien, eine Klärung der Normsituation herbeizuführen, in Anlehnung an die Vorstellungen Lindachers45 zur Klagebefugnis der Verbände als ein zes verstanden wird; siehe Zöllner/Loritz, ArbR, § 40 V 2 a, S. 413/414. In diese Richtung auch MünchArb/Otto, § 279 Rdnr. 121. 39 MünchArbR/Löwiseh, § 243 Rdm. 25, 29; Hueek/Nipperdey, ArbR, Bd. 11/1, § 21 I 1 a, S. 449; Nikiseh, ArbR, Bd. II, § 70 I I, S. 236 (Fn. 3); Riehardi, Kollektivgewalt und Individualwille bei der Gestaltung des Arbeitsverhältnisses, S. 129; so bereits Hueek, Das Recht des Tarifvertrages, S. 160 (Fn. 1); Hersehe[, Tariffähigkeit und Tarifrnacht, S. 10/11. 40 Vgl. dazu ausführlich Riehardi, Kollektivgewalt und Individualwille bei der Gestaltung des Arbeitsverhältnisses, S. 127-130. 41 Beschl. v. 6. 7. 1956, AP Nr. 11 zu § 11 ArbGG 1953. 42 Siehe dazu oben§ 3 II. 1. b) bb) (4). 43 Zur Hilfsfunktion der schuldrechtlichen Tarifvertragselemente deutlich bereits Hersehe[, Tariffähigkeit und Tarifrnacht, S. 18. 44 Ausführlich Hersehe[, Tariffähigkeit und Tarifrnacht, S. 12/13. II Krause
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tertium zur Prozeßführungsbefugnis als Inhaber eines subjektiven Rechts und zur Prozeßführungsbefugnis eines Dritten über ein fremdes subjektives Recht zu begreifen. Das Verfahren im Sinne des § 9 TVG näher sich damit der von L. Raiser geprägten Vorstellung eines privatrechtliehen Institutsschutzes46. Da die Tarifparteien allerdings nur den von ihnen selbst geschaffenen Tarifvertrag, nicht aber andere Regelungen zum Gegenstand eines Kollektivverfahrens machen können,47 lassen sie sich freilich nicht als "Funktionäre der Gesamtarbeitsrechtsordnung" klassifizieren. Gleichwohl ist einer Rechtszuständigkeit der Verbandsmitglieder für das von der Gewerkschaft geltend gemachte materielle Recht als Voraussetzung einer Prozeßstandschaft damit von vornherein der Boden entzogen. Letzteres läßt sich zwar nicht bei einem Rechtsstreit sagen, dessen Schwerpunkt im schuldrechtlichen Teil eines Tarifvertrages - etwa bei der genauen Bestimmung der Durchführungspflicht - liegt, da hier durchaus subjektive Rechte und Pflichten in Rede stehen. Allerdings ergibt sich auch bei einer in diesem Fall in konstruktiver Hinsicht nahe liegenden Einordnung des Handeins der Gewerkschaften als Prozeßstandschafter die Bindung der verbandsangehörigen Arbeitnehmer im Individualverhältnis keineswegs von selbst. Die Prozeßstandschafterstellung des Verbandes bezieht sich nämlich nur auf die geltend gemachten Rechte und Pflichten. Die Mitglieder sind demnach prozessual zunächst lediglich in ihrer Eigenschaft als Angehörige des Verbandes betroffen. Hiervon ist das Individualrechtsverhältnis nicht nur materiellrechtlich, sondern auch verfahrensrechtlich zu trennen.48 Die Kluft zwischen der Verbandssphäre und der Individualsphäre bedarf zu ihrer- prozessualen - Überbrückung mehr als eines bloßen Hinweises darauf, daß es letztlich um die der Gesamtheit der Verbandsangehörigen zustehenden Rechte geht. Die durch die mangelnde Rechtsfähigkeit der Gewerkschaften hervorgerufenen rechtstechnischen Überlegungen bilden keinen Ersatz für inhaltliche Wertungen. In solchen Wertungen, mögen diese verfahrensrechtlicher oder materiellrechtlicher Natur sein, muß die Zurechnung von Prozeßresultaten wegen ihrer unter Umständen einschneidenden Wirkungen aber ihre Grundlage finden. Im übrigen lassen sich auch insofern die Überlegungen zur Verbandsklage im Sinne des UWG und des AGB nutzbar machen, wonach die Sachfrage der Rechtskrafterstreckung nicht unreflektiert aus der konstruktiven Einordnung der Rechtsschutzform beantwortet werden darf. 49 Demnach ist festzuhalten, daß die Bindung der Verbandsmitglieder bei Rechtsstreitigkeiten über die Wirksamkeit oder den Inhalt von Tarifverträgen nicht auf In: MünchKommZPO, Vor§ 50 Rdnr. 73. In: surnrnurn ius surnrna iniuria (1963), S. 145, 156. 47 Siehe dazu oben§ 5 II. I. b) aa). 48 Ähnlich unter Betonung des Unterschiedes zwischen Gruppeninteresse und Individualinteresse M. Wolf, Die Klagebefugnis der Verbände, S. 62. 49 Grunsky, Grundlagen des Verfahrensrechts, § 28 I 9, S. 268; allgernein ebenso Lindacher, ZZP 103 (1990), 397, 404/405, 4111412; anders aber offenbar M. Wolf, ZZP 94 (1981), 107, 108. 45
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den Gedanken einer Prozeßstandschafterstellung der Verbände auf Arbeitgeberwie auf Arbeitnehmerseite zutückgeführt werden kann.
c) Stellung der Arbeitskampfparteien
Im Bereich des Arbeitskampfrechts war durch die Urteile des BAG vom 21. 12. 198250 und vom 12. 9. 198451 , in denen das BAG ein eigenes Recht des Arbeitgeberverbandes auf Abwehr rechtswidriger Kampfmaßnahmen der Arbeitnehmerseite wie auch eine Vielzahl sonstiger in Betracht kommender Verteidigungsmöglichkeiten verneint hatte, eine lebhafte Diskussion über Fragen des Rechtsschutzes der kämpfenden Verbände ausgelöst worden. 5 2 Nachdem sich das BAG in seinem Urteil vom 26. 4. 198853 der nahezu einhelligen Kritik54 gebeugt hat55 und seitdem einen eigenständigen Unterlassungsanspruch der Koalitionen gegenüber dem jeweiligen sozialen Gegenspieler anerkennt56, sind die diesbezüglichen literarischen Auseinandersetzungen allerdings wieder weitgehend verebbt. 57 Überlegungen zu einer Prozeßstandschaft sind dadurch aber nicht obsolet geworden, da zum einen der Unterlassungsanspruch der Verbände keineswegs in allen arbeitskampfrechtlichen Fallgestaltungen besteht58 , zum anderen die Frage nach einer erweiterten Maßgeblichkeil gerichtlicher Entscheidungen weiterhin von Relevanz ist. AP Nr. 76 zu Art. 9 GG Arbeitskampf. AP Nr. 81 zu Art. 9 GG Arbeitskampf (unter A d. Gr.). 52 Vgl. etwa Dütz, Anm. zu BAG, EzA § 1 TVG Friedenspflicht Nr. 1; Heinze, SAE 1983, 217, 224-229; Seiter, Anm. zu BAG, EzA Art. 9 GG Arbeitskampf Nr. 54 (unter A); Scholz, SAE 1985, 33-36; Richardi, JZ 1985, 410, 411-421; Lieb, NZA 1985, 265, 266/267; Loritz, ZfA 1985, 185, 186-199; Reuter, JuS 1986, 19-21. 53 AP Nr. 101 zu Art. 9 GG Arbeitskampf (LS 3 sowie unter B li 1 d. Gr.). Angemerkt sei, daß das BAG bereits in seinem Urt. v. 19. 6. 1984, AP Nr. 3 zu§ 1 TVG Verhandlungspflicht (unter I 2 c d. Gr.), die Möglichkeit einer Unterlassungsklage des Arbeitgeberverbandes erwähnt hat. 54 Pointiert etwa Lieb, NZA 1985, 265, 267: Der Arbeitgeberverband werde "im Ergebnis schlechter gestellt als irgendein Abmahnverein". Abl. auch Löwisch, Anm. zu BAG, ARBlattei D-Blatt ,,Arbeitskampf VII: Entsch. 2" (unter 2); Rüthers, Anm. zu BAG, AP Nr. 49 zu Art. 9 GG (unter V 2); siehe im übrigen die Nachw. in Fn. 52. Der früheren Auffassung des BAG von der Ablehnung eines eigenen Unterlassungsanspruch der Verbände folgend lediglich Reuter, JuS 1986, 19/20. 55 Dem BAG insoweit zust. Rüthers/Bakker, Anm. zu BAG, EzA Art. 9 GG Arbeitskampf Nr. 74 (unter C 111); Löwisch, Anm. zu BAG, AR-B1attei D-B1att ,,Arbeitskampf 111: Entsch. 11" (unter 2); Konzen, JZ 1989, 755n56; Wollenschläger/Frölich, AuR 1990, 102; Otto, SAE 1991, 45/46; derselbe, in: MünchArbR, § 282 Rdnr. 14-18. 56 Vgl. etwa BAG, Urt. 27. 6. 1989, AP Nr. 113 zu Art. 9 GG Arbeitskampf (unter II I d. Gr.). 57 Siehe aber Konzen, FS Kisse1 (1994), S. 571 ff. 58 Vgl. Otto, SAE 1991, 45, 47; derselbe, in: MünchArbR, § 282 Rdnr. 18; Konzen, FS Kissel (1994), S. 571, 590/591. Siehe auch unter 2. mit Fn. 101. 5o
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Im Gegensatz zu den zahlreichen Äußerungen, die sich im Anschluß an die anderslautenden Entscheidungen des BAG59 für die Zulässigkeit einer gewillkürten Prozeßstandschaft eingesetzt haben, 60 ist das Problem einer gesetzlichen Prozeßstandschaft allerdings weitgehend unbeachtet geblieben. Lediglich Grunsky hat ihm seine Aufmerksamkeit gewidmet, für eine gesetzliche Prozeßstandschaft nach geltendem Recht jedoch keine Anhaltspunkte gesehen. 61 Die Antwort auf die gestellten Fragen setzt voraus, daß wiederum zwischen den möglichen Verfahrensgegenständen unterschieden wird. Soweit es um die Geltendmachung konkreter Einzelansprüche der Verbandsmitglieder geht, wie beispielsweise Ansprüche einzelner Unternehmen auf Schadensersatz oder auf Unterlassung zukünftiger rechtswidriger Kampfmaßnahmen, liegtebenso wie bei der Durchsetzung tariflicher Einzelrechte62 - kein Kollektivverfahren vor. Vielmehr stehen die Besonderheiten beim jeweiligen Mitgliedsunternehmen im Vordergrund, was insbesondere bei der Schadensbemessung, aber auch bei der auf das einzelne Unternehmen zu beziehenden Wiederholungsgefahr hervortritt.63 Hieran würde auch ein Recht des Verbandes, entsprechend der Regelung in § 101 Abs. 2 MarkenG den einem einzelnen Mitglied erwachsenen Schadenkraft Gesetzes in eigenem Namen einzufordern, nichts ändern.64 Die Rechtswidrigkeit des Arbeitskampfes als solche stellt lediglich die gemeinsame Vorfrage dar, die als solche auch in einer Bündelung mehrerer Einzelverfahren nicht rechtskräftig geklärt werden kann. Den Gegensatz zu den Individualansprüchen bildet der nunmehr auch in der Rechtsprechung anerkannte materiellrechtliche (deliktische) Unterlassungsanspruch der Verbände gegenüber rechtswidrigen Kampfmaßnahmen des jeweiligen sozialen Gegenspielers. Die Einordnung des Abwehrrechts als ein dem Verband selbst zustehendes materielles Recht hindert es von vornherein, von einer sich aus dem Gesetz ergebenden prozeßstandschaftlichen Deutung auszugehen. Hieran ändert - entsprechend den Ausführungen zum schuldrechtlichen Teil des Tarifvertra59 Urt. v. 21. 12. 1982, AP Nr. 76 zu Art. 9 GG Arbeitskampf (LS 4 sowie unter B II d. Gr.), und Urt. v. 12. 9. 1984, AP Nr. 81 zu Art. 9 GG Arbeitskampf (unter A III d. Gr.). 60 z. B. Dütz, Anm. zu BAG, EzA § 1 TVG Friedenspflicht Nr. 1 (unter li 3); Seiter, Anm. zu BAG, EzA Art. 9 GG Arbeitskampf Nr. 54 (unter A II); Loritz, ZfA 1985, 185, 197-199; Grunsky, RdA 1986, 196, 198/199. 6! In: RdA 1986, 196, 197. 62 Siehe dazu oben unter b) aa). 63 Zutreffend BAG, Urt. v. 12. 9. 1984, AP Nr. 81 zu Art. 9 GG Arbeitskampf (unter A III 1 d. Gr.); Grunsky, RdA 1986, 196, 197. 64 Etwas anderes würde nur für den Fall gelten, daß individuelle Besonderheiten analog den Grundsätzen über die amerikanische class actionauszuklammern wären; siehe hierzu bereits oben unter b) aa) Fn. 20. Demgegenüber stellt der von Loritz, ZfA 1985, 185, 193, angedeutete Schadensersatzanspruch des Verbandes von vornherein auf den Eigenschaden der Koalition ab. Ob ein Verlust des Vertrauens der Mitglieder als ein nach § 823 Abs. 1 BGB ersatzfähiger Vermögensschaden angesehen werden kann, erscheint allerdings fraglich.
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ges65 - auch der Umstand nichts, daß die Rechtszuständigkeit für Unterlassungsansprüche der Arbeitnehmerseite, die etwa auf die Abwehr einer rechtswidrigen Aussperrung abzielen, aufgrund des traditionellen Status der Gewerkschaften als nichtrechtsfähige Vereine in konstruktiver Hinsicht bei den Mitgliedern in ihrer gesamthändensehen Verbundenheit liegt. Somit ist auch bei der prozessualen Bewältigung des Arbeitskampfes grundsätzlich zwischen (summierten) Ansprüchen einzelner Kampfbeteiligter und der Geltendmachung von kollektiven Rechten der kampfführenden Verbände zu trennen. 66 Im letztgenannten Fall können die Verbände nicht lediglich als Prozeßstandschafter ihrer Mitglieder angesehen werden. Eine erweiterte Bindungswirkung läßt sich demnach nicht mittels dieses Rechtsinstituts begründen. d) Stellung des Betriebsrats
Die Einordnung der prozessualen Rechtsposition des Betriebsrats wirft ähnliche Fragen auf wie die Charakterisierung der Verbände in tarif- oder arbeitskampfrechtlichen Streitigkeiten. Wiederum kommt es darauf an, welche Rechte geltend gemacht werden. aa) Durchsetzung von Individualansprüchen Zunächst sind diejenigen Fälle aus der näheren Betrachtung auszugrenzen, in denen es dem Betriebsrat ausschließlich um die Geltendmachung individueller Rechte von Belegschaftsmitgliedern geht. Insoweit verneint das BAG bereits die Zulässigkeit eines Beschlußverfahrens: 67 Sofern der Betriebsrat die Seitreibung bzw. Feststellung von Arbeitnehmerrechten begehre, ohne sich auf eigene betriebsverfassungsrechtliche Ansprüche zu berufen, läge keine der Zuständigkeitsregelung des § 2a Abs. 1 Nr. 1 ArbGG unterfallende Angelegenheit aus dem BetrVG vor; dies sei aber aber gemäß § 80 Abs. 1 ArbGG Voraussetzung für die Zulässigkeit eines Beschlußverfahrens. Zwar könnte eine gesetzliche Prozeßstandschaft des Betriebsrats, wie sie etwa das kollektive Klagerecht des § 232 Abs. 1 des 1. Teilentwurfs für ein Österreichisches ArbeitsgesetzSiehe dazu oben unter b) bb). Ebenso Otto, SAE 1991, 45, 47. Vgl. auch die Parallelüberlegungen zur (verbraucherrechtlichen) Verbandsklage von Gilles, ZZP 98 (1985), I, 14115, 26; M. Wolf, Die Klagebefugnis der Verbände, S. 22. 67 Beschl. v. 24. 2. 1987, AP Nr. 28 zu § 80 BetrVG 1972 (unter I 2 d. Gr.); Beschl. v. 24. 11. 1987, AP Nr. 31 zu§ 87 BetrVG 1972 Lohngestaltung (unter BI 2 d. Gr.); Beschl. v. 17. 10. 1989, AP Nr. 53 zu § 112 BetrVG 1972 (unter B 1 d. Gr.). Im Erg. ebenso OGH, Entsch. v. 7. 4. 1981, DRdA 1981, 322/323, wonach der Betriebsrat nicht Vertreter bezüglich privatrechtlicher Arbeitnehmeransprüche ist. 65
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buch aus dem Jahre 1961 vorgesehen hatte, 68 die Gewähr für die tatsächliche Durchsetzung der dem Arbeitnehmer zustehenden Rechte erheblich erhöhen. Jedoch ginge es in Fällen dieser Art stets um die Beurteilung einzelner Rechtsverhältnisse mitsamt ihren individuellen Besonderheiten. Das kollektive Recht würde nur die Vorfrage, nicht aber den eigentlichen Streitgegenstand bilden. Entsprechend verhält es sich bei der Geltendmachung sozialrechtlicher Arbeitnehmeransprüche, die im Rahmen der Überlegungen zu einer Prozeßstandschaft des Betriebsrats ebenfalls ins Blickfeld geraten. Diese Ansprüche - im einzelnen geht es dabei um das Kurzarbeitergeld (§§ 64ff. AFG), das Wintergeld (§§ 80, 81 AFG) und das (mit dem 1. 1. 1996 gemäߧ 74 Abs. 3 S. 3 AFG allerdings entfallende) Schlechtwettergeld (§§ 83 ff. AFG) - stehen materiellrechtlich den einzelnen Arbeitnehmern zu. Ihre Durchsetzung im sozialgerichtlichen Verfahren gegenüber dem Arbeitsamt erfolgt jedoch durch den Arbeitgeber bzw. den Betriebsrat. Dem Arbeitgeber I Betriebsrat kommt dabei die Stellung eines Prozeßstandschafters für die Arbeitnehmer mit der Folge einer entsprechenden Rechtskraftbindung zu. 69 Dabei betont das BSG, nachdem es diese Frage zunächst offengelassen hatte70, daß sich die Prozeßführungsbefugnis des Arbeitgebers I Betriebsrats nicht nur auf die gleichgelagerten, betrieblichen Voraussetzungen der jeweiligen Ansprüche bezieht, sondern auch auf die persönlichen Umstände, von denen die Höhe des Anspruchs abhängt. 71 Der Sozialgerichtsprozeß ist auf der Grundlage der Auffassung des BSG somit kein Verfahren, in dem dem Betriebsrat (lediglich) die Aufgabe zukommt, eine kollektive Frage mit Rechtskraftwirkung gegenüber den betroffenen Arbeitnehmern zu klären. Daher lassen sich dem Sozialrecht keine Anknüpfungspunkte für die Annahme einer prozeßstandschaftlichen Stellung des Betriebsrats in kollektiven Rechtsstreitigkeiten entnehmen.
68 Abgedruckt in DRdA 1961, 51, 78; die Begründung für den Normvorschlag befindet sich a. a. 0, S. 136. Demgegenüber enthält§ 161 des Entwurfes eines Arbeitsvertragsgesetzes vom Arbeitskreis Deutsche Rechtseinheit im Arbeitsrecht, Gutachten D zum 59. DJT, 1992, trotz der Überschrift gerade keine Prozeßstandschaftsregelung, soweit damit die Geltendmachung von Rechten gemeint ist, die materiellrechtlich einem einzelnen Arbeitnehmer zustehen. Der dort niedergelegte Anspruch des Betriebsrats auf Unterlassung der Verwendung Allgemeiner Vertragsbedingungen läßt sich nicht als Recht eines oder mehrerer einzelner Arbeitnehmer begreifen. Vielmehr liegt der Klagebefugnis, ähnlich der Regelung des § 13 AGBG, auf den die Begründung auch Bezug nimmt (D 136), ein eigenständiges materielles Recht zugrunde. 69 Vgl. BSG, Urt. v. 15. 7. 1971, BSGE 33, 64, 66/67; BSG, Urt. v. 29. 8. 1974, BSGE 38, 94, 95-97, und BSGE 38, 98, 99/100; Urt. v. 2. 10. 1979, SozR 4100 § 163 Nr. 3; Urt. v. 5. 6. 1991, BSGE 69, 25, 33. Eine Prozeßstandschaft ebenfalls bejahend Schmidt, in: Niese[, AFG, Vor§§ 63-73 Rdnr. 5; Schmidt, GK-AFG, § 72 Rdnr. 86, 89; ähnlich Gagel/Bieback, AFG, § 72 Rdnr. 7, 14/l5, 55. 70 BSG, Urt. v. 15. 7. 1971, BSGE 33, 64, 67. 7t BSG, Urt. v. 29. 8. 1974, BSGE 38, 94, 96, und BSGE 38, 98, 100.
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bb) Geltendmachung kollektiver Rechte Differenzierter stellt sich die Sachlage dar, soweit der Betriebsrat kollektiv geprägte Rechte geltend macht. Sofern die Wahrnehmung eigener Kompetenzen durch den Betriebsrat auf eine (gleichzeitige) Durchsetzung von Ansprüchen einzelner Arbeitnehmer hinausläuft, verfolgt die Rechtsprechung die Tendenz, es gar nicht erst zu einer Entscheidung über das Bestehen oder Nichtbestehen des Einzelanspruchs kommen zu lassen. So beinhaltet das Überwachungsrecht aus § 80 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG nach Auffassung der Rechtsprechung keinen eigenen materiellrechtlichen Anspruch des Betriebsrats auf Durchsetzung von Rechten einzelner Arbeitnehmer. 72 Dasselbe gilt für die inhaltliche Reichweite des als solchen einhellig anerkannten73 Betriebsratsanspruchs auf Durchführung von Betriebsvereinbarungen, 74 mag bei der Abgrenzung auch noch keine letzte Klarheit erzielt worden sein. Auf diese Weise verhindert das BAG gezielt75 von vornherein die Möglichkeit einer mehrfachen gerichtlichen Beurteilung desselben Rechtsverhältnisses, so daß sich insoweit weder die Frage nach einer Deutung des Betriebsratsvorgehens als Prozeßstandschaft76 noch diejenige nach einer Rechtskrafterstreckung 77 stellt. Mit der Ablehnung der Befugnis, den Anspruch auf Durchführung von Betriebsvereinbarungen als Instrument zur Reitreibung von Einzelansprüchen zu nutzen, ist allerdings noch nicht gesagt, daß die gerichtliche Feststellung ihres Bestehens bzw. Inhaltes in einem Beschlußverfahren78 nicht als Prozeßstandschaft des Be-
n BAG, Beschl. v. 16. 7. 1985, AP Nr. 17 zu§ 87 BetrVG 1972 Lohngestaltung (unter B III 2 d. Gr.) mit zust. Anm. von Löwisch/Bemards (unter li 4); BAG, Beschl. v. 10. 6. 1986, AP Nr. 26 zu§ 80 BetrVG 1972 (unter IV 2 d. Gr.); BAG, Beschl. v. 9. 7. 1991, AP Nr. 19 zu § 87 BetrVG 1972 Ordnung des Betriebs (unter B li 4 b d. Gr.). 73 Vgl. nur BAG, Beschl. v. 24. 2. 1987, AP Nr. 21 zu§ 77 BetrVG 1972 (unter B II 1 a d. Gr.); BAG, Beschl. v. 13. 10. 1987, AP Nr. 2 zu § 77 BetrVG 1972 Auslegung (unter II 1 d. Gr.); BAG, Beschl. v. 10. 11. 1987, AP Nr. 24 zu§ 77 BetrVG 1972 (unter B II 1 d. Gr.) mit insoweit zust. Anm. von J. Schmitt (unter li 1); BAG, Beschl. v. 28. 9. 1988, AP Nr. 29 zu § 87 BetrVG 1972 Arbeitszeit (unter B I d. Gr.); Fitting I Auffarth/ Kaiser/ Heither, BetrVG, § 77 Rdnr. 8, 93; Hess, in: Hess/Schlochauer/Glaubitz, BetrVG, § 77 Rdnr. 108; Galperin/ Löwisch, BetrVG, § 77 Rdnr. 1; Dietz/Richardi, BetrVG, § 77 Rdnr. 136; MünchArbR!Matthes, § 319 Rdnr. 65. Umstritten ist lediglich die rechtliche Grundlage des Durchführungsanspruchs, vgl. Kreutz, GK-BetrVG, § 77 Rdnr. 21, 158/159. 74 BAG, Beschl. v. 17. 10. 1989, AP Nr. 39 zu§ 76 BetrVG 1972 (unter B I 2 b bb d. Gr.) mit zust. Anm. von D. Gaul (unter 1), und AP Nr. 53 zu§ 112 BetrVG 1972. 75 Vgl. nur die Ausführungen im Beschl. v. 10. 6. 1986, AP Nr. 26 zu§ 80 BetrVG 1972 (unter IV 2 d. Gr.). 76 So - unter Hinweis auf § 25 HAG - die Einordnung der abgelehnten Rechtsansicht durch das BAG, vgl. Beschl. v. 17. 10. 1989, AP Nr. 39 zu§ 76 BetrVG 1972 (unter BI 2 b bb d. Gr.), und AP Nr. 53 zu§ 112 BetrVG 1972 (unter B 1 c d. Gr.). 77 Hypothetisch ab!. BAG, Beschl. v. 10. 6. 1986, AP Nr. 26 zu § 80 BetrVG 1972 (unter IV 2 d. Gr.).
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2. Teil: Einfachgesetzliche Ausgangslage
triebsrats für die gesamte Belegschaft verstanden werden könnte. Insoweit gelten jedoch die Ausführungen zur Prozeßstandschaft der Verbände bei der gerichtlichen Klärung des normativen Inhalts von Tarifverträgen79 entsprechend. Betriebsvereinbarungen sind- ebenso wie Tarifverträge- grundsätzlich als Normenverträge anzusehen.80 Zwar erfolgt die Klärung ihrer Gültigkeit und ihres Inhalts vor allem um der Belegschaft willen; 81 dies wird nicht zuletzt dadurch bestätigt, daß die Betriebsparteien befugt sind, auch eine inzwischen außer Kraft getretene Regelung zum Gegenstand eines Kollektivverfahrens zu wählen82 . Dennoch stellen ihre normativen Bestimmungen als solche kein subjektives, der Belegschaft zuzuordnendes Recht dar. Für eine Prozeßstandschaft fehlt es deshalb an einem Anknüpfungspunkt. Davon zu unterscheiden sind diejenigen Fälle, in denen Arbeitgeber und Betriebsrat um das Bestehen von Beteiligungsrechten, etwa im Bereich des § 87 Abs. 1 BetrVG, streiten. 83 Würde der Betriebsrat in derartigen Konstellationen in eigenem Namen Rechte der Belegschaft geltend machen, so wäre seine Rechtsstellung als Prozeßstandschaft zu charakterisieren. Eine solche Sicht der Dinge könnte sich immerhin auf eine Parallele zum Verständnis der Stellung des Betriebsrats stützen, das im Österreichischen Schrifttum Verbreitung gefunden hat. Danach wird der Betriebsrat deshalb als Prozeßstandschafter angesehen, weil er Mitbestimmungsrechte in eigenem Namen gerichtlich geltend mache, die mangels eigener Rechtsfähigkeit nicht ihm, sondern der gesamten Belegschaft als solcher zustünden. 84 Die zumindest in bestimmten Konstella78 Die Zulässigkeit eines Beschlußverfahrens über die Gültigkeit bzw. die Auslegung einer Betriebsvereinbarung wird einhellig bejaht; vgl. BAG, Beschl. v. 8. 12. 1970, AP Nr. 28 zu §59 BetrVG (unter 1 bis 3d. Gr.); Fitting!Auffarth/Kaiser/Heither; BetrVG, § 77 Rdnr. 94; Hess, in: Hess!Schlochauer/Glaubitz, BetrVG, § 77 Rdnr. 175; Kreutz, GK-BetrVG, § 77 Rdnr. 347. 79 Siehe dazu oben unter b) bb). 80 Siehe etwa BVerfG, Beschl. v. 23. 4. 1986, BVerfGE 73, 261, 268; BAG, Beschl. v. 18. 12. 1990, AP Nr. 98 zu § I TVG Tarifverträge: Metallindustrie (unter B 111 6 d. Gr.); Fitting!Auffarth/Kaiser/Heither, BetrVG, § 77 Rdnr. 17; Hess, in: Hess/Schlochauer/ Glaubitz, BetrVG, § 77 Rdnr. 1; Dietz/Richardi, BetrVG, § 77 Rdnr. 24; MünchArbRIMatthes, § 319 Rdnr. 1; Kreutz, GK-BetrVG, § 77 Rdnr. 143-145, 183-187, der aber zutreffend die sich aus rechtstheoretischen Überlegungen ergebende Begrenztheit dieser Charakterisierung hervorhebt. Einschränkend aber Hanau, RdA 1989, 207-211, und Hanau/Preis, NZA 1991, 81, 88-90. 81 So bereits vgl. BAG, Beschl. v. 8. 12. 1970, AP Nr. 28 zu§ 59 BetrVG (unter 3d. Gr.). 82 So BAG, Beschl. v. 18. 12. 1990, AP Nr. 98 zu§ 1 TVG Tarifverträge: Metallindustrie (unter li d. Gr.) für den Spruch einer tariflichen Einigungsstelle. 83 Gleichzustellen ist die Auseinandersetzung um die Gültigkeit oder den Inhalt des schuldrechtlichen Teils einer Betriebsvereinbarung. 84 Eypeltauer, JBl 1987, 561, 566; Gamerith, DRdA 1988, 303, 305; Schima, JBl 1989, 419, 423/424; für eine Einordnung der Belegschaft als Zuordnungssubjekt auch Florettal Strasser, ArbVG, § 89 Anm. 3; Cemy, ArbVG, § 40 Anm. 1; krit. aber Schramme/, FS Schwarz (1991), S. 295, 306/307.
§ 5 Rechtskrafterstreckung kraft Repräsentation
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tionen bejahte Rechtskraftwirkung gegenüber der Belegschaft wird ausdrücklich auf das Auftreten des Betriebsrats als Prozeßstandschafter gegründet.85 Somit scheint es darauf anzukommen, ob auch nach deutschem Recht die Belegschaft als solche oder sogar die einzelnen Arbeitnehmer als Zuordnungssubjekte der im BetrVG niedergelegten Beteiligungsbefugnisse des Betriebsrats anzusehen sind. Nun finden sich in dieser traditionsreichen Diskussion eine Reihe von Stimmen, nach denen die Mitbestimmungsrechte in der Tat letztlich den einzelnen Arbeitnehmern, 86 zumindest aber der Belegschaft als solcher87 zuzuordnen sind, während vor allem im neueren Schrifttum dafür votiert wird, den Betriebsrat selbst als Träger der Beteiligungsrechte zu begreifen88 . Die Sichtweise, die die Belegschaft als Subjekt der Mitbestimmungsbefugnisse begreift, erfährt teilweise dadurch nähere Konturen, daß die Stellung des Betriebsrats im Verhältnis zu den Arbeitnehmern als ein treuhänderisches Auftrags- und Interessenwahrnehmungsverhältnis bezeichnet wird, das Parallelen zur Rechtsstellung des Testamentsvollstreckers sowie des Konkurs-, Zwangs- und Nachlaßverwalters aufweise. 89 Zwar charakterisiert man die Position dieser Personen in der Tat überwiegend als gesetzliche Prozeßstandschaft. 90 Gleichwohl kann es nicht überzeugen, eine Drittbindung allein auf diesen Gesichtspunkt zu gründen: Denn einerseits sind die verschiedenen Stellungnahmen zur Charakterisierung des Betriebsrats bei genauerer Betrachtung zu wenig verfestigt, um aus ihnen eine so weitreichende Rechtsfolge wie eine Rechtskrafterstreckung ableiten zu wollen. Andererseits wird die begrenzte Aussagekraft eines Vergleichs von Betriebsrat und Konkursverwalter bzw. ähnlichen rechtlichen Stellungen auch von denjenigen anerkannt, die derartige Verbindungslinien im Grundsatz ziehen wollen.9 1 Darüber hinaus ist- entsprechend Schima, JBI1989, 419,428/429. Wiese, GK-BetrVG, Ein!. Rdnr. 86; Belling, Die Haftung des Betriebsrats und seiner Mitglieder für Pflichtverletzungen, S. 109 ff.; so bereits Jacobi, Grundlehren des Arbeitsrechts, § 17 IV, S. 295-298. 87 Dietz / Richardi, BetrVG, § I Rdnr. 14; Zöllner/ Loritz, § 45 li, S. 462; Thiele, GKBetrVG (4. Aufl.), Ein!. Rdnr. 52, 68-71; Hueck/Nipperdey, ArbR, Bd. 1112, § 52 AI 3, S. 1085/1086: "Arbeitnehmer ... als ... natürliche Einheit"; Däubler, ArbuR 1982, 6, 9; in diese Richtung auch Fitting I Auffarth/ Kaiser/ Heither, BetrVG, § 1 Rdnr. 89; so auch schon Kaskel, NZfA 1921, Sp. 15/16. 88 Hess/Schlochauer/Glaubitz, BetrVG, vor § 1 Rdnr. 25; MünchArbR/v. HoyningenHuene, § 291 Rdnr. 14; Heinze, ZfA 1988, 53, 62, 72; ausführlich Kreutz, Grenzen der Betriebsautonomie, S. 30-40. 89 Nikisch, ArbR, Bd. III, § 91 I 9, S. 19; Heinze, ZfA 1988, 53, 61-71; Belling, Die Haftung des Betriebsrats und seiner Mitglieder für Pflichtverletzungen, S. 109 ff., 132-134; so schon Sinzheimer, Grundzüge des Arbeitsrechts, S. 225 (Fn. 3); andeutungsweise auch Hueck/Nipperdey, ArbR, Bd. Il/2, §52 C IV, S. 1093; zweifelnd aber MünchArbR/v. Hoyningen-Huene, § 291 Rdnr. 34. 90 Vgl. Zöller/Vollkommer, ZPO, Vor§ 50 Rdnr. 21; MünchKomm!Lindacher, Vor§ 50 Rdnr. 44; Jauemig, ZPR, § 22 III 4, S. 65. 91 Siehe Nikisch, ArbR, Bd. III, § 91 I 9, S. 19; Hueck/Nipperdey, ArbR, Bd. 1112, §52 C IV, S. 1093. 85
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2. Teil: Einfachgesetzliche Ausgangslage
den Überlegungen zur Rechtszuständigkeit für die tariflichen Rechte92 - zwischen der betrieblichen und der individualrechtliehen Sphäre grundsätzlich eine Trennung vorzunehmen. 93 Diese materiellrechtliche Getrenntheit muß sich bei der prozessualen Geltendmachung der Kollektivsphäre widerspiegeln und darf nicht durch rein konstruktive Erwägungen überwunden werden. Die schlichte Einordnung der Beteiligungsrechte des Betriebsrats als materielle Rechte der Belegschaft mit der Folge einer prozeßstandschaftlichen Stellung der Arbeitnehmervertretung allein rechtfertigt deshalb weder eine Rechtskrafterstreckung noch sonstige Bindungsformen. Ein im Ausgangspunkt etwas veränderter Ansatz ist nunmehr von Konzen 94 vorgelegt worden. Konzen leugnet nicht, daß der Betriebsrat rechtstechnisch betrachtet kein Prozeßstandschafter ist. 95 Dieser Umstand stellt nach seiner Ansicht jedoch kein Hindernis für eine analoge Anwendung des § 327 ZPO und der bei den Parteien kraft Amtes geltenden Grundsätze über eine Rechtskrafterstreckung auf das Verhältnis zwischen kollektivem Beschlußverfahren und nachfolgendem Individualverfahren dar. Die erforderliche Parallelität bestehe darin, daß dem Betriebsrat zwar nicht hinsichtlich der gesamten Rechtspositionen der einzelnen Arbeitnehmer, wohl aber im Hinblick auf die kollektivrechtliche Vorfrage als einem Tatbestandsmerkmal des individualrechtliehen Anspruchs die alleinige materiellrechtliehe und verfahrensrechtliche Kompetenz zukomme. 96 Die Auffassung von Konzen lenkt den Blick zu Recht darauf, daß die Frage lediglich dahin geht, ob die Individualvertragsparteien an die rechtskräftige Feststellung des kollektivrechtlichen Teilelementes ihrer jeweiligen Ansprüche gebunden sind. Des weiteren trifft es zu, daß die kollektivrechtliche Vorfrage als solche nur in einem Beschlußverfahren zwischen dem Arbeitgeber und dem Betriebsrat geklärt werden kann und der Betriebsrat in diesem Rechtsstreit die Interessen der Belegschaft wahrzunehmen hat. Gleichwohl erscheinen diese Überlegungen für sich allein nicht ausreichend, um eine Parallele zu den Fallgruppen der Parteien kraft Amtes ziehen zu können und auf diese Weise eine Zurechnung des Prozeßergebnisses zu rechtfertigen. Dies findet seinen Grund in den trotz mancher Ähnlichkeiten bestehenden Unterschieden. Während in jenen Konstellationen die Verfügungs- und Prozeßführungsbefugnis vom Rechtsträger zumindest weitgehend auf die Partei kraft Amtes übergeht, sind die Arbeitnehmer durch die Existenz eines Betriebsrats rechtlich im Grundsatz nicht daran gehindert, über ihre Individualrechtspositionen zu verfügen bzw. mit Hilfe von Einzelprozessen gegen den ArSiehe dazu oben unter b) bb). In diesem Sinne auch Wiese, GK-BetrVG, Ein!. Rdnr. 86, der die Mitbestimmungsrechte zwar den Arbeitnehmern zuordnet, sie aber gleichwohl als nicht isolierte individuelle, sondern kollektivbezogene Rechte bezeichnet. 94 In: FS Zeuner (1994), S. 401,426-430. 95 A. a. 0., S. 428. 96 A. a. 0., S. 429. 92 93
§ 5 Rechtskrafterstreckung kraft Repräsentation
171
beitgeber vorzugehen. Die aus dem kollektiven Recht herrührenden Elemente der individuellen Arbeitnehmerrechte bilden keine Sperre gegen eine Verfügung bzw. eine Prozeßführung durch den einzelnen Beschäftigten. Vielmehr sind diese kollektivrechtlichen Bestandteile als partielle Merkmale des dem Arbeitnehmer insgesamt zustehenden Anspruchs grundsätzlich dem Zugriff des Einzelnen ausgesetzt. Anders als bei den Parteien kraft Amtes findet somit keine Verlagerung von Rechtsmacht vom Rechtsträger auf einen Ausübungsbefugten statt, die zur Erklärung einer Rechtskrafterstreckung herangezogen werden könnte. Vielmehr erfolgt bei einer Ausdehnung der materiellen Rechtskraft im Ergebnis eine Überlagerung der Befugnisse der einzelnen Arbeitnehmer. Für deren Rechtfertigung genügt es nicht, sich allein auf die Grundsätze zur Rechtskrafterstreckung in den Fällen der Parteien kraft Amtes zu stützen.
e) Zwischenergebnis
Der Gedanke einer gesetzlichen Prozeßstandschaft von Tarif- bzw. Arbeitskampfparteien oder Betriebsrat erweist sich ebenso wie eine Parallele zu den Parteien kraft Amtes nach alledem nicht als geeignet, das Problem der Maßgeblichkeit gerichtlicher Entscheidungen in kollektivrechtlichen Streitigkeiten für das Individualarbeitsverhältnis zu lösen. 97
2. Gewillkürte Prozeßstandschaft
Im Hinblick auf eine gewillkürte Prozeßstandschaft, bei der die Bindung des Rechtsträgers einhellig bejaht wird98, ist den bisherigen Ausführungen zur Abgrenzung der verschiedenen möglichen Streitgegenstände nur noch wenig hinzuzufügen. Im Tarifrecht etwa könnte ein Verband auf diesem Wege echte Individualansprüche, unter Umständen gebündelt, geltend machen; man denke an Gehaltszahlungsklagen durch die Gewerkschaft. 99 Desgleichen kommt es im Arbeitskampfrecht in Betracht, daß ein Verband Abwehransprüche von Mitgliedern gegenüber rechts97 So im Erg. auch Dütz, FS Gnade (1992), S. 487, 492; Dütz/Rotter, Anm. zu BAG, EzA § 18 BetrVG 1972 Nr. 7 (unter III 2 a bb); Jox, NZA 1990,424, 425/426. 98 Vgl. nur BGH, Urt. v. 9. 5. 1967, BGHZ 48, 12, 16; Urt. v. 12. 10. 1987, NJW 1988, 1585, 1586; Urt. v. 7. 7. 1993, NJW 1993,3072, 3073; Tlwmas/Putzo, ZPO, §51 Rdnr. 39; Zöller/Vollkommer, ZPO, Vor§ 50 Rdnr. 54; Stein!Jonas!Bork, ZPO, Vor§ 50 Rdnr. 4lc, 41e; Wieczorek/Schütze/Hausmann, ZPO, Vor § 50 Rdnr. 92; Rosenberg/Schwab/Gottwald, ZPR, § 46 V 4, S. 242; Grunsky, Grundlagen des Verfahrensrechts, § 28 I 6, S. 264/ 265. 99 Zur gewillkürten Prozeßstandschaft eines Spitzenverbandes für einen Mitgliedsverband siehe bereits oben § 3 II. 1. b) aa) Fn. 162.
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2. Teil: Einfachgesetzliche Ausgangslage
widrigen Kampfmaßnahmen prozeßstandschaftlich durchsetzt. Wie Otto herausgearbeitet hat 100, sind nämlich durchaus Fallkonstellationen denkbar, in denen ein Vorgehen der Koalition aus eigenem Recht trotz grundsätzlicher Anerkennung eines eigenständigen materiellrechtlichen Unterlassungsanspruchs nicht möglich ist, da die Kampfmaßnahme den Verband nicht in seinem Betätigungsrecht aus Art. 9 Abs. 3 GG beeinträchtigt. 101 Schließlich ist es auch nicht ausgeschlossen, daß einzelne Arbeitnehmer den Betriebsrat zur prozessualen Wahrnehmung ihrer Rechte ermächtigen. In allen diesen Fällen ist in einem Folgeprozeß lediglich zu klären, ob eine wirksame Zustimmung des Rechtsträgers zur Prozeßführung des Prozeßstandschafters vorgelegen hat. Hierbei stellt sich insbesondere die Frage, ob der Beitritt zu einer Gewerkschaft oder einem Arbeitgeberverband bereits eine hinreichend konkrete Prozeßführungsermächtigung enthält. 102 Demgegenüber ist das Bestehen eines schutzwürdigen Eigeninteresses des Ermächtigten an der Geltendmachung eines fremden Rechts in eigenem Namen nicht mehr zu erörtern, da diese von der ganz h. M. geforderte Voraussetzung 103 nur den Prozeßgegner davor schützt, in einen Rechtsstreit mit dem Prozeßstandschafter gezogen zu werden, nicht aber dem Interesse des später von der Rechtskraft erfaßten Rechtsträgers dient. 104 Der im kollektiven Arbeitsrecht unter Umständen schwierig zu beantwortenden Frage, ob der Partei des Vorprozesses ein Eigeninteresse an der Durchsetzung eines individuellen Rechts zugestanden hat, 105 muß das Gericht des Folgeprozesses demnach nicht IOO In: SAE 1991, 45, 47; derselbe, in: MünchArbR, § 282 Rdnr. 17. Ebenso Konzen, FS Kissel (1994), S. 571,590/591. 101 Zu erwähnen sind der politische Streik wie auch der Sympathiearbeitskampf, bei denen ein Verband sich gegen Kampfmaßnahmen wendet, obwohl er an den laufenden Tarifverhandlungen nicht beteiligt ist; vgl. dazu ArbG Bonn, Urt. v. 9. 3. 1989, EzA Art. 9 GG Arbeitskampf Nr. 93 mit ab!. Anm. von Berger-Delhey, der (unter II) den der Entscheidung zugrundeliegenden Sachverhalt indessen verkennt. 102 Für den Fall einer entsprechenden Satzungsklausel bejahend MünchArbR/Otto, § 285 Rdnr. 13; Colneric, in: Däubler, ArbK, Rdnr. 1301p; Grunsky, RdA 1986, 196, 199; Konzen, FS Kissel (1994), S. 571, 608; generell bejahend sogar Däubler, TarifvertragsR, Rdnr. 1385. Grundsätzlich großzügig auch BGH, Urt. v. 9. 5. 1967, BGHZ 48, 12, 16; MünchKommZPO/ Lindacher, Vor§ 50 Rdnr. 57; krit. aber M. Wolf, Die Klagebefugnis der Verbände, S. 4/5. 103 Vgl. nur BGH, Urt. v. 24. 10.1985, BGHZ 96, 151 , 152; Urt. v. 21. 12. 1989, NJW 1990, 1117; Zöller/Vollkommer, ZPO, Vor§ 50 Rdnr. 44; MünchKommZPO/Lindacher, Vor § 50 Rdnr. 55, 59; Stein/ Jonas I Bork, ZPO, Vor§ 50 Rdnr. 42 mit weit. Nachw. 104 Auch Grunsky, Grundlagen des Verfahrensrechts, § 28 I 6, S. 265, sieht dies im Ergebnis nicht anders. Zwar erlaubt er dem Rechtsträger in einem zweiten Prozeß generell, das Nichtbestehen einer entsprechenden Prozeßführungsbefugnis der Partei im ersten Verfahren einzuwenden. Jedoch verzichtet er, a. a. 0., § 28 I 4, S. 262/263, für die gewillkürte Prozeßstandschaft von vornherein auf das Eigeninteresse des Ennächtigten. 105 In arbeitskampfrechtlich geprägten Konstellationen befürwortend etwa MünchArbR/ Otto, § 285 Rdnr. 14; Dütz. Anm. zu BAG, EzA § I TVG Friedenspflicht Nr. I (unter II 3); Heinze, SAE 1983, 224, 229; Lieb, NZA 1985, 265, 267; Loritz, ZfA 1985, 185, 197-199; Reuter, JuS 1986, 19, 21 ; Konzen, FS Kissel (1994), S. 571,608.
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nachgehen. Allerdings ist angesichts der leicht verwechselbaren möglichen Streitgegenstände sorgfältig zu prüfen, welcher prozessuale Anspruch tatsächlich Gegenstand des vorhergehenden Verfahrens gewesen ist. Da sich die vorliegende Untersuchung auf die ex lege eintretenden Drittwirkungen konzentriert, soll auf die gewillkürte Prozeßstandschaft in den weiteren Ausführungen nur am Rande eingegangen werden.
II. Zur Bindung kraft Repräsentation als allgemeiner Zurechnungsgrundsatz
Neben der Prozeßstandschaft als ein verfahrensrechtliches Institut mit einem vergleichsweise gesicherten Begriffsinhalt und Anwendungsbereich werfen die hier zu erörternden Problemfelder die Frage nach einer - davon zu unterscheidenden - prozessualen "Repräsentation" der Arbeitnehmer durch die Gewerkschaften bzw. den Betriebsrat auf. Ausgangspunkt für diese Überlegung ist die von Dütz 106 wie auch von Leipold107 in die Diskussion eingebrachte Verknüpfung von materiellrechtlicher Repräsentation der Arbeitnehmer mit dem schon von Wach 108 verwendeten Gedanken einer die Rechtskrafterstreckung rechtfertigenden prozessualen Repräsentation.
Nun ist im Bereich des materiellen Rechts häufig von einer ,,Repräsentation" der Arbeitnehmer durch die Gewerkschaften 109 bzw. durch den Betriebsrat 110 die Rede. Allerdings ist dieser Begriff für sich genommen zu diffus, um aus ihm konkrete materiellrechtliche Rechtsfolgen ableiten zu können. 111 Die gleichen Bedenken sind auch für das Verfahrensrecht anzumelden. Zwar mögen sich einzelne Fälle der Rechtskrafterstreckung als "Repräsentation" außensteheoder Dritter durch einen Verfahrensbeteiligten im Sinne einer "Wahrung fremder Interessen mit notwendiger Rechtswirkung" bezeichnen lassen. 112 Jedoch sind diese Konstellatio106 In: ArbRGegw Bd. 20 (Dok. für 1982), 33, 41, 53; derselbe, FS Gnade (1992), S. 487, 492, 499; Dütz/Rotter, Anm. zu BAG, EzA § 18 BetrVG 1972 (unter III 2 a bb und dd). 107 In: Anm. zu BAG, AP Nr. 15 zu§ 113 BetrVG 1972 (unter 7). 10s Vgl. Wach/Laband, Zur Lehre von der Rechtskraft, S. II , 14115. 109 Siehe dazu vor allem Wiedemann, RdA 1969, 321,327-331. 110 Vgl. BAG, Beschl. v. 1. 8. 1958, AP Nr. I zu§ 83 ArbGG 1953 (BI. IR); Urt. v. 30. 1. 1970, AP Nr. 142 zu§ 242 BGB Ruhegehalt (unter B IV 1 und 2 a d. Gr.); Beschl. v. 27. 1. 1981, AP Nr. 2 zu§ 80 ArbGG 1979 (unter II 2 b d. Gr.); Beschl. v. 24. 3. 1981 , AP Nr. 12 zu 112 BetrVG 1972 (unter II 3d. Gr.); Fitting I Auffarth/ Kaiser/ Heither, BetrVG, § 1 Rdnr. 88; Galperin/Löwisch, BetrVG, Vor§ I Rdnr. 19; Dietz/Richardi, BetrVG, § 1 Rdnr. 15, 19/ 20; Kraft, GK-BetrVG, § 1 Rdnr. 50/51 ; Hueck/Nipperdey, ArbR, Bd. II/2, § 52 CI, S. 1091; MünchArbR/v. Hoyningen-Huene, § 291 Rdnr. 18. 111 Zurückhaltend auch- für die Gewerkschaften - Wiedemann, RdA 1969, 321 , 331, sowie- für den Betriebsrat- Thiele, GK-BetrVG (4. Auf!.), Ein!. Rdnr. 81: "Verlegenheitslösung"; Kreutz, GK-BetrVG, § 1 Rdnr. 51; Zöllner/ Loritz, ArbR, § 45 III 1, S. 463.
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2. Teil: Einfachgesetzliche Ausgangslage
nen, wie Leipold selbst an anderer Stelle ausführt, 113 zu verschieden, als daß aus ihnen allein gemeinsame Grundsätze über eine prozessuale Repräsentation mit der Folge der Rechtskrafterstreckung hergeleitet werden könnten. Vielmehr muß es bei der schon von Hellwig 114 gewonnenen Erkenntnis bleiben, daß eine (aus anderen Gründen) zu bejahenden Rechtskrafterstreckung mit Repräsentation umschrieben werden kann, aus diesem Begriff für sich genommen aber ein Schluß auf eine erweiterte Bindungswirkung nicht möglich ist. Somit entbindet der Gedanke der Repräsentation der Arbeitnehmer durch Gewerkschaften bzw. Betriebsrat nicht von der Suche nach präziseren Begründungen für eine die Parteien übersteigende Entscheidungswirkung.
111. Ergebnis Die Bindung der Individualvertragsparteien an die in kollektiven Rechtsstreitigkeiten ergehenden Entscheidungen läßt sich weder durch das Institut der gesetzlichen Prozeßstandschaft oder durch Parallelen zu den Grundsätzen bei Parteien kraft Amtes noch mit Hilfe des Gedankens der Repräsentation allein rechtfertigen. Demgegenüber führt eine gewillkürte Prozeßstandschaft zu einer Rechtskrafterstreckung. Sie betrifft indes nur die Fälle, in denen die Verbände bzw. der Betriebsrat individuelle Rechte in eigenem Namen geltend machen.
Siehe dazu Wach/Lilband, Zur Lehre von der Rechtskraft, S. 14. In: Stein/Jonas, ZPO, § 325 Rdnr. 51. 114 In: Wesen und subjektive Begrenzung der Rechtskraft, S. 52152 ("Begriff ... in dieser Allgerneinheit unbrauchbar"). Ebenso bereits Heim, Die Feststellungswirkung des Zivi1urteils, S. 212; Hofmann, Über das Wesen und die subjektiven Grenzen der Rechtskraft, S. 89. Abi. auchPrütting, RdA 1991, 257, 264; H. F. Gaul, FS Zeuner (1994), S. 317,327/328. 112
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§ 6 Besonderheiten des arbeitsgerichtliehen Beschlußverfahrens
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§ 6 Verfahrensrechtliche Besonderheiten des arbeitsgerichtliehen Beschlußverfahrens als Zurechnungsfaktoren
Im Rahmen des arbeitsgerichtliehen Beschlußverfahrens findet die Vorschrift des § 325 Abs. 1 ZPO anerkanntermaßen gemäß den §§ 80 Abs. 2, 46 Abs. 2 ArbGG, § 495 Abs. 1 ZPO entsprechende Anwendung. Dies bedeutet, daß zumindest der Antragsteller und der Antragsgegner - sowie ihre Rechtsnachfolger - an die rechtskräftige Entscheidung gebunden sind. 1 Die folgenden Überlegungen gelten dem Problem, ob prozessuale Eigenheiten des Beschlußverfahrens eine gegenüber dem Urteilsverfahren in subjektiver Hinsicht generell erweiterte Entscheidungswirkung rechtfertigen. Ein derartiger Begründungszusammenhang hätte zur Folge, daß zumindest die Maßgeblichkeit von Erkenntnissen über betriebsverfassungsrechtliche Vorfragen 2 bei der Beurteilung von Individualrechtsverhältnissen feststünde. Als Anknüpfungspunkte kommen der im Beschlußverfahren gemäß § 83 Abs. 1 S. 1 ArbGG geltende Untersuchungsgrundsatz sowie das Institut der Beteiligung im Sinne des § 83 Abs. 3 ArbGG in Betracht. Wegen des Sachzusammenhanges sollen zudem die - wenn auch nur bestimmte Konstellationen betreffende - verfahrensrechtlichen Regelungen des § 97 ArbGG erörtert werden.
I. Bedeutung des Untersuchungsgrundsatzes
Das Verhältnis zwischen der Geltung des Untersuchungsgrundsatzes als Verfahrensmaxime und einer Rechtskrafterstreckung ist wiederholt Gegenstand literarischer Auseinandersetzungen gewesen. Dabei kann man allerdings nicht schon auf diejenigen Stimmen bauen, die die Untersuchungsmaxime lediglich zur inneren Rechtfertigung einer durch das Gesetz- so in§§ 636a, 638 S. 2, 640h S. 1 ZPOangeordneten erweiterten Rechtskraftwirkung erwähnen? Denn in diesen Fällen liegt der Geltungsgrund für die Bindung Dritter im Gesetz selbst, nicht in den der Norm zugrundeliegenden Motiven. Aussagekraft kommt demgegenüber den Ausführungen von Goldschmidt4 und Dölle5 zu, die - im Zusammenhang mit der Erörterung der Rechtskraftwirkung I Vgl. BAG, Beschl. v. 5. 2. 1991, AP Nr. 89 zu § 613a BGB (unter B IV 2 a d. Gr.); Grunsky, ArbGG, § 80 Rdnr. 50; Matthes, in: Germelmann/Matthes/Prütting, ArbGG, § 84 Rdnr. 25; Dütz, FS Gnade (1992), S. 487,489. 2 Nach den §§ 2a Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2, 80 Abs. 1 ArbGG findet in betriebsverfassungsrechtlichen Streitigkeiten das Beschlußverfahren statt. 3 So etwa Stein/Jonas/Leipold, ZPO, § 325 Rdnr. 66; A. Blomeyer, ZPR, § 91 II 3 a, S. 507; Bruns, ZPR, Rdnr. 247; Hofmann, Über das Wesen und die subjektiven Grenzen der Rechtskraft, S. 141. 4 In: AcP 117 (1919), 1, 23; derselbe, Der Prozeß als Rechtslage, S. 205 (Fn. 1138).
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2. Teil: Einfachgesetzliche Ausgangslage
von Gestaltungsurteilen - dafür gehalten haben, die materielle Rechtskraft wirke in Verfahren, die der Untersuchungsmaxime unterworfen sind, auch ohne eine explizite gesetzliche Regelung inter omnes. Dölle6 begründet seine Ansicht im Kern damit, daß er den genannten gesetzlichen Vorschriften ein Prinzip entnimmt, das auch im Rahmen anderer Verfahren anzuwenden sei. Eine zurückhaltendere Argumentation findet sich bei A. Blomeyer7 , der bei einem Erbrechtsfeststellungsstreit zwischen mehreren Erbprätendenten eine Rechtskrafterstreckung auf Nachlaßgläubiger bzw. -Schuldner bejaht und sich hierfür auf die von ihm angenommene Geltung des Untersuchungsgrundsatzes, 8 daneben aber auch auf den ebenfalls befürworteten Ausschluß der Dispositionsmaxime und vor allem auf die unbeschränkte große Zahl abhängiger Drittrechtsverhältnisse stützt. Dütz9 schließlich verwendet den Aspekt der Geltung der Untersuchungsmaxime lediglich bei der Verbreiterung der Wirkung von Entscheidungen, die in Verfahren nach § 97 ArbGG ergehen 10, nicht jedoch bei den von ihm ebenfalls erörterten betriebsverfassungsrechtlichen Fallkonstellationen. 11 Zudem wird der Untersuchungsgrundsatz von ihm nur als einer von mehreren Rechtfertigungsgründen für die Rechtskrafterstreckung aufgefaßt. Somit ist festzuhalten, daß zumindest die neuere Literatur den verfahrensrechtlichen Gesichtspunkt der Untersuchungsmaxime lediglich als einen Topos zur Absicherung der vorrangig aus anderen Gründen bejahten erweiterten Bindungswirkung ansieht. Diese Sichtweise ist zunächst insoweit zutreffend, als die Geltung des Untersuchungsgrundsatzes für sich allein eine Ausdehnung der Entscheidungsmaßgeblichkeit in subjektiver Hinsicht keinesfalls zu stützen vermag. 12 Dies belegen die Verfahrensordnungen, in denen ebenfalls die Untersuchungsmaxime gilt 13 , ohne daß den Entscheidungen aus diesem Grunde vom Gesetz eine umfassende Drittwirkung zuerkannt wird 14 . Die den Gedanken Dölles 15 zugrundeliegende Ableitung eines s In: ZZP 62 (1941), 281,293. In: ZZP 62 (1941), 281, 293. 7 In: ZZP 75 (1962), 1, 16/17; derselbe, ZPR, § 91 II 3 a, S. 507. 8 Einen Zusammenhang zwischen Untersuchungsgrundsatz und Rechtskrafterstreckung für das Österreichische Prozeßrecht andeutend auch Fasching, öZPO, § 411 Anm. 46/47. 9 In: ArbRGegw 20 (Dok. für 1982), 33, 44. to Insoweit geht es um Entscheidungen über die Tariffähigkeit oder die Tarifzuständigkeit einer Vereinigung. II Vgl. ArbRGegw 20 (Dok. für 1982), 33,47-59. 12 Ebenso Grunsky, Grundlagen des Verfahrensrechts, § 47 VI I, S. 536; Konzen, FS Zeuner (1994), S. 401, 417; Calavros, Urteilswirkungen zu Lasten Dritter, S. 119; Stucken, Einseitige Rechtskraftwirkung von Urteilen im deutschen Zivilprozeß, S. 33; Sachs, Die Bindung des Bundesverfassungsgerichts an seine Entscheidungen, S. 42/43. Siehe auch Schuttes, Beteiligung Dritter am Zivilprozeß, S. 150. 13 Vgl. § 86 VwGO, § 103 SGG und§ 76 FGO. 14 Siehe die Regelungen über die subjektive Rechtskraft in§ 121 VwGO, § 141 SGG und § 110FGO. 6
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Prinzips aus vereinzelt auftretenden Vorschriften ist damit schon aus diesem Grunde16 nicht möglich. Allerdings muß die von den neueren Autoren praktizierte Einbettung des Untersuchungsgrundsatzes in die Rechtfertigung einer Erweiterung der Rechtskraft präzisiert werden. Denn zum einen tritt in den erwähnten Ausführungen nicht völlig klar hervor, ob diese Verfahrensmaxime wenn schon nicht eine hinreichende, so doch wenigstens eine notwendige Bedingung für die Drittwirkung sein soll. Dies würde nämlich bedeuten, daß bei Streitigkeiten, für die das arbeitsgerichtliche Urteilsverfahren stattfindet, in dem der Untersuchungsgrundsatz nicht gilt, außerhalb des Anwendungsbereichs des § 9 TVG keine Rechtskrafterstreckung angenommen werden könnte. Zum anderen wird das Verhältnis von Verfahrensmaxime und Entscheidungswirkung überhaupt verzeichnet, wenn man den Umfang der Rechtskraft von dem jeweiligen bei der Sammlung des Verfahrensstoffs anzuwendenden Grundsatz abhängig macht. 17 Die Beschränkung der Parteibefugnisse ist als Folge einer aus anderen Gründen über die Parteien hinausgehenden Wirkung der zwischen ihnen ergehenden Entscheidung durchaus diskussionswürdig. Ihre Einordnung als Ursache für diese Wirkung vermag indessen nicht zu überzeugen. Eine derartige Sichtweise überschätzte die Bedeutung der Untersuchungsmaxime für die Richtigkeit gerichtlicher Entscheidungen. 18 Solange man davon ausgehen kann, daß sich die Parteien eines Verfahrens in einem wirklichen Interessenwiderstreit befinden und keine der Parteien aufgrund persönlicher Umstände oder wegen des Inhalts bzw. Umfanges des Streitgegenstandes nicht in der Lage ist, die eigenen Interessen wirkungsvoll wahrzunehmen, stellt der Verhandlungsgrundsatz eine der Inquisitionsmaxime zumindest ebenbürtige Form der Sachverhaltsaufklärung dar. Diese Voraussetzungen sind bei den Streitigkeiten zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat bzw. in den Fällen des § 97 ArbGG eindeutig zu bejahen. Schließlich gilt der Untersuchungsgrundsatz durch die in § 83 Abs. 1 S. 2 ArbGG ausdrücklich vorgesehene Mitwirkung der Beteiligten an der Sachverhaltsaufklärung zumindest nach herrschendem Verständnis ohnehin nur eingeschränkt. 19 Dies alles läßt nur den Schluß zu, daß die Geltung der Untersuchungsmaxime im arbeitsgerichtliehen Beschlußverfahren nicht als Argument für die Bejahung eiIn: ZZP 62 (1941), 281, 293. Zudem fehlt es an den weiteren Erfordernissen der methodengerechten Gewinnung eines allgemeinen Prinzips, nämlich des Rekurses auf die Natur der Sache bzw. die (gesicherten) Einzelausprägungen der Rechtsidee; vgl. hierzu Canaris, Die Feststellung von Lücken im Gesetz, S. 97-100. 17 Gegen jede Abhängigkeit der objektiven Reichweite der Rechtskraftpräklusion von der jeweiligen Verfahrensmaxime auch Otto, Die Präklusion, S. 103. 18 Vgl. Baur, in: summum ius summa iniuria (1963), S. 97, 110/111; Gaul, AcP 168 (1968), 27, 49/50; Henckel, Prozeßrecht und materielles Recht, S. 144. In diese Richtung auch schon R. Schmidt, ZPR, § 121 IV, S. 762. 19 Grunsky, ArbGG, § 83 Rdnr. 5; Matthes, in: Germelmann / Matthes/Prütting, ArbGG, § 83 Rdnr. 91; Schaub, Arbeitsgerichtliche Formularsammlung und Arbeitsgerichtsverfahren, § 114 II1 5, S. 943. 15
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2. Teil: Einfachgesetzliche Ausgangslage
ner erweiterten Wirkung der in diesem Verfahren ergehenden Entscheidungen verwendet werden kann. 20
II. Bindungswirkung kraft Beteiligung
Eine weitere Besonderheit des Beschlußverfahrens im Vergleich zum Urteilsverfahren besteht im Rechtsinstitut der Beteiligung nach§ 83 Abs. 3 ArbGG. Insoweit gilt es zu klären, inwieweit die - formelle - Beteiligung als eine hinreichende Voraussetzung für die Ausdehnung der subjektiven Rechtskraft arbeitsgerichtlicher Beschlüsse auf anschließende Individualprozesse angesehen werden kann. Es geht an dieser Stelle somit nur um die Frage, ob die erfolgte Beteiligung am vorhergehenden Verfahren eine Bindung im Folgeprozeß legitimiert. Hingegen soll das gewissermaßen spiegelbildliche - Problem, ob eine aus anderen Gründen zu befürwortende Rechtskrafterstreckung eine vorherige Verfahrensbeteiligung zur Gewährung rechtlichen Gehörs erfordert, erst im Rahmen der verfassungsrechtlichen Überlegungen zu parteiübergreifenden Entscheidungswirkungen erörtert werden21 . Ferner wird die Bestimmung der an einem Verfahren materiell Beteiligten und der damit formell zu beteiligenden Personen, bei der sich - im Gegensatz zu den beiden soeben angesprochenen Themenbereichen-dasHauptaugenmerk auf das vorhergehende Verfahren richtet, nur am Rande erwähnt. 22 Das zu der aufgeworfenen Frage vertretene Meinungsspektrum reicht von der Beschränkung der Rechtskraft auf Antragsteller und Antragsgegner23 über die von der Rechtsprechung24 und der herrschenden Lehre25 befürworteten Bindung aller formell Beteiligten bis zur Rechtskrafterstreckung auch auf sämtliche materiell Beteiligte26. Eine überzeugende Lösung muß beim Gesetzestext ansetzen. Allerdings enthalten die§§ 80ff. ArbGG - anders als etwa§ 121 VwGO, § 141 Abs. 1 SGG und § llO FGO- keine ausdrückliche Regelung dieses Problems. Es kommt deshalb 20 Generell gegen eine Verknüpfung von Untersuchungsmaxime und Rechtskrafterstrekkung auch Stein/Jonas/Leipold, ZPO, § 325 Rdnr. 88. 21 Siehe dazu unten§ 9. 22 Siehe dazu sogleich im Text. 23 Grunsky, ArbGG, § 80 Rdnr. 50. 24 BAG, Beschl. v. 27. 8. 1968, AP Nr. 4 zu§ 80 ArbGG 1953 (unter B 1 d. Gr.); Beschl. v. 31. 10. 1975, AP Nr. 3 zu§ 118 BetrVG 1972 (unter II 3d. Gr.); Beschl. v. 27. 1. 1981, AP Nr. 2 zu§ 80 ArbGG 1979 (unter li 2 a u. c d. Gr.). 25 Dütz, ArbRGegw Bd. 20 (Dok. für 1982), S. 33, 49/50; Prütting, RdA 1991, 257, 260; Laux, Die Antrags- und Beteiligungsbefugnis im arbeitsgerichtliehen Beschlußverfahren, S. 31/32. So auch Dunkl, Der Begriff und die Arten der Beteiligten im arbeitsgerichtliehen Beschlußverfahren, S. 165, jedenfalls für die von ihm sog. notwendigen Beteiligten. 26 Matthes in: Germelmann/Matthes/Prütting, ArbGG, § 84 Rdnr. 25; Wieser, Arbeitsgerichtsverfahren, Rdnr. 626.
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zunächst darauf an, welcher Aussagegehalt der Verweisung durch § 80 Abs. 2 ArbGG über § 46 Abs. 2 S. 1 ArbGG und § 495 Abs. 1 ZPO auf§ 325 Abs. 1 ZPO zu entnehmen ist. Da das ArbGG zumindest dem Wortlaut nach stets nur einheitlich von "Beteiligten" spricht, ohne dabei verschiedene Gruppen zu bilden, 27 liegt es nahe, daß sie an die Stelle der in § 325 Abs. I ZPO genannten "Parteien" treten.28 Zwar läßt sich diese Ansicht nicht durch einen Hinweis auf die Gesetzesmaterialien bekräftigen. 29 Indessen wird sie, wie Laux30 zutreffend an Hand der Rechte herausgearbeitet hat, die allen formell Beteiligten bei Vergleich, Erledigung des Verfahrens, Antragsänderung und -rücknahme in zweiter und dritter lnstanz31 , vor allem aber auf Grund der Anhörungspflicht gemäß § 83 Abs. 3 ArbGG zustehen, durch die Stellung sämtlicher Beteiligten als Verfahrenssubjekte gestützt. Dieser Umstand spricht für eine Gleichstellung mit den ebenfalls als Verfahrenssubjekte fungierenden Parteien des Zivilprozesses. Zudem läßt sich eine Parallele zur freiwilligen Gerichtsbarkeit ziehen, in der es ebenfalls nur Beteiligte gibt, und in der auch ohne eine ausdrückliche gesetzliche Regelung eine einheitliche Bindung sämtlicher formell Beteiligten an rechtskräftige Beschlüsse vertreten wird, soweit einem in diesem Verfahren ergehenden Beschluß überhaupt materielle Rechtskraft zukommt. 32 Angesichts dieses Befundes muß demjenigen, der den Kreis der Gebundenen enger ziehen will, die Argumentationslast hierfür auferlegt werden. Die restriktivste Haltung findet sich bei Grunsky. Danach sollen lediglich der Antragsteller und der Antragsgegner, nicht aber sonstige Beteiligte an den rechtskräftigen Beschluß gebunden sein 33 . Zur Begründung führt er an, daß "mancher" nach § 83 Abs. 3 ArbGG zu Beteiligende an dem Verfahren so wenig interessiert sei, daß eine Rechtskraftwirkung weder zurnutbar sei noch hierfür überhaupt ein Bedürfnis bestünde. Hiergegen spricht zunächst, daß das Beschlußverfahren zumindest keine strenge Trennung zwischen Antragsgegner und sonstigen Beteiligten durchführt34. Sodann 27 Eine Ausnahme bildet lediglich § 83a Abs. 3 S. I ArbGG. Für einen einheitlichen Beteiligtenbegriff deshalb Matthes, in: GermeZmann I Matthes I Prütting, ArbGG, § 83 Rdnr. 8. 28 In diesem Sinne auch BAG, Beschl. v. 27. 1. 1981, AP Nr. 2 zu§ 80 ArbGG 1979 (unter II 2 c d. Gr.): Gesetz enthält für Rechtskraftbeschränkung "keinen Anhaltspunkt". 29 Vgl. BT-Drucks. 1/4372, S. 4; BT-Drucks. 811567, S. 36/37. 30 In: Die Antrags- und Beteiligungsbefugnis im arbeitsgerichtliehen Beschlußverfahren, s. 31. 31 Siehe die§§ 81 Abs. 3 S. I, 83a, 87 Abs. 2 S. 3, 92 Abs. 2 S. 3 ArbGG. 32 Vgl. Bassengel Herbst, FGG, § 31 Anm. 2 a; Keidel/Kunze /Winkler, FGG, § 31 Rdnr. 22b; Brehm, FG, Rdnr. 458. 33 In: ArbGG, § 80 Rdnr. 50; derselbe, Anm. zu BAG, AP Nr. 2 zu § 80 ArbGG 1979 (unter 2). 34 So auch Prütting, RdA 1991, 257, 260. Teilweise wird der Begriff des Antragsgegners sogar völlig abgelehnt; vgl. BAG, Beschl. v. 20. 7. 1982, AP Nr. 26 zu§ 76 BetrVG [1952] (unter B III d. Gr.); Matthes, in: Germelmann/Matthes / Prütting, ArbGG, § 81 Rdnr. 46, 83 Rdnr. 15.
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ist zu berücksichtigen, daß die Frage nach einer Rechtskraftbindung ohnehin nur in einem weiteren Verfahren akut wird, in dem das bereits entschiedene Rechtsverhältnis als Vorfrage auftritt. Soweit dies aber der Fall ist, läßt sich von einem fehlenden "Bedürfnis" ungeachtet der Häufigkeit der jeweiligen Konstellation nicht sprechen. Ferner beruht die Zumutbarkeit der Bindung an die rechtskräftige Entscheidung auf der allen Beteiligten offenstehenden Möglichkeit, durch entsprechendes Vorbringen auf ihren Inhalt Einfluß zu nehmen?5 Ein mangelndes Interesse, die verfahrensrechtlichen Befugnisse in vollem Umfang auszunützen, ist für die Frage der Zumutbarkeit ohne Belang. 36 Insoweit gilt nichts anderes, als wenn sich der Streit zwischen zwei Parteien über ein Rechtsverhältnis im nachhinein als wesentlich bedeutsamer herausstellt als ursprünglich angenommen. In einem derartigen Fall kann sich keine der Parteien der Rechtskraftwirkung mit dem Hinweis auf eine fehlerhafte Prognose entziehen. Eine jedenfalls auf den ersten Blick abweichende Auffassung über den Rechtskraftumfang vertritt Dunkl. 37 Er unterscheidet "notwendige" und "fakultative" Beteiligte am Beschlußverfahren. Bei den notwendig Beteiligten befürwortet Dunkl eine Rechtskrafterstreckung, 38 während er sich bei den lediglich fakultativ Beteiligten hierzu nicht explizit äußert. Da Dunkl sich für die von ihm geschaffene Gruppe der nicht notwendig Beteiligten 39 indessen auf Parallelen zur einfachen Beiladung im Sinne der § 65 Abs. I VwGO, § 75 Abs. 1 S. 1 SGG und § 60 Abs. 1 S. 1 FGO sowie auf die Nebenintervention gemäß § 66 ZPO bezieht, liegt es in der Konsequenz seiner Gedankenführung, bei einer erfolgten Beteiligung entweder eine Rechtskraftausdehnung oder doch zumindest eine funktionsäquivalente Billdungswirkung eintreten zu lassen. Der Ansatz von Dunkl führt demnach nicht zu einer Herausnahme einzelner formell Beteiligter aus dem Kreis derer, für die die Entscheidung maßgeblich ist. Indessen werfen seine Ausführungen ein Schlaglicht auf ein weiteres, in diesem Zusammenhang begegnendes Problem. Nach Auffassung von Dunkl soll als notwendig Beteiligter nämlich (nur) derjenige angesehen werden, der durch die zu erwartende Entscheidung in seinen Rechten und Pflichten nach dem BetrVG etc. unmittelbar betroffen wird. 40 Dies entspricht der auch sonst in der Rechtsprechung41 35 Laux, Die Antrags- und Beteiligungsbefugnis im arbeitsgerichtliehen Beschlußverfahren, S. 31. 36 So im Erg. auch Prütting, RdA 1991, 257, 260. 37 In: Der Begriff und die Arten der Beteiligten im arbeitsgerichtliehen Beschlußverfahren, S. 160-173. 38 A. a. 0 ., S. 165/166. 39 Darunter versteht Dunkl Personen, die durch die Entscheidung "nicht unmittelbar in ihrer Rechtsstellung betroffen", sondern deren ,,rechtliche Interessen lediglich mittelbar berührt" werden, vgl. a. a. 0., S. 166-173. 40 A. a. 0., S. 163. 41 Vgl. nur BAG, Beschl. v. 27. 5. 1982, AP Nr. 3 zu§ 80 ArbGG 1979 (unter II 3d. Gr.); Beschl. v. 13. 3. 1984, AP Nr. 9 zu § 83 ArbGG 1979 (BI. 2R); Beschl. v. 13. 3. 1991, AP Nr. 2 zu§ 60 BetrVG 1972 (unter I 2 u. 3d. Gr.).
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und im Schrifttum42 anzutr~ffenden Umschreibung der Beteiligteneigenschaft Versteht man dies in dem Sinne, daß der Beschluß Rechtskraftwirkung gegenüber dem präsumtiv Beteiligten entfalten soll, so gerät man in einen Zirkelschluß: Die Rechtskrafterstreckung auf eine Person stellt dann zugleich die Voraussetzung wie die Folge für die Zuerkennung des Prädikats "Beteiligter" dar.43 Wäre dies richtig, so hätte zwar nicht das zweitentscheidende Gericht, das das Faktum einer erfolgten formellen Beteiligung hinzunehmen hat, wohl aber das erste Gericht kein Kriterium, um über die Frage der Beteiligung zu entscheiden. Eine Bejahung der Beteiligung setzte eine zu erwartende Rechtskrafterstreckung voraus, die bei einer Ablehnung der Beteiligung aber gerade nicht eintreten würde. Das Gericht könnte somit die Beteiligung bedenkenlos ablehnen. Ein - rechtlich bedeutsamer - Nachteil kann den Betroffenen dadurch keinesfalls entstehen, da sie an den ergehenden Beschluß in diesem Fall gerade nicht gebunden sind, das entschiedene Rechtsverhältnis also bei einem weiteren Streitfall dem Gericht zu einer erneuten ungebundenen Entscheidung unterbreiten können. In diesem Sinne hat schon Schlosser auf die wechselseitige Abhängigkeit der beiden Variablen "Verfahrensbeteiligung" und "subjektive Tragweite der Urteilswirkungen" hingewiesen und die Notwendigkeit eines festen Ausgangspunktes herausgestellt. 44 Ein Ausweg aus dieser Aporie ist daher nur in der Weise gangbar, daß Rechtskrafterstreckung und Beteiligung partiell entkoppelt werden und allein das materielle Recht als Grundlage für die Frage nach der Beteiligung genommen wird.45 Gebietet es nach seiner inneren Logik eine einheitliche Entscheidung oder wird der Dritte durch die erwartende Entscheidung in einer näher zu bestimmenden materiellrechtlichen Rechtsposition in einer 42 Grunsky, ArbGG, § 83 Rdnr. 16; Matthes, in: Germelmann/Matthes/Prütting, ArbGG, § 83 Rdnr. 14; Wieser, Arbeitsgerichtsverfahren, Rdnr. 572; MünchArbRIBrehm, § 381 Rdnr. 13; Körnich, Das arbeitsgerichtliche Beschlußverfahren in Betriebsverfassungssachen, S. 6063. 43 Am deutlichsten zeigt sich die Gefahr einer derart zirkulären Argumentation bei Dunkl, Der Begriff und die Arten der Beteiligten im arbeitsgerichtliehen Beschlußverfahren, S. 165/ 166, der an Hand des Zustimmungsersetzungsverfahrens nach § 103 Abs. 2 BetrVG (bei dem die Beteiligung des von der Kündigung betroffenen Arbeitnehmers allerdings gesetzlich geregelt ist) ausführt: Die Entscheidung im Beschlußverfahren wirke nur deshalb gegenüber dem gekündigten Arbeitnehmer im Kündigungsschutzprozeß, weil dieser im Beschlußverfahren Beteiligter gewesen sei. Für diese Beteiligung wiederum sei logische Voraussetzung die Bindungswirkung der Entscheidung. Elimiert man das gedankliche Zwischenglied der Beteiligung, so verbleibt als Aussage, daß der Beschluß im Zustimmungsersetzungsverfahren dann Bindungswirkung entfaltet, wenn ihm eine solche Kraft zukommt. 44 In: Gestaltungsklagen und Gestaltungsurteile, S. 188. Eindringlich zu zirkulären Argumentationen im Zusammenhang mit der Rechtsmittelbefugnis von Personen, die zwar materiell, nicht aber formell beteiligt sind, auch Marotzke, ZZP 100 (1987), 164, 188. Siehe dazu bereits oben vor § 3 mit Fn. 12. 45 In diesem Sinne auch Bettermann, ZZP 90 (1977), 121, 130, wenn er von der Notwendigkeit einheitlicher Entscheidung auf die Beiladung im Verwaltungsprozeß gemäß § 65 Abs. 2 VwGO schließt. Für eine Trennung zwischen der Frage nach den Gründen für eine Rechtskrafterstreckung und der notwendigen Teilnahme zum Zwecke der Erweiterung der Rechtskraft ebenfalls W. Lüke, Die Beteiligung Dritter im Zivilprozeß, S. 117.
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2. Teil: Einfachgesetzliche Ausgangslage
spezifischen Weise betroffen46 , sind also seine rechtlichen Interessen in qualifizierter Weise berührt, so ist er Beteiligter. Wird der Dritte daraufhin tatsächlich beteiligt, ist er an den in diesem Verfahren ergehenden Beschluß gebunden. Es versteht sich von selbst, daß dabei, wie insbesondere die hier nicht näher zu behandelnden Fälle der personellen Einzelmaßnahmen zeigen, auf die genaue Herausarbeitung des materiellrechtlichen Vorgreiflichkeitsverhältnisses zu achten ist. 47 Mit dem Ansatz, über die formell Beteiligten hinaus auch die materiell Beteiligten generell an die Entscheidung binden zu wollen, beschreitet Matthes48 neue Wege. Eine nähere Auseinandersetzung mit dieser Auffassung ist indessen entbehrlich. Soweit es nämlich um Arbeitnehmer geht, deren gemäß § 83 Abs. 3 ArbGG erforderliche Beteiligung unterlassen wurde, ist die Grundlage des Anhörungsrechts - wie soeben dargelegt - im jeweils einschlägigen materiellen Recht zu suchen. Wenn aber die Beteiligteneigenschaft auf der einen Seite Folge bestimmter materiellrechtlicher Strukturen ist, auf der anderen Seite Voraussetzung für eine Rechtskrafterstreckung sein soll, so ist letztlich ohnehin allein das materielle Recht ursächlich für bestimmte Entscheidungswirkungen. Demnach kann die Position von Matthes im Rahmen der Erörterungen verfahrensrechtlicher Spezifika als Ursache für Bindungswirkungen außer Betracht bleiben. Festzuhalten bleibt, daß - entsprechend der h. M. - die formelle Beteiligung ohne Rücksicht auf materiellrechtliche Strukturen einen hinreichenden Grund für eine Bindung qua Rechtskraft darstellt. Das zweitentscheidende Gericht kann im Falle einer erfolgten Beteiligung deshalb eine Rechtskraftwirkung bejahen, ohne materiellrechtliche Sinnzusammenhänge erörtern zu müssen. Da es jedoch bei den hier vor allem interessierenden Fallgestaltungen an einer formellen Beteiligung der gesamten Belegschaft praktisch stets fehlen wird, erweist sich die Tragweite dieses Zurechnungsgrundes als begrenzt. 49
111. Verfahrensrechtliche Eigenheiten des § 97 Arb:GG Den letzten Untersuchungspunkt bilden die Besonderheiten im Verfahren zur Feststellung der Tariffähigkeit bzw. der Tarifzuständigkeit einer Vereinigung nach § 97 ArbGG. 46 Instruktiv zu den verschiedenen Modalitäten faktischer Betroffenheit V. Schmidt, Anm. zu BAG, AP -\'ir. 3 zu§ 80 ArbGG 1979 (unter A 1115 b, 6 u. 8); Grunsky, SAE 1983, 22,23. 47 Vgl. nur BAG, Urt. v. IJ. 5. 1981, AP Nr. 24 zu§ 59 HGB: Verhältnis einer Ersetzung der Zustimmung des Betriebsrats zur Eingruppierung unter Anhörung des Arbeitnehmers für dessen späteren Eingruppierungsstreit Siehe hierzu nunmehr BAG, Beschl. v. 3. 5. 1994, AP Nr. 2 zu § 99 BetrVG 1972 Eingruppierung (unter B II 2 c d. Gr.). 48 In: Germelmann/Matthes/Prütting, ArbGG, § 84 Rdnr. 25. 49 So auch Otto, RdA 1989,247, 250 (Fn. 27); Prütting, RdA 1991,257, 260; Dütz/Rotter, Anm. zu BAG, EzA § 18 BetrVG 1972 Nr. 7 (unter III 2 a aa); im Erg. ebenfalls Konzen, FS Zeuner (1994), S. 401,404.
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Im Vordergrund steht hier die Aussetzungspflicht nach § 97 Abs. 5 ArbGG für den Fall der Abhängigkeit eines Rechtsstreits von einer in diesem Verfahren zu klärenden Rechtsfrage. Hinzu kommt die Pflicht zur Übersendung rechtskräftiger Entscheidungen an die zuständigen (Arbeits)ministerien gemäß den §§ 97 Abs. 3, 63 ArbGG. Nun ist die umfassende Wirkung der in diesen Verfahren ergehenden Entscheidungen allseits anerkannt. so Gleichwohl ist es von erheblicher Bedeutung, ob hierfür die genannten verfahrensrechtlichen Besonderheiten als ausschlaggebend angesehen werden können. Träfe dies nämlich zu, so wäre der Argumentationsaufwand für etwaige ungeschriebene Rechtskrafterstreckungen bei Entscheidungen außerhalb dieses Verfahrens ungleich höher. In der Literatur wird die befürwortete Wirkung des Beschlusses inter omnes verbreitet mit den erwähnten verfahrensrechtlichen Eigenheiten begründet. SI Zum Beleg eines entsprechenden Zusammenhanges beruft sich Jox52 unmittelbar auf den gesetzgebensehen Willen. Die in den Gesetzesmaterialien enthaltene Äußerung von der grundlegenden Bedeutung der Tariffähigkeit einer Vereinigung für das Arbeitsleben steht indessen nicht, wie es nach den Ausführungen von Jox den Anschein hat, in einem Kontext zur Statuierung der Aussetzungspflicht, sondern mit der auf Grund der früheren Regelung erleichterten Zulässigkeil der Rechtsbeschwerde. 53 Bei der Ermittlung des Zwecks einer speziellen Vorschrift kann jedoch nicht auf die Begründung für eine in diesem Zusammenhang ebenfalls neu geschaffene Norm zurückgegriffen werden, mag diese auch einen allgemeineren Charakter aufweisen. Das Hauptargument der genannten Autoren lautt:.t stattdessen, daß die Aussetzungspflicht "sinnlos" sei, wenn der rechtskräftige Beschluß lediglich die Parteien des ausgesetzten Verfahrens binde. Zwingend ist dies jedoch keineswegs. So vermag das besondere Verfahren nach§ 97 ArbGG auch dann seine Dienste zu leisten, wenn eine Rechtskraftbindung nur die in dem ausgesetzten Verfahren Beteiligten erfaßt. So kann insbesondere die Kompetenz der Arbeitsgerichte wie auch der Beteiligten im Verfahren nach § 97 ArbGG in den Fällen nutzbar gemacht werden, in denen der auszusetzende Rechtsstreit selbst noch nicht vor den Arbeitsgerichten geführt wurde. Daß eine Aussetzungspflicht nicht zwangsläufig mit einer umfassenden Entscheidungswirkung verbunden sein muß, zeigt im übrigen das Beispiel des § 96 Abs. 2 GWB. Bei dieser Vorschrift, die die Pflicht zur Aussetzung eines gerichtlichen Verfahrens im Falle wettbewerbsrechtlicher Vorfragen regelt, befürwortet - soweit ersichtlich - niemand eine derartige Schlußfolgerung.54 Darüber hinaus kann aus der Aussetzungspflicht nicht der subjektive Siehe dazu bereits oben § 3 II. 2. Grunsky, ArbGG, § 97 Rdnr. 22; Dütz, ArbRGegw 20 (Dok. für 1982), 33, 43; Prütting, RdA 1991, 257, 266; zu§ 97 Abs. 5 ArbGG auch Jox, Die Bindung an Gerichtsentscheidungen über präjudizielle Rechtsverhältnisse, S. 84. Zurückhaltender Otto, RdA 1989, 247 50 51
(Fn. 5). 52 53 54
In: Die Bindung an Gerichtsentscheidungen über präjudizielle Rechtsverhältnisse, S. 84. Vgl. BT-Drucks. I/4372, S. 4. Vgl. K. Schmidt, in: lmmenga/ Mestmäcker, GWB, § 96 Rdnr. 46.
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2. Teil: Einfachgesetzliche Ausgangslage
Umfang der Bindungswirkung hinsichtlich solcher Beschlüsse gefolgert werden, die in einem "abstrakten" Verfahren im Sinne des § 97 Abs. 1 ArbGG ohne einen auszusetzenden ,,konkreten" Rechtsstreit ergehen. Die Übersendungspflicht schließlich mag einen Sinn in der Tat nur im Falle einer umfassenden Breitenwirkung haben. Auf Grund ihres lediglich technischen Charakters kann sie jedoch keinesfalls als ausschlaggebendes Zurechnungsmoment angesehen werden. 5 5 Damit können die verfahrensrechtlichen Abweichungen des § 97 ArbGG vom Normalverfahren für sich genommen eine Erweiterung der Rechtskraft nicht rechtfertigen.
IV. Ergebnis
Die formelle Beteiligung an einem Beschlußverfahren führt zu einer Bindung an die ergehende Entscheidung qua Rechtskraft. Hingegen sind sowohl der im Beschlußverfahren geltende Untersuchungsgrundsatz als auch die verfahrensrechtlichen Besonderheiten des § 97 ArbGG für eine subjektive Erweiterung der materiellen Rechtskraft ohne Bedeutung.
§ 7 Rechtskrafterstreckung auf Grund materiellrechtlicher Wertungen Als letztes Element bei der Zurechnung rechtskräftiger Entscheidungen kommen die Strukturen des dem Erst- wie dem Zweitverfahren zugrundeliegenden materiellen Rechts in Betracht. Allerdings fehlt es bei der Frage, ob und in welchem Umfang sich das materielle Recht bei der Bemessung der subjektiven Reichweite der Rechtskraft fortsetzt, weithin an einem Konsens über die maßgeblichen Rechtsgrundsätze. Deshalb ist es hier mehr als bei jedem anderen Themenkomplex erforderlich, sich einen Überblick über die allgemeine Diskussion zu verschaffen sowie Verbindungslinien zu verschiedeneneo rechtlichen Bereichen herzustellen, will man der Gefahr arbeitsrechtlicher Sonderentwicklungen, die durch Wertungswidersprüche die "Einheit der Rechtsordnung" gefährden, wehren. 1 Es sollen daher, gewissermaßen als "Widerlager"2 , zunächst die bisher entwickelten zivilprozessualen So auch Leinemann, GK-ArbGG, § 97 Rdnr. 69. Für einen Rekurs auf das allgemeine Zivilprozeßrecht deshalb zu Recht Konzen, FS Zeuner ( 1994), S. 40 I, 412 ff. Gegen ein Auseinanderdriften unterschiedlicher Rechtsmaterien eindrucksvoll Zöllner, AcP 188 (1988), 85, 90/91. 2 Entsprechend der von Martens, JuS 1987, 337, 344, geprägten Charakterisierung des Bürgerlichen Rechts im Verhältnis zum Arbeitsrecht. 55 t
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Ansätze in der gebotenen Kürze dargelegt werden. Im Anschluß daran gilt es, allgemeine, für die Lösung der aufgeworfenen arbeitsrechtlichen Problemfälle verwertbare Grundsätze herauszuarbeiten und in einen systematischen Argumentationszusammenhang3 zu stellen.
I. Herkömmliche Auffassungen über materiellrechtlich determinierte Rechtskraftausdehnungen
Wie eingangs skizziert, herrscht heutzutage zwar im Grundsatz Einigkeit darüber, daß materielles Recht und Prozeßrecht nicht unverbunden nebeneinander stehen, sondern insoweit eine Sinneinheit bilden, als der Inhalt prozessualer Rechtsnormen grundsätzlich durch materiellrechtliche Wertungen beeinflußt werden kann, genauer gesagt prozessuale Rechtsfolgen aufgrund materiellrechtlicher Tatbestandselemente eintreten können. 4 Demgegenüber ist schon im Ansatz umstritten, ob und inwieweit materiellrechtliche Strukturen auch jenseits ausdrücklicher normativer Vorgaben für den subjektiven Umfang der Rechtskraft von Bedeutung sind. Im Mittelpunkt dieser schon seit langem geführten Diskussion steht dabei die Frage nach einer "Rechtskrafterstreckung kraft materiellrechtlicher (bzw. zivilrechtlicher) Abhängigkeit". 5 Allerdings leistet dieser von Schack6 als ,,Zauberwort" apostrophierte Begriff zunächst einmal nicht viel mehr als eine Umschreibung des damit angesprochenen Problemkreises. Für eine nähere Auseinandersetzung mit den einzelnen Auffassungen ist es erforderlich, mehrere häufig ineinander verwobene Aspekte sorgfältig voneinander zu trennen: So muß bei der Würdigung der verschiedenen Stellungnahmen stets darauf geachtet werden, ob eine "materiellrechtliche Abhängigkeit" lediglich als Hintergrund für eine gesetzlich angeordnete Bindungswirkung angeführt wird, ohne daß sie sich zu einem eigenständigen, eine Bindung rechtfertigenden Prinzip verdichtet hat. Für den vorliegenden Zusammenhang sind nämlich letztlich nur diejenigen Stimmen von Interesse, die sich für gesetzesübersteigende Entscheidungswirkungen einsetzen. Soweit es um die Bindungsmodalität geht, ist der Rahmen demgegenüber wieder weiter zu ziehen. Auf Grund der bereits erörterten funktionellen Vergleichbarkeit der Bindungsformen7 kann es keinen Unterschied machen, ob die "materiellrecht-
Zu diesem Erfordernis siehe bereits oben§ 1 I. mit Fn. 18. Siehe dazu oben § 1 I. 5 Vgl. dazu nur Zöller/Vollkommer, ZPO, § 325 Rdnr. 28-42; MünchKommZPO/Gottwald, § 325 Rdnr. 2-4, 57-73; Stein/Jonas/Leipold, ZPO; § 325 Rdnr. 84-100; A. Blomeyer, ZPR, § 91 li, S. 505-508, § 93, S. 517-522. 6 In: NJW 1988,865, 872. 7 Siehe dazu oben § 2 III. 4. a). 3
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2. Teil: Einfachgesetzliche Ausgangslage
liehe Abhängigkeit" zu einer Rechtskrafterstreckung führt oder sich gegenüber dem Dritten "lediglich" als "Tatbestands-" bzw. "Reflexwirkung" äußert. Ferner ist vorab klarzustellen, daß der Begriff der "materiellrechtlichen Abhängigkeit" schillernd ist, da ihm zwei durchaus unterschiedliche Bedeutungen eignen können: Zum einen kann damit die Qualität der materiellrechtlichen Verknüpfung zweier Rechtsverhältnisse in der Weise gemeint sein, daß sich Bestand und Inhalt des einen Rechtsverhältnisses kraft Gesetzes auf das andere auswirken. Zum anderen kann der Blick mehr auf die rechtlichen Befugnisse der an dem ersten Rechtsverhältnis Beteiligten gelenkt werden. Bezeichnet wird dann der Umstand, daß ein Dritter der materiellrechtlichen Dispositionsbefugnis der Parteien unterliegt. Dabei geht es sowohl um die Befugnis, über bestehende Rechte Dritter zu verfügen, als auch - wie Berger zu Recht hervorhebt8 - um die Berechtigung, zu Lasten Dritter Verbindlichkeiten einzugehen. Im Folgenden soll ermittelt werden, welchen Beitrag die beiden soeben genannten Formen "materiellrechtlicher Abhängigkeit" für die Lösung kollektivarbeitsrechtlicher Fallgestaltungen beisteuern können. Zu diesem Zweck wird zunächst danach gefragt, ob und mit welcher Begründung zumindest in bestimmten Konstellationen die spezifische Verknüpfung zweier Rechtsverhältnisse zu einer Erweiterung der materiellen Rechtskraft führt. Anschließend wird untersucht, welche Relevanz der Verfügungsbefugnis für die Frage nach der subjektiven Reichweite der materiellen Rechtskraft zukommt.
1. Rechtskrafterstreckung bei besonderer "gesetzlicher" Verknüpfung von Rechtsverhältnissen
In Rechtsprechung und Literatur besteht im Ergebnis ein breiter Konsens darüber, daß in bestimmten, seit Jahrzehnten diskutierten Fallkonstellationen Dritte an die zwischen den Parteien ergehende Entscheidung gebunden sind. So wirkt das Urteil gegen eine OHG oder KG auch für bzw. gegen deren Gesellschafter. Gestützt wird diese Ansicht auf den in § 129 Abs. 1 HGB normierten Einwendungsausschluß. 9 In den Fällen akzessorischer Haftung soll sich der Bürge, Hypothekenschuldner oder Verpfänder gemäß den §§ 768 Abs. I S. I, 1137 Abs. I S. 1, 1211 Abs. I S. I BGB auf die klageabweisende Entscheidung gegen den Schulder berufen dürfen. 10 Demgegenüber wird eine Rechtskrafterstreckung auf den Bürgen zus In: Die subjektiven Grenzen der Rechtskraft bei der Prozeßstandschaft, S. 145 (Fn. 9). 9 Vgl. nur BGH, Urt. v. 18. 3. 1975, BGHZ 64, 155, 156; Urt. v. 11. 12. 1978, BGHZ 73, 217, 224/225; Urt. v. 22. 9. 1980, BGHZ 78, 114, 120; Urt. v. 15. 6. 1993, LM § 425 BGB Nr. 20 (unter II 1 b d. Gr.); MünchKommZPO/Gottwald, § 325 Rdnr. 58; Stein!Jonas! Leipold, ZPO, § 325 Rdnr. 93/94; Heymann l Emmerich, HGB, § 129 Rdnr. 5; A. Blomeyer, ZPR, § 93 III 2 a, S. 520/521; Hellwig, Wesen und subjektive Begrenzung der Rechtskraft, S. 27/ 28; Goldschmidt, Der Prozeß als Rechtslage, S. 195/196.
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mindest bei einer nach Abschluß des Bürgschaftsvertrages erfolgten Verurteilung des Hauptschuldners überwiegend abgelehnt, da der Hauptschuldner gemäß § 767 Abs. 1 S. 3 BGB auch durch ein Rechtsgeschäft die Verpflichtung des Bürgen nicht erweitern kann. 11 Bei weiteren Einzelfällen ist die Bindung des Dritten dagegen umstritten. So verneint die herrschende Meinung die Wirkung des die Beendigung des Hauptmietverhältnisses feststellenden Urteils zu Lasten desjenigen Untermieters, der den Besitz an der Mietsache schon vor Rechtshängigkeit erlangt hat. 12 Beim Vertrag zugunsten Dritter wird eine Berufung des Dritten auf die einer Klage des Versprechensempfängers gegen den Versprechenden stattgebenden Entscheidung ebenfalls mehrheitlich abgelehnt. 13 Soweit in den genannten Fällen die Bejahung einer Urteilswirkung im Verhältnis zum Dritten rein materiellrechtlich klassifiziert wird, 14 ist das hierzu Notwendige bereits ausgeführt worden. 15 Wichtiger als die Frage, wie die Maßgeblichkeit der Entscheidung ,,konstruiert" wird, ist an dieser Stelle die Analyse der bei der Befürwortung der jeweiligen Bindung verwendeten Argumentation. Dabei lassen sich zwei Feststellungen treffen: Zum einen wird die Drittbindung von der herrschenden Meinung auf den jeweiligen Normenkomplex gestützt, wobei teilweise (so bei der Bürgschaft) eine Rechtskrafterstreckung eventum litis befürwortet wird. Prinzipien allgemeinerer Art werden hingegen nicht herangezogen. Somit kann aus den anerkannten zivil- und handelsrechtliehen Fallgruppen nur wenig für die hier interessierenden arbeitsrechtlichen Konstellationen hergeleitet werden. Wenn sich eine Entscheidungswirkung gegenüber Dritten nämlich lediglich lO BGH, Urt. v. 16. 11. 1951, BGHZ 3, 385, 390; Urt. v. 24. 11. 1969, NJW 1970, 279 (jeweils zur Bürgschaft); MünchKommZPO/Gottwald, § 325 Rdnr. 59; Stein/ Jonas/ Leipold, ZPO, § 325 Rdnr. 95; Palandt/Thomas, BGB, § 767 Rdnr. 4; Palandt/Bassenge, § 1137 Rdnr. 4; Hellwig , Wesen und subjektive Begrenzung der Rechtskraft, S. 30; Goldschmidt, Der Prozeß als Rechtslage, S. 196/197. ll RG, Urt. v. 5. 11. 1903, RGZ 56, 109, 110/111 ; BGH, Urt. v. 12. 3. 1980, BGHZ 76, 222, 230; Urt. V. 28. 2. 1989, BGHZ 107, 92, 96; Urt. V. 9. 3. 1993, NJW 1993, 1594, 1595; MünchKommZPO/Gottwald, § 325 Rdnr. 60; Stein/ Jonas I Leipold, ZPO, § 325 Rdnr. 96; A. Blomeyer, ZPR, § 93 III 1 b, S. 520; a. A. Baumbach I Lauterbach I Albers/ Hartmann, ZPO, § 325 Rdnr. 24. 12 MünchKommZPO/Gottwald, § 325 Rdnr. 72; Stein/ Jonas I Leipold, ZPO, § 325 Rdnr. 91; Palandt/Putzo, BGB, § 556 Rdnr. 23; MünchKomrn!Voelskow, BGB, § 556 Rdnr. 35; Calavros, Urteilswirkungen zu Lasten Dritter, S. 92/93. Für eine Bindung: Zöller/ Vollkommer, ZPO, § 325 Rdnr. 38; A. Blomeyer, ZPR, § 93 III 2 b, S. 521; Hellwig, Wesen und subjektive Begrenzung der Rechtskraft, S. 28/29; Häsemeyer, ZZP 101 (1988), 385, 404. 13 BGH, Urt. v. 16. 11. 1951, BGHZ 3, 385, 389/390; Zöller/Vollkommer, ZPO, § 325 Rdnr. 4; MünchKommZPO/Gottwald, § 325 Rdnr. 73 (u. U. aber Rechtsmißbrauch); Soergel/Hadding, BGB, § 335 Rdnr. 13. 14 So vor allem Hellwig, Wesen und subjektive Begrenzung der Rechtskraft, S. 27/28, 30 ("Reflexwirkung"); in diese Richtung auch Hofmann, Über das Wesen und die subjektiven Grenzen der Rechtskraft, S. 114-117; 126-131; ("Tatbestandswirkung"); Schack, NJW 1988, 865, 870 ("materiellrechtlicher Einwendungsausschluß"). 15 Siehe dazu oben§ 2 III. 3. b) bb) bis ee).
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2. Teil: Einfachgesetzliche Ausgangslage
auf die Spezifika bestimmter Rechtsinstitute stützen läßt, liegt es nahe, daß die hierbei angewandten Rechtsgedanken keiner Übertragung auf das Arbeitsrecht fähig sind. Zum anderen wird davon gesprochen, daß es sich lediglich um eine Auslegung der einschlägigen gesetzlichen Bestimmungen handele, mag es auch an einer ausdrücklichen Rechtskrafterstreckung fehlen. 16 Indessen kann die Annahme einer Rechtskraftbindung dann nicht mehr als schlichte Normauslegung bezeichnet werden, wenn die Rechtsgewinnung außerhalb des die Grenze der Auslegung bildenden Wortlautes einer Vorschrift erfolgt. 17 Wenn die h. M. somit in einer Reihe von zivil- und handelsrechtliehen Fällen Rechtskrafterstreckungen befürwortet, die sich erst durch eine das Gesetz übersteigende Rechtsfindung erschließen, so wäre es ungereimt, im Arbeitsrecht strengere Maßstäbe anzulegen. Das weitgehende Fehlen von Normen, in denen von einer Bindung der Arbeitsvertragsparteien die Rede ist, hindert demnach nicht die Bejahung einer dementsprechenden Wirkung, will man für das Arbeitsrecht nicht gerade ein "positivistisches" Sonderrecht postulieren. Freilich beinhalten diese Gedankengänge für sich genommen noch keine auf das Arbeitsrecht übertragbaren inhaltlichen Grundsätze. Vielmehr regt der unmittelbare Vergleich mit anerkannten zivil- und handelsrechtliehen Fallkonstellationen lediglich zu einer "einzelnormbezogenen Sicht" 18 an, also einer Vorgehensweise, der sich das BAG in seinem Urteil vom 9. 4. 1991 bedient hat, indem es die Rechtskraftausdehnung einer Entscheidung im kollektiven Betriebsabgrenzungsverfahren auf die Arbeitnehmer vor allem auf§ 18 Abs. 2 BetrVG, nicht aber auf übergreifende Begründungszusammenhänge gestützt hat. 19 Hingegen wären arbeitskampfrechtliche Erkenntnisse - abgesehen von einer möglichen Analogie zu § 9 TVG bei einer solchen Betrachtung mangels gesetzlicher Regelung von vornherein keiner Rechtskrafterstreckung zugänglich.
2. Rechtskrafterstreckung auf Grund materiellrechtlicher Dispositionsbefugnisse
Eine tragfähige Grundlage für die Beantwortung arbeitsrechtlicher Fragestellungen versprechen nur solche Ansätze zu bieten, die sich von einzelnen zivil- bzw. handelsrechtliehen Instituten zu lösen vermögen. Im Mittelpunkt der Überlegungen steht hierbei die Frage, ob die Verfügungsbefugnis der Parteien über das den 16 Stein/Jonas!Leipold, ZPO, § 325 Rdnr. 92; Prütting, RdA 1991, 257, 265; Jox, Die Bindung an Gerichtsentscheidungen über präjudizielle Rechtsverhältnisse, S. 82 (zu § 768 BGB), S. 84 (zu § 97 ArbGG). Anders aber, obwohl ungeschriebenen Drittbindungen restriktiv gegenüberstehend, immerhin Schack, NJW 1988, 865, 869. 17 Zur Abgrenzung von Auslegung und Rechtsfortbildung vgl. Larenz, Methodenlehre der Rechtswissenschaft, S. 322, 324; Bydlinski, Juristische Methodenlehre und Rechtsbegriff, S. 441; Canaris, Die Feststellung von Lücken im Gesetz, S. 22/23. 18 So die Formulierung von Dütz, FS Gnade (1992), S. 487, 493. 19 AP Nr. 8 zu § 18 BetrVG 1972.
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Gegenstand des Vorprozesses bildende Rechtsverhältnis einen die Rechtskrafterstreckung auf Dritte rechtfertigenden Umstand darstellt. Allerdings muß bei der inhaltlichen Auseinandersetzung mit den verschiedenen Positionen von vornherein berücksichtigt werden, daß die einzelnen Autoren ausdrücklich oder zumindest implizit zwischen drittbegünstigenden und drittbelastenden Entscheidungen trennen und den Aspekt der Dispositionsbefugnis regelmäßig nur zur Begründung der Bindung eines Dritten an ein für diesen ungünstiges Erkenntnis heranziehen. Die Maßgeblichkeit der Entscheidung im Verhältnis zu einem Dritten auch für den Fall, daß sich die Bindung zum Nachteil der Partei selbst auswirkt, steht damit noch nicht zwangsläufig fest, mag sie auch angesichts der Möglichkeit der Einflußnahme der Partei auf den Prozeß naheliegen. Dennoch ist die Verfügungsmacht als möglicher Wertungsfaktor von umfassenderer Bedeutung: Sofern der Folgeprozeß nämlich ausschließlich zwischen Dritten geführt wird, ist stets eine der beiden Seiten belastet. Daher bedarf es in solchen Konstellationen immer einer Rechtfertigung für die Rechtskrafterstreckung zu Lasten eines Dritten. a) Rechtsgebietsübergreifende literarische Ansätze
Ihren Ausgangspunkt hat die neuere20 zivilprozessuale Diskussion in dem von Bettennann entwickelten Gedanken genommen, nach dem materiellrechtliche Abhängigkeit zu einer Rechtskrafterstreckung führen soll. 21 Inhaltlich versteht Rettermann unter einer derartigen Abhängigkeit nicht schlichte Vorgreiflichkeit, was auf die bereits erörterte Lehre von der allseitigen Wirkung der Rechtskraft22 hinausliefe, sondern das Unterworfensein des Dritten unter die Rechtsmacht der Parteien zur materiellrechtlichen Verschlechterung der Lage des Dritten. 23 Für Bettennann folgt dieses Prinzip im wesentlichen aus zwei Argumentationssträngen: Zum einen verallgemeinert er die in § 325 Abs. I ZPO niedergelegte Rechtskrafterstreckung auf den - materiellrechtlich abhängigen - Rechtsnachfolger.Z4 Zum anderen rekurriert er auf den Grund für die durch § 325 Abs. I ZPO statuierte grundsätzliche Rechtskraftbeschränkung auf die Parteien. Da das Ergebnis des Verfahrens wegen der Geltung von Dispositions- und Verhandlungsmaxime auf dem Einfluß der Par2o Gedankliche Vorläufer finden sich in einer Reihe älterer, wenn auch auf der Grundlage materiellrechtlicher Rechtskrafttheorien geäußerter Vorstellungen; vgl. Wach/Laband, Zur Lehre von der Rechtskraft, S. 16; Kahler, FS Klein, 1, 2; Pagenstecher, RheinZ 6 (1914), 489, 494 ff. Demgegenüber kann man Hellwig, Wesen und subjektive Begrenzung der Rechtskraft, S. 51-63, und System des Deutschen ZPR, § 235 III 2, S. 816, nur äußerlich hierzu rechnen, da er das zivilrechtliche Abhängigkeitsverhältnis lediglich als ein gemeinsames Merkmal bestimmter Fallgruppen ansah, für die der Gesetzgeber eine Rechtskrafterstreckung angeordnet hat. 21 In: Die Vollstreckung des Zivilurteils in den Grenzen seiner Rechtskraft, S. 79-115. 22 Siehe dazu oben § 4 II. 2. 23 A. a. 0., S . 85-89; derselbe, FS Baur (1981), S. 273, 282, 284. 24 A. a. 0., S. 80.
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2. Teil: Einfachgesetzliche Ausgangslage
teien beruhe, dürften Dritte, die dem materiellrechtlichen Einfluß der Parteien nicht unterliegen, auch der Entscheidung in einem für sie fremden Verfahren grundsätzlich nicht unterworfen werden. 25 "Folglich" müßten Dritte dann an ein fremdes Urteil gebunden sein, wenn und soweit sie der Disposition der Parteien unterfielen. 26 Ferner stützt sich Rettermann auf eine Parallele zu einer Reihe von gesetzlichen Vorschriften, nach denen das materielle Recht, vor allem aber die Verfügungsmacht des Prozeßführers mit einer Rechtskrafterstreckung verknüpft ist?7 Eine Weiterführung dieser Lehre stellt die bereits teilweise erörterte28 Ansicht von A. Blomeyer dar, nach der die prozessuale Zumutbarkeit einer Rechtskrafterstreckung den gemeinsamen Oberbegriff für mehrere Fallgruppen bildet. 29 Dabei interessiert in diesem Zusammenhang allerdings nur seine Aussage, eine Rechtskrafterstreckung sei auch in dem Falle, in dem das abhängige Rechtsverhältnis vor Urteilsrechtskraft begründet wurde und es zu einer für den Dritten ungünstigen Entscheidung gekommen ist, dann zumutbar, wenn die Parteien die Verfügungsmacht über das streitige Rechtsverhältnis des Vorprozesses hätten. 30 In ähnlicher Weise vertritt Grunsky die Auffassung, daß Dritte immer dann an eine für sie nachteilige Entscheidung gebunden seien, wenn sie der materiellrechtlichen Verfügungsmacht der Prozeßparteien unterlägen. 31 In diesem Fall sei ihnen die Erstreckung der Rechtskraft zumutbar? 2 Huber hat sich den Überlegungen von Rettermann und Blomeyer angeschlossen und eine Rechtskraftausdehnung auf Dritte bei entsprechender rechtsgeschäftlicher Verfügungsmacht für zurnutbar erklärt.33 Allerdings hat er zugleich einen weiteren Schritt getan und dargelegt, daß es nicht ausreiche, wenn die Rechtskrafterstrekkung dem Dritten zurnutbar sei. Vielmehr sei es darüber hinaus erforderlich, daß die Versagung der Drittbindung für die Prozeßparteien unzumutbar sein müsse, damit man die erweiterte Maßgeblichkeil als geltendes Recht anerkennen könne. 34 Diese Unzumutbarkeit gründet Huber auf die Funktion der gerichtlichen Streitentscheidung, die darin bestehe, nicht nur überhaupt den Prozeß zu beenden, sondern die wirklich bestehende Berechtigung durchzusetzen. Demzufolge müsse die ge2s A. a. 0., S. 80-86. 26 A. a. 0., S. 85. 27 Bettermann nennt vor allem die §§ 325 Abs. 2, 326 Abs. 2 ZPO, § 407 BGB. 28 Siehe dazu oben § 4 Il. 3. 29 In: ZZP 75 (1962), 1, 10-12; derselbe, ZPR, § 91 II, S. 505-508. Zwar findet sich der Aspekt der ,,Zumutbarkeit" auch schon bei Bettermann, Die Vollstreckung des Zivilurteils in den Grenzen seiner Rechtskraft, S. 85. Allerdings hat er darauf verzichtet, diesen Begriff in einen größeren Zusammenhang einzubetten. 30 A. Blomeyer, ZZP 75 (1962), 1, 12; derselbe, ZPR, § 91 Il, S. 508. 3t In: Grundlagen des Verfahrensrechts, § 47 VI 2 c, S. 544-547. 32 A. a. 0., § 47 VI 1, S. 536. 33 In: JuS 1972, 621,625. 34 In: JuS 1972,621,625.
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riebtliehe Entscheidung dem Kläger wie dem Beklagten auch im Verhältnis zu Dritten dieselben Vorteile gewähren wie ein rechtsgeschäftliches Anerkenntnis bzw. ein Verzicht. 35 Im sonstigen Schrifttum außerhalb des Arbeitsrechts hat die Lehre von der Rechtskrafterstreckung kraft materiellrechtlicher Dispositionsmacht ebenfalls teilweise ein positives Echo gefunden. 36
b) Rezeption im Arbeitsrecht
Eine Übernahme dieser rechtsgebietsübergreifenden Lehren von der Rechtskrafterstreckung qua Verfügungsmacht für die Lösung arbeitsrechtlicher Fragestellungen ist erstmals von Otto vorgenommen worden, der damit die Bindung der Arbeitnehmer an die Entscheidung über das Vorliegen einer Betriebsänderung begründet hat. 37 Dütz hat für diese Konstellation ebenfalls auf die Dispositionsbefugnis des Betriebsrats verwiesen. 38 Bei der Entscheidung über die Gültigkeit oder den Inhalt einer Betriebsvereinbarung ist von Dütz schon früher - wenn auch ohne Anhindung an Vorstellungen außerhalb des Arbeitsrechts - zur Begründung einer auf die Arbeitnehmer erweiterten Rechtskraft auf den Gesichtspunkt der "materiellrechtlichen Abhängigkeit" zurückgegriffen worden. 39 Vergleichbare Überlegungen finden sich bei Rieble, der das Schwergewicht für die von ihm bejahte Bindungswirkung auf die Normsetzungsbefugnis der Betriebspartner legt. 40 Im übrigen neigt auch das BAG in seiner Judikatur zur betrieblichen Altersversorgung in letzter Zeit zur Heranziehung des Gedankens einer Rechtskraftausdehnung kraft materiellrechtlicher Abhängigkeit. 41
In: JuS 1972, 621, 625/626. Zust. Zöller/Vollkommer, ZPO, § 325 Rdnr. 41142; Bürck, DB 1975, 1829, 1831 ; v. Olshausen, JZ 1976, 85/86; Braun, JuS 1986, 364, 367; Häsemeyer, ZZP 101 (1988), 385, 403/ 404. Ebenso Henckel, Prozeßführungsmacht kraft Rechtsscheins, S. 285 ff., für die Fälle, in denen die Verfügungsbefugnis auf einem Rechtsscheinstatbestand beruht. 37 In: RdA 1989, 247, 254. 38 In: FS Gnade (1992), S. 487, 499. 39 In: ArbRGegw Bd. 20 (Dok. für 1982), 33, 53. 40 In: Anm. zu BAG, EzA § 112 BetrVG 1972 Nr. 59 (unter I 3, Il). Allerdings versteht Rieble diese Bindungswirkung nicht als Rechtskrafterstreckung, sondern als materiellrechtliche Erscheinung; siehe dazu bereits oben§ 2 III. 1. c). 41 Urt. v. 12. 6. 1990, AP Nr. 10 zu§ 1 BetrAVG Hinterbliebenenversorgung (unter II 2 d. Gr.); Urt. v. 17. 9. 1991, AP Nr. 16 zu§ 7 BetrAVG Widerruf (unter A d. Gr.). 35
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c) Restriktive Ansichten
Nun darf nicht verkannt werden, daß weite Teile des zivilprozessualen Schrifttums dem Gedanken ungeschriebener Rechtskrafterstreckungen kraft materiellrechtlicher Dispositionsbefugnis ablehnend gegenüberstehen. 42 Will man nicht Gefahr laufen, das arbeitsgerichtliche Verfahrensrecht vom allgemeinen Zivilprozeßrecht abzuspalten, so darf die Lösung arbeitsrechtlicher Problemfälle zumindest nicht ohne weiteres auf Ansichten gestützt werden, die innerhalb des Zivilprozeßrechts nicht als gesichert gelten können. Vielmehr bedarf es einer näheren Auseinandersetzung mit den sich einer erweiterten Rechtskraftwirkung entgegenstemmenden Auffassungen. Eine erste Argumentationslinie wird auf§ 325 ZPO gestützt, indem dieser Norm die gesetzgebensehe Entscheidung für eine Rechtskraftbeschränkung auf die Parteien entnommen wird. Dieser Grundsatz dürfe nur in den gesetzlich bestimmten Fällen durchbrochen werden. Hierzu zähle die Lehre von der Rechtskrafterstrekkung kraft materiellrechtlicher Abhängigkeit aber gerade nicht. 43 Diese Überlegung bedeutet in methodischer Hinsicht, der Vorschrift die Funktion eines Rechtsfortbildungsverbotes beizumessen. Ein derartiger Einwand ist - als logisch vorrangig - bereits ausführlich behandelt worden. Danach kann § 325 ZPO - wie auch anderen gesetzlichen Regelungen - weder eine strikte Negativregelung noch eine Sperrwirkung für das Herausarbeiten allgemeiner Grundsätze zu ungeschriebenen Drittwirkungen entnommen werden.44 Hiervon abgesehen ist es inkonsequent, gegenüber einer auf den Gesichtspunkt der Dispositionsbefugnis gegründeten Rechtskraftausdehnung die Regelung des § 325 ZPO ins Feld zu führen, diesen Aspekt aber bei allseits anerkannten Fallgruppen wie der Prozeßstandschaft oder der Feststellung der Tariffähigkeit bzw. Tarifzuständigkeit, die keinesfalls mehr als Auslegung gesetzlicher Bestimmungen eingeordnet werden können,45 außer acht zu lassen. Versteht man § 325 ZPO in einem strengen, Rechtsfortbildungen untersagenden Sinne, so wären auch solche Formen der Rechtsgewinnung zurückzuweisen, 42 MünchKommZPO/Gottwald, § 325 Rdnr. 4; Stein!Jonas/Leipold, ZPO, § 325 Rdnr. 86-91; Münzberg, ZZP 80 (1967), 493, 496/497; M. Wolf, AcP 180 (1980), 430; Schack, NJW 1988, 865, 872; Schilken, ZZP 101 (1988), 106, 108; J. Blomeyer, Die Erinnerungsbefugnis Dritter in der Mobiliarzwangsvollstreckung, S. 159/160; Calavros, Urteilswirkungen zu Lasten Dritter, S. 92; Jox, Die Bindung an Gerichtsentscheidungen über präjudizielle Rechtsverhältnisse, S. 72. In diesem Sinne auch Konzen, FS Zeuner (1994), S. 401, 423. So schon Mendelssohn Bartholdy, Grenzen der Rechtskraft, S. 31 2/313; Heim, Die Feststellungswirkung des Zivilurteils, S. 218/219. Ebenfalls zweifelnd W Lüke, Die Beteiligung Dritter im Zivilprozeß, S. 108/109. 43 In diese Richtung MünchKommZPO/Gottwald, § 325 Rdnr. 4; Prütting, RdA 1991, 257, 263/264; Jox, Die Bindung an Gerichtsentscheidungen über präjudizielle Rechtsverhältnisse, S. 72. 44 Siehe dazu oben § 4 I. 2. u. 3. 45 Siehe dazu oben§ 3 II. 2. (Tariffähigkeit/Tarifzuständigkeit) bzw. § 4 I. 3. sowie§ 5 I. 1. a) u. 2. (Prozeßstandschaft).
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die sich weithin durchgesetzt haben. Kann oder will man die Rechtsentwicklung in diesen Bereichen nicht zurtickdrehen, kann es nicht überzeugen, wenn man sich gegenüber Grundsätzen, denen eine breitere Anerkennung bisher versagt ist, nunmehr auf einen angeblich entgegenstehenden Willen des Gesetzgebers beruft. Ein weiterer Gedanke gegen Drittbindungen kraft Dispositionsbefugnis nimmt seinen Ausgangspunkt in der als solche schon seit langem geläufigen Aussage, daß rechtsgeschäftliche Verfügung und Prozeßführung unvergleichbar seien 46 , und hebt die Dichotomie von materiellem Recht und Verfahrensrecht hervor. Der Umstand, daß die Parteien materiellrechtlich etwas hätten tun können, bedeute nicht, daß der Staat es durch Prozeßrecht anordnen müsse. 47 Die Sicherung materiellrechtlicher Abhängigkeiten sei Aufgabe des materiellen Rechts, nicht des Verfahrensrechts, dem lediglich eine unterstützende Rolle zukommen könne. 48 Eine Drittbindung, die sich auf die Reichweite der Verfügungsmacht stütze, laufe auf eine Gleichsetzung von Dispositionsbefugnis und Prozeßführung hinaus. Dabei werde übersehen, daß ein bestimmtes Ergebnis im ersten Fall auf privater Willensbetätigung, bei einem Rechtsstreit dagegen (auch) auf staatlicher Mitwirkung beruhe. 49 Durch die Berufung auf materiellrechtliche Verfügungsfreiheit dürften im übrigen nicht sämtliche Verfahrensgarantien aus dem Weg geräumt werden. 5° Dem ist zu entgegnen, daß es der Lehre von der Rechtskrafterstreckung kraft materiellrechtlicher Abhängigkeit keineswegs um eine Gleichstellung von Rechtsgeschäft und Prozeßführung51 zu tun ist. 52 Vielmehr geht es ausschließlich darum, die materiellrechtliche Unterworfenheil des Dritten als einen Faktor zu begreifen, der die Zurechnung von Prozeßergebnissen rechtfertigt. 5 3 Dabei unterliegt es keinem Zweifel, daß die Zurechnung der materiellen Rechtskraft als solche durch einen Prozeßrechtssatz erfolgt. Dies schließt allerdings keineswegs aus, daß die Prozeßnorm prozessuale Wirkungen von materiellrechtlichen Voraussetzungen abhän46 So bereits Mendelssohn Bartholdy, Grenzen der Rechtskraft, S. 312/313; Lent, Die Gesetzeskonkurrenz im bürgerlichen Recht und Zivilprozeß, Bd. II, S. 205/206; Heim, Die Feststellungswirkungdes Zivilurteils, S. 218; Goldschmidt, Der Prozeß als Rechtslage, S. 299; Sinaniotis, ZZP 79 (1966), 78, 83/84. In diesem Sinne auch Koussoulis, Beiträge zur modernen Rechtskraftlehre, S. 113. 47 Schack, NJW 1988, 865, 872; ähnlich Prütting, RdA 1991,257,263. 48 Schack, NJW 1988, 865, 868; Prütting, RdA 1991, 257, 263. 49 J. Blomeyer, Die Erinnerungsbefugnis Dritter in der Mobiliarzwangsvollstreckung, S. 160; zust. Calavros, Urteilswirkungen zu Lasten Dritter, S. 92. Den hoheitlichen Charakter des Urteils hervorhebend auch W. Lüke, Die Beteiligung Dritter im Zivilprozeß, S. 108/109. 5o Prütting, RdA 1991, 257, 263/264. 51 Mit einer solchen Gleichsetzung hatte noch das RG, Urt. v. 5. 11. 1903, RGZ 56, 109, 111, die Vemeinung einer Wirkung der materiellen Rechtskraft einer Hauptschuldnerverurteilung zu Lasten des Bürgen begründet. 52 Deutlich Bettermann, Die Vollstreckung des Zivilurteils in den Grenzen seiner Rechtskraft, S. 87. In diesem Sinne auch Grunsky, FamRZ 1969, 522, 525, indem er von einer "interessenmäßig vorhandenen Parallele" trotz rechtsdogmatischer Unterschiede spricht. 53 Dazu auch Henckel, Prozeßführungsmacht kraft Rechtsscheins, S. 280-282.
13 Krause
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gig macht. 54 Natürlich "muß" der Staat materiellrechtliche Verfügungsbefugnis nicht mit prozessualen Folgewirkungen ausstatten. Insoweit ist den Ausführungen von Schack55 beizupflichten. Indessen werden die Bemühungen um kohärente Entscheidungen in ein falsches Licht gerückt, wenn man die Rechtskraftwirkung kraft materiellrechtlicher Abhängigkeit in erster Linie als eine Erweiterung der Rechtsmacht der Parteien durch Verleihung prozessualer Gestaltungsbefugnisse versteht. Das Streben nach Entscheidungsharmonie wird vielmehr dadurch motiviert, daß einander widersprechende Prozeßergebnisse das materielle Recht, dessen Durchsetzung gerade das Ziel des vorgängigen gerichtlichen Verfahrens ist, entwerten können. Erst in einem zweiten Schritt ist zu fragen, ob den dadurch betroffenen Dritten bestimmte Prozeßergebnisse zugerechnet werden können, wobei durchaus - auch - die "Fernwirkung" (Heck) 56 materiellrechtlicher Wertungen zu berücksichtigen ist. Von einem derartigen Standpunkt aus ist es aber durchaus naheliegend, auf Grund der Parallelität der Wirkung von materiellrechtlicher Verfügung und rechtskräftiger Entscheidung57 den Umfang der Urteilswirkung an die Dispositionsmacht der Parteien zu knüpfen. 58 Demgegenüber laufen die Äußerungen von SchacP9 und Prütting60 auf eine Vorstellung des Verhältnisses von materiellem Recht und Prozeßrecht hinaus, nach der materiellrechtliche Voraussetzungen grundsätzlich nicht zu prozessualen Rechtswirkungen führen können. Einem derartigen "Trennungsdenken", das der schon eingangs61 skizzierten Tendenz zur "Verfestigung der rückwärtigen Verbindungen" (Bötticher) 62 des Prozeßrechts mit dem materiellen Recht widerspricht, kann jedoch nicht gefolgt werden. Wenn nämlich bei der Drittbindung qua Tatbestands- oder Gestaltungswirkung materiellrechtliche und prozessuale Elemente untrennbar miteinander verzahnt sind,63 so ist nicht einzusehen, warum bei der funktional äquivalenten Rechtskraftwirkung64 eine strikte Disparität zu wahren sein 54 Vgl. Henckel, Prozeßführungsmacht kraft Rechtsscheins, S. 9/10; derselbe, Prozeßrecht und materielles Recht, S. 23, 25, 31. Auf S. 32 nennt Henckel als Beispiel ausdrücklich die Rechtskrafterstreckung. 55 In: NJW 1988, 865, 872. 56 In: AcP 112 (1914), I, 195, 230ff. 57 So schon v. Tuhr, AT, Bd. Il/1, §54 IV, S. 257; Lent, Die Gesetzeskonkurrenz im bürgerlichen Recht und Zivilprozeß, Bd. II, S. 206 (Fn. 1). Ebenso Grunsky, Grundlagen des Verfahrensrechts, § 47 VI 1, S. 536; Henckel, ZZP 70 (1957), 448, 463; derselbe, Prozeßführungsmacht kraft Rechtsscheins, S. 34; Bettermann, Die Vollstreckung des Zivilurteils in den Grenzen seiner Rechtskraft, S. 87. 58 Zum Zusammenhang zwischen materiellrechtlicher Dispositionsbefugnis und Rechtskrafterstreckung grundlegend Henckel, Prozeßführungsmacht kraft Rechtsscheins, S. 34 ff., 51 ff.; derselbe, Parteilehre und Streitgegenstand im Zivilprozeß, S. 41 ff., 155 ff. 59 In: NJW 1988, 865, 868. 60 In: RdA 1991, 257, 263. 61 Siehe dazu oben § 1. 62 In: ZZP 85 (1972), 1, 2.
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Siehe dazu oben § 2 III. I. a) u. b).
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sollte. Dasselbe gilt für die von einigen Autoren65· in den Vordergrund gerückte Überlegung, daß es einer staatlichen Willensbetätigung für das Zustandekommen einer gerichtlichen Entscheidung bedarf. Abgesehen von der Ambivalenz dieses Gedankens66 ist es widersprüchlich, einerseits unter Berufung auf diesen Aspekt die Verschiedenheit zu privater Willensmacht hervorzukehren und andererseits in der Einflußnahme der Parteien auf den Urteilsinhalt gerade ein für die Rechtskraftbeschränkung sprechendes Argument zu sehen67 . Vor allem aber ist, worauf Bötticher in anderem Zusammenhang hingewiesen hat, 68 das Vorhandensein eines Richterspruchs für sich genommen kein Grund, materiellrechtliche Betrachtungsweisen von vornherein auszublenden. Denn wenn sich bei Gestaltungsurteilen die Unterworfenheil sowohl der gegnerischen Partei als auch Dritter auf das materielle Recht zurückführen lassen69 und bei einer Reihe anerkannter Fälle die Verfügungsbefugnis den ausschlaggebenden Grund für die Rechtskrafterstreckung bildet70, dann ist nicht einsichtig, warum der Umstand, daß jede Rechtskraftwirkung notwendigerweise eine gerichtliche Handlung voraussetzt, bei der Frage nach ungeschriebenen Drittbindungen den Rekurs auf eine private Dispositionsmacht von vornherein ausschließen soll. Gewichtiger ist der Hinweis von Prütting71 auf die zu beachtenden Verfahrensgarantien, die nicht unter Berufung auf materiellrechtliche Verfügungsbefugnisse sicher nicht kurzerhand beiseite geschoben werden können. Indessen sind diese beiden Faktoren nicht kompatibel. Im vorliegenden Zusammenhang geht es ausschließlich darum, ob das materielle Recht einen Zurechnungsfaktor bilden kann, dessen Vorliegen einen die Rechtskrafterstreckung ausdrücklich anordnenden Rechtssatz zu ersetzen vermag. Die von Prütting angesprochenen Verfahrensgarantien stellen hingegen einen eigenständigen Wertungsfaktor dar, bei dessen Fehlen die Zurechnung des Prozeßergebnisses zu unterbleiben hat. Da bei diesen Garantien die Wahrung des rechtlichen Gehörs ganz im Vordergrund steht, ist dieser Faktor praktisch gleichbedeutend mit den verfassungsrechtlichen Anforderungen an erweiterte Entscheidungswirkungen. Diese Erfordernisse wiederum sind unabhängig von den einzelnen Zurechnungsgründen auf einfachgesetzlicher Ebene. Ledig64
Siehe hierzu oben § 2 III. 2. c).
J. Blomeyer, Die Erinnerungsbefugnis Dritter in der Mobiliarzwangsvollstreckung, S. 159/160; Calavros, Urteilswirkungen zu Lasten Dritter, S. 92; W. Lüke, Die Beteiligung 65
Dritter im Zivilprozeß, S. 1081109. 66 So ist die Mitwirkung des Richters nach Auffassung von Grunsky, Grundlagen des Verfahrensrechts, § 47 VI 2 c, S. 546, und Bettermann, FS Baur (1981), S. 273, 282, ein die Rechtskrafterstreckung gerade unterstützender Gesichtspunkt. 67 So aber Calavros, Urteilswirkungen zu Lasten Dritter, S. 92. 68 In: FS Dölle (1963), Bd. I, S. 41 , 55156, zur Frage der Rechtsnatur von Gestaltungsk1agerechten. 69 Siehe dazu oben § 2 III. 1. b) aa). 70 Siehe etwa die Fälle der gesetzlichen Prozeßstandschaft, vgl. § 5 I. 1. a). 71 In: RdA 1991, 257, 263/264. 13*
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lieh ihre Auswirkungen hängen, wie beschrieben72, davon ab, ob es um die Korrektur einer eindeutigen gesetzgebensehen Entscheidung oder um den "verfassungsorientierten" Rechtsgewinnungsprozeß auf der Ebene des einfachen Rechts geht. Auch in dem letztgenannten Fall bildet der verfassungsrechtliche Aspekt aber streng genommen keinen den einfachrechtlichen Gesichtspunkt in seiner Bedeutung als solchen verdrängenden, sondern ihn lediglich überlagernden Umstand. Deshalb sind die von Prütting aufgerufenen Verfahrensgarantien an dieser Stelle nicht zu diskutieren. 73 Bestritten wird schließlich, daß aus den vereinzelten gesetzlichen Vorschriften, durch die materiellrechtliche Abhängigkeitsverhältnisse mit Rechtskraftwirkungen verknüpft werden, ein allgemeines Prinzip entwickelbar sei.74 Dieser Einwand ist erheblich schwerer zu nehmen, da er nicht auf das Bestehen eines weiteren, begründungsbedürftigen Rechtfortbildungsverbotes abzielt, sondern zutreffend darauf hinweist, daß die Argumentationslast bei demjenigen liegt, der für erweiterte Drittbindungen plädiert. Wie schon Huber zu Recht dargelegt hat, geht es insoweit um eine - ihrerseits begründungsbedürftige - Rechtsfortbildung.75 Nun kann an dieser Stelle nicht die in den letzten Jahrzehnten ständig verfeinerte Methodik der zulässigen Fortbildung des Rechts im einzelnen referiert werden. 76 Dies erscheint aber auch nicht notwendig. Die verschiedenen Begründungslinien lassen sich nämlich ohne größere Friktionen in die herkömmlichen Argumentationslinien einer zulässigen Rechtsfortbildung einpassen. So kann die Verknüpfung von materiellrechtlicher Dispositionsbefugnis und Rechtskrafterstrekkung durchaus als Herausbildung eines Prinzips begriffen werden, das aus einzelnen Normen des positiven Rechts abzuleiten ist. 77 Als entscheidender Punkt kristallisiert sich damit weniger die formale Verankerung in anerkannten Rechtsfonbildungsstrukturen heraus, sondern vielmehr die in den Sachargumenten liegende Überzeugungskraft Hinzu kommt folgende Überlegung, die das Pendel in erheblichem Maße zugunsten ungeschriebener Drittbindungen ausschlagen läßt. Das BAG hat sich bereits in Siehe dazu oben vor § 3. Näheres hierzu unten §§ 9-11. 74 Stein/Jonas/Leipold, ZPO, § 325 Rdnr. 86; Schack, NJW 1988, 865, 872; Jox, Die Bindung an Gerichtsentscheidungen über präjudizielle Rechtsverhältnisse, S. 72. So auch schon Heim, Die Feststellungswirkung des Zivilurteils, S. 222. 75 In: JuS 1972,621,626/627. 76 Vgl. dazu nur Larenz, Methodenlehre der Rechtswissenschaft, S. 366-436; Bydlinski, Juristische Methodenlehre und Rechtsbegriff, S. 472-500; Koch/ Rüßmann, Juristische Begründungslehre, S. 246-262; Wank, Grenzen richterlicher Rechtsfortbildung, passim (Zusammenfassung aufS. 251-258). 77 So ausdrücklich Bettermann, Die Vollstreckung des Zivilurteils in den Grenzen seiner Rechtskraft, S. 80; Grunsky, Grundlagen des Verfahrensrechts, § 47 VI 2 c, S. 544; v. Olshausen, JZ 1976, 85, 86. Zu den verschiedenen Form der Prinzipiengewinnung ausführlich Canaris, Die Feststellung von Lücken im Gesetz, S. 93-123. 72
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drei Entscheidungen für eine derartige Wirkung im Verhältnis zu verfahrensunbeteiligten Arbeitnehmern ausgesprochen. 78 Nun ist dies für sich genommen noch kein Anlaß, im Sinne eines "Rechtsprechungspositivismus" (Bydlinski) 79 alle Anstrengungen nur noch darauf zu richten, die richterlichen Erkenntnisse auszudeuten. Es mag auch zweifelhaft sein, ob bereits eine gefestigte höchstrichterliche Rechtsprechung angenommen werden kann, von der - zumindest nach Auffassung des Großen Senats des BGH - um der Rechtssicherheit und des Vertrauensschutzes willen nur noch bei deutlich überwiegenden oder sogar schlechthin zwingenden Gründen abgewichen werden sollte. 80 Indessen darf nicht außer acht gelassen werden, daß der weitaus überwiegende Teil der Literatur diesen Urteilen jedenfalls im Ergebnis beipflichtet81 . Das Bestehen einer durch das Schrifttum dokumentierten allgemeinen Rechtsüberzeugung ist aber ein auch vom BVerfG anerkanntes Kriterium für die Zulässigkeil einer Fortbildung des Rechts. 82 Wenn nun verschiedene Stimmen die Begründungen für die vom BAG erzielten Ergebnisse bemängeln83 sowie beklagen, daß eine bloße Einzelfallbetrachtung die Sicht auf die allgemeine Problematik verstelle84, dann muß die Aufgabe in erster Linie darin liegen, verallgemeinerungsfähige Grundsätze zu entwickeln, mit deren Hilfe die durch die Praxis aufgeworfenen Probleme systematisch wie auch vom Resultat her angemessen bewältigt werden können. Im Folgenden geht es deshalb darum, in Anknüpfung an die bislang vorliegenden Ausführungen Grundsätze herauszuarbeiten, die eine größere Akzeptanz für ungeschriebene Drittbindungen ermöglichen sollen.
78 Urt. v. 10. II. 1987, AP Nr. 15 zu§ 113 BetrVG 1972; Urt. v. 9. 4. 1991, AP Nr. 8 zu § 18 18 BetrVG 1972; Urt. v. 17. 2. 1992, AP Nr. I zu§ 84 ArbGG 1979. 79 In: Juristische Methodenlehre und Rechtsbegriff, S. 27. 80 Beschl. v. 4. 10. 1982, BGHZ 85, 64, 66; ebenso BGH, Urt. v. 25. 3. 1983, BGHZ 87, 150, 155/156; Urt. v. 22. 2. 1991, BGHZ 113, 384, 386. 81 Vgl. nur Hess, in: Hess/Schlochauer/Glaubitz, BetrVG, § 111 Rdnr. 84; Kreutz, GKBetrVG, § 18 Rdnr. 63; Wieser, Arbeitsgerichtsverfahren, Rdnr. 627-629; Leipold, Anm. zu BAG, AP Nr. 15 zu § 113 BetrVG 1972 (unter 7); Zeiss, SAE 1988, 230; Grunsky, EWiR § 113 BetrVG 2/88, 329; Rieble, Anm. zu BAG, EzA § 112 BetrVG 1972 Nr. 59; derselbe, Anm. zu BAG, EzA § 99 BetrVG Nr. 122 (unter II 2); Dütz/Rotter, Anm. zu BAG, EzA § 18 BetrVG 1972 Nr. 7; Otto, RdA 1989, 247, 254; Prütting, RdA 1991, 257, 266/267; Dütz, FS Gnade (1992), S. 487, 490 ff.; Konzen, FS Zeuner (1994), S. 401, 425-430. 82 Vgl. Beschl. v. 14. 2. 1973, BVerfGE 34, 269, 290/291; Beschl. v. 11. 10. 1978, BVerfGE 49, 304, 321/322; Beschl. v. 19. 10. 1983, BVerfGE 65, 182, 195. Ebenso Hanau, BlStSozArbR 1985, 17, 18. Einschränkend aber Wank, Grenzen richterlicher Rechtsfortbildung, S. 224-227. 83 Leipold, Anm. zu BAG, AP Nr. 15 zu§ 113 BetrVG 1972 (unter 4); Zeiss, SAE 1988, 230; Grunsky, EWiR § II3 BetrVG 2188, 329; Prütting, RdA 1991,257,266. 84 Dütz, FS Gnade (1992), S. 487, 493. In diese Richtung bereits Otto, RdA 1989, 247, 254. Grundsätzlich gegen die Vorstellung, das Recht aus dem einzelnen Fall zu finden, Zöllner, AcP 188 (1988), 85, 88.
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2. Teil: Einfachgesetzliche Ausgangslage
II. Allgemeine Grundsätze zur Rechtskrafterstreckung kraft materiellrechtlicher Vorgaben 1. Ermittlung der maßgebenden Kriterien für ungeschriebene Drittbindungen
Ausgangspunkt der folgenden Überlegungen ist die bei der Erörterung der verschiedenen Bindungsmodalitäten85 bereits angesprochene Frage nach den Funktionen, die einer Bindung zukommen.
a) Bedeutung der Rechtskraftwirkung für die Parteien
Betrachtet man zunächst lediglich das Verhältnis der Parteien zueinander, so hat die zwischen ihnen mit der rechtskräftigen Entscheidung eintretende materielle Rechtskraft einmal die Aufgabe, Rechtssicherheit und damit eine Grundlage für die weiteren Dispositionen der Parteien zu schaffen. 86 Indessen greift man zu kurz, wenn man den Zweck der Rechtskraft weitgehend auf diesen Gesichtspunkt beschränkt. Vielmehr muß das Schwergewicht auf das jeweilige materielle Recht gelegt werden, da dessen Verwirklichung als das Hauptziel des Prozesses anzusehen ist. 87 Weil dieses Recht durch endloses Infragestellen seitens der unterlegenen ParSiehe dazu oben unter§ 4 II. 1. a) cc), b) cc) u. 2. c). Vgl. nur Thomas/Putzo, ZPO, § 322 Rdnr. 1; Stein/Jonas/Leipold, ZPO, § 322 Rdnr. 30/31 ; Braun, JuS 1986, 364, 365; Benda/Weber, ZZP 96 (1983), 285, 291; Koussoulis, Beiträge zur modernen Rechtskraftlehre, S. 223 ("Orientierungssicherheit"); Berger, Die subjektiven Grenzen der Rechtskraft bei der Prozeßstandschaft, S. 12- 14. Ebenso BVerfG, Beschl. v. 31. 1. 1978, BVerfGE 47, 146, 161, zur rechtsstaatliehen Funktion der Rechtskraft in öffentlichrechtlichen Streitverfahren. 87 Dabei geht es in erster Linie um die Durchsetzung subjektiver Privatrechte, ohne daß die damit zugleich geförderte Bewährung der objektiven Rechtsordnung als gegenläufiger Aspekt aufzufassen ist; ebenso Rosenberg/Schwab/Gottwald, ZPR, § 1 III 1 und 3, S. 3; Thiere, Die Wahrnehmung überindividueller Interessen im Zivilprozeß, S. 9-13; ausführlich Gaul, AcP 168 (1968), 27, 46-53; stärker auf die Wahrung des objektiven Rechts abstellend aber derselbe, Die Grundlagen des Wiederaufnahmerechts und die Ausdehnung der Wiederaufnahmegründe, S. 52-66; einen Widerspruch zwischen beiden Zwecksetzungen gleichfalls verneinend Jauemig, JuS 1971, 329, 331. Einen stärkeren Akzent auf die Durchsetzung subjektiver Privatrechte legen Grunsky, Grundlagen des Verfahrensrechts, § 1 II, S. 3-6; Baur, in: sumrnum ius summa iniuria (1963), S. 97, 103/104; und - etwas abgeschwächter - Benda/Weber, ZZP 96 (1983), 285, 287. Von einer dienenden Funktion des Zivilprozeßrechts geht auch das BVerfG aus, vgl. Beschl. v. 24. 3. 1976, BVerfGE 42, 64, 73; Beschl. v. 27. 9. 1978, BVerfGE 49, 220, 226; Beschl. v. 25. 7. 1979, BVerfGE 52, 131, 153. Noch akzentuierter Henckel, Prozeßrecht und materielles Recht, S. 61-64, nach dem der Prozeß das Mittel bzw. Verfahren zur Rechtsausübung darstellt. Rimmelspacher, Zur Prüfung von Amts wegen im Zivilprozeß, S. 23, sieht den Schutz subjektiver Privatrechte zwar als ,,reales Ziel" des Zivilprozesses an; allerdings komme ihnen dieser Schutz nur um des "idealen Zieles" der Sicherung des Rechtsfriedens willen zu. Krit. gegenüber dem Gedanken der Durchsetzung bestehender Rechte Pawlowski, ZZP 80 (1967), 345, 368/369, der den Prozeß als ein von den Parteien betriebenes Verfahren begreift, durch das das Recht überhaupt erst festgestellt wird. 85
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tei entwertet würde, bedarf es einer Absicherung. Diesem Zweck dient die materielle Rechtskraft. 88 Aus dieser Rechtsschutzfunktion der Rechtskraft wie auch aus der gesetzlichen Grundkonzeption, die vor allem durch die Wahrheitspflicht der Parteien (§ 138 Abs. 1 ZPO) und die Gesetzesbindung der Gerichte (Art. 20 Abs. 3, 97 Abs. 1 GG) geprägt wird, ist nun zu folgern, daß der Gesetzgeber auf im Regelfall inhaltlich zutreffende Entscheidungen vertraut. Es wäre nämlich widersprüchlich, den Prozeß einerseits als eine Rechtsschutzeinrichtung aufzufassen, andererseits dem Gesetzgeber zu unterstellen, daß er trotz aller dahingehender Bemühungen im Normalfall nicht von einer dem materiellen Recht entsprechenden Erkenntnis ausgeht. 89 Dem steht nicht entgegen, daß die materielle Rechtskraft nach ihrem heute ganz herrschenden und zutreffenden Verständnis die Frage nach der inhaltlichen Richtigkeit des ergangenen Urteils abschneidet. Denn dies bedeutet nicht, daß damit der Schutz der das materielle Recht verfehlenden Entscheidung um des Rechtsfriedens gleichrangig neben der Sicherung richtiger Urteile steht. Vielmehr kann die Bestandskraft fehlerhafter Urteile nur als der erforderliche Preis dafür angesehen werden, daß um des Schutzes der zutreffenden Entscheidung willen ein erneutes Wiederaufrollen des Verfahren unterbunden wird. 90
b) Bedeutung der grundsätzlich fehlenden Bindung im Verhältnis zu Dritten
Das grundsätzliche Nichteingreifen der materiellen Rechtskraft im Verhältnis der Parteien zu Dritten wie auch bei reinen Drittrechtsbeziehungen führt dazu, daß das jeweilige Rechtsverhältnis einer umfassenden gerichtlichen Prüfung unterliegt. Grundsätzlich ab!. gegenüber der Grundidee von der Verwirklichung des materiellen Rechts als Prozeßzweck Braun, Rechtskraft und Restitution, Zweiter Teil, S. 45-59. Es ist Braun, a. a. 0 ., S. 64/64, zuzugeben, daß die Lösung konkreter Einzelprobleme nicht aus dem abstrakt bestimmten Prozeßzweck schlicht abgeleitet werden kann. Dies würde auf die vielzitierte "zivilprozessuale Rechtsphilosophie im Westentaschenformat" (v. Hippel, Wahrheitspflicht und Aufklärungspflicht der Parteien im Zivilprozeß, S. 171 [Fn. l3]) hinauslaufen. Wohl aber ist die Besinnung auf den Zweck des Zivilprozesses hilfreich, um hieraus Denkanstöße für weitere Überlegungen zu gewinnen. Positiver gegenüber der Zweckbetrachtung auch Henckel, a. a. 0 ., S. 47. 88 Grunsky, Grundlagen des Verfahrensrechts, § 47 vor I, S. 483/484; Jauemig, ZZP 66 (1953), 398, 415; H. F. Gaul, FS Henckel (1995), S. 235, 271. In diese Richtung auch Henckel, Prozeßrecht und materielles Recht, S. 97/98 mit Fn. 151. 89 Für eine grundsätzlich vorauszusetzende Richtigkeitsgewähr auch Henckel, Prozeßrecht und materielles Recht, S. 155; BVerfG, Beschl. v. 25. 7. 1979, BVerfGE 52, 131, 153/154. 90 Anders Schumann, FS Bötticher (1969), S. 289, 319/320, der aus der Verbindlichkeit des Fehlurteils folgert, daß der Prozeß auch den Zweck verfolgt, trotz Verfehlung des materiellen Rechts Rechtsgewißheit eintreten zu lassen. Ähnlich Schilken, ZZP 10 I ( 1988), 106. Indessen erscheint es bedenklich, aus der Möglichkeit unrichtiger Urteile auf Prozeßzwecke zu schließen; so zutreffend H. F. Gaul, AcP 168 (1968), 27, 58/59. Stärker auf den Aspekt der Rechtsgewißheit als solcher abstellend aber derselbe, FS Henckel (1995), S. 235, 271.
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2. Teil: Einfachgesetzliche Ausgangslage
Dies kann inhaltlich einander widersprechende Entscheidungen zur Folge haben. Die Kalkulierbarkeit der Rechtslage wird dadurch für alle Beteiligten erheblich beeinträchtigt. Der Prozeßgewinn kann auf diese Weise für die obsiegende Partei deutlich geschmälert werden. Die damit verbundene Einbuße an Rechtssicherheit nimmt der Gesetzgeber bewußt hin, da sie ihm im Verhältnis zu den gegen eine umfassende Drittbindung sprechenden Aspekten regelmäßig als weniger gewichtig erscheint. Der Grund für die Inkaufnahme widersprüchlicher Urteile kann nach dem soeben Gesagten schwerlich in einem generellen Mißtrauen des Gesetzgebers gegenüber ihrer inhaltlichen Richtigkeit liegen. Man kann dem Gesetzgeber nämlich nicht unterstellen, ein- und dieselbe Entscheidung - im Verhältnis der Parteien zueinander - für im Regelfall zutreffend und - bei Drittverhältnissen - zugleich für unzutreffend zu halten. Vielmehr spricht alles dafür, daß er in der Regel sowohl dem ersten wie dem zweiten Erkenntnis eine gleich hohe Gewähr inhaltlicher Richtigkeit zuerkennt. Der Hintergrund für diese gesetzgebensehe Einschätzung ist darin zu sehen, daß die Umstände, unter denen beide Verfahren stattfinden, als grundsätzlich gleichwertig eingestuft werden. Die Vergleichbarkeit der prozessualen Rahmenbedingungen gehört demnach zu den Wertungen, auf denen die grundsätzlich fehlende Bindung Dritter beruht. Eine weitere wichtige Überlegung bildet die bis auf die Motive zurückreichende Aussage, daß Dritte vor den Folgen einer fremden Prozeßführung verschont werden müßten. 91 Auf diese Weise wird die Verbindung zum materiellen Recht hergestellt und eine Parallele zur grundsätzlich bestehenden Freiheit des Dritten vor materiellrechtlich wirkenden Eingriffen gezogen. Allerdings enthält das Abstellen auf die schutzwürdigen Interessen Dritter noch keine Erklärung für die Möglichkeit der Partei selbst, das vorgreifliehe Rechtsverhältnis erneut gerichtlich beurteilen zu lassen, soweit es um Rechtsbeziehungen zu Dritten geht. Es erscheint auch nicht angängig, diese aus der fehlenden Bindungswirkung erwachsende Folge lediglich als Reflex der Bindungsfreiheit Dritter aufzufassen. Eine umfassende Deutung der grundsätzlichen Nichtbindung aller Betroffenen ist erst dann möglich, wenn man sich der im zweiten Verfahren geltend gemachten materiellen Berechtigung zuwendet. Dritten, aber gegebenenfalls auch der Partei selbst, soll der Freiraum für eine eigenständige, von einem früheren Prozeß unbeeinflußte Durchsetzung ihrer Rechte eingeräumt werden. Dem materiellen Recht kommt nach dem gesetzlichen Regelungsplan demnach grundsätzlich ein komplementärer Verfahrensrechtsschutz zu, der inhaltlich die Überprüfung sämtlicher die 91 Motive, Bd. I, S. 377. Ebenso RG, Urt. v. 22. 5. 1909, RGZ 71, 199, 202; BGH, Urt. v. 16. 11. 1951, BGHZ 3, 385, 388; MünchKommZPO/Gottwald, § 325 Rdnr. 4; Stein!Jonas / Leipold, ZPO, § 325 Rdnr. l/2; Grunsky, Grundlagen des Verfahrensrechts, § 47 VI I, S. 536; Hellwig, System des Deutschen ZPR, § 232 II 2, S. 801/802; v. Tuhr, AT, Bd. IU1 , § 54 IV, S. 257/258 (Fn. 132); Heim, Die Feststellungswirkung des Zivilurteils, S. 206; Bettermann, Die Vollstreckung des Zivilurteils in den Grenzen seiner Rechtskraft, S. 80/81.
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materielle Rechtsstellung bestimmender Faktoren umfaßt. 92 Das materielle Recht wird nach der Vorstellung des Gesetzgebers somit im Regelfall gerade dadurch verwirklicht, daß eine Bindung an die Erstentscheidung unterbleibt. Zugleich wird eine Diskrepanz zwischen dem ersten und dem zweiten Erkenntnis in Kauf genommen und damit die Befugnis zur Durchsetzung des materiellen Rechts im Einzelfall der Herbeiführung von Rechtssicherheit durch einheitliche Entscheidungen generell übergeordnet. c) Folgerungenfürdie Rechtfertigung ungeschriebener Drittbindungen
Aus den Überlegungen zu den gesetzgebensehen Wertungen, die der Anordnung zugrundeliegen, im Regelfall keine Bindung im Verhältnis zu Dritten eintreten zu lassen, läßt sich nun schließen, unter welchen Voraussetzungen ungeschriebene Drittbindungen anzuerkennen sind: Eine gesetzesübersteigende Rechtskrafterstrekkung ist dann geboten, wenn diese Wertungen für einzelne Fallgestaltungen nicht zutreffen bzw. eine parteiübergreifende Entscheidungswirkung den Anliegen des Gesetzgebers ausnahmsweise eher entspricht als eine starre Befolgung des Grundsatzes, nach dem ein Urteil keine Bindung Dritter herbeiführt. Im einzelnen lassen sich folgende Erfordernisse aufstellen: Einmal muß dem Gebot der Rechtssicherheit wegen der Bedeutung des im ersten Verfahren festgestellten Rechtsverhältnisses ein erheblich größeres Gewicht beizumessen sein, als es der generellen Einschätzung des Gesetzgebers entspricht. Es muß gleichsam eine zwingende Notwendigkeit für kohärente Entscheidungen vorliegen. 93 Sodann ist es erforderlich, daß der ersten Entscheidung auf Grund besonderer prozessualer Umstände94 eine höhere Richtigkeitsgewähr eignet als der Beurteilung desselben Rechtsverhältnisses im zweiten Verfahren. 95 Schließlich muß die an sich gebotene selbständige prozessuale Durchsetzbarkeit des materiell92 Ähnlich Stein / Jonas/Leipold, ZPO, § 325 Rdnr. 82, sowie schon Hofmann, Über das Wesen und die subjektiven Grenzen der Rechtskraft, S. 39, die sich mit dieser Überlegung gegen die "legitimi-contradictores-Lehre" wenden. In diese Richtung auch J. Blomeyer, Die Erinnerungsbefugnis Dritter in der Mobiliarzwangsvollstreckung, S. 150. 93 Für eine Rechtskrafterstreckung bei "echter Notwendigkeit" ebenfalls Calavros, Urteilswirkungen zu Lasten Dritter, S. 86; zust. M. Wolf, AcP 180 (1980), 430. Dieser Gedanke findet sich auch bei Bötticher, Anm. zu BAG, AP Nr. I zu § 97 ArbGG 1953 (unter I). 94 Der Sinnzusammenhang erfordert es, im Rahmen der Erörterung materiellrechtlicher Wertungen auch auf verfahrensrechtliche Aspekte einzugehen, zumal es um Kriterien geht, deren Vorliegen eine materiellrechtlich möglichst richtige Entscheidung gewährleisten soll. 95 Für die erhöhte Geeignetheil des ersten Verfahrens als Wertungsfaktor auch BAG, Urt. 10. 11. 1987, AP Nr. 15 zu§ 113 BetrVG 1972 (unter 2 d d. Gr.); ebenso Fasching, öZPO, § 411, Anm. 46/47. Letztlich gehören hierher sämtliche Stimmen, die die den Untersuchungsgrundsatz wegen seiner vermeintlichen Eignung zur Herbeiführung einer erhöhten Wahrheitsgewähr als einen zur Begründung erweiterter Rechtskraftbindungen erheblichen Gesichtspunkt ansehen; vgl. die Nachw. oben unter§ 6 I. Fn. 3.
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2. Teil: Einfachgesetzliche Ausgangslage
rechtlich abhängigen Rechtsverhältnisses durch gegenläufige Gründe des materiellen Rechts ausnahmsweise überlagert sein. Die Bindung der Dritten wie auch der Partei selbst muß sich, wie es Henckel einmal zur grundsätzlichen Rechtfertigung der materiellen Rechtskraft ausgedrückt hat, auf "privatrechtsadäquate Wertungen" zurückführen lassen. 96 Fordert man das kumulative Vorliegen der genannten Voraussetzungen für eine ungeschriebene Bindung Dritter, so wird ferner der Wertgehalt des § 325 ZPO nicht verletzt. Wie bereits dargelegt, 97 läßt sich aus dieser Norm nämlich lediglich die Grundregel der Rechtskraftbeschränkung auf die Parteien herleiten. Sofern eine gesetzesübersteigende Drittbindung auf einen himeichend fixierbaren Ausnahmetatbestand beschränkt bleibt und damit diesen Grundsatz nicht aushöhlt, verstößt sie nicht gegen § 325 ZPO.
2. Konkretislerung der Kriterien
a) Gesteigertes Erfordernis nach Rechtssicherheit
Der Gesichtspunkt eines erhöhten Rechtssicherheitsbedürfnisses ist zunächst dahin zu konkretisieren, daß es um mehr als einen schlichten Entscheidungswiderspruch in zwei materiellrechtlich verbundenen Rechtsverhältnissen gehen muß, da dieser Umstand vom Gesetzgeber gesehen und als grundsätzlich nicht bedeutsam gewertet wurde. Eine Erheblichkeil ist allerdings dann anzunehmen, wenn das streitgegenständliche materielle Recht eine einheitliche Entscheidung gebietet, soll es nicht zu einer Paralysisierung von Rechtsbeziehungen kommen. Eine solche Situation besteht regelmäßig in den Fallgruppen, in denen von der Vorfrage eine Vielzahl von Rechtsverhältnissen abhängig ist. 98 In einer derartigen Konstellation betrifft die mangels einer Bindung eintretende Unkalkulierbarkeit des Rechts nämlich nicht nur einzelne Rechtsverhältnisse, sondern ganze Sachverhaltsgruppen. Divergierende Entscheidungentrotz gleicher Vorfragen würden eine "flächendekkende" Rechtsunsicherheit herbeiführen. Dies ist ein Aspekt, der der ZPO als einem Verfahrensrecht, das sich als Mittel zur Durchsetzung vereinzelter Rechtsverhältnisse versteht, fremd ist. Dabei ist es von sekundärer Bedeutung, ob man diesen Umstand als eine "Lücke" bezeichnet, da es sich hierbei um eine letztlich unnötige 96 Henckel, Prozeßrecht und materielles Recht, S. 97. Allerdings wird man nicht verlangen können, die Rechtskraftbindung Dritter- entsprechend der Konzeption von Henckel, a. a. 0., S. 96-98, zur grundsätzlichen Rechtfertigung der materiellen Rechtskraft - letztlich auf den Rechtsgedanken der Verwirkung zurückzuführen. Grundsätzlich krit. gegenüber der Auffassung Renekels aber: Bötticher, ZZP 85 (1972), I, 20; Arens, AcP 173 (1973), 250, 256-258; H. F. Gaul, FS Henckel (1995), S. 235, 238 ff. 97 Siehe dazu oben § 4 I. 2. a). 98 Auf die große Zahl abhängiger Drittverhältnisse stellt auch A. Blomeyer, ZZP 75 (1962), I, 17, ab.
§ 7 Rechtskrafterstreckung kraft materiellrechtlicher Wertungen
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Argumentationsfigur auf dem Weg zur Begründung einer zulässigen, den Gesetzeswortlaut übersteigenden Rechtsgewinnung handelt. 99 Entscheidend ist, daß bei einer materiellrechtlichen Breitenwirkung bestimmter Vorfragen prozessuale Diskrepanzen zu einer Rechtsunsicherheit führen würden, die die vom Gesetz als hinnehmbar bewertete "einfache" Widersprüchlichkeit bei weitem übersteigt. Ein Beispiel für die zwingende Notwendigkeit einer einheitlichen Entscheidung bildet§ 147 S. I KO, wonach die rechtskräftige Feststellung einer Forderung oder der Begründetheil eines Widerspruchs für und gegen alle Konkursgläubiger wirkt. Der Zweck des Gesamtvollstreckungsverfahrens gebietet eine einheitliche Beurteilung der Frage, welcher Gläubiger am Konkursverfahren teilnimmt. 100 Entsprechendes gilt für die aus der Regelung des § 146 Abs. 6 KO zu folgernde Bindung aller Konkursgläubiger an eine bereits bei Konkurseröffnung titulierte Konkursforderung.101 Noch deutlicher wird das Gebot kohärenter Entscheidungen im Bereich des Verbandsrecht Hier bietet vor allem die Rechtslage im Zusammenhang mit der Beschlußfassung von Haupt-, General-, Gesellschafter- bzw. Mitgliederversammlung wertvolles Anschauungsmateria1. 102 So sieht das Aktienrecht in § 248 Abs. 1 S. 1 AktG vor, daß das Urteil, daß einen Beschluß auf eine Anfechtungsklage hin rechtsgestaltend für nichtig erklärt, unter anderem für und gegen alle Aktionäre wirkt, auch wenn diese nicht Partei sind. Dasselbe gilt gemäß § 249 Abs. I S. I für die die Nichtigkeit eines Beschlusses feststellende Entscheidung. Ferner enthält das Genossenschaftsrecht in § 51 Abs. 5 S. I GenG die Regelung, daß ein rechtskräftiges Urteil, das einen Beschluß rechtsgestaltend für nichtig erklärt, auch gegenüber den Genossen wirkt, die nicht Partei sind. Dabei handelt es sich jeweils um die Anordnung einer Rechtskrafterstreckung. 103 Dies gilt insbesondere für die Entscheidungen nach § 248 Abs. I S. I AktG und § 51 Abs. 5 S. 1 GenG, 104 da die 99 Siehe hierzu Larenz, Methodenlehre der Rechtswissenschaft, S. 368; Koch/Rüßmann, Juristische Begründungslehre, S. 254. wo Vgl. BGH, Urt. v. 16. II. 1951, BGHZ 3, 385, 390; Jaeger/Weber, KO, § 147 Rdnr. 2; Calavros, Urteilswirkungen zu Lasten Dritter, S. 112-114. So - zum abweisenden Erkenntnis -im Ergebnis auch schon Wach/Laband, Zur Lehre von der Rechtskraft, S. 18; Hellwig, Wesen und subjektive Begrenzung der Rechtskraft, S. 26; v. Tuhr, AT, Bd. I, § 36 V (Fn. 45), s. 519. 101 Zur Rechtskrafterstreckung vgl. etwa Häsemeyer, AcP 188 (1988), 140, 155; Goldschmidt, Der Prozeß als Rechtslage, S. 192; im Erg. auch Jaeger/Weber, KO, § 146 Rdnr. 38, siehe aber auch Rdnr. 34: "Ansprüche haben den Rechtsschein für sich". 102 Für eine Parallele zu verbandsrechtlichen Regelungen und Grundsätzen auch Dütz, ArbRGegw Bd. 20 (Dok. für 1982), S. 33, 50/51; derselbe, FS Gnade (1992), S. 487, 492/ 493, 501; Dützl Rotter, Anm. zu BAG, EzA § 18 BetrVG 1972 Nr. 7 (unter lii 2 a cc). 103 Für eine (zusätzliche) Gestaltungswirkung des "feststellenden" Nichtigkeitsurteils i. S. des§ 249 AktG K. Schmidt, JZ 1988,729, 735. 104 Zu § 248 AktG ausführlich Hüffer, in: Geßler/Hefe rmehl/Eckardt/Kropff, AktG, § 248 Rdnr. 7/8, und Henckel, Parteilehre und Streitgegenstand im Zivilprozeß, S. 207/208. Für eine Einordnung als Rechtskraftwirkung gleichfalls OLG Schleswig, Urt. v. 28. I. 1993,
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2. Teil: Einfachgesetzliche Ausgangslage
Gestaltungswirkung der Anfechtungsurteile auch ohne eine ausdrückliche Erwähnung im Gesetz 105 sämtliche Dritten qua materiellen Rechts erfaßt. 106 Der Zweck dieser Vorschriften liegt in der Gewährleistung von Rechtssicherheit und Rechtsklarheit auf Verbandsebene. 107 Von besonderer Bedeutung ist nun, daß Rechtsprechung und herrschende Lehre über das Gesetz hinaus in einer Reihe von Fällen aus diesem Themenbereich Entscheidungen mit erweiterten Drittbindungen versehen. So befürwortet die Rechtsprechung eine analoge Anwendung der aktienrechtlichen Grundsätze über die Nichtigkeitsklage im Genossenschaftsrecht, 108 wobei sie zur Begründung einer umfassenden Wirkung ausdrücklich hervorhebt, daß es aus Rechtssicherheitsgründen untragbar wäre, wenn ein Beschluß im Verhältnis zu einzelnen Verbandsangehörigen nichtig, gegenüber den am Prozeß nicht beteiligten Mitgliedern aber verbindlich wäre. 109 Des weiteren bejaht man im Falle einer fehlerhaften Beschlußfeststellung durch den Versammlungsleiter ein positives Beschlußfeststellungsurteil, no dessen Rechtskraftumfang sich nach § 248 Abs. 1 S. 1 AktG analog bemessen soll.lll Im GmbH-Recht, das überhaupt keine Vorschriften über das Vorgehen gegen Beschlüsse der Gesellschafterversammlung enthält, ist zumindest im ZIP 1993, 680, 681/682; Zöller/Vollkommer, § 325 Rdnr. 30; MünchKommZPO/Gottwald, § 325 Rdnr. 49; Stein/Jonas/Leipold, ZPO, § 325 Rdnr. 68; Rosenberg/Schwab/Gottwald, ZPR, § 156 II I , S. 935/936; Häsemeyer, ZZP 101 (1988), 385, 389 (Fn. I9), 398; Noack, Fehlerhafte Beschlüsse in Gesellschaften und Vereinen, S. 85; wohl auch Schilling, GroßKomm, AktG, § 248 Anm. 3. Ebenso Fasching, JBI 1975, 505, 519 (Fn. II3) zur vergleichbaren Regelung des § I99 öAktG, allerdings auf der Grundlage eines von der h. M abweichenden Verständnisses vom subjektiven Umfang der Gestaltungswirkung. Für eine Charakterisierung der Regelung des § 248 Abs. 1 S. I AktG als Gestaltungswirkung wohl KölnerKomm!Zöllner, AktG, § 248 Rdnr. 4, 13114. Ebenso Calavros, Urteilswirkungen zu Lasten Dritter, S. 120, wenn auch auf Grund einer unzutreffenden Differenzierung zwischen materiellrechtlicher und prozessualer Gestaltungswirkung (siehe hierzu bereits oben § 2 III. 1. b) aa) [Fn. 55 a. E.]. Zu§ 51 GenG Bereska, Minderheitenschutz durch Klage in Genossenschaften, S. 63. 105 Siehe aber auch§ 241 Nr. 5 AktG. 106 Hüffer, in: Geßler/ Hef ermeh/1 Eckardt/ Kropf!, AktG, § 248 Rdnr. 7/8; Henckel, Parteilehre und Streitgegenstand im Zivilprozeß, S. 207/208; Bereska, a. a. 0 ., S. 62/63. Zur subjektiven Reichweite der Gestaltungswirkung siehe oben§ 21II. 1. b) bb). 107 Hüffer, in : Geßler/Hefermehl/Eckardt/Kropff, AktG, § 248 Rdnr. 3, § 249 Rdnr. 2; ähnlich KölnerKomm/Zöllner, AktG, § 248 Rdnr. 2, § 249 Rdnr. 40/41, und Th. Raiser, Recht der Kapitalgesellschaften,§ I6 Rdnr. 138. 108 RG, Urt. v. 24. 9. I942, RGZ 170, 83, 88/89; BGH, Urt. v. 26. IO. I955, BGHZ I8, 334, 338; Urt. V. 23. 5. 1960, BGHZ 32, 3I8, 323/324; Urt. V. 23. 2. I978, BGHZ 70, 384, 387. 109 BGH, Urt. v. 23. 2. I978, BGHZ 70, 384, 388. 11o Siehe hierzu nur Schilling, GroßKomm, AktG, § 248 Anm. 3; KölnerKomm!Zöllner, AktG, § 248 Rdnr. 25-29. 111 BGH, Urt. v. I3. 3. I980, BGHZ 76, 191, 199; Hüffer, in: Geßler/ Hefermeh/1 Eckardt/ Kropf!, AktG, § 248 Rdnr. 22/23. Hiervon ist die inter omnes eintretende Gestaltungswirkung, die dem Urteil trotz der Bezeichnung "Beschlußjeststellung" zukommt, zu unterscheiden ; siehe hierzu Th. Raiser, Recht der Kapitalgesellschaften, § I6 Rdnr. 143.
§ 7 Rechtskrafterstreckung kraft materiellrechtlicher Wertungen
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Grundsatz eine entsprechende Anwendung der Normen des Aktienrechts ebenfalls anerkannt. 112 Demzufolge vertritt man auch hier eine zumindest sämtliche Gesellschafter ergreifende Bindungswirkung, 113 deren entscheidender Grund in der Herbeiführung von Rechtssicherheit über die Wirksamkeit eines Beschlusses zu sehen ist. 114 Gleiches gilt im Ergebnis für die im GmbH-Recht ebenfalls bejahte positive Beschlußfeststellungsklage. 115 Im Vereinsrecht schließlich lehnt die h. M. zwar eine Anfechtungsklage ab, 116 so. daß eine Drittbindung nicht schon qua Gestaltungswirkung eintritt. Indes wird die Entscheidung über die Feststellung der Nichtigkeit eines Beschlusses mit Wirkung für und gegen alle Mitglieder ausgestattet. 117 Begründet wird dies mit der zwingenden Notwendigkeit, einen Beschluß aus Gründen der Rechtssicherheit in ein- und demselben Verein nur einheitlich als wirksam oder als unwirksam behandeln zu können. 118 Hintergrund aller dieser Regelungen und Grundsätze ist demnach der Umstand, daß es - wie das RG einmal formuliert hat- zu "unlösbarem Wirrsal" führen würde, wenn ein Beschluß für einige Verbandsmitglieder maßgeblich wäre und für andere wiederum nicht. 119 Eine unterschiedliche Beurteilung der Wirksamkeit eines Beschlusses würde zu einer Lähmung des Verbandes führen, da sich ein Teil der 112 RG, Urt. v. 20. 1. 1941, RGZ 166, 129, 131; BGH, Urt. v. 16. 12. 1953, BGHZ, 11, 231, 235; Urt. V. 14. 12. 1961, BGHZ 36, 207, 210/211; Urt. V. 9. 12. 1968, BGHZ 51, 209, 210; im Ergebnis auch Urt. v. 21. 3. 1988, BGHZ 104, 66, 69170. Lutter/Hommelhoff, GmbHG, Anh. § 47 Rdnr. I; Meyer-Landrut, in: Meyer-Landrut/Miller/Niehus, GmbHG, § 47 Rdnr. 63. Im Prinzip auch Scholz/ K. Schmidt, GmbHG, § 45 Rdnr. 36, der allerdings Anfechtungs- und Nichtigkeitsklage zu einer "kassatorischen" Gestaltungsklage zusammenfaßt, vgl. Rdnr. 44-48. Krit. zu einer voreiligen Übertragung aktienrechtlicher Grundsätze aber Zöllner, in: Baumbach/Hueck, GmbHG, Anh. § 47 Rdnr. 1. 113 OLG Hamburg, Urt. v. 28.6. 1991, ZIP 1991, 1430, 1435; Zöllner, in: Baumbachl Hueck, GmbHG, Anh. § 47 Rdnr. 90; Lutter/Hommelhoff, GmbHG, Anh. § 47 Rdnr. 36; Meyer-Landrut, in: Meyer-Landrut / Miller/Niehus, GmbHG, § 47 Rdnr. 85; Scholz /K. Schmidt, GmbHG, § 45 Rdnr. 173. 114 Diesen Gesichtspunkt bei der Anfechtung von Gesellschafterbeschlüssen einschränkend aber Zöllner, in: Baumbach/Hueck, GmbHG, Anh. § 47 Rdnr. 3. 115 Vgl. hierzu nur BGH, Urt. v. 26. 10. 1983, BGHZ 88, 320, 329-331; Urt. v. 20. 1. 1986, BGHZ 97, 28, 30/31; Zöllner, in: Baumbach/Hueck, GmbHG, Anh. § 47 Rdnr. 93a; K. Schmidt, NJW 1986, 2018, 2020/2021. 116 BGH, Urt. V. 9. 11. 1972, BGHZ 59, 369, 371/372; Urt. V. 26. 5. 1975, NJW 1975, 2101; Palandt/Heinrichs, BGB, § 32 Rdnr. 9; Soergel/Hadding, BGB, § 32 Rdnr. 14, 40. 117 BGH, Beschl. v. 25. 5. 1992, LM Nr. 139 zu§ 546 ZPO; Urt. v. 17. 5. 1993, BGHZ 123, 342, 350/351; Palandt/Heinrichs, BGB, § 32 Rdnr. 11; Ernum/H. P. Westermann, BGB, § 32 Rdnr. 6; Soergel/ Hadding, BGB, § 32 Rdnr. 40; Noack, Fehlerhafte Beschlüsse in Gesellschaften und Vereinen, S. 86; a. A. Staudinger/Coing, BGB, § 32 Rdnr. 28. 118 BGH, Beschl. v. 25. 5. 1992, LM Nr. 139 zu§ 546 ZPO; Noack, a. a. 0., S. 86. Grundlegend bereits v. Tuhr, AT, Bd. I,§ 36 V, S. 518/519. Aufschlußreich auch BVerfG, Beschl. v. 12. 2. 1992, BVerfGE 85, 337, 346, indem das Gericht davon spricht, daß in Wohnungseigentumsverfahren über die Gültigkeit von Beschlüssen der Eigentümerversammlung nur mit Wirkung für und gegen alle entschieden werden könne. 119 Urt. V. 9. 10. 1914, RGZ 85, 311, 313.
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Mitglieder an ihn zu halten hätte, während ein anderer Teil ihn außer acht lassen dürfte oder sogar müßte. Die Zusammenfassung mehrerer in einem einheitlichen Verband, also ein materiellrechtliches Moment, gebietet eine einheitliche gerichtliche Bejahung der Fehlerhaftigkeit. Von der analogen oder gar unmittelbaren Anwendung eines Gesetzes ist zumindest im Vereinsrecht nicht einmal mehr die Rede. Dies alles zeigt, daß das geltende Recht durchaus eine Reihe von Konstellationen kennt, in denen es - materiellrechtliche - Gründe außerhalb des geschriebenen Rechts gibt, die eine Erweiterung von Entscheidungswirkungen gebieten. Verlangen verbandsrechtliche Strukturen eine derartige Rechtsfortbildung, so kann man im Arbeitsrecht keine "positivistischere" Grundhaltung fordern. Im Folgenden sollen die damit angesprochenen Gründe materiellrechtlicher Sinnzusammenhänge an Hand arbeitsrechtlicher Fallgruppen noch etwas näher konkretisiert werden.
aa) Statusentscheidungen Zu denken ist hierbei einmal an Statusentscheidungen bzw. statusähnliche Erkenntnisse. In Fällen dieser Art gebietet die Rechtssicherheit in besonderem Maße eine einheitliche Beurteilung, 120 zumal häufig der Inhalt einer Vielzahl von Drittrechtsverhältnissenvon einer Statusfrage abhängt. Divergenzen würden für die Beteiligten des Statusrechtsstreits selbst zu Einbußen führen und darüber hinaus die Möglichkeit für Dritte, die Statusentscheidung als festes und kalkulierbares Datum für rechtlich relevantes Handeln zu wählen, beeinträchtigen. Die Breitenwirkung wird in solchen Fällen somit von einem überindividuellen Interesse gefordert. Ausdruck findet dieser Rechtsgedanke etwa in der erweiterten Bindungswirkung von Feststellungsurteilen in Familien- und Kindschaftssachen gemäߧ§ 636a, 638 S. 2, 640h S. 1, 641k ZPO, der nach allgemeiner Auffassung das Bedürfnis nach Rechtssicherheit in einem besonders wichtigen Lebensbereich zugrundeliegt 121 Als Beispiel aus dem Arbeitsrecht kann in diesem Zusammenhang das bereits erwähnte 122 Verfahren zur Feststellung der Tariffähigkeit bzw. der Tarifzuständigkeit einer Vereinigung gemäß § 97 ArbGG angeführt werden. Der entscheidende Grund für die Bejahung einer umfassenden Bindungswirkung ergibt sich- wie dargelegt123 -nicht aus dem durch Auslegung zutage geförderten Sinn der gesetzlichen Verfahrensvorschriften. Vielmehr ist als ausschlaggebender Gesichtspunkt 12o So auch A. Blomeyer, ZZP 75 (1962), 1, 11, 14. In diese Richtung ebenfalls Dütz, FS Gnade (1992), S. 487, 493. 121 Vgl. Stein!Jonas/Leipold, ZPO, § 325 Rdnr. 66; Schack, NJW 1988,865, 866; Calavros, Urteilswirkungen zu Lasten Dritter, S. 117-119, der zudem auf Art. 6 Abs. I GG verweist. Für eine umfassende Entscheidungswirkung bei familienrechtlichen Statusangelegenheiten bereits Motive, Bd. IV, S. 62. 122 Siehe dazu oben § 3 II. 2. 123 Siehe hierzu oben unter § 3 II. 2. u. § 6 III.
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das unabweisbare Bedürfnis nach Rechtssicherheit in diesem Gebiet anzusehen. 124 Denn sowohl die Tariffähigkeit als auch die Tarifzuständigkeit stellen Vorfragen für die Beurteilung der Wirksamkeit von Tarifverträgen dar, die wiederum für unzählige Arbeitsverhältnisse maßgeblich sind. bb) Sonstige vorgreifliehe Rechtsverhältnisse Die materiellrechtliche Abhängigkeit einer großen Anzahl von Rechtsverhältnissen ist nicht auf Statusfragen beschränkt. Vielmehr kommen auch sonstige Rechtsverhältnisse in Betracht, von denen kraft materiellen Rechts unzählige andere rechtliche Beziehungen abhängen. In diesen Fällen würden divergierende Erkenntnisse ebenso zu einer erheblichen Rechtsunsicherheit führen. Als arbeitsrechtliches Beispiel für eine solche Konstellation sei an die Feststellung des Inhalts eines Tarifvertrages erinnert. 125 Wird der Tarifvertrag in einer Reihe von Fällen unterschiedlich interpretiert, so vermag er seinen Zwecken, für die Arbeitnehmerseite einheitliche Mindestarbeitsbedingungen und für die Arbeitgeberseite eine sichere Kalkulationsgrundlage zu schaffen, 126 nicht mehr gerecht zu werden. Das Gebot der Rechtssicherheit fordert demnach auch in diesem Bereich, die materiellrechtliche Breitenwirkung des Tarifvertrages durch eine erweiterte Bindungswirkung der Vorfragenentscheidung prozessual fortzusetzen. Damit schält sich der Gegenstand des ersten Verfahrens als das ausschlaggebende Kriterium heraus, anband dessen zu prüfen ist, ob für eine Entscheidungsharmonie ein zwingendes Erfordernis gegeben ist. Dies ist regelmäßig zu bejahen, wenn sich die Vorfrage nicht nur auf zwei, sondern auf eine Vielzahl materiellrechtlich verbundener Rechtsverhältnisse auswirkt. Die im ersten Fall eintretende Rechtsunsicherheit ist vom Gesetzgeber grundsätzlich in Kauf genommen und somit hinzunehmen. Im zweiten Fall ist sie - bei Vorliegen der noch zu erörternden weiteren Umständen - durch die Annahme erweiterter Drittbindungen zu vermeiden. b) Erhöhte Richtigkeitsgewähr der Erstentscheidung
Als zweite Voraussetzung für eine erweiterte Bindungswirkung extra Iegern ist wie gesagt - zu fordern, daß der Entscheidung über die Vorfrage eine auf Grund 124 So auch Bötticher, Anm. zu BAG, AP Nr. 1 zu§ 97 ArbGG 1953 (unter 1). Die Rechtssicherheit ebenfalls betonend Grunsky, ArbGG, § 97 Rdnr. 22; Wiedemann/Stumpf, TVG, § 9 Rdnr. 7; Dütz, ArbRGegw Bd. 20 (Dok. für 1982), S. 33,43-46. 125 Die positivrechtliche Regelung des § 9 TVG hindert nicht daran, die geregelte Fallgruppe in einen größeren Zusammenhang einzubetten. 126 Vgl. nur BAG, Urt. v. 10. 10. 1989, AP Nr. 3 zu § 1 TVG Vorruhestand (unter II 3 d [2] d. Gr.); Löwisch/Rieble, TVG, Grund!. Rdnr. 4-6; Wiedemann/Stumpf, TVG, Einl. Rdnr. 2-9; Zöllner I Loritz, ArbR, § 33 II 7, S. 331.
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2. Teil: Einfachgesetzliche Ausgangslage
der Besonderheiten des Verfahrens höhere Richtigkeitsgewähr als dem Ergebnis einer nochmaligen Prüfung zukommt. Nur in diesen Fällen ist es gerechtfertigt, den Parteien des Folgeprozesses die Möglichkeit einer erneuten umfassenden Beurteilung ihrer Rechtsbeziehungen vorzuenthalten. Anknüpfungspunkt sind demnach die zur Entscheidungsfindung beitragenden Umstände des ersten Verfahrens. Die somit erforderliche besondere Richtigkeilsgewähr läßt sich - wie bereits erörtert127 - nicht schon aus der Geltung der Untersuchungsmaxime herleiten. Dies erschwert die Begründung für Beschlüsse über betriebsverfassungsrechtliche Angelegenheiten, bedeutet aber zugleich, daß Entscheidungen über tarifrechtliche und arbeitskampfrechtliche Streitigkeiten, die im Urteilsverfahren verhandelt werden, nicht von vornherein eine geringere Dignität eignet. Abzustellen ist vielmehr darauf, ob die Parteien bzw. Beteiligten des ersten Verfahrens auf Grund ihrer Stellung die Gewähr dafür bieten, daß sie in deutlich größerem Umfang als die Parteien des Folgeprozesses die für die jeweilige Seite günstigsten tatsächlichen Umstände und rechtlichen Standpunkte dem Gericht zur Entscheidungsfindung unterbreiten. In diesem Fall kann nämlich davon ausgegangen werden, daß dem zuerst erkennenden Gericht ein Optimum an Rechtsgewinnungsmaterial zur Verfügung steht. 128 Dies gilt insbesondere für die im kollektiven Arbeitsrecht nicht ganz seltenen Sachverhalte, in denen auf der Grundlage von "Rechtsfortbildungstatsachen" (Seiter) 129 eine über den Normtext hinausgehende Rechtsgewinnung erfolgt ist. Zur näheren Erläuterung sei wiederum das Verfahren zur Feststellung der Tariffähigkeit oder Tarifzuständigkeit einer Vereinigung herangezogen. So hängt beispielsweise die Tariffähigkeit einer Arbeitnehmervereinigung in materiellrechtlicher Hinsicht nach der ständigen Rechtsprechung des BAG 130 unter anderem von der "Durchsetzungsfähigkeit" des Verbandes ab. Zur Ausfüllung dieses Kriteriums bedarf es der Ermittlung einer Vielzahl von einzelnen empirischen Daten. 131 Hierbei garantiert die Mitwirkung der je nach Lage des Falles an dem Verfahren beteiligten Verbände, Spitzenorganisationen und obersten Landesbehörden in höchstmöglichem Maße, daß eine der materiellen Rechtslage entsprechende Entscheidung ergeht. 132 Es kann nicht davon ausgegangen werden, daß die Parteien eines Siehe dazu oben § 6 I. Ebenso Wichmann, ArbuR 1975, 294, 296, indem er die Sachkunde und den Überblick des Betriebsrats in einen Zusammenhang mit einer erweiterten Rechtskraftwirkung stellt. In diese Richtung auch Jox, Die Bindung an Gerichtsentscheidungen über präjudizielle Rechtsverhältnisse, S. 135, der diesen Gedanken als zulässigen Gesichtspunkt bei der Ablehnung von Anträgen einzelner Arbeitnehmer auf einfache Beiladung im Verfahren nach § 116 Abs. 6 AFG verwendet. 129 In: FS Baur (1981), S. 573 ff. mit umfassender Darstellung dieses Problemkreises. Dazu auch Hergenröder, Anm. zu BAG, AP Nr. 40 zu § 622 BGB (unter Il). 130 Vgl. nur Beschl. v. 14. 3. 1978, AP Nr. 30 zu§ 2 TVG (unter lii 2 u. 3d. Gr.); Beschl. v. 25. 11. 1986, AP Nr. 36 zu§ 2 TVG (unter II 3d. Gr.); zuletzt Beschl. v. 16. I. 1990, AP Nr. 38 zu § 2 TVG (unter II 1 d. Gr.) und AP Nr. 39 zu § 2 TVG (unter II 2 d. Gr.). 131 Vgl. die Tatbestände und Gründe der genannten Entscheidungen des BAG. 132 Insoweit im Erg. auch Grunsky, ArbGG, § 97 Rdnr. 22. 121 128
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(späteren) Individualrechtsstreits eine auch nur annähernd gleichwertige Entscheidungsgrundlage zusammentragen. Dieser Gedanke wird durch die Ansicht des BAG bestätigt, nach der im Verfahren nach § 97 ArbGG neben den Spitzenorganisationen der Arbeitgeber- und Arbeitnehmerseite grundsätzlich keine weiteren Personen oder Vereinigungen zu beteiligen seien, weil die hierdurch eintretende Belastung außer Verhältnis zur Möglichkeit stehe, zusätzliches Erkenntnismaterials zu erlangen 133 . Nun kommt gegenüber diesen Überlegungen folgender Einwand in Betracht: Zwar könne es durchaus sein, daß dem zweiten Verfahren für sich genommen keine höhere Richtigkeilsgewähr zukomme. Jedoch dürfe man ihm auch keine niedrigere Gewähr der Richtigkeit zusprechen, da das zweiturteilende Gericht stets auf die bereits gewonnenen Erkenntnisse aufbauen könne. Indes würde ein solcher Gedanke zum einen verkennen, daß die bei fehlender Bindung eröffnete Möglichkeit einer Abweichung vom ersten Judikat zu einer Entscheidung führen kann, bei der die Deutung des materiellen Rechts als weniger gelungen bezeichnet werden muß als im ersten Prozeß. Zum anderen besteht die Aufgabe des Gerichts im zweiten Verfahren nicht nur darin, auf einen ein- für allemal feststehenden Sachverhalt lediglich das Recht anzuwenden. Da das Gericht im Urteilsverfahren nämlich nur auf der Grundlage des vorgetragenen Sachverhalts entscheiden darf und keineswegs sichergestellt ist, daß in einem Individualrechtsstreit auch alles das vorgetragen wird, was für die umfassende Beurteilung der materiellen Rechtslage erforderlich ist, kann es in diesen Verfahren nicht selten zu - gemessen an der wirklichen Rechtslage - unzutreffenden Ergebnissen kommen. 134 Es kann daher an der Aussage festgehalten werden, daß einem Kollektivverfahren eine größere Richtigkeitsgewähr innewohnt als einem- späterem- Individualprozeß.
c) Rechtfe rtigung der Begrenzung dauerhaft eigenständigen Rechtsschutzes Der letzte und zugleich problemreichste Aspekt betrifft die Frage, unter welchen Voraussetzungen davon auszugehen ist, daß einer materiellen Rechtsstellung nur ein beschränkter Rechtsschutz zuteil wird. Im Gegensatz zu den beiden ersten Kriterien, die sich mit den Anforderungen an das erste Verfahren befassen, richtet sich der Blick nunmehr auf die Eigenart der im Folgeprozeß geltend gemachten Rechts133 Beschl. v. 25. 11. 1986, AP Nr. 36 zu§ 2 TVG (unter I 3 b d. Gr.). In diesem Sinne auch W. Lüke, Die Beteiligung Dritter im Zivilprozeß, S. 186/187, zur Rechtfertigung des Umstandes, daß nicht sämtliche betroffenen Aktionäre zu einem Nichtigkeits- bzw. Anfechtungsverfahren i. S. der§§ 241 ff. AktG heranzuziehen sind. 134 Als eine Ausprägung dieses Gedankens läßt sich die Aussage des BAG, Urt. v. 4. 3. 1993, AP Nr. 40 zu § 622 BGB (unter II 2 b d. Gr.), begreifen, die für die Wirksamkeit unterschiedlicher tariflicher Kündigungsfristen maßgeblichen Umstände seien u. a. deshalb von Amts wegen zu ermitteln, weil es anderenfalls je nach Parteivortrag zu völlig unterschiedlichen Vertragsbewertungen durch die Gerichte kommen könne; ebenso Urt. v. 16. 9. 1993, AP Nr. 42 zu § 622 BGB (unter II 4 a d. Gr.).
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position, auch wenn wegen der materiellrechtlichen Verbundenheit der jeweiligen Rechtsverhältnisse eine völlige Trennung von Vorfrage und abhängiger Rechtsbeziehung nicht erreichbar ist. Dazu bedarf es zunächst einer Klärung der Frage, ob jede materiellrechtliche Rechtsposition mangels ausdrücklicher gesetzlicher Beschränkungen ausnahmslos in vollem Umfang prozessual überprüfbar sein muß. Zwar trifft es zu, daß zivilprozessuale Klagen grundsätzlich als Mittel zur Durchsetzung subjektiver materieller Rechte zu verstehen sind. 135 Dies schließt indessen nicht den umgekehrten Fall aus, daß das Gesetz bestimmten Rechten umfassenden gerichtlichen Schutz versagt. Wie Zöllner zu Recht herausgestellt hat, kann es keine Rolle spielen, ob bestimmten Interessen "schon" auf der Ebene des materiellen Rechts oder "erst" im Prozeßrecht Grenzen gesetzt werden. 136 Mit dem Gerichtsschutzgedanken sind "abgestufte Intensitätsgrade" 137 des Schutzes bestimmter Positionen nicht von vornherein unvereinbar. 138 Es kommt deshalb darauf an, Kriterien zu finden, die eine Einschränkung des Grundsatzes umfassender gerichtlicher Prüfung rechtfertigen. Dabei bietet sich als eine erste Konkretisierung die Überlegung an, die Rechtsschutzbeschränkung aus einer wie auch immer gearteten materiellrechtlichen Abhängigkeit des im zweiten Verfahren geltend gemachten Rechts gegenüber dem im ersten Prozeß zugrundeliegenden Recht zu folgern. Denn einerseits ist nur bei einer materiellrechtlichen Unselbständigkeit die Begrenzung eines grundsätzlich umfassenden und eigenständigen Rechtsschutzes statthaft. Andererseits erscheint es um der Verwirklichung des materiellen Rechts als Ziel beider Verfahren willen geboten, materiellrechtliche Abhängigkeitsstrukturen prozessual fortwirken zu lassen. Der Umstand, materielle Rechtsungewißheit notfalls gerichtlich klären zu müssen, darf sich nicht zum Nachteil des jeweils "führenden" Rechts auswirken. Somit Siehe nur Häsemeyer, AcP 188 (1988), 140, 152-157. In: AcP 190 (1990), 471,482. 137 So Lerche, ZZP 78 (1965), 1, 30, im Zusammenhang mit der Reichweite der Rechtsschutzgarantiedes Art. 19 Abs. 4 GG. 138 Als eine Ausprägung dieses Gedankens läßt sich BVerfG, Beschl. v. 9. 1. 1991, BVerfGE 83, 182, 194ff. begreifen; danach istes-verfassungsrechtlich-nicht zu beanstanden, daß das BSG im Rahmen des sogenannten Pensionistenprivilegs beim Versorgungsausgleich (§ 55c Abs. I S . 2 SVG = § 57 Abs. 1 S. 2 BeamtVG) dem Ausgleichsverpflichteten keine Klagebefugnis gegen die Entscheidung über die Rentengewährung an den Ausgleichsberechtigten zuerkannt hat. Eine ähnliche Überlegung steht hinter BVerfG, Beseht. v. 14. 5. 1991, NJW 1991, 2695, 2696, in dem einer gerichtlichen Entscheidung, die den Verlust eines Miteigentumsanteils bewirkte, verfassungsrechtliche Unbedenklichkeit bescheinigt wird, da ein Miteigentumsanteils kraft Gesetzes von vornherein mit dem Inhalt entstehe, daß ein anderer Miteigentümer die Aufhebung der Gemeinschaft im Wege der Zwangsversteigerung betreiben könne. Vergleichbar W. Lüke, Die Beteiligung Dritter im Zivilprozeß, S. 135, indem er das Recht des Vertragspartners eines Verschmelzungsvertrages i. S. des § 340 Abs. 1 AktG a. F. (= § 4 UmwG) ebenfalls als von vornherein mit der Unsicherheit einer Anfechtung des nach materiellem Recht erforderlichen - Hauptversammlungsbeschlusses bezeichnet. 135
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muß das entscheidende Augenmerk darauf liegen, auf welche Weise das den jeweiligen Verfahren zugrundeliegende materielle Recht miteinander verzahnt ist.
aa) Gemeinsames Interesse an feststehenden Daten für das Arbeitsverhältnis Eine die Rechtsschutzbeschränkung rechtfertigende Verzahnung kommt zunächst in denjenigen Konstellationen in Betracht, in denen im ersten Verfahren über eine Vorfrage entschieden wurde, die für das gesamte Arbeitsverhältnis gleichsam den Rahmen bildet. Als Beispiel seien organisatorische Fragen wie etwa die Abgrenzung von Betrieben, Nebenbetrieben und Betriebsteilen genannt. In Fällen dieser Art ist eine Drittbindung zu befürworten, soweit beide Beteiligten des abhängigen Rechtsverhältnisses ein Interesse an der eindeutigen Fixierung grundlegender Daten haben. 139 Dabei erscheint es gerechtfertigt, bei einem Dauerschuldverhältnis wie dem Arbeitsverhältnis bei der Beurteilung der Interessenlage nicht nur auf die einzelne rechtliche Beziehung abzustellen, sondern als Bezugspunkt das gesamte Rechtsverhältnis zu wählen. Denn zum einen besteht ein über den einzelnen Rechtsstreit hinausreichendes beiderseitiges Interesse daran, über bestimmte, hinreichend sichere Daten als Grundlage für die wechselseitigen Rechtsbeziehungen zu verfügen. Zum anderen leuchtete es nicht ein, wenn man der einzelnen Arbeitsvertragspartei gestatten würde, bei der Beurteilung einer Vorfrage - je nach Fallgestaltung - beliebig die Fronten zu wechseln. Eine Rechtskrafterstreckung kann in solchen Konstellationen daher nicht davon abhängig gemacht werden, für welche Partei sich die Bindung an die Vorentscheidung in concreto günstig auswirkt. Zur Verdeutlichung dieser Überlegungen bieten sich die eingangs erwähnten Entscheidungen über organisatorische Fragen an. So kann sich das im Beschlußverfahren ergehende arbeitsgerichtliche Erkenntnis, nach dem mehrere Betriebsstätten einen einheitlichen Betrieb bilden, bei Annahme einer Bindung in höchst unterschiedlicher Art und Weise auf das im Urteilsverfahren zu entscheidende Rechtsverhältnis zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmern auswirken. Einerseits ist es denkbar, daß auf diese Weise die für erzwingbare Auswahlrichtlinien gemäß § 95 Abs. 2 BetrVG erforderliche Zahl von 1.000 Arbeitnehmern in einem Betrieb überschritten wird, was- da der Betriebsrat einer Kündigung nach § 102 Abs. 3 Nr. 2 BetrVG wegen Verstoßes gegen die Richtlinie widersprechen darf - für einen Arbeitnehmer zu positiven Folgen führen kann. Andererseits ist es möglich, daß sich dieselbe Entscheidung für den Beschäftigten negativ auswirkt, weil durch die Zusammenrechnung der Betrieb eine Größe erhält, auf Grund derer ein reiner Personalabbau nicht mehr die für eine sozialplanpflichtige Betriebsänderung durch 139 Andeutungsweise auch Jox, Die Bindung an Gerichtsentscheidungen über präjudizielle Rechtsverhältnisse, S. 181.
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§ 112a BetrVG vorgeschriebenen Grenzwerte erreicht. Würde man eine Bindung ablehnen, so könnte im ersten Fall der Arbeitgeber dem Widerspruch dadurch den Boden entziehen, daß er die Wirksamkeit der Richtlinie mit der Begründung in Frage stellt, die Einigungsstelle sei mangels hinreichender Betriebsgröße nicht zuständig gewesen. Im zweiten Fall wäre es dem Arbeitnehmer möglich, durch die Behauptungzweier selbständiger Betriebe die Voraussetzungen des§ 112a BetrVG in beachtlicher Weise darzutun. Die Beispiele belegen, von welch entscheidender Bedeutung bestimmte Grunddaten für den Inhalt der arbeitsrechtlichen Beziehungen sein können. Da beide Seiten für die Bestimmung ihrer Rechtsstellung in vielfältiger Weise auf diese Eckpunkte angewiesen sind, ohne daß man im voraus sagen könnte, ob sich der Inhalt einer arbeitsgerichtliehen Entscheidung zum Vorteil oder zum Nachteil einer Partei auswirken kann, ist es gerechtfertigt, ein gemeinsames Interesse an der Herbeiführung von Rechtsklarheit anzunehmen. 140 Zudem kann es nicht überzeugen, wenn die beiden Parteien des Arbeitsvertrages je nach Lage des Falles beliebig einmal die vom Arbeitsgericht angenommene und ein anderes Mal eine andere Betriebsorganisation behaupten dürften. Eine Bestätigung findet dieser Rechtsgedanke in der Regelung der§§ 34, 35 des Österreichischen ArbVG. Gemäß § 34 Abs. 2 ArbVG kann eine gerichtliche Entscheidung darüber erwirkt werden, ob eine Arbeitsstätte einen Betrieb im Sinne des§ 34 Abs. I ArbVG darstellt. Diesem Feststellungsurteil kommt eine umfassende Bindungswirkung zu. 141 § 35 ArbVG sieht eine vom Gericht auszusprechende Gleichstellung einer Arbeitsstätte, die nicht die Voraussetzungen des § 34 Abs. I ArbVG erfüllt, mit einem Betrieb unter bestimmten Voraussetzungen vor. Diese Entscheidung hat gestaltende Wirkung, 142 so daß sie wegen des darin zum Ausdruck kommenden Gebotes der Rechtssicherheit im Arbeitsleben jedenfalls die Beschäftigten bindet. Im übrigen stellen diese Vorschriften einen weiteren Beleg für die schon wiederholt betonte Parallelität von Rechtskraft- und Gestaltungswirkung dar. Demnach gebietet in Konstellationen dieser Art die Eigenart des materiellen Rechts die Bindung der Parteien des abhängigen Rechtsverhältnisses qua Rechtskraft an die entschiedene Vortrage. bb) Unterworfenheil unter fremde Dispositionsmacht Eine weitere Fallgruppe wird mit dem Kriterium der Verfügungsmacht der Parteien über das im ersten Verfahren entschiedene Rechtsverhältnis, genauer gesagt 140 Nach Dütz, FS Gnade (1992), S. 487,493, spricht u. a. ebenfalls die Interessenlage für eine endgültige Klärung derartiger Fragen. 141 Cemy, ArbVG, § 34 Anm. 8; wohl auch Floretta/Strasser, ArbVG, § 34 E 54. 142 Floretta/Strasser, ArbVG, § 35 Anm. 2; Cemy, ArbVG, § 35 Anm. I.
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der materiellrechtlichen Unterworfenheit des Dritten unter die Dispositionsbefugnis der Parteien, angesprochen. Wie bereits dargelegt, 143 handelt es dabei um einen zur Begründung ungeschriebener Rechtskrafterstreckungen schon häufig vorgetragenen Gesichtspunkt. Zwar lassen sich die hiergegen gerichteten Einwände dann nicht aufrechterhalten, wenn man die Dispositionsmacht nicht isoliert als Grundlage für Drittbindungen ansieht, sondern sie lediglich als ein Argument für die Zurechnung von Prozeßergebnissen in den Fällen verwendet, in denen aus anderen Gründen einheitliche Entscheidungen geboten sind. Freilich ist damit noch nicht dargetan, daß die Unterworfenheil des Dritten eine generelle Verkürzung seines grundsätzlich eigenständigen Rechtsschutzes rechtfertigt. Die Erörterung des damit aufgeworfenen Problems hat ihr Schwergewicht zunächst auf die Bindung des Dritten an eine für ihn ungünstige Entscheidung zu legen. Diese Frage ist mangels (unmittelbarer) Einflußnahme des Dritten auf den Vorprozeß nämlich die drängendere gegenüber dem Problem der Bindung einer Partei im Verhältnis zu einem Dritten an ein für sie ungünstiges Erkenntnis. Ausgangspunkt ist hierbei die Überlegung, daß die Begrenzung des Rechtsschutzes durch eine mögliche Rechtskrafterstreckung eine prozessuale "Belastung" des materiellrechtlich abhängigen Rechtsverhältnisses darstellt. Ein solchermaßen belastetes Rechtsverhältnis vermittelt den daran Beteiligten eine - im Vergleich zu einer uneingeschränkt nachprüfbaren Rechtsstellung - schwächere Position. Nun haftet dem Recht des Dritten auf Grund seiner materiellrechtlichen Unterworfenheit ohnehin bereits eine Schwäche an. Die Dispositionsbefugnis der Parteien erlaubt es ihnen, die Rechtsstellung des Dritten ohne sein Zutun zu verschlechtern. Wenn das Recht des Dritten somit dadurch charakterisiert ist, daß es auch ohne oder sogar gegen seinen Willen materiellrechtlich beeinträchtigt werden kann, so spricht vieles dafür, daß ihm auch eine prozessuale Schwäche eignet. 144 Dies ist der zutreffende Kern der Lehre von der Rechtskrafterstreckung kraft materiellrechtlicher Abhängigkeit. Die grundsätzlich umfassende gerichtliche Überprüfbarkeit eines Rechtsverhältnisses verfolgt nämlich keinen Selbstzweck, sondern dient - wie dargelegt145 - dem Schutz des jeweils geltend gemachten materiellen Rechts. Kommt dieser rechtlichen Stellung bereits nach materiellem Recht ein geringerer Schutz zu, so wäre es inkonsequent, gleichwohl an einem uneingeschränkten Rechtsschutz festzuhalten. Um Mißverständnissen vorzubeugen, sei noch einmal in aller Deutlichkeit betont, daß diese Sichtweise nicht bedeutet, die Prozeßführung oder gar das Urteil selbst als rechtsgeschäftliche Verfügung zu deuten. Ebenso geht es nicht darum, die verfügungsähnliche Wirkung eines rechtskräftigen Urteils zu betonen. Vielmehr ist ausschlaggebend, daß die Unterworfenheit des Dritten eine Schwäche seiner materiellrechtlichen Stellung bewirkt, die es rechtfertigt, sie auch mit einer prozessualen Belastung zu versehen. 143 144
145
Siehe dazu oben unter I. 2. Ähnlichjetzt auch Rieble, Anm. zu BAG, EzA § 99 BetrVG 1972 Nr. 122 (unter II 2). Siehe dazu oben unter II. I. a).
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Zur Verdeutlichung sei noch einmal auf das Verhältnis zwischen den Parteien eines Tarifvertrages und den Beteiligten eines tarifgebundenen Arbeitsverhältnisses zurückgegriffen. 146 Da der normative Bestandteil des Tarifvertrages zugleich den Inhalt des Arbeitsvertrages bestimmt, unterliegen der Arbeitnehmer wie auch der Arbeitgeber innerhalb gewisser Grenzen der materiellrechtlichen Dispositionsmacht der Tarifpartner. Dabei geht es sowohl um die - freilich im Grundsatz nur in eingeschränktem Umfange bestehende- Befugnis zur Verfügung über bereits erworbene Rechte 147 als auch um die Berechtigung, den tarifgebundenen Individualvertragsparteien Verbindlichkeiten aufzuerlegen. 148 Ist die Rechtsstellung der Individualvertragsparteien somit nach materiellem Recht eingeschränkt, so spricht alles dafür, zumindest im Rahmen dieser Unterworfenheit unter eine fremde Gestaltungsmacht auch eine Begrenzung prozessualer Eigenständigkeit anzunehmen. Ein noch breiterer Anwendungsbereich würde dieser Fallgruppe erschlossen, wenn die Tarifparteien- einem Vorschlag Herschels 149 folgend- von vomherein den Vorbehalt authentischer Interpretation in die Tarifverträge aufnehmen würden. Hält man es in diesem Falle für statthaft, auf materiellrechtlichem Wege mittels eines ,,interpretierenden" Tarifvertrages Auslegungsprobleme auch rückwirkend umfassend zu bereinigen, so müßte einem von den Tarifparteien durchgeführten gerichtlichen Verfahren über die Auslegung des umstrittenen Tarifvertrages erst recht eine entsprechende (prozessuale) Drittwirkung zukommen. Vorbehaltlich der noch zu behandelnden verfassungsrechtlichen Gegengewichte wäre demnach auch ohne die Regelung des § 9 TVG eine Rechtskrafterstreckung in dem Maße zu bejahen, in welchem Dritte der Verfügungsmacht der Tarifparteien unterliegen. cc) Eingebundenheit des Rechts in einen kollektiven Zusammenhang Die letzte und zweifellos schwierigste Fallgruppe betrifft diejenigen Konstellationen, in denen das im Zweitverfahren umstrittene Rechtsverhältnis zwar von der Beurteilung bereits entschiedener Vorfragen abhängt, den Parteien des ersten Prozesses aber keine entsprechende Verfügungsmacht zukommt. So können etwa die Tarifparteien nicht vertraglich über die Grenzen ihrer Tarifmacht disponieren. 150 Gleichwohl stellt sich die Frage, ob es - wiederum abgese146
Für den vorliegenden Zusammenhang spielt es keine Rolle, daß dieser Bereich durch
§ 9 TVG bereits einer gesetzlichen Regelung zugeführt worden ist.
147 Insoweit jetzt großzügig BAG, Urt. v. 23. 11. 1994, EzA § 1 TVG Rückwirkung Nr. 3 (unter II 2 c cc u. dd d. Gr.). 148 Diesen Aspekt allgemein zu Recht erwähnend Berger, Die subjektiven Grenzen der Rechtskraft bei der Prozeßstandschaft, S. 145 (Fn. 9). 149 In: ArbuR 1976, 1, 6. 150 Zu den Grenzen der Tarifautonomie vgl. nur Löwisch/Rieble, TVG, § I Rdnr. 121245; Wiedemann/Stumpf, TVG, Ein!. Rdnr. 158-229; Zöllner/Loritz, ArbR, § 38 III, S. 383388.
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hen von der positiven Regelung des § 9 TVG - Gründe gibt, die die Belastung materiellrechtlich abhängiger Individualrechte durch eine Bindung an die Rechtskraft eines Urteils im Kollektivverfahren, das über die Einhaltung dieser Grenzen befindet, rechtfertigen. Häsemeyer scheint das hiermit aufgeworfene Problem dadurch lösen zu wollen, daß er sämtliche Vorgreiflichkeitsverhältnisse in zwei Gruppen aufteilt: 151 In die erste Gruppe gehörten diejenigen Fälle, in denen zwischen den Rechtsverhältnissen lediglich "sachlogische Abhängigkeiten" bestünden. Davon seien solche Konstellationen zu unterscheiden, die darüber hinaus in ihren materiellrechtlichen Strukturen verbunden seien. Die Besonderheit der Auffassung Häsemeyers besteht nun darin, daß Dritte von vornherein dann keinen eigenen Rechtsschutz beanspruchen könnten, wenn die fraglichen Rechtsverhältnisse "materiellrechtlich getrennt'"52 seien, also nur "sachlogische Abhängigkeiten" vorlägen. Das Problem der Urteilswirkungen und ihrer Grenzen trete erst in den Fällen auf, in denen von einer "materiellrechtlichen Verbundenheit" der Rechtsverhältnisse gesprochen werden könne. 153
Läßt man die terminologischen Neuerungen beiseite, so bedeutet dies in der Sache, daß Häsemeyer in der Rechtsschutzfrage die schlichte Vorgreiflichkeit nicht ausreichen läßt, sondern von vornherein eine darüber hinausgehende "Verbundenheit" fordert, damit der Dritte eine nochmalige Überprüfung der Vorfrage verlangen kann. Die hier angestellten Überlegungen gehen das Problem demgegenüber in der Weise an, daß sie nach Gründen suchen, die es erlauben, Dritten, die von Urteilswirkungen im weitesten Sinne erlaßt werden, umfassenden Rechtsschutz zu versagen. Trotz des unterschiedlichen Ansatzes müssen sich somit beide Konzeptionen der Frage stellen, an Hand welcher Kriterien zwischen der Gewährung und der Ablehnung des Rechtsschutzes für betroffene Dritte abzugrenzen ist. Damit dominiert auch in diesem Fall das sachliche Problem die Einordnungsfrage. Immerhin belegen die Ausführungen Häsemeyers, daß die gesuchten Gründe entsprechend den obigen Erwägungen nur im materiellen Recht liegen können. Bei den Bemühungen um das Auffinden derartiger Gründe scheint es lohnend, ,,innerstaatlich-rechtsvergleichend" (Schlosser) 154 die Rechtsordnung daraufhin zu untersuchen, in welchen sonstigen Fallkonstellationen einzelne Rechtspositionen auf Grund der Strukturen des materiellen Rechts einen geringeren Rechtsschutz genießen. Dabei ist es durchaus sinnvoll, auch diejenigen Fälle zu betrachten, in Ausführliche Darstellung in 'ZZP 101 (1988), 385, 388-412. Als Beispiel für eine derartige Trennung nennt Häsemeyer das Verhältnis zwischen der wirksamen Beschlußfassung durch die Hauptversammlung auf der einen und dem Außenrechtsverhältnis zwischen der Gesellschaft und dem Vertragspartner eines Verschmelzungsvertrages i. S. des§ 340 Abs. 1 AktG a. F. (= § 4 UmwG) auf der anderen Seite. Siehe dazu bereits oben § 2 III. 3. b) bb). 153 Vgl. vor allem die Zusammenfassung in 'ZZP 101 (1988), 385,411/412. 154 In: Gestaltungsklagen und Gesta1tungsurteile, S. 37. 151
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denen Dritte durch die Gestaltungs- bzw. Tatbestandswirkung einer Entscheidung an der Geltendmachung bestimmter Umstände gehindert sind. Auch wenn sich die Bindung des Dritten in einer derartigen Konstellation über den Weg der Maßgeblichkeil des materiellen Rechts vollzieht 155 , so muß gleichwohl anerkannt werden, daß auf diese Weise ein mit einer Rechtskrafterstreckung vergleichbares Ergebnis herbeigeführt wird. 156 Besonders deutlich zeigt zeigt sich dies, wenn die Gestaltungswirkung mit Rückwirkung eintritt. Zudem weist die Parallele zu gestaltenden Entscheidungen bzw. Tatbestandswirkungen gleichzeitig auf einen zweiten Aspekt hin, der die Ambivalenz von Rechtskraftausdehnungen beleuchtet. Ähnlich wie dort ist die Maßgeblichkeil der Rechtskraft nämlich nicht ausschließlich als Einschränkung eines an sich bestehenden Kognitionsrahmens zu begreifen, sondern kann in bestimmten Konstellationen gleichzeitig als eine Form der Beachtung des dem zweiten Prozeß vorgegebenen Rechts 157 verstanden werden. Dieser Gesichtspunkt wird beispielsweise im Falle des § 9 TVG im Ergebnis zu Recht hervorgehoben, wenngleich die Schlußfolgerung, diese zweite Ausprägung der Maßgeblichkeil könne sich nur auf dem Boden des materiellen Rechts entfalten, 158 zurückzuweisen ist. 159 Jedenfalls schärft diese Überlegung den Blick dafür, daß der Umfang der materiellen Rechtsposition eines Dritten von vomherein durch die Möglichkeit der Maßgeblichkeil "fremder" gerichtlicher Entscheidungen mitbestimmt wird. ( 1) Fallgruppen außerhalb des Arbeitsrechts
(a) Familien- und Erbrecht Einige Beispiele für "abgestufte" Rechte lassen sich dem Familien- und Erbrecht entnehmen. So endet die persönliche Haftung des Verwalters einer Gütergemeinschaft für Verbindlichkeiten des anderen Ehegatten, die Gesamtgutsverbindlichkeiten sind, gemäߧ 1437 Abs. 2 S. 2 BGB mit der Beendigung der Gütergemeinschaft, sofern die Verbindlichkeiten im Verhältnis der Ehegatten untereinander dem anderen Ehegatten zur Last fallen. Dem Dritten wird also ohne sein Zutun durch ein rechtsgestaltendes Urteil (§ 1449 BGB) ein Schuldner entzogen. 160 Seine Forderung ist Siehe dazu oben § 2 III. 1. a) aa) u. b) aa). Zur funktionalen Äquivalenz siehe bereits oben § 2 III. 4. a). Für eine Vergleichbarkeit von umfassender Rechtskrafterstreckung und Gestaltungswirkung auch Soergel/Hadding, BGB, § 32 Rdnr. 41; KölnerKomm!Zöllner, AktG, § 249 Rdnr. 25; Calavros, Urteilswirkungen zu Lasten Dritter, S. 134. 157 So die Einordnung der Tatbestandswirkung (im weiteren Sinne) durch Bötticher, FS Hundert Jahre DJT (1960), Bd. I, S. 511,522. 158 Bötticher, FS Hundert Jahre DJT (1960), Bd. I, S. 511, 522/523; Rieble, NZA 1992, 250, 255; derselbe, Anm. zu BAG, EzA § 112 BetrVG 1972 Nr. 59 (unter II). 159 Siehe dazu bereits oben § 2 III. l. c). 160 Zusätzlich bedarf es der Eintragung des Urteils im Güterrechtsregister (§§ 1449 Abs. 2, 1412 Abs. 1 BGB). 1~5
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demnach durch die Möglichkeit belastet, eine Gestaltungsentscheidung hinnehmen zu müssen, ohne ihre Berechtigung(§§ 1447, 1448 BGB) überprüfen zu können. Eine ähnliche Konstellation kann sich nach der erfolgreichen Erhebung einer Erbunwürdigkeilsklage ergeben, die nach den §§ 2342, 2344 Abs. I BGB dazu führt, daß der Anfall der Erbschaft mit der Rechtskraft des - rechtsgestaltenden - Anfechtungsurteils als nicht erfolgt gilt. Hierdurch wird Nachlaßgläubigem das Recht entzogen, sich an den unter Umständen bereits unbeschränkt haftenden, vermögenden Erbunwürdigen halten zu können. Da die Nachlaßgläubiger bei einer Inanspruchnahme des Erbunwürdigen die Berechtigung der Gestaltung grundsätzlich nicht überprüfen lassen können, lastet auf ihren Rechten die Möglichkeit einer Rechtsschutzbeschränkung. Zwar gibt es seit langem Stimmen, die sich in dieser vieldiskutierten Fallgruppe aus Drittschutzgründen für eine Relativierung der Rechtsgestaltungswirkung einsetzen. 161 Diese Auffassungen verkennen jedoch, daß der Grund für die Wirkung gegenüber Nachlaßgläubigem nach der Vorstellung des Gesetzgebers in ihrer geringeren (materiellrechtlichen) Schutzwürdigkeit liegt 162. Ob und in welcher Form den Nachlaßgläubigem ein Mindestschutz zukommt163 bzw. der Anspruch auf rechtliches Gehör eine Korrektur der einfachgesetzlichen Rechtslage gebietet 164 , ist hier nicht zu diskutieren. Entscheidend ist in diesem Zusammenhang allein, daß der Gesetzgeber Rechtsstellungen geschaffen hat, deren Inhalt von vomherein durch eine Unterworfenheil unter fremde Entscheidungswirkungen geprägt ist. Diese Fallgestaltungen sind daher ein erster bedeutsamer Hinweis darauf, daß der Rechtsordnung Rechte mit unterschiedlicher Schutzintensität keineswegs fremd sind. (b) Zwangsvollstreckungsrecht Ein weiteres Beispiel bildet die von J. Blomeyer entwickelte Auffassung, nach der die eine Vollstreckungserinnerung des Schuldners zurückweisende Entscheidung materielle Rechtskraft zu Lasten erinnerungsbefugter Dritter (Drittschuldner, nachpfändende Gläubiger, sonstige Dritte) entfaltet. 165 Zur Begründung verweist J. Blomeyer darauf, daß den Dritten auf Grund ihrer minderen Betroffenheit ledig161 So schon Goldschmidt, AcP 117 (1919), 1, 21122; ebenso Brox, FamRZ 1963, 392, 397/398. 162 Vgl. Motive, Bd. V, S. 602; Protokolle, Bd. V, S. 648. Für einen geringeren Schutz der Nachlaßgläubiger ebenso Häsemeyer, ZZP 101 (1988), 385, 3911392. Im Erg. gegen eine Relativierung der Entscheidungswirkung auch Dölle, ZZP 62 (1941), 281, 288; Bötticher, FS Hundert Jahre DJT (1960), Bd. I, S. 511, 516; A. Blomeyer, ZZP 75 (1962), I, 17; Henckel, Prozeßrecht und materielles Recht, S. 135; Nicklisch, Die Bindung der Gerichte an gestaltende Gerichtsentscheidungen und Verwaltungsakte, S. 171-173. 163 Eventuell in Form eines möglichen Anspruchs aus§ 826 BGB; vgl. Bötticher, FS Hundert Jahre DJT (1960), Bd. I, S. 511, 516; Henckel, Prozeßrecht und materielles Recht, S. 135/ 136. 164 Zu dieser Fragestellung etwa Schlosser, JZ 1967,431, 436/437. 165 In: Die Erinnerungsbefugnis Dritter in der Mobiliarzwangsvollstreckung, S. 168-172.
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lieh ein beschränktes materielles Recht zukomme. 166 Unabhängig davon, ob dieser Ansicht inhaltlich beizupflichten ist167, bringt sie plastisch den Gedanken zum Ausdruck, daß Rechte "minderer Intensität", auf denen gleichsam das "Damoklesschwert der Rechtskrafterstreckung" 168 lastet, durchaus vorstellbar sind. (c) Konkursrecht Das Konkursrecht enthält die Regelung des § 147 S. 1 KO, nach der das eine Forderung rechtskräftig feststellende Urteil gegen alle Konkursgläubiger wirkt. Damit wird die Haftungsmasse auch zu Lasten derjenigen Konkursgläubiger geschmälert, die am Verfahren nicht teilgenommen haben. 169 Zudem sind - wie aus der Regelung des § 146 Abs. 6 KO herzuleiten ist- sämtliche Konkursgläubiger an die Rechtskraft eines gegen den Gemeinschuldner ergangenen Urteils gebunden.170 In beiden Fällen ruht auf den Forderungen der Konkursgläubiger die Last, im Rahmen eines Konkursverfahrens eine Verringerung der Haftungsmasse tragen zu müssen, ohne daß deren Berechtigung einer erneuten Prüfung unterzogen werden kann. Demnach zeigt sich hieran, daß das Eingebundenwerden eines Rechtes in einen größeren Sinnzusammenhang zu besonderen Bindungen führen kann. 171 (d) Gesellschaftsrecht Ferner lassen sich dem Gesellschaftsrecht mehrere wichtige Erkenntnisse entnehmen. Bei der Auflösung einer OHG (§ 133 HGB) oder einer Entziehung der Vertretungsmacht des geschäftsführenden Gesellschafters(§ 127 HGB) sind- unter Beachtung der Schutzvorschrift des§ 15 HGB- Dritte von diesem Zeitpunkt an nicht mehr befugt, die Wirksamkeit der Gestaltung unter Berufung auf einen angeblich fehlenden Gestaltungsgrund in Frage zu stellen. Vermögensrechtliche Ansprüche Dritter, die bis zu diesem Zeitpunkt entstanden sind, bleiben demgegenüber in jeder Hinsicht unberührt. Dasselbe gilt in den Fällen, in denen die Rechtsprechung auch ohne unmittelbar einschlägige gesetzliche Grundlage die Veränderung der Rechtslage durch Gestaltungsurteil anerkannt hat, so etwa bei der Auflösung einer A. a. 0., S. 172. Abi. etwa Münzberg, ZZP 80 (1967), 493, 497; a. A. auch Zöller!Stöber, ZPO, § 766 Rdnr. 38. 168 So J. Blomeyer, Die Erinnerungsbefugnis Dritter in der Mobiliarzwangsvollstreckung, S. 170. 169 Kilger/K. Schmidt, KO, § 147 Rdnr. 1; Kuhn/Uhlenbruck, KO, § 147 Rdnr. I; Jaeger/Weber, KO, § 147 Rdnr. I. no Häsemeyer, AcP 188 (1988), 140, 155; siehe auch Goldschmidt, Der Prozeß als Rechtslage, S. 192. 171 Für eine materiellrechtliche Deutung der Gläubigerpositionen als Grundlage für die Bewertung der Rechtskrafterstreckung auch Häsemeyer, AcP 188 (1988), 140, 155. 166 167
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faktischen Gesellschaft 172 oder beim Ausschluß eines GmbH-Gesellschafters aus wichtigem Grund 173 . Ein vergleichbares Ergebnis hat der Gesetzgeber dadurch erzielt, daß er die in einigen Fällen an sich eintretende rückwirkende Gestaltungswirkung materiellrechtlich kompensiert hat. So bleiben bei der gerichtlichen Nichtigerklärung einer AG, einer GmbH oder einer Genossenschaft die Wirksamkeit der im Namen der Gesellschaft mit Dritten vorgenommenen Rechtsgeschäfte gemäß § 277 Abs. 2 AktG, § 77 Abs. 2 GmbHG bzw. § 97 Abs. 2 GenG unberührt. 174 Entstandene Vermögensrechte Dritter werden demnach ebenfalls umfassend geschützt. Für die Zukunft müssen Dritte hingegen die durch das Urteil neugeschaffene Rechtslage hinnehmen, ohne die Berechtigung ihrer Herbeiführung erneut gerichtlich überprüfen lassen zu können. Insoweit vermitteln ihre Rechte also keine unbeschränkten Kognitionsbefugnisse. Daraus könnte zu schließen sein, daß es für die Begründung einer Rechtskrafterstreckung darauf ankomme, ob zum Zeitpunkt der materiellrechtlichen Anknüpfung des abhängigen Rechtsverhältnisses die Vorfrage bereits rechtskräftig entschieden worden sei oder nicht. Habe das Gericht über einen Tarifvertrag oder über das Bestehen eines Mitbestimmungsrechts schon rechtskräftig erkannt, so bedeute die Bindung des neu in den Verband bzw. in den Betrieb eintretenden Arbeitnehmers im Ergebnis nichts anderes als die Anerkennung der bestehenden Rechtslage. In der Sache liefe dies auf die Ansicht A. Blomeyers hinaus, nach der eine Rechtskrafterstreckung immer dann zurnutbar sei, wenn das abhängige Rechtsverhältnis nach Rechtskrafteintritt begründet werde 175 . Auf diese Weise käme es jedoch zu einer Aufspaltung der Verbandsmitglieder bzw. der Belegschaft eines Betriebes in diejenige Gruppe, die ihren Status zur Zeit der Rechtskraft einer Entscheidung schon innehat und diejenige, bei der dies nicht der Fall ist. Werden in einem Betrieb mehrere be~ebsverfassungsrechtliche Streitigkeiten durchgeführt, so würde ein Abstellen auf den Beginn der Betriebszugehörigkeit die Belegschaft sogar in eine Vielzahl einzelner Gruppen zerteilen, für die jeweils unterschiedliche Rechtskraftbindungen gelten würden. Dies liefe der arbeitsrechtlichen Tendenz zur Gleichbehandlung von Arbeitnehmern 176 wie dem verbandsrechtlichen Grundsatz der Gleichbehandlung aller Mitglieder 177 zuwider und ist demnach abzulehnenP 8 m BGH, Urt. v. 24. I0. 1951, BGHZ 3, 285, 289/290. BGH, Urt. V. 1. 4. 1953, BGHZ 9, 157, 166-174; Urt. V. 17. 2. 1955, BGHZ 16, 317, 322. Aus dem Schrifttum siehe nur Scholz/Winter, GmbHG, § 15 Rdnr. 138; K. Schmidt, GesellschaftsR, § 35 IV 2 c, S. 886. 174 Während Calavros, Urteilswirkungen zu Lasten Dritter, S. 1371138, diese Regelungen als materiellrechtliche Instrumente zum Schutz Dritter vor Urteilswirkungen versteht, sieht Häsemeyer, ZZP 101 (1988), 385, 393 mit Fn. 38, das Problem des Drittrechtsschutzes mangels eigener Rechte Dritter an dem streitigen Rechtsverhältnis überhaupt nicht berührt. 175 In: ZZP 75 (1962), 1, 12; derselbe, ZPR, § 91 II 3 b a, S. 507. 176 Zum Gleichbehandlungsgrundsatz siehe nur Schaub, Arbeitsrechts-Handbuch, § 112, S. 861 ff.; MünchArbR!Richardi, § 14 Rdnr. 1 ff. 177 Für das Aktienrecht siehe § 53a AktG sowie zuvor schon BGH, Urt. v. 6. 10. 1960, BGHZ 33, 175, 186, und BVerfG, Urt. v. 7. 8. 1962, BVerfGE 14, 263, 2841285; für das 173
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2. Teil: Einfachgesetzliche Ausgangslage
Immerhin zeigen diese Überlegungen, daß der "archimedische Punkt" bei der Frage liegt, unter welchen Voraussetzungen eine Rechtskraftwirkung auf bereits bestehende Rechtsverhältnisse bejaht werden kann. Falls dies gelingt, bedarf die Bindung Dritter, deren Recht erst nach rechtskräftiger Vorfragenentscheidung angeknüpft wird, keiner eigenständigen Begründung mehr. Einen weiteren bedeutsamen Aspekt vermittelt schließlich die bereits erörterte179 rechtliche Situation bei dem Vorgehen gegen Beschlüsse der Haupt-, Gesellschafter-, General- bzw. Mitgliederversammlung. Wie dargelegt, entfalten gerichtliche Entscheidungen über die Fehlerhaftigkeit bzw. über die unzutreffende Feststellung von Beschlüssen eine Rechtskraftwirkung für und gegen sämtliche Verbandsangehörigen. Die Funktionsfähigkeit des einheitlichen Verbandes steht divergierenden Urteilen entgegen. Dies bedeutet zugleich, daß auf den durch den Beschluß geschaffenen Rechtspositionen der übrigen Verbandsmitglieder die Last ruht, um der Funktionstüchtigkeit des Verbandes willen die Feststellung der Mangelhaftigkeit des Beschlusses rückwirkend hinnehmen zu müssen. Die Eingebundenheit der verbandliehen Rechte in ein bestimmtes Bezugssystem führt zu einer Beschränkung der Möglichkeit, im nachhinein umfassenden Rechtsschutz in Anspruch nehmen zu können. (e) Zwischenergebnis Die geschilderten Fallgestaltungen beleuchten, daß außerhalb des Arbeitsrechts eine Vielzahl von Konstellationen existiert, in denen rechtlichen Positionen qua Rechtskrafterstreckung oder Gestaltungswirkung nur ein eingeschränkter Rechtsschutz zuteil wird. Gerechtfertigt wird die Rechtsschutzbeschränkung vor allem durch die Einbindung der jeweiligen rechtlichen Stellung in einen materiellrechtlichen Sinnzusammenhang. Damit sind die einzelnen Aspekte aus der übrigen Rechtsordnung zusammengetragen, die nunmehr im Bereich des Arbeitsrechts für eine Begrenzung des Rechtsschutzes aus materiellrechtlichen Gründen nutzbar zu machen sind. (2) Übertragung auf arbeitsrechtliche Strukturen
(a) Bestehen eines Bezugssystems Als Voraussetzung für einen abgestuften Rechtsschutz arbeitsrechtlicher Rechtspositionen ist nach alledem die Eingebundenheit in einen größeren kollektiven ZuGmbH-Recht vgl. nur BGH, Urt. v. 16. 12. 1991, BGHZ 116, 359, 371. Rechtsformübergreifend etwa Wiedemann, Gesellschaftsrecht, Bd. I, § 8 II 2, S. 427-431; K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, § 16 li 4 b, S. 378-381. 178 Gegen die Lehre von A. Blomeyer grundsätzlich auch Stein/ Jonas/ Leipold, ZPO, § 325 Rdnr. 89. 179 Siehe dazu oben unter 2. a).
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sammenhang anzusehen. Steht das Recht in einem Bezugssystem mit einer Vielzahl anderer Rechte, so muß es sich der einzelne Inhaber gefallen lassen, wenn dieses Bezugssystem einer einheitlichen gerichtlichen Beurteilung zugeführt wird. Der Rechtsschutz des einzelnen darf in den Fällen innerer Verbundenheit von Rechten nicht dazu führen, daß durch eine ,,heillose Verwirrung" die durch das materielle Recht intendierte kollektive Ordnung konterkariert wird. Dem Koordinierungsanliegen des materiellen Rechts muß auch das Verfahrensrecht Rechnung tragen. Eine Ausprägung dieses Grundanliegens stellt etwa die Überlegung des Großen Senats des BAG dar, Sozialplanansprüche im Konkurs des Arbeitgebers deshalb nicht als Masseschulden anzusehen, weil die dann verfahrensrechtlich mögliche Einzelvollstreckung dem materiellrechtlichen Ziel des Sozialplans, Arbeitnehmeransprüche gleichmäßig zu befriedigen, zuwiderlaufen würde. 18 Für sich genommen hat dieser Gedanke trotz der späteren - die sonstigen Ausführungen des BAG korrigierenden- Entscheidung des BVerfG181 seine Gültigkeit nicht verloren.
°
Eine weitere Ausformung dieses Rechtsgedankens enthält die neugeschaffene Insolvenzordnung 182 in § 126 InsO, wonach das Arbeitsgericht in den Fällen, in denen der Insolvenzverwalter wegen einer geplanten Betriebsänderung Arbeitnehmer entlassen will, die soziale Rechtfertigung der Kündigung vorab feststellen kann (§ 126 Abs. 1 S. 1 InsO). Eine solche Feststellung soll in einem folgenden Kündigungsschutzprozeß gemäß § 127 Abs. 1 S. 1 InsO bindend sein. Die "Kollektivität" dieses Verfahrens zeigt sich darin, daß das Arbeitsgericht die Wirksamkeit sämtlicher geplanter Kündigungen zugleich beurteilen und damit die Betriebsänderung einheitlich würdigen kann. Seine Rechtfertigung findet das Sammelverfahren in der Überlegung, daß ein Überleben des Restbetriebes regelmäßig nur gelingt, wenn die ausgesprochenen Kündigungen bestandskräftig bleiben und sich einzelne Arbeitnehmer nicht im nachhinein wieder durch Einzelprozesse in den Betrieb einklagen. Die betroffenen Arbeitnehmer müssen den Verlust der Möglichkeit, die soziale Rechtfertigung der Kündigung in einem eigenständigen Prozeß umfassend überprüfen lassen zu können, 183 hinnehmen 184, da ihr Arbeitsverhältnis in einem Bezugssystem mit den Arbeitsverhältnissen der anderen Belegschaftsmitglieder steht.
Beseht. v. 13. 12. 1978, AP Nr. 6 zu§ 112 BetrVG 1972 (unter Teil III B 2 e d. Gr.). Beseht. v. 19. 10. 1983, BVerfGE 65, 182, l90ff. 182 Vom 5. 10. 1994, BGBI. I, S. 2866ff. Die InsO tritt gemäߧ 335 InsO, Art. llO Abs. l EGinsO (vom 5. 10. 1994, BGBI. I, S. 2911 ff.) am l. l. 1999 in Kraft. 183 Ein bereits begonnener Kündigungsschutzprozeß ist nach§ 127 Abs. 2 InsO auf Antrag des Insolvenzverwalters bis zur rechtskräftigen Entscheidung im Sammetverfahren auszusetzen. 184 Einen verfahrensrechtlichen Schutz bildet das in§ 126 Abs. 2 S. l 2. Halbs. InsO vorgesehene Anhörungsrecht derjenigen Arbeitnehmer, die nicht die Kündigung als berechtigt anerkennen. 180
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(b) Das Fehlen "eigener Rechte" als Wertungsfaktor Das BAG hat in einem Fall mangelnder Dispositionsbefugnis von Arbeitgeber und Betriebsrat die Akzente freilich teilweise anders gesetzt und die Erstreckung der Rechtskraft eines Beschlusses, der die Bildung 'eines gemeinsamen Betriebes durch zwei Unternehmen verneint hatte, auf die Arbeitnehmer unter anderem damit begründet, daß es hierbei ,,im Grunde" nicht um Rechte und Pflichten, sondern um die Feststellung eines tatsächlichen Zustandes gehe. 185 Rieble hat diesen Gedanken insofern konkretisiert, als er den Betroffenen ein eigenes materielles Recht an ,,ihrem" Betriebrat abgesprochen hat. 186 In vergleichbarer Weise steht Häsemeyer auf dem Standpunkt, daß es zu einer Drittschutzproblematik nur komme, wenn die Rechte des Betriebsrats und diejenigen der Arbeitnehmer nicht nach materiellem Recht "getrennt" seien.187 Im Kern zielen diese Gedanken somit darauf ab, daß der Gegenstand des ersten Verfahrens derart beschaffen sein könne, daß kein individuelles Anrecht des Betroffenen bestehe, die Vorfrage erneut überprüfen zu lassen. Die genannten Ansätze sind wichtige Zwischenschritte, als sie die zunehmende Einsicht belegen, daß es für die Versagung der nochmaligen Beurteilung derselben Frage darauf ankommt, ob der Dritte der im zweiten Verfahren geltend gemachten Vorfrage "ferner steht". Allerdings bringt etwa die Aussage, daß den Arbeitnehmern kein Recht an "ihrem" Betriebsrat zustehe, noch nicht hinreichend klar zum Ausdruck, auf Grund welcher Umstände in einem Folgeprozeß die Vorfrage, die im Falle des Fehlens einer entsprechenden Entscheidung selbstverständlich uneingeschränkt zu prüfen ist, beim Vorhandensein eines rechtskräftigen Erkenntnisses nicht erneut untersucht werden darf. Die geschilderten Überlegungen ersetzen daher nicht die erforderliche Anreicherung des Gesichtspunktes der Eingebundenheit in einen kollektiven Zusammenhang. (c) Funktionsbedingungen des Bezugssystems Deutlicher noch als in den bislang genannten Beispielen wird die Bingebundenheit dann, wenn dem Dritten das Recht nur deshalb zusteht, weil ihn die Strukturen des materiellen Rechts in einen Zusammenhang mit einer Vielzahl anderer Rechtsverhältnisse stellen. In diesen Fällen spricht alles dafür, daß der Dritte auch diejenigen Bedingungen hinnehmen muß, deren Einhaltung Voraussetzung für das Funktionieren dieser kollektiven Strukturen ist. Vereinfacht gesagt muß derjenige, der die Vorzüge einer bestimmten Regelung für sich in Anspruch nimmt, auch die mit ihnen notwendig verbundenen Lasten tragen.
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Urt. v. 9. 4. 1991, AP Nr. 8 zu§ 18 BetrVG 1972 (unter II 2 c d. Gr.). In: Anm. zu BAG, EzA § 112 BetrVG 1972 (unter II a. E.). In: 'ZZP 101 (1988), 385, 390 (Fn. 27).
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Diese Überlegungen seien am Beispiel eines Verbandstarifvertrages erläutert, der die Zahlung zusätzlicher Sozialleistungen an bestimmte Arbeitnehmergruppen vorsieht. Bei der Gruppenabgrenzung unterliegen die Tarifvertragsparteien den Anforderungen des Art. 3 GG. 188 An dieser Norm endet somit die tarifvertragliche Gestaltungsmacht Führen die Verbände nun eine rechtskräftige Entscheidung herbei, die die Abgrenzung für rechtens erklärt, so sind sie verpflichtet, den Tarifvertrag entsprechend dem Urteilsinhalt gegenüber ihren Mitgliedern durchzusetzen. 189 Würden in dieser Situation abweichende Entscheidungen in Individualarbeitsverhältnissen zugelassen, so würde nicht nur im "Arbeitgeberlager" Verwirrung über den Inhalt der Verpflichtungen aus ein- und demselben Tarifvertrag entstehen. Vielmehr würde sich eine unterschiedliche Beurteilung letztlich auch auf die Arbeitnehmerseite negativ auswirken. Zunächst könnte das Ziel, Verteilungsgerechtigkeit innerhalb der Arbeitnehmerschaft herbeizuführen, dadurch konterkariert werden, daß in jedem Einzelprozeß eine andere Gruppenabgrenzung für rechtmäßig befunden wird. Dem läßt sich nicht entgegenhalten, die von den Tarifvertragsparteien gewählten Verteilungsgrundsätze müßten einer späteren gerichtlichen Beurteilung eben weichen. Damit würde nämlich verkannt, daß es in vielen Fällen nicht lediglich darum geht, auf einen einfach gelagerten Sachverhalt das bestehende Recht anzuwenden. Vielmehr hängt das Ergebnis der Entscheidungsfindung häufig von einer Fülle empirischer Faktoren ab, von deren Darlegung im Einzelprozeß nicht immer ausgegangen werden kann. Demnach kommt den folgenden Individualprozessen eher eine geringere Richtigkeltsgewähr als dem Kollektivverfahren zu. 190 Ist dies aber der Fall, so würden unterschiedliche Entscheidungen über denselben Tarifvertrag eine Veränderung des durch ihn intendierten Ordnungsgefüges bewirken. Inkongruente Erkenntnisse würden aber nicht nur den einzelnen Tarifvertrag entwerten, sondern darüber hinaus eine Gefahr für das Tarifvertragswesen als solches darstellen. Wenn die Arbeitgeberseite nämlich nicht mehr sicher sein könnte, daß derselbe Tarifvertrag einheitlich angewendet wird und Prozeßerfolge gegenüber der Gewerkschaft Rechtsklarheit und Rechtssicherheit schaffen, dann könnte der Tarifvertrag als Regelungsinstrument für sie an Wert verlieren. Da nun der Tarifvertrag für die Arbeitnehmerseite eine der wichtigsten Quellen vorteilhafter, vorgreiflieber Rechtsverhältnisse darstellt, wirkte sich eine Beeinträchtigung des Tarifvertragswesens selbst dann zu ihren Ungunsten aus, wenn einzelne Arbeitnehmer davon kurzfristig profitieren sollten. 188 Vgl. nur BAG, Urt. v. 28. 7. 1992, Nr. 10 zu§ I TVG Tarifverträge: Seniorität (unter 2 b d. Gr.); Urt. v. 21. 10. 1992, AP Nr. 165 zu§§ 22, 23 BAT 1975 (unter lli 2 b ee d. Gr.); Löwisch/Rieble, TVG, § 1 Rdnr. 182-188; Wiedemann/Stumpf, TVG, Einl. Rdnr. 62-65. 189 Zur tarifvertragliehen Durchführungspflicht siehe etwa BAG, Urt. v. 29. 4. 1992, AP Nr. 3 zu § 1 TVG Durchführungspflicht (BI. 3/3R); Löwisch/Rieble, TVG, § 1 Rdnr. 283, 316; Wiedemann/Stumpf, TVG, § 1 Rdnr. 349-357. 190 Siehe dazu bereits oben unter b).
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2. Teil: Einfachgesetzliche Ausgangslage
Ferner würde die Gewerkschaft in schwere Konflikte gestürzt, da sie sich einerseits gegenüber dem gegnerischen Verband an die Entscheidungen halten und in entsprechender Weise auf ihre Mitglieder einwirken müßte, andererseits aber gegenüber ihren Mitglieder zur Hilfe bei einer Durchsetzung ihrer Interessen verpflichtet ist, was zu einer der rechtskräftigen Entscheidung zuwiderlaufenden Argumentation zwingen könnte. Spannungen innerhalb der Gewerkschaft schwächten indessen wiederum die Arbeitnehmerseite. Zwar ließe sich gegenüber diesen Überlegungen vorbringen, daß Nachteile, die für die Gesamtheit der an einem Rechtsverhältnis Beteiligten durch widersprüchliche Entscheidungen eintreten können, bei der Frage nach den subjektiven Grenzen der Rechtskraft für einzelne Betroffene grundsätzlich nicht berücksichtigt werden dürften. Dabei würde aber verkannt, daß dies jedenfalls dann nicht gelten kann, wenn das vorgreifliehe Rechtsverhältnis auf eine Koordinierung der abhängigen Rechtsverhältnisse geradezu angelegt ist und die Drittbeteiligten durch bestimmte Maßnahmen (Gewerkschaftsbeitritt, Arbeitskamptbeteiligung, Betriebsratswahl etc.) auf den Inhalt dieses Rechtsverhältnisses Einfluß nehmen. Dieser Aspekt ist um so gewichtiger, als Kollektiv- und Individualinteressen auch sonst umfassend miteinander verzahnt sind. So sind etwa bei der Beurteilung der Wirksamkeit der außerordentlichen Kündigung eines Tarifvertrages 191 auch die Interessen der vom Tarifvertrag unmittelbar oder mittelbar betroffenen Dritten zu berücksichtigen. 192 Die kollektive Vorfrage wird in ihrem Inhalt damit von Umständen beeinflußt, die die Gesamtheit der abhängigen Rechtsverhältnisse betreffen. Wenn aber das Ziel des Verfahrensrechts darin besteht, dem jeweiligen materiellen Recht adäquat zu dienen, so darf die anzustrebende Einheit der Rechtsordnung nicht dazu verleiten, dem materiellen Arbeitsrecht mit seiner einzigartigen Verknüpfung von kollektivrechtlichen und individuellen Gestaltungsfaktoren ausschließlich solche zivilprozessualen Formen zur Verfügung zu stellen, deren materiellrechtlicher Hintergrund unverbundene Rechtsverhältnisse jeweils selbständiger Personen sind. Gehört die einheitliche Beurteilung ein- und derselben tariflichen Rechtsfrage mithin zu den Funktionsbedingungen einer tarifvertragliehen Ordnung, so ist dieser Umstand als eine Last anzusehen, die derjenige tragen muß, der die Vorteile das Tarifwesens für sich in Anspruch nehmen will. Schließlich darf nicht außer acht gelassen werden, daß sich die Rechtskrafterstreckung auch zum Schutz der Dritten auswirken kann. Gelingt es der Gewerkschaft nämlich, in einer umstrittenen Frage eine für die Arbeitnehmerseite günstige Entscheidung zu erwirken, so verhindert die Drittbindung, daß es im Einzelprozeß 191 Als Beispiel aus der neueren Zeit seien die Kündigungen der Gehaltstarifverträge in der ostdeutschen Metallindustrie im Frühjahr 1993 genannt, bei denen es allerdings nicht zur Durchführung eines Hauptsacheverfahrens gekommen ist. 192 Löwisch/Rieble, TVG, § 1 Rdnr. 364; Wiedemann!Stumpf, TVG, § 4 Rdnr. 23; Oetker, RdA 1995, 82, 95. Ebenso Otto, FS Kissel (1994), S. 787, 805, für den Wegfall der Geschäftsgrundlage.
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- beispielsweise mangels hinreichender Substantiierung durch den darlegungspflichtigen Arbeitnehmer - zu einem für ihn ungünstigeren Urteil kommt. Dieser Aspekt ist um so wichtiger, als dem Erkenntnis im Kollektivverfahren aus den beschriebenen Gründen 193 eine höhere Richtigkeitsgewähr beigemessen werden kann. Es geht bei der Frage der Ausdehnung der Rechtskraft also auch um die Verlängerung tatsächlich bestehenden Arbeitnehmerschutzes in den Bereich der Individualprozesse. Eine Rechtskrafterstreckung läßt sich deshalb keineswegs nur als eine Perpetuierung unrichtiger Entscheidungen begreifen. 194 Beim Vorliegen der genannten Voraussetzungen ist somit davon auszugehen, daß Dritten die Rechtskraftbindung an die frühere Entscheidung auch dann zuzumuten ist, wenn sich diese in einer für sie ungünstigen Weise auswirkt. Folglich muß auch der Partei selbst die Möglichkeit einer erneuten Beurteilung derselben Vorfrage versagt werden. Die Überlegungen zur Rechtskrafterstreckung auf Dritte gelten nämlich erst recht für die von den Parteien in einem zweiten Verfahren verfolgten Rechte. Sind Dritte gegebenenfalls an ein ihren Interessen zuwiderlaufendes Urteil gebunden, so müssenangesichtsder Notwendigkeit konvergierender Erkenntnisse auch die Parteien eine nachteilige Entscheidung hinnehmen, zumal diese die Möglichkeit hatten, unmittelbar auf deren Ergebnis Einfluß zu nehmen. (d) Grenzen der Bindung Dritter Wie soeben dargelegt, besteht für die Parteien des Kollektivverfahrens die Möglichkeit, eine Bindung Dritter auch in den Bereichen herbeizuführen, die einer materiellrechtlichen Disposition nicht zugänglich sind. Nach den allgemeinen prozessualen Regeln 195 sind in einem solchen Falle sowohl ein Anerkenntnis- als auch ein Verzichtsurteil ausgeschlossen. 196 Darüber hinaus wird man bei einer im Verhältnis zu den betroffenen Dritten als mißbräuchlich zu bezeichnenden Prozeßführung durch die Parteien den Eintritt der Bindungswirkung abzulehnen haben.197
Siehe dazu oben unter b). In diese Richtung aber Münzberg, ZZP 80 (1967), 493,497. 195 Siehe nur Zöller!Vollkommer, § 306 Rdnr. 7, § 307 Rdnr. 4; MünchKommZPO/Musielak, § 306 Rdnr. 4, § 307 Rdnr. 8, 16. Entsprechendes gilt im Beschlußverfahren, in dem nach h. M. eine Anerkenntnis- bzw. Verzichtsentscheidung ebenfalls grundsätzlich zulässig ist; vgl. nur Grunsky, ArbGG, § 80 Rdnr. 30; Matthes, in: Germelmann/Matthes/Prütting, ArbGG, § 80 Rdnr. 55,§ 84 Rdnr. 6; Fenn, FS Schiedermair (1976), S. 117, 137-139. 196 So auch Löwisch/Rieble, TVG, § 9 Rdnr. 43-45; Maywald, Rechtsstreitigkeiten zwischen Tarifvertragsparteien über die Gültigkeit oder die Auslegung von Tarifnormen, S. 3032. 197 Vgl. den zum Mißbrauch einer Prozeßführungsbefugnis entwickelten Gedanken von Marotzke, ZZP 98 (1985), 160, 194/195 (Fn. 175); ihm folgend Berger, Die subjektiven Grenzen der Rechtskraft bei der Prozeßstandschaft, S. 148-150. Dies entspricht den Überlegungen des französischen Rechts, siehe Spellenberg, ZZP 106 (1993), 283, 300. 193
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2. Teil: Einfachgesetzliche Ausgangslage 3. Ergebnis
Somit sind die einfachgesetzlichen Wertungsfaktoren dargelegt, die auch außerhalb des geschriebenen Rechts eine Erweiterung der materiellen Rechtskraft arbeitsgerichtlicher Entscheidungen in kollektiven Rechtsstreitigkeiten gebieten. Es sind dies - zusammengefaßt - ein erhöhtes Rechtssicherheitserfordernis, eine besondere Richtigkeitsgewähr des ersten Judikats sowie eine "Schwäche" der im zweiten Verfahren geltend gemachten materiellen Rechtsposition. Es bleibt zu prüfen, ob es auf der Ebene des Verfassungsrechts Hindernisse gibt, die Bindungen Dritter strikt entgegenstehen oder sie zumindest an bestimmte Voraussetzungen knüpfen.
§ 8 Ergebnisse des zweiten Teils Die in den §§ 4 bis 7 enthaltenen Überlegungen zu den allgemeinen Voraussetzungen ungeschriebener erweiterter Entscheidungswirkungen haben zu folgenden Ergebnissen geführt: 1. Einer umfassenden Bindung Dritter stehen einerseits keine abschließenden positivrechtlichen Normen entgegen. 1 Andererseits kann sie auch nicht in umfassender Weise aus dem "Wesen" der Rechtskraft oder vergleichbaren Ansätzen hergeleitet werden. 2
2. Mittels anerkannter Institute des Verfahrensrechts oder auf Grund der Besonderheiten des Beschlußverfahrens können die hier interessierenden kollektivarbeitsrechtlichen Fallkonstellationen nicht zufriedenstellend gelöst werden. 3 3. Im Vordergrund steht die Rechtfertigung ungeschriebener Drittwirkungen durch Wertungen des materiellen Rechts. Hierbei erweisen sich auf der Ebene des einfachen Rechts die gesteigerte Notwendigkeit einer einheitlichen Entscheidungswirkung, die besondere Ausrichtung des früheren Verfahrens auf die Herbeiführung eines zutreffenden Ergebnisses sowie die Zurechenbarkeit der Bindung für die betroffenen Dritten wegen einer ihrer Rechtsstellung anhaftenden Schwäche als die zentralen Wertungsfaktoren.4
I 2
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Siehe dazu oben§ 4 I. 2. u. 3. Vgl. hierzu oben § 4 II. Siehe hierzu oben die §§ 5 u. 6. Vgl. dazu oben§ 7 II.
Dritter Teil
Verfassungsrechtliche Vorgaben für parteiübergreifende Entscheidungswirkungen Der folgende Teil behandelt die Wertungen, die sich der Verfassung für den Themenkomplex erweiterter Entscheidungswirkungen entnehmen lassen. Zwar sind die anschließend zu erörternden Wertungen nicht ausschließlich verfassungsrechtlicher Herkunft. So existierte der im Vordergrund der Betrachtung stehende Grundsatz der Gewährung rechtlichen Gehörs bereits vor dem Erlaß des Grundgesetzes unter der alleinigen Herrschaft der ZP0. 1 Der Grundsatz effektiven Rechtsschutzes ist nicht nur verfassungsrechtlich verankert, 2 sondern zugleich Bestandteil des einfachen Rechts. 3 Diese Umstände bilden indes kein Hindernis für eine einheitliche Darstellung in einem "verfassungsrechtlichen Abschnitt", da sämtliche zu diskutierenden Gesichtspunkte im Kern auf das Grundgesetz rückführbar sind. Vor allem ist die Thematik des Kreises der gehörberechtigten Personen unmittelbar dem Verfassungsgrundsatz des Art. 103 Abs. 1 GG selbst zuzuordnen.4
§ 9 Anspruch auf Gewährung rechtlichen Gehörs Jede Untersuchung von Urteilswirkungen gegenüber Dritten führt zwangsläufig zu der Frage, ob und inwieweit sich der in Art. 103 Abs. 1 GG verankerte Anspruch auf Gewährung rechtlichen Gehörs ungeschriebenen Drittbindungen entgegenstemmt
I Vgl. Hellwig, System des Deutschen ZPR, § 140 IV, S. 407/408; Prager, AcP 133 (1931), 143ff.; Schwartz, Gewährung und Gewährleistung des rechtlichen Gehörs durch einzelne Vorschriften der Zivilprozeßordnung, S. I 0111. 2 Erstmalige Erwähnung in BVerfG, Urt. v. 18. 12. 1968, BVerfGE 24,367, 401. Ausjüngerer Zeit etwa Beschl. v. 29. 12. 1994, NJW 1995, 1210, 1211. Zu den Einzelheiten vgl. unten§ 10. 3 Stein/Jonas/Schumann, ZPO, Ein!. Rdnr. 70. 4 Schmidt-Aßmann, in: Maunz/Dürig/Herzog /Scholz, GG, Art. 103 Abs. 1 Rdnr. 147.
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3. Teil: Verfassungsrechtliche Vorgaben
I. Einordnung der Problematik
Die damit verbundene Problematik wird allerdings nur dann vollständig erschlossen, wenn man die verschiedenen, in diesem Zusammenhang auftretenden Fragestellungen auseinanderhält: So muß man zunächst die verschiedenen Instrumentarien unterscheiden, mit deren Hilfe Dritten, deren notwendige Anhörung unterblieben ist, der erforderliche Schutz gewährt werden kann. Hierbei kommt zum einen ein präventiver Schutz durch eine "Relativierung" der Urteilswirkungen 1 oder gar durch eine generelle Unwirksamkeit der Entscheidung 2 in Betracht. Zum anderen ist denkbar, den Schutz des übergangenen Dritten - unter Zugrundelegung einer Bindung - repressiv auf dem Wege einer eigenständigen Anfechtungsberechtigung 3 oder über materiellrechtliche Ausgleichsansprüche gegen die Prozeßparteien4 herbeizuführen. 5 I So z. B. Grunsky, Grundlagen des Verfahrensrechts, § 25 II 4, S. 232; Brox, FamRZ 1963, 392, 397/398; Rechberger/Oberhammer, ZZP 106 (1993), 347, 360; in diese Richtung auch Schmidt-Aßmann, in: Maunz/Dürig/Herzog/Scholz, GG, Art. 103 Abs. 1 Rdnr. 43. 2 So die vor allem im Verwaltungsrecht vorherrschende Auffassung beim Unterlassen einer notwendigen Beiladung im Sinne des § 65 Abs. 2 VwGO; vgl. BVerwG, Urt. v. 27. 3. 1963, BVerwGE 16, 23, 25; Eyennann/ Fröhler, VwGO, § 65 Rdnr. 39; Redekerlvon Oertzen, VwGO, § 65 Rdnr. 22; differenzierend BVerwG, Urt. v. 10. 3. 1964, BVerwGE 18, 124, 126/ 127; anders aber Beschl. v. 12. 12. 1973, DVBI 1974, 235, in dem sich das BVerwG sogar gegen eine Relativierung der Gestaltungswirkung wendet. 3 Hierfür kommen sämtliche ordentlichen wie außerordentlichen Rechtsbehelfe in Betracht; siehe etwa BGH, Urt. v. 24. 11. 1983, BGHZ 89, 121 ff., zum Fall einer Ehelichkeitsanfechtung, bei der ein Elternteil entgegen § 640e ZPO übergangen wurde; danach soll das Urteil auf die Rechtsstellung des nicht beteiligten Elternteils unmittelbar einwirken, zum Ausgleich aber zugestellt werden müssen, um auch ihm gegenüber die Frist für die grundsätzlich statthafte Berufung in Lauf zu setzen. Für die "Anfechtungslösung" ausführlich und dezidiert Marotzke, ZZP 100 (1987), 164, 179-208, sowie Schuttes, Beteiligung Dritter am Zivilprozeß, S. 187-196; in diesem Sinne auch Schlosser, ZZP 93 (1980), 346, 349/350. Einen teilweise vergleichbaren Drittschutz gewährt das Institut des Drittwiderspruchs (tierce Opposition) gemäß Art. 582-592 Nouveau Code de Procedure Civile; hierzu Spellenberg, ZZP 106 (1993), 283, 295-300, 310; Koussoulis, Beiträge ~ur modernen Rechtskraftlehre, S. 149-163. 4 So zumindest für einige Fallgruppen M. Wolf, JZ 1971, 405, 408/409; Zeuner, Rechtliches Gehör, materielles Recht und Urteilswirkungen, S. 40-41 (siehe aber auch S. 46-51, 54/ 55); Calavros, Urteilswirkungen zu Lasten Dritter, S. 41/42, 47. Differenzierend im Falle einer Bindung Dritter qua Gestaltungswirkung Schlosser, Gestaltungsklagen und Gestaltungsurteile, S. 219-231. Strikt dagegen W. Lüke, Die Beteiligung Dritter im Zivilprozeß, s. 143/144. 5 Nur schwer in dieses Schema einordnen läßt sich die Position des BAG zu den Rechtsfolgen des Übergehens eines gemäß § 83 Abs. 3 BetrVG im Beschlußverfahren notwendig zu Beteiligenden. Einerseits ist davon die Rede, daß ohne eine Zustellung der Entscheidung zumindest gegenüber dem übergangenem materiell Beteiligten weder eine formelle noch eine materielle Rechtskraft eintrete, vgl. BAG, Beschl. v. 26. II . 1968, AP Nr. 18 zu § 76 BetrVG (unter 5 d. Gr.); Beschl. v. 6. 11. 1973, AP Nr. 8 zu§ 89 ArbGG 1953 (unter 3). Andererseits gestattet das BAG einem bislang nicht Beteiligten eine selbständige Rechtsrnitteleinlegung, vgl. Beschl. v. 15. 7. 1960, AP Nr. 10 zu § 76 BetrVG (unter I d. Gr.); Beschl. v. 15. 11.
§ 9 Anspruch auf Gewährung rechtlichen Gehörs
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Die folgenden Ausführungen befassen sich allerdings grundsätzlich nur mit dem zuerst genannten Aspekt des präventiven Drittschutzes. Das rechtliche Gehör spielt aus der hier vorrangig interessierenden Perspektive des später entscheidenden Gerichts bei einer im ersten Verfahren unterlassenen Drittbeteiligung nämlich nur insoweit eine Rolle, als es eine notwendige Bedingung für eine Bindung des Dritten an das vorherige Judikat darstellt. 6 Anderenfalls wirkte sich ein eventueller Verfahrensfehler für die im zweiten Prozeß allein zu klärende Drittbindung nicht aus. Die weiterhin angeführten Mittel zur repressiven Wahrung der schutzwürdigen Interessen des Dritten liegen deshalb streng genommen außerhalb des Untersuchungsgegenstandes. Erst recht gilt dies bei einem Perspektivenwechsel, der das Hauptaugenmerk auf das erste Verfahren lenkt und vor allem danach fragt, welcher präventive Schutz Dritten im einzelnen zugute kommen soll und auf welche verfahrensrechtliche Art und Weise formell zunächst nicht beteiligte Dritte in den Prozeß einzubeziehen sind. Denn für die Bindung im Folgeprozeß spielt diese Frage keine Rolle, wenn nur der Pflicht zur Anhörung des Dritten hinreichend Rechnung getragen wird. Dementsprechend soll an dieser Stelle nicht die Diskussion um die Fortbildung des Verfahrensrechts in Richtung auf eine amtswegige Beiladung7 bzw. Zuladung 8 betroffener Dritter oder zumindest eine öffentliche Bekanntmachung des Rechtsstreits9 - wie sie etwa § 62 Abs. 2 des Österreichischen ASGG für betriebsverfassungsrechtliche Angelegenheiten, die nicht namentlich bestimmte Arbeitnehmer betreffen, vorsieht 10 - in ihren einzelnen Facetten aufgenommen werden. Gleichwohl sind die angesprochenen Gesichtspunkte für das Herausarbeiten der Voraussetzungen erweiterter Entscheidungswirkungen nicht völlig bedeutungslos. Sollte den potentiell betroffenen Dritten nämlich weder innerhalb des ersten Verfahrens das - verfassungsrechtlich gebotene - rechtliche Gehör gewährt worden sein noch eine Drittanfechtung oder ein materiellrechtlicher Ausgleichsanspruch 1963, AP Nr. 14 zu§ 2 TVG (unter 2 a d. Gr.). Darüber hinaus wird in der zuletzt genannten Entscheidung (unter 2 b d. Gr.) eine Entkoppelung der Frage nach dem Umfang der Rechtskraft von der Beteiligungsproblematik angedeutet. Zur Problematik siehe im übrigen unten Fn. II. 6 Zu dem gleichsam spiegelbildlichen Problem, ob eine erfolgte Drittbeteiligung eine hinreichende Bedingung für eine sich auf den Dritten erstreckende Bindung darstellt, siehe oben § 6 II. 7 Dafür vor allem Schlosser, Gestaltungsklagen und Gestaltungsurteile, S. 210-214; derselbe, JZ 1967, 431, 435/436. Eine notwendige Beiladung im Zivilprozeß bei drittwirkenden Entscheidungen als Folgerung zumindest de lege ferenda aus Art. I 03 Abs. I GG folgernd Bettermann, JZ 1962, 675, 677. Für eine notwendige Beiladung als eine Form vorbeugenden Rechtsschutzes in Ausnahmefällen als Gebot aus Art. 19 Abs. 4 GG, wenn auch wohl nur als verfassungsrechtliche Handlungspflicht des Gesetzgebers, auch Lerche, ZZP 78 (1965), I, 24. s So Schuttes, Beteiligung Dritter am Zivilprozeß, S. 113/114, 156-158. 9 Siehe etwa Calavros, Urteilswirkungen zu Lasten Dritter, S. 45. w Siehe dazu Ballon, ZZP 101 (1988), 413, 422/423; Schima, JB11989, 419,425-431.
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3. Teil: Verfassungsrechtliche Vorgaben
zustehen, so daß es sowohl an präventivem wie an repressivem Drittrechtsschutz 11 fehlt, dann bliebe nur noch der Weg einer Begrenzung der Urteilswirkungen übrig. Dies würde in den Fällen, in denen es darum geht, über das einfache Gesetz hinaus Drittbindungen überhaupt erst zu begründen, der Rechtsfortbildung die verfassungsrechtliche Legitimation entziehen. Vor allem in den zuletzt genannten Konstellationen tritt die schon von Schlosser hervorgehobene Interdependenz von subjektiver Reichweite der Entscheidungswirkungen und dem Kreis der Verfahrensbeteiligten 12 wiederum 13 in besonders krasser Weise zutage. Weil die mit der Verfahrensbeteiligung Dritter verknüpften Fragen auf das Problem der Drittbindung Auswirkung haben können, sind die personelle Reichweite des Anspruchs auf rechtliches Gehör sowie das etwaige Folgeproblem der Realisierung dieses Rechtes im Folgenden zu verhandeln.
II. Grundsätzliche Einbeziehung "materiell Beteiligter" Nach dem Wortlaut der Verfassungsnorm soll der Anspruch ,jedermann" zustehen. Gleichwohl ist man sich darüber einig, daß diese Aussage nicht wörtlich zu nehmen ist. 14 Art. 103 Abs. 1 GG gewährt ,,kein populäres Anhörungs- oder Betei1igungsrecht".15 Vielmehr setzt das "prozessuale Urrecht des Menschen'" 6 eine wie auch immer geartete Beziehung zu einem gerichtlichen Verfahren voraus. 17 Allerdings gehen die Meinungen, nach welchen Kriterien der anzuhörende Personenkreis zu bestimmen ist, weit auseinander. Zumindest für diesen Bereich des Art. 103 Abs. 1 GG trifft die optimistische Äußerung des BVerfG aus dem Jahre 1978 18 nicht zu, daß der Geltungsumfang dieser Vorschrift "nahezu bis in die letzten Einzelheiten geklärt ist". 19
11 Die Abgrenzung zwischen diesen beiden Formen des Drittschutzes ist fließend, da die erstmalige Beteiligung eines Dritten mittels Einlegung eines ordentlichen Rechtsbehelfs, wie z. B. der Berufung, einerseits - bezogen auf das Ziel einer Verhinderung des Rechtskrafteintritts - als präventiv, andererseits als repressiv - bezogen auf das Ziel der Abwehr einer bereits ergangenen erstinstanzliehen Entscheidung - aufgefaßt werden kann. 12 In: Gestaltungsklagen und Gestaltungsurteile, S. 188. Zu diesem Zusammenhang ausführlich auch Jauemig, ZZP 101 (1988), 361, 362 ff. 13 Siehe hierzu bereits oben vor § 3 u. § 6 II. 14 Vgl. nur Baur, AcP 153 (1954), 393, 407; Zeuner, FS Nipperdey (1965), Bd. I, S. 1013, 1037; Schuttes, Beteiligung Dritter am Zivilprozeß, S. 13, 90. 15 Bettermann, JZ 1962,675,676. Ähnlich Schmidt-Aßmann, in: Maunz/Dürig/Herzogl Scholz, GG, Art. 103 Abs. 1 Rdnr. 33. 16 So BVerfG, Beschl. v. 9. 7. 1980, BVerfGE 55, I, 5/6; Beschl. v. 18. 6. 1985, BVerfGE 70, 180, 188. 17 Schmidt-Aßmann, in: Maunz/Dürig/Herzog/Scholz, GG, Art. 103 Abs. 1 Rdnr. 33; Stein/Jonas/Leipold, ZPO, Vor§ 128 Rdnr. 24. 18 Beschl. v. 10. 10. 1978, BVerfGE 49, 252, 259.
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Zum besseren Verständnis der folgenden Ausführungen sei zunächst die spezifische Problematik des Anspruchs Dritter auf Gewährung rechtlichen Gehörs sowie der als gesichert geltende Stand von Rechtsprechung und herrschendender Lehre dargestellt. Der Anspruch auf rechtliches Gehör vermittelt den an einem gerichtlichen Verfahren formell Beteiligten, also den Parteien oder Personen mit parteiähnlicher Stellung das Recht, sich zu den der Entscheidung zugrundeliegenden Tatsachen wie auch zur Rechtslage äußern zu können. 20 Mit diesem Recht aUein ist Dritten, die förmlich nicht beteiligt sind, aber gleichwohl den Wirkungen einer für sie fremden Entscheidung unterliegen, freilich noch nicht gedient. Vielmehr geht es vorrangig darum, ob und auf welche Weise materiell betroffenen Dritten die Möglichkeit eingeräumt werden muß, sich überhaupt am Verfahren (formell) zu beteiligen und dadurch auf die Entscheidung Einfluß nehmen zu können. Den mit der Anhörung im engeren Sinne verbundenen Problemen ist, soweit Dritte von Urteilswirkungen betroffen sind, somit die Frage der Beteiligung vorgelagert. Hierbei können zwei in diesem Zusammenhang auftretende Fragestellungen mittlerweile als geklärt angesehen werden: Zum einen sind sowohl die Rechtsprechung21 als auch die Literatur22 heute nahezu einhellig der Meinung, daß Art. 103 Abs. 1 GG zumindest der wichtigste Prüfungsmaßstab für die Frage ist, ob Dritte an zivilgerichtliche Entscheidungen gebunden werden dürfen. Damit wird die Ansicht von Baur bestätigt, der erstmals grundlegend auf Art. 103 Abs. 1 GG als sedes materiae für den rechtlichen Schutz des Dritten hingewiesen hat23 . Dieser Auffassung ist aus systematischen Gründen zuzustimmen: Zwar vermag die Überlegung von Calavros, daß der Beteiligungsund der Anhörungsanspruch nicht aufgespalten und auf Art. 19 Abs. 4 GG und Art. 103 Abs. 1 GG verteilt werden sollten, 24 für sich allein noch nicht zu überzeu19 So hält auch Rüping, BonnerKomm, GG, Art. 103 Abs. 1 (Zweitbearbeitung), der der Einschätzung des BVerfG grundsätzlich zustimmt (Rdnr. 23), die Diskussion um die personelle Reichweite des Gehörrechts für "noch im Fluß" (Rdnr. 75). 20 Vgl. nur BVerfG, Beseht. v. 24. 3. 1982, BVerfGE 60, 175, 210; Beseht. v. 17. 5. 1983, BVerfGE 64, 135, 1431144; Beseht. v. 3. 11. 1983, BVerfGE 65, 227, 233/234; Beseht. v. 19. 5. 1992, BVerfGE 86, 133, 133; Rüping, BonnerKomm, GG, Art. 103 Abs. 1 (Zweitbearbeitung), Rdnr. 77; Schmidt-Aßmann, in: Maunz/Dürig!Herzog!Scholz, GG, Art. 103 Abs. 1 Rdnr. 66; Benda/Weber, ZZP 96 (1983), 285, 300. 21 Siehe nur BVerfG, Beseht. v. 1. 2. 1967, BVerfGE 21 , 132, 137; Beseht. v. 9. 2. 1982, BVerfGE 60, 7, 13/14; Beseht. v. 14. 4. 1988, NJW 1988, 1963; Beseht. v. 8. 2. 1994, BVerfGE 89, 381, 390; BGH, Urt. v. 24. 11 . 1983, BGHZ 89, 121, 125. 22 Vgl. nur MünchKommZPO/G. Lüke, Einl. Rdnr. 118; Stein/Jonas/Leipold, ZPO, Vor § 128 Rdnr. 26; Schmidt-Aßmann, in: Maunz/Dürig/Herzog/Scholz, GG, Art. 103 Abs. 1 Rdnr. 7, 38 mit Fn. 45; W. Lüke, Die Beteiligung Dritter im Zivilprozeß, S. 128. Für ein Ineinandergreifen von Justizgewährungs- und Gehöranspruch Schuttes, Beteiligung Dritter am Zivilprozeß, S. 27-33. 23 In: AcP 153 (1954), 393,407/408. 24 In: Urteilswirkungen zu Lasten Dritter, S. 26.
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3. Teil: Verfassungsrechtliche Vorgaben
gen. Immerhin trägt man auch keine Bedenken, hinsichtlich der Parteien selbst zwischen dem den Zugang zum Gericht verbürgenden Justizgewährungsanspruch und dem Anhörungsrecht zu unterscheiden. 25 Indessen liegt das Hauptgewicht entgegen der Ansicht Lerches, der die Gerichtswegeröffnung für den Dritten in den Vordergrund rückt und dementsprechend auch im zivilrechtliehen Bereich ausschließlich Art. 19 Abs. 4 GG als Grundlage für den notwendigen Drittschutz versteht,26 nicht auf der Gewährung von Rechtsschutz für fixierte Rechte, die durch die erweiterte Entscheidungswirkung beeinträchtigt worden sind. Vielmehr geht es - wie Zeuner zu Recht hervorgehoben hat27 - darum, daß der Dritte im laufenden Verfahren auf die Rechtsgewinnung Einfluß nehmen so11?8 Allerdings bedeutet dies nicht, daß die von Lerche betonte Freiheit des Gesetzgebers bei der Ausgestaltung des Drittschutzes29 damit zwangsläufig einzuschränken wäre. Zum anderen ist im Grundsatz anerkannt, daß auch solche Personen durch Art. 103 Abs. 1 GG geschützt werden, die durch ein Verfahren lediglich materiell betroffen sind.30 Der Anspruch auf rechtliches Gehör steht also nicht nur denjenigen zu, die an einem Verfahren formell beteiligt werden 31 . Anderenfalls stünde die Verfassungsnonn des Art. 103 Abs. 1 GG, wie schon mehrfach angemerkt wurde, 32
7.
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Hierzu Schmidt-Aßmann, in: Maunz/ Dürig I Herzog I Scholz, GG, Art. 103 Abs. 1 Rdnr.
26 In: ZZP 78 (1965), 1, 23-25. Es stellt deshalb lediglich die halbe Wahrheit dar, wenn Jox, Die Bindung an Gerichtsentscheidungen über präjudizielle Rechtsverhältnisse, S. 158 (Fn. 48), Lerche für die Auffassung in Anspruch nimmt, daß nur formell beteiligten Dritten rechtliches Gehör zustehe. Die Gemeinsamkeiten der beiden Ansichten trotz unterschiedlicher Ausgangspunkte daher zu Recht hervorhebend Zeuner, Rechtliches Gehör, materielles Recht und Urteilswirkungen, S. 12-15. 27 In: Rechtliches Gehör, materielles Recht und Urteilswirkungen, S. 15-18. In diese Richtung schon derselbe, FS Nipperdey (1965), Bd. I, S. 1013, 1014/1015, 1039; zust. Brüggemann, JR 1969, 361, 362. Ebenso Bettermann, ZZP 90 (1977), 121, 126. 28 So auch Schmidt-Aßmann, in: Maunz/Dürig/Herzog/Scholz, GG, Art. 103 Abs. 1 Rdnr. 38 Fn. 45; Waldner, Der Anspruch aufrechtliches Gehör, Rdnr. 406. 29 In: ZZP 78 (1965), 1, 23-25. 30 Vgl. BVerfG, Beschl. v. 1. 2. 1967, BVerfGE 21, 132, 137; Beschl. v. 3. 11. 1983, BVerfGE 65, 227, 233; Beschl. v. 8. 2. 1994, BVerfGE 89, 381, 390/391; Beschl. v. 23. 3. 1994, NJW 1995, 316, 317; MünchKomrnZPO/G. Lüke, Ein!. Rdnr. 118; Stein!Jonas!Leipold, ZPO, Vor§ 128 Rdnr. 26; Schmidt-Aßmann, in: Maunz/Dürig/Herzog!Scholz, GG, Art. 103 Abs. 1 Rdnr. 38; Rosenberg/Schwab/Gottwald, ZPR, § 85 II, S. 456; Grunsky, FarnRZ 1966, 642; Schumann, ZZP 96 (1983), 137, 157; Waldner, Der Anspruch aufrechtliebes Gehör, Rdnr. 407. So bereits Baur, AcP 153 (1954), 393, 407/408. 31 So früher BayObLG, Beschl. v. 2. 9. 1966, FamRZ 1966, 639, 640/641; Stein/Jonas/ Pohle, ZPO (19. Aufl.), Vor§ 128 Anm. IX 2 (allerdings mit der Maßgabe eines Drittschutzes über den Justizanspruch); Zöller/Stephan, ZPO (17. Aufl.), Vor§ 128 Rdnr. 4 (anders jetzt Zöller/Greger, ZPO, Vor§ 128 Rdnr. 4). 32 Bettermann, JZ 1962, 675, 676; Schlosser, Gestaltungsklagen und Gestaltungsurteile, S. 1751176; derselbe, JZ 1967,431, 432; Calavros, Urteilswirkungen zu Lasten Dritter, S. 211 22; Jox, Die Bindung an Gerichtsentscheidungen über präjudizielle Rechtsverhältnisse, S. 159; Schuttes, Beteiligung Dritter am Zivilprozeß, S. 90.
§ 9 Anspruch auf Gewährung rechtlichen Gehörs
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zur Disposition des einfachen Gesetzgebers. Den von einer Entscheidung betroffenen Arbeitnehmern kann somit nicht deshalb das rechtliche Gehör vorenthalten werden, weil man sie beispielsweise bei einem Rechtsstreit zwischen den Betriebspartnern über kollektive Belange nach einhelliger Auffassung33 nicht zu den Beteiligten zählt.
111. Personelle Reichweite des Anspruchs auf rechtliches Gehör Während die Grundaussage, daß nicht nur die förmlich, sondern auch die lediglich "materiell" Beteiligten anhörungsberechtigt sein können, allgemein konsentiert ist, fehlt es an einer Einigkeit über die Frage, auf welche Weise der Kreis dieser Dritten abzugrenzen ist. Vielmehr finden sich in der Rechtsprechung und im Schrifttum zumindest auf den ersten Blick eine Vielzahl unterschiedlicher Konzepte, mit denen diese Problematik bewältigt werden soll.
1. Aussagen des Bundesverfassungsgerichts
Für die Konkretisierung des Art. 103 Abs. 1 GG ist zunächst an die Aussagen des BVerfG anzuknüpfen, da ihnen insoweit zumindest "im Kern" Verfassungsrang zukommt und zudem weite Teile der Literatur die gerichtlichen Ausführungen als Grundlage für weitere Überlegungen nutzen. Das BVerfG vertritt zum Problem des personellen Schutzbereichs von Art. 103 Abs. 1 GG in ständiger Rechtsprechung die Ansicht, daß das Anhörungsrecht grundsätzlich demjenigen zustehe, der durch das gerichtliche Verfahren bzw. die gerichtliche Entscheidung unmittelbar in seinen Rechten betroffen werde. 34 Zur Veranschaulichung des damit Gemeinten seien einige der zugrundeliegenden Sachverhalte, vor allem diejenigen mit zivil(verfahrens)rechtlichem Einschlag, dargelegt. 33 BAG, Beschl. v. 13. 7. 1955, AP Nr. 2 zu § 81 BetrVG (unter II a d. Gr.); Beschl. v. 1. 8. 1958, AP Nr. I zu§ 83 ArbGG 1953 (BI. IR); Grunsky, ArbGG, § 83 Rdnr. 14; Wichmann, ArbuR 1975, 294, 295/296; Otto, RdA 1989, 247, 250 (Fn. 27); Konzen, FS Zeuner (1994), S. 401, 404; Laux, Die Antrags- und Beteiligungsbefugnis im arbeitsgerichtliehen Beschlußverfahren, S. 65; differenzierend Matthes, in: Germelmann/Matthes/Prütting, ArbGG, § 83 Rdnr. 45. Siehe zur Beteiligung nach § 83 Abs. 3 ArbGG im übrigen oben unter § 8 li. 34 Beschl. v. 8. 11. 1960, BVerfGE 12, 6, 8; Beschl. v. 22. 4. 1964, BVerfGE 17, 356, 362; Beschl. v. 1. 2. 1967, BVerfGE 21, 132, 137; Beschl. v. 2. 5. 1967, BVerfGE 21, 362, 373; Beschl. v. 9. 2. 1982, BVerfGE 60, 1, 13; Beschl. v. 3. 11. 1983, BVerfGE 65, 227, 233; Beschl. v. 14. 4. 1987, BVerfGE 75, 201, 215; Beschl. v. 14. 4. 1988, NJW 1988, 1963; Beschl. v. 14. 1. 1991, NJW 1991, 2078; Beschl. v. 8. 2. 1994, BVerfGE 89, 381, 390/391; Beschl. v. 23. 3. 1994, NJW 1995, 316, 317.
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3. Teil: Verfassungsrechtliche Vorgaben
In der grundlegenden Entscheidung vom 1. 2. 196735 ging es um ein Ehelichkeitsanfechtungsverfahren. Auf Betreiben einer geschiedenen Ehefrau klagte der zuständige Staatsanwalt gemäߧ 1595a a. F. BGB auf Anfechtung der Ehelichkeit eines während der Ehe geborenen Kindes. Das Zivilgericht gab der Klage statt, ohne daß der zwischenzeitlich in die USA ausgewanderte frühere Ehemann beteiligt wurde. Das BVerfG sah hierin einen Verstoß gegen Art. 103 Abs. 1 GG. Der Vater des Kindes verliere sein Recht aus Art. 6 Abs. 2 GG auf Pflege und Erziehung des Kindes nämlich unmittelbar durch die gerichtliche Entscheidung. Der Beschluß vom 9. 2. 198236 betraf einen Fall aus dem Gesellschaftsrecht In einer Zwei-Mann-GmbH erhob ein Gesellschafter die Auflösungsklage nach § 61 Abs. 2 GmbHG, der das Landgericht stattgab. Eine Beteiligung des anderen Gesellschafters erfolgte nicht. Das BVerfG war der Ansicht, daß auch in diesem Fall der Grundsatz des rechtlichen Gehörs verletzt worden sei, da das Auflösungsurteil auf Grund seiner rechtsauthebenden Wirkung unmittelbar in die Rechtsstellung des anderen Gesellschafters eingegriffen habe. Im Beschluß vom 14. 4. 198737 handelte es sich um das Verlangen eines Elternteils gegenüber einer Pflegeperson auf Herausgabe eines Kindes nach § 1632 Abs. 1 BGB. Das Zivilgericht hatte dem Verlangen ohne eine Anhörung des Kindes entsprochen. Das BVerfG sah in diesem Fall Art. 103 Abs. 1 GG zwar nicht als verletzt an. Dem Begründungszusammenhang ist aber zu entnehmen, daß dem Kind prinzipiell eine Rechtsstellung zuerkannt wurde, die durch die gerichtliche Entscheidung unmittelbar betroffen wird. Der Entscheidung vom 14. 4. 198838 lag ein Adoptionsverfahren zugrunde. Hier hatte das Vormundschaftsgericht das Kind des Annehmenden zwar zu einer Stellungnahme aufgefordert, den daraufhin eingegangenen Schriftsatz aber nicht berücksichtigt. Nach Auffassung des BVerfG lag hierin ebenfalls eine Verletzung des Art. 103 Abs. 1 GG. Dabei ist in vorliegendem Zusammenhang nur von Interesse, daß die Anhörungsberechtigung auch dem durch die gerichtliche Entscheidung lediglich materiellrechtlich betroffenen Kind zugesprochen wurde. Als Auslöser des Gehöranspruchs bezeichnete das BVerfG die Veränderung unterhaltsrechtlicher und erbrechtlicher Rechtspositionen. Des weiteren ist der Beschluß vom 14. 1. 1991 39 zu nennen. Der BGH hatte in einem Prozeßkostenhilfeverfahren dem Antragsgegner die Einsichtnahme in die Unterlagen des Antragstellers über seine persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse verwehrt. Das BVerfG bestätigte diese Entscheidung: Die Auslegung des Prozeßkostenhilferechts durch den BGH, wonach die Bejahung des sozialen Teils 3S
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BVerfGE 21, 132 ff. BVerfGE 60, 7 ff. BVerfGE 75, 201 ff. NJW 1988, 1963. NJW 1991, 2078.
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des Bewilligungstatbestandes die Rechtsposition des Gegners nicht berühre40, halte den Anforderungen des Art. 103 Abs. 1 GG stand. Im Beschluß vom 8. 2. 199441 ging es wiederum um eine Adoption. Das Vormundschaftsgericht hatte eine Volljährigenadoption ausgesprochen, ohne dem Kind des Annehmenden die Gelegenheit zu geben, zum Ergebnis der persönlichen Anhörung des Annehmenden und der Anzunehmenden Stellung zu nehmen. Nach Ansicht des BVerfG wurde durch diese Verfahrensweise Art. 103 Abs. 1 GG verletzt. Den Abkömmlingen des Annehmenden stehe bei der Volljährigenadoption nämlich ein Anspruch auf rechtliches Gehör zu, da sie zum einen durch den gerichtlichen Ausspruch unmittelbar materiellrechtlich betroffen seien und zum anderen § 1769 BGB ihre Interessen anerkenne. Eine Analyse dieser Judikate fördert im wesentlichen drei Erkenntnisse zutage: Zunächst kommt es auf die rechtliche Ausformung der Stellung des Dritten an, was insbesondere das zuletzt erwähnte Judikat noch einmal deutlich hervorhebt. Zu deren Ermittlung trägt Art. 103 Abs. 1 GG für sich genommen nichts bei. Vielmehr bedarf es einer Analyse der Strukturen des sonstigen, vornehmlich einfachen Rechts, um Auskunft darüber geben zu können, ob der Dritte eine eigenständige Rechtsstellung innehat. 42 Sodann geht das BVerfG stets davon aus, daß die jeweilige gerichtliche Entscheidung trotz einer eventuellen Verletzung des Art. 103 Abs. 1 GG überhaupt gegenüber dem Dritten wirkt. 43 Dies ist keineswegs selbstverständlich, da auch daran zu denken wäre, in den Fällen unterlassener Drittbeteiligung jeweils die Reichweite der Urteilswirkung einzuschränken. Dies würde allerdings zumindest auf den ersten Blick zu dem eigenartigen Ergebnis führen, daß der Anspruch Dritter auf rechtliches Gehör durch das erstentscheidende Gericht niemals verletzt werden könnte. Man wird nämlich kaum annehmen können, daß Art. 103 Abs. 1 GG auch solche Dritten schützen will, die von den Wirkungen einer Entscheidung nicht erfaßt werden. Dieser in derartigen Zusammenhängen immer wieder auftretenden Eigentümlichkeit44 entgeht man nur, wenn man - wie auch das BVerfG stillschweigend - die Drittbindung zunächst zugrundelegt und dann fragt, ob der Grundsatz Grundlegend BGH, Beschl. v. 15. 11. 1983, BGHZ 89, 65 ff. BVerfGE 89,381 ff. Ebenso Beschl. v. 23. 3. 1994, NJW 1995, 316f. 42 Diese Anschauung findet ihre Parallele im ebenfalls formal zu begreifenden Gewährleistungsinhalt der Rechtsschutzgarantie des Art. 19 Abs. 4 GG; vgl. BVerfG, Beschl. v. 9. l. 1991, BVerfGE 83, 182, 194/195. 43 Siehe insbesondere Beschl. v. l. 2. 1967, BVerfGE 21 , 132, 137, und Beschl. v. 9. 2. 1982, BVerfGE 60, 7, 13. 44 Vgl. Schlosser, Gestaltungsklagen und Gestaltungsurteile, S. 196. Siehe auch Marotzke, ZZP 100 (1987), 164, 188, zur Ungereimtheit, den entgegen§ 640e ZPO nicht beigeladenen Elternteil durch Urteilszustellung und eigenständige Berufungsfrist vor den Folgen einer Drittbindung schützen zu wollen, die nach dem Wortlaut der §§ 640h S. I, 705 S. 1 ZPO überhaupt erst mit der formellen Rechtskraft der Entscheidung eintritt. 40 41
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3. Teil: Verfassungsrechtliche Vorgaben
des rechtlichen Gehörs eine Einbeziehung des Dritten gebietet. Dies gilt auch für diejenigen unter den hier zu erörternden Fallgruppen, bei denen eine über die Parteien ausgedehnte Entscheidungswirkung einfachgesetzlich gerade noch nicht unzweifelhaft feststeht. Denn es bedarf eines bewußt gesetzten Fixpunktes, um den personellen Schutzbereich des Art. 103 Abs. 1 GG zu ermitteln. Nur auf den ersten Blick anders wäre dies, wenn man - einer Überlegung Zeuners45 folgend - einen vollständigen Perspektivenwechsel vornehmen und ausschließlich darauf abstellen würde, ob das Gericht in einem Folgeprozeß Art. 103 Abs. 1 GG dadurch verletzt, daß es zu Unrecht von einer Drittbindung ausgeht. Bei einer solchen Sicht der Dinge stünde zwar die unterlassene Heranziehung des Dritten fest, so daß der Drittschutz zumindest vornehmlich über eine Relativierung der Urteilswirkung zu erzielen wäre. Der Wechsel in der Betrachtungsweise ändert indessen nichts an den inhaltlichen Kriterien, nach denen sich das Bestehen eines Anspruchs Dritter auf rechtliches Gehör bemißt. Ferner spielt es für das weitere Merkmal der unmittelbaren Betroffenheit zumindest keine Rolle, ob die Beeinträchtigung des Dritten - prozessual - durch die erweiterte Wirkung der materiellen Rechtskraft46 oder - materiellrechtlich - durch die Gestaltungswirkung47 vermittelt wird. Dieser Ansicht ist beizupflichten, da die gesetzestechnische Konstruktion als solche für den verfassungsrechtlich gebotenen Drittschutz unerheblich sein muß. 4 8 Dies bedeutet, daß auch die Drittbindung qua Tatbestandswirkung nicht per se aus den Überlegungen um die personelle Reichweite des Art. 103 Abs. 1 GG auszuscheiden ist. 49 Wenn aber die Bindungsform für den aus dieser Vorschrift resultierenden Schutz unerheblich ist, dann vermag es nicht zu überzeugen, den Anspruch auf rechtliches Gehör zwar gegen Rechtskrafterstreckungen zu mobilisieren, diesen Aspekt bei einer materiellrechtlichen Verknüpfung von Entscheidung und Rechtsstellung des Dritten indessen nicht mehr zu berücksichtigen. 50 Ob die normative Wirkung einer Entscheidung dagegen eine an45 In: Rechtliches Gehör, materielles Recht und Urteilswirkungen, S. 51152 mit Fn. 76. Jox, Die Bindung an Gerichtsentscheidungen über präjudizielle Rechtsverhältnisse, S. 155157, erwägt zwar einen Verstoß gegen Art. 103 Abs. 1 GG im Folgeverfahren, beschäftigt sich aber nicht mit der Frage einer daraus resultierenden Relativierung der Entscheidungswirkung. 46 So im Falle der Ehelichkeitsanfechtung, bei der die materielle Rechtskraft des im Anfechtungsprozeß ergehenden Gestaltungsurteils gemäß § 640h S. 1 ZPO für und gegen alle wirkt; vgl. BGH, Urt. v. 29. 4. 1982, BGHZ 83, 391 , 393; Beseht. v. 10. 10. 1984, BGHZ 92, 275,276. 47 So bei der Auflösung einer GmbH oder bei einer Adoption. 48 Ebenso Grunsky, FamRZ 1966, 642; derselbe, FamRZ 1969, 522, 524; Brüggemann, JR 1969, 361, 364; M. Wolf, JZ 1971, 405; Schlosser, Gestaltungsklagen und Gestaltungsurteile, S. 171, 184; Calavros, Urteilswirkungen zu Lasten Dritter, S. 166/167; W Lüke, Die Beteiligung Dritter im Zivilprozeß, S. 122. 49 So auch Grunsky, FamRZ 1969, 522, 524. In diese Richtung aber Bettermann, JZ 1962, 675, 678; Waldner, Der Anspruch auf rechtliches Gehör, Rdnr. 432. so So aber Prütting, RdA 1991, 257, 264 u. 266/267.
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dere Beurteilung rechtfertigt51 , was insbesondere für Rechtsstreitigkeiten über Tarifverträge und Betriebsvereinbarungen von Belang sein könnte, wird zu untersuchen sein. 52
2. Konkretisierungen im Schrifttum
Nach dem soeben Gesagten kommt es für den Anspruch auf rechtliches Gehör im Grundsatz darauf an, daß der Dritte eine spezifisch ausgeformte rechtliche Stellung innehat, die durch die Entscheidung unmittelbar betroffen ist. Dies führt zu der Frage, auf welche Weise diese Erfordernisse weiter konkretisiert werden können. Zu diesem Zweck sollen im Folgenden solche literarischen Ansätze beschrieben werden, die jenseits einer reinen Einzelfallbetrachtung griffige Kriterien für die subjektive Tragweite des rechtlichen Gehörs herausgebildet haben. Dabei ist das insbesondere Augenmerk darauf zu lenken, welchen Lösungen vieldiskutierte Fallgruppen zugeführt werden, da sich der Gehalt der einzelnen Konzepte häufig erst an Hand konkreter Beispiele vollends t