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German Pages 445 [472] Year 2017
Veröffentlichungen zum Verfahrensrecht Band 140 herausgegeben von Rolf Stürner
Heiko Dürr-Auster
Die Qualifikation als Gruppenoder Verbandskläger im kollektiven Rechtsschutz Einer für alle, aber wer nur?
Mohr Siebeck
Heiko Dürr-Auster, geboren 1987; Studium der Rechtswissenschaften an der Universität Konstanz; wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Universität Konstanz; 2017 Promotion; seit 2016 Rechtsreferendariat im Bezirk des Oberlandesgerichtes Köln.
Zugleich Dissertation, Universität Konstanz, 2017. ISBN 978-3-16-155400-1 ISSN 0722-7574 (Veröffentlichungen zum Verfahrensrecht) Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliographie; detaillierte bibliographische Daten sind im Internet über http:// dnb.dnb.de abrufbar. © 2017 Mohr Siebeck Tübingen. www.mohr.de Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Ver wertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlags unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Das Buch wurde von epline in Kirchheim/Teck gesetzt und von Gulde-Druck in Tübingen auf alterungsbeständiges Werkdruckpapier gedruckt und gebunden.
Meinen Eltern
Vorwort Die vorliegende Arbeit wurde vom Fachbereich Rechtswissenschaft der Universität Konstanz im Wintersemester 2016/2017 als Dissertation angenommen. Die Disputation fand am 30. Januar 2017 statt. Rechtsprechung, Literatur und aktu elle politische Entwicklungen wurden bis Ende des Jahres 2016 berücksichtigt. Mein herzlicher Dank gilt an erster Stelle Frau Prof. Dr. Astrid Stadler für die Betreuung und Erstbegutachtung dieser Arbeit, ihren fachlichen Rat und nicht zuletzt ihre Aufgeschlossenheit gegenüber meinem Wohnsitzwechsel in das Rheinland. Bedanken möchte ich mich zudem bei Herrn Prof. Dr. Michael Stürner für die zügige Erstellung des Zweitgutachtens sowie bei Herrn Prof. Dr. Rüdiger Wilhelmi, der die Prüfungskommission vervollständigte. Herrn Prof. Dr. Rolf Stürner schulde ich meinen Dank für die Aufnahme der Arbeit in diese Reihe. Der Studienstiftung ius vivum und Herrn Prof. Dr. Haimo Schack danke ich für einen großzügigen finanziellen Beitrag zu den Druckkosten. Ferner werde ich mich immer wieder gerne an meine sechsjährige Tätigkeit am Lehrstuhl zurückerinnern, der sich meines Erachtens neben dem Fachlichen stets durch einen besonderen persönlichen Zusammenhalt hervorgetan hat. Dafür möchte ich mich bei allen Kollegen bedanken. Stellvertretend gilt mein besonderer Dank Herrn Dr. Matthias Klöpfer, der in allen Fragen stets ein offenes Ohr für mich hatte. Persönlich richtet sich mein Dank zuvorderst an meine Freundin Frau Maria Agüera, ohne deren stetigen Beistand und gutes Zureden diese Arbeit vermutlich nicht zum Abschluss gefunden und ich die vergangenen Jahre sicherlich nicht gleicherweise gemeistert hätte. Ebenso danke ich meiner Familie und meinen Freunden für ihre Unterstützung in den schwierigen Zeiten während des Entstehens dieser Arbeit. Mein besonderer Dank gilt dabei Herrn Dr. Lasse G undelach, der nicht nur immer gerne für eine fachliche Diskussion zur Verfügung stand, sondern auf dessen Hilfe ich auch darüber hinaus stets uneingeschränkt zählen konnte. Herrn Lennart Königsberger und seiner Familie danke ich für die kostenlose Bleibe, die ich während meiner Besuche in Konstanz stets in Anspruch nehmen durfte. Bonn im März 2017
Heiko Dürr-Auster
Inhaltsübersicht Vorwort . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . VII Inhaltsverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . XI Abkürzungsverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . XIX
Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1 Erstes Kapitel: Rechtliche und rechtspolitische Grundlagen . . . . . . . 5 § 1 Kollektiver Rechtsschutz in Kürze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5
I. Fallgestaltungen und ihre Behandlung durch kollektive Prozessmechanismen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6 II. Erscheinungsformen kollektiver Rechtsschutzmechanismen . . . . . . 19
§ 2
(Rechts-)Politische Auseinandersetzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23
I. Europäische Union . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23 II. Deutschland . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 44
§ 3 Problemstellung und Gang der weiteren Untersuchung . . . . . . . . . . . 56
I. Interessenkonflikte im Repräsentationsprinzip . . . . . . . . . . . . . . . . . 56 II. Gang der weiteren Untersuchung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 69
Zweites Kapitel: Kollektiver Rechtsschutz de lege lata . . . . . . . . . . . 71 § 4 Bestandsaufnahme: Kollektiver Rechtsschutz in Deutschland und der EU . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 71
I. Gegenwärtige Rechtslage in Deutschland . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 72 II. Ausgewählte kollektive Rechtsschutzmechanismen … . . . . . . . . . . 95
§ 5 Erfahrungen mit Privatorganisationen im kollektiven Rechtsschutz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 126 I. Wirtschaftsverbände, „para-staatliche Einrichtungen“ und die CDC Consulting SCRL: Deutschland . . . . . . . . . . . . . . . . . . 127 II. Unkontrollierter Wildwuchs oder begrüßenswerter Wettbewerb?: die Niederlande . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 163
X
Inhaltsübersicht
III. Never change a running system?: Frankreich . . . . . . . . . . . . . . . . . . 174
Drittes Kapitel: Die Person des Repräsentanten . . . . . . . . . . . . . . . . . . 183 § 6
Die „Einrichtung“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 184 I. Vorgaben des primären und sekundären Unionsrechts . . . . . . . . . . . II. Der Verband . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Die association . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Die stichting und die vereniging . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . V. Schlussfolgerungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
185 201 231 234 251
Viertes Kapitel: Qualifikation zur Interessenvertretung . . . . . . . . . . . 267 § 7
Abstrakte Vorgaben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 268
I. Primär- und Sekundärrecht der Europäischen Union . . . . . . . . . . . . 268 II. Kontrolldichte de lege lata . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 276 III. Schlussfolgerungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 300
§ 8 Eignung für den konkreten Fall . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 313
I. Die Übereinstimmung des Satzungszwecks und der tatsächlichen Verbandstätigkeit mit dem konkret geschützten Interesse in Deutschland . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 314 II. Das Repräsentativitätsgebot in den Niederlanden . . . . . . . . . . . . . . . 341 III. Schlussfolgerungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 356
§ 9 Notwendige Anpassungen am Verbandsklagerecht de lege lata . . . . . 361
I. Mangelhafte Abgrenzung von Interessenbereichen . . . . . . . . . . . . . 361 II. Ein horizontaler Ansatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 379
Fünftes Kapitel: Auswahl eines bestimmten Repräsentanten . . . . . . 381 § 10 Überprüfung der Qualifikationsmerkmale . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 381
I. Empfehlung der EU-Kommission . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 382 II. Besonderes Anerkennungsverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 383 III. Schlussfolgerungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 402
Zusammenfassung der wesentlichen Thesen und Ergebnis . . . . . . . . 409 Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 417 Sachverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 439
Inhaltsverzeichnis Vorwort . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . VII Inhaltsübersicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IX Abkürzungsverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . XIX
Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1 Erstes Kapitel: Rechtliche und rechtspolitische Grundlagen . . . . . . . 5 § 1 Kollektiver Rechtsschutz in Kürze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5 I. Fallgestaltungen und ihre Behandlung durch kollektive Prozessmechanismen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Ordnungsversuche . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Gemeinsamkeiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Massenschaden und Streuschaden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) „Negative-expected-value“ und „positive-expected-value“ . 2. Kompensation von Massenschäden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Interessenlage der Geschädigten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Funktion des kollektiven Rechtsschutzes . . . . . . . . . . . . . . . . aa) für den bzw. die Geschädigten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) für das Gerichtssystem . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Markt- und Verhaltenssteuerung bei Streuschäden . . . . . . . . . . . a) Rationale Apathie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Durchsetzungsdefizite . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Präventionsfunktion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Subjektiver Rechtsschutz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Objektiver Rechtsschutz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Dogmatische Vereinbarkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Erscheinungsformen kollektiver Rechtsschutzmechanismen . . . . . .
§ 2
6 6 6 8 9 10 10 10 11 11 12 12 13 14 16 17 19 19
(Rechts-)Politische Auseinandersetzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23 I.
Europäische Union . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Rechtspolitische Entwicklung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Der Zugang der Verbraucher zum Recht . . . . . . . . . . . . . . . . b) Kollektiver Rechtsschutz im Wettbewerbsrecht . . . . . . . . . . .
23 23 23 25
XII
Inhaltsverzeichnis
c) Verbraucherschutz durch kollektiven Rechtsschutz . . . . . . . . 32 d) Zusammenführung der politischen Aktivitäten . . . . . . . . . . . 37 2. Empfehlung der Kommission 2013 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 40 3. Aktuellste Entwicklungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 43 II. Deutschland . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 44 1. Kollektiver Rechtsschutz im Wettbewerbs- und Kartellrecht . . . 44 2. Kollektiver Rechtsschutz im AGB-Recht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 47 3. Umsetzung europäischer Verbraucherschutzgesetzgebung – AGBG bzw. UKlaG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 49 4. Initiativen für ein sektorenunabhängiges kollektives Rechtsschutzverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 51 5. Umsetzungsmaßnahmen i. S. v. Nr. 38 Kommissions-Empfehlung in Deutschland . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 54
§ 3 Problemstellung und Gang der weiteren Untersuchung . . . . . . . . . . . 56 I. Interessenkonflikte im Repräsentationsprinzip . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Prinzipal-Agenten-Konflikte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Die Gesamtgruppe und ihr Vertreter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Der Vertreter des Vertreters . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Trittbrettfahrerverhalten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Verfahrensfinanzierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Kontrolle ex ante versus Kontrolle ex post . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Voraussetzungen für die Verfahrenseröffnung und -fortsetzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Ergebniskontrolle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Zwischenfazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Gang der weiteren Untersuchung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
56 57 57 59 61 62 64 64 65 68 69
Zweites Kapitel: Kollektiver Rechtsschutz de lege lata . . . . . . . . . . . 71 § 4 Bestandsaufnahme: Kollektiver Rechtsschutz in Deutschland und der EU . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 71 I. Gegenwärtige Rechtslage in Deutschland . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Prozessuale Bündelungsmöglichkeiten nach der ZPO . . . . . . . . . a) Zivilprozess als individuelles Zwei-Parteien-Verfahren . . . . . b) Prozessführungsbefugnis und Sachlegitimation . . . . . . . . . . . aa) Begriff und Funktion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Voraussetzungen einer Prozessstandschaft . . . . . . . . . . . . c) Streitgenossenschaft oder subjektive Klagenhäufung (§§ 59 bis 63 ZPO) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Materiell-rechtliche Anspruchsbündelung: das Einziehungs- bzw. Abtretungsmodell . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Materiell-rechtliche Bündelungsformen . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Einziehungsermächtigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
72 72 72 73 73 75
76 77 78 78
Inhaltsverzeichnis
XIII
bb) Vollabtretung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 79 cc) Inkassozession . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 79 b) Gesetzliche Vorgaben nach alter und neuer Rechtslage . . . . . 80 c) Interessenvereinigungen und Rechtsverfolgungsgesellschaften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 84 aa) Erlaubnispflicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 85 (1) Einziehung „auf fremde Rechnung“ . . . . . . . . . . . . . . 86 (2) Weitere Voraussetzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 88 bb) Registrierung im Bereich Inkassodienstleistung . . . . . . . 89 3. Verbandsklagen nach UWG, GWB und UKlaG . . . . . . . . . . . . . . 92 II. Ausgewählte kollektive Rechtsschutzmechanismen … . . . . . . . . . . 95 1. in den Niederlanden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 96 a) Prozessuale Grundlagen und Verbandsklage . . . . . . . . . . . . . 96 b) Das Wet collectieve afwikkeling massaschade (WCAM) . . . . 98 c) Eine Verbandsklage auf Schadenersatz – die motie Dijksma . 103 aa) Erster Vorentwurf . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 103 bb) Jüngste Entwicklungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 104 2. in Frankreich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 107 a) Bisherige Kollektivverfahren des Code de la Consommation 107 b) Die neue action de groupe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 109 c) Praktische Anwendung der action de groupe . . . . . . . . . . . . . 111 3. in anderen EU-Mitgliedsstaaten im Überblick . . . . . . . . . . . . . . . 114 a) Dänemark, Norwegen, Schweden, Finnland . . . . . . . . . . . . . 115 b) England und Wales . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 119 c) Belgien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 124
§ 5 Erfahrungen mit Privatorganisationen im kollektiven Rechtsschutz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 126 I. Wirtschaftsverbände, „para-staatliche Einrichtungen“ und die CDC Consulting SCRL: Deutschland . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Wirtschafts- und Unternehmerverbände . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Verbände für ein allgemeines Verbraucherinteresse in Deutschland . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Entstehung von Verbraucherverbänden . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Aufbau und Funktion der großen deutschen Verbraucherverbände . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Verbraucherzentrale Bundesverband e. V. und Verbraucherzentralen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Die Verbraucherinitiative e. V. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Entwicklung und Praxis der Verbandsklagerechte . . . . . . . . . . . . 4. Cartel Damage Claims (CDC): Kompensation eines gesetzgeberischen Mangels . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Die Unternehmensgruppe Cartel Damage Claims (CDC) . . .
127 127 130 130 134 134 139 140 145 145
XIV
Inhaltsverzeichnis
b) Das Vorgehen der Cartel Damage Claims SA (CDC SA) im Fall Zementkartell . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Maßstab für die Sittenwidrigkeit einer Inkassozession . . (1) Gesetzliche Maßstäbe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Vorausgegangene Rechtsprechung . . . . . . . . . . . . . . . (3) Rechtsgeschäfte zu Lasten Dritter . . . . . . . . . . . . . . . bb) Anknüpfungspunkte für die Sittenwidrigkeit der konkreten Inkassozessionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Verlagerung des Prozesskostenrisikos . . . . . . . . . . . . (2) Streitgenössische Individualklage als scheinbare Alternative . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Konsequenzen mit Blick auf den kollektiven Rechtsschutz . . II. Unkontrollierter Wildwuchs oder begrüßenswerter Wettbewerb?: die Niederlande . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Entstehung des kollektiven Privatrechtsschutzes . . . . . . . . . . . . . 2. Das Phänomen claimstichting und ihr Wildwuchs . . . . . . . . . . . . 3. Regelungs- bzw. Regulierungsbedarf? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Never change a running system?: Frankreich . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Ursprünge der Rechtsdurchsetzung durch Interessenverbände . . 2. Geltendmachung eines intérêt collectif im geltenden Recht . . . . 3. Verbraucherverbände und die action de groupe . . . . . . . . . . . . . .
146 148 148 148 150 152 153 154 158 161 161 163 163 166 170 174 174 176 178
Drittes Kapitel: Die Person des Repräsentanten . . . . . . . . . . . . . . . . . . 183 § 6
Die „Einrichtung“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 184
I. Vorgaben des primären und sekundären Unionsrechts . . . . . . . . . . . 185 1. EU-Richtlinien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 185 a) Die lauterkeitsrechtlichen Richtlinien 84/450/EWG, 2005/29/EG und 2006/114/EG und die Klausel-Richtlinie 93/13/EWG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 185 b) Die Fernabsatz-Richtlinien 97/7/EG und 2002/26/EG und die Verbraucherrechte-Richtlinie 2013/83/EU . . . . . . . . 188 c) Die Richtlinien über Unterlassungsklagen 98/27/EG und 2009/22/EG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 191 d) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 194 2. Europarechtliche Verankerung von Verbraucherverbandsklagen . 195 a) Acquis Communautaire . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 195 b) Primärrechtliche Verankerung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 197 c) Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 199 II. Der Verband . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 201 1. Verbandsbegriff . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 201
Inhaltsverzeichnis
2. Verbraucherverbände . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Entstehung der Unterlassungsklage von Verbraucherverbänden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Wahrnehmung von Verbraucherinteressen . . . . . . . . . . . . . . . aa) Verbraucherinteressen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Art und Weise der Interessenwahrnehmung . . . . . . . . . . . cc) Vermutung gem. § 4 II 2 UKlaG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Rechtsform und Gewerbsmäßigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Einziehungs- und Abtretungstätigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Verbände zur Förderung gewerblicher und selbstständiger beruflicher Interessen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Historischer Ursprung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Rechtsfähigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Privatrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Öffentliches Recht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Satzungszweck . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Einziehungs- und Abtretungslösungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Die association . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Association . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Association de défense des consommateurs . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Die stichting und die vereniging . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Stichtingen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Verenigingen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Reformvorhaben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Das Wet bestuur en toezicht rechtspersonen . . . . . . . . . . . . . . b) Der Claimcode . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Reform des Art. 3:305a BW . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Unterstützung durch staatliche Institutionen . . . . . . . . . . . . . . . . V. Schlussfolgerungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Interessenschutz durch Interessenorganisationen . . . . . . . . . . . . . 2. Repräsentation von Individualinterressen . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Rechtsform . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Bedeutung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Alternativen innerhalb und außerhalb des Verbandsystems . . 4. Ursprung finanzieller Mittel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
XV 205 205 208 208 210 212 217 221 221 221 222 223 224 227 230 231 232 233 234 236 240 243 243 245 248 251 251 252 255 258 258 259 262
Viertes Kapitel: Qualifikation zur Interessenvertretung . . . . . . . . . . . 267 § 7
Abstrakte Vorgaben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 268 I. Primär- und Sekundärrecht der Europäischen Union . . . . . . . . . . . . 1. Vorgaben des Art. 169 AEUV . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Richtlinien als Basis für Mindestkriterien . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Kontrolldichte de lege lata . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
268 269 270 276
XVI
Inhaltsverzeichnis
1. Umfangreiche Regulierung in Deutschland . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Verbraucherverbände . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Unterlassungsklagebefugnis durch Anerkennung als „qualifizierte Einrichtung“ i. S. v. § 4 II 1 UKlaG . . . . . . bb) Rechtsdienstleistende Tätigkeit gem. § 8 I Nr. 4 RDG . . . b) Verbände zur Förderung gewerblicher und selbstständiger beruflicher Interessen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Zur sachlichen und personellen Ausstattung – Zusammenarbeit mit einem Rechtsanwalt . . . . . . . . . . . . bb) Finanzielle Leistungsfähigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Abschaffung der Wertrevision . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Ermittlung des Gebührenstreitwertes . . . . . . . . . . . . . (3) Streitwertbegünstigung anstelle von Streitwertherabsetzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (4) Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Finanzierungsquellen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . dd) Tatsächliche ausgeübte, satzungsgemäße Tätigkeit . . . . . c) Einziehungs- und Abtretungslösungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Vergleichbare Ansätze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Kaum Regulierung in den Niederlanden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Schlussfolgerungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Personelle und sachliche Ausstattung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Trennung zwischen Gruppenrepräsentant und Prozessvertreter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Finanzielle Ausstattung und Transparenz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Verfahren bei Streuschäden und im negatorischen Rechtsschutz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Verfahren bei Massenschäden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Zuvor offiziell anerkannte und ad hoc zugelassene Einrichtungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
276 276 276 281 283 284 285 285 286 288 290 291 292 295 297 298 300 301 301 302 305 305 308 311
§ 8 Eignung für den konkreten Fall . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 313 I. Die Übereinstimmung des Satzungszwecks und der tatsächlichen Verbandstätigkeit mit dem konkret geschützten Interesse in Deutschland . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Gerichtliche Überprüfung von Verbraucherverbänden . . . . . . . . . a) Rechtfertigungsversuche der Rechtsprechung . . . . . . . . . . . . b) Rechtfertigungsversuche der Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Verbände zur Förderung gewerblicher und selbstständiger beruflicher Interessen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Erhebliche Anzahl von Mitgliedern auf dem sachlich und räumlich relevanten Markt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
314 314 316 318 323 323 324
Inhaltsverzeichnis
b) Absatz- und Nachfragewettbewerb . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Berührung von Mitgliederinteressen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Schutz von Marktteilnehmern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Voraussetzungen für eine rechtdienstleistende Tätigkeit nach RDG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Das Repräsentativitätsgebot in den Niederlanden . . . . . . . . . . . . . . . 1. Für und Wider ein Repräsentativitätsgebot . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Repräsentativität einerseits, hinreichender Interessenschutz andererseits . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Reformvorhaben: Auf Umwegen zu einem Repräsentativitätsgebot . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Der Vorentwurf eines Wet afwikkeling massaschade in een collectieve actie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Die Vorschläge der Juristengruppe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Der Entwurf eines Änderungsgesetzes . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Schlussfolgerungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Satzungszweck . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Repräsentativität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
XVII 326 330 335 339 341 341 344 350 350 353 354 356 357 359
§ 9 Notwendige Anpassungen am Verbandsklagerecht de lege lata . . . . . 361 I. Mangelhafte Abgrenzung von Interessenbereichen . . . . . . . . . . . . . 1. § 3 I Nr. 1 UKlaG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. § 3 I Nr. 2 UKlaG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Interessenwiederspruch im Verhältnis zu § 2 UKlaG . . . . . . . aa) Problemstellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Verhältnis der Verbandsklagen nach § 8 UWG und § 2 UKlaG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Anspruchskonkurrenz von § 1 bzw. § 1a UKlaG und §§ 8 I i. V.m 3 I, 3a UWG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. § 8 III Nr. 2 und 3 UWG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. § 33 II Nr. 1 und 2 GWB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Ein horizontaler Ansatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
361 362 363 363 363
365 368 369 370 371 374 379
Fünftes Kapitel: Auswahl eines bestimmten Repräsentanten . . . . . . 381 § 10 Überprüfung der Qualifikationsmerkmale . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 381 I. Empfehlung der EU-Kommission . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Besonderes Anerkennungsverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Deutschland . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Eintragungsverfahren zur Liste qualifizierter Einrichtungen nach Unterlassungsklagengesetz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Eintragung in die Liste qualifizierter Einrichtungen . . . .
382 383 384
384 384
XVIII
Inhaltsverzeichnis
bb) Kontrolle, Ruhen und Löschung einer Eintragung . . . . . . cc) Eintragungspraxis des Bundesamtes für Justiz . . . . . . . . . b) Registrierungsverfahren nach Rechtsdienstleistungsgesetz . . aa) Antrag auf Registrierung (§ 13 RDG) . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Aufsicht und Widerruf der Registrierung (§§ 13a, 14 RDG) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Agrément im Rahmen des franzöischen Code de la Consommation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Schlussfolgerungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Übergreifende Bewertung eines Anerkennungsverfahrens . . . . . 2. Verwendbarkeit in Verfahren zur Durchsetzung von Massenschäden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Verwendbarkeit im Bereich des negatorischen Rechtsschutzes und Gewinnabschöpfungsverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
386 389 393 394 396 400 402 402 404 405
Zusammenfassung der wesentlichen Thesen und Ergebnis . . . . . . . . 409 Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 417 Sachverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 439
Abkürzungsverzeichnis a. A. andere/r Ansicht a. a. O. am angegebenen Ort Abl. Amtsblatt der Europäischen Union Abs. Absatz AcP Archiv für die civilistische Praxis ADAC Allgemeiner Deutscher Automobil-Club e. V. ADFC Allgemeiner Deutscher Fahrrad-Club e. V. AGB Allgemeine Geschäftsbedingung(en) AGBG Gesetz zur Regelung des Rechts der Allgemeinen Geschäftsbedingungen (außer Kraft seit dem 01. 01. 2002) a. E. am Ende AEUV Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union a. F. alte Fassung AG Aktiengesellschaft; Die Aktiengesellschaft (Zeitschrift) AgV Arbeitsgemeinschaft der Verbraucher e. V., bis 1971 Arbeitsgemeinschaft der Verbraucherverbände e. V. AktG Aktiengesetz Am. J. Comp. L. American Journal of Comparative Law Annals AAPSS The Annals of the American Academy of Political and Social Science AO Abgabenordnung APuZ Aus Politik und Zeitgeschichte (Zeitschrift) Art. Artikel Aufl. Auflage AVO Ausführungsverordnung Az. Aktenzeichen BÄO Bundesärzteordnung BB Betriebs-Berater (Zeitschrift) Bd. Band BeckRS Beck online Rechtsprechung BfJ Bundesamt für Justiz BGB Bürgerliches Gesetzbuch BGBl. Bundesgesetzblatt BGH Bundesgerichtshof BGHSt Entscheidungen des Bundesgerichtshofs in Strafsachen BGHZ Entscheidungen des Bundesgerichtshofs in Zivilsachen BKartA Bundeskartellamt BMELV Bundesministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz (November 2005 bis Dezember 2013)
XX BMJV
Abkürzungsverzeichnis
Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz (seit Dezember 2013) BMVEL Bundesministerium für Verbraucherschutz, Ernährung und Landwirtschaft (Januar 2001 bis November 2005) BMWi Bundesministerium für Wirtschaft […] BR Bundesrat BRAO Bundesrechtsanwaltsordnung BReg Bundesregierung BT Bundestag BT-Drucks. Bundestagsdrucksache BVerfG Bundesverfassungsgericht BVerfGE Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts BVwVfG Verwaltungsverfahrensgesetz des Bundes BW Burgerlijk Wetboek (Niederlande) bzw. beziehungsweise CAT Competition Appeal Tribunal CC Code Civil (Frankreich) CCons Code de la Consommation (Frankreich) CDU Christlich Demokratische Union Deutschlands CPC Code de procédure civile (Frankreich) CMA Competition and Market Authority CMLR Common Market Law Review COM European Commission DB Der Betrieb (Zeitschrift) dass. dasselbe dems. demselben dens. denselben ders. derselbe d. h. das heißt dies. dieselbe; dieselben Diss. Dissertation DJT Deutscher Juristentag DM Deutsche Mark DStR Deutsches Steuerrecht (Zeitschrift) Duke J. Comp. & Int. L. Duke Journal of Comparative and International Law € Euro e. a. et aliae/-i/-a ebd. ebenda EBLR European Business Law Review EBOR European Business Organization Law Review ECLI European Case Law Identifier ECLR European Competition Law Review EG Europäische Gemeinschaft; Vertrag zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft in geänderten Fassungen ab dem 01. 05. 1999 EGV Vertrag zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft in der Originalfassung vom 01. 11. 1993 EGZPO Gesetz, betreffend die Einführung der Zivilprozessordnung
Abkürzungsverzeichnis
XXI
Einl. Einleitung EU Europäische Union EuGRCh Charta der Grundrechte der Europäischen Union EuGH Europäischer Gerichtshof EUV Vertrag über die Europäische Union euvr Zeitschrift für europäisches Unternehmens- und Verbraucherrecht EuZW Europäische Zeitschrift für Wirtschaftsrecht e. V. eingetragener Verein EWG Europäische Wirtschaftsgemeinschaft EWiR Entscheidungen zum Wirtschaftsrecht (Zeitschrift) EWS Europäisches Wirtschafts- und Steuerrecht (Zeitschrift) f. folgend FAZ Frankfurt Allgemeine Zeitung F/B/O Fezer/Büscher/Obergfell FDP Freie Demokratische Partei Deutschlands Fernabsatz-RL Richtlinie 97/7/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 20 . Mai 1997 über den Verbraucherschutz bei Vertragsabschlüssen im Fernabsatz (ABl. 1997 Nr. L 114, S. 19 ff.) Finanzfernabsatz-RL Richtlinie 2002/65/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 23. September 2002 über den Fernabsatz von Finanzdienstleistungen an Verbraucher und zur Änderung der Richtlinie 90/619/EWG des Rates und der Richtlinien 97/7/EG und 98/27/EG (ABl. 2002 Nr. L 271, S. 16 ff.) ff. und die Folgenden Fn. Fußnote FRCP Federal rules of civil procedure (USA) FS Festschrift GA Generalanwältin; Generalanwalt Gaz. Pal. Gazette du Palais GbR Gesellschaft bürgerlichen Rechts GG Grundgesetz ggs. gegensätzlich G/H/N Grabitz/Hilf/Nettesheim G/L/E Gloy/Loschelder/Erdmann GmbH Gesellschaft mit beschränkter Haftung GmbHG Gesetz betreffend die Gesellschaften mit beschränkter Haftung GOBT Geschäftsordnung des Deutschen Bundestages GRUR Gewerblicher Rechtsschutz und Urheberrecht (Zeitschrift) GRUR Int. Gewerblicher Rechtsschutz und Urheberrecht, Internationaler Teil (Zeitschrift) GWB Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen Habil. Habilitation HdWW Handwörterbuch der Wirtschaftswissenschaft HGB Handelsgesetzbuch h. M. herrschende Meinung Hrsg. Herausgeber
XXII HWB HWS i. d. F. IHKG
Abkürzungsverzeichnis
Handwörterbuch der Betriebswirtschaft Handwörterbuch der Sozialwissenschaften in der Fassung Gesetz zur vorläufigen Regelung des Rechts der Industrieund Handelskammern Int. J. Proc. L International Journal of Procedural Law i. S. d. im Sinne der/s i. S. e. im Sinne einer/s i. S. v. im Sinne von i. V. m. in Verbindung mit i. w. S. im weiteren Sinn JCP Journal of Consumer Policy JCP E Jurisclasseur Périodique – Edition Entreprise et Affaires = La Semaine Juridique – Edition Entreprise et Affaires JCP G Jurisclasseur Périodique – Edition Général = La Semaine Juridique – Edition Général JurBüro Das Juristische Büro (Zeitschrift) JuS Juristische Schulung (Zeitschrift) JZ Juristenzeitung Kap. Kapitel KG Kommanditgesellschaft Klausel-RL Richtlinie 93/13/EWG des Rates vom 5. April 1993 über missbräuchliche Klauseln in Verbraucherverträgen (ABl. 1993 Nr. L 95, S. 29 ff.) KOM Europäische Kommission KritV Kritische Vierteljahresschrift für Gesetzgebung und Rechtsprechung KStG Körperschaftssteuergesetz LG Landgericht LIEI Legal Issues of Economic Integration (Zeitschrift) Lit. Literatur L. Rev. Law Review LS Leitsatz LVwVfG Verwaltungsverfahrensgesetz der Länder m. Anm. mit Anmerkung m. a. W. mit anderen Worten MDR Monatsschrift für Deutsches Recht Mio. Million(en) MK Münchener Kommentar MLR The Modern Law Review MMR Multimedia & Recht (Zeitschrift) MvT Memorie van Toelichting (Gesetzesbegründung, wörtlich etwa Begleitschreiben zur Erläuterung) MvV Maandblad voor Vermogensrecht (Niederlande) m. w. N. mit weiteren Nachweisen n. F. neue Fassung NJB Nederlands Juristenblad NJW Neue Juristische Wochenschrift
Abkürzungsverzeichnis
XXIII
NL Niederlande Nr. Nummer NTBR Nederlands Tijdschrift voor Burgerlijk Recht NZG Neue Zeitschrift für Gesellschaftsrecht NZKart Neue Zeitschrift für Kartellrecht o. Ä. oder Ähnliche/r/s o. g. oben genannte/r/s OHG Offene Handelsgesellschaft OLG Oberlandesgericht OLGZ Entscheidungssammlung der Oberlandesgerichte in Zivilsachen RabelsZ Rabels Zeitschrift für ausländisches und internationales Privatrecht RDG Gesetz über außergerichtliche Rechtsdienstleistungen RegE Regierungsentwurf Rev. Eur. Dr. Cons. Revue Européenne de Droit de la Consommation RGSt Entscheidungen des Reichsgerichts in Strafsachen RGZ Entscheidungen des Reichsgerichts in Zivilsachen RIW Recht der Internationalen Wirtschaft (Zeitschrift) RL Richtlinie RL 2006/114/EG Richtlinie 2006/114/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 12. Dezember 2006 über irreführende und vergleichende Werbung (ABl. 2006 Nr. L 376, S. 21 ff.) RL 84/450/EWG Richtlinie des Rates vom 10. September 1984 zur Anglei chung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften der Mitgliedstaaten über irreführende Werbung (ABl. 1984 Nr. L 250, S. 17 ff.) Rn. Randnummer/n Rs. Rechtssache/n R/S/Gottwald Rosenberg/Schwab/Gottwald Rspr. Rechtsprechung r. V. rechtsfähiger Verein s. siehe S. Seite S. Ct. Supreme Court Reporter (USA) Slg. Sammlung sog. sogenannt/-e/-er/-es SPD Sozialdemokratische Partei Deutschlands StBerG Steuerberatungsgesetz StGB Strafgesetzbuch SZ Süddeutsche Zeitung TCR Tijdschrift voor Civiele Rechtspleging (Niederlande) TFR Tijdschrift voor Financieel Recht (Niederlande) TK Tweede Kamer der Staaten-General (Zweite Kammer des niederländischen Parlaments) u. a. unter anderem/n UAbs. Unterabsatz U/B/H Ulmer/Brandner/Henssen
XXIV überw. A. UGP-RL
Abkürzungsverzeichnis
überwiegende Ansicht Richtlinie 2005/29/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 11. Mai 2005 über unlautere Geschäftspraktiken im binnenmarktinternen Geschäftsverkehr zwischen Unternehmen und Verbrauchern und zur Änderung der Richtlinie 84/450/EWG des Rates, der Richtlinien 97/7/EG, 98/27/ EG und 2002/65/EG des Europäischen Parlaments und des Rates sowie der Verordnung (EG) Nr. 2006/2004 des Europäischen Parlaments und des Rates (Abl. 2005 Nr. L 149, S. 22 ff.) UKlaG Gesetz über Unterlassungsklagen bei Verbraucherrechts- und anderen Verstößen (Unterlassungsklagengesetz) UKla-RL Richtlinie 2009/22/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 23. April 2009 über Unterlassungsklagen zum Schutz der Verbraucherinteressen (Abl. 2009 Nr. L 110, S. 30 ff.) UKla-RL a. F. Richtlinie 98/27/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 19. Mai 1998 über Unterlassungsklagen zum Schutz der Verbraucherinteressen (Abl. 1998 Nr. L 166, S. 51 ff.) Univ. University US siehe USA U. S. United States Reports (USA) USA United States of America u. v. m. und viele/s mehr UWG Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb VbR Zeitschrift für Verbraucherrecht Verbraucherrechte-RL Richtlinie 2011/83/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 25. Oktober 2011 über die Rechte der Verbraucher, zur Abänderung der Richtlinie 93/13/EWG des Rates und der Richtlinie 1999/44/EG des Europäischen Parlaments und des Rates sowie zur Aufhebung der Richtlinie 85/577/EWG des Rates und der Richtlinie 97/7/EG des Europäischen Parlaments und des Rates (Abl. 2011 Nr. L 304, S. 64 ff.) vgl. vergleiche VI Verbraucherinitiative e. V. VO Verordnung Vorbem. Vorbemerkung(en) vs./v. versus VWGO Verwaltungsgerichtsordnung VwVfG Verwaltungsverfahrensgesetz VZ Verbraucherzentrale vzbv Verbraucherzentrale Bundesverband e. V. WBR Wetboek van Burgerlijke Rechtsvordering (Niederlande) Wettbewerbszentrale Zentrale zur Bekämpfung unlauteren Wettbewerbs e. V. W/L/P Wolf/Lindacher/Pfeiffer WM Zeitschrift für Wirtschafts- und Bankrecht WPO Gesetz über eine Berufsordnung für Wirtschaftsprüfer
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WRP Wettbewerb in Recht und Praxis (Zeitschrift) WuW Wirtschaft und Wettbewerb (Zeitschrift) z. B. zum Beispiel ZEuP Zeitschrift für Europäisches Privatrecht ZfPW Zeitschrift für die gesamte Privatrechtswissenschaft ZGR Zeitschrift für Unternehmens- und Gesellschaftsrecht ZHR Zeitschrift für das gesamte Handels- und Wirtschaftsrecht Ziff. Ziffer ZIP Zeitschrift für Wirtschaftsrecht zit. zitiert ZPO Zivilprozessordnung ZRP Zeitschrift für Rechtspolitik z. T. zum Teil ZVglRWiss Zeitschrift für vergleichende Rechtswissenschaft ZWeR Zeitschrift für Wettbewerbsrecht ZZP Zeitschrift für Zivilprozess
Einführung Der kollektive Rechtsschutz steckt sowohl in Deutschland als auch in weiten Teilen des restlichen Europa noch in den Kinderschuhen und entwickelt sich – zu diesem Bild passend – stetig weiter. Das Gleiche gilt für die wissenschaftliche Literatur zu diesem Thema. Zu einer unüberschaubaren Fülle an Literatur aus den Common Law Staaten USA, Kanada und Australien, in denen der kollektive Rechtsschutz bereits einen festen Platz im prozessualen System hat, tritt mehr und mehr Material aus Europa, das sich entweder mit sehr jungen bereits erlassenen Regelungen oder Reformvorschlägen beschäftigt. Dabei darf nicht vergessen werden, dass der kollektive Rechtsschutz im weitesten Sinne in Deutschland bereits seit den 1970er Jahren mal mehr, mal weniger ausführlich behandelt wird. Der Durchbruch hat bis heute nicht stattgefunden. Stattdessen hat sich die Diskussion in etwa seit den 1990er Jahren auf die europäische Ebene ausgeweitet. Ein großer Teil der europäischen Literatur widmet sich bislang der Frage, ob kollektiver Privatrechtsschutz neben oder anstelle von administrativer Regulierung überhaupt zur Problemlösung beitragen kann und wenn ja, welche Art kollektiver Rechtsschutzmechanismus für welche Problemlage passend ist.1 Dabei finden in jüngerer Zeit die außergerichtliche Streitbewältigung und ihre Rolle im Gesamtsystem zunehmende Berücksichtigung.2 Mit Blick auf die Europäische Union ist die Frage der Rechtssetzungskompetenz bereits ausführlich erörtert worden.3 Die vorliegende Untersuchung will diese Vorstufe bewusst hinter sich lassen, womit keinesfalls angedeutet werden soll, alle Fragen seien beantwortet. Trotzdem gehören schon heute verschiedene Formen kollektiven Rechtsschutzes in den meisten EU-Mitgliedsstaaten zur Realität und es kommen regelmäßig neue hinzu. Mit Blick auf diese Entwicklung hat die Europäische Kommission in einer Empfehlung die ehrgeizige Vision formuliert, 1 Vgl. z. B. Hodges, in: Steele/van Boom, S. 101 ff.; ders., in: van Boom/Loos, S. 205 ff.; Cafaggi/Micklitz, in: dies., S. 401 ff.; van Boom/Loos, in: dies., S. 229 ff.; F. Weber, passim; ungeachtet der Fülle wissenschaftlicher Beiträge fehlen aber, wie Stadler, GPR 2013, 281, 282 mit Fn. 15 zu Recht anmerkt, weitestgehend fundierte Untersuchungen u. a. zum Verhältnis von „public“ und „private enforcement“. 2 Vgl. u. a. die Beiträge in Hodges/Stadler (Hrsg.): Resolving Mass Disputes – ADR and Settlement of Mass Claims; F. Weber, S. 107 ff. 3 Sauerland, S. 65 ff.; Eichler, S. 269 ff.; Buchner, S. 123 ff.
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„alle Mitgliedstaaten sollten über innerstaatliche kollektive Rechtsschutzverfahren für Unterlassungs- und für Schadensersatzklagen verfügen“.4
Angesichts dessen liegt nicht nur in Deutschland, sondern vielleicht sogar eines Tages gesamteuropäisch ein kollektives Schadenersatzverfahren gleich welcher Gestalt durchaus im Bereich des Möglichen. Dennoch waren einige tragende Bestandteile jedes Kollektivverfahrens außerhalb eines übergeordneten Für und Wider im Detail bislang kaum Gegenstand wissenschaftlicher Debatte. Dazu gehört u. a. die Frage, wer als sogenannter Gruppen- oder Verbandskläger in einem gerichtlichen Verfahren sowie auch davor und danach für das Kollektiv der Gruppenmitglieder gleich welcher Zusammensetzung sprechen und handeln soll. Vor diesem Hintergrund nimmt die vorliegende Arbeit die Empfehlungen der Europäischen Kommission5 zum Anlass die institutionelle Repräsentation durch Verbände, Interessenorganisationen und ähnliche Vereinigungen in Kollektivverfahren näher zu beleuchten. Insbesondere die Interessenvielfalt in der Beziehung des Repräsentanten zur Gesamtgruppe und ihren Mitliedern zwischen einer adäquaten Vertretung der Gruppenmitglieder einerseits und den verschiedenen Handlungsanreizen des Repräsentanten sowie weiterer Beteiligter andererseits soll dabei Berücksichtigung finden. Gleichzeitig dürfen die übergeordneten Ziele eines effektiven und ökonomischen Verfahrens im Dienste von Schadenskompensation und Verhaltenssteuerung nicht aus dem Blick geraten. Nicht zuletzt darf sich eine solche Auseinandersetzung ebenso wenig auf die Klägerseite fixieren, sondern muss die berechtigten Interessen aller Beteiligten soweit als möglich einbeziehen. An den geeigneten Stellen wird dabei auch der Vergleich zu individueller Repräsentation durch ein einzelnes Mitglied der Gruppe gezogen. Wie darzulegen sein wird, handelt es sich dabei jedoch in erster Linie um ein formales Konstrukt, das dem Sinn und Zweck der Gruppenrepräsentation in den meisten Fällen zuwiderläuft. Während Mechanismen zur kollektiven Geltendmachung von Schadensersatzforderungen im geltenden deutschen Recht allenfalls ganz am Rande eine Rolle spielen, hat es an anderer Stelle mit der Unterlassungsklage im Lauterkeits-, Verbraucher- und Kartellrecht bereits jahrelange Erfahrung mit einem kollektivrechtlichen Rechtsbehelf, der zudem überwiegend in den Händen von Verbänden liegt. Entgegen natürlicher Erwartung gilt aber auch diesbezüglich das Gesagte und in dem zum Teil über 100-jährigen Bestehen der Verbandsklage kam den klageberechtigten Verbänden nur sehr vereinzelt wissenschaftliche Aufmerksamkeit zu Gute. Stattdessen folgt der Gesetzgeber ungeachtet einer sich wandelnden Realität unbesehen einem einmal verabschiedeten Konzept. 4 Empfehlung 2013/396/EU der Europäischen Kommission vom 11. Juni 2013, Gemeinsame Grundsätze für kollektive Unterlassungs- und Schadensersatzverfahren in den Mitgliedstaaten bei Verletzung von durch Unionsrecht garantierten Rechten, Abl. 2013, Nr. L 201, S. 60 ff. 5 Empfehlung kollektiver Rechtsschutz, a. a. O. (Fn. 4), daraus hier in erster Linie Nr. 4–7.
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Die §§ 8 III UWG und 33 II GWB sowie vor allem die §§ 3 und 4 UKlaG und ihre richtlinienrechtlichen Grundlagen bilden daher einen Schwerpunkt der Untersuchung. Dabei bleibt jedoch der eigentliche, auf die Unterlassung von lauterkeits-, kartell- und verbraucherrechtswidrigem Verhalten gerichtete Verbandsklagemechanismus weitgehend außer Betracht. Im Fokus steht stattdessen, inwieweit sich die umfangreichen Anforderungen an die Verbände sowie das in § 4 UKlaG wie auch § 4 UKla-RL niedergelegte behördliche Registrierungssystem für künftige Gesetzgebungsvorhaben nutzbar machen lassen. In diesem Zusammenhang bietet es sich an, ebenfalls verschiedene im geltenden Recht umstrittene Fragen aufzugreifen, sodass die Arbeit gleichzeitig zur Entwicklung der Verbandsunterlassungsklage beitragen kann. Des Weiteren hat der Mangel eines kollektiven Schadenersatzverfahrens in Deutschland in den letzten zehn Jahren zu einer Renaissance traditioneller Anspruchsbündelung im Wege der Prozessführungsermächtigung oder (Inkasso-) Abtretung geführt. Besondere Aufmerksamkeit haben dabei eigens zu diesem Zweck gegründete Gesellschaften erregt, die Forderungen derart gesammelt und schließlich gemeinsam eingeklagt haben. Sie geben ein weiteres Beispiel institutioneller Repräsentation in gänzlicher anderer Form, das ebenfalls zur Analyse herangezogen werden kann. Dabei sind auch die Vorgaben des 2008 reformierten Rechtsberatungsrechts von Interesse, das nun u. a. ebenfalls ein behördliches Registrierungsverfahren kennt. Bereits der Ausgangspunkt der Untersuchung gebietet aber ferner einen Blick über Deutschland hinaus. Daher wird rechtsvergleichend auch die Erfahrung anderer EU-Mitgliedstaaten nutzbar gemacht. Hier ist insbesondere die Erfolgsgeschichte des seit 2005 in den Niederlanden geltenden Gesetzes zur Abwicklung von Massenschäden wie aber auch die allgemeine Verbandsklage des niederländischen Burgerlijk Wetboek von Bedeutung. Daneben kann das französische Recht auf langjährige Erfahrung mit Verbraucherverbandsklagen zurückblicken. Die bisherigen Rechtsbehelfe zur Geltendmachung eines kollektiven Verbraucherinteresses wurden zudem im Oktober 2014 mit der action de groupe um ein Verfahren zur gebündelten Durchsetzung individueller Schadenersatzansprüche von Verbrauchern ergänzt. Beide Rechtssysteme bieten sich für einen Vergleich besonders an, da der kollektive Rechtsschutz in beiden Staaten eine gegenüber den meisten anderen Mitgliedsstaaten der EU erhöhte Priorität genießt. Außerdem steht dort eine langjährige Auseinandersetzung mit der Thematik in Rechtsprechung und Literatur zur Verfügung, die zudem für den Verfasser rein örtlich und sprachlich zugänglich ist. Daneben kann auf die skandinavischen Verfahren u. a. aus Schweden und Dänemark sowie einige sehr junge Gesetze und Initiativen zurückgegriffen werden, bei denen es zwar an entschiedenen Einzelverfahren und Erfahrungen noch weitestgehend fehlt, aber jedenfalls dogmatische Entscheidungen einbezogen werden können.
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Einführung
Das Ziel der Untersuchung besteht schließlich darin, unter den genannten Prämissen Regelungsvorschläge zu unterbreiten, die sich bewusst auf die Interessenvertretung durch Gruppen- oder Verbandskläger in kollektiven Rechtsschutzverfahren beschränken und jedenfalls als Anregung einen Beitrag zu einem einheitlichen Grundkonzept des kollektiven Privatrechtsschutzes in Deutschland und ggf. EU-weit leisten können. Damit ist mit Blick auf Deutschland der besondere Wunsch verbunden, die wissenschaftliche Debatte über eine Thematik zu fördern, die bislang in weiten Teilen von politischen Erwägungen und Ressentiments geprägt ist.
Erstes Kapitel
Rechtliche und rechtspolitische Grundlagen Einleitend werden zunächst die für die weitere Arbeit erforderlichen Grundlagen des kollektiven Rechtsschutzes kurz skizziert. Dazu gehört an erster Stelle ein Überblick über die verschiedenen Erscheinungsformen kollektiver Rechtsschutzmechanismen, die sich oftmals gar nicht so sehr inhaltlich als vielmehr lediglich in ihrer Bezeichnung unterscheiden. Eine Systematisierung aller in den EU-Mitgliedsstaaten in Kraft befindlichen Mechanismen würde bereits eine sehr umfangreiche Analyse voraussetzen und ist schon aus diesem Grund hier nicht möglich. Zum Verständnis ist jedoch eine Klärung unumgänglich, welche Terminologie der weiteren Untersuchung zugrunde liegt. Dasselbe gilt neben einer prozessualen für eine inhaltliche Systematik (dazu § 1). Darauf folgt die Darstellung der rechtspolitischen Entwicklung zunächst in der Europäischen Union und im Anschluss daran in Deutschland (dazu § 2). Unter Berücksichtigung dieser Ausgangspunkte schließt das erste Kapitel mit einer gegenüber der Einführung nochmals spezifizierten Problemstellung und dem weiteren Gang der Untersuchung (dazu § 3).
§ 1 Kollektiver Rechtsschutz in Kürze Eine kurze Zusammenfassung dessen, was aus deutscher Sicht als kollektiver Rechtsschutz bezeichnet wird, fällt schwer. Zu einer Vielzahl prozessualer Mechanismen, die durch die Grundsätze des jeweiligen Rechtssystems ge prägt werden, tritt eine nochmals umfangreichere und von Staat zu Staat unterschiedliche Terminologie. Bereits die englische Rechtssprache kennt z. B. class actions, group actions, collective actions, collective redress, collective proceedings, representative actions u. v. m. Dabei bestimmt aber naturgemäß nicht die Terminologie, sondern die jeweilige Fallgestaltung maßgeblich die Interessenlage und das Verhalten der individuell Betroffenen (dazu I.). Einzig anhand der jeweils charakteristischen Problemlage lässt sich dann im Folgenden erörtern, wer als entsprechend qualifizierter Repräsentant der Gesamtgruppe in Frage kommt und warum. Zur besseren Verständlichkeit ist dafür zudem eine vorausgehende Klärung erforderlich, wie im Weiteren welche Begriffe verwendet werden (dazu II.).
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Erstes Kapitel: Rechtliche und rechtspolitische Grundlagen
I. Fallgestaltungen und ihre Behandlung durch kollektive Prozessmechanismen Alle für den kollektiven Rechtsschutz maßgeblichen Fallkonstellationen gleichen sich darin, dass aufgrund einer einzigen Ursache oder mehrerer gleichartiger Ursachen, gesetzt durch denselben Verursacher, eine Vielzahl von Personen nachteilig betroffen wird.1 Die in der Literatur verwendeten Begrifflichkeiten und Ordnungsversuche variieren in jeder Hinsicht erheblich.2 Für die weitere Auseinandersetzung ist jedoch nicht die Einheitlichkeit von Begriffen, sondern eine inhaltlich wie begrifflich eindeutige Differenzierung der regelungsbedürftigen Fallkonstellationen und der dazugehörigen Interessenlage der Betroffenen entscheidend (dazu 1.).3 Nur auf dieser Grundlage lässt sich anschließend herausarbeiten, mit welcher Problem- und Anreizlage die jeweilige Fallkonstellation einhergeht und welche Konsequenzen daraus für einen kollektiven Klagemechanismus folgen müssen (dazu 2. und 3.).4
1. Ordnungsversuche a) Gemeinsamkeiten Im Versuch einen Oberbegriff für alle relevanten Schadensfälle zu bilden, verwendet Wagner den Begriff „Kollektivschäden“, dem er wiederum drei Untergruppen namentlich „Streuschäden“, „Massenschäden“ und „Schäden an Gemeinschaftsgütern“ zuordnet.5 Innerhalb der letzten Gruppe besteht Verwechslungsgefahr, da Schäden an Gemeinschaftsgütern wiederum klassische Fälle von Beeinträchtigungen eines Kollektiv- bzw. Allgemeininteresses darstellen, die Wagner selbst als „echten Kollektivschaden“ oder „ökologischen Schaden“ bezeichnet.6 Dem als Oberbegriff verwendeten „Kollektivschaden“ 1 Buchner, S. 33; Geiger, S. 18; Haß, S. 18; Vollkommer, in: Zöller, Vorbem. zu §§ 50–58 ZPO, Rn. 61; beschränkt auf Individualinteressen Alexander, JuS 2009, 590; ähnlich auch Schaub, JZ 2011, 13, die den Schwerpunkt auf die räumliche Ausbreitung des Gesamtschadens legt. 2 Ebenso ausdrücklich Eichholtz, S. 5. 3 Vgl. auch Van den Bergh/Visscher, 1 Erasmus L. Rev. (2008) 5, 8 a. E.; Stadler, in: Meller-Hannich, S. 93, 107; mindestens überraschend ist, dass man eine solche Differenzierung in der Empfehlung der EU-Kommission, a. a. O. (Einführung, Fn. 4) vergeblich sucht. Stattdessen beansprucht das Dokument Allgemeingültigkeit für jede Art kollektiven Unterlassungsund Schadenersatzverfahrens, a. a. O., Nr. 3; denselben Fehler kritisiert im Hinblick auf das Grünbuch der Kommission über kollektive Rechtsdurchsetzungsverfahren für Verbraucher, KOM(2008) 794 endgültig bereits Kocher, in: Steele/Van Boom, S. 118, 122. 4 Ausdrücklich Schaub, JZ 2011, 13, 23: „[Es] muss bereichsspezifisch untersucht werden, inwieweit es bei den jeweiligen [S]chäden vorrangig um Ausgleichs- oder auch um Präventionszwecke geht“; dem folgend Geiger, S. 27. 5 Wagner, Gutachten A für den 66. DJT, A 106 ff.; ders., in: Casper/Jansen/Pohlmann/ Schulze, S. 41, 49 f. 6 Wagner, Gutachten A für den 66. DJT, A 126 f.
§ 1 Kollektiver Rechtsschutz in Kürze
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wird daher auch der „echte Kollektivschaden“ als Unterfall eines Schadens an Gemeinschaftsgütern zugeordnet. Aufgrund seines Verweises auf Mertens ergeben sich bei Wagner zudem Abgrenzungsschwierigkeiten zwischen den Kategorien „Streuschäden“ und „Schäden an Gemeinschaftsgütern“. Während Wagner für seine Kategorie der „Streuschäden“ nur auf den jeweils sehr geringen Individualschaden abstellt, plädiert Mertens für eine normative Schadensberechnung in Verbraucherschadensfällen, die ihm zufolge „in keiner Beziehung zu dem Schaden der einzelnen Mitglieder“ stehen sollte.7 Ähnlich wie Wagner untergliedert auch Alexander. Er nimmt zunächst die „Massenbetroffenheit“ von Individualinteressen zum Ausgangspunkt, woraus er „Streu- und Bagatellschäden“ als eine „spezielle Problematik“ herauslöst, bei der „viele Personen in vergleichbarer Weise beeinträchtigt werden, allerdings jeweils nur in geringem Umfang“. Der „Massenbetroffenheit“ von Individualinteressen stellt er des Weiteren Konstellationen gegenüber, „in denen es um die Wahrnehmung und Durchsetzung überindividueller Interessen geht“.8 Hierfür nennt er u. a. Verbraucherinteressen im Wettbewerb als Beispiel. Dadurch verschwimmt jedoch die Abgrenzung zur Gruppe der Streu- und Bagatellschäden, da Verstöße gegen das Wettbewerbs- oder Verbraucherrecht in der Regel auch mit einem wenn auch sehr geringen Schaden des Einzelnen und damit einer Beeinträchtigung von Individualinteressen einhergehen. Mehr auf eine tatsächliche Charakterisierung abzielend bildet Schaub9 den Obergriff „Streuschäden“ unter dem sie „alle haftungsrechtlich relevanten Schäden“ zusammenfasst, „die sich nicht an einem Ort konzentrieren“. Dementsprechend untergliedert sie weiter in „Schäden einer Person, die an mehreren Orten zu lokalisieren sind“, „Schäden, die sich auf viele Personen aufteilen, so dass zahlreiche geringfügige Einzelschäden entstehen“, „Schäden aufgrund unvorhergesehener Großschadensereignisse“ und schließlich „diffuse Schäden10, die sich nicht einem oder mehreren bestimmten Geschädigten zuordnen lassen“. „Mangels eines anderen anerkannten Oberbegriffs“ nutzt Eichholtz11 wiederum unter Verweis u. a. auf das Gutachten A zum 62. Deutschen Juristentag12 7
Mertens, ZHR 139 (1975) 438, 464. Alexander, JuS 2009, 590 f. 9 Schaub, JZ 2011, 13; ihr folgend Buchner, S. 33. 10 Der Begriff der diffusen Schäden hat seinen Ursprung bei Cappelletti, RabelsZ 40 (1976) 669, 680 ff. Neben dem damals ebenso darunter gefassten Fall, in dem ein subjektives Recht des Einzelnen zu ihrer Durchsetzung zwar vorlag, die Anreize zur Rechtsverfolgung aber zu gering waren, brachte Cappelletti mit dem Begriff der „diffuse interests“ erstmals das Problem kollektiver Interessen zur Sprache, denen gar kein subjektives Recht des Einzelnen gegenübersteht; vgl. auch Haß, S. 15. 11 Eichholtz, S. 7 f. 12 Von Bar, Gutachten A für den 62. DJT, A 9 f. nutzt ebenfalls den „Massenschaden“ als Oberbegriff, fasst darunter jedoch nur für die Zwecke seines Gutachtens bestimmte von ihm im Weiteren behandelte Fallgruppen. Eine allgemeingültige Kategorisierung erfolgt ausdrücklich nicht. 8
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Erstes Kapitel: Rechtliche und rechtspolitische Grundlagen
den „Massenschaden“ als Oberbegriff und „Großschäden“ einerseits sowie „Streuschäden“ andererseits als Unterkategorien.13 Anhand der genannten Beispiele wird deutlich, dass eine exakte Begriffsbestimmung im Einzelfall unumgänglich ist. Mit dem Ziel einer nachvollziehbaren Abgrenzung ist bei der Auswahl der jeweils verwendeten Termini aber Vorsicht geboten. Die Gemeinsamkeit einer einzigen oder mehrerer gleichartiger Ursachen, gesetzt durch den- oder dieselben Verursacher, infolge der eine Vielzahl von Personen nachteilig betroffen wird, soll auch hier als Ausgangspunkt dienen. Von einem schlagwortartigen Oberbegriff wird aber mangels Notwendigkeit abgesehen. Die von Schaub integrierten Fälle von Schäden einer einzelnen Person werden mangels Relevanz für Kollektivverfahren nicht weiter berücksichtigt. Dasselbe gilt im Ergebnis für Fälle, die sich einem oder mehreren bestimmten Geschädigten gar nicht zuordnen lassen und mithin Allgemein- oder Kollektiv-, in keinem Fall aber Individualinteressen betreffen.
b) Massenschaden und Streuschaden Damit verbleiben zwei Fallgruppen, zwischen denen gleichzeitig auch die in der Literatur gängigste und in der Sache wichtigste Untergliederung vorgenommen wird14: Auf der einen Seite stehen Fälle, in denen aus einer Vielzahl Geschädigter jeder Einzelne erhebliche Einbußen erleidet. Diese sollen im Folgenden unter dem Begriff der Massenschäden zusammengefasst werden. Sie sind gekennzeichnet durch eine Vielzahl von Personen, die Vermögensnachteile im weitesten Sinne aufgrund derselben oder dergleichen Schadensursache erleiden, wobei die Nachteile bei jedem einzelnen Geschädigten erhebliche Ausmaße annehmen. Wesentliche Beispiele15 bilden Verkehrsunfälle großen Ausmaßes (Flugzeugabstürze, Bahn- oder Schiffsunglücke), Industrieunfälle (z. B. der Chemieunfall von Bhopal, Indien oder die Atomunfälle von Tschernobyl, Ukraine oder Fukushima, Japan), die Aussetzung vieler Personen an schädliche Stoffe (z. B. Asbest, Contergan) oder Fehlverhalten am Kapitalmarkt und seine Auswirkungen. Während Schadensereignisse am Kapitalmarkt erst in den vergangenen fünf bis zehn Jahren das Thema der Massenschäden in Europa in 13 Im Ansatz ebenso Geiger, S. 18 ff., die allerdings den Begriff „Massenschaden“ nicht nur als Oberbegriff verwendet, sondern dann weiter in „Serien- und Massenschäden“ einerseits sowie „Streu- und Bagatellschäden“ andererseits untergliedert, was enorme Verständnisprobleme birgt. 14 Wie hier Micklitz/Stadler, in: dies., Verbandsklagerecht, S. 9; Janssen, in: Casper/ Janssen/Pohlmann/Schulze, S. 3, 5 f.; auch Wagner, Gutachten A für den 66. DJT, A 106 ff.; ders., in: Casper/Jansen/Pohlmann/Schulze, S. 41, 49 f.; Sauerland, S. 32 ff.; lediglich mit abweichender Terminologie auch Haß, S. 18 f. 15 Vgl. Ebbing, ZVglRWiss 103 (2004) 31, 38; Wagner, Gutachten A für den 66. DJT, A 106 ff.; Buchner, S. 36 f.; Geiger, S. 20 f.; ausführlich Koch/Willingmann, in: dies., S. 11, 13 ff.
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den Vordergrund gerückt haben, erreichten die übrigen Fallgruppen ihren Höhepunkt in den USA der 1970er und 80er Jahre. Wo insbesondere Verkehrs- und Industrieunfälle in Europa vornehmlich durch die Tätigkeit von Haftpflichtversicherern nicht zu einer Kompensation im Verhältnis von Schädiger und Geschädigten geführt haben, wurden diese aufgrund eines weitgehend fehlenden sozialen Sicherungssystems in den USA relevant.16 Demgegenüber stehen diejenigen Fälle, in denen jeder einzelne Geschädigte nur einen sehr geringen, teils minimalen Schaden erleidet, während aber die Summe der Einzelschäden wiederum signifikante Ausmaße annimmt. Hierfür wird der Begriff Streuschaden verwendet werden, der oftmals synonym gebrauchte Begriff Bagatellschaden17 jedoch nicht. Die Ausgangssituation ist in diesen Fällen eine gänzlich andere, weswegen Streuschäden auch in der Betrachtung stets von Massenschäden zu unterscheiden sind. Während das Gesamtvolumen des Schadens, der durch die schadensbegründende Handlung verursacht wird, auch hier erhebliche Ausmaße annehmen kann, zeichnen sich Streuschäden durch eine sehr hohe Anzahl einzelner Geschädigter aus. Obwohl die Schadenshöhe beim Einzelnen in der Konsequenz gering, unter Umständen sogar minimal ist, handelt es sich bei dem jeweiligen Schaden an sich aber keineswegs automatisch um eine Bagatelle. So können die für Streuschäden typischen Effekte18 abhängig von den jeweiligen prozessrechtlichen Voraussetzungen noch bei vergleichsweise hohen Beträgen eintreten. In einer wirtschaftlichen Gesamtbetrachtung verbietet sich der Begriff der Bagatelle daneben erst recht. Typische Beispiele19 sind insbesondere Verstöße gegen Wettbewerbsund Verbraucherrecht durch Füllmengenunterschreitung bei Lebensmittelverpackungen oder durch die verzögerte Wertstellung von Überweisungsbeträgen mit dem Ergebnis erheblicher Zinsgewinne seitens der ausführenden Bank sowie kartellrechtliche Verstöße beispielsweise infolge illegaler Preisabsprachen.
c) „Negative-expected-value“ und „positive-expected-value“ Während die bisherigen Ansätze einer Systematisierung eher von der schadensrechtlichen und damit einer materiell-rechtlichen Grundlage ausgehen, besteht zudem die Möglichkeit die prozessuale Situation in Blick zu nehmen. Dementsprechend trennt ein ökonomischer Ansatz anschaulich zwischen sogenannten positive-expected-value claimants und negative-expected-value claimants20: Damit wird das Verhältnis zwischen den Prozesskosten einerseits und der Anspruchshöhe andererseits unter der Annahme angesprochen, ein Anspruch 16
Stadler, in: Cafaggi/Micklitz, S. 309 f.; dies., in: Meller-Hannich, S. 93 ff.; vgl. auch Eichholtz, S. 72 f. 17 Sauerland, S. 32 f. und 37 ff. spricht sogar von „Bagatellstreuschäden“. 18 Vgl. sogleich S. 12 ff. 19 Vgl. Ebbing, ZVglRWiss 103 (2004) 31, 37; Buchner, S. 34; Geiger, S. 22. 20 Dazu ausführlich Ulen, in: Backhaus/Cassone/Ramello, S. 75, 77 ff.
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werde durch den Prozess in voller Höhe realisiert. Dieser Wert ist negativ, wenn die zu erwartenden Kosten der Prozessführung den Wert des geltend zu machenden Anspruchs übersteigen bzw. entsprechend positiv, wenn die Durchsetzung des Anspruchs auch nach Abzug aller Kosten noch einen Zugewinn verspricht. Daraus folgt, dass im ersten Fall grundsätzlich kein rational-ökonomisches Interesse an der individuellen Anspruchsdurchsetzung besteht, im zweiten Fall dagegen durchaus. Dennoch bietet die Verfahrensbündelung auch im Fall eines positive-expected-value ökonomische Vorteile, wie u. a. die durch ein einzelnes Verfahren und eine einmalige Beweisaufnahme im Vergleich zu mehreren Individualverfahren deutlich verringerten Kosten. Die so ersparten Ressourcen stehen dann an anderer Stelle z. B. für eine bessere, aber kostspieligere anwaltliche Vertretung, wieder zur Verfügung. Die Frage der Anreizwirkung wird auch im Weiteren bei der Frage, welchen Zweck der Prozess zu erfüllen hat, noch Bedeutung finden. Bei genauerem Hinsehen wird dabei deutlich, dass sich die Untergliederung in Massenschäden und Streuschäden bzw. in positive-expected-value-claimants und negative-expected-value claimants weitestgehend deckt. Allenfalls im Bereich der Streuschäden sind Grenzfälle denkbar, je nachdem wie die Definition des geringen Einzelschadens ausfällt.
2. Kompensation von Massenschäden a) Interessenlage der Geschädigten Aufgrund des in jedem Einzelfall hohen Schadensvolumens besteht das Hauptinteresse der Geschädigten bei Massenschäden am Ersatz des Schadens und damit an Schadenskompensation.21 Prozessrechtlich gesprochen steht die Durchsetzung der individuellen Interessen mithilfe des subjektiven Rechts des Einzelnen im Vordergrund. Ökonomisch betrachtet ist die Entscheidung für eine prozessuale Durchsetzung auch rational, da ein positive-expected-value vorliegt, mithin die zu erwartende Kompensation den Kostenaufwand jedenfalls übersteigt.
b) Funktion des kollektiven Rechtsschutzes Vor dem genannten Hintergrund könnte man den Nutzen kollektiven Rechtsschutzes in Massenschadensfällen in Zweifel ziehen, da für den Einzelnen hinreichende Anreize bestehen, einen Individualprozess anzustrengen, der dann wiederum die ihm zugedachte Funktion erfüllen könnte. Des Weiteren könnten die Geschädigten einem Individualprozess in der Annahme zugeneigt sein, er böte eine höhere Wahrscheinlichkeit voller Kompensation, während bei einer kollektiven Bündelung eine vergleichsweise Einigung näherliegt, die aber in 21 Geiger, S 24 f.; Wagner, in: Casper/Janssen/Pohlmann/Schulze, S. 41, 55; Schäfer, in: Basedow/Hopt/Kötz/Baetge, S. 67, 70 f.
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der Regel dem einzelnen Gruppenmitglied keine Kompensation in voller Höhe gewährt.22
aa) für den bzw. die Geschädigten Demgegenüber überwiegen jedoch letztlich die Argumente, die für eine kollektive Durchsetzung sprechen. Zu erwähnen sind dabei insbesondere eine erhöhte Vergleichsbereitschaft des Beklagten, eine Vereinfachung der Beweisführung sowie die Kostenerleichterung. Die Entscheidung des Einzelnen zwischen Individual- und Kollektivverfahren hängt nicht zuletzt maßgeblich von der tatsächlichen Sachlage ab. In der Regel werfen Massenschadensfälle jedoch insbesondere Kausalitätsfragen im Einzelfall auf, die die Beweisführung des Individualklägers erschweren und seine Kosten erheblich erhöhen. Hinzu kommt, dass ausschließlich diejenigen Beweise streitgegenständlich sind, die kausal dem konkret zu entscheidenden Sachverhalt zugeordnet werden können. Der Beklagte im Individualprozess kann es sich in Anbetracht dieser Hürden nahezu gefahrenlos leisten, den Verfahrensverlauf abzuwarten. Eine Kollektivierung bietet den Klägern demgegenüber die Möglichkeit, Informationen auszutauschen und insbesondere sogenannte Informationsbeschaffungskosten (für Sachverhaltsaufklärung und die Beschaffung von Beweismitteln) zu teilen. Dadurch wiederum besteht von Beginn an ein höherer Druck bei dem Beklagten, der dessen Vergleichsbereitschaft erhöht.23 Gleichzeitig gewährt ihm das Kollektivverfahren die Chance auf eine umfassende Klärung aller Fragen und damit im Ergebnis Rechts- und Kalkulationssicherheit. Der einzelne Geschädigte muss daher entscheiden, ob er gegebenenfalls einen Teil seiner Kompensation dafür opfert, dass er letztendlich kostengünstiger und sicherer eine solche erhält.
bb) für das Gerichtssystem In Massenschadensfällen dürfen darüber hinaus die Herausforderungen nicht außer Acht gelassen werden, die ihre juristische Aufarbeitung an die entscheidenden Gerichte stellt. Im Bereich des Kapitalmarktrechts stehen in Deutschland die bis heute noch nicht umfassend entschiedenen Klagen von ca. 17.000 (Klein-) Anlegern gegen die Deutsche Telekom AG24 beispielhaft für die Überlastung des im Einzelfall zuständigen Gerichts. Ähnliche Fälle bestehen 22 Zu dieser Frage Haß, S. 24 ff. unter Verweis auf Kästle, nach dessen Forschung dieses Argument für den US-amerikanischen Bereich tatsächlich zutrifft, was aber wiederum maßgeblich auf die Beeinflussbarkeit der Jury sowie verfahrensrechtliche Besonderheiten des amerikanischen Rechts zurückgeführt werden kann. 23 Buchner, S. 48; Van den Bergh/Keske, in: Casper/Janssen/Pohlmann/Schulze, S. 17, 27; Haß, S. 27 ff. 24 Geiger, S. 58 f.; Wagner, Gutachten A für den 66. DJT, A 121.
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Erstes Kapitel: Rechtliche und rechtspolitische Grundlagen
in einer Vielzahl sowohl in anderen EU-Mitgliedsstaaten als auch in anderen Rechtsbereichen.25 Das Ergebnis ist die übermäßige Beanspruchung von Justizressourcen, wodurch es wiederum zu klassischen Durchsetzungsdefiziten im Hinblick auf die individuellen Ansprüche der Geschädigten kommt. Damit betrifft die Frage einer ökonomischen und effektiven Prozessabwicklung neben einem Allgemeininteresse an einer funktionierenden Justiz auch wiederum die Interessen der Beteiligten. Diese streben zwar eine allumfassende und gründliche, aber auch ebenso zeitnahe Klärung an, da ihnen nur so effektiv zu ihrem Recht und Rechtssicherheit verholfen und nur so die Kosten gering gehalten werden können.26
3. Markt- und Verhaltenssteuerung bei Streuschäden a) Rationale Apathie Das Kernproblem in den Fällen von Streuschäden besteht auf ökonomischer Ebene. Von Beweisschwierigkeiten einmal abgesehen sind die materiellrechtlichen Voraussetzungen eines individuellen Schadenersatzanspruchs des einzelnen Geschädigten in aller Regel erfüllt und die Betroffenen stehen einer Kompensation grundsätzlich nicht ablehnend gegenüber. Eine solche zu erlangen, würde jedoch eine gerichtliche Durchsetzung der Ansprüche erforderlich machen. Obwohl deren Kosten im Einzelnen stark von der jeweiligen nationalen Verfahrensgestaltung abhängen (u. a. von der Höhe der Gerichtsund Anwaltskosten, von der Verfügbarkeit entweder eines außergerichtlichen Verfahrens, wie einer Beschwerdestelle oder eines Ombudsmanns, oder eines gerichtlichen Verfahrens für geringfügige Forderungen u. v. m.), drängt sich dem rational Denkenden mehrheitlich die Erkenntnis auf, dass es sich nicht lohnen kann, die Erstattung von wenigen Euro oder sogar wenigen Cent zu erstreiten. Wird dem Einzelnen eine individuelle Schädigung überhaupt bewusst, wird er allenfalls seinen Ärger in wirtschaftliche Konsequenzen umsetzen und beispielsweise dem schädigenden Anbieter den Rücken kehren. Selbst hierfür aber wird die Hemmschwelle angesichts des objektiven Kosten-Nutzen-Verhältnis häufig zu hoch sein. Man denke z. B. an um wenige Cent bzw. Euro überhöhte Mobilfunkgebühren. Ein Anbieterwechsel würde dann eine u. U. umstrittene Vertragskündigung erfordern, ganz zu schweigen von der Auswahl eines neuen Anbieters, der Rückgabe von Mietgeräten, Rufnummernmitnahme etc. Schreckt der Einzelne aber schon vor diesen tatsächlichen Konsequenzen zurück, ist ein rechtliches Vorgehen erst recht undenkbar. Ökonomisch betrachtet liegt ein Fall eines negative-expected-value der Klage vor. Aufwand und Kosten (gerichtlicher) Geltendmachung übersteigen die Anspruchshöhe um ein 25
Zu verschiedenen praktischen Erfahrungen im zweiten Kapitel, S. 124 ff. Wagner, in: Casper/Janssen/Pohlmann/Schulze, S. 41, 55; Stadler, in: Cafaggi/Micklitz, S. 305, 315 f.; Sauerland, S. 60 ff.; Buchner, S. 47 f. und 49 f.; Haß, S. 37 ff. 26
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Vielfaches und lassen den Geschädigten daher von einer Klage absehen. Dieser Effekt wird als „rationale Apathie“ bezeichnet: Der Geschädigte bleibt untätig, weil gerade diese Untätigkeit rational-wirtschaftlich betrachtet die einzig sinnvolle Vorgehensweise darstellt.27 Eine qualitative, ebenso wie eine quantitative Grenzziehung (teils auch als „Bagatellgrenze“ bezeichnet) gestaltet sich hierbei äußerst schwierig.28 Beträge von wenigen Cent oder Euro und wohl auch alle Beträge unter 200 Euro29 werden keinen hinreichenden Anreiz für eine Rechtsverfolgung stellen. Im Bereich von 200 bis 500 Euro30 und erst recht im Bereich zwischen 500 und 5000 Euro fällt eine entsprechende Entscheidung dagegen deutlich schwerer.31
b) Durchsetzungsdefizite Während die kollektive Geltendmachung von Massenschäden dogmatisch im Wesentlichen die prozessuale Bündelung klassicher Individualansprüche zum Gegenstand hat, erfordert die rechtliche Beurteilung von Streuschadensfällen neue Ansätze auf der materiell- wie auch der prozessrechtlichen Seite. Materiell-rechtlich sieht die überwiegende Meinung den Hauptzweck des deutschen Haftungs- und Schadenersatzrechts weiterhin in der Kompensation des entstandenen Schadens beim Geschädigten.32 Die Schadenshöhe ist dabei nicht von Bedeutung, sodass jeder Schadenersatzanspruch die gleiche rechtliche Wertigkeit besitzt. Verfahrensrechtlich gilt grundsätzlich33 dasselbe. Im Gegensatz zu dem, dem gemeinen Recht entstammenden Grundsatz „De minimis curat praetor“, befasst sich das Gericht somit auch mit solchen Forderungen, 27 F. Weber, S. 79 f. und 96 f.; Wagner, in: Casper/Janssen/Pohlmann/Schulze, S. 41, 52 f.; ders., Gutachten A für den 66. DJT, A 107; Ott/Schäfer, in: dies., S. 131, 148 ff.; Burckhardt, S. 89 f.; Sauerland, S. 38 ff.; Hirte, in: FS Leser, S. 335, 336; Urbanczyk, S. 246 f.; auch schon Kötz, in: Homburger/Kötz, S. 69, 70 f. 28 Schaub, JZ 2011, 13, 15 f.: „praktisch kaum möglich“. 29 Abhängig von den Erfolgsaussichten der Klage sowie dem einsetzbaren Anfangsvermögen eines einzelnen Geschädigten kommt Burckardt, S. 127 auf einen Wert zwischen 141 und 159 €; auf die Frage, ab welchem Betrag sie bei Problemen mit einem Produkt oder einer Dienstleistung vor Gericht ziehen würden, nannten in einer Umfrage der Europäischen Kommission in 2003 45 % der Befragten einen Wert von 200 € oder weniger, 18 % 500 € und weitere 18 % 1000 €, vgl. Spezial-Eurobarometer 195, Die Bürger der Europäischen Union und der Zugang zur Justiz, S. 29. Das Dokument ist online abrufbar unter http://ec.europa.eu/ public_opinion/archives/ebs/ebs_195_de.pdf (zuletzt besucht am 12. 04. 2017). 30 Böni/Wassmer, EWS 2015, 130, 131 schätzen es als „realitätsnah“ ein, dass rationale Apathie bei Werten von 500 € und mehr „flächendeckend“ überwunden wird. 31 Der Staatssektretär im BMJV, Gerd Billen verwies auf einer Veranstaltung des vzbv (vgl. Fn. 225) auf eine Umfrage des Instituts für Demoskopie Allensbach, wonach Privatleute erst ab einem Streitwert von rund 2000 € bereit sind, vor Gericht zu ziehen. 32 Burckardt, S. 86 f.; Wagner, in: Casper/Janssen/Pohlmann/Schulze, S. 41, 47; ders., AcP 206 (2006) 352, 451; Oetker, in: MK BGB, § 249 BGB Rn. 8; Schiemann, in: Staudinger, Vor §§ 249–254 BGB Rn. 3, jew. m. w. N. 33 Teils sind für Klagen über kleine und Kleinstbeträge gesonderte Voraussetzungen vorgesehen, so z. B. die Durchführung eines Güteverfahrens gem. § 15a EGZPO.
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die man als Bagatelle qualifizieren mag.34 Gleichzeitig besteht Einigkeit dahingehend, dass der deutsche Zivilprozess primär die Durchsetzung der subjektiven Rechte der Bürger zum Zweck hat, denen die Selbstjustiz verwehrt wird. Durch „Wahrung materieller Gerechtigkeit im Einzelfall bei der Feststellung und Verwirklichung subjektiver Rechte“ werden die Interessen beider bzw. aller Beteiligten verwirklicht.35 Unter dieser Prämisse sind Defizite offensichtlich, da die eigentlich vorliegenden subjektiven Rechte aus den oben genannten wirtschaftlichen Gründen mehrheitlich eben nicht zur Durchsetzung kommen. Im Anschluss an die materiell-rechtliche Privatautonomie steht der Individualrechtsschutz im Zivilprozess aber nach der Dispositionsmaxime gleichzeitig vollständig im Belieben des (potenziellen) Rechtsinhabers, der frei ist in der Entscheidung ein gerichtliches Verfahren anzustrengen, um seinen Rechten zur Durchsetzung zu verhelfen – oder eben nicht. Der Zivilprozess muss daher seinem Zweck entsprechend dem Klagewilligen ein vollwertiges Instrumentarium bieten, strebt aber keineswegs aus sich selbst heraus die Rechtsbewährung und -verwirklichung an.36
c) Präventionsfunktion Gleichzeitig hat die mangelnde (gerichtliche) Durchsetzung der Individualansprüche – wenn auch gewissermaßen vom Geschädigten ungewollt – Auswirkungen auf das Verhalten des Schädigers.37 So wird ein rational handelnder Schädiger seinen Schadensvermeidungsaufwand vom Ausmaß des drohenden Schadenersatzes abhängig machen. Bleibt das Risiko einer Inanspruchnahme aufgrund rationalen Desinteresses gering, wird dies ebenso für die Vorsorgemaßnahmen des Schädigers gelten. Besonders gravierend wird dieser Effekt, wenn der Schädiger die Möglichkeit erhält, Streuschäden bewusst zu verursachen und auf diesem Weg, da er ein Gerichtsverfahren nicht fürchten 34 Der Grundsatz „De minimis curat praetor“ hat in den heutigen Rechtsordnungen der EU-Mitgliedsstaaten unterschiedliche Berücksichtigung gefunden. Berechtigterweise gibt van Boom, 4 Journal of Comparative Law (2009) 171, 174 f. aber zu bedenken, dass die Maßgabe des EuGH, jede mitgliedsstaatliche Durchsetzung einer EU-Richtlinie müsse im Hinblick auf die Sanktionen effektiv, verhältnismäßig und abschreckend sein, seine Anwendung zurückgedrängt hat. Das Gegenteil aber gilt für den sog. Draft Common Frame of Reference, dessen Art. VI-6:102 bestimmt: „Trivial Damage is to be disregarded“. Dazu ebenfalls van Boom, a. a. O., S. 171 f. 35 R/S/Gottwald, § 1 Rn. 5 ff.; Grunsky, S. 3; Vollkommer, in: Zöller, Einleitung Rn. 92; Rauscher, in: MK ZPO, Einleitung Rn. 8; Münch, in: Bruns/Münch/Stadler, S. 5, 35 ff.; Schilken, in: Meller-Hannich, S. 21, 24; Gaul, in: Yildirim, S. 68, 78 f.; Prütting, in: ders./Gehrlein, Einleitung Rn. 3. 36 Von Moltke, S. 30 f.; Schilken, in: Meller-Hannich, S. 21, 29; anschaulich Grunsky, S. 6: „Es geht im Prozess nicht schlechthin um die Durchsetzung subjektiver Rechte, sondern nur insoweit, als der Rechtsträger dies anstrebt. Findet dieser sich mit der Verletzung […] ab, so greift der Staat nicht […] ein.“ 37 Siehe zur ökonomischen Analyse des Schädigerverhaltens Schäfer, in: Basedow/Hopt/ Kötz/Baetge, S. 67, 68 ff.; außerdem Burckhardt, S. 85 f.
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muss, i. S. e. Geschäftsmodells planvoll, aber illegal Gewinne erzielen kann. Betrachtet man das Gesamtbild, drohen so volkswirtschaftliche Schäden, die zwar beim Einzelnen, nicht aber insgesamt vernachlässigt und toleriert werden können.38 Vor diesem Hintergrund geht eine in den letzten 20 Jahren zunehmend wachsende Ansicht neben der Schadenskompensation zusätzlich von einer Präventions- und Steuerungsfunktion des Haftungsrechts aus und betont mithin die Abschreckungswirkung von Ersatzpflichten im Hinblick auf zukünftiges schädigendes Verhalten.39 Auf prozessrechtlicher Seite korreliert damit die Annahme neben den Individualrechtsschutz als Primärfunktion des Zivilprozesses trete als „Kehrseite der Medaille“ die Bewährung der objektiven Rechtsordnung im Allgemeininteresse.40 Als Ausgangpunkt dient dabei vielfach ein Zitat von Iherings, wonach derjenige, „[d]er sein Recht behauptet, […] innerhalb des engen Raumes desselben das Recht [verteidigt]“.41 Der Stellenwert dieser Funktion wird jedoch weiterhin unterschiedlich beurteilt.42 Bleibt die Rechtsdurchsetzung jedenfalls aus den genannten Gründen defizitär, wird auch das materielle Haftungs- und Schadenersatzrecht diesbezüglich zu einem sprichwörtlich zahnlosen Tiger. Es tritt die Frage in den Mittelpunkt, wie das betreffende rechtswidrige Verhalten für die Zukunft, z. B. durch hinreichende Abschreckung in der Gegenwart, unterbunden werden kann.43 Dazu stehen verschiedene Ansatzpunkte zur Verfügung. Das prominenteste Beispiel für eine Anpassung des Schadensrechts dürfte die Erhöhung des Ersatzbetrages zu Sanktionszwecken bilden, die durch die Grundsätze der US-
38 Backhaus, in: ders./Cassone/Ramello, S. 69 f.; Burckardt, S. 89 f.; insbesondere aus ökonomischer Sicht wird deutlich, dass die private Kosten-Nutzen Analyse gerade nicht einer sozialen Kosten-Nutzen-Analyse gleichkommt und der eigentliche, gesamtgesellschaftliche Nutzen wegen der rationalen Apathie der Betroffenen ebenso ausbleibt, wie das Verfahren, das ihn herbeiführen könnte; dazu van den Bergh/Keske, in: Casper/Janssen/Pohlmann/Schulze, S. 17, 20 f. 39 Aus der ausführlichen Diskussion siehe hierzu beispielhaft Wagner, AcP 206 (2006) 352, 451 ff.; ders., Gutachten A für den 66. DJT, A 68 ff.; Koch, JZ 1999, 922, 927 ff.; vgl. auch Burckhardt, S. 87. 40 Rauscher, in: MK ZPO, Einleitung Rn. 9; Vollkommer, in: Zöller, Einleitung Rn. 39; Prütting, in: ders./Gehrlein, Einleitung Rn. 3; R/S/Gottwald, § 1 Rn. 9; Schilken, in: MellerHannich, S. 21, 24; Münch, in: Bruns/Münch/Stadler, S. 5, 13; Haß, S. 14 f. und 49 f.; auch bereits Gaul, AcP 168 (1968) 27, 46 ff.; kritisch Grunsky, S. 5. 41 Von Ihering, Der Kampf ums Recht, 1889, S. 49 f., zitiert nach Kötz, in: Homburger/ Kötz, S. 69. 42 Münch, in: Bruns/Münch/Stadler, S. 5, 12; nach Schilken, in: Meller-Hannich, S. 21, 25 „kann [man] immerhin […] von einem sekundären Prozesszweck […] sprechen“. Nach R/S/ Gottwald, § 1 Rn. 9 handelt es sich nicht um einen selbstständigen Prozesszweck, sondern lediglich zwei Seiten ein und desselben Tatbestands. 43 Wagner in: Casper/Janssen/Pohlmann/Schulze, S. 41, 53; Kocher, in: Steele/Van Boom, S. 118, 126 f.; Haß, S. 50 f.; außerdem Kötz, in: Homburger/Kötz, S. 69 ff.
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amerikanischen punitive damages44 bekannt geworden ist. Von ökonomischer Seite wird vorgeschlagen, dem Erhöhungsbetrag dabei die Wahrscheinlichkeit der Schadensgeltendmachung zugrunde zu legen, sodass der Schädiger auch bei einem einzelnen Kläger, den gesamten, von ihm verursachten Schaden ersetzen müsste.45 Zur Vereinbarkeit dieses Modells mit dem Kompensationsgedanken des deutschen Schadensrechts wäre jedoch wenigstens vorauszusetzen, dass der vom Schädiger insgesamt zu leistende Ersatzbetrag, die Höhe des von ihm insgesamt verursachten Schadens nicht übersteigt. Unter dieser Prämisse greift der Ansatz jedoch verfahrensrechtlich zu kurz: Es wäre zwar unter dem Gesichtspunkt der rationalen Apathie grundsätzlich nicht zwingend zu beanstanden, wenn der Ersatzbetrag einem Geschädigten anstatt allen zufällt. Bereits hier wäre jedoch das Schicksal der restlichen Ansprüche dogmatisch schwierig zu erfassen. Darüber hinaus würde die Aussicht auf einen hohen Ersatzbetrag jedoch die rationale Apathie des individuellen Geschädigten entfallen und seine Kosten-Nutzen-Analyse positiv werden lassen. Da dies aber wiederum nur für den Ersten aller Kläger gilt, wäre ein Kampf unter den Geschädigten um das Klageprivileg (sogenannter „run to the courthouse“) vorprogrammiert.46 Eine prozessuale Konkurrenzregelung, die dieses Problem zufriedenstellend lösen kann, ist unter diesen Vorzeichen nicht ersichtlich. Damit verbleibt – für das Privatrecht – die Möglichkeit das verfahrensrechtliche Problem des Durchsetzungsdefizits auch auf verfahrensrechtlicher Ebene zu lösen. Um die Grundlagen für die weitere Untersuchung zu komplettieren, sei daher noch kurz auf den kollektiven Rechtsschutz als Lösungsweg eingegangen. Ungeachtet der konkreten Verfahrensgestaltung sind dabei konzeptionell wiederum zwei Aspekte zu unterscheiden:
aa) Subjektiver Rechtsschutz Eine Möglichkeit besteht darin, den subjektiven Rechtsschutz für Präventionszwecke zu instrumentalisieren. Zu diesem Zweck wird teilweise erwogen, den Geschädigten mithilfe eines kollektiven Rechtsschutzverfahrens von Aufwand und Kosten der Anspruchsgeltendmachung weitgehend zu befreien und auf diese Weise das ökonomische Wertverhältnis zu verändern, das letztlich seine rationale Apathie verursacht. Prominentestes Beispiel hierfür ist das weithin bekannte class action-Verfahren der Vereinigten Staaten von Amerika (USA), das seinen Ursprung gerade darin hat, sogenannte small claims justiziabel zu machen.47 44 Burckardt, S. 90 f.; aus ökonomischer Sicht Parisi/Cenini, in: Backhaus/Cassone/Ramello, S. 131 ff. 45 Wagner, in: Casper/Janssen/Pohlmann/Schulze, S. 41, 57 f.; zur Bedeutung einer Anreiz- und Abschreckungsfunktion für das materielle Zivilrecht Ott/Schäfer, in: dies., S. 131, 132 f. 46 Wagner, ebenda, S. 41, 59 f. 47 Ein anschaulicher Beispielsfall zur class action im small claims-Bereich findet sich
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bb) Objektiver Rechtsschutz Nimmt man die rationale Apathie der Geschädigten als gegeben hin, ist ein objektives Rechtsschutzverfahren erforderlich, um dem Fehlverhalten der Schädiger zu begegnen. Der Schutz von Kollektiv- oder Allgemeininteressen wird dabei mit Hilfe der privatrechtlichen Durchsetzung u. a. des Verbraucher- oder Wettbewerbsrechts zum Hauptzweck. Typische Beispiele für einen solchen Mechanismus stellen die Verbandsunterlassungsklagen im Verbraucherschutz- und AGB-Recht nach §§ 1 ff. UKlaG, im Recht des unlauteren Wettbewerbs nach § 8 UWG, im Kartellrecht nach § 33 II GWB sowie die ebenfalls durch Verbände geltend zu machenden Gewinnabschöpfungsansprüche nach § 10 UWG und § 34a GWB dar. Sie nehmen schon de lege lata im Verfahrensrecht eine Sonderrolle ein48, da sie eben nicht der Durchsetzung subjektiver Rechte individuell Betroffener dienen. Ihre dogmatische Einordnung ist umstritten, wobei aber die überwiegende Ansicht inzwischen davon ausgeht, dass die Verbände – wenn auch nur rein formal49 – einen eigenen Anspruch und damit ein eigenes subjektives Recht geltend machen. Dies wird jedoch wiederum kritisiert, weil die handelnden Verbände in allen Fällen unstreitig kein eigenes Interesse verfolgen und durch die Geltendmachung keinerlei eigenen Vorteil erhalten. Die Klagen sollen vielmehr zur effektiven Verwirklichung des Verbraucherschutzes und des lauteren Wettbewerbs beitragen.50 Vor dem genannten Hintergrund werden die Verfahren häufig unter dem Stichwort der Prozessführung im öffentlichen Interesse51 zusammengefasst, die Kötz anschaulich definiert als „Mechanismen, mit deren Hilfe eine Rechtsordnung auf bestimmten Lebensgebieten die Erhebung und Durchführung von Klagen Privater deshalb erleichtert oder überhaupt erst ermöglicht, weil auf diesen Gebieten ein besonderes […] öffentliches Interesse an wirksamer Sanktionierung von Rechtsverletzungen besteht“.52 Darin wird auch die Abgrenzung zu traditioneller privater Rechtsdurchsetzung deutlich: Betrachtet man die Bewährung des objektiven Rechts wie oben jedenfalls als Reflexwirkung subjektiven Rechtsschutzes und damit als Bestandteil jedes Zivilbei Calabresi, in: Backhaus/Cassone/Ramello, S. 10 ff., der jedoch vorwiegend die positiven Aspekte herausarbeitet. Der Blick auf die Gefahren überwiegt dagegen bei Eichholtz, S. 12 ff. 48 Als „Fremdkörper“ im Rechtsschutzsystem der ZPO bezeichnet sie Gaul, in: Yildirim, S. 68, 80. 49 So ausdrücklich Schilken, in: Meller-Hannich, S. 21, 33. 50 Vgl. zur dogmatischen Einordnung noch im folgenden zweiten Kapitel, S. 92 ff. 51 Dazu Koch, S. 1 ff.; Kötz, in: Homburger/Kötz, S. 69 ff. und auch Haß, S. 16 f. 52 Kötz, in: Homburger/Kötz, S. 72; um den Kreis zu schließen, vgl. wiederum Haß, S. 16 f.: „Konkrete Einzelinteressen [..], zu deren Durchsetzung ein rechtlicher Anspruch bzw. ein subjektives Recht zur Verfügung steht, [bilden keinen] Fall der Prozessführung im öffentlichen Interesse, wenn man nicht jede Prozessführung als solche im öffentlichen Interesse begreifen will“.
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prozesses erscheint der Begriff der Prozessführung im öffentlichen Interesse zunächst unscharf. Während der traditionelle Zivilprozess aber von einem eigenen – bei Klageerhebung ggf. nur behaupteten – subjektiven Recht ausgeht, dessen Feststellung und Verwirklichung er zum Ziel hat, fehlt ein solches in den genannten Verfahren gänzlich oder steht jedenfalls keinem Individuum zu. Der Gesamtprozess dient dadurch in erster Linie öffentlichen Interessen und zwar in Bereichen, in denen man die objektive Rechtsbewährung von anderer Seite für nicht ausreichend erachtet. Es entsteht also gleichzeitig ein Konflikt mit den traditionellen Prozesszwecklehren.53 Die Differenzierung ist aber für die Zwecke dieser Untersuchung noch aus einem anderen Grund von Bedeutung: Eine Repräsentation im eigentlichen Sinne erfolgt zunächst nur dort, wo ein einzelner Repräsentant oder einige wenige Repräsentanten mit Wirkung für und gegen eine Vielzahl von Individualinteressen handeln – mithin das Repräsentationsprinzip gilt. Das Problem einer adäquaten Interessenvertretung stellt sich trotzdem auch dort, wo lediglich Kollektiv- oder Allgemeininteressen den Verfahrensgegenstand bilden. Dabei lässt sich jedoch naturgemäß kein bestimmbarer Anteil am Kollektivinteresse den jeweiligen Angehörigen des Kollektivs (z. B. allen Verbrauchern) und erst recht kein bestimmbarer Anteil am Allgemeininteresse jedem Einzelnen zuordnen. Als schützenswerter Träger dieser Interessen käme personell allenfalls der Staat in Frage, dem seinerseits deren Schutz obliegt. Das Recht und die Qualifikation zur Interessenvertretung müssen sich folglich jeweils nach einem anderen Bezugspunkt richten. Dort, wo das Verfahrensergebnis individuelle Interessen beeinflusst, indem es Auswirkungen auf individuelle subjektive Rechte des Einzelnen hat, müssen die gemeinsamen Interessen aller Gruppenmitglieder und im optimalen Fall die Individualinteressen jedes Einzelnen so weit als möglich Berücksichtigung finden. Der Kläger handelt als echter Repräsentant. Dieser personelle Aspekt entfällt bei der Durchsetzung von Kollektiv- oder Allgemeininteressen zum Zweck der objektiven Rechtsbewährung und Schadensprävention. Der Kläger muss sich ausschließlich an der Qualität der Vertretung des jeweils betroffenen Interesses messen lassen und sein Recht sowie seine Qualifikation folglich daran geknüpft sein. Neben den unter a) und b) genannten Gründen erscheint ein subjektives Rechtsschutzverfahren in Streuschadensfällen äußerst problematisch, das einen objektiven Rechtsschutz im traditionellen Sinne mit Hilfe der gebündelten Durchsetzung individueller Einzelansprüche erreichen will. In diesem Fall würden ausnahmsweise beide Bewertungsmaßstäbe aufeinandertreffen und müssten zusätzlich in Einklang gebracht werden. 53 Schilken, in: Meller-Hannich, S. 21, 46 f., der den Konflikt aber letztlich für unbedeutend hält, da die objektive Rechtsbewährung ja auch von der klassischen Lehre als Prozesszweck anerkannt und im gegebenen Ausnahmefall dann lediglich zum Alleinzweck ausgeweitet werde; differenzierend Münch, in: Bruns/Münch/Stadler, S. 5, 46 ff.
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4. Dogmatische Vereinbarkeit Bereits anhand der bisherigen kurzen Darstellung wird sichtbar, dass die Einführung kollektiver Rechtsschutzmechanismen den deutschen Zivilprozess, angefangen aber keineswegs ausschließlich bei der Frage nach seiner Funktion, vor neue Herausforderungen stellt. Eine entsprechende Neuregelung setzt eine angemessene Voraussicht des Gesetzgebers, aber auch aller übrigen Beteiligten zwingend voraus. Im Dienste der Verständlichkeit darf eine entscheidende methodische Weichenstellung dabei nicht übergangen werden: Das grundsätzliche Bestreben, einen – wie auch immer gearteten – kollektiven Rechtsschutzmechanismus in das bestehende zivilprozessuale System zu integrieren, ist löblich, erfordert aber zwingend eine – vollständige – dogmatische Eingliederung, nicht zuletzt auch mit Blick auf den Prozesszweck54. Andernfalls entsteht ein „Mischmasch“ wie im Fall der Verbandsunterlassungsklage, die als „Fremdkörper“ eingeordnet wird. Die Folge sind Unsicherheiten in der rechtlichen Behandlung und Bewertung, wodurch nicht nur die Wirksamkeit, sondern insbesondere auch die Akzeptanz der Maßnahmen bei den Rechtsanwendern gefährdet wird. Angesichts dessen erscheint eine Erweiterung des bestehenden Systems als Alternative vorzugswürdig.55
II. Erscheinungsformen kollektiver Rechtsschutzmechanismen Terminologisch lassen sich verschiedene kollektive Rechtsschutzmechanismen zunächst danach gliedern, wer die Rolle des Klägers einnimmt. Es werden Gruppenklage und Verbandsklage unterschieden.56 Als Gruppenklage werden dabei mehrheitlich diejenigen Verfahren bezeichnet, mit denen die Individualansprüche einer Vielzahl von Personen gebündelt geltend gemacht werden können. Die Gruppenklage dient in diesem Zusammenhang oft als Synonym für den Begriff Sammelklage, der aufgrund seiner assoziativen Verknüpfung mit der ungebliebten class action des US-amerikanischen Rechts weitestgehend vermieden wird.57 54 Hinsichtlich des Prozesszweckes äußert sich Schilken, in: Meller-Hannich, S. 46 ff. durchaus zu Gunsten einer Integration. 55 Nicht ganz zutreffend daher Münch, in: Bruns/Münch/Stadler, S. 5, 47: „Und hier steht darum eher die prozessual-pragmatische Durchführung als die inhaltlich-teleologische Zweckklärung im Brennpunkt der Diskussion“. Wie zu zeigen sein wird, sträuben sich Politik und Rechtswissenschaft in Deutschland gerade gegen eine prozessual-pragmatische Durchführung. Des Weiteren wird diese aber auch nur auf einer tragfähigen inhaltlichen und dogmatischen Grundlage zum Erfolg führen, für die zwar Kreativität und Weitsicht, aber gerade kein Pragmatismus erforderlich sind. 56 Vgl. Hopt/Baetge, in: Basedow/Hopt/Kötz/Baetge, S. 11 ff.; Burckardt, S. 26 ff.; Haß, S. 57 ff.; Geiger, S. 29 ff.; Koch, ZZP 113 (2000), 413, 415. 57 Ausdrücklich Voet, 4 Int. J. Proc. L. (2014) 97, 101.
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Als Verbandsklage werden demgegenüber Verfahren bezeichnet, die üblicher Weise von meist gemeinnützigen58 Verbraucherverbänden oder gewerblichen Verbänden geführt werden. Im deutschen Recht sind dies in erster Linie die Verbandsunterlassungsklagen nach dem UKlaG, dem UWG oder dem GWB. Sie haben gerade nicht individuelle Rechte Einzelner zum Gegenstand, sondern bilden eine Form des objektiven Rechtsschutzes.59 Dementsprechend wird der Terminus Verbandsklage z. B. nicht für die nach § 8 I Nr. 4 RDG mögliche gebündelte Geltendmachung zuvor abgetretener individueller Verbraucherforderungen verwandt, obwohl auch hier ausschließlich bestimmte Verbraucherverbände klageberechtigt sind.60 Im Ansatz eindeutiger kann daneben nach dem Klageziel zwischen kollektiver Unterlassungsklage und kollektiver Schadenersatzklage differenziert werden.61 Eine wohl auch hierzu gehörige Zwischenform bildet die sogenannte Musterklage, bei der entweder vorab exemplarisch über einen einzelnen Fall entschieden wird, sodass das Urteil für weitere Klagen als Anhaltspunkt dienen kann oder alternativ über bestimmte Fragen des Haftungsgrundes für eine Vielzahl von Verfahren einheitlich entschieden wird. Schließlich lassen sich kollektive Verfahrensformen nach dem durch sie geschützten Interesse ordnen. Diese Abgrenzung stellt die vorliegende Untersuchung jedoch schon zu diesem sehr frühen Zeitpunkt vor ein Dilemma. Der Begriff des Interesses ist zwar für die Rechtswissenschaft einerseits unumgänglich, andererseits handelt es sich aber nicht um einen Rechtsbegriff.62 Gerade die Entstehung und Entwicklung des kollektiven Rechtsschutzes hat Anlass zu Bestrebungen gegeben, dies zu ändern.63 Die (weitere) Ausarbeitung eines rechtlichen Interessenbegriffs im Verhältnis zum weiterhin maßgeblichen Anspruchsbegriff aber liegt – obwohl hochinteressant – außerhalb der inhaltlichen und zeitlichen Möglichkeiten dieser Untersuchung, die sich bewusst lediglich einer Teilfrage im Rahmen verschiedener kollektiver Rechtsschutzmechanismen widmen will. Gleichzeitig aber ist der Begriff des Interesses im gegebenen Kontext derart präsent, dass eine gewisse, wenn auch rudimentäre 58 Der Begriff wird an dieser einleitenden Stelle zunächst untechnisch verwendet. Zur Abgrenzung von „gemeinnützig“, „gewerbsmäßig“ und „gewerblich“ im Rechtssinne vgl. im dritten Kapitel, S. 218 ff., S. 227 ff. und S. 262 ff. 59 Dazu näher schon soeben, S. 17 ff. 60 Vgl. auch Schilken, in: Meller-Hannich, S. 21, 36 f., der das Verfahren nach Art. 1 § 3 Nr. 8 RBerG a. F. einerseits als besonderen Fall der Musterklage und gleichzeitzig als Sammelklage einordnet. 61 Kocher, S. 482; Buchner, S. 43 ff. 62 Urbanczyk, S. 61; zum Zusammenhang zwischen der dogmatischen Behandlung von Rechtsnormen und den mit ihr verbundenen Interessen Halfmeier, Popularklagen, S. 203 f. 63 Vgl. insbesondere Thiere, S. 110 ff.; darauf aufbauend auch Halfmeier, Popularklagen, S. 197 ff.; Urbanczyk, S. 75 ff. trennt zwischen dem Interesse einerseits und seiner rechtlichen Anerkennung andererseits.
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Untergliederung erforderlich ist. Zu Recht gibt Koch64 zu bedenken, dass eine klare, d. h. das eine vom anderen Interesse ausschließende Grenzziehung nur in wenigen Fällen gelingen wird. Eine derart trennscharfe Differenzierung ist aber auch hier nicht beabsichtigt. Im Ausgangspunkt wird das Interesse mit Thiere als positive Wertschätzung verstanden werden, die ein Subjekt einem Objekt entgegenbringt.65 Am einfachsten zu erfassen sind dann zunächst Rechtsschutzmechanismen, darunter an erster Stelle der Rechtsstreit eines einzelnen Klägers, die individuellen Interessen66 dienen, indem sie auf die Durchsetzung individueller Ansprüche gerichtet sind. Im kollektiven Kontext ergeben sich demgegenüber bereits bei der gebündelten Geltendmachung einer Vielzahl von Individualansprüchen Modifikationen. Ein solches Verfahren würde nur dann den Individualinteressen jedes einzelnen Anspruchsinhabers entsprechen, wenn das Ergebnis jedem einzelnen Interesse in vollem Umfang Rechnung trüge.67 Das aber ist kaum denkbar. Vielmehr konzentriert sich das Verfahren auf ein konzeptionell einheitliches Interesse mehrerer Personen, das sich im Wesentlichen aus dem übereinstimmenden Teil einer Vielzahl von Individualinteressen bildet. Als Beispiel seien die Interessen aller Geschädigten eines Industrieunfalls oder aller Passagiere eines havarierten Schiffs genannt. Führt das Verfahren zum Erfolg und die individuellen Ansprüche kommen zur Durchsetzung, sollte damit jedenfalls das gebildete Interesse der Gesamtgruppe und im optimalen Fall ein so großer Anteil als möglich der gebündelten Einzelinteressen befriedigt werden. Die normative Grundlage des Verfahrens muss aus diesem Grund auf eine größtmögliche Parallelisierung der zusammengefassten Individualinteressen hinwirken. Im hier behandelten Kontext erlangt dies insbesondere bei der Frage Bedeutung, inwiefern dann in einem zweiten Schritt das daraus gebildete Interesse der Gesamtgruppe mit denen des sie repräsentierenden Klägers in Einklang gebracht werden kann. Den individuellen Interessen in originärer oder zusammengefasster Form stehen solche Interessen gegenüber, die nicht einem konkreten Individuum zuzuordnen sind. Betreffen sie gleichzeitig jedermann, werden sie als Allgemeininteresse oder öffentliches Interesse68 bezeichnet. Die Interessen mehrerer Personen können zum anderen aber auch derart übereinstimmen, dass zwar ihre Individualinteressen keine Überschneidungen aufweisen, sie aber ein Status 64
Koch, Prozessführung, S. 9 f. Thiere, S. 24 m. w. N.; ebenso Haß, S. 23; dem folgend auch Geiger, S. 11 f. 66 Thiere, S. 28 untergliedert dabei im Anschluss an Wolff-Bachof weiter in die subjektive Anteilnahme eines Individuums an einem Gegenstand einerseits und den objektiven Nutzen für das Individuum andererseits. Wird das Individualinteresse einer Person demnach von beiden Aspekten geprägt sein, gilt dasselbe für den jeweiligen Anspruch, der sich jedoch in seiner dogmatischen Begründung zunächst am objektiven Nutzen orientieren dürfte. 67 Kocher, S. 57; Urbanczyk, S. 65 ff.; vgl. auch Thiere, S. 75. 68 Dazu ausführlich Thiere, S. 31 ff. 65
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verbindet, der ihnen identische Interessen verleiht. Von den Allgemeininteressen unterscheiden sich diese wiederum dadurch, dass der betreffende Status nicht jedem in der Allgemeinheit zukommt.69 Das Paradebeispiel an dieser Stelle bilden die sogenannten kollektiven Verbraucherinteressen, die der Verbraucherschaft insgesamt zugeordnet werden.70 Wie angedeutet wird ein wie auch immer geartetes Interesse der Gruppe bzw. der Gruppenmitglieder im Rahmen dieser Untersuchung im Wesentlichen dort Bedeutung erlangen, wo es den Interessen des für sie auftretenden Klägers gegenübergestellt wird, um dessen Eignung zu beurteilen. Zu diesem Zweck wird zwischen individuellen Interessen einerseits und überindividuellen Interessen andererseits unterschieden werden. Der Begriff der überindividuellen Interessen wird bereits von Thiere verwendet, der jedoch im Rahmen seiner Arbeitsdefinition jedes Interesse darunter fasst, dessen Träger nicht nur ein einzelnes Individuum ist.71 Im Unterschied dazu werden im Folgenden diejenigen Interessen davon ausgenommen, die durch eine Zusammenfassung mehrerer parallel verlaufender Individualinteressen gebildet werden.72 Es wird folglich zwischen (gebündelten) Individualinteressen und überindividuellen Interessen unterschieden werden. Der zweiten Gruppe werden demnach weiterhin alle Interessen zugeordnet, die nicht auf ein individuell gebildetes Interesse zurückzuführen sind, sondern sich lediglich auf die Zugehörigkeit des Interessensubjektes zu einer bestimmten Gruppe stützen. Die Abgrenzung verläuft damit insoweit parallel zur Frage, ob ein individueller Anspruch des Einzelnen Verfahrensgegenstand ist oder nicht. Dies begründet sich im Wesentlichen aus dem Interessenursprung. Im Rahmen einer Bündelung von Individualansprüchen entsteht das maßgebliche Gruppeninteresse aus einer Schnittmenge der zusammengefassten Einzelinteressen. Im Rahmen des öffentlichen Rechtsschutzes dagegen unterliegt das maßgebliche Gruppeninteresse einer normativen Bestimmung, wird also vom Gesetzgeber jedenfalls mitgeprägt, der ein bestimmtes Interesse einer bestimmten Gruppe als schutzwürdig erachtet. Ein Interessenvergleich hat demnach einerseits tatsächliche, andererseits rechtliche Gegebenheiten stärker zu berücksichtigen.
69 Vgl.
Thiere, S. 71 und 77 f.; Kocher, S. 58; zur Abgrenzung auch Urbanczyk, S. 64 f. zum Begriff Verbraucherinteresse Thiere, S. 100 ff., der zu Recht darauf hinweist, dass ein Verbraucherinteresse für sich gesehen sowohl Individual-, als auch Gruppenoder Allgemeininteresse sein kann, je nachdem wer Interessensubjekt ist, a. a. O., S. 109; ebenso drängt Koch, Prozessführung, S. 11 darauf, die Befugnis die Gerichte anzurufen, nicht davon abhängig zu machen, wer Träger des jeweils zu schützenden Interesses ist, sondern anhand dieses Interesses objektiv zu bestimmen. 71 Thiere, S. 23. 72 In diesem Sinne auch Schilken, in: Meller-Hannich, S. 21, 35. 70 Kritisch
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§ 2 (Rechts-) Politische Auseinandersetzung Sowohl auf europäischer als auch auf nationaler Ebene in Deutschland dauert die politische Debatte über den kollektiven Rechtsschutz insgesamt bereits über mehrere Jahrzehnte an. Ihr Verlauf veranschaulicht die Schwierigkeiten und gleichzeitig die Bedeutung der Thematik.73 Die rechtspolitische Entwicklung bis zum heutigen Tag bildet daher nicht nur eine notwendige Verständnisgrundlage für die weitere Erörterung, sondern zudem ein eindrucksvolles Beispiel, in welchem Umfang sich rechtswissenschaftliche und -tatsächliche Erwägungen (rechts-) politischem Kalkül unterordnen müssen.
I. Europäische Union 1. Rechtspolitische Entwicklung Die Verbraucher(-schutz-)politik im Generellen und die Auseinandersetzung mit einem adäquaten Rechtsschutz von Verbrauchern inklusive funktionierender und funktionaler Rechtsbehelfe im Besonderen bildeten auf europäischer Ebene die rechtspolitische Grundlage und den Nährboden für Überlegungen zum kollektiven Rechtsschutz.74
a) Der Zugang der Verbraucher zum Recht Bereits ein Erstes Programm der EWG für eine Politik zum Schutz und zur Unterrichtung der Verbraucher aus dem Jahr 1975 fasst die Interessen des Verbrauchers in fünf „fundamentalen Rechten“ zusammen, darunter u. a. das „Recht auf Schutz seiner wirtschaftlichen Interessen“ sowie das „Recht auf Wiedergutmachung erlittenen Schadens“. Zur Konkretisierung dieser Rechte heißt es weiter: „Der Verbraucher muss bei Klagen und bei Schäden […] Beratung und Beistand erhalten. Er hat außerdem Anspruch auf eine angemessene Wiedergutmachung [von] Schäden und zwar mittels schneller, wirksamer und wenig kostspieliger Verfahren“.75 In einem Memorandum der Kommission vom 12. 12. 1984 über Rechtsbehelfe des Verbrauchers wird der kollektive Rechtsschutz schließlich erstmals ausdrücklich erwähnt und die Frage aufgeworfen, ob „representative actions“ oder „class actions“ zum Beispiel durch Verbraucherorganisationen ermöglicht werden sollten. Solche Verfahren seien besonders geeignet in Fällen, in denen eine große Zahl von Individuen aufgrund eines einzelnen Ereignisses Schäden erleide, aber der Schaden des einzelnen Individuums zu gering sei, um eine 73 Ebenso 74 Die
Hodges, 37.1 JCP (2014) 67, 68; Stadler, GPR 2013, 281. Entwicklung wird im Überblick dargestellt von Voet, 4 Int. J. Proc. L. (2014) 97,
101 ff. 75 Abl. 1975 Nr. C 92, S. 2 und 8.
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Individualklage zu rechtfertigen.76 In Reaktion auf das Memorandum fordert das Europäische Parlament in einer Entschließung vom 13. März 1987 die Kommission auf, „Mittel zu prüfen, mit denen Einzelpersonen bei der erfolgreichen Vertretung ihrer Ansprüche unterstützt werden können, und zwar durch Änderungen im Verfahrensrecht und durch unabhängige Verbraucherschutzorganisationen“.77 In einer Entschließung vom 09. 11. 1989 empfiehlt auch der Rat der Europäischen Gemeinschaften „verstärkt nach gerichtlichen oder außergerichtlichen Verfahren zu suchen, die eine schnelle und wirksame Beilegung geringfügiger Streitigkeiten […] ermöglichen“.78 In der politischen Entwicklung folgte am 16. November 1993 ein Grünbuch „Zugang der Verbraucher zum Recht und Beilegung von Rechtsstreitigkeiten der Verbraucher im Binnenmarkt“79, das die Rechtslage in den Mitgliedsstaaten im Einzelnen analysierte. Dabei lag der Schwerpunkt jedoch auf Mechanismen zur Durchsetzung sogenannter kollektiver Interessen und weniger auf Verfahren zur kollektiven Geltendmachung von Individualinteressen80. In einer Stellungnahme zum genannten Grünbuch drängt der Europäische Wirtschaftsund Sozialausschuss u. a. auf die Verabschiedung eines „einheitlichen Rechtsinstruments der Gemeinschaft“, in dem unter anderem „Grundregeln für ein einheitliches Verfahren für Verbandsklagen und verbundene Klagen in Rechtsstreitigkeiten der Verbraucher“ festgelegt werden sollen.81 Noch darüber hinaus hebt er in seinen Schlussfolgerungen hervor, in jedem Mitgliedstaat und bis hin zum Gerichtshof müsse die Prozessführungsbefugnis der Verbraucherverbände anerkannt werden, damit diese vor Gericht sowohl durch Unterlassungsklagen als auch durch Schadensersatzklagen die in Frage stehenden Interessen verteidigen könnten.82 Während die Europäische Kommission rund drei Jahre später den Vorschlag einiger Mitgliedsstaaten und Verbraucherverbände nach einer kollektiven Klagemöglichkeit als „nicht mehrheitsfähig“ abtat83, forderte das Europäische Parlament in unmittelbarer Reaktion darauf, Verbraucher-, Berufsund Unternehmerverbänden „die aktive Klagebefugnis für eine Verbandsklage
76
KOM(84) 692 endgültig, S. 10. Entschließung des Europäischen Parlaments vom 13. März 1987 zu Rechtsbehelfen des Verbrauchers, Abl. 1987 Nr. C 99, S. 203, 205. 78 Entschließung des Rates vom 09. November 1989 über künftige Prioritäten bei der Neubelebung der Verbraucherschutzpolitik, Abl. 1989 Nr. C 294, S. 1, 3. 79 KOM(93) 567 endgültig. 80 Zur Abgrenzung der verschiedenen Erscheinungsformen kollektiven Rechtsschutzes und der jeweils verfolgten Interessen schon soeben, S. 19 ff. 81 Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses vom 01. Juni 1994 zu dem Grünbuch: Zugang der Verbraucher zum Recht und Beilegung von Rechtsstreitigkeiten der Verbraucher im Binnenmarkt, Abl. 1994 Nr. C 295, S. 1, 11. 82 Ebenda, S. 14. 83 KOM(96) 13 endgültig, S. 18. 77
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gegenüber bestimmten gesetzwidrigen Verhaltensweisen einzuräumen, die bereits in den nationalen Rechtsordnungen beschrieben werden“.84 Ungeachtet verschiedener Ankündigungen blieb die Europäische Kommission konkrete Maßnahmen daraufhin lange Zeit schuldig. Der kollektive Rechtsschutz im Verbraucherbereich schien erneut in der Schublade verschwunden. Lediglich der Europäische Wirtschafts- und Sozialausschuss rief die Thematik ein weiteres Mal in einer Entschließung im Februar 2005 in Erinnerung und fordert darin eindringlich, den Schutz übereinstimmender kollektiver, allgemeiner oder individueller Verbraucherinteressen sowie den Schutz der legitimen Interessen einzelner Verbraucher in einer Konfliktsituation zu stärken. Zu diesem Zweck verlangt der Ausschuss u. a. eine Überarbeitung der Richtlinie über Unterlassungsklagen, sodass Sammelklagen auf die Forderung von Schadenersatz ermöglicht werden.85
b) Kollektiver Rechtsschutz im Wettbewerbsrecht In der Zwischenzeit brachten das Kommissariat und die Generaldirektion Wettbewerb den kollektiven Rechtsschutz im Dezember 2005 wieder auf die politische Agenda86 und veröffentlichten unter Federführung der neuen Wettbewerbskommissarin Neelie Kroes ein Grünbuch zum Thema „Schadenersatzklagen wegen Verletzung des EU-Wettbewerbsrechts“. Der Veröffentlichung waren einige nennenswerte Ereignisse im Bereich der Wettbewerbspolitik vorausgegangen. Bereits im März 2000 hatte es der Europäische Rat als Ergebnis einer Sondertagung in Lissabon zum neuen strategischen Ziel der Europäischen Union erklärt „die Union zum wettbewerbsfähigsten und dynamischsten wissensbasierten Wirtschaftsraum in der Welt zu machen […]“ (sogenannte Lissabon-Strategie). Die auf der Grundlage der positiven Wirtschaftsentwicklung nach der Jahrtausendwende gefassten Reformpläne erlitten jedoch unter anderem bedingt durch die wirtschaftliche Krise der Jahre 2003 und 2004 einen Rückschlag. Auf seiner Frühjahrstagung 2005 musste der Europäische Rat „Schwachstellen und deutliche Rückstände“87 einräumen. Gerade zu deren Überwindung trieb aber insbesondere die Europäische Kommission und ihr folgend auch der Europäische Rat gleichzeitig die Fortsetzung und „Wiederbelebung“ des Programms, wenn auch mit dem Ziel der Kri84 Entschließung des Europäischen Parlaments zur Mitteilung der Kommission über den Aktionsplan für den Zugang der Verbraucher zum Recht und die Beilegung von Rechtsstreitigkeiten der Verbraucher im Binnenmarkt, Abl. 1996 Nr. C 362, S. 275. 85 Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses vom 10. Februar 2005 zum Thema „Die Verbraucherpolitik nach der EU-Erweiterung“, Abl. 2005 Nr. C 221, S. 153, 169. 86 Einen Überblick über die politische Debatte bietet Hodges, 37.1 JCP (2014) 67, 70 ff. 87 Schlussfolgerungen des Vorsitz zur Tagung des Europäischen Rates vom 22. und 23. 03. 05, Rat der EU, Ratsdokument 7619/1/05, S. 2, Rn. 4.
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senbewältigung unter veränderten Vorzeichen88 voran. Die gesamte Reform des Wettbewerbsrechts sollte vorwiegend dazu dienen, „die Ziele des EG-Vertrages und der Lissabon-Strategie besser verwirklichen zu können“.89 Als eines von drei konkreten Anliegen der Reform sollten „die Verfahren zur Durchsetzung der Wettbewerbsregeln transparenter, rationeller und einfacher werden, ohne an Effizienz einzubüßen“.90 Während die bis dato verabschiedeten Neuerungen weitgehend materiell-rechtlicher Natur waren, hatte die Europäische Kommission vor diesem Hintergrund bereits im Jahr 2003 bei der Anwaltskanzlei und Unternehmensberatung Ashurst eine Studie in Auftrag gegeben, die den verfahrensrechtlichen Umgang mit Schadenersatzansprüchen wegen Verletzung des EU-Wettbewerbsrechts in allen – dann 25 – EU-Mitgliedsstaaten analysieren sollte91. Die im August 2004 veröffentlichten Ergebnisse der Studie muss man als sehr ernüchternd bezeichnen. Der Kernaussage zufolge, waren Modelle des sogenannten private enforcement zu diesem Zeitpunkt in fast allen europäischen Mitgliedsstaaten unterentwickelt und verfahrensrechtliche Voraussetzungen für die Durchsetzung privater wettbewerbsrechtlicher Schadenersatzansprüche oftmals nicht gegeben.92 Nach der Europawahl am 10. bis 13. Juni 2004 und einigem politischen Tauziehen in ihrem Anschluss trat am 22. November 2004 schließlich eine neue Kommission unter dem Vorsitz des Portugiesen José-Manuel Barroso ihr Amt an. Die Niederländerin Neelie Kroes übernahm in dieser Kommission „Barroso I“ das Kommissariat für Wettbewerb und schloss bereits kurz nach ihrem Amtsantritt an die Vorarbeiten ihres Vorgängers an. In einer Rede anlässlich eines Abendessens im New Yorker Harvard Club, einer traditionsreichen Organisation von Alumni der Universität Harvard, im Oktober 2005 warb die neue Kommissarin dem Manuskript zufolge, für das große Potenzial der amerikanischen Idee des sogenannten private enforcement für die Durchsetzung des Europäischen Wettbewerbsrechts.93 Dies könne zur „number one priority“ Europas beitragen, ein wettbewerbsfähigeres Umfeld für Unternehmen und die Industrie und – erst dadurch! – Wachstum sowie wirtschaftliches und soziales Wohlergehen der Bürger zu fördern. Davon erwartete 88
Ebenda, S. 2, Rn. 6. Ebenda, S. 7 f. 90 Ebenda. 91 Sog. Ashurst-Study, verfügbar online auf der Internetseite der Europäischen Kommission unter http://ec.europa.eu/competition/antitrust/actionsdamages/study.html (zuletzt besucht am 12. 04. 2017) 92 Vgl. die Zusammenfassung des Status quo zu Beginn des comparative report, ebenda, S. 1 ff. 93 Neelie Kroes, Dinner Speech, Harvard Club, New York, 22. September 2005, „Enhanc ing Actions for Damages for Breach of Competition Rules in Europe“, SPEECH/05/533; es gilt das gesprochene Wort! 89
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sich die Kommissarin einen starken Abschreckungseffekt, sowie eine „culture of competition“ zwischen den Marktteilnehmern. Im Einklang mit diesen Ankündigungen und zum Ausgleich der von der Ashurst Studie festgestellten Defizite des privaten Rechtsschutzsystems im kartell- und lauterkeitsrechtlichen Bereich veröffentlichte die Generaldirektion Wettbewerb am 19. 12. 2005 das Grünbuch mit dem Titel „Schadenersatzklagen wegen Verletzung des EU-Wettbewerbsrechts“.94 Bereits im ersten Absatz des Grünbuchs findet sich dabei der Verweis auf einen „lebhafte[n] Wettbewerb auf einem offenen Binnenmarkt“ und die Realisierung der Lissabon-Strategie.95 In dem Grünbuch arbeitet die Generaldirektion drei wesentliche Zwecke von Schadenersatzklagen heraus: Die Entschädigung derjenigen, die durch wettbewerbswidriges Verhalten einen Verlust erleiden, die Sicherung der Wirksamkeit von Wettbewerbsvorschriften durch Unterbindung wettbewerbswidrigen Verhaltens und schließlich die Erhaltung eines wirksamen Wettbewerbs durch Abschreckung.96 Im Gegensatz zur konzeptionellen Ankündigung ca. eineinhalb Jahre zuvor, werden verfahrensrechtliche Fragen jedoch kaum thematisiert. Lediglich im Hinblick auf den Schutz von Verbraucherinteressen sowie den Umgang mit geringfügigen Forderungen wird die Einführung besonderer Verfahren hinterfragt. Als Lösungsoptionen werden schließlich ein Klageanspruch für Verbraucherverbände und bzw. oder eine Sammelklagemöglichkeit für Zwischenabnehmer vorgeschlagen.97 Das dem Grünbuch beigefügte Arbeitspapier der Kommissionsdienststellen98 differenziert diesbezüglich drei mögliche Mechanismen, nämlich „Stellvertreterklagen“ (im Original „representative action“) einer natürlichen oder juristischen Person für eine Gruppe bestimmter Einzelpersonen in deren Individualinteresse, „Sammelklagen“ (im Original „collective action“) für eine Gruppe bezeichneter oder identifizierbarer Einzelpersonen sowie einen „Rechtsstreit im öffentlichen Interesse“ (im Original „public interest litigation“) im Interesse der Allgemeinheit.99 Sowohl das Grünbuch als auch das Arbeitspapier100 gehen jedoch kaum weiter auf diese Optionen ein, sondern betonen vorrangig die mitgliedsstaatliche Entwicklung. Während die vorgeschlagene Sammelklage für Zwischenabnehmer (vgl. Option 26) ausdrücklich dem sogenannten opt in-Prinzip folgen sollte, nach dem Geschädigte, die Teil der klagenden Gruppe werden wollen, sich ausdrücklich 94
KOM(2005) 672 endgültig. Ebenda, S. 3 96 Ebenda, S. 4. 97 Ebenda, S. 9 und 10. 98 SEC(2005), 1732 final; das Dokument wurde offiziell nur in englischer Sprache veröffentlicht, eine inoffizielle deutsche Übersetzung ist auf der Internetseite der Europäischen Kommission unter http://ec.europa.eu/competition/antitrust/actionsdamages/documents.html (zuletzt besucht am 12. 04. 2017) verfügbar. 99 Ebenda, Rn. 192. 100 Ebenda, Rn. 198 f. 95
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dementsprechend erklären müssen, sprechen Arbeitspapier und Grünbuch für den Vorschlag der Verbandsklage (vgl. Option 25) von einer Klage „für eine Gruppe bezeichneter oder identifizierbarer Einzelpersonen“. Das wiederum meint das sogenannte opt out-Prinzip, nach dem die Klage automatisch alle Geschädigte mit einem gleichgerichteten Anspruch umfasst und diese einer Teilnahme nur durch eine explizite Austrittserklärung entkommen können. Gleichzeitig führt auch das Arbeitspapier den Kosten- und Zeitaufwand von Einzelklagen an und erhofft sich daher von einer kollektiven Klagemöglichkeit für Endverbraucher „Kompensation“, „erhöhte Abschreckung“ sowie die „Herausbildung einer Wettbewerbskultur“.101 Das Europäische Parlament bewertete die Vorschläge des Grünbuchs in seiner entsprechenden Entschließung weitgehend kritisch. Ohne die Wichtigkeit eines unverfälschten Wettbewerbs und einer effektiven Durchsetzung europäischen Wettbewerbsrechts zu leugnen, sah es sich veranlasst, bereits einleitend darauf hinzuweisen, dass dies nicht zu einer Situation führen dürfe, die Unternehmen einem ungebührlichen Risiko aussetze, unbegründete Schadenersatzforderungen zu erfüllen. Im Weiteren befürwortet es ausdrücklich den Ausbau außergerichtlicher Regelungen mit wettbewerbsfördernder anstatt prozessfördernder Wirkung und hält es „im Interesse der Gerechtigkeit“ für geboten, dass die Geschädigten „aus freiem Willen“ als Gruppe direkt oder vertreten durch Organisationen eine Sammelklage erheben können. Dabei will das Parlament insbesondere die wirtschaftliche Situation der Geschädigten berücksichtigt wissen, um zu vermeiden, dass drohende Rechtskosten der Klageerhebung entgegenstehen.102 Aus den vorgenannten Anmerkungen ist energischer Widerstand gegen das System der US-amerikanischen class action und das ihr – jedenfalls nachgesagte – Erpressungspotenzial, die sogenannte litigation culture sowie insbesondere die Gruppenbildung nach dem opt out-Prinzip zu entnehmen. Die Generaldirektion demgegenüber plädierte im Grünbuch für eine opt out-Verbandsklage und warb dafür, das US-amerikanische System sorgfältig zu durchleuchten und daraus Lehren zu ziehen. Infolgedessen entstand für das Parlament der Eindruck, die Kommission wolle das US-System unbesehen nach Europa überführen. Rund zweieinhalb Jahre später folgte auf das Grünbuch ein Weißbuch zur gleichen Thematik, das neben Kompensation und Abschreckung jedoch auch das Verfahrensrecht als Durchsetzungsinstrument sehr viel konkreter in den Blick nahm.103 Offensichtlich hatte sich in der Zwischenzeit die Erkenntnis 101
Ebenda, Rn. 184. des Europäischen Parlaments vom 25. April 2007 zu dem Grünbuch Schadenersatzklagen wegen Verletzung des EU-Wettbewerbsrechts, Abl. 2007 Nr. C 75 E, S. 653, 657. 103 KOM(2008) 165 endgültig, S. 2 und 3; dazu Schreiber, 44 The International Lawyer (2010) 1157, 1163 ff. 102 Entschließung
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verfestigt, dass die durch Art. 81 und 82 EG (jetzt: Art. 101 und 102 AEUV) verliehenen Rechte nur unzureichend zur Durchsetzung kamen. Einem dem Weißbuch beigefügten Arbeitspapier der Kommissionsdienststellen zufolge lag der Grund hierfür vorwiegend in verschiedenen Hemmnissen, die Verbraucher und KMU insbesondere bei nur geringer Schadenshöhe davon abhalten würden, ihre Ansprüche mittels einer Individualklage geltend zu machen. An erster Stelle werden dabei die im Verhältnis zur geringen Anspruchshöhe drohenden Belastungen, wie u. a. die Verfahrenskosten und eine lange Verfahrensdauer genannt. Hinzu kommen Unsicherheiten hinsichtlich des Verfahrensausgangs sowie fehlende Informationen über einen konkreten Wettbewerbsverstoß.104 Gleichzeitig kommt in dem Arbeitspapier aber ebenso zur Sprache, dass es dem Gerichtssystem an Instrumenten zur Bewältigung einer großen Anzahl von Klagen individueller Geschädigter fehle.105 Vor diesem Hintergrund verzeichnet das Weißbuch für den Bereich des kollektiven Rechtsschutzes einen „eindeutigen Bedarf nach Mechanismen, die eine Bündelung der individuellen Schadenersatzforderungen von Opfern von Wettbewerbsverstößen ermöglichen“. Im Ergebnis schlägt die Kommission daher, wie schon im Grünbuch angedeutet, die Einführung einer Verbandsklagebefugnis für sogenannte „qualifizierte Einrichtungen“ sowie einer opt in-Gruppenklage individueller Opfer von Wettbewerbsverstößen als sich ergänzende Maßnahmen vor.106 Beide Mechanismen werden in dem beigefügten Arbeitspapier näher skizziert107. Unverändert gegenüber dem Grünbuch sieht es für die Verbandsklage eine Gruppenbildung mittels eines opt out-Mechanismus vor. Die Befugnis als sogenannte „qualifizierte Einrichtung“ eine Verbandsklage zu erheben, sollen u. a. Verbraucherorganisationen, Wettbewerbsverbände und öffentliche Stellen erhalten. Indem diese in der Regel ein bestimmtes Interesse verfolgten, sei die Schwelle zur Klageerhebung bei ihnen deutlich niedriger angesiedelt als bei individuellen Geschädigten. Um einem entsprechenden Rechtsschutzmechanismus nicht die Attraktivität und Effektivität zu nehmen, dürfe die zu fassende Definition aber nicht zu restriktiv ausfallen. Gleichzeitig müsse aber die Möglichkeit, als „qualifizierte Einrichtung“ anerkannt zu werden, begrenzt werden, um eine öffentliche Kontrolle zu ermöglichen. Auf diesem Weg sah die Kommission die Missbrauchsgefahr gemindert, die in amerikanischen class action-Verfahren in der Tätigkeit großer, wirtschaftlich arbeitender Anwaltskanzleien als Klägervertreter begründet ist. Dennoch sollten nach den Vorgaben des Arbeitspapiers sowohl vorab registrierte als auch ad hoc gebildete Organisationen zur Klagetätigkeit autorisiert werden können. Bei vorab regis104
SEC(2008) 404 final, nur in englischer Originalfassung verfügbar. Ebenda, S. 15 f. 106 KOM(2008) 165 endgültig, S. 4 und 5. 107 Zum Folgenden siehe SEC(2008) 404 final, S. 18–21. 105
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trierten Vereinigungen, handele es sich dabei in der Regel um solche, die vordefinierte Interessen vertreten würden und sich daher anhand eines festgelegten Kriterienkatalogs registrierten können sollten. Bei ad hoc gebildeten Organisationen müsse sich die Vertretung dagegen nach einem eigens vom jeweiligen Mitgliedsstaat zu entwickelnden Verfahren richten. Ihnen solle schließlich nur die Repräsentation ihrer identifizierten Mitglieder offenstehen, während vorab registrierten Organisationen auch die Vertretung bestimmter bzw. ggf. sogar nur bestimmbarer Nichtmitglieder ermöglicht werden könne. Des Weiteren wird darauf hingewiesen, dass Verstöße gegen EU-Wettbewerbsrecht mit hoher Wahrscheinlichkeit mehrere Mitgliedsstaaten beträfen, sodass die Anerkennung sowohl vorab registrierter als auch ad hoc gebildeter Organisationen grenzüberschreitende Wirkung haben müsse. Das Europäische Parlament begrüßt in seiner Entschließung zunächst zwar scheinbar das Weißbuch in Gänze wie auch die Einführung kollektiver Rechtsschutzmechanismen, sieht sich jedoch inhaltlich in seiner Kritik am Grünbuch bestätigt und baut diese weiter aus.108 So unterstreicht es bereits zu Anfang, dass es grundlegende Bedeutung habe, alle Parteien fair zu behandeln und Systemmissbrauch zu unterbinden. Es weist darauf hin, dass die vom Weißbuch bedachten typischen Probleme bei der Durchsetzung von Schadenersatzansprüchen über das Wettbewerbsrecht hinaus durchaus auch in anderen Bereichen wie z. B. verbraucherbezogenen Klagen vorkommen. Vor diesem Hintergrund wirbt es für einen horizontalen oder integrierten Ansatz, der Verfahrensregeln enthalten solle, die den unterschiedlichen Rechtsordnungen gemeinsam sind und pocht zugleich auf eine „ein für alle Mal“ geltende Regelung.109 Zur Frage der konkreten Ausgestaltung eines kollektiven Klagemechanismus moniert das Parlament zunächst, dass die Kommission bislang keine Rechtsgrundlage für ihre Vorschläge angegeben habe. Entgegen der Vorgaben des Weißbuchs zur Klagebefugnis bei Verbandsklagen fordert es dazu auf, diese einerseits staatlichen Stellen oder qualifizierten Einrichtungen durch Registrierung vorab zu verleihen, andererseits aber eine ad hoc-Ermächtigung in erster Linie für Berufsverbände vorzusehen. Schließlich stellt es fest, dass nicht nur der „zugesprochene Schadenersatz an den identifizierten Personenkreis […] ausgezahlt werden muss“, sondern auch „dass die qualifizierte Einrichtung allenfalls für die 108 Die kritische Auseinandersetzung ist jedoch erst bei näherer Analyse ersichtlich, weswegen die Entschließung seitens der Presse vordergründig auch als Unterstützung für Sammelklagen wahrgenommen wurde, vgl. FAZ vom 27. 03. 2009, Nr. 73, S. 15: „EU-Parlament will Sammelklagen ermöglichen“. Diese Unklarheit machte sich in der weiteren Debatte sogar Wettbewerbskommissarin Kroes selbst zu Nutze und argumentierte, das Parlament habe sich eindeutig für den Plan der Kommission ausgesprochen, vgl. FAZ vom 23. 04. 2009, Nr. 94, S. 12. 109 Entschließung des Europäischen Parlaments vom 26. März 2009 zu dem Weißbuch: „Schadenersatzklagen wegen Verletzung des EU-Wettbewerbsrechts“, Abl. 2010 Nr. C 117 E, S. 161, 163.
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Aufwendungen entschädigt werden kann, die ihr durch die Rechtsverfolgung entstanden sind, wobei die qualifizierte Einrichtung weder mittelbar noch unmittelbar für die Entgegennahme von Schadenersatz benannt werden darf.“110 Ungeachtet des breiten Widerstands von Seiten des Europäischen Parlaments wie auch aus Wirtschaft und Wissenschaft trieb Wettbewerbskommissarin Neelie Kroes ihr Anliegen voran. Ihre Generaldirektion Wettbewerb arbeitete in Abstimmung mit der Generaldirektion Gesundheit und Verbraucherschutz einen internen Entwurf für eine Richtlinie zum kollektiven Rechtsschutz im Kartellrecht aus, der es zunächst bis auf die Tagesordnung der Kommission schaffte. Obwohl offiziell nie veröffentlicht, wurde der Entwurf dennoch unter Experten wie in der Presse teils heftig diskutiert.111 Neben überwiegend materiell-rechtlichen Bestimmungen sah der Entwurf in seinem Art. 4112 die Einführung einer opt in-Gruppenklage (Art. 4 I und 5 RL-E) sowie einer Repräsentativklage „qualifizierter Einrichtungen“ vor, die jedoch auf einem opt out-Mechanismus beruhen sollte (Art. 4 II und 6 f. RL-E). Nach Art. 6 II RL-E hätten bei einer Repräsentativklage daher die klagenden Gruppenmitglieder nicht individuell bezeichnet werden müssen, sondern eine allgemeine Umschreibung der Gruppe anhand der Verletzungshandlung und der geforderten Schadenssummen hätte ausgereicht. Die damit verbundenen Missbrauchsgefahren sollten dadurch gemindert werden, dass die Klagebefugnis gem. Art. 7 RL-E auf sogenannte „qualifizierte Einrichtungen“ in Anlehnung an die UKla-Richtlinie beschränkt werden sollte. Trotzdem sah Art. 7 III RL-E eine ständige Überwachung der betreffenden Einrichtungen durch die Mitgliedsstaaten vor. Weder für diese Überprüfung noch für eine Anerkennung als „qualifizierte Einrichtung“ wurden jedoch Kriterien festgelegt. Im Ergebnis stellte sich der Vorstoß schon allein wegen seiner offensichtlichen Anlehnung an die US-amerikanische class action nach rule 23 der Federal Rules of Civil Procedure, aber auch aufgrund einer Vielzahl ungelöster Fragen im Detail auf mitgliedsstaatlicher wie europäischer Ebene als unhaltbar heraus.113
110
Ebenda, S. 161, 163 f. Eine wissenschaftliche Auseinandersetzung findet sich bei Hess, WuW 2010, 493, 495 ff. und Wagner-von Papp, EWS 2009, 446, 449 ff. sowie auch bei Hempel, in: Möschel/ Bien, S. 71, 81 f.; für die Presse sei stellvertretend auf FAZ vom 23. 04. 2009, Nr. 94, S. 12: „Sammelklagen nach amerikanischem Vorbild“ sowie auf einen Kommentar in der FAZ vom 28. 05. 2009, Nr. 122, S. 11: „Verbraucher gegen Kartelle“ verwiesen. 112 Zitiert nach Hess und Wagner-von Papp, ebenda. 113 Stadler, GPR 2013, 281 ff.; Koch, WuW 2013, 1059, 1069; zum politischen Tauziehen Lehne, WuW 2012, 566 und außerdem FAZ vom 01. 10. 2009, Nr. 228, S. 13: „EU-Kommissare wollen Sammelklage durchdrücken“; FAZ vom 20. 10. 2009, Nr. 243, S. 13: „Barroso verheddert sich im Sammelklagen-Dickicht“ und FAZ vom 26. 10. 2009, Nr. 248, S. 13: „Kroes scheitert mit Kollektivklage“. 111
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c) Verbraucherschutz durch kollektiven Rechtsschutz Obwohl die Kommissariate für Gesundheit und Verbraucherschutz erst 1999 zusammengefasst und zugleich die Zuständigkeiten bei einer Generaldirektion gebündelt worden waren, wurden sie mit Wirkung zum 01. 01. 2007 wieder getrennt. Hintergrund war die Erweiterung der Europäischen Union um Bulgarien und Rumänien, die zwei weitere Kommissare notwendig machte. Demzufolge übernahm die Bulgarin Meglena Kuneva ab 01. 01. 2007 das nun wieder eigenständige Kommissariat für Verbraucherschutz, während weiterhin nur eine Generaldirektion für beide Bereiche zuständig blieb. Unter der Leitung der neuen Kommissarin wurde am 13. 03. 2007 eine neue verbraucherpolitische Strategie für die Jahre 2007 bis 2013 veröffentlicht. Schon in deren Einleitung wird eine zunehmend wirtschaftspolitische Fokussierung deutlich, wenn es heißt die Verbraucher müssten „Fähigkeiten erwerben und Instrumente erhalten, damit sie ihre Rolle in der modernen Wirtschaft erfüllen können, sich die Märkte an den Verbrauchern orientieren, und die Verbraucher wirksam vor Risiken und Gefahren geschützt werden, die sie alleine nicht bewältigen können“ und die Stellung der Verbraucher müsse gestärkt werden, um das Funktionieren der Verbrauchermärkte zu verbessern.114 Eine von fünf Prioritäten der Strategie besteht in besserer Rechtsdurchsetzung und besserem Rechtsschutz. Als ein Teil dessen findet sich auch erneut die Ankündigung, die Kommission werde „Initiativen betreffend Mechanismen im Bereich des kollektiven Rechtschutzes bei Verstößen sowohl gegen Verbraucherschutzbestimmungen, als auch gegen die Kartellvorschriften der EU in Erwägung ziehen […]“.115 Anders als noch acht Jahre früher folgte der Ankündigung nun aber rege politische Aktivität116. Auf seiner Plenartagung am 13. und 14. Februar 2008 verabschiedete zunächst der Europäische Wirtschafts- und Sozialausschuss eine Initiativstellungnahme mit dem Titel „Definition der Rolle von Sammelklagen und der entsprechenden Vorschriften im Rahmen des EU-Verbraucherrechts“117 mit dem Ziel, die Debatte über eine einheitliche Form von Sammelklagen auf Gemeinschaftsebene wiederaufzunehmen. Darin wird vehement die Einführung einer Sammelklage befürwortet. Obwohl die gemeinsamen juristischen Traditionen der europäischen Justizorgane wie auch die Grundprinzipien des Zivilprozessrechts der Mitgliedsstaaten im Rahmen einer Einführung auf EU-Ebene zu berücksichtigen seien, sehen die Ausschussmitglieder bei Maßnahmen lediglich auf mitgliedsstaatlicher Ebene die Vollendung des Binnen114 Mitteilung der Kommission vom 13. 03. 2007: Verbraucherpolitische Strategie der EU 2007 bis 2013, KOM(2007) 99 endgültig, S. 5 und 6. 115 Ebenda, S. 17 und 22. 116 Vgl. dazu Hodges, 37 JCP (2014) 67, 68 ff. 117 Abl. 2008 Nr. C 162, S. 1 ff.
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marktes durch einen abweichenden Zugang zum Recht bedroht. Von einer europäischen Sammelklage dagegen erwarten sie sich einen einheitlichen Zugang aller Verbraucher zum Recht „unabhängig von ihrer Staatsangehörigkeit, ihren finanziellen Möglichkeiten und der Höhe des ihnen individuell entstandenen Schadens“ und damit „einen wirksamen Schutz der schwächeren Partei“.118 Dieselben Vorteile versprechen sie sich gleichzeitig für kleinere und mittlere Unternehmen in der Klägerrolle, sowie außerdem Kostenvorteile aufgrund von Verfahrensökonomie und erhöhter Rechtssicherheit zugunsten von Unternehmen in der Rolle der Beklagten.119 Im Hinblick auf die konkrete Ausgestaltung sprechen sich die Ausschussmitglieder neben der obligatorischen Ablehnung einer „class action amerikanischer Art“ aufgrund von Missbrauchsgefahr, Strafschadenersatz und Prinzipal-Agenten-Konflikten überraschend auch gegen eine Verbandsklage aus. Dabei verweisen sie lediglich auf bereits bestehende Verbandsklagemechanismen, die weitgehend nicht auf eine Entschädigung der Verbraucher gerichtet seien. Eine Begründung, warum ein neu einzuführender Mechanismus „keine Verbandsklage sein darf“, wird jedoch nicht gegeben.120 Große Bedeutung wird schließlich der Rolle des Richters in einem potenziellen Verfahren beigemessen. Im Widerspruch zu der vorausgehenden scharfen Ablehnung erinnern die Vorschläge hierzu stark an eine class action nach rule 23 der amerikanischen Federal Rules of Civil Procedure. Ein wesentliches Element richterlicher Kontrolle sei eine umfangreiche Zulässigkeitsprüfung zu Beginn des Verfahrens, in dem die Voraussetzungen für die Einreichung einer Sammelklage durch den Richter geprüft werden sollen. Ein gemeinsames Verfahren dürfe nicht möglich sein, alle Mitglieder der Gruppe müssten rechtliche oder faktische Gemeinsamkeiten verbinden und der Kläger müsse in der Lage sein, die Interessen der Gruppenmitglieder angemessen zu vertreten. Noch darüber hinaus wird eine Prüfung der Schlüssigkeit der Klage im Rahmen der Zulässigkeitsprüfung befürwortet, wie sie ebenfalls die amerikanische class action nach rule 23 als Schutzmechanismus gegen unbegründete oder missbräuchliche Klagen vorsieht. In institutioneller Hinsicht wird schließlich die Bildung eigener Gerichte für Sammelklageverfahren mit speziell ausgebildeten Richtern erwogen.121 Während eine so konkrete Fürsprache seitens einer europäischen Institution die Ausnahme bleiben sollte, griff das Europäische Parlament in seiner Entschließung zur verbraucherpolitischen Strategie die Ankündigung der Kommission wieder auf und forderte im Einklang mit dem Rat „umfassende
118
Ebenda, S. 1 f. Ebenda, S. 8 f. 120 Ebenda, S. 12 ff. 121 Ebenda, S. 15 f. und 17. 119
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Untersuchungen über die Systeme von Sammelklagen“.122 Sollten solche für zweckdienlich gehalten werden, plädiert das Parlament jedoch ausdrücklich für eine „kohärente Lösung auf europäischer Ebene“.123 Bereits am 26. August 2008 veröffentlichte die Berliner Beratungsfirma Civic Consulting Berichte zu zwei von ihr durchgeführten Studien, die die Generaldirektion Gesundheit und Verbraucherschutz der Europäischen Kommission in Auftrag gegeben und bereits im Rahmen der verbraucherpolitischen Strategie 2007–2013 in Aussicht gestellt hatte. Damit kam sie zugleich der mehrfachen Forderung nach wissenschaftlicher Unterfütterung der Debatte nach. In der sogenannten evaluation study hatte Civic Consulting die Leistungs- und Funktionsfähigkeit bestehender kollektiver Rechtsschutzmechanismen in den EU-Mitgliedsstaaten untersucht und überprüft, ob das Fehlen eines solchen Mechanismus negative Auswirkungen für Verbraucher oder die unterschiedliche Rechtslage in den Mitgliedsstaaten Handelshemmnisse oder Störungen im Wettbewerb mit sich brachte.124 Neben einer ausführlichen Analyse umfasste die Studie zudem 13 Länderberichte mit dazugehörigen Fallsammlungen. Parallel ging eine sogenannte problems study125 auf die Probleme des Verbraucherrechtsschutzes generell sowie die wirtschaftlichen und anderweitigen Auswirkungen dieser Probleme auf Verbraucher, Wettbewerber und den europäischen Markt ein. Am 27. 11. 2008 veröffentlichte schließlich die Europäische Kommission ein Grünbuch über kollektive Rechtsdurchsetzungsverfahren für Verbraucher. Darin bewertet sie zunächst gestützt auf die empirischen Daten der genannten Studien den aktuellen Stand der Rechtsbehelfsmechanismen126 und zeigt außerdem Optionen für eine Schließung möglicher Lücken im Rechtsbehelfssystem auf. Insbesondere enthält das Grünbuch verschiedene Lösungsmöglichkeiten für Massenforderungen.127
122 Entschließung des Europäischen Parlaments vom 20. Mai 2008 zu der verbraucherpolitischen Strategie der EU (2007–2013), Abl. 2009 Nr. C 279 E, S. 17, 22. 123 Ebenda. 124 Evaluation of the effectiveness and efficiency of collective redress mechanisms in the European Union, submitted by Civic Consulting (Lead) and Oxford Economics, verfügbar unter http://ec.europa.eu/consumers/archive/redress_cons/collective_redress_en.htm#Studies (zuletzt besucht am 12. 04. 2017), zu Zielvorgabe und Umfang der Studie siehe Part I, Main Report, S. 20. 125 Study regarding the problems faced by Consumers in obtaining redress and the economic consequences of such problems, submitted by Civic Consulting, verfügbar unter http:// ec.europa.eu/consumers/archive/redress_cons/collective_redress_en.htm#Studies (zuletzt besucht am 12. 04. 2017), zu Zielvorgabe und Umfang der Studie siehe Part I, Main Report, S. 12. 126 Grünbuch über kollektive Rechtsdurchsetzungsverfahren für Verbraucher, KOM(2008) 794 endgültig, S. 3 ff. Rn. 6–15. 127 Ebenda, S. 3 Rn. 4 und S. 4 Rn. 7.
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Vier Optionen des weiteren Vorgehens mit unterschiedlich starker Beteiligung der EU werden verglichen128: Option 1 sieht keinerlei Maßnahmen auf europäischer Ebene vor. Option 2 eine Zusammenarbeit der Mitgliedsstaaten, die durch eine Empfehlung oder Richtlinie von europäischer Seite gesteuert würde. Option 3 eine Kombination von Maßnahmen weitgehend außergerichtlicher Art auf europäischer Ebene sowie Option 4 eine Einführung gerichtlicher, kollektiver Rechtsdurchsetzungsverfahren auf europäischer Ebene. Option 1 wird bereits im Grünbuch selbst sehr kritisch beurteilt und ein hohes Risiko gesehen, dass eine Mehrheit der anvisierten Probleme so ungelöst bliebe. Option 2 und 3 beschränken sich ihrerseits weitestgehend auf zu diesem Zeitpunkt schon bestehende europäische Instrumente, die lediglich fortentwickelt werden sollen, darunter insbesondere das Netzwerk der Verbraucherzentren (ECC-Net), Verfahren zur alternativen Streitbeilegung, die Verordnung über geringfügige Forderungen sowie die Verordnung zur Zusammenarbeit im Verbraucherschutz. Lediglich Option 4 beinhaltet die Verabschiedung eines gänzlich neuen Instruments. Hinsichtlich dessen konkreter Ausgestaltung hält die EU-Kommission auch in diesem Grünbuch die Fragen nach der Klagebefugnis, der Gruppenbildung durch opt in oder opt out, der Vermeidung missbräuchlicher Klagen sowie der Verfahrensfinanzierung für entscheidend. In der Absicht die Stellung von Verbrauchern zu stärken, spricht sie sich dabei wie schon zuvor für eine Klagebefugnis sogenannter „qualifizierter Einrichtungen“ wie Verbraucherorganisationen oder Ombudsleute aus.129 Im Anhang des Grünbuchs bat die Kommission zunächst anhand von sieben vorformulierten Fragen Interessenvertreter um ihre Meinung. Auf der Grundlage dieser Informationen veröffentlichte die Generaldirektion Gesundheit und Verbraucher daraufhin eine erste Arbeitsanalyse, deren Inhalt sich zunächst in weiten Teilen mit dem Grünbuch deckt.130 Die Defizite des Rechtsschutzsystems und seine Auswirkungen auf das Marktverhalten von Verbrauchern werden nochmals umfänglich dargestellt sowie die Gründe herausgearbeitet, warum Verbraucher insbesondere in Fällen von niedrigen, individuellen Schäden auf eine Individualklage verzichten. Die im Grünbuch vorgestellten Regelungsoptionen werden jedoch modifiziert und auf fünf erweitert. Die erste Option besteht dabei unverändert darin, keine Maßnahmen auf europäischer 128 Zu Option 1 ebenda, S. 8 Rn. 20; zu Option 2 ebenda, S. 9 Rn. 23; zu Option 3 ebenda, S. 11 Rn. 32 und zu Option 4 ebenda, S. 15 Rn. 48; aus der Lit. Eichler, S. 9 ff.; Tamm, EuZW 2009, 439, 441. 129 Zur konkreten Ausgestaltung eines kollektiven Rechtsschutzmechanismus im Rahmen von Option 4 a. a. O. (Fn. 126), S. 15 f. Rn. 49–57. 130 Consultation Paper For Discussion On The Follow-Up To The Green Paper On Consumer Collective Redress, verfügbar ausschließlich in englischer Sprache auf der Internetseite der Generaldirektion Gesundheit und Verbraucher der EU-Kommission unter http://ec.europa. eu/consumers/solving_consumer_disputes/judicial_redress/index_en.htm (zuletzt besucht am 12. 04. 2017); dazu auch Eichler, S. 15 ff.
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Ebene zu treffen. Option 2 beläuft sich nun darauf, Unternehmen auf freiwilliger Basis mit Hilfe der Mitgliedsstaaten und Verbraucherorganisationen zur Entwicklung von Selbstregulierungsmechanismen anzuhalten. Die veränderten Optionen 3 bis 5 dagegen sehen verschiedene Kombinationen gerichtlicher und außergerichtlicher kollektiver Rechtsschutzmechanismen vor und zwar beides auf freiwilliger Basis (Option 3), eine gesetzesverbindliche Verankerung eines außergerichtlichen Mechanismus mit gleichzeitiger Festlegung von allgemeinen Grundsätzen für eine freiwillige Einführung gerichtlichen, kollektiven Rechtsschutzes (Option 4) sowie eine gesetzesverbindliche Regelung kollektiven Rechtsschutzes im gerichtlichen und außergerichtlichen Bereich auf EU-Ebene (Option 5). Überraschender Weise weichen auch die Gestaltungsparameter in Option 5 signifikant vom Grünbuch ab. Im Diskussionspapier wird für den gerichtlichen Bereich ein Musterklageverfahren von minimal zehn Geschädigten befürwortet, zu dessen Führung ein Verbraucher selbst, eine öffentlichen Stelle, wie z. B. ein Ombudsmann und unter bestimmten Voraussetzungen auch eine Verbraucherorganisation befugt sein soll. Sehr viel konkreter als das Grünbuch wird eine Rechtskraftwirkung zu Gunsten aller europäischen Verbraucher vorgeschlagen, die sich registrieren. Im Anschluss stehe ihnen dann die Möglichkeit einer follow on-Klage offen, um ihre eigenen Rechte geltend machen zu können. Auf diesem Weg sei gleichzeitig die Kostenlast auf das Musterverfahren beschränkt und daher minimiert.131 Auf dieser Grundlage veranstaltete die Generaldirektion Gesundheit und Verbraucher schließlich vom 08. Mai bis 03. Juli 2009 eine öffentliche Konsultation als follow up zum Grünbuch sowie eine öffentliche Anhörung am 29. Mai 2009.132 Bei der Frage nach der Notwendigkeit eines kollektiven Rechtsschutzinstrumentes auf EU-Ebene gingen die Ansichten jedoch traditionsgemäß zwischen Verbrauchervertretern einerseits und Vertretern der Industrie andererseits weit auseinander, was sich ebenso in der Fürsprache für die Optionen 1 und 2 bzw. 4 und 5 niederschlug. Im November 2009 verabschiedete schließlich auch der Europäische Wirtschafts- und Sozialausschuss seinerseits eine Stellungnahme zum Grünbuch. In Anbetracht des auch hier in Kürze dargelegten politischen Prozesses macht er einleitend darauf aufmerksam, „dass die Frage der gerichtlichen Durchsetzung kollektiver Rechtsansprüche seit 1985 diskutiert wird und dass es an der Zeit ist, Entscheidungen zu treffen und unverzüglich entsprechende Verfahren umzusetzen“.133 In diesem Zusammenhang verweist der Ausschuss auf seine 131
Vgl. ebenda, S. 15–19. schriftlichen Beiträge zu der Konsultation sowie eine kurze Zusammenfassung aller Beiträge, die Tagesordnung der öffentlichen Anhörung sowie ebenfalls eine kurze Zusammenfassung dieser sind in englischer Sprache auf der Internetseite der Generaldirektion Gesundheit und Verbraucherschutz der EU-Kommission, a. a. O. (Fn. 130) abrufbar. 133 Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses vom 5. Novem132 Sämtliche
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zahlreichen Stellungnahmen zu der Thematik und bekräftigt seine Ansicht, dass ein europäisches Verfahren zur gerichtlichen Durchsetzung kollektiver Rechtsansprüche im Sinne der Option 4 des Grünbuchs eingerichtet werden sollte.134 In Bezug auf die Merkmale eines solchen Verfahrens135 befürwortet der EWSA eine Kombination von opt in- und opt out-Modell, wobei Ersteres den Geschädigten zur Durchsetzung ihrer individuellen Schadenersatzansprüche und das Zweitgenannte repräsentativen und qualifizierten Einrichtungen als Verbandsklage zur Verfügung stehen soll. Zur Absicherung gegen missbräuchliche oder unbegründete Klagen verweist der Ausschuss erneut auf seine Initiativstellungnahme aus dem Jahr 2008 und die dort empfohlenen weitgehenden Befugnisse für Richter. Schließlich wird zum Zwecke optimaler Harmonisierung eine Umsetzung mittels Richtlinie favorisiert. Wie bereits der EWSA appellierte schließlich auch das Europäische Parlament in einer Entschließung im März 2010 eindringlich an die Europäische Kommission, dem Grünbuch „so rasch wie möglich weitere Maßnahmen folgen zu lassen“.136
d) Zusammenführung der politischen Aktivitäten Einem wachsenden politischen Druck auf europäischer Ebene stand damit das weiterhin stark gespaltene Meinungsbild auf der Ebene der Mitgliedsstaaten gegenüber137 und damit auch die Mehrheitsfähigkeit eines potenziellen Legislativvorschlags der Kommission in Frage. Insbesondere der gescheiterte parallele Vorstoß der Wettbewerbskommissarin Kroes und ihrer Generaldirektion Wettbewerb beförderte das Dilemma einerseits wirksame kollektive Rechtsschutzmechanismen für die Durchsetzung von Schadenersatzansprüchen zu etablieren und dabei gleichzeitig die allgegenwärtige Ablehnung unter Verweis auf das US-amerikanische System zu überwinden. Nach weiteren sechs Monaten Stillstand informierten die Kommissare Viviane Reding (Justiz), Joaquìn Almunia (Wettbewerb) und John Dalli (Verbraucherpolitik) daraufhin im Oktober 2010 über eine erneute und von ihnen gemeinsam anvisierte politische Initiative.138 Eingangs heben sie darin nochmals hervor, dass die effektive Durchsetzung ber 2009 zu dem „Grünbuch über kollektive Rechtsdurchsetzungsverfahren für Verbraucher“, Abl. 2010 Nr. C 128, S. 97. 134 Ebenda, S. 99 f. 135 Dazu ebenda, S. 100 f. 136 Entschließung des Europäischen Parlaments vom 09. März 2010 zum Verbraucherschutz, Abl. 2010 Nr. C 349 E, S. 1, 8. 137 Illustrativer Freud’scher Versprecher bei Montag, ZRP 2013, 172, 173, der von einem „desparaten“ Befund bei den Mitgliedsstaaten spricht. Gemeint ist wohl disparat i. S. v. ungleichartig, sich widersprechend im Unterschied zu desperat i. S. v. verzweifelt, hoffnungslos; richtig Koch, WuW 2013, 1059, 1067. 138 Europäische Kommission, Towards a coherent European Approach to Collective Redress: Next Steps – Joint information note by Vice-President Viviane Reding, Vice-President Joaquín Almunia and Commissioner John Dalli, 05. Oktober 2010, SEC(2010) 1192 final; dazu auch FAZ vom 12. 10. 2010, Nr. 237, S. 11.
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von EU-Recht von größter Bedeutung für – alle – Bürger und Unternehmen sei und erklären ein weiteres Mal den Begriff des kollektiven Rechtsschutzes und die ihm zugedachte Funktion.139 Schließlich geben sie aber auch die sehr unterschiedliche Entwicklung kollektiver Rechtsschutzmechanismen in den Mitgliedsstaaten und die stark variierenden Standpunkte zwischen der Unterstützung des kollektiven Rechtsschutzes durch Verbraucherorganisationen einerseits und der Ablehnung seitens der Wirtschaft andererseits zu Bedenken. Die daraus resultierende politische und rechtliche Uneinheitlichkeit bewerten sie als gefährlich und bezwecken daher künftig mittels einer gemeinsamen Herangehensweise untereinander und mit den Mitgliedsstaaten einen zusammenhängenden europäischen Rechtsrahmen für den kollektiven Rechtsschutz zu entwickeln. Dieser solle auf gemeinsamen Grundsätzen aufbauen. Als Schlüsselelemente identifizieren die Kommissare ein insgesamt wirkungsvolles und effizientes Rechtsschutzsystem, adäquate Mittel und Wege der Finanzierung sowie hinreichende Prävention von Klagemissbrauch.140 Die Abkehr von einer verbindlichen europäischen Initiative hin zu einem integrierenden und kohärenten Ansatz stand dabei im Einklang mit dem vom Europäischen Rat verabschiedeten Stockholmer Programm, das als Teil der Hauptpriorität „Europa als Raum des Rechts und der Justiz“ anmahnt, den europäischen Rechtsraum zu konsolidieren und so Zersplitterung zu überwinden, damit „[d]ie Justizsysteme der Mitgliedstaaten […] unter Wahrung ihrer nationalen Rechtstraditionen kohärent und effizient interagieren können“.141 Zu dem Zweck für das Rechtssystem der EU wie auch aller 27 Mitgliedsstaaten passende kollektive Rechtsschutzmechanismen zu identifizieren sowie die bestehenden gemeinsamen Rechtsgrundsätze weiter auszuarbeiten bzw. weitere zu ermitteln, kündigten sie eine weitere öffentliche Konsultation an.142 Drei Monate später als vorgesehen begann diese im Februar 2011. Das Konsultationsdokument deckt sich in weiten Teilen mit dem besprochenen Informationspapier. Mit dem Ziel, einen kohärenten Ansatz basierend auf gemeinsamen Grundsätzen für den kollektiven Rechtsschutz zu entwickeln, richtet die Kommission 34 Fragen an die Öffentlichkeit. Zu den bereits erwähnten Schwerpunkten treten zudem die hinreichende Information der Geschädigten, die Definition der Rolle von Einrichtungen als Klägervertreter sowie die Vollstreckbarkeit des Ergebnisses in allen Mitgliedsstaaten.143 139
Ebenda, S. 3 f. Ebenda, S. 5 und 6. 141 Rat der Europäischen Union, Vermerk vom 2. Dezember 2009, Betr.: Das Stockholmer Programm – Ein offenes und sicheres Europa im Dienste und zum Schutz der Bürger, Ratsdokument 17024/09, S. 4 und 21; Europäischer Rat, Übermittlungsvermerk vom 11. Dezember 2009, Betr.: Europäischer Rat Tagung am 10./11. Dezember 2009 Schlussfolgerungen, Ratsdokument EUCO 6/09, S. 10. 142 Ebenda, S. 7. 143 Arbeitsdokument der Kommissionsdienststellen vom 4. Februar 2011, „Öffentliche 140
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Die Beiträge zur Konsultation wurden von einer Projektgruppe der RuprechtKarls-Universität Heidelberg analysiert und einem zusammenfassenden Bericht veröffentlicht.144 Dabei lobt der Projektleiter Burkard Hess im Vorwort die beeindruckende Anzahl an Beiträgen mit teilweise hoher inhaltlicher Qualität. Der schon zuvor erwähnte Graben zwischen Befürwortern und Gegnern wird jedoch unverändert auch in dieser Konsultation deutlich. Unter den Teilnehmern sprechen sich die Mehrheit der nationalen Regierungen, alle Verbraucherorganisationen, die Mehrheit aller Wissenschaftler sowie fast alle Bürger für einen neuen, durch die Kommission eingeführten kollektiven Rechtsschutzmechanismus aus und versprechen sich davon ein erhöhtes Verbrauchervertrauen und eine Abschreckung von unrechtmäßigem Geschäftsgebaren. Beinahe alle Vertreter der Wirtschaft, einige nationale Regierungen sowie die Mehrheit der Anwälte erkennen keinen Beweis für ein Defizit im Bereich der Rechtsdurchsetzung und erwarten demzufolge auch keinen Vorteil.145 Folgerichtig favorisiert die Gruppe der Befürworter ein rechtlich verbindliches, die Gruppe der Gegner ein unverbindliches Modell.146 Von offizieller Seite wurde die Konsultation zudem durch das Europäische Parlament in einer Entschließung147 kommentiert. Das Parlament begrüßt darin den Ansatz eines kohärenten europäischen Konzepts und warnt eindringlich vor unkoordinierten Initiativen im EU-Bereich sowie einer Zersplitterung des Verfahrensrechts. Gleichzeitig heißt es aber auch die nationalen Initiativen der Mitgliedsstaaten gut und unterstreicht die Notwendigkeit, deren Rechtsordnungen und –traditionen gebührend Rechnung zu tragen. Schließlich hebt es die möglichen Vorteile eines kollektiven Rechtsschutzverfahrens hervor, legt jedoch besonderen Wert auf die Einführung von Sicherungsmaßnahmen in einem potenziellen Verfahren wie eine umfangreiche Zulässigkeitsprüfung, die Gruppenbildung mittels eines opt in-Verfahrens, Ersatz ausschließlich des tatsächlich verursachten Schadens, das loser pays-Prinzip sowie allenfalls strenge Konsultation: Kollektiver Rechtsschutz: Hin zu einem kohärenten, europäischen Ansatz“, SEC(2011) 173 final; das Papier ebenso wie die eingegangenen Stellungnahmen sind online abrufbar auf der Internetseite der Generaldirektion SANCO unter http://ec.europa.eu/dgs/ health_consumer/dgs_consultations/ca/collective_redress_consultation_en.htm (zuletzt besucht am 13. 09. 2016). 144 Hess/Pfeiffer/Mertens/Sabanogullari, Evaluation of contributions to the public consultation and hearing: „Towards a Coherent European Approach to Collective Redress”, Study JUST/2010/JCIV/CT/0027/A4, online verfügbar unter http://ec.europa.eu/competition/ consultations/2011_collective_redress/study_heidelberg_summary_en.pdf (zuletzt besucht am 12. 04. 2017). 145 Vgl. Frage 1, ebenda, S. 5. 146 Vgl. Frage 6, ebenda, S. 6 f. 147 Entschließung des Europäischen Parlaments vom 02. Februar 2012 zu dem Thema: „Kollektiver Rechtsschutz: Hin zu einem kohärenten, europäischen Ansatz (2011/2089 (INI)), Abl. 2013 Nr. C 239 E, S. 32 ff.
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Richtlinien für eine Klagefinanzierung durch Dritte. Insgesamt äußert sich die Entschließung äußerst vorsichtig, konkrete Festlegungen werden vermieden. Wo das Bekenntnis der Europäischen Kommission, von einer verbindlichen europäischen Gesetzesinitiative Abstand zu nehmen und stattdessen einen gemeinsamen kohärenten Ansatz zu entwickeln, durchaus Hoffnung auf ein pragmatischeres Vorgehen und tatsächliche Fortschritte wecken konnte, wurden diese enttäuscht. Insbesondere Nutzen und Erkenntniswert der letztgenannten Konsultation sind zweifelhaft, vergleicht man das Konsultationspapier mit den Schlussfolgerungen des Europäischen Parlaments in seiner Entschließung. Dementsprechend kurz angebunden gab die Kommission in einer Mitteilung zur europäischen Verbraucheragenda im Mai 2012 bekannt, sie werde eine Anschlussinitiative zum EU-Rechtsrahmen für den kollektiven Rechtsschutz „in Betracht ziehen“.148 Auf ihrer Rede vor dem 69. Deutschen Juristentag am 18. 09. 2012 machte schließlich auch Justizkommissarin Viviane Reding deutlich, dass sie europäische Gesetzgebung auf dem Gebiet von Sammelklagen vor dem Hintergrund der großen Unterschiede zwischen den nationalen Verfahrensrechten ablehne.149
2. Empfehlung der Kommission 2013 Nach ca. zehn Jahren intensiver politischer Debatte und einem insgesamt inzwischen ca. 30 Jahre währenden Entwicklungsprozess präsentierte die Europäische Kommission schließlich am 11. 06. 2013 lang erwartete Ergebnisse in Form mehrerer Dokumente150, darunter u. a. eine Mitteilung sowie eine Empfehlung betreffend den kollektiven Rechtsschutz sowie ein Richtlinienvorschlag für Schadenersatzklagen im Kartellrecht. Im Rahmen der Mitteilung „Auf dem Weg zu einem allgemeinen europäischen Rahmen für den kollektiven Rechtsschutz“151 legt die Kommission – zum wiederholten Male – zunächst die politische Entwicklung beginnend mit der öffentlichen Konsultation und deren Ergebnisse dar, formuliert kurz ihre Definition des kollektiven Rechtsschutzes und geht auf die Rechtslage in den Mitgliedsstaaten ein. Schließlich erläutert sie in neun Abschnitten Komponenten eines allgemeinen europäischen Rahmens für den kollektiven Rechtsschutz, der natürlichen 148 Mitteilung der Europäischen Kommission vom 22. Mai 2012: Eine Europäische Verbraucheragenda für mehr Vertrauen und mehr Wachstum, KOM(2012) 225 endgültig, S. 13; vgl. auch Meller-Hannich, GPR 2014, 92, 96: „an Vagheit schwer zu überbietende Formulierung“. 149 SPEECH-12-614, Manuskript verfügbar unter http://europa.eu/rapid/press-release_ SPEECH-12-614_de.htm?locale=en (zuletzt besucht am 12. 04. 2017), es gilt aber das gesprochene Wort! 150 Vgl. die vollständige Auflistung bei Stadler, GPR 2013, 281 mit Fn. 1–6; dies., ZfPW 2015, 61, 62 mit Fn. 2–7. 151 Mitteilung der Europäischen Kommission vom 11. Juni 2013 […] „Auf dem Weg zu einem allgemeinen europäischen Rahmen für den kollektiven Rechtsschutz“, KOM (2013) 401 endgültig.
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wie juristischen Personen ermöglichen soll, bei Verletzung von ihren durch EU-Recht garantierten Rechten Kollektivklage auf Unterlassung oder Schadenersatz erheben zu können. Nach Ansicht der EU-Kommission gehört es zu den Grundbedingungen eines solchen rechtlichen Rahmens, dass er eine Vielzahl individueller Schadenersatzansprüche wirksam regelt, Prozessökonomie befördert, innerhalb eines angemessenen, zeitlichen Rahmens und unter Beachtung aller Rechte der Beteiligten ein gerechtes Ergebnis liefert sowie Schutzmechanismen gegen Klagemissbrauch vorsieht ohne dabei wirtschaftliche Anreize für spekulative Forderungen zu bieten.152 Im politischen Kontext erwartet sich die Kommission ein vermindertes Risiko unkoordinierter EU-Initiativen und sieht eine „nahtlose Schnittstelle zum nationalen Prozessrecht“ gewährleistet.153 Einer der Abschnitte widmet sich schließlich der Klagebefugnis, stellt aber lediglich Gruppenklagen durch einen der geschädigten Gruppenangehörigen solchen Klagen gegenüber, die von einer Vertreterorganisation für die Gruppe der Geschädigten geführt werden. Mit Blick auf Vertreterorganisationen wird eine gesetzlich geregelte Registrierung im Verhältnis zur ad hoc-Registrierung für jeweils einzelne Verfahren erörtert.154 Sieht man von dem erweiterten Anwendungsbereich einmal ab, geht die Mitteilung damit kaum über den Inhalt des Grünbuchs über kollektive Rechtsdurchsetzungsverfahren für Verbraucher aus dem Jahr 2008 und des Konsultationspapiers aus dem Jahr 2010 hinaus. Daneben legte die EU-Kommission eine Empfehlung i. S. d. Art. 288 UAbs. 5 AEUV vor.155 Die Wahl eines für die Mitgliedsstaaten unverbindlichen Rechtsaktes zu dem erklärten Zweck, „der komplexen Problematik und […] der Notwendigkeit Rechnung zu tragen, eine einheitliche Vorgehensweise beim kollektiven Rechtsschutz zu gewährleisten“156, erscheint schon auf den ersten Blick paradox und unglücklich. Sie liegt in teilweise vehementem politischen Widerstand gegen verbindliche Vorgaben von Seiten der EU sowie den kollektiven Rechtsschutz an sich begründet, der von Kritikern unter Verweis auf drohenden Missbrauch strikt abgelehnt wird.157 Die Entscheidung für einen unverbindlichen Rechtsakt ist unter den Befürwortern des kollektiven Rechtsschutzes dementsprechend neben diversen inhaltlichen Problemen als (aller) 152
Ebenda, S. 11. Ebenda, S. 18. 154 Ebenda, S. 12. 155 Empfehlung 2013/396/EU der Europäischen Kommission vom 11. Juni 2013, Gemeinsame Grundsätze für kollektive Unterlassungs- und Schadensersatzverfahren in den Mitgliedstaaten bei Verletzung von durch Unionsrecht garantierten Rechten, Abl. 2013, Nr. L 201, S. 60 ff. 156 Ebenda, S. 18. 157 Vgl. Stadler, ZfPW 2015, 61, 62; Böni/Wassmer, EWS 2015, 130, 132 und 136; Tillema, NTBR 5/2014, 194, 195; Behrendt/von Enzberg, RIW 2014, 253; zur rechtspolitischen Situation auch Koch, WuW 2013, 1059, 1070; für eine horizontale Rahmenrichtlinie der EU aber Lehne, WuW 2012, 566, 568. 153
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kleinster gemeinsamer Nenner158 auf breite Kritik gestoßen.159Demgegenüber wittern einzelne Gegner noch darin Absicht und verdächtigen die EU-Kommission, anhand der Empfehlung lediglich Untätigkeit und Unfähigkeit der Mitgliedsstaaten beweisen zu wollen, sodass ihr ein EU-weit verbindlicher Rechtsakt folgen kann.160 Die Empfehlung besteht aus 26 Erwägungsgründen sowie 42 einzelnen Empfehlungen, darunter allgemeine Grundsätze für den kollektiven Rechtsschutz sowie besondere Grundsätze für Unterlassungsverfahren und für Schadenersatzverfahren.161 Als kollektiver Rechtsschutz gilt kraft Legaldefinition jedes „rechtliche[s] Verfahren, mit dem zwei oder mehr als zwei natürliche oder juristische Personen gemeinsam oder eine zur Erhebung einer Vertretungsklage befugte Einrichtung die Einstellung einer rechtswidrigen Verhaltensweise verlangen können (kollektives Unterlassungsverfahren), oder […] mit dem zwei oder mehr […] natürliche oder juristische Personen, die geltend machen, bei einem Massenschadensereignis geschädigt worden zu sein, gemeinsam oder eine zur Erhebung einer Vertretungsklage befugte Einrichtung Schadensersatz verlangen können (kollektives Schadensersatzverfahren)“.162 Der Anwendungsbereich der Empfehlung ist auf „die Verletzung von durch Unionsrecht garantierten Rechten“ beschränkt, wobei die Bereiche Verbraucherschutz, Wettbewerb, Umweltschutz, Schutz personenbezogener Daten, Finanzdienstleistungen und Anlegerschutz im Mittelpunkt stehen.163 Auf die weiteren inhaltlichen Regelungen wird an den jeweils maßgeblichen Stellen in dieser Untersuchung zurückzukommen sein. Die Empfehlung schließt mit einer – natürlich ebenfalls rechtlich unverbindlichen – Umsetzungsfrist bis zum 26. 07. 2015, die also zwischenzeitlich abgelaufen ist.164 Spätestens weitere zwei Jahre danach, am 26. 07. 2017 will die EU-Kommission die Umsetzung der Empfehlung bewerten und ggf. über weitere Maßnahmen entscheiden.165 158 Dawson/Muir, 41 LIEI (2014) 215, 222 f.; Stadler, euvr 2014, 80, 81 f.; Hodges, 37.1 JCP (2014) 67, 74 f. zeigt auf, warum das erlassene Dokumentenpaket dennoch alle drei beteiligten Generaldirektionen der EU-Kommision (Wettbewerb, Gesundheit und Verbraucherschutz, Justiz) politisch in ein positives Licht rückt. 159 Hodges, ebenda, S. 87 f.; Dawson/Muir, ebenda, S. 224 („disappointing end“); Stadler, euvr 2014, 80, 82 und 89; Silvestri, 1 Russian Law Journal (2013) 46, 47 und 55; MellerHannich, GPR 2014, 92, 97; Hempel, NZKart 2013, 494, 500 vermutet die „politisch beabsichtigte Wirkungslosigkeit des […] empfohlenen kollektiven Rechtsschutzes“; zurückhaltender Gaier, NJW 2013, 2871, 2874 („auf den ersten Blick vernünftig“). 160 Balthasar, NJW 2013, Editorial zu Heft 27. 161 Zu den „Grundpositionen“ der EU-Kommission in der Empfehlung Stadler, GPR 2013, 281, 284 ff. 162 Empfehlung kollektiver Rechtsschutz, a. a. O. (Fn. 155), Nr. 3a. 163 Ebenda, ErwGr. 7 und Nr. 1. 164 Ebenda, Nr. 38 165 Ebenda, Nr. 41.
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Der ebenfalls am 11. 06. 2013 veröffentlichte Entwurf einer Richtlinie für Schadenersatzklagen im Bereich des EU-Wettbewerbsrechts166, einem Gebiet in dem insbesondere die Europäische Kommission noch wenige Jahre zuvor nachdrücklich für eine Einführung kollektiver Rechtsschutzmechanismen geworben hatte, beschränkt sich schließlich auf einen Verweis auf die Entscheidung für einen horizontalen Ansatz für alle Rechtsbereiche des EU-Rechts und die diesbezügliche Mitteilung und Empfehlung. In einer Stellungnahme zum Richtlinienentwurf bedauert der EWSA wörtlich, „dass die Einführung einer Sammelklage im Wettbewerbsrecht […] zu einer Empfehlung abgeschwächt wurde“ und bemängelt, die Mitgliedstaaten würden lediglich dazu ermuntert, nicht bindende Verfahren des kollektiven Rechtschutzes einzuführen. Er fordert daher unverändert den Erlass von Rechtsvorschriften auf diesem Gebiet.167
3. Aktuellste Entwicklungen Mit dem Ende des Jahres 2013 lief auch die zuletzt für fünf Jahre verabschiedete, verbraucherpolitische Strategie der Europäischen Kommission 2007–2013 (vgl. oben) aus. Das neue Verbraucherprogramm 2014–2020, diesmal als Legislativakt in Form einer Verordnung verabschiedet, setzt das Ziel III der vorangegangenen Strategie fort und kündigt die „Weiterentwicklung und Stärkung der Verbraucherrechte insbesondere durch […] Verbesserung des Zugangs zu einfachen, wirksamen, zweckdienlichen und kostengünstigen Rechtsschutzinstrumenten […]“ an. Im Einzelnen wird dabei jedoch ausschließlich auf alternative Streitbeilegungsmechanismen verwiesen und der kollektive Rechtsschutz findet keinerlei Erwähnung. Die Bereitschaft der EU-Kommission, das mit dem Dokumentenpaket vom 11. 06. 2013 begrabene Kriegsbeil wieder hervorzuholen, scheint praktisch nicht vorhanden.168 Die vorgeschlagene Richtlinie für den Bereich des Wettbewerbsrechts wurde am 26. 11. 2014 wie vorgesehen ebenfalls ohne jede Erwähnung des kollektiven Rechtschutzes in Kraft gesetzt.169 Nur wenige Mitgliedsstaaten haben im Anschluss an die Empfehlung 166 Vorschlag für eine Richtlinie […] über bestimmte Vorschriften für Schadensersatzklagen nach einzelstaatlichem Recht wegen Zuwiderhandlungen gegen wettbewerbsrechtliche Bestimmungen der Mitgliedstaaten und der Europäischen Union, KOM(2013) 404 endgültig. 167 Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses vom 16. Oktober 2013 zu dem Vorschlag für eine Richtlinie […] über bestimmte Vorschriften für Schadenersatzklagen […] wegen Zuwiderhandlung gegen wettbewerbsrechtliche Bestimmungen der Mitgliedsstaaten […], Abl. 2014 Nr. C 67, S. 83, 84 f. 168 Hodges, 37.1 JCP (2014) 67, 76 spricht von einem „policy settlement“; Dawson/Muir, 41 LIEI (2014) 215, 219 von einem „attempt to kick into the long gras“; vgl. auch MellerHannich, GPR 2014, 92, 97; a. A. wohl Montag, ZRP 2013, 172, der die Fristen in Nr. 38 und 41 der Empfehlung (vgl. Fn. 164 und 165) als „deutliche und unmissverständliche Ansage“ zu konstruktiver Mitarbeit an die nationalen Parlamente auffasst. 169 RL 2014/104/EU […] über bestimmte Vorschriften für Schadensersatzklagen nach nationalem Recht wegen Zuwiderhandlungen gegen wettbewerbsrechtliche Bestimmungen der Mitgliedstaaten und der Europäischen Union, Abl. 2014 Nr. L 349, S. 1 ff.
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der EU-Kommission neue gesetzliche Regelungen im Bereich des kollektiven Rechtsschutzes erlassen.170 Die Initiative hierzu stammte jedoch ausnahmslos von den jeweiligen Mitgliedsstaaten selbst und die Vorhaben standen zum größten Teil schon vor dem 11. 06. 2013 auf der politischen Agenda. Auch inhaltlich orientieren sie sich kaum an der Empfehlung. Gesetzgebungsvorhaben, die sich auf deren Erlass gründen, sind dagegen nicht bekannt.171 Weitere Maßnahmen auf dem Gebiet hat die EU-Kommission bislang nicht ergriffen.
II. Deutschland Im Gegensatz zu der umfangreichen politischen Debatte auf europäischer Ebene fällt die Auseinandersetzung mit kollektiven Rechtsschutzinstrumenten in der Politik der Bundesrepublik Deutschland sehr viel geringer aus und ist von Zurückhaltung und Skepsis geprägt. Mit Blick auf die dennoch verabschiedeten Regelungen hat sich daraus ein gewisses Stückwerk entwickelt.
1. Kollektiver Rechtsschutz im Wettbewerbs- und Kartellrecht Der älteste kollektive Rechtsschutzmechanismus in Deutschland entstammt dem Lauterkeitsrecht. Gemäß § 1 I 2 des Gesetzes zur Bekämpfung des unlauteren Wettbewerbs vom 27. Mai 1896172 konnte ein Unterlassungsanspruch wegen unlauteren Verhaltens i. S. v. § 1 I desselben Gesetzes neben den einzelnen Mitbewerbern auch von „Verbänden zur Förderung gewerblicher Interessen“ geltend gemacht werden. Durch die Einführung der Gewerbefreiheit im Jahr 1869 waren gleichzeitig die Zünfte aufgelöst worden, denen bis zu diesem Zeitpunkt die Marktüberwachung und die Kontrolle gegen unlauteres Geschäftsverhalten oblegen hatte. Das neue Gesetz sollte diese Schutzlücke schließen.173 Bereits zum damaligen Zeitpunkt ging man davon aus, dass eine Rechtsverfolgung allein durch den unmittelbar Verletzten nicht ausreichen würde, ein ähnliches Schutzniveau zu gewährleisten, wie es zuvor durch die Zünfte aufrechterhalten worden war. Dies lag damals wie noch heute zum einen darin begründet, dass der unmittelbar betroffene Wettbewerber durch das Prozessrisiko sowie den drohenden Zeit-, Kosten- und Kraftaufwand abgeschreckt wurde. Hinzu kam und kommt weiterhin, dass die Gewerbetreibenden vielfach gegenseitige Absprachen einer prozessualen Klärung vorziehen, um ihre Stellung am Markt und insbesondere ihre – teils wirtschaftlich lebensnotwendigen – Geschäfts-
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Dazu im Überblick später in diesem Kapitel, S. 95 ff. Stadler, VbrR 2015, 145; dies., in: van Boom (im Erscheinen). 172 Deutsches Reichsgesetzblatt, Band 1896, Nr. 13, S. 145 ff. 173 Hadding, JZ 1970, 305, 309 f.; Halfmeier, Popularklagen, S. 365; Jestaedt, in: Ahrens, Kap. 19 Rn. 2. 171
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beziehungen untereinander nicht zu gefährden. Ein Rechtsstreit gilt dagegen oft als unkaufmännisch.174 Die Regelung zu einer Verbandsunterlassungsklage wurde in § 13 I 1 2.Var. des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb vom 07. 07. 1909 übernommen und besteht im Grundsatz im heutigen § 8 III Nr. 2 UWG fort. Die noch zu wilhelminischen Zeiten in Deutschland erlassene Norm bildet darüber hinaus ebenfalls den Ausgangspunkt für alle übrigen Vorschriften, die ähnliche Verbandsunterlassungsklagen regeln. Zunächst wurde § 13 I 1 2.Var. UWG 1909 wortgleich in § 35 II des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB) übernommen, das zum 01. 01. 1958 in Kraft trat. Nachdem der Gesetzesentwurf der Bundesregierung dies noch nicht vorgesehen hatte, sprach sich der federführende Ausschuss für Wirtschaftspolitik für eine entsprechende Erweiterung der Regelung aus. Der Ausschuss bezog sich dabei ausdrücklich auf § 13 I UWG als Vorbild und befand summarisch, dass dementsprechend auch bei Verstößen gegen Wettbewerbsbeschränkungen ein berechtigtes Interesse bestände, „den Verbänden einen Unterlassungsanspruch zuzubilligen, um sie zu Abwehrmaßnahmen in Stand zu setzen, die der unmittelbar Betroffene möglicherweise wegen seiner wirtschaftlichen Abhängigkeit von den in Anspruch zu nehmenden Firmen oder aus anderen Gründen nicht ergreifen kann oder will“.175 Die Norm wurde vom Bundestag schließlich in der Ausschussfassung ohne weitere Änderungsanträge oder Begründungen verabschiedet.176 Neben wettbewerbsrechtlichen Verstößen konnten die gewerblichen Verbände damit auch gegen kartellrechtliche Verstöße mit einer Unterlassungsklage vorgehen, was ebenfalls bis heute in § 33 II Nr. 1 GWB so vorgesehen ist. Des Weiteren musste man feststellen, dass die aus Gewerbetreibenden zusammengesetzten Verbände zwar für eine strenge Einhaltung des Wettbewerbsrechts eintraten, jedoch nur soweit dies auch mit ihren eigenen gewerblichen Interessen im Einklang stand. „Zahlreiche, für die Öffentlichkeit nicht selten schwerwiegende Wettbewerbsverstöße“ würden daher nicht verfolgt und das Bedürfnis gesehen, „den Verbrauchern selbst die Möglichkeit zu geben, im Wege der Zivilklage gegen Wettbewerbsverstöße vorzugehen“. Gleichzeitig aber schätzte die Politik Initiative und Mittel des einzelnen Verbrauchers als zu gering ein, um eine individuelle Unterlassungsklage zu erheben.177 Aus diesem Grunde entschied man sich die Verbandsklagebefugnis im UWG auf 174
Büch, in: Teplitzky, Kap. 13 Rn. 15; Jestaedt, ebenda. Bericht des Ausschusses für Wirtschaftspolitik […] über den Entwurf eines Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen, BT-Drucks. 02/3644, S. 27 und BTDrucks. 02/3644zu, S. 31, darin noch als § 28. 176 Plenarprotokoll Nr. 02/222 vom 03. 07. 1957, 13159D und 13160A. Das Gesetz wurde schließlich insgesamt nach der 3. Lesung in der Fassung der 2. Lesung verabschiedet. 177 Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des UWG […], BT-Drucks. 4/2217, S. 3 f. 175 Schriftlicher
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solche Verbände auszuweiten, „zu deren satzungsgemäßen Aufgaben es gehört, die Interessen der Verbraucher durch Aufklärung und Beratung wahrzunehmen“.178Auch diese erstmals am 22. 07. 1965 im damaligen § 13 Ia UWG in Kraft getretene Regelung, besteht heute an europarechtliche Vorgaben angepasst in § 8 III Nr. 3 UWG fort. Eine entsprechende Regelung für das Kartellrecht blieb dagegen lange umstritten. Im Zusammenhang mit den europäischen Initiativen für eine Stärkung der privaten Rechtsdurchsetzung im Kartellrecht war sie schließlich Teil eines Entwurfs für ein siebtes Gesetz zur Änderung des GWB im Jahr 2004179, wurde jedoch zum Zwecke der Kompromissfindung im Vermittlungsausschuss wieder aufgegeben.180 Fast zehn Jahre später wurde § 33 II GWB dann mit Wirkung ab dem 30. 06. 2013 um eine Klagebefugnis für Verbraucherverbände erweitert und so dem § 8 III UWG angeglichen.181 Erwähnung verdienen schließlich vier Gesetzesentwürfe zur Änderung des UWG in der achten und neunten Legislaturperiode des Deutschen Bundestages. Zunächst 1978 und ein weiteres Mal zeitlich versetzt 1981/82 brachten jeweils die sozial-liberale Bundesregierung wie auch die oppositionelle CDU/CSUFraktion Entwürfe für eine Neufassung des UWG in den Bundestag ein.182 Während die Entwürfe der Opposition u. a. lediglich die Einführung eines Schadenersatzanspruchs für Endabnehmer vorsahen, gingen die Regierungsentwürfe deutlich weiter und bezweckten eine umfangreiche Neugestaltung des Verbandsklagerechts. Ein übereinstimmend vorgeschlagener Schadenersatzanspruch für geschädigte Verbraucher, der zur Erfüllung des gesetzlichen Schutzzwecks für erforderlich betrachtet wurde, sollte darüber hinaus im Wege der Abtretung auch gebündelt durch Verbraucherverbände geltend gemacht werden können. Mit Blick auf die zur damaligen Zeit zunehmend schlechten Erfahrungen mit sogenannten Abmahn- oder Gebührenvereinen sollten gleichzeitig die Voraussetzungen für eine verbandliche Klagebefugnis für Unterlassungs- ebenso wie für die neue gebündelte Schadenersatzklage verschärft werden. Im Einzelnen verlangt der Entwurf eine Mindestmitgliederzahl von 75 für gewerbliche Verbände und Verbraucherverbände sowie zusätzlich für gewerbliche Verbände, dass die betreffende Zuwiderhandlung unmittelbar die Interessen ihrer Mitglieder berühren muss. Schließlich wird für beide Verbandsarten eine Regis178
Ebenda, S. 4. Vgl. den Entwurf eines siebten Gesetzes zur Änderung des GWB, BT-Drucks. 15/3640, S. 11 und 35. 180 Beschlussempfehlung des Vermittlungsausschusses zu dem siebten Gesetz zur Änderung des GWB, BT-Drucks. 15/5735, S. 2 und dazu Plenarprotokoll 15/181, S. 17108C. 181 Vgl. den Entwurf eines achten Gesetzes zur Änderung des GWB, BT-Drucks. 17/9852, S. 10 und 27. 182 Vgl. von Seiten der damaligen Bundesregierung die Entwürfe eines Gesetzes zur Änderung des UWG, BT-Drucks. 8/2145 und 9/1707 sowie von Seiten der Opposition die Entwürfe eines neunten Gesetzes zur Änderung des UWG, BT-Drucks. 8/1670 und 9/665; außerdem Franke, S. 183 ff. 179
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trierungspflicht vorgesehen, wohingegen eine Erlaubnispflicht nach RBerG a. F. entfallen sollte.183 Im Hinblick auf einen Schadenersatzanspruch der Verbraucher sei gleichzeitig mit einer individuellen Geltendmachung insbesondere aufgrund der Unverhältnismäßigkeit von Schadenshöhe und Prozessrisiken nicht zu rechnen, sodass verfahrensrechtliche Lösungsmöglichkeiten erörtert werden. Insbesondere die angelsächsische class action wird dabei aufgrund ihrer Kernelemente einer vorgezogenen Schlüssigkeitsprüfung durch den Richter, eines opt out-Modells und der damit verbundenen Rechtskraftbindung Unbeteiligter dezidiert für mit dem deutschen Verfahrensrecht unvereinbar erklärt. Überraschend und ebenso unbegründet ist jedoch die weitere Schlussfolgerung, die gegen eine Übernahme der class action sprechenden Gründe verböten zugleich jede andere Lösung, wie etwa einem Verbraucherverband das originäre Recht zur Geltendmachung von Ersatzansprüchen zuzubilligen. Im Ergebnis wird daher für eine gebündelte Geltendmachung zuvor individuell abgetretener Ansprüche durch Verbände plädiert. Dabei sollen Verbraucherverbände ausschließlich die Ansprüche von Verbrauchern sowie gewerbliche Verbände ausschließlich solche gewerblicher Endabnehmer einfordern können.184 Schließlich schaffte es jedoch keiner der vier Entwürfe über die Beratung der Parlamentsausschüsse hinaus. Ein individueller Schadenersatzanspruch für Endabnehmer ist dementsprechend bis heute im UWG nicht vorgesehen.
2. Kollektiver Rechtsschutz im AGB-Recht Bereits die Einbeziehung der Verbraucherverbände in die wettbewerbsrechtliche Unterlassungsklage im Jahr 1965 war Teil einer zunehmend dezidierten Verbraucherpolitik in Deutschland und Europa zum Ende der 1960er und Beginn der 1970er Jahre. Im Oktober 1971 legte die deutsche Bundesregierung ihren ersten „Bericht zur Verbraucherpolitik“ vor, stellte dabei jedoch bereits einleitend die Position der Verbraucherpolitik „im Gesamtrahmen der Wirtschafts- und Währungspolitik“ klar. Nichtsdestotrotz wird die Losung ausgegeben, der Verbraucher müsse als Nachfrager in der marktwirtschaftlichen Ordnung gleich stark sein wie der Anbieter.185 Dementsprechend setzt sich die Bundesregierung zum Ziel u. a. die Rechtsstellung der Verbraucher zu stärken und kündigt konkret u. a. eine Untersuchung zum besseren Schutz des Verbrauchers vor missbräuchlichen Vertragsklauseln durch das AGB-Recht an.186 Der rund vier Jahre später veröffentlichte zweite Bericht der Bundesregierung zur Verbraucherpolitik kam konkreten Maßnahmen im AGB-Recht jedoch zuvor. Noch deutlicher als im Vorgängerbericht wird darin zwar der „Befriedigung 183
Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des UWG, BT-Drucks. 9/1707, S. 16–18. S. 24–26; dazu auch Franke, S. 184; der langen Reihe der Kritiker schließt sich sogar aus den Niederlanden Hondius, in: Micklitz, S. 351, 379 f. an. 185 Bericht der Bundesregierung zur Verbraucherpolitik, BT-Drucks. 6/2724, S. 2 f. 186 Ebenda, S. 7 f. 184 Ebenda,
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der Bedürfnisse des Verbrauchers“ eine hohe Priorität eingeräumt, gleichzeitig aber der Wettbewerb als „das entscheidende Ordnungsprinzip“ hervorgehoben. Daraus leitet sich auch die Forderung nach einem „aktiven Verbraucher“ ab, der der Konsum- und Marktfreiheit für seine Entscheidungen bedarf. Von rechtlicher Seite legt die Bundesregierung ihren Schwerpunkt weiterhin auf den Schutz des Verbrauchers vor Irreführung und unlauterem Wettbewerb durch das UWG sowie vor missbräuchlichen Vertragsklauseln durch das AGBRecht.187 Schließlich umfasst der Bericht erstmals ein „Verbraucherpolitisches Programm“, das zum Zweck des Verbraucherrechtschutzes die baldige Verabschiedung materieller und verfahrensrechtlicher Regelungen auf dem Gebiet des AGB-Rechts vorsieht.188 Im folgenden Gesetzgebungsverfahren herrschte zwar Einigkeit über die Notwendigkeit eines Kontrollverfahrens zur Einhaltung der materiell-rechtlichen Vorschriften. Dessen Ausgestaltung war jedoch heftig umstritten. Vor diesem Hintergrund enthielt der erste Gesetzentwurf der Regierungsfraktionen noch keinerlei verfahrensrechtliche Regelungen, um diese Frage auf ein eigenständiges Gesetz zu vertagen.189 Der Gegenentwurf der oppositionellen CDU/ CSU-Fraktion sprach sich für ein zivilprozessuales Verfahren und eine nachträgliche gerichtliche Überprüfung nach dem Vorbild der UWG-Verbandsklage aus.190 Dies wurde im Grundsatz vom 50. Deutschen Juristentag191, einer eigens gegründeten Arbeitsgruppe beim Bundesminister der Justiz192 sowie auch durch den Bundesrat193 unterstützt. Eine u. a. von Seiten der SPD favorisierte präventive AGB-Kontrolle durch eine Verwaltungsbehörde fand jedoch ebenso Fürsprecher.194 Nach umfangreicher Debatte trat am 01. 04. 1977 schließlich das Gesetz über die Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGBG) in Kraft.195 Dessen § 13 I sah einen Unterlassungs- und Widerrufsanspruch u. a. gegen die Verwendung unwirksamer AGB vor. Erneut dienten die § 13 I bzw. Ia UWG als Vorlage für die neuen § 13 II Nr. 1 und 2 AGBG, der Verbraucherverbänden sowie gewerblichen Verbänden die Geltendmachung dieser Ansprüche übertrug. 187
Zweiter Bericht der Bundesregierung zur Verbraucherpolitik, BT-Drucks. 7/4148, S. 5. Ebenda, S. 13. 189 Entwurf eines Gesetzes zur Regelung des Rechts der Allgemeinen Geschäftsbedingungen, BT-Drucks. 7/3919, S. 15. 190 §§ 26 ff. i. d. F. des Entwurfs eines Gesetzes über Allgemeine Geschäftsbedingungen, BT-Drucks. 7/3200, S. 20 ff. 191 Vgl. Kötz, Gutachten A zum 50. DJT, A 83 ff. 192 Bundesminister der Justiz (Hrsg.), Zweiter Teilbericht, S. 23 und 33 ff. 193 Stellungnahme des Bundesrates zum Entwurf eines Gesetzes zur Regelung des Rechts der Allgemeinen Geschäftsbedingungen, BT-Drucks. 7/3919, S. 54. 194 Dazu auch Bundesminister der Justiz (Hrsg.), Zweiter Teilbericht, S. 87–91; Kötz, Gutachten A zum 50. DJT, A 94 ff. 195 Ausführlich zu Entstehungsgeschichte und Gesetzgebungsverfahren Micklitz, in: MK ZPO, Vor §§ 1 ff. UKlaG Rn. 8 ff. 188
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Gemäß § 13 II Nr. 3 AGBG wurde der Kreis zusätzlich um die Industrie- und Handelskammern sowie die Handwerkskammern erweitert. Der stetige Bedeutungszuwachs der Verbraucherpolitik und des Verbraucherschutzgedankens auf europäischer Ebene fand jedoch in Deutschland keine weitere Entsprechung. Wo sich auf europäischer Ebene ein eigenständiger Politikbereich herausbildete, blieb die Verbraucherpolitik in Deutschland nur untergeordneter Teil der Wirtschafts- und Wettbewerbspolitik. Institutionell wurde lediglich 1972 ein Verbraucherbeirat aus Vertretern der Verbraucherorganisationen beim Bundesminister für Wirtschaft gegründet, der gemeinsam mit dem Verbraucherausschuss beim Bundesministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten zu grundsätzlichen verbraucherpolitischen Fragen Stellung nehmen und die Bundesregierung in Verbraucherangelegenheiten beraten sollte.196 Erst die BSE-Krise im Jahr 2001 und die daraus resultierenden Rücktritte von Gesundheitsministerin Andrea Fischer sowie Landwirtschaftsminister KarlHeinz Funke zwangen zu einer politischen Reaktion. Bundeskanzler Gerhard Schröder benannte Renate Künast zu Funkes Nachfolgerin und folgte ihrer Initiative zur Umgestaltung des Bundesministeriums für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten in das Bundesministerium für Verbraucherschutz, Ernährung und Landwirtschaft (BMVEL). Trotz der Umbenennung blieben institutionelle Konsequenzen jedoch weitgehend aus.197 Aus aktuellem Anlass widmete sich das Ministerium vorrangig gesundheits- und ernährungspolitischen Fragen, während der wirtschaftliche Verbraucherschutz in den Händen des Bundesminiseriums für Wirtschaft verblieb.198
3. Umsetzung europäischer Verbraucherschutzgesetzgebung – AGBG bzw. UKlaG Im Hinblick auf den verfahrensrechtlichen Schutz von Verbrauchern blieben politische Initiativen nach der Verabschiedung des AGBG und der Reformdebatte zum UWG für mehr als 20 Jahre aus. Dem stand eine rege verbraucherpolitische Aktivität auf europäischer Ebene gegenüber, die im Erlass einer Vielzahl von Richtlinien mündete. Diese bezogen sich jedoch mehrheitlich nur auf das materielle Recht.199 Lediglich die Richtlinie 84/450/EWG in Art. 4 und 196 Vgl. den Bericht der Bundesregierung zur Verbraucherpolitik, BT-Drucks. 6/2724, S. 14 und den zweiten Bericht der Bundesregierung zur Verbraucherpolitik, BT-Drucks. 7/4148, S. 12; außerdem Müller, APuZ 24/2001, 6, 10. 197 Dazu und zu den wünschenswerten Reformen nochmals Müller, ebenda, S. 12 f. 198 Janning, in: Rehder/von Winter/Willems, S. 132, 149. 199 Vgl. insbesondere die Richtlinien 85/374/EWG […] zur Angleichung der Rechtsund Verwaltungsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Haftung für fehlerhafte Produkte, 85/577/EWG […] betreffend den Verbraucherschutz im Falle von außerhalb von Geschäftsräumen geschlossenen Verträgen, 87/102/EWG […] zur Angleichung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften der Mitgliedstaaten über den Verbraucherkredit, 90/314/EWG […] über Pauschalreisen, 94/47/EG […] zum Schutz der Erwerber im Hinblick auf bestimmte Aspekte
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die Klausel-Richtlinie in Art. 7 enthielten verfahrensrechtliche Anforderungen zum Schutz kollektiver Verbraucherrechte, denen Deutschland jedoch bereits durch § 13 UWG und § 13 AGBG genügte. Erst in Anbetracht der Umsetzung der Fernabsatz-Richtlinie sowie der UKlaRichtlinie a. F. entschied sich der deutsche Gesetzgeber zu verfahrensrechtlichen Reformen. Art. 11 II Fernabsatz-RL verlangte nationale Verfahrensvorschriften, wonach öffentliche Einrichtungen, Verbraucherverbände oder Berufsverbände die Anwendung der nationalen Umsetzungsgesetzgebung sichern können. Mangels eines behördlichen Verfahrens in Deutschland war damit ein entsprechendes Verbandsklagerecht von Nöten, das durch die Vorschriften des UWG und des AGBG zwar weitgehend, jedoch nicht vollständig gewährleistet war. Darüber hinaus zielte die UKla-Richtlinie a. F. auf ein allgemeines Verbandsklagerecht zur Durchsetzung aller in ihrem Anhang genannten verbraucherschützenden Richtlinien der EG. Vor diesem Hintergrund sah der deutsche Gesetzgeber von einer spezifischen Regelung für Fernabsatzverträge ab und erweiterte stattdessen das AGBG um eine allgemeine verbraucherschützende Unterlassungsklage in § 22 AGBG. Auf diese Weise wurden die verbraucherschützenden Unterlassungsklagen für den Bereich des allgemeinen Zivilrechts einheitlich an einem Ort geregelt und schließlich im Zuge der Schuldrechtsmodernisierung mit dem Unterlassungsklagengesetz (UKlaG) in ein eigenständiges Gesetz überführt. Die Systematik der klagebefugten Einrichtungen wurde zudem mit § 13 UWG synchronisiert. Mit dem „Aktionsplan Verbraucherschutz“ gab sich die Bundesregierung im Mai 2003 schließlich nach 28 Jahren zum insgesamt zweiten Mal ein verbraucherpolitisches Konzept. Auch darin spiegelt sich die weiterhin untergeordnete Rolle des Verbraucherrechtsschutzes wieder, der allenfalls als Randphänomen im Rahmen des „vorsorgenden Schutz[es] der wirtschaftlichen Interessen der Verbraucherinnen und Verbraucher“ zur Sprache kommt. In diesem Zusammenhang verweist das Programm lediglich auf die bevorstehenden Reformen von UWG und GWB, sowie die „Beibehaltung des in Deutschland praktizierten, effektiven zivilrechtlichen Systems des Verbraucherschutzes“.200 Ähnliches gilt für den rund anderthalb Jahre später veröffentlichten „Verbraucherpolitischen Bericht 2004“, der im gleichen Kontext die dann abgeschlossenen Reformen im Lauterkeits- und Kartellrecht anführt. An einigermaßen versteckter Stelle findet sich jedoch ein Verweis auf Fälle massenhaft auftretender Verletzung von Verbraucherinteressen, in denen sich eine gerichtliche Verfolgung für den Einzelnen nicht rentiert. Die Bundesregierung mahnt, diesen Fällen effektiv von Verträgen über den Erwerb von Teilzeitnutzungsrechten an Immobilien und 1999/44/EG […] zu bestimmten Aspekten des Verbrauchsgüterkaufs und der Garantien für Verbrauchsgüter. 200 Bericht der Bundesregierung – Aktionsplan Verbraucherschutz, BT-Drucks. 15/959, S. 11 f.
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begegnen zu müssen und erklärt, zu diesem Zweck ein Gutachten für ein eigenständiges Verbandsklagegesetz in Auftrag gegeben zu haben.201 Das im Oktober 2004 veröffentlichte, mit fast 1300 Seiten sehr umfangreiche Gutachten202 fand u. a. wohl aufgrund des baldigen Scheiterns der rot-grünen Bundesregierung im Gegensatz zu der vollmundigen Ankündigung politisch jedoch kaum Beachtung oder Verwendung.
4. Initiativen für ein sektorenunabhängiges kollektives Rechtsschutzverfahren Im nächstfolgenden Verbraucherpolitischen Bericht 2008 sah sich die Bundesregierung schließlich veranlasst zu den Initiativen der Europäischen Kommission im Bereich des kollektiven Rechtsschutzes erstmals Stellung zu nehmen. Dabei knüpft sie ebenfalls an die Fälle massenhafter Verbraucherschädigungen an, in denen der kollektive Rechtsschutz für die Durchsetzung von Verbraucherrechten wichtig sein könne. Schließlich beschränkt sie sich jedoch darauf zu betonen, dass Deutschland „anders als viele andere Mitgliedsstaaten“ bereits über kollektive Rechtsschutzmechanismen verfüge und führt die Verbandsklagebefugnisse nach § 79 II 2 ZPO, §§ 8–10 UWG, §§ 33 und 34a GWB sowie dem UKlaG zur Verdeutlichung an. Abschließend sichert sie der Europäischen Kommission zwar Unterstützung bei der „Auswertung“ bestehender Instrumente zu, nimmt jedoch im Ergebnis vorweg, dass sie die Einführung einer Sammelklage nach amerikanischem Modell ablehne.203 Der Zusicherung entsprechend gab die Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung im November 2009 für das BMELV ein umfassendes Gutachten zur Evaluierung der bestehenden kollektiven Rechtsschutzelemente in Deutschland in Auftrag.204 Eine detailliertere öffentliche Auseinandersetzung mit der Thematik erfolgte erst rund drei Jahre und einen Regierungswechsel später aus Anlass der Öffentlichen Konsultation der Europäischen Kommission „Kollektiver Rechtsschutz – Hin zu einem kohärenten, europäischen Ansatz“205. Neben einer Stellungnahme des Bundesjustizministeriums für die deutsche Bundesregierung206, beschloss
201 Verbraucherpolitischer Bericht 2004, BT-Drucks. 15/4499, S. 13 f. Bereits die Auftragsvergabe durch das BMELV sah sich Kritik ausgesetzt, vgl. dazu die kleine Anfrage der CDU/CSU-Fraktion, BT-Drucks. 15/4959 und die Antwort der Bundesregierung, BTDrucks. 15/5082. 202 Micklitz/Stadler, Verbandsklagerecht; dazu: Weigel, BRAK-Mitt. 4.2005, 164, 165 ff. 203 Verbraucherpolitischer Bericht 2008, BT-Drucks. 16/9163, S. 26. 204 Bundesministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz (Hrsg.), Gutachten Evaluierung der Effektivität kollektiver Rechtsschutzinstrumente, Schriftenreihe Angewandte Wissenschaft, Heft 523, online verfügbar unter http://www.bmel.de/SharedDocs/ Downloads/Service/AnWis/Heft523.html (zuletzt besucht am 12. 04. 2017). 205 Dazu schon oben, S. 38 f. 206 Online verfügbar unter http://ec.europa.eu/competition/consultations/2011_collective_ redress/germany_ministry_of_justice_de.pdf (zuletzt besucht am 12. 04. 2017).
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auch der Deutschen Bundestag eine eigene Entschließung.207 Beide Texte machen sich zwar noch einleitend das Mantra der Europäischen Kommission zu eigen, Rechte, die nicht effektiv durchgesetzt werden können, seien nutzlos. Wiederum unter Verweis auf die in Deutschland bestehenden Instrumente stellen sie aber sogleich fest, dass ein Handlungsbedarf auf diesem Gebiet nicht ersichtlich sei und die Kommission Defizite bei der Durchsetzung materieller Rechte nicht hinreichend belegt habe.208 Das deutsche Zivilprozessrecht gewähre „für Verbraucher und Unternehmen gleichermaßen effektive Rechtsschutzmöglichkeiten“.209 Darüber hinaus wird auf die noch junge Geschichte der deutschen Regelungen verwiesen, die eine hinreichende Beurteilung noch nicht möglich mache.210 Zu der Frage der Ausgestaltung potenzieller neuer Instrumente orientiert sich die Bundesregierung in ihrer Stellungnahme an dem Fragenkatalog der Kommission. Dabei geht sie insbesondere auf die für eine class action nach USamerikanischem Vorbild typischen Elemente ein und unterstreicht deren Ablehnung. Besonders hebt sie den Grundsatz rechtlichen Gehörs hervor, der ihres Erachtens durch jede Form eines opt out-Klagemodells verletzt würde. Aber auch Strafschadenersatzansprüche, die Möglichkeit zum Ausforschungsbeweis sowie jegliche finanziellen Anreize zur Klageerhebung werden als inakzeptabel herausgearbeitet. Insgesamt spricht sich die Bundesregierung mehrmals für eine Auswertung und Weiterentwicklung der bestehenden Mechanismen und darüber hinaus allenfalls eine unverbindliche Empfehlung von europäischer Seite aus.211 Die Entschließung des Bundestages dagegen hebt sich nach Inhalt und Wortwahl nochmals drastisch von der Stellungnahme der Bundesregierung ab. Der Text scheint einer nahezu polemischen Kampfansage näher denn einer substantiierten Stellungnahme. Die ausdrückliche Distanzierung der Kommission von einer US-amerikanischen Variante der Sammelklage212 wird zwar vorgeblich zur Kenntnis genommen, aber auch jegliche anderweitige Gestaltungsoption mit der allumfassenden Behauptung abgetan, die Einführung weiterer kollektiver Rechtsschutzinstrumente über den aktuellen Bestand hinaus, beinhalte – auch 207 Stellungnahme im Rahmen eines Konsultationsverfahrens der EU-Kommission, BTDrucks. 17/5956; die Entschließung wurde vom Rechtsausschuss des Deutschen Bundestages erarbeitet und dort ebenso wie im Plenum mit den Stimmen der Regierungsfraktionen von CDU/CSU und FDP gegen die Stimmen der Fraktionen von SPD und Bündnis 90/Die Grünen bei Enthaltung der Fraktion DIE LINKE verabschiedet. 208 Stellungnahme der Deutschen Bundesregierung, a. a. O. (Fn. 206), S. 1–4; Entschließung des Deutschen Bundestags, a a. O. (Fn. 207), S. 1 f. dort unter B. sowie S. 3–5 Rn. 1–9. 209 Entschließung des Deutschen Bundestags, a. a. O. (Fn. 207), S. 5 Rn. 9. 210 Stellungnahme der Bundesregierung, a. a. O. (Fn. 206), S. 7–8; Entschließung des Deutschen Bundestags, a. a. O. (Fn. 207), S. 6 Rn. 12. 211 Stellungnahme der Bundesregierung, a. a. O. (Fn. 206), S. 8 f. und S. 15 f. 212 Ebenda, S. 8 f. und S. 10.
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bei Vorsehung von Schutzvorkehrungen – die immanente Gefahr sich in diese Richtung zu entwickeln.213 Vor dem Hintergrund dieser Drohkulisse werden nochmals die charakteristischen Negativelemente des class action-Verfahrens mithilfe der bekannten Schlagwörter („Klageindustrie“, „direkte öffentliche Finanzierung von Kollektivklagen“, „punitive damages“, „Zwang einer Teilnahme“, „Unternehmen zukünftig immer und ausnahmslos beweisbelastet“) im Einzelnen aufgeführt und gegeißelt.214 Darüber hinaus werden sogar – im Widerspruch zur geltenden Rechtslage – sektorspezifische Regelungen aufgrund einer drohenden „Zersplitterung des Prozessrechts“ abgelehnt. Die Entschließung endet mit einer resümierenden Gegenüberstellung von „gewachsenen Rechtstraditionen“, „vorhandenen Verfahrensgarantien“ und einer „bewährte[n], allseits akzeptierte[n] Rechtsprechung“ einerseits und andererseits Instrumenten, „deren Notwendigkeit nicht belegt und deren Auswirkungen nicht abschließend beurteilt werden können.“215 Aus der Sicht der CDU/CSU-FDP-Bundesregierung war die Frage nach einem kollektiven Rechtsschutzverfahren mit dieser eindringlichen Positionierung ad acta gelegt. In ihrem letzten Verbraucherpolitischen Bericht 2012 nimmt sie dementsprechend bloß auf den Konsultationsprozess und ihre Stellungnahme Bezug. Auch die anderen Fraktionen im Deutschen Bundestag verhalten sich mit Ausnahme der Fraktion von Bündnis 90/Die Grünen seitdem zurückhaltend und initiativlos. Die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen hatte bereits im März 2012 eine kleine Anfrage zur Durchsetzung kollektiver Verbraucherinteressen ausgearbeitet, in der sie sowohl zu einer Weiterentwicklung der bestehenden Unterlassungsklageverfahren als auch zu möglichen Neuerungen Auskunft verlangte. Die Antwort der Bundesregierung dagegen berief sich weitestgehend auf einen zufriedenstellenden Status quo und ihre Ausführungen im Konsultationsverfahren.216 Rund ein Jahr später drängte die grüne Fraktion in einem – politisch chancenlosen – Antrag „Für eine moderne und nachhaltige Verbraucherpolitik“ erneut auf wirkungsvolle Verbraucherrechte und verlangte, „den kollektiven Rechtsschutz zu verbessern, indem Verbraucher ihre Ansprüche im Wege einer Gruppenklage geltend machen können.“217 Diese Forderung unterstrich sie drei Monate später mit einem Gesetzentwurf über die Einführung von Gruppenverfahren218, der jedoch allein schon wegen der bevorstehenden Sommerpause und dann folgenden Bundestagswahl keine Beachtung fand. 213
Entschließung des Deutschen Bundestags, a. a. O. (Fn. 207), S. 7 f. Rn. 21. Ebenda, S. 8 ff. Rn. 22–32. 215 Ebenda, S. 11 Rn. 35 und 37. 216 Vgl. die kleine Anfrage der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen – Durchsetzung kollektiver Verbraucherinteressen, BT-Drucks. 17/8850 und die Antwort der Bundesregierung, BTDrucks. 17/9022. 217 Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen – Für eine moderne und nachhaltige Verbraucherpolitik, BT-Drucks. 17/12694, S. 6 und 11. 218 Entwurf eines Gesetzes über die Einführung von Gruppenverfahren, BT214
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Die nachfolgende CDU/CSU-SPD-Bundesregierung und insbesondere ihr Justizminister, dem zudem die Zuständigkeit für den Verbraucherschutz übertragen wurde, ist der abwartenden und untätigen Herangehensweise über den Verlauf der Legislaturperiode weitestestgehend treu geblieben219. Eine einheitliche und eindeutige Positionierung der Bundesregierung zur Thematik konnte nicht gefunden werden. Bereits die Antwort auf eine kleine Anfrage der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen zur Stärkung der Verbraucherrechte durch Sammelklagen Anfang Juni 2014 versprach allenfalls geringe Bewegung. Eine Gesamtumsetzung der Empfehlung der Kommission220 erscheine „verbraucherpolitisch nicht optimal“. Ob Verbesserungsmöglichkeiten innerhalb des vorhandenen Systems beständen, werde geprüft.221 Geringe Hoffnung ließ sich allenfalls aus einem Verweis auf einen Aufsatz von Meller-Hannich ziehen, die sich darin wie auch an anderen Stellen regelmäßig für ein kollektives Rechtsschutzsystem auf europaweit einheitlicher Grundlage ausspricht.222 Währenddessen hält jedenfalls die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen an ihrer Position fest und hat ihren Gesetzentwurf erneut in den Bundestag eingebracht.223
5. Umsetzungsmaßnahmen i. S. v. Nr. 38 Kommissions-Empfehlung in Deutschland Die zweijährige Frist zur Umsetzung der Empfehlungen der EU-Kommission ist am 26. 07. 2015 ohne Reaktion des deutschen Gesetzgebers abgelaufen. Ob und wenn ja welche Folgen die Untätigkeit haben wird, wird sich erst nach einer für den 26. 07. 2017 angekündigten Bewertung der EU-Kommission zeigen.224 Erst nach Fristablauf berichtete der Staatssekretär im SPD geführten Bundesministerium für Justiz und Verbraucherschutz (BMJV), Gerd Billen auf einer Veranstaltung des vzbv unter dem Titel „Recht durchsetzen – Verbraucherrecht
Drucks. 17/13756; dazu Montag, ZRP 2013, 172, 174 f.; befürwortend auch Gaier, NJW 2013, 2871, 2874. 219 Zu den Ausnahmen sogleich. 220 Vgl. dazu bereits oben S. 40 ff. 221 Kleine Anfrage der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen – Stärkung der Verbraucherrechte durch Sammelklagen BT-Drucks. 18/1470 und die Antwort der Bundesregierung, BTDrucks. 18/1719, dort S. 2 und 3 f. 222 Die Bundesregierung verweist in BT-Drucks. 18/1719, S. 3 auf Meller-Hannich, GPR 2014, 92 ff. Dort heißt es im abschließenden Plädoyer: „Ein europäisches Rechtsschutzsystem ist […] anzustreben. […] Es fehlt […] trotz vieler Ankündigungen, Aktivitäten und Diskussionen auf europäischer Ebene ein effektives europäisches System des kollektiven Rechtsschutzes“. Vgl. außerdem dies., in: Meller-Hannich, S. 13, 20 und dies./Höland, GPR 2011, 168, 175. 223 Entwurf eines Gesetzes über die Einführung von Gruppenverfahren, BTDrucks. 18/1464. 224 Zu den Fristen Empfehlung kollektiver Rechtsschutz, a. a. O. (Fn. 155), Nr. 38 und 41.
§ 2 (Rechts-) Politische Auseinandersetzung
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stärken“ am 28. 09. 2015 über bevorstehende Maßnahmen seines Hauses.225 Danach arbeitete das BMJV zum damaligen Zeitpunkt an einem „Eckpunktepapier“ mit dem Fokus auf einer Musterfeststellungsklage. Dieses könne nach damaliger Ankündigung im Jahr 2016 in einen Referentenentwurf münden. Inhaltliche Einzelheiten blieben dabei allenfalls vage. Das Verfahren solle der Klärung „immer wieder auftretender Rechtsfragen“ dienen. Im Anschluss an eine Musterfeststellungsklage der Verbraucherverbände müssten jeweils Individualverfahren der einzelnen Geschädigten oder eine außergerichtliche Abwicklung folgen. Zu diesem Zweck werde die Einführung eines Klageregisters erwogen, zu dem Verbraucherinnen und Verbraucher ihre Forderungen kostenlos und verjährungshemmend anmelden können. Die Anmeldung von Forderungen zu diesem Register solle eine absolute Bindungswirkung positiver wie negativer Feststellungsurteile entfalten und so im Rahmen des KapMuG bestehende Schwierigkeiten hinsichtlich der Bindungswirkung umgehen. Neben einer Musterfeststellungsklage werde des Weiteren geprüft, den Gewinnabschöpfungsanspruch im Rahmen des § 10 UWG umzugestalten und das UKlaG um einen solchen Anspruch zu ergänzen. Dabei sei insbesondere die nähere Ausgestaltung des Anspruchs zu prüfen. In beiden Fällen werde die Frage der Mittelverwendung erneut diskutiert und es käme die Einrichtung eines Sondervermögens226 beim Bundesamt für Justiz in Betracht. Sowohl die angekündigten Entwürfe als auch andere konkrete Maßnahmen ließen im Anschluss jedoch auf sich warten.227 Erst im Herbst 2016 berichtete die Presse, das BMJV habe im Zusammenhang mit dem sogenannten Abgasskandal des Volkswagen Konzerns und damit verbundener kollektiver Schadenersatzverfahren in den USA sowie auch in verschiedenen EU-Mitgliedsstaaten bereits im Dezember 2015 versucht, einen Gesetzesentwurf für eine Musterfeststellungsklage auf den Weg zu bringen, sei aber von Seiten des Koalitionspartners CDU/CSU und an erster Stelle von Verkehrsminister Alexander Dobrindt (CSU) blockiert worden.228 In einem erneuten Anlauf gab das BMJV daraufhin 225 Der Verfasser selbst war bei der Veranstaltung und der Rede des Herrn Staatssekretär Billen anwesend; das Redemanuskript ist unter http://www.bmjv.de/SharedDocs/Reden/ DE/2015/09282015_StBillen_vzbv.html online abrufbar (zuletzt besucht am 12. 04. 2017) – Es gilt das gesprochene Wort!; vgl. außerdem Demuth, DRiZ 2015, 372 f. 226 Die Idee eines öffentlich-rechtlichen Sondervermögens zur Finanzierung von Gewinnabschöpfungsklagen geht zurück auf Fezer, Zweckgebundene Verwendung, S. 50 ff.; dafür zuletzt auch der Bundesrat in seiner Stellungnahme zum Entwurf eines Zweiten Gesetzes zur Änderung des UWG, BT-Drucks. 18/4535, S. 21 f. 227 Ob sich seitens des BMJV also tatsächlich, wie Keßler, ZRP 2016, 2 meint, „deutliche Bemühungen [abzeichnen], das deutsche Prozessrecht um kollektive Rechtsbehelfe zu ergänzen“, war daher zunächst unklar; bewusst überspitzt, aber zu Recht kritisch ob der politischen Herangehensweise Halfmeier, VuR 2015, 441 f. 228 http://www.sueddeutsche.de/wirtschaft/verbraucherschutz-luecken-im-rechtsschutz1.3207568 und http://www.sueddeutsche.de/wirtschaft/verbraucherschutz-so-schuetzte-derverkehrsminister-vw-vor-einer-sammelklage-1.3210510 sowie http://www.faz.net/aktuell/fin
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Erstes Kapitel: Rechtliche und rechtspolitische Grundlagen
am 01. Dezember 2016 einen Referentenentwurf zur Einführung einer Musterfeststellungsklage in die Ressortabstimmung, der jedoch zunächst nicht öffentlich gemacht wurde. Inoffiziellen Stimmen zufolge lehnte sich der Entwurf an den von Staatssekretär Billen im September 2015 genannten Eckpunkten an. Insbesondere sollte das Klagerecht ähnlich dem geltenden § 3 UKlaG ausschließlich Verbraucherverbänden, gewerblichen Verbänden und verschiedenen Kammern zustehen.229 Auch dieser Entwurf wurde Presseberichten zufolge jedoch von verschiedenen unionsgeführten Ressorts und dem Kanzleramt wiederum gestoppt.230 Weitere Entwicklungen erscheinen daher jedenfalls noch vor der Bundestagswahl im September 2017 unwahrscheinlich.
§ 3 Problemstellung und Gang der weiteren Untersuchung Der dargelegte rechtliche und rechtspolitische Kontext birgt eine Vielzahl von Konfliktlagen, aus der im Folgenden diejenigen kurz erörtert werden, die im Zusammenhang mit einer qualifizierten Repräsentation der Gesamtgruppe Betroffener von besonderer Bedeutung sind (dazu I.). Im weiteren Verlauf wird regelmäßig auf diese Grundlagen zurückzukommen sein. Daran schließt sich eine kurze Übersicht über den weiteren Gang der Untersuchung an (dazu II.)
I. Interessenkonflikte im Repräsentationsprinzip Im Englischen dient der Begriff representative action als Oberbegriff für alle Verfahren, in denen aus einer großen Gruppe i. d. R. auf Klägerseite nicht jeder Einzelne selbst Partei wird, sondern eine oder wenige Personen – repräsentativ – die Parteirolle übernehmen. Mithilfe dieses sogenannten Repräsentationsprinzips werden Verfahren mit einer großen Zahl Betroffener wieder handhabbar gemacht. Das Verfahren vor Gericht und z. T. schon im Vorfeld eines gerichtlichen Prozesses wird im Sinne eines traditionellen Zwei-Parteien-Verfahrens ausschließlich durch einen Gruppenrepräsentanten als Kläger mit dem Beklagten und ihren jeweiligen Prozessvertretern geführt. Ungeachtet dessen unterliegen jedoch alle Gruppenmitglieder im Ergebnis der Rechtskraftwirkung anzen/meine-finanzen/geld-ausgeben/verbraucherschutz-unionsfraktion-stellt-sich-gegen-diesammelklage-14491849.html (jeweils zuletzt besucht am 12. 04. 2017). 229 https://verfahrensrecht.uni-halle.de/2017/01/05/der-entwurf-fuer-eine-musterfeststellu ngsklage-liegt-vor/ und http://www.renate-kuenast.de/presse-1/pressemitteilungen/musterfests tellungsklage/; vgl. außerdem die kritische Stellungnahme des Deutschen Anwaltverein vom 26. 02. 2017, abrufbar unter https://anwaltverein.de/de/newsroom/sn-14-17-gesetz-zur-einfue hrung-einer-musterfeststellungsklage (jeweils zuletzt besucht am 12. 04. 2017). 230 http://www.sueddeutsche.de/wirtschaft/konsumentenrechte-union-blockiert-sa mmelklagen-fuer-verbraucher-1.3364565 und http://www.morgenpost.de/wirtschaft/article 209525105/Sammelklagen-vor-dem-Aus.html (zuletzt besucht am 12. 04. 2017).
§ 3 Problemstellung und Gang der weiteren Untersuchung
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der endgültigen Entscheidung, die entweder eine ausdrückliche Beitrittserklärung abgegeben (opt in) oder von ihrem Austrittsrecht (opt out) keinen Gebrauch gemacht haben.
1. Prinzipal-Agenten-Konflikte Obwohl an dem eigentlichen Verfahren mithin nur zwei Parteien im traditionellen Sinne beteiligt sind, werden im Ergebnis grundsätzlich alle Gruppenmitglieder gebunden, die ihrerseits keine oder aber nur sehr beschränkte Mitwirkungsrechte behalten. Gleichzeitig ist eine Trennung von der Gruppe für den Einzelnen aus den oben dargestellten Gründen oftmals keine Option. Der Kläger fungiert also im ökonomischen Sinne als Agent jedes Einzelnen und sollte daher im Idealfall so weit als möglich im Interesse aller seiner Prinzipale handeln.231 Eine ähnliche Beziehung entsteht aber nicht nur zwischen den Gruppenmitgliedern und dem klagenden Repräsentanten selbst, sondern außerdem zu dessen Prozessvertreter, wobei wiederum zwischen dem Verhältnis des Klägers zum Klägeranwalt232 und dem der Gruppenmitglieder zum Klägeranwalt differenziert werden muss. Fallen die Interessen jeweils eines oder mehrerer Prinzipale und die Interessen des jeweiligen Agenten in Teilen oder sogar gänzlich auseinander, entsteht ein sogenannter Prinzipal-Agenten-Konflikt (principal-agentconflict). Es drohen monetäre oder anderweitige Einbußen für den Prinzipal (agency costs). Diesen können wiederum Maßnahmen zur Überwachung des Agenten (monitoring costs) entgegengesetzt werden, die jedoch im gesamten Kosten-Nutzen-Verhältnis zu Buche schlagen.233 Die Funktionsfähigkeit eines kollektiven Klagemechanismus hängt daher wesentlich davon ab, inwieweit Interessenkonflikte von Beginn an vermieden oder aber im Verfahrensverlauf ausgeräumt werden können.234
a) Die Gesamtgruppe und ihr Vertreter Konzeptionell sollte das Verhältnis des klagenden Repräsentanten zur Gesamtgruppe im Mittelpunkt jedes Kollektivverfahrens stehen. Allein aus dieser Verknüpfung heraus wird ein Verlust der Mitwirkungsrechte bei gleichzeitiger Rechtkraftbindung der Gruppenmitglieder gerechtfertigt. Dies gilt insbesondere für opt out-Verfahren, in die die Gruppenangehörigen automatisch einbezogen werden und lediglich ein Austrittsrecht geltend machen können. Sie weichen 231 Ausführlich zur agency-Beziehung in Kollektivverfahren Eichholtz, S. 19 ff.; mit Blick auf die Beziehung von Anwalt und Mandant Macey/Miller, 58 Univ. of Chicago L. Rev. (1991) 1, 12 f. 232 Dazu Macey/Miller, ebenda, S. 42 ff. 233 Ulen, in: Backhaus/Cassone/Ramello, S. 75, 82; Macey/Miller, 58 Univ. of Chicago L. Rev. (1991) 1, 13 ff. differenzieren Überwachung (monitoring), Bindung z. B. durch Ruf und Ansehen (bonding) und besondere Anreize (incentives) des Agenten, wie z. B. ein Erfolgshonorar. 234 Macey/Miller, ebenda, S. 19.
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Erstes Kapitel: Rechtliche und rechtspolitische Grundlagen
maßgeblich vom Grundkonzept der (Rechts-)Vertretung ab, da es gänzlich an einer Ernennung des Vertreters oder einem anderweitigen Einverständnis der Vertretenen fehlt. Die Legitimation des Repräsentanten lässt sich einzig aus seiner Funktion als Interessenvertreter ableiten. Diese nur minimale Verknüpfung wird zu Gunsten der Verfahrensvorteile insbesondere im Bereich von Streuschäden hingenommen.235 Etwas anders liegt es im Falle eines opt in-Verfahrens, dem jedes Gruppenmitglied explizit beitreten muss. Die Beitrittserklärung könnte hierbei zugleich als Einverständnis mit der Repräsentation durch den Handelnden gewertet werden. Dennoch hat die Legitimation im Gesamtkontext auch hier keine, einer individuellen Beauftragung vergleichbare Qualität. Zum einen entscheidet auch ein opt in über die Geltendmachung der jeweiligen Forderung überhaupt, zu der es auf individuellem Weg im Regelfall nicht kommen wird. Darüber hinaus wird die Mitteilung über eine Beitrittsmöglichkeit, sei es durch ein persönliches Anschreiben oder sogar öffentliche Bekanntmachung dem Laien kaum eine bessere Entscheidungsgrundlage bieten, als andernfalls die Belehrung über ein opt out-Recht. Die übliche Vorgehensweise anhand entsprechender Vertragsgestaltung Interessenkonflikten vorzubeugen, hilft somit in beiden Fällen kaum weiter. Die Qualifikation und Auswahl sowie auch die spätere Kontrolle des Repräsentanten sind daher essentiell für jedes Modell kollektiven Rechtsschutzes. Am Anfang steht dabei die maßgebliche Frage, wer grundsätzlich überhaupt als Repräsentant in Betracht kommt. Nach amerikanischem Vorbild könnte die Funktion zunächst ein einzelnes Mitglied oder eine kleine Gruppe von Angehörigen der Gesamtgruppe übernehmen (sogenannte individuelle Repräsentation). Demgegenüber favorisieren die Europäische Kommission in ihrer Empfehlung236 sowie einige der EU-Mitgliedsstaaten237 bestimmte Organisationen wie Verbraucher- oder sonstige Interessenverbände, teils aber auch Behörden als Repräsentanten (sogenannte institutionelle Repräsentation).238 In jedem Fall gilt es sicherzustellen, dass der jeweilige Repräsentant für seine Rolle geeignet ist und an erster Stelle Interessen verfolgt, die der Gesamtgruppe gemein sind. Stehen dagegen seine eigenen vorwiegend wirtschaftlichen Interessen239 im Vordergrund oder findet z. B. ein Teil der Gesamtgruppe stärkere Berücksichtigung als ein anderer Teil, verliert die Gesamtkonstruktion objektiv ihre Berechtigung. 235 Bronsteen/Fiss, 78 Notre Dame L. Rev. (2003) 1419 ff., die sich gleichzeitig gegen die Untätigkeit bzw. ein hypothetisches Einverständnis als Legitimationsgrundlage aussprechen. 236 Empfehlung kollektiver Rechtsschutz, a. a. O. (erstes Kapitel, Fn. 155), Nr. 4–6. 237 Dazu sogleich S. 86 ff. 238 Anschauliche Gegenüberstellung beider Systeme bei Kocher, in: Steele/Van Boom, S. 118, 121 f. 239 Macey/Miller, 58 Univ. of Chicago L. Rev. (1991), 1, 42; zur finanziellen Interessenlage siehe auch sogleich S. 62 ff.
§ 3 Problemstellung und Gang der weiteren Untersuchung
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b) Der Vertreter des Vertreters Neben dem klagenden Gruppenrepräsentanten und der Gesamtgruppe verdienen auch deren jeweilige Rechtsvertreter Beachtung. Schon in einem regulären Zwei-Parteien-Prozess birgt die Beziehung zwischen einem Rechtsanwalt und seinem Mandanten Konfliktpotenzial. Letzterem fehlen üblicherweise der Einblick einerseits und das Fachwissen andererseits, um die Leistung seines Rechtsvertreters bewerten und damit effektiv überwachen zu können. Ein Rechtsanwalt verfügt dadurch über nicht unerheblichen Handlungsspielraum240, der aber im Regelfall durch das anwaltliche Berufsrecht, einen gewissen berufsethischen Kodex, vertragliche Sondervereinbarungen sowie nicht zuletzt die Bedeutung von Ruf und Ansehen auf ein angemessenes Maß begrenzt wird.241 Ein repräsentatives Kollektivverfahren verschärft diese Problematik in mehrfacher Hinsicht. Aus der Perspektive eines einzelnen Gruppenmitglieds entsteht eine doppelte Vertretung und mit ihr insgesamt drei verschiedene Lager, deren Interessen im Idealfall übereinstimmen sollten. Dem Gruppenrepräsentanten fällt neben der Prozessführung die – schon im Zwei-Personen-Verhältnis problembehaftete – Aufgabe der Überwachung zu. Entscheidet er eigenverantwortlich, wer die rechtliche Vertretung übernehmen wird, ist er zwar Herr der Vertragsgestaltung, agiert dabei aber eben nicht ausschließlich für sich selbst. Es besteht die Gefahr einer Kollusion zu Lasten der übrigen Gruppenmitglieder. Deutlich schwieriger noch gestaltet sich die Situation, wenn der Gruppenrepräsentant selbst (z. B. aufgrund rationalen Desinteresses) auf Klage und Prozessführung gar keinen Wert legt. Das ist z. B. im System der meisten USamerikanischen Kollektivklagen der Fall, als deren wesentliches und mitunter charakteristischstes Element das sogenannte entrepeneurial lawyering242 bezeichnet wird. Der Begriff steht für die Vorgehensweise i. d. R. großer amerikanischer Anwaltsbüros, die sich auf Kollektivverfahren spezialisiert haben.243 Insbesondere in Streuschadensfällen fehlt dem einzelnen Geschädigten nicht nur der Anreiz für eine Individualklage, sondern er wird aus denselben Gründen auch keine Initiative für ein Kollektivverfahren ergreifen. Eine ähnliche Situation kann sich auch in Massenschadensfällen ergeben, wenn der Nachweis z. B. 240 Schäfer, in: Basedow/Hopt/Kötz/Baetge, S. 67, 77 f.; Wundenberg, ZEuP 2007, 1097, 1111; Dam, 4 The Journal of Legal Studies (1975) 47, 58; Macey/Miller, 58 Univ. of Chicago L. Rev. (1991) 1, 14. 241 Macey/Miller, ebenda, S. 14 ff. 242 So erstmals Dam, 4 The Journal of Legal Studies (1975) 47, 58 und 60; der Begriff wurde später wesentlich geprägt von John Coffee Jr., 54 Univ. of Chicago L. Rev. (1987) 877 ff.; ders., 86 Columbia L. Rev. (1986) 669, 676; ders., 110 Columbia L. Rev. (2010) 288, 291, dort mit Fn. 5; vgl. auch Kocher, in: Steele/Van Boom, S. 118, 121: „ownership and control are separated“; aus der deutschen Literatur Hopt/Baetge, in: Basedow/Hopt/Kötz/Baetge, S. 11, 28; ohne den Begriff explizit zu nennen auch Hempel, in: Möschel/Bien, S. 71, 89 ff. 243 Dazu Eichholtz, S. 21 f.; Madaus, ZEuP 2012, 99, 102 f.; Beuchler, in: Micklitz/Stadler, Verbandsklagerecht, S. 1086 ff.; vgl. auch Koch, WuW 2013, 1059, 1062 f.
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Erstes Kapitel: Rechtliche und rechtspolitische Grundlagen
technischer Defekte oder medizinischer Zusammenhänge für den Einzelnen zu aufwändig oder zu unsicher ist, um eine Klage zu rechtfertigen. Die so entstehende Lücke füllen Rechtsanwälte z. T. in bundesstaaten- oder sogar landesweiter Kooperation. Wird ihnen ein potenzieller Schadensfall bekannt, machen sie Geschädigte ausfindig und überzeugen sie, ihnen ein Mandat zu erteilen. Dies gelingt, weil die Anwälte vertraglich sämtliche Kosten übernehmen und lediglich im Erfolgsfall ein Honorar erhalten wollen (contingency fee agreement).244 Schließlich wählen sie einen der Geschädigten als representative plaintiff aus, in dessen Namen sie Klage erheben und beantragen ein Kollektivverfahren. Auf Seiten der Anwälte handelt es sich dabei im Wesentlichen um ein unternehmerisches Modell auf der Basis einer Kosten-Nutzen-Analyse. Haben Sie Erfolg, übersteigt das generierte Honorar nicht nur die Kosten, sondern natürlich auch den Entschädigungsanteil des einzelnen Gruppenmitglieds um ein Vielfaches. Auf Klägerseite entfällt mithin der mit Abstand größte Einsatz auf die federführenden Anwälte. Gleichzeitig aber erreichen sie ihr Ziel mit der Realisierung ihres Honorars, wobei der dafür notwendige Prozesserfolg – i. d. R. in Vergleichsform – in keiner Weise die bestmögliche Lösung für die Mitglieder der Gesamtgruppe bedeuten muss.245 Auch Ruf und Ansehen haben für den Anwalt weniger gegenüber den ohnehin unbeteiligten Gruppenmitgliedern als gegenüber der Gerichtsöffentlichkeit, konkurrierenden Firmen und potenziellen zukünftigen Klagegegnern Bedeutung. Risiko und Ertrag für den Gruppenrepräsentanten, dem es bereits am Klageanreiz fehlte, sind demgegenüber jedenfalls so gering, dass er erst recht kaum als Kontrollinstanz für die Anwälte fungieren wird.246 Stattdessen dient er in vielen Fällen ausschließlich als der sprichwörtliche „Schlüssel zum Gerichtssaal“.247 Aus europäischer Perspektive ist zunächst wichtig festzuhalten, dass das Geschäftsmodell Kollektivklage, wie es in den USA praktiziert wird, nur durch das Zusammenspiel mehrerer Faktoren im US-amerikanischen Zivilprozessrecht ermöglicht wird.248 Das wichtigste Element bildet die erfolgsabhängige Vergütung der Anwaltstätigkeit, die z. B. in Deutschland nur in engen Ausnahme244 Damit ist zunächst nur gesagt, dass die Anwälte nur im Erfolgsfall ein Honorar erhalten. Die Honorarhöhe wird entweder als percentage of the recovery, der Anwalt erhält also eine Erfolgsbeteiligung oder nach einem Stundensatz bestimmt (sog. lodestar calculation); vgl. Ulen, in: Backhaus/Cassone/Ramello, S. 75, 83 f.; Schneider, S. 62 ff.; Buchner, S. 54 f.; Macey/Miller, 58 Univ. of Chicago L. Rev. (1991) 1, 22 ff. m. N. aus der Rspr.; kritisch Hirte, in: FS Leser, S. 335, 346. 245 Den negativen Einfluss einer Erfolgshonorarvereinbarung auf das Anwaltsverhalten erörtert Schäfer, in: Basedow/Hopt/Kötz/Baetge, S. 67, 80 f.; vgl. auch Eichholtz, S. 94; Burckhardt, S. 91 f.; Beuchler, in: Micklitz/Stadler, Verbandsklagerecht, S. 1012 f.; einige Beispiele bei Hirte, in: FS Leser, S. 334, 347 ff. 246 Eichholtz, S. 21 f.; Macey/Miller, 58 Univ. of Chicago L. Rev. (1991) 1, 19 ff., Schneider, S. 57 ff. 247 Macey/Miller, 58 Univ. of Chicago L. Rev. (1991) 1, 41. 248 Sog. toxic cocktail, vgl. Buchner, S. 57.
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fällen zulässig ist.249 Hinzu kommt die American rule of costs, wonach im Grundsatz jede Prozesspartei unabhängig vom Prozessergebnis für ihre eigenen Kosten verantwortlich ist. Das finanzielle Risiko lässt sich dadurch seitens der handelnden Anwaltsbüros schon im Vorfeld eindeutig beziffern. Durch die Möglichkeit des Strafschadenersatzes (sogenannte punitive damages), der zusätzlich zum reinen Schadensausgleich denkbar ist, erhöht sich zudem die potenzielle Gewinnspanne. Schließlich kommt auch die Vergleichshäufigkeit zum Tragen, die das wirtschaftliche Risiko für die handelnden Kanzleien gegenüber Entscheidungen aufgrund mündlicher Verhandlung reduziert.250 Obgleich ein ähnliches anwaltsbasiertes System in Deutschland und Europa daher weder nach der geltenden Rechtslage möglich ist, noch zur Debatte steht251, dürfen die US-amerikanischen Erfahrungen mit Blick auf die Prinzipal-Agenten-Problematik nicht unberücksichtigt bleiben. Einerseits wird auch die große Mehrheit der Gruppenvertreter, ggf. abgesehen von einigen wenigen institutionellen Repräsentanten, die über entsprechendes eigenes Personal verfügen, ihre rechtliche Vertretung in die Hände von Rechtsanwälten legen. Eine vollständige Interessenübereinstimmung zwischen der Gesamtgruppe, dem Gruppenrepräsentanten sowie seinem Rechtsvertreter ist auch hier nicht zu erwarten. Darüber hinaus aber können die Defizite des US-amerikanischen Systems vorwiegend für den Gruppenrepräsentanten selbst relevant werden, der in europäischen Reformüberlegungen anstelle von Anwälten die wesentliche Verfahrensinitiative und -finanzierung übernehmen soll.
2. Trittbrettfahrerverhalten Das als Trittbrettfahrerverhalten bezeichnete Phänomen tritt vorwiegend in Massenschadensfällen auf. Deren gerichtliche Aufarbeitung zeichnet sich durch mitunter enormen Aufwand und exzessive Kosten für die Informationsbeschaffung und Sachverhaltsaufklärung aus. Vor diesem Hintergrund kann es für den einzelnen Geschädigten von Vorteil sein, sich an einem Kollektivverfahren zunächst nicht zu beteiligen, in der Hoffnung sich dessen Ergebnisse nachträglich zu Nutze machen zu können, um im Wege eines Individualverfahrens ein besseres Resultat zu erstreiten.252 Kostennachteile ergeben sich daraus für die Gesamtgruppe im Regelfall nicht, da die Verfahrensfinanzierung ausschließlich in den Händen des Repräsentanten liegt. Von Bedeutung sind dagegen die negativen Effekte für die Verhandlungssituation der Kläger: Je größer 249
Vgl. § 49b II 1 BRAO sowie BVerfGE 117, 163, 192 ff. Dazu sogleich S. 65 ff. 251 Vgl. Empfehlung kollektiver Rechtsschutz, a. a. O. (erstes Kapitel, Fn. 155), Nr. 29 und 30; dafür aber Madaus, ZEuP 2012, 99, 107 f.; wohl auch Ahrens, WRP 2015, 1040, 1045. 252 Dazu van den Bergh/Keske, in: Casper/Janssen/Pohlmann/Schulze, S. 21; F. Weber, S. 80; zurückhaltend Schäfer, in: Basedow/Hopt/Kötz/Baetge, S. 67, 79 wie auch Hempel, in: Möschel/Bien, S. 71, 86. 250
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Erstes Kapitel: Rechtliche und rechtspolitische Grundlagen
ihre Gruppe, desto mehr Druck liegt auf dem Beklagten einen Vergleich oder eine anderweitige Lösung zu finden. Gleichzeitig steigt mit der Gruppengröße auch die Attraktivität für den Beklagten, der eine möglichst umfassende Entscheidung anstrebt. Schert z. B. eine Vielzahl kleinerer oder wenige bedeutende Kläger aus der Gruppe aus, mit deren Individualklage zu rechnen ist, verringert sich daher die Verhandlungsbereitschaft des Beklagten. Auch aus diesem Grund sind somit die Qualitäten des Repräsentanten von Bedeutung. Gelingt es ihm, im Interesse und zur Zufriedenheit aller zu verhandeln, haben Einzelne keinen Anreiz die Gruppe zu verlassen.
3. Verfahrensfinanzierung Die Frage nach der Finanzierung kollektiver Rechtsschutzverfahren hat eine Vielzahl von Facetten, die hier offensichtlich nicht umfassend beleuchtet werden können. Für die vorliegende Arbeit können die Berührungspunkte von Repräsentation und Finanzierung aber auch nicht gänzlich außer Acht bleiben. Infolge der beabsichtigten Zusammenfassung von Klägern in Massenverfahren summieren sich die Streitwerte und mit ihnen die Gerichtskosten, aber auch alle übrigen Prozesskosten für Sachverhaltsermittlung, anwaltliche Beratung, Sachverständige etc. in beträchtlichen Höhen.253 Gleichzeitig sprechen sich die Europäische Kommission sowie die breite Mehrheit der Literatur zu Recht für das loser pays principle aus, wonach die im Prozess unterliegende Partei sowohl die eigenen als auch die Kosten des Gegners zu tragen hat.254 In Streuschadensfällen können die entstehenden Kosten auf Klägerseite schon aus konzeptionellen Gründen ausschließlich den aktiven Repräsentanten treffen. Der Wert des Verfahrens ist dort für das einzelne Gruppenmitglied qua definitionem so gering, dass sich jegliche Kostenübernahme für ihn wirtschaftlich nicht lohnt. Ein Verfahren, das eine Kostenbeteiligung der Geschädigten vorsähe, würde daher in Streuschadensfällen zwingend scheitern, da die Betroffenen entweder aus Gründen rationaler Apathie nicht teil- oder alternativ nach rationaler Bewertung des Kostenrisikos davon Abstand nähmen.255 In Massenschadensfällen liegt es zwar grundsätzlich anders. Auch sie müssen aber im Vergleich zu einem Individualverfahren mit einer Kostenersparnis oder jedenfalls gravierenden anderweitigen Vorteilen für die Geschädigten (z. B. einer Vergemeinschaftung der Beweisaufnahme, die unter dem Strich wiederum auch eine Kostenersparnis bedeutet) verbunden sein. Dem Repräsentanten der Gruppe obliegt mithin neben oder sogar noch vor der Interessenvertretung die Verfahrensfinanzierung, 253 Zu den im Vergleich zu mehreren Individualverfahren geringeren, aber keineswegs unbeachtlichen Kosten eines Kollektivverfahrens Ulen, in: Backhaus/Cassone/Ramello, S. 75, 82; Madaus, ZEuP 2012, 99, 104 f. 254 Empfehlung kollektiver Rechtsschutz, a. a. O. (erstes Kapitel, Fn. 155), Nr. 13. 255 Schäfer, in: Basedow/Hopt/Kötz/Baetge, S. 67, 79; Madaus, a. a. O. (Fn. 253).
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die enorme finanzielle Mittel voraussetzt. Diese aber wird der Repräsentant selbst in den allermeisten Fällen nicht aufbringen können. Schaut man, wie nur in Massenschadensfällen möglich, für einen finanziellen Beitrag auf die Gruppenmitglieder, bleibt allenfalls ein identischer Anteil jedes Einzelnen ohne Folgen für die Interessenlage. Variiert jedoch die Beitragshöhe, steigen mit ihr entsprechend die Erwartungen. Trittbrettfahrerverhalten wird dadurch gefördert. Gleichzeitig steht außer Frage, dass der jeweilige Geldgeber auf eine gewisse finanzielle Sicherheit angewiesen ist. Sie wird insbesondere dann bedeutsam, wenn ein institutioneller Repräsentant – wie in Streuschadensfällen üblich – die gesamten Verfahrenskosten tragen muss, umgekehrt jedoch am Verfahrensergebnis nicht beteiligt wird. Stammen Finanzmittel dagegen weder vom Repräsentanten selbst noch aus der Gruppe der Betroffenen, sondern von Dritten (z. B. einem externen Prozessfinanzierer) wird der oben erörterte Interessendreiklang um eine vierte Fraktion erweitert, deren Einfluss zu berücksichtigen ist.256 Außerhalb der Verfahrenskosten spielt schließlich auch eine potenzielle Vergütung des Repräsentanten selbst eine wichtige Rolle. Bei individueller Repräsentation würde er als Gruppenmitglied zwar gleichermaßen vom erzielten Ergebnis profitieren. Dennoch fehlt ein wie auch immer gearteter Anreiz diese Rolle zu übernehmen. In Streuschadensfällen steht erneut das rationale Desinteresse entgegen. In Massenschadensfällen ist kaum ein Geschädigter denkbar, der ohne jeden Ausgleich umfangreiche zusätzliche Arbeit übernähme, obwohl alle übrigen Gruppenmitglieder im selben Umfang profitieren würden. Dasselbe gilt in gesteigerter Form für institutionelle Repräsentanten. Auch mit einer vollumfänglichen Erstattung von Auslagen bliebe für sie nur ein rein altruistischer Handlungsanreiz, der in der großen Mehrheit der Fälle nicht ausreichen dürfte. Ein größerer Einfluss auf das Prozessergebnis oder ähnliche systematische Vorteile sind ebenso unbrauchbar, da sie die Interessen des Repräsentanten über die der Gruppenmitglieder stellen und so eine Ungleichbehandlung institutionalisieren würden. Als einzige Möglichkeit verbleibt daher eine finanzielle Vergütung, die aber sofort Assoziationen mit dem US-amerikanischen Anwalt als Gebührenunternehmer weckt. Einige Stimmen betrachten vor dem genannten Hintergrund die Finanzierung von Kollektivverfahren als eigentliche Ursache aller Prinzipal-AgentenKonflikte.257 Kurz gefasst: Eigentlich geht es nur um Geld. Mit Blick auf die verschiedenen Prinzipal-Agenten-Beziehungen ist es daher essentiell, die finanzielle Ausstattung sowie auch die wirtschaftlichen Eigeninteressen aller 256 Dazu Empfehlung kollektiver Rechtsschutz, a. a. O. (erstes Kapitel, Fn. 155), Nr. 15 und 16; Lehne, WuW 2012, 566, 570 lehnt bereits eine „Diskussion über Finanzierungen von Kollektivklagen durch Dritte“ ab. 257 Backhaus, in: ders./Cassone/Ramello, S. 127, 130; vgl. auch Madaus, ZEuP 2012, 99, 105.
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Beteiligten von Beginn an so zu berücksichtigen und abzusichern, dass die Interessen der jeweils Vertretenen so wenig wie möglich beeinträchtigt werden.
4. Kontrolle ex ante versus Kontrolle ex post Die vorangegangenen Abschnitte machen deutlich, inwieweit in einem Verfahren nach dem Repräsentationsmodell Interessenkonflikte drohen, die entsprechende Vorsorge notwendig machen. Für entsprechende Maßnahmen bieten sich im Wesentlichen zwei Anknüpfungspunkte an: Einer liegt vor Verfahrensbeginn, ein anderer am Ende.
a) Voraussetzungen für die Verfahrenseröffnung und -fortsetzung Gesetzliche Anforderungen an den klagenden Repräsentanten, seinen Rechtsvertreter, die Zusammensetzung der Gruppe u. v. m. können zunächst zur Bedingung für die Verfahrenseinleitung und -fortsetzung erhoben werden. Exemplarisch kennt die US-amerikanische class action die sogenannte certification (vgl. z. B. auf Bundesebene rule 23 (c) (1) der Federal Rules of Civil Procedure).258 Ein Prozess kann erst dann als class action geführt werden, wenn der befasste Richter bestimmte in rule 23 (a) und (b) FRCP niedergelegte Grundvoraussetzungen überprüft und durch Beschluss (certification order) bestätigt hat. Dazu gehört neben der Klagebefugnis (standing) der Beteiligten auch die adequacy of representation gem. rule 23 (a) (4) FRCP. Es muss sichergestellt sein, dass der Repräsentant die Interessen der Gesamtgruppe fair und angemessen schützt. Im Rahmen der certification order legt der Richter zudem die Zusammensetzung der Gruppe und weitere essentielle Charakteristika fest (rule 23 (c) (1) (B) FRCP) und benennt grundsätzlich unter den Voraussetzungen der rule 23 (g) (1) FRCP auch den Rechtsvertreter der Gruppe. Eine ähnliche Vorstufe bildet im deutschen Zivilprozessrecht die Klagezulässigkeitsprüfung, die in einem Kollektivverfahren um entsprechende Voraussetzungen zur Prozessführungsbefugnis erweitert werden könnte. Das gesamte weitere (Kollektiv-)Verfahren baut auf der einleitenden Prüfung auf. Lehnt der US-amerikanische Richter die certification ab, bleibt die grundlegende Individualklage zwar bestehen, wird aber ohne eine Kollektivierung regelmäßig nicht weiter verfolgt werden. Erlässt er dagegen eine stattgebende certification order, wird damit das Vorliegen aller notwendigen Voraussetzungen im Beschlusszeitpunkt bestätigt und eine class action eröffnet. In beiden Fällen behält der Richter die Möglichkeit und Pflicht, seine certification order nachträglich anzupassen, zurückzunehmen oder auch auf erneuten Antrag erstmals zu erteilen (vgl. rule 23 (c) (1) (C)). Es obliegt ihm daher, die genannten Voraussetzungen während des gesamten weiteren Verfahrensverlaufs zu überprüfen.259 258 Dazu 259
Eichholtz, S. 129 ff. Ebenda, S. 131 f. m. w. N.
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Auch der überwiegende Teil der deutschen Klagezuständigkeitsprüfung betrifft so genannte Prozess-, Sachurteils- oder Sachentscheidungsvoraussetzungen, zu denen u. a. auch die Prozessführungsbefugnis gehört. Liegen sie nicht vor, kann ein Urteil in der Sache nicht ergehen. Sie sind seitens des Gerichts von Amts wegen in jedem Stadium des Verfahrens zu berücksichtigen und können bis zur letzten, mündlichen Verhandlung entfallen oder auf entsprechenden gerichtlichen Hinweis hin nachträglich erfüllt werden.260 Beschränkt auf ein gerichtliches Verfahren reicht diese Form der Kontrolle aus, wobei der genauen Ausgestaltung der Voraussetzungen im Einzelnen essentielle Bedeutung zukommt. Eine separate Überprüfung des Verfahrensergebnisses ist daneben nicht erforderlich, da ein Urteil unmittelbar auf der Einhaltung der Verfahrensvoraussetzungen aufbaut und beide zudem in der Verantwortung derselben Richter liegen. Gegen eventuelle richterliche Fehler stehen Rechtsmittel zur Verfügung.
b) Ergebniskontrolle Anders liegt es dagegen, wenn es gar nicht zu einem gerichtlichen Verfahren oder jedenfalls nicht zu einem abschließenden Urteil kommt, sondern sich die Parteien auf dem Weg dorthin mit oder ohne Beteiligung des Gerichts vergleichsweise einigen. Ein Vergleich verschärft nochmals die Schwierigkeiten des Repräsentationsmodells, wenn gleichzeitig die Rechtskraftbindung erhalten bleibt. Wo die endgültige Entscheidung in einem gerichtlichen Verfahren noch in den Händen einer dritten, im Prinzip neutralen Instanz liegt, ist der Vergleich grundsätzlich nur die Schöpfung der an den konkreten Verhandlungen Beteiligten, mithin des Beklagten, des handelnden Repräsentanten sowie ihrer Rechtsvertreter. Entfiele eine nachträgliche Kontrolle, wären sie in der Lage der Gesamtgruppe ein Ergebnis ihrer Wahl aufzuzwingen.261 Weiterhin gilt natürlich, dass den einzelnen Betroffenen zwar eine Trennung von der Gruppe in der Regel möglich bliebe, die jedoch in vielen Fällen wertlos sein wird. Auch hier kann wiederum die US-amerikanische class action als prominentes Beispiel dienen. Das Verfahren übt in Verbindung mit weiteren Eigenheiten des US-amerikanischen Zivilprozesses einen enormen, vorwiegend wirtschaftlichen wie gesellschaftlichen Druck auf die Beklagten aus, sodass sie in den meisten Fällen eine vergleichsweise Einigung bevorzugen. Die Zulassung einer Klage als class action erhöht zwangsläufig das Prozessrisiko des Beklagten, der sich einer Vielzahl von Ansprüchen gleichzeitig und einem insgesamt deutlich höheren Streitwert gegenübersieht. Zugleich entstehen ihm mit einem erwartungsgemäß steigenden Stundenaufwand zusätzliche Kosten für 260
Grundlegend BGHZ 31, 279, 281 ff.; außerdem auch BGHZ 134, 116, 118 und BGHZ 159, 94, 98; aus der Lit. Greger, in: Zöller, Vorbem. zu §§ 253–299a ZPO, Rn. 9; BeckerEberhard, in: MK ZPO, Vor §§ 253 ff. ZPO, Rn. 1 f. und 15 f. 261 Eichholtz, S. 200 f.
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Erstes Kapitel: Rechtliche und rechtspolitische Grundlagen
seine Rechtsvertretung, während die Anwälte auf Klägerseite in aller Regel auf Erfolgsbasis und damit ohne finanzielles Risiko für den Repräsentanten sowie die Gesamtgruppe arbeiten. Auch das im Rahmen der Sachverhaltsermittlung ohnehin angewandte sogenannte discovery-Verfahren, bei dem der Beklagte umfangreichen Informations- und Offenlegungspflichten unterliegt, wächst mit der Anzahl zugleich relevanter Fälle. Die dabei entstehenden Kosten sind ebenfalls vom Beklagten zu tragen. Hinzu kommt die Verteilung der Kostenlast nach amerikanischem Zivilprozessrecht, wonach grundsätzlich jede Partei ihre eigenen Prozesskosten selbst zu tragen hat. Der Beklagte kann also auch im Falle eines Prozessgewinns nicht mit der Erstattung seiner Kosten rechnen. Bereits ohne jede missbräuchliche Handhabung vergrößert eine class action in Verbindung mit der prozessualen Ausgangssituation262 mithin das Risiko zu Lasten des Beklagten. Ein Vergleich ist demgegenüber insbesondere für Unternehmen sowohl aus wirtschaftlicher Perspektive als auch zum Schutz ihres öffentlichen Ansehens in der Regel deutlich berechenbarer und damit risikoärmer als ein Prozess. Diese gewisse Drohkulisse263 kann sich die Klägerseite in Vergleichsverhandlungen zu Nutze machen. Dabei drohen aber gleichzeitig die Interessen der Gesamtgruppe in den Hintergrund zu treten. Dies gilt insbesondere, wenn neben den Interessen des Repräsentanten selbst zudem die Interessen seines Anwalts zum Tragen kommen, für den ein Vergleich deutlich weniger Arbeit, deutlich geringere Gesamtkosten sowie in erster Linie die Realisierung seines Erfolgshonorars bedeutet.264 Diese Gemengelage wird im Gesetz zunächst auch formal berücksichtigt. Auf Bundesebene erlaubt rule 23 (e) FRCP einen Verfahrensabschluss durch Vergleich der Parteien nur, nachdem eine öffentliche Anhörung stattgefunden und das Gericht seine Zustimmung erteilt hat.265 Sie setzt voraus, dass der Vergleich „fair, reasonable, and adequate“ ist (rule 23 (e) (2) FRCP). Auch müssen alle Gruppenmitglieder, die von einem Vergleich erfasst würden, 262 Ausführlich zu der hier in der gebotenen Kürze zusammengefassten Darstellung Eichholtz, S. 26 f. mit eingehender Darstellung der prozessualen Grundlagen a. a. O., S. 53 ff.; am Vergleichsdruck zweifelnd Schneider, S. 78 ff., deren Vergleich mit der Anzahl verglichener Individualklagen jedoch fehlgeht, da die maßgeblichen Regelungen des allgemeinen Prozessrechts dort ebenso greifen. 263 Außerhalb der Prinzipal-Agenten-Beziehung steht das hiermit eng verbundene Problem sog. blackmail settlements oder auch strike suits. Die enorme Abschreckungswirkung der class action macht es möglich, Unternehmen mit der bloßen Androhung einer class action zu einem Vergleich zu veranlassen, obwohl die Sache rechtlich keine Aussicht auf Erfolg hat; vgl. dazu Eichholtz, S. 24 ff.; Ulen, in: Backhaus/Cassone/Ramello, S. 75, 86 f.; außerdem Scherer, in: Backhaus/Cassone/Ramello, S. 27, 29 ff. 264 Vgl. Note, 89 Harvard L. Rev. (1976), 1318, 1552 ff.; Burckhardt, S. 92 f.; eine Übersicht über denkbaren Missbrauch jew. m. N. aus Lit. und Rspr. gibt das Manual of Complex Litigation, Fourth, § 21.61 S. 310 ff. 265 Ausführliche Darstellung des Verfahrens im Manual of Complex Litigation, Fourth, § 13.14 S. 172 ff. und § 21.63 S. 318 ff.; vgl. auch Eichholtz, S. 200 f.
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angemessen informiert werden266 (rule 23 (e) (1) FRCP) und haben das Recht Widerspruch zu erheben (rule 23 (e) (5) FRCP). Die unmittelbar an den Vergleichsverhandlungen Beteiligten sind zudem verpflichtet, eventuelle weitere Vereinbarungen offenzulegen (rule 23 (e) (3) FRCP). Die praktische Umsetzung der Vergleichskontrolle birgt jedoch Probleme, da rule 23 (e) FRCP die Belange und die tatsächliche Situation des Richters unberücksichtigt lässt.267 Zuvorderst bedeutet ein Vergleich auch seinerseits eine erhebliche, je nach Belastung willkommene Verringerung des Zeit- und Arbeitsaufwands. Hinzu kommt, dass die Zustimmung zu einem Vergleich deutlich seltener in höherer Instanz aufgehoben wird als eine ablehnende Entscheidung. Aber auch unabhängig von seinen Eigeninteressen ist der Richter im Regelfall für eine eingehende Überprüfung nicht hinreichend gerüstet. Je nach Zeitpunkt des Antrags, insbesondere noch vor bzw. vor Abschluss der discovery liegen dem Gericht kaum verlässliche Informationen zur Sache vor. Auch Feststellungen zur Art und Weise der Vergleichsverhandlungen sind allenfalls dann möglich, wenn das Gericht selbst daran beteiligt war. Dann aber fehlt es u. U. wieder an inhaltlicher Distanz, die für eine unvoreingenommene Prüfung erforderlich ist. Zu allem Überfluss steht der Richter im Regelfall allein, während sowohl die anwesende Kläger- als auch die Beklagtenseite den Vergleich gemeinsam erarbeitet haben und daher für seine Anerkennung werben werden. Diese Umstände erfordern zugunsten der unbeteiligten Gruppenmitglieder ein besonders kritisches und detailbezogenes Vorgehen. Besonders deutlich werden die Schwierigkeiten in der Sonderform der sogenannten settlement class action, die ausschließlich dazu dient, einer zum Teil schon vor Klageerhebung vorliegenden Einigung Rechtskraftwirkung gegenüber der Gesamtgruppe zu verschaffen. Dazu wird dem Gericht ein ausgearbeiteter Vergleichsvorschlag zusammen mit dem Antrag auf certification einer class action vorgelegt, obwohl ein Gerichtsverfahren im Grunde gar nicht beabsichtigt ist.268 Diese Vorgehensweise ist u. a. deshalb besonders brisant, weil der Vergleichsvorschlag nahezu die gesamte certification order praktisch vorwegnimmt. Die Grundvoraussetzungen einer class action (rule 23 (a) FRCP), die Zusammensetzung der Gruppe, die maßgeblichen Ansprüche und allen voran die Person des Repräsentanten sowie seiner Rechtsvertretung werden vorgegeben. Für den Richter liegt es gefährlich nahe, diese Angaben nahezu 266 Wie
im common law üblich überlässt das Gesetz die Konkretisierung einer „notice in a reasonable manner“ ebenso wie des Maßstabs „fair, reasonable, and adequate“ weitestgehend dem Ermessen der Gerichte. Die daraus entstehenden Unsicherheiten sind jedenfalls aus deutscher, aber auch US-amerikanischer Perspektive problematisch, können im hiesigen Kontext aber dahinstehen; vgl. stattdessen Eichholtz, S. 143 f. und 202 f. sowie Fn. 265. 267 Zum Folgenden anschaulich Macey/Miller, 58 Univ. of Chicago L. Rev. (1991) 1, 45 ff., außerdem Schneider, S. 72 ff. 268 Note, 89 Harvard L. Rev. (1976) 1318, 1555 f.; Eichholtz, S. 133 f.; Ulen, in: Backhaus/ Cassone/Ramello, S. 75, 87 f.; Schneider, S. 39 f.; Hirte, in: FS Leser, S. 335, 344 f.
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Erstes Kapitel: Rechtliche und rechtspolitische Grundlagen
unbesehen in eine certification order zu übernehmen.269 Andererseits wird auch eine Überprüfung des Vergleichs nach rule 23 (e) FRCP erschwert, die gewissermaßen gleichzeitig erfolgen muss.270
c) Zwischenfazit Die Erfahrungen mit der US-amerikanischen class action illustrieren Zweierlei: Die Gefahren, die aus einem repräsentativen Verfahren insbesondere für die weitgehend unbeteiligten Gruppenmitglieder resultieren, machen Kontrollmechanismen sowohl ex ante als auch ex post unverzichtbar. Obwohl aber die große Mehrheit kollektiver Schadensersatzverfahren in einen Vergleich und nicht in ein Urteil mündet, kommt gesetzlichen Anforderungen an die Repräsentation vor Beginn und während eines laufenden Verfahrens eine noch größere Bedeutung zu als einer Ergebniskontrolle. Im Falle einer Entscheidung durch Urteil kann Letztere neben den üblichen Rechtsmitteln ausnahmsweise vollständig entfallen. Anders dagegen, wenn das Verfahren mit einem Vergleich endet. Je weniger Vergleichsverhandlungen innerhalb oder parallel zu einem gerichtlichen Verfahren stattfinden, desto schwieriger gestaltet sich jedoch ihre nachträgliche Überprüfung durch das Gericht. Auch hier kann ein gesetzlich festgelegtes Verfahren zur Auswahl und Überwachung des Gruppenrepräsentanten daher wesentliche Vorarbeit leisten. Die damit verbundene Einbeziehung des Gerichts legt zudem die Grundlage für eine Ergebniskontrolle. Ebenso spricht sich auch die Empfehlung der EU-Kommission sowohl für eine vorgelagerte Anerkennung des Gruppenrepräsentanten271 als auch für eine gerichtliche Überprüfung von Vergleichen272 aus. Besondere Beachtung verdient daneben das niederländische Gesetz zur Abwicklung von Massenschäden (Wet collectieve afwikkeling massaschade (WCAM)), das sich in gewisser Weise das Modell der settlement class action zu eigen macht. Ein Parteivergleich kann dem zuständigen Gericht danach weitgehend ohne seine vorherige Beteiligung zur Überprüfung vorgelegt werden. Erachtet das Gericht eine Reihe gesetzlicher Anforderungen als erfüllt, kann es den Vergleich für verbindlich erklären und ihm so Rechtskraftwirkung verleihen.273 269 Ausdrücklich entgegen dieser langjährigen Praxis und für eine besonders sorgfältige Prüfung der certification der Supreme Court der Vereinigten Staaten in Amchem Products Inc. v. Windsor, 521 U. S. 591, 619 f. = 117 S. Ct. 2231, 2248 und in Ortiz v. Fibreboard Corp. 527 U. S. 815, 817 f. = 119 S. Ct. 2295, 2300 f. 270 Manual of Complex Litigation, Fourth, § 21.612 S. 313 ff.; Note, 89 Harvard L. Rev. (1976) 1318, 1556 ff. 271 Der Empfehlung kollektiver Rechtsschutz, a. a. O. (erstes Kapitel, Fn. 155), Nr. 6; ErwGr. 20 sowie Nr. 5, 8 und 9 lässt sich zudem entnehmen, dass das Gericht diese Entscheidung während des gesamten Verfahrensverlaufs von Amts wegen abändern bzw. zurücknehmen können soll. 272 Empfehlung kollektiver Rechtsschutz, a. a. O. (erstes Kapitel, Fn. 155), Nr. 28. 273 Dazu ausführlich S. 163 ff., S. 298 ff. sowie S. 341 ff.
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II. Gang der weiteren Untersuchung Im Anschluss an die elementaren Grundlagen des kollektiven Rechtsschutzes folgt zunächst eine Bestandsaufnahme der geltenden Rechtslage in Deutschland sowie in anderen EU-Mitgliedsstaaten mit Blick auf kollektive Rechtsschutzmechanismen. Diese beschränkt sich aus Gründen der Verständlichkeit und des Umfangs auf diejenigen Regelungen, die sich entweder mit Verbänden oder anderen institutionellen Vertretern befassen oder als Grundlage für die weitere Erörterung zwingend erforderlich sind (dazu im zweiten Kapitel). Den Schwerpunkt der Untersuchung bildet dann die verfahrenseinleitende Phase, beginnend mit der Frage, wer generell als Repräsentant in Frage kommt (dazu im dritten Kapitel). Im Anschluss daran wird analysiert, welche Qualifikation dieser sowohl abstrakt als auch in Bezug auf den jeweiligen Einzelfall vorweisen sollte (dazu im vierten Kapitel). In einem weiteren Kapitel steht dann die Überprüfung der ermittelten Qualifikationsmerkmale im Mittelpunkt. Dabei stehen sich mit einem behördlichen Anerkennungsverfahren einerseits und der gerichtlichen Zulassung des Gruppen- oder Verbandsklägers je Einzelfall zwei Modelle gegenüber, deren Vor- und Nachteile herausgearbeitet werden (dazu im fünften Kapitel). Die Kontrolle eines eingesetzten Gruppen- oder Verbandsklägers während des laufenden Verfahrens sowie die mit einem Urteil oder einem Vergleich verbundene Kontrollmechanismen ex post, wie z. B. eine gerichtliche Kontrolle und Verbindlichkeitserklärung eines geschlossenen Vergleichs und die tatsächliche Durch- und Umsetzung der Entscheidung mussten schließlich wiederum zu Gunsten des Umfangs und der Realisierbarkeit außen vor bleiben. Diesbezüglich sei insbesondere auf die in der Entstehung befindlichen Arbeiten meiner Kollegen Alexander Eggers274 und Ilja Tillema275 verwiesen. Abschließend gilt es die Ergebnisse dogmatisch zu verorten und in Thesenform zusammenzustellen.
274 Eggers, Gerichtliche Kontrolle von Vergleichen im kollektiven Rechtsschutz (Arbeitstitel) – noch nicht erschienen. 275 Tillema, Third-party funding of mass litigation and its influence on the conduct of mass litigation (Arbeitstitel) – noch nicht erschienen; dazu auch: https://www.eur.nl/people/ ilja-tillema/ (zuletzt besucht am 12. 04. 2017).
Zweites Kapitel
Kollektiver Rechtsschutz de lege lata Jeder Vorschlag zur Änderung oder gar Neueinführung von Rechtsnormen und -instituten setzt zwingend zunächst die Kenntnis des Ist-Standes voraus. Er gibt diejenigen konzeptionellen Grundlagen vor, denen auch eine Neuregelung verpflichtet wäre. Daneben ermöglicht erst eine Analyse des geltenden Rechts und seiner tatsächlichen Umsetzung ein Urteil darüber, an welchen Stellen und in welchem Umfang Defizite vorliegen, die es de lege ferenda auszuräumen gilt. Im Einzelfall kann sich daraus sogar eine Anpassung des dogmatischen Grundkonzeptes rechtfertigen. Der folgende § 4 dient vor diesem Hintergrund der Bestandsaufnahme. Auch hierbei liegt der thematische Fokus unmittelbar auf dem Gruppen- oder Verbandskläger und den für ihn geltenden Regelungen. Der jeweils zugehörige kollektive Rechtsschutzmechanismus im Ganzen wird allenfalls kurz skizziert. § 5 blickt daraufhin mehr auf einzelne aufschlussreiche Erfahrungen mit Privatorganisationen und deren tatsächlichem Aufbau.
§ 4 Bestandsaufnahme: Kollektiver Rechtsschutz in Deutschland und der EU Am Anfang der folgenden Bestandsaufnahme steht die geltende Rechtslage in Deutschland. Nach einer kurzen Einführung in die prozessualen Grundlagen der Zivilprozessordnung liegt der Schwerpunkt dabei einerseits auf den Bündelungsmöglichkeiten des materiellen Zivilrechts, die jüngst durch sogenannte Rechtsverfolgungsgesellschaften zu neuer Bedeutung gelangt sind. Andererseits werden die dogmatischen Grundlagen der Verbandsunterlassungsklage erörtert (dazu I.). Die Kollektivierungsmöglichkeiten im Rahmen eines Musterverfahrens sei es auf der Grundlage einer außergerichtlichen Parteivereinbarung1 oder des seit einigen Jahren geltenden Gesetzes über Musterverfahren in kapitalmarktrechtlichen Streitigkeiten (KapMuG)2 bleiben dagegen 1 Dazu grundlegend Kempf, ZZP 73 (1960) 342 ff.; im Kontext des kollektiven Rechtsschutzes Haß, S. 64 ff.; Von Bar, Gutachten A für den 62. DJT, A 81 ff.; Stadler, in: Brönneke, S. 1, 7 f. und 37 ff.; dies., in: FS Schumann, S. 465, 469 m. w. N.; Schilken, in: Meller-Hannich, S. 21, 39 ff.; Buchner, S. 88 f. 2 Dazu u. a. Hess, ZIP 2005, 1713 ff.; Stadler, in: Bu, S. 147 ff.; Geiger, S. 56 ff.; Buchner, S. 89 ff.
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Zweites Kapitel: Kollektiver Rechtsschutz de lege lata
hier ebenso wie in der übrigen Untersuchung zu Gunsten des Umfanges außer Betracht. Dies rechtfertigt sich daraus, dass dabei nach geltendem Recht weder Verbände oder andere privatrechtliche Institutionen involviert sind3, noch es zu einer Zusammenfassung von Ansprüchen und der Repräsentation durch einen Verbands- oder Gruppenkläger kommt. Es wurde lediglich versucht, mit Hilfe materiell- bzw. prozessrechtlicher Mittel die parallele Geltendmachung von Einzelansprüchen zu vereinfachen. Ebenfalls werden die erst jungen Gewinnabschöpfungsklagen in § 10 UWG sowie § 34a GWB weitestgehend unberücksichtigt bleiben, da sie hinsichtlich der Klageberechtigung lediglich auf § 8 III Nr. 2–4 UWG bzw. § 33 II GWB verweisen. Eigenständige Bedeutung kommt den Normen im hier maßgeblichen Kontext daher nicht zu. Anschließend an die Rechtslage in Deutschland werden bestimmte kollektive Rechtsschutzmechanismen aus den übrigen Mitgliedsstaaten der EU ausschnittsweise vorgestellt (dazu II.). Die Darstellung konzentriert sich dabei auf die Niederlande und Frankreich, die im Weiteren auch zum detaillierteren Vergleich herangezogen werden. Im Übrigen werden lediglich einzelne gesetzliche Regelungen mit Bezug zu dem jeweiligen Gruppen- oder Verbandskläger aufgezeigt.
I. Gegenwärtige Rechtslage in Deutschland 1. Prozessuale Bündelungsmöglichkeiten nach der ZPO a) Zivilprozess als individuelles Zwei-Parteien-Verfahren Der deutsche Zivilprozess ist als Streit zweier sich gegenüberstehender Parteien konzipiert. Eine Partei, im Regelfall als Kläger bezeichnet, begehrt Rechtsschutz gegen eine zweite Partei, die im Regelfall Beklagter genannt wird (sogenanntes Zwei-Parteien-Prinzip).4 Ein Verfahren mit mehr als zwei Parteien ist nicht vorgesehen. Jeder der beiden Seiten können aber durchaus mehrere Personen angehören. Beispielsweise kann eine Partei aus mehreren Personen bestehen (sogenannte Streitgenossenschaft, §§ 59 ff. ZPO) oder weitere Personen können einer der Parteien zu Hilfe kommen ohne selbst Prozesspartei zu werden (sogenante Nebenintervention, §§ 66 ff. ZPO). Alle beteiligten Personen werden jedoch stets der Kläger- oder der Beklagtenseite zugeordnet, womit die Grundkonzeption des Zwei-Parteien-Prinzips unberührt bleibt.5 Das Konzept, das neben einzelnen germanischen Einflüssen seinen Ursprung im römischen 3 Zu den Überlegungen des BMJV zur Einführung einer Musterfeststellungsklage der Verbraucherverbände schon soeben S. 54 ff. 4 Vollkommer, in: Zöller, Vorbem. zu §§ 50–58 ZPO Rn. 1; R/S/Gottwald, § 40 Rn. 26; Koch, KritV 1989, 323. 5 Ausdrücklich Lindacher, in: MK ZPO, Vor § 50 ZPO Rn. 9; vgl. auch R/S/Gottwald, § 40 Rn. 31 f.
§ 4 Bestandsaufnahme: Kollektiver Rechtsschutz in Deutschland und der EU
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Aktionendenken hat, gilt als Kern der deutschen Prozessrechtsdogmatik und hat gerade darin auch seine zentrale Funktion und Daseinsberechtigung. Indem jede prozessuale Beziehung mit der jeweils einen oder anderen Seite verknüpft werden kann, entsteht die Grundlage für ein dogmatisches Konzept aus prozessualen Grundprinzipien, dem Streitgegenstandsbegriff u. v. m.6 Die damit verbundene Begrenzung der prozessualen Handlungsmöglichkeiten auf das Zwei-Parteien-Prinzip erschwert die Verfolgung einer Vielzahl von Ansprüchen oder Interessen innerhalb eines Prozesses.7 Ob eine zufriedenstellende Interessenwahrnehmung bei gleichzeitiger Wahrung der Dogmatik überhaupt möglich ist, mag bezweifelt werden. Ebenso bestreitbar ist aber, ob es tatsächlich unumgänglich ist, die Dogmatik in ihrem Status quo zu erhalten oder ob der kollektive Rechtsschutz nicht vielmehr eine Chance zur Weiterentwicklung bietet.8
b) Prozessführungsbefugnis und Sachlegitimation aa) Begriff und Funktion Aufgrund der geltenden dogmatischen Konzeption als Zwei-Parteien-Verfahren kommt der Frage entscheidende Bedeutung zu, wer Partei in einem Zivilgerichtsverfahren ist bzw. sein kann. Hierfür gilt, inzwischen weitestgehend unbestritten, der formelle Parteibegriff. Partei eines Zivilverfahrens ist daher nicht der Inhaber des geltend gemachten Rechts (so der inzwischen überholte materielle Parteibegriff), sondern derjenige, durch bzw. gegen den staatlicher Rechtsschutz begehrt wird. Unabhängig von den materiell-rechtlichen Verhältnissen ist damit Kläger derjenige, der ein Recht behauptet und Beklagter derjenige, gegen den ein Recht in Anspruch genommen wird. Die Parteirolle wird durch den Kläger im Rahmen seiner Klageschrift begründet.9 An die Parteienstellung sind mehrere Voraussetzungen geknüpft. Eine Partei muss zunächst partei-, prozess- und postulationsfähig sein.10 Schließlich ist erforderlich, dass jede Partei zur Prozessführung befugt ist. Der Begriff der Prozessführungsbefugnis steht im Zusammenhang mit der Sachbefugnis oder Sachlegitimation. Beide sind jedoch inhaltlich streng voneinander zu unterscheiden. Unter Sachlegitimation ist die materielle Berechtigung der Parteien 6
Koch, KritV 1989, 323, 324 ff. Vollkommer, in: Zöller, Vorbem. zu §§ 50–58 ZPO Rn. 1: „Nicht ohne weiteres zugänglich“; Geiger, S. 17: „Wegen der Geltung des Zweiparteienprinzips trifft die Diskussion […] immer wieder auf ‚strukturelle Abwehr‘.“ 8 Vgl. Koch, KritV 1989, 323, 339 f.: „[…] so besteht doch kein Anlaß, den Abschied [vom Zweiparteiengrundsatz] einzuläuten. […] Dennoch [haben wir] allen Anlaß […], dem Zweiparteienmodell ein anderes Strukturverständnis des Prozesses zur Seite zu stellen.“ 9 R/S/Gottwald, § 40 Rn. 1; Vollkommer, in: Zöller, Vorbem. zu §§ 50–58 ZPO Rn. 2 ff.; Lindacher, in: MK ZPO, Vor § 50 ZPO Rn. 1 ff.; Heintzmann, S. 3 ff. 10 Zu diesen Voraussetzungen, die hier im Einzelnen nicht von Bedeutung sind, statt vieler R/S/Gottwald, §§ 43–45. 7
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Zweites Kapitel: Kollektiver Rechtsschutz de lege lata
zu verstehen. Ein Kläger ist aktivlegitimiert, wenn er wie im Regelfall Inhaber des geltend gemachten Anspruchs ist oder wenigstens ermächtigt wurde, anstelle des Anspruchsinhabers tätig zu werden. Ein Beklagter ist passivlegitimiert, wenn er aus dem klagegegenständlichen Anspruch verpflichtet werden kann, da er entweder wie im Regelfall selbst Anspruchsgegner ist oder aufgrund einer Ermächtigung an dessen Stelle stehen muss. Es handelt sich damit um eine Frage der Begründetheit einer Klage.11 Im Kontext des kollektiven Rechtsschutzes liegt die Aktivlegitimation für jeden Einzelnen unter mehreren gebündelten Schadenersatzansprüchen immer bei dem jeweiligen Geschädigten. Die Prozessführungsbefugnis ist demgegenüber Prozess- oder Sachurteilsvoraussetzung, mithin im Rahmen der Zulässigkeit einer Klage bedeutsam. Sie bezeichnet die Befugnis, ein Recht im eigenen Namen geltend zu machen12 und erfasst damit den Regelfall des kollektiven Rechtsschutzes, in dem sich jedenfalls der vor Gericht handelnde Kläger von den verschiedenen Anspruchsinhabern unterscheidet. Die Funktion der Prozessführungsbefugnis liegt im formellen Parteibegriff begründet. Unter der Geltung des materiellen Parteibegriffs war es nur dem Inhaber des materiellen Rechts möglich, dieses vor Gericht geltend zu machen. Umgekehrt konnte der Beklagte seine Einlassung zur Hauptsache verweigern, indem er die materiell-rechtliche Berechtigung des Klägers bestritt. Der formelle Parteibegriff dagegen ermöglicht es, allein aufgrund der Behauptung eines – nicht zwingend eigenen – Rechts, Partei in einem Gerichtsverfahren zu werden. Ohne ein weiteres Korrektiv wäre der Beklagte mithin Klagen Dritter ausgesetzt, zu denen er in keinerlei materiell-rechtlicher Beziehung steht oder jedenfalls gezwungen, ein Verfahren bis zur Verhandlung in der Hauptsache über sich ergehen zu lassen, um dort die Rechtsinhaberschaft des Klägers zu bestreiten und ihr Fehlen nachzuweisen. Der Schutz des Beklagten vor Popularklagen und Klagen unberechtigter Dritter wird daher heute durch die Sachurteilsvoraussetzung der Prozessführungsbefugnis gewährleistet.13 Auch wenn diese zwar in der Regel dem Träger des streitigen Rechtsverhältnisses zusteht, ist wie gesehen die materiell-rechtliche Trägerschaft gerade nicht maßgeblich. Stattdessen ist die mittels Klageschrift behauptete Rechtsinhaberschaft entscheidend und immer dann unproblematisch, wenn der Kläger behauptet auch Rechtsinhaber zu sein. Macht ein Kläger ein eigenes Recht in eigenem Namen geltend, ist er jedenfalls prozessführungsbefugt.14 Der Voll11 Vollkommer, in: Zöller, Vorbem. zu §§ 50–58 ZPO Rn. 18 f.; R/S/Gottwald, § 46 Rn. 3; Gehrlein, in: Prütting/Gehrlein, § 50 ZPO Rn. 33. 12 Vollkommer, ebenda; R/S/Gottwald, ebenda, Rn. 1 ff.; Lindacher, in: MK ZPO, Vor § 50 ZPO, Rn. 41; Gehrlein, in: Prütting/Gehrlein, § 50 ZPO Rn. 33. 13 Grunsky, in: 50 Jahre BGH, S. 109, 111 f.: Lüke, ZZP 76 (1963) 1, 13 f.; mit Blick auch auf die historische und dogmatische Herleitung R. Weber, S. 5 ff. und Heintzmann, S. 43 ff. 14 R/S/Gottwald, § 46 Rn. 5.
§ 4 Bestandsaufnahme: Kollektiver Rechtsschutz in Deutschland und der EU
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ständigkeit halber zu erwähnen, aber offensichtlich ohne Bedeutung in diesem Zusammenhang ist eine Vertretung vor Gericht. Schickt also die eigentliche Klägerpartei jemand anderen, ihn vor Gericht zu vertreten, also ein fremdes Recht in fremdem Namen geltend zu machen, ist dies für die Prozessführungsbefugnis unerheblich. Beachtenswerte Ausnahmen vom Grundsatz bilden demgegenüber diejenigen Fälle, in denen die klagende Partei vor Gericht das Recht eines anderen, also ein fremdes Recht im eigenen Namen geltend machen will. Hierfür muss der Kläger im wörtlichen Sinne ausdrücklich zur Prozessführung befugt sein.15 Diese Befugnis des Klägers kann sich aus dem Gesetz (gesetzliche Prozessstandschaft) oder aus einer entsprechenden Erklärung desjenigen ergeben, von dem behauptet wird, er sei Rechtsinhaber (gewillkürte Prozessstandschaft).
bb) Voraussetzungen einer Prozessstandschaft Die kraft Gesetzes verliehene Befugnis, das Recht eines anderen im eigenen Namen geltend zu machen (gesetzliche Prozessstandschaft), erfordert lediglich eine entsprechende gesetzliche Regelung. Wichtige Beispiele sind z. B. die Rechtsnachfolge im Prozess gem. § 265 ZPO, die Prozessstandschaft des Zedenten gem. § 407 II BGB oder diejenige des Gesamtgläubigers nach § 432 BGB. Von der überwiegenden Ansicht werden ebenfalls die sogenannten Parteien kraft Amtes wie z. B. der Insolvenzverwalter oder der Testamentsvollstrecker als gesetzliche Prozessstandschafter eingeordnet.16 Die gewillkürte Prozessstandschaft ist dagegen auch weiterhin Gegenstand lebhafter Diskussion. Während sie von Einzelnen insgesamt abgelehnt wird17, erkennen Rechtsprechung und herrschende Lehre sie zwar grundsätzlich an, sind sich aber hinsichtlich der einzelnen Voraussetzungen uneins. Von den Befürwortern einer gewillkürten Prozessstandschaft wird ganz überwiegend eine ausdrücklich oder konkludent erklärte Ermächtigung durch den materiell Berechtigten18 und darüber hinaus ein eigenes rechtliches Interesse des Prozessstandschafters an der Geltendmachung des Rechts verlangt. Diese Zusatzvoraussetzung soll in erster Linie die Gegenpartei schützen, deren Gegenüber andernfalls auf der Grundlage einer einfachen schuldrechtlichen Abrede ausgetauscht werden könnte, sodass z. B. der eigentliche Rechtsinhaber als Zeuge zur Verfügung steht. Zudem bestehe die Gefahr, dass jeder Dritte sogar zunächst 15 Grunsky, in: 50 Jahre BGH, S. 109, 110 f.; Vollkommer, in: Zöller, Vorbem. zu §§ 50–58 ZPO, Rn. 20; Lindacher, in: MK ZPO, Vor § 50 ZPO Rn. 42. 16 Eine umfangreiche Auflistung der Fälle gesetzlicher Prozessführungsbefugnis findet sich bei R/S/Gottwald, § 46 Rn. 6 ff. sowie auch bei Vollkommer, in: Zöller, Vorbem. zu §§ 50– 58 ZPO Rn. 21 ff. 17 Koch, JZ 1984, 809, 812; Frank, ZZP 92 (1979) 321, 348; Schack, in: FS Gerhardt, S. 859, 869 ff. m. w. N. 18 Dazu sogleich, S. 78 f.
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ohne eine Ermächtigung ein fremdes Recht in eigenem Namen geltend mache und dann auf eine nachträgliche Genehmigung zurückgreife. Für ein eigenes rechtliches Interesse genügt es nach dieser Ansicht, wenn die Entscheidung des Rechtsstreits Einfluss auf die eigene Rechtslage des Ermächtigten hat.19
c) Streitgenossenschaft oder subjektive Klagenhäufung (§§ 59 bis 63 ZPO) Während die Prozessführungsbefugnis gerade dann relevant wird, wenn Prozessführung und Rechtsinhaberschaft auseinanderfallen, verfügt die Zivilprozessordnung mit der sogenannten Streitgenossenschaft auch über einen Mechanismus, mit dessen Hilfe sich eine Vielzahl von materiell-rechtlichen Rechtsinhabern zu einer Partei im prozessrechtlichen Sinne zusammenschließen können.20 Eine Streitgenossenschaft ist grundsätzlich möglich, wenn mehrere Personen in Rechtsgemeinschaft stehen (§ 59 1. Var. ZPO), sie aus demselben tatsächlichen oder rechtlichen Grund berechtigt oder verpflichtet sind (§ 59 2. Var. ZPO) oder die streitgegenständlichen Ansprüche gleichartig sind und auf einem im Wesentlichen gleichen rechtlichen oder tatsächlichen Grund beruhen (§ 60 ZPO). Eine Abgrenzung zwischen diesen Fallgruppen ist nur schwer möglich, aber auch praktisch nicht erforderlich.21 Anders liegt es dagegen, wenn das Gesetz Fälle sogenannter einfacher Streitgenossenschaft, in denen ein Zusammenschluss zulässig ist, von Fällen sogenannter notwendiger Streitgenossenschaft unterscheidet, in denen die Partei zwingend aus allen betroffenen Personen bestehen muss (vgl. § 62 ZPO). Eine einfache Streitgenossenschaft kann beispielsweise zwischen Gesamtschuldnern oder zwischen Miteigentümern begründet werden. Notwendig ist eine Streitgenossenschaft u. a. aus prozessrechtlichen Gründen in den Fällen der §§ 326 und 327 ZPO, die eine Rechtskrafterstreckung anordnen oder aus materiell-rechtlichen Gründen bei Gestaltungsklagen oder verschiedenen Klagen von Gesamthandsgemeinschaften auf Klägerseite. Während eine notwendige Streitgenossenschaft, die zwingend eine einheitliche Sachentscheidung verlangt, für Kollektivverfahren ohne Bedeutung ist, bewirkt eine einfache Streitgenossenschaft lediglich, dass mehrere Prozesse zusammengefasst werden und eine gemeinsame Verhandlung, Beweisaufnahme und Entscheidung erfolgt.22 Obwohl sich in diesem Verfahren dann wiederum 19 Aus der Rspr. ausschnittsweise RGZ 91, 390, 395; BGH MDR 1956, 154; BGHZ 96, 151, 152 ff.; BGHZ 100, 217, 218; jüngst BGH NJW 2012, 3032, 3033; aus der Lit. R/S/ Gottwald, § 46 Rn. 34 f.; Vollkommer, in: Zöller, Vorbem. zu §§ 50–58 ZPO Rn. 44; Lindacher, in: MK ZPO, Vor § 50 ZPO Rn. 55; Gehrlein, in: Prütting/Gehrlein, § 50 ZPO Rn. 42; a. A. Grunsky, in: 50 Jahre BGH, S. 109, 118 ff.; Heintzmann, S. 94 ff.; Frank, ZZP 92 (1979) 321, 336 ff. 20 Unzutreffend Geiger, S. 35: „[…] treten in einem Verfahren […] mehrere Parteien auf“. 21 R/S/Gottwald, § 48 Rn. 8; Schultes, in: MK ZPO, § 59 ZPO Rn. 7 m. w. N. 22 Vgl. zu den Wirkungen einer Streitgenossenschaft im Allgemeinen R/S/Gottwald, § 48 Rn. 12 ff., Vollkommer, in: Zöller, § 61 ZPO Rn. 1 ff.; Schultes, in: MK ZPO, § 61
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nur zwei Parteien gegenüberstehen, verbleibt es bei einer lediglich äußerlichen Verbindung. Für jeden einzelnen Anspruchsinhaber wird ein jeweils eigenständiges Prozessrechtsverhältnis zum Anspruchsgegner begründet über das auch im Ergebnis einzeln entschieden wird. Ein Streitgenosse kann grundsätzlich für den anderen keine Prozesshandlung vornehmen. Eine gemeinsame anwaltliche Vertretung ist möglich, kann jedoch von Seiten des Gerichts nicht erzwungen werden. Zustellungen und Ladungen haben weiterhin an jeden Streitgenossen zu erfolgen. Fristen laufen für jeden von ihnen gesondert. Die Entscheidung kann schließlich mit Blick auf jeden einzelnen Streitgenossen unterschiedlich ausfallen. Der wesentliche Zweck einer Streitgenossenschaft erschöpft sich in der Vergemeinschaftung des Beweisverfahrens, sodass Tatsachen und Beweismittel, die für alle Prozesse von Bedeutung sind, nur einmal vorgebracht und gewürdigt werden müssen.23 Infolge der dargelegten rein äußerlichen Zusammenfassung mehrerer Prozesse bewirkt eine Streitgenossenschaft zugleich, dass darin über mehrere Streitgegenstände gleichzeitig verhandelt wird. Neben einer sogenannten subjektiven Klagenhäufung kommt es zugleich auch zu einer sogenannten objektiven Klagenhäufung, sodass zusätzlich die Voraussetzungen des § 260 ZPO erfüllt sein müssen.24 Umgekehrt bietet § 147 ZPO dem Gericht die Möglichkeit, mehrere separate Prozesse, die u. a. die Voraussetzungen einer objektiven oder einer subjektiven Klagenhäufung erfüllen von sich aus zu verbinden. Diese Möglichkeit ist jedoch auf solche Verfahren beschränkt, die in gleicher Instanz bei demselben Gericht geführt werden können. Im Falle der Verbindung kommt es dann wiederum zur einer Streitgenossenschaft auf Kläger- und/oder Beklagtenseite.25
2. Materiell-rechtliche Anspruchsbündelung: das Einziehungsbzw. Abtretungsmodell Obwohl sie eine gewisse Straffung im Prozess ermöglicht, bleibt es ungeachtet einer prozessualen Verfahrensverbindung durch Streitgenossenschaft bei einer Vielzahl von Prozessrechtsverhältnissen, über die im Einzelnen entschieden werden muss. Um dies zu vermeiden, können mehrere Ansprüche stattdessen zunächst auf materiell-rechtlicher Ebene bei einer Person zusammengeführt werden, was wiederum in unterschiedlicher Intensität möglich ist. ZPO Rn. 2 ff.; kritisch mit Blick auf kollektive Fallgestaltungen Schilken, in: Meller-Hannich, S. 21, 43; Burckhardt, S. 84 f. 23 R/S/Gottwald, § 48 Rn. 28 ff.; Geiger, S. 36; Schultes, in: MK ZPO, § 61 ZPO Rn. 9; Vollkommer, in: Zöller, § 61 ZPO Rn. 1 f. und 4. 24 R/S/Gottwald, § 48 Rn. 10; Schultes, in: MK ZPO, § 59 ZPO Rn. 10; Vollkommer, in: Zöller, § 59 ZPO Rn. 9. 25 Greger, in: Zöller, § 147 ZPO Rn. 2 f. und 8; Fritsche, in: MK ZPO, § 147 ZPO Rn. 3 ff. und 9; Gehrlein, in: Prütting/Gehrlein, § 60 ZPO Rn. 1 a. E.
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a) Materiell-rechtliche Bündelungsformen aa) Einziehungsermächtigung Zunächst kommt eine Einziehungsermächtigung in Betracht.26 Wenngleich von Seiten der Literatur bis heute sowohl ihre dogmatische Herleitung nicht vollständig geklärt ist als auch ihre Zulässigkeit zum Teil bestritten wird27, hat sich die Einziehungsermächtigung auf der Basis umfangreicher richterlicher Rechtsfortbildung in der Praxis fest etabliert und wird dabei mehrheitlich auf § 185 I BGB gestützt.28 Der Gläubiger berechtigt einen Dritten (den Ermächtigten) im Wege schuldrechtlicher Abrede, seine Ansprüche im eigenen Namen geltend zu machen, bleibt allerdings selbst Anspruchsinhaber. Der Schuldner kann dem Dritten daher sowohl alle ihm gegen den ermächtigenden Gläubiger zustehenden Einwendungen entgegenhalten als auch mit Forderungen aufrechnen, die ihm gegen diesen zustehen. Die Ermächtigung ist ein einseitiges Rechtsgeschäft und als solches jederzeit frei widerruflich. Inhalt und Umfang können je Einzelfall variieren und sind im Wege der Auslegung zu ermitteln. Dementsprechend gelten zwar zum Schutz des Schuldners die §§ 399 und 400 BGB grundsätzlich auch für die Einziehungsermächtigung. Trotzdem können die konkreten Umstände eine andere Handhabung gebieten. Auch ein prozessuales Vorgehen des Ermächtigten gegen den Schuldner ist entsprechend im eigenen Namen möglich, bezieht sich jedoch auf ein fremdes Recht. Er ist zur Prozessführung deshalb nur dann befugt, wenn die Voraussetzungen einer gewillkürten Prozessstandschaft erfüllt werden.29 In der Konsequenz besteht damit zwar nur ein Prozessrechtsverhältnis, die gebündelten Ansprüche müssen jedoch materiellrechtlich jeweils im Verhältnis von Anspruchsinhaber und -gegner geprüft werden. Eine Vereinfachung wird mithin auch mit dieser Variante kaum erreicht, sodass sich ihr Hauptanwendungsbereich auf die außergerichtliche Tätigkeit und die Durchsetzung individueller Ansprüche beschränkt.
26 Dazu im Einzelnen statt vieler Busche, in: Staudinger, Einl. zu §§ 398 ff. BGB Rn. 118 ff.; H.-P. Westermann, in: Erman, § 398 BGB Rn. 37 ff.; Bayreuther, in: MK BGB, § 185 BGB Rn. 34 ff. sowie Grünberg, in: Palandt, § 398 BGB Rn. 32 ff. 27 Ausführlich Busche, ebenda, Rn. 122 ff. mit umfangreichen Nachweisen. 28 Erstmals RGZ 73, 306, 308 und RGZ 91, 390, 395 ff.; fortgeführt u. a. von BGHZ 4, 153, 164 und BGHZ 82, 283, 290; vgl. darüber hinaus die zahlreichen Nachweise in der Literatur, a. a. O. (Fn. 26). 29 Jew. a. a. O. (Fn. 26): Busche, Rn. 130; H.-P. Westermann, Rn. 38; zur gewillkürten Prozessstandschaft schon soeben S. 75 ff.; etwas anderes ergäbe sich natürlich, wenn man mit der Mindermeinung (a. a. O., Fn. 19) die Ermächtigung allein auch für eine gewillkürte Prozessstandschaft ausreichen ließe.
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bb) Vollabtretung Demgegenüber besteht die Möglichkeit einer Vollabtretung der Ansprüche gem. § 398 BGB in Ausführung eines echten Forderungskaufs (§§ 453, 433 BGB) durch den Dritten, der so rechtlich wie wirtschaftlich Forderungsinhaber wird. Eine Beteiligung des Zedenten, also des ursprünglichen Anspruchsinhabers am Prozessertrag oder eine Rückübertragung der Ansprüche ist dann nicht vorgesehen. Diese Variante ist auch prozessrechtlich unproblematisch, da der Zessionar als uneingeschränkter Inhaber der abgetretenen Forderungen nach allgemeinen Grundsätzen sowohl prozessführungsbefugt als auch aktivlegitimiert ist. Eine Vollabtretung gestaltet sich jedoch im Regelfall für den Dritten wenig lukrativ. Verspricht die prozessuale Durchsetzung Schwierigkeiten aufgrund hoher rechtlicher oder tatsächlicher Hürden (z. B. beim Nachweis des Schadens), sinkt entsprechend zwar der Forderungskaufpreis, der Zessionar muss jedoch gleichzeitig ein hohes Prozessrisiko allein tragen. Je wahrscheinlicher ein prozessualer Erfolg, desto höher wiederum der Kaufpreis, den es vorab aufzuwenden gilt. Für eine Bündelung von Schadenersatzforderungen eignet sich somit tatsächlich nur eine Inkassozession, der jedoch neben wirtschaftlichen insbesondere rechtliche Vorbehalte entgegenstehen.
cc) Inkassozession Der Begriff der Inkassozession umschreibt ein treuhänderisches Geschäft zwischen dem ursprünglichen Forderungsinhaber und einem Dritten.30 Der Dritte erhält im Wege einer vollwertigen Abtretung (§ 398 BGB) einen Anspruch übertragen und wird so zum neuen, alleinigen Anspruchsinhaber. Die schuldrechtliche Grundlage bildet aber im Gegensatz zur Vollabtretung entweder ein Auftrag (§§ 662 ff. BGB) oder regelmäßig ein entgeltlicher Geschäftsbesorgungsvertrag gem. § 675 BGB, wonach der Zessionar im Wesentlichen die Forderung einzuziehen und das Empfangene an den Zedenten abzuführen hat. Der Vertrag regelt damit zugleich das Innenverhältnis zwischen dem ursprünglichen und dem neuen Gläubiger, der so eine treuhänderische Bindung eingeht. Aus diesem Grund verbleibt der Anspruch nach rein wirtschaftlicher Betrachtungsweise im Vermögen seines ursprünglichen Inhabers, der damit auch das wirtschaftliche Risiko der Geltendmachung trägt. Ungeachtet dessen kann der Inkassozessionar im Außenverhältnis frei über den Anspruch verfügen und prozessual im eigenen Namen und aus eigenem Recht vorgehen. Folglich ist er auch jedenfalls prozessführungs- und sachbefugt, ohne dass dazu ein bestimmtes schutzwürdiges Interesse erforderlich wäre.31 30
Dazu im Einzelnen statt vieler Busche, in: Staudinger, Einl. zu §§ 398 ff. BGB Rn. 107 ff.; H.-P. Westermann, in: Erman, § 398 BGB Rn. 36 sowie Grünberg, in: Palandt, § 398 BGB Rn. 29 ff. 31 BGH NJW 1980, 991; BGH WM 1980, 1172 und BGH WM 1985, 613, 614.
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Inhaltlich liegt die Inkassozession nahe bei der Einziehungsermächtigung, obwohl sich beide rechtlich gravierend unterscheiden. Überschreitet der Inkassozessionar seine Pflichten aus dem Innenverhältnis, lässt das seine Verfügungen im Außenverhältnis unberührt.32 Bei der Einziehungsermächtigung verbleibt die Verfügungsmacht demgegenüber beim ursprünglichen Gläubiger. Maßgeblich für die Abgrenzung beider Institute ist daher vor allem, in welchem Umfang der Dritte Rechtsmacht über die Forderung erhalten soll, was durch Auslegung des zugrundeliegenden Rechtsgeschäfts zu ermitteln ist.33
b) Gesetzliche Vorgaben nach alter und neuer Rechtslage Die „geschäftsmäßige Besorgung fremder Rechtsangelegenheiten“ war bis zum 30. 06. 2008 unter Geltung des Rechtsberatungsgesetzes erlaubnispflichtig und somit im Grundsatz verboten. Gemäß Art. 1 § 1 I 1 RBerG zählte zu den damit erlaubnispflichtigen Tätigkeiten explizit auch die „Einziehung fremder oder zu Einziehungszwecken abgetretener Forderungen“.34 Eine Erlaubnis konnten Angehörige bestimmter Berufsgruppen beantragen. Daraus sollen hier nur die Inkassounternehmer genannt sein, denen nach dem Wortlaut des Art. 1 § 1 I 2 Nr. 5 und II RBerG jedoch ausschließlich die „außergerichtliche Einziehung von Forderungen“ gestattet werden konnte. Über diesen Wortlaut hinaus war nach zuletzt überwiegender Ansicht aber auch die gerichtliche Geltendmachung von einer derartigen Erlaubnis umfasst, sofern sie einem beauftragten Rechtsanwalt übertragen wurde.35 Art. 1 § 3 RBerG enthielt schließlich einen sehr eng gefassten Ausnahmekatalog von der Erlaubnispflicht. Während die Verbraucherverbände für die längste Zeit kraft der ursprünglichen Fassung des Gesetzes von 1935 gänzlich unberücksichtigt blieben, wurde schließlich den Verbraucherzentralen gem. Art. 1 § 3 Nr. 8 RBerG i. d. F. vom 18. 08. 1980 die „außergerichtliche Besorgung von Rechtsangelegenheiten von Verbrauchern“ erlaubt. Einige Zeit später dann wurde darüber hinaus gem. Art. 1 § 3 Nr. 8 RBerG i. d. F. vom 26. 11. 2001 auch „die gerichtliche Einziehung fremder und zu Einziehungszwecken abgetretener Forderungen von Verbrauchern“ für 32
Busche, in: Staudinger, Einl. zu §§ 398 ff. BGB Rn. 56. der Rspr. BGH WM 1985, 613, 614; BGH NJW 2014, 1963, 1964; ausführlich Henckel, in FS Larenz zum 70. Geb., S. 643, 659 f.; Busche, a. a. O. (Fn. 32), Rn. 118 und 125. 34 Um eine Umgehung der Vorschrift zu unterbinden, bedurfte darüber hinaus gemäß § 1 I 1 der fünften Verordnung zur Ausführung des RBerG vom 29. 03. 1938 sogar auch „der geschäftsmäßige Erwerb von Forderungen zum Zwecke der Einziehung auf eigene Rechnung“ der Erlaubnis; vgl. Chemnitz/Johnigk, Art. 1 § 1 RBerG Rn. 260. Diese Norm hat das BVerwG jedoch anders als noch in BVerwGE 54, 264, 268 am 16. 07. 2003 in BVerwGE 118, 319, 322 ff. wegen Verstoßes gegen höherrangiges Recht für ungültig und unanwendbar erklärt. 35 BGH, NJW 1996, 393 und BGH NJW-RR 2001, 1420, 1421; BVerwG, NJW 1999, 440; dem folgend Rennen/Caliebe, Art. 1 § 1 RBerG, Rn. 122 ff. wie bereits dies., 2. Aufl., a. a. O., Rn. 83 ff. und ausführlich Klinger, NJW 1993, 3165 (passim); ablehnend noch BVerwG, NJW 1991, 58, 59; Wunderlich, DB 1993, 2269, 2272 und weiterhin Chemnitz/Johnigk, Art. 1 § 1 RBerG, Rn. 259 m. w. N. 33 Aus
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Verbraucherzentralen und andere öffentlich geförderte Verbraucherverbände unter der Voraussetzung erlaubnisfrei gestellt, dass die Geltendmachung „im Interesse des Verbraucherschutzes erforderlich ist“. Mit der Erweiterung sollte nach der ursprünglichen Gesetzesbegründung vorwiegend die Durchsetzung von Verbraucheransprüchen gefördert werden, „wenn für diese wegen der geringen Anspruchshöhe kein Anreiz für Individualklagen besteht“36, mithin in Fällen sogenannter Streuschäden. Dieser erste Entwurf enthielt jedoch die genannte Einschränkung „im Interesse des Verbraucherschutzes“ noch nicht.37 So eröffnete die vorgeschlagene Norm deutlich über den anvisierten Zweck hinausgehende Möglichkeiten. Insbesondere wären erstmals Muster- sowie Sammelklagen in der Form der gebündelten Geltendmachung zuvor abgetretener Individualansprüche durch Verbraucherzentralen denkbar gewesen.38 Um aber eine reine Inkassotätigkeit der Verbraucherzentralen zu unterbinden, forderte der Rechtsausschuss des Bundestages eine gesetzliche Klarstellung, dass Abtretung und Anspruchsdurchsetzung jeweils „im Interesse des Verbraucherschutzes liegen“ und setzte sich damit durch.39 Die Bedeutung dieser Formulierung blieb jedoch lange Zeit unklar und zwischen Rechtsprechung und überwLiteratur umstritten. Das Meinungsspektrum reichte dabei von sehr hohen Anforderungen bis zu einer Klarstellung erlaubter Rechtsdienstleistung.40 Der Bundesgerichtshof entschied schließlich, dass es sich um ein „einschränkendes Zulässigkeitskriterium“ handele. Erforderlichkeit im Sinne der Norm sei nur gegeben, wenn die Verbandsklage nicht lediglich zur Durchsetzung von Verbraucherinteressen geeignet sei, sondern sich die kollektive Rechtsdurchsetzung gegenüber der Individualklage der geschädigten Verbraucher als effektiver erweise. Dies sei der Fall, wenn der Verband über aussagekräftigere und repräsentativere Informationen zu der konkreten Streitfrage verfüge oder das Beweispotential bei einer gebündelten Klage umfassender ausgeschöpft werden könne. Es bedürfe eines kollektiven Verbraucherinteresses, das mittels der Einschaltung eines Verbandes effektiv gerichtlich durchgesetzt werden könne.41 Im Zuge einer umfangreichen Reform des Rechtsberatungsrechts wurde das RBerG mit Wirkung ab dem 01. 07. 2008 außer Kraft gesetzt. Für den außer36 Entwurf eines Gesetzes zur Modernisierung des Schuldrechts, BT-Drucks. 14/6040, S. 42 und 277. 37 Ebenda. 38 Stadler, in: FS Schumann, 2001, S. 465, 474 f.; Micklitz/Hüttner, JZ 2008, 151. 39 Beschlussempfehlung und Bericht des Rechtsausschusses zum Entwurf eines Gesetzes zur Modernisierung des Schuldrechts, BT-Drucks. 14/7052, S. 210. 40 Sehr strenge Anforderungen stellen z. B. Chemnitz/Johnigk, Art. 1 § 3 RBerG, Rn. 471.1; für ein weites Verständnis Burckhardt, S. 131 f.; Micklitz/Beuchler, NJW 2004, 1502, 1503 f. Das Meinungsspektrum wird ausführlich dargestellt und erörtert in BGHZ 170, 18, 22 ff. sowie der Anmerkung dazu von Micklitz/Hüttner, JZ 2008, 152 f. 41 BGHZ 170, 18, 29.
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gerichtlichen Bereich trat an seine Stelle das Gesetz über außergerichtliche Rechtsdienstleistungen (RDG), das in § 2 II weiterhin jede als „Inkassodienstleistung“ legal definierte „Einziehung fremder oder zum Zweck der Einziehung auf fremde Rechnung abgetretener Forderungen“ als „Rechtsdienstleistung“ im Sinne des Gesetzes definiert, sofern sie „als eigenständiges Geschäft betrieben wird“. Wo eine Erlaubnis nach § 1 I 2 RBerG für die hier maßgeblichen Zwecke nur „Inkassounternehmern“ erteilt werden konnte, ermöglicht nun § 10 I 1 Nr. 1 RDG allen natürlichen und juristischen Personen sowie Gesellschaften ohne Rechtspersönlichkeit unter den Voraussetzungen der §§ 11 I und 12 RDG eine Registrierung und damit eine erlaubte Tätigkeit im Bereich der „Inkassodienstleistung“. Erlaubnisunabhängig gestattet § 8 I Nr. 4 RDG eine umfassende rechtsdienstleistende Tätigkeit der Verbraucherzentralen und öffentlich geförderten Verbraucherverbände im Rahmen ihres Aufgabenbereichs. Sie unterliegen dabei jedoch gem. § 8 II RDG den besonderen Voraussetzungen des § 7 II RDG. Für den gerichtlichen Bereich ist der Erlaubnisvorbehalt mit der Neuregelung auf den ersten Blick vollständig entfallen. Der Anwendungsbereich des neuen RDG ist ausdrücklich auf den außergerichtlichen Bereich beschränkt. Die gerichtliche Geltendmachung von Forderungen unterliegt darüber hinaus nur noch den Voraussetzungen des allgemeinen Prozessrechts.42 Im Hinblick auf die Postulationsfähigkeit gilt dort außerhalb des Anwaltszwanges (vgl. § 78 I ZPO) sowohl für die mündliche Verhandlung als auch das restliche Verfahren im Parteiprozess nun nur noch der neugefasste § 79 ZPO. Danach steht es den Parteien grundsätzlich frei, einen Parteiprozess selbst zu führen. Gleichzeitig schreibt § 79 I 2 1. Hs ZPO jedoch eine anwaltliche Vertretung auch im Parteiprozess in denjenigen Fällen zwingend vor, in denen „eine fremde oder […] zum Zweck der Einziehung auf fremde Rechnung abgetretene Geldforderung geltend“ gemacht wird. Damit wird die zuletzt überwiegende Ansicht zu § 1 I 2 Nr. 5 RBerG kodifiziert.43 § 79 I 2 2. Hs ZPO wiederum nimmt die in § 79 II 2 ZPO genannten Parteien vom Anwaltszwang aus, sodass insbesondere die dort unter Nr. 3 aufgeführten „Verbraucherzentralen und andere mit öffentlichen Mitteln geförderte[n] Verbraucherverbände“ Verbraucherforderungen entweder als Inkassozessionar oder im Wege gewillkürter Prozessstandschaft selbst und ohne Rechtsanwalt geltend machen können. Die in Art. 1 § 3 Nr. 8 RBerG enthaltene Beschränkung auf Fälle „im Interesse des Verbraucherschutzes“ besteht nicht mehr.44 § 79 II ZPO geht weiter von dem Grundsatz 42 Vgl. § 1 RDG sowie auch den Entwurf eines Gesetzes zur Neuregelung des Rechtsberatungsrechts, BT-Drucks. 16/3655, S. 33. 43 Entwurf, ebenda, S. 86; Toussaint, in: MK ZPO, § 79 ZPO Rn. 6; Vollkommer, in: Zöller, § 79 ZPO Rn. 5; Rillig, in: Deckenbrock/Henssler, § 10 RDG Rn. 38. 44 BGH NJW 2013, 3580, 3581; Kleine-Cosack, § 8 RDG Rn. 21; Dux, in: Deckenbrock/ Henssler, § 8 RDG Rn. 45.
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aus, dass auch die freiwillig gewählte Prozessvertretung im Parteiprozess den Rechtsanwälten vorbehalten bleiben soll.45 Als Ausnahmen dazu zählt § 79 II 2 ZPO in einem Katalog weitere vertretungsbefugte Personen auf. Hierzu gehören wie soeben genannt gemäß Nr. 3 u. a. die Verbraucherzentralen. Wegen § 79 II 2 Nr. 4 ZPO gilt das soeben gesagte außerdem für Personen, die sich nach dem RDG als Inkassodienstleister registriert haben, allerdings beschränkt auf das Mahn- und Zwangsvollstreckungsverfahren.46 In jedem streitigen Verfahren dagegen unterliegen diese weiterhin der Pflicht anwaltlicher Vertretung gem. § 79 I 2 1. Hs. ZPO bzw. dürfen nicht als Prozessvertreter tätig werden. Im Hinblick auf die Verbraucherzentralen und alle anderen dort Genannten regelt § 79 ZPO mithin zwei verschiedene, deutlich zu unterscheidende Fallkonstellationen der Postulationsfähigkeit47: § 79 I ZPO einerseits betrifft die Lage als Partei und enthält in Satz 2 2. Hs. i. V. m. Absatz II Satz 2 eine Gegenausnahme vom Anwaltszwang des Satzes 2 1. Hs, sofern der Handelnde als Inkassozessionar oder materiell Ermächtigter selbst vor Gericht tätig wird. Für die Klage einer Verbraucherzentrale oder eines öffentlich geförderten Verbraucherverbands ist dabei Absatz II Satz 2 Nr. 3 die Einschränkung zu entnehmen, dass eine Geldforderung Gegenstand des Verfahrens sein und deren gerichtliche Geltendmachung zum satzungsgemäßen Aufgabenbereich des Verbands gehören muss. Andererseits bezieht sich § 79 II ZPO auf die Funktion als Prozessvertreter der eigentlichen Partei. Neben den bereits genannten Voraussetzungen muss es sich hier für eine Vertretungsbefugnis der Verbraucherzentralen bei der Partei zudem zwingend um einen Verbraucher i. w. S. handeln.48 In keinem Fall jedoch tangiert § 79 ZPO die Prozessführungsbefugnis, die sich seit der Gesetzesänderung somit ausschließlich nach den allgemein anerkannten Grundsätzen richtet.49 45 Entwurf eines Gesetzes zur Neuregelung des Rechtsberatungsrechts, BT-Drucks. 16/3655, S. 34 und 86; außerdem § 79 II 1 ZPO sowie Vollkommer, in: Zöller, § 79 ZPO Rn. 5. 46 Dazu Rillig, in: Deckenbrock/Henssler, § 10 RDG Rn. 39 ff. 47 Vgl. die Gliederung der Kommentierung des § 79 ZPO bei Toussaint, in: MK ZPO; inhaltlich ebenso Vollkommer, in: Zöller § 79 ZPO Rn. 8, der jedoch die beiden Fallkonstellationen nicht hinreichend deutlich abgrenzt. So bestimmt § 79 I 2 2.Hs. i. V. m. II Nr. 3 ZPO gerade keine „Klagebefugnis“ oder ein „Klagerecht“ (so aber Vollkommer, a. a. O.). Tritt eine Verbraucherzentrale selbst als Partei auf, sei es als Inkassozessionarin oder materiell Ermächtigte, wird sie zwar vom Anwaltszwang befreit, es gelten aber dennoch die allgemeinen Regeln der Prozessführungsbefugnis, wofür sie Forderungsinhaberin sein oder eine gewillkürte Prozessstandschaft vorliegen muss. So anders als angegeben auch die Fallkonstellation in BGHZ 170, 18, 19. Die Vertretung von Verbrauchern im Parteiprozess ist dagegen von Prozessführungsbefugnis und Sachlegitimation unabhängig, da die Verbraucherzentrale lediglich ähnlich einem Rechtsanwalt als Rechtsbeistand tätig wird. 48 K.-M. Schmidt, in: Krenzler, § 8 RDG Rn. 58; Behrendt/von Enzberg, RIW 2014, 253, 257. 49 Dazu bereits Fn. 47. Aus diesem Grund ist es unzutreffend, wenn Gsell, in: Schulze, S. 179, 190 in § 79 I 2 ZPO eine Regelung über die „Befugnis [eine] Forderung vor Gericht […] geltend zu machen“ sehen will. Eine solche Befugnis ist § 79 ZPO nicht zu entnehmen.
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Bei genauerem Hinsehen wurde die gebündelte gerichtliche Geltendmachung zu diesem Zweck abgetretener Forderungen also liberalisiert, jedoch keineswegs erlaubnisfrei gestellt. Sie unterliegt für sich gesehen im Gegensatz zu vorher keinen besonderen Zulässigkeitsvoraussetzungen mehr. Dennoch setzt sie sozusagen als Vorstufe natürlich weiterhin mindestens eine wirksame Inkassozession oder eine materielle Ermächtigung des Einziehenden voraus. Zudem ist die Einleitung eines Klageverfahrens ohne eine vorhergehende detaillierte rechtliche Prüfung und Vorbereitung schwerlich denkbar. Damit aber sieht das Gesetz in allen Fällen bereits eine vom Anwendungsbereich des RDG erfasste „außergerichtliche Rechtsdienstleistung“ als gegeben an50, sodass eine gerichtliche Geltendmachung de facto nur im Einklang mit den Berechtigungen des RDG möglich ist.51 In der Konsequenz führt eine fehlende oder mangelhafte Erlaubnis in diesen Fällen zwar nicht zur Unzulässigkeit wohl aber zur Unbegründetheit der Klage.52 Die einzige Ausnahme vom Ganzen bilden – wie schon zuvor – die Fälle eines echten Forderungskaufs mit Vollabtretung53, die keiner Erlaubnispflicht unterliegt und gleichzeitig automatisch eine Prozessführungsbefugnis begründet.
c) Interessenvereinigungen und Rechtsverfolgungsgesellschaften Ungeachtet dieser Änderungen ist die Bündelung von Forderungen mittels des materiellen Rechts kaum mehr genutzt worden. Ein z. B. der sogenannten „Sammelklage österreichischer Prägung“ ähnlicher Mechanismus, der sich nur der Möglichkeiten des bestehenden Rechts bedient, hat sich in der Praxis bisher Richtig ist lediglich – dazu noch sogleich – dass die Tätigkeit aller Parteien i. S. v. § 79 I 2 ZPO aufgrund der parallel gestalteten Normen unter den Erlaubnisvorbehalt nach dem RDG fällt. Ob es sich dabei wie Gsell, a. a. O. meint, um eine Akzessorietät handelt, mag bezweifelt werden, kann aber hier dahinstehen. 50 Dazu heißt es im Entwurf eines Gesetzes zur Neuregelung des Rechtsberatungsrechts, BT-Drucks. 16/3655, S. 45 eine „außergerichtliche Rechtsdienstleistung“ i. S. d. § 1 RDG bestehe z. B. bereits in der fortlaufenden Beratung einer Prozesspartei, der Vorbereitung von Schriftsatzentwürfen an das Gericht sowie auch in Verhandlungen mit dem Prozessgegner während eines anhängigen Verfahrens. 51 So ausdrücklich der Entwurf, ebenda, S. 86: „Fälle, in denen Forderungen aufgrund einer nach den Vorgaben des RDG wirksamen Inkassozession oder Inkassoermächtigung eingezogen werden.“ Hierin besteht anders als von Gsell, in: Schulze, S. 179, 190 in Fn. 55 behauptet auch kein Widerspruch zu S. 33 desselben Dokuments. Dort heißt es, die Vertretungsbefugnis in den gerichtlichen Verfahren, in denen kein Anwaltszwang bestehe, solle nicht akzessorisch zum RDG geregelt werden. Der Gesetzgeber wollte also – zu Recht – nicht jeder Person, der eine Erlaubnis nach RDG erteilt wird, automatisch die Befugnis zur Vertretung einer Partei vor Gericht erteilen. Bei Gsell, a. a. O. dagegen geht es umgekehrt um die Frage, ob in den Fällen des § 79 I 2 ZPO jeder Vertretungsberechtigte einer Erlaubnis nach RDG bedarf, was zwar der Fall ist, zu dem oben Gesagten aber keinen Widerspruch bildet. 52 Kritisch bezüglich der materiellen Nichtigkeit als Rechtsfolge Thole, ZWeR 2015, 93, 97. 53 Entwurf, a. a. O. (Fn. 50), S. 36 f. und 48 f.
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nicht etabliert.54 Insbesondere im Bereich des Kapitalmarktrechts entwickelte sich jedoch das Modell sogenannter Rechtsverfolgungsgesellschaften. Dabei lässt sich unterscheiden zwischen längerfristig angelegten Vereinigungen, die es sich zur Aufgabe machen, wiederholt in verschiedenen Sachverhalten tätig zu werden und solchen ad hoc gegründeten Interessengemeinschaften, die sich lediglich für die Tätigkeit in einem einzelnen Sachverhalt und oftmals aus den im konkreten Fall Geschädigten bilden.55 Die Geschädigten treten ihre Forderungen im Regelfall im Wege der Inkassozession an die Gesellschaft ab, die diese dann gebündelt im eigenen Namen geltend macht. Von einzelnen Anlegerschutzvereinen in der Rechtsform eines eingetragenen Vereins abgesehen, fällt die Wahl der Rechtsform vorzugsweise auf eine GbR, insbesondere seitdem diese durch die Anerkennung ihrer Teilrechtsfähigkeit seitens der Rechtsprechung im Jahr 2001 im eigenen Namen vor Gericht auftreten kann. Gleichzeitig stellt das Gesetz für die Gründung einer GbR im Gegensatz zu einer Personenhandelsgesellschaft oder juristischen Person deutlich geringere Anforderungen. In allen Fällen besteht die Grundidee darin, durch eine Bündelung der Forderungen mittels des Gesellschaftsrechts u. a. die Sachverhaltsklärung zu vereinfachen, Kosten und Risiken auf eine größere Gruppe zu verteilen und so insgesamt die prozessuale Verhandlungsmacht zu erhöhen.56
aa) Erlaubnispflicht Auch unter Geltung des neuen Rechtsberatungsrechts bleibt jedoch weiterhin umstritten, ob bzw. unter welchen Voraussetzungen eine solche Rechtsverfolgungsgesellschaft ohne eine entsprechende behördliche Erlaubnis tätig werden darf. In den zu Art. 1 I 1 RBerG entschiedenen Fällen sprach sich die höchstrichterliche Rechtsprechung stets für eine Erlaubnispflicht aus.57 Auch in jüngsten Entscheidungen hat der Bundesgerichtshof an einer registrierungspflichtigen Inkassodienstleistung mit der Begründung festgehalten, die jeweils 54 Vgl. die Ergebnisse von Meller-Hannich/Höland, Evaluierung, S. 31, 66 und 150 f. Dabei sei zur Klarstellung nochmals darauf hingewiesen, dass § 79 II 2 Nr. 3 ZPO der dort als Anknüpfungspunkt dient, streng genommen keinen Mechanismus des kollektiven Rechtsschutzes darstellt, sondern lediglich die Postulationsfähigkeit regelt. 55 Von Bar, Gutachten A für den 62. DJT, A 85; Eichler, S. 130; mit ausführlichen Beispielen Haß, S. 106 ff. 56 Ausführlicher zum Modell der Rechtsverfolgungsgesellschaften schon Wunderlich, DB 1993, 2269, 2271; Von Bar, Gutachten A zum 62. DJT, A 84 f.; außerdem, das Modell befürwortend Koch, NJW 2006, 1469 und Mann, NJW 2010, 2391 f.; sehr kritisch dagegen Loritz/ Wagner, WM 2007, 477 f. und 480 f. 57 Erstmals im Fall Girmes, dort zu einem eingetragenen Verein OLG Düsseldorf WM 1993, 150, bestätigt durch BGH NJW 1995, 516 und BVerfG NJW 2000, 1251. Zu Rechtsverfolgungsgesellschaften in der Form einer GbR BGH NJW 2011, 2581 sowie OLG Düsseldorf NZG 2010, 1106, bestätigt durch BGH BeckRS 2011, 26973. Zum besonderen Fall einer englischen limited company BGH NZG 2009, 474; zu einer landwirtschaftlichen Produktionsgenossenschaft BGH NJW-RR 2005, 286.
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in Frage stehenden Gesellschaften zögen abgetretene Forderungen i. S.v § 2 II RDG „auf fremde Rechnung“ ein und betrieben damit ein „eigenständiges Geschäft“.58
(1) Einziehung „auf fremde Rechnung“ Die Einziehung einer zuvor abgetretenen Forderung erfolge, so der Bundesgerichtshof, in Anlehnung an Art. 1 § 1 I 1 RBerG „auf fremde Rechnung“, wenn das Ergebnis der Einziehung nach einer wirtschaftlichen Betrachtung der gesamten, zugrunde liegenden Umstände dem Zedenten zukomme. Entscheidend für die Abgrenzung sei insoweit, ob die Forderung einerseits endgültig auf den Erwerber übertragen wird und dieser andererseits insbesondere das Bonitätsrisiko, d. h. das volle wirtschaftliche Risiko der Beitreibung der Forderung, übernimmt.59 Die zweite Voraussetzung könne bei einer „gewissen Innenbindung“ auch ungeachtet einer Vollabtretung entfallen, wenn sich z. B. die Zessionarin, also die Rechtsverfolgungsgesellschaft zu einer gerichtlichen Geltendmachung verpflichtet, der an die Zedenten zu zahlende Forderungskaufpreis nicht von vornherein festgelegt ist, sondern sich anteilig am prozessualen Erfolg bemisst oder die Zedenten nur im Obsiegensfall einen Erlösanteil erhalten sollen. Dann bleibe eine erfolgreiche Geltendmachung weiterhin für sie von wirtschaftlicher Bedeutung, sodass sie Veritäts- und Bonitätsrisiko der Forderungen trügen.60 Abweichend ist in der Literatur gegen die Fremdheit argumentiert worden, durch die Einbringung von Forderungen in das Gesellschaftsvermögen kraft Abtretung entstehe ein gesamthänderisches Sondervermögen, über das nur unter den speziellen Voraussetzungen der §§ 718–720 BGB verfügt werden könne und das damit jedenfalls als wirtschaftliches Eigenvermögen der Gesellschaft anzuerkennen sei.61 Nach den genannten Vorgaben des Bundesgerichtshofs kann die rechtliche Einordnung als gesamthänderisches Vermögen allein aber nicht maßgeblich sein. So besteht z. B. aus rechtlicher Sicht bei Abtretung an eine Aktiengesellschaft ebenso wenig Zweifel daran, dass die abgetretene Forderung in das Vermögen der Gesellschaft übergeht.62 Veritäts- und Bonitäts58 Zuletzt BGH NJW 2014, 847 sowie das Parallelurteil vom 11. 12. 2013 in der Sache IV ZR 137/13, zit. nach juris; beide in Fortführung von BGH NJW 2013, 59; dazu Mann, DStR 2013, 765 passim. 59 BGH NJW 2013, 59, 60, Rn 14; ebenso BGH, Urteil vom 11. 12. 2013 in der Sache IV ZR 137/13, zit. nach juris, Rn. 18 und BGH NJW 2014, 847, 848; so auch der Entwurf eines Gesetzes zur Neuregelung des Rechtsberatungsrechts, BT-Drucks. 16/3655, S. 48 f. 60 BGH NJW 2013, 59, 60, Rn. 15–19; auch BGH NJW 2014, 847, 848; Kleine-Cosack, § 2 RDG Rn. 95; Deckenbrock/Henssler, in: dies., § 2 RDG Rn. 83 ff. m. w. N. 61 Koch, BRAK-Mitt. 4/2005, 159, 161; ders., NJW 2006, 1469, 1471; in diese Richtung auch Stadler, JZ 2014, 613, 616 f.; a. A. Gsell, in: Schulze, S. 179, 192 f. sowie bereits zum RBerG Loritz/Wagner, WM 2007, 477, 478 f.; zu Recht differenzierend Mann, NJW 2010, 2391, 2392 f. und ders., ZIP 2011, 2393, 2396, der auf die Ausgestaltung des Gesellschaftsvertrages im Einzelfall verweist. 62 So die Fallkonstellation in BGH NJW 2014, 847.
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risiko der Forderung bleiben dennoch ausschließlich vom zugrunde liegenden Kausalgeschäft abhängig und können je nach vertraglicher Vereinbarung durchaus beim Zedenten verbleiben. In den seltensten Fällen wird eine Gesellschaft willens und in der Lage sein, die Zedenten vor Geltendmachung der Forderungen entsprechend deren vollem Wert zu entschädigen und so das volle Refinanzierungsrisiko zu übernehmen. Des Weiteren wurde der Einwand erhoben, die Parteistellung der GbR diene lediglich der prozessualen Geltendmachung, wobei die Gesellschaft aber insbesondere aufgrund ihrer gesamthänderischen Struktur als mit den Gesellschaftern identisch zu betrachten sei.63 Die rechtliche Stellung der Zedenten als Gesellschafter soll aber zunächst gerade nicht maßgeblich sein. Betrachtet man zudem das Gesellschaftsvermögen und das Vermögen der Zedenten streng getrennt, gilt das soeben Gesagte.64 Besteht aber eine GbR ausschließlich aus Geschädigten, die sich zusammengeschlossen und ihre Forderungen zur Nutzung prozessualer Synergieeffekte in eine Gesellschaft eingebracht haben, lässt sich argumentieren, es habe wirtschaftlich betrachtet gar keine Vermögensverschiebung stattgefunden. Veritäts- und Bonitätsrisiko der Forderungen liegen zwar weiterhin bei den Geschädigten, die aber gleichzeitig in anderer rechtlicher Verfassung die Gesellschaft bilden und für sie – im Regelfall – sogar mit ihrem gesamten Privatvermögen haften. Aus dieser Perspektive wird fraglich, ob der in seinem § 1 II formulierte Schutzzweck des Rechtsdienstleistungsgesetzes im genannten Fall überhaupt relevant wird. Es soll dazu dienen, „die Rechtsuchenden, den Rechtsverkehr und die Rechtsordnung vor unqualifizierten Rechtsdienstleistungen zu schützen.“ Grundsätzlich aber steht es jedem Rechtssuchenden frei, die eigenen Rechtsangelegenheiten auch selbst zu erledigen.65 Lassen sich die Geschädigten von einem Rechtsanwalt beraten, der sie ggf. sogar zusammengeführt hat und zur Bildung einer GbR rät, käme eine Registrierungspflicht der GbR selbst einer Verdopplung gleich, da der Rechtsanwalt bereits umfassend zur Rechtsdienstleistung befugt ist.66 Zum Problem wird dabei die riesige Vielfalt an Gestaltungsmöglichkeiten. Fußt der gesellschaftliche Zusammenschluss z. B. auf der Initiative Einzelner, die ggf. um den Beitritt weiterer Geschädigter werben, entsteht bereits ein gewisses Risiko unqualifizierter Beratung aus eigennützigen Motiven.67 Auf alle Gesellschaften, die im Sinne eines Geschäftsmodells wiederholt in verschiedenen 63
Hess, AG 2003, 113, 123; Mann, ZIP 2011, 2393, 2396. 616 nimmt der BGH an dieser Stelle den Übergang der Forderung in das Gesamthandsvermögen durchaus sehr, formal betrachtet evtl. sogar zu ernst. 65 Kleine-Cosack, § 1 RDG Rn. 16 und § 2 RDG Rn. 18 f.; vgl auch zum RBerG Koch, NJW 2006, 1469, 1471: „[…] es ‚will niemand vor sich selbst schützen‘.“ m. w. N. 66 Nochmals Kleine-Cosack, § 1 RDG, Rn. 17, demzufolge „bei gegebener Sicherung der Qualität auch eine Erlaubnispflicht zu verneinen ist“. 67 Dazu OLG Düsseldorf NZG 2010, 1106, 1107 bestätigt durch BGH BeckRS 2011, 26973. 64 Entgegen Stadler, JZ 2014, 613,
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Sachverhalten tätig werden, lässt sich der vorgeschlagene Ansatz ohnehin nicht anwenden. Eine höchstrichterliche Entscheidung zu einer ad hoc gebildeten Geschädigten-GbR ist unter Geltung des RDG bislang nicht ergangen.68 Die bestehende Judikatur legt jedoch eine Fortsetzung der unter dem RBerG entwickelten strengen Maßstäbe nahe.
(2) Weitere Voraussetzungen Zu § 2 II 1 RDG führt der Bundesgerichtshof weiter aus, ein „eigenständiges Geschäft“ liege vor, wenn die Forderungseinziehung innerhalb einer ständigen haupt- oder nebenberuflichen Inkassotätigkeit oder außerhalb einer solchen nicht lediglich als Nebenleistung im Zusammenhang mit einer anderen beruflichen Tätigkeit erfolgt. Für die Abgrenzung von Haupt- und Nebenleistung seien die Kriterien des § 5 I 2 RDG heranzuziehen. Eine Rechtsdienstleistung ist danach als Nebenleistung zulässig, wenn sie zum Berufs- oder Tätigkeitsbild der Haupttätigkeit gehört und eine innere inhaltliche Verbindung zu dieser besteht.69 Insbesondere bei ausschließlich zum Zweck gerichtlicher Forderungsdurchsetzung bestehenden Gesellschaften steht eine zulässige Nebenleistung zu einer anderen beruflichen Haupttätigkeit damit außer Frage.70 Im vorgenannten Sinne klärte der Bundesgerichtshof erstmals die Bedeutung des Merkmals „eigenständiges Geschäft“, das von Seiten der Literatur zuvor stets in Anlehnung an die „geschäftsmäßige Tätigkeit“ i. S. v. Art. 1 § 1 I 1 RBerG ausgelegt worden war. Infolge dessen wurde eine Abgrenzung danach befürwortet, ob die betreffende Gesellschaft wie z. B. Anlegerschutzvereine oder Verbände werbend auftrat und ihre Dienste in einer Mehrzahl von Fällen anbot oder im Sinne einer Rechtsverfolgungsgesellschaft tätig wurde, die in einem einzelnen abgeschlossenen Sachverhalt durch die Geschädigten gegründet und deren Existenz an die Abwicklung des betreffenden konkreten Forderungsbestandes geknüpft wurde.71 Auch der Erlaubnistatbestand des § 7 I 1 Nr. 1 2.Var RDG greift in beiden Fällen nicht ein, da die Gesellschaften in der Regel gerade und ausschließlich zum Zweck der Forderungsdurchsetzung bestehen und es sich dabei nicht wie 68 Sowohl BGH NJW 2014, 847 sowie das Parallelurteil vom 11. 12. 2013 in der Sache IV ZR 137/13 betrafen eine auftragnehmende Aktiengesellschaft. In BGH NJW 2013, 59 wird die Rechtsform der Klägerin nicht angegben, wohl aber ihr Geschäftsgegenstand „ausweislich des Handelsregisters“. 69 BGH NJW 2013, 59, 60, Rn. 21–23; ebenso BGH, Urteil vom 11. 12. 2013 in der Sache IV ZR 137/13, zit. nach juris, Rn. 29 f. und BGH NJW 2014, 847, 849. Die von Gsell, in: Schulze, S. 179, 191 f. befürchtete Rückkehr zur alten Rspr. ist damit jedenfalls im Hinblick auf diese ersten Folgeentscheidungen ausgeblieben. Im Anschluss an den BGH Deckenbrock/ Henssler, in: dies., § 2 RDG Rn. 89 und § 5 RDG Rn. 35; Kleine-Cosack, § 2 RDG Rn. 105 f. 70 Ebenso eindeutig Deckenbrock/Henssler, in: dies., § 2 RDG Rn. 90. 71 Mann, NJW 2010, 2391, 2393 f.; zu Art. 1 § 1 I 1 RBerG ders., ZIP 2011, 2393, 2396; Koch, NJW 2006, 1469, 1471 f.; Hess, AG 2003, 113, 123; Wunderlich, DB 1993, 2269, 2272; wie der BGH die geschäftsmäßige Tätigkeit in beiden Fällen bejahend bereits Loritz/Wagner, WM 2007, 477, 479.
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verlangt um eine lediglich beigeordnete oder dem eigentlichen Zweck der Vereinigung dienende Tätigkeit handelt.72 Auf der Basis der genannten Rechtsprechung dürfte die Frage nach einer Registrierungspflicht der Rechtsverfolgungsgesellschaften weitestgehend im positiven Sinne beantwortet sein. Das gilt jedenfalls für solche Vereinigungen, die sich nicht aus Geschädigten zusammensetzen, sondern als Zessionar in Gesellschaftsform für sie tätig werden.73 Der weitere Umgang mit Geschädigten-GbRs bleibt abzuwarten. Ausnahmen im o. g. Sinne sind zwar eher unwahrscheinlich, angesichts der Registrierungsmöglichkeiten aber auch nicht erforderlich.
bb) Registrierung in Bereich Inkassodienstleistung Anders als das RBerG74 ermöglicht das RDG jedoch gemäß seinen §§ 10–12 nun unter den dort genannten Voraussetzungen grundsätzlich „allen natürlichen und juristischen Personen sowie Gesellschaften ohne Rechtspersönlichkeit“ für bestimmte Sachbereiche eine Registrierung und mit dieser die zulässige Ausführung einer gem. § 3 i. V.m § 2 I oder II RDG erlaubnispflichtigen Tätigkeit. Für eine gebündelte Forderungsgeltendmachung z. B. durch eine Interessengemeinschaft kommt dabei aus dem Katalog des § 10 I RDG nur eine Registrierung für den Bereich der Inkassodienstleistungen gem. § 10 I 1 Nr. 1 RDG in Betracht, da es sich in aller Regel weder um eine Rentenberatung noch um eine Rechtsdienstleistung in einem ausländischen Recht handeln wird. Einzelne Stimmen in der Literatur ziehen jedoch auch diese Registrierungsmöglichkeit unter Verweis auf das alte Recht in Zweifel.75 Offensichtlich unzutreffend sind jedoch die Ausführungen von Eichler, die bereits auf falscher Grundlage aufbauen, indem er davon ausgeht, nach § 10 I 1 Nr. 1 RDG könne „Inkassounternehmen“ eine Erlaubnis erteilt werden. Im Gegensatz zum Katalog des Art. 1 § 1 I 2 RBerG, in dem erlaubnisfähige Berufsstände gelistet waren, nennt jedoch § 10 RDG abschließend die registrierungsfähigen Rechtsdienstleistungen und im Wortlaut sichtbar getrennt davon den registrierungsfähigen Personenkreis.76 Letzter um72 Gsell, in: Schulze, S. 179, 193; Kleine-Cosack, § 7 RDG Rn. 26; Dux, in: Deckenbrock/Henssler, § 7 RDG Rn. 32 f. und 41 f.; diesen entscheidenden Punkt übergeht Eichler, S. 133; vgl auch den Entwurf eines Gesetzes zur Neuregelung des Rechtsberatungsrechts, BTDrucks. 16/3655, S. 59. Anderes gilt dagegen für Berufsverbände, Mietervereine oder z. B. den ADAC im Rahmen ihres Satzungszwecks und nur beschränkt auf ihre Mitglieder, vgl. dazu nochmals Dux, a. a. O., Rn. 28; Kleine-Cosack, a. a. O., Rn. 22 ff. 73 Ebenso Mann, DStR 2013, 765, 769; Buchner, S. 86 sieht die Möglichkeit die Erlaubnispflicht durch entsprechende Gestaltung des Gesellschaftsvertrages zu umgehen. Die damit verbundenen Einschränkungen dürften doch jedenfalls außer Verhältnis zu einer Registrierung stehen. 74 Zur Rechtslage dort Von Bar, Gutachten A für den 62. DJT, A 87 f.; Reuschle, WM 2004, 966, 969. 75 Gsell, in: Schulze, S. 179, 194 f. im Anschluss an Eichler, S. 133. 76 Vgl. neben dem insofern eindeutigen Wortlaut auch den Entwurf eines Gesetzes zur Neuregelung des Rechtsberatungsrechts, BT-Drucks. 16/3655, S. 63; außerdem Kleine-
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fasst jede natürliche Person, in Abgrenzung zu § 8 I Nr. 2 RDG jede juristische Person des Privatrechts sowie jede OHG, KG, PartG, GbR, Partenreederei und Europäische wirtschaftliche Interessenvereinigung.77 Diese Änderung wird leider von Eichler gänzlich übergangen.78 Gsell dagegen stützt ihre Skepsis auf die Befürchtung, der Begriff der Inkassodienstleistung in § 10 I 1 Nr. 1 RDG könne in Anlehnung an Art. 1 § 1 I 2 Nr. 5 RBerG so restriktiv ausgelegt werden, dass die Registrierung einer Interessengemeinschaft zwar nicht verwehrt, für ihre Zwecke aber nutzlos bliebe. Gem. Art. 1 § 1 I 2 RBerG wurde eine Erlaubnis i. S. v. Art. 1 § 1 I 1 seit einer umfangreichen Gesetzesänderung zum 18. 08. 1980 nur noch für einen bestimmten Sachbereich erteilt, darunter gem. Nr. 5 „Inkassounternehmern für die außergerichtliche Einziehung von Forderungen (Inkassobüros)“. Diesbezüglich bestand zuletzt überwiegend Einigkeit, dass Inkassobüros über den Wortlaut hinaus auch eine gerichtliche Geltendmachung von Forderungen dann nicht verboten war, wenn sie über eine Erlaubnis nach Art. 1 § 1 I 2 Nr. 5 RBerG verfügten und die Verfahrensführung einem Rechtsanwalt übertrugen.79 Allerdings bestand der Zweck des Art. 1 § 1 I 2 RBerG sowohl in der Erhaltung der dort genannten Berufsstände sowie auch in deren Begrenzung auf einen bestimmten Tätigkeitsbereich.80 Welchen Umfang die Tätigkeit eines Inkassounternehmers i. S. v. Nr. 5 nach seinem Berufsbild mithin erlaubter Weise haben durfte, war bis zuletzt umstritten. Ein wesentlicher Streitpunkt betraf dabei die Frage, in welchem Ausmaß der Inhaber einer Inkassoerlaubnis seinen Kunden z. B. über den Bestand oder die Höhe einer Forderung rechtlich beraten und inwieweit er zudem gegenüber dem Schuldner in Aktion treten durfte.81 Einer übermäßigen Einengung der Befugnisse trat jedoch das Bundesverfassungsgericht entgegen und sah die Berufsfreiheit der Inkassounternehmer verletzt. Rechtsberatung im Sinne des Art. 1 § 1 I 1 RBerG meine grundsätzlich die umfassende und vollwertige Beratung der Rechtsuchenden in einem bestimmten Sachbereich. Der Cosack, Vor §§ 10 ff. RDG Rn. 1 f. und § 10 RDG Rn. 1; K.-M. Schmidt, in: Krenzler, § 10 RDG Rn. 1 und Rillig, in: Deckenbrock/Henssler, § 10 RDG Rn. 1. Leider formuliert auch letzterer z. B. a. a. O., Rn. 2 und 3 undeutlich („Berufsbilder“), die Änderungen gegenüber dem alten Recht werden jedoch durch die Ausführungen zum registrierungsfähigen Personenkreis klar. 77 Rillig, in: Deckenbrock/Henssler, § 10 RDG Rn. 8, 9 und 10; vgl. die Legaldefinition der Gesellschaft ohne Rechtspersönlichkeit in § 11 II Nr. 1 InsO. 78 Vgl. auch seine ausschließlich auf Art. 1 § 1 I 2 Nr. 5 RBerG bezogenen Nachweise. 79 Dazu bereits oben, Fn. 35. Die Zweite der Voraussetzungen ist heute in § 79 I 2 ZPO normiert. 80 Von Bar, Gutachten A für den 62. DJT, A 88; Haß, S. 122. 81 Sehr eng BGH NJW-RR 2001, 1420, 1421; die Durchsetzung ggü dem Schuldner verneinend OLG München OLGZ 1991, 324; OLG Hamburg, Urteil v. 11. 06. 1999 in der Sache 1 U 162/97, zit. nach juris, Rn. 99; aus der Lit. Rennen/Caliebe, Art. 1 § 1 RBerG Rn. 112 ff. bereits offener als noch in der 2. Aufl., a. a. O., Rn. 79; sehr eng Chemnitz/Johnigk, Art. 1 § 1 RBerG Rn. 258 ff.
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Erlaubnisvorbehalt in Satz 2, Nr. 5 diene dazu, die mit dem geschäftsmäßigen Forderungseinzug einhergehende besondere Form der Rechtsbesorgung und Rechtsberatung in den Schutzzweck des Gesetzes einzubeziehen. Setze ein Inkassounternehmen die von ihm verlangte, überprüfte und für genügend befundene Sachkunde bei der Einziehung fremder oder zu Einziehungszwecken abgetretener Forderungen ein, so sei nicht erkennbar, dass damit eine Gefahr für den Rechtsuchenden oder den Rechtsverkehr verbunden sein könnte.82 Angesichts dieser Lockerung ist jedoch zweifelhaft, ob die Tätigkeit von Interessengemeinschaften tatsächlich wie von Einzelnen vertreten über das Berufsbild eines typischen Inkassobüros hinaus geht und eine Erlaubnis nach Art. 1 § 1 I 2 Nr. 5 RBerG ihnen daher nicht erteilt werden könnte.83 Diese Frage mag hier für das RBerG in Anbetracht von dessen Ablösung dahinstehen. Zu klären bleibt aber, ob bzw. inwieweit die o. g. Streitfrage Einfluss auf § 10 I 1 Nr. 1 RDG entfaltet. Das RDG strebt zum Schutz des Rechtsverkehrs die Regulierung des gesamten Inkassogeschäfts an, weswegen es nicht nur diejenige Tätigkeit erfasst, die unter die allgemeine Definition der Rechtsdienstleistung in § 2 I RDG fällt, sondern jede in § 2 II RDG legal definierte Inkassodienstleistung als erlaubnispflichtige Rechtsdienstleistung verstanden wissen will.84 Dementsprechend weit ist auch der Begriff der – durch Registrierung erlaubten – Inkassodienstleistung in § 10 I 1 Nr. 1 RDG zu fassen, beschränkt sich jedoch wie das gesamte RDG auf die außergerichtliche Geltendmachung. Darunter fällt im Anschluss an das Bundesverfassungsgericht neben Mahn- und Beitreibungstätigkeit auch die Prüfung des Bestands der Forderung einschließlich eventueller Einwendungen des Schuldners. Zudem steht es einem registrierten Inkassodienstleister frei, parallel zu einem bereits eingeleiteten Gerichtsverfahren Verhandlungen mit dem Schuldner zu führen.85 Die Befürchtungen von Gsell86 sind daher unbegründet.87 82
BVerfG NJW 2002, 1190, 1191; darauf aufbauend BVerfG NJW-RR 2004, 1570, 1571. Von Bar, Gutachten A für den 62. DJT, A 88; Reuschle, WM 2004, 966, 969; Haß, S. 122. Bei diesen Quellen fällt auf, dass ihnen zufolge im Gegensatz zu der in Fn. 81 zitierten Rechtsprechung, eine Erlaubnis nicht nur keine rechtfertigende Wirkung entfalten, sondern gar nicht erst erteilt werden kann. 84 Entwurf eines Gesetzes zur Neuregelung des Rechtsberatungsrechts, BTDrucks. 16/3655, S. 48; Deckenbrock/Henssler, in: dies., § 2 RDG Rn. 67 f.; Kleine-Cosack, § 2 RDG Rn. 89 f.; Offermann-Burckardt, in: Krenzler, § 2 RDG Rn. 78. 85 Rillig, in: Deckenbrock/Henssler, § 10 RDG Rn. 32 f. und 37; Kleine-Cosack, § 10 RDG Rn. 14 f. mit ausdrücklichem Bezug zur Rspr. des BVerfG; K.-M. Schmidt, in: Krenzler, § 10 RDG Rn. 18 f. unter Verweis auf Offermann-Burckardt, ebenda, § 2 RDG Rn. 77. 86 Vgl. oben, Fn. 75; obwohl in 2014 veröffentlicht bleiben in den Ausführungen leider sowohl die besprochenen Urteile des BVerfG als auch die darauf folgenden Änderungen und insbesondere die Literatur zu § 10 RDG gänzlich unberücksichtigt. 87 Auch im Fall der Cartel Damage Claims SA (dazu ausführlich S. 145 ff.) wurde deren Registrierung nach § 10 I 1 Nr. 1 RDG nicht beanstandet, vgl. OLG Düsseldorf JZ 2015, 726, 729 f., Rn. 70; ebenso zuvor das LG Düsseldorf JZ 2014, 635, 638, Rn. 98 f. 83 So
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Mit Blick auf die Registrierungsvoraussetzungen ist zwar ein gewisser bürokratischer Aufwand nicht zu leugnen, der jedoch für eine erfolgreiche, gebündelte Geltendmachung zuvor abgetretener Schadenersatzansprüche nun unvermeidbar ist. Gleichzeitig sind jedoch die Voraussetzungen derart niedrig angesetzt, dass das Abtretungsmodell dadurch nicht an Attraktivität verloren haben dürfte.88 Ob einem drohenden Missbrauch auf diesem Wege hinreichend vorgebeugt werden kann, wird zu untersuchen sein.89
3. Verbandsklagen nach UWG, GWB und UKlaG Im Zusammenhang mit dem kollektiven Rechtsschutz in Deutschland werden an erster Stelle in der Regel Verbandsklagen genannt. Gemeint sind die Regelungen der heutigen §§ 8–10 UWG, 33 und 34a GWB sowie 1–4a UKlaG, wonach bestimmte Einrichtungen90 in einem überindividuellen Interesse an einem lauteren Wettbewerb, an der Vermeidung von Kartellen sowie am Verbraucherschutz gegen den Zuwiderhandelnden Unterlassungsansprüche geltend machen können. In § 1 UKlaG kommt ein Widerrufsanspruch gegen die Empfehlung unzulässiger AGB, in § 2 UKlaG, § 8 III UWG und § 33 II GWB ein Beseitigungsanspruch hinzu. § 10 UWG und § 34a GWB begründen des Weiteren Gewinnabschöpfungsrechte. Die dogmatische Einordnung dieser Regelungen war lange Zeit umstritten und ist bis heute nicht in allen Einzelheiten geklärt. Die überwiegende Ansicht geht zwischenzeitlich davon aus, den betreffenden Institutionen stehe aufgrund der §§ 8 III Nr. 2–4 UWG, 1–2a UKlaG sowie 33 II GWB ein originär eigener Anspruch zu.91 Daneben werden weiterhin verschiedene andere dogmatische Interpretationen befürwortet.92 Eine gerichtliche Geltendmachung der Ansprüche erfolgt mit der überwiegenden Ansicht im eigenen Namen, sodass nach allgemeinen prozessualen Grundsätzen von einer Prozessführungsbefugnis des 88 Anders Mann, DStR 2013, 765, 770, der prognostiziert, dass geschädigte Anleger künftig entweder auf eine individuelle Geltendmachung ihrer Schadenersatzansprüche oder auf das Musterverfahren nach dem KapMuG ausweichen werden. Ebenso Eichler, S. 134, der aber fälschlicher Weise eine Registrierung i. S. v. § 10 I 1 Nr. 1 RDG für unmöglich hält. 89 Dazu im vierten Kapitel, S. 295 ff. und S. 339 ff.; sehr kritisch bereits zum ersten Entwurf des RDG Römermann, NJW 2006, 3025, 3030 f. sowie etwas abgeschwächt nach Erlass ders., NJW 2008, 1249, 1253. 90 Dazu im Einzelnen sogleich im dritten Kapitel, S. 201 ff. 91 Aus der Rspr. BGH NJW-RR 1990, 886, 887; ausführlich dazu Kohler, S. 37 ff.; außerdem Schlosser, in: Staudinger, § 1 UKlaG Rn. 3; Roloff, in: Erman, 13. Aufl., § 1 UKlaG und § 2 UKlaG, jew. Rn. 1; Bassenge, in: Palandt, § 1 UKlaG Rn. 3 und 11, § 2 UKlaG Rn. 2; einschränkend Lindacher, in: W/L/P, § 3 UKlaG Rn. 2 f. 92 Für ein rein prozessrechtliches Verständnis der Verbandsklage insbesondere Halfmeier, Popularklagen, S. 279 ff.; in diese Richtung bereits zuvor Hadding, JZ 1970, 305, 307 ff.; Thiere, S. 310 ff.; Lakkis, S. 105 ff.; Urbanczyk, Rn. 93 ff.; für eine „Doppelnatur“ zwischen privatrechtlicher Kontrollkompetenz und subjektivem Recht Micklitz, in: MK ZPO, § 1 UKlaG Rn. 3 und § 3 UKlaG Rn. 5.
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jeweils als Anspruchsinhaber klagenden Verbandes auszugehen ist.93 Dennoch werden die in § 8 III Nr. 2 und 3 UWG, § 3 UKlaG und § 33 II GWB enthaltenen Regelungen und die darin aufgestellten Voraussetzungen von Rechtsprechung und herrschender Lehre nicht nur der materiell-rechtlichen Sachbefugnis sondern auch der Prozessführungsbefugnis zugeordnet (sogenannte Lehre von der Doppelnatur der Verbandsklage). Eine unmissverständliche Stellungnahme des Gesetzgebers über die verschiedenen Verbandsklagen hinweg fehlt hierzu. Im Rahmen der Reform des AGBG zum 30. 06. 2000 wurde in § 13 II AGBG a. F. der Wortlaut „Die Ansprüche […] können nur geltend gemacht werden, […].“
ersetzt durch „Die Ansprüche […] stehen zu: […].“
In der Gesetzesbegründung heißt es dazu: „Die Änderung […] soll dazu genutzt werden, auch die Streitfrage zu klären, ob § 13 II eine Regelung über die Aktivlegitimation oder eine Regelung über die Prozessführungsbefugnis enthält. Die Frage soll im zuerst genannten Sinne entschieden […] werden […].“94
Dieselbe Änderung wurde durch die UWG-Reform 2004 im dann neuen § 8 III UWG a. F. gegenüber dem zuvor geltenden § 13 II UWG vorgenommen. Im Rahmen der Begründung heißt es dort zwar zunächst: „Absatz 3 regelt, wer zur Geltendmachung von Ansprüchen auf Unterlassung und Beseitigung berechtigt (aktivlegitimiert) ist.“ (Hervorhebung durch Verfasser),
im Anschluss daran aber weiter: „Nummer 2 regelt die Anspruchsberechtigung der Wirtschaftsverbände. […] Bei [ihnen] hängt die Klagebefugnis […] vor allem davon ab, dass […]. Nummer 3 regelt die Anspruchsberechtigung der Verbraucherverbände. […] Eventuelle Missbräuche durch die Ausweitung der Klagebefugnis können […].“95(Hervorhebung durch Verfasser).
§ 33 II GWB dagegen lautet einleitend noch heute: „Die Ansprüche […] können auch geltend gemacht werden von […].“ 93
Vgl. dazu bereits soeben, S. 73 ff. eines Gesetzes über Fernabsatzverträge und andere Fragen des Verbraucherrechts […], BT-Drucks. 14/2658, S. 52; darauf aufbauend Greger, ZZP 113 (2000), 399, 406 und ders., NJW 2000, 2457, 2462. 95 Entwurf eines Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb, BT-Drucks. 15/1487, S. 22 f.; die Begründung wird daher mehrheitlich als für die Streitfrage unergiebig beurteilt, vgl. Goldmann, in: Harte/Henning, § 8 UWG, Rn. 256; Paal, in: GroßkommUWG, § 8 UWG, Rn. 195; Büscher, in: F/B/O, § 8 UWG, Rn. 245; Jestaedt, in: Ahrens, Kap. 18, Rn. 4; a. A. auch hier Kohler, S. 63. 94 Entwurf
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Zweites Kapitel: Kollektiver Rechtsschutz de lege lata
Sowohl die Rechtsprechung96 als auch weite Teile der Literatur97 haben ungeachtet der genannten Änderungen an der schon zuvor vertretenen Lehre von der Doppelnatur festgehalten. Dafür wird zuvorderst das praktische Bedürfnis angeführt, die betreffenden Anforderungen auch noch in der Revisionsinstanz von Amts wegen prüfen und ggf. verneinen zu können. In rechtlicher Hinsicht stützt sich die Ansicht darauf, den Verbänden würden die Ansprüche nicht im eigenen Interesse, sondern zur Wahrung der Interessen Dritter und der Allgemeinheit eingeräumt, was einer Prozessstandschaft nahekomme.98 Einige Stimmen lehnen demgegenüber insbesondere zum UKlaG die Lehre von der Doppelnatur ab und verstehen § 3 UKlaG als Regelung der Aktivlegitimation.99 Mit der Lehre von der Doppelnatur sind die in den §§ 8 III Nr. 2 und 3 UWG, 3 UKlaG und 33 II GWB normierten Voraussetzungen bereits für die Klagezulässigkeit relevant. Sie sind von Amts wegen in jeder Lage des Verfahrens, insbesondere eben auch noch in der Revisionsinstanz, zu prüfen. Das Revisionsgericht ist dabei nicht an die tatsächlichen Feststellungen des Berufungsgerichts gebunden. Die Tatsachen, aus denen sich die Prozessführungsbefugnis ergibt, müssen jedoch spätestens im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung in der Tatsacheninstanz vorgelegen haben. Eine Erörterung der dogmatischen Grundlagen im Einzelnen liegt außerhalb der Möglichkeiten dieser Untersuchung. Sofern im weiteren Verlauf erforderlich wird daher die herrschende Lehre von der Doppelnatur zugrundegelegt. Eine dogmatische Einordnung wäre aber auch zum jetzigen Zeitpunkt verfehlt, da sich dieselben Fragen zukünftig wieder stellen werden, sollte sich Deutschland für ein von der EU-Kommission empfohlenes kollektives Schadenersatzverfahren entscheiden. Sie können dann zufriedenstellend nur im Rahmen eines schlüssigen Gesamtkonzeptes beantwortet werden, das auch die bereits bestehenden Verbandsunterlassungsklagen einbezieht. Hinsichtlich eines Mecha96 Für das UWG BGH GRUR 2015, 1240; BGH NJW 2012, 1812, 1813; BGH GRUR 2012, 411, 412; für das UKlaG KG NJW-RR 2013, 54, 55; offengehalten in BGHZ 178, 1, 5: „Anspruchsberechtigung“. 97 Für das UWG Goldmann, in: Harte/Henning, § 8 UWG Rn. 256; Jestaedt, in: Ahrens, Kap. 18 Rn. 4; Büch, in: Teplitzky, Kap. 13 Rn. 25a; Paal, in: GroßkommUWG, § 8 UWG Rn. 195 f.; Ohly, in: Ohly/Sosnitza, § 8 UWG Rn. 86; Büscher, in: F/B/O, § 8 UWG Rn. 243, 245; inzwischen auch Köhler/Feddersen, in: Köhler/Bornkamm, § 8 UWG Rn. 3.9 f.; Ottofülling, in: MK LauterkeitsR, § 8 UWG Rn. 323; für das UKlaG Lindacher, in: W/L/P, § 3 UKlaG Rn. 3 und 22; Bassenge, in: Palandt, § 3 UKlaG Rn. 2; einschränkend Halfmeier, in: Prütting/Gehrlein, § 3 UKlaG Rn. 2 („auf dem Boden der Theorie vom materiell-rechtlichen Anspruch […] nicht haltbar […] aber sachlich richtig“); ähnlich Micklitz, in: MK ZPO, § 3 UKlaG, Rn. 7, 9; für das GWB Emmerich, in: Immenga/Mestmäcker, § 33 GWB Rn. 101; Rehbinder, in: Loewenheim e. a., § 33 GWB Rn. 68. 98 Ebenda. 99 Mit ausführlicher Begründung Kohler, S. 65 ff.; Schlosser, in: Staudinger, § 3 UKlaG Rn. 1; Witt, in: U/B/H, § 3 UKlaG Rn. 3; Franke, S. 155 f.; Greger, NJW 2000, 2457, 2462; R/S/Gottwald, § 47 Rn. 11.
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nismus zur gebündelten Geltendmachung individueller Massenschäden ließe sich dabei ohnehin nicht auf den bestehenden Überlegungen aufbauen, da die Ersatzansprüche in dieser Konstellation bereits jedem Geschädigten zustehen und auch bei ihnen verbleiben müssten.100 Etwas anderes gilt aber im Bereich der Streuschäden, soweit ein entsprechender Mechanismus nicht ebenfalls auf die Kompensation der Geschädigten, sondern z. B. im Wege der Gewinnabschöpfung in einem überindividuellen Interesse auf Schadensprävention und Abschreckung gerichtet wäre.
II. Ausgewählte kollektive Rechtsschutzmechanismen … Vergleichbar der Verbandsunterlassungsklage im deutschen UWG, GWB und UKlaG kennen alle Mitgliedsstaaten der Europäischen Union eine Form eines kollektiven Unterlassungsklageverfahrens. Sowohl die Ausgestaltung als auch der Anwendungsbereich variieren jedoch merklich. Teils ist ein solches Verfahren bei einer bestimmten Behörde, teils bei den Gerichten angesiedelt. Zum Teil liegt es ausschließlich in den Händen einer staatlichen Behörde oder eines Ombudsmannes, zum Teil wurde diese Funktion privaten Verbänden übertragen. Infolge der Umsetzung der diversen verbraucherrechtlichen Richtlinien und insbesondere der UKla-Richtlinie a. F. verfügen alle Mitgliedsstaaten über einen derartigen Mechanismus im Verbraucherschutzrecht und dort vorwiegend im Recht der AGB.101 Hinzu kommen verschiedene Instrumente im Bereich des Wettbewerbsrechts.102 Einzelne Mitgliedsstaaten haben diese Verfahren um Mechanismen zur Geltendmachung individueller Streuschäden oder eines Schadens an einem kollektiven Gruppeninteresse ergänzt.103 100
Zur mangelnden Eignung des Abtretungsmodells im folgenden Kapitel, S. 148 ff. F. Weber, S. 63 f.; einen Überblick zur Umsetzung der UKla-RL a. F. in den Mitgliedsstaaten der EU bieten Micklitz/Rott/Docekal/Kolba, S. 17 ff. 102 Vgl. u. a. § 14 des österreichischen Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb sowie § 36 des österreichischen Kartellgesetzes; § 20 des dänischen Markedsfoeringsloven (in englischer Sprache abrufbar unter http://www.consumerombudsman.dk/~/media/ Consumerombudsman/dco/Markedsfoeringsloven%20lbkg%202013.pdf (zuletzt besucht am 12. 04. 2017); das griechischen Gesetz 146/1914 gegen den unlauteren Wettbewerb und dazu Beuchler, in: Micklitz/Stadler, Verbandsklagerecht, S. 177 ff.; Art. 2601 des ialienischen Codice Civile und dazu Müller, in: Micklitz/Stadler, Verbandsklagerecht, S. 251 ff.; § 92 des ungarischen WettbewerbsG und dazu Harsági, in: Schulze, S. 221, 231 f. 103 Vgl. zu den französischen Klageformen action civile, action en suppression de clauses abusives, action en répresentation conjointe sowie der jüngst eingeführten action de groupe sogleich S. 107 ff.; daneben aber u. a. die italienische azione di classe und dazu Linhart/ Finazzi Agrò, RIW 2013, 443, 445 ff.; Art. 10 IX lit. b des griechischen Verbraucherschutzgesetzes 2251/1994 und dazu Beuchler, in: Micklitz/Stadler, Verbandsklagerecht, S. 194 und 204 ff.; § 38 des ungarischen VerbraucherschutzG sowie § 92 des ungarischen WettbewerbsG und dazu Harsági, in: Schulze, S. 221, 227 f. und 231 f.; Art. 188 des bulgarischen Закон за защита на потребителите, in englischer Sprache verfügbar unter http://www.mi.government. bg/en/library/consumer-protection-act-1-c25-m258-2.html (zuletzt besucht am 12. 04. 2017). 101
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Ein Verfahren zur kollektiven Geltendmachung individueller Schadenersatzansprüche in Massenschadensverfahren gibt es dagegen nur in manchen Mitgliedstaaten. Daraus wurden hier die Niederlande (dazu 1.) und Frankreich (dazu 2.) für eine nähere Betrachtung ausgewählt. Beide Staaten haben zunächst verschiedene Formen einer kollektiven Unterlassungs- bzw. Feststellungsklage eingeführt und aufbauend auf den damit verbundenen Erfahrungen ein Verfahren zur kollektiven Geltendmachung von Massenschäden ins Leben gerufen. Außerdem sehen beide Rechtssysteme in der Mehrheit aller Fälle bestimmte Verbände oder andere privatrechtliche Institutionen in der Rolle des Klägers vor. Zum besseren Verständnis der übrigen Kapitel werden die Entstehung und der Inhalt der betreffenden Mechanismen im Folgenden etwas ausführlicher vorgestellt. Aus den übrigen Mitgliedsstaaten (dazu gesammelt 3.) haben England und Wales sowie Belgien jüngst eine kollektive Schadensersatzklage verabschiedet. In einigen weiteren Staaten bestehen solche Mechanismen bereits für mehrere Jahre, ohne besondere praktische oder fachliche Aufmerksamkeit erregt zu haben. Zugunsten der Übersicht und des Zusammenhangs werden die für diese Untersuchung relevanten Aspekte hier gemeinsam vorangestellt, anstatt sie zu verstreuen.
1. in den Niederlanden Die Niederlande haben unter den Mitgliedsstaaten der Europäischen Union zwischenzeitlich von den skandinavischen Staaten die Vorreiterrolle in Bezug auf kollektiven Rechtsschutz übernommen. Beginnend mit der gesetzlichen Verankerung104 einer besonderen AGB-Verbandsklage in den Art. 6:240 ff. des niederländischen Bürgerlichen Gesetzbuchs (Burgerlijk Wetboek (BW)), über die Kodifizierung einer allgemeinen Verbandsklage in Art. 3:305a ff. BW, mehrere Reformen und schließlich die Einführung eines besonderen kollektiven Schadenersatzverfahrens durch das Wet collectieve afwikkeling massaschade (WCAM) im Jahre 2005 hat sich ein breitgefächertes System kollektiver Rechtsschutzmechanismen entwickelt.
a) Prozessuale Grundlagen und Verbandsklage Das niederländische Zivilprozessrecht und auch das gesamte Privatrechtssystem fußen nicht nur wie das Deutsche auch auf dem Gedanken der Privat- und Parteiautonomie, sondern messen darüber hinaus gemeinsamer und einverständlicher Streitbeilegung der Beteiligten besondere Bedeutung zu. Außergerichtliche Lösungswege stehen demnach im Mittelpunkt und der Gang zu Gericht wird gemeinhin als ultima ratio betrachtet.105 104 Zum geschichtlichen Hintergrund und insbesondere dem umfangreichen case law, auf dem die gesetzlichen Regelungen aufbauen Mom, Kapitel 2 §§ 1–3. 105 Mom, S. 330 f.; Frenk/Boele-Woelki, in: Basedow/Hopt/Kötz/Baetge, S. 213 f.
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Im Grundsatz gilt ebenso wie in Deutschland, dass ein Klagerecht untrennbar mit dem materiellen Recht verbunden ist, dessen Schutz und Durchsetzung es dient (Art. 3:304 BW). Aus der Rechtsinhaberschaft ergibt sich mithin grundsätzlich die Befugnis zur gerichtlichen Geltendmachung. Ähnlich dem Deutschen bietet das niederländische Recht darüber hinaus dem Rechtsinhaber die Möglichkeit, Forderungen entweder materiell-rechtlich im Wege der Rechtsübertragung durch Abtretung106 oder aber prozessual mittels verschiedener Formen der Beauftragung107 bei einer natürlichen Person108 oder aber einer Organisation (vorwiegend einem Verein oder einer Stiftung)109 zusammenzuführen und im Anschluss daran gesammelt geltend zu machen.110 Insbesondere ist so auch die Abtretung von Schadenersatzansprüchen durch eine Vielzahl von Geschädigten an eine Vertreterorganisation zur gemeinsamen gerichtlichen Durchsetzung möglich und zulässig.111 Ungeachtet einer eventuellen Beauftragung oder Übertragung behalten dabei alle Forderungen ihren individuellen Charakter, sodass vor Gericht die jeweiligen Voraussetzungen im Einzelfall zu prüfen und zu beweisen sind.112 Mit der allgemeinen Verbandsklage der Art. 3:305a ff. BW kann darüber hinaus grundsätzlich jeder zivilrechtliche Anspruch unter der Bedingung geltend gemacht werden, dass sich die betroffenen Interessen für eine Bündelung eignen, also gleichartig i. S. v. Art. 3:305a I BW sind. Die klagende Organisation führt das Verfahren im eigenen Namen, macht jedoch ein fremdes Interesse geltend. Im Gegensatz zur herrschenden Meinung im deutschen Recht113 trennt das niederländische Recht hier also das Klagerecht von der Anspruchsinhaberschaft. Art. 3:305a I BW verleiht bestimmten Organisationen die Befugnis, gerichtlich tätig zu werden ohne selbst Anspruchs- und Interessenträger zu sein. Noch darüber hinaus ermöglicht die Norm die Wahr106 Art. 3:94 BW
unterscheidet zwei Möglichkeiten der Abtretung. Gem. Abs. 1 und 2 erfordert diese im Grundsatz die Mitteilung an den Schuldner. Abs. III ermöglicht eine Abtretung auch ohne Mitteilung, sofern die Forderung in einer öffentlich beglaubigten oder einer registrierten Privaturkunde festgehalten wurde. 107 In schuldrechtlicher Hinsicht ist zwischen einem Mandat (lastgeving) als zweiseitiger, vertraglicher Verpflichtung gem. Art. 7:414 ff. BW und der auch einseitig erteilbaren Vollmacht (volmacht) gem. Art. 3:60 BW zu unterscheiden; vgl. dazu im Einzelnen Frenk, S. 177 ff. 108 Wegen Art. 3:43 I BW ist eine Übertragung an bzw. Beauftragung von Richtern, Staatsanwälten, Rechtsanwälten sowie einigen weiteren juristischen Beamten unzulässig. Um Interessenkonflikte zu vermeiden, erklärt das Gesetz jegliche Rechtshandlungen zu ihren Gunsten für nichtig. 109 Tzankova, VbR 2015, 178, 180. 110 Weiter zur Differenzierung zwischen Prozessführung (procederen) und Einziehung (incasseren) Frenk, S. 180 ff. 111 Arons/van Boom, 21 EBLR (2007) 857, 860 f. 112 Zu den daraus resultierenden Schwierigkeiten bei einer Vielzahl von Ansprüchen Frenk, S. 191 ff. 113 Vgl. soeben, S. 92 ff.
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nehmung fremder Interessen sogar dort, wo den eigentlich Betroffenen selbst gar kein Klagerecht zusteht.114 Art. 3:305a I BW bildet damit eine Ausnahme zu Art. 3:304 BW, der das Klagerecht in einem privatrechtlichen Rechtsverhältnis einer Partei des Rechtsverhältnisses zuordnet.115 Gleichzeitig bildet Art. 3:305a I BW aber keine Ausnahme zu Art. 3:303 BW, der im Rahmen der allgemeinen Verbandsklage stattdessen auf die klagende Organisation Anwendung findet.116 Die einzige, aber bedeutende Einschränkung des Anwendungsbereichs der Verbandsklage bestimmt Art. 3:305a III 2 BW, wonach Schadenersatzansprüche in Geld ausdrücklich nicht ihr Gegenstand sein können. Insbesondere die in Massenschadensfällen regelmäßig schwierige Feststellung der Kausalität sowie des konkreten Schadens in jedem Einzelfall sollte nach dem Willen des Gesetzgebers der individuellen Geltendmachung des jeweiligen Geschädigten vorbehalten bleiben.117 In diesen Fällen kann die allgemeine Verbandsklage bislang mithin nur in der Form einer Feststellungsklage zum Einsatz kommen, mit der die Haftung des Schädigers in einem ersten Schritt dem Grunde nach gerichtsverbindlich ermittelt wird.118 Auch wenn sich mit Hilfe eines solchen positiven Feststellungsurteils der Vergleichs- bzw. Handlungsdruck auf den Schädiger sicherlich erhöhen lässt, fehlte es dadurch lange Zeit an einem Mechanismus zur wirksamen Durchsetzung der Ansprüche.
b) Das Wet collectieve afwikkeling massaschade (WCAM) In diese Lücke stößt das seit dem Jahr 2005 bestehende Kollektivverfahren zur Abwicklung von Massenschäden119, das ebenso wie die allgemeine Verbandsklage nicht auf bestimmte Rechtsgebiete beschränkt ist. Den Anlass für Entwicklung und Verabschiedung der neuen Regelungen bot ein bis in das Jahr 1986
114 Hoge Raad, Urteil vom 07. 11. 1997, ECLI:NL:HR:1997:ZC2483; aus der Lit. Mom, S. 197 ff.; Frenk/Boele-Woelki, in: Basedow/Hopt/Kötz/Baetge, S. 213, 223 f.; Arons/Koster, Ondernemingsrecht 7/2014, 333. 115 Lunsingh Scheurleer/Vermeulen, in: Busch/Klaassen/Arons, S. 257, 259; Mom, S. 199. 116 Mit zuvor ausführlicher dogmatischer Herleitung Frenk, S. 77 ff.; kürzer ders./BoeleWoelki, ebenda; im Anschluss daran auch Mom, S. 199 und 214 f. 117 Dem folgend auch Hoge Raad, Beschluss vom 28. 03. 2014, ECLI:NL:HR:2014:766, Rn. 3.8; vgl. außerdem Weber/Van Boom, Contratto e Impresa/Europa 1/2011, 69, 71; Frenk/ Boele-Woelki, ebenda, S. 232 und 243 f.; Mom, S, 258 ff.; Arons/Koster, Ondernemingsrecht 7/2014, 333, 335; zu den Konsequenzen der Ausnahmereglung Arons/van Boom, 21 EBLR (2007) 857, 864 f. 118 Diese Klage darf jedoch nur den für alle Geschädigten gemeinsam feststellbaren Haftungsgrund zum Inhalt haben. Nicht zulässig aus den genannten Gründen ist dagegen eine Klage auf Feststellung der Schadenersatzpflicht, dazu Tzankova/Lunsingh Scheurleer, 622 Annals AAPSS (2009) 149, 152. 119 MvT, Wijziging van het BW en het WBR teneinde de collectieve afwikkeling van massaschades te vergemakkelijken, TK 2003–2004, Kamerstuk 29 414, Nr. 3 S. 5 f.
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zurückreichender Rechtsstreit um das Hormon Diethylstilbestrol (DES).120 Zu dessen Beginn verlangten sechs als „DES-Töchter“ bekannt gewordene Klägerinnen von 13 verschiedenen Herstellern des Hormons Schadenersatz mit der Begründung, die Einnahme von DES durch ihre Mütter während der Schwangerschaft habe bei Ihnen medizinische Schäden verursacht. Das Hauptproblem des Falles lag darin, dass zwar eine kausale Verknüpfung zwischen der Einnahme des Hormons und den eingetretenen Schäden nachweisbar war, nicht jedoch jeweils von welchem Hersteller die konkret eingenommenen und schädigenden Tabletten stammten. Nach langer Verfahrensdauer und abweisenden Entscheidungen der Untergerichte beseitigte der oberste Gerichtshof der Niederlande (Hoge Raad) in letzter Instanz diese Hürde, indem er eine Regelung alternativer Kausalität für anwendbar erklärte. Im unmittelbaren Anschluss an die Entscheidung wurde eine Meldestelle eingerichtet, bei der sich in kürzester Zeit über 18.000 potenzielle Opfer registrieren ließen. In Anbetracht dessen war es großen Teilen der niederländischen Pharmaindustrie daran gelegen, auf dem Vergleichswege eine Entscheidung möglichst aller Fälle herbeizuführen und so kostenaufwendige Einzelprozesse zu vermeiden. Eine entsprechende Vereinbarung konnte zwar gefunden werden, jedoch bot das niederländische Recht keine Möglichkeit dieser zu allgemeiner Wirksamkeit zu verhelfen. Im Verbandsklageverfahren nach Art. 3:305a ff. BW war die Geltendmachung von Schadenersatzforderungen damals wie heute nicht möglich. Auch eine Reform dieser Regelung hätte nicht geholfen, da ein Urteil lediglich Wirksamkeit zwischen den Beklagten und dem verfahrensführenden Verband entfaltet hätte. Die einzelnen Geschädigten hätten ebenso wie auch bei einem außergerichtlich verhandelten Vergleichsvertrag nachträglich ihr ausdrückliches Einverständnis mit der Regelung erklären müssen (opt in-Prinzip). Dies wiederum bot nicht die von der Pharmaindustrie zur Bedingung erhobene Breitenwirkung. Unter hohem politischen und gesellschaftlichen Druck wurde daher das Wet collectieve afwikkeling massaschade (WCAM) geschaffen, das ein besonderes Kollektivverfahren durch neue Regelungen im Burgerlijk Wetboek sowie der niederländischen Zivilprozessordnung (Wetboek van Burgerlijke Rechtsvordering (WBR)) Wirklichkeit werden ließ. Der Ablauf ist nicht als klassisches gerichtliches Verfahren ausgestaltet, sondern hat seine Grundlage in einem außergerichtlichen Vergleichsvertrag nach den Art. 7:907 – 7:910 BW zwischen dem Schädiger und einer oder mehreren Interessenorganisationen, die im Namen aller Geschädigten handeln.121 Hierin wird erneut die Bedeutung einer außergerichtlichen Lösung im gegenseitigen 120 Hierzu
ausführlich Hondius, in: Cafaggi/Micklitz, S. 235, 247 ff.; Tzankova/Lunsingh Scheurleer, Netherlands National Report Part I, S. 4 f.; Mom, S. 322 ff. 121 Den vertraglichen und damit einverständlichen Charakter der Vereinbarung arbeiten Arons/van Boom, 21 EBLR (2007) 857, 868 heraus.
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Einverständnis im gesamten niederländischen Privatrechtssystem deutlich.122 Ein weiterer wichtiger Ausdruck dessen ist, dass das Verfahren keinerlei vorhergehende gerichtliche Feststellung der Haftung erfordert. Es soll vielmehr auch explizit ohne eine solche auskommen und so Unsicherheiten und Rechtsstreit entgegenwirken (vgl. Art. 7:900 I BW).123 Ungeachtet dessen war mit einem Vergleich allein nicht die erwünschte Breitenwirkung zu erzielen, für die schließlich die US-amerikanische class action als Vorbild diente.124 Der geschlossene Vergleich kann daher in einem zweiten Schritt auf Antrag der Vertragsparteien an den gerechtshof Amsterdam gem. Art. 1013–1018 und 261 ff. WBR für verbindlich erklärt werden.125 Das Gericht überprüft dazu den in Art. 7:907 II BW vorgesehenen Pflichtinhalt sowie alle weiteren in Art. 7:907 III lit. b-h BW festgelegten Bedingungen, darunter insbesondere die Repräsentativität der im Namen der Geschädigten handelnden Organisa tion(en) sowie die Angemessenheit der Vereinbarung insgesamt. Jeder Geschädigte hat im Rahmen dieser Prüfung die Möglichkeit, eine Verteidigungsschrift einzureichen sowie sich vor Gericht zu äußern (Art. 1013 V 4 und VII WBR). Entspricht das Gericht dem Antrag, erlangt der Vergleichsvertrag die Wirkung eines Feststellungsvertrages (Art. 7:908 I BW) und das weitere Verfahren folgt dem opt out-Prinzip. Der Vertrag wird den Geschädigten bekannt gemacht und bindet alle unter ihnen, die nicht innerhalb einer vom Gericht bestimmten Frist von mindestens drei Monaten erklären, dass sie dies nicht wünschen. Im Vertrag kann gem. Art. 7:908 IV BW bestimmt werden, dass der Vergleich insgesamt seine Wirkung verliert, wenn mehr als eine bestimmte Anzahl von Geschädigten ihn ablehnt. In einem letzten Schritt werden schließlich unter Federführung der verfahrensführenden Interessenorganisation(en), die Ersatzbeträge unter den Geschädigten verteilt. Die Auszahlung erfolgt anhand von Schadenskategorien, die im Vergleichsvertrag festzulegen sind. Schäden werden dementsprechend nicht individuell berücksichtigt. In dieser vierten Phase ist es für die Geschädigten erstmals zwingend, aktiv zu werden. Um eine Entschädigung zu erhalten, müssen sie sich nicht nur ausdrücklich dazu anmelden, sondern darüber hinaus ihre Zugehörigkeit zu derjenigen Schadenskategorie nachweisen, der sie glauben anzugehören. Im Vergleichsvertrag wird dazu 122 123
2, 4 f.
Vgl. schon oben, Fn. 105. Weber/Van Boom, Contratto e Impresa/Europa 1/2011, 69, 70; Krans, NTBR 1/2005,
124 Die Unterschiede und Vorzüge des WCAM gegenüber dem Vorbild hebt das Ministerium für Sicherheit und Justiz der Niederlande in einem Rundschreiben mit dem Titel „The Dutch ‚Class Action (Financial Settlement) Act‘ (‚WCAM‘)“ hervor, das online unter http://www.rijksoverheid.nl/documenten-en-publicaties/circulaires/2008/06/24/the-dutchclass-action-financial-settlement-act-WCAM.html (zuletzt besucht am 12. 04. 2017) abgerufen werden kann; vgl. dort S. 3 f. 125 Das Verfahren wird ausführlich dargestellt bei Arons/van Boom, 21 EBLR (2007) 857, 869 ff.
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bestimmt, welchen Rechtsweg die Geschädigten gegen die endgültige Feststellung ihrer Entschädigung beschreiten können sowie auch der Verwendungszweck für nicht abgerufene Überschussbeträge. Schon bei Erlass der Regelungen betonte die Politik eindringlich kein Einzelfallgesetz, sondern ein ebenso für andere Massenschadensfälle nützliches Werkzeug geschaffen zu haben.126 Dies bewahrheitete sich insoweit, als seit dem Inkrafttreten des WCAM neben dem Fall DES bisher sieben weitere Vergleiche für verbindlich erklärt wurden. Gleichzeitig aber blieb der Fall DES der bislang einzige von massenhaften Körper- und Gesundheitsschäden, für die das Verfahren vorrangig konzipiert wurde. Durch den Verzicht auf eine sektorale Beschränkung konnte es gleichwohl im Bereich von Massenschäden im Finanz- und Kapitalmarktrecht nützliche Anwendung finden.127 Hierbei profitierte der Mechanismus zum einen von seiner Pilotrolle in Europa sowie zum anderen von dem Umstand, dass US-amerikanische Gerichte zunehmend europäische Anleger aus class action-Verfahren ausschließen, um so die Beklagten ob der unsicheren Anerkennung der Entscheidungen in Europa vor Mehrfachprozessen zu schützen.128 Des Weiteren kann die Verfügbarkeit eines sogar besser geeigneten Forums amerikanischen Gerichten als Argument dienen, ihre Zuständigkeit im Rahmen der sogenannten forum non conveniens-Lehre gänzlich abzulehnen und die Kläger auf die Niederlande zu verweisen.129 Eigeninitiative in den Niederlanden böte den Beklagten so wiederum die Möglichkeit, sich dem gefürchteten amerikanischen Rechtssystem zu entziehen. Vor diesem Hintergrund ist ein neuer europäischer Justizstandort für diese Arten von Massenschadensfällen durchaus wünschenswert und ggf. sogar erforderlich und wird von den Niederlanden mit dem WCAM-Verfahren eröffnet. Um diese Rolle weiter zu festigen wurden die entsprechenden Vorschriften mit Wirkung zum 01. 06. 2013 bereits geändert und neben einigen gesetzes126 Nach den Gesetzesmaterialien war der Weg zur Verbindlichkeit für die bereits geschlossene Vereinbarung im Fall DES zwar der direkte Anlass („directe aanleiding“) für den Gesetzesentwurf, mit Nachdruck habe man sich aber nicht für Gelegenheitsgesetzgebung, sondern für einen allgemeinen Gesetzesrahmen entschieden, anhand dessen auch weitere Vereinbarungen für verbindlichen erklärt werden können, MvT, Wijziging van het BW en het WBR teneinde de collectieve afwikkeling van massaschades te vergemakkelijken, TK 2003–2004, Kamerstuk 29 414, Nr. 3 S. 1; dies erwähnen auch ausdrücklich Krans, NTBR 1/2005, 2 und Klaassen, Ars Aequi 9/2013, 627, 629. 127 Mom, S. 431 f.; Arons/van Boom, 21 EBLR (2007) 857, 866; Tzankova/Lunsingh Scheurleer, 622 Annals AAPSS (2009) 149, 153. 128 Stadler, ZfPW 2015, 61, 71 m. w. N. 129 So der US District Court for the District of New Jersey im Shell-Verfahren, vgl. Mom, a. a. O. (Fn. 127). Wichtige Anhaltspunkte sind dabei u. a. die prozessualen Möglichkeiten gemeinsam vorzugehen sowie die Beweisnähe. Der Verweis auf forum non conveniens wird von den US-amerikanischen Gerichten bekanntlich sehr restriktiv gehandhabt, was wiederum für das WCAM-Verfahren spricht.
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technischen Korrekturen130 an Insolvenzfälle angepasst.131 Auch diese Änderung stand mit der Insolvenz der niederländischen DSB Bank und daraus resultierenden Massenschäden ganz im Zeichen eines aktuellen Anlasses. Das niederländische Insolvenzgesetz (Faillissementswet) ist ähnlich der deutschen Insolvenzordnung im Grundsatz auf eine individuelle Geltendmachung von Insolvenzforderungen ausgerichtet. Gläubiger müssen ihre Forderungen beim Insolvenzverwalter anmelden, der diese vorläufig anerkennen oder bestreiten kann. Im Anschluss müssen die Forderungen individuell verifiziert werden (verificatiefase). Lediglich im Rahmen einer Gläubigerversammlung kann der Insolvenzrichter versuchen, Gruppen aus Insolvenzgläubigern zu bilden, was jedoch weder obligatorisch noch zwingend erfolgreich ist. Aufgrund der mangelnden sektoralen Beschränkung des WCAM-Verfahrens war es dem Insolvenzverwalter nach dem bis zum o. g. Datum geltenden Recht zwar durchaus erlaubt, mit einer oder mehreren Vertreterorganisationen der Gläubiger einen Vergleichsvertrag auszuarbeiten und diesen für verbindlich erklären zu lassen. Jeder Insolvenzgläubiger, der sich im weiteren Verfahren für eine Entschädigung kraft des verbindlichen Vergleichs angemeldet hätte, wäre jedoch verpflichtet gewesen, diese Forderung dann darüber hinaus als Insolvenzforderung anzumelden und individuell verifizieren zu lassen. Diese Hürde ist mit dem Änderungsgesetz entfallen. An die Stelle des zeitaufwändigen und kostspieligen Verifikationsverfahrens kann nun das WCAM-Verfahren treten132 und so der Insolvenzverwalter im Rahmen eines Vergleichsvertrags z. B. Schadensgruppen nach dem Prinzip des damage scheduling bilden. Mit einem für verbindlich erklärten Vergleich wird folglich für jeden Gläubiger festgestellt, welche Forderung ihm gegen die Insolvenzmasse zusteht, sofern er keine opt out-Erklärung abgibt. Er kann demnach seine Forderungen nicht mehr individuell anmelden. Die tatsächliche Befriedigung der so ermittelten Ansprüche durch die Masse bleibt davon gänzlich unabhängig. Am 04. November 2014 wurde der Vergleichsvertrag betreffend die anlassgebende Insolvenz der DSB Bank vom gerechtshof Amsterdam endgültig für verbindlich erklärt.133 130 Dazu zählt z. B. die Öffnung des Verfahrens über Schadensersatzfälle hinaus. Gem. dem neu eingefügten, allgemeiner formulierten Art. 7:907 VII BW kann es nun auch auf solche Übereinkommen angewandt werden, die Personen das Recht verleihen, andere Leistungen zu fordern oder sie auf andere Weise in Anspruch zu nehmen. Der Ursprung dieser jetzt gesetzlich verankerten Anpassung liegt im Dexia-Verfahren, in dem neben einer Schadenersatzpflicht auch die Nichtigkeit bestimmter Wertpapier-Verträge sowie ein Restschuldenerlass übereinkommend geregelt wurde; vgl. MvT, Wijziging van het BW en het WBR en de Faillissementswet teneinde de collectieve afwikkeling van massavorderingen verder te vergemakkelijken, TK 2011–2012, Kamerstuk 33 126, Nr. 3 S. 17 und Klaassen, Ars Aequi 9/2013, 627, 630. 131 Zu dieser im Folgenden kurz dargestellten Anpassung jeweils ebenda MvT, S. 7 ff. und Klaassen; außerdem Ozmis/Tzankova, TCR 2/2012, 33, dort mit Fn. 7. 132 Vgl. jetzt Art. 110 III 1 des Faillissementswet; außerdem Klaassen, Ars Aequi 2013, 627, 630. 133 Gerechtshof Amsterdam, Beschluss vom 04. 11. 2014, ECLI:NL:GHAMS:2014:4560;
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c) Eine Verbandsklage auf Schadenersatz – die motie Dijksma aa) Erster Vorentwurf Seit einigen Jahren gibt es zudem konkrete Überlegungen, wie den für die Geschädigten handelnden Interessenorganisationen ein stärkeres Druckmittel in die Hand gegeben werden kann, ohne dabei dem Verfahren seinen einverständlichen Charakter zu nehmen. Die verschiedenen Vorschläge gehen zurück auf eine Initiative der Parlamentsabgeordneten Sharon Dijksma, die mit einigen Kollegen bereits im November 2011 in einem Antrag gefordert hatte, ein kollektives Schadenersatzverfahren speziell für Verbraucher zu etablieren. Dabei bemängelte sie insbesondere, dass Schäden von repräsentativen Organisationen aufgrund des Ausschlusses in Art. 3:305a III BW nur eingefordert werden können, wenn der Schädiger zu einer freiwilligen Mitwirkung im Rahmen des WCAMVerfahrens bereit ist.134 Der damalige Justizminister Opstelten äußerte sich in erster Reaktion gegenüber dem Antrag zwar grundsätzlich positiv135, betonte jedoch, dass die kollektive Geltendmachung von Schadenersatzforderungen mittels der allgemeinen Verbandsklage aufgrund der individuellen Fragen nach Kausalität, Verschulden und Schadenshöhe nicht zu bewerkstelligen sei. Stattdessen müssten Alternativen gefunden werden.136 Zu deren Umsetzung wurde im Juli 2014 ein erster Vorentwurf137 im Internet öffentlich zur Konsultation gestellt, wonach das WBR um eine kollektive Schadenersatzklage auf der Basis von Art. 3:305a bis 3:305c BW erweitert werden sollte.138 Als zwingende Vorstufe zur Klageerhebung war ein gescheiterter Vergleichsversuch zwischen den Parteien vorgesehen. Im weiteren Verfahrensverlauf sollte das Gericht zunächst über die Haftung des Beklagten dem Grunde nach befinden. Im Anschluss an eine haftungsbegründende Entscheidung strebte der Vorentwurf dann aber wiederum nach einer einverständlichen Lösung der Parteien ggf. mit gerichtlicher Unterstützung. Für Fälle, in denen eine vergleichsweise Einigung nicht erzielt in einem ersten Beschluss vom 13. 05. 2014, ECLI:NL:GHAMS:2014:169 hatte der gerechtshof die Erklärung noch verweigert und Änderungen des Vergleichsvertrags verlangt. 134 Motie van het lid Dijksma C. S., TK 2011–2012, Kamerstuk 33 000 XIII, Nr. 14. 135 Brief van de Minister van Veiligheid en Justitie, TK 2011–2012, Kamerstuk 33 126, Nr. 6 S. 1–3. 136 Ebenda, S. 3–5. Bezüglich deren Umsetzung verweist er zum damaligen Zeitpunkt, ob der anstehenden Wahl, ausdrücklich auf das nachfolgende Kabinett (vgl. ebenda, S. 1), dem er dann aber in gleicher Funktion zunächst wieder angehörte. 137 Voorontwerp van Wet […] teneinde de afwikkeling van massaschade in een collectieve actie mogelijk te maken, TK 2013–2014, Kamerstuk 31 762, Beilage zu Nr. 4 und MvT, a. a. O., Beilage zu Nr. 3; der Vorentwurf sowie alle Konsultationsbeiträge sind auch online abrufbar unter http://www.internetconsultatie.nl/motiedijksma (zuletzt besucht am 12. 04. 2017). 138 Zu dem vorgeschlagenen und im Folgenden kurz skizzierten Verfahrensablauf vgl. auch Stadler, ZfPW 2015, 61, 72 ff.; Bosters e. a., NJB 24/2015, 1584 f.; Arons/Koster, Ondernemingsrecht 16/2014, 687, 688 f.; van Abeelen, NTBR 1/2015, 19, 20 f.; Tzankova, VbR 2015, 178 f.
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Zweites Kapitel: Kollektiver Rechtsschutz de lege lata
werden kann, sah der Vorentwurf mehrere Verfahrensschritte vor, eine solche doch noch gewissermaßen zu erzwingen. Dazu gehörten eine mündliche Verhandlung zwischen den Parteien und dem Gericht und daran anschließend eine Aufforderung des Gerichts an die Parteien einen Schadensregulierungsplan im Sinne des damage scheduling nach dem Vorbild des Art. 7:907 BW vorzulegen sowie die Möglichkeit für das Gericht, die Mitwirkung eines Dritten i. S. e. Mediationsverfahrens anzuordnen. Im letzten Versuch sollte es dem Gericht vorbehalten bleiben, selbst einen Schadensregulierungsplan aufzustellen. Eine gerichtliche Streitentscheidung war jedoch im Vorentwurf nicht vorgesehen. Im Gegenteil sollte auch auf einen gerichtlichen Schadensregulierungsplan ein opt in-Verfahren für die Geschädigten folgen, das bei unzureichender Beteiligung mit der schlichten Feststellung hätte enden können, dass eine kollektive Schadensregelung unterbleiben wird. Im Rahmen der Konsultation sowie auch in der wissenschaftlichen Literatur sah sich der Vorentwurf gemischten Reaktionen, darunter auch heftiger Kritik ausgesetzt. Der einflussreiche Raad voor de Rechtspraak urteilt, die Umsetzung sei „wenig glücklich“, das vorgestellte Verfahren „langwierig und arbeits- und kostenintensiv“ und alles in allem „nicht effektiv, nicht effizient und für den Richter weder ausführ- noch beherrschbar“.139 Nach Ansicht von Bosters e. a. ist es „unklar, wozu der Vorentwurf dienen soll“.140 Hammerstein dagegen äußert „große Bewunderung“ und sieht in dem Vorentwurf eine „sehr gut durchdachte und sorgfältige Regelung“141. Auch für Lemstra „verdient der Vorentwurf eine Fortsetzung in einem […] Gesetzesentwurf“.142 Wullems bescheinigt dem entworfenen Verfahren im Ganzen eine „gute Balance zwischen Vertragsfreiheit und richterlicher Einmischung“.143
bb) Jüngste Entwicklungen Veranlasst durch die – in positiver wie negativer Hinsicht – jedenfalls umfangreiche Kritik an dem Vorentwurf berief der niederländische Justizminister im April 2015 ein Treffen von Vertretern aller Parteien ein, die mit dem Regelungsvorhaben in Zusammenhang standen. Bei dieser Gelegenheit unterbreitete eine Gruppe von Juristen das Angebot, bestimmte besonders streitige Fragen darunter die Zugangsvoraussetzungen für Interessenorganisationen „weiter zu durchdenken“. Auf Bitten des Ministers erarbeitete die Gruppe daraufhin bis
139 Stellungnahme des Raad voor de Rechtspraak zur Konsultation (a. a. O., Fn. 137), online abrufbar unter http://www.internetconsultatie.nl/motiedijksma/reactie/6bee1a0e-247947e9-b6f7-136c3714d122 (zuletzt besucht am 12. 04. 2017). 140 Bosters e. a., NJB 24/2015, 1584, 1594. 141 Hammerstein, in: Holtzer e. a., S. 351, 359. 142 Lemstra, in: Holtzer e. a., S. 389, 401. 143 Wullems, S. 68 ff.
§ 4 Bestandsaufnahme: Kollektiver Rechtsschutz in Deutschland und der EU 105
Oktober 2015 weitergehende Vorschläge144, die auf einer Konferenz in Leiden im Dezember 2015145 erstmals einer eingeladenen Öffentlichkeit vorgestellt wurden. Auf der Grundlage dieser Vorschläge entstand im Justizministerium im Laufe des folgenden Jahres ein endgültiger Gesetzesentwurf146, der am 16. 11. 2016 in die zweite Kammer des Parlaments eingebracht wurde. Dieser jüngste Entwurf übernimmt zwar einzelne Aspekte des Vorentwurfs, weicht aber in weiten Teilen davon ab. Die wohl bedeutendste Veränderung besteht darin, dass das neu entworfene Kollektivverfahren auch mit einer gerichtlichen Entscheidung abgeschlossen werden kann. Der Entwurf sieht ebenso wie schon der Vorentwurf neben einigen Ergänzungen des Art. 3:305a BW insbesondere hinsichtlich der Anforderungen an die dort genannten Interessenorganisationen147 die Einführung eines neuen Titel 14A in das WBR vor. Die darin enthaltenen Normen (Art. 1018c bis 1018m WBR-E) sollen aber auf jedes Kollektivverfahren nach Art. 3:305a und 3:305c BW Anwendung finden. (vgl. Art. 1018b I WBR-E). Auch das Verfahren der schon bestehenden allgemeinen Verbandsklage soll mithin modifiziert werden und erstmals eigenständige prozessuale Regeln erhalten. U. a. würde für sämtliche Verfahren nach Art. 3:305a BW die ausschließliche Zuständigkeit der rechtbank Amsterdam begründet (Art. 1018b III WBR-E). Hervorzuheben ist des Weiteren, dass aufgrund des ausdrücklichen Verweises auf Art. 3:305c BW das Verfahren wohl für alle Organisationen geöffnet würde, die auf der Liste qualifizierter Einrichtungen im Sinne von Art. 4 III UKla-RL bei der Europäischen Kommission eingetragen sind.148 Im Einzelnen enthält Art. 1018c WBR-E zunächst umfangreiche Vorgaben zur Verfahrenseinleitung durch eine Interessenorganisation. Unter anderem wird die klagende Organisation unter Androhung der Unzulässigkeit der Klage verpflichtet, das Verfahren innerhalb von zwei Tagen nach Klageerhebung in einem Klageregister anzumelden (vgl. Art. 1018c II WBR-E). Innerhalb von mindestens drei Monaten ab dem Zeitpunkt der Eintragung können dann weitere Interessenorganisationen i. S. d. Art. 3:305a BW ihrerseits kollektive Forderungen 144 Anbevelingen Juristengroep uitvoering motie Dijksma, TK 2016–2017, Kamerstuk 34 608, Beilage zu Nr. 3; vgl. dazu auch den Brief Van De Minister Van Veiligheid En Justitie, TK 2015–2016, Kamerstuk 31 762, Nr. 4. 145 „Collective Damages Actions in the Netherlands: Practices, Problems and Promises“, vgl. http://www.iief.org/event/leiden-conference/ (zuletzt besucht am 12. 04. 2017). 146 Voorstel van wet, Wijziging van het Burgerlijk Wetboek en het Wetboek van Burgerlijke Rechtsvordering teneinde de afwikkeling van massaschade in een collectieve actie mogelijk te maken, TK 2016–2017, Kamerstuk 34 608, Nr. 2; dazu MvT, a. a. O., Nr. 3. 147 Dazu näher im vierten Kapitel, S. 298 ff. und S. 354 ff. 148 Vgl. auch MvT, a. a. O. (Fn. 146), S. 34 f.; in Art. 1018c V lit. a WBR-E, in Art. 1018d WBR-E und allen Folgeartikeln bezieht sich der Entwurf im Gegensatz zum einleitenden Art. 1018b I WBR-E dann aber nur noch auf Interessenorganisationen i. S. d. Art. 3:305a BW. Art. 3:305c BW taucht nicht mehr auf. Ob es sich dabei um einen Fehler handelt oder systematische Konsequenzen beabsichtigt waren, wird nicht deutlich.
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hinsichtlich desselben Schadensereignisses anhängig machen (vgl. Art. 1018d I WBR-E). Aus dem Kreis aller Interessenorganisationen, die Forderungen anhängig gemacht und im Klageregister eingetragen haben, hat das Gericht dann einen Exclusieve Belangenbehartiger (wörtlich etwa „exklusiver Interessenvertreter“) zu benennen und zudem den Streitgegenstand und die Gruppe der Betroffenen genau zu umschreiben (Art. 1018e II WBR-E). Der Exclusieve Belangenbehartiger handelt fortan als Vertreter sowohl jedes einzelnen Gruppenmitglieds als auch der übrigen Interessenorganisationen, die nicht für das Amt ausgewählt wurden. Sie bleiben zwar Partei, Prozesshandlungen kann jedoch nur der Exclusieve Belangenbehartiger vornehmen (Art. 1018e III WBR-E). Die Entscheidung, wer zum Exclusieve Belangenbehartiger bestimmt wird, ist nicht anfechtbar (Art. 1018e III 2 WBR-E) und ebenfalls im Klageregister bekannt zu machen (Art. 1018e V WBR-E). Sie muss außerdem gemeinsam mit den übrigen Feststellungen des Gerichts allen Gruppenmitgliedern per Brief zur Kenntnis gebracht, bei Gericht zur Einsicht ausgelegt und in den vom Gericht bestimmten Zeitungen veröffentlicht werden. Alle Betroffenen haben daraufhin innerhalb einer Frist von mindestens einem Monat, die ebenfalls durch das Gericht bemessen wird, die Möglichkeit eine Erklärung abzugeben, nach der sie von dem Verfahren nicht gebunden werden wollen (opt out, vgl. Art. 1018f I-III WBR-E). Das eigentliche Verfahren beginnt mit einem vom Gericht auf Antrag des Exclusieve Belangenbehartiger zu bestimmenden Termin, in dem entweder über eine Vergleichsvereinbarung der Parteien oder zur Sache verhandelt wird (vgl. Art. 1018g WBR-E). Eine abgeschlossene Vergleichsvereinbarung kann dem Gericht innerhalb des Termins oder im Anschluss daran zur Billigung vorgelegt werden. Dabei kommt die Mehrheit der Vorschriften des WCAM zur Anwendung (vgl. Art. 1018h WBR-E). Eine opt out-Möglichkeit im Anschluss an die Verbindlichkeitserklärung ist allerdings nicht vorgesehen. Handelt es sich bei dem betreffenden Verfahren um eine Verbandsklage auf Schadenersatz kann das Gericht die Vorlage eines Vergleichsentwurfs durch die Parteien verbindlich anordnen (Art. 1018i I WBR-E). Können sich die Parteien dennoch nicht einigen, ergeht auf der Grundlage des vorgelegten Entwurfs und ggf. mit der Hilfe von Sachverständigen ein Urteil, mit dem das Gericht die Schadensabwicklung möglichst anhand von verschiedenen Schadenskategorien feststellt (Art. 1018i II und III WBR-E). Dieses Urteil muss auf die gleiche Weise wie zuvor die Entscheidung über den Exclusieve Belangenbehartiger bekanntgemacht werden (vgl. Art. 1018j WBR-E). Personen, denen ein Schaden erst nach Bekanntmachung des Exclusieve Belangenbehartiger oder sogar erst nach Erlass des Urteils bekannt wird, haben ausnahmsweise auch nachträglich das Recht, sich im Wege eines opt out von der Rechtskraft loszusagen (vgl. Art. 1018k II WBR-E). Reaktionen aus Wissenschaft und Praxis auf den neuen Gesetzesentwurf lagen angesichts der Kürze der Zeit bei Abschluss dieser Arbeit noch nicht vor.
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Seit Beginn des Jahres 2017 ruht zudem das parlamentarische Gesetzgebungsverfahren aufgrund der niederländischen Parlamentswahl am 15. 03. 2017. Die zukünftige Entwicklung bleibt daher ein weiteres Mal abzuwarten.
2. in Frankreich a) Bisherige Kollektivverfahren des Code de la Consommation Der Code de la Consommation kennt zum jetzigen Zeitpunkt fünf verschiedene kollektive Rechtsschutzmechanismen, wobei unterschieden werden muss zwischen Verfahren im kollektiven – überindividuellen – Interesse aller Verbraucher einerseits (vgl. Livre 4 Titre 2 Chapitre 1 CCons) sowie Verfahren zur gebündelten Geltendmachung von Individualinteressen andererseits (vgl. Livre 4 Titre 2 Chapitre 2 und 3 CCons). Drei der fünf Mechanismen sind der ersten Gruppe zuzuordnen und nach dem Modell der Prozessführung im öffentlichen Interesse darauf gerichtet, verbraucherfeindliche Praktiken zu unterbinden und Schäden von der Gesamtheit der Verbraucher abzuwenden. Obwohl sie damit nicht dem Repräsentationsprinzip unterfallen, sollen sie für das Gesamtverständnis kurz skizziert werden. Zum einen, da die Idee einer Geltendmachung eines Kollektivinteresses in Frankreich ihren Ursprung nahm149, zum anderen aber insbesondere, da die Anforderungen an die tätigen Verbände für alle fünf Mechanismen weitgehend einheitlich ausgestaltet sind (vgl. Livre 4 Titre 1 CCons). Die bekannteste kollektive Klageform, die action civile ist zugleich die bislang praktisch Bedeutendste150 des französischen Rechts. Neben den Verbraucherverbänden steht sie gem. Art. L421-1 II CCons auch den in Art. L211-1 des Code de l’action sociale et des familles genannten Verbänden offen, die die Interessen von Familien vertreten. Bei der action civile handelt es sich dem Grunde nach um eine allgemeine Klageform, niedergelegt in Art. 2 Code de procédure penale, mit der zivilrechtliche Ansprüche, die durch eine Straftat entstehen, entweder als herkömmliche Haftungsklage vor den Zivilgerichten oder aber im Wege einer Adhäsionsklage vor den Strafgerichten geltend gemacht werden können. Entsprechend akkreditierten Verbraucherverbänden verleiht Art. L421-1 CCons das Recht, Schäden am Kollektivinteresse aller Verbraucher auf diesem Weg einzufordern. Des Weiteren werden sie ermächtigt die Unterlassung und Beseitigung verbraucherschädigender Praktiken (Art. L421‑2 Satz 1 1. Var. CCons) sowie die Beseitigung unzulässiger Vertragsklauseln (Art. L421-2 Satz 1 2. Var. CCons) im Klagewege durchzusetzen. In allen Fällen ist eine Klage tatbestandlich nur möglich, wenn eine Straftat vorliegt, die eine 149 Beuchler/Mom, in: Micklitz/Stadler, Gruppenklagen, S. 111, 127; ausführlich zu dieser Entwicklung in der Rechtsprechung Beuchler, in: Micklitz/Stadler, Verbandsklagerecht, S. 116 ff. m. w. N.; Franke, S. 121 ff. 150 Puttfarken/Franke, in: Basedow/Hopt/Kötz/Baetge, S. 149; Beuchler, in: Micklitz/ Stadler, Verbandsklagerecht, S. 93 f.
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Zweites Kapitel: Kollektiver Rechtsschutz de lege lata
Beeinträchtigung des oder einen Schaden am kollektiven Verbraucherinteresse verursachen kann und in der das angegriffene Verhalten, die Klausel oder der geltend gemachte Schaden seine Grundlage hat.151 Neben der action civile stehen die ebenfalls dem kollektiven Verbraucherinteresse dienende action en suppression de clauses abusives gem. Art. L421‑6 Satz 2 CCons sowie die action en cessation de pratiques illicites gem. Art. L421‑6 Satz 1 CCons. Wo Art. L421‑2 Satz 1 CCons eine Straftat voraussetzt, ermöglichen diese ein Vorgehen gegen missbräuchliche Vertragsklauseln bzw. verbraucherschädigende Praktiken insgesamt und dienen so auch der Umsetzung der Klausel- bzw. UKla-Richtlinie.152 Waren beide bei ihrer Entstehung noch ausschließlich auf Beseitigung und Unterlassung gerichtet, erlaubt die Rechtsprechung zwischenzeitlich in höchstrichterlicher Rechtsfortbildung auch Schadenersatzklagen der Verbraucherverbände wegen Schäden am kollektiven Verbraucherinteresse aufgrund von missbräuchlichen Klauseln.153 Erstmals in den 1980er Jahren kamen unter dem Eindruck der US-amerikanischen class action sowie des recours collectif der kanadischen Provinz Quebec Überlegungen zu einer Gruppenklage auf. Obwohl der Bedarf insbesondere für die Durchsetzung von Streu- und Bagatellschäden gesehen wurde, scheiterten die Ideen jedoch auf politischer Ebene.154 Stattdessen führte der französische Gesetzgeber 1992 die heute in Art. L422‑1 bis 422‑3 CCons niedergelegte action en répresentation conjointe ein. Im Gegensatz zu den bisher beschriebenen Verfahrensformen ist sie auf die Geltendmachung individueller Schadenersatzansprüche mehrerer Verbraucher gerichtet. Mindestens zwei natürliche Personen, die zugleich Verbraucher sein müssen („plusieurs consommateurs, personnes physiques“) und durch dieselbe Handlung desselben Unternehmers („le fait d’un même professionnel“) geschädigt wurden, haben die Möglichkeit einen akkreditierten Verbraucherverband mit der Geltendmachung ihrer Ansprüche zu beauftragen. Der Verband kann nur für diejenigen handeln, die ihn ausdrücklich und schriftlich mandatiert haben. Abgesehen von einzelnen Sonderregelungen in Art. R422‑2 CCons gelten für das Mandatsverhältnis die allgemeinen Regelungen der Beauftragung (Art. 1984 ff. CC) sowie der Prozessvertretung (Art. 411 ff. CPC).155 Ohne eine anderweitige Parteivereinbarung führt der Verband das Verfahren mithin unentgeltlich (Art. 1986 CC). Vor Gericht nimmt er dabei eine noch nicht vollständig geklärte Zwitterstellung 151 Dazu Puttfarken/Franke, in: Basedow/Hopt/Kötz/Baetge, S. 149, 152 f.; Beuchler, in: Micklitz/Stadler, Verbandsklagerecht, S. 87. 152 Beuchler, in: Micklitz/Stadler, Verbandsklagerecht, S. 80 und 98. 153 Ebenda, S. 95 f.; Franke, S. 110 ff. 154 Beuchler/Mom, in: Micklitz/Stadler, Gruppenklagen, S. 111, 128 f.; Rebeyrol, Recueil Dalloz 16/2014, 940 f.; Franke, S. 166 ff. m. w. N.; Beuchler, in: Micklitz/Stadler, Verbandsklagerecht, S. 126 f. 155 Jew. ebenda Franke, S. 172; Beuchler, S. 133.
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ein. Adressat gerichtlicher Ladungen, Anordnungen und Zustellungen bleibt zwar jeder einzelne Verbraucher, sie werden aber gem. Art. R422‑4 CCons an den Verband gerichtet, dem auch die Verfahrensführung in Eigenverantwortung obliegt.156 Gleichzeitig trifft ihn eine Informationspflicht gegenüber seinen Mandaten gem. Art. R422‑6 CCons. Wiederum unübersichtlicher wird die Situation bei Einschaltung eines Rechtsanwalts. Die Verteilung der Prozesskosten unterliegt ebenfalls der Parteivereinbarung. Ein besonderes Verfahren ist dagegen nicht vorgesehen, sodass die auf Schadenskompensation gerichtete action en répresentation conjointe sowohl als Haftungsklage vor einem Zivilgericht nach dem allgemeinen Code de procédure civile wie auch als action civile vor einem Strafgericht denkbar ist.
b) Die neue action de groupe Auf die action en répresentation conjointe folgten mehrere Jahre des Stillstands auf dem Gebiet, während insbesondere die skandinavischen Mitgliedsstaaten die Idee des kollektiven Rechtschutzes in Europa vorantrieben. Nachdem auch einige weitere Berichte und darauf basierte Vorstöße für eine Gruppenklage keine politische Mehrheit fanden157 und Frankreich auf europäischer Ebene stets als vehementer Gegner entsprechender Initiativen auftrat, formierte sich Widerstand. Zunächst legten die Senatoren Laurent Béteille und Richard Yung dem französischen Senat im Mai 2010 den Bericht einer von ihnen geführten Arbeitsgruppe sowie anschließend im Dezember 2010 einen Gesetzesentwurf zur Einführung einer action de groupe in das französische Recht vor.158 Im Rahmen der öffentlichen Konsultation „Kollektiver Rechtsschutz: Hin zu einem kohärenten, europäischen Ansatz“159 der EU-Kommission sprach sich zudem, offenbar organisiert durch Verbraucherorganisationen, eine Vielzahl französischer Bürger für die Einführung eines Gruppenklagemechanismus aus.160 Diese Entwicklungen sowie wohl auch der Wechsel von Präsident und Regierung zu den Sozialisten bei den Wahlen im Mai und Juni 2012 veranlassten den französischen Gesetzgeber zum Umdenken. Unter Federführung des dem französischen Wirtschaftsministers beigeordneten Ministers für soziale Ökonomie und Solidarität Benoît Hamon wurde der Entwurf aus 2010 als Teil eines umfangreichen Gesetzes relative à la consommation wiederaufgegriffen und mit ihm am 13. Februar 2014 von der Assemblée Nationale verabschiedet. Das 156
Beuchler/Mom, in: Micklitz/Stadler, Gruppenklagen, S. 111, 166 f.; Franke, S. 173 f. Klötgen, in: Schulze, S. 199, 208; Molfessis, Recueil Dalloz 16/2014, 947. 158 Klötgen, ebenda; der Bericht ist online abrufbar unter http://www.senat.fr/noticerapport/2009/r09-499-notice.html (zuletzt besucht am 12. 04. 2017), der Entwurf ebenfalls unter http://www.senat.fr/leg/ppl10-201.html (zuletzt besucht am 12. 04. 2017). 159 Dazu schon oben S. 38 f. 160 Die rund 19.000 Einzelstellungnahmen stammten weitestgehend von französischen und deutschen Bürgern, vgl. KOM(2013) 401 endgültig, S. 6 und dort Fn. 23. 157
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Änderungsgesetz trat am 17. März 2014 in Kraft und ergänzte u. a. das heutige dritte Kapitel in Livre 4, Titre 2 des Code de la Consommation. Angesichts der langjährigen Vorgeschichte dürfte das zeitliche Zusammentreffen mit der Empfehlung der EU-Kommission betreffend den kollektiven Rechtsschutz, anders als Rohlfing-Dijoux meint, jedoch lediglich Zufall sein. Obwohl das neue Gesetz einzelne Aspekte der Empfehlung umsetzt, kann nicht davon gesprochen werden, das französische Recht habe eine Gruppenklage „erst durch den Impuls des europäischen Rechts in Form der […] Empfehlung“ zugelassen.161 Die neuen Art. L423‑1 bis L423‑26 CCons regeln einen kollektiven Klagemechanismus, genannt action de groupe, der jedoch erst seit dem 01. Oktober 2014 verfügbar ist. Auch hier obliegt die Tätigkeit den akkreditierten Verbraucherverbänden, die individuelle Schadenersatzansprüche von Verbrauchern gebündelt geltend machen können, die aus einer Verletzung vertraglicher oder gesetzlicher Pflichten durch den- oder dieselben Unternehmer rühren. Der Anwendungsbereich ist dabei auf Kauf- und Dienstleistungsverträge sowie follow on-Klagen wegen kartellrechtlicher Verstöße gegen den französischen Code du Commerce oder die Art. 101 und 102 AEUV beschränkt (Art. L423‑1 CCons). Besondere Verfahrensvorschriften finden sich in den neuen Art. R423‑1 bis R423‑25 CCons, im Grundsatz gilt jedoch der CPC. Das Gericht entscheidet zunächst in einer ersten Verfahrensstufe über die Zulässigkeit des Gruppenverfahrens sowie anhand von ausgewählten Beispielsfällen über die Haftung des Beklagten. Hält es diese dem Grunde nach für gegeben, legt es im Urteil darüber hinaus den Kreis der entschädigungsberechtigten Verbraucher, den jedem Einzelnen zustehenden Ersatzbetrag sowie die Modalitäten fest, wie die Gruppenmitglieder zu informieren sind und innerhalb welcher Frist und wem genau sie ihr Einverständnis erklären müssen (Art. L423‑3 bis L423‑5 CCons). Erst wenn dieses Urteil der ersten Phase in Rechtskraft erwachsen ist, beginnt die Zusammenstellung der Gruppe und die einzelnen Verbraucher können nach dem opt in-Prinzip durch eine fristgerechte Erklärung, die an den Beklagten, den Verband oder einen speziellen Beauftragten zu richten ist, eine Bindungswirkung entstehen lassen.162 Im Anschluss erfolgt in einer dritten Stufe die Verteilung des Ersatzbetrages an die Gruppenmitglieder. In dieser zeitlichen Abfolge liegt gleichzeitig eine der wesentlichen Besonderheiten des Verfahrens, hat sie doch zur Folge, dass eine rechtskräftige Entscheidung über den Haftungsgrund in dem Moment bereits vorliegt, in dem der Verbraucher über seinen Beitritt entscheiden muss.163 Für ihn entfällt daher jegliches Risiko, dem Grunde nach 161
So aber Rohlfing-Dijoux, EuZW 2014, 771. die Verfahrensdarstellung bei Roskis/Jaffar, Cahiers de droit de l’entreprise, Nr. 4 aus Juli 2013, dossier 25, dort 3 C; Mainguy/Depincé, JCP E Nr. 12, 20. März 2014, S. 1144 ff. dort 2 B; Rohlfing-Dijoux, EuZW 2014, 771, 772; Stadler, ZfPW 2015, 61, 67 f.; Bien, NZKart 2014, 507, 508; Voet, 4 Int. J. Proc. L. (2014) 97, 125 f. 163 Molfessis, Recueil Dalloz 16/2014, 947, 949. 162 Vgl.
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zu unterliegen. Ausschließlich der Nachweis des eigenen Schadens164 muss geführt werden. Umgekehrt wird die Risikobewertung für den oder die beklagten Unternehmer enorm erschwert, sind doch bei Verfahrensbeginn praktisch weder der Umfang des letztlich geforderten Schadenersatzes noch Anzahl und Zusammensetzung der Anspruchsgegner im Einzelnen erkennbar.165 Neben dem eigentlichen dreistufigen Verfahren sieht das neue Gesetz einen vereinfachten Verfahrensmodus für Fälle vor, in denen die geschädigten Verbraucher insgesamt von Beginn an bekannt sind (vgl. Art. L423‑10 CCons) sowie außerdem ein Mediationsverfahren zwischen Verband und Beklagtem, dessen Vergleichsergebnis vom Gericht für verbindlich und vollstreckbar erklärt werden kann (vgl. Art. L423‑15 und L423‑16 CCons).
c) Praktische Anwendung der action de groupe Bis zum Ende des Jahres 2016 wurden insgesamt neun actions de groupe eingeleitet. Unmittelbar am 01. Oktober 2014, dem Tag des Inkrafttretens, erhob die Verbraucherorganisation Union féderale des consommateurs (UFC-Que choisir) im Namen von rund 318.000 Mietern die erste action de groupe gegen die Immobilienverwaltungsgesellschaft Foncia. UFC-Que Choisir wirft Foncia vor, über viele Jahre gesetzeswidrig eine monatliche Fälligkeitsmitteilung mit einer Gebühr von 2,30 Euro pro Mieter in Rechnung gestellt zu haben und verlangt für einen Zeitraum von fünf Jahren einen Gesamtschadenersatz von 44 Millionen Euro.166 Bereits Ende Oktober 2014 folgte die Confédération de la Consommation, du Logement et du Cadre de Vie (CLCV) mit einer weiteren action de groupe gegen den Versicherungskonzern AXA sowie die Sparervereinigung AGIPI. CLCV macht geltend, die Beklagten hätten gegen ihre vertraglichen Pflichten aus einem Lebensversicherungsvertrag verstoßen, den AXA vermittelt durch AGIPI mit mehreren 100.000 Verbrauchern abschloss. In seiner Fassung bis Juni 1995 habe der Vertrag einen jährlichen Mindestzinssatz von 4,5 % auf unbestimmte Zeit garantiert, woran die Beklagten nach Meinung der CLCV ungeachtet dessen gebunden blieben, dass sie die Vertragsbedingungen nicht nur in Neuabschlüssen ab Juli 1995 sondern auch in Bestandsverträgen 164 Allein darin besteht aber weiterhin eine mögliche Hürde für ein effektives Verfahren, vgl. Bien, NZKart 2014, 465, 466. 165 Molfessis, a. a. O. (Fn. 163), 950 f.; Rohlfing-Dijoux, EuZW 2014, 771, 772. 166 Vgl. den Internetauftritt von UFC-Que Choisir unter http://www.quechoisir.org/droitsjustice/systeme-judiciaire/action-en-justice/communique-l-ufc-que-choisir-lance-la-premiereaction-de-groupe-contre-foncia-groupe-44-millions-d-euros-doivent-etre-reverses-auxlocataires (zuletzt besucht am 12. 04. 2017) oder auch Pressestimmen der Zeitung Le Monde, http://www.lemonde.fr/vous/article/2014/10/01/le-groupe-foncia-vise-par-la-premiere-actionde-groupe-francaise_4498216_3238.html (zuletzt besucht am 12. 04. 2017) oder des Figaro, http://www.lefigaro.fr/immobilier/2014/10/01/05002-20141001ARTFIG00052-des-loc ataires-intentent-la-premiere-action-de-groupe-contre-foncia.php (zuletzt besucht am 12. 04. 2017).
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ohne Zustimmung der Vertragspartner änderten. Der Verband geht von einem durchschnittlichen Schaden von 1.500 bis 4.000 Euro pro Sparer, in Einzelfällen durchaus auch von Schäden in Höhe von 5.000 bis zu 15.000 Euro aus und erwartet eine Gesamtersatzsumme von 300 bis 500 Millionen Euro.167 Ebenfalls noch im Jahr 2014 legte die Confédération Nationale du Logement (CNL), ein republikweit tätiger Mieterschutzverband action de groupe gegen die Vermietungsgesellschaft für Sozialwohnungen Immobilière 3FK ein. Klagegrund ist in diesem Fall eine für missbräuchlich gehaltene und in sämtlichen von ca. 190.000 Mietverträgen enthaltene Klausel, wonach für jede verspätete Zahlung der Gesamtmiete, eines Teils der Miete oder anderer Gebühren eine Strafzahlung in Höhe von 2 % verlangt werden kann.168 Schließlich strengte die Pariser Untergliederung des Gewerkschaftsbundes der Familien (Confédération Syndicale des Familles, SLC-CSF Paris) noch im Oktober 2014 eine action de groupe gegen Paris Habitat-OPH, ebenfalls eine soziale Wohnungsbauagentur, an. SLC-CSF Paris verlangte Ersatz dafür, dass die Paris Habitat-OPH ihren Mietern rechtswidrig in den Jahren 2013 und 2014 Kosten für Wartung und Unterhaltung von Videoüberwachungsanlagen in den Aufzügen ihrer Objekte i. H. v. jährlich ca. 10 Euro pro Mieter im Wege der Mietnebenkosten auferlegt hatte. Die Parteien traten jedoch bereits kurz nach Klageerhebung in außergerichtliche Verhandlungen ein und einigten sich im Mai 2015, woraufhin SLCCSF Paris die Klage im Gegenzug zu einer Entschädigung aller ca. 100.000 betroffenen Mieter in einer Gesamthöhe von ca. zwei Millionen Euro zurücknahm.169 Im Jahr 2015 kamen vier weitere actions de groupe hinzu. Seit Mai 2015 geht der Verband Familles Rurales gegen den Mobilfunkanbieter SFR vor und fordert den Ersatz individueller Schäden wegen unlauteren Wettbewerbs bei der Vermarktung von Mobilfunkverträgen. Familles Rurales baut dabei auf einer bereits anhängigen Klage im kollektiven Verbraucherinteresse gegen sämtliche französischen Mobilfunkunternehmen aus dem Jahr 2013 auf. Die Klägerin wirft SFR vor, das Unternehmen habe einer Mehrheit seiner Kunden vorgespiegelt, eine mobile Internetnutzung mit der Geschwindigkeit 4G sei in den meisten Teilen Frankreichs verfügbar. Daraufhin hätten viele Kunden einen im Vergleich teureren Mobilfunkvertrag abschlossen und zum Teil neue Geräte erworben, obwohl SFR bei Vertragsabschluss bekannt gewesen sei, dass sie am jeweiligen Aufenthaltsort gar nicht auf die Technik würden zugreifen kön-
167 http://www.CLCV.org/communiques-de-presse/la-CLCV-lance-une-action-de-grou pe-contre-axa-et-agipi.html (zuletzt besucht am 12. 04. 2017). 168 http://www.lacnl.com/dossier-de-presse-action-de-groupe-de-la-cnl-contre-immo bili%C3 %A8re-3-f (zuletzt besucht am 12. 04. 2017). 169 http://www.la-csf.org/spip.php?article920 (zuletzt besucht am 12. 04. 2017).
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nen.170 Im August 2015 erhob eine andere Untergliederung des Verbandes, die Familles Rurale Mobil Homes eine action de groupe gegen den Campingplatzbetreiber Manoir de Ker an Poul, der in seinen AGB die Benutzung des Campingplatzes mit Mobilheimen verboten hatte, die älter sind als 15 Jahre.171 In einem anderen Bereich des Verbraucherschutzes reichte wiederum CLCV im Dezember 2015 action de groupe gegen die Motorradsparte der BMW AG ein. BMW Motorrad hatte zuvor eines ihrer Motorradmodelle wegen Sicherheitsmängeln an dem hinteren Stoßdämpfer zurückgerufen. Betroffen waren rund 8000 Maschinen weltweit, davon ca. 1.300 in Frankreich. Die Klage des CLCV wendet sich nicht gegen die Rückrufaktion als solche, sondern die unterschiedliche Behandlung amerikanischer gegenüber europäischen – im speziellen französischen – Kunden. Während die Letztgenannten lediglich einen Gutschein in Höhe von 500 Euro einlösbar innerhalb eines Jahres in einer BMW Filiale erhalten hätten, habe BMW Motorrad amerikanischen Kunden verschiedene Wahlmöglichkeiten geboten, darunter 2.500 Dollar Entschädigung in bar oder alternativ den Ersatz ihres Motorrads durch ein Neues mit bis zu 1000 Dollar mehr Wert.172 Im Jahr 2016 wurden schließlich zwei weitere actions de groupe auf den Weg gebracht, die sich beide gegen den Finanzdienstleister BNP Paribas richten und jeweils auf einer vorherigen Verurteilung wegen unlauteren Wettbewerbsverhaltens aufbauen. Seit Oktober 2016 begehrt UFC Que Choisir Schadenersatz wegen Prospekthaftung und macht geltend, BNP Paribas habe bei der Vermarktung einer Kapitalanlage mit der Verdreifachung des Anlagebetrages geworben und jedenfalls die Rückzahlung des eingezahlten Betrages garantiert. Dabei sei aber nicht auf eine Gebühr in Höhe von rund 10 % des Anlagebetrages für den Beitritt zu der Anlage und ihre Verwaltung hingewiesen worden. Zwischen 2.000 und 5.000 Anleger hätten so einen Schaden von rund 27,8 Millionen Euro erlitten.173 Im zweiten Fall stützt der Verband CLCV eine action de groupe auf die falsche bzw. unzureichende Beratung und Aufklärung von rund 4700 Kreditnehmern. Der betroffene und im Zeitraum von 2008–2010 abgeschlossene Immobilienkredit war an den Schweizer Franken gekoppelt. Infolge eines Wertverlustes des Euro gegenüber dem Franken von bis zu 32 % sahen sich die Kreditnehmer enormen Rückzahlungsbegehren ausgesetzt. CLCV macht geltend, die Bindung an den Wechselkurs und das damit ver170 http://www.famillesrurales.org/Actus-1604/premiere-action-de-groupe-dans-le-secte ur-des-telecoms (zuletzt besucht am 13. 09. 2016). 171 http://www.famillesrurales.org/mobil-homes/Contenu.php?article=33&arbo=12 (zuletzt besucht am 12. 04. 2017). 172 http://www.clcv.org/nos-actions-en-justice/les-motards-demandent-des-comptes-abmw.html (zuletzt besucht am 12. 04. 2017). 173 https://www.quechoisir.org/action-ufc-que-choisir-commercialisation-du-placementjet-3-action-de-groupe-contre-bnp-paribas-n22389/ (zuletzt besucht am 12. 04. 2017).
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bundene Risiko sei den Kreditnehmern bei Vertragsabschluss jedenfalls nicht hinreichend erläutert worden.174 Zwischenzeitlich bemühte sich auch eine Privatinitiative um ein Klageverfahren. Zahlreiche Nutzer der RER A, einer Regionalbahnlinie vom Pariser Zentrum in die Vororte, nach eigenen Angaben mit ca. einer Million Reisenden pro Tag die meistgenutzte Bahnlinie Frankreichs, schlossen sich zu einem Kollektiv zusammen, um gegen massive tägliche Probleme vorzugehen. Sie gaben an, durch technische oder streikbedingte Ausfälle, Verspätungen und andere Verzögerungen würden inzwischen regelmäßig enorme Schäden entstehen, beispielweise indem Arbeitnehmer gekündigt oder faktisch zum Wechsel auf das Auto mit hohem Kostenaufwand gezwungen würden. Mangels Kooperationsbereitschaft der französischen Staatsbahn SNCF trat das Kollektiv an den Verbraucherverband UFC-Que Choisir mit der Bitte heran, eine action de groupe zu erheben. Der Verband lehnte jedoch ab.175 Insgesamt ist die im Oktober 2014 neu eingeführte Klageform damit in den ersten zwei Jahren ihrer Existenz nahezu ebenso oft zur Anwendung gebracht worden wie die action en répresentation conjointe in über 20 Jahren. Von den neun genannten Verfahren wurde eines zwischenzeitlich vergleichweise beendet und ein weiteres befindet sich nach Abweisung in erster Instanz im Berufungsverfahren. In den übrigen Sieben stand die erstinstanzliche Entscheidung bei Abschluss dieser Arbeit noch aus.176 Alle bisherigen Anwendungsfälle sind dabei klassische Beispiele für Verbraucherrechtsstreitigkeiten, die Mehrzahl unter ihnen sogar im Bereich der Streuschäden.
3. in anderen EU-Mitgliedsstaaten im Überblick Die ältesten gesetzlichen Regelungen dieser Art enthalten das Gesetz Nr. 83/95177 vom 31. 08. 1995 in Portugal sowie die spanische Zivilprozessordnung178. Das portugiesische Gesetz Nr. 83/95 bildet eine einfachgesetzliche Ausgestaltung des Art. 52 III der portugiesischen Verfassung, der eine Garantie des Zugangs zu Gericht im Wege der Popularklage enthält. Die acção popular ist im Zivil- und auch im Verwaltungsrecht möglich. Ihre zivilrechtliche 174 http://www.clcv.org/actualites/credit-immobilier-en-franc-suisse-la-clcv-engage-uneaction-de-groupe-contre-bnp-ppf.html (zuletzt besucht am 12. 04. 2017). 175 Vgl. die Pressestimmen u. a. der Zeitung Le Monde, http://www.lemonde.fr/economie/ article/2015/03/03/des-usagers-du-rer-a-lancent-une-action-de-groupe_4586227_3234.html oder des Figaro, http://www.lefigaro.fr/conso/2015/03/03/05007–20150303ARTFIG00035premiere-action-de-groupe-d-usagers-du-rer-a-contre-la-sncf.php (jew. zuletzt besucht am 12. 04. 2017). 176 Vgl. die Übersicht unter http://www.conso.net/content/laction-de-groupe-consom mation-9-actions-introduites-en-deux-ans (zuletzt besucht am 12. 04. 2017). 177 Lei Nº 83‑95 – Direito de participação procedimental e de acção popular. 178 Ley 1/2000, de 7 de enero, de Enjuiciamiento Civil; der spanische Originaltext kann in der jeweils aktuellsten Fassung abgerufen werden unter http://www.boe.es/buscar/doc. php?id=BOE-A-2000-323 (zuletzt besucht am 12. 04. 2017).
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Form verbindet die Geltendmachung gebündelter Individualansprüche mit der diffuser, überindividueller Interessen. Alle Anspruchsinhaber, die nicht durch ein Urteil gebunden sein wollen, müssen eine entsprechende opt out-Erklärung abgeben. Andernfalls wird durch Urteil einerseits eine globale Schadenersatzsumme für die Verletzung derjenigen Interessen bestimmt, die nicht individuell identifizierbar sind (Art. 22 II des Gesetzes Nr. 83/95) und andererseits über die erfassten Individualansprüche im Einzelnen entsprechend des jeweils erlittenen und nachgewiesenen Schadens entschieden (Art. 22 III des Gesetzes Nr. 83/95).179 Im Rahmen ihrer Neufassung im Jahr 2000 wurden auch in die spanische Zivilprozessordnung vereinzelt Regelungen zur kollektiven Geltendmachung individueller Ansprüche aufgenommen. Das Gruppenverfahren ist dabei auf Verbraucherforderungen beschränkt und unterscheidet zunächst zwischen kollektiven und diffusen Verbraucherinteressen und des Weiteren an verschiedenen Stellen wie die portugiesische Regelung nach dem Kriterium der Bestimmtheit der Geschädigten.180 Praktische Bedeutung haben jedoch weder die portugiesische noch die spanische Gruppenklage erlangt.181 Etwas anderes gilt für Österreich, das sich mit der sogenannten „Sammelklage österreichischer Prägung“ einen Namen gemacht hat. Dabei handelt es sich in Wirklichkeit gar nicht um einen echten kollektiven Klagemechanismus, sondern im Kern lediglich um die Bündelung individueller Ansprüche mithilfe von Abtretungen. Der in der Praxis entwickelte Mechanismus wurde durch die höchstrichterliche Rechtsprechung bestätigt und weiter zu einer eigenständigen Verfahrensart ausgeformt. Zwischenzeitliche Initiativen, die positiven Erfahrungen in ein echtes Gruppenklageverfahren zu überführen, ruhen jedoch nun bereits seit einigen Jahren.182
a) Dänemark, Norwegen, Schweden, Finnland Eine Vorreiterrolle im Bereich der Gruppenklage zur kollektiven Durchsetzung individueller Ansprüche hatten einst die skandinavischen Staaten inne. Das erste Verfahren dieser Art, das auch im übrigen Europa wissenschaftliche Aufmerksamkeit erlangte, trat 2002 in Schweden in Kraft. Zwischenzeitlich verfügen auch Dänemark, Finland und der EWR-Staat Norwegen über einen ähnlichen Mechanismus.
179 Vgl. zur portugiesischen Kollektivklage Gouveia/Garoupa, in: Backhaus/Cassone/ Ramello, S. 342 ff.; außerdem Sauerland, S. 288 f.; Mattil/Desoutter, WM 2008, 521, 524. 180 Vgl. ausführlich Mom, in: Micklitz/Stadler, Verbandsklagerecht, S. 717 ff.; außerdem Burckardt, S. 62 f.; Sauerland, S. 307 ff. 181 Gouveia/Garoupa, in: Backhaus/Cassone/Ramello, S. 342, 349. 182 Den Stillstand kritisiert Klauser, VbR 2015, 182 ff., der zudem einen kurzen Überblick über die „seit 1999 praktizierte Behelfslösung ‚Sammelklage österreichischer Prägung‘“ bietet.
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Das Verfahren nach dem schwedischen Gesetz über Gruppenverfahren (lag om grupprättegång) vom 30. 05. 2002183 ähnelt trotz vielfältiger Bedenken während des Entstehungsprozesses184 in seinen Grundzügen dem class actionVerfahren nach rule 23 der US-amerikanischen Federal Rules of Civil Procedure. Unterschieden werden nach der Person des Klägers, der das Verfahren anwaltlich vertreten (vgl. § 11 LOG) für die Gesamtgruppe der Geschädigten führt, eine private Gruppenklage („enskild grupptalan“, § 4 LOG), eine Organisationenklage („organisationstalan“, § 5 LOG) sowie eine öffentlichen Gruppenklage („offentlig grupptalan“, § 6 LOG). Der größte Teil aller bislang durchgeführten Verfahren hatte die Form einer privaten Gruppenklage, wobei einer der Geschädigten die Rolle des Klägers übernimmt. Bei einer Organisationenklage können bestimmte private Vereinigungen als die Gesamtgruppe repräsentierende Kläger auftreten. Die öffentliche Gruppenklage kann schließlich durch öffentliche Institutionen angestrengt werden, die sich hierfür von der Regierung haben autorisieren lassen. Der Kläger muss gem. § 9 LOG zunächst bei Gericht einen Antrag auf Einleitung eines Gruppenverfahrens stellen. Darin sollten grundsätzlich gem. § 9 II LOG u. a. auch die Namen und Adressen sämtlicher Gruppenmitglieder angeben sein. Auf den Klägerantrag hin prüft das Gericht – ähnlich der Verfahrensstufe der certification bei einer US class action – zunächst die in § 8 LOG genannten allgemeine Zulässigkeitsvoraussetzungen für jedes Gruppenverfahren. Liegen diese vor, wird das Verfahren eröffnet und soweit das LOG keine besonderen Regelungen vorsieht, als Zwei-Parteien-Verfahren nach allgemeinem Prozessrecht (vgl. § 2 II LOG) zwischen dem repräsentativen Kläger und dem beklagten Schädiger geführt. Über die Verfahrenseröffnung sind alle Gruppenmitglieder gem. § 13 LOG zu benachrichtigen. Nur wer daraufhin gegenüber dem Gericht seine Teilnahme am Verfahren ausdrücklich erklärt, wird als Teil der Gruppen berücksichtigt und schließlich von der Rechtskraft der Entscheidung umfasst. Das Verfahren folgt damit, anders als noch bis zuletzt in der gesetzlichen Entwicklung vorgesehen185, dem opt in-Prinzip. Der Anwendungsbereich einer Organisationenklage („organisationstalan“, § 5 LOG) ist grundsätzlich auf den Verbraucher- und Umweltschutz 183 Online abrufbar in schwedischer Originalfassung unter http://www.riksdagen.se/sv/ Dokument-Lagar/Lagar/Svenskforfattningssamling/Lag-2002599-om-grupprattega_sfs-2002599/ (zuletzt besucht am 12. 04. 2017), sowie in englischer Übersetzung unter http://www. government.se/government-policy/judicial-system/group-proceedings-act/ (zuletzt besucht am 12. 04. 2017). Einen guten Überblick über das Gesetz sowie den gesamten kollektiven Rechtsschutz im schwedischen Zivilprozess bieten Lindblom, 622 Annals AAPSS (2009), 231 ff.; ders., in: Maleshin, S. 529 ff. sowie Stadler, in: FS Schlosser, S. 939 ff. 184 Dazu und zum Hintergrund des Gesetzesvorhabens ausführlich Lindblom, 45 Am. J. Comp. L. (1997) 805 ff.; Nordh, 11 Duke J. Comp.& Int. L. (2001), 381 ff.; Stadler, in: FS Schlosser, S. 939, 941 ff. 185 Lindblom, ebenda, S. 805, 825; Nordh, ebenda, S. 381, 399 f.
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beschränkt.186 Das Verfahren kann nach dem Wortlaut des § 5 I LOG nur von gemeinnützigen Vereinen („ideell förening“) geführt werden, die gemäß ihrer Satzung in Streitigkeiten zwischen Verbrauchern und Gewerbetreibenden über Waren, Dienstleistungen oder andere Güter, die der Gewerbetreibende Verbrauchern anbietet, die Interessen von Verbrauchern oder Lohn- und Gehaltsempfängern („konsument- eller löntagarintressen“) vertreten. Besondere Regelungen für den Bereich des Umweltschutzes enthält daneben das Umweltgesetz (Miljöbalk) vom 11. 06. 1998187, das in Kapitel 32 § 13 für die Geltendmachung umweltrechtlicher Schadenersatzansprüche auf das lag om grupprättegång verweist. Anstelle von § 5 I LOG gilt in umweltrechtlichen Fällen jedoch Kapitel 32, § 14 I Miljöbalk, wonach eine Organisationsklage nur erhoben werden kann von gemeinnützigen Vereinen, die gemäß ihrer Satzung die Interessen des Naturund Umweltschutzes („naturskydds- eller miljöskyddsintressen“) wahrnehmen sowie von einem Zusammenschluss von Beschäftigten („sammanslutning av yrkesverksamma“) der Fischerei-, Landwirtschafts- , Forstwirtschafts sowie Rentierhaltungsindustrie. § 14 II erklärt zudem ausdrücklich alle Zusammenschlüsse der in Absatz 1 genannten Organisationen, z. B. also Dachverbände, für klageberechtigt. In allen Fällen fungiert die klagende Organisation lediglich als Repräsentant und darf selbst kein Gruppenmitglied sein.188 Gleichzeitig bleibt die organisationstalan nur solchen Interessenorganisationen vorbehalten, die keine wirtschaftlichen Ziele verfolgen. Das gesamte Gruppenverfahren hat bislang deutlich geringere praktische Bedeutung erlangt, als zunächst erwartet. Im Gegensatz zu den anderen Formen wurde von der Organisationenklage bislang noch nie Gebrauch gemacht.189 Insgesamt wurden während des bald 15-jährigen Bestehens seit der Verabschiedung des Gesetzes zwölf Gruppenverfahren eingeleitet, darunter elf private sowie eine öffentliche Gruppenklage.190 Entgegen der Erwartungen spiegelt sich auch die traditionell starke Rolle des Verbraucherombudsmanns im schwedischen Rechtssystem in der Zahl von einem öffentlichen Gruppenverfahren in zwölf Jahren nicht wieder. 186 Lindblom, ebenda; ders., 622 Annals AAPSS (2009) 231, 234. Eine Ausnahme regelt § 5 III LOG, wonach Streitfragen aus anderen Rechtsgebieten im Verfahren mitentschieden werden können, sofern dies sachgerecht erscheint. 187 In aktueller Fassung, jedoch nur in schwedischer Sprache online abrufbar unter http:// www.riksdagen.se/sv/Dokument-Lagar/Lagar/svenskforfattningssamling/miljobalk-199 8808_sfs-1998-808/#K32 (zuletzt besucht am 12. 04. 2017). Die unter http://www.government. se/sb/d/2023/a/22847 (zuletzt besucht am 12. 04. 2017) verfügbare englische Fassung ist leider veraltet und enthält die Normen zum Gruppenverfahren, die hier von Interesse sind, noch nicht. 188 Vgl. § 4 LOG: „[…] som själv har ett anspråk som omfattas av talan“ im Vergleich zu den §§ 5 und 6 LOG; außerdem Lindblom, in: Maleshin, S. 529, 531. 189 Lindblom, ebenda. 190 Lindblom, ebenda, S. 529; einzelne Verfahren werden beispielhaft dargestellt bei Beuchler/Mom, in: Micklitz/Stadler, Gruppenklagen, S. 111, 149 ff.
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Das dänische Gruppenklageverfahren (gruppesøgsmål) ist seit dem 01. 01. 2008 mit den §§ 254a ff. in die dänischen Zivilprozessordnung (retsplejelovens) integriert.191 Es wird gem. § 254c I von einem grupperepræsentant geführt und ist im Regelfall als opt in-Verfahren ausgestaltet. In dem von § 254e VIII retsplejelovens genannten Sonderfall, dass eine Vielzahl geringer Einzelschäden (Streuschäden) geltend gemacht und ein opt in-Verfahren daher als ineffektiv beurteilt wird, kann sich das entscheidende Gericht jedoch auch für ein opt out-Verfahren entscheiden.192 Als grupperepræsentant kommt gem. § 254c I retsplejelovens ein Mitglied der Gruppe (Nr. 1), ein Verein, eine private Institution oder eine andere Vereinigung (Nr. 2) oder eine Behörde in Betracht, die dazu von Gesetzes wegen ermächtigt wurde (Nr. 3).193 Eine solche Ermächtigung besitzt u. a. der Verbraucherombudsmann, der in den Ausnahmefällen eines opt out-Verfahrens gem. § 254e VIII retsplejelovens als Einziger zum grupperepræsentant bestimmt werden kann (vgl. § 254c II retsplejelovens). Soweit gem. § 254c I Nr. 2 retsplejelovens ein Verein, eine private Institution oder eine andere Vereinigung handelt, setzt das Gesetz voraus, dass das jeweilige Klageverfahren von deren Zweck gedeckt wird.194 Die Vereinigung muss zudem gem. § 254c III retsplejelovens darlegen, dass sie zur Führung des Verfahrens in der Lage ist. Weitere Voraussetzungen hinsichtlich der Übereinstimmung von satzungsmäßigem Zweck und Klageverfahren stellt auch das dänische Gruppenklageverfahren nicht. Allerdings liegt es im Ermessen des ernennenden Richters von dem grupperepræsentant im Einzelfall eine finanzielle Sicherheitsleistung zu verlangen.195 Ähnliches gilt für das mit der Neufassung des norwegischen Gesetzes über die Vermittlung und das Verfahren in bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten (Lov om mekling og rettergang i sivile tvister) am 01. 01. 2008 in Kraft getretene dortige Gruppenklageverfahren (gruppesøksmål). Die Grundvoraussetzungen des Verfahrens enthalten §§ 35-1 und 35-2 des Gesetzes. Es folgt ebenso wie das dänische Verfahren grundsätzlich dem opt in-Prinzip. § 35-7 ermöglicht aber einen Wechsel zum opt out-Prinzip im Fall von Streuschäden.196 Gemäß § 35-3 I kann das Verfahren von jeder Person, die die Voraussetzungen für eine Gruppenmitgliedschaft erfüllt (lit. a) oder von Verbänden, Stiftungen sowie öffentlichen Einrichtungen geführt werden, die mit der Förderung spezifischer 191
Sauerland, S. 192 f. Einzelheiten des Verfahrens Werlauff, 622 Annals AAPPS (2009) 202, 204 f.; Sauerland, S. 193 f. 193 § 254c I 2 retsplejelovens: „Som grupperepræsentant kan, jf. dog stk. 2, udpeges 1) et medlem af gruppen, 2) en forening, privat institution eller anden sammenslutning, når søgsmålet falder inden for rammerne af sammenslutningens formål, eller 3) en offentlig myndighed, der ved lov er bemyndiget til det“; vgl. auch Werlauff, ebenda, S. 203 f. 194 Werlauff, 622 Annals AAPPS (2009) 202, 204. 195 Ebenda, S. 205. 196 Näheres bei Bernt, 622 Annals AAPPS (2009) 220, 224 ff. 192 Zu
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Interessen betraut sind (lit. b).197 Bei Erlass rechnete das Justizministerium insbesondere mit Verbraucher- und Wirtschaftsverbänden sowie industriellen Verbänden als Initiator. Als mögliche öffentliche Einrichtung galt u. a. der Verbraucherschutzverband Forbrukerrådet.198 Die Klage muss im Einzelfall vom Zweck des jeweiligen grupperepresentanten umfasst werden und in dessen üblichen Schutzbereich fallen. Das Gesetz enthält zu diesem Zweck eine allgemeine Norm in § 1-4. Des Weiteren setzt § 35-9 III 2 voraus, dass jeder grupperepresentanten die Interessen der Gesamtgruppe in zufriedenstellendem Maß schützt und an deren Stelle für potenzielle Kostenerstattungsansprüche des Gegners haftet. Bernt nennt es vor diesem Hintergrund „zweckmäßig“ auf Verbände, Stiftungen oder öffentliche Einrichtungen als Repräsentant im Gegensatz zu einzelnen Mitgliedern der Gruppe zurückzugreifen.199 Im Unterschied zu Dänemark und Norwegen ist das Gruppenklageverfahren nach dem finnischen Gesetz 444/13. 04. 2007 (ryhmäkannelaki) als behördlich geführtes Verfahren ausgestaltet und obliegt ausschließlich dem finnischen Verbraucherombudsmann (vgl. § 4 des Gesetzes). Es handelt sich zudem ohne Ausnahme um ein opt in-Verfahren, das zwar in einem separaten Gesetz geregelt, jedoch so weit als möglich parallel zu einem regulären finnischen Zivilprozess ausgestaltet wurde.200
b) England und Wales Bereits im Jahr 2002 wurde der Competition Act 1998 von England und Wales durch Sec. 18 und 19 des Enterprise Act 2002 um die Sec. 47A und 47B ergänzt. Unter dem Titel „Claims brought on behalf of consumers“ enthielt Sec. 47B a. F. seitdem eine auf kartellrechtliche Verstöße begrenzte kollektive Schadenersatzklage für Verbraucher vor dem Competition Appeal Tribunal (CAT), die gem. Sec. 47B (1) a. F. von einem „specified body“ zu führen war. Das Verfahren diente gem. Sec. 47B (2) a. F. als follow on-Klage der gebündelten Geltendmachung kartellrechtlicher Schadenersatzansprüche, die in Sec. 47A a. F. näher geregelt waren. Nach Sec. 47B (9) a. F. meinte „specified“ eine Registrierung durch Verfügung des Secretary of State201 anhand von diesem festzulegenden Kriterien. Über diese Registrierung verfügte nach dem alten Recht ausschließlich die britische Consumer Association. Deren Tochterorganisation 197 § 35–3 Lov om mekling og rettergang i sivile tvister: „Saken reises (1) Gruppesøksmål kan reises av a) enhver som fyller vilkårene for å være gruppemedlem hvis søksmålet fremmes, eller b) foreninger og stiftelser, samt offentlige organer med oppgave å fremme særskilte interesser, når søksmålet ligger innenfor deres formål og naturlige virkeområde etter § 1–4.[…]“. 198 Bernt, 622 Annals AAPPS (2009) 220, 225. 199 Ebenda. 200 Hierzu näher Viitanen, 622 Annals AAPPS (2009) 209, 213 ff.; sehr kritisch Välimäki, in: Backhaus/Cassone/Ramello, S. 327 ff. 201 Gemeint ist der zuständige Minister, in diesem Fall der Secretary of State for Business, Innovation and Skills.
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Which? führte daher auch das bisher einzige bekannte Verfahren gem. Sec. 47B a. F. des Competition Act 1998 gegen den britischen Sportwarenhandel JJB Sports wegen wettbewerbswidriger Preisabsprachen beim Verkauf von Fußballtrikots.202 Das Verfahren, das auf dem Vergleichsweg endete, gilt bis heute als Beweis für die Untauglichkeit von Sec. 47B a. F., da von geschätzten zwei Millionen geschädigten Verbrauchern nur ca. 130 dem Verfahren im Wege der von Sec. 47B (3) a. F. vorgeschriebenen opt in-Erklärung203 beitraten. In Anbetracht dessen erwog die britische Regierung über längere Zeit eine Reform. Im April 2012 leitete das zuständige Department for Business, Innovation and Skills eine öffentliche Konsultation ein, mit der sie u. a. die Einführung eines kollektiven Schadenersatzverfahrens für Verbraucher wegen wettbewerbsrechtlicher Verstöße nach dem opt out-Prinzip zur Debatte stellte.204 Ende Januar 2013 präsentierte das Ministerium die Ergebnisse in einer government response.205 Danach sprach sich die Mehrheit der Konsultationsteilnehmer für eine Verfahrensführung durch Privatpersonen bzw. ‑institutionen anstelle von öffentlichen Stellen aus. Konkret sei mehrheitlich befürwortet worden, dass ein Verfahren entweder in der Hand der Geschädigten selbst oder einer Organisation liegen solle, die sich ernsthaft deren Interessen verschrieben hat.206 Dem schloss sich auch die Regierung an. Ihrer Entscheidung zufolge sollte ein Verfahren daher vorzugsweise von den Geschädigten selbst oder von Verbraucher- bzw. Handelsorganisationen geführt werden. Anstelle der bisherigen Vorgehensweise, von institutionellen Repräsentanten eine formelle Registrierung auf einer Liste im Wege ministerieller Verfügung zu verlangen, sollte die Eignung der betreffenden Organisationen dabei jeweils im Einzelfall im Rahmen einer Zulässigkeitsprüfung der Klage (certification) erfolgen. An-
202 Die Verfahrensdokumente können auf der Internetseite des CAT unter http://www. catribunal.org.uk/237-640/1078-7-9-07-The-Consumers-Association.html (zuletzt besucht am 12. 04. 2017) eingesehen warden; aus der Lit. vgl. Eckel, WuW 2015, 4, 6; Mulheron, Cambridge Yearbook of European Legal Studies 2015, 1, 12 f.; Ahrens, WRP 2015, 1040, 1042 f. Stadler, ZfPW 2015, 61, 75 mit Fn. 107. 203 Vgl. Sec. 47B (3) Competition Act 1998: „[…] with the consent of the individual concerned“. 204 Department for Business, Innovation and Skills (BIS), Private Actions in Competition Law: A consultation on options for reform, April 2012, online verfügbar unter https://www. gov.uk/government/consultations/private-actions-in-competition-law-a-consultation-on-op tions-for-reform (zuletzt besucht am 12. 04. 2017), dort Kap. 5, S. 27–39; zur Frage, wer in einem solchen Verfahren standing erhalten soll, vgl. S. 35 ff., Rn. 5.35 ff. 205 Department for Business, Innovation and Skills (BIS), Private Actions in Competition Law: A consultation on options for reform – government response, Januar 2013, online verfügbar unter https://www.gov.uk/government/consultations/ private-actions-in-competitionlaw-a-consultation-on-options-for-reform (zuletzt besucht am 12. 04. 2017), dort entsprechend auch Kap. 5, S. 26–43. 206 Ebenda, S. 32 f., Rn. 5.24–5.27.
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waltskanzleien, Drittfinanzierer oder ad hoc gegründete Interessenvertretungen sollten aber keinesfalls als Repräsentanten auftreten können.207 Zusammen mit einigen anderen Gesetzesvorhaben wurde die Reform des kollektiven Rechtsschutzverfahrens im Kartellrecht dann im Rahmen des Consumer Rights Act 2015 umgesetzt, der erstmals am 23. 01. 2014 mit erster Lesung im Unterhaus in das Gesetzgebungsverfahren eingebracht wurde. Es folgte eine langwierige parlamentarische Auseinandersetzung zwischen Ober- und Unterhaus, insbesondere im Bereich der gegenseitigen consideration of amendments bis die Neuregelung nach einer Einigung und dem anschließend erteilten royal assent am 26. 03. 2015 Gesetzeskraft erlangte.208 Sec. 81 des Consumer Rights Act 2015 erklärt in Bezug auf private actions in competition law den Schedule 8 desselben für anwendbar, der in seinem Part 1, Sec. 1–12 umfangreiche Änderungen der Sec. 47 ff. des Competition Act 1998 anordnet. Das System ist nun dreistufig ausgestaltet. Im außergerichtlichen Bereich bieten die Sec. 49C, 49D und 49E n. F. Unternehmen, die einen Kartellverstoß begangen haben, die Möglichkeit aus eigenem Antrieb der Competition and Market Authority (CMA) einen Plan zum Schadensausgleich vorzulegen, der von der Behörde – auch unter bestimmten Bedingungen – für verbindlich erklärt und unter den Vorgaben der Sec. 49E n. F. umgesetzt werden kann. Des Weiteren sehen Sec. 49A und 49B n. F. vor, dass ein zwischen dem schädigenden Unternehmen und einem Repräsentanten der Geschädigten geschlossener Vergleich durch das Competi tion Appeal Tribunal (CAT) ähnlich dem Modell des niederländischen WCAM für verbindlich erklärt werden kann. Diese Möglichkeit soll sowohl während eines bereits laufenden kollektiven Schadenersatzverfahrens vor dem CAT wie auch vor dessen Einleitung bestehen, dann unter der Bedingung, dass die Voraussetzungen für ein solches gegeben wären. Die Neufassung der Sec. 47B enthält schließlich die Regelungen für ein kollektives Schadenersatzverfahren vor dem CAT, das sowohl dem opt in-, als auch abgesehen von bestimmten Ausnahmefällen dem opt out-Prinzip folgen kann. Im Hinblick auf den das Verfahren führenden Repräsentanten sind die finalen Normen jedoch deutlich weiter gefasst, als es die Gesetzeskonsultation noch erwarten ließ. Gemäß Sec. 47B (2) n. F. wird das Verfahren durch eine „person“ eingeleitet, die beabsichtigt im betreffenden Verfahren als Repräsentant zu agieren. Die weiteren Regelungen sind vom Wortlaut her undeutlich: Zur Verfahrenseinleitung bedarf es vergleichbar der class certification des US-amerikanischen Systems einer collective proceedings order nach Sec. 47B (4) n. F. Eine der Bedingungen für den Erlass einer solchen liegt nach Sec. 47B (5) n. F. darin, 207
76 f.
Ebenda, S. 34, Rn. 5.30–5.32; zur government response auch Stadler, ZfPW 2015, 61,
208 Eine Übersicht über das gesamte Gesetzgebungsverfahren sowie alle damit verbundenen Dokumente sind online unter http://services.parliament.uk/bills/2014-15/consumerrights. html (zuletzt besucht am 12. 04. 2017) verfügbar.
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dass das Tribunal die verfahrenseinleitende Person für eine solche hält, die es als representative im Einklang mit Sec. 47B (8) n. F. einsetzen könnte, würde die collective proceedings order erlassen. Danach wiederum kann eine „person“ zum „representative“ bestimmt werden, wenn das Tribunal dies für „just and reasonable“ hält. Die betreffende Person kann dafür ausdrücklich selbst zur Gruppe der Geschädigten zählen, muss es aber nicht. Bis hierher lässt die gesetzliche Neuregelung folglich einige Fragen offen. Insbesondere ist unklar, wer unter den Begriff der „person“ fällt. Darf es sich hierbei nur um natürliche Personen handeln oder sind auch bestimmte Vereinigungen gemeint und wenn ja, welche? Die Losung der Konsultation, es dürfe jedenfalls nur zum Repräsentanten ernannt werden, wer „genuinely represented the claimants“, scheint durch die berühmt berüchtigte Formel „just and reasonable“ kaum sichergestellt. Hier sind weitere Kriterien von Nöten, die der Gesetzgeber ausdrücklich dem CAT selbst überlässt. Nach Schedule 4 des Enterprise Act 2002 obliegt es dem Tribunal, seine eigenen verfahrensrechtlichen Regelungen zu erlassen. Dieser Schedule 4 hat nun wiederum ebenfalls durch Schedule 8, Sec. 31 des Consumer Rights Act 2015 einen neuen Abschnitt 15B erhalten, der dem Tribunal diese Befugnis auch für ein Verfahren nach Sec. 47B n. F. Competition Act 1998 überträgt. Abschnitt 15B (2) legt fest, welche Gegenstände dabei zwingend geregelt werden müssen. Dazu zählen gem. lit. (c) auch „the factors which the Tribunal must take into account in deciding whether to authorise a person to act as a representative in collective proceedings“. Entsprechend Schedule 4, Abschnitt 15B n. F. des Enterprise Act 2002 hat das CAT am 07. 09. 2015 The Competition Appeal Tribunal Rules 2015209 erlassen, die nach parlamentarischer Beteiligung am 01. 10. 2015 in Kraft getreten sind. Rule 78 daraus enthält die erforderlichen Regelungen hinsichtlich eines class representative. Rule 78 II legt zunächst Kriterien fest, anhand derer das Tribunal beurteilt, ob die Ernennung zum class representative „just and reasonable“ im Sinne der Sec. 47B (8) n. F. wäre. Dabei ist zunächst von Bedeutung, ob die betreffende Person „fairly and adequately“ im Interesse der Gruppenmitglieder handeln würde (lit. a). Aus mehreren Bewerbern ist der am besten Geeignete auszuwählen (lit. c). Kein wesentliches Interesse des class representative darf mit den Interessen der Gruppenmitglieder im Konflikt stehen (lit. b). Er muss außerdem nachweisen, dass er im Zweifelsfall die gegnerischen Kosten tragen (lit. d) und im Falle einer vorläufigen Entscheidung eventuellen Schadenersatzverpflichtungen des Tribunals nachkommen kann (lit. e). Im Weiteren spezifiziert rule 78 III wiederum die Formel „fairly and adequately“ in rule 78 II lit. a). Zu berücksichtigen ist zunächst, ob der Bewerber selbst Gruppenmitglied 209 Online verfügbar auf der Internetseite des CAT unter http://www.catribunal.org. uk/240/Rules-and-Guidance.html (zuletzt besucht am 12. 04. 2017); zur Entwurfsfassung Eckel, WuW 2015, 4, 7.
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ist und wenn ja, seine besondere Eignung als class representative (lit. a). Handelt es sich dagegen nicht um ein Gruppenmitglied sondern um eine Organisation, ist zu beachten, ob diese schon vor dem jeweiligen Verfahren bestand, welcher Hintergrund und welche Funktion ihr zukommt (lit. b). Relevant ist außerdem, ob der Bewerber einen Plan für seine Verfahrensführung vorlegen kann, der insbesondere eine Methode zur Benachrichtigung der Gruppenmitglieder über den Verfahrensfortschritt, ein Konzept hinsichtlich der Verwaltung der Gruppe und der Beteiligung ihrer Mitglieder unter Berücksichtigung der Gruppengröße und -herkunft sowie eine Prognose und Details getroffener Vereinbarungen bezüglich der seitens des Tribunals festzusetzenden Kosten, Gebühren oder Auslagen (lit. c) umfassen sollte. An erster Stelle ist festzuhalten, dass die neu erlassenen Regelungen auch insgesamt den Begriff der „person“ in Sec. 47B (2) n. F. an keiner Stelle näher konkretisieren. Angesichts der deutlichen Distanzierung von Anwaltskanzleien, Drittfinanzierern oder ad hoc gegründeten Interessenvertretungen in der vorausgegangenen Konsultation überrascht die Offenheit in diesem Punkt. Über ihre Ausgestaltung hinaus liegt auch die Handhabung aller weiteren Zulassungskriterien vollständig in den Händen des CAT. Es obliegt dem Tribunal – insoweit für das common law üblich – die Generalklauseln „just and reasonable“ und „fairly and adequately“ anhand von Präzedenzfällen zu konkretisieren.210 Erst daran wird sich ein Maßstab ablesen lassen.211 So soll anhand des Wortlautes zwar Berücksichtigung finden (rule 78 II: „the Tribunal shall consider“; rule 78 III: „the Tribunal shall take into account“), ob z. B. eine Organisation schon vor Verfahrensbeginn Bestand hatte, das Gegenteil wird damit jedoch nicht ausgeschlossen. Bedeutung könnte dies z. B. spätestens erlangen, wenn ausschließlich mehrere ad hoc gebildete Organisationen zur Auswahl stehen. Des Weiteren ist der Wortlaut auch hinsichtlich des Verfahrens zur Anerkennung als class representative missverständlich. Sec. 47B (5) verlangt für die collective proceedings order eine Vorhersage, dass die betreffende Person bei Erlass der order als Repräsentant anerkennungsfähig wäre. Sinnvollerweise werden beide Entscheidungen jedoch zusammenfallen. Greift man zu dem Mittel einer Zulässigkeitsprüfung vorab, ist nicht ersichtlich, warum diese nicht 210 Vor diesem Hintergrund ist es nicht nachvollziehbar, wenn Eckel, WuW 2015, 4, 13 dafür plädiert, die seitens des CAT normierten Auswahlfaktoren auch in die deutsche Rechtspraxis zu übertragen. 211 Mulheron, Cambridge Yearbook of European Legal Studies 2015, 1, 17: „[…] law firms, third party funders, and special purpose vehicles […] should not be allowed to act as representative claimants. Although this is not presently provided for in either the Consumer Rights Act 2015 or in the supporting Draft CAT Rules, the certification criteria […] would surely properly exclude any such entity from consideration.“ Das ist allein anhand der zuvor dargestellten Normen nur schwer vorstellbar. Des Weiteren bleibt der Begriff eines special purpose vehicle unklar, wenn dies., a. a. O. kurz zurvor erläuert: „the UK Competition Class Action allows for just the ad hoc representative as ideological claimant“.
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auch die Person des Repräsentanten umfassen sollte, wie es auch im Rahmen der Konsultation noch ausdrücklich vorgesehen war.212 Die weitere Entwicklung und vor allem erste Entscheidungen müssen hier somit abgewartet werden.
c) Belgien Der belgische Gesetzgeber hat mit Gesetz vom 28. März 2014213 im vierten Anlauf214 eine action en réparation collective eingeführt. Die zugehörigen Regelungen finden sich nun in Buch 17 Titel 2 Art. 35 bis 65 des Code de droit économique (CDE) und sind am 01. September 2014 in Kraft getreten.215 Der Anwendungsbereich der action en réparation collective ist auf Verstöße von Unternehmern gegen eine vertragliche Verpflichtung im Verhältnis zu einem Verbraucher oder gegen eine von 31 im Gesetz aufgelisteten verbraucherschützenden Rechtsakten beschränkt (Art. XVII. 36. Nr. 1 CDE). Anstelle einer gerichtlichen Entscheidung in der Sache bietet das Verfahren zunächst die Möglichkeit, eine zwischen den Parteien erarbeitete vergleichsweise Einigung ähnlich dem niederländischen WCAM durch das Gericht für verbindlich erklären zu lassen (Art. XVII. 42. § 2. CDE). Das eigentliche Klageverfahren ist dreistufig ausgestaltet. Das Gericht entscheidet zunächst auf Antrag des Gruppenrepräsentanten darüber, ob die Voraussetzungen einer Eröffnung erfüllt sind (la recevabilité de l’action en réparation collective, vgl. Art. XVII. 42 f. CDE). Wird daraufhin in ein Verfahren eingetreten, folgt eine zweimonatige Verhandlungsphase, währendder die Parteien gehalten sind, eine vergleichsweise Regelung zu erreichen (vgl. Art. XVII. 45 CDE). Gelingt dies nicht oder weist das Gericht den Vergleich aus den in Art. XVII. 49 CDE genannten Gründen zurück, entscheidet es den Rechtsstreit dem Grunde nach (vgl. Art. XVII. 52 ff. CDE). Die tatsächliche Umsetzung einer vergleichsvertraglichen Regelung oder der gerichtlichen Entscheidung obliegt in einem separaten Verfahren einem hierfür eingesetzten liquidateur (vgl. Art. XVII. 57 ff. CDE).216 Der Mechanismus ist als Verbandsklage ausgestaltet und nach dem Gesetzeswortlaut weitestgehend Verbraucherschutz- und anderen Vereinigungen vor212
Vgl. Fn. 207. portant insertion d’un titre 2 “De l’action en réparation collective” au livre XVII “Procédures juridictionnelles particulières” du Code de droit économique et portant insertion des définitions propres au livre XVII dans le livre 1er du Code de droit économique“, online abrufbar unter: http://www.ejustice.just.fgov.be/cgi_loi/change_lg.pl?language=fr&la=F&table_ name=loi&cn=2014032825 (zuletzt besucht am 12. 04. 2017) 214 Zur Entstehung des Gesetzes und den gescheiterten Anläufen Voet, 16 EBOR (2015) 121, 122 und 124 f.; zum Rechtszustand zuvor ders., 4 Int. J. Proc. L. (2014) 97, 126 ff.; ders., in: Maleshin, S. 477 ff. 215 Ebenfalls online verfügbar unter http://economie.fgov.be/fr/modules/regulation/loi/ 20130228_code_droit_economique.jsp (zuletzt besucht am 12. 04. 2017) 216 Zum Verfahrensablauf im Einzelnen Voet, 16 EBOR (2015) 121, 133 ff.; ders., VbR 2015, 153, 155. 213 Loi
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behalten.217 Art. XVII. 39 CDE zählt in einem Katalog auf, wer grundsätzlich als Repräsentant und Kläger in Betracht kommt. Dazu gehören in erster Linie Verbraucherorganisationen („association de défense des intérêts des consommateurs“, Art. XVII. 39. Nr. 1 CDE), sofern sie entweder einen Sitz im nationalen Verbraucherrat innehaben oder nach den Vorgaben einer königlichen Verordnung registriert wurden.218 Die Rolle des Repräsentanten steht darüber hinaus aber auch weiteren registrierten Vereinigungen („associations“, Art. XVII. 39. Nr. 2 CDE) offen, sofern ihr objet social in direktem Zusammenhang mit dem geltend zu machenden Schaden steht und sie keine dauerhaften, wirtschaftlichen Absichten verfolgen.219 Eine Ausnahme bildet schließlich Art. XVII. 39. Nr. 3 CDE, wonach auch eine Art Verbraucherombudsmann tätig werden darf. Dessen Befugnis ist allerdings auf den außergerichtlichen Bereich beschränkt, sodass er das Verfahren bei Klageerhebung an eine Institution i. S. v. Nr. 1 oder 2 abgeben muss. Näheres zu der unter dem Titel Service de Médiation pour le consommateur noch zu gründenden öffentlichen Einrichtung regeln die Art. 5 bis 23 in Buch 16 Titel 3 des CDE. Sowohl Art. XVII. 39. Nr. 1 als auch Nr. 2 CDE setzen zwingend voraus, dass es sich bei dem jeweils klagebefugten Repräsentanten um eine juristische und damit rechtsfähige Person handelt. Im Hinblick auf die in beiden Varianten ebenso vorausgesetzte Rechtsform der association unterscheidet das belgische Recht zwischen der association de fait sowie der association sans but lucratif (ASBL).220 Ein Zusammenschluss von zwei oder mehr Personen, die gemeinsam ein bestimmtes Ziel von allgemeinem Interesse verfolgen, bildet bereits eine association de fait. Diese Grundform einer association unterliegt kaum rechtlichen Vorgaben, weswegen sie aber auch keine Rechtsfähigkeit erlangen kann. Alle Rechte und Pflichten verbleiben bei den Mitgliedern, die hinsichtlich sämtlichen Vermögens, das dem Zweck der association zuzuordnen ist, eine Gemeinschaft ähnlich einer Gesamthandsgemeinschaft des deutschen Rechts bilden. Als Repräsentant und Kläger im Rahmen einer action en réparation col217 Voet, 16 EBOR (2015) 121, 127 f. begrüßt diese gesetzgeberische Entscheidung ausdrücklich und geht davon aus, der Fokus liege dadurch sowohl von Beginn an als auch während des gesamten Verfahrens bei der Gruppe insgesamt, deren Interessen als Ganzes auch den Anlass zur Klageerhebung böten. Gleichzeitig bedauert ders., a. a. O., S. 129, dass ad hoc, für einen bestimmten Schadensfall gebildete Vereinigungen nicht zugelassen wurden; ebenso ders., VbR 2015, 153, 155. 218 Eine Liste der Verbraucherorganisationen, die gemäß Var. 1 einen Sitz im nationalen Verbraucherrat innehaben, ist unter http://economie.fgov.be/fr/consommateurs/action_rep aration_collective/#qui_peut_intenter_une_action_en_reparation_collective (zuletzt besucht am 12. 04. 2017) einsehbar. Die in Var. 2 genannte Verordnung ist bislang noch nicht erlassen worden. 219 Eine Liste der zu Nr. 2 registrierten Organisationen ist ebenfalls unter der in Fn. 218 genannten Internetadresse einsehbar. 220 Vgl. zu dieser Abgrenzung und dem Folgenden http://justice.belgium.be/fr/themes_et_ dossiers/ associations_et_fondations/asbl (zuletzt besucht am 12. 04. 2017).
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lective kommen daher nur Organisationen in der Rechtsform einer association sans but lucratif in Frage. Zu Beginn jeder ASBL steht ebenfalls eine association de fait, die aber auf Antrag bei Gericht Rechtspersönlichkeit erlangen kann. Hierzu muss sie weitere gesetzliche Anforderungen erfüllen, insbesondere sich aus mindestens drei Personen zusammensetzen und einen gemeinnützigen Zweck verfolgen. Außerdem werden bestimmte Mindestangaben in der Satzung sowie ein Hauptsitz in Belgien verlangt. Die Satzung ist zusammen mit der Ernennungsurkunde der Vorstandsmitglieder vorzulegen. Schließlich muss die Satzung zusammen mit Namen, Vornamen, Beruf und Wohnsitz aller Vorstandsmitglieder im Moniteur Belge, dem belgischen Amtsblatt veröffentlicht werden. Fehlt es an einer dieser Voraussetzungen, bleibt es bei einer association de fait ohne eigene Rechtspersönlichkeit.
§ 5 Erfahrungen mit Privatorganisationen im kollektiven Rechtsschutz Seit Beginn der europäischen Debatte über den Rechtsschutz von Verbrauchern und damit verbundene Rechtsbehelfe wird die wichtige Rolle von Verbraucherorganisationen hervorgehoben. Bereits in einem Kolloquium der Europäischen Kommission aus dem Jahr 1975 über die gerichtlichen und außergerichtlichen Möglichkeiten des Verbraucherschutzes wurden Vorschläge zur „Übernahme der Verteidigung der Verbraucher durch Verbraucherzentralen, öffentliche Stellen oder Einrichtungen vom Typ des Ombudsmanns“ erarbeitet. Im weiteren Verlauf der Debatte prüfte die Europäische Kommission sogar die Einführung einer Rahmenrichtlinie, die Verbraucherorganisationen ein allgemeines Recht verleihen sollte, vor Gericht Allgemeininteressen von Verbrauchern geltend zu machen.221 Noch darüber hinaus regte das Europäische Parlament in einer Entschließung an, dass die Mitgliedsstaaten Verbraucherverbänden die Vertretung ihrer Interessengruppen wie auch einzelner Verbraucher vor Gericht ermöglichen.222 Im Einklang hiermit unterstrich schließlich auch der Rat ebenfalls in einer Entschließung „die herausragende Rolle, welche die Verbraucherorganisationen […] für einen Zugang der Verbraucher zum Recht spielen.“223 Während es auf europäischer Ebene lange bei politischen Lippenbekenntnissen dieser Art blieb, haben privatrechtliche Institutionen in einigen Mitgliedsstaaten bereits eine feste Funktion im Rahmen des privatrecht221 Ergänzende Mitteilung der Europäischen Kommission vom 07. Mai 1987 zum Verbraucherrechtsschutz, KOM(87) 210 endgültig, S. 3 und 4. 222 Entschließung des Europäischen Parlaments vom 13. März 1987 zu Rechtsbehelfen des Verbrauchers, Abl. 1987 Nr. C 99, S. 203, 204. 223 Entschließung des Rates vom 25. Juni 1987 über den Zugang der Verbraucher zum Recht, Abl. 1987 Nr. C 176, S. 2.
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lichen Rechtsschutzes. Zu diesen Mitgliedsstaaten zählen u. a. Deutschland, die Niederlande und Frankreich, die auch aus diesem Grund im Mittelpunkt der vorliegenden Untersuchung stehen. Im Folgenden werden einige Erfahrungen aus diesen Ländern an der Schnittstelle von rechtlichen und rechtspolitischen Fragen dargelegt. Für Deutschland stehen dabei die Verbraucherverbände sowie die gewerblichen Verbände und ihre Funktion für den negatorischen Rechtsschutz im Lauterkeits-, Verbraucher- und Kartellrecht im Mittelpunkt. Dabei werden insbesondere die systematischen Schwächen des Klagemechanismus und der berechtigten Verbände herausgearbeitet, die die Entstehung einer neuen Form privatrechtlicher Interessenvertreter begünstigt haben (dazu I.). Einem nicht nur streng regulierten sondern auch der Politik zum Teil eng verbundenen Verbandssystem steht in den Niederlanden eine große Masse rechtlich wenig regulierter privatrechtlicher Organisationen gegenüber. Diese haben zwar die Entwicklung kollektiver Rechtsschutzformen maßgeblich positiv beeinflusst, aber stehen jüngst zunehmend unter dem Verdacht, den eigenen Interessen verfallen zu sein (dazu II.). Der französische Gesetzgeber hält schließlich wenigstens im Bereich des kollektiven Verbraucherschutzes unbeirrt an dem einmal eingeschlagenen Weg fest, der wie in Deutschland auf einen kleinen Kreis akkreditierter Verbände zugeschnitten ist. Im Gegensatz zu Deutschland aber hat der Weg vor kurzem zu einer deutlichen Erweiterung der Befugnisse für die Verbraucherverbände geführt (dazu III.).
I. Wirtschaftsverbände, „para-staatliche Einrichtungen“224 und die CDC Consulting SCRL: Deutschland 1. Wirtschafts- und Unternehmerverbände Zum Zweck der Bekämpfung unlauteren Wettbewerbs entstand in § 1 I 2 des gleichnamigen Gesetzes vom 27. Mai 1896 das erste Verbandsklagerecht Deutschlands.225 Dem Erlass des Gesetzes ging eine rund 100-jährige wirtschaftliche und soziale Entwicklung in Westeuropa voraus, die in der französischen Revolution ihren Anfang genommen hatte. Den Kern dieser Entwicklung bildeten die Abschaffung der ständischen Ordnung und an ihrer Stelle die Entstehung einer liberalen, am Konkurrenz- und Marktprinzip orientierten Wirtschaftsgesellschaft. Mit der Gewerbeordnung von 1869 wurde die Koalitionsfreiheit gesetzlich garantiert und damit an erster Stelle gewerkschaftlichen Vereinigungen der Weg geebnet. Gleichzeitig wurden parallel zur Einführung der Gewerbefreiheit die bislang u. a. als staatliche Ordnungshüter fungierenden Zünfte endgültig aufgelöst. In der Konsequenz entstand mit der zunehmenden Industrialisierung eine Vielzahl von Interessenvereinigungen verschiedener 224 225
Halfmeier, Popularklagen, S. 368; zur Erklärung sogleich. Dazu bereits oben S. 44 ff.
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Wirtschafts- und Berufsgruppen sowie in Reaktion auf die erstarkenden Gewerkschaften Verbände von Arbeitgebern. Entgegen der Vorstellung des übergeordneten monarchischen Staates fand die große Mehrheit dieser Gruppen schnell Zugang zur politischen Entscheidungsfindung, wenn auch auf unterschiedlichen Ebenen.226 In diesem Kontext übertrug § 1 I 2 des Gesetzes zur Bekämpfung unlauteren Wettbewerbs vom 27. Mai 1896 neben den Gewerbetreibenden selbst erstmals „Verbände[n] zur Förderung gewerblicher Interessen“ die Marktüberwachung und die Kontrolle gegen unlauteres Geschäftsverhalten. Die Norm zielte somit im Sinne der wirtschaftlichen Liberalisierung auf eine Selbstregulierung der Märkte und vereinigte einen – seit dem Wegfall der Zünfte fehlenden – allgemeingültigen Ordnungsrahmen mit der Idee der gerade etablierten Gewerbefreiheit.227 Das Gesetz überkam damit die zuvor ständisch geprägte Ordnung, aber folgte zugleich ebenso wenig einer staatszentrierten Perspektive und griff so der späteren Entwicklung in Verbandswesen und -forschung vor. Die Ausübung der gesetzlichen Wettbewerbsregeln und damit die Definition von Wettbewerbsstandards wurden den Marktakteuren selbst übertragen, die dadurch unter einer gewissen Aufsicht des Gesetzgebers und der entscheidenden Gerichte regulatorische Funktionen am Markt übernehmen konnten.228 Das deutsche Verbandswesen insgesamt ist in seiner über 120-jährigen Geschichte seitdem deutlich gewachsen. Genaue Angaben gestalten sich aufgrund der unterschiedlichsten Struktur von Verbänden jedoch schwierig. Die Deutsche Gesellschaft für Verbandsmanagement e. V. und das Deutsche Verbände Forum zählten im April 2015 rund 16.000 haupt- und nebenamtlich geführte Verbände.229 Die öffentliche Liste von Verbänden, die Interessen gegenüber dem Bundestag oder der Bundesregierung vertreten (sogenannte Lobbyliste, vgl. Anlage 2 GOBT) enthält im Vergleich aktuell nur 2231 Eintragungen.230 Alle Verbände werden gemeinhin fünf verschiedenen Sektoren oder Handlungsfeldern zugeordnet, darunter „Wirtschaft und Arbeit“, „Soziales und Gesundheit“, „Freizeit und Kultur“, „Bildung und Wissenschaft“, sowie „Gesellschaft und Politik“. Der auch im hiesigen Kontext maßgebliche Sektor
226 Vgl. zur Entwicklung der Interessengruppen J. Weber, S. 57 ff.; Straßner, in: Sebaldt/ Straßner, S. 73 ff. 227 Hadding, JZ 1970, 305, 309 f.; Halfmeier, Popularklagen, S. 365; vgl. auch Gloy, WRP 1999, 34 und Münker, 10 Journal of Intellectual Property Law & Practice (2015) 638. 228 Sebaldt, in: ders./Straßner, S. 211 ff. 229 Vgl. das Informationsportal www.verbaende.com unter http://verbaende.com/hinter gruende/studien-statistiken.php (zuletzt besucht am 12. 04. 2017). 230 Öffentliche Liste über die Registrierung von Verbänden und deren Vertretern, in ständig aktualisierter Fassung einsehbar unter https://www.bundestag.de/dokumente/lobbyliste (zuletzt besucht am 12. 04. 2017).
§ 5 Erfahrungen mit Privatorganisationen im kollektiven Rechtsschutz
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„Wirtschaft und Arbeit“ beherbergt rund die Hälfte aller Verbände231, die innerhalb des Sektors wiederum in vier Untergruppen aus unternehmerischen Verbänden, Arbeitnehmerverbänden, Verbraucherverbänden232 und Berufsverbänden untergliedert werden können.233 In der Gruppe der unternehmerischen Verbände wiederum lassen sich Wirtschafts- oder Branchenverbände, Arbeitgeberverbände und die öffentlich-rechtlichen Kammern unterscheiden.234 In den beiden letztgenannten Bereichen hat sich das Konzept der Selbstregulierung fest etabliert. Die i. d. R. als öffentlich-rechtliche Körperschaft organisierten Kammern nehmen vorwiegend an sie delegierte hoheitliche Funktionen in den Bereichen Berufsausbildung und -aufsicht wahr. Für die Angehörigen der betreffenden Berufe besteht eine gesetzliche Pflicht zur Mitgliedschaft. Gleichzeitig werden Vorstände und Präsidenten der Kammern ausschließlich durch Wahl der Mitglieder bestimmt und unterstehen in ihrer Leitungstätigkeit lediglich staatlicher Rechtsaufsicht. Neben hoheitlichen Funktionen werden die Kammern aber z. B. mit Blick auf Strukturförderung ebenso als Interessenvertretung ihrer Mitglieder aktiv (sogenannter Kammerlobbyismus). Dabei profitieren sie sowohl von einem konstanten Mitgliederbestand als auch entsprechend gesicherter Finanzierung, weswegen die Zwangsmitgliedschaft regelmäßig Kritik ausgesetzt ist.235 Arbeitgeber- und Wirtschaftsverbände dagegen beruhen auf freiwilligem Zusammenschluss. Während sich die Arbeitgeberverbände branchenspezifisch als Gegenstück zu den Gewerkschaften der Arbeitnehmer in erster Linie arbeits- und sozialpolitisch engagieren, fungieren die Wirtschaftsverbände als Repräsentanten vor allem der wirtschaftlichen und beruflichen Interessen ihrer Mitglieder gegenüber dem Staat, aber ebenso den Verbrauchern sowie untereinander. Entsprechend der Vielzahl von Branchen und Unternehmen ist eine Masse von Fachverbänden auf Orts-, Bezirks- und Landesebene entstanden, die sich wiederum in entsprechenden Dachverbänden auf Bundesebene zusammengeschlossen haben.236 Sie alle sind Mitglied der Gemeinschaftsausschuss der deutschen gewerblichen Wirtschaft GbR, die als koordinierendes Gremium und Austauschplattform aller Wirtschaftsverbände untereinander wirkt. Das Verbandswesen zeichnet sich in diesem Bereich mithin durch ein „engmaschiges 231 Vgl. Fn. 229; außerdem aus der Literatur Straßner, in: Sebaldt/Straßner, S. 97 f.; J. Weber, S. 79 f. 232 Dazu ausführlich sogleich, S. 130 ff. 233 Straßner, in: Sebaldt/Straßner, S. 99; ähnlich J. Weber, S. 87 f. 234 Mann, in: HWB, 5. Aufl., Bd. 3 S. 4392 f.; Triesch, in: Verbände und Herrschaft, S. 117, 119; vgl. außerdem die vorherige Fn. 235 Straßner, in: Sebaldt/Straßner, S. 101 und Sebaldt, ebenda, S. 218 ff. 236 Triesch, in: Verbände und Herrschaft, S. 117, 120; J. Weber, S. 87 f. unterscheidet nochmals terminologisch zwischen „Spitzenverbänden“ der einzelnen Wirtschaftsbranchen auf Bundesebene und „berufsständischen Fachverbänden“ bestimmter Unternehmergruppen.
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Netz von Interessenvertretungen“237 aus, das auf die differenzierten Interessen und Bedürfnisse seiner Mitglieder zugeschnitten ist. Eine Vergemeinschaftung erfolgt nur in geographischer und organisatorischer Hinsicht.
2. Verbände für ein allgemeines Verbraucherinteresse in Deutschland a) Entstehung von Verbraucherverbänden Die Verbraucherverbände, wie sie heute Teil des kollektiven Rechtsschutzsystems sind, entstanden in Deutschland erst in der nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs neu gegründeten Bundesrepublik. Der Begriff Verbraucherverband ist jedoch ähnlich dem Verbraucherbegriff unscharf und bedarf der Spezifikation. Ausgehend von einem Zusammenschluss von Endverbrauchern oder ihrer Haushalte, lassen sich drei Gruppen unterscheiden238: Eine erste Gruppe widmet sich vorwiegend der Eigenbedarfsdeckung bzw. Selbsthilfe der Verbraucher. Sie wird bestimmt von den Konsumgenossenschaften239, der erstmals gegen Ende des 19. Jahrhunderts bis hin zum zweiten Weltkrieg bedeutendsten Form der Verbraucherorganisation. Der gemeinsame Erwerb oder die Eigenproduktion von Gütern durch die Genossenschaft ermöglichte ihren Mitgliedern günstigere Preise für Waren und Dienstleistungen und trug so zur Erleichterung in einer sozial und wirtschaftlich schwachen Lebenslage bei. Neben diesem ökonomischen Hauptzweck entwickelten die deutschen Konsumgenossenschaften zum Teil ein ideologisches, häufig zum Sozialismus neigendes Programm, das u. a. durch eigene Publikationen gepflegt wurde. Auf ökonomischer Seite konzentrierten sie sich auch nach ihrer Neugründung nach dem zweiten Weltkrieg fast vollständig auf das Mitgliedergeschäft und dort auf den Lebensmittelsektor.240 Die in den 1960er und 70er Jahren aufstrebende Marktwirtschaft, vor allem der Einzelhandel, aber auch die im Produktionsbereich konkurrierende Industrie und das Handwerk drängten die Konsumgenossenschaften jedoch mit Unterstützung der Steuer- und Wettbewerbspolitik zurück, sodass sie sich über die Zeit dem Einzelhandel angleichen mussten.241 Parallel dazu etablierte sich immer stärker eine andere Art von Verbraucherzusammenschlüssen, die sich anstelle des tatsächlich gemeinsamen Wirtschaftens mit einer gemeinsamen Interessenvertretung befasste.242 Sie lässt 237
J. Weber, S. 88. Egner, in: HWS, Bd. 10 S. 627; darauf verweisend Kranen, S. 157 ff. und Becker, in: Bock/Specht, S. 70, 76 ff.; Raffée/Petri, in: HWB, 4. Aufl., Bd. 3 S. 4129 ff.; darauf verweisend Bornecke, S. 108 f.; auch die Angaben von Reich, in: ders./Tonner/Wegener, Verbraucher und Recht, S. 222 ff. und von Falckenstein, Bekämpfung unlauterer Geschäftspraktiken, Rn. 14 lassen sich in dieses Schema einfügen. 239 Kritisch von Braunschweig, S. 145 ff. 240 Ohm, in: HWS, Bd. 6 S. 154, 155 f.; Müller, APuZ 24/2001, 6, 7; Kuhlmann, S. 432 f. 241 Raffée/Petri, a. a. O. (Fn. 238), S. 4129 f.; Bornecke, S. 109; jew. ebenda: Müller, Kuhlmann. 242 Zur Entwicklung Kranen, S. 148 f. 238
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sich weiter untergliedern in Organisationen, die ausschließlich Konsuminteressen verfolgen (Egner243: „reine Interessenverbände der Verbraucher“, Raffé/ Petri244: „primäre Interessenverbände“) sowie Organisationen, bei denen die Konsuminteressen nur einen Teil ihres thematischen Spektrums bilden (Egner: „sekundäre Verbraucherverbände“, Raffé/Petri: „sekundäre Interessenverbände“). Erneut vor allem in der Zeit vor und unmittelbar nach dem Zweiten Weltkrieg standen aufgrund einer engen Verknüpfung von Verbraucherbelangen mit hauswirtschaftlichen Belangen die Hausfrauenverbände im Mittelpunkt dieser Gruppe. Daneben sind weitere Frauen-, Familien- und Wohlfahrtsverbände zu nennen. Für den hiesigen Kontext ist mithin in erster Linie die zweite Gruppe der reinen oder primären Interessenverbände interessant.245 Im Anschluss an den Zweiten Weltkrieg und mit einer stetigen Verbesserung des Lebensstandards gewann der Verbraucher zunehmend in seiner Rolle als konsumierender Marktakteur ökonomische Bedeutung. Nach den Vorstellungen der sogenannten Gegenmachtstheorie kann er durch sein wirtschaftliches Gegengewicht zu den gewerblichen Akteuren eine ähnlich marktregulierende Wirkung erzielen wie der Wettbewerb zwischen verschiedenen Anbietern.246 Den Verbraucherverbänden wurden dabei zwei wesentliche Funktionen zugedacht: Einerseits sollten sie den Verbänden der Unternehmer, Produzenten und Arbeitgeber insbesondere im politischen Prozess gegenübertreten und andererseits die einzelnen Verbraucher mittels Information, Bildung und Beratung zu souveränen und informierten Marktakteuren erziehen.247 Vor diesem Hintergrund kamen die Konsumgenossenschaften und verschiedenste Wohlfahrts-, Frauen- und Vertriebenenverbände beim bereits 1949 gegründeten Ständigen Ausschuss für Selbsthilfe zusammen. Während sie sich zuvor mehrheitlich auf die Arbeit für und mit ihren Mitgliedern konzentriert hatten, beabsichtigten sie nun gemeinsam, den „solidarischen Selbsthilfewillen der tendenziell schwachen Wirtschaftsbürger“, mithin ihrer Mitglieder zu stärken.248 In langwierigen Verhandlungen zunächst in einem Unterausschuss Konsumentenberatung und später auch darüber hinaus entschied man sich zur Gründung einer neuen Verbraucherorganisation.249 Anders als zuvor sollte es sich jedoch nicht mehr um einen mitgliederbasierten Verband handeln. Die Ausschussangehörigen folgten 243
A. a. O. (Fn. 238). A. a. O. (Fn. 238). 245 So auch Bornecke, S. 108 f. 246 Müller, APuZ 24/2001, 6, 7; Trumbull, in: Daunton/Hilton, S. 261, 262 und 270; Hansen, in: HWB, 6. Aufl., S. 1872 f.; ausführlich Bornecke, S. 20 f. 247 Jaschick, in: Verbände und Herrschaft, S. 225, 228; in der Sache ebenso Kuhlmann, S. 412 f., der Verstärkungs-, Ergänzungs- und Kontrollfunktion unterscheidet. 248 Bornecke, S. 110; Neumann, Loccumer Protokolle Bd. 16 (1979) 60, 61. 249 Ausführlich Becker, in: Bock/Specht, S. 70, 74 f.; Kranen, S. 150 f.; Jaschick, in: Verbände und Herrschaft, S. 225, 230 f. 244
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dabei in erster Linie der Annahme, Verbraucher und ihre Interessen seien nicht organisierbar250, aber befürchteten zudem, der Organisation würde andernfalls die erforderliche Schlagkraft gegenüber den Unternehmerverbänden fehlen. So fiel die Wahl stattdessen auf einen Zusammenschluss von verbraucherorientierten Verbänden in einem Dachverband.251 Nach weiteren Verhandlungen im Detail wurde schließlich am 30. 04. 1953 die Arbeitsgemeinschaft der Verbraucherverbände e. V. (AgV) mit sieben Mitgliedern gegründet. Von Beginn an förderte die AgV die Entstehung einer Vielzahl kleinerer Arbeitsgemeinschaften auf Landesebene und kommunaler Ebene252, aus denen später die Verbraucherzentralen hervorgingen oder sich mit ihnen zusammenschlossen.253 Ein Vorläufer der ersten Verbraucherzentrale entstand bereits 1953 gleichzeitig mit der AgV in Berlin.254 Bis 1961 wurden auch in allen 11 Bundesländern Verbraucherzentralen geschaffen. Sie wurden zwar zum Teil Mitglied in der AgV, bestanden jedoch unabhängig von ihr als selbstständige Organisationen. Mit Hilfe von Informationsveranstaltungen, Publikationen und einem Netz aus Beratungsstellen widmeten sie sich vorwiegend der Aufklärung und Unterstützung der einzelnen Verbraucher.255 Gemeinsam gründeten die AgV und die Verbraucherzentralen der Länder 1966 den Verbraucherschutzverein e. V., der die kollektive Klagetätigkeit im Rahmen des § 13 Ia UWG und später auch des § 13 AGBG wahrnahm. Ein drittes Element bildete die für Fortbildungen von Beratungskräften und Materialien zur Verbraucherbildung zuständige Stiftung Verbraucherinstitut.256 Die Zahl der Mitglieder der AgV stieg in den ersten zehn Jahren ihres Bestehens stetig auf 19 Mitglieder an. Allerdings befanden sich darunter Verbände aller vier oben genannten Gruppen (so bspw. auch der Bund der Vertriebenen, das Diakonische Werk, das Deutsche Beamtenkartell oder der Zentralverband der Fliegergeschädigten, Evakuierten und Währungsgeschädigten)257, weswegen Kritiker wiederholt bemängelten, es handele sich gar nicht um eine 250 Zu der wissenschaftlichen Annahme einer mangelnden Organisationsfähigkeit von Verbraucherinteressen vgl. Bornecke, S. 12 ff.; Kranen, S. 115 ff.; von Braunschweig, S. 64 ff. jew. m. w. N.; allgemeiner Kohler, S. 59 ff. 251 Becker, in: Bock/Specht, S. 73; Bornecke, S. 110; Janning, in: Rehder/von Winter/ Willems, S. 132, 139. 252 Becker, ebenda, S. 83 f. 253 Bornecke, S. 137, von Braunschweig, S. 138; Janning, in: Rehder/von Winter/Willems, S. 132, 140 f. 254 Vgl. Bornecke, S. 136, dort mit Fn. 2. 255 Jaschick, in: Verbände und Herrschaft, S. 225, 230 f.; von Braunschweig, S. 141 ff. 256 Lübke, Forschungsjournal NSB 1991, 60; Biervert/Monse/Rock, S. 172 ff.; vgl. außerdem die Darstellung unter http://www.vzbv.de/ueber-uns/geschichte (zuletzt besucht am 12. 04. 2017). 257 Mit Stand 1965: von Braunschweig, S. 144 f., mit Stand 1970: Jaschick, in: Verbände und Herrschaft, S. 225, 232.
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genuine Verbrauchervertretung.258 Gleichzeitig hatte die Organisation selbst mit den zersplitterten Interessen und der daher geringen Kooperation ihrer Mitglieder untereinander zu kämpfen.259 Auf Vorschlag der Politik wurde die AgV infolge dessen im Oktober 1971 einer Organisationsreform unterzogen. Unter dem Dach einer neuen AgV (fortan: Arbeitsgemeinschaft der Verbraucher e. V.) schlossen sich die Verbraucherzentralen, die Arbeitsgemeinschaft Hauswirtschaft und der Bundesausschuss für volkswirtschaftliche Aufklärung zusammen. Aus dem Kreis der vorherigen Mitglieder fanden damit u. a. die Konsumgenossenschaften sowie gesundheits- und familienpolitische Verbände in der neuen AgV keinen Platz mehr. Auch Einzelpersonen oder Verbrauchergruppen blieb der Zugang verwehrt.260 Über die Jahre erweiterte die AgV kontinuierlich ihr Themenspektrum. Bis in die 1970er Jahre hatte der Fokus noch hauptsächlich auf den Bereichen Haushalt und Ernährung gelegen.261 Die politische Arbeit konzentrierte sich dabei auf die Beseitigung von Wettbewerbsbeschränkungen und den Schutz vor unlauterem Wettbewerb, irreführender Werbung oder Preissteigerungen. Von dort wurden zunächst der Gesundheitsschutz der Verbraucher sowie die Klauselkontrolle in Verbraucherverträgen und schließlich auch die Bereiche Umwelt, Wohnen und Energie erschlossen.262 In einer zweiten Strukturreform auf Bundesebene wurde schließlich im Jahr 2000 der Bundesverband der Verbraucherzentralen und Verbraucherverbände e. V. (vzbv) gegründet und so die AgV, der Verbraucherschutzverein und die Stiftung Verbraucherinstitut in einer Organisation zusammengeführt. Natürliche Personen – also die Verbraucher selbst – bleiben unter den Mitgliedern des vzbv im Gegensatz zu den Konsumgenossenschaften oder den Gewerkschaften die Ausnahme. Insgesamt verfügt der vzbv heute über nur 40 Mitglieder, darunter die Verbraucherzentralen der Bundesländer sowie 24 weitere verbraucherpolitisch ausgerichtete Verbände. Hinzu kommen neun Verbände als Fördermitglieder „sowie verbraucherpolitisch engagierte Einzelpersonen“.263 In gleichem Maße sind die Verbraucherzentralen der Bundesländer als Zusammenschluss von Landesverbänden organisiert. Natürliche Personen
258 Zu Legitimationsdefizit und fehlender Basisanbindung ausführlich Biervert/Monse/ Rock, S. 160 ff. 259 Ausführlich von Braunschweig, S. 145 ff.; Bornecke, S. 111 ff.; außerdem Becker, in: Bock/Specht, S. 70, 76; Kranen, S. 153 f. 260 Janning, in: Rehder/von Winter/Willems, S. 132, 141; Müller, APuZ 24/2001, 6, 8. 261 Martiny, DNG 23 (1976), 910, 911 begrüßt diese Erweiterung, sei die AgV doch zuvor „lange Zeit mit dem Image des ‚Frauenthemas‘ behaftet“ gewesen. 262 Müller, APuZ 24/2001, 6, 8. 263 Vgl. die Auflistung unter http://www.vzbv.de/ueber-uns/mitglieder (zuletzt besucht am 12. 04. 2017).
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können ihre Arbeit lediglich durch eine Fördermitgliedschaft, teilweise nur in einem separaten Förderverein unterstützen.264 Gänzlich anders aufgebaut ist dagegen der Bundesverband Die Verbraucherinitiative e. V. (VI). Der Verein wurde 1985 von zwölf weitestgehend im Umweltschutz aktiven Personen mit dem Ziel errichtet, „eine unabhängige, bundesweite Verbraucherinitiative zu gründen, die sich bemüht, die vielen Einzelaktivitäten zu koordinieren und die Interessen kritischer Verbraucher wahrzunehmen“. Die VI begann ihre Arbeit mehrheitlich mit lokalen und auf bestimmte Interessen spezifizierten Initiativen, insbesondere in den Bereichen Lebensmittel, Gesundheit und Ernährung. Die technische Weiterentwicklung brachte Gen- und Biotechnologie auf ihre Agenda.265 In erster Linie durch eine kontinuierliche Projektarbeit zählte der Verein 2006 über 7000 Einzelmitglieder und rund 180 Mitgliederorganisationen und war damit der Mitgliederstärkste im Verbraucherbereich.266
b) Aufbau und Funktion der großen deutschen Verbraucherverbände aa) Verbraucherzentrale Bundesverband e. V. und Verbraucherzentralen Schon bei ihrer Entstehung 1953 wurde die Arbeitsgemeinschaft der Verbraucherverbände bewusst als Fremdorganisationsform von Verbrauchern konzipiert, mithin als „eine organisatorische Vertretungsform, die im Wesentlichen ohne den direkten Einfluss der Verbraucher und ohne deren direkte Kontrolle entsteht und besteht. ‚Verbraucherinteressen‘ werden […] von ‚dritten Personen‘ ohne unmittelbare Rückbindung zu den vertretenen Verbrauchern […] interpretiert, artikuliert und im ‚wohlverstandenen Interesse‘ wahrgenommen.“267
Angesichts des wissenschaftlichen Dogmas von der Nichtorganisierbarkeit der Verbraucher und ihrer Interessen und mit dem übergeordneten Wunsch nach einem Gegenspieler zu den Wirtschaftsverbänden auf der politischen Bühne wurde die Idee eines Verbands der Verbände favorisiert. Mit dem Zentralverband Deutscher Konsumgenossenschaften verließ dann 1968 zudem diejenige Vereinigung die AgV, mit der mittelbar die mit Abstand größte Anzahl von Ver264 Bornecke, S. 138ff; von Falckenstein, Bekämpfung unlauterer Geschäftspraktiken, Rn. 24; zur aktuellen Lage vgl. als Beispiel die Angaben der VZn Baden-Württemberg (https:// www.verbraucherzentrale-bawue.de/Wir-ueber-uns-2), Nordrhein-Westfalen (https://www.ver braucherzentrale.nrw/Mitglieder) und Hamburg (http://www.vzhh.de/docs/26229/personenund-organisation.aspx) (jew. zuletzt besucht am 12. 04. 2017). 265 Vgl. http://verbraucher.org/media/file/27.Rueckblick_30_Jahren.pdf (zuletzt besucht am 12. 04. 2017). 266 Jüngste verfügbare Angabe bei Schmedes, S. 244; außerdem Janning, in: Rehder/von Winter/Willems, S. 132, 142. 267 Biervert/Fischer-Winkelmann/Rock, S. 23; vgl. auch Hansen, in: HWB, 6. Aufl., S. 1875; Brune, in: Scherhorn, S. 105, 108 f.; Kuhlmann, S. 420 f. m. w. N.
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brauchern verbunden war. Spätestens die Organisationsreform 1971 finalisierte die Entscheidung zur Fremdorganisation. Obwohl neben Interessenskonflikten der Mitglieder gerade eine zweifelhafte Basislegitimation den Anlass zur Reform der Arbeitsgemeinschaft geboten hatte, wurde die Organisationsstruktur nicht nur beibehalten, sondern in diesem Punkt sogar noch verengt. Zum Teil wurde die Mitgliederlosigkeit sogar von Verbraucherverbänden selbst mit dem Argument befürwortet, wer sich in der Verbraucherarbeit engagiere, gehöre mit hoher Wahrscheinlichkeit einer höheren, gebildeteren Gesellschaftsschicht an, sodass individuelle Mitglieder die Verbandsarbeit zum Nachteil von Minderheiten beeinflussen würde.268 Bis heute sind die Verbraucher selbst im Dachverband vzbv wie auch in den Verbraucherzentralen unterrepräsentiert.269 Eine weitere politische wie auch wissenschaftliche Debatte hierüber ist dennoch weitestgehend ausgeblieben. Stattdessen haben beide stetig ihre politische und gesellschaftliche Position als Fremdorganisation von Verbraucherinteressen ausgebaut. In ihren Anfängen konzentrierte sich die AgV zunächst auf die Begleitung und Unterstützung von Warentests und Qualitätsprüfungen sowie die Veröffentlichung der Ergebnisse und weiterer verbraucherpolitischer Informationen in mehreren Publikationen.270 Der Schwerpunkt dieses Tätigkeitsbereichs Information und Beratung liegt heute bei den Verbraucherzentralen, die neben schriftlicher und telefonischer Hilfe zahlreiche Beratungsstellen in ihren jeweiligen Bundesländern betreiben.271 Sowohl die Verbraucherzentralen als auch der Dachverband stellen darüber hinaus regelmäßig Informationen in gedruckter Form, im Internet oder auf Fortbildungs- oder Informationsveranstaltungen bereit. Schon früh entstanden parallel dazu Kontakte zu den Bundes- und Landesministerien. Mit der Zeit haben sich die Verbraucherzentralen gemeinsam mit ihrem Dachverband vzbv (vorher: AgV) so zuvorderst als verbraucherpolitische Interessenvertretung etabliert272, der sich Verbände und Institutionen ent268
Trumbull, in: Daunton/Hilton, S. 261, 266 m. w. N. die Mitgliederliste des vzbv unter http://www.vzbv.de/ueber-uns/mitglieder (zuletzt besucht am 12. 04. 2017). Dazu gilt unverändert das schon von J. Weber, S. 134 Gesagte: „Die eindrucksvolle Zahl von […] Mitgliedern, die mittelbar über die […] Verbände der AgV angeschlossen sind, ist [kein] Beweis für die Repräsentanz des Verbandes. Denn es ist eher zweifelhaft, ob [sie] sich auch aus eigenen Stücken der Arbeitsgemeinschaft anschließen würde[n].“. 270 Janning, in: Rehder/von Winter/Willems, S. 132, 140; Becker, in: Bock/Specht, S. 70, 80 f. 271 Bornecke, S. 147 f.; Trumbull, in: Daunton/Hilton, S. 261, 267; Wieken, in: Scherhorn, S. 138, 149 f. 272 Vgl. schon Wieken, S. 18: […] immer stärkerer Trend zur Grundsatzarbeit sowie zur Abkehr von personalintensiver Einzelberatung“; außerdem Hansen, in: HWB, 6. Aufl., S. 1875; Martiny, DNG 23 (1976), 910, 911; Lübke, Forschungsjournal NSB 1991, 60, 66; Schmedes, S. 244; auch Kuhlmann, S. 418 f. und 422; anders noch vor der Organisationsreform 1971, vgl. oben, S. 132. 269 Vgl.
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sprechend auf Landes- bzw. Bundesebene anschließen können. Entscheidende Bedeutung kommt dabei dem Bundesverband zu, dessen Vertreter Teil zahlreicher nationaler und internationaler Gremien273 sind und zudem intensive Kontakte zur Bundesregierung sowie allen Parlamentsparteien pflegen.274 Darüber hinaus nehmen Verbandsvertreter regelmäßig an parlamentarischen Anhörungen Teil und geben vorab Stellungnahmen zu Gesetzesinitiativen oder -entwürfen ab. Der Tätigkeitsbereich politische Interessenvertretung spiegelt sich auch im organisatorischen Aufbau des vzbv wieder. Unterhalb der Führungsebene ist der vzbv heute in lediglich zwei Geschäftsbereiche untergliedert. Während sich im Geschäftsbereich „Zentrale Dienste“ fünf sogenannte Teams (u. a. „Controlling und Finanzen“, „Personal und Organisation“) der Verwaltung des Verbands selbst widmen, besteht der Geschäftsbereich „Verbraucherpolitik“ aus neun Teams, die das gesamte politische Spektrum abdecken, in dem Verbraucherfragen virulent werden können. Dazu gehören die Themenbereiche „Digitales und Medien“, „Energie und Mobilität“, „Energie-Projekte“, „Finanzen“, „Gesundheit und Pflege“, „Lebensmittel“, „Marktwächter-Projekte“, „Recht und Internationales“ sowie „Rechtsdurchsetzung“.275 Dieser Aufbau setzt die Vision der ersten Vorsitzenden des vzbv, Edda Müller, von einer „kontinuierlichen Bereichsaufmerksamkeit für verbraucherrelevante Fragen anderer Ministerien“ jedenfalls auf Verbandsebene in die Tat um.276 Auch auf finanzieller Ebene besteht eine enge Verknüpfung. Die Arbeit des vzbv wie auch der Verbraucherzentralen wird ganz überwiegend durch staatliche Zuwendungen finanziert. Während des nun über 60-jährigen Bestehens des Dachverbands hat sich sein Haushalt dabei stetig vergrößert. Allein in den ersten 30 Jahren wuchs das Finanzvolumen der AgV von 37.000 DM 1954 über 214.000 DM 1960 auf schon 400.000 DM 1966. Im Anschluss an die Umstrukturierung der AgV erhielt sie erstmals ab 1982 institutionelle Förderung aus dem Bundeswirtschaftsministerium (heute nun aus dem Bundesministerium für Justiz und Verbraucherschutz), während zuvor alle staatlichen Zuwendungen aus der Projektförderung verschiedener Ministerien stammten. Damit ging eine erhebliche Aufstockung des Etats einher, der 1984 über 7,9 Mio. DM umfasste, woran die institutionelle Förderung einen Anteil von 4,046 Mio. DM, die projektgebundene Förderung von 3,087 Mio. DM hatte. Das Gesamtvolumen 273 Vgl. die Aufstellung im Jahresbericht 2014/2015 des vzbv, abrufbar unter http://zap.vz bv.de/626aa64b-894d-4492-a625-f727bd3ad6a5/Jahresbericht-vzbv-2014-2015.pdf (zuletzt besucht am 12. 04. 2017). 274 Zur AgV Bornecke, S. 111 ff.; zum vzbv Janning, in: Rehder/von Winter/Willems, S. 132, 144. 275 Vgl. das Organigramm des vzbv, verfügbar unter http://zap.vzbv.de/0359cda3-4e2d48ee-9819-adb7c241fe62/vzbv_Organigramm.pdf (zuletzt besucht am 12. 04. 2017). 276 Müller, APuZ 24/2001, 6, 12; vgl. auch Janning, in: Rehder/von Winter/Willems, S. 132, 144 f.
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stieg weiter auf 15,13 Mio. Euro im Jahr 2003 (davon 8,009 Mio. Euro institutionelle Förderung, 6,093 Mio. Euro projektgebundene Förderung) und zuletzt 20,65 Mio. Euro im Jahr 2014 (davon rund 9,5 Mio. Euro institutionelle Förderung und 10,84 Mio. Euro projektgebundene Förderung). Der Anteil staatlicher Zuwendungen am Gesamtetat des vzbv ist damit von rund 90 % 1984, über rund 93 % 2003 auf sogar rund 98 % 2014 angestiegen. Der Anteil sonstiger Einnahmen fällt daneben nicht ins Gewicht. Während 1984 207.593 DM und 2003 noch 684.108 Euro aus Veröffentlichungen eingenommen wurden, waren es im Jahr 2014 nur noch 113,80 Euro. Die Mitgliedsbeiträge steigen kontinuierlich leicht an und machten insgesamt 1984 10.775 DM, 2003 20.450 Euro und 2014 23.300 Euro aus.277 Etwas anders stellt sich die Zusammensetzung der Finanzen der Verbraucherzentralen dar, obwohl auch dort die staatlichen Zuwendungen weiterhin überwiegen. Bereits 1991 entschied das Bundeswirtschaftsministerium die institutionelle Förderung der Verbraucherzentralen einzustellen.278 Solche erhalten sie seitdem nur noch aus dem zuständigen Landesministerium. Hinzu kommen projektgebundene Fördermittel von Landes- und Bundesebene sowie teils auch von den Kommunen oder der EU. Aus der Gruppe sticht die Verbraucherzentrale Hamburg hervor, von deren Gesamtbudget i. H. v. 4,593 Mio. Euro in 2015 nur 57,9 % aus staatlichen Zuwendungen stammten und die VZ den übrigen Anteil von 42 % durch Eigeneinnahmen erwirtschaftete (darunter Einnahmen für Beratungen und Publikationen sowie aus Verbandsklagen, Spenden, Bußgeldern und Mitgliedsbeiträgen). Neben den bei rund 17 % des Gesamtetats konstanten Zuwendungen von Seiten des Bundes, scheint dies im Wesentlichen bedingt durch den Förderungsanteil seitens der Freien und Hansestadt Hamburg, der von im Vergleich bereits geringen rund 50 % in den Vorjahren über 47,7 % in 2013 und 40,4 % in 2014 auf 38,8 % in 2015 gefallen ist.279 Im Vergleich dazu erhielt die Verbraucherzentrale Baden-Württemberg 2015 von einem Gesamtbudget von rund 4,689 Mio Euro rund 14 % projektbezogene Förderung durch das ehemalige Bundesministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz bzw. das Bundesministerium für Justiz und Verbraucherschutz, aber rund 63 % Zuwendungen durch das zuständige
277 Angaben
der Jahresberichte der AgV bzw. des vzbv zitiert nach Bornecke, S. 117; Janning, in: Rehder/von Winter/Willems, S. 132, 140 und dem Jahresbericht 2014/2015 des vzbv, a. a. O. (Fn. 273). 278 Lübke, Forschungsjournal NSB 1991, 60, 64; Micklitz/Stadler, in: dies., Verbandsklagerecht, S. 1268. 279 Der Jahresbericht 2015 der VZ Hamburg ist unter http://www.vzhh.de/vzhh/270357/ Jahresbericht_2014_vzhh.pdf verfügbar, die vorangegangenen Jahresberichte 2009–2014 auf einem öffentlichen Portal der Universität Hamburg unter http://epub.sub.uni-hamburg.de/ epub/journal.php?journal_id=134&la=de (jew. zuletzt besucht am 12. 04. 2017).
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Landesministerium. Neben weiteren Projektfördermitteln lag der Anteil an Eigeneinnahmen dennoch auch hier bei rund 14 %.280 Die Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen wiederum arbeitet mit einem deutlich größeren Etat als die Vorgenannten i. H. v. beinahe 42 Mio Euro 2015. Rund 85 % dessen stammten aus verschiedenen Zuwendungen, genauer ca. 55 % von verschiedenen Landesministerien, 28 % von Kommunen des Landes, 13 % von der Europäischen Union und rund 3,5 % vom Bundesministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz bzw. Bundesministerium für Justiz und Verbraucherschutz. Dennoch liegt auch hier der verbleibende Eigenanteil bei 15 %.281 Ungeachtet regionaler Unterschiede zwischen den Bundesländern wird die Finanzierung des vzbv sowie der Verbraucherzentralen damit in erster Linie von staatlicher Seite sichergestellt, sodass der einzelne Verbraucher auch nicht als Beitragszahler von Bedeutung ist.282 Gleichzeitig sind die Verbände für ihre Arbeit gänzlich auf die staatliche Förderung angewiesen. Hinzu kommt, dass die Idee der Gegenmachtsbildung, die der Konzeption der Verbraucherverbände weiterhin zugrunde liegt, im politischen System kaum durch Konfrontation als vielmehr durch Konsensfindung verwirklicht wird. Insbesondere der vzbv fungiert als Gesprächspartner der Bundesregierung, des Parlaments und der Wirtschaftsverbände auf der Suche nach einer allgemein anerkannten Lösung.283 Zu Kampfhandlungen vergleichbar z. B. den Streiks der Gewerkschaften oder einer öffentlichen Boykottierung bestimmter Produkte oder Unternehmer ist er aufgrund seiner Mitgliederstruktur nicht in der Lage. Sie sind aber auch nicht gewünscht.284 Beide Faktoren verringern das Gewicht des Verbandes im Verhältnis zu seinen Gesprächspartnern und bedingen, dass er Anliegen kaum initiativ in den politischen Prozess einbringen kann, die sich nicht bereits dort befinden. Seine Arbeit wie auch seine Handlungsmöglichkeiten sind dadurch unmittelbar mit der verbraucher(schutz)politischen Agenda der jeweiligen Bundesregierung und hier speziell des zuständigen Ministeriums verknüpft.285 Alle aufgezeigten Aspekte machen deutlich, dass eine aus Verbrauchern bestehende Mitgliederbasis in der gegebenen Realität gar nicht erforderlich 280 Die Jahresberichte 2010–2015 der VZ Baden-Württemberg sind verfügbar unter http:// www.verbraucherzentrale-bawue.de/jahresberichte (zuletzt besucht am 12. 04. 2017). 281 Die Jahresberichte 2013–2015 der VZ NRW sind unter http://www.verbraucherzentrale. nrw/jahresbericht (zuletzt besucht am 12. 04. 2017) verfügbar. 282 Trumbull, in: Daunton/Hilton, S. 261, 265. 283 Wieken, in: Scherhorn, S. 138, 152; Biervert/Monse/Rock, S. 175 und 177 f. gehen darüber hinaus sogar von einer „Integration der Anbieterinteressen in die Verbraucherorganisation […] zur präventiven Absenkung des Konfliktniveaus“ aus. 284 Trumbull, in: Daunton/Hilton, S. 261, 271 und 278. 285 Janning, in: Rehder/von Winter/Willems, S. 132, 146 f.; vgl. auch schon Biervert/ Fischer-Winkelmann/Rock, S. 36 f. und 65 f.; Biervert/Monse/Rock, S. 168 f. sprechen von der Assimilation selbstständiger und staatlicher Verbraucherpolitik.
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und daher auch überhaupt nicht gewünscht ist.286 In dem bestehenden Gegenseitigkeitsverhältnis werden dennoch weder die Marktgegenseite, die keinerlei Interesse an einer Konfrontation hat, noch der Staat selbst, der andernfalls als Hauptgeldquelle die Kritik unweigerlich gegen sich selbst richtete, die Legitimation des vzbv in Frage stellen.287 Obwohl eine konkrete Beeinflussung nicht erkennbar ist, kann bei vzbv und den Verbraucherzentralen angesichts dieser Strukturen und dabei an erster Stelle aufgrund der öffentlichen Finanzierung auch ohne jede offizielle Weisungsbefugnis nicht von objektiver und unvoreingenommener Arbeit ausgegangen werden. Halfmeier kommt daher zu Recht zu der Charakterisierung als „para-staatliche Kontrollinstitutionen, die faktisch eher als ausgelagerte Behördenteile angesehen werden können“.288
bb) Die Verbraucherinitiative Neben den bekanntesten deutschen Verbraucherverbänden vzbv und den Verbraucherzentralen bestehen aber ebenso Selbstorganisationen von Verbrauchern, d. h. „Zusammenschlüsse von Verbrauchern, in denen diese ihre Interessen selbst artikulieren, im Kollektiv aushandeln und in gemeinsamen Aktivitäten durchzusetzen versuchen bzw. unmittelbar Repräsentanten mit ihrer Interessenvertretung beauftragen.“289
Die ersten selbstorganisierten Interessenverbände bezeichneten sich als Verbrauchergemeinschaften290, existieren jedoch heute größtenteils nicht mehr. Weiterhin verbreitet sind dagegen zunächst Gruppierungen, die auf ein spezifisches, partikulares Interesse ausgerichtet sind291, wie z. B. die zahlreichen Mietervereine und -verbände, die Aktion Bildungsinformation e. V., aber auch ADAC und ADFC. Gleichzeitig existiert aber mit Die Verbraucherinitiative e. V. (VI) auch ein Verband, der sich sowohl einem allgemeinen Verbraucherinteresse widmet als auch auf dem Mitgliederprinzip beruht.292 Der Schwerpunkt der Verbandsarbeit liegt auf der Herausgabe eines Mitgliedermagazins sowie einer Vielzahl sogenannter „Themenhefte“ zum ökologischen, gesundheitlichen und sozialen Verbraucherschutz. Diese werden ergänzt durch Werbe- und Informationskampagnen (u. a. „fair feels good“, oder „Initiative nachhaltig handeln“) und ver286
So schon Trumbull, in: Daunton/Hilton, S. 261, 264. Biervert/Fischer-Winkelmann/Rock, S. 65. 288 Wie schon eingangs Halfmeier, Popularklagen, S. 368. 289 Biervert/Fischer-Winkelmann/Rock, S. 23; Biervert/Monse/Rock, S. 179; vgl. auch Hansen, in: HWB, 6. Aufl., S. 1875; Brune, in: Scherhorn, S. 105, 113 f.; Kuhlmann, S. 420 f. m. w. N. 290 Dazu von Falckenstein, Bekämpfung unlauterer Geschäftspraktiken, Rn. 28 f. 291 Eine umfangreiche Analyse der Beitrittsgründe einzelner Mitglieder haben Biervert/ Monse/Rock, S. 181 ff. durchgeführt und damit die Grundlage der interessenorientierten Tätigkeit aufgezeigt, a. a. O., S. 193. 292 Unzutreffend insoweit Halfmeier, Popularklagen, S. 366 f. dort mit Fn. 46. 287 Ebenso
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schiedene Onlineportale (u. a. www.oeko-fair.de, www.nachhaltig-einkaufen.de oder www.label-online.de).293 Im Mittelpunkt steht nicht der Schutzgedanke, sondern mehr die Eigenverantwortung der Verbraucher: „Wir setzen dabei auf die Vision mündiger, verantwortlicher und informierter Verbraucherinnen und Verbraucher. Wir sind davon überzeugt, dass der Staat nicht alles regeln kann (und sollte).“294
Die Verbraucherinitiative befindet sich nicht auf der Liste qualifizierter Einrichtungen i. S. v. § 4 UKlaG und bietet auch abseits der Verbandsklage weder persönliche Rechtsberatung an, noch nimmt sie Rechte prozessstandschaftlich wahr. Stand sie anfänglich noch der Partei Bündnis 90/Die Grünen nahe, hat sie sich nie als politischer Interessenverband betätigt, sondern widmet sich in erster Linie der Weiterverbreitung von Informationen für verschiedenste Verbrauchergruppen.295 Die Verbraucherinitiative erhält zwar keinerlei institutionelle Förderung, konzentriert sich jedoch zur Finanzierung ihrer Verbandsarbeit jüngst zunehmend auf Projektförderung in erster Linie seitens der Bundesministerien, aber auch im Einzelnen interessierter Industrieverbände. Eine weitere relevante Steigerung der Mitgliederzahl und damit der Beitragsmittel wird demgegenüber als unrealistisch eingeschätzt.296 Ungeachtet der Abkehr von verbraucherpolitischer (Lobby-)Arbeit, begibt sich somit auch Die Verbraucherinitiative in eine zunehmende Abhängigkeit von ihren industriellen oder staatlichen Geldgebern.
3. Entwicklung und Praxis der Verbandsklagerechte Im Mittelpunkt des deutschen kollektiven Rechtsschutzes stehen Unternehmerund Verbraucherverbände noch heute weitgehend gleichberechtigt nebeneinander.297 Der ersten deutschen Verbandsklage im Lauterkeitsrecht haftete von vornherein das Problem an, dass sie eine strenge Überwachung des Wettbewerbs nur ermöglichte, soweit dies auch mit den Interessen der Überwacher – der gewerblichen Marktakteure selbst – korrelierte. Die individuelle, konsumierende Marktgegenseite blieb ungeschützt, sodass sich der Gesetzgeber entschied, die Verbandsklagebefugnis zunächst im UWG und später auch darüber hinaus auf Verbraucherorganisationen auszuweiten.298 Damit ging er bereits 1965 über die – zuvor maßgebliche – Idee der Selbstregulierung des Marktes hinaus und erwartete stattdessen einen kollektiven Zusammenschluss von Verbrauchern in Verbänden zum Schutz ihrer Interessen. Man versprach sich ähnlich der Ent293
http://verbraucher.org/ueber-uns/projekte (zuletzt besucht am 12. 04. 2017). http://verbraucher.org/ueber-uns/leitbild-und-profil/leitbild-profil (zuletzt besucht am 12. 04. 2017). 295 Janning, in: Rehder/von Winter/Willems, S. 132, 143. 296 Ebenda, S. 142. 297 Zu den rechtspolitischen Erwägungen des Gesetzgebers bereits im ersten Kapitel S. 44 ff., zur rechtlichen Umsetzung im Einzelnen im dritten Kapitel, S. 201 ff. 298 Dazu ausführlich bereits im ersten Kapitel, S. 44 ff. 294
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wicklung in der Arbeiterbewegung eine besondere Effektivität des Interessenschutzes (z. B. in Form von Verhandlungen zwischen Verbraucherverbänden einer- und Unternehmerverbänden andererseits), die die ausdrückliche und ausschließliche Klagebefugnis der Verbraucherverbände rechtfertigen sollte.299 Dementsprechende politische Beachtung fanden die Verbraucherverbände im Anschluss an ihre Einbeziehung in die wettbewerbsrechtliche Unterlassungsklage im Rahmen der verbraucherpolitischen Bewegung der 1960er und 1970er Jahre. Im Oktober 1971 bemängelte die deutsche Bundesregierung in ihrem ersten Bericht zur Verbraucherpolitik, der Einfluss der Verbraucherorganisationen sei im Kräftespiel der Interessenverbände nicht stark genug300 und stellte eine stärkere, finanzielle Unterstützung für deren Klagetätigkeit im Rahmen des UWG in Aussicht.301 Allerdings war schon früh erkennbar, dass die eingangs avisierte gewerkschaftsähnliche Organisation und Durchsetzung von Verbraucherinteressen mit Hilfe von Verbraucherverbänden jedenfalls im erwarteten Maß nicht möglich sein würde. Schon 1975 wurden Mängel in der rechtlichen Durchsetzung von Verbraucherschutzvorschriften festgestellt und u. a. ein Ausbau kollektiver Rechtsschutzmechanismen gefordert.302 In diesem Zusammenhang weisen Biervert/Fischer-Winkelmann/Rock ausdrücklich darauf hin, es nicht bei der Erhöhung von Finanzetats zu belassen, sondern sich bei entsprechenden Änderungen explizit am „bewährte[n] Wissen des Verbraucher- und Anbieterverhaltens“ zu orientieren.303 Im AGB-Recht entschied sich der Gesetzgeber bereits 1976 gegen ein Modell, in dem die AGB zwischen beiden Seiten kollektiv ausgehandelt werden, weil „der Organisationsstand der Verbraucherinteressen die Einführung des […] Modells in absehbarer Zeit nicht erwarten [ließ]“.304 Auf Seiten der Unternehmerverbände geriet die Verbandsklage im Lauterkeitsrecht demgegenüber in den 1970er und 1980er Jahren aufgrund der Machenschaften sogenannter Gebühren- oder Abmahnvereine in Verruf. Dabei handelte es sich mehrheitlich um Vereine, die ihrer Satzung zufolge allein der Bekämpfung unlauteren Wettbewerbs dienen sollten, wobei die tatsächliche Rechtsverfolgung durch Abmahnungen und Klagen ihnen verbundener Rechtsanwälte ausgeübt wurde. Die Offenheit des § 13 I UWG in seiner damals gültigen Fassung, aber auch die Rechtsprechung bezüglich der Kostenpauschalen und Aufwendungsersatzansprüche dieser Klagevehikel ermöglichte eine Reihe
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Halfmeier, Popularklagen, S. 366. Erster Bericht der Bundesregierung zur Verbraucherpolitik, BT-Drucks. 6/2724, S. 2 f. 301 Ebenda, S. 7 f. 302 Werner, in: Scherhorn, S. 175 f.; Biervert/Fischer-Winkelmann/Rock, S. 183. 303 Ebenda. 304 Bundesminister der Justiz (Hrsg.), Zweiter Teilberícht, S. 91; vgl. auch Lakkis, S. 19 f. m. w. N. 300
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missbräuchlicher Handhabungen.305 Der Gesetzgeber reagierte darauf mit mehreren Reformen des § 13 UWG, dem 1986 zudem auch § 13 AGBG angeglichen wurde.306 Das Phänomen der Abmahn- und Gebührenvereine konnte so weitestgehend bekämpft werden. Neuere Untersuchungen sowie Erfahrungen aus der Praxis zeigen inzwischen einen verantwortungsvollen Umgang mit den Klagemechanismen und hohe bis sehr hohe Erfolgsquoten der geführten Verfahren.307 Die Kehrseite dessen bilden Schutzlücken, die die verschärften gesetzlichen Anforderungen aus rechtlichen oder tatsächlichen Gründen haben entstehen lassen.308 Noch dazu wird eine hypothetische Missbrauchsgefahr von den Gegnern des kollektiven Rechtsschutzes bei jeder Gelegenheit auch ohne empirische Basis penetrant gegen die Verbandsklage oder andere mögliche Mechanismen ins Feld geführt. Ungeachtet der genannten Schwierigkeiten konnte sich die Verbandsunterlassungsklage in bestimmten Rechtsbereichen zu einem erfolgreichen Rechtsdurchsetzungsmechanismus entwickeln. Dazu gehören in erster Linie das Recht der irreführenden Werbung sowie die Kontrolle von AGB.309 Das gerichtliche Vorgehen einzelner Verbände bot dort über den Einzelfall hinaus zudem oftmals die Grundlage für gesetzgeberische Maßnahmen.310 Dennoch weisen die wenigen empirischen Untersuchungen gerade im Bereich der AGB-Kontrolle auch auf fortbestehende Durchsetzungsmängel und Verbesserungspotenzial hin.311 Einer der wiederholten Kritikpunkte in diesem Kontext ist die im Verhältnis zur Anzahl der klageberechtigten Verbände insgesamt sehr geringe Klageaktivität. Neben dem vzbv und den 16 Verbraucherzentralen sind derzeit 60 weitere Vereine und Verbände auf der Liste qualifizierter Einrichtungen des Bundesamtes für Justiz registriert und haben damit die Möglichkeit gem. § 8 III Nr. 3 UWG, § 3 I 1 Nr. 1 UKlaG und § 33 II Nr. 2 lit. a GWB eine Verbandsklage zu erheben.312 Die Gesamtzahl von Verbänden zur Förderung gewerblicher und selbstständiger beruflicher Interessen i. S. v. § 8 III Nr. 2 UWG, § 3 I Nr. 2 305 Statt vieler Koch, Prozessführung, S. 278 f. m. w. N.; Büch, in: Teplitzky, Kap. 13 Rn. 37 f.; Sack, BB 1986, 2205, 2218 ff. und Gloy, WRP 1999, 34, 35; das Missbrauchspotenzial wird bereits angedeutet von Pastor, GRUR 1969, 571, 579 f. 306 Sack, ebenda; Ulrich, in: FS von Gamm, S. 223, 225 f.; von Falckenstein, Bekämpfung unlauterer Geschäftspraktiken, Rn. 35 ff. 307 Halfmeier, 50 Jahre Verbandsklage, S. 27 f.; Von Moltke, S. 86; Kemper, S. 469; Sack, BB 1986, 2205, 2219; Büch, in: Teplitzky, Kap. 13 Rn. 39; etwas zurückhaltender noch Gloy, WRP 1999, 34, 40 f. 308 Gloy, ebenda; vgl. im Detail dazu im vierten Kapitel, S. 323 ff. 309 Halfmeier, 50 Jahre Verbandsklage, S. 25 m. w. N.; Meller-Hannich/Höland, Evaluierung, S. 141. 310 Halfmeier, ebenda. 311 Halfmeier, ebenda, S. 26; Hensen, in: FS Ulmer, S. 1135, 1151; Meller-Hannich/Höland, Evaluierung, S. 144 f. 312 Zu den Voraussetzungen für eine Eintragung im vierten Kapitel, S. 276 ff. sowie zum Eintragungsverfahren und seiner praktischen Handhabung im fünften Kapitel, S. 384 ff.
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UKlaG und § 33 II Nr. 1 GWB lässt sich kaum beziffern, da für sie kein vorgelagertes Registrierungsverfahren vorgesehen ist. Ohne Rücksicht auf den kraft Gesetzes erforderlichen Bezug zum jeweiligen Einzelfall313 dürfte sie jedoch um ein Vielfaches höher liegen als die Anzahl qualifizierter Einrichtungen. Zur tatsächlichen Klagetätigkeit der Verbraucher- wie auch der Wirtschaftsverbände fehlen weitestgehend verwertbare absolute Zahlen. Die wenigen verfügbaren empirischen Befunde legen jedoch nahe, dass nur eine Minderheit der dazu berechtigten Verbände auch tatsächlich von ihrer Klagemöglichkeit Gebrauch macht.314 Der größte Anteil der Verbandsklagen entfällt dabei einerseits auf die Verbraucherzentralen und ihren Dachverband vzbv sowie andererseits auf die Zentrale zur Bekämpfung unlauteren Wettbewerbs e. V. (Wettbewerbszentrale).315 Aus dem Kreis der 16 Verbraucherzentralen verzeichnen nur wenige nennenswerte Aktivitäten als Verbandskläger, darunter in erster Linie die VZn Hamburg, Nordrhein-Westfalen und Baden-Württemberg.316 Auch ein Großteil der Industrie- und Handelskammern, der Handwerkskammern und der Berufskammern gibt an, Streitigkeiten stets an die Wettbewerbszentrale weiterzugeben, anstatt sie selbst zu verfolgen.317 Dasselbe gilt für den Deutschen Werberat, eine Selbstkontrollinstanz innerhalb des Zentralverband der deutschen Werbewirtschaft ZAW e. V.318 Dieses Defizit – wie auch seine Hintergründe – wird nicht nur auf politischer Ebene, sondern zum Teil auch seitens der Wissenschaft mit offenen Augen übergangen. Ein passendes Beispiel bieten Meller-Hannich und Höland, die als ein Ergebnis ihrer Untersuchung feststellen: „Einen deutlichen Hinweis auf die wahrscheinlich (sic!) Klageaktivität eines Verbandes liefert die Liste der qualifizierten Einrichtungen nach § 3 Abs. 1 Nr. 1 UKlaG.“319
Diese Schlussfolgerung widerspricht nicht nur der allgegenwärtigen tatsächlichen Erfahrung, sondern insbesondere auch den Befunden der Autoren selbst. Zum maßgeblichen Zeitpunkt der Studie waren 76 Einrichtungen auf der Liste des Bundesamtes für Justiz registriert. Davon haben lediglich 25, mithin rund 33 % der Eingetragenen an der Befragung der Autoren in unterschiedlichem Umfang teilgenommen.320 Weitere fünf sagten die Teilnahme mangels Klage313
Dazu im vierten Kapitel, S. 283 ff. sowie S. 323 ff. Meller-Hannich/Höland, Evaluierung, S. 55 und 166; von Moltke, S. 73 f. 315 Meller-Hannich/Höland, Evaluierung, S. 166 f. gestützt auf die Detailangaben auf den S. 116 ff.; Halfmeier, Popularklagen, S. 367. 316 Micklitz, in: MK ZPO, Vor §§ 1 ff. UKlaG Rn. 33; so schon von Moltke, S. 73 und 84. 317 Meller-Hannich/Höland, Evaluierung, S. 168. 318 Von Moltke, S. 76 f.; vgl. auch http://www.zaw.de/zaw/selbstregulierung/deutscherwerberat/?navid=811428811428 (zuletzt besucht am 12. 04. 2017). 319 Meller-Hannich/Höland, Evaluierung, S. 168. 320 Ebenda, S. 19 und 53; danach handelte es sich im Einzelnen um zehn Verbraucher314
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tätigkeit ab.321 Von den teilnehmenden 25 wiederum ordneten sich sieben als „nicht klageaktiv“ ein.322 Rückschlüsse auf die übrigen 46 sind grundsätzlich nicht möglich. Geht man jedoch wie die Autoren aus nachvollziehbaren Gründen davon aus, die Befragung der Verbände habe „[…] einen deutlich über der allgemeinen Rücklaufquote liegenden, wenn auch mangels Grundgesamt nicht exakt bezifferbaren Anteil der klageaktiven Verbände erfasst“323,
liegt die o. g. Schlussfolgerung umso ferner. Sie ist insgesamt sogar so abwegig, dass in diesem Punkt eine Beeinflussung durch das auftraggebende Ministerium vermutet werden könnte. Schließlich beschränkt sich die Erfolgsgeschichte der Verbandsunterlassungsklage zudem auf die Verfolgung und Unterbindung unlauteren oder verbraucherrechtswidrigen Verhaltens, das eine Vielzahl von Personen in Mitleidenschaft zieht, gegen das aber aufgrund seiner geringen Auswirkungen für den Einzelnen kaum individuell vorgegangen wird. Ohne die Erfolge der Verbände in diesem Bereich diskreditieren zu wollen, fehlt es daneben weitgehend an der Kompensation und Prävention verhaltensbedingter Streuschäden.324 Der gesamte Bereich der kollektiven Geltendmachung von Individualansprüchen ist bisher ebenfalls unberücksichtigt geblieben. Haben sich aber die Schwierigkeiten im Zusammenhang mit der Organisierbarkeit von Verbraucherinteressen einerseits und die gesellschaftliche und politische Rolle des vzbv (vormals AgV) und der Verbraucherzentralen andererseits bereits vor 40 Jahren deutlich abgezeichnet, drängt sich in diesem Zusammenhang die Frage auf, warum seitdem von gesetzgeberischer Seite nie Alternativen in Betracht gezogen wurden. Im Gegenteil hat der Gesetzgeber – zu großen Teilen, aber keineswegs gänzlich auf Veranlassung von europäischer Seite – die Befugnisse eben dieser Institutionen noch ausgeweitet. Ein anschauliches Beispiel hierfür bietet die Möglichkeit, Ansprüche an eine Verbraucherzentrale abzutreten, die diese dann gem. § 8 RDG außergerichtlich und mithilfe von § 79 ZPO auch gerichtlich geltend machen kann, die im deutschen Recht seit Jahrzehnten ein Schattendasein führt.325
zentralen, fünf Verbraucherverbände, zehn Mietervereine und eine Schutzgemeinschaft, was allerdings eine Gesamtzahl von 26 ergibt. 321 Ebenda, S. 53. 322 Ebenda, S. 56; dazu gehörten drei Verbraucherzentralen und vier Mietervereine. 323 Ebenda, S. 167. 324 Halfmeier, 50 Jahre Verbandsklage, S. 34 ff. 325 Geiger, S. 55; Buchner, S. 78; Meller-Hannich/Höland, Evaluierung, S. 109 f.; noch hoffnungsvoll dagegen („Schritt in die richtige Richtung“) Stadler, in: FS Schumann, S. 465, 489 f.; auch die von Burckhardt, S. 200 f. vorgeschlagene „ziel- und funktionsgerechte Interpretation“ konnte sich nicht durchsetzen.
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4. Cartel Damage Claims (CDC): Kompensation eines gesetzgeberischen Mangels a) Die Unternehmensgruppe Cartel Damage Claims (CDC) Der Mangel eines prozessualen Mechanismus zur gebündelten Geltendmachung individueller Schadenersatzansprüche im deutschen Recht hat gerade in jüngster Zeit durch die Unternehmensgruppe Cartel Damage Claims (CDC) wieder öffentliche Aufmerksamkeit erlangt. Unter Führung der CDC Consulting, einer société coopérative à responsabilité limitée nach belgischem Recht wurde die Gruppe im Jahr 2002 in Brüssel von deutschen Juristen gegründet. Sie ist spezialisiert auf die private Kartellrechtsdurchsetzung und hat sich zum Ziel gesetzt, durch verbotene Kartelle geschädigten Unternehmen einen wirksamen Ausgleich der erlittenen Schäden zu ermöglichen. Das Geschäftsmodell besteht darin, die individuellen Schadenersatzansprüche Kartellgeschädigter aufzukaufen, sich abtreten zu lassen und schließlich gebündelt geltend zu machen. Im Zusammenhang damit bietet CDC seinen Kunden umfangreichen Service von der Sammlung von Daten über deren Analyse und ökonomische Aufarbeitung und die Quantifizierung von Schäden bis hin zur außergerichtlichen und gerichtlichen Geltendmachung von Ersatzansprüchen. In erster Linie agiert CDC dabei in follow on-Fällen, in denen bereits eine rechtskräftige Entscheidung der Europäischen Kommission oder einer nationalen Kartellbehörde wie des Bundeskartellamtes vorliegt.326 Auf diese Weise ist CDC zwischenzeitlich europaweit in sechs Fällen327 von jeweils beachtlicher Dimension tätig, von denen zwei besonderes Aufsehen in Deutschland erregt haben. Im Fall eines Wasserstoffperoxid-Kartells erhob die CDC-Tochter CDC Hydrogen Peroxide SA (CDC HP) im März 2009 Klage auf Schadenersatz gegen mehrere Unternehmen u. a. aus Deutschland, Frankreich, den Niederlanden und Finnland vor dem Landgericht Dortmund. Im Juni 2013 entschied das Gericht, das Verfahren auszusetzen und mehrere Fragen der internationalen Zuständigkeit dem Europäischen Gerichtshof zur Vorabentscheidung vorzulegen.328 Dieser folgte im Mai 2015 weitgehend der Argumentation von CDC HP.329 Eine Entscheidung des Landgerichts in der Sache steht derzeit noch aus. Im hiesigen Kontext von besonderem Interesse ist jedoch das bereits seit 2002 andauernde Vorgehen einer weiteren CDC-Tochter Cartel Damage Claims SA (CDC SA) gegen verschiedene deutsche Zementhersteller. 326 Vgl. die Eigendarstellung der Gesellschaft auf ihrer Internetseite unter https://www. carteldamageclaims.com/about-us/en-cdc-als-pionier-und-vorreiter/ (zuletzt besucht am 12. 04. 2017); außerdem Schreiber, 44 The International Lawyer (2010) 1157, 1170 und Stadler, in: Van Boom (im Erscheinen). 327 Vgl. die Zusammenstellung unter https://www.carteldamageclaims.com/our-cases/ (zuletzt besucht am 12. 04. 2017). 328 LG Dortmund GRUR Int 2013, 842 ff. 329 EuGH Rs. C-352/13 (CDC Hydrogen Peroxide), Abl. 2015 Nr. C 236, S. 3 f.
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b) Das Vorgehen der Cartel Damage Claims SA (CDC SA) im Fall Zementkartell Im März und April 2003 erließ das Bundeskartellamt Bußgeldbescheide gegen zwölf Zementhersteller, darunter die sechs größten deutschen Unternehmen wegen kartellrechtswidriger Gebiets- und Quotenabsprachen und verhängte ein Bußgeld von insgesamt 702 Mio. Euro. Die Bescheide wurden später gerichtlich bestätigt, die Bußgeldhöhe jedoch gemindert.330 Im August 2005 erhob die CDC SA gegen drei, später erweitert auf alle sechs der beteiligten größten deutschen Unternehmen eine follow on-Klage auf Kartellschadenersatz i. H. v. mehr als 131 Mio. Euro zzgl. Zinsen vor dem Landgericht Düsseldorf. Zuvor hatte sie die Ansprüche von 36 Geschädigten, sämtlich kleinere und mittlere Unternehmen angekauft und sich abtreten lassen. Der Kaufpreis für die Forderungen wurde dabei in einen geringen Festanteil i. H. v. 100 Euro und einen erfolgsabhängigen Gewinnanteil aufgespalten. Der Gewinnanteil variierte zwischen 65 und 85 % der durch die CDC SA realisierten Forderung.331 In einer ersten Prozessphase wurde bis zum Oberlandesgericht Düsseldorf über Zulässigkeitsfragen verhandelt. Das Oberlandesgericht bestätigte das stattgebende Zwischenurteil des Landgerichts332 und auch eine Nichtzulassungsbeschwerde zum Bundesgerichtshof hatte daraufhin keinen Erfolg.333 Schließlich erging im Dezember 2013 das erstinstanzliche Urteil des Landgerichts Düsseldorf334, in dem das Gericht die Klage der CDC SA als unbegründet abwies. Zur Begründung setzte sich das Gericht umfänglich mit den vorgenommenen Abtretungen auseinander, die es im Ergebnis für unwirksam und CDC SA daher für nicht aktivlegitimiert befand. Alle ursprünglichen Abtretungen, die insgesamt noch zur Geltungszeit des RBerG vorgenommen worden waren, dienten nach Ansicht des Landgerichts Düsseldorf der geschäftsmäßigen Einziehung in Wirklichkeit fremder Forderungen i. S. v. § 1 I 1, 2 RBerG, sodass es sie mangels einer entsprechenden Erlaubnis der CDC SA gem. § 1 I 1 RBerG i. V. m. § 134 BGB für nichtig erklärte.335 Angesichts der Änderungen im Rechtsberatungsrecht zum 01. 07. 2008 hatte die CDC SA die Abtretungen dann im Zeitraum von Dezember 2008 bis Februar 2009 wiederholt und sich zudem bei dem Oberlandesgericht Düsseldorf gem. 330 Vgl. BGHSt 58, 158 im Anschluss an OLG Düsseldorf, Urteil v. 26. 06. 2009 in den Sachen VI-2a Kart 2/08 OWi bis VI-2a Kart 6/08 OWi – unveröffentlicht –. 331 Vgl. die ausführlichen Schilderungen des Tatbestands in den Urteilen des LG Düsseldorf JZ 2014, 635 f. und des OLG Düsseldorf JZ 2015, 726 f. 332 OLG Düsseldorf WuW 2008, 845 im Anschluss an LG Düsseldorf BB 2007, 847. 333 BGH GRUR-RR 2009, 319; anders als von Schreiber, 44 The International Lawyer (2010) 1157, 1170 wie auch Böni/Wassmer, EWS 2015, 130, 133 angedeutet, beurteilten die Gerichte damit zwar das prozessuale Vorgehen nicht aber das Geschäftsmodell der CDC SA insgesamt als zulässig. 334 LG Düsseldorf JZ 2014, 635. 335 Ebenda, S. 637 f., Rn. 76–95.
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§ 10 I Nr. 1 RDG wirksam als Rechtsdienstleisterin im Bereich Inkassodienstleistungen registrieren lassen. Eine Nichtigkeit gem. § 3 RDG i. V. m. § 134 BGB kam folglich für diese Abtretungen nicht mehr in Betracht.336 Dennoch hielt das erstinstanzliche Gericht auch diese Abtretungen, jetzt gem. § 138 I BGB wegen Verstoßes gegen die guten Sitten, für unwirksam.337 Es sei davon auszugehen, dass die Klägerin objektiv aufgrund ihrer – im Verfahren stets eher undurchsichtigen – Finanzlage338 im maßgeblichen Zeitpunkt der Abtretung nicht über eine finanzielle Ausstattung verfügte, die im Fall des Prozessverlustes von ihr zu tragende Prozesskosten vollständig gedeckt hätte. Daraus resultiere eine Gefahr für die Kostenerstattungsansprüche der Beklagten, weswegen die Abtretungen einer von Klägerin und Zedenten gewollten Verlagerung des Prozesskostenrisikos gleichkämen, ohne dass dies durch berechtigte Interessen gerechtfertigt sei. Auf subjektiver Seite lässt es das Landgericht ausreichen, dass die Zedenten eine Verschiebung des Kostenrisikos zum Nachteil der Beklagten jedenfalls hätten erkennen können, sich dieser Erkenntnis aber verschlossen haben. Sie musste sich nach Ansicht des Gerichts angesichts des Geschäftsmodells der CDC SA sowie der Tatsache aufdrängen, dass es sich um eine neu gegründete Gesellschaft handelte.339 Im Rahmen ihrer Berufung zum Oberlandesgericht Düsseldorf vertiefte die CDC SA ihren erstinstanzlichen Vortrag. Darüber hinaus wiederholte sie zwischen April und Juni 2014 mit 31 von 36 Zedenten die Abtretungen ein drittes Mal. Das Berufungsgericht folgte dennoch weitgehend der Argumentation der Vorinstanz. Im Zentrum des Berufungsurteils stehen Verjährungsfragen, auf die das Landgericht lediglich hilfsweise verwiesen hatte. Daneben aber hält das Oberlandesgericht an der fehlenden Aktivlegitimation der Klägerin fest. Die unter Geltung des RDG erstmals wiederholten Abtretungen erklärte es ebenfalls wegen Verstoßes gegen die guten Sitten i. S.v § 138 I BGB für unwirksam. Dabei hebt das Gericht ergänzend hervor, dass nicht nur die Klägerin nach ihren finanziellen und wirtschaftlichen Verhältnissen außer Stande war eventuelle Kostenerstattungsansprüche der Beklagten zu bedienen, sondern gleichzeitig die Zedenten hierzu in der Lage gewesen wären.340 Darauf aufbauend arbeitet die Kammer die Verlagerung des Prozessrisikos als einzigen Zweck der Abtretungen heraus341, der auch nicht durch übergeordnete Gesichtspunkte gerichtfertigt sei.342 Den Zedenten sei dies in subjektiver Hinsicht, insoweit für 336 Ebenda,
S. 638, Rn. 96–99; diesen Aspekt erörtert dennoch in aller Ausführlichkeit Fest, WM 2015, 705 ff. 337 LG Düsseldorf JZ 2014, 635, 638 ff., Rn. 100 ff. 338 Dazu im Einzelnen ebenda, S. 639 f., Rn. 114–119. 339 Ebenda, S. 640, Rn. 120–122. 340 OLG Düsseldorf JZ 2015, 726, 730, Rn. 75–95. 341 Ebenda, S. 730 f., Rn. 96–110. 342 Ebenda, S. 731 f., Rn. 111–113.
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die Annahme der Sittenwidrigkeit ausreichend auch bewusst gewesen, da sie Kenntnis oder jedenfalls grob fahrlässige Unkenntnis von der finanziellen Ausstattung der CDC SA gehabt hätten.343 Den Bezug der Berufung auf eine dritte Vornahme der Abtretungen erachtete das Oberlandesgericht schließlich als nicht sachdienliche Klageänderung und ließ sie daher mangels Einwilligung der Beklagten wegen § 533 ZPO unberücksichtigt.344
c) Stellungnahme In Ermangelung anderer gesetzlicher Mechanismen ist eine Bündelung von Forderungen in Deutschland derzeit nur mithilfe des klassischen Zivil- und Zivilprozessrechts möglich. An erster Stelle steht dabei eine materiell-rechtliche Bündelung mittels Abtretung. Vor diesem Hintergrund geben die Urteile des Land- und des Oberlandesgerichts Düsseldorf Anlass zu einer genauen Analyse. Von besonderem Interesse ist dabei, welche Konsequenzen sich daraus für das Abtretungsmodell im Allgemeinen ergeben. Des Weiteren verdient Klarstellung, ob die streitgenössische Individualklage tatsächlich eine gleichwertige Alternative bietet. Schließlich ist von Bedeutung, welche Erkenntnisse sich für die zukünftige Gesetzgebung gewinnen lassen.
aa) Maßstab für die Sittenwidrigkeit einer Inkassozession Ein Rechtsgeschäft verstößt nach ganz herrschender Auffassung i. S. d. § 138 I BGB gegen die guten Sitten, wenn es sich gegen das Anstandsgefühl aller billig und gerecht Denkenden wendet. Dieser Maßstab setzt sich aus gesetzlichen und außergesetzlichen Quellen zusammen, wobei verfassungs- und europarechtliche sowie einfachgesetzliche Wertungen einerseits sowie allgemeine Rechtsüberzeugungen und gefestigte Rechtsprechung andererseits im Mittelpunkt stehen.345
(1) Gesetzliche Maßstäbe Das Landgericht Düsseldorf gründet seine Beurteilung der Abtretungen zwischen der CDC SA und den geschädigten Zementabnehmern auf ein verfassungsrechtliches Gebot der gleichmäßigen Verteilung des Kostenrisikos unter den Prozessbeteiligten.346 Nach gefestigter Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts gebieten der allgemeine Gleichheitssatz des Art. 3 I GG sowie das Rechtsstaatsprinzip (Art. 20, 28 I 1 GG), auf die sich auch das Düsseldorfer Gericht bezieht, grundsätzliche Waffengleichheit der Parteien im Prozess und 343
Ebenda, S. 732, Rn. 114–128. Ebenda, S. 733, Rn. 142–171. 345 Statt vieler Ellenberger, in: Palandt, § 138 BGB Rn. 2 ff.; Arnold, in: Erman, § 138 BGB Rn. 12 ff.; Sack/Fischinger, in: Staudinger, § 138 BGB Rn. 51 ff. m. w. N. 346 LG Düsseldorf JZ 2014, 635, 639, Rn. 106. 344
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eine gleichmäßige Verteilung des Risikos am Verfahrensausgang. Dazu gehört u. a. eine für beide Seiten vergleichbare Kostensituation.347 Die Gesamtkosten eines Rechtsstreits hat gem. § 91 ZPO im Grundsatz die unterliegende Partei zu tragen. Ungeachtet einzelner Ausnahmen ist der Grund für das Unterliegen dabei unerheblich.348 Diese loser pays rule knüpft mithin von Gesetzes wegen das Kostenrisiko wie gefordert für Kläger und Beklagten gleichermaßen an das Prozessrisiko.349 Kann eine Seite nun von Beginn an ohne Rücksicht auf die entstehenden Kosten agieren, da sie mangels Vermögen keine Erstattungsansprüche fürchten muss, wird die vorgesehene Risikoverteilung zu Lasten der Gegenseite verändert.350 Dieser Aspekt kann jedoch bereits in der verfassungsrechtlichen Betrachtung nicht alleine stehen. Das Rechtsstaatsprinzip ordnet für bürgerlichrechtliche Streitigkeiten zugleich die Gewährleistung eines wirkungsvollen Rechtsschutzes an (Justizgewährungsanspruch). Die gesetzlichen Gebührenund Kostenvorschriften dürfen den Zugang zu den Gerichten daher z. B. im Falle mangelnder wirtschaftlicher Leistungsfähigkeit weder tatsächlich unmöglich machen noch in unzumutbarer Weise erschweren.351 Dem trägt das Zivilprozessrecht insbesondere durch die Möglichkeit zur Prozesskostenhilfe gem. den §§ 114 ff. ZPO Rechnung. Im gegebenen Kontext bemerkenswert und zugleich entscheidend ist jedoch § 123 ZPO, wonach die Gewährung von Prozesskostenhilfe auf die Erstattung der gegnerischen Kosten ausdrücklich keinen Einfluss hat. Unterliegt die durch Prozesskostenhilfe unterstützte Partei, bleibt sie der Gegenseite dennoch zur Erstattung aller ihrer Kosten gem. § 91 ZPO verpflichtet.352 Eine Ausnahme ergibt sich lediglich aus § 122 II ZPO sowie § 31 III GKG für die Gerichtskosten des Gegners, die ebenfalls von der Staatskasse getragen werden.353 In jedem dieser Fälle liegt das Kostenrisiko mithin unabhängig vom Prozessausgang deutlich auf Seiten des jeweiligen Prozessgegners. Dasselbe gilt natürlicher Weise auch außerhalb der Prozesskostenhilfe immer dann, wenn eine Partei über nur geringe finanzielle Ausstattung verfügt, ohne dass der Prozesszugang gesetzlichen Einschränkungen unterliegt oder dagegen gar verfassungsrechtliche Bedenken erhoben würden. Fällt eine Prozesspartei beispielsweise während eines laufenden Verfahrens in die Insolvenz, wird der Prozess gem. § 240 ZPO zunächst ausgesetzt. Unter den Voraussetzungen der §§ 85 und 86 InsO haben der Verwalter, der Prozessgegner sowie 347
BVerfGE 35, 283, 289; BVerfGE 52, 131, 144 und BVerfGE 74, 78, 96. Herget, in: Zöller, § 91 ZPO Rn. 3; Schulz, in: MK ZPO, § 91 ZPO Rn. 16. 349 Vgl. insoweit auch OLG Düsseldorf JZ 2015, 726, 731, Rn. 112. 350 Vgl. BVerfGE 117, 163, 185. 351 BVerfGE 85, 337, 345 ff.; BVerfG NJW-RR 2001, 946; vgl. auch Vollkommer, in: Zöller, Einleitung Rn. 51 mit umfassenden Nachweisen. 352 Geimer, in: Zöller, § 123 ZPO Rn. 1 und 3; Wache, in: MK ZPO, § 123 ZPO Rn. 1; Zempel/Völker, in: Prütting/Gehrlein, § 123 ZPO Rn. 1. 353 Dazu BVerfG NJW 1999, 3186; außerdem jew. ebenda: Geimer, Rn. 4; Wache, Rn. 4. 348
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der Insolvenzschuldner die Möglichkeit zur Wiederaufnahme. Kommt es dazu, qualifiziert die herrschende Meinung einen potenziellen Kostenerstattungsanspruch der Gegenseite insgesamt als privilegierte Masseforderung i. S. v. § 55 I Nr. 1 InsO. Eine Mindermeinung will zwischen Kosten vor und nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens differenzieren und nur letztere als Masseverbindlichkeit anerkennen. Bleibt eine Prozessaufnahme aber aus, werden alle Kostenerstattungsansprüche gegen den Insolvenzschuldner übereinstimmend zur schlichten Insolvenzforderung.354 Schließlich verlangt die ZPO auch Prozesskostensicherheiten nur in sehr geringem Maße.355 Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus den Anforderungen der §§ 8 III Nr. 2 UWG und 33 II Nr. 1 GWB an die finanzielle Ausstattung von Verbänden, die das Landgericht Düsseldorf als besondere Ausprägung des Gebots der gleichmäßigen Verteilung des Kostenrisikos hervorhebt. Mangels einer effektiven Durchsetzung bestimmter Rechte durch die Betroffenen selbst, hat der Gesetzgeber dort den Verbänden bestimmte Ansprüche verliehen. Die Anforderungen an deren Ausstattung sollen dabei schon nach dem Gesetzeswortlaut in erster Linie die Qualität der Zweckverfolgung sicherstellen. Der Prozesskostenerstattungsanspruch der unterlegenen Partei genießt mithin keinen absoluten Schutz. Vielmehr trägt aus kostenrechtlicher Perspektive jeder das Risiko für die Zahlungsfähigkeit des Prozessgegners. Ein allgemeiner Anspruch auf einen solventen Kläger besteht nicht.356 In der Gesamtschau lassen sich die seitens des Landgerichtes Düsseldorf angeführten verfassungsrechtlichen Anforderungen an die gesetzliche Regelungslage damit nicht ohne weiteres auf die tatsächliche Kostensituation im Einzelfall übertragen357, sondern sind stets im Kontext anderer verfassungsrechtlicher Wertungen zu sehen.
(2) Vorausgegangene Rechtsprechung Im Gegensatz zum Landgericht entnimmt das Oberlandesgericht Düsseldorf den Prüfungsmaßstab zur Begründung der Sittenwidrigkeit in seinem Berufungsurteil ausschließlich der Rechtsprechung. Beide Gerichte beziehen sich auf insgesamt sechs vorausgegangene Urteile, darunter eines des Reichsgerichts, vier des Bundesgerichtshofs und ein Weiteres des Oberlandesgerichts München.358 Von diesen sechs Urteilen hatten nur drei ebenfalls eine Inkassozession359 die 354 Hefermehl, in: MK InsO, § 55 InsO Rn. 43 und 45; darauf hinweisend auch Stadler, JZ 2014, 613, 617. 355 Die Zurückhaltung befürwortend Stadler, JZ 2014, 613, 617 f.; Thole, ZWeR 2015, 93, 107. 356 Ausdrücklich BGHZ 96, 151, 156; ebenso Stadler, in: Van Boom (im Erscheinen). 357 Etwas anderes lässt sich auch den vom LG Düsseldorf angegebenen Quellen nicht entnehmen. 358 LG Düsseldorf JZ 2014, 635, 638 f., Rn. 102 f.; OLG Düsseldorf JZ 2015, 726, 730, Rn. 73. 359 RGZ 81, 175; BGH NJW 1980, 991; OLG München, WM 2013, 795.
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übrigen drei aber eine Einziehungsermächtigung und gewillkürte Prozessstandschaft360 zum Gegenstand. Bereits in RGZ 81, 175, 176 urteilte das Reichsgericht: „Das abstrakte Rechtsgeschäft der Abtretung […] darf nicht dazu mißbraucht werden, um den Gegner und auch den Staat der Möglichkeit zu berauben, ihren Rechtsanspruch auf Erstattung oder Zahlung der Kosten zu verwirklichen. Erfolgt die Abtretung lediglich zu diesem Zwecke, ohne berechtigten Interessen des Abtretenden zu dienen, so ist ihr nach § 138 Abs. 1 BGB. die rechtliche Anerkennung zu versagen.“
Diese Entscheidung bestätigte der Bundesgerichtshof in MDR 1959, 999 sowie NJW 1980, 991 ohne jedoch Voraussetzungen oder Maßstäbe der Sittenwidrigkeit näher zu erläutern. Dennoch diente sie ihm als Ausgangspunkt für weitere Rechtsprechung auf dem Gebiet der gewillkürten Prozessstandschaft.361 Allerdings überführte der Bundesgerichtshof den Gedanken des Reichsgerichts dort in die Frage, ob der jeweilige Kläger ein zur Wirksamkeit seiner Prozessstandschaft erforderliches rechtsschutzwürdiges Interesse für sich beanspruchen kann. In diesem Kontext setzt sich eine Reihe von Entscheidungen mit dem rechtsschutzwürdigen Interesse eines vermögenslosen Prozessstandschafters auseinander.362 Lediglich in einem Teil davon wirft der Bundesgerichtshof aber tatsächlich die Frage einer Sittenwidrigkeit der Ermächtigung gem. § 138 BGB auf und vereint sie zudem in allen diesen Fällen.363 In BGHZ 38, 281, 287 heißt es dazu, für einen sittenwidrigen Rechtsmissbrauch „wäre […] erforderlich, daß dem [Ermächtigenden] die Vermögensverhältnisse der Klägerin in vollem Umfange bekannt waren, insbesondere daß er sich bewußt war, im Falle des Unterliegens der Klägerin im Prozeß könne der Beklagte mit einer Befriedigung der Kostenforderung aus dem Vermögen der Klägerin nicht rechnen.“
In NJW 1999, 1717, 1718 bekräftigt der Bundesgerichtshof: „Die angefochtene Entscheidung wird auch nicht von der Erwägung getragen, die Ermächtigung sei hier nur zu dem Zweck erteilt worden, das Kostenrisiko zu Lasten des Bekl. zu vermindern oder auszuschließen. […] Die kostenrechtlichen Auswirkungen einer solchen Gestaltung können […] nicht für sich allein dazu führen, einer Prozeßführungsermächtigung die Anerkennung zu versagen. […] Entscheidend muß daher sein, ob sich die Ermächtigung zur Prozeßführung erkennbar als Mißbrauch dieses grundsätzlich anerkannten prozessualen Instituts darstellt. Das wird man in Fällen, in denen […] ein schutzwürdiges Interesse des früheren Rechtsinhabers an der Rechtsverfolgung anzuerkennen ist, in der Regel nicht annehmen können.“ 360
BGHZ 96, 151 ff.; BGH WM 1987, 1406; BGH NJW 1999, 1717. BGHZ 35, 180, 183, 185; BGHZ 38, 281, 287; BGHZ 96, 151, 152 ff.; BGH WM 1987, 1406, 1407 f.; BGHZ 100, 217, 220 ff.; BGH NJW 1999, 1717, 1718. 362 BGHZ 96, 151, 152 ff.; BGH NJW 1989, 1932, 1933 f.; BGH WM 1989, 1227, 1228 f.; BGH NJW 1990, 1117 f.; BGH WM 1990, 657, 658 f.; BGH NJW 1995, 3186 f. 363 BGHZ 38, 281, 287; BGH NJW 1989, 1932, 1933; BGH NJW 1990, 1117; BGH NJW 1999, 1717, 1718. 361
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Insgesamt beschränkt sich die bisherige Rechtsprechung damit auf den oben zitierten Ausspruch des Reichsgerichts. Einziger Anknüpfungspunkt für die Sittenwidrigkeit einer Inkassozession bleibt also, dass sie lediglich zum Zwecke der Kostenvermeidung vorgenommen wird364, was einem „erkennbaren Missbrauch“ im letztgenannten Sinne gleichkommen dürfte.365 Weiteres ergibt sich auch nicht aus dem jüngsten Urteil des Oberlandesgerichtes München, das lediglich klarstellt: „Anknüpfungspunkt für die Bejahung eines Verstoßes gegen die guten Sitten ist dabei nicht die Tatsache schlechthin, dass eine obsiegende Partei mit ihrem Erstattungsanspruch ausfällt, sondern dass eine vermögenslose Partei zur Prozessführung vorgeschoben wird.“366
Des Weiteren hat der Bundesgerichtshof herausgearbeitet, dass eine Sittenwidrigkeit jedenfalls dann nicht in Betracht kommt, wenn – eine gewillkürte Prozessstandschaft angenommen – ein rechtsschutzwürdiges Interesse des Klägers vorläge.367 Falsch wäre dagegen im Umkehrschluss, die Maßstäbe für eine Sittenwidrigkeit gänzlich mit denen für ein rechtsschutzwürdiges Interesse zur Prozessstandschaft gleichzusetzen. In diesem Fall würde diese Voraussetzung obsolet, da es bereits an einer wirksamen Ermächtigung zur Prozessführung fehlte.368
(3) Rechtsgeschäfte zu Lasten Dritter Während die Düsseldorfer Urteile in erster Linie an kostenrechtlichen Gesichtspunkten anknüpfen, liegt die maßgebliche Fragestellung im Fall der CDC SA an anderer Stelle. Wie aus der dargestellten Rechtsprechung hinreichend deutlich wird, steht nicht eine objektive Vermögenslosigkeit und die daraus resultierende Verlagerung des Prozesskostenrisikos, sondern stattdessen die missbräuchliche Herbeiführung des Anspruchsausfalls im Fokus. Maßgeblich wären daher eigentlich die Grundsätze zur Sittenwidrigkeit von Rechtsgeschäften zu Lasten eines oder mehrerer Dritter gewesen.369 Danach ist ein Vertrag grundsätzlich dann als sittenwidrig anzusehen, wenn die Beteiligten mit ihm den Zweck verfolgen, in bewusstem und gewolltem Zusammenwirken schuldrechtliche 364 So auch Armbrüster in seiner Anmerkung zum Urteil des OLG Düsseldorf, JZ 2015, 733, 734. 365 So wohl auch BGHZ 100, 217, 220 f. 366 OLG München WM 2013, 795, 797. 367 Dazu nochmals Fn. 363. 368 Anschaulich Stadler, JZ 2014, 613, 616: „Die Grenze zulässiger Zession liegt daher grundsätzlich erst bei den §§ 134, 138 BGB und nicht in allgemeinen Schutzwürdigkeitserwägungen wie bei der Prozessstandschaft; gegen eine Gleichstellung auch Fest, WM 2015, 705, 710f; unklar BGHZ 100, 217, 220 f. und Thole, ZWeR 2015, 93, 108; zu den Anforderungen an ein schutzwürdiges Interesse im Allgemeinen bereits im zweiten Kapitel, S. 75. 369 Ebenso Sack/Fischinger, in: Staudinger, § 138 BGB, Rn. 450; Armbrüster, in: MK BGB, § 138 BGB Rn. 111.
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Rechte Dritter zu vereiteln. Den Kern des Sittenverstoßes bilden dabei neben einer tatsächlichen Schädigung ein besonderes Maß an Rücksichtslosigkeit und ein Mangel an Loyalität im Rechtsverkehr.370 Anders als eine schlichte Vermögenslosigkeit der CDC SA begründet dieser Maßstab jedoch im gegebenen Fall erhebliche Zweifel an einer Sittenwidrigkeit.
bb) Anknüpfungspunkte für die Sittenwidrigkeit der konkreten Inkassozessionen Argumentiert das Landgericht Düsseldorf noch eher im Stile einer Interessenabwägung zwischen Klägerin und Beklagten371, liegt dem Berufungsurteil des Oberlandesgerichtes tatsächlich die Annahme zugrunde, die Verlagerung des Prozesskostenrisikos sei der maßgebliche Zweck der Abtretungen gewesen.372 Armbrüster373 merkt zutreffend an, bereits dieser Ausgangspunkt gehe insoweit über die bisherige Rechtsprechung hinaus, als diese nur Inkassozessionen als sittenwidrig eingestuft hat, die „lediglich zu diesem Zwecke“ erfolgt sind.374 Eben dieser Rechtsprechung kann und muss aber nicht die Festlegung entnommen werden, eine Sittenwidrigkeit komme ausschließlich in solchen Fällen in Betracht. Das Urteil der Sittenwidrigkeit kann sich nach ganz überwiegender Auffassung in der Literatur375 und ständiger Rechtsprechung376 nur aus einer Gesamtwürdigung von Inhalt, Motiv und Zweck des betreffenden Rechtsgeschäfts ergeben. Anschaulich formulieren Sack und Fischinger: „Es sind alle Interessen zu berücksichtigen, die unmittelbar oder mittelbar, aktuell oder potenziell durch das zu bewertende Rechtsgeschäft berührt werden. Auch die rechtlichen und tatsächlichen Folgen von Entscheidungen sind in die Interessenabwägung einzubeziehen.“377
Für die Beurteilung kann damit sowohl ein wesentlicher Aspekt allein, als auch das Zusammenwirken mehrerer Faktoren entscheidend sein.378 Es liegt folglich nahe, wenn die Rechtsprechung eine Inkassozession, die tatsächlich 370 BGHZ 60, 102, 104 f.; BGH NJW 1988, 902, 903 m. w. N.; aus der Lit. Sack/Fischinger, ebenda, Rn. 447; Armbrüster, ebenda, Rn. 96; Ellenberger, in: Palandt, § 138 BGB Rn. 61. 371 LG Düsseldorf JZ 2014, 635, 639, Rn. 107 f.; bereits dazu aber bemängeln Makatsch/ Abele, WuW 2014, 164, 166 zu Recht eine unsorgfältige Abwägung. 372 OLG Düsseldorf, JZ 2015, 726, 730, Rn. 96. 373 Armbrüster, Anmerkung, JZ 2015, 733, 735. 374 RGZ 81, 175, 176; außerdem BGH MDR 1959, 999 („die Abtretung […] nur bezweckte […]“); ausschließlich in diesen beiden Entscheidungen wurde höchstrichterlich eine Sittenwidrigkeit bejaht. 375 Armbrüster, in: MK BGB, § 138 BGB Rn. 30; Arnold, in: Erman, § 138 BGB Rn. 14; Sack/Fischinger, in: Staudinger, § 138 BGB Rn. 51 m. w. N. 376 RGZ 56, 229, 231; BGHZ 86, 82, 88; BGHZ 107, 92, 98; BGH NJW 2008, 2026, 2027 m. w. N. 377 Sack/Fischinger, a. a. O. (Fn. 375). 378 Armbrüster, in: MK BGB, § 138 BGB Rn. 27 f.; Ellenberger, in: Palandt, § 138 BGB Rn. 7 f.
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in Kollusion von Zedent und Zessionar einzig und allein der Verlagerung des Prozesskostenrisikos dient, als sittenwidrig eingestuft hat. Im Vergleich dazu ist es jedoch unberechtigt, die Sittenwidrigkeit einer Inkassozession zwingend auszuschließen, wenn diese einen weiteren, für sich genommen unbedenklichen und nicht völlig unwesentlichen Zweck verfolgt379, obwohl sich die Verschiebung des Kostenrisikos in der Gesamtschau als zentraler, maßgeblicher oder vorrangiger, wenn auch nicht einziger Zweck herausstellt.380 Das eigentliche Problem an dieser Stelle ist vielmehr tatsächlicher Natur und besteht darin, eine allgemein handhabbare Erheblichkeitsschwelle festzulegen und diese im Prozess nachzuweisen.381 Diese Schwierigkeit umgeht das Oberlandesgericht Düsseldorf, indem es sich auf die Verlagerung des Prozesskostenrisikos als einzigen Zweck stützt, der jedoch – gerade weil er in einer Gesamtwürdigung keinesfalls alleine steht – das Ergebnis nicht zu tragen vermag. Eine Auseinandersetzung mit dem übrigen Inhalt und den Motiven der betreffenden Zessionen in der o. g. Form lässt das Urteil darüber hinaus leider weitgehend vermissen. Hinzu kommen gravierende methodische Mängel. Vor diesem Hintergrund ist zweifelhaft, ob die tatsächlichen Hürden des § 138 I BGB in der vorliegenden Konstellation überhaupt einer Lösung bedürfen:
(1) Verlagerung des Prozesskostenrisikos Das Oberlandesgericht prüft eine Sittenwidrigkeit der Forderungsabtretungen zwischen den geschädigten Zementabnehmern und der CDC SA. Dabei müssen die Abtretungen als Verfügungsgeschäft nicht nur vom jeweiligen Verpflichtungsgeschäft unabhängig beurteilt werden, sondern sind zudem als grundsätzlich sittlich neutral anzusehen. Dies gilt auch und gerade im Falle einer Sittenwidrigkeit des Verpflichtungsgeschäfts.382 Ein Verfügungsgeschäft kann jedoch seine Neutralität einbüßen, wenn es selbst einem sittenwidrigen Zweck dient oder sich die Unsittlichkeit des Verpflichtungsgeschäfts gerade im Vollzug der Rechtsänderung manifestiert.383 Der letztgenannte Fall scheidet vorliegend schon deshalb aus, weil eine Sittenwidrigkeit des Verpflichtungsgeschäfts im Verfahren nicht thematisiert und erst recht nicht nachgewiesen wurde. Das Nichtigkeitsurteil hätte folglich 379 Vgl.
Armbrüster, Anmerkung, JZ 2015, 733, 735. einen vorrangigen Zweck abstellend Stadler, JZ 2014, 613, 619; auch Armbrüster, ebenda deutet einen gewissen Spielraum an: „nicht mehr ohne Weiteres […] sittenwidrig“ (Hervorhebung durch Verfasser). 381 Thole, ZWeR 2015, 93, 101. 382 RGZ 109, 201, 202; BGH NJW 1985, 3006, 3007; BGH NJW 2014, 2790, 2792 m. w. N. aus der Rspr.; Armbrüster, in: MK BGB, § 138 BGB Rn. 165; ders., Anmerkung, JZ 2015, 733; Sack/Fischinger, in: Staudinger, § 138 BGB Rn. 166. 383 Sack/Fischinger, ebenda, Rn. 169 m. w. N.; außerdem die übrigen Nachweise in Fn. 382. 380 Auf
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nur auf einen sittenwidrigen Zweck der Abtretungen selbst gestützt werden können, der nach Ansicht des Oberlandesgerichtes Düsseldorf maßgeblich in einer Verlagerung des Prozessrisikos bestanden haben soll. Sie werde, so das Gericht weiter, „bereits durch den Inhalt der Kauf- und Zessionsverträge, insbesondere das dort vorgesehene augenfällige Missverhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung“ nahegelegt.384 Ein solches Leistungsmissverhältnis betrifft aber, ebenso wie die weiteren im Urteil genannten Aspekte ausschließlich den Inhalt der Verpflichtungsgeschäfte und ist mithin an dieser Stelle unerheblich. Mit Blick auf zukünftige Fälle kann die Argumentation des Oberlandesgerichtes aber auch inhaltlich nicht überzeugen. Bereits die Zuordnung von Leistung und Gegenleistung begegnet Bedenken. Im Tatbestand des erstinstanzlichen Urteils heißt es dazu: „Die von der Klägerin mit den Zedenten vereinbarten Forderungsabtretungen […] beruhen auf Forderungskaufverträgen. […] Die Klägerin verpflichtete sich, an die Zedenten einen Kaufpreis für die abgetretenen Forderungen zu zahlen, der aus einem festen und einem variablen Teil bestand. Der feste Kaufpreisanteil betrug jeweils 100 Euro. Als variabler Kaufpreisteil wurde ein Betrag vereinbart, dessen Höhe in einem unterschiedlich hohen Anteil an den von der Klägerin erfolgreich durchgesetzten Forderungen bestand.“385
Ein Missverhältnis ist darin nicht erkennbar. Das Berufungsgericht dagegen stellt die Höhe der Erfolgsbeteiligung der Zedenten den von ihnen geleisteten Kostenzuschüssen gegenüber, ohne deren rechtliche Grundlage näher zu erörtern. Es nimmt lediglich im Tatbestand vollumfänglich Bezug auf den Antrag der CDC SA auf Streitwertherabsetzung in erster Instanz386, in dem es heißt: „der Großteil der Zedenten [hat] zur Unterstützung der Aktivitäten der Klägerin Kostenzuschüsse entsprechend der finanziellen Belastbarkeit und Betroffenheit des jeweiligen Zedenten geleistet.“387
Inwieweit zu den vereinbarten Erfolgsbeteiligungen ein Gegenseitigkeitsverhältnis bestehen und inwiefern dann ein Missverhältnis an dieser Stelle von Relevanz sein soll, bleibt im Dunkeln. Das Oberlandesgericht legt den Zedenten zur Last, die Zessionarin zwar im eigenen wirtschaftlichen Interesse mit der Prozessführung betraut, sie aber gleichzeitig nicht entsprechend finanziell ausgestattet zu haben.388 Es vermischt dabei in nicht nachvollziehbarer Weise objektive und subjektive Aspekte sowie Verpflichtung und Verfügung. Die Beauftragung der CDC SA mit der Forderungsdurchsetzung, der Sachverhaltsermittlung (u. a. mithilfe einer Datenbank) sowie weiteren Dienstleistungen erfolgte im Wege schuldrechtlicher Vereinbarungen. Sie wurden durch die erste 384
OLG Düsseldorf, JZ 2015, 726, 730 f., Rn. 97 und nochmals Rn. 117. LG Düsseldorf JZ 2014, 635, 636, dort unter (C). 386 OLG Düsseldorf JZ 2015, 726, 727. 387 LG Düsseldorf JZ 2014, 635, 636, dort unter (B). 388 OLG Düsseldorf JZ 2015, 726, 731, Rn. 104. 385
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Instanz unzutreffend als Forderungskaufverträge eingeordnet, obwohl es sich dabei jedenfalls um einen Mischvertrag, wenn nicht sogar ausschließlich um eine entgeltliche Geschäftsbesorgung gehandelt haben dürfte.389 Diese Gestaltung einer Forderungseinziehung durch Dritte ist nicht zuletzt von Gesetzes wegen im Rechtsdienstleistungsgesetz und zuvor im Rechtsberatungsgesetz, wenn auch mit Erlaubnisvorbehalt anerkannt. Ohne eine solche Erlaubnis wäre der Schuldvertrag gem. § 3 RDG i. V. m. § 134 BGB nichtig.390 Die CDC SA aber verfügte über die erforderliche Registrierung. Ihre Werbung an die Adresse der geschädigten Unternehmen, sie könnten ihre Prozessrisiken auf die Gesellschaft ausgliedern und bei deren erfolgreichem Vorgehen deshalb nur gewinnen, gibt in diesem Kontext ein behördlich erlaubtes Geschäftsmodell wieder.391 Weder das RDG noch das übrige Prozessrecht kennen des Weiteren eine generelle Verpflichtung, sich in gleichem Maße an den Prozesskosten wie am Prozesserfolg zu beteiligen.392 Anhaltspunkte für einen Verstoß der Schuldverträge gegen die guten Sitten bietet ihr Inhalt daher nicht. Aber auch bezüglich der Abtretungen selbst kann dem Urteil nicht gefolgt werden. In Bezug auf ihren vermeintlich maßgeblichen Zweck differenziert das Oberlandesgericht Düsseldorf nicht zwischen den Parteien der Inkassozession einerseits und den Beklagten andererseits. Eine Risikoverlagerung von den Zedenten auf die Zessionarin aber ist eine notwendige Folge des Forderungsübergangs und daher für sich gesehen unbedeutend. Insoweit dienten die Abtretungen der Umsetzung eines gesetzlich anerkannten Geschäftsmodells und den Zedenten zugleich der Erfüllung einer rechtlich wie sittlich legitimen, vertraglichen Verpflichtung.393 Für eine Sittenwidrigkeit können darüber hinaus lediglich die Auswirkungen auf das Kostenrisiko der Beklagten relevant werden, die auf die Zession keinerlei Einfluss haben. Nach dem vom Oberlandesgericht angenommenen Sach- und Streitstand war die CDC SA zum Zeitpunkt der Abtretungen394 finanziell nicht hinreichend ausgestattet, um potenzielle Kostenerstattungsansprüche der Beklagten zu be389 Ebenso Armbrüster, Anmerkung, JZ 2015, 733; unpassend aber alle dort in Fn. 2 genannten Nachweise, die ungeachtet der schuldrechtlichen Ebene Inkassozession und Prozessstandschaft voneinander abgrenzen. 390 Aus der Rspr. BGH NJW 2014, 847, 849 f. und BGH NJW 2013, 59, 62; außerdem Seichter, in: Deckenbrock/Henssler, § 3 RDG Rn. 33; Offermann-Burckardt, in: Krenzler, § 3 RDG Rn. 19. 391 Die Internetwerbung beanstandend aber OLG Düsseldorf, JZ 2015, 726, 731, Rn. 98– 102. 392 So aber wohl OLG Düsseldorf, JZ 2015, 726, 732, Rn. 117. 393 Anders läge es bei einem Verstoß der Verträge gegen § 3 RDG mangels Erlaubnis, vgl. nur Seichter, in: Deckenbrock/Henssler, § 3 RDG Rn. 47; BGH NJW 2014, 847, 849 f.; jew. m. w. N. 394 Kritisch zu diesem Anknüpfungspunkt Thole, ZWeR 2015, 93, 103 f.; Makatsch/Abele, WuW 2014, 164, 167; Stadler, in: Van Boom (im Erscheinen); ungeklärt bleibt z. B. die Folge, wenn eine hinreichende Finanzausstattung erst später wegfällt.
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friedigen, wohingegen die Zedenten über hinreichende Mittel verfügten.395 Bereits diese Gegenüberstellung birgt Schwierigkeiten, da das Gericht auf Seiten der CDC SA nicht konsequent nach den Zeitpunkten der jeweiligen Abtretung und damit nach Zedenten differenziert. Jedenfalls zum Zeitpunkt der ersten Abtretung aber hätten die Finanzmittel der CDC SA sicherlich noch ausgereicht und eine sittenwidrige Anspruchsvereitelung verneint werden müssen.396 Beschränkt man sich mit dem Oberlandesgericht darauf, mittels der Abtretungen sei objektiv ein wirtschaftlich leistungsfähiger durch einen leistungsunfähigen Forderungsinhaber ersetzt worden, gilt es dennoch zu berücksichtigen, dass gem. den §§ 398 ff. BGB eine Übertragung von Forderungen innerhalb der Grenzen des § 399 BGB grundsätzlich ohne jede Mitwirkung des Schuldners zulässig ist. Unter den vorab erörterten Maßstäben kann § 138 I BGB daher eine Ausnahme von diesem Grundsatz allenfalls dann rechtfertigen, wenn die Übertragung ausschließlich oder jedenfalls vorrangig zur Beseitigung des eigenen Kostenrisikos und damit zum Nachteil des Schuldners vorgenommen wird. Das wäre beispielweise nicht der Fall, wenn ein Zedent vermögenslos und die Beklagten damit im Vergleich gar nicht benachteiligt gewesen wären.397 Vorliegend räumt das Oberlandesgericht auf subjektiver Seite ein: „[Der Klägerin und den Zedenten] mag […] die Sittenwidrigkeit ihres Tuns nicht bewusst gewesen sein und sie mögen auch ohne Schädigungsabsicht gehandelt haben.“
und lässt die Kenntnis oder fahrlässige Unkenntnis der den Verstoß begründenden Tatsachen ausreichen.398 Indes können die Beteiligten den „maßgeblichen Zweck“ ihrer Handlung unmöglich bloß grob fahrlässig verfolgt haben.399 Auch diesbezüglich geht das Urteil mithin schon im Ansatz fehl. Dessen ungeachtet aber ist ebenso zweifelhaft, ob die seitens des Gerichts als bekannt vorausgesetzten Tatsachen die Kenntnis bzw. fahrlässige Unkenntnis eines Sittenverstoßes stützen. Natürlich wird der Klägerin selbst ihre finanzielle Situation bekannt gewesen sein. Die daraus resultierende Bewertung ist jedoch von der tatsächlichen und nicht der durch das Gericht angenommenen Lage abhängig. Mag die Angabe der Klägerin, sie habe „hinreichend Vorsorge getroffen“400 auch zur objektiven Darlegung ihrer Finanzen durchaus unsubstantiiert sein, schließt das Vorhandensein oder auch die realistische Aussicht auf solche Mittel doch subjektiv jedes Bewusstsein einer sittenwidrigen Benachteiligung aus. Auf Seiten der Zedenten dagegen ist sogar bereits die Tatsachenkenntnis 395 OLG Düsseldorf, JZ 2015, 726, 730, Rn. 77–95; damit vergleicht das OLG im Gegensatz zum LG wie von Stadler, JZ 2014, 613, 618 und ders., in: van Boom (im Erscheinen) gefordert den ursprünglichen mit dem neuen Forderungsinhaber. 396 Zutreffend Thole, ZWeR 2015, 93, 103 f. 397 Ebenda. 398 OLG Düsseldorf, JZ 2015, 726, 732, Rn. 114. 399 Richtig Armbrüster, Anmerkung, JZ 2015, 733, 736. 400 LG Düsseldorf JZ 2014, 635, 640, Rn. 118.
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fraglich. Sie wussten vielmehr jedenfalls um die rechtskräftigen Bescheide des Bundeskartellamtes, sodass es nicht fernlag, einen Prozessverlust für sehr unwahrscheinlich zu halten.401 Hinzu kommt die Registrierung der CDC SA als Inkassodienstleisterin, die ihrer Tätigkeit in den Augen der Zedenten durchaus zusätzliche Legitimität verschaffen konnte.402
(2) Streitgenössische Individualklage als scheinbare Alternative Alle weiteren Motive der Abtretungen neben einer Verlagerung des Kostenrisikos verwirft das Oberlandesgericht Düsseldorf als „nicht stichhaltig“, da sie von jedem Zedenten ebenso im Wege – ggf. streitgenössischer – Individualklage zu verwirklichen gewesen seien.403 Dazu gehört zunächst die umfangreiche, von der CDC SA errichtete Dateninfrastruktur. Natürlich hätten die Zedenten „die sie jeweils betreffenden Rechnungen und Gutschriften aus den einzelnen Zementkäufen selbst […] erfassen“ können.404 Der erlittene Schaden aber, aufgrund der rechtskräftigen Beschlüsse des Bundeskartellamtes der wesentliche Verfahrensstreitpunkt in der Sache, lässt sich nur in Kenntnis des hypothetischen Wettbewerbspreises ohne Kartellabsprachen ermitteln. Die dazu erforderlichen Berechnungen anhand ökonomischer Modelle sind nicht nur mit enormem Aufwand verbunden, sondern auf der Basis einzelner Datensätze kaum durchführbar. Erst die Zusammenführung der Daten aller Zedenten ermöglichte hier eine verlässliche Datenbasis.405 Ob die Arbeiten der CDC SA in dieser Hinsicht, wie das Oberlandesgericht meint, ebenso als alleinige Dienstleistung hätten erbracht werden können, erscheint zweifelhaft. Dies würde voraussetzen, dass alle Individualkläger ebenso bereitwillig ihre doch sensiblen Daten zur Verfügung gestellt hätten. Dem muss jedoch die Entscheidung vorausgehen, überhaupt gegen die Kartellanten vorzugehen, die für einige Geschädigte unmittelbar mit dem allumfassenden Geschäftsmodell der CDC SA verknüpft gewesen sein dürfte. Ohne ein entsprechendes Klagevorhaben fehlt aber jeder Anreiz Daten preiszugeben und sich insbesondere an den Kosten der Datenanalyse zu beteiligen. Denjenigen, die sich dennoch für eine Individualklage in Streitgenossenschaft zusammengefunden hätten, wäre im Vergleich deutlich mehr Eigenständigkeit verblieben. Dieser Unterschied wird ebenso relevant, wenn das Oberlandesgericht die Klägerin mit dem Argument zurückweist, durch ihr Vorgehen aus abgetretenem 401
Armbrüster, Anmerkung, JZ 2015, 733, 736. Thole, ZWeR 2015, 93, 105. 403 Dem folgend Ahrens, WRP 2015, 1040, 1043. 404 Dazu OLG Düsseldorf JZ 2015, 726, 731, Rn. 106–108. 405 Makatsch/Abele, WuW 2014, 164, 166; Schreiber, 44 The International Lawyer (2010) 1157, 1168 f.; dazu auch schon OLG Düsseldorf, WuW 2008, 845, 846 f.; im Ansatz anerkennend noch LG Düsseldorf JZ 2014, 635, 640, Rn. 123 f. und 126; allgemein zur Schwierigkeit der Schadensberechung im Kartellrecht Emmerich, in: Immenga/Mestmäcker, § 33 GWB Rn. 50 f.; aus ökonomischer Perspektive Ott/Schäfer, in: dies., S. 131, 140 ff. 402
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Recht würden die wirtschaftlich bedeutenden Liefer- und Geschäftsbeziehungen der Zedenten zu den Kartellanten weniger belastet.406 Zutreffend ist, dass es in einer Einzelbetrachtung keinen Unterschied macht, ob der entsprechende Unternehmer selbst als Kläger oder als Zedent auftritt.407 Entscheidend dürfte aber auch hier die mit der Abtretung erzielte Vergemeinschaftung der Konkurrenten sein. In einer Streitgenossenschaft dagegen wären z. B. vor oder auch noch in einem Verfahren Einigungen zwischen den Beklagten und einzelnen Klägern möglich gewesen, die anderen geschädigten Wettbewerbern zum Nachteil hätten gereichen und sie ihrerseits zum Einlenken veranlassen können. Das Abtretungsmodell vereinheitlicht die Position aller Zedenten gegenüber ihren Lieferanten, wodurch einerseits eine wirtschaftliche Ungleichbehandlung im Nachgang vermieden und andererseits das Verhandlungsgewicht auf die Seite der Geschädigten verlagert wird. Schließlich leugnet das Urteil ohne nähere Begründung auch alle mit den Abtretungen verbundenen prozessökonomischen Vorteile. Obwohl die §§ 59 ff. ZPO eine gewisse Zusammenfassung ermöglichen, bleibt jeder Streitgenosse prozessrechtlich unabhängig. Es entstehen einzelne Prozessrechtsverhältnisse, über die im Urteil auch einzeln entschieden werden muss.408 Natürlich ist es zutreffend, dass eine einheitliche Beweisaufnahme und Beweiswürdigung im Ansatz auch im Rahmen einer Streitgenossenschaft möglich gewesen wäre. Dieses Vorgehen bleibt jedoch Tatsachen vorbehalten, die allen Prozessrechtsverhältnissen gemeinsam sind. Eine spürbare Vereinfachung erfordert außerdem einen vorprozessualen Zusammenschluss der verschiedenen Kläger. Schriftsätze, Anträge etc. können nur eingespart werden, wenn möglichst viele Geschädigte vor demselben Gericht und vertreten durch denselben Anwalt einen Prozess anstrengen.409 Eine solche Kooperation im Kern eigenständiger Kläger liegt jedoch, wie schon soeben erörtert, fern der Realität. Daneben ermöglicht das Abtretungsmodell gegenüber einer streitgenossenschaftlichen Klage gewisse Kostenvorteile.410 Angesichts des Gebührenstreitwertes kommt in beiden Fällen § 39 I GKG und damit ebenso die degressive Kostenstaffelung411 und die Deckelung des Streitwertes gem. §§ 39 II GKG, 406
OLG Düsseldorf JZ 2015, 726, 731, Rn. 109. Etwas anders ergibt sich auch nicht aus der von Armbrüster, Anmerkung, JZ 2015, 733, 735 in Fn. 27 f. zitierten Judikatur. Der BGH weist a. a. O. auf die wirtschaftliche Abhängigkeit von Direktabnehmern hin, die jedoch auch das OLG Düsseldorf nicht leugnet. Der Generalanwalt Jääskinnen bezeichnet es a. a. O. lediglich als generell unvernünftig in eigener Person vorzugehen. 408 Vgl. bereits im zweiten Kapitel, S. 76 ff. 409 Vgl. Stadler, VuR 2014, 445, 446. 410 Auf eine zu hohe Kostenbelastung für Verbände in Kartellschadenersatzverfahren weist im Kontext der französischen action de groupe auch Fauvarque-Cosson, euvr 2014, 143, 144 hin. 411 Klarstellungsbedürftig daher Stadler, in: Van Boom (Im Erscheinen): „In the German 407
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22 II RVG auf 30 Mio. Euro zur Anwendung. Während im Rahmen des Abtretungsmodells aber die Zessionarin die Kosten alleine zu tragen hat und damit individuelle Kostenübernahmeregelungen mit den Zedenten vereinbaren kann, erfolgt die Kostenverteilung gem. § 100 I ZPO grundsätzlich nach Köpfen. Von den Ausnahmen der § 100 II und III ZPO abgesehen, besteht also ein gewisses Risiko, dass Streitgenossen mit kleineren Forderungen die Kosten anderer Streitgenossen mittragen müssen. Hinsichtlich der klägerischen Anwaltskosten gilt im Grundsatz § 7 I RVG und der handelnde Rechtsanwalt kann seine Gebühren nur einmal abrechnen. Das aber setzt notwendiger Weise voraus, dass sich tatsächlich alle Streitgenossen hinter einem Rechtsanwalt versammeln. Zusätzlich muss es sich im Übrigen um dieselbe Angelegenheit i. S. v. § 7 I RVG handeln. Eine Angelegenheit kann dabei verschiedene Gegenstände, also Rechte oder Rechtsverhältnisse betreffen. Zwischen parallelen Angelegenheiten muss im konkreten Einzelfall ein innerer Zusammenhang bestehen, aufgrund dessen sie sowohl inhaltlich als auch in der Zielsetzung so weitgehend übereinstimmen, dass von einem einheitlichen Rahmen der anwaltlichen Tätigkeit ausgegangen werden kann.412 Auch hier besteht wegen der grundsätzlichen Eigenständigkeit aller Streitgenossen daher ein beachtliches Risiko. Hinzu kommen schließlich die Kosten möglicher Streitverkündeter, die wie auch im Verfahren vor Landund Oberlandesgericht Düsseldorf einen elementaren Anteil der Kostenlast ausmachen können.413 Im Fall einer streitgenössischen Klage kann im Schritt zuvor bereits die Erklärung und Wirkung der Streitverkündung Probleme bereiten. Zwar gelten Prozesshandlungen des Gegners im Zweifel für alle verbundenen Prozesse414, gerade mit Blick auf die unterschiedliche Beteiligung z. B. von Subunternehmern an Kartellabsprachen sind hierbei jedoch durchaus Differenzierungen denkbar. Diese münden daraufhin in einer wiederum komplizierteren und mit einem erhöhten Risiko verbundenen Kostenverteilung unter den Streitgenossen, wohingegen die interne Kostenverteilung in einem gebündelten Verfahren einzelvertraglich zwischen Zedent und Zessionar festgelegt werden kann. Im Kostenvergleich hat das Oberlandesgericht schließlich unerwähnt gelassen, dass für die gesamte Tätigkeit der CDC SA lediglich eine Beteiligung am Erfolg der Zedenten als Gegenleistung vorgesehen war. Andernfalls hätte mindestens ein Teil dessen durch Anwälte übernommen werden müssen und wäre so für die Prozesskosten insgesamt relevant geworden. Anders als das Abtretungsmodell bedeutet eine Individualklage in Streitgenossenschaft ebenfalls aufgrund der Eigenständigkeit der Prozessrechtsverhältsystem for legal fees, a higher amount in dispute through aggregated claims means higher fees […]“; dies trifft auf die absolute Gebührenhöhe natürlich zu, nicht aber auf das Verhältnis von Gebührenstreitwert und Gebührenhöhe. 412 Dazu BGH NJW 2014, 2126, 2127 f. und Faulmüller/Wiewel, VuR 2014, 452, 454. 413 Makatsch/Abele, WuW 2015, 461 sprechen von einer „Kostenexplosion“. 414 Statt vieler Schultes, in: MK ZPO, § 61 ZPO Rn. 4 m. w. N.
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nisse aus der Sicht des befassten Gerichts keine wesentliche Vereinfachung. Gleichzeitig ist eine vergleichsweise Regelung aus den genannten Gründen weniger wahrscheinlich.415 Für die Parteien folgt aus der entsprechenden Aus- und Überlastung justizieller Ressourcen zunächst eine erhöhte Verfahrensdauer416 und damit eine längere Periode der Rechtsunsicherheit. Gleichzeitig hat das Gericht unter bestimmten Voraussetzungen gem. § 145 I 1 ZPO die Möglichkeit zur Verfahrenstrennung.417
cc) Fazit Bei näherer Betrachtung ist eine Sittenwidrigkeit der durch die CDC SA initiierten und unter Geltung des Rechtsdienstleistungsgesetzes durchgeführten Abtretungen nicht zu begründen.418 Eine umfassende Analyse des Abtretungsmodells fördert neben einer Verlagerung des Prozessrisikos eine Vielzahl weiterer Motive zu Tage, die, obwohl sie zu Gunsten von Kläger- und Beklagtenseite wirken, unberücksichtigt geblieben sind. Die rechtlichen Schlussfolgerungen begegnen darüber hinaus auf der Grundlage langjährig gefestigter Rechtsprechung erheblichen Bedenken.419 Insgesamt wird deutlich in welchem Ausmaß sich seitens des Oberlandesgerichtes Düsseldorf tatsächliche und rechtliche Fehleinschätzungen zu einem Urteil summieren, dessen wesentlicher Zweck darin zu bestehen scheint, die Arbeit der CDC SA zu unterbinden.420
d) Konsequenzen mit Blick auf den kollektiven Rechtsschutz Vor dem Hintergrund der vorstehenden Analyse hat das zwischenzeitlich vor dem Landgericht Mannheim rechtshängige Verfahren der CDC SA gegen den Zementhersteller Heidelberg Cement gegenüber dem abgeschlossenen Verfahren vor Land- und Oberlandesgericht Düsseldorf noch an Brisanz gewonnen. Die Anforderungen des Oberlandesgerichtes Düsseldorf an die finanzielle Ausstattung dürfte die Gesellschaft zwischenzeitlich erfüllt haben. Bestätigt sich diese Annahme, müsste das Landgericht Mannheim also entweder die Wirksamkeit der Abtretungen und damit das Geschäftsmodell der CDC anerkennen oder einen anderen, bisher unberücksichtigten Grund für eine Ablehnung 415
Stadler, VuR 2014, 445, 446. Makatsch/Abele, WuW 2015, 461 „macht in europäischen Kreisen schon das Schlagwort vom ‚German Torpedo‘ die Runde“. 417 Faulmüller/Wiewel, VuR 2014, 452, 454; kritisch daher auch Keßler, ZRP 2016, 2, 3. 418 Vgl. auch das unter Anwendung deutschen Sachrechts, also u. a. § 138 I BGB ergangene Urteil der rechtbank Den Haag, ECLI:NL:RBDHA:2014:15722, Rn. 4.18 ff. im Verfahren der CDC-Tochter CDC Project 14 SA. 419 Anders Thole, ZWeR 2015, 93, 106, der – für den Verfasser nicht nachvollziehbar – davon ausgeht, der vom OLG eingeschlagene Lösungsansatz füge sich in die bisherige Rechtsprechung des BGH ein. 420 Ähnlich, wenn auch zurückhaltender Stadler, in: Van Boom (im Erscheinen); vorsichtiger auch Thole, ebenda, S. 115 a. E. 416 Nach
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benennen.421 Begrüßenswert wäre darüber hinaus ein Urteil, dass sich erneut und unvoreingenommen mit dem Abtretungsmodell auseinandersetzt und die Fehler des Oberlandesgerichts Düsseldorf expressis verbis korrigiert.422 Passend zur landläufigen Fehde der beiden Städte gilt dasselbe für das Landgericht Köln, bei dem seit 2013 ebenfalls ein weiteres Verfahren durch Abtretung gebündelter Schadensersatzklagen anhängig ist. Dieses baut auf einem Beschluss der EU-Kommission vom 09. 11. 2010 auf, mit dem einer Vielzahl von Luftfrachtunternehmen wegen kartellrechtswidriger Absprache u. a. eines Treibstoffzuschlags ein Rekordbußgeld von insgesamt rund 800 Mio. Euro auferlegt wurde.423 Als Kläger tritt die Barnsdale Cartel Damage Solutions AG auf. Es handelt sich dabei um eine inzwischen 100 prozentige Tochter der Deutsche Bahn AG424, die sowohl Schadenersatzansprüche verschiedener anderer DBTöchter als auch anderer Unternehmen geltend macht, die ihr zuvor abgetreten wurden. Das Gesamtvolumen der Klage beläuft sich auf rund 1,2 Milliarden Euro zzgl. Zinsen in Höhe von rund 560 Mio. Euro.425 Sollten die zuvor genannten Verfahren vom bisherigen Standpunkt der deutschen Gerichte abweichen, besteht dennoch weitgehende Einigkeit, dass ein rechtliches Korrektiv, insbesondere mit Blick auf die Finanzierung von Kollektivverfahren zur gebündelten Durchsetzung von Individualansprüchen erforderlich ist. § 138 BGB bietet hierfür aus den genannten Gründen keine hinreichende Grundlage. Ausgehend von der Empfehlung der EU-Kommission ist vielmehr der Gesetzgeber am Zug, die bestehende Lücke zu schließen.426 Eine mögliche Lösung bestände in der Leistung einer Prozesskostensicherheit, die den Zedenten in bestimmten eng umgrenzten Fällen auferlegt werden 421 Natürlich bleiben vom hiesigen Schwerpunkt abgesehen andere Aspekte des Rechtsstreits, zuvorderst eine entgegenstehende Rechtskraft des Düsseldorfer Urteils sowie die Verjährung zu berücksichtigen. 422 Anders als Ahrens, WRP 2015, 1040, 1046 mit Fn. 50 meint, betrifft das dortige Urteil nämlich keineswegs ausschließlich „Besonderheiten der konkreten Abtretung“, sondern erhebt eine hinreichende Finanzausstattung ex ante zur Grundvoraussetzung einer Forderungsbündelung durch Abtretung. „Hindernisse im […] Rechtsberatungsgesetz“ wurden demgegenüber bereits durch das Rechtsdienstleistungsgesetz korrigiert und standen im Kontext der Abtretung bereits im Fall der CDC-SA nicht mehr zur Debatte. 423 Vgl. die Zusammenfassung des Beschlusses der Kommission vom 9. November 2010 in der Sache C. 39258 – Luftfracht, Abl. 2014 Nr. C 371, S. 11 ff. 424 Vgl. http://www.dbbarnsdale.com/ und http://www1.deutschebahn.com/zb2014-de/ kzlb/ss_ueberblick/cs_veraenderungen.html (jew. zuletzt besucht am 12. 04. 2017) 425 Zum Verfahren auch Stadler, in: Van Boom (im Erscheinen). 426 So auch Stadler, JZ 2014, 613, 621 f.; vgl. auch Langen/Teigelack, BB 2014, 1795, 1801: „der Kreativität [sind …] nur wenige Grenzen gesetzt“; unglücklich dagegen das Fazit von Hempel, NJW 2015, 2077, 2080, gesetzgeberische Tätigkeit „sollte angesichts der vielen offenen Fragen im Zusammenhang mit [‚echten‘ Instrumenten des kollektiven Rechtsschutzes] besser unterbleiben.“ Soweit lediglich gemeint ist, die von dems., in: Möschel/Bien, S. 71, 95 f. erarbeiteten Fragen sollten im Vorfeld eines Gesetzgebungsvorhabens geklärt werden, ist dem natürlich zuzustimmen.
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könnte.427 Vorzugswürdig erscheint demgegenüber ein echter kollektiver Rechtsschutzmechanismus zur Geltendmachung von Massenschäden, der den Rückgriff auf das Abtretungsmodell gänzlich vermeidet.428 Auch für den umgekehrten und deutlich wahrscheinlicheren Fall, dass die vom Oberlandesgericht Düsseldorf entwickelten Maßstäbe in der Rechtsprechung bestand haben, wäre diese Lösung mit Abstand vorzugswürdig. Andernfalls würden für Rechtsverfolgungsgesellschaften und andere Akteure ähnlich der CDC SA verschiedene Fragen ungeklärt zurückbleiben.429 Sofern diese dann nicht ohnehin einen anderen europäischen Justizstandort vorziehen, würde die Debatte voraussichtlich erneut auf die punktuelle Vermeidung einer Sittenwidrigkeit verlagert, anstatt sich endlich einem umfassenden Konzept des kollektiven Rechtsschutzes zu widmen.
II. Unkontrollierter Wildwuchs oder begrüßenswerter Wettbewerb?: die Niederlande Ebenso wie in Frankreich und zum größten Teil auch in Deutschland liegen die kollektiven Rechtsschutzverfahren des niederländischen Privatrechts ausschließlich in den Händen repräsentativer Organisationen und Verbände. Ihre Bedeutung ist dabei im Vergleich zum deutschen und französischen Recht nochmals deutlich größer, da weder das Verfahren noch die führungsbefugten Vereinigungen sektoral beschränkt sind und dadurch mit dem WCAM-Verfahren eine allgemeine Möglichkeit zur Geltendmachung von Schadenersatzansprüchen besteht.
1. Entstehung des kollektiven Privatrechtsschutzes Die Relevanz von Verbänden geht zunächst auf die Entstehung des kollektiven Privatrechtsschutzes zurück, die wesentlich durch die Klageinitiativen von Verbänden und ihre Behandlung durch die Gerichte beeinflusst wurde. Hervorzuheben sind dabei zwei Entwicklungslinien, darunter die Bekämpfung irreführender Werbung, unzulässiger AGB und weiterer verbraucherschädigender Praktiken mit wachsendem Einfluss des europäischen Rechts einerseits sowie die Wahrnehmung des Gemeinwohls insbesondere im Bereich des Umweltschutzes andererseits. Dementsprechend unterschied das niederländische Recht 427 Dafür im Einzelnen Stadler, in: Van Boom (im Erscheinen); aus niederländischer Sicht auch Tillema, NTBR 5/2014, 194, 200. 428 Zu den Einzelheiten eines solchen Verfahrens mit Blick auf den Repräsentanten, vgl. die Ergebnisse dieser Untersuchung im dritten Kapitel, S. 251 ff. und im vierten Kapitel S. 300 ff. sowie S. 356 ff. 429 Vgl. dazu Thole, ZWeR 2015, 93, 112 ff.; nicht nachvollziehbar Hempel, NJW 2015, 2077, 2079, dem zufolge die vom OLG Düsseldorf bemängelte Prozessrisikoverlagerung „sehr einfach“ durch eine Erhöhung der quota litis vermieden werden könnte. Die Argumentation des OLG als zutreffend unterstellt, änderte sich dadurch jedoch nichts daran, dass die Zedenten im Verlustfall keinerlei Prozesskosten zu tragen hätten.
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zwischen einer Verbandsklage als Gruppenklage sowie einer Verbandsklage als Gemeinwohlklage.430 Während die erste Variante wie bis heute in Deutschland nur einer sehr sektoralen Betrachtung431 unterlag, war es insbesondere die umweltrechtliche Gemeinwohlklage, die die Entstehung der allgemeinen Verbandsklage forcierte. Verschiedenste Verbände nahmen sich in diesem Zusammenhang der Vertretung von Interessen bestimmter Personengruppen oder der Allgemeinheit an, deren individuelle prozessuale Geltendmachung aus unterschiedlichen Gründen432 nicht oder nur schwer möglich war. Ein entscheidender Anteil an dieser Entwicklung kam dem obersten Gericht (Hoge Raad) zu, das nicht nur derartige Klagen entgegen der Rechtsprechung der Untergerichte legitimierte, sondern auch über mehrere Urteile hinweg deren Voraussetzungen prägte. Im Kern gestand der Hoge Raad dabei entsprechenden Verbänden auch ohne eigenes Interesse ein Klagerecht zu, wenn sie in einem bestimmten kollektiven Interesse Dritter auftraten und sich aus ihrer Satzung und Tätigkeit hinreichend ergab, dass sie sich den Schutz dieser Interessen zur Aufgabe gemacht hatten. Nicht bestimmte – gebündelte – Individualinteressen Dritter433, sondern ein hinreichend konkreter Eingriff in Kollektivinteressen war mithin entscheidend.434 Die Betroffenen waren dabei zwar oftmals nur anhand allgemeiner Merkmale bestimmbar (z. B. alle Personen wohnhaft im Bereich X), zu einer echten Gemeinwohlklage, potenziell in jedermanns Interesse kam es dagegen nicht. Ebenso wenig hatte der Hoge Raad darüber zu befinden, ob sich die Befugnis der Verbände auch auf die Geltendmachung von Schadenersatz erstreckt. Alle vor Einführung des Art. 3:305a III 2 BW entschiedenen Fälle betrafen lediglich Feststellungs- oder Unterlassungsbegehren.435 Als auch die Untergerichte dazu ansetzten, Interessenverbänden eine Klagebefugnis außerhalb der bis dato bestehenden gesetzlichen Regelungen zuzuerkennen, reagierte das Unterhaus des Parlaments (Tweede Kamer) und veranlasste die Regierung mittels parlamentarischer Entschließung zur Einführung einer – nur verbraucherschützenden – Verbandsklage. Darüber hinausgehend legte die Regierung rund zwei Jahre danach einen ersten Referentenentwurf für eine allgemeine Verbandsklage vor.436 Mit den Art. 3:305a ff. BW hält das 430 Ausführlich Mom, § 3 S. 39 ff. und 49 ff.; Tzankova/Lunsingh Scheurleer, 622 Annals AAPSS (2009) 149, 152. 431 Frenk/Boele-Woelki, in: Basedow/Hopt/Kötz/Baetge, S. 213, 217 f. sprechen von einem „Flickenteppich verschiedener gesetzlicher Bestimmungen“. 432 Dazu schon im ersten Kapitel, S. 12 ff.; kürzer und mit Blick auf die Niederlande Frenk/Boele-Woelki, ebenda, S. 213, 214 ff. 433 In umweltrechtlichen Angelegenheiten standen dem Einzelnen individuelle Ansprüche gleich welchen Inhalts nämlich gerade nicht zu. 434 Die Rechtsprechung wird im Einzelnen ausführlich nachgezeichnet bei Frenk, S. 81 ff.; vgl. auch Hartkamp/Tilemma, in: Van Erp/Hondius, S. 55, 64 f. 435 Arons/van Boom, 21 EBLR (2007) 857, 861 f. 436 Zur soeben geschilderten Entwicklung Hondius, in: Micklitz, S. 351, 374 f.; Frenk/
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niederländische Recht nun einen Mechanismus bereit, der vom Rechtsgebiet unabhängig der Durchsetzung von Individual- über Kollektiv- bzw. Gruppenbis hin zu Allgemeininteressen dienlich sein kann. Mit ihrer Einführung wurden alle zuvor erlassenen Regelungen, die sich nur auf ein bestimmtes Rechtsgebiet bezogen mit Ausnahme der besonderen Verbandsklage im AGB-Recht (Art. 6:240 ff. BW) überflüssig und außer Kraft gesetzt.437 Dennoch widmet sich ein wesentlicher Anteil der Verbandsklagen heute der Durchsetzung von Verbraucherinteressen und daraus in zunehmendem Maße der Interessen von Kapitalanlegern.438 Im Hinblick auf die klageberechtigten Organisationen enthielten die Art. 3:305a ff. BW allerdings zu Beginn gegenüber der heutigen Rechtslage nochmals geringere Anforderungen. Es musste sich lediglich entweder um eine stichting oder eine voll rechtsfähige vereniging handeln. Bedingungen an deren Aufbau, Ausstattung oder Erfahrung stellte das Gesetz wie auch weiterhin heute nicht. Lediglich je konkretem Fall musste sich aus ihrer Satzung hinreichend deutlich ergeben, dass die Vereinigung den Schutz der jeweils wahrgenommenen Interessen bezweckt.439 Nichtsdestotrotz blieb nicht nur die vielfach befürchtete Überlastung der Gerichte aus, sondern auch Fälle missbräuchlichen oder sachfremden Verhaltens seitens der Verbände selten.440 Ca. zehn Jahre nach der Kodifikation der allgemeinen Verbandsklage begannen die Arbeiten am Wet collectieve afwikkeling massaschade (WCAM).441 Dabei wurde aus heutiger Perspektive scheinbar kritiklos Art. 3:305a I BW dahingehend in Art. 7:907 I BW übernommen, dass stichtingen und vollrechtsfähige verenigingen die Befugnis erhielten, die Gruppe der Geschädigten zu repräsentieren. Gründe für diese Entscheidung nennen die Gesetzesmaterialien nicht.442 Boele-Woelki, in: Basedow/Hopt/Kötz/Baetge, S. 213, 219 f.; Mom, S. 187 ff.; vgl. auch MvT, TK 1991–1992, Kamerstuk 22 486, Nr. 3, S. 2 ff. 437 Frenk/Boele-Woelki, ebenda, S. 213, 221. 438 Das ist wiederum aus historischer Sicht interessant, da die Rechtsprechung des Hoge Raad, die die Einführung der allgemeinen Verbandsklage massiv beeinflusste (dazu soeben), in der absoluten Mehrheit der Fälle Gemeinwohlklagen bestimmter Interessenverbände zum Inhalt hatte. Die Verbraucher und die sie vertretenden Verbände, allen voran der Consumentenbond, profitierten also letztlich in großem Maße von der Verallgemeinerung der gesetzlichen Regelung durch die Politik, vgl. Hondius, in: Micklitz, S. 351, 376 f. Vor diesem Hintergrund erscheint es nicht recht schlüssig, wenn ders., a. a. O., S. 380 in der allgemeinen Verbandsklage ein Beispiel für Verbraucherrecht als Katalysator für Zivilrechtsreformen sehen will. 439 Im Detail zur Rechtsform der stichting und vereiniging im folgenden Kapitel, S. 234 ff. sowie zu den genannten und zwischenzeitlich verschärften Voraussetzungen im vierten Kapitel, S. 341 ff. 440 Dazu sogleich. 441 Zum Anlass der Neuregelung schon oben, S. 96 ff. 442 MvT, Wijziging van het BW en het WBR teneinde de collectieve afwikkeling van massaschades te vergemakkelijken, TK 2003–2004, Kamerstuk 29 414, Nr. 3 S. 10; ebenso wenig Krans, NTBR 1/2005, 2, 5.
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Natürlich kann zunächst auf die positiven Erfahrungen mit den betreffenden Organisationen im Rahmen der allgemeinen Verbandsklage verwiesen werden. Ebenso ist es jedoch vorstellbar, dass dem anlassgebenden DES-Fall443 eine deutlich größere Bedeutung zukam als sachlich-logischen Erwägungen. Der entscheidende Zweck der Neuregelung lag darin, einen prozessrechtlichen Mechanismus zu schaffen, der einer zu diesem Zeitpunkt bereits bestehenden Entschädigungsvereinbarung zu allumfassender Geltung verhelfen konnte. Die Vereinbarung war das Ergebnis jahrelanger Verhandlungen zwischen den beteiligten Pharmaunternehmen, ihren Versicherungen sowie der bereits in den 1970er Jahren gegründeten Stichting DES Actie en Informatiecentrum später Stichting DES Centrum, die anstelle einer Fortführung des Gerichtsprozesses im Anschluss an die Entscheidung des Hoge Raad aufgenommen worden waren. Die Vereinbarung hatte im Kern die Einteilung der Geschädigten in verschiedene Schadenskategorien und im Anschluss deren Entschädigung aus einem Fonds zum Inhalt und war bereits vor Beginn der politischen Debatte über das WCAM im Jahr 2000 geschlossen worden. Auch der Entschädigungsfonds, ebenfalls unter Verwaltung einer stichting mit dem Namen Stichting Beheer Deelnemersgelden in B/V-Fonds war bereits errichtet und mit einem Gesamtvermögen von 38 Millionen Euro ausgestattet worden.444 Obwohl die Vereinbarung aus dem Jahr 2000 nach Inkrafttreten des WCAM nochmals am 08. November 2005 in einen Vergleichsvertrag gemäß dem neuen Art. 7:900 BW überführt wurde445 und die Politik mit dem Gesetz eine allgemein anwendbare Regelung durchaus bezweckt haben mag446, waren damit wesentliche Elemente selbiger vorbestimmt, da der anlassgebende DES-Fall andernfalls nicht hätte zum Abschluss gebracht werden können. Zu eben diesen zählte auch die Handlungsbefugnis für stichtingen, deren Voraussetzungen die konkret beteiligten stichtingen erforderlicher Weise erfüllen können mussten.
2. Das Phänomen claimstichting und ihr Wildwuchs Die Fassung der Art. 3:305a ff. BW bei deren Einführung entstammte wie oben gesehen nicht etwa der Kreativität der Gesetzgebungsorgane sondern stimmte weitestgehend mit der zuvor entwickelten höchstrichterlichen Rechtsprechung überein. Auch in ihren ersten zehn Geltungsjahren wurde kein Änderungsbedarf gesehen. Erst im Laufe der vergangenen zehn Jahre, parallel zur Geltung des besonderen Massenschadensverfahrens nach dem WCAM, werden ad hoc gegründete Einrichtungen, die lediglich in einer konkreten Angelegenheit tätig werden von der niederländischen Literatur zunehmend kritisch gesehen. Inzwischen ist 443
Dazu bereits oben, S. 98 f. Amsterdam, Urteil vom. 1. 6. 2006, ECLI:NL:GHAMS:2006:AX6440, Rn. 2.3; Mom, S. 324 f. 445 Gerechtshof Amsterdam, ebenda, Rn. 3.1; Mom, S. 330. 446 Vgl. schon oben, Fn. 126. 444 Gerechtshof
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vielfach von einem Wildwuchs („wildgroei aan claimstichtingen“) die Rede.447 Die Bezeichnung claimstichting ist dabei gewollt oder ungewollt zweideutig. Einerseits beschreibt sie treffend den Charakter eben solcher Organisationen, in den meisten Fällen stichtingen, die ausschließlich für die einmalige Durchsetzung konkreter Interessen im Wege eines kollektiven Rechtsschutzverfahrens bestehen. Andererseits kann das Wort durchaus auch als Anspielung auf die als Bedrohung empfundene US-amerikanische claimcultuur verstanden werden.448 Ausführliche empirische Untersuchungen zu solchen Organisationen wurden bislang weder im System der allgemeinen Verbandsklage noch des WCAM durchgeführt.449 Im Rahmen einer wissenschaftlichen Recherche hat Tillema jüngst 400 Urteile analysiert, die in den Jahren 1999–2015 im Rahmen von Art. 3:305a BW ergangen sind und in der niederländischen Rechtsprechungsdatenbank www.rechtspraak.nl veröffentlicht wurden.450 Dabei kommt sie zunächst zu dem Ergebnis, dass die Anzahl der Verbandsklagen in dem untersuchten Zeitraum, insbesondere aber in den Jahren 2002 bis 2009 nahezu stetig angestiegen ist und bestätigt damit eine vorangegangene Untersuchung von Marris.451 Die Mehrheit der Verbandsklagen – so Tillema weiter – wurde den447 MvT, Wijziging van het BW en het WBR en de Faillissementswet teneinde de collectieve afwikkeling van massavorderingen verder te vergemakkelijken, TK 2011–2012, Kamerstuk 33 126, Nr. 3 S. 5 und im Anschluss daran u. a. Bauw/Bruinen, NJB 3/2013, 164; Wullems, S. 18 f.; Klaassen, Ars Aequi 9/2013, 627, 635. Einige dieser Quellen beziehen sich zwar aufeinander, keine nennt jedoch Zahlen, die die Wortwahl stützen könnten. Zu Recht vorsichtiger noch die Formulierung bei Lemstra/Okhuijsen, TFR 6/2010, 158, 162, denen zufolge „die Zeit reif erscheint für eine Debatte über […] die Einführung eines Claimcode […], weil ein „Wildwuchs an claimstichtingen […] auf der Lauer liegt.“ 448 Lemstra, in: van Solinge e. a., S. 107, 109, der sich als Urheber des Begriffs vermutet (vgl. a. a. O., S. 108, Fn. 7) definiert ihn zwar durchaus wertfrei als „eine stichting, die sich kraft ihres Satzungszwecks, aber auch tatsächlich auf Grund von Art. 3:305a oder 7:907 BW […] für die gleichartigen Interessen einer Gruppe Benachteiligter einsetzt“. Dennoch sehen auch Lemstra/Okhuijsen, TFR 6/2010, 158, 161 und 162 die Gefahr, dass der Begriff claimstichting mit „amerikanischen Zuständen“ verbunden und negativ konnotiert werden könnte. Ca. zwei Jahre später stellt Lemstra selbst, a. a. O., S. 108 fest, beides würde häufig „in einem Atem genannt“. 449 Tzankova, VbR 2015, 148, 151; mit deutlichen Worten Lemstra, in: Holtzer e. a., S. 389, 395; aus diesem Grund kritisch hinsichtlich der Diagnose eines Wildwuchs auch ders., in: van Solinge e. a., S. 107, 108 und 112 sowie Marris, S. 52; Tillema, Ars Aequi 3/2016, 337, 340 nennt den tatsächlichen Beweis für den Bestand oder die Entstehung einer claimcultuur „dürftig“. Die Angaben im Folgenden stützen sich neben der Recherche Tillemas auch auf einzelne Erhebungen in den Arbeiten von Marris und Vermeer. Diesen soll keineswegs ihr wissenschaftlicher Wert abgesprochen werden. Allerdings weisen die – studentischen – Verfasserinnen ausdrücklich selbst auf den begrenzten Umfang ihrer Arbeiten hin und erachten weitere detaillierte empirische Untersuchungen für erforderlich, für die sie eine Grundlage bieten wollen, vgl. Marris, S. 12–14 und 52 sowie Vermeer, S. 19. 450 Tillema, Ars Aequi 3/2016, 337, 341 ff. 451 Tillema, ebenda, S. 342; nach Marris, S. 21 f. wurden in den Jahren 1994 bis inklusive 2012 288 Verbandsklagen aufgrund Art. 3:305a ff. BW erhoben, davon nur 18 in den Jahren 1994 bis 2000, 86 in den Jahren 2001 bis 2006 und ganze 184 im Zeitraum von 2007 bis
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noch weiterhin von Organisationen erhoben, die private Interessen bestimmter „schwächerer“ Gruppen (z. B. Verbraucher, private Kapitalanleger, Mieter, Arbeitnehmer) oder bestimmter gewerblicher Gruppen (z. B. einzelne Branchen, Arbeitgeber, institutioneller Anleger oder Vermieter) vertreten. Allerdings stellt sie ebenso fest, dass der Anteil von Organisationen, die – nach ihrer Kategoisierung – „ein eigenes Interesse am (Ausgang des) Verfahrens aufgrund einer ergebnisabhängigen Vergütung haben“, seit 2008 leicht angewachsen ist.452 Gleichzeitig aber zeigt Tillema anhand von 334 untersuchten Verfahren, dass die Gerichte in insgesamt nur wenigen Fällen den jeweiligen Interessenvertreter für unzulässig befunden haben und insbesondere, dass diese Entscheidung im Zeitraum seit 2008 nicht öfter vorgekommen ist als zuvor.453 Parallel zur allgemeinen Verbandsklage ist die Anzahl von Interessenorganisationen auch im Umfeld der sieben bislang vollständig durchlaufenen WCAM-Verfahren stetig angestiegen.454 Ein vielfach bemühtes Negativbeispiel stellt die zuletzt verhandelte Insolvenz der DSB-Bank dar. Selbst hierzu variieren jedoch die Zahlen.455 Festzuhalten ist, dass die Entstehung von Interessenorganisationen ad hoc je Anwendungsfall durch die gesetzlichen Regelungen in zweifacher Hinsicht begünstigt wird. Zuvorderst bietet das niederländische Recht mit der stichting eine Rechtsform, die es ermöglicht mit kaum nennenswertem Aufwand eine juristische Person ins Leben zu rufen, die weder intern – mangels Mitgliedern – noch extern – mangels entsprechender gesetzlicher Vorgaben oder staatlicher Aufsicht – veritabler Kontrolle unterliegt. Die Gründung einer vereniging ist zwar unwesentlich aufwändiger und die juristische Person ebenso geringer Aufsicht unterworfen, dennoch geht von den Mitgliedern eine stärkere soziale Kontrolle aus und das zwingende Organ einer Mitgliederversammlung begrenzt die Handlungsfreiheit.456 Hinzu kommt, dass das Burgerlijk Wetboek zudem auch dann keine hohen Anforderungen an stichtingen wie auch verenigingen stellt, 2012. Die Untersuchung stützt sich dabei nur auf Veröffentlichungen niederländischer Justizdatenbanken und ist dadurch nicht vollends tragfähig (vgl. a. a. O., S. 25). Gleichwohl ist die beschrieben Entwicklung deutlich erkennbar. 452 „[…] hebben ze een eigen belang in (de uitkomst van) de procedure door middel van een resultaatafhankelijke beloning, […]“, Tillema, Ars Aequi 3/2016, 337, 342 f; diese Zahlen stützen ihrer Ansicht nach die Annahme, dass die Entstehung „kommerzieller Interessenvertreter“ auf einen Mangel an finanziellen Mitteln u. a. des Consumentenbond zurückzuführen ist. 453 Tillema, Ars Aequi 3/2016, 337, 343 f. 454 Nach Vermeer, S. 19 sind „bestimmte Signale sichtbar, die ein zunehmendes Wachstum von ad hoc claimstichtingen nahelegen“. 455 Heltzel, TFR 5/2012, 148 geht von zwölf beteiligten Interessenorganisationen aus; Tzankova, in: Holtzer e. a., S. 135, 137 von elf; Lemstra/Okhuijsen, TFR 6/2010, 158, 159 von zehn. Der Justizminister in seiner Gesetzesbegründung dagegen, MvT, a. a. O. (Fn. 447) und im Anschluss daran Vermeer, S. 19 und Wullems, S. 18 bemühen den DSB-Fall als Beispiel ohne jegliche Zahlen zu nennen. 456 Dazu im Einzelnen noch im folgenden Kapitel, S. 234 ff. mit Fn. 240. Einige Ungereimtheiten bezüglich Vorstand und Führung einzelner, im Zusammenhang mit der Insolvenz
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wenn diese als repräsentative Organisation in Kollektivverfahren, sei es nach Art. 3:305a ff. oder Art. 7:900 ff. BW, aktiv werden wollen.457 Beides wird in der Praxis u. a. darin deutlich, dass sogar alt eingesessene Interessenorganisationen wie beispielsweise der Verbraucherschutzverband Consumentenbond oder auch die auf den Schutz von Kapitalanlegern spezialisierte Vereniging van Effectenbezitters (VEB), die rechtlich als vereniging organisiert sind, für die Bearbeitung bestimmter kollektiver Rechtsschutzverfahren selbst ad hoc stichtingen gegründet haben. Auf diese Weise wird das Haftungsrisiko auf das eigens für das jeweilige Verfahren gebildete Medium ausgelagert und dessen Finanzierung vom Gesamthaushalt des Verbands getrennt.458 Die Finanzlage der stichting kann dadurch im Verborgenen bleiben, da sie aufgrund der Trennung nicht mehr mit dem jährlichen Rechenschaftsbericht der Mutterorganisation veröffentlicht wird und die stichting darüber hinaus keiner gesetzlich zwingenden Finanzkontrolle unterliegt. Um dennoch eine gewisse Kontrolle zu gewährleisten, ist der Einsatz eines Aufsichtsrates üblich.459 Neben rechtlichen sind aber auch tatsächliche Aspekte zu berücksichtigen, darunter zuvorderst die immer bedeutendere Rolle der neuen Medien. Fernsehen, Internet und E‑Mail haben die Kommunikationskanäle massiv vereinfacht, sodass es heute im Vergleich zum Ende des letzten Jahrhunderts ungleich einfacher ist, potenzielle Unterstützer zu finden und zu mobilisieren. Die Arbeit der Interessenorganisationen gleich welcher Art hat sich dementsprechend professionalisiert.460 Eine ähnliche Entwicklung durchläuft auch der Kapitalanlagemarkt, was in Verbindung mit den wirtschaftlichen Krisen der Jahre 2003 und 2008 zu einer neuen Dimension von Massenschadensfällen geführt hat.461 Beides sind entscheidende Faktoren, die zur steigenden Popularität der Kollektivklagemechanismen und damit auch gleichzeitig der darin kraft Gesetzes vorgesehenen Interessenorganisationen geführt haben. Allerdings ist damit bis hierher kein Wildwuchs, also ein unkontrolliertes und damit implizit regelungsbedürftiges Wachstum nachgewiesen.462 Das der DSB gegründeten stichtingen geben z. B. Lemstra/Okhuijsen, TFR 6/2010, 158, 160 m. w. N. aus der Tagespresse wieder. 457 Nach Vermeer, S. 21 f. und 28 waren dementsprechend in 129 zwischen dem 01. 01. 2007 und dem 01. 07. 2013 untersuchten Kollektivverfahren von 38 ad hoc gegründeten Interessenorganisationen, 37 stichtingen und nur eine vereniging. Ungeachtet dessen bildeten insgesamt 90 beteiligte verenigingen gegenüber 75 beteiligten stichtingen weiterhin die Mehrheit. 458 Lemstra, in: t’ Hart, S. 35, 40; ders., in: van Solinge e. a., S. 107, 109. 459 Lemstra, in: t’ Hart, S. 35, 41. 460 Lemstra/Okhuijsen, TFR 6/2010, 158, 159; Lemstra, in: t’ Hart, S. 35, 36 f.; Wullems, S. 37 f. 461 Ebenda. 462 Eher im Gegenteil hat Vermeer, S. 25 f. ungeachtet eines wohl bestehenden Wachstums ermittelt, dass zwischen dem 01. 01. 2007 und dem 01. 06. 2013 aus 127 von ihr untersuchten Verbandsklageverfahren nur 38, mithin 23 % von ad hoc gegründeten Interessenvertretungen eingeleitet und betrieben wurden. An sechs WCAM-Verfahren in der gleichen Zeitspanne nah-
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Gleiche gilt für einen potenziell zunehmenden Missbrauch der Befugnisse.463 Dennoch geben bestimmte Entwicklungen in Anbetracht bisher geringer Regulierung und der steigenden Anzahl an Interessenorganisationen Anlass zu mehr Kontrolle.464
3. Regelungs- bzw. Regulierungsbedarf? Mit Blick auf das WCAM-Verfahren hat sich nicht so sehr dessen eigentlicher Kern beginnend mit tatsächlichen Verhandlungen zwischen einer oder mehreren Vertreterorganisationen und dem Schädiger sondern der Weg dorthin als problematisch erwiesen. Während in den bisherigen Verfahren weder je eine Organisation vom gerechtshof Amsterdam als nicht hinreichend repräsentativ i. S. v. Art. 7:907 III lit. f BW abgelehnt noch unabhängig davon Fehlverhalten der letztendlich unmittelbar Beteiligten bekannt wurde, ist die Anzahl der sich vorab um die Gunst der Geschädigten bewerbenden Vereinigungen mit jedem neuen Anwendungsfall gewachsen. Hinzu kommt, dass das Angebot der verschiedenen Bewerber inzwischen erheblich variiert. Während Einzelne von Beginn an eine vollständige Interessenvertretung inklusive der Verhandlungen um einen Vergleichsvertrag i. S. v. Art. 7:907 I BW anstreben, wollen sich andere auf vorbereitende Tätigkeiten wie z. B. die Zusammenstellung von Daten und Forderungen beschränken. Wiederum andere legen ihren Schwerpunkt nach einem abgeschlossenen Verfahren und treten an, um für Geschädigte, so sie eine opt out-Erklärung abgeben, eine gegenüber dem verbindlichen Vergleichsvertrag bessere Individuallösung zu erstreiten.465 Dies stellt alle Beteiligten vor tatsächliche Probleme. Den Geschädigten fehlen nicht nur oftmals das Fachwissen, um einzuschätzen, welche Interessenorganisation ihre Unterstützung verdient, sondern bereits ein hinreichender Überblick und verlässliche Informationen, um diese überhaupt zu bewerten. Das Gleiche gilt für die Gegenseite,
men zwar sechs ad hoc gegründete und nur drei dauerhaft etablierte Interessenorganisationen teil. Dennoch waren die Letztgenannten in jedem der sechs Verfahrens beteiligt, sodass keines der untersuchten WCAM-Verfahren von einer ad hoc Organisation in Eigenregie betrieben wurde. Vermeer, S. 58 resümiert demnach zu Recht, dass von einem Wildwuchs nicht die Rede sein kann. 463 So im Ergebnis auch Tillema, Ars Aequi 3/2016, 337, 346. 464 Lemstra, in: van Solinge e. a., S. 107, 112; Tzankova/Henssler, in: Hodges/Stadler, S. 91, 103 f. machen nachdrücklich auf die Notwendigkeit ad hoc gebildeter Interessenorganisationen aufmerksam und halten die Angst vor missbräuchlichen Klagen in Anbetracht der ersten WCAM-Verfahren für unbegründet. Dennoch plädieren auch sie für einen festeren Rahmen für Interessenorganisationen. Ebenso hält Vermeer, S. 58 ungeachtet oder gerade aufgrund ihrer Ergebnisse (vgl. soeben, Fn. 462) gesetzliche Kontrollmechanismen für erforderlich. 465 Diese unübersichtliche Gemengelage wird für den konkreten Fall der Insolvenz der DSB-Bank dargestellt von Tillema, The Good, the Bad or the Ugly?; vgl. auch dies., NTBR 5/2014, 194, 200.
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die aus der Masse einen oder wenige vertrauenswürdige Verhandlungspartner wählen muss.466 Im Rahmen der allgemeinen Verbandsklage – insbesondere außerhalb späterer WCAM-Verfahren – ist zwar wohl ein ebenso starker Zuwachs ad hoc gegründeter Interessenorganisationen und durch sie eingeleiteter Verfahren zu verzeichnen.467 Auch hierzu fehlen jedoch statistische Angaben im Detail. Davon abgesehen ist aber eine den letzten WCAM-Verfahren ähnliche Gemengelage mit ihren negativen Konsequenzen dort nicht ersichtlich. Gleichwohl wird das Wachstum ad hoc gegründeter Interessenorganisationen von Literatur und Gesetzgebung problematisiert.468 Im Fokus stehen dabei einerseits sogenannte advocatenstichtingen, sowie andererseits stichtingen mit einer vornehmlich kommerziellen Zielsetzung. Die advocatenstichtingen erinnern stark an eine vergleichbare Problematik im Rahmen US-amerikanischer class actions. Die Initiative zur Gründung einer stichting, die dann in einem Kollektivverfahren als Interessenorganisation auftreten soll, geht dabei nicht vom Kreis der Geschädigten, sondern von einem in der Sache tätigen Anwaltsbüro aus. Dessen Mitglieder übernehmen auch die Stiftungsleitung. So entsteht der Nebeneffekt, dass Anwalt oder Anwälte nur noch der von ihnen selbst gegründeten stichting und nicht mehr den Geschädigten als unmittelbaren Mandanten gegenüber verpflichtet sind. Gleichzeitig droht die Gefahr, dass sich der verfahrensführende Anwalt nicht (vollständig) an den Interessen der Geschädigten orientiert, sondern im Kollisionsfall seinen eigenen Interessen den Vorzug gibt.469 Die Verfahrensführung und damit auch das Schicksal des Verfahrens liegt insgesamt in seinen Händen. Damit unmittelbar verknüpft, jedoch nicht auf advocatenstichtingen beschränkt ist die Frage nach einer gänzlich oder auch nur teilweise kommer466 MvT, a. a. O. (Fn. 447); Bauw/Bruinen, NJB 3/2013, 164: Tzankova, in: Holtzer e. a., S. 135, 137; dies./Henssler, in: Hodges/Stadler, S. 91, 103; zum Problem der Informationsassymetrie in diesen Fällen ausführlich Wullems, S. 4 ff. 467 Dazu schon soeben, S. 167 f. 468 Nach Klaassen, Ars Aequi 9/2013, 627, 635 wird der (so genannte) „Wildwuchs der claimstichtingen“ sogar ihrem nahezu vorbehaltlosen Zugang zu Gericht im Rahmen einer kollektiven Verbandsklage nach Art. 3:305a ff. BW zugeschrieben. Gründe oder Nachweise dafür nennt sie jedoch nicht. 469 Lemstra/Okhuijsen, TFR 6/2010, 158, 161 mit Fn. 24; Cornegoor, in: t’ Hart, S. 13, 26; Lemstra, in: t’ Hart, S. 35, 42; ders., in: van Solinge e. a., S. 107, 114 f.; ein Beispiel für eine advocatenstichting ist die Stichting Lipstick Effect, die im Zusammenhang mit dem Börsengang des Internetunternehmens World Online eine Verbandsfeststellungklageklage gem. Art. 3:305a BW erhob. Der gerechtshof Amsterdam sah die Voraussetzungen des Art. 3:305a I und II BW für die Zulassung der stiching als gegeben an, vgl. gerechtshof Amsterdam, 07. 10. 2004, Zaaknummer 1214/03, LJN: AR3465, Rn. 3.5, wies ihre Klage jedoch wegen entgegenstehender Rechtshängigkeit ab, dazu gerechtshof Amsterdam, a. a. O., Rn. 3.2 sowie 3.6 f.; Mom, S. 301; Tzankova/van Doorn, in: t’ Hart, S. 95, 102. In einem weiteren Verfahren im Zusammenhang mit World Online trat außerdem die vom Anwaltsbüro Van der Goen gegründete und daher bereits dem Namen nach auffällige Stichting Van der Goen Wolclaims auf.
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ziellen Zielsetzung von ad hoc gegründeten Interessenorganisationen, die in Kollektivverfahren tätig sind.470 Ihre Verfahrenstätigkeit finanzieren diese in der Regel auf zwei Wegen. Zum einen wird in der Satzung eine Gebühr festgelegt, die jeder Geschädigte zu bezahlen hat, der am Verfahren teilhaben will. Darüber hinaus vereinbaren die Organisationen Erfolgsvergütungen, nach denen ihnen ein bestimmter Anteil dessen zusteht, was der Schädiger aufgrund eines erfolgreichen Vorgehens zu leisten verpflichtet ist.471 Beides kann jedoch offensichtlich nicht die Rechtskraft einer potenziellen Entscheidung am Ende des Verfahrens beeinflussen, die sich an den vom Gericht festgelegten Kriterien der Gemeinsamkeit der Ansprüche orientiert. Dadurch entsteht eine Lücke für sogenanntes Trittbrettfahrerverhalten. Betroffene können schlussendlich von einer positiven Entscheidung profitieren ohne zuvor die verfahrensführende Organisation unterstützt zu haben.472 Mangels statistischer Erhebungen liegt bislang im Dunkeln, ob dies überhaupt vorkommt und wenn ja, in welchem Umfang. Der finanzielle Anreiz so mancher Interessenorganisation aus Teilnahmegebühr und Erfolgsvergütung scheint hiervon jedenfalls unbeeinflusst. Insbesondere die Teilnahmegebühr wird meist vom Verfahrensausgang unabhängig eingefordert, womit die Gefahr entsteht, dass dieser im Verhältnis zum kommerziellen Erfolg in den Hintergrund tritt. Die Problematik wurde z. B. in einem Verbandsklageverfahren auf Feststellung der Nichtigkeit von Lotterieverträgen gegen die niederländische Staatslotterie (Stichting Exploitatie Nederlandse Staatsloterij (SENS)) aktuell. Die Beklagte machte geltend, nicht die als solche auftretende Stichting Loterijveriies.nl sondern die gleichnamige Gesellschaft Loterijverlies.nl BV sei als Klägerin anzusehen und folglich gem. Art. 3:305a I BW nicht zuzulassen. Sie berief sich darauf, die Gesellschaft habe – was uneingeschränkt zutraf – die stichting gegründet und funigere als ihr einziger Vorstand. Des Weiteren würden die Geschädigten ihre Teilnahmebeiträge nicht an die stichting sondern an eine weitere Untergesellschaft der Loterijverlies.nl BV leisten. Die rechtbank Den Haag befand dennoch die Satzungsangaben der Stichting Loterijveriies.nl als ausreichend für Art. 3:305a I BW. Alles Übrige veranlasse nicht dazu, stattdessen Loterijverlies.nl BV als Kläger anzusehen. Es sei außerdem anzumerken, dass die von der stichting gestellte 470 Unter dem aus den USA bekannten Stichwort „entrepeneurial lawyering“ auch angesprochen in MvT, a. a. O. (Fn. 447). 471 Vermeer, S. 37 f.; dies. bietet auf S. 80 ff. eine Übersicht über die von den durch sie untersuchten 38 ad hoc Interessenorganisationen (dazu schon Fn. 462) geforderten Gebühren und prozentualen Erfolgsbeteiligungen. Dabei fällt auf, dass solche nur von denjenigen Organisationen gefordert wurden, deren Verbandsklage auch auf eine finanzielle Leistung gerichtet war. Ebenso auffällig ist, dass alle ad hoc Interessenvertreter in den untersuchten WCAM-Verfahren diesbezüglich nicht zu öffentlichen Angaben bereit waren (vgl. a. a. O., S. 38). 472 Tzankova, VbR 2015, 148, 152; im Allgemeinen dazu bereits einleitend im zweiten Kapitel, S. 61 f.
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Forderung der Gesellschaft nicht zum Vorteil gereiche.473 Auf dieser Grundlage können Unternehmen mit der Rechtsform einer naamlose vennootschap (NV, vergleichbar der deutschen Aktiengesellschaft), oder besloten vennootschap (BV, vergleichbar der deutschen GmbH) zwar nicht unmittelbar als Verbandskläger bzw. Geschädigtenvertreter fungieren, aber mittels einer durch sie selbst gegründeten und kontrollierten stichting gewissermaßen durch die Hintertür genau in dieselbe Rolle schlüpfen.474 Beide dieser Phänomene finden bislang im Zusammenhang mit dem WCAM-Verfahren keine Erwähnung, obwohl sie dort angesichts der im Raum stehenden Ersatzsummen nochmals näher liegen. Der wesentliche Grund dafür dürfte jedoch vermutlich in der verständlicher Weise streng vertraulichen Handhabung seitens der Anwaltskanzleien zu suchen sein. Öffentlich bekannt ist aber beispielsweise, dass in Sachen Shell und Converium, diejenigen US-amerikanischen Anwaltskanzleien, die federführend in die dortigen class action-Verfahren involviert waren, in den Niederlanden gleichzeitig als Rechtsbeistand der betreffenden stichtingen auftraten.475 Dasselbe gilt bereits im Vorfeld eines möglichen WCAM-Verfahrens zu Gunsten von Investoren des Volkswagen-Konzerns aufgrund der Manipulation von Abgaswerten.476 Auch mit Blick auf das Kartell der Luftfrachtunternehmen477 sind bereits verschiedene Organisationen ins Leben gerufen und auch rechtlich tätig geworden. Darunter u. a. Equilib BV Netherlands, eine Gesellschaft, die der Claims Funding Europe ltd. (CFE) gehört. Dabei wiederum handelt es sich um eine Tochter der Claims Funding International, einer Prozessfinanzierungsgesellschaft mit Sitz in Dublin, die ihrerseits zum Teil im Besitz der australischen class action-Kanzlei Maurice Blackburn Lawyers steht.478 Während die Finanzierung der jeweiligen stichting in der Regel von den Anwaltskanzleien übernommen wird, erlangen Investoren aus den Reihen der Geschädigten für deren Anerkennung Bedeutung. Je mehr 473 Rechtbank Den Haag, Urteil vom 31. 03. 2010, ECLI:NL:RBSGR:2010:BL9558, Rn. 4.2; ausführlich dargestellt bei Lemstra, in: van Solinge e. a., S. 107, 113 f; außerdem ders./ Okhuijsen, TFR 6/2010, 158, 161 mit weiterem Beispielsfall und auch Tillema, NTBR 5/2014, 194, 196. 474 Lunsingh Scheurleer, in: van Solinge e. a., S. 99, 103 f.; nach Marris, S. 40 waren auf diesem Weg aus 288 Verbandsklageverfahren zwischen 1994 und 2012 in 14 Fällen (fast 5 %) eine NV, BV oder andere Unternehmensform mit Ausnahme von stichting oder vereniging (vgl. die Definition a. a. O., S. 37) auf Klägerseite beteiligt; nach Ansicht von Rutten, MvV 2015, 319, 323 f. würde die Stichting Loterijveriies.nl heute aber gegen den zwischenzeitlich eingeführten Art. 3:305a II 3 BW verstoßen; vgl. dazu näher im vierten Kapitel, S. 347 ff.. 475 Vgl. die enstprechenden Angaben auf http://www.shellsettlement.com/index.php? page=counsel und http://www.converiumsettlement.com/counsel.html (jew. zuletzt besucht am 12. 04. 2017) 476 Vgl. http://volkswageninvestorsettlement.com/governance/ (zuletzt besucht am 12. 04. 2017) 477 Dazu schon soeben, S. 162 f. 478 Vgl. http://claimsfundingeurope.eu/about/ und http://claimsfundingeurope.eu/partner/ (jew. zuletzt besucht am 12. 04. 2017).
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von ihnen eine stichting mithilfe von Teilnahmevereinbarungen hinter sich versammeln kann, desto attraktiver wird sie als Gesprächspartner für den Schädiger und desto eher wird sie als repräsentativ i. S. d. Art. 7:907 III lit. f BW479 anerkannt.480 Zusammenfassend stellt nach hiesiger Ansicht weder die bloße Anzahl noch die ad hoc Gründung von Interessenvereinigung an sich ein regulierungsbedürftiges Problem dar. Dasselbe gilt für einen Wettbewerb unter verschiedenen Organisationen um die bestmögliche Vertretung der Betroffenen. Im Gegensatz dazu bedürfen Entwicklungen wie die zuletzt genannten, die nach den Erfahrungen u. a. mit dem US-amerikanischen class action-Verfahren, Interessenkonflikte hervorrufen und so den eigentlichen Verfahrenszweck gefährden können, genauer Beobachtung. Dabei ist schlichte Tabuisierung jedoch fehl am Platz. Innerhalb der Europäischen Union besteht ohnehin ein weitgehender Konsens gegen eine sogenannte Klageindustrie oder claimcultuur wie sie aus den USA bekannt ist.481 Mit Blick auf die Interessenorganisationen im WCAM-Verfahren ist es aber aus unvoreingenommener Perspektive grundsätzlich positiv, wenn eine Parallelisierung europäischen und US-amerikanischer Verfahren erreicht werden kann. Gleichzeitig bedarf auch die Arbeit der niederländischen stichting der Finanzierung. Der eigentliche Regulierungsbedarf besteht nun darin, diese Aspekte mit dem gleichzeitigen Schutz vor Interessenkonflikten und Missbrauch in Einklang zu bringen.
III. Never change a running system?: Frankreich Im Zeitraum zwischen den 1970er und 1990er Jahren setzte das französische Recht innerhalb der Europäischen Union Maßstäbe in Bezug auf den kollektiven Rechtsschutz. Im Fokus standen dabei verschiedene Interessenvereinigungen, deren Tätigkeit das französische Rechtsystem grundsätzlich sehr wohlwollend gegenüberstand. Noch heute kommt ihnen als Alternative zum Staat entscheidende Bedeutung bei Schutz und Durchsetzung derjenigen Kollektivinteressen zu, deren Förderung sie sich verschrieben haben.482
1. Ursprünge der Rechtsdurchsetzung durch Interessenverbände Diese bis heute fortbestehende Relevanz der Interessenverbände geht auf die weitreichende Bedeutung von Berufsverbänden auf Arbeitnehmer- (syndicats professionels, ähnlich den deutschen Gewerkschaften) wie Arbeitgeberseite (syndicats patronaux) zurück. Erstmals 1884 wurden diese Vereinigungen kraft Gesetzes dazu berufen, für die beruflichen Interessen ihrer Mitglieder einzutre479
Dazu im Einzelnen im vierten Kapitel, S. 317 f. Tzankova, VbR 2015, 149, 153. 481 Vgl. nur die Darstellung der rechtspolitischen Entwicklung im ersten Kapitel, S. 23 ff. 482 Beuchler/Mom, in: Micklitz/Stadler, Gruppenklagen, S. 111, 127. 480
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ten. Zu diesem – ihrem ausschließlichen – Zweck erhielten sie u. a. das Recht vor Gericht aufzutreten und Klage zu erheben. Die Gerichte interpretierten diese Ermächtigung so, dass den syndicats professionels die Wahrnehmung der gemeinsamen Interessen des jeweiligen Berufsstandes obliege und erschufen auf diesem Wege den Begriff des „intérêt collectif“. Die Vereinigte Kammer der Cour de Cassation führte schließlich 1913 diese Rechtsprechung mit der gesetzlichen Regelung zusammen und urteilte, die gesetzliche Klageermächtigung gründe auf dem kollektiven Interesse des Berufsstandes insgesamt, repräsentiert durch den Verband. Auf der Basis dieser Entscheidung kodifizierte der Gesetzgeber 1920 eine Verbandsklagebefugnis der syndicats professionels im kollektiven übergeordneten Interesse des gesamten jeweils betroffenen Berufsstandes.483 In Art. L2132-3 des Code du travail besteht dieses Recht, alle direkten und indirekten Schäden am Kollektivinteresse des von ihnen vertretenen Berufsstandes geltend zu machen, noch heute fort. Parallel zu den syndicats professionels entwickelte sich zur Jahrhundertwende die Rechtsform der association, die 1901 erstmals gesetzlich erfasst wurde. Auch einer association gesteht das Gesetz zu, vor den Gerichten im eigenen Namen als Kläger aufzutreten. Im Gegensatz zu den syndicats professionels lehnten die Gerichte eine Klage der associations zur Durchsetzung der von Ihnen jeweils vertretenen kollektiven Interessen jedoch mehrheitlich ab. Diese Sichtweise bestätigte auch die Cour de Cassation 1923 und verweigerte eine Gleichstellung von syndicats professionels und associations. Als ausschlaggebendes Argument nannte das höchste Gericht, dass den Berufsverbänden von Gesetzes wegen die Aufgabe der Vertretung ihres Berufsstandes zukomme, während die associations nicht aus einem solchen vollen Recht („plaine droit“) heraus handeln würden.484 Ebenso entschied die Cour de Cassation im Hinblick auf die dritte bedeutsame Rechtsform von Verbänden, die ordres, kraft Gesetzes vorgesehenen Zwangsgemeinschaften bestimmter Berufe vergleichbar den deutschen Kammern.485 An dieser Sichtweise halten die Gerichte auch bis heute weitestgehend fest und lehnen eine qualité d’agir von Verbänden in Form einer association oder einer ordre zur Durchsetzung der von Ihnen verfolgten kollektiven Interessen grundsätzlich ab, es sei denn es ist eine gesetzliche Ermächtigung zur Geltendmachung des jeweiligen satzungsgemäßen Interesses vorhanden.486 483 Ausführlich zu dieser Entwicklung Beuchler, in: Micklitz/Stadler, Verbandsklagerecht, S. 71 ff.; Franke, S. 56 ff. 484 Klötgen, in: Schulze, S. 199, 202; Beuchler, in: Micklitz/Stadler, Verbandsklagerecht, S. 74; Franke, S. 59 f.; Brichet, S. 338 f. Rn. 966 ff. m. w. N. aus den verschiedenen Gerichtsbarkeiten. 485 Puttfarken/Franke, in: Basedow/Hopt/Kötz/Baetge, S. 149, 155 m. w. N. 486 Mit Verweis auf einige wenige Ausnahmen Franke, S. 61 f.; Beuchler, a. a. O. (Fn. 484), S. 74 f.
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Zweites Kapitel: Kollektiver Rechtsschutz de lege lata
In Reaktion auf diese Rechtsprechung schuf der französische Gesetzgeber mit der Zeit eine Vielzahl solcher Klageermächtigungen in den verschiedensten Rechtsbereichen. Die mit Abstand Bedeutsamsten und Bekanntesten darunter betreffen den Schutz des kollektiven Verbraucherinteresses durch die als association gegründeten französischen Verbraucherverbände. Daran angelehnt ermächtigen die Art. L452-1 ff. des Code monétaire et financier Investitionsschutzverbände verschiedene Klageformen im Interesse von Kapitalanlegern zu erheben. Aber auch über diese Beispiele hinaus hat sich die Idee der Durchsetzung von Kollektivinteressen durch Interessenverbände zwischenzeitlich weit im französischen Recht verbreitet, u. a. in den Bereichen Umweltschutz (vgl. Art. L142-1 ff. Code de l’environnement), Tierschutz u. v. m.487 Die diversen, beginnend mit der Loi Royer aus dem Jahr 1973 geschaffenen Klageermächtigungen für Verbraucherverbände handelnd im kollektiven Verbraucherinteresse wurden schließlich 1993 im vierten Buch des Code de la Consommation zusammengeführt.488
2. Geltendmachung eines intérêt collectif im geltenden Recht Klagen verschiedenster Verbände in einem durch sie vertretenen und geschützten kollektiven Interesse haben sich über die Jahre zu einem charakteristischen Element des französischen Rechtssystems entwickelt. Es wird insbesondere durch die action civile in ihrer Form als Adhäsionsklage verkörpert. Ihre Bedeutung ist über die Jahre gewachsen und die Tätigkeit der Verbände hat auch bei den Gerichten zunehmend Akzeptanz gefunden.489 Eine entscheidende Schwierigkeit besteht jedoch weiterhin darin, das kollektive Verbraucherinteresse („l’intérêt collectif des consommateurs“) zu bestimmen, weswegen erst recht ein Schaden desselben mitunter schwer festzustellen bzw. zu quantifizieren ist. Auch einheitliche Leitlinien der Rechtsprechung existieren bisher nicht.490 Neben der action civile haben sich die action en suppression de clauses abusives sowie die action en cessation de pratiques illicites vergleichbar der entsprechenden deutschen Rechtsbehelfe im UKlaG und AGBG a. F. entwickelt. Das Vorgehen gegen unzulässige Vertragsklauseln einerseits, 487 Die Ermächtigungen sind häufig aus Einzelfällen heraus geschaffen und die fehlende Systematik wird oftmals kritisiert. Vgl. die umfassende Darstellung bei Brichet, S. 341 ff., Rn. 974 ff.; im Überblick Puttfarken/Franke, in: Basedow/Hopt/Kötz/Baetge, S. 149, 158 ff.; auch Vincent/de Roux, Petites affiches Nr. 60/2014, 14, 15 f. 488 Zur Entwicklung der gesetzlichen Regelungen Beuchler, in: Micklitz/Stadler, Verbandsklagerecht, S. 75 ff. 489 Vgl. die statistischen Angaben bei Beuchler, ebenda, S. 93. 490 Vincent/de Roux, Petites affiches Nr. 60/2014, 14; Stadler, ZfPW 2015, 61, 66: ausführlich Beuchler, in: Micklitz/Stadler, Verbandsklagerecht, S. 88 ff. und 116 ff. m. w. N. sowie Franke, S. 77 ff. und zu verschiedenen Lösungsmodellen der französischen Rspr. mit Fallbsp., S. 121 ff. Die bekannteste Vorgehensweise, die auch oftmals zum Beweis der Ineffektivität des Verfahrens herangezogen wird, dürfte die Verurteilung zu einem „symbolischen Franc“ bzw. heute „symbolischen Euro“ sein.
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das verbunden mit einer action civile im Falle eines strafrechtlich relevanten Verstoßes auch die Geltendmachung eines Schadens am kollektiven Verbraucherinteresse umfasst, zählt zu den erfolgreichsten und am häufigsten genutzten Instrumentarien der Verbraucherverbände. Andererseits hat die auf der UKlaRichtlinie basierende und auf Unterlassung beschränkte Klageform gegen verbraucherrechtswidrige Praktiken kaum Bedeutung erlangt.491 Hinsichtlich der Bündelung individueller Schadensersatzansprüche hat die gegenüber der zuvor anvisierten Gruppenklage eher als Not-, denn als Alternativlösung verabschiedete action en réparation conjointe die an sie gestellten Erwartungen aus vielfachen Gründen nicht erfüllen können. Die Anzahl überhaupt eingeleiteter Verfahren in dieser Klageform ist bis heute nur knapp zweistellig.492 Der Grund hierfür liegt insbesondere in der ablehnenden Haltung der Verbraucherverbände. Für sie bietet der Gesamtmechanismus eine äußerst schlechte Anreizlage: Die Verbände tragen Aufwand und Risiko der Prozessführung ohne eine Gegenleistung zu erhalten und müssen im Unterliegensfall u. U. sogar die Prozesskosten selbst tragen.493 Darüber hinaus kann das Verfahren auch nicht dem Problem rationaler Apathie494 bei Bagatell- und Streuschäden abhelfen, das der individuellen Mandatierung eines Verbands ebenso entgegensteht wie einer Klageerhebung des einzelnen Verbrauchers. Ein weiteres Hindernis bedeutet schließlich das weitgehende Verbot, eine Mandatierung des Verbands öffentlich zu bewerben. Lediglich die geschriebene Presse, nicht aber Fernsehen, Radio, Plakate, Aushänge, Flugblätter oder die Post dürfen gem. Art. L422-1 CCons zur Bekanntmachung verwendet werden.495 Das Projekt wird aus diesen Gründen insgesamt als gescheitert betrachtet.496 Hervorzuheben ist jedoch, dass die für das Scheitern genannten Gründe nicht in inhaltlichem Zusammenhang mit der Klägereigenschaft der akkreditierten Verbraucherverbände stehen. Die Notwendigkeit einer ausdrücklichen Mandatierung des Gruppenvertreters, das Verbot eine Mandatierung zu bewerben und die daraus resultierende Risikoverteilung zu Lasten der Kläger träfe wohl jeden anderen Gruppenvertreter ebenso.
491 Beuchler, in: Micklitz/Stadler, Verbandsklagerecht, S. 98 und 100; Vincent/de Roux, Petites affiches Nr. 60/2014, 14. 492 Jannet, Gaz. Pal. 135–136/2013, 2091, 2092; Boré, Gaz. Pal. 135–136/2013, 2095. 493 Klötgen, in: Schulze, S. 199, 207. 494 Dazu bereits im ersten Kapitel, S. 12 ff. 495 Dazu mit Beispiel Roskis/Jaffar, Cahiers de droit de l’entreprise, Nr. 4 aus Juli 2013, dossier 25, dort 1 B; Molfessis, Recueil Dalloz 16/2014, 947; Vincent/de Roux, Petites affiches Nr. 60/2014, 14, 15. 496 Rebeyrol, Recueil Dalloz 16/2014, 940, 941; Vincent/de Roux, ebenda; Beuchler, in: Micklitz/Stadler, Verbandsklagerecht, S. 140 f. und 152; Beuchler/Mom, in: Micklitz/ Stadler, Gruppenklagen, S. 111, 131; Franke, S. 177 ff.; Mainguy/Depincé, JCP E Nr. 12 vom 20. März 2014, Etudes, dort Sommaire 1.
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3. Verbraucherverbände und die action de groupe Die Entscheidung, das Monopol der registrierten Verbraucherverbände auch im Rahmen der jetzt neu eingeführten action de groupe beizubehalten, traf auf ein geteiltes Echo. In einer öffentlichen Konsultation der französischen Regierung aus dem Jahr 2012 sprachen sich von rund 7000 Teilnehmern einer Internetumfrage 59 % dafür aus.497 Insbesondere aufgrund ihrer langjährigen Erfahrung mit Kollektivverfahren werden den Verbraucherverbänden eine hohe Legitimität und viel Vertrauen der Bevölkerung zu Teil. Sie gelten als bevorzugter Ansprechpartner für Verbraucher im Wirtschaftsleben. Daraus entsprang die Intention der Politik, die qualité d’agir einerseits als „Filter“ oder „Pfand“ gegen Missbrauch durch die Anwaltschaft und andererseits zur Absicherung gegen die übrigen bekannten Schwächen des US-amerikanischen class actionVerfahrens öffentlichkeitswirksam auf die republikweit tätigen und offiziell zu diesem Zweck registrierten Verbraucherverbände zu beschränken.498 Neben einer Verbesserung des Zugangs der Verbraucher zu Gericht soll damit zugleich eine Arbeitserleichterung für die Gerichte verbunden sein, die nach der Idealvorstellung nur noch die prozessualen Formalitäten der Auseinandersetzung überwachen können.499 Dieser Ansatz, der die action de groupe neben ihrem ohnehin bereits engen Anwendungsbereich einer weiteren Einschränkung unterwirft, wird zum Teil vehement als zu minimalistisch kritisiert. Schon generell heben die Gegner hier wie anderswo hervor, dass die berüchtigten Fehler des class action-Systems weniger aus dem Verfahren selbst, als aus bestimmten Attributen des US-amerikanischen Prozessrechts wie dem discovery-Verfahren, der erfolgsabhängigen Vergütung von Anwälten und der Möglichkeit zu Strafschadenersatz entstehen. Dessen ungeachtet beanstandet die Literatur, die Initiative zu einer action de groupe werde nun von einer Handvoll associations abhängig gemacht, von denen gleichzeitig behauptet wird, sie seien den vertretenen Interessen am dienlichsten.500 Anders als im Rahmen der meisten schon bestehenden Klageformen, die die Vertretung von intérêts collectives der Tradition folgend in die Hände von Interessenverbänden legen, ist dies jedoch mit Blick auf die hier maßgeblichen Individualinteressen keineswegs unbestritten. Vielmehr wurde die Legitimation der Verbände bereits bei der action en réparation conjointe 497
Guégan-Lécuyer, Gaz. Pal. 135–136/2013, 2089. Guégan-Lécuyer, ebenda; Jannet, Gaz. Pal. 135–136/2013, 2091, 2092; Mainguy/ Depincé, JCP E Nr. 20 vom 16. Mai 2013, Actualités 355; Habibi/Philibert, Petites affiches Nr. 60/2014, 18; auch Rohlfing-Dijoux, EuZW 2014, 771; Klötgen, in: Schulze, S. 199, 216. 499 Habibi/Philibert, ebenda, S. 19. 500 Guégan-Lécuyer, Gaz. Pal. 135–136/2013, 2089; Roskis/Jaffar, Cahiers de droit de l’entreprise, Nr. 4 aus Juli 2013, dossier 25, dort 2 A weisen zudem auf das im Unterschied zu den USA ausgeprägte anwaltliche Standesrecht hin, das zusätzlichen Schutz gegen Missbrauch böte. 498
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in Zweifel gezogen, die auch aus eben diesem Grund bei den Verbänden selbst auf Ablehnung stieß.501 Außerdem fällt auch nach erst kurzer Geltungszeit auf, dass alle bislang eingeleiteten actions de groupe Fälle von Streuschäden einer Vielzahl von Verbrauchern betreffen.502 Die klagenden Verbände stehen damit wenigstens bislang der Vertretung von Kollektivinteressen näher als einer echten Individualrechtsdurchsetzung. Diesbezüglich erscheint des Weiteren problematisch, wenn die Verbraucherverbände aufgrund ihres Monopols die volle Entscheidungsfreiheit darüber besitzen, welcher Fälle sie sich annehmen. Dabei können bereits im Vorfeld eine Vielzahl politischer, gesellschaftlicher, finanzieller und anderer Gründe die Fallauswahl und -vorbereitung beeinflussen.503 Ungeachtet dessen lässt auch die notwendige Präsenz der betreffenden Verbraucherverbände auf nationaler Ebene Repräsentativitätslücken entstehen. So werden beispielweise Fälle weniger 100 durch einen regionalen oder départementweit handelnden Unternehmer geschädigter Verbraucher kaum die Aufmerksamkeit der größeren Verbände finden können. Die enorme Anzahl auf regionaler Ebene registrierter Verbände spiegelt dagegen den dort bestehenden Bedarf wieder.504 Zu Fragen der Repräsentativität kommen auch im Rahmen der action de groupe Schwierigkeiten der Finanzierung. Die Verbraucherverbände verfügen insgesamt nur über limitierte Ressourcen, sodass ihnen in einigen Fällen die Mittel fehlen werden, um das ihnen verliehene Monopol tatsächlich auszuüben. Einen Anspruch auf Kostenerstattung mit Ausnahme der Gerichtskosten verleiht ihnen das Gesetz nicht. Vorschläge einer Fondslösung wurden nicht realisiert.505 Art. L423-8 CCons gibt dem Gericht lediglich die Möglichkeit, den Beklagten zu einem Kostenvorschuss zu verurteilen. Darüber hinaus wird es wie schon bei der action en répresentation conjointe für die wenigen registrierten Verbraucherverbände kaum möglich sein, die mit einer Klage verbundenen Risiken hinreichend zu versichern, sodass das finanzielle Risiko letztlich ausschließlich bei den klagenden Organisationen verbleibt.506 Der Gedanke durch die Exklusivität der qualité d’agir einer missbrauchsanfälligen Stellung der Anwaltschaft vorzubeugen, gestaltet sich schließlich als Illusion, müssen doch gemäß Art. 751 I CPC auch die klagebefugten associations vor dem gem. Art. L211–15 Code de l’organisation judiciaire 501
Rebeyrol, Recueil Dalloz 16/2014, 940, 944. Vgl. oben, S. 111 ff. 503 Mainguy/Depincé, JCP E Nr. 20 vom 16. Mai 2013, Actualités 355; Rebeyrol, Recueil Dalloz 16/2014, 940, 943. 504 Vor diesem Hintergrund sehen Roskis/Jaffar, Cahiers de droit de l’entreprise, Nr. 4 aus Juli 2013, dossier 25, dort 2 A die Regelung sogar im Konflikt mit dem Recht auf freien Zugang zu Gericht. 505 Fauvarque-Cosson, euvr 2014, 143, 144. 506 Boré, Gaz. Pal. 135–136/2013, 2095; Rebeyrol, Recueil Dalloz 16/2014, 940, 944; Bien, NZKart 2014, 507, 509. 502
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zuständigen Tribunal de Grande Instance anwaltlich vertreten sein. Dabei ist weder vorgesehen, dass der Anwalt bei der klagenden association beschäftigt oder ihr anderweitig verbunden ist, noch ist ausgeschlossen, dass die tatsächliche Initiative zu einer Klage von einem Anwaltsbüro ausgeht, das z. B. auf Anregung einiger Mandanten an einen Verbraucherverband herantritt. Diese Option erscheint noch realistischer, bedenkt man die oftmals fehlende juristische Kompetenz auf Seiten der Verbraucherverbände.507 Noch hinzu kommt die Befugnis des klagenden Verbandes gem. Art. L423-9 CCons sich mit Zustimmung des Gerichts für die Umsetzung der Ersatzpflicht der Hilfe weiterer Personen zu bedienen, bei denen es sich gem. Art. L423-5 CCons jedoch nur um Anwälte oder Gerichtsvollzieher handeln darf. Diese Regelung wurde sogar gegenüber der Entwurfsfassung (dort Art. L423-4 CCons-E) abgeschwächt, nach der der Richter die Umsetzung insgesamt auf Kosten des Beklagten einem – im Entwurf noch nicht näher bestimmten – Dritten hätte übertragen können. Auch wenn der klagende Verbraucherverband sich nach der jetzt geltenden Norm der Durchführungsphase nicht mehr gänzlich entziehen kann, bietet sie ihm die Möglichkeit, den für den geschädigten Verbraucher entscheidenden Verfahrensabschnitt in die Hände von Anwälten zu legen. Art. L423-5 CCons spricht ausdrücklich von der Vertretung der geschädigten Verbraucher gegenüber dem Schädiger („afin qu’elle représente les consommateurs lésés auprès du professionnel“). Immer vorausgesetzt der jeweils hinzugezogene Anwalt arbeitet nicht unentgeltlich, besteht hier ein potenziell lukratives Tätigkeitsfeld, insbesondere da die Forderungsanmeldung und ihr Nachweis sich in der Regel schwieriger gestalten werden als die Feststellung der Haftung dem Grunde nach in Phase eins. Im Gegensatz zur Entwurfsfassung ist zudem die Kostenübernahme ungeregelt geblieben. Die Einführung und die vergleichsweise häufige Nutzung der action de groupe innerhalb ihres ersten Geltungsjahres haben nun eine erkennbar fruchtbare Debatte ausgelöst. Einerseits stellen einzelne Stimmen bereits nach kürzester Zeit die Funktion der associations als „Filter“ in Frage: Beispielsweise kritisieren Haeri und Javaux508 drei der klagebefugten Verbraucherverbände hätten mit großem medialen Aufwand weniger als zwei Tage nach dem Inkrafttreten des neuen Gesetzes, actions de groupe mit hohen Schadenssummen angekündigt und so gleichzeitig ihren eigenen Bekanntheitsgrad enorm gesteigert, während Ansehen und Glaubwürdigkeit der beschuldigten Unternehmen stark beschädigt 507 Kritisch Rebeyrol, Recueil Dalloz 16/2014, 940, 943 f.; Guégan-Lécuyer, Gaz. Pal. 135–136/2013, 2089, 2090; ebenso Mainguy/Depincé, JCP E Nr. 20 vom 16. Mai 2013, Actualités 355; befürwortend mit Verweis auf das französische Standesrecht Akyurek/de Perthuis, Petites affiches Nr. 60/2014, 21 f.; auch Bretzner, Gaz. Pal. 135–136/2013, 2097, der den Anwalt aber ebenso als „interlocuteur incontournable“ bezeichnet. 508 Haeri/Javaux, Actions de groupe: déjà, des dérapages!, La Tribune vom 5. November 2014, S. 96.
§ 5 Erfahrungen mit Privatorganisationen im kollektiven Rechtsschutz
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worden seien. Andere Stimmen fordern dagegen zur gleichen Zeit die deutliche Öffnung der action de groupe für ad hoc gebildete Organisationen, wobei dem Richter anstelle eines administrativen Zulassungsverfahrens die Entscheidung über ihre Ernsthaftigkeit und Repräsentativität zukommen soll.509 Die zukünftige Entwicklung verspricht mithin weitere Erkenntnisse in der Sache.
509 Montfort, Gaz. Pal. 135–136/2013, 2093, 2094; Azar-Baud, Recueil Dalloz 22/2013, 1487, 1488; auch Mainguy/Depincé, JCP E Nr. 20 vom 16. Mai 2013, Actualités 355.
Drittes Kapitel
Die Person des Repräsentanten Die „Befugnis zur Erhebung einer Kollektivklage“ wird in der jüngsten Empfehlung der Europäischen Kommission zwar thematisiert, jedoch sind die betreffenden Abschnitte1 sehr allgemein gehalten. Charakteristisch ist der Hinweis in Erwägungsgrund 17, wonach die Befugnis davon abhängt, um welche Art kollektiver Rechtsverfolgung es sich konkret handelt. Ähnlich inhaltsleer, wenn auch zutreffend, ist die darauf folgende Feststellung, bei bestimmten Klagearten wie „Gruppenklagen“, bei denen die Klage gemeinsam von denjenigen erhoben wird, die behaupten, einen Schaden erlitten zu haben, sei die Feststellung der Klagebefugnis einfacher als bei Klagen, die in Vertretung erhoben werden. „Gruppenklagen“ finden mit Ausnahme des genannten Satzes in der übrigen Empfehlung keine weitere Erwähnung. Dennoch lässt sich aus ihrer Nennung in Erwägungsgrund 17 wohl schließen, dass die Empfehlung nicht ausschließlich auf einen der beiden Modi sondern auf beide Anwendung finden soll.2 Für diese Interpretation spricht insbesondere, dass eine Vielzahl von Mitgliedsstaaten ihre schon bestehenden kollektiven Rechtsschutzmechanismen3 andernfalls entweder in wesentlichen Punkten anpassen oder gänzlich überarbeiten müssten. Eine Missachtung der unverbindlichen Empfehlung wäre in diesen Fällen wohl vorprogrammiert. Erwägungsgrund 18 sowie die Empfehlungen Nr. 4 bis 7 widmen sich des Weiteren so bezeichneten „Vertretungsklagen“. Wer möchte, kann dem sicherlich eine Tendenz der Kommission zu dieser Klageart entnehmen. Sie sollen qua Begriffsbestimmung im Namen und für Rechnung von zwei oder mehr Personen durch „Einrichtungen“ („entities“, „entités“) erhoben werden können, die entweder vor Klageerhebung offiziell als „Vertreterorganisation“ („representative entity“, „entité représenative“) anerkannt oder von den Behörden oder Gerichten des jeweiligen Mitgliedsstaats ad hoc für eine bestimmte Vertretungsklage zugelassen werden („ad hoc zugelassene Einrichtungen“, „ad hoc certified entity“, „entité agréée au cas par cas“). „Zusätzlich oder als 1 Empfehlung kollektiver Rechtsschutz, a. a. O. (erstes Kapitel, Fn. 155), ErwGr. 17 und 18 sowie Nr. 4 bis 7. 2 Stadler, ZfPW 2015, 61, 63 f.; Hempel, NZKart 2013, 494, 498; a. A. ohne nähere Begründung Silvestri, 1 Russian Law Journal (2013) 47, 50; Voet, Int. J. Proc. L. (2014) 97, 108; wohl auch Behrendt/von Enzberg, RIW 2014, 253, 255. 3 Vgl. den Überblick im zweiten Kapitel, S. 95 ff.
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Drittes Kapitel: Die Person des Repräsentanten
Alternative“ zu den „Einrichtungen“ sollen auch „Behörden“ („public authorities“, „autorités publiques“) die Klagebefugnis erhalten können. Die verbale Trennung zwischen „Einrichtungen“ einerseits und „Behörden“ andererseits kann dahingehend gedeutet werden, dass mit ersteren ausschließlich privat konstituierte Vereinigungen im Gegensatz zu staatlich gegründeten Körperschaften gemeint sein sollen, was auch durch den englischen und französischen Text („public“, „publique“) gestützt wird. Weitere Vorgaben, welche Institutionen grundsätzlich als „Einrichtung“ oder „Behörde“ in Frage kommen, enthält die Empfehlung nicht. Sie statuiert lediglich gesetzlich vorzusehende Mindestanforderungen für die allgemeingültige Anerkennung einer „Einrichtung“ als „Vertreterorganisation“, die jedoch explizit nicht für diejenigen gelten, die ad hoc für nur ein einzelnes Klageverfahren zugelassen werden wollen.4
§ 6 Die „Einrichtung“ Für die Frage, welche Organisationen grundsätzlich als „Einrichtungen“ im Sinne der Kommissionsempfehlung in Frage kommen, muss mangels anderer Anhaltspunkte somit vergleichend auf bereits geltende Regelungen und gemachte Erfahrungen zurückgegriffen werden. Aus dem Katalog der angeratenen Mindestanforderungen5 ist dafür nur die „Gemeinnützigkeit“ („non-profit making character“, „à but non lucratif“) von Bedeutung, während alle weiteren keinen Einfluss auf die Art der Vereinigung haben. Als Vergleichsquelle stehen zunächst verschiedene Richtlinien des EU-Sekundärrechts zur Verfügung, die ihrerseits Vorgaben für die Mitgliedsstaaten hinsichtlich eines kollektiven Rechtsbehelfs enthalten. Teilweise werden solche Vorgaben zudem auch dem EU-Primärrecht entnommen (dazu insgesamt I.). Darüber hinaus werden aus dem Kreis der Mitgliedsstaten beispielhaft die Organisationsformen des Verbands in Deutschland (dazu II.), der association in Frankreich (dazu III.) sowie der stichting und der vereniging in den Niederlanden (dazu IV.) näher erörtert. In Frankreich und den Niederlanden steht dabei deren Rolle in dem jeweiligen Gruppenklageverfahren im Fokus. Aus Mangel eines solchen Verfahrens in Deutschland konzentriert sich die Darstellung dort auf die Verbandsklageverfahren in Umsetzung 4 Aus
dem Satzbau ergibt sich eindeutig, dass Empfehlung Nr. 4, die die Mindestanforderungen enthält, auf ad hoc zugelassene Einrichtungen keine Anwendung finden soll, vgl. Empfehlung kollektiver Rechtsschutz, a. a. O. (erstes Kapitel, Fn. 155), Nr. 6: „[…] nur Einrichtungen, die zuvor offiziell als Vertreterorganisation im Sinne von Nr. 4 anerkannt wurden, oder Einrichtungen, die […] ad hoc für eine bestimmte Vertretungsklage zugelassen wurden […]“ (Hervorhebung durch Verfasser); ebenso Stadler, euvr 2014, 80, 86; dies., ZfPW 2015, 61, 63 f. unter Verweis auf einen entsprechenden Wunsch der GD Wettbewerb; außerdem Ahrens, WRP 2015, 1040, 1045. 5 Empfehlung kollektiver Rechtsschutz, a. a. O. (erstes Kapitel, Fn. 155), Nr. 4, Satz 2.
§ 6 Die „Einrichtung“
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der unter I. besprochenen Richtlinien. Die gewonnenen Erkenntnisse werden abschließend in einem Zwischenfazit zusammengetragen (dazu V.).
I. Vorgaben des primären und sekundären Unionsrechts 1. EU-Richtlinien a) Die lauterkeitsrechtlichen Richtlinien 84/450/EWG, 2005/29/EG und 2006/114/EG und die Klausel-Richtlinie 93/13/EWG Eine Geltendmachung von Rechten durch bestimmte Repräsentanten, die im Dienste und zur Durchsetzung eines Kollektivinteresses tätig werden, wurde erstmals durch die Richtlinie 84/450/EWG über irreführende Werbung vorgeschrieben. Art. 4 I (Art. 5 I der Entwürfe) forderte „im Interesse sowohl der Verbraucher als auch der Mitbewerber und der Allgemeinheit“ von den Mitgliedsstaaten „geeignete und wirksame Möglichkeiten zur Bekämpfung der irreführenden Werbung“. Gemäß Art. 5 II des ersten Richtlinienentwurfs sollten dazu für die Betroffenen sowie „für Verbände mit einem begründeten Interesse an der Sache […] Möglichkeiten für ein angemessenes gerichtliches Vorgehen“
geschaffen werden.6 In einem zweiten abgeänderten Entwurf wurde dieser Ansatz jedoch bereits abgeschwächt und den Mitgliedsstaaten die Wahl zwischen einem gerichtlichen und einem behördlichen Verfahren überlassen.7 Die verabschiedete Fassung ließ den nationalen Umsetzungsgesetzgebern schließlich noch weitergehende Freiheiten. Gemäß Art. 4 I 2 waren Rechtsvorschriften zu erlassen, durch die „Personen oder Organisationen, die nach dem nationalen Recht ein berechtigtes Interesse an der Verhinderung irreführender Werbung haben“,
Zugang wahlweise zu einem gerichtlichen oder behördlichen Verfahren erhalten. Die Ausgestaltung dieses Verfahrens und damit auch jede weitere Spezifizierung, wer die tätigen „Personen oder Organisationen“ sein können, blieb nach Art. 4 I 3 jedoch den Mitgliedsstaaten vorbehalten.8 Dieselben Vorgaben 6 Vorschlag einer Richtlinie […] über irreführende und unlautere Werbung, Abl. 1978 Nr. C 70, S. 4, 6; Reich, RabelsZ 56 (1992) 444, 449 entnimmt dem, wenn auch unter Verweis auf die falsche Fassung des Vorschlags ohne weitere Begründung ein „generelles Klagerecht für Verbraucherverbände“; ihm folgend Micklitz, in: Reich/Micklitz, § 30.17 S. 1166 f. = ders./ Stadler, in: Micklitz/Stadler, Verbandsklagerecht, S. 49 f. = ders./Rott , in: G/H/N/Wolf, Bd. IV, 40. EL 2009, A 25, Art. 3 Rn 8. 7 Änderung des Vorschlags einer Richtlinie […] über irreführende und unlautere Werbung, Abl. 1979 Nr. C 197, S. 3, 4 f. 8 Ohly, in: Ohly/Sosnitza, Einführung C Rn. 28 und 46; Glöckner, in: Harte/Henning, Einleitung B Rn. 387; Schricker, Recht der Werbung in Europa, Bd. 1 Rn. 155 und 157; Rott, 24 JCP (2001) 401, 402; ebenso die Quellen in Fn. 6.; dort auch jeweils der Verweis auf eine
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Drittes Kapitel: Die Person des Repräsentanten
bestehen auch nahezu wortgleich in den zwei Folgerichtlinien fort. Lediglich das jeweils geschützte Interesse wurde angepasst. So sollen die „Personen oder Organisationen“ nach Art. 11 UGP-RL nur noch „im Interesse der Verbraucher“ und nach Art. 5 RL 2006/114/EG nur noch „im Interesse der Gewerbetreibenden und ihrer Mitbewerber“ tätig werden. Hintergrund dessen ist eine Aufspaltung der lauterkeitsrechtlichen Regelungen in das Verhältnis von Unternehmern zu Verbrauchern (b2c), geregelt durch die UGP-Richtlinie und das Verhältnis zwischen Unternehmern (b2b), geregelt durch die Richtlinie 2006/114/EG.9 Als Konsequenz dieser Trennung läge es nahe, unter „Organisationen“, die im Sinne von Art. 11 I 1 und 2 der UGP-Richtlinie „im Interesse der Verbraucher“ unlautere Geschäftspraktiken bekämpfen sollen, nur noch Verbraucherorganisationen zu verstehen. Diese letzte Konsequenz lässt die Richtlinie aber wiederum systematisch nicht zu. Zum einen bleibt die Verfahrensausgestaltung gemäß Art. 11 I 3 wie gehabt den Mitgliedsstaaten überlassen, zum anderen werden die „Mitbewerber“ neu ausdrücklich als klage- bzw. antragsberechtigte „Personen“ genannt. Steht diesen aber eine Klage bzw. ein Antrag – nochmals: „im Interesse der Verbraucher“ – offen, lässt es sich wenn auch in der Sache unverständlich nicht mehr begründen, dasselbe Recht den Verbänden der gewerblichen Wirtschaft zu verwehren.10 Art. 11 RL 84/450/EWG diente des Weiteren auch als Vorbild für Art. 7 Klausel-RL, der in Absatz 1, Satz 1 von den Mitgliedsstaaten „im Interesse der Verbraucher und der gewerbetreibenden Wettbewerber angemessene und wirksame Mittel“ verlangt, um der Verwendung missbräuchlicher Klauseln durch einen Gewerbetreibenden gegenüber Verbrauchern ein Ende zu setzen. Zu diesen muss gemäß Satz 2 zwingend ein gerichtliches oder behördliches Verfahren gehören, das geführt wird von „Personen oder Organisationen, die nach dem innerstaatlichen Recht ein berechtigtes Interesse am Schutz der Verbraucher haben“.
Auch hier wird der Kreis der Klage- bzw. Antragsberechtigten lediglich durch das nach dem nationalen Recht zu definierende „berechtigte Interesse“ umgrenzt.11 Aus deutscher Sicht kommen als „Personen oder Organisationen“ alle natürlichen und juristischen Personen in Betracht, aber auch Organisationen, die nicht juristische Person sind.12 a. A. von Hoffmann, die jedoch hier nicht berücksichtigt werden konnte, da die Publikation unauffindbar ist. Zur Frage, ob das Unionsrecht die Beteiligung von Verbraucherverbänden generell vorschreibt, siehe sogleich S. 195 ff. 9 Unzutreffend daher Buchner, S. 27 mit Fn. 63. 10 Micklitz, in: MK LauterkeitsR, EG D, Art. 11 RL 2005/29/EG Rn. 11. 11 Zur Frage, ob die Mitgliedsstaaten dabei bestimmten Vorgaben unterliegen, siehe S. 268 ff. 12 Pfeiffer, in: W/L/P, Art. 7 RL 93/13/EWG Rn. 16 = ders., in: G/H/N/Wolf, Bd. IV, 40. EL 2009, A 5, Art. 7 Rn. 16.
§ 6 Die „Einrichtung“
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Allerdings findet Art. 4 I 3 RL 84/450/EWG im anderweitig kaum veränderten Art. 7 Klausel-RL keine Entsprechung mehr. Dadurch kam die Frage auf, ob den nationalen Gesetzgebern diesbezüglich weiterhin Ermessensfreiheit zukommt oder sie durch die Richtlinie verpflichtet werden, jedenfalls den Verbraucherorganisationen ein Antrags- bzw. Klagerecht einzuräumen. Für eine solche Verpflichtung spricht Erwägungsgrund 23 Klausel-RL, in dem es heißt: „Personen und Organisationen, die nach dem Recht eines Mitgliedstaats ein berechtigtes Interesse geltend machen können, den Verbraucher zu schützen, müssen Verfahren […] bei Gerichten oder Verwaltungsbehörden […] einleiten können“.13
Die britische Consumer Association (CA) und ihre Tochterorganisation Which? erhoben schließlich Klage, nachdem das von der Klausel-Richtlinie verlangte AGB-Kontrollverfahren ausschließlich dem Director General of Fair Trading, mithin einer staatlichen Behörde übertragen worden war und argumentierten, die Klausel-Richtlinie schreibe eine Klagebefugnis für Verbraucherorganisationen zwingend vor.14 Der High Court, Queen’s Bench Division legte die Frage dem Europäischen Gerichtshof vor. Das Verfahren kam jedoch nie zum Abschluss, da der britische Gesetzgeber einlenkte und eine Verbandsklagemöglichkeit für Verbraucherorganisationen einführte.15 Im Sinne der Argumentation der CA und Which? muss aber wohl das spätere Urteil des Gerichtshofs in den verbundenen Rechtssachen C-240-244/98 (Océano Grupo Editorial SA ./. Rocío Murciano Quintero u. a.) verstanden werden. Dort heißt es in der spanischen Fassung als Verfahrenssprache: „[…] el artículo 7 de la Directiva […] precisa, en su apartado 2, que estos medios deben permitir a las organizaciones de consumidores reconocidas acudir a los órganos judiciales competentes […]“. Wenig Spielraum bleibt auch in der deutschen Überset13
Dafür aus der Literatur: Rott, EuZW 2003, 5, 7; Tenreiro, 3 Contrats Concurrence Con sommation (1993), Nr. 7, 1, 3; dagegen: Pfeiffer, in: W/L/P, Art. 7 RL 93/13/EWG Rn. 20 = ders., in: G/H/N/Wolf, Bd. IV, 40. EL 2009, A 5, Art. 7 Rn. 20; Huet, JCP G Nr. 26 vom 30. Juni 1993, Actualités 100291; Dean, 56 MLR (1993) 581, 590; Witt, in: U/B/H, § 3 UKlaG Rn. 2; wohl auch Micklitz, ZEuP 1993, 522, 529; im Ergebnis offen ders., in: Reich/Micklitz, § 30.18 S. 1177 = ders./Stadler, in: Micklitz/Stadler, Verbandsklagerecht, S. 51 = ders./Rott, in: G/H/N/Wolf, Bd. IV, 40. EL 2009, A 25, Art. 3 Rn 9 f. = dies., in: Dauses, H. V., Rn. 696: „lässt sich Art. 7 dahingehend interpretieren“. Gleichzeitig heißt es dort jedoch ohne Nachweis, die Stimmen in der Literatur für eine Verpflichtung würden überwiegen. Ebenso unentschieden Micklitz/Rott, in: G/H/N/Wolf, Bd. IV, 40. EL 2009, A 3 Rn. 150; Micklitz, ZIP 1998, 937, 943 und ders., in: MK ZPO, Vor §§ 1 ff. UKlaG Rn. 42: „Denkbar ist eine Lesart des Art. 7 Abs. 2“; Dickie, 4 Consumer Law Journal (1996) 112, 117 m. w. N. aus der britischen Literatur. 14 Regina v. The Secretary of State for Trade and Industry, ex parte No. 1 the Consumers’ Association and No. 2 Which? Ltd., Urteil vom 28. 02. 1996 in der Sache CO 656–95 [QBD] durch Justice Hidden. 15 Vgl. die Bekanntmachung des Vorabentscheidungsersuchens in Abl. 1996 Nr. C 145, S. 3 sowie der Streichung des als Rechtssache C-82/96 geführten Verfahrens in Abl. 1998 Nr. C 358, S. 12; zum Hintergrund des Verfahrens Dickie, 4 Consumer Law Journal (1996) 112 ff., der aus damaliger Sicht ein Urteil zugunsten der Verbraucherorganisation erwartet.
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Drittes Kapitel: Die Person des Repräsentanten
zung: „Deshalb sieht Artikel 7 der Richtlinie […] in Absatz 2 vor, dass diese Mittel die Möglichkeit anerkannter Verbraucherschutzverbände einschließen, die Gerichte anzurufen […]“. Am deutlichsten schließlich die englische Übersetzung: „That is why Article 7 of the Directive […] specifies in paragraph 2 that those means are to include allowing authorized consumer associations to take action […]“.16 Dies wiederholt der Europäische Gerichtshof nochmals wortgleich in der Rechtssache C-342/99 (Kommission ./. Italien).17 Auffallend bleibt jedoch, dass der Gerichtshof die vom Wortlaut eindeutig eröffnete Möglichkeit anderer „Personen oder Organisationen“ wie auch die eines Verfahrens vor einer „zuständigen Verwaltungsbehörde“ gänzlich unerwähnt lässt.
b) Die Fernabsatz-Richtlinien 97/7/EG und 2002/26/EG und die Verbraucherrechte-Richtlinie 2013/83/EU In der Fernabsatz-Richtlinie präzisierte der europäische Gesetzgeber erstmals auch anhand des Wortlauts die Anforderungen. Die maßgebliche Norm wurde begleitet von umfangreicher Diskussion zunächst jedoch schon im Laufe des Gesetzgebungsverfahrens18 mehrmals verändert. Art. 13, betitelt „Rechtsbehelfe oder verwaltungsrechtliche Beschwerde“, in der Form des ursprünglichen Kommissionsvorschlags19 stellt in Absatz 1 die Überwachung und Einhaltung der Richtlinie noch in das Interesse „der Verbraucher und der Mitbewerber“ und lautet in Absatz 2 weiter: „Zu diesem Zweck treffen die Mitgliedstaaten unter anderem die notwendigen Vorkehrungen, damit Berufs- und Verbraucherverbände, die nach den einschlägigen nationalen Rechtsvorschriften ein berechtigtes Interesse auf diesem Gebiet nachweisen können, ein Klagerecht vor Gericht und/oder eine Rechtsbehelfsmöglichkeit bei einem zuständigen Verwaltungsorgan zusteht, sofern dies durch den Streitstaat anerkannt ist“.
Darin war die Nähe zur Richtlinie 84/450/EWG mithin noch deutlich erkennbar. Während ein geänderter Vorschlag der Kommission im Anschluss an die erste Lesung im Parlament nur redaktionelle Änderungen für Art. 13 mit sich brachte20, wurde die Norm im Rahmen eines vom Rat der Europäischen Union
16 EuGH, verbundene Rs. C-240–244/98 (Océano Grupo Editorial SA ./. Rocío Murciano Quintero e. a.), Slg. 2000 I-4941, 4974, Rn 27. 17 EuGH, Rs. C-372/99 (Kommission ./. Italien), Slg. 2002 I-819, 845, Rn. 14. 18 Ausführlich dargestellt bei Micklitz/Rott, in: G/H/N/Wolf, Bd. IV, 40. EL 2009, A 3 Rn. 149. 19 Vorschlag der Kommission vom 20. 05. 1992 für eine Richtlinie des Rates über den Verbraucherschutz bei Vertragsabschlüssen im Fernabsatz, KOM(92) 11 endgültig, S. 81 f. 20 Geänderter Vorschlag der Kommission vom 07. 10. 1993 für eine Richtlinie des Rates über den Verbraucherschutz bei Vertragsabschlüssen im Fernabsatz, KOM(93) 396 endgültig = Abl. 1993 Nr. C 308, S. 18, 29.
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verabschiedeten Gemeinsamen Standpunkts21 dann als Art. 11 mit dem Titel „Rechtsbehelfe bei Gericht oder Verwaltungsbehörden“ nochmals einschlägig umformuliert. Zum einen wurden die von Absatz 1 eingeforderten Mittel zur Einhaltung der Richtlinie auf das „Interesse der Verbraucher“ begrenzt, während die Mitbewerber nur noch Erwähnung in Erwägungsgrund 17 fanden. Nach dem neu gefassten Absatz 2 „können“ die Mittel des Absatzes 1 „[…] Rechtsvorschriften einschließen, wonach öffentliche Einrichtungen oder deren Vertreter oder Verbraucherverbände, die nach dem innerstaatlichen Recht ein berechtigtes Interesse am Schutz der Verbraucher haben, oder Berufsverbände mit berechtigtem Interesse im Einklang mit den innerstaatlichen Rechtsvorschriften die Gerichte oder die zuständigen Verwaltungsbehörden anrufen können […]“.
Die endgültige Fassung entstand schließlich nach zweiter Lesung und weiterer Stellungnahme der Kommission im Vermittlungsausschuss zwischen Rat und Europäischem Parlament. Die Zwecksetzung ausschließlich „im Interesse der Verbraucher“ wurde in Art. 11 I Fernabsatz-RL beibehalten. Mit der endgültigen Formulierung des Art. 11 II Fernabsatz-RL, wonach „[d]ie in Absatz 1 genannten Mittel Rechtsvorschriften ein[schließen], wonach eine oder mehrere der folgenden, im innerstaatlichen Recht festzulegenden Einrichtungen […] die Gerichte oder die zuständigen Verwaltungsbehörden anrufen können, […] a) öffentliche Einrichtungen oder ihre Vertreter; b) Verbraucherverbände, die ein berechtigtes Interesse am Schutz der Verbraucher haben; c) Berufsverbände mit berechtigtem Interesse“,
wurde zudem deutlich gemacht, dass die Rechtsbehelfe generell von den Mitgliedsstaaten ebenso wie schon aufgrund von Art. 4 I 2 RL 84/450/EWG und Art. 7 I 2 Klausel-RL zwingend und nicht lediglich optional einzuführen sind. Der davon abweichende Wortlaut des Erwägungsgrundes 20 muss in diesem Zusammenhang als Redaktionsversehen aufgrund der häufigen Änderungen im Gesetzgebungsverfahren gewertet werden.22 Darüber hinausgehend wird von Teilen der Literatur auch die Einführung einer Verbandsklage als zwingend erachtet. Den Mitgliedsstaaten verbliebe danach lediglich die Wahl zwischen einer Klagemöglichkeit von Verbänden unmittelbar gegen die jeweiligen Beklagten oder aber gegen die zuständigen Verwaltungsbehörden im Falle ihrer Untätigkeit.23 Bereits diese Interpretation 21 Gemeinsamer
Standpunkt (EG) Nr. 19/95 vom Rat festgelegt am 29. Juni 1995 im Hinblick auf den Erlaß der Richtlinie 95/…/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom … über den Verbraucherschutz bei Vertragsabschlüssen im Fernabsatz, Abl. 1995 Nr. C 288, S. 1, 6 und 12. 22 Micklitz/Rott, in: G/H/N/Wolf, Bd. IV, 40. EL 2009, A 3 Rn. 150 a. E. 23 Reich, EuZW 1997, 581, 587 f.; Micklitz/Rott, in: G/H/N/Wolf, Bd. IV, 40. EL 2009, A 3 Rn. 150; dies., in: Dauses, H. V. Rn. 698; Micklitz/Stadler, in: dies., Verbandsklagerecht, S. 51 f.; Micklitz, in: Reich/Micklitz, § 30.19 S. 1168 f. = ders., in: MK LauterkeitsR, EG D, Art. 11 RL 2005/29/EG Rn. 22 a. E.
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Drittes Kapitel: Die Person des Repräsentanten
ist jedoch keineswegs zwingend. Der Wortlaut von Art. 11 II Fernabsatz-RL und Art. 7 I 2 Klausel-RL ist in dieser Hinsicht identisch („im Einklang mit den innerstaatlichen Rechtsvorschriften die Gerichte oder die zuständigen Verwaltungsbehörden anrufen können“). Ein Unterschied besteht lediglich hinsichtlich der designierten Akteure. Nicht zu leugnen ist dabei, dass sowohl die Verbraucher- als auch die Berufsverbände (Art. 11 II lit. b und c Fernabsatz-RL) nur im Wege einer Verbandsklage vorgehen können. Unklar bleibt jedoch die Bedeutung der „öffentlichen Einrichtungen“ (Art. 11 II lit. a Fernabsatz-RL). Versteht man unter diesen, in der englischen Fassung als „public bodies“ und in der französischen Fassung als „organismes publics“ bezeichneten Institutionen nach deutschem Verständnis öffentlich-rechtlich organisierte Körperschaften wie z. B. die Handwerkskammern, ist der o. g. Interpretation von Art. 11 II Fernabsatz-RL zu folgen, da dann jeder Einzelne der genannten Repräsentanten überhaupt nur im Wege einer Verbandsklage tätig werden könnte. Allerdings ist für die „öffentlichen Einrichtungen“ mit Blick auf die Vorgängerrichtlinien durchaus auch ein Verständnis im Sinne einer Behörde oder z. B. eines Ombudsmanns nach skandinavischem Vorbild möglich, das eine privatrechtliche Verbandsklage nicht zwingend erforderlich machen würde. Zur Untermauerung der These kann des Weiteren auch der erste Kommissionsvorschlag für eine UKla-Richtlinie nicht weiterhelfen24, der bereits vor deren Inkrafttreten im Anhang auf die Fernabsatz-Richtlinie verwies. Der Vorschlag enthielt bereits in Art. 2 I – wie heute noch die geltende Fassung – ein Wahlrecht der Mitgliedsstaaten, das Verfahren in die Hände von Gerichten oder Behörden zu legen wie es schon Art. 4 I 3 RL 84/450/EWG vorgesehen hatte. Damit bleibt ausgehend vom Wortlaut durchaus auch ein rein behördliches Verfahren denkbar, wenn auch ein Klagemechanismus, eingeleitet durch Verbände oder Behörden, klar als die kompatibelste und am nächsten liegende Lösung erscheint. Schließlich sehen einzelne Stimmen in der Literatur durch Art. 11 II Fernabsatz-RL auch die Streitfragen der Klausel-Richtlinie in Bezug auf den oder die tätigen Repräsentanten als beantwortet an und entnehmen der Norm die Verpflichtung für Mitgliedsstaaten in jedem Fall den Verbraucherverbänden ein Klage- bzw. Antragsrecht einzuräumen.25 Reich entnimmt dies ausschließlich dem Wortlaut und der Entwicklung im Gesetzgebungsverfahren, was wie gesehen wenig tragfähig ist. Micklitz dagegen bezieht sich zunächst auf den Bericht der Delegation des Europäischen Parlaments im Vermittlungsausschuss, der die von ihm gezogenen Schlüsse jedoch keineswegs so deutlich stützt wie angenommen.26 Des Weiteren zieht er Rückschlüsse aus Art. 11 I Fernabsatz-RL, 24
So aber Reich, EuZW 1997, 581, 588. Reich, ebenda; Micklitz/Rott, in: G/H/N/Wolf, Bd. IV, 40. EL 2009, A 3 Rn. 151; wohl auch Gößmann, MMR 1998, 88, 92. 26 Bericht der Delegation des Parlaments im Vermittlungsausschuß vom 13. Januar 1997 über den vom Vermittlungsausschuß gebilligten gemeinsamen Entwurf einer Richtlinie […] 25
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der „geeignete und wirksame Mittel im Interesse der Verbraucher“ verlangt. Aus der Tatsache, dass das Konzept des schutzbedürftigen Verbrauchers auf europäischer Ebene unbekannt sei, sondern vielmehr auf den mündigen Verbraucher selbst zur Durchsetzung seiner eigenen Rechte vertraut werde, folgt für Micklitz, dass jedenfalls Verbandsklagen von Verbraucherorganisationen zu verlangen sind. Auch die zur Klausel-Richtlinie ergangene Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs kann schließlich hier nicht zur Auslegung herangezogen werden. Zum einen deckt sich der Wortlaut beider Regelungen nicht, zum anderen aber liegen insbesondere zwischen dem Erlass der FernabsatzRichtlinie und dem ersten der genannten Urteile rund drei Jahre. Auch hier findet die Interpretation daher keine hinreichende Stütze.27 Art. 11 II Fernabsatz-RL entspricht wortgleich Art. 13 II FinanzfernabsatzRL. Schließlich hält auch die Verbraucherrechte-Richtlinie, die inzwischen u. a. die Fernabsatz-Richtlinie abgelöst hat, mit geringfügigen Änderungen in Art. 23 II an der o. g. Formulierung fest. Das oben gesagte gilt demnach für die heute geltenden Regelungen fort.
c) Die Richtlinien über Unterlassungsklagen 98/27/EG und 2009/22/EG Aus der Gruppe der Verbraucherschutz-Richtlinien, die verfahrensrechtliche Regelungen zur Rechtsdurchsetzung enthalten, normiert schließlich die UKlaRichtlinie, die diesbezüglich der UKla-Richtlinie a. F. entspricht, eine dritte geringfügig abweichende Vorgabe. Die vorgesehenen Rechtsbehelfe sollen gemäß Art. 2 I wahlweise vor Gericht oder einer zuständigen Behörde von sogenannten „qualifizierten Einrichtungen“ eingelegt werden können. Den Begriff definiert die Richtlinie selbst in Art. 3 I als „jede Stelle oder Organisation, die nach dem Recht eines Mitgliedstaats ordnungsgemäß errichtet wurde und ein berechtigtes Interesse daran hat, die Einhaltung der in Artikel 1 genannten Bestimmungen sicherzustellen“.
Insoweit folgt die Norm im Kern dem bereits aus Art. 7 II Klausel-RL, Art. 11 II lit. b Fernabsatz-RL (jetzt Art. 23 II lit. b Verbraucherrechte-RL) und Art. 13 II lit. b Finanzfernabsatz-RL bekannten Wortlaut.
über den Verbraucherschutz bei Vertragsabschlüssen im Fernabsatz, PE 216.731/endgültig. Darin heißt es auf S. 8 f. unter Nr. 20 der Begründung: „Abschließend werden Verbraucherschutzorganisationen als zu den Organisationen gehörig eingestuft, denen die Mitgliedstaaten gerichtliche Schritte ermöglichen können […]“. Im Gegensatz zur Ansicht von Micklitz lässt sich dem darauf folgenden Satz: „Der Delegation ist bewußt, daß die Richtlinie 93/13/ EWG […] strengere Verpflichtungen vorsieht“ gerade entnehmen, dass nur dort eine Verpflichtung und im Rahmen der Fernabsatz-RL eben ein Wahlrecht der Mitgliedsstaaten bestehen soll. 27 Wie hier Dickie, 21 JCP (1998) 217, 226 f. („[…] clear Member State choice […]“); Rott, 24 JCP (2001) 401, 403.
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Drittes Kapitel: Die Person des Repräsentanten
Art. 3 I UKla-RL untergliedert die „qualifizierten Einrichtungen“ weiter explizit in private und öffentliche und zählt dazu „insbesondere […] a) eine oder mehrere unabhängige öffentliche Stellen, die speziell für den Schutz der in Artikel 1 genannten Interessen zuständig sind und/oder b) Organisationen, deren Zweck im Schutz der in Artikel 1 genannten Interessen besteht, entsprechend den im Rahmen der nationalen Rechtsvorschriften festgelegten Kriterien“.
Den Ausgangspunkt und gleichzeitig die Grenze der Definition bilden damit die in Art. 1 I UKla-RL genannten „Kollektivinteressen der Verbraucher“. Anders als die vorangegangenen Richtlinien macht Art. 3 I UKla-RL erstmals etwas konkretere Vorgaben. Für öffentliche Stellen verlangt lit. a mit dem Wort „speziell“ im Gegensatz zu Art. 11 II Fernabsatz-RL eine ausschließliche Zuständigkeit für den Schutz von Verbraucherinteressen bzw. jedenfalls eine klare Trennung von anderen Verwaltungsaufgaben.28 Lit. b normiert mit dem „Schutz der in Artikel 1 genannten Interessen“ den erforderlichen Zweck privater Verbraucherorganisationen, der von der nationalen Umsetzungsgesetzgebung bei den im Einzelnen festzulegenden Kriterien zu berücksichtigen ist.29 Die Berufsverbände gem. Art. 11 II lit. c Fernabsatz-RL werden schließlich durch den Wortlaut des Art. 3 I lit. a und b UKla-RL, der in beiden Fällen auf die in Art. 1 UKla-RL festgehaltenen Verbraucherinteressen verweist, aus dem Begriff der „qualifizierten Einrichtung“ ausgenommen. Dies war Gegenstand von Diskussionen im Gesetzgebungsverfahren. Die Kommission hatte „Vertreterorganisationen von Unternehmen sowie Unternehmerverbänden“ im ersten Richtlinienentwurf berücksichtigt.30 Dies wurde auch vom Europäischen Parlament in erster Stellungnahme nicht beanstandet. Es weitete jedoch entsprechend den Zweck der Richtlinie (dazu Art. 1 I UKla-RL) vom „Schutz der Verbraucherinteressen“ auf den „Schutz kollektiver Interessen der Verbraucher, der Personen, die eine Tätigkeit in Handel, Industrie oder Gewerbe nachgehen, sowie der Interessen der Öffentlichkeit allgemein“ aus.31 Dem schloss sich die Kommission im geänderten Richtlinienentwurf an.32 Der dann folgende, im Rat der Europäischen Union verabschiedete Gemeinsame Standpunkt entsprach 28 Micklitz, in: MK LauterkeitsR, EG D, Art. 11 RL 2005/29/EG Rn. 31; Baetge, ZZP 112 (1999) 329, 336. 29 Insoweit übereinstimmend mit Mankowski, WRP 2010, 186, 188; im Einzelnen zu den Kriterien später, S. 270 ff. 30 Vorschlag vom 16. 02. 1996 für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates betreffend Unterlassungsklagen auf dem Gebiet des Schutzes der Verbraucherinteressen, Abl. 1996 Nr. C 107, S. 3, 4. 31 Legislative Entschließung mit der Stellungnahme des Europäischen Parlaments zu dem Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates betreffend Unterlassungsklagen auf dem Gebiet des Schutzes der Verbraucherinteressen, Abl. 1996 Nr. C 362, S. 236, 237 und 238. 32 Geänderter Vorschlag vom 23. 12. 1996 für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments
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dagegen der heutigen Regelung und wurde auch vom Parlament in zweiter Stellungnahme ohne Beanstandung gebilligt.33 Die Beschränkung auf den Schutz kollektiver Verbraucherinteressen sowie die Streichung der gewerblichen Verbände ging mithin auf Verhandlungen der mitgliedsstaatlichen Vertreter im Rat zurück.34 Dies wird von Micklitz/Rott mit Blick auf den fehlenden Gleichlauf zwischen der UKla-Richtlinie und den lauterkeitsrechtlichen Richtlinien bemängelt.35 Allerdings würde entgegen dieser Auffassung gerade ein solcher Gleichlauf der Interessenlage widersprechen. Während im Rahmen der lauterkeitsrechtlichen Richtlinien sowohl Verbraucherinteressen als auch gewerbliche Interessen von Bedeutung sind, bezieht sich die UKla-Richtlinie in verabschiedeter alter wie neuer Fassung ausschließlich auf Verbraucherinteressen. Eine Einbeziehung von Interessenvertretern beider Seiten ist daher zwar im Lauterkeitsrecht notwendig, der Ausschluss gewerblicher Repräsentanten dagegen hier durchaus zu begrüßen.36 Dies wird auch darin deutlich, dass der Anhang der UKla-Richtlinie zwar auf die UGP-Richtlinie37, nicht aber auf die Richtlinie 2006/114/EG verweist. Die UKla-Richtlinie strebt zwar gemäß ihrem Art. 1 I „die Angleichung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften der Mitgliedstaaten über Unterlassungsklagen“ an, diese Zwecksetzung wird aber durch die ebenfalls gemäß Art. 1 I UKla-RL zu schützenden „Kollektivinteressen der Verbraucher, die unter die in Anhang I aufgeführten Richtlinien fallen“ und insbesondere durch den in Art. 7 festgelegten Grundsatz der Minimalharmonisierung begrenzt, der es den Mitgliedsstaaten erlaubt, weitergehende Regelungen auf nationaler Ebene zu erlassen. Dies führt in Deutschland dazu, dass die grenzüberschreitende Klagetätigkeit gem. § 4 II UKlaG richtlinienkonform nur den Verbraucherverbänden zusteht, die gewerblichen Verbände aber auf nationaler Ebene durchaus gemäß § 3 I 1 Nr. 2 UKlaG tätig werden dürfen. und des Rates betreffend Unterlassungsklagen auf dem Gebiet des Schutzes der Verbraucherinteressen, KOM(96) 725 endgültig, S. 8 und 10. 33 Gemeinsamer Standpunkt (EG) Nr. 48/97 vom Rat festgelegt am 30. Oktober 1997 im Hinblick auf den Erlaß der Richtlinie 97/…/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom … über Unterlassungsklagen zum Schutz der Verbraucherinteressen, Abl. 1997 Nr. 389, S. 51, 53 und Beschluß über den Gemeinsamen Standpunkt des Rates im Hinblick auf den Erlaß der Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates über Unterlassungsklagen zum Schutz der Verbraucherinteressen, Abl. 1998 Nr. C 104, S. 205; dazu Micklitz/Rott, in: G/H/N/Wolf, Bd. IV, 40. EL 2009, A 25, Vorbem. Rn. 10 f. 34 Anders Micklitz/Rott, in: G/H/N/Wolf, Bd. IV, 40. EL 2009, A 25, Art. 3 Rn. 3, die fälschlicher Weise die Kommission verantwortlich zeichnen; richtig dagegen Baetge, ZZP 112 (1999) 329, 336. 35 Micklitz/Rott, in: G/H/N/Wolf, ebenda; außerdem Micklitz, in: MK LauterkeitsR, EG D, Art. 11 RL 2005/29/EG Rn. 13 und 23. 36 So auch Baetge, ZZP 112 (1999) 329, 336; Franck/Goyens, Rev. Eur. Dr. Cons. 1996, 95, 103. 37 Dazu, dass das Antrags- bzw. Klagerecht für Mitbewerber und gewerbliche Verbände auch in der UGP-Richtlinie fehl am Platz ist schon oben, S. 186 f.
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Drittes Kapitel: Die Person des Repräsentanten
Diejenigen Stimmen in der Literatur, die den zuvor behandelten Richtlinien die Pflicht entnehmen wollen, jedenfalls den Verbraucherorganisationen ein Klage- bzw. Antragsrecht einzuräumen, sind mit Blick auf die UKla-Richtlinie zurecht größtenteils verstummt.38 Schon aufgrund der Formulierung „und/ oder“ zwischen Art. 3 lit. a und b UKla-RL lässt sich eigentlich nur von einem Wahlrecht der Mitgliedsstaaten bezüglich der klage- bzw. antragsbefugten Einrichtungen ausgehen.39 Dies wird gestützt durch die Erwägungsgründe. Der Neunte stellt eindeutig beide Optionen des Art. 3 getrennt voneinander vor, gefolgt von der Feststellung in Erwägungsgrund 10, den Mitgliedsstaaten solle es möglich sein, „sich für eine dieser beiden oder für beide Optionen gleichzeitig zu entscheiden […]“ (Hervorhebung durch Verfasser).
Eine der Optionen als zwingend zu bezeichnen, würde vor diesem Hintergrund eine Auslegung contra legem darstellen. Dennoch bleibt zu beachten, dass die Richtlinie in Art. 4 I die grenzüberschreitende Anerkennung solcher „qualifizierter Einrichtungen“ vorschreibt, die ein anderer Mitgliedsstaat im Rahmen der Richtlinie bestimmt hat. Dadurch ist es durchaus möglich, dass ein Mitgliedsstaat in die Situation kommt, ausländischen Organisationen Rechte gewähren zu müssen, die für innerstaatliche Organisationen derselben Art im Inland nicht bestehen. Der daraus erwachsende politische Druck darf jedoch nicht mit einer Verpflichtung verwechselt werden, die die Richtlinie tatsächlich nicht vorsieht.
d) Zwischenergebnis Alle der genannten Richtlinien folgen einem übereinstimmenden Schema. Die Regelungen, wen die Mitgliedsstaaten als handelnden Akteur einsetzen sollen, weichen in Wortlaut und Bedeutung nur geringfügig voneinander ab. Im Ergebnis verbleibt den Mitgliedsstaaten ein weitreichender Spielraum in der Umsetzung. Wo die älteren Richtlinien40 jedenfalls nach ihrem Wortlaut („Personen oder Organisationen, die […]“) noch Raum für natürliche Personen als Repräsentanten geboten haben, ist dies jedenfalls in den jüngeren Normen zum Verbraucherschutzrecht41 nicht mehr der Fall. Der Kollektivrechtsschutz wird 38 Nur noch Micklitz/Rott, in: G/H/N/Wolf, Bd. IV, 40. EL 2009, A 25, Art. 3 Rn. 2 werfen die Frage auf, können jedoch den „verbalen Dualismus“ der Richtlinie ebenso wenig ignorieren. Dennoch werten sie Art. 3 UKla-RL als ein „weiteres Mosaik in einem größeren Puzzle“, nämlich einer aus Gemeinschaftsrecht und acquis communautaire abgeleiteten Verpflichtung zur Einführung einer Verbraucherverbandsklage; dazu sogleich. 39 So auch ausdrücklich Rott, 24 JCP (2001) 401, 404; Baetge, ZZP 112 (1999) 329, 335; Franck/Goyens, Rev. Eur. Dr. Cons. 1996, 95, 102; Koch, ZZP 113 (2000) 413, 435; überraschenderweise aber auch Micklitz, in: ders./Rott/Docekal/Kolba, S. 220. 40 Vgl. Art. 4 I 2 RL 84/450/EWG und Art. 7 I 2 Klausel-RL, aber auch noch Art. 11 I 2 UGP-RL. 41 Vgl. Art. 3 UKla-RL und Art. 23 II Verbraucherrechte-RL.
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dort nun ausschließlich in die Hände von „Einrichtungen“ oder „Verbänden“ gelegt. Konkrete Anforderungen an die Rechtsform dieser Organisationen enthalten die Richtlinien aber nicht. Auch die Wahl zwischen einer privatrechtlichen oder einer öffentlich-rechtlichen Gestaltung liegt bei den umsetzenden Mitgliedsstaaten. Allerdings verknüpfen ausnahmslos alle der untersuchten Richtlinien ihren jeweiligen (Schutz-) Zweck mit den Interessen des handelnden Repräsentanten. Spätestens seit Art. 3 I i. V.m 1 I UKla-RL kann die nationale Gesetzgebung als Verbraucherorganisationen im Sinne der Verbraucherschutz-Richtlinien nur solche ansehen, die sich jedenfalls kraft ihrer Satzung dem Schutz von Verbraucherinteressen widmen. Vergleichbares gilt für die in Art. 13 II lit. b Finanzfernabsatz-RL und Art. 23 II lit. b Verbraucherrechte-RL genannten Berufsverbände. Auch sie dürfen nur dann als Repräsentant zugelassen werden, wenn ihr Zweck mindestens die Verfolgung von Rechtsverstößen im von der Richtlinie vorgegebenen Interesse umfasst. Ebenso gehen die lauterkeitsrechtlichen Richtlinien von einer entsprechenden Interessenbindung aus.42 Die Mitgliedsstaaten stehen mithin in der Pflicht, die Übereinstimmung von Organisationszweck und dem verfolgten Interesse gesetzlich zu verankern und jedenfalls den in der Satzung von privaten Organisationen festgelegten Zweck bzw. die gesetzliche Aufgabenzuweisung an Behörden sowie die tatsächliche Umsetzung dessen zu überprüfen. Auch damit jedoch ist nur ein gewisser Rahmen skizziert, der auf nationaler Ebene weiter ausgefüllt werden kann und muss.
2. Europarechtliche Verankerung von Verbraucherverbandsklagen In der Literatur wird insbesondere von Micklitz die Ansicht vertreten, das Unionsrecht inklusive des sogenannten acquis communautaire sähe eine Unterlassungsklage von Verbraucherverbänden als Mindestschutzverpflichtung zwingend vor. Neben einer Gesamtschau der verbraucherrechtlichen Richtlinien mit Verbandsklageregelungen wird diese Ansicht primärrechtlich auf Art. 169 AEUV, den Grundsatz der loyalen Zusammenarbeit nach Art. 4 III EUV sowie den Grundsatz des effektiven Rechtsschutzes gestützt.43
a) Acquis Communautaire Allen Richtlinien, die Normen zur kollektiven Rechtsdurchsetzung enthalten ist gemein, dass nach ihrem Wortlaut ein Wahlrecht der Mitgliedsstaaten besteht, 42 Vgl. Art. 11 I 2 UGP-RL: „Personen oder Organisationen, die […] ein berechtigtes Interesse am Verbot irreführender Werbung oder an der Regelung vergleichender Werbung haben“ und Art. 5 I 2 RL 2006/114/EG: „Personen oder Organisationen, die […] ein berechtigtes Interesse am Verbot irreführender Werbung oder an der Regelung vergleichender Werbung haben“. 43 Micklitz, in: MK LauterkeitsR, EG D, Art. 11 RL 2005/29/EG Rn. 21 f.; ders., in: Reich/ Micklitz, §§ 30.2 ff., i. E. § 30.11 S. 1160 f.
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die geforderten Rechtsbehelfe bei Gerichten oder bei Behörden anzusiedeln. In Art. 4 I 3 RL 84/450/EWG heißt es: „Jedem Mitgliedstaat bleibt vorbehalten zu entscheiden, welche dieser Möglichkeiten gegeben sein soll […].“
Art. 11 I 3 UGP-RL lautet: „Jedem Mitgliedstaat bleibt es vorbehalten zu entscheiden, welcher dieser Rechtsbehelfe zur Verfügung stehen wird.“
Art. 5 II 1 RL 2006/114/EG regelt: „Es obliegt jedem Mitgliedstaat zu entscheiden, welches der in Absatz 1 Unterabsatz 2 genannten Mittel gegeben sein soll […].“
In Art. 7 II Klausel-RL, Art. 11 II Fernabsatz-RL und Art. 23 II RL 2011/83/EU ist jeweils normiert, dass „die Gerichte oder die zuständigen Verwaltungsbehörden an[ge]rufen [werden] können“.
Art. 2 I UKla-RL lautet schließlich: „Die Mitgliedstaaten bestimmen die zuständigen Gerichte oder Verwaltungsbehörden für die Entscheidung über die […] eingelegten Rechtsbehelfe […]“.
Zu beachten ist dabei, dass dieses Wahlrecht in Bezug auf die entscheidende Instanz dem Wortlaut nach getrennt zu betrachten ist von der Frage, wer einen Rechtsbehelf einlegen, also das Verfahren in Gang setzen und in der Rolle des Klägers bzw. Antragstellers führen können soll, was die Richtlinien teils sehr genau vorgeben.44 Diese Trennung ist nicht verständlich, da die Frage, wer als Initiator eines Verfahrens auftritt, unmittelbar mit der Frage verbunden ist, wo ein solches Verfahren anzusiedeln ist. Verbände, seien sie privat- oder öffentlich-rechtlich organisiert, können grundsätzlich nur auf dem Gerichtsweg Entscheidungen herbeiführen. Es ist ihnen zwar ebenso möglich, eine Behörde anzurufen. Um diese zur Tätigkeit zu verpflichten, wäre aber wiederum ein gerichtliches Verfahren erforderlich. Andererseits könnten Behörden zwar kraft gesetzlicher Befugnis die Befolgung bestimmter Regeln überwachen, dann aber wäre wiederum ein Antragsteller nicht zwingend notwendig. Zudem müsste sich auch die Behörde spätestens zur zwangsweisen Durchsetzung ihrer Anordnungen der Gerichte bedienen. Vor diesem Hintergrund kann den Richtlinien eine Verpflichtung in die eine oder andere Richtung gerade nicht entnommen werden. Gleichzeitig wird deutlich, welche Bedeutung und Tragweite der Frage zukommt, wer als 44 Dazu bereits soeben, S. 185 ff.; diese Differenzierung missachtet Micklitz, in: MK LauterkeitsR, EG D, Art. 11 RL 2005/29/EG Rn. 30, der beides vermischt. Warum eine Trennung inhaltlich aber nicht durchzuhalten ist, sogleich.
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handelnder Akteur bestimmt wird. Im gegebenen Kontext erscheint es dabei durchaus am sinnvollsten, das Rechtsbehelfsverfahren jedenfalls bei Gericht anzusiedeln und den Mitgliedsstaaten ein Wahlrecht dahingehend einzuräumen, wer zur Verfahrensführung ermächtigt wird. Eine Vorstufe dazu, entweder in Form eines Abmahnverfahrens durch Verbände oder aber einer behördlichen Anordnung bliebe davon unberührt. Entsprechend der dargestellten Regelungsfreiheit variiert die Ausgestaltung des Verfahrens in der Praxis zwischen allen Mitgliedsstaaten erheblich.45 Gleichzeitig scheint die Funktionalität aber derart gewährleistet, dass eine höchstrichterliche Klärung bislang nicht erforderlich war.46
b) Primärrechtliche Verankerung Den Ausgangspunkt der weiteren Argumentation bildet der heutige Art. 169 I AEUV (zuvor Art. 153 EG), der einen Ziel- und Aufgabenkatalog für die Union zur Förderung der Interessen der Verbraucher und zur Gewährleistung eines hohen Verbraucherschutzniveaus enthält. Ein Aspekt daraus ist die Förderung des Rechtes der Verbraucher auf „Bildung von Vereinigungen zur Wahrung ihrer Interessen“. Auf diesem Weg werden die Verbraucherorganisationen nicht nur ausdrücklich in die Verträge einbezogen, sondern es wird zudem deutlich gemacht, dass sich das im Rahmen der europäischen Grundrechte anerkannte Recht zur Bildung von Vereinigungen47 auch auf sie erstreckt, ihnen also eine Vereinigungsfreiheit ähnlich der des Art. 9 GG zukommt.48 Gleichzeitig werden durch Art. 169 I AEUV die Förderung der Interessen der Verbraucher mit deren Recht auf Bildung von Vereinigungen verknüpft. Auf diese Weise unterstreicht das Primärrecht die Bedeutung der Verbraucherorganisationen für die Durchsetzung der Interessen und subjektiven Rechte einerseits und damit auch für die Wirksamkeit der Unionsrechtsordnung andererseits. Ein Klagerecht der Verbände ergibt sich jedoch aus Art. 169 I AEUV nicht, sondern bleibt wie auch dessen konkrete Ausgestaltung dem Sekundärrecht überlassen.49 45
Vgl. bereits im vorangegangenen zweiten Kapitel, Fn. 102 f. diesem Ergebnis kommt wiederum auch Micklitz, in: MK LauterkeitsR, EG D, Art. 11 RL 2005/29/EG Rn. 20. 47 Vgl. Art. 12 I EuGRCh, Art 11 EMRK sowie aus der Rspr. EuGH, Rs. C-415/93 (Bosman), Slg. 1995 I-4921, 5065, Rn. 79. 48 Pfeiffer, in: G/H/N, Art. 169 AEUV Rn. 17; Micklitz/Rott, in: Dauses, H. V. Rn. 59; Micklitz, in: Reich/Micklitz, § 30.4 S. 1152; Micklitz/Stadler, in: dies., Verbandsklagerecht, S. 44 f.; Stuyck, CMLR 37 (2000) 367, 385; zurückhaltender Lurger, in: Streinz, Art. 169 AEUV Rn. 22 („könnte […] das Recht wie ein Grundrecht […] wirken lassen“); a. A. Krebber, in: Callies/Ruffert, Art. 169 AEUV Rn. 9, für den die „Rechte“ aber jedenfalls auch Leitlinien zur Auslegung des Sekundärrechts darstellen, was hier von Bedeutung ist. 49 Lurger, in: Streinz, Art. 169 AEUV Rn. 22; Micklitz/Rott, in: Dauses, H. V. Rn. 60; ausführlich Micklitz, in: Reich/Micklitz, § 30.5 S. 1153 ff.; ebenso ders., in: MK ZPO, § 3 UKlaG Rn. 5 und Micklitz/Stadler, in: dies., Verbandsklagerecht, S. 45 und 1188 f. 46 Zu
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Drittes Kapitel: Die Person des Repräsentanten
Ein weiteres Element der Begründung bilden der Grundsatz der Unionstreue gem. Art. 4 III EUV (zuvor Art 10 EG) sowie das Subsidiaritätsprinzip gem. Art. 5 III EUV (zuvor Art. 5 II EG). Letzteres legt zunächst fest, dass die Union außerhalb ihrer ausschließlichen Zuständigkeit nur dort tätig werden darf, wo die Ziele der betreffenden Maßnahmen auf mitgliedsstaatlicher Ebene nicht hinreichend verwirklicht werden können. Art. 169 I und Art. 12 AEUV etablieren den Verbraucherschutz zwar als eigenständigen Politikbereich der Union, Art. 4 II lit. f AEUV schreibt jedoch eine geteilte Zuständigkeit zwischen Union und Mitgliedsstaaten für diesen Hauptbereich vor. Der Wortlaut des Art. 169 I und II AEUV („Die Union leistet einen Beitrag […]“) stützt dies, sodass die Subsidiaritätserfordernisse für den gesamten Bereich Verbraucherschutz beachtlich sind. Darüber hinaus verpflichtet der Grundsatz der Unionstreue gem. Art 4 III UAbs. 2 EUV die Mitgliedsstaaten alle geeigneten Maßnahmen zur Erfüllung ihrer vertraglichen Verpflichtungen zu ergreifen. Nach wohl überwiegender Ansicht betrifft nun Art. 169 AEUV lediglich die Handlungsmöglichkeiten und -pflichten der Union, wohingegen die Mitgliedsstaaten zwar nach Art. 4 III UAbs. 3 EUV jegliche den Unionszielen zuwiderlaufenden Maßnahmen zu unterlassen haben, nicht aber ihrerseits aus Art. 169 I AEUV i. V. m. Art. 4 III UAbs. 2 EUV verpflichtet werden.50 Daraus ergibt sich für Micklitz im Zusammenspiel mit den genannten Prinzipien eine Regelungslücke. Die Union einerseits werde im Rahmen des Art. 169 AEUV nur tätig, wenn die Schwelle der Subsidiarität überschritten sei. Andererseits bestehe keine vertragliche Verpflichtung der Mitgliedsstaaten im Sinne von Art. 4 III UAbs. 2 EUV, da ihnen die Tätigkeit gem. Art. 2 II 2 AEUV vielmehr freisteht51, sodass ein gesetzgeberischer Stillstand drohe, der wiederum mit der in Art. 169 I AEUV festgeschriebenen Förderung der Verbraucherinteressen nicht zu vereinbaren sei. In der Konsequenz spricht sich Micklitz dafür aus, das Subsidiaritätsprinzip als Mindeststandardsprinzip zu verstehen. Damit ergäben sich aus Art. 169 I AEUV nicht nur die Handlungspflichten der Union, sondern andererseits auch unionsrechtliche Handlungspflichten für die Mitgliedsstaaten, die durch Art 4 III UAbs. 2 EUV einzufordern wären.52 Den dritten Anknüpfungspunkt bildet der Grundsatz des effektiven Rechtsschutzes. Insoweit entspricht es gefestigter Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs, dass die Mitgliedstaaten verpflichtet sind, wenn eine Bestimmung des Unionsrechts für den Fall ihrer Verletzung keine eigene Sanktionsbestim50 Krebber, in: Callies/Ruffert, Art. 169 AEUV Rn. 11; Lurger, in: Streinz, Art. 169 AEUV Rn. 18; so wohl auch Pfeiffer, in: G/H/N, Art. 169 AEUV Rn. 3 a. E.; zu Art. 129a EGV EuGH, Rs. C-192/94 (El Corte Inglès ./. Blazquez Rivero), Slg. 1996 I-1281, 1303 f., Rn 18–20. 51 So ausdrücklich Callies/Kahl/Puttler, in: Callies/Ruffert, Art. 4 EUV Rn. 92. 52 Micklitz/Rott, in: Dauses, H. V. Rn. 32–36; ebenso dies., in: G/H/N/Wolf, Bd. IV, 40. EL 2009, A 25, Art. 3 Rn. 17–19 und Micklitz, in: Reich/Micklitz, § 30.13 S. 1162 f.
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mung enthält oder auf die nationalen Rechts- und Verwaltungsvorschriften verweist, alle geeigneten Maßnahmen zu treffen, um die volle Wirksamkeit des Unionsrechts zu gewährleisten. Dabei vorgesehene Sanktionsmaßnahmen müssen jedenfalls wirksam, verhältnismäßig und abschreckend sein.53 Bereits im Zusammenhang mit Art. 4 der Richtlinie 84/450/EWG wurde von Reich ein Grundsatz der Beteiligung von betroffenen Verbänden, insbesondere Verbraucherverbänden, als unionsrechtlicher Mindestverfahrensschutz postuliert.54 Darauf aufbauend argumentiert Micklitz, der Grundsatz des effektiven Rechtsschutzes verstärke, ohne konkrete Vorgaben zu liefern, die primärrechttlichen Rechte und Pflichten aus Art. 153 EG (jetzt: Art. 169 AEUV), sodass es möglich sei aus dem Zusammenspiel Handlungspflichten der Mitgliedsstaaten zu entwickeln.55
c) Fazit Nach übereinstimmender Auffassung besteht ein Stufenverhältnis zwischen dem Primärrecht, das die Grundlagen des Rechtes der EU festlegt und dem Sekundärrecht, das die Grundsätze des Primärrechts näher ausgestaltet. Aus beiden können sich grundsätzlich Verpflichtungen für die Mitgliedsstaaten ergeben, die entweder unmittelbare Wirkung in den einzelnen Rechtssystemen entfalten oder eines nationalen Umsetzungsrechtsaktes bedürfen. Des Weiteren steht die hervorgehobene Stellung des Verbraucherschutzes wie auch der Verbraucherorganisationen im Unionsrecht außer Frage. Entscheidend ist aber, inwieweit sich daraus konkrete Vorgaben für die Mitgliedsstaaten ergeben. Weder der Wortlaut des Art. 169 I AEUV noch der maßgeblichen Richtlinien enthält auch nur einen Ansatzpunkt für eine unionsrechtliche Verpflichtung zur Gewährung einer Verbraucherverbandsklage. Die Richtlinien überlassen den Mitgliedsstaaten ausdrücklich die Wahl zwischen einem behördlichen und einem gerichtlichen Rechtsbehelfssystem. Die Umsetzungspraxis hat in vielen Mitgliedsstaaten ein Nebeneinander von Verbraucherschutzverbänden und -behörden in unterschiedlichen Verfahrensformen entstehen lassen.56 Das Wahlrecht der Mitgliedsstaaten ist zwar zweifelsohne auch im Kontext des Grundsatzes eines effektiven Rechtsschutzes zu beurteilen. Gerichtliche Feststellungen oder respektive das Vorbringen, wonach diese oder jene Umsetzungsform im Widerspruch zu den Grundsätzen des 53 Statt vieler EuGH, Rs. C-418/11 (Texdata GmbH) – nicht in der amtlichen Sammlung veröffentlicht – , Rn. 50 und 74; EuGH, verbundene Rs. C-387/02, C-391/02 und C-403/02 (Berlusconi e. a.), Slg. 2005 I‑3624, 3652, Rn. 65; EuGH, Rs. C-167/01 (Kamer van Koophandel ./. Inspire Art Ltd.), Slg. 2003 I-10195, 10215, Rn. 62 jew. m. w. N. 54 Reich, RabelsZ 56 (1992) 444, 450 unter Verweis auf Hoffmann (dazu bereits oben, Fn. 8); ihm folgend Micklitz, ZIP 1998, 937, 942. 55 Micklitz, in: Reich/Micklitz, § 30.9 S. 1159 wiederum unter Verweis auf Hoffmann (dazu bereits oben, Fn. 8). 56 Zusammenfassend zur UKla-RL Micklitz, in: ders./Rott/Docekal/Kolba, S. 222 ff.
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Drittes Kapitel: Die Person des Repräsentanten
Europäischen Gerichtshofs ineffektiv ist, gibt es aber nicht. Dazu wäre auch jedenfalls das zur Verfügung stehende Gesamtsystem in einem Mitgliedsstaat zu berücksichtigen. Des Weiteren kann auch das primärrechtlich garantierte Recht der Verbraucher, eine Interessenvereinigung zu gründen, nicht zugleich aus sich selbst heraus bestimmte Rechte eben jeder solchen Vereinigung enthalten. Dies gilt unabhängig davon, ob das in Art. 169 I AEUV genannte Recht auf „Bildung von Vereinigungen zur Wahrung ihrer Interessen“ lediglich die Vereinigungsfreiheit des Art. 12 I EuGRCh und Art 11 EMRK näher konkretisiert oder aus sich selbst heraus den Verbrauchern subjektive Rechte verleihen will. Woraus sich eine entsprechende Konkretisierung des Art. 153 I EG (jetzt Art. 169 I AEUV) gegenüber Art. 129a EGV ergeben soll, legt Micklitz nicht dar. Es ist aus diesem Grund konsequent, wenn er dem genannten Normgefüge nicht nur eine unionsrechtliche Verpflichtung zur Gewährung einer Verbraucherverbandsklage sondern wiederum einschränkend dazu auch noch Mindestkriterien für diejenigen Verbände entnehmen will, die schlussendlich davon erfasst werden.57 Damit aber wird der Auslegungsspielraum der Norm endgültig überdehnt. Das Gesagte wird schließlich auch vor dem Hintergrund der umfangreichen rechtspolitischen Diskussion auf europäischer Ebene im Hinblick auf eine kollektive Schadenersatzklage offensichtlich, die zuletzt in den Erlass einer Empfehlung gemündet ist. Bei der Empfehlung der EU-Kommission handelt es sich ungeachtet ihrer Verbindlichkeit gemäß Art. 288 UAbs. 5 AEUV um einen Rechtsakt der Europäischen Union, der dezidiert das Ziel verfolgt, dass „alle Mitgliedsstaaten über innerstaatliche kollektive Rechtsschutzverfahren für Unterlassungs- und für Schadensersatzklagen verfügen“.58 Verbindliche Vorgaben des primären Unionsrechts und des acquis communautaire, wie sie von Micklitz entwickelt wurden, würden bereits aus Gründen der Normhierarchie zwangsläufig auch hierfür Geltung beanspruchen. Im Ergebnis bleibt es auch angesichts des sehr unterschiedlichen Umgangs der Mitgliedsstaaten mit dem kollektiven Rechtsschutz und der unter dem Strich weiterhin wenigen Regelungen eines kollektiven Schadensersatzverfahrens dabei, dass ein kollektivrechtlicher Schadenersatzanspruch immer noch nicht zum unionsrechtlichen Mindeststandard gezählt werden kann59 und damit weiterhin nicht zwingender Bestandteil eines wirksamen, verhältnismäßigen und ab
57
Dazu nochmals im vierten Kapitel, S. 269 ff. Empfehlung kollektiver Rechtsschutz, a. a. O. (erstes Kapitel, Fn. 155), Nr. 2. 59 So „noch“ der Status quo nach Micklitz/Stadler, in: dies., Verbandsklagerecht, S. 49 = Micklitz, in: Reich/Micklitz, § 30.15 S. 1165 = Micklitz/Rott, in: G/H/N/Wolf, Bd. IV, 40. EL 2009, A 25, Art. 3 Rn. 21. Für Micklitz, in: MK ZPO, Vor §§ 1 ff. UKlaG Rn. 53 „deutet sich ein Paradigmenwechsel an“. Zur Weiterentwicklung auf europäischer Ebene auch Micklitz/Rott, in: Dauses, H. V. Rn. 708 f. 58
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schreckenden Rechtsschutzes im Sinne des Primärrechtes ist.60 Verpflichtende Vorgaben in dieser Hinsicht enthält das Primärrecht nicht. Im Gegensatz dazu hat die Europäische Kommission die weitere Entwicklung zunächst wieder in die Hände der Mitgliedsstaaten gelegt.
II. Der Verband Insoweit das deutsche Recht mit den oben dargestellten Mechanismen die Möglichkeit kollektiver Interessenvertretung bietet, wird die Verfahrensführung ganz überwiegend verschiedenen Formen von Verbänden auferlegt. Daher werden Ausführungen zum allgemeinen Verbandsbegriff zunächst vorangestellt (dazu 1.). Im Einzelnen lassen sich drei Gruppen von Einrichtungen unterscheiden, die in Kollektivverfahren tätig werden können. Im Vergleich zueinander die bedeutendste Rolle spielt die Untergruppe der Verbraucherverbände (dazu 2.). In den entsprechenden Gesetzen ebenso präsent, jedoch in der Praxis deutlich weniger relevant ist die große Gruppe der „Verbände zur Förderung gewerblicher und selbstständiger, beruflicher Interessen“ (dazu 3.). Außerhalb dieser gesetzlich vordefinierten Kategorien bleibt schließlich zu klären, inwieweit jedem anderen Gebilde gleich welcher Rechtsform, das davon nicht erfasst wird, Handlungsmöglichkeiten zukommen (dazu 4.).
1. Verbandsbegriff Die lauterkeits-, verbraucher- und kartellrechtlichen Verbandsklagen nach UWG, GWB und UKlaG sowie die Möglichkeit zur gebündelten Geltendmachung zuvor abgetretener Forderungen bilden die bislang zentralen Mechanismen des kollektiven Rechtsschutzes nach deutschem Recht. Sie alle liegen in der Sprache des Gesetzes in den Händen von „Verbänden“. Die so bezeichneten Organisationen unterscheiden sich voneinander in erster Linie anhand ihrer satzungsmäßigen Zwecksetzung. Schon vor dem Hintergrund der systematischen Verknüpfungen liegt es aber nahe, im Falle der „Verbände, zu deren satzungsmäßigen Aufgaben es gehört, die Interessen der Verbraucher […] wahrzunehmen“ (vgl. § 4 II 1 UKlaG), der „Verbände zur Förderung gewerblicher und selbstständiger beruflicher Interessen“ (vgl. §§ 3 I Nr. 2 UKlaG, 8 III Nr. 2 UWG und 33 II Nr. 1 GWB) sowie auch der „Verbraucherverbände“ (vgl. § 8 I Nr. 4 RDG und § 79 II 2 Nr. 4 ZPO) von einem identischen Verbandsbegriff auszugehen. Eine nähere Beleuchtung des Verbandswesens in Deutschland inklusive seiner politischen, wirtschaftlichen, gesellschaftlichen und nicht zuletzt rechtlichen Facetten würde, wenn überhaupt möglich, offensichtlich den Rahmen 60 So „de lege lata“ Micklitz, in: MK LauterkeitsR, EG D, Art. 11 RL 2005/29/EG Rn. 27; anders schon Rott, EuZW 2003, 5, 8.
202
Drittes Kapitel: Die Person des Repräsentanten
und den Fokus dieser Untersuchung sprengen. Sie ist aber auch nicht notwendig. Von Bedeutung ist vielmehr, welche Funktion der Verbandsbegriff im Kontext der oben genannten Normen des kollektiven Rechtsschutzes erfüllt und seine daraus abzuleitende Definition.61 Im Ausgangspunkt handelt es sich bei jedem Verband um einen Zusammenschluss mehrerer – natürlicher oder juristischer – Personen zum Zweck der Vertretung und Durchsetzung gemeinsamer Interessen.62
Daraus ergibt sich die Abgrenzung zu einer Einzelperson als Anspruchsinhaber und Kläger als erste, aber auch einzige Konsequenz. Bereits jedes weitere über diesen übergreifenden Kern hinausgehende Merkmal färbt den Verbandsbegriff nach einer bestimmten Funktion oder gesellschaftlichen Rolle. Zum Teil wird er als „Gegenüber zum Begriff des Staates“ aufgefasst, sodass nur nicht-staatliche Vereinigungen darunter fallen.63 Damit unmittelbar verknüpft ist die Forderung nach einem freiwilligen Zusammenschluss der Verbandsmitglieder.64 Verbreitet wird in unterschiedlicher Intensität ein Mindestmaß an Organisation und Bestandsdauer von Verbänden in Abgrenzung zu ad hoc-Vereinigungen oder Spontan-Zusammenschlüssen wie z. B. Bürgerinitiativen für erforderlich gehalten.65 Aus staatsrechtlichem Blickwinkel spielt schließlich die politische Aktivität und damit die politische Relevanz der Organisationen eine Rolle, sodass erst eine Tätigkeit auf überregionaler Ebene eine Klassifizierung als Verband rechtfertigt.66 Alle diese Elemente können weder bei der Auslegung der eingangs genannten Normen, noch im Gesamtzusammenhang der Repräsentation in kollektiven Rechtsschutzverfahren weiterhelfen. Für einen Ausschluss der öffentlich-rechtlichen Verbände besteht ungeachtet ihrer staatlichen Privilegierung und Beaufsichtigung kein Anlass. Dabei gilt es zu berücksichtigen, dass eine Interessenvertretung gegenüber dem Staat, z. B. im Wege politischer
61 Vgl. zur unverzichtbaren Trennung von „Sprachbildung“ und „Funktion“ auch Habermeier, in: Staudinger, Vor §§ 705 ff. BGB, Rn. 29a; Reuter, AcP 207 (2007) 673, 679 f. 62 Dt. Rechtslexikon, Bd. 3 S. 4397; Horn, in: Handbuch d. Staatsrechts, § 41 Rn. 6; Kunstmann, in: HWB, 6. Aufl., S. 1867; Kleps, in: HdWW, Bd. 8 S. 176, 177; vgl. auch das Informationsportal Deutsches Verbände Forum unter http://verbaende.com/hintergruende/ was_sind_verbaende.php (zuletzt besucht am 12. 04. 2017). 63 Horn, ebenda, Rn. 5 f.; nach Dt. Rechtslexikon, ebenda fehlt Verbänden der „rechtlich institutionalisierte Bezug zum Staatlichen“. 64 Horn, ebenda, Rn. 9 für den „staatsrechtlichen Verbandsbegriff“; außerdem Kunstmann, in: HWB, 6. Aufl., S. 1867. 65 Dt. Rechtslexikon, Bd. 3 S. 4397: „gefestigte, auf Dauer angelegte Organisation“; Horn, in: Handbuch d. Staatsrechts, § 41, Rn. 6: „einen gewissen Organisationsgrad und eine gewisse Beständigkeit“; Kunstmann, ebenda: „mehr oder minder feste Organisation“. 66 Horn, ebenda, Rn. 7; auch Dt. Rechtslexikon, ebenda; anders wiederum Kleps, in: HdWW, Bd. 8 S. 176, 179.
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Einflussnahme67 oder im Rahmen verwaltungs- oder verfassungsrechtlicher Streitigkeiten vorliegend gerade nicht von Bedeutung ist. Auf privatrechtlicher Ebene aber ist insbesondere die Vielzahl an Kammern, Innungen und Berufsverbänden zur Vertretung der Interessen ihrer Mitglieder ebenso wie eine privatrechtlich konstituierte Vereinigung, wenn nicht aufgrund des ihnen durch ihre pflichtbedingt hohe Mitgliederzahl zukommenden Gewichts sogar besser in der Lage. Aus dem gleichen Grund scheiden politische Aktivität und Relevanz als Abgrenzungsmerkmale aus. Schwieriger zu beurteilen sind dagegen Mindestorganisation und Mindestbestandsdauer. Eine gewisse Mindestorganisation über einen bloß zufälligen Zusammenschluss hinaus ist unumgänglich, wird aber bereits durch die Verfahrensregeln vor Gericht zwingend vorgegeben. Auch die Mehrheit der bereits bestehenden Normen verlangt darüber hinaus von Verbänden eine Mindestbestandsdauer und will dadurch ein gewisses Maß an Erfahrung und Seriösität sicherstellen. Insbesondere spontan, aus Anlass eines konkreten Einzelfalls gegründete Vereinigungen bleiben so außen vor, obwohl sie mitunter im Gegensatz zu etablierten Organisationen durchaus einen größeren Unterstützerkreis und damit einen größeren Anreiz sowie umfangreichere Finanzmittel hinter sich vereinigen könnten. Ihr kategorischer Ausschluss aus Angst vor Missbrauch ist daher ungerechtfertigt und erfolgt noch dazu aus den falschen Gründen, da weder Erfahrung noch Seriösität anhand einer rein zeitlichen Komponente messbar sind. Obwohl natürlich auch in diesem Punkt eine gewisse Eingrenzung nötig sein wird68, zählt die Bestandsdauer keinesfalls zu den definierenden Charakteristika eines Verbandes im hier erörterten Sinne. Es bleibt damit bis hierhin bei der o. g. allgemeinen Definition. Einen weiteren Anknüpfungspunkt bietet das Gesellschaftsrecht. Aus dessen Perspektive definiert Schmidt einen Verband – explizit ohne den Anspruch einer (rechts) politisch tragfähigen Verbandstheorie – als „durch Gesellschaftsvertrag oder Satzung verfasste, auf Mitgliedschaft beruhende und gegenüber den Mitgliedern verselbstständigte, einem Verbandszweck („gemeinsamen Zweck“) dienende Organisation.“69
Ein Verband verkörpert demnach ein organisationsrechtliches Verhältnis, das von einem rein schuldrechtlichen Verhältnis zu unterscheiden ist. Gleichzeitig aber sind die Rechtsfähigkeit und damit die Rechtsträgerschaft von der Verbandsstruktur einer Organisation grundsätzlich unabhängig. Bildet eine wie auch immer geartete organisatorische Verselbstständigung gegenüber 67 Anders
dazu Kleps, ebenda, S. 176, 178, die mit Blick auf die Wirtschaftspolitik von einer „Verschränkung von Staat und Gesellschaft“ spricht. 68 Im Einzelnen dazu im vierten Kapitel, S. 359 ff. 69 Schmidt, S. 168.
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Drittes Kapitel: Die Person des Repräsentanten
den Mitgliedern den Kern des Verbandsbegriffs, so liegt damit dennoch auch eine rechtliche Verselbstständigung durchaus nahe.70 Einigkeit besteht insoweit, dass jede als Rechtsträgerin auftretende sogenannte Außengesellschaft jedenfalls als Verband organisiert sein, also eine gegenüber ihren Mitgliedern verselbstständigte Verfassung aufweisen muss.71 Trotzdem liegt eine entsprechende Verbandsstruktur auch unabhängig von der Rechtsträgerschaft z. B. im Gründungsstadium von Verein oder Aktiengesellschaft ebenso vor wie in einem Verein nach § 22 BGB. Demgegenüber erschöpft sich die sogenannte (Personen-) Innengesellschaft in aller Regel in einem Schuldverhältnis zwischen ihren Mitgliedern.72 Des Weiteren stimmt der Begriff „Verband“ nicht mit dem der „Körperschaft“ überein. Die gegenteilige Ansicht geht auf die überkommene Gegenüberstellung der juristischen Person als Verband und der (Personen-) Gesellschaft als Schuldverhältnis zurück. Im Einklang damit handelt es sich bei jeder Körperschaft zwingend auch um einen gegenüber ihren Mitgliedern organisatorisch verselbstständigten Verband. Darüber hinaus aber ist zwischenzeitlich auch bei Personengesellschaften jedenfalls in Form von Außengesellschaften eine Verbandsstruktur anerkannt73, sodass diesbezüglich die körperschaftliche von der personalistischen Struktur unterschieden werden muss. Die jeweilige dogmatische Gestalt der Verbandsmitgliedschaft, mithin das Verhältnis der Mitglieder zueinander und zum Verband im Detail ist dabei weiterhin Gegenstand wissenschaftlicher Debatten. Dementsprechend stehen die Bezeichnungen der Körperschaften als „Verbandsperson“ und der Personengesellschaften als „Personenverband“ heute an anderer Stelle charakteristisch für ihr jeweiliges Verhältnis zur juristischen Person.74 Die körperschaftliche Struktur stellt damit jedenfalls einen, jedoch nicht den ausschließlichen Verbandstypus dar. Unabhängig von beidem steht die Stiftung gem. §§ 80 ff. BGB, die juristische und damit rechtsfähige Person ist, ohne Verband und auch ohne Körperschaft zu sein. Sie entspricht mit anderen Worten einer weiteren Form der organisationsrechtlichen Verselbstständigung neben dem Verband.75 70
Schmidt, S. 181 f. Ulmer/Schäfer, in: MK BGB, § 705 BGB Rn. 292; Sprau, in: Palandt, § 705 BGB Rn. 24. 72 Schmidt, S. 169 f., der auch eine als Verband organisierte Innengesellschaft für denkbar hält. 73 Schmidt, S. 168; Ulmer/Schäfer, in: MK BGB, Vor § 705 BGB Rn. 10 und 12 f.; a. A. in der Terminologie Reuter, in: MK BGB, Vor § 21 BGB Rn. 53, inhaltlich aber übereinstimmend ebenda, Rn. 8 und 10. 74 Im Anschluss an Otto v. Gierke einerseits Flume, S. 259 ff.; andererseits Schmidt, S. 168, S. 550 und S. 656 f. m. w. N. 75 Hüttemann/Rawert, in: Staudinger, Vorbem. zu §§ 80–88 BGB, Rn. 1 und 11 f.; Weitemeyer, in: MK BGB, § 80 BGB Rn. 1; Schmidt, S. 173 f. 71
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Insgesamt bleibt der Ertrag aus dem Verbandsbegriff damit für die hiesigen Zwecke gering. In den §§ 3 I Nr. 2 und § 4 II 1 UKlaG, 8 III Nr. 2 UWG und 33 II Nr. 1 GWB dient der Terminus für sich allein betrachtet nur der Abgrenzung zur Klage eines einzelnen individuellen Repräsentanten im Namen der Gruppe.76 Diese Funktion soll stattdessen von einem Zusammenschluss von Personen ausgeübt werden, dessen Charakteristika angefangen bei seiner der satzungsgemäßen Zwecksetzung die Normen im Weiteren vorgeben.
2. Verbraucherverbände a) Entstehung der Unterlassungsklage von Verbraucherverbänden Bereits 1965 wurde mit der Einführung des § 13 Ia UWG a. F. der Kreis der klageberechtigten Akteure im Rahmen der lauterkeitsrechtlichen Unterlassungsklage erstmals um die Verbraucherverbände erweitert. Dabei kam es der damaligen Bundesregierung darauf an, nur denjenigen Verbänden ein Klagerecht zu verleihen, „deren satzungsgemäße Aufgabe darin besteht, […] die ‚Letztverbraucher‘ (‚Endabnehmer‘, ‚Konsumenten‘) aufzuklären und sie über die auf dem Markt angebotenen Waren und Dienstleistungen zu unterrichten“.
Der Begriff Verbraucherverband schien ihr dafür zu konturenlos77 und § 13 Ia UWG i. d. F. vom 22. 07. 1965 sprach daraufhin von „Verbänden […], zu deren satzungsgemäßen Aufgaben es gehört, die Interessen der Verbraucher durch Aufklärung und Beratung wahrzunehmen“.
Diese Formulierung blieb auch in späteren Neufassungen zunächst erhalten. Erneuten Anlass zu politischer Auseinandersetzung gab dann das am 01. 04. 1977 endgültig in Kraft getretene AGBG78. Abseits einer umfangreichen Debatte über die Form eines Kontrollverfahrens zur Einhaltung des AGB-Rechts79 blieb die Frage nach den handelnden Akteuren, die eine solche Kontrolle ausüben sollten aber weitestgehend unberücksichtigt. Die eigens geschaffene Arbeitsgruppe sprach sich lediglich deutlich gegen eine Popularklage im Sinne einer Befugnis des Einzelnen aus, auf Unterlassung bzw. Beseitigung zu klagen.80 Ebenso befand sie den Vorschlag Verbraucherinitiati76 Das erklärt auch, warum der Begriff in den Kommentierungen in aller Regel gar nicht, in Ausnahmefällen in wenigen Sätzen erörtert wird, vgl. nur Roloff, in: Erman, 13. Aufl., § 3 UKlaG Rn. 3. 77 Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb, BT-Drucks. 4/2217, S. 4. 78 Ausführlich zu Entstehungsgeschichte und Gesetzgebungsverfahren Micklitz, in: MK ZPO, Vor §§ 1 ff. UKlaG Rn. 8 ff. 79 Dazu schon im ersten Kapitel, S. 47 ff. 80 Bundesminister der Justiz (Hrsg.), Zweiter Teilbericht, S. 40; dafür aber noch ein Gesetzentwurf der Fachkommission Verbraucherschutz des Bundesarbeitskreises Christlich-De-
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Drittes Kapitel: Die Person des Repräsentanten
ven, also Gruppen individueller Verbraucher mit einem Quorum von z. B. 50 Personen eine entsprechende Klage zu ermöglichen, mit dem Argument für unnötig, die Betreffenden könnten sich genauso an einen Verband wenden.81 Eine Auseinandersetzung mit Rolle und Funktion eben dieser Verbände lässt der Bericht der Arbeitsgruppe jedoch leider vermissen. Der politische Druck das Gesetz noch vor der anstehenden Bundestagswahl in Gänze zu verabschieden, begünstigte schließlich eine Regelung, die sehr eng an das UWG angelehnt war. Für die neuen § 13 II Nr. 1 und 2 AGBG dienten die § 13 I bzw. Ia UWG als Vorlage, sodass neben den gewerblichen Verbänden und den Industrie- und Handels- sowie Handwerkskammern an erster Stelle und mit bekanntem Wortlaut den Verbraucherverbänden die Geltendmachung eines Unterlassungs- und Widerrufsanspruchs gegen die Verwendung unwirksamer AGB übertragen wurde. Die Rechtsschutztätigkeit der Verbände im Interesse von Verbrauchern wurde so ein weiteres Mal erheblich ausgeweitet. Eine noch im CDU/CSU-Entwurf vorgesehene prozessstandschaftliche Klage der Verbraucherverbände für ihre Mitglieder dagegen wurde ebenso wie ein Konzessionssystem für Verbände zur Erlangung der Klageberechtigung82 zunächst nicht verwirklicht. Angesichts der auslaufenden Umsetzungsfrist für die UKla-Richtlinie a. F. entschied sich der Gesetzgeber jedoch im Rahmen der ersten Reform des AGBG im Jahr 2000 zu einem Systemwechsel. Anstelle der gerichtlichen Einzelfallprüfung schuf er über die Vorgaben der Richtlinie hinaus ein behördliches Registrierungsverfahren für alle inländischen Verbraucherverbände.83 Mit der bald darauf folgenden Schuldrechtsreform wurden die verfahrensrechtlichen Regelungen des AGBG schließlich in das neue Unterlassungsklagengesetz (UKlaG) ausgegliedert. An die Stelle der vorherigen §§ 13 II Nr. 1 und 22 III Nr. 2 AGBG trat damit § 3 I 1 Nr. 1 UKlaG. § 13 II Nr. 3 UWG wurde etwas später in § 8 III Nr. 3 UWG überführt. Erst im Jahre 2013 folgte eine gleichlautende Regelung für das Kartellrecht in § 33 II Nr. 2 GWB. Alle drei Normen beziehen sich in ihrer geltenden Fassung auf „qualifizierte Einrichtungen“, einem aus der UKla-Richtlinie übernommenen Sammelbegriff für Verbraucherverbände. Die Voraussetzungen für inländische Verbraucherverbände, um sich als „qualifizierten Einrichtungen“ zu registrieren, enthält nun § 4 II UKlaG. mokratischer Juristen, dort §§ 27 und 28, abgedruckt in BB, Beilage 9/1974 zu Heft 26/1974, S. 4 und 14. 81 Bundesminister der Justiz (Hrsg.), Zweiter Teilbericht, S. 40 f. 82 Vgl. den Entwurf eines Gesetzes über Allgemeine Geschäftsbedingungen, BTDrucks. 7/3200, S. 6 und den Bericht der Abgeordneten Thürk und Frau Dr. Däubler-Gmelin für den Rechtsausschuss zu den Entwürfen der Bundesregierung und der Opposition, BTDrucks. 7/5422, S. 3 und 10 f. 83 Dazu im Einzelnen im fünften Kapitel, S. 384 ff.
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Eintragungsfähig sind danach nur „Verbände, zu deren satzungsmäßigen Aufgaben es gehört, die Interessen der Verbraucher durch Aufklärung und Beratung […] wahrzunehmen“.
Es fällt auf, dass hier ungeachtet aller oberflächlichen Änderungen die ursprüngliche Formulierung des § 13 Ia UWG in der Fassung von 1965 fast unverändert Bestand hat. Folglich läge es nahe, die umfangreiche dazu und später zu § 13 II Nr. 3 UWG a. F. ergangene Rechtsprechung ebenfalls für § 4 II UKlaG heranzuziehen. Eine solche generelle Übertragung missachtet jedoch Veränderungen im Detail. Anhand von § 4 II UKlaG bestimmt sich nicht nur eine Anmeldung zur Liste des Bundesamtes für Justiz, sondern ebenso zur unionsweit gültigen Liste „qualifizierter Einrichtungen“ der Europäischen Kommission.84 Die Norm dient daher u. a. der Umsetzung des § 4 II UKla-RL und ist an deren Vorgaben85 gebunden. Neben vereinzelten Anpassungen des Wortlauts sind darüber hinaus Zweck und Reichweite beider Normen keineswegs identisch. Betraf § 13 Ia UWG noch ausschließlich die Bekämpfung unlauteren Wettbewerbs, muss § 4 UKlaG im nationalen Kontext für die Geltendmachung von lauterkeitsrechtlichen, kartellrechtlichen und verbraucherrechtlichen Verstößen sowie die Beurteilung missbräuchlicher Klauseln gleichermaßen die Grundlage bieten.86 Noch im Rahmen der Schuldrechtsreform sprach sich die Bundesregierung vehement gegen den Vorschlag aus, die Verbandsklagebefugnisse der Verbraucherverbände aus UWG und UKlaG zusammenzulegen und argumentierte, deren unterschiedliche Zielrichtung würde nivelliert. Während das UKlaG allein dem Verbraucherschutz diene, sei übergeordneter Gesichtspunkt des UWG der lautere Wettbewerb und damit die gegeneinander abzuwägenden Interessen von Mitbewerbern, anderen Marktteilnehmern, der Allgemeinheit und eben der Verbraucher.87 Wenn dem aber so ist, verbietet sich ebenso die pauschale Gleichbehandlung von § 13 Ia bzw. II Nr. 3 a. F. UWG und § 4 II UKlaG, insbesondere im Hinblick auf die von Verbänden danach wahrzunehmenden „Interessen der Verbraucher“.88 Hinzu kommt, dass in der jetzigen Form nur noch § 4 II UKlaG für eine inhaltliche Auslegung offensteht. Die §§ 3 I 1 Nr. 1 UKlaG, 8 III Nr. 3 UWG sowie 33 II Nr. 2 GWB dagegen 84
Zu dieser verfehlten Parallelität im fünften Kapitel, S. 353 f. Dazu schon soeben S. 191 ff. 86 Die Vereinheitlichung in einem Listensystem wurde durch das Gesetz über Fernabsatzverträge und andere Fragen des Verbraucherrechts begonnen und durch das 8. GWBÄnderungsgesetz vervollständigt. In beiden Fällen schweigen sich die Materialien jedoch zu den Konsequenzen dieser Zusammenführung mit Blick auf die Interessenlage und die Normauslegung aus, vgl. BT-Drucks. 14/2658, S. 28, 52, 55 und BT-Drucks. 17/9852, S. 27; auch Greger, NJW 2000, 2457, 2462 spricht von einer Angleichung an §§ 13, 22 AGBG a. F. 87 Stellungnahme des BR und Gegenäußerung der BReg zum Entwurf eines Gesetzes über die Modernisierung des Schuldrechts, BT-Drucks. 14/6857, S. 39 und 69 f.; ebenso Ohly, in: Ohly/Sosnitza, § 8 UWG Rn. 85. 88 Dazu sogleich S. 208 ff. 85
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Drittes Kapitel: Die Person des Repräsentanten
verlangen im Tatbestand lediglich eine wirksam auf die Liste des Bundesamtes für Justiz oder der Europäischen Kommission eingetragene „qualifizierte Einrichtung“. Die Bedingungen für einen Listeneintrag sowie das dazugehörige Verfahren bestimmen sich ausschließlich nach § 4 II UKlaG, für den deshalb nur eine einheitliche Auslegung in Betracht kommt.89 Die Übertragbarkeit der UWG-Rechtsprechung kann dementsprechend nur für jedes Merkmal separat und unter Berücksichtigung der Neuerungen beurteilt werden.90
b) Wahrnehmung von Verbraucherinteressen aa) Verbraucherinteressen „Interesse der Verbraucher“ i. S. d. § 4 II 1 UKlaG kann nach überwiegender Ansicht jedes kollektive und über die Individualinteressen Einzelner hinausgehende allgemeine Verbraucherinteresse sein.91 Es darf sich daher einerseits nicht um die lediglich gebündelten Interessen individueller Verbraucher handeln. Anderseits geht es speziell um eine Interessenwahrnehmung der Verbraucher, die zwar im Einzelfall auch der Allgemeinheit dienen kann, sich aber grundsätzlich vom Schutz des Allgemeininteresses unterscheidet.92 Klärungsbedürftig ist damit, was inhaltlich als „Interesse der Verbraucher“ i. S. d. § 4 II 1 UKlaG qualifiziert werden kann. Die §§ 13, 14 BGB unterscheiden lediglich den „Verbraucher“ und den „Unternehmer“ und definieren sie sowohl für die Zwecke des gesamten BGB als auch darüber hinaus als zentrale Begriffe des Privatrechts.93 Die Begriffsbestimmung folgt einem rollenbezogenen Modell94 und ordnet die handelnde Person danach der Verbraucher- oder Unternehmerseite zu, ob sie
89 So schon bei Einführung des § 22a AGBG der Entwurf eines Gesetzes über Fernabsatzverträge und andere Fragen des Verbraucherrechts […], BT-Drucks. 14/2658, S. 54: „Das zwingt dazu, die bisher in den genannten Verfahrensvorschriften geregelten inhaltlichen Voraussetzungen inhaltsgleich hier explizit zu bestimmen. Dies ist Inhalt von Absatz 2 Satz 1.“ 90 Im Gegensatz zum Begriff der „Interessen der Verbraucher“ dürfte sich die Übertragbarkeit bei der Frage, was unter „Aufklärung und Beratung“ zu verstehen ist und wie diese Verbandstätigkeit auszusehen hat, weitgehend unproblematisch gestalten; so auch OVG Münster, NJW 2004, 1123 und Brönneke, in: Brönneke, S. 75, 76. 91 Micklitz, in: MK ZPO, § 4 UKlaG Rn 17; Köhler, in: Köhler/Bornkamm, § 2 UKlaG Rn. 17 und Köhler/Feddersen, a. a. O., § 8 UWG Rn. 3.56; Ottofülling, in: MK LauterkeitsR, § 8 UWG Rn. 427; Roloff, in: Erman, 13. Aufl., § 4 UKlaG Rn. 2. 92 Buchner, S. 31 f.; Lakkis, S. 10; zur Kategorisierung von Verbraucherinteressen bereits Thiere, S. 105 ff. 93 Kannowski, in: Staudinger, § 13 BGB Rn. 16 und 28 f.; Saenger, in: Erman, § 13 BGB Rn. 3 und 21; noch weiter als zentrales Merkmal des Europäischen Privatrechts Pfeiffer, in: Soergel, § 13 BGB Rn. 3. 94 Micklitz/Purnhagen, in: MK BGB, § 13 BGB Rn. 4; Thiere, S. 104 f.; zurückhaltend Pfeiffer, ebenda, Rn. 20.
§ 6 Die „Einrichtung“
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„ein Rechtsgeschäft zu Zwecken abschließt, die überwiegend weder ihrer gewerblichen noch ihrer selbständigen beruflichen Tätigkeit zugerechnet werden können“ (Hervorhebung durch Verfasser).
oder eben „bei Abschluss eines Rechtsgeschäfts in Ausübung ihrer gewerblichen oder selbständigen beruflichen Tätigkeit handelt“ (Hervorhebung durch Verfasser)
Für die Einordnung als „Verbraucher“ ist mithin die objektive Zwecksetzung des jeweiligen Rechtsgeschäfts im Einzelfall maßgeblich.95 Hinzu kommt eine situative Komponente, aufgrund der sich die Verbraucherrolle regelmäßig nur im Kontext des jeweils in Frage stehenden Verbraucherrechts bestimmen lässt. Die §§ 13, 14 BGB ziehen lediglich eine allgemeingültige Definition vor die Klammer, die für sich gesehen (z. B. in Geschäften zwischen zwei Verbrauchern) folgenlos bleibt. Schutzgegenstand und -maßstab dagegen werden erst durch den Inhalt des jeweiligen Rechtsgeschäfts geprägt.96 Diese situative Komponente hilft bei der Eingrenzung gerade eines kollektiven Verbraucherinteresses offensichtlich nicht weiter. Denkbar erscheint jedoch, die zu §§ 13, 14 BGB entwickelten Grundsätze trotzdem auf die objektive Zwecksetzung der in Rede stehenden Organisationen anzuwenden. Auf diese Weise ließe sich die zwischenzeitlich im deutschen wie im europäischen Recht fest verankerte Systematik weiterhin nutzbar machen. Erforderlich wäre dann, die „Interessen der Verbraucher“ als übergeordneten Begriff von einem situativen Kontext zu lösen. Beispielsweise entschied der Bundesgerichtshof in einem seiner ersten Urteile zu § 13 Ia UWG: „Als […] Verbraucherinteressen […] hat der Gesetzgeber das Interesse (sic!) der Verbraucher an Aufklärung und Unterrichtung über die auf dem Markt angebotenen Waren und Dienstleistungen angesehen (vgl. die amtliche Begründung zum Entwurf des Änderungsgesetzes v. 31. 7. 1965, BT-Dr IV/2217, S. 4). Dabei sollte dem Informationsnachteil der Verbraucher entgegengewirkt werden, der sich aus der im Verhältnis zur Anbieterseite regelmäßig geringeren Waren- und Marktkenntnis ergibt. Der Verbraucher sollte durch Aufklärung und Beratung vor Übervorteilung und vor Irreführungen bewahrt werden. Eine an diesen Interessen satzungsgemäß orientierte Tätigkeit muss danach darauf gerichtet sein, die Verbraucher über die Marktlage, die Qualität und Preiswürdigkeit der verschiedenen im Wettbewerb angebotenen Waren und Dienstleistungen zu unterrichten und ihnen die Auswahl unter diesen zu erleichtern.“97
Darauf aufbauend plädiert ein Großteil der lauterkeitsrechtlichen Literatur noch heute dafür, der Begriff der Verbraucherinteressen in § 4 II 1 UKlaG sei 95 Kannowski, in: Staudinger, § 13 BGB Rn. 41 f.; Micklitz/Purnhagen, in: MK BGB, § 13 BGB Rn. 35 und 45. 96 Micklitz/Purnhagen, ebenda Rn. 4, 7; Saenger, in: Erman, § 13 BGB Rn. 2; Pfeiffer, in: Soergel, § 13 BGB Rn. 31b. 97 BGH NJW 1984, 668.
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Drittes Kapitel: Die Person des Repräsentanten
„marktbezogen auszulegen, nämlich als Interesse der Verbraucher an Marktübersicht und Produktkenntnis, um eine bessere Auswahl treffen zu können und um vor Übervorteilung und Irreführung bewahrt zu werden.“98
Mag das für die Zwecke einer isolierten UWG-Verbandsklage zugetroffen haben, ist diese Auslegung für § 4 II 1 UKlaG zu eng und missachtet die dort erfolgte Vereinheitlichung der Voraussetzungen für alle Verbraucherverbandsklagen. Bereits aus dem auch vom Bundesgerichtshof zitierten Gesetzentwurf zu § 13 Ia UWG a. F. wird deutlich, dass die Norm in ihrer damaligen Form lediglich auf Verbraucherinteressen im situativen Kontext des Lauterkeitsrechts zugeschnitten war. Explizit sollte danach z. B. der Deutsche Mieterbund nicht unter § 13 Ia UWG fallen99, ist jedoch ebenso wie zahlreiche seiner Mitgliedsverbände seit Inkrafttreten des UKlaG durchgehend als „qualifizierte Einrichtung“ i. S. v. § 4 II 1 UKlaG gelistet. Im Gegensatz zu § 13 Ia UWG steht § 4 II 1 UKlaG und insbesondere dessen Tatbestandsmerkmal „Interessen der Verbraucher“ im Prozessrecht zwischenzeitlich ebenso vor der Klammer wie die §§ 13, 14 BGB im materiellen Recht. Die Definition muss daher allgemeine Gültigkeit beanspruchen und alle Interessen umfassen, die für einen Verbraucher materiell-rechtlich virulent werden können. Einen nutzbaren Anknüpfungspunkt enthält daher das UKlaG selbst in § 2 I. So lassen sich alle „Verbraucherschutzgesetze“ i. S. d. Norm als objektivierte Ausprägung von Verbraucherinteressen verstehen.100 Den Kern der Definition aber muss im Ergebnis der Gegensatz von „Verbraucher“ und „Unternehmer“ im Rechtssinne bilden. „Interessen der Verbraucher“ bestehen damit überall dort, wo das Recht den Einzelnen in seiner Rolle als „Verbraucher“ für schutzbedürftig erachtet. Das ist wie gesehen ausschließlich in rechtlicher Beziehung zu einem „Unternehmer“ denkbar101, weswegen auch nur in diesem Kontext eine Wahrnehmung von Verbraucherinteressen in Betracht kommt. Innerhalb dieses Rahmens ist daher insbesondere eine negative Abgrenzung von den Unternehmerinteressen102 essentiell.
bb) Art und Weise der Interessenwahrnehmung Eine Registrierung als „qualifizierte Einrichtung“ ist gem. § 4 II 1 UKlaG nur solchen Verbänden möglich, die kraft ihrer Satzung Verbraucherinteressen 98 Köhler/Feddersen, in: Köhler/Bornkamm, § 8 UWG Rn 3.56; dem folgend Paal, in: GroßkommUWG, § 8 UWG Rn. 235; Ottofülling, in: MK LauterkeitsR, § 8 UWG Rn. 427; ähnlich auch Büch, in: Teplitzky, Kap. 13 Rn. 31 und Jestaedt, in: Ahrens, Kap. 19 Rn. 50. 99 Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb […], BT-Drucks. 4/2217, S. 4. 100 Von Moltke, S. 26. 101 Folglich Von Moltke, S. 27: „Ein überzeugendes gegenläufiges Interesse des sich in der Rolle des Verbrauchers befindlichen Individuums gegen Verbraucherschutz besteht […] nicht.“ 102 Dazu sogleich S. 227 ff.
§ 6 Die „Einrichtung“
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durch Aufklärung und Beratung wahrnehmen. Uneinigkeit herrscht jedoch bereits dahingehend, ob diese gesetzlich vorgegebene Zwecksetzung ausdrücklich in der Satzung genannt sein muss103 oder sich auch nur ableitbar daraus ergeben kann104 und ob ein Nebeneinander von Aufklärung und Beratung zwingend erforderlich ist.105 Ebenso wird unterschiedlich beurteilt, ob es sich dabei um einen Hauptzweck des Verbands handeln muss.106 Überwiegend, wenn auch nicht in Gänze einheitlich wird in diesem Kontext die Beurteilung sogenannter Mischverbände gehandhabt, die entweder nach ihrer Satzung oder tatsächlich sowohl Gewerbeals auch Verbraucherinteressen fördern. Der Bundesgerichtshof hat in zwei Urteilen zu § 13 I bzw. Ia UWG a. F. jede Klagebefugnis aufgrund der Gefahr von Interessenkonflikten abgelehnt, bezieht sich darin jedoch ausdrücklich nur auf solche Verbände, die sich gleichrangig an beide Interessengruppen richten. Dabei komme es auf das Gesamtbild an, das eine Vereinigung bei einer zusammenfassenden Betrachtung seiner satzungsgemäßen Ziele, der Zusammensetzung seiner Mitglieder, dem satzungsgemäßen und tatsächlichen Gewicht der einzelnen Mitgliedergruppen und seiner konkret ausgeübten Tätigkeiten bietet. Das Gericht hält es dezidiert für möglich, dass Interessenkollisionen und eine Beeinträchtigung der Funktionsfähigkeit des Verbandes ausgeschlossen sein können, obwohl ein geringerer Teil der Verbandsmitglieder Verbraucher
103 So Witt, in: U/B/H, § 4 UKlaG Rn. 3b; Roloff, in: Erman, 13. Aufl., § 4 UKlaG Rn. 2; Schlosser, in: Staudinger, § 4 UKlaG Rn. 5. 104 Nach Lindacher, in: W/L/P, § 4 UKlaG Rn. 7 und Micklitz, in: MK ZPO, § 4 UKlaG Rn. 17 können Aufklärung und Beratung auch in der Aufgabenstellung einer allgemeinen Wahrnehmung der Verbraucherinteressen enthalten sein; vgl. außerdem Büscher, in: F/B/O, § 8 UWG Rn. 272; Paal, in: GroßkommUWG, § 8 UWG Rn. 235; Köhler/Feddersen, in: Köhler/Bornkamm, § 8 UWG Rn 3.56 allerdings unter Verweis auf Rspr. zu § 13 I UWG a. F. also betreffend die gewerblichen Verbände. 105 Zu Recht meint Schlosser, in: Staudinger, § 4 UKlaG Rn. 5, beide Tätigkeiten gingen in der Realität fließend ineinander über und folglich sei weder jeweils eine Definition noch die Feststellung von Nöten, dass und wie ein antragstellender Verband beidem nachkommt; ebenso Micklitz, in: MK ZPO, § 4 UKlaG Rn 17 mit Fn. 13; a. A. Witt, in: U/B/H, § 4 UKlaG Rn. 3b; Roloff, in: Erman, 13. Aufl., § 4 UKlaG Rn. 2; Köhler/Feddersen, in: Köhler/Bornkamm, § 8 UWG Rn 3.56; Büscher, in: F/B/O, § 8 UWG Rn. 272; Büch, in: Teplitzky, Kap. 13 Rn. 31a. Das bisweilen zur Unterstützung zitierte Urteil des OVG Münster, NJW 2004, 1123 enthält hierzu keine Aussage, sondern schließt lediglich eine reine Abmahntätigkeit aus. 106 So Roloff, in: Erman, 13. Aufl., § 4 UKlaG Rn. 2; a. A. Schlosser, in: Staudinger, § 4 UKlaG Rn. 5, nach dem es sich nicht um eine „untergeordnete Nebenaufgabe“ handeln darf, eine „gewisse Intensität“ aber ausreichend ist, ohne dass es sich um den Hauptzweck handeln muss; ebenso Witt, in: U/B/H, § 4 UKlaG Rn. 3b und 5; Bassenge, in: Palandt, § 4 UKlaG Rn. 6; Brönneke, in: Brönneke, S. 75, 77; Büscher, in: F/B/O, § 8 UWG Rn. 272; wohl auch Köhler/Feddersen, in: Köhler/Bornkamm, § 8 UWG Rn. 3.56; nach Lindacher, in: W/L/P, § 4 UKlaG Rn. 7 ist dagegen lediglich erforderlich, dass die „Leistungen absolut in einem hinreichenden Maß erbracht werden“ (Hervorhebung im Original).
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Drittes Kapitel: Die Person des Repräsentanten
bzw. Gewerbetreibende sind.107 Eine Mehrheit der Literatur schließt sich auch zu § 4 UKlaG weiterhin dieser Rechtsprechung an und lehnt die Eintragungsfähigkeit von Mischverbänden dementsprechend unter den genannten Voraussetzungen ab.108 Eine hinreichende Abgrenzung zur Unternehmerseite wie diesseits befürwortet scheint dadurch ebenfalls gewährleistet. Wird es schließlich überwiegend für zulässig gehalten, dass die Verbände ihre Arbeit in sachlicher oder räumlicher Hinsicht bzw. auf eine bestimmte Verbrauchergruppe spezialisieren109, ist zudem unentschieden, ob ihnen erlaubt sein soll ausschließlich solche Verbraucherinteressen wahrzunehmen, die ihre Mitglieder betreffen.110 Unter den Befürwortern einer Spezialisierung bestehen des Weiteren verschiedene Ansichten dahingehend, welche Auswirkung eine Spezialisierung auf die Klageberechtigung hat.111 In Anbetracht dieser zahlreichen Unklarheiten ist es bereits ohne Berücksichtigung der übrigen Tatbestandsmerkmale nicht nachzuvollziehen, wenn Meller-Hannich/Höland feststellen, die rechtlichen Voraussetzungen einer Eintragung seien „hinlänglich klar gefasst“.112
cc) Vermutung gem. § 4 II 2 UKlaG Die Unklarheiten werden aber jedenfalls insoweit relativiert, als gem. § 4 II 2 UKlaG das Vorliegen aller Qualifikationsmerkmale zu Gunsten von Ver107 BGH NJW 1983, 1061, 1062; BGH NJW 1985, 1032, 1033 und BGH GRUR 1988, 832, 833. 108 Micklitz, in: MK ZPO, § 4 UKlaG Rn. 19; Köhler/Feddersen, in: Köhler/Bornkamm, § 8 UWG Rn 3.56; Ottofülling, in: MK LauterkeitsR, § 8 UWG Rn. 428; Paal, in: GroßkommUWG, § 8 UWG Rn. 237; Jestaedt, in: Ahrens, Kap. 19 Rn. 65; Büch, in: Teplitzky, Kap. 13 Rn. 19; enger Schlosser, in: Staudinger, § 4 UKlaG Rn. 5, der die Übertragbarkeit der genannten Rspr. auf § 4 UKlaG und damit die Eintragung jedes Mischverbands ablehnt; ebenso wohl Witt, in: U/B/H, § 4 UKlaG Rn. 3b; zur gleichen Problematik im Fall der gewerblichen Verbände sogleich S. 210 mit Fn. 202. 109 Schlosser, in: Staudinger, § 4 UKlaG Rn. 5; Witt, in: U/B/H, § 4 UKlaG Rn. 5; Lindacher, in: W/L/P, § 4 UKlaG Rn. 7; Bassenge, in: Palandt, § 4 UKlaG Rn. 6; Roloff, in: Erman, 13. Aufl., § 4 UKlaG Rn. 2; Micklitz, in: MK ZPO, § 4 UKlaG Rn 17; Köhler/Feddersen, in: Köhler/Bornkamm, § 8 UWG Rn 3.56; Büscher, in: F/B/O, § 8 UWG Rn. 273; Büch, in: Teplitzky, Kap. 13 Rn. 31d. 110 Dagegen Schlosser, in: Staudinger, § 4 UKlaG Rn. 5 unter Verweis auf Rspr. zu § 13 Ia UWG a. F.; Roloff, in: Erman, 13. Aufl., § 4 UKlaG, Rn. 2; Büscher, in: F/B/O, § 8 UWG Rn. 273; Büch, in: Teplitzky, Kap. 13 Rn. 31a; a. A. Lindacher, in: W/L/P, § 4 UKlaG Rn. 7, unter der Voraussetzung einer „quantitativ hinreichenden einschlägigen Tätigkeit“ (vgl. schon Fn. 106); ebenso Urbanczyk, S. 169. 111 Schlosser, in: Staudinger, § 4 UKlaG Rn. 6 geht bei einer sachlichen oder räumlichen Beschränkung zugleich von einer entsprechenden Begrenzung des Klagerechts aus; ebenso Lindacher, in: W/L/P, § 3 UKlaG Rn. 17; Roloff, in: Erman, 13. Aufl., § 4 UKlaG Rn. 2; Micklitz, in: MK ZPO, § 4 UKlaG Rn 17; a. A. Halfmeier, in: Prütting/Gehrlein, § 4 UKlaG Rn. 2, nach dem die Klagebefugnis nicht schon durch eine –wenn auch dauerhaft– beschränkte Tätigkeit, sondern nur durch eine Selbstbeschränkung des jeweiligen Verbands in seiner Satzung berührt wird. 112 Meller-Hannich/Höland, Evaluierung, S. 130.
§ 6 Die „Einrichtung“
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braucherzentralen und allen mit öffentlichen Mitteln geförderten Verbraucherverbänden unwiderleglich vermutet wird.113 Die Vermutung erfasst neben den 16 Verbraucherzentralen und dem Verbraucherzentrale Bundesverband (vzbv) alle mit Mitteln des Bundes, eines Landes, einer Kommune oder einer anderen öffentlichen Stelle geförderten Vereinigungen, die nach ihrem Satzungszweck jedenfalls u. a. Verbraucherschutzaufgaben wahrnehmen. Die Fördermittel müssen dauerhaft und nicht nur einmalig oder projektbezogen gewährt sein.114 Ein Mindestförderungsbetrag ist nach Teilen der Literatur nicht vorgesehen115, wird jedoch von Einzelnen befürwortet116 und auch in der Verwaltungspraxis von antragstellenden Verbänden verlangt117. Waren die Missbrauchsgefahr und damit der Bedarf an dieser Stelle auch bislang vor dem Hintergrund der verlangten Dauerhaftigkeit der Förderung gering118, geht eine solche gesetzlich oder behördlich festgelegte Schwelle aber noch aus einem anderen Grund am eigentlichen Problem vorbei. Schon jetzt ist den Verbraucherzentralen und -verbänden die wirtschaftliche Eigenfinanzierung neben öffentlicher Förderung erlaubt119 und wird angesichts anhaltender Kürzungen seitens der öffentlichen Hand für die Verbandsfinanzierung zwingend eine weiter wachsende Rolle spielen. Dabei geht es jedoch nicht um die Umgehung von Registrierungsvoraussetzungen, sondern vielmehr um die Anpassung an eine veränderte finanzielle Realität.120 Verliert die staatliche Finanzierung somit weiter an Bedeutung, gilt es aber nicht § 4 II 2 UKlaG mit 113 Auf diesem Weg wurden von den 77 mit Stand 01. 01. 2017 auf der Liste des des Bundesamtes für Justiz registrierten Verbänden nach dortiger Auskunft jedoch nur 18, mithin neben den 16 Verbraucherzentralen und dem vzbv nur ein einziger Verband eingetragen. 114 Micklitz, in: MK ZPO, § 4 UKlaG Rn 24; Witt, in: U/B/H, § 4 UKlaG Rn. 4c; Lindacher, in: W/L/P, § 4 UKlaG Rn. 5; zum insoweit gleichlautenden § 8 I Nr. 4 RDG, der wohl als Vorbild diente, sogleich Fn. 156. 115 Halfmeier, in: Prütting/Gehrlein, § 4 UKlaG Rn. 4; vgl. des Weiteren Fn. 114 mit Ausnahme von Lindacher. 116 Nach Schlosser, in: Staudinger, § 4 UKlaG Rn. 2 „muss es sich um eine im Vergleich zum Gesamthaushalt […] substantielle Förderung […] handeln.“ Lindacher, in: W/L/P, § 4 UKlaG Rn. 5 befürchtet eine „De-facto-Usurpation“ der Entscheidungskompetenz, würde jede öffentliche Mittelzuwendung anerkannt. 117 Nach Angaben des zuständigen Bundesamtes für Justiz, zitiert nach Meller-Hannich/ Höland, Evaluierung, S. 132 f., wird dort für die Anwendbarkeit der gesetzlichen Vermutung „eine im Vergleich zu den sonstigen Einnahmen substantielle Förderung“ verlangt. 118 Witt, in: U/B/H, § 4 UKlaG Rn. 4a. 119 Vgl. die soeben in Fn. 114 genannten Quellen. 120 Ebenso schon Müller, APuZ 24/2001, 10; zu Recht gibt Micklitz, in: MK ZPO, § 4 UKlaG Rn. 24 die kontinuerlich verringerte Förderung seitens der öffentlichen Hand zu bedenken; schon in der Entstehung der Vorgängernorm in § 22a AGBG empfahl der Rechtsausschuss des BT aufgrund „staatliche[r] Mitteleinsparungen“, den Wortlaut der Vermutung über die Verbraucherzentralen hinaus zu öffnen, Beschlussempfehlung und Bericht des Rechtsausschusses zum Entwurf eines Gesetzes über Fernabsatzverträge und andere Fragen des Verbraucherrechts […], BT-Drucks. 14/3195, S. 35; die demgegenüber erstaunlich geringe Anzahl aufgrund der Vermutung registrierter Verbände (vgl. soeben Fn. 113) kann ebenfalls als Indiz für die zurückgehende staatliche Förderung gewertet werden.
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Drittes Kapitel: Die Person des Repräsentanten
Hilfe zusätzlicher Schranken nachzubessern, sondern ist die Legitimation der Vermutung an sich endgültig in Zweifel zu ziehen, geht sie doch schon heute weit über ihren ursprünglichen Zweck hinaus. Der Wortlaut der Vermutung entstammt ursprünglich Art. 1 § 3 Nr. 8 RBerG a. F., der die Besorgung außergerichtlicher Rechtsangelegenheiten „durch für ein Bundesland errichtete, mit öffentlichen Mitteln geförderte Verbraucherzentralen“ erlaubnisfrei stellte. Die Norm basierte darauf, dass der Finanzbedarf der Verbraucherzentralen zum damaligen Zeitpunkt ohnehin weitestgehend aus öffentlichen Mitteln bestritten wurde, sodass die Mittelverwendung einer Prüfung durch die jeweiligen Wirtschaftsministerien und Rechnungshöfe und damit praktisch die gesamte Tätigkeit staatlicher Aufsicht unterlag.121 Ein gesondertes Erlaubnisverfahren im Rahmen des Rechtsberatungsrechts war daher nicht erforderlich. Bei der Übernahme in § 22a II 2 AGBG a. F. erweiterte der Gesetzgeber auf Empfehlung des Rechtsausschusses des Bundestages die Formulierung um alle „andere[n] Verbraucherverbände, die mit öffentlichen Mitteln gefördert werden“122 und folgte damit einem geradezu paradoxen Widerspruch: Der Rechtsausschuss hatte die Öffnung der Norm empfohlen, sodass die Verbraucherzentralen sich im Fall staatlicher Mitteleinsparungen mit anderen Verbänden zusammenschließen und dennoch ihr Privileg erhalten könnten. Eben dieses Privileg fußte aber wie gesehen auf einer ausschließlich staatlichen Finanzierung und der damit verbundenen Kontrolle. Zur Begründung beschränkte sich der Gesetzgeber selbst zu allem Überfluss lediglich darauf festzustellen, mithilfe der neuen Vermutung in § 22a II 2 AGBG a. F. werde „die Erstellung der Liste erleichtert“123. Die erweiterte Fassung der Norm übertrug er schließlich sogar im Rahmen der Schuldrechtsreform kommentarlos124 zurück in Art. 1 § 3 Nr. 8 RBerG a. F. und später dann von dort in die neuen §§ 8 I Nr. 4 RDG und 79 II 2 Nr. 3 ZPO. Vor diesem Hintergrund scheint durchaus ungewiss, ob die Vermutung in § 4 II 2 UKlaG und das damit verbundene Privileg weiterhin gerechtfertigt sind. Dies wäre zum einen der Fall, wenn für den Erhalt und Bestand einer öffentlichen Förderung im o. g. Sinne eine regelmäßige und umfassende Überprüfung jedes potenziellen Empfängers erfolgen müsste und die Vermutung damit eine schlichte Verdopplung des behördlichen Verfahrens vermiede. Angesichts des offenen und auch weit interpretierten Wortlauts, demzufolge sowohl jeder 121 Chemnitz/Johnigk, Art. 1 § 3 RBerG Rn. 467 f.; Rennen/Caliebe, Art. 1 § 3 RBerG Rn. 56. 122 Dazu bereits soeben, Fn. 120. 123 Entwurf eines Gesetzes über Fernabsatzverträge und andere Fragen des Verbraucherrechts […], BT-Drucks. 14/2658, S. 54; der Entwurf eines Gesetzes zur Modernisierung des Schuldrechts, BT-Drucks. 14/6040, S. 274 beschränkt sich auf den aussagelosen Hinweis, § 4 UKlaG entspreche in Funktion und Wortlaut § 22a AGBG. 124 Das heben auch Chemnitz/Johnigk, Art. 1 § 3 RBerG Rn. 466.1 hervor.
§ 6 Die „Einrichtung“
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öffentliche Förderungsträger als auch jeder Förderungsgrund von der Norm als ausreichend erfasst werden, mag jedoch bezweifelt werden, dass in jedem Antragsverfahren die gerade für das UKlaG maßgeblichen Charakteristika geprüft werden, geschweige denn, dass eine derartige Kontrolle in allen Fällen überhaupt stattfindet. Ebenfalls nicht zuzustimmen ist Brönneke, für den die Privilegierung dazu dient, Verbänden die Registrierung zu erleichtern, die „mit einiger Konstanz Aufgaben wahrnehmen, an deren Wahrnehmung ein öffentliches Interesse besteht“.125 Gerade solche Konstanz und eine entsprechende Erfahrung erhebt § 4 II 1 UKlaG zur Grundvoraussetzung für eine Eintragung, sodass eine Differenzierung zwischen privilegierten und nicht privilegierten Verbänden in diesem Punkt kaum möglich erscheint. Schließlich würde sich ein Kontrollverfahren – wie im Ursprung der Norm – auch dann erübrigen, wenn die Mittelverwendung ohnehin zu größten Teilen einer staatlichen Kontrolle unterläge. Das ist jedoch bereits in Bezug auf die Verbraucherzentralen zweifelhaft.126 Zwar sind die noch im Gesetzgebungsverfahren 2008 prognostizierten Fusionen bislang ausgeblieben und auch die Finanzierung stützt sich weiterhin mehrheitlich auf die öffentliche Hand. Dennoch sind deutliche Veränderungen sichtbar: Die Satzungen sehen einen jährlichen Mitgliedsbeitrag vor, der von der Mitgliederversammlung festgelegt wird127 und zusammen mit weiteren Einnahmequellen einen durchaus nennenswerten Anteil nicht-staatlicher Finanzierung bildet.128 Sind aber bereits bei den Verbraucherzentralen Verschiebungen in der genannten Größenordnung sichtbar, muss dies erst recht für alle übrigen Verbraucherverbände gelten, seien sie auch in gewisser Höhe Förderungsempfänger.129 Ginge man z. B. wohlwollend von einem Anteil von 50 % der staatlichen Fördermittel an deren Gesamthaushalt aus, erfolgte eine staatliche Kontrolle der Mittelverwendung eben auch nur in 125
Brönneke, in: Brönneke, S. 75, 78. i. E. noch Dux, in: Deckenbrock/Henssler, § 8 RDG Rn. 39; exemplarisch werden im Folgenden die Verbraucherzentralen Nordrhein-Westfalens, Sachsens, BadenWürttembergs und Hamburgs betrachtet, auf die nach Micklitz, in: MK ZPO, Vor §§ 1 ff. UKlaG Rn. 34 der größte Teil der Verbraucherverbandsklagen in Deutschland entfällt. 127 Vgl. Punkt 5.2 lit. c Satzung der VZ NRW; § 6 III Satzung der VZ BW; § 4 IV Satzung der VZ Sachsen und § 4 V Satzung der VZ HH; anders noch zu Zeiten des RBerG a. F., dazu Fn. 121. 128 Hervorzuheben hier die VZ Hamburg mit Eigeneinnahmen in Höhe von 42 % des Gesamtbudgets 2015, außerdem die VZ NRW mit 15 % sowie die VZ Baden-Württemberg mit 14 % betrieblichen Erträgen und Umsatzerlös am Gesamtbudget 2015 und die VZ Sachsen mit eigenen Einnahmen, Spenden und Bußgeldern i. H. v. rund 15 % des Gesamtbudgets 2015; vgl. bereits im zweiten Kapitel, Fn. 279 bis 281 und außerdem https://www.verbraucherzentralesachsen.de/jahresberichte-2-1 (zuletzt besucht am 12. 04. 2017). 129 Kritik an deren Einbeziehung klingt ebenfalls an bei Chemnitz/Johnigk, Art. 1 § 3 RBerG Rn. 469 a. E.; ebenso sieht Ottofülling, in: MK LauterkeitsR, § 8 UWG Rn. 426 zu Recht eine Einflussnahmemöglichkeit gewerblicher Mitglieder durch hohe Mitgliedsbeiträge, Spenden o.Ä. 126 Bejahend
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Drittes Kapitel: Die Person des Repräsentanten
dieser Hinsicht, während die Verwendung aller Mittel anderen Ursprungs ihr eben nicht unterliegt. Beachtung verdient in diesem Zusammenhang schließlich, dass der Gesetzgeber in § 8 RDG vom ursprünglichen Gedanken des Art. 1 § 3 Nr. 8 RBerG a. F. explizit Abstand genommen und in § 8 II i. V. m. § 7 II RDG ungeachtet einer öffentlichen Förderung bestimmte Qualitätsanforderungen normiert hat. Sie finden ausdrücklich nicht auf die in § 8 I Nr. 1–3 RDG Genannten, wohl aber auf die Verbraucherzentralen sowie Verbraucher- und Wohlfahrtsverbände gem. § 8 I Nr. 4 und 5 RDG Anwendung, da diese „einer öffentlichen Aufsicht nicht oder nur eingeschränkt unterliegen und ihre Befähigung zur Erbringung von Rechtsdienstleistungen nicht gesondert überprüft wird“.130 In Bezug auf § 8 I Nr. 4 RDG bekräftigt die Gesetzesbegründung zudem, die vorgesehenen Mindestanforderungen könnten einerseits – wohl beabsichtigter Weise – von den Verbraucherzentralen unproblematisch erfüllt werden und bedeuteten dort keine Einschränkung, seien aber andererseits „angesichts der Vielzahl der sonstigen öffentlich geförderten Verbraucherschutzeinrichtungen […] aus Gründen des Verbraucherschutzes gerechtfertigt“.131 Der o. g. Widerspruch wird noch deutlicher, berücksichtigt man einen logisch zwingenden, aber inhaltlich durchaus fragwürdigen Umkehrschluss zu § 4 II 2 UKlaG: Bezwecken die Voraussetzungen des § 4 II 1 UKlaG wie behauptet, dass eine Eintragung auf der Liste „nur sachkundigen und seriösen Organisationen“ vorbehalten bleibt, „präsumtiv wenig leistungsfähige Kleinverbände“ eliminiert werden und ein Missbrauch des Verfahrens durch „Abmahnvereine“ vermieden wird132, müsste der Erhalt einer öffentlichen Förderung im o. g. Sinne also zwingend die Erfüllung eben dieser Maßstäbe garantieren.133 Maßstäbe, für die der Gesetzgeber selbst – nochmals: „aus Gründen des Verbraucherschutzes“ – im Rechtsdienstleistungsgesetz Normierungsbedarf gesehen hat. Zusammenfassend hat die Vermutung in § 4 II 2 UKlaG jedenfalls vor dem Hintergrund der jüngeren Entwicklungen ihre Berechtigung eingebüßt. Geht man davon aus, dass die Registrierungsvoraussetzungen für alle Verbraucherzentralen eine einfach zu erfüllende Bedingung darstellen, zeigt die nur geringe Anwendung der Vermutung über sie hinaus134, dass ihr auch in der Vergangen130 Entwurf
eines Gesetzes zur Neuregelung des Rechtsberatungsrechts, BTDrucks. 16/3655, S. 62; Dux, in: Deckenbrock/Henssler, § 8 RDG Rn. 54; Kleine-Cosack, § 8 RDG Rn. 28; K.-M. Schmidt, in: Krenzler, § 8 RDG Rn. 73. 131 Entwurf eines Gesetzes zur Neuregelung des Rechtsberatungsrechts, ebenda. 132 Lindacher, in: W/L/P, § 4 UKlaG Rn. 5, 9 und 11; ähnlich Alexander, JuS 2009, 590, 593. 133 Diese Problematik erkennt auch Schlosser, in: Staudinger, § 4 UKlaG Rn. 2 („blindlings“), hält sie jedoch für „nur theoretisch bedenklich“, weil die Knappheit der Mittel von selbst eine Konzentration auf seriöse Vereinigungen bewirke; kritisch auch Micklitz, in: MK ZPO, § 3 UKlaG Rn. 12. 134 Vgl. dazu schon Fn. 113; insoweit ist die Kritik von Micklitz, ebenda, die Anfor-
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heit kaum ein Mehrwert zugekommen ist. Sie sollte daher ersatzlos gestrichen werden.
c) Rechtsform und Gewerbsmäßigkeit Zu den Grundvoraussetzungen einer Eintragung gem. § 4 II 1 UKlaG gehört außerdem die Rechtsfähigkeit der antragstellenden Verbraucherverbände. 76 von 77 der mit Stand 01. 01. 2017 auf die Liste des Bundesamtes für Justiz135 aufgenommenen deutschen „qualifizierten Einrichtungen“ sind als eingetragener Idealverein i. S. v. § 21 BGB organisiert und als solcher rechtsfähig. Lediglich der Mieterverein zu Hamburg wurde am 15. 04. 1890, mithin vor dem Inkrafttreten des BGB gegründet und erlangte seine Rechtsfähigkeit infolge dessen noch durch Konzession des Senats der Freien und Hansestadt Hamburg.136 Er führt als altrechtlicher Verein die Bezeichnung r. V. für rechtsfähiger Verein, für den gem. Art. 163 EGBGB ebenfalls die §§ 25–53 BGB gelten. Allerdings ist er auch weiterhin nicht im Vereinsregister eingetragen und untersteht nicht der Aufsicht des Registergerichts, sondern der Justizbehörde der Stadt Hamburg.137 Über lange Zeit war unklar, ob und wenn ja, inwieweit auch Organisationen mit einer anderen Rechtsform als ein rechtsfähiger Verein für eine Eintragung in Betracht kommen. Schon die Vorgängernorm in § 22a II 1 AGBG a. F. sprach insoweit nur von „rechtsfähigen Verbänden“ ohne eine bestimmte Rechtsform vorzugeben. Nach der Auffassung des Bundesjustizministeriums sollte das Listensystem auch Verbänden z. B. in Form einer gemeinnützigen GmbH oder einer eingetragenen Genossenschaft offenstehen.138 Im Rahmen der Schuldrechtsreform übernahm der Gesetzgeber den Wortlaut des § 22a II 1 AGBG a. F. weitestgehend in § 4 II 1 UKlaG und ließ damit diese und weitere Möglichkeiten zu einer Klarstellung verstreichen. Ein beachtlicher Teil der Literatur hält zum Teil ohne Begründung, zum Teil mit dem Argument dies sei „praktisch“ die einzige Möglichkeit, nur eingetragene Vereine für eintragungsfähig.139 derungen des § 4 II 1 UKlaG würden durch die Vermutung des S. 2 in ihrer Wirkung stark geschmälert, rein tatsächlich unzutreffend. 135 Bundesanzeiger 2017, Amtlicher Teil, Bekanntmachung 4 vom 02. 01. 2017; das Dokument kann online auf den Seiten des Bundesanzeigers unter www.bundesanzeiger.de (zuletzt besucht am 12. 04. 2017) abgerufen werden. 136 Er gilt heute gem. § 5 des Hamburgischen Ausführungsgesetzes zum BGB als rechtsfähig. 137 Vgl. Abs. II der Anordnung zur Durchführung des BGB und des Hamburgischen Ausführungsgesetzes zum BGB. 138 So ausdrücklich das Bundesministerium der Justiz in einer Stellungnahme an die Arbeitsgemeinschaft der Verbraucherverbände (AgV), zitiert nach Brönneke, in: Brönneke, S. 75, 76 mit Fn. 6. 139 Lindacher, in: W/L/P, § 4 UKlaG Rn. 6; Köhler, in: Köhler/Bornkamm, § 4 UKlaG Rn. 4 und ebenso Köhler/Feddersen, a. a. O., § 8 UWG Rn. 3.55; dem folgend Paal, in: GroßkommUWG, § 8 UWG Rn. 233 sowie mit unverständlicher Begründung Ottofülling, in: MK LauterkeitsR, § 8 UWG Rn. 425.
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Drittes Kapitel: Die Person des Repräsentanten
Einer anderen Gruppe zufolge steht die Liste allen privaten und öffentlichen Verbänden unabhängig von ihrer Rechtsform offen.140 Im Rahmen des am 24. 02. 2016 in Kraft getretenen Gesetzes zur Verbesserung der zivilrechtlichen Durchsetzung von verbraucherschützenden Vorschriften des Datenschutzrechts und damit an vergleichsweise versteckter Stelle hat der Gesetzgeber u. a. § 4 II 1 UKlaG geändert, der nun lautet: „In die Liste werden auf Antrag rechtsfähige Vereine eingetragen, zu deren satzungsmäßigen Aufgaben es gehört, Interessen der Verbraucher durch nicht gewerbsmäßige Aufklärung und Beratung wahrzunehmen, […]“ (Hervorhebung durch Verfasser).
Die Frage der Rechtsform ist damit zunächst entschieden. Es sind nur noch eingetragene Idealvereine i. S. d. § 21 BGB eintragungsfähig. Ein weites Begriffsverständnis141, das über den BGB-Verein als Grundmodell hinaus gewissermaßen in Fortsetzung des § 22 BGB auch die übrigen, inzwischen spezialgesetzlich erfassten privatrechtlichen Körperschaften einbezieht, wäre zwar weiterhin denkbar, war aber offensichtlich nicht gewollt. Stattdessen soll die Neufassung die Voraussetzungen des § 4 UKlaG „klarer und verständlicher“ regeln.142 Klärungsbedürftig bleibt jedoch, was es bedeutet, dass eintragungswillige Vereine ihre Tätigkeit „nicht gewerbsmäßig“ ausüben dürfen. Diese Einschränkung wurde erstmals auf Anraten des Rechtsauschusses im Rahmen der Schuldrechtsreform in § 4 II 1 UKlaG aufgenommen. Sie sollte sicherstellen, dass die betreffenden Verbände „den Verbraucherschutz auch aktiv und ernsthaft wahrnehmen“ und so wie die meisten der erforderlichen Qualifikationsmerkmale verhindern, dass sogenannte Abmahnvereine das Listensystem missbrauchen.143 Was unter dem zusätzlichen Merkmal inhaltlich zu verstehen ist, erläutern die Materialien damals wie heute nicht.144 In der Literatur gehen die 140 Roloff, in: Erman, 13. Aufl., § 4 UKlaG Rn. 2; Bornkamm, in: Langen/Bunte, § 33 GWB Rn. 99; ähnlich auch Halfmeier, in: Prütting/Gehrlein, § 4 UKlaG Rn. 2, der aber u. a. „juristische Personen des privaten und öffentlichen Rechts“ nennt, obwohl Stiftungen des privaten Rechts sowie Stiftungen und Anstalten des öffentlichen Rechts jedenfalls die Verbandsstruktur fehlt (vgl. dazu oben, S. 204). 141 Zum Vereinsbegrif Reuter, in: MK BGB, § 22 BGB Rn. 1; Weick, in: Staudinger, Vorbem. zu §§ 21 ff. BGB Rn. 43; Hadding, in: Soergel, §§ 21, 22 BGB Rn. 19. 142 Entwurf eines Gesetzes zur Verbesserung der zivilrechtlichen Durchsetzung von verbraucherschützenden Vorschriften des Datenschutzrechts, BT-Drucks. 18/4631, S. 24. 143 Beschlussempfehlung und Bericht des Rechtsausschusses zum Gesetzentwurf zur Modernisierung des Schuldrechts, BT-Drucks. 14/7052, S. 208; so auch Micklitz, in: MK ZPO, § 4 UKlaG Rn. 18; Lindacher, in: W/L/P, § 4 UKlaG Rn. 11. Während der Letztgenannte nur die Missbrauchsgefahr hintanhalten will, spricht der Gesetzentwurf davon, das Listensystem werde missbraucht. Das verwundert, war es doch bei Veröffentlichung des Dokuments gerade einmal 15 Monate in Gebrauch. 144 Auch Micklitz/Stadler, in: dies., Verbandsklagerecht, S. 1204 und 1419 übernehmen das Merkmal ohne jeden weiteren Kommentar in § 3 II und III ihres Gesetzesvorschlags.
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Meinungen auseinander: Lindacher begreift die Finanzstruktur eines antragstellenden Verbands im Ganzen als entscheidendes Abgrenzungskriterium für eine „nicht gewerbsmäßige“ Tätigkeit und verlangt, die Verbandsfinanzierung müsse überwiegend aus anderen Mitteln als aus Abmahntätigkeit erfolgen.145 Jestaedt wiederum zufolge soll das Merkmal „nicht gewerbsmäßig“ vermeiden, dass eine Kollision mit gewerblichen Interessen auftritt, z. B. indem gewerbliche Mitglieder durch Beiträge oder Spenden Einfluss auf die Verbandstätigkeit nehmen.146 Eine andere, verbreitetere Auflassung dagegen versteht die Formulierung lediglich so, dass die maßgebliche Verbandstätigkeit, nämlich die Wahrnehmung von Verbraucherinteressen durch Aufklärung und Beratung, nicht zu Erwerbszwecken ausgeübt werden darf.147 Der Duden erläutert das Wort gewerbsmäßig mit „als Gewerbe betrieben“ oder „auf regelmäßigen Erwerb ausgerichtet“. Es unterscheidet sich damit nur geringfügig vom Begriff gewerblich, nach dem etwas ein Gewerbe betrifft oder zu einem solchen gehört.148 Stimmen gewerbsmäßig und gewerblich aber derart überein, läge es grundsätzlich nahe den Gewerbebegriff auch zur Auslegung einer „nicht gewerbsmäßigen“ Tätigkeit i. S. v. § 4 II UKlaG heranzuziehen. Dann aber käme dem Merkmal in der aktuellen Fassung der Norm praktisch kaum noch eine Bedeutung zu, da der Zweck eines Idealvereins gem. § 21 BGB „nicht auf einen wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb gerichtet“ sein darf. Ungeachtet aller Streitigkeiten, was unter einem „wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb“ zu verstehen ist, besteht Einigkeit, dass ein Idealverein als Hauptzweck kein Gewerbe betreiben kann.149 Eine gewerbsmäßige Aufklärung oder Beratung wäre damit nur in den wenigen Ausnahmefällen eines konzessionierten, wirtschaftlichen Vereins150 oder als Nebentätigkeit151 eines e. V. denkbar. 145
Lindacher, in: W/L/P, § 4 UKlaG Rn. 11. Jestaedt, in: Ahrens, Kap. 19 Rn. 52. 147 Halfmeier, in: Prütting/Gehrlein, § 4 UKlaG Rn. 2; Witt, in: U/B/H, § 4 UKlaG Rn. 3; Köhler, in: Köhler/Bornkamm, § 3a UKlaG Rn. 1; so anders als von Halfmeier, a. a. O. und Lindacher, a. a. O. (Fn. 145) behauptet auch Bassenge, in: Palandt, § 4 UKlaG Rn. 6, nach dem die Wahrnehmung nicht auf Erzielung dauernder Einnahmen gerichtet sein darf, sodass sich der Verband in der Konsequenz „grundsätzlich aus eigenen Mitteln (Mitgliedsbeiträge, Spenden, Fördermittel) finanzieren“ muss. 148 Vgl. http://www.duden.de/suchen/dudenonline/gewerbsm%C3 %A4 %C3 %9Fig bzw. http://www.duden.de/suchen/dudenonline/gewerblich (jew. zuletzt besucht am 12. 04. 2017). 149 Reuter, in: MK BGB, § 22 BGB Rn. 44; Weick, in: Staudinger, § 21 BGB Rn. 8; Ellenberger, in: Palandt, § 21 BGB Rn. 4 f.; Hadding, in: Soergel, §§ 21, 22 BGB Rn. 27; vgl. auch BGHZ 45, 395, 398. 150 Beispiele bei Weick, in: Staudinger, § 22 BGB Rn. 12. 151 Gemeint ist nicht der umgekehrte Fall eines Vereins, dessen ideeller Hauptzweck die Aufklärung und Beratung von Verbrauchern ist, der jedoch ebenso gewerbliche Nebenzwecke verfolgt; so z. B. der ADAC e. V., vgl. dazu BGHZ 85, 84, 88 ff. und BGH GRUR 1988, 832, 833; zu der umstrittenen Frage, ob die Verbraucheraufklärung und -beratung überhaupt Nebenzweck sein dürfen schon oben, Fn. 106. 146
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Darin könnte auch der Grund liegen, warum der Gesetzgeber in § 4 II UKlaG das Wort „gewerbsmäßig“ gewählt hat, obwohl in § 3 I Nr. 2 UKlaG, § 8 III Nr. 2 UWG sowie den §§ 13, 14 BGB spezifisch zur Abgrenzung von Verbraucher- und Unternehmertätigkeit an eine „gewerbliche“ Tätigkeit bzw. ein „gewerbliches“ Interesse angeknüpft wird. Der Begriff „gewerbsmäßig“ wird im deutschen Recht an verschiedenen, im bürgerlichen Recht und Zivilprozessrecht neben § 4 II 1 UKlaG dagegen nur an zwei versteckten Stellen verwendet. Nahezu einheitlich mit § 4 II 1 UKlaG formuliert ist § 23 des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes (AGG), der den rechtlichen Beistand i. S. d. AGG Benachteiligter vor Gericht durch Antidiskriminierungsverbände regelt. Dabei handelt es sich gem. § 23 I AGG um „Personenzusammenschlüsse, die nicht gewerbsmäßig und nicht nur vorübergehend entsprechend ihrer Satzung die besonderen Interessen von benachteiligten Personen oder Personengruppen nach Maßgabe von § 1 wahrnehmen“.
Das Merkmal „nicht gewerbsmäßig“ wird hier übereinstimmend i. S. e. Tätigkeit gedeutet, die nicht auf Erzielung dauernder Einnahmen bzw. eines ständigen Erwerbs gerichtet ist.152 Des Weiteren findet sich der Begriff in § 701 I 1 BGB im Rahmen der Definition des Gastwirts, dessen Haftung Gegenstand der Norm ist. Adressat der Haftung i. S. v. § 701 BGB ist danach ein „Gastwirt, der gewerbsmäßig Fremde zur Beherbergung aufnimmt […]“.
Nach ebenfalls einhelliger Auffassung ist hierunter die Beherbergung in der Absicht dauerhafter, entgeltlicher Leistungserbringung zu verstehen.153 Deutlich häufiger als im zivilrechtlichen Bereich kommt das Merkmal „gewerbsmäßig“ im Strafrecht vor und bezeichnet dort i. d. R. eine qualifizierte Form der Tatbegehung. Ein Täter handelt gewerbsmäßig, wenn er die Absicht hat, sich durch die wiederholte Begehung einer Straftat eine fortlaufende Einnahmequelle von einiger Dauer und einigem Umfang zu verschaffen.154 Im Ergebnis spricht daher einiges dafür, die Aufklärung und Beratung von Verbrauchern durch einen Verein dann als „nicht gewerbsmäßig“ zu betrachten, wenn sie nicht auf einen ständigen Erwerb abzielt und mit ihr keine ständige Einnahmequelle geschaffen werden soll.155 Die betreffenden Vereine sind damit zu allenfalls kostendeckender, ggf. sogar unentgeltlicher Tätigkeit verpflichtet. 152 Bauer/Krieger, § 23 AGG Rn. 6 unter Verweis auf Bassenge, in: Palandt, § 4 UKlaG Rn. 6; Voigt, in: Schleusener/Suckow/Voigt, § 23 AGG Rn. 7; Ernst/Braunroth/Wascher, in: Ernst e. a., § 23 AGG Rn. 2. 153 Werner, in: Staudinger, § 701 BGB Rn. 10; Henssler, in: MK BGB, § 701 BGB Rn. 14; v.Westphalen, in: Erman, § 701 BGB Rn. 2 ff. 154 BGHSt 1, 383; statt vieler aus der Lit. Fischer, Vor § 52 StGB Rn. 61 f.; SternbergLieben/Bosch, in: Schönke/Schröder, Vorbem §§ 52 ff. StGB Rn. 95 f. 155 So auch schon Chemnitz/Johnigk, Art. 1 § 1 RBerG Rn. 119.
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d) Einziehungs- und Abtretungstätigkeit Mit der Novellierung des Rechtsberatungsrechts zum 01. 07. 2008 wurden auch die Voraussetzungen für eine Einziehungs- und Abtretungstätigkeit der Verbraucherverbände gelockert. Als rechtsdienstleistende Tätigkeit steht sie ohne vorherige Erlaubnis aber gem. § 8 I Nr. 4 RDG weiterhin nur den Verbraucherzentralen sowie allen mit öffentlichen Mitteln geförderten Verbraucherverbänden offen, die jedoch im Rahmen ihres Aufgabenbereichs nun uneingeschränkt Rechtsdienstleistungen erbringen dürfen. Der Adressatenkreis deckt sich hier also mit dem der Vermutung in § 4 II 2 UKlaG.156 Hier wie dort bieten die öffentlichen Fördermittel keinen brauchbaren Anhaltspunkt, da sie weder über die Vertrauenswürdigkeit, noch über die Eignung und Ausstattung von Verbraucherverbänden zuverlässige Aussagen ermöglichen. In der Konsequenz ist damit auch hier die Begrenzung der Erlaubnisfreiheit auf öffentlich geförderte Stellen verfehlt. Stattdessen gilt es § 8 I Nr. 4 RDG für jede Verbraucherorganisation zu öffnen und gleichzeitig mit Hilfe der Anforderungen in § 8 II i. V. m. § 7 II RDG zu selektieren.
3. Verbände zur Förderung gewerblicher und selbstständiger beruflicher Interessen a) Historischer Ursprung Schon gemäß § 1 I 2 des Gesetzes zur Bekämpfung des unlauteren Wettbewerbs vom 27. Mai 1896 konnte ein Unterlassungsanspruch wegen unlauteren Verhaltens i. S. v. § 1 I desselben Gesetzes neben den einzelnen Mitbewerbern auch von „Verbänden zur Förderung gewerblicher Interessen“ geltend gemacht werden. Einzige weitere Voraussetzung war zum damaligen Zeitpunkt die Parteifähigkeit der genannten Verbände. Diese Regelung wurde nicht nur in § 13 I 1 2.Var. UWG i. d. F. vom 07. 07. 1909 übernommen, sondern besteht im Grundsatz noch im heute geltenden § 8 III Nr. 2 UWG fort. Sie wurde lediglich erstmals im Rahmen der UWG-Reform 1994 um weitere Voraussetzungen ergänzt, die seitdem ihrerseits wiederholt angepasst wurden.157 Darüber hinaus wurde § 13 I 1 2.Var. UWG 1909 wortgleich in § 35 II des GWB übertragen, das zum 01. 01. 1958 in Kraft trat. Neben wettbewerbsrechtlichen Verstößen konnten die gewerblichen Verbände damit auch gegen kartellrechtliche Verstöße mit einer Unterlassungsklage vorgehen, was ebenfalls bis heute in § 33 II Nr. 1 GWB so vorgesehen ist. Auch dieser Norm wurden beginnend mit der 6. GWB-Novelle 2005 weitere Voraussetzungen hinzugefügt. 156 Dazu
soeben, Fn. 114; zu § 8 I Nr. 4 RDG Dux, in: Deckenbrock/Henssler, § 8 RDG Rn. 39 ff.; Kleine-Cosack, § 8 RDG Rn. 19; K.-M. Schmidt, in: Krenzler, § 8 RDG Rn. 56 f. 157 Zu diesen Voraussetzungen im Einzelnen im folgenden Kapitel, S. 283 ff. und S. 323 ff.
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Schließlich diente § 13 UWG wie gesehen auch als Vorlage für § 13 AGBG158, sodass die „Verbände zur Förderung gewerblicher Interessen“ bei dessen Erlass 1976 auch in § 13 II Nr. 2 AGBG a. F. bedacht wurden. Im Rahmen der ersten Reform des AGBG im Jahr 2000 kamen auch hier ebenso wie in den Parallelvorschriften gegenüber der ursprünglichen Fassung weitere Voraussetzungen hinzu. Mit der Ausweitung des Wortlauts auf „Verbände zur Förderung gewerblicher oder selbstständiger beruflicher Interessen“ wurde die von der Rechtsprechung bis dato praktizierte weite Auslegung159 2004 in § 8 III Nr. 2 UWG und § 3 I Nr. 2 UKlaG sowie 2006 in § 33 II Nr. 1 GWB gesetzlich festgehalten, sodass seitdem auch die Vertretungen der freien Berufe ausdrücklich im Gesetz Berücksichtigung finden.160 Während zu § 33 II Nr. 1 GWB und § 3 I Nr. 2 UKlaG inklusive ihrer Vorgängernormen nur wenige Urteile ergangen sind, haben Gerichte aller Instanzen inklusive des Bundesgerichtshofs zur Auslegung von § 8 III Nr. 2 UWG in aktueller und vorhergehenden Fassungen umfangreich Stellung genommen. Anders als im Fall der Verbraucherverbände handelt es sich bei den Genannten derzeit jedoch grundsätzlich um drei eigenständige Normen. Gleichwohl ist auch hier der gesetzgeberische Wille zur Vereinheitlichung u. a. bereits darin sichtbar, dass alle drei Normen historisch aus § 13 I UWG a. F. entstanden sind. Abweichungen in der Interessenlage will der Gesetzgeber mit Hilfe leicht unterschiedlicher Voraussetzungen im Detail Rechnung tragen. Die erforderliche Einzelfallprüfung der Verbandsklagebefugnis erlaubt den Gerichten zudem, eventuelle Sonderfälle zu berücksichtigen. Es liegt daher jedenfalls nahe, die Bezeichnung „rechtsfähige Verbände zur Förderung gewerblicher und selbstständiger beruflicher Interessen“ in § 8 III Nr. 2 UWG, § 33 II Nr. 1 GWB sowie § 3 I Nr. 2 UKlaG einheitlich zu verstehen. Darüber hinaus bestimmen sich alle weiteren Voraussetzungen ohnehin im Verhältnis zum jeweiligen Einzelfall. Hinzu kommt, dass sich Fragen nach der Übertragbarkeit der Rechtsprechung zu § 8 III Nr. 2 UWG aufgrund der bislang äußerst geringen Bedeutung von § 33 II Nr. 1 GWB und § 3 I Nr. 2 UKlaG in der Praxis weitgehend erübrigen.
b) Rechtsfähigkeit Der sehr weitreichende und gleichzeitig wenig aussagekräftige Begriff des Verbands wird zunächst auch hier durch die Voraussetzung der Rechtsfähigkeit 158
Vgl. soeben, S. 205 f. Zum häufigen Fall eines Anwaltvereins als Kläger schon RGZ 105, 378, 379 sowie BGH GRUR 1991, 54; BGH GRUR 1993, 834, 835 und BGH GRUR 2004, 346; zu den öffentlich-rechtlich organisierten Verbänden wie den Handswerksinnungen oder den Kammern der freien Berufe sogleich S. 224 ff. 160 Entwurf eines Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb, BT-Drucks. 15/1487, S. 33, 41; Goldmann, in: Harte/Henning, § 8 UWG Rn. 302; Ohly, in: Ohly/Sosnitza, § 8 UWG Rn. 95. 159
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etwas eingegrenzt. Dabei gibt das Gesetz weder eine bestimmte Rechtsform vor, noch unterscheidet es nach dem Ursprung des jeweiligen Zusammenschlusses und erfasst damit sowohl Organisationen des privaten wie auch des öffentlichen Rechts.
aa) Privatrecht Auf privatrechtlicher Seite kommen als „rechtsfähige Verbände“ die meisten der juristischen Personen des Privatrechts, neben dem eingetragenen Verein also z. B. auch eine Genossenschaft, GmbH oder AG in Betracht. Obwohl die meisten der gewerblichen Privatverbände die Rechtsform eines eingetragenen Vereins wählen, bietet das Gesetz keine Grundlage, ausschließlich solche zuzulassen.161 Des Weiteren wird zum Teil die Auffassung vertreten, der Begriff Verband setze zwingend eine körperschaftliche Struktur voraus, womit er nicht die Personengesellschaften wie u. a. OHG, KG und GbR162 erfassen würde.163 Auch für diese Einschränkung fehlt nicht nur seitens ihrer Befürworter, sondern auch in sachlicher Hinsicht die Begründung. Wenn in der Vergangenheit Verband und Körperschaft gleichgesetzt wurden, so kann dem heute nicht mehr gefolgt werden.164 Zudem bietet auch der Charakter der Personengesellschaften an sich keinen Anlass, sie von vornherein als Interessenvertreter abzulehnen.165 Etwas anderes gilt ungeachtet ihrer Rechtsfähigkeit nur für die Stiftung, da es ihr nicht nur an einer körperschaftlichen sondern auch jeder anderen Verbandsstruktur mangelt.166 Die hier bedachten Verbände des privaten Rechts lassen sich nach ihrem Tätigkeitsbereich in Fachverbände, Spitzenverbände und sogenannte Wett161 Anders wohl Bassenge, in: Palandt, § 3 UKlaG Rn. 6 und Lindacher, in: W/L/P, § 3 UKlaG Rn. 7. 162 Das Merkmal der Rechtsfähigkeit steht dem seit BGHZ 146, 341, 347 und BGHZ 151, 204, 206 nicht mehr entgegen. 163 Eine körperschaftliche Struktur verlangen – ohne Begründung – Köhler/Feddersen, in: Köhler/Bornkamm, § 8 UWG Rn. 3.31; Jestaedt, in: Ahrens, Kap. 19 Rn. 7; wohl auch Büscher, in: F/B/O, § 8 UWG Rn. 248 und Büch, in: Teplitzky, Kap. 13 Rn. 14; a. A. Ohly, in: Ohly/Sosnitza, § 8 UWG Rn. 96; Goldmann, in: Harte/Henning, § 8 UWG Rn. 289; Ottofülling, in: MK LauterkeitsR, § 8 UWG Rn. 367; Bornkamm in: Langen/Bunte, § 33 GWB Rn. 99; Roloff, in: Erman, 13. Aufl., § 3 UKlaG Rn. 3; Halfmeier, in: Prütting/Gehrlein, § 3 UKlaG Rn. 4. 164 Vgl. dazu schon oben, S. 201 ff. 165 Zu den sog. Rechtsverfolgungsgesellschaften bereits im vorangegangenen Kapitel, S. 84 ff. 166 Vgl. oben, Fn. 75; erst recht nicht nachvollziehbar daher Köhler/Feddersen, in: Köhler/ Bornkamm, § 8 UWG Rn. 3.32, die noch a. a. O., Rn. 3.31 eine „körperschaftliche Struktur“ fordern. Die fehlende Verbandsstruktur der Stiftung übersehen außerdem Paal, in: Groß kommUWG, § 8 UWG Rn. 210; Ottofülling, in: MK LauterkeitsR, § 8 UWG Rn. 367; Büscher, in: F/B/O, § 8 UWG Rn. 248; Ohly, in: Ohly/Sosnitza, § 8 UWG Rn. 96; Goldmann, in: Harte/ Henning, § 8 UWG Rn. 289; Halfmeier, in: Prütting/Gehrlein, § 3 UKlaG Rn. 4.
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bewerbsvereinigungen untergliedern.167 Den Fachverbänden obliegt es dabei charakteristisch die Interessen einer bestimmten Berufsgruppe, einer Branche oder eines ganzen Wirtschaftszweiges zu vertreten. Beispielhaft sind Handwerkerverbände, Brauereiverbände oder die GEMA, aber auch Anwaltsvereine zu nennen. Bei den Wettbewerbsvereinigungen handelt es sich dagegen um Zusammenschlüsse von Einzelpersonen, Verbänden oder öffentlich-rechtlichen Körperschaften, die sich unabhängig von bestimmten Einzelinteressen einem übergeordneten Ziel, in der Regel der Bekämpfung unlauteren Wettbewerbs widmen. Zu den bedeutendsten zählen hierbei die Zentrale zur Bekämpfung unlauteren Wettbewerbs (Wettbewerbszentrale)168 sowie der Deutsche Schutzverband gegen Wirtschaftskriminalität (DSW). Strukturell besonders aber ebenso umfasst sind schließlich Spitzen- oder Dachverbände, in denen sich mehrere Verbände als Mitglieder zusammenschließen. Allgemein ist mit der Zeit eine Vielzahl unterschiedlichster Verbandskonstruktionen entstanden, die sich dennoch alle im o. g. Begriffssinne der Interessenvertretung verschrieben haben.
bb) Öffentliches Recht Auf öffentlich-rechtlicher Seite verlangt die Voraussetzung der Rechtsfähigkeit den Status des betreffenden Verbands als Körperschaft des öffentlichen Rechts. Sowohl die Stiftungen als auch die Anstalten des öffentlichen Rechts sind zwar ebenso rechtsfähig, aber nicht als Verband organisiert. Die Anerkennung als Körperschaft des öffentlichen Rechts kann durch Gesetz oder aber aufgrund Gesetzes durch einen staatlichen Hoheitsakt erfolgen. Beispiele sind zunächst die Industrie- und Handelskammern sowie die Handwerkskammern169, die durch die Rechtsprechung bereits als Verbände zur Förderung gewerblicher Interessen i. S. v. § 1 I 2 des Gesetzes zur Bekämpfung des unlauteren Wettbewerbs von 1896 sowie auch später i. S. v. § 13 UWG anerkannt wurden.170 Seit dem 01. 01. 1987 wurden sie in § 13 II Nr. 4 UWG a. F. und nun in § 8 III Nr. 4 UWG sowie von Beginn an in § 13 II Nr. 2 AGBG und nun in § 3 I Nr. 3 UKlaG ausdrücklich genannt. In § 33 II GWB fehlt eine entsprechende Regelung. In der Literatur zum UKlaG wird verbreitet darauf verwiesen, die genannten Normen hätten ohnehin nur klarstellenden Charakter, 167 Zu dieser Untergliederung und jeweiligen Beispielen schon Erdmann, in: GroßkommUWG, 1. Aufl., § 13 UWG Rn. 49–51 und jetzt Ottofülling, in: MK LauterkeitsR, § 8 UWG Rn. 356 ff.; i. E. auch Büch, in: Teplitzky, Kap. 13 Rn. 20, 22 und 23; Jestaedt, in: Ahrens, Kap. 19 Rn. 8–10. 168 Ein Porträt der Wettbewerbszentrale und ihrer Tätigkeit findet sich bei Münker, 10 Journal of Intellectual Property Law & Practice (2015) 638 ff. 169 Vgl. dazu § 3 I IHKG und § 90 Handwerksordnung. 170 RGSt 43, 44, 46 ff.; BGHSt 2, 396, 400; weitere Nachweise bei Erdmann, in: GroßkommUWG, 1. Aufl., § 13 UWG Rn. 53 und 108; Jestaedt, in: Ahrens, Kap. 19 Rn. 73; Büch, in: Teplitzky, Kap. 13 Rn. 32.
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da die Kammern ja hier wie dort jedenfalls vom Begriff der Verbände zur Förderung gewerblicher und selbstständiger beruflicher Interessen umfasst würden.171 Dies ist zwar nach dem oben Gesagten im Kern richtig, greift jedoch zwischenzeitlich zu kurz. Zuvorderst stützt sich diese Ansicht ausdrücklich auf die Gesetzesbegründung zum AGBG.172 Dieses ist nicht nur bereits vor über einem Jahrzehnt außer Kraft getreten, viel wichtiger ist zudem, dass die betreffenden Normen inzwischen im Wortlaut stark voneinander abweichen. Diese Änderungen werden unberücksichtigt gelassen. In § 13 II AGBG a. F. wurden bei Erlass die Verbände zur Förderung gewerblicher Interessen in Nr. 2 sowie die genannten Kammern in Nr. 3 lediglich katalogartig aufgezählt. Im Bericht des Rechtsausschusses, der die Ergänzung von Nr. 3 beantragt hatte, heißt es dazu, dort seien „als Beispielfälle der in Nummer 2 genannten Verbände die Industrie- und Handelskammern und die Handwerkskammern ausdrücklich aufgeführt“.173 Der Gesetzeswortlaut wurde mit einem Gesetz zur Änderung wirtschafts- und verbraucherrechtlicher Vorschriften mit Wirkung zum 01. 01. 1987 ebenfalls in den dann neuen § 13 II Nr. 4 UWG a. F. übertragen.174 Durch ein UWG-Änderungsgesetz wurden dann aber mit Wirkung zum 01. 08. 1994 in § 13 II Nr. 2 UWG a. F. einige beschränkende Voraussetzungen eingeführt, durch die Missbräuchen der Abmahn- und Klagebefugnis entgegengewirkt werden sollte. In der zugehörigen Begründung heißt es dabei ausdrücklich, dass eine gleichartige Änderung der Vorschriften über das Klagerecht der Verbraucherverbände und der Kammern nicht erforderlich sei, weil insoweit Missbräuche nicht bekannt geworden seien.175 Dieselben Änderungen wurden im Jahre 2000 unter Verweis auf eine „Angleichung an die Parallelvorschrift des § 13 UWG“ in § 13 II Nr. 2 sowie § 22 III Nr. 2 AGBG übertragen.176 Von weiteren Detailänderungen abgesehen unterliegen die gewerblichen Ver171 Micklitz, in: MK ZPO, § 3 UKlaG Rn. 35; Roloff, in: Erman, 13. Aufl., § 3 UKlaG Rn. 7; ähnlich Lindacher, in: W/L/P, § 3 UKlaG Rn. 12; unklar Schlosser, in: Staudinger, § 3 UKlaG Rn. 13. 172 Micklitz, Roloff und Schlosser, jew. ebenda. 173 Bericht des Rechtsausschusses […] zu dem von […] der Fraktion der CDU/ CSU eingebrachten Entwurf eines Gesetzes über Allgemeine Geschäftsbedingungen (BTDrucks. 7/3200) [und] dem von der Bundesregierung eingebrachten Entwurf eines Gesetzes über die Regelung des Rechts der Allgemeinen Geschäftsbedingungen (BT-Drucks. 7/3919), BT-Drucks. 7/5422, S. 11. 174 Die Begründung des Gesetzentwurfs, BT-Drucks. 10/4741 sowie Beschlussempfeh lung und Bericht des Rechtsausschusses, BT-Drucks. 10/5771 enthalten dazu keinerlei Kommentar. Beachtlich ist lediglich, dass der Gesetzentwurf, dort S. 6, auch die „auf Grund gesetzlicher Vorschriften gebildeten Berufskammern“ berücksichtigten wollte, was der Rechtsausschuss, vgl. S. 10, aber ohne Begründung unterband; aus der Lit. Erdmann, in: Großkomm UWG, 1. Aufl., § 13 UWG Rn. 108; Jestaedt, in: Ahrens, Kap. 19 Rn. 73; Büch, in: Teplitzky, Kap. 13 Rn. 32. 175 Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb, BT-Drucks. 12/7345, S. 6. 176 Beschlussempfehlung und Bericht des Rechtsausschusses […] zu dem Entwurf
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Drittes Kapitel: Die Person des Repräsentanten
bände im Anschluss daran nach dem Wortlaut der heutigen §§ 8 III Nr. 2 UWG bzw. 3 I Nr. 2 UKlaG bestimmten Zusatzvoraussetzungen, die Industrie- und Handels- sowie Handwerkskammern jedoch nicht.177 Der pauschale Verweis, die Kammern würden vom Begriff der Verbände zur Förderung gewerblicher und selbstständiger beruflicher Interessen umfasst und die §§ 8 III Nr. 4 UWG bzw. 3 I Nr. 4 UKlaG hätten daher bloß klarstellende Bedeutung erfasst die Problematik daher nicht mehr vollständig. Dies wird auch darin deutlich, dass nach wohl einhelliger Ansicht alle weiteren Verbände des öffentlichen Rechts (z. B. die Handwerksinnungen) sowie insbesondere die ihrerseits als Körperschaften des öffentlichen Rechts organisierten Kammern der freien Berufe (u. a. die Anwalts-, Ärzte-, Architekten- und Steuerberaterkammern) im Anschluss an die Rechtsprechung178 ebenfalls erfasst werden, jedoch nicht analog den §§ 8 III Nr. 4 UWG bzw. 3 I Nr. 3 UKlaG, sondern den §§ 8 III Nr. 2 UWG bzw. 3 I Nr. 2 UKlaG zugeordnet werden. Die Erweiterung des Wortlauts auf „Verbände zur Förderung […] selbstständiger beruflicher Interessen“ diente hier ihrer ausdrücklichen Einbeziehung.179 Insgesamt wirft die Regelung damit einige Fragen auf, die zufriedenstellend nur durch den Gesetzgeber zu beantworten sind. Unklar ist insbesondere, inwieweit die unterschiedliche Behandlung der Industrie- und Handels- sowie Handwerkskammern gegenüber den Kammern der freien Berufe und allen übrigen öffentlich-rechtlichen Verbänden, die den restriktiven Voraussetzungen der §§ 8 III Nr. 2 UWG bzw. 3 I Nr. 2 UKlaG unterliegen, sinnvoll und gerechtfertigt ist. Vor dem Hintergrund, dass der Gesetzgeber erst die Industrie- und Handels- sowie Handwerkskammern ausdrücklich ausgliederte und dann nicht nur für alle übrigen gewerblichen Verbände zusätzliche Voraussetzungen formulierte, sondern mit der Förderung selbstständiger beruflicher Interessen die Kammern der freien Berufe dezidiert in Nr. 2 verortet hat180, ist eine analoge Anwendung der §§ 8 III Nr. 4 UWG bzw. 3 I Nr. 3 UKlaG zwar richtiger Weise ausgeschlossen. Dennoch fehlt es umgekehrt an einem die unterschiedliche Behandlung rechtfertigenden Grund. Der Vergleich mit dem GWB macht den Klärungsbedarf schließlich überdeutlich. In Anbetracht der Entstehungseines Gesetzes über Fernabsatzverträge und andere Fragen des Verbraucherrechts […], BTDrucks. 14/3195, S. 35. 177 Diesen Unterschied benennen auch ausdrücklich Ottofülling, in: MK LauterkeitsR, § 8 UWG Rn. 439 und Jestaedt, in: Ahrens, Kap. 19 Rn. 73 f. 178 BGH NJW 2006, 2481, 2482; BGHZ 109, 153, 156 ff.; BGH NJW 1987, 2087 f.; BGHZ 79, 390, 392 ff. jew. m. w. N.; umfangreiche Nachweise zudem bei Goldmann, in: Harte/Henning, § 8 UWG Rn. 302 ff. 179 Köhler/Feddersen, in: Köhler/Bornkamm, § 8 UWG Rn. 3.64; Büscher, in: F/B/O, § 8 UWG Rn. 248; Ohly, in: Ohly/Sosnitza, § 8 UWG Rn. 96 und 113; Jestaedt, in: Ahrens, Kap. 19 Rn. 11; Büch, in: Teplitzky, Kap. 13 Rn. 21 und 32 a. E.; Ottofülling, in: MK LauterkeitsR, § 8 UWG Rn. 444 f. 180 Entwurf eines Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb, BT-Drucks. 15/1487, S. 23.
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geschichte lässt sich wohl nicht verneinen, dass sämtliche Kammern auch von § 33 II Nr. 1 GWB erfasst werden.181 Dies insbesondere nachdem die Kammern der freien Berufe auch dort nun mit der Förderung selbstständiger beruflicher Interessen ausdrücklich genannt werden. Betrachtet man aber damit auch die Industrie- und Handels- sowie Handwerkskammern als erfasst, unterliegen sie dort strengeren Zugangsvoraussetzungen als in UWG und UKlaG. Mit Blick auf den immer wieder postulierten Gleichlauf und die hier wie dort erforderliche Missbrauchsprävention ist auch für diesen Unterschied kein Grund ersichtlich.
c) Satzungszweck Aus der Menge rechtsfähiger Verbände gelten § 8 III Nr. 2 UWG, § 33 II Nr. 1 GWB und § 3 I Nr. 2 UKlaG gleichlautend nur für solche, die sich der „Förderung gewerblicher oder selbstständiger beruflicher Interessen“ widmen. Welche Interessen davon im Einzelnen erfasst werden, spezifizieren die Normen und auch ihre Kommentierungen in der Literatur jedoch nicht. Allerdings können zum Zweck der Auslegung wie schon oben die §§ 13 und 14 BGB als Anknüpfungspunkt herangezogen werden. § 14 I BGB definiert als Unternehmer jede „natürliche oder juristische Person oder eine rechtsfähige Personengesellschaft, die bei Abschluss eines Rechtsgeschäfts in Ausübung ihrer gewerblichen oder selbständigen beruflichen Tätigkeit handelt“ (Hervorhebung durch Verfasser).
Für die Definition der „gewerblichen Tätigkeit“ gem. §§ 13, 14 BGB verweist ein Teil der Literatur auf den Gewerbebegriff des Handelsrechts182, ein anderer Teil will das Gewerbe eigenständig bestimmen183. Insoweit übereinstimmend muss es sich jedenfalls um eine planmäßige und auf eine gewisse Dauer angelegte Tätigkeit handeln.184 Im Unterschied zum Handelsrecht185 aber besteht für die §§ 13, 14 BGB Einigkeit, dass eine „gewerbliche Tätigkeit“ nicht die Absicht voraussetzt, mit ihr Gewinne zu erzielen, sondern stattdessen jede Tätigkeit gegen Entgelt ausreicht. Insbesondere vor dem Hintergrund eines wirksamen Verbraucherschutzes ist kein Grund ersichtlich, zwischen Geschäften 181 BGH WRP 2000, 759, 760; Bornkamm in: Langen/Bunte, § 33 GWB Rn. 99 f.; a. A. Köhler, WRP 2006, 139, 146. 182 Micklitz/Purnhagen, in: MK BGB, § 14 BGB Rn. 19, nach denen (a. a. O., Rn. 25) sich § 1 HGB und § 14 BGB jedoch mit Hilfe unionsrechtskonformer Auslegung des § 14 BGB parallelisieren lassen. 183 Kannowski, in: Staudinger, § 13 BGB Rn. 51. 184 BGHZ 149, 80, 86; BGHZ 167, 40, 44 f.; Micklitz/Purnhagen, in: MK BGB, § 14 BGB Rn. 19; Kannowski, in: Staudinger, § 13 BGB Rn. 51; Habermann, in: Staudinger, § 14 BGB Rn. 41; Saenger, in: Erman, § 14 BGB Rn. 9; für das HandelsR Schmidt, in: MK HGB, § 1 HGB Rn. 26; Hopt, in: Baumbach/Hopt, § 1 HGB Rn. 13 jew. m. w. N. 185 Dort sehr umstritten, wobei die zwischenzeitlich überw. A. wohl auch eine Gewinnerzielungsabsicht ablehnt, vgl. Schmidt, in: MK HGB, § 1 HGB Rn. 31; Hopt, in: Baumbach/ Hopt, § 1 HGB Rn. 15 ff. jew. m. w. N.
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Drittes Kapitel: Die Person des Repräsentanten
mit und ohne Gewinnerzielungsabsicht zu unterscheiden. Zudem verlangt die EU-rechtliche Rückkoppelung des Verbraucherrechts eine Bestimmung anhand objektiver Kriterien, wogegen sich die Absicht des Handelnden nur in Kenntnis seiner Motive ermitteln ließe, die noch dazu dem Verbraucher im Einzelfall jedenfalls verborgen bleiben.186 Zum Teil wird einschränkend wenigstens eine Tätigkeit als Anbieter am Markt mit dem Argument verlangt, der Verbraucher verdiene nur dann geschützt zu werden, wenn ihm sein Vertragspartner erkennbar als Unternehmer gegenübertrete.187 Das Gegenteil ist jedoch im Einklang mit der entsprechenden Gegenansicht der Fall, da der Verbraucher gerade in Situationen schutzbedürftig ist, in denen er sein Gegenüber nicht als Unternehmer erkennt.188 Im Ergebnis kommt es damit ausschließlich auf eine entgeltliche Tätigkeit an, sodass auch öffentliche Versorgungsunternehmen sowie Unternehmen mit karitativer oder sonst gemeinnütziger Zwecksetzung189 eine gewerbliche Tätigkeit i. S. v. §§ 13, 14 BGB ausüben können. Des Weiteren setzt ein Gewerbe notwendig selbstständiges Handeln in eigener Verantwortung und auf eigene Gefahr und Rechnung voraus.190 Gleichzeitig aber bezieht der Begriff nach traditionellem Verständnis im Handelsrecht Freiberufler, künstlerische und wissenschaftliche Berufe sowie die Wahrnehmung öffentlicher Aufgaben kraft Gesetzes (vgl. u. a. § 2 II BRAO, § 1 II 2 WPO, § 32 II 2 StBerG, § 1 II BÄO) nicht ein. Auch der Status land- und forstwirtschaftlicher Tätigkeiten (sogenannte Urproduktion) ist dort noch nicht endgültig geklärt.191 Aus der Sicht der §§ 13,14 BGB handelt es sich bei den Genannten jedoch ausnahmslos um selbstständige, berufliche Tätigkeiten im Sinne beider Normen.192 Im Ergebnis ergibt sich daher auch bei Übernahme des handelsrechtlichen Gewerbebegriffs für die §§ 13, 14 BGB sowie auch für die hier behandelten Verbandsklagen kein Unterschied.193 Anders als die §§ 13, 14 BGB nennt die Definition des Gewerbetreibenden in den verbraucherrechtlichen Richtlinien (vgl. z. B. Art. 2 lit. a Klausel-RL, Art. 2 lit. b UGP-RL, Art. 2 Nr. 2 Verbraucherrechte-RL) nur deren „berufliche“ 186 BGHZ 155, 240, 246; BGHZ 167, 40, 45 ff.; Habermann, in: Staudinger, § 14 BGB Rn. 38; Micklitz/Purnhagen, in: MK BGB, § 14 BGB Rn. 24; Saenger, in: Erman, § 14 BGB Rn. 12; Ellenberger, in: Palandt, § 14 BGB Rn. 2. 187 Pfeiffer, in: Soergel, § 14 BGB Rn. 13; für das HandelsR Hopt, in: Baumbach/Hopt, § 1 HGB Rn. 16 m. umfangreichen N. 188 Micklitz/Purnhagen, in: MK BGB, § 14 BGB Rn. 26; Habermann, in: Staudinger, § 14 BGB Rn. 39; Saenger, in: Erman, § 14 BGB Rn. 13. 189 Dazu Micklitz/Purnhagen, in: MK BGB, § 14 BGB Rn. 7 f. 190 Ebenda, Rn. 21 f. und 31. 191 Kritisch Schmidt, in: MK HGB, § 1 HGB Rn. 32; Hopt, in: Baumbach/Hopt, § 1 HGB Rn. 20 jew. m. w. N. 192 Micklitz/Purnhagen, in: MK BGB, § 14 BGB Rn. 5; Habermann, in: Staudinger, § 14 BGB Rn. 48; Saenger, in: Erman, § 14 BGB Rn. 15. 193 Habermann, in: Staudinger, § 14 BGB Rn. 40; offen auch Saenger, in: Erman, § 14 BGB Rn. 9.
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Tätigkeit, ohne im Wortlaut zwischen selbstständig und unselbstständig zu differenzieren. Das hat den deutschen Gesetzgeber veranlasst, den „Unternehmer“ anstelle eines Verweises auf § 14 BGB in § 2 I Nr. 6 UWG zur Angleichung an die UPG-Richtlinie eigenständig legal zu definieren.194 Um einen „Unternehmer“ i. S. d. UWG handelt es sich danach bei „jede[r] natürliche[n] oder juristische[n] Person, die geschäftliche Handlungen im Rahmen ihrer gewerblichen, handwerklichen oder beruflichen Tätigkeit vornimmt, und jede[r] Person, die im Namen oder Auftrag einer solchen Person handelt“ (Hervorhebung durch Verfasser).
Zur Definition des Verbrauchers verweist § 2 II UWG jedoch weiterhin auf § 13 BGB, was zu Unsicherheiten geführt hat, u. a. da ein unselbstständig, beruflich Tätiger damit zugleich „Unternehmer“ i. S. v. § 2 I Nr. 6 UWG und „Verbraucher“ i. S. v. § 2 II UWG i. V. m. § 13 BGB sein könnte. Infolge der dadurch veranlassten Auseinandersetzung im Detail versteht die überwiegende Ansicht nun den Begriff der „beruflichen Tätigkeit“ i. S. d. § 2 I Nr. 6 UWG, aber auch der Richtlinien als selbstständige, berufliche Tätigkeit, sodass die Norm insoweit mit § 14 BGB übereinstimmt.195 Zusammengefasst entspricht mithin jede planvolle, auf gewisse Dauer ausgerichtete und entgeltliche Tätigkeit einer „gewerblichen“ oder jedenfalls „selbstständigen, beruflichen Tätigkeit“ i. S. d. Gesetzes. Entsprechend weit gefasst ist damit der von den §§ 8 III Nr. 2 UWG, 33 II Nr. 1 GWB und 3 I Nr. 2 UKlaG abgedeckte Interessenbereich. Bemerkenswert ist gleichzeitig, dass die Definition der gewerblichen Verbände einerseits wie auch der Verbraucherverbände andererseits vor dem Hintergrund des Gesagten tatsächlich parallel zur Abgrenzung von Verbrauchern und Unternehmern im Rechtssinne verläuft.196 Diese Erkenntnis bietet die Möglichkeit, die zwischenzeitlich im deutschen Recht und im Unionsrecht fest verankerte Systematik konsequent im kollektiven Rechtsschutzsystem fortzusetzen. Die Förderung eines oder mehrerer bestimmter gewerblicher oder selbstständiger beruflicher Einzelinteressen im o. g. Sinne muss sich bei privatrechtlichen Organisationen als Hauptzweck ausdrücklich aus ihrer Satzung ergeben bzw. jedenfalls im Wege der Auslegung daraus ermitteln lassen.197 Dabei müssen Art 194 Entwurf eines Ersten Gesetzes zur Änderung des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb, BT-Drucks. 16/10145, S. 21. 195 Micklitz/Purnhagen, in: MK BGB, § 14 BGB Rn. 32 m. w. N.; Keller, in: Harte/ Henning, § 2 UWG Rn. 247; Köhler, in: Köhler/Bornkamm, § 2 UWG Rn. 120; für die Klausel-RL Basedow, in: MK BGB, § 310 BGB Rn. 45; a. A. mit Einschränkung Pfeiffer, in: G/H/N/Wolf, Bd. IV, 40. EL 2009, A 5, Art. 2 Rn. 18 und Pfeiffer, in: W/L/P, Art. 2 RL 93/13/ EWG Rn. 14. 196 Offensichtlich unzutreffend daher Meller-Hannich/Höland, Evaluierung, S. 27 f., die davon ausgehen, ein Verbraucherverband, der nicht über eine Eintragung nach § 4 UKlaG verfügt, könne seine Klagebefugnis alternativ auch auf § 8 III Nr. 2 UWG stützen. 197 BGH GRUR 1965, 485, 486; Jestaedt, in: Ahrens, Kap. 19 Rn. 15 f.; Paal, in: Groß-
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Drittes Kapitel: Die Person des Repräsentanten
und Umfang der Förderung ersichtlich sein.198 Für § 8 III Nr. 2 UWG genügt beispielweise die Bekämpfung unlauteren Wettbewerbs als alleinige satzungsmäßige Zwecksetzung, wird aber ebenso als Teilaspekt von der Förderung näher bestimmter gewerblicher oder selbstständiger beruflicher Interessen umfasst.199 Für § 33 II Nr. 1 GWB ist das Engagement gegen Kartellrechtsverstöße maßgeblich.200 Eine Ermächtigung seiner Mitglieder benötigt der Verband für seine Tätigkeit nicht.201 Ebenso wie bei den Verbraucherverbänden ist die Anerkennung sogenannter Mischverbände umstritten, wird jedoch auch hier mehrheitlich jedenfalls dann abgelehnt, wenn sie sich gleichrangig an beide Interessengruppen richten.202 Die genannten Voraussetzungen müssen vor Gericht durch Vorlage der Satzung nachgewiesen werden.203 Im Falle öffentlich-rechtlicher Verbände muss sich der Zweck in der dargestellten Weise entweder aus dem konstituierenden Gesetz selbst oder einer es ergänzenden Satzung ergeben. Dadurch wird z. B. für die jetzt ausdrücklich in § 8 III Nr. 2 UWG genannten Kammern der freien Berufe verdeutlicht, dass ihnen neben der Aufsicht über die berufliche Tätigkeit ihrer Mitglieder hinaus auch die Aufgabe zukommt, deren berufliche Interessen zu wahren und zu fördern.204
4. Einziehungs- und Abtretungslösungen Für alle anderen potenziellen Akteure wurden die Hürden für eine gebündelte Geltendmachung von Forderungen im Anschluss an eine materiell-rechtliche Einziehungsermächtigung oder Inkassozession jedenfalls im Bereich des Rechtsberatungsrechts durch das neue Rechtsdienstleistungsgesetz erheblich kommUWG, § 8 UWG Rn. 211; Ohly, in: Ohly/Sosnitza, § 8 UWG Rn. 98; Ottofülling, in: MK LauterkeitsR, § 8 UWG Rn. 373; Köhler/Feddersen, in: Köhler/Bornkamm, § 8 UWG Rn. 3.34; Goldmann, in: Harte/Henning, § 8 UWG Rn. 293; Büscher, in: F/B/O, § 8 UWG Rn. 252; Büch, in: Teplitzky, Kap. 13 Rn. 26. 198 Ottofülling, in: MK LauterkeitsR, § 8 UWG Rn. 373; Köhler/Feddersen, in: Köhler/ Bornkamm, § 8 UWG Rn. 3.34; Jestaedt, in: Ahrens, Kap. 19 Rn. 15. 199 BGH GRUR 1971, 585, 586; BGH GRUR 1990, 282, 284 und BGH GRUR 2003, 454, 455; Ottofülling, in: MK LauterkeitsR, § 8 UWG Rn. 374; Goldmann, in: Harte/Henning, § 8 UWG Rn. 298; Büscher, in: F/B/O, § 8 UWG Rn. 252; Paal, in: GroßkommUWG, § 8 UWG Rn. 211; Ohly, in: Ohly/Sosnitza, § 8 UWG Rn. 98; Jestaedt, in: Ahrens, Kap. 19 Rn. 16; Büch, in: Teplitzky, Kap. 13 Rn. 26. 200 Emmerich, in: Immenga/Mestmäcker, § 33 GWB Rn. 105. 201 BGH GRUR 2005, 689, 690; Köhler/Feddersen, in: Köhler/Bornkamm, § 8 UWG Rn. 3.34; Ohly, in: Ohly/Sosnitza, § 8 UWG Rn. 98; Jestaedt, in: Ahrens, Kap. 19 Rn. 16. 202 Dazu schon S. 211 f. mit Fn. 108; anders Goldmann, in: Harte/Henning, § 8 UWG Rn. 300, der vorschlägt die Problematik anhand des mit der UWG-Reform 2004 neu eingeführten Merkmals zu lösen, dass die jeweilige Zuwiderhandlung die Interessen der Verbandsmitglieder berühren muss. 203 Ottofülling, in: MK LauterkeitsR, § 8 UWG Rn. 373; Jestaedt, in: Ahrens, Kap. 19 Rn. 15. 204 Aus der Rspr. vor der ausdrücklichen Einbeziehung BGH GRUR 2002, 717, 718 und BGH GRUR 1981, 596, 597; Goldmann, in: Harte/Henning, § 8 UWG Rn. 303; Jestaedt, in: Ahrens, Kap. 19 Rn. 17; Ohly, in: Ohly/Sosnitza, § 8 UWG Rn. 96.
§ 6 Die „Einrichtung“
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verringert. Die Wirksamkeit des materiellen Rechtsaktes ist nun von einer Registrierung als Erbringer außergerichtlicher Inkassodienstleistungen gem. § 10 I 1 Nr. 1 RDG abhängig.205 Diese steht grundsätzlich jeder natürlichen Person, jeder juristischen Person des Privatrechts sowie jeder OHG, KG, PartG, GbR, Partenreederei und Europäischen wirtschaftlichen Interessenvereinigung offen.206 Vor Gericht gilt neben den allgemeinen Prozessvoraussetzungen schließlich nur der Anwaltszwang gem. § 78 I oder § 79 I 2 1. Hs. ZPO. Den Unterschied zum alten Recht verdeutlicht das Verfahren der belgischen Cartel Damage Claims (CDC) SA gegen deutsche Zementhersteller zur Geltendmachung von Kartellschadenersatzansprüchen, die der Gesellschaft vor Verfahrensbeginn mehrmals abgetreten worden waren.207 Während eine Nichtigkeit der in den Jahren 2004 und 2005 vorgenommenen Abtretungen wegen Verstoßes gegen das RBerG für die Gerichte feststand, ließ sich die CDC SA zwischenzeitlich wirksam gem. § 10 I 1 Nr. 1 RDG registrieren. Unabhängig von der aus anderen Gründen hoch streitigen, materiell-rechtlichen Wirksamkeit des Abtretungsmodells wurde die außergerichtliche wie gerichtliche Tätigkeit der Gesellschaft damit ab diesem Zeitpunkt ohne umfangreichen Begründungsaufwand als zulässig erachtet. Charakter, Organisation und Merkmale der Gesellschaft wurden ausschließlich auf materiell-rechtlicher Ebene thematisiert. Unter der Voraussetzung einer materiell-rechtlich wirksamen Abtretung ebenso wirksamer und durchsetzbarer Ansprüche, stände diese Vorgehensweise mithin gem. § 10 I 1 RDG jeder auch rein wirtschaftlich handelnden natürlichen Person, juristischen Person oder Gesellschaft ohne Rechtspersönlichkeit offen, die den Registrierungsvoraussetzungen der §§ 11 I und 12 RDG entspricht und diese nachweisen kann.
III. Die association Die detailliertesten gesetzlichen Anforderungen an die Akteure in kollektiven Rechtsschutzverfahren stellt das französische Recht. Da die Verbraucherverbände unter den verschiedenen institutionellen Repräsentanten nicht nur die zahlenmäßig bedeutendste Rolle spielen, sondern bislang als einzige zur Einleitung des neuen Gruppenklageverfahrens action de groupe befugt sind, soll sich die Darstellung hier auf sie konzentrieren. Darüber hinaus bestehen in der Menge gesetzlicher Einzelermächtigungen durchaus einige Parallelen mit Ausnahme der Berufsverbände (syndicats professionnels), die deutlich geringeren Anforderungen unterliegen.208 205
Zur Frage der Registrierung bereits ausführlich im zweiten Kapitel, S. 89 ff. Vgl. die Legaldefinition der Gesellschaft ohne Rechtspersönlichkeit in § 11 II Nr. 1 InsO; außerdem Rillig, in: Deckenbrock/Henssler, § 10 RDG, Rn. 8, 9 und 10. 207 Dazu ausführlich bereits im dritten Kapitel, S. 145 ff. 208 Puttfarken/Franke, in: Basedow/Hopt/Kötz/Baetge, S. 149, 161 f.; durchaus vergleich206
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Drittes Kapitel: Die Person des Repräsentanten
Die Regelungen betreffend die qualité d’agir der Verbraucherverbände für alle Klageformen des Code de la Consommation sind im Wesentlichen in Art. L411-1 CCons209 sowie im Verordnungsteil in den Art. R411-1 bis R411-7 CCons. niedergelegt. Nach der Grundregel des Art. L411-1 CCons ist für eine Tätigkeit in allen Fällen eine behördliche Zulassung (agrément) erforderlich, die nur „associations de défense des consommateurs“ erteilt werden kann.
1. Association Damit wird zunächst die Rechtsform einer association vorgegeben, die sich wiederum nach dem Gesetz vom 01. Juli 1901 relative au contrat d’association richtet. Danach handelt es sich bei einer association um eine Übereinkunft zwischen zwei oder mehr Personen, die ihr Wissen oder ihre Tätigkeiten dauerhaft für ein Ziel zusammenschließen, das nicht in der Verteilung von Gewinnen besteht.210 Das letztgenannte Merkmal dient der Unterscheidung der association von einer société. Die association darf im Grundsatz keinen kommerziellen Zweck verfolgen und wird stattdessen häufig für kulturelle, sportliche oder wohltätige Aktivitäten genutzt.211 Dabei ist es im Rahmen der verfassungsrechtlich garantierten Vereinigungsfreiheit jedoch durchaus zulässig, wenn eine association rechnerische Gewinne erzielt und so eine finanzielle Basis für ihre Tätigkeit aufbaut. Verboten ist ihr lediglich, Gewinne an ihre Mitglieder auszukehren. Entsprechend erlaubt das Gesetz ebenso Lohnzahlungen an Mitglieder, sofern diese eine Gegenleistung für eine bestimmte Tätigkeit für die association darstellen.212 Insgesamt ähnelt die association mithin einem Idealverein des BGB.213 Die Gründung einer association unterliegt über die Vereinbarung der Beteiligten hinaus keinen weiteren Voraussetzungen, auch Aufbau und Führung sind nicht gesetzlich vorgeschrieben (vgl. Art. 2).214 Allerdings kommt einer association in dieser Grundform keine Rechtspersönlichkeit zu.215 Rechtsbar sind z. B. die Anforderungen an die „associations de défense des investisseurs“ gemäß den Art. L452-1 I und II sowie D452-1 bis D452-8 Code monétaire et financier. 209 Dessen Inhalt wird für jede Klageform im jeweils ersten Artikel der betreffenden Sektion nochmals aufgegriffen. Vgl. für die action civile Art. L421-1 I CCons, für die action en suppression de clauses abusives und die action en cessation de pratiques illicites Art. L4216 I CCons, für die action en répresentation conjointe Art. L422-1 I CCons sowie für die action de groupe Art. L423-1 I CCons. 210 Art. 1 S. 1: “L’association est la convention par laquelle deux ou plusieurs personnes mettent en commun, d’une façon permanente, leurs connaissances ou leur activité dans un but autre que de partager des bénéfices.” 211 Anwendungsbeispiele bei Brichet, S. 1 ff., Rn. 20. 212 Brichet, S. 7, Rn. 10 ff. 213 Franke, S. 41; Beuchler, in: Micklitz/Stadler, Verbandsklagerecht, S. 142; Puttfarken/ Franke, in: Basedow/Hopt/Kötz/Baetge, S. 149, 153 f. 214 Brichet, S. 47, Rn. 105. 215 Ebenda, S. 57, Rn. 130 f.
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und Prozessfähigkeit als eigene Rechtsperson erlangt sie erst, wenn sie gem. Art. 5 unter Angabe ihres Namens, Zwecks und Sitzes sowie der Namen, Nationalitäten, Adressen und Berufe ihrer Vorstände bei der Präfektur des jeweiligen département registriert und ihre Registrierung im Journal Officiel, dem französischen Gesetzes- und Verordnungsblatt veröffentlicht wurde.216 Nur eine erfolgreich angemeldete und damit rechtsfähige association kann eine behördliche Zulassung und damit eine qualité d’agir erlangen.217
2. Association de défense des consommateurs Neben der Rechtsform legt Art. L411-1 CCons mit der „défense des consommateurs“218 auch die inhaltliche Ausrichtung fest. Associations, die sich akkreditieren lassen wollen, müssen daher nach ihrer Satzung zwingend den Verbraucherschutz zum Zweck haben. Es bleibt ihnen jedoch erlaubt, sowohl daneben in weiteren Bereichen tätig zu sein, als auch sich auf einen bestimmten Teilbereich des Verbraucherschutzes wie z. B. das Transportwesen, das Wohnen o.Ä. zu spezialisieren.219 Ein gewisser Unterschied zwischen den Klageformen besteht schließlich im Hinblick auf den räumlichen Tätigkeitsbereich der Verbraucherorganisationen. Zunächst stehen alle Klageformen mit Ausnahme der action en cessation de pratiques illicites sowie der action en suppression de clauses abusives für die Art. 421-6 I CCons ausdrücklich auf die bei der EU-Kommission geführte Liste qualifizierter Einrichtungen verweist, ausschließlich in Frankreich ansässigen Organisationen offen. Darüber hinaus ist deren Tätigkeitsbereich für alle Klagen im kollektiven Verbraucherinteresse unerheblich, sodass auch nur lokal oder im Bereich eines département arbeitende Organisationen anerkennungsfähig sind. Anders fordern Art. L422-1 I CCons für die action en répresentation conjointe wie auch Art. L423-1 I CCons für die action de groupe zwingend eine Betätigung auf nationaler Ebene. Zum jetzigen Zeitpunkt sind 16 landesweit tätige Verbraucherorganisationen zugelassen220 und dementsprechend befugt eine action de groupe oder action en répresentation conjointe einzuleiten. Dazu zählen u. a. die Union féderale 216
Zu den Einzelheiten des Verfahrens ebenda, S. 58 f, Rn. 133 ff. Art. L421-1 I CCons: „Les associations régulièrement déclarées […]“ sowie Art. R411-1 I Nr. 1 CCons, wonach für eine Akkreditierung ein einjähriges Bestehen „à compter de sa déclaration“ vorausgesetzt wird. 218 Art. L421-1 I CCons spricht mit gleicher Bedeutung von „associations régulièrement déclarées ayant pour objet statutaire explicite la défense des intérêts des consommateurs“. Anders als in Art. 411-1 CCons wird darin deutlich, dass der Verbraucherschutz in der Satzung verankert sein muss. 219 Franke, S. 41; Beuchler, in: Micklitz/Stadler, Verbandsklagerecht, S. 144. 220 Die Angaben variieren leicht. Eine online auf einem gemeinsamen Portal der französischen Wirtschafts- und Finanzministerien unter http://www.economie.gouv.fr/dgccrf/Listeet-coordonnees-des-associations-nationales (zuletzt besucht am 12. 04. 2017) veröffentlichte Liste nennt 15 akkreditierte nationale Organisationen, allerdings mit Stand vom 08. Oktober 217 Vgl.
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Drittes Kapitel: Die Person des Repräsentanten
des consommateurs (UFC-Que choisir) und die Confédération de la Consommation, du Logement et du Cadre de Vie (CLCV), die von dieser Befugnis am meisten Gebrauch machen.221 Die Liste deckt sich weitgehend, jedoch nicht vollständig mit der Liste qualifizierter Einrichtungen im Sinne von Art. 4 III UKla-RL bei der Europäischen Kommission, zu der Frankreich 19 Organisationen angemeldet hat.222 Unterhalb der nationalen Ebene sind dagegen über 700 verschiedene französische Verbände im Sinne des Art. L411-1 CCons registriert.223
IV. Die stichting und die vereniging Der kollektive Rechtsschutz in den Niederlanden liegt ausnahmslos in den Händen privater und öffentlicher Verbände oder anderer repräsentativer Organisationen. Eine Verfahrensführung durch einen der Geschädigten bzw. Anspruchsinhaber selbst als Vertreter der Gesamtgruppe ist weder im Rahmen der Verbandsklagen nach dem Bürgerlichen Gesetzbuch (Burgerlijk Wetboek (BW)) noch im kollektiven Massenschadensverfahren vorgesehen. Die besondere Verbandsklage im AGB-Recht kann gem. Art. 6:240 III 1 BW ähnlich der Regelung im deutschen § 3 UKlaG von Unternehmer- und Verbraucherverbänden erhoben werden. Das Gesetz spricht – insofern weiter als die deutsche Regelung – von „juristischen Personen mit voller Rechtsfähigkeit, die sich die Interessenwahrnehmung entweder von Personen, die einen Beruf oder ein Gewerbe ausüben oder von Endverbrauchern nicht für Beruf oder Gewerbe bestimmter Waren oder Dienstleistungen zum Zweck gesetzt haben“.224
Ein behördliches Anerkennungsverfahren kennt das niederländische Recht nicht. Dennoch stellt Art. 6:240 IV BW in Umsetzung europarechtlicher Vorgaben alle ausländischen Organisationen, die gem. Art. 4 III UKla-RL als „qualifizierte Einrichtung“ auf der Liste der Europäischen Kommission eintragen sind, den in Art. 6:240 III BW genannten inländischen Klageberechtigten grundsätzlich gleich. Sowohl die allgemeine Verbandsklage der Art. 3:305a ff. BW als auch ein Vergleichsvertrag i. S. d. Art. 7:900 ff. BW kann gem. Art. 3:305a I bzw. Art. 7:907 I 2014; ebenso Bien, NZKart 2014, 507, 508; Fauvarque-Cosson, euvr 2014, 143, 144 gibt die Zahl mit 16 an. 221 Vgl. schon oben im zweiten Kapitel, S. 111 f. 222 Vgl. die letzte Veröffentlichung in einer entsprechenden Mitteilung der EU-Kommission vom 04. 03. 2016, Abl. 2016 Nr. C 87, S. 1 ff. 223 Franke, S. 41; Beuchler, in: Micklitz/Stadler, Verbandsklagerecht, S. 146. 224 Art. 6:240 III 1 BW: „[…] rechtspersonen met volledige rechtsbevoegdheid die ten doel hebben de behartiging van belangen van personen die een beroep of bedrijf uitoefenen of van eindgebruikers van niet voor een beroep of bedrijf bestemde goederen of diensten.“
§ 6 Die „Einrichtung“
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BW entweder von einer Stiftung (stichting) oder einem Verein (vereniging) eingelegt bzw. geschlossen werden.225 Während diese in beiden Verfahrensarten tätig werden können, steht ausländischen Institutionen, die sich gem. Art. 4 III UKla-RL als „qualifizierte Einrichtung“ auf die Liste der Europäischen Kommission haben eintragen lassen lediglich die allgemeine Verbandsklage offen (vgl. Art. 3:305c I BW). Anders wiederum als z. B. in Deutschland ist deren Tätigkeit zwar auf Fälle mit einem grenzüberschreitenden Bezug ausgehend von niederländischem Boden, nicht aber auf die im Anhang der UKla-Richtlinie genannten Rechtsgebiete beschränkt, sodass der Anwendungsbereich ungleich größer ausfällt. Die privatrechtlichen Organisationen der Niederlande machen von diesen sehr umfangreichen Rechten auch regelmäßig Gebrauch. Neben verschiedenen Interessenverbänden wie Aktionärs- und Anlegervereinigungen, Anti-Diskriminierungsverbänden, beruflichen Fachverbänden und dem Automobilclub entfällt im Vergleich die größte Anzahl von Verfahren je Organisation dabei auf den Consumentenbond, den mit über einer halben Million Mitgliedern (Das entspricht ca. einem Drittel der Gesamtbevölkerungszahl.) größten Verbraucherverband der Niederlande.226 Gleichzeitig ist der Consumentenbond jedoch im Verhältnis zur Anzahl aller Verfahren insgesamt nur an einem überraschend geringen Teil beteiligt.227 Die weiteren Voraussetzungen, die das Gesetz an stichtingen und verenigingen für ihre Zulassung zu einer allgemeinen Verbandsklage wie auch zu einem WCAM-Verfahren stellt, fallen sehr gering aus.228 Nicht zuletzt deswegen lohnt sich ein näherer Blick auf die Ausgestaltung dieser Rechtsformen im niederländischen Recht.
225 Eine andere Rechtsform kommt für die handelnden Interessenorganisationen hier nicht in Frage, MvT, Regeling van de bevoegdheid van bepaalde rechtspersonen om ter bescherming van de belangen van andere personen een rechtsvordering in te stellen, TK 1991–1992, Kamerstuk 22 486, Nr. 3, S. 20. Dies ergibt sich auch bereits aus der gesetzlichen Konzeption, nach der die naamlose vennootschap (N. V., vergleichbar der deutschen Aktiengesellschaft), die besloten vennootschap (B. V., vergleichbar der deutschen GmbH) wie auch die coöperatie (vergleichbar der deutschen e. G.) einen vermögensrechtlichen Vorteil für ihre Gesellschafter anstreben; vgl. auch Wullems, S. 64 ff; zu stichting und vereniging genauer sogleich. 226 Mom, S. 204 und 396; zum Consumentenbond, der als Verein organisiert ist sowie weiteren niederländischen Verbraucherverbänden Hondius, in: Micklitz, S. 351, 369 f. 227 Nach Marris, S. 40 f. wurden in den Jahren 1994 bis inklusive 2012 insgesamt 288 Verbandsklagen auf der Grundlage von Art. 3:305a ff. BW eingeleitet. An nur 16 davon war der Consumentenbond teils als alleiniger Kläger teils zusammen mit anderen beteiligt. In 9 Fällen trat die Vereniging van Effectenbezitters (VEB) als Klägerin auf, in 51 Fällen verschiedene Fachverbände. Im größten Anteil von 222 Fällen waren dagegen verschiedene stichtingen oder verenigingen als Kläger tätig, die jedoch leider in der Untersuchung nicht weiter untergliedert werden. Die Erhebungen erscheinen insgesamt auf den ersten Blick sehr verwirrend, da Überschneidungen nur in der Tabelle in Anhang IV erkennbar sind. 228 Dazu im Einzelnen im folgenden Kapitel, S. 297 ff. und S. 341 ff.
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Drittes Kapitel: Die Person des Repräsentanten
1. Stichtingen Art. 2:285 I BW definiert die stichting nach niederländischem Recht229 als eine durch Rechtsgeschäft ins Leben gerufene Rechtsperson, die keine Mitglieder kennt und beabsichtigt, mit Hilfe eines dazu bestimmten Vermögens einen in der Satzung festgelegten Zweck zu verwirklichen. Als juristische Person finden auf sie neben den besonderen Regelungen in Art. 2:285 bis 2:304 BW zudem die allgemeinen Vorschriften der Art. 2:1 bis 2:25 BW Anwendung. Gem. Art. 2:3 BW besitzt jede stichting rechtspersoonlijkheid und ist somit rechtsfähig. Sie wird mittels notarieller Urkunde gegründet und kommt mit deren Errichtung und Genehmigung durch einen niederländischen Notar zustande (Art. 2:286 BW). Die Mitwirkung einer Behörde oder eines Gerichts ist nicht erforderlich. Jede geschäftsfähige, natürliche oder juristische Person kommt unabhängig von Staatsangehörigkeit und Wohnsitz bzw. Sitz als Gründer in Betracht.230 Entscheidender Bestandteil der Gründungsurkunde ist die Satzung (statuten, vgl. Art. 286 III BW), die darin erstmals beschlossen und schriftlich niedergelegt wird. Sie muss gem. Art. 2:286 IV BW folgende Mindestangaben enthalten, für deren Vollständigkeit und Gesetzmäßigkeit der beurkundende Notar Sorge zu tragen hat231: Den Namen, der das Wort stichting enthalten muss (a), den Zweck der stichting (b), das Verfahren zur Bestellung und Abwahl des Vorstands (c), die niederländische Gemeinde, in der die stichting ihren Sitz hat (d) sowie Regelungen zur Verteilung des Überschusses nach Vermögensabwicklung (e). Mit dem genannten Stiftungszweck müssen die wichtigsten Tätigkeiten der stichting klar umschrieben werden232 und er darf insgesamt nicht gegen die öffentliche Ordnung verstoßen (vgl. Art. 2:20 BW). Die Gemeinnützigkeit gehört dabei nicht zu den zwingenden Merkmalen einer stichting, sodass es ihr durchaus erlaubt ist, z. B. ein Unternehmen zu betreiben und so Gewinne zu erwirtschaften, soweit sie sich dabei nach den jeweiligen Umständen im Rahmen ihres Stiftungszwecks bewegt.233 Gleichzeitig aber normiert Art. 2:285 III BW ein 229 Das niederländische Recht kennt die im deutschen Recht geltende Unterscheidung zwischen Stiftungen des öffentlichen und des privaten Rechts nicht. Die betreffenden Regelungen des Burgerlijk Wetboek gelten für alle stichtingen, vgl. van Veen, Stiftung&Sponsoring 2004, Heft 6, S. 34, 35. Aufgrund der gravierenden Unterschiede zur Stiftung (wie auch zum Verein) des deutschen Privatrechts und um Unklarheiten zu vermeiden werden im Weiteren ausschließlich die niederländischen Begriffe verwendet. 230 Volders/de Vries, in: Richter/Wachter, S. 1161, 1166 Rn. 10. 231 Vgl. Art. 2:286 V BW; van der Ploeg, in: Hopt/Reuter, S. 405, 411 bemängelt dessen ungenaue Formulierung, aufgrund derer die Grenzen der notariellen Kontrolle unscharf bleiben. 232 Volders/de Vries, in: Richter/Wachter, S. 1161, 1170 Rn. 27. 233 Vgl. Art. 2:360 III BW; betreibt die stichting ein Unternehmen, das seinerseits aufgrund gesetzlicher Vorschriften ins Handelsregister einzutragen ist, unterliegt sie den zusätzlichen Anforderungen an Buchführung und Jahresabschluss des Buch 2, Titel 9 BW;
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Auszahlungsverbot, nach dem der Zweck einer stichting nicht beinhalten darf, Zuwendungen an ihre Gründer oder Organmitglieder auszuzahlen. Nicht als Zuwendungen im verbotenen Sinne gelten Zahlungen oder andere Leistungen der stichting allerdings dann, wenn es sich um Gegenleistungen für erbrachte Tätigkeiten, Dienste o.Ä. handelt.234 Des Weiteren lässt Art. 2:285 III BW auch keinen Zweck zu, der Zuwendungen an andere Personen einschließt, es sei denn diese sind ideeller oder sozialer Natur. Auch der Begriff „ideeller oder sozialer Natur“ wird jedoch von der Rechtsprechung weit ausgelegt und z. B. an Dritte gerichtete Zuwendungen zugelassen, die den Zweck der stichting realisieren sollen.235 Neben der Satzung wird in der Gründungsurkunde zudem der erste Vorstand ernannt, der aus mindestens einer (natürlichen oder juristischen) Person bestehen muss. Er ist gesetzliches Geschäftsführungsorgan der stichting und verfügt im Grundsatz über unbedingte und uneingeschränkte Vertretungsmacht (Art. 2:292 I und III BW). Mangels einer gesetzlichen Regelung beeinflussen auch mit dem Stiftungszweck in Widerspruch stehende persönliche Interessen eines Vorstandsmitglieds dessen Vertretungsmacht nicht.236 Der Vorstand ist zudem gem. Art. 2:289 BW verpflichtet, die stichting unter Beifügung der Satzung in das Handelsregister einzutragen. Kraft der Legaldefinition in Art. 2:285 I BW darf eine stichting keine Mitglieder kennen. Die Mitgliederfreiheit bildet das wesentliche Unterscheidungsmerkmal gegenüber einem Verein (vereniging) i. S. d. Art. 2:26 ff. BW. Eine stichting verletzt das Mitgliederverbot, sobald neben ihrem Vorstand ein Organ besteht, dem Personen auf freiwilliger Basis beitreten und aus ihm wieder austreten können und dem die Kompetenzen zukommen, die für eine Mitgliederversammlung bei Vereinen typisch sind (u. a. die Wahl der Vorstandsmitglieder, Änderungen der Satzung, Genehmigung der Bilanz etc.).237 Demgegenüber kann eine Stiftungssatzung jedoch zulässiger Weise gem. Art. 2:285 II BW einer oder mehreren Personen die Besetzung vakanter Stellen in den Stiftungsorganen auftragen. Ebenso können Organe einer stichting zur Änderung ihrer Satzung befugt werden, sofern dies ausdrücklich festgelegt ist (vgl. Art. 2:293 BW). Wird eine stichting schließlich von einer anderen juristischen Person van Ijsselmuiden/Schreiber, Stiftung & Sponsoring 1998, Heft 2, S. 34 bemerken treffend, die stichtingen seien „not-for-profit, aber in vielen Fällen nicht non-profit“. 234 Volders/de Vries, in: Richter/Wachter, S. 1161, 1170 f. Rn. 30 f. 235 Ebenda. 236 Wullems, S. 25 f. Der Mangel einer derartigen Beschränkung im Unterschied zu anderen Rechtspersonen wird damit begründet, dass zum einen ein Organ fehlt, dem im Kollisionsfall die Vertretungsmacht zufallen könnte sowie in erster Linie damit, dass eine stichting nach ihrer ursprünglichen Konzeption keine Mitglieder, Anteilseigner oder andere Beteiligte kennt und damit kein Dritter, sondern nur die stichting selbst zu Schaden kommen kann. 237 Volders/de Vries, in: Richter/Wachter, S. 1161, 1171 Rn. 32 f.; Dijk/van der Ploeg, S. 27 f.; Van Veen, Stiftung&Sponsoring 2004, Heft 6, S. 34, 35; van der Ploeg, in: Hopt/ Reuter, S. 405, 409.
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Drittes Kapitel: Die Person des Repräsentanten
unterhalten, können die besagten Rechte auch an ein Organ dieser juristischen Person übertragen werden. Aufgrund der wenig konkreten gesetzlichen Regelungen und Uneinigkeit in der Literatur über ihre Auslegung wird das Mitgliederverbot mithin sehr großzügig gehandhabt und Beanstandungen durch die Staatsanwaltschaft sind selten.238 Obwohl ein zweckgebundenes Vermögen vom Gesetz als weiteres charakteristisches Merkmal einer stichting genannt wird, ist schließlich ihre Ausstattung mit Vermögen keine Voraussetzung zur wirksamen Entstehung einer stichting. Auch ein Mindestvermögen kennt das Gesetz demnach nicht.239 Wie jede juristische Person wird eine stichting gem. Art. 2:17 BW für unbestimmte Zeit gegründet und kann nur in den Fällen des Art. 2:19 BW aufgelöst werden. Die Satzung kann aber eine Regelung enthalten, wonach der Eintritt eines bestimmten Ereignisses die Auflösung zur Folge haben soll (Art. 2:19 I lit. b BW). Zu denken wäre z. B. an die vollständige Abwicklung eines bestimmten Schadensfalles. Verhält sich die Satzung hierzu nicht, kann der Stiftungsvorstand einen Auflösungsbeschluss fassen (Art. 2:19 I lit. a BW). Das Gesetz sieht bislang für stichtingen nur unwesentliche Kontrollmechanismen vor. Intern fehlt es aufgrund des Mitgliederverbots im Gegensatz zur vereniging eben gerade an einem Organ wie der Mitgliederversammlung, wodurch nicht nur die Beschlüsse des Stiftungsvorstands geringerer Kontrolle unterliegen, sondern auch die Entscheidungsfindung deutlich weniger aufwendig und besser vorhersehbar – da weniger demokratisch – ist. Die daraus resultierende Freiheit in Führung und Beschlussfassung macht die Rechtsform insbesondere für ad hoc errichtete Interessenorganisationen attraktiv.240 Kraft Satzung kann eine stichting ein Aufsichtsorgan, wie z. B. einen Aufsichtsrat bilden, ist hierzu jedoch nicht verpflichtet.241 Besteht ein solches, obliegt ihm in der Regel die Benennung, Suspension und Entlassung von Vorstandsmitgliedern. Außerdem erlangt es vor allem im Hinblick auf die finanzielle Kontrolle Bedeutung.242 Aus Art. 2:10 I BW wird die Verpflichtung des Vorstands zur Buchhaltung abgeleitet, über die er spätestens sechs Monate nach Ablauf des Geschäftsjahres einen Jahresbericht inklusive Bilanz zu erstellen hat. Ist ein Aufsichtsorgan vorhanden, so sind diese Dokumente jedem Mitglied zur Einsicht vorzulegen und ihnen obliegt, sofern nicht abweichend geregelt, die 238
Dijk/van der Ploeg, S. 28. Dijk/van der Ploeg, S. 19; Van Veen, Stiftung&Sponsoring 2004, Heft 6, S. 34, 35 f.; van der Ploeg, in: Hopt/Reuter, S. 405, 408; erst wenn die Erfüllung des Stiftungszwecks mangels Vermögens zweifelhaft wird, kommt gem. Art. 2:301 I lit. a BW eine Auflösung der stichting in Betracht. 240 Lemstra/Okhuijsen, TFR 6/2010, 158; Vermeer, S. 14; Lemstra, in: t’ Hart, S. 35, 40; ders., in: van Solinge e. a., S. 107, 110 f.; Wullems, S. 28; sehr kritisch Lunsingh Scheurleer, in: van Solinge e. a., S. 99, 101. 241 Dijk/van der Ploeg, S. 251; Lemstra, in: van Solinge e. a., S. 107, 110. 242 Dijk/van der Ploeg, S. 251 f. 239
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Feststellung des Jahresabschlusses. Existiert ein Aufsichtsorgan jedoch nicht, bleibt auch hierfür der Vorstand zuständig.243 Eine Veröffentlichung des Jahresberichts ist von Ausnahmen244 abgesehen ohnehin nicht erforderlich.245 Die Vorstandsmitglieder haften gem. Art. 2:9 II BW der stichting gegenüber für „unangemessene“ (onbehoorlijke) Amtsausübung. Eine angemessene Ausübung hat nach einem objektiven Maßstab auf eine Art und Weise zu erfolgen, die nach allgemeiner Ansicht von einem fähigen Vorstandsmitglied der betroffenen Art von Rechtsperson zumutbarer Weise erwartet werden kann. Ein Vorstandsmitglied haftet jedoch immer nur dann, wenn ihm auch nach allen Umständen des Falles ein ernsthafter Vorwurf gemacht werden kann.246 Für alle Aufsichtsorgane wie z. B. Aufsichtsräte existieren solche Haftungsregelungen nicht.247 Gegenüber Dritten kommt für Vorstandsmitglieder zwar eine deliktische Haftung gem. Art. 6:162 BW in Betracht, die jedoch von einem persönlichen Verschulden abhängig ist.248 Eine dauerhafte, staatliche Aufsicht über stichtingen und ihre Tätigkeit besteht ebenfalls nicht. Lediglich in bestimmten Fällen und unter besonderen Voraussetzungen stehen der rechtbank249, jeweils auf Antrag der Staatsanwaltschaft oder anderer Beteiligter Eingriffsrechte zu.250 So kann das Gericht u. a. die Offenlegung von Büchern erzwingen (Art. 2:297 II BW), Vorstandsmitglieder entlassen oder einsetzen (Art. 2:298 und 2:299 BW) oder die Satzung ändern (Art. 2:294 BW). Darüber hinaus ist es ebenfalls auf Antrag befugt und in Einzelfällen verpflichtet eine stichting in besonders gravierenden Fällen (wie z. B. schweren Verstößen gegen Gesetz oder Satzung) aufzulösen.251 Insgesamt gesehen kann eine stichting nach niederländischem Recht daher mit mäßigem Aufwand gegründet werden und unterliegt nur einer geringen Kontrolle. Die Rechtsform bietet so eine hohe Flexibilität, die sie u. a.252 für 243 Dijk/van der Ploeg, S. 198 f. bemerken zu Recht: „Aus dem Ablegen finanzieller Verantwortung durch den Vorstand […] in einer stichting ohne Aufsichtsorgan wird nicht viel. Dies unterstreicht den Mangel eines gesetzlich verpflichtenden Organs, das über den Vorstand Aufsicht führt“. 244 Vgl. oben, Fn. 233. 245 Wullems, S. 21. 246 Dijk/van der Ploeg, S. 214 f. 247 Wullems, S. 24. 248 Dijk/van der Ploeg, S. 222 f. 249 Gem. Art. 19 II BW und Art. 15 I und 995 WBR ist grundsätzlich ein Einzelrichter der rechtbank (vergleichbar dem deutschen Landgericht) zuständig, in deren Bezirk die juristische Person ihren Sitz hat. 250 Dazu ausführlicher van der Ploeg, in: Hopt/Reuter, S. 405, 410; Volders/de Vries, in: Richter/Wachter, S. 1161, 1182 f. Rn. 81 ff. 251 Vgl. die Auflösungsgründe in Art. 2:20 und 2:21 BW betreffend jede juristische Person und in Art. 2:301 BW betreffend ausschließlich die stichtingen. 252 Zur vielfältigen Verwendung von stichtingen in den Niederlanden van Ijsselmuiden/ Schreiber, Stiftung&Sponsoring 1998, Heft 2, S. 34 ff.
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Kollektivverfahren attraktiv macht. Gleichzeitig besteht ein hohes Potenzial für Missbrauch253, dem im Rahmen eines solchen Verfahrens mit Hilfe weiterer gesetzlicher Anforderungen begegnet werden muss.
2. Verenigingen Anders als eine stichting ist eine vereniging gem. Art. 2:26 BW eine aus Mitgliedern bestehende Rechtsperson, die sich mit einem bestimmten Ziel zusammengeschlossen haben. Das Gesetz stellt für einen Verein nochmals deutlich geringere Anforderungen. Es ist grundsätzlich jeder Vereinszweck zulässig, der nicht gegen die öffentliche Ordnung verstößt (Art. 2:20 BW). Allerdings macht Art. 2:26 BW zwei weitere Einschränkungen: Ein Verein darf, in Abgrenzung zur eingetragenen Genossenschaft (coöperatie, Art. 2:53 I BW) sowie zum Versicherungsverein auf Gegenseitigkeit (onderlinge warborgmaatschappij, Art. 2:53 II BW) weder ein genossenschaftliches Ziel verfolgen, noch einen Versicherungsbetrieb unterhalten (Art. 2:26 I BW) und außerdem einen potenziellen Gewinn nicht an seine Mitglieder auskehren (Art. 2:26 III BW), was ihn wiederum von den verschiedenen Formen einer Gesellschaft unterscheidet. Anders formuliert gilt jede mitgliederbasierte Organisation, die keiner der anderen spezifisch geregelten Rechtsformen entspricht, als Verein i. S. d. Art. 2:26 I BW.254 Das Verbot des Art. 2:26 III BW erfasst jedoch nicht die kostenlose Verteilung von Publikationen oder die Erbringung von Dienstleistungen unter dem marktüblichen Preis für die Mitglieder. Des Weiteren ist es einem Verein selbst durchaus erlaubt, einen kommerziellen Zweck zu verfolgen, solange er daraus resultierende Gewinne weder an Mitglieder noch an Gründer oder externe Vorstandsmitglieder weitergibt. Ebenso wie bei der stichting meint dies aber auch hier nicht Zuwendungen ideeller oder sozialer Natur sowie Gegenleistungen für tatsächlich erbrachte Tätigkeiten. Vorgaben für die im Gegensatz zur stichting generell zulässige Auszahlung von Gewinnen an Dritte macht das Gesetz nicht.255 Ebenfalls im Unterschied zu einer stichting, die durch einseitigen Rechtsakt eines einzelnen Gründers errichtet werden kann, ist für einen Verein zwingend ein mehrseitiger Rechtsakt erforderlich. Bei der Gründung handelt es sich nach herrschender Lehre um einen Rechtsakt sui generis, durch den ein Mitglied253 Ebenso van der Ploeg, in: Hopt/Reuter, S. 405, 417; auch Van Veen, Stiftung&Sponsoring 2004, Heft 6, S. 34, 40 bezeichnet die gesetzlich geregelte Aufsicht als ein „sehr grob gestricktes Auffangnetz“, verweist aber auf die vielfältigen Möglichkeiten der Selbstregulierung. Diese wiederum setzt aber naturgemäß die Bereitschaft der jeweils Beteiligten voraus. Das Missbrauchspotenzial der stichtingen wurde von einigen auch bereits im Vorfeld der Einführung der Art. 3:305a ff. BW bemängelt, vom Gesetzgeber, der sein Augenmerk auf die etablierten Interessenvertreter gerichtet hatte, jedoch nicht beachtet, vgl. dazu Lemstra, in: van Solinge, S. 107, 111 ff. m. w. N. 254 Dijk/van der Ploeg, S. 25. 255 Dijk/van der Ploeg, S. 18 f.
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schaftsverhältnis zwischen den Gründungsmitgliedern und dem entstandenen Verein ins Leben gerufen wird. Anders als bei allen anderen, dem BW bekannten juristischen Personen, ist sie bei einem Verein auch formfrei möglich. Die Vorgaben des Art. 2:27 BW gelten dann nicht.256 Ein so entstandener Verein ist jedoch nur beschränkt rechtsfähig (vereniging met beperkte rechtsbevoegdheid oder auch informele vereniging) und kann daher weder unbewegliche Sachen erwerben, noch zum Erben erklärt werden (Art. 2:30 I (i. V. m. Art. 3:10) BW). Für alle Verbindlichkeiten des Vereins haften in diesem Fall die Vorstandsmitglieder mit ihrem Privatvermögen solidarisch (Art. 2:30 II BW).257 Nur ein voll rechtsfähiger Verein kann allerdings gem. Art. 3:305a I BW als Verbandskläger auftreten oder gem. Art. 7:907 I BW einen Vergleichsvertrag abschließen. Im Vorfeld der Kodifizierung der allgemeinen Verbandsklage in Art. 3:305a ff. BW war diese Einschränkung stark umstritten. Sie war zunächst Teil des ersten Referentenentwurfs, wurde jedoch nicht in den endgültigen Gesetzesentwurf übernommen. Dadurch sollten auch Organisationen den Zugang zum Verfahren erhalten, die sich lediglich ad hoc aus Anlass eines bestimmten Rechtsverstoßes bilden würden und bei denen man davon ausging, sie würden von Zeitaufwand und Notarkosten für eine formelle Gründung abgeschreckt.258 Darüber hinaus wurde der Gleichlauf zum verwaltungsrechtlichen Verfahren angemahnt259, das die volle Rechtsfähigkeit ebenso wenig für erforderlich erachtete, wie die privatrechtliche Rechtsprechung260, der in den Jahren zuvor eine wesentliche Rolle bei Entstehung und Ausgestaltung der Verbandsklage zugekommen war.261 Im Rahmen der parlamentarischen Beratung wurde dieser Standpunkt jedoch wieder revidiert und, wenn auch aufgrund fragwürdiger Argumente, die Rückkehr zur ursprünglichen Fassung des Referentenentwurfs betrieben. Ausschlaggebend war in erster Linie, dass nur bei einem voll rechtsfähigen Verein gem. Art. 2:29 II BW Verein und Vorstand in das Vereinsregister einzutragen und damit bekannt sind. Daher wurde befürchtet, eine informele vereniging könnte
256 Kritisch Dijk/van der Ploeg, S. 45 ff.; nach Frenk/Boele-Woelki, in: Basedow/Hopt/ Kötz/Baetge, S. 213, 225 und Frenk, S. 121 m. w. N. aus der Rspr. reicht für eine solche formlose Gründung sogar aus, dass der gemeinsame Zweck durch einen Zusammenschluss von Personen zu einer Einheit nach außen erkennbar wird. 257 Dazu jeweils im Einzelnen Dijk/van der Ploeg, S. 29 ff. 258 MvT, Regeling van de bevoegdheid van bepaalde rechtspersonen om ter bescherming van de belangen van andere personen een rechtsvordering in te stellen, TK 1991–1992, Kamerstuk 22 486, Nr. 3 S. 20; Hondius, in: Micklitz, S. 351, 359 f. 259 Frenk, S. 122; Mom, S. 203 m. w. N. 260 Vgl. insbesondere Hoge Raad, Urteil vom 27. 06. 1986 (De Nieuwe Meer) und Urteil vom 01. 07. 1992 (Alphahulpen), wonach eine Satzung niedergelegt sein muss, aus der die Ziele des jeweiligen Vereins zu entnehmen sind. Eine notarielle Beurkundung wird dagegen nicht verlangt. 261 Dazu schon soeben, S. 163 ff.
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sich so einer evtl. Erstattung von Prozesskosten entziehen.262 Eine genauere Betrachtung zeigt allerdings das Gegenteil: Bei einem voll rechtsfähigen Verein ist der Vorstand – ebenso wie bei allen übrigen juristischen Personen – von persönlicher Haftung befreit und es hilft folglich für die Eintreibung von Kostenersatzansprüchen wenig, ihn zu kennen. Bei formlos gegründeten Vereinen dagegen trifft alle Vorstandsmitglieder die solidarische Haftung für Vereinsverbindlichkeiten (Art. 2:30 II 1 BW), sodass diese Form Dritten ungleich bessere Sicherheit bietet. Hinzu kommt, dass gem. Art. 2:30 II 4 BW mangels eines Haftenden nach den Sätzen eins bis drei, die solidarische Haftung denjenigen trifft, der für den Verein gehandelt hat. Neben dem Verein selbst stände hier mithin jedenfalls ein weiterer persönlicher Kostenschuldner zur Verfügung.263 Des Weiteren wurde die Gefahr einer Überlastung der Gerichte durch eine Vielzahl ad hoc gegründeter, beschränkt rechtsfähiger Vereine gegen deren Anerkennung ins Feld geführt264, obwohl ad hoc gegründete Vereine nach dem Gesetzesentwurf noch ausdrücklich begünstigt werden sollten. Der Änderungsantrag sah sich auch über seine angreifbaren Motive hinaus deutlicher Kritik ausgesetzt. Im Mittelpunkt stand dabei der Vorwurf an dessen Initiatoren, auf diesem Weg die Rechtsfigur des beschränkt rechtsfähigen Vereins an sich zurückdrängen zu wollen. Aber auch inhaltlich wurde beanstandet, eine zwingende notarielle Gründung verleite dazu, stichtingen anstatt verenigingen zu gründen, sodass mangels Mitgliedern nicht nur eigenmächtiges Handeln von Vorständen begünstigt würde, sondern auch die Repräsentativität derartiger Organisationen in Zweifel zu ziehen sei.265 Ungeachtet der überwiegenden Gegenargumente fand die Änderung jedoch schließlich eine Mehrheit, sodass die volle Rechtsfähigkeit als Zulassungsvoraussetzung schließlich wieder in Art. 3:305a I BW aufgenommen wurde.266 Ein Verein erlangt sie, indem er durch notarielle Urkunde errichtet oder die Satzung nachträglich notariell beurkundet wird (vgl. Art. 2:27 I, 2:28 I, 2:30 I BW). Das Verfahren gleicht dabei dem bei der Gründung einer stichting.267 Ebenso decken sich die vom Gesetz in Art. 2:27 IV BW für die Vereinssatzung geforderten Pflichtangaben weitgehend mit denen einer Stiftungssatzung (vgl. 262 Amendementen van de leden Soutendijk, van Appeldoorn en Korthals, TK 1993–1994, Kamerstuk 22 486, Nr. 14 S. 1. 263 Ausführlich Frenk, S. 123 ff.; Mom, S. 203 f. 264 A. a. O. (Fn. 262), S. 2. 265 Frenk, S. 125; außerdem Mom, S. 203 f. m. w. N. 266 Frenk, S. 125 f. resümiert treffend, es sei zwar schade, dass das Erfordernis voller Rechtsfähigkeit neu errichtet wurde, aber die Folgen für die Praxis dürfe man auch nicht überbewerten, seit eine notarielle Gründung ebenso in wenigen Tagen zu erreichen sei. Ungeachtet dessen bietet die Debatte ein gutes Beispiel dafür, dass einzelne Zulassungsvoraussetzungen mitunter sorgsam und im besten Falle unabhängig von anderen politischen Debatten bedacht sein wollen. 267 Vgl. oben S. 236 f.
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dazu Art. 2:286 IV BW). Abweichend davon muss eine Vereinssatzung die Pflichten der Mitglieder gegenüber dem Verein ausdrücklich benennen und festlegen, wie diese den Mitgliedern auferlegt werden können. Außerdem ist zwingend festzuhalten, wie die Mitgliederversammlung einzuberufen ist und schließlich die Verwendung des Vereinsvermögens für den Fall seiner Auflösung zu regeln, da es auch zu diesem Zeitpunkt nicht auf eines oder mehrere der Mitglieder übergehen darf. Die innere Organisation eines Vereins wird durch das Gesetz nur in den Grundzügen vorgegeben. Als Organe müssen eine Mitgliederversammlung (algemene vergadering, vgl. Art. 2:40 bis 2:43 BW) sowie ein Vereinsvorstand (bestuur, vgl. Art. 2:44 bis 2:48 BW) vorhanden sein.268
3. Reformvorhaben Angesichts der zum Teil gravierenden gesetzlichen Schwachpunkte in Bezug auf den Aufbau, die Leitung und in erster Linie die Kontrolle der stichtingen wie auch in geringerem Maße der verenigingen bemühte sich die Politik schon mehrfach um Reformen. Alle Vorhaben in Bezug auf die allgemeinen Regelungen zu diesen Rechtsformen blieben bislang jedoch ohne Erfolg.269 Zu einem weiteren aktuellen Vorstoß sogleich (dazu a)). Mangels politischer Durchsetzbarkeit genereller Änderungen folgten zwischenzeitlich aber zunächst private und nun auch gesetzgeberische Initiativen beschränkt auf den Bereich des kollektiven Rechtsschutzes in Art. 3:305a ff. BW (dazu sodann b) und c)).
a) Das Wet bestuur en toezicht rechtspersonen Im Februar 2014 veröffentlichte das Justizministerium zur öffentlichen Konsultation im Internet den Vorentwurf eines Gesetzes zur Änderung des Bürgerlichen Gesetzbuchs im Zusammenhang mit einer Verbesserung der Qualität von Vorstand und Aufsicht bei verenigingen und stichtingen“270. Nach mehreren Jahren folgte darauf nun am 13. 06. 2016 ein gegenüber dem Vorentwurf leicht veränderter offizieller Gesetzesentwurf mit Begründung.271 Ein wesentliches 268
Dijk/van der Ploeg, S. 24. Z. B. der Vorschlag zur Einführung der besonderen Rechtsform eines gesellschaftlichen Unternehmens für stichtingen und verenigingen, die im Grenzbereich von öffentlichem und privatem Sektor tätig sind, Voorstel van Wet, Wijziging van Boek 2 van het Burgerlijk Wetboek houdende regels voor de vereniging of stichting tot instandhouding van een maatschappelijke onderneming, TK 2008–2009, Kamerstuk 32 003, Nr. 2; dazu MvT, a. a. O., Nr. 3 sowie die Entscheidung zur Rücknahme des Entwurfs im Januar 2013, a. a. O., Nr. 7. 270 Voorstel van wet, Wijziging van het Burgerlijk Wetboek […] in verband met het verbeteren van de kwaliteit van bestuur en toezicht bij verenigingen en stichtingen […]; die im Rahmen der Internetkonsultation veröffentlichten amtlichen Vorentwürfe des Gesetzes sowie der zugehörigen Begründung (MvT) sind abrufbar unter http://www.internetconsultatie.nl/ bestuurentoezichtrechtspersonen (zuletzt besucht am 12. 04. 2017). 271 Voorstel van wet: Wijziging van het Burgerlijk Wetboek in verband met de uniformering en de verduidelijking van enkele bepalingen omtrent het bestuur en de raad van 269
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Drittes Kapitel: Die Person des Repräsentanten
Element dieses Entwurfs ist die Einführung einer gesetzlichen Grundlage für ein Aufsichtsorgan, anwendbar auf alle juristischen Personen. Während der Vorentwurf lediglich eine entsprechende Ergänzung um ein „toezichthoudend orgaan“ bei stichting und vereniging vorsah272, zieht der endgültige Entwurf nun einen u. a. für die NV und BV bereits geltenden Normkomplex273 vor die Klammer. Danach sind zwei Regelungsmodelle möglich: Zum einen kann der Vorstand in einen ausführenden und einen nicht-ausführenden Vorstand aufgeteilt werden, wobei der nicht-ausführende Vorstand natürlichen Personen vorbehalten bleibt und zwingend bestimmte Kontrollfunktionen übernehmen muss.274 Alternativ kann kraft Satzung ein Aufsichtsrat (raad van commissarissen) als kontrollierendes Organ neben dem Vorstand eingesetzt werden, das ebenfalls nur aus natürlichen Personen bestehen darf.275 In der Fassung des endgültigen Entwurfs würde damit ein Aufsichtsorgan für stichtingen und verenigingen zwar erstmals ausdrücklich im Gesetz verankert, aber gleichzeitig weiterhin nicht zwingend vorausgesetzt. Auch mit Blick auf die finanzielle Transparenz z. B. im Wege eines öffentlichen Einsichtsrechts in die Jahresabschlussberichte sieht der Entwurf keine Veränderungen vor.276 Sowohl der Vorentwurf als auch der endgültige Entwurf streben jedoch an, alle Vorstände und Aufsichtspersonen in ihrer Tätigkeit ausschließlich an die Belange der juristischen Person zu binden und sie im Falle widerstreitender persönlicher Interessen von Beratung und Beschlussfassung auszuschließen.277 Des Weiteren soll ihre persönliche Haftung gegenüber der Rechtsperson wegen unangemessener („onbehoorlijke“) Amtsausübung in diesem Zusammenhang verschärft und für sämtliche juristischen
commissarissen van rechtspersonen (Wet bestuur en toezicht rechtspersonen), TK 2015–2016, Kamerstuk 34 491, Nr. 2 und MvT, a. a. O., Nr. 3. 272 Vgl. Art. 2:47 und 2:292a BW i. d. F. des Vorentwurfs und dazu MvT, S. 17 ff. und 27 ff., jeweils a. a. O. (Fn. 270). 273 Vgl. im geltenden Recht Art. 2.129a und 2.140 BW für die NV sowie Art. 2.239a und 2.250 BW für die BV. 274 Sog. „monistisches Vorstandssystem“, vgl. Art. 2.9a BW i. d. F. des endgültigen Entwurfs und dazu MvT, S. 3 f. und 13 ff., jeweils a. a. O. (Fn. 271). 275 vgl. Art. 2.11–2.11c BW i. d. F. des endgültigen Entwurfs und dazu MvT, S. 3 und 18 ff., jeweils a. a. O. (Fn. 271). 276 Ein Gesetzesentwurf zur Änderung von Buch 2 des Bürgerlichen Gesetzbuches […] im Zusammenhang mit der Veröffentlichung der Bilanzen durch stichtingen (Wijziging van boek 2 van het Burgerlijk Wetboek […] in verband met het openbaar maken van de balans en de staat van baten en lasten door stichtingen), abrufbar unter http://www.internetconsultatie. nl/publicatieplicht_stichtingen (zuletzt besucht am 12. 04. 2017) war einige Jahre zuvor gescheitert. Nicht so sehr der eigentliche Inhalt als der sehr weit gefasste Anwendungsbereich hatte heftige Kritik ausgelöst, dazu Wullems, S. 27 f. 277 Vgl. Art. 2:9 sowie 2:9a I und III BW i. d. F. des Vorentwurfes und dazu MvT, S. 9 f. und 14 f., jeweils a. a. O. (Fn. 270) bzw. Art. 2.9 III und V sowie Art. 2.11 IV und VI BW i. d. F. des endgültigen Entwurfs und dazu MvT, S. 10 f. und 11 f., jeweils a. a. O. (Fn. 271).
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Personen vereinheitlicht werden.278 Im Gegensatz zur aktuellen Rechtslage soll die Haftung auch auf die Mitglieder des Aufsichtsorgans ausgeweitet werden und dabei alle Mitglieder gemeinschaftlich treffen. Für jeden Einzelnen ist jedoch die Möglichkeit zur Exkulpation vorgesehen.279 Hinsichtlich einer externen Kontrolle von stichtingen wollen beide Entwürfe die Möglichkeit zur gerichtlichen Entlassung von Vorständen und Aufsichtspersonen ausweiten, indem das Antragsrecht auf alle Fälle ausgeweitet wird, in denen der oder die Betreffende „den Interessen der Stiftung derart schadet oder geschadet hat, dass die Fortdauer der Vorstandschaft [respektive des Aufsichtsamts] unzumutbar ist“. Auf diese Weise soll insbesondere die Einflussnahmemöglichkeit externer Beteiligter, im Fall von Kollektivverfahren also u. a. der Geschädigten, verbessert werden.280
b) Der Claimcode Mangels gesetzgeberischer Fortschritte trat auf die Initiative eines Konsulta tionspapiers von Lemstra/Onkhuijsen281 in der Zeit von Juli bis Dezember 2010 eine Expertenkommission zusammen, um einen sogenannten Claimcode als Mittel der Selbstregulierung auszuarbeiten. Nach einigen internen Beratungen und Anpassungen des Erstentwurfs wurde das Dokument im Sommer 2011 fertiggestellt.282 Der Claimcode, der sich hauptsächlich sogenannter good governance von stichtingen widmet, ist – auf freiwilliger Basis – seit dem 01. Juni 2011 auf neu gegründete und seit dem 01. Januar 2012 auf zuvor schon bestehende Organisationen anwendbar. Er richtet sich an jede stichting oder vereniging, die ihrer Satzung zufolge als Interessenvertreter entweder im Rahmen der allgemeinen Verbandsklage nach Art. 3:305a ff. BW oder im WCAM-Verfahren nach den Art. 7:900 ff. BW tätig sein will. Besondere Regelungen gelten für kleine stichtingen oder verenigingen, die kumulativ maximal 1000 Teilnehmer/ Mitglieder haben, Fälle mit einem durchschnittlichen Individualschaden von 278 Vgl. Art. 2:9a II BW i. d. F. des Vorentwurfs, a. a. O. (Fn. 270) bzw. Art. 2.9b BW i. d. F. des endgültigen Entwurfs, a. a. O. (Fn. 271). 279 Vgl. Art. 2:9a II BW i. d. F. des Vorentwurfs und dazu MvT, S. 15 f., jeweils a. a. O. (Fn. 270) bzw. Art. 2:11b BW i. d. F. des endgültigen Entwurfs und dazu MvT, S. 24, jeweils a. a. O. (Fn. 271). Eine Exkulpationsmöglichkeit besteht nach dem endgültigen Entwurf nicht für Vorstandsmitglieder im Rahmen des monistischen Systems. 280 Vgl. Art. 2:298 I und V BW i. d. F. des Vorentwurfs und dazu MvT, S. 31 ff., jeweils a. a. O. (Fn. 270) bzw. Art. 2:298 BW i. d.F des endgültigen Entwurfs und dazu MvT, S. 34 f., jeweils a. a. O. (Fn. 271). 281 Lemstra/Okhuijsen, TFR 6/2010, 158 ff. Die Idee äußert Lemstra auch bereits in: t’ Hart, S. 35, 42, dort in Fn. 22. 282 Das fertige und geltende Dokument ist u. a. auf der Internetseite des Consumentenbond unter http://www.consumentenbond.nl/morello-bestanden/pdf-algemeen-2013/compljunicla imcodecomm2011.pdf (zuletzt besucht am 12. 04. 2017) abrufbar; zum Entstehungsprozess vgl. Claimcode (a. a. O.), S. 9 f. und Lemstra, in: van Solinge e. a., S. 107, 116 ff.
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Drittes Kapitel: Die Person des Repräsentanten
bis zu 1000 Euro bearbeiten und für die der Teilnahme-/Mitgliedsbeitrag pro Person maximal 100 Euro beträgt.283 Der wesentliche Inhalt des Claimcode besteht aus sechs Prinzipien und jeweils einigen Vorgaben zu deren praktischer Umsetzung. Danach muss neben dem Vorstand jedenfalls ein Aufsichtsrat bestehen, die gemeinsam die Einhaltung des Claimcode überwachen und verantworten. Abweichungen vom Claimcode sind zulässig, müssen den Teilnehmern/Mitgliedern aber ebenso wie ein Jahrestätigkeitsbericht über eine Internetseite oder jedenfalls kostenlos bekanntgegeben werden („pas toe of leg uit“, wörtlich etwa „anwenden oder erläutern“, Prinzip I). Die Organisation verpflichtet sich ausschließlich der Interessenvertretung. Aus Satzungszweck, tatsächlicher Tätigkeit und Führung darf sich kein Gewinnstreben der Beteiligten ergeben (Prinzip II). Allein der Vorstand bestimmt über die Umsetzung des Satzungszwecks und alle finanziellen Belange (Prinzip III). Er setzt sich so zusammen, dass alle Mitglieder untereinander und im Verhältnis zum Aufsichtsrat und den Vertretenen unabhängig und kritisch arbeiten können. Widersprüchliche Interessen sind zu vermeiden (Prinzip IV). Die Vorstandstätigkeit kann angemessen vergütet werden. Alle anderen Tätigkeiten für die stichting sind nach Art und Umfang zu honorieren, aber Vorstandsmitglieder halten sich mit ihrer Ausführung zurück. (Prinzip V). Der Aufsichtsrat überwacht die Führung der Organisation durch den Vorstand und kontrolliert die Finanzen (Prinzip VI).284 Nach der bisherigen Vorstellung des Gesetzgebers sollen die Gerichte lediglich bei der Frage, ob die Interessenvertretung durch eine Organisation mit deren Satzung im Einklang steht (vgl. Art. 3:305a I BW) und des Weiteren, ob eine Klage in hinreichendem Maße dem Schutz der Interessen der jeweils Vertretenen dient (vgl. Art. 3:305a II 3 BW)285 auch die Konformität einer Organisation mit dem Claimcode berücksichtigen.286 Inwieweit dabei vor allem die innere Struktur der – überwiegend als stichting gegründeten – Vehikel, darunter das Bestehen eines Aufsichtsrates, ihre finanzielle Transparenz oder potenziell widerstreitende Interessen der Vorstandsmitglieder durchleuchtet und ggf. sanktioniert werden, ist bislang unklar geblieben. Mit Ausnahme einer 283 Vgl. zum Anwendungsbereich Claimcode (a. a. O., Fn. 282), S. 4 und 10 sowie Bauw/ Bruinen, NJB 3/2013, 164, 165. Der erste Entwurf des Claimcode beschränkte sich noch ausschließlich auf stichtingen, vgl. de Jong, Ondernemingsrecht 5/2010, 239, 240. Die nachträgliche Integration auch der verenigingen übersieht Heltzel, TFR 5/2012, 148, 150. 284 Vgl. ausführlich Claimcode (a. a. O., Fn. 282), S. 5 ff.; de Jong, Ondernemingsrecht 5/2010, 239, 240 f.; Heltzel, TFR 5/2012, 148, 150; kurz zusammengefasst bei Bauw/ Bruinen, NJB 3/2013, 164, 165 f.; Tzankova/Henssler, in: Hodges/Stadler, S. 91, 103 f.; Wullems, S. 38 f.; Lemstra, in: van Solinge e. a., S. 107, 118. 285 Dazu jeweils ausführlich im vierten Kapitel, S. 344 ff. 286 MvT, Wijziging van het BW en het WBR en de Faillissementswet teneinde de collectieve afwikkeling van massavorderingen verder te vergemakkelijken, TK 2011–2012, Kamerstuk 33 126, Nr. 3 S. 13; optimistisch in diesem Zusammenhang Lemstra, in: van Solinge e. a., S. 107, 119 f.
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eher unwahrscheinlichen strengen Handhabung, bleibt die Kontrolle in diesem Bereich aber weiterhin auf den Claimcode selbst begrenzt. Die Feststellung, dass das freiwillige Instrument auch weiterhin unzureichende Beachtung findet, böte aber einen geeigneten Anlass, auch diese Regelungen fest in Gesetzesform zu gießen.287 Erste Ansätze in diese Richtung zeigt der gerechtshof Amsterdam, der sich bei der Überprüfung der Vergleichsverträge im Fall Converium sowie auch im Fall DSB bei der Frage der Repräsentativität der auf Seiten der Geschädigten handelnden stichtingen i. S. v. Art. 7:907 III lit. f BW u. a. an der Einhaltung des Claimcode orientierte.288 Im Übrigen sind erste Resonanzen aus der Praxis im Hinblick auf die Anwendung des Claimcode ernüchternd.289 Die Ergebnisse werden zudem im negativen Sinne relativiert, da sich die genannten Untersuchungen ausschließlich auf öffentlich zugängliche Informationsquellen sowie freiwillige Angaben der jeweils befragten Organisationen stützen. Es erscheint daher unwahrscheinlich, dass dabei begünstigende Angaben verschwiegen wurden. Im Gegenteil fällt auf, dass ein großer Anteil der befragten Organisationen den Claimcode im Ganzen ablehnt oder es als „nicht lohnend“ verwirft, den Vorgaben zu entsprechen.290 Indes bleibt zu bedenken, dass der Claimcode zum Zeitpunkt der genannten Untersuchungen mit maximal einem Jahr noch nicht lange gültig war und man – wenn auch nur vage – auf eine noch wachsende Anerkennung hoffen kann. Problematisch erscheint in diesem Zusammenhang insbesondere die mangelnde Kenntnis der Mehrheit der Verbraucher von der Existenz des Claimcode, weswegen er sich in der Konsequenz möglicherweise auch (noch) nicht zu einem Beurteilungsmaßstab bei der Auswahl von Interessenorganisationen entwickeln konnte.291 287 So im Ergebnis auch Heltzel, TFR 5/2012, 148, 156; de Jong, Ondernemingsrecht 5/2010, 239, 240 schätzt den Claimcode allein sogar schon vor dessen Erlass als unzureichend ein. Ebenso ist für Bauw/Bruinen, NJB 3/2013, 164, 168 „deutlich, dass Selbstregulierung nicht von allein zum erhofften Ergebnis führt“. 288 Gerechtshof Amsterdam, Beschluss vom 17. 01. 2012, ECLI:NL:GHAMS:2012: BV1026 (Converium), Rn. 10.4; dazu auch Bauw/Bruinen NJB 3/2013, 164, 165; gerechtshof Amsterdam, Beschluss vom 13. 05. 2014, ECLI:NL:GHAMS:2014:1690 (DSB), Rn. 6.2.4. 289 Heltzel, TFR 5/2012, 148, 151 f. vermeldet weitreichende Defizite bei der Umsetzung des Claimcode. Aus 22 von ihr untersuchten Organisationen verweist nur eine explizit auf die Befolgung des Claimcode. Die Analyse von Bauw/Bruinen, zusammengefasst in NJB 3/2013, 164, 166 studiert 39 stichtingen und 7 verenigingen, die sich nur einem bestimmten Fall widmen sowie 4 klassische Interessenorganisationen, darunter die Vereniging van Effectenbezitters (VEB) sowie den Consumentenbond. Nur sieben daraus attestieren die Autoren ein ernsthaftes Bemühen, dem Claimcode Folgezu leisten. Insgesamt stellen sie fest, dass die klassischen Interessenorganisationen nur „wenig besser“ als die Übrigen und im Vergleich sogar diejenigen Organisationen schlechter abschneiden, die gegründet wurden, als der Claimcode bereits in Kraft getreten war. 290 Bauw/Bruinen, NJB 3/2013, 164, 166. 291 Bauw/Bruinen, NJB 3/2013, 164, 167 f.; Vermeer, S. 48 f.
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Drittes Kapitel: Die Person des Repräsentanten
c) Reform des Art. 3:305a BW Parallel zur Entstehung des Claimcode wies das niederländische Justizministerium weiterhin regelmäßig auf seine Bemühungen hin, auch die gesetzlichen Bestimmungen über den Zugang der betreffenden Organisationen zu Gericht zu verschärfen.292 Nichtsdestotrotz enthielten sowohl das zum 1. Juni 2013 in Kraft getretene Änderungsgesetz zum WCAM als auch der Vorentwurf zur Einführung einer Verbandsklage auf Schadenersatz zwar verschiedene Ergänzungen des Art. 3:305a BW, darunter aber weder eine unmittelbare Umsetzung des Claimcode noch andere vergleichbare Anforderungen an stichtingen und verenigingen.293 Folglich griff auch die sogenannte Juristengruppe294 diesen Aspekt in ihrer Ausarbeitung nochmals auf. Dabei verweist sie insbesondere auf die Bedeutung von Kontrolle und Transparenz der Interessenorganisationen für alle Beteiligten. Hierzu seien deutlichere Anforderungen für eine Zulassung als Verbandskläger erforderlich. Diese müssten u. a. Bezug nehmen auf die rechtliche Struktur der Organisationen, die Art und Weise der Beschlussfassung und eine qualitativ angemessene rechtliche Vertretung. Außerdem seien mögliche Interessenkonflikte offenzulegen.295 Das Justizministerium hat sich entschlossen, die Vorschläge der Juristengruppe maßgeblich in den nun veröffentlichten, endgültigen Gesetzesentwurf296 einfließen zu lassen.297 Die vorgeschlagene Neufassung des Art. 3:305a BW-E enthält daher eine Reihe neuer und verschärfter Zulassungsbedingungen, die auch auf die Transparenz und governance von Interessenorganisationen gerichtet sind und im Wesentlichen dem Claimcode entnommen wurden.298 Überdies verweist die Entwurfsbegründung zusätzlich auf den weiteren Entwurf eines Wet bestuur en toezicht rechtspersonen299.300 Ob jenes Gesetzgebungsverfahren jemals zum Abschluss kommen wird, ist allerdings zweifelhaft, da es 292 Vgl. Vaststelling van de begrotingsstaten van het Ministerie van Veiligheid en Justitie (VI) voor het jaar 2012, TK 2011–2012, Kamerstuk 33 000 VI, Nr. 13 S. 17 f. und im Anschluss daran MvT, a. a. O. (Fn. 286), S. 5. 293 Zu dem mit Wet tot wijziging van de Wet collectieve afwikkeling massaschade eingeführten Art. 3:305a II 3 BW sogleich S. 319 ff.; zum Inhalt des Vorentwurfs bereits oben im dritten Kapitel, S. 103 ff. mit Fn. 137. 294 Dazu im Einzelnen bereits oben, S. 104 f. 295 Aanbevelingen juristengroep uitvoering motie Dijksma, TK 2016–2017, Kamer stuk 34 608, Beilage zu Nr. 3 S. 2 und 4. 296 Voorstel van wet, Wijziging van het Burgerlijk Wetboek en het Wetboek van Burgerlijke Rechtsvordering teneinde de afwikkeling van massaschade in een collectieve actie mogelijk te maken, TK 2016–2017, Kamerstuk 34 608, Nr. 2; dazu MvT, a. a. O., Nr. 3; zum Inhalt des Entwurfs im Überblick bereits im zweiten Kapitel, S. 105 ff. 297 MvT, ebenda, S. 8 und S. 19 f. 298 Ebenda. 299 Zu dessen Inhalt schon soeben, S. 243 ff. und Fn. 271. 300 MvT, a. a. O. (Fn. 296), S. 20.
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zunächst im Anschluss an eine Internetkonsultation ab 06. Mai 2014 beinahe zwei Jahre ruhte und nun seit Eingang des Entwurfs ins Parlament im September 2016 wiederum zum Stillstand gekommen ist. Aber auch inhaltlich würde ein entsprechendes Gesetz die Problematik nicht vollständig auflösen, da der Entwurf zwar ein Aufsichtsorgan für stichtingen vorsieht, aber keine zwingende Verpflichtung ein solches zu gründen. Im Übrigen würde ein Aufsichtsorgan die Kontrollmöglichkeiten zwar verbessern, der geringe Einfluss außenstehender Geschädigter auf die stiftungsinterne Arbeitsweise und Entscheidungsfindung damit jedoch nicht wesentlich vergrößert.301 Zu diesem Zweck sah z. B. der 2013 endgültig verworfene Gesetzesentwurf zum „gesellschaftlichen Unternehmen“ noch die Einführung eines eigenständigen Organs in Form einer Beteiligtenvertretung („belanghebbendenvertegenwoordiging“) vor, das repräsentativ für alle Beteiligten an wesentlichen Vorstandsentscheidungen mitwirken und als weitere Kontrollinstanz fungieren sollte.302 Die genannten Kritikpunkte und den politischen Widerstand gegen eine Beschränkung der Rechtsform stichting an sich, scheint das Justizministerium auch im hier maßgeblichen Gesetzentwurf zur Abwicklung von Massenschäden im Wege der Verbandsklage bereits berücksichtigt zu haben. Der Entwurf geht zwar von einer Umsetzung des Wet bestuur en toezicht rechtspersonen aus, schreibt aber darüber hinausgehend in Art. 3:305a II lit. a BW-E ein Aufsichtsorgan zwingend vor. Diese Norm wäre nicht notwendig, wenn eben ein solches Aufsichtsorgan zeitnah für jede stichting zur Voraussetzung würde. In den darauffolgenden lit. b bis e des Art. 3:305a II BW-E listet der Entwurf weitere generelle Merkmale auf, über die eine Interessenorganisation zukünftig verfügen müsste, um als Verbandskläger im Rahmen von Art. 3:305a I BW zugelassen zu werden. Art. 3:305a II lit. b BW-E nennt „passende und zielführende Mechanismen, mit denen die Teilnahme oder Vertretung aller Betroffenen bei der Beschlussfassung innerhalb der Organisation ermöglicht werden kann“. Diese Vorschrift erinnert an die soeben erwähnte belanghebbendenvertegenwoordiging. Die genaue Umsetzung soll nach der Entwurfsbegründung den Organisationen selbst überlassen bleiben. Bei verenigingen genüge bereits die gesetzlich vorgesehene Mitgliederversammlung. Zudem könne zu Gunsten einer Organisation, die ihre Befolgung des Claimcode nachgewiesen habe, ebenfalls von der Erfüllung der lit. b ausgegangen werden.303 Entscheidend für die praktische Handhabung dürfte schlussendlich sein, wieviele und welche Entscheidungen der Interessenorganisation unter Beschlussvorbehalt stehen. Daraus ergibt sich dann auch, inwieweit die durch die Rechtsform der stichting 301
So auch Wullems, S. 32; van Abeelen, NTBR 1/2015, 19, 26. Vgl. Art. 2:307h und 2:307i BW i. d. F. des Entwurfs und dazu die MvT, S. 11 f., jeweils a. a. O. (Fn. 269) 303 MvT, a. a. O. (Fn. 296), S. 22. 302
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Drittes Kapitel: Die Person des Repräsentanten
gebotene Flexibilität eingeschränkt würde.304 Gleichzeitig gilt es zu berücksichtigen, in welchem Umfang ein einzelner Beteiligter, wie z. B. ein geschädigter Kleininvestor, die Geschicke einer solchen Interessenorganisation denn überhaupt erfassen kann und dies auch möchte. Mit Art. 3:305a II lit.d BW-E werden zudem eine Reihe von Anforderungen an die Transparenz gestellt, indem die betreffenden Interessenorganisationen zur Erstellung einer allgemein zugänglichen Internetseite mit bestimmtem Inhalt verpflichtet werden. Auf der Grundlage der so zugänglichen Informationen soll den Betroffenen die Wahl erleichtert werden, ob sie sich einer Organisation anschließen oder ggf. von ihrem opt out-Recht Gebrauch machen. Veröffentlicht werden müssen die Satzung (i), Aufbau und Besetzung des Vorstandes (ii), der letzte festgestellte Jahresbericht des Aufsichtsorgans (iii), der letzte festgestellte Jahresbericht des Vorstandes (iv), die Vergütung aller Mitglieder des Vorstands und des Aufsichtsorgans (v), die Zielsetzung und Arbeitsweise der Interessenorganisation (vi), eine Übersicht über den Stand aller laufenden Kollektivverfahren (vii), sofern die Organisation eine Teilnahmegebühr verlangt, deren Berechnungsgrundlage (viii) und schließlich Angaben, wie sich Betroffene der Organisation anschließen bzw. sich von ihr wieder trennen können (ix). Eine Kehrtwende im Vergleich zur geltenden Rechtslage würde schließlich die Umsetzung des Art. 3.305a III lit.a BW-E bedeuten. Angelehnt an Prinzip I des Claimcode verbietet die Norm den Mitgliedern des Vorstands, der eine Interessenorganisation errichtet sowie deren Nachfolgern jedes unmittelbare oder mittelbare Gewinnstreben, das mithilfe der Organisation realisiert werden könnte. Dazu heißt es in der Entwurfsbegründung, es müsse vermieden werden, dass die genannten Personen über die finanziellen Mittel der Interessenorganisation verfügen können wir über eigenes Geld. Ein vernünftiger Umgang mit einem Aktivsaldo beispielweise durch Auszahlung an die Betroffenen müsse gewährleistet sein.305
304 Die Gefahr eines übermäßigen Verlustes an Flexibilität sieht Wullems, S. 28 f. und 32 f. Falsch in diesem Zusammenhang ist jedoch dessen Verweis auf die im WCAM-Verfahren gegen Shell tätige Stichting Shell Reserves Compensation Fund. Das dort gem. Art. 9 der Satzung (online abrufbar unter www.royaldutchshellsettlement.com/Documents/en/Annexes/ Annex%202 %20NL%20and%20ENG%20.pdf, zuletzt besucht 05. 03. 2015) eingesetzte Organ hat mit einer Vertretung der Geschädigten im hier gemeinten Sinne nichts zu tun. Wullems lässt sich vom Begriff der „deelnemers“ täuschen. Art. 1 der Satzung definiert diese jedoch als „institutionelle Anleger oder Interessenvertreter, die mit der stichting ein Teilnahmeübereinkommen geschlossen haben oder noch schließen werden“. Gemeint sind damit im Unterschied zu den ebenfalls auftauchenden „beleggers“ gerade nicht die einzelnen Geschädigten, sondern institutionelle Beteiligte neben der stichting. 305 Wullems, S. 24 f.
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4. Unterstützung durch staatliche Institutionen Für den Regelungsbereich der allgemeinen Verbandsklage bezieht Art. 3:305b BW neben stichtingen und verenigingen zudem von öffentlich-rechtlicher Seite alle in Art. 2:1 BW genannten Rechtspersonen ein. Dazu gehören der niederländische Staat, die Provinzen, die Gemeinden, die Wasserverbände sowie alle Körperschaften, denen nach dem niederländischen Grundgesetz eine Verordnungsbefugnis zukommt.306 Die Aufzählung schließt daher auch die 2007 durch das Wet handhaving consumentenbescherming (WHC) vom 20. 11. 2006 neu gegründete Verbraucherschutzbehörde (Autoriteit Consument en Markt oder kurz Consumentenautoriteit) ein. Ihr steht jedoch gemäß Art. 3:305d I lit. a BW außerdem ein spezielles Antragsverfahren vor dem gerechtshof Den Haag zu, das auf eine Unterlassungsanordnung gegen Handlungen gerichtet ist, die die in Anhang 1 des WHC genannten Verbraucherschutzrechte verletzen. Die allgemeine Verbandsklage tritt für die Consumentenautoriteit gegenüber diesem beschleunigten Verfahren eher in den Hintergrund.307 Auch die übrigen öffentlichen Institutionen haben von ihrer Verbandsklagebefugnis bislang nur in begrenztem Maße Gebrauch gemacht. Das auf dem WCAM basierende Kollektivverfahren für Massenschadensfälle war bei seiner Einführung zunächst ausschließlich den stichtingen und verenigingen vorbehalten. Durch Art. 2.6 i. V. m. Art. 2.2 WHC wurde das Recht als Partei zunächst einen Vergleichsvertrag auszuhandeln und dann seine Verbindlichkeitserklärung zu beantragen zudem auch der neu gegründeten Consumentenautoriteit verliehen. Die Vermittlungstätigkeit soll dennoch schwerpunktmäßig bei den privatrechtlichen Organisationen verbleiben und von der Behörde nur restriktiv ausgeübt werden. Ihr wird dagegen eine hauptsächlich unterstützende Rolle zugedacht, z. B. wenn Verhandlungen ins Stocken geraten. Insoweit bleibt es bei der Grundidee, eine Regulierung durch den Markt zu ermöglichen.308
V. Schlussfolgerungen Bereits die Frage, wer als institutioneller Repräsentant bzw. als „Einrichtung“ im Sinne der Empfehlung der EU-Kommission tauglich erscheint, kann nicht für alle denkbaren kollektiven Rechtsschutzmechanismen einheitlich beantwortet werden. Stattdessen ist nach Adressat und Inhalt der jeweiligen Regelung zu differenzieren. 306
Zu deren Einbeziehung Hondius, in: Micklitz, S. 351, 365 f. Ammerlaan/Janssen, in: Van Boom/Loos, S. 107, 114; Hondius, in: Cafaggi/Micklitz, S. 235, 254, Weber/Van Boom, Contratto e Impresa/Europa 1/2011, 69, 70. 308 MvT, Regels omtrent instanties die verantwoordelijk zijn voor handhaving van de wetgeving inzake consumentenbescherming, TK 2005–2006, Kamerstuk 30 441, Nr. 3 S. 38 f.; Ammerlaan/Janssen, in: Van Boom/Loos, S. 107, 115 f.; Mom, S. 338. 307
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Drittes Kapitel: Die Person des Repräsentanten
1. Interessenschutz durch Interessenorganisationen Das deutsche Recht konzentriert sich bislang lediglich auf die Durchsetzung kollektiver Verbraucher- sowie Wirtschafts- und Wettbewerbsinteressen. In beiden Fällen geht es im oben genannten Sinne309 um Gruppen- oder sogar Allgemeininteressen, die von zwischenzeitlich streng regulierten und überwachten Interessenverbänden ausschließlich im Wege negatorischen Rechtsschutzes geltend gemacht werden können. Die Klage- und eine ihr vorgelagerte Abmahntätigkeit beschränkt sich dabei auf eine geringe Zahl von Organisationen. Die wenigen aktiven Verbraucherverbände darunter sind nahezu vollständig von staatlicher Finanzierung abhängig. Sie haben sich mit der Zeit zu politisch-gesellschaftlichen Interessenvertretern entwickelt und widmen sich schwerpunktmäßig der Artikulation von Verbraucherinteressen in den verschiedensten Politikbereichen und zugleich der Beratung und Betreuung der Verbraucherbasis. Ihre Klagetätigkeit korrespondiert damit und greift entweder politische Richtungsentscheidungen oder akute Bedürfnisse der Verbraucher auf. Die wichtigsten und mit Abstand am häufigsten verwendeten Klageformen zu diesem Zweck sind die AGB-Verbandsklage gem. §§ 1, 3 UKlaG sowie die lauterkeitsrechtliche Verbandsklage, dort vor allem gegen unlautere Werbemaßnahmen. Der Großteil der Wirtschaftsverbände stützt sich demgegenüber finanziell auf die Beiträge der jeweiligen Mitglieder sowie Spenden. Auch sie konzentrieren sich mehrheitlich auf die politische Um- und Durchsetzung der Interessen des jeweiligen Berufsstandes. Die Rechtsdurchsetzung, so sie denn akut wird, überlassen sie größtenteils der Wettbewerbszentrale. Ein ähnliches Bild bietet sich in Frankreich, dem Mutterland der Durchsetzung kollektiver Verbraucherinteressen, wo ebenfalls staatlich subventionierte Verbraucherverbände regelmäßig eine action civil oder eine action en suppression de clauses abusives zum Einsatz bringen. Auf den ersten Blick läge es nahe, diesen negatorischen Rechtsschutz um einen Mechanismus zur Bekämpfung von Streuschäden sowohl individueller als auch kollektiver Art zu ergänzen. Dahingehende Versuche des deutschen Gesetzgebers mit Hilfe einer Abtretung von Verbraucherforderungen gem. Art. 1 § 3 Nr. 8 RBerG a. F. (jetzt § 8 I Nr. 4 RDG)310 oder mit der Klage auf Gewinnabschöpfung gem. den §§ 10 UWG und 34a GWB konnten sich in der Praxis nicht bewähren.311 Ebenso scheiterte die action en répresentation conjointe des französischen Rechts. Verlässliche Schlussfolgerungen aus der 309
Vgl. im ersten Kapitel, S. 21 ff. Staatssekretär im BMJV Gerd Billen bezeichnete die Einziehungsklage für Verbraucherverbände auf einer Veranstaltung des vzbv (vgl. im ersten Kapitel, Fn. 225) als „administrativ kaum handhabbar“; nach Keßler, ZRP 2016, 2, 3 hat sie sich „kaum als geeigneter Rechtsbehelf“ erwiesen. 311 Hempel, in: Möschel/Bien, S. 71, 78; Stadler, GPR 2013, 281, 285; Keßler, ZRP 2016, 2, 3. 310 Der
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in Frankreich jüngst neu eingeführten action de groupe lassen sich noch nicht ziehen. Gemessen an der Anzahl der Klageerhebungen scheint das Instrument Anklang zu finden. Allerdings birgt die erste Verfahrensphase, in der lediglich der Haftungsgrund festgestellt wird, nur geringe Gefahren. Sie ähnelt stark einem Feststellungs- bzw. Unterlassungsklageverfahren. Die rechtlichen und tatsächlichen Voraussetzungen werden in der Regel wenige Schwierigkeiten bereiten, erst recht wenn es sich um ein follow on-Verfahren handelt. Dadurch bleiben gleichzeitig das Prozess- und damit das entscheidende Kostenrisiko kalkulierbar. Aufgrund ihrer Erfahrung und umfangreicher tatsächlicher Erkenntnisse aus der Beratungstätigkeit sind die Verbraucherverbände für diese Verfahrensphase gut geeignet. Die insoweit parallel verlaufende und seit langem erfolgreiche niederländische Verbandsfeststellungsklage gem. Art. 3:305a ff. BW kann dafür als weiteres Beispiel dienen. Über Erfolg oder Misserfolg der action de groupe dürften jedoch erst die zweite und dritte Verfahrensphase entscheiden, während der die individuell Geschädigten dem Verfahren beitreten sollen und schließlich ein Verteilungsmechanismus für eventuelle Ersatzbeträge gefunden werden muss. Beidem steht in Streuschadensfällen grundsätzlich entgegen, dass nahezu keinerlei Handlungsanreize auf Seiten der Geschädigten existieren.312 Anstelle individueller Interessen an der Kompensation des jeweiligen Einzelschadens rücken überindividuelle Interessen an Schadensprävention und der Sanktion rechtswidrigen Verhaltens in den Fokus des Verfahrens. Ob und wenn ja, inwieweit kollektive Rechtsdurchsetzungsmechanismen in diesem Kontext dennoch zielführend und mit dem geltenden deutschen Schadensrecht vereinbar sind, liegt außerhalb dieser Untersuchung. Sie können aber jedenfalls nur unter der Annahme funktionieren, dass die unmittelbar Geschädigten weder bei der Klageerhebung noch ihrer Durchführung oder einer eventuellen Auskehrung von Schadenersatzzahlungen im Nachhinein mitwirken. Bereits aus diesem Grund gerät das Repräsentationsmodell an seine Grenzen, denn eine Repräsentation im eigentlichen Sinne findet gar nicht statt. Haben bereits die Gruppenmitglieder selbst an der Durchsetzung ihrer Rechte kein Interesse, kommt als Verfahrensführer nur in Betracht, wer entweder aus in der Regel finanziellen Eigeninteressen tätig wird oder aber weitgehend unabhängig von finanziellen Erwägungen zum Wohl der Allgemeinheit handelt. Anders als in Massenschadensfällen313 sprechen gewichtige Argumente gegen die erste Gruppe. Dazu zählen zwar nicht die Eigeninteressen des Repräsentanten per se, jedoch fehlt es in Streuschadensfällen gerade an der Gegenseitigkeit im Sinne einer Dienstleistung. Die Geschädigten sind bereits an der Verfahrensführung nicht interessiert 312
Dazu bereits im ersten Kapitel, S. 12 ff. sogleich; zutreffend daher z. B. Hempel, in: Möschel/Bien, S. 71, 88, wonach Rechtsverfolgungsgesellschaften ähnlich der CDC kein Modell für die Geltendmachung einer Vielzahl von Ansprüchen kartellgeschädigter Endverbraucher bieten. 313 Dazu
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Drittes Kapitel: Die Person des Repräsentanten
und daher erst recht nicht an zusätzlichen Ausgaben für die Tätigkeit eines Repräsentanten. Das muss konsequenter Weise selbst dann gelten, wenn die Vergütung ausschließlich aus dem erzielten Verfahrenserlös aufgebracht wird. Des Weiteren kommt hinzu, dass die erforderliche Kontrolle des Repräsentanten kaum möglich wäre, da auch dafür das Interesse der Geschädigten fehlt. Beide Schwierigkeiten können aber verhindert werden, wenn der Verfahrensführer weitestegehend unabhängig von finanziellen Erwägungen agieren kann und sich in erster Linie den geschützen Interessen verpflichtet fühlt. Diese Voraussetzung erfüllen originär staatliche Institutionen (z. B. Verbraucherschutzbehörden oder Ombudsleute) sowie staatsnahe Organisationen wie z. B. die großen deutschen Verbraucherverbände. Sie sind u. a. auch deshalb besonders gut geeignet, da sie mit Hilfe ihrer Präsenz sowohl auf politischer Ebene als auch an der Basis den Bedarf optimal bestimmen können. Eine gezielt bedarfsorientierte Tätigkeit ist trotzdem nur dann denkbar, wenn ihnen auf der Grundlage des zur Verfügung stehenden Budgets jedenfalls eine wirtschaftliche, also insgesamt kostendeckende Tätigkeit ermöglicht wird.314 Andernfalls kann wenigstens ein überhöhtes Risikobewusstsein bis hin zur Untätigkeit auftreten315, wie sie z. B. die Mehrheit der als solche registrierten „qualifizierten Einrichtungen“ i. S. v. § 4 UKlaG üben. Im Gegensatz zu freiwirtschaftlichen Dienstleistern ist für die Verbände jedoch lediglich die Wirtschaftlichkeit ihrer Arbeit von Bedeutung. Gewinne zu eigenen Gunsten bzw. zu Gunsten der Mitglieder sind bereits aufgrund Rechtsform und Satzung unzulässig. Z. B. im Wege gesetzlicher Zweckbindung der Erträge blieben zudem auch die Interessen der Geschädigten gewahrt, indem die Verfahrenserlöse weiteren Verfahren und damit einer fortlaufenden Bekämpfung vergleichbaren Fehverhaltens zu Gute kommen. Die weiteren Einzelheiten an dieser Stelle betreffen die Verfahrensgestaltung und sind von einem Repräsentanten welcher Art auch immer weitestgehend unabhängig. Aus den genannten Gründen spricht nach Auffassung des Verfassers einiges dafür, die Bekämpfung von Streuschäden z. B. im Wege der Gewinnabschöpfung gänzlich von den Individualansprüchen Einzelner zu lösen und auf ein überindividuelles Interesse auszurichten, das normativ bestimmt werden kann und im Einzelfall schützenswert ist. Damit korrespondiert es, das Verfahren denjenigen Organisationen zu übertragen, die das betreffende Interesse ihrerseits zu ihrem Daseinszweck erhoben haben.
314 Das
schließt eine Gemeinnützigkeit i. S. d. §§ 51 ff. AO keineswegs aus; dazu im Einzelnen sogleich, S. 262 ff. 315 Dazu anschaulich Stürner: „Even non-profit organizations live on earth and are not angels“, zit. nach Tillema, NTBR 5/2014, 194, 201.
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2. Repräsentation von Individualinterressen Im Gegensatz dazu stehen einer gebündelten Geltendmachung von Individualinteressen in Massenschadensfällen schon im Vorfeld von Seiten der Politik wie auch der Gerichte massive Vorbehalte entgegen, wie der Fall der CDC SA eindrucksvoll zeigt. Gleichzeitig beweist die causa CDC, wie ungeeignet der herkömmliche Zwei-Parteien-Prozess der ZPO sowie bestehende materiellrechtliche Bündelungsformen für Massenschadensfälle sind. Zwischen beiden ist eine Brücke erforderlich, mit deren Hilfe eine große Anzahl von Geschädigten zusammengefasst werden kann und so wiederum eine Partei im Sinne der ZPO entsteht. Diese Funktion ist dem Gruppenrepräsentanten zugedacht. Dabei könnte es sich natürlich zunächst um ein individuelles Gruppenmitglied handeln. Die Rolle darf sich jedoch nicht in der schieren Namensgebung erschöpfen. Vielmehr muss der Repräsentant – um im Bild zu bleiben – den Interessenaustausch in beide Richtungen tragen. Er hat im Idealfall sowohl die Gesamtheit der Gruppeninteressen im Verfahren zu realisieren als auch den Mitgliedern alle Einzelheiten soweit erforderlich zu kommunizieren. Noch dazu trägt er das primäre Kostenrisiko selbst dann, wenn die Refinanzierung von Seiten der Gruppe oder Dritten gesichert sein mag. Schon in dieser Kürze wird deutlich, dass ein Einzelner dieser Aufgabe nicht gewachsen ist. Der Repräsentant wird daher zur Unterstützung auf den einzig weiteren Akteur zurückgreifen, nämlich seinen – ohnehin notwendigen – anwaltlichen Vertreter. Elementar verkürzt: das Grundmodell eines US-amerikanischen class action-Verfahrens. Aufgrund einschlägiger Missbrauchserfahrungen in den Vereinigten Staaten wird eine tragende Rolle der Anwaltschaft über ihre rechtsberatende Funktion hinaus in Europa jedoch rechtspolitisch weitgehend abgelehnt. Unterstellt man diese Prämisse – zunächst übergangsweise – als zwingend, darf es sich bei dem Repräsentanten also unmöglich um ein einzelnes Gruppenmitglied handeln. Mit der Bezeichnung der EU-Kommission bleibt die Idee einer „Vertreterorganisation“. Parallel zur Verbraucherforschung lassen sich auch hier Selbstorganisationen, in denen alle geschädigten Gruppenangehörigen Mitglied sind, von Fremdorganisationen unterscheiden, die sich ohne direkte Basislegitimation den Gruppeninteressen widmen. Einer traditionellen Selbstorganisation entsprechen die im deutschen Recht als Rechtsverfolgungsgesellschaften bekannten Gebilde. Sie können ihre Funktion jedoch wiederum nur erfüllen, wenn sämtliche Geschädigten Mitglied werden, sodass im Verhältnis zum Schädiger die Möglichkeit zu einer umfassenden und abschließenden Konfliktlösung besteht. Aber auch dann drohen einer Selbstorganisation die identischen, schon genannten Gefahren einer individuellen Repräsentation. Obwohl die Gesellschaftsform eine materiell-rechtliche Bündelung der Einzelansprüche ermöglicht, benötigt sie zudem einen Repräsentanten, der Geschäftsführung und Vertretung auf sich nimmt.
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Im Grundmodell einer GbR fiele diese Aufgabe allen Gesellschaftern gemeinsam zu. Ein solches demokratisches System, das letztlich alle Mitglieder an der unmittelbaren Entscheidungsfindung beteiligt, dürfte die wenigen Vorteile einer vorherigen Vereinheitlichung jedoch wieder zunichtemachen. Eine gesellschaftsvertragliche Einigung auf ein einzelnes Gruppenmitglied oder einige wenige Gruppenmitglieder birgt demgegenüber wiederum einige Hürden. Auch hier müsste mindestens ein Freiwilliger für die Aufgabe gefunden werden, obwohl es an Anreizen fehlt. Jedenfalls wird die Bereitschaft eine umfassende Haftungsfreistellung erfordern. Schon ohne diese dürfte aber unsicher sein, ob alle Mitglieder bereit wären, dem Betreffenden Handlungsfreiheit im Außenverhältnis zu gewähren. Von Sonderfällen abgesehen würde zudem auch hier der anwaltliche Vertreter, der als Einziger über das erforderliche Fachwissen verfügt, die Fäden in der Hand halten. Einen möglichen Ausweg böte daher eine aus den Gruppenmitgliedern gebildete juristische Person, z. B. eine GmbH. Auf diesem Weg verblieben jedenfalls gewisse Kontrollrechte bei den Gesellschaftern, die gemeinsam einen fachkundigen Geschäftsführer einsetzen könnten. Auf Seiten der Fremdorganisationen sind zunächst die klassischen Verbraucher- und Wirtschaftsverbände für eine gebündelte Geltendmachung individueller Ersatzansprüche in Massenschadensfällen als Repräsentant ungeeignet. In einigen Fällen wie z. B. Unfällen oder Naturkatastrophen liegen solche Schäden bereits außerhalb ihres Tätigkeitsbereichs. Aber auch hinsichtlich von Schäden aufgrund Fehlverhaltens am Kapitalmarkt oder Kartellschäden, die z. B. eine Vielzahl von Anlegern oder eine bestimmte Berufsgruppe treffen und damit grundsätzlich in den relevanten Interessenbereich fallen, fehlt es den Organisationen insbesondere an fachlichen und finanziellen Ressourcen. Hinzu kommt, dass es sich um Interessenorganisationen in dem Sinne handelt, dass sie ihre Tätigkeit und Position anhand eines in der Satzung festgelegten Zwecks definieren und legitimieren. Dieser Zweck ist in aller Regel auf den Schutz eines bestimmten überindividuellen Interesses oder sogar eines gesellschaftlichen Allgemeininteresses gerichtet. Die maßgeblichen Individualinteressen der Geschädigten würden mithin bereits aus diesem Grund nicht hinreichend repräsentiert. Eine Organisation ähnlich der CDC SA wäre demgegenüber nicht anders als die Anwaltschaft Dienstleister auf vertraglicher Basis. Eben diese Parallelität verdeutlicht das niederländische Recht. Neben einigen angestammten Interessenorganisationen (vor allen Consumentenbond und VEB) werden sowohl die dortige Verbandsfeststellungklage als auch das Massenschadensverfahren nach dem WCAM von einer Vielzahl verschiedener verenigingen und stichtingen bestimmt. Insbesondere die Rechtsform der stichting stellt dabei lediglich eine Hülle dar. Eine Mitgliedschaft ist von Rechts wegen nicht möglich. Die Gruppenmitglieder sind aber auch nicht im Vorstand vertreten. Es bedarf also zwingend eines Initiators im Hintergrund, der die Vorstandsmitglieder zusammen-
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und insbesondere die Finanzierung bereitstellt. Obwohl offizielle Angaben und Erhebungen hierzu verständlicher Weise fehlen, kann daher als gesichert gelten, dass die große Mehrheit dieser Organisationen von niederländischen und auswärtigen Anwaltskanzleien kontrolliert wird.316 Vor diesem Hintergrund gilt es also zu klären, ob einer Organisation nur deshalb ein Mehrwert zukommt, weil sie als Repräsentant auf Klägerseite neben oder gewissermaßen zwischen die Gesamtgruppe und den anwaltlichen Vertreter tritt. Ein solcher Mehrwert setzt zunächst zwingend voraus, dass die Tätigkeit des Repräsentanten mit den Interessen der vertretenen Gruppenmitglieder entweder aus der Natur der Sache heraus übereinstimmt oder aber mit Hilfe gesetzlicher Vorgaben in Einklang gebracht werden kann. Hierfür kommt wesentlich zum Tragen, dass die Geschädigten in Massenschadensfällen ein ungleich größeres Interesse an der Durchsetzung ihrer Rechte und der Kompensation ihrer Schäden haben. Sowohl jedes einzelne Gruppenmitglied als auch eine aus den Geschädigten gebildete Rechtsverfolgungsgesellschaft teilen diese Interessen und scheinen aus diesem Grunde zunächst als Repräsentant am besten geeignet. Neben den soeben bereits genannten Defiziten ist aber zudem fraglich, ob dieses Interesse als alleiniger Anreiz ausreicht, um für die Gesamtgruppe zusätzliche Aufgaben und insbesondere zusätzliche Risiken zu übernehmen.317 Unausweichlich müssen die Gruppenmitglieder demgegenüber jedem anderen, der nicht dem Kreis der Geschädigten angehört, einen davon abweichenden Handlungsanreiz bieten. Finanzielle Anreize kommen für die klassischen Verbraucher- und Wirtschaftsverbände jedenfalls insoweit nicht in Betracht, als sie von Gesetzes wegen wie auch von der Empfehlung der EU-Kommission vorgesehen, keine Gewinne erzielen dürfen. Denkbar wäre eine finanzielle Beteiligung allenfalls, soweit Einnahmen zur Refinanzierung der eigenen Arbeit zulässig sind. Um Massenschadensverfahren neben der öffentlichen oder beitragsgestützten Finanzierung lediglich als weiteres Standbein zu verwalten, dürften der im Gegenzug entstehende Aufwand und die Kosten jedoch außer Verhältnis stehen.318 Externe Dienstleister, seien es Rechtsanwälte oder Gesellschaften nach der Art der CDC SA haben an einer Tätigkeit dagegen vorrangig ein geschäftliches, also finanzielles Interesse. Anders als in weiten Teilen von Politik und Wissenschaft behauptet, stellen derartige Eigeninteressen für sich gesehen jedoch kein 316 Ebenso
Stadler, VbR 2015, 145, 147; Tzankova, VbR 2015, 149 („common practice“). Tillema, NTBR 5/2014, 194, 200: „Die Kehrseite der Aversion gegen entrepeneurial lawyering: Wer tritt im Namen der Geschädigten Parteien auf, wenn Prozesskosten und -risiko keine finanzielle Belohnung gegenübersteht?“ 318 Für das Kartellrecht zu Recht Hempel, in: Möschel/Bien, S. 71, 95: „Der Regelungsansatz des […] § 34a GWB und die Pläne der Kommission zu Verbandsschadenersatzklagen leiden […] an dem inneren Widerspruch, dass die Verbandsklage zwar gewollt wird, die Verbände aber […] nicht ausreichend motiviert werden.“ 317 Anschaulich
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Drittes Kapitel: Die Person des Repräsentanten
tragfähiges Argument gegen diese Akteure dar.319 Niemand, nicht einmal der Staat selbst, arbeitet lediglich pro bono und kann bzw. darf finanzielle Aspekte missachten.320 Das gilt wie zuvor gesehen sogar für den Schutz bestimmter überindividueller Interessen aus einer gewissen staatlichen Pflicht heraus. Dennoch wird das natürlicher Weise verbreitete gesellschaftliche Misstrauen gegen die Qualität kostenloser oder sehr günstiger Güter und Dienstleistungen im Bereich des kollektiven Rechtsschutzes ohne ersichtlichen Grund ins Gegenteil verkehrt. Unentgeltlichkeit wird zu einem Merkmal der Unabhängigkeit erklärt.321 Diese Einschätzung geht fehl. Aufgrund der rechtlichen und tatsächlichen Komplexität erscheinen ausschließlich entsprechend ausgebildete Dienstleister als taugliche Repräsentanten einer Vielzahl individueller Interessen.322 Deren Vergütung, die für den Einzelnen, der einen Rechtsanwalt um Unterstützung bittet, als selbstverständlich bezeichnet werden darf, ist ebenso notwendig und berechtigt, wenn stattdessen eine ganze Gruppe Dienste in Anspruch nehmen will. Damit aber ist zugleich gesagt, dass dem Dienstleister dieselben, wenn nicht sogar weitergehende Pflichten erwachsen. Obwohl erst die eigenen sachfremden Interessen einen hinreichenden Handlungsanreiz bieten, müssen wie üblich gesetzliche Vorkehrungen getroffen werden, damit ein Dienstleister diese nicht über die Interessen der repräsentierten Gesamtgruppe erhebt.
3. Rechtsform a) Bedeutung Der europarechtliche Rahmen in Form des geltenden Richtlinienrechts gestattet den Mitgliedsstaaten weitgehende Gestaltungsfreiheit hinsichtlich der Rechtsform von Interessenverbänden im weitesten Sinne. Einige Mitgliedsstaaten, darunter Frankreich, die Niederlande, Belgien und in Teilen auch Deutschland haben sich dennoch entschieden, in den betreffenden Gesetzen nur eine oder wenige Rechtsformen gesetzlich vorzugeben. Für einen Vergleich ist daher maßgeblich, welchen Handlungsspielraum die jeweilige Rechtsform bietet. Die association des französischen Rechts, die vereniging des niederländischen Rechts sowie der Verein i. S. d. BGB, jeweils – wie in allen drei Regelungssystemen vorausgesetzt – in ihrer rechtsfähigen Form ähneln sich in weiten Teilen. Unterschiede ergeben sich daher nicht aus der Rechtsform an sich, sondern den 319 Zu wirtschaftlichen Interessen von Rechtsanwälten so ausdrücklich auch BVerfGE 117, 163, 183; ebenso Stadler, in: Van Boom (im Erscheinen). 320 Ebenso zu Recht Ahrens, WRP 2015, 1040, 1045; Koch, WuW 2013, 1059, 1069; Behrendt/von Enzberg, RIW 2014, 253, 258. 321 Auch hierzu anschaulich Hempel, in: Möschel/Bien, S. 71, 95: „Der Gesetzgeber […] und jetzt die Kommission […] gehen […] offensichtlich davon aus, die Verbände erledigten die ihnen zugedachte Aufgabe umsonst.“ 322 Vgl. Tzankova, VbR 2015, 149: „Dealing with mass disputes is challenging and requires creative minds and the application of novel case-management practices and legal concepts.“
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weiteren Qualifikationsmerkmalen. Das deutsche Recht macht darüber hinaus eine bislang rein formelle Ausnahme für Wirtschaftsverbände (sogenannte „Verbände zur Förderung gewerblicher oder selbstständiger beruflicher Interessen“), die sich grundsätzlich in den meisten bekannten Rechtsformen bilden können. Tatsächlich aber sind einerseits die als kollektive Interessenvertreter tätigen Verbände fast ausschließlich als eingetragener Idealverein organisiert und andererseits die übrigen gesetzlichen Hürden so hoch angesiedelt, dass sie mit der Mehrheit der übrigen Rechtsformen unerreichbar wären.323 Mit allen Genannten nicht vergleichbar ist demgegenüber die im niederländischen kollektiven Rechtsschutz populäre stichting. Sie fällt nicht nur durch ihre mitgliederfreie Struktur, sondern auch nahezu unbegrenzte Finanzierungsmöglichkeiten auf. Noch dazu knüpft das niederländische Recht mit Ausnahme einer bestimmten Zwecksetzung kaum weitere einschränkende Bedingungen an ihre Tätigkeit. Diese Flexibilität wird von allen Beteiligten als erhaltenswerter Vorteil hervorgehoben. Obwohl über den Regelungs- und Reformbedarf an einigen Stellen zu Recht diskutiert wird, kann das niederländische Recht in seiner bisherigen Form gleichzeitig einen etablierten Verbandsklagemechanismus sowie die erfolgreiche Abwicklung von sieben Massenverfahren im Rahmen des WCAM vorweisen, ohne dass es zu fragwürdigen und insbesondere systemimmanenten Fehlentwicklungen gekommen wäre.324 Daran schließt die Überlegung an, inwieweit der Rechtsform einer Interessenorganisation an sich überhaupt maßgebliche Bedeutung zukommt. Das Beispiel der Wirtschaftsverbände im deutschen Recht zeigt, wie sehr die tatsächliche Anwendung von den übrigen Zulassungsvoraussetzungen abhängig ist. Das niederländische Recht macht im Gegensatz dazu deutlich, wie eine kaum regulierte Rechtsform mit Hilfe weniger Zusatzvoraussetzungen handhabbar gemacht werden kann. Es entsteht die Möglichkeit, nicht das zum Teil über mehr als 100 Jahre gewachsene Korsett der Rechtsform anpassen zu müssen, sondern stattdessen gewisser Maßen von außen darauf einzuwirken. Die Empfehlung der EU-Kommission zum kollektiven Rechtsschutz, die sich auf den Terminus der „Einrichtung“ beschränkt, unterstützt diese Herangehensweise.
b) Alternativen innerhalb und außerhalb des Verbandsystems Bislang stützen sich die in Deutschland vorhandenen kollektiven Rechtsschutzmechanismen überwiegend auf den rechtsfähigen Idealverein im Sinne des BGB. Im Bereich des negatorischen Rechtsschutzes wurde diese Entscheidung durch die jüngste Reform des UKlaG nochmals bekräftigt.325 Unter Berücksichtigung der soeben dargestellten Anreizlage bieten sich dort wie auch im 323
Dazu im folgenden vierten Kapitel, S. 283 ff. und 323 ff. Situation in den Niederlanden ebenfalls im folgenden vierten Kapitel, S. 297 ff. und 341 ff. 325 Dazu bereits oben, S. 218 324 Zur
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Bereich des Ersatzes von Streuschäden tatsächlich kaum sinnvolle Alternativen. Zusammenschlüsse der Geschädigten kommen aufgrund deren rationalen Desinteresses nicht in Betracht. Dienstleistungsgesellschaften sind zwar theoretisch möglich, jedoch wie gesehen ungeeignet. Für die angestammten Verbraucherund Wirtschaftsverbände hat sich der rechtsfähige Idealverein als Rechtsform dagegen bewährt. Lediglich zur Verbesserung der wirtschaftlichen Handlungsfähigkeit im Rahmen des übergeordneten Zwecks wäre daneben ggf. eine gemeinnützige GmbH (gGmbH) zu erwägen. Demgegenüber fehlt bislang ein funktionierender Mechanismus für Massenschadensfälle. Der Versuch, dazu mithilfe einer gebündelten Abtretung von Forderungen an Verbraucherverbände auf das bewährte Verbandssystem zurückzugreifen, ist nicht zuletzt auch an den rechtlichen Grenzen des Idealvereins gescheitert. Als Alternative kommen zwar zunächst die bereits bekannten Rechtsverfolgungsgesellschaften, also Zusammenschlüsse der Geschädigten selbst z. B. in einer GbR in Betracht. Obwohl sich diese seit der Änderung des Rechtsberatungsrechts 2008 sogar mit relativ geringem Aufwand registrieren lassen können326, sind trotzdem nur wenige Anwendungsfälle bekannt. Sowohl die traditionellen Handelsgesellschaften als auch die Kapitalgesellschaften des deutschen Rechts haben als Organisationsform im kollektiven Rechtsschutz daneben bislang keinerlei Rolle gespielt. Gesetzliche Änderungen sind in dieser Hinsicht zunächst nicht zu erwarten, solange der kollektive Rechtsschutz als Wirtschafts- oder – etwas vorsichtiger formuliert – Dienstleistungszweig aus Angst vor einer Klageindustrie o.ä. verpönt bleibt. Eine Lockerung im Recht würde voraussichtlich die Entwicklung von Gesellschaften ähnlich der CDC-Gruppe begünstigen, die eine Betreuung von Geschädigten insgesamt anbieten. Unabhängig von einem erforderlichen Rahmen aus zivilprozessualen Regelungen, der zudem durch das Rechtsberatungs- und Gesellschaftsrecht ergänzt werden müsste, ist entgegen verbreiteter Auffassung aber auch hier kein Grund ersichtlich, bestimmte Rechtsformen für Interessenorganisationen kategorisch außer Betracht zu lassen. Sowohl bei den Handels- als auch den Kapitalgesellschaften handelt es sich noch dazu um Organisationen, die einer Verbandsstruktur folgen. Während eine personalistische Struktur im gegebenen Kontext u. a. aus den üblichen haftungs- und vertretungsrechtlichen Gründen gewissen Schwierigkeiten begegnet, eröffnet eine körperschaftliche Struktur umfangreiche Möglichkeiten interner Kontrolle (u. a. durch die Mitbestimmung der Mitglieder oder verschiedenste Kontrollgremien), die von Gesetzes wegen zur Bedingung für eine Tätigkeit als Gruppenrepräsentant erhoben werden könnten.327 Dennoch beschränken sich sogar bereits vorliegende Regelungs326
Dazu bereits ausführlich im zweiten Kapitel, S. 85 ff. So z. B. der jüngste niederländische Gesetzesentwurf, a. a. O. (Fn. 296) in Art. 3:305a II lit.a BW-E. 327
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vorschläge in Deutschland neben einem individuellen Gruppenrepräsentanten auf eine Übernahme des § 4 UKlaG.328 Die Norm erfasst jedoch inzwischen nicht nur lediglich eingetragene Idealvereine, sondern verbietet diesen nach hier vertretener Ansicht mit dem Merkmal „nicht gewerbsmäßig“ zudem jegliches, auch ein nach allgemeinen Grundsätzen zulässiges Wirtschaften. Für ein am niederländischen Recht angelehntes Stiftungsmodell fehlen im Stiftungsrecht des BGB dagegen die rechtlichen Grundvoraussetzungen. Bei einer unselbstständigen Stiftung des Privatrechts i. S. d. §§ 80 ff. BGB handelt es sich nach herrschender Meinung um eine von einem oder mehreren Stiftern errichtete Organisation, die mit Hilfe des ihr gewidmeten Vermögens einen vom Stifter festgelegten Zweck dauernd erfüllen soll. Im Gegensatz zum Verbandsmodell wird in einer rechtsfähigen Stiftung das Vermögen rechtlich verselbständigt.329 Die konstitutiven Elemente einer Stiftung bilden mit der herrschenden Meinung der Stiftungszweck, das Stiftungsvermögen sowie die Stiftungsorganisation.330 Sie ist gem. § 80 II 1 BGB u. a. nur dann als rechtsfähig anzuerkennen, wenn die dauernde und nachhaltige Erfüllung des Stiftungszwecks gesichert erscheint und der Stiftungszweck das Gemeinwohl nicht gefährdet. Im Gegensatz zum niederländischen Recht ist damit zunächst zwingend eine ausreichende Vermögensausstattung erforderlich. Das gilt unabhängig davon, ob ein dauerhafter Erhalt oder der Verbrauch des Vermögens durch die Stiftung bezweckt wird.331 Sie erhält mit ihrer Anerkennung gem. § 82 BGB einen Anspruch auf Übertragung des zugesicherten Vermögens. Bereits diese Voraussetzung schränkt die Anwendungsmöglichkeiten deutlich ein. Ein Vermögensvorschuss dieser Art ist grundsätzlich nur von Seiten der Geschädigten denkbar, während ein prozessfinanzierender Dritter, sei es ein Versicherer oder auch eine Anwaltskanzlei, sich in aller Regel nach eingehender Analyse auf eine verbindliche Kostendeckungszusage in bestimmter Höhe beschränken und tatsächliche Mittel nur bereitstellen wird, soweit sie anfallen. Des Weiteren verleiht § 80 II 1 BGB dem Leitbild einer gemeinwohlkonformen Allzweckstiftung Ausdruck. Nach ganz herrschender Meinung sind daher sowohl eine sogenannte Selbstzweckstiftung, die lediglich der Vermögensverwaltung dient, als auch eine sogenannte Stiftung für den Stifter, die auf die Verwirklichung seiner eigenen Zwecke gerichtet ist, unzulässig. Der Zweck der Stiftung muss jedenfalls 328 Vgl. § 611 Nr. 2 des Entwurfs eines Gesetzes über die Einführung von Gruppenverfahren, BT-Drucks. 18/1464, S. 5 sowie §§ 2 und 3 GVMuG-E nach Micklitz/Stadler, in: dies., Verbandsklagerecht, S. 1418 f. 329 Statt vieler Weitemeyer, in: MK BGB, § 80 BGB Rn. 1; Hüttemann/Rawert, in: Staudinger, Vor §§ 80 ff. BGB Rn. 1; auch Neuhof, in: Soergel, Vor § 80 BGB Rn. 8. 330 Hüttemann/Rawert, in: Staudinger, Vor §§ 80 ff. BGB Rn. 4; Ellenberger, in: Palandt, Vorb. v. § 80 BGB Rn. 5ff; Weitemeyer, in: MK BGB, § 80 BGB Rn. 2 ff. 331 Ellenberger, in: Palandt, § 80 BGB Rn. 5; Hüttemann/Rawert, in: Staudinger, § 81 BGB Rn. 48 und 55; Weitemeyer, in: MK BGB, § 80 BGB Rn. 106; Neuhof, in: Soergel, Vor § 80 BGB Rn. 14.
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aus Sicht des Stifters uneigennützigen Charakter haben.332 Damit wiederum können die in einem kollektiven Massenschadensverfahren Geschädigten unmöglich eine Stiftung i. S. d. §§ 80 ff. BGB als Repräsentanten ihrer selbst in Stellung bringen. Empfehlenswerte Alternativen zum Idealverein außerhalb des Verbandsmodells bieten sich daher nach dem geltenden Recht nicht. Gleichzeitig aber verknüpfen insbesondere die körperschaftlich organisierten Kapitalgesellschaften dem Idealverein vergleichbare Mitbestimmungs- und Kontrollmöglichkeiten der Einzelgesellschafter mit einer deutlich besseren und in Massenschadensfällen dringend erforderlichen wirtschaftlichen Flexibilität. Je kleiner und homogener die Gruppe der Geschädigten ist, desto denkbarer sind auch personalistische Verbandsstrukturen. Inwieweit schließlich eine sogenannte unselbstständige Stiftung333 wiederum zur treuhänderischen Finanzierung einer Gesellschaft eingesetzt werden kann, betrifft Spezifika der Verfahrensfinanzierung und soll daher für die vorliegende Untersuchung außer Betracht bleiben. Dasselbe gilt für Stiftungen, die von Seiten des Schädigers nach Verfahrensabschluss zur Distribution der Ersatzbeträge eingesetzt werden.334
4. Ursprung finanzieller Mittel Ungeachtet einer von Gesetzes wegen vorausgesetzten finanziellen Ausstattung von Interessenorganisationen in bestimmter Höhe335 gibt z. B. das deutsche Recht mit dem Merkmal „nicht gewerbsmäßig“ in § 4 II 1 UKlaG für die Verbraucherverbände indirekt auch den Ursprung der Mittel insgesamt vor, da mit der Verbandstätigkeit keine ständige Einnahmequelle geschaffen werden darf.336 Eine ähnliche Voraussetzung enthält auch Empfehlung Nr. 4 S. 2 lit. a der EU-Kommission337, wonach Einrichtungen ihre „Gemeinnützigkeit“ nachweisen müssen, um den Status einer sogenannten „Vertreterorganisation“ zu erlangen. Schwierigkeiten bereitet dabei bereits der in der deutschen Fassung der Empfehlung verwandte Begriff der Gemeinnützigkeit. Aus deutscher Sicht handelt es sich dabei um ein rein steuerrechtliches Merkmal. Eine Körperschaft, die unmittelbar und ausschließlich gemeinnützige Zwecke verfolgt kann Steuer332 Hüttemann/Rawert, in: Staudinger, Vor §§ 80 ff. BGB Rn. 8; Neuhof, in: Soergel, Vor § 80 BGB Rn. 8; Weitemeyer, in: MK BGB, § 80 BGB Rn. 98 und 102 f. 333 Dazu Weitemeyer, in: MK BGB, § 80 BGB Rn. 199. 334 In diesem Fall käme eine jüngst vom Gesetzgeber ausdrücklich anerkannte Verbrauchsstiftung in sog. „echter“, zweck- oder zweitbefristeter Form in Betracht; dazu Segna, JZ 2014, 126 passim. 335 Dazu als abstraktes Qualifikationsmerkmal später im vierten Kapitel, S. 305 ff. 336 Ausführlich bereits oben, S. 218 ff.; für die gewerblichen Verbände gibt es eine ähnliche Einschränkung im deutschen Recht zwar nicht. Zum insoweit aber ebenso restriktiven Ansatz der Rechtsprechung im vierten Kapitel, S. 291 f. 337 Empfehlung kollektiver Rechtsschutz, a. a. O. (erstes Kapitel, Fn. 155), Nr. 4.
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vergünstigungen erhalten (vgl. § 51 I 1 AO). Der Begriff der „Körperschaft“ erfasst gem. § 51 I 2 AO alle Körperschaften, Personenvereinigungen und Vermögensmassen im Sinne des KStG und damit alle in § 1 I KStG genannten Organisationen.338 Gemeinnützigkeit liegt gem. § 52 I 1 AO vor, wenn deren „Tätigkeit darauf gerichtet ist, die Allgemeinheit auf materiellem, geistigem oder sittlichem Gebiet selbstlos zu fördern.“
Eine anerkennungsfähige Förderung der Allgemeinheit wird im Fall einer privatrechtlichen Körperschaft einerseits durch § 52 I 2 AO negativ gegenüber der Förderung eines fest abgeschlossenen Personenkreises abgrenzt sowie andererseits durch den abgeschlossenen Katalog des § 52 II 1 AO näher bestimmt.339 Selbstlosigkeit erfordert darüber hinaus gem. § 55 I AO, dass nicht in erster Linie eigenwirtschaftliche Zwecke verfolgt und die in § 55 I Nr. 1 bis 5 AO aufgezählten, besonderen Voraussetzungen erfüllt werden. Ein wirtschaftlicher Geschäftsbetrieb ist aber generell erlaubt und kann lediglich im konkreten Einzelfall die Selbstlosigkeit ausschließen. Nach der überwiegenden Ansicht erlangt dabei entscheidende Bedeutung, ob die wirtschaftliche Tätigkeit überwiegend zur Förderung des gemeinnützigen Zwecks aufgenommen und die erwirtschafteten Mittel zweckfördernd verwendet werden. Ebenso steht die Förderung der Interessen der Mitglieder einer Selbstlosigkeit erst dann entgegen, wenn der Eigennutz der Mitglieder in den Vordergrund tritt.340 § 55 I Nr. 1 S. 2 AO verbietet jedoch Zuwendungen und damit jeglichen wirtschaftlichen Vorteil von Mitgliedern und Gesellschaftern aus den Mitteln der betreffenden Körperschaft.341 Zwischen § 55 I Nr. 1 S. 1 und Nr. 4 AO bleibt die Mittelverwendung nach dem sogenannten Grundsatz der satzungsmäßigen Vermögensbindung nicht nur während des Bestehens sondern auch darüber hinaus auf die in der Satzung bestimmten, gemeinnützigen Zwecke begrenzt. Die Körperschaft hat hierfür mit einer entsprechenden Widmung Sorge zu tragen.342 Im Gegensatz dazu dürfte sich die „Gemeinnützigkeit“ nach Nr. 4 S. 2 lit. a der Empfehlung nicht an dem unbestimmten Rechtsbegriff des § 51 der deutschen Abgabenordnung orientieren, sondern eher entsprechend dem Merkmal „nicht gewerbsmäßig“ in § 4 II 1 UKlaG343 auszulegen sein. Anerkennungsfähige Organisationen dürfen ihre Tätigkeit danach nicht auf einen ständigen Erwerb richten und mit ihr keine ständige Einnahmequelle schaffen.344 Dafür 338
Gersch, in: Klein, § 51 AO, Rn. 4. Im Einzelnen ebenda, § 52 AO, Rn. 2 f. und 15. 340 Gersch, in: Klein, § 55 AO, Rn. 2 f. 341 Ebenda, Rn. 15 f. 342 Ebenda, Rn. 25. 343 Dazu ausführlich bereits oben, S. 218 ff. 344 Ähnlich auch Hempel, NZKart 2013, 494, 497 f.; Böni/Wassmer, EWS 2015, 130, 136; a. A. wohl Tillema, NTBR 5/2014, 194, 198, derzufolge Einnahmen und sogar Gewinne zulässig sind, soweit diese wieder dem in der Satzung festgelegten Zweck zugeführt werden. 339
264
Drittes Kapitel: Die Person des Repräsentanten
sprechen zunächst die englische und französische Fassung der Empfehlung, in denen von „non-profit making character“ bzw. „à but non lucratif“ gesprochen wird. Eine ähnliche Voraussetzung enthielt auch der nie offiziell veröffentlichte Entwurf einer Richtlinie zum kollektiven Rechtsschutz im Kartellrecht.345 Sie steht auch im Kontext der gemeinsam mit der Empfehlung ergangenen Mitteilung, wonach eine europäische Rahmenregelung „keine wirtschaftlichen Anreize für spekulative Forderungen bieten“ soll.346 Die wohl bezweckte, vollständige Vereitelung eines gewissen wirtschaftlichen Handlungsspielraums von Vertreterorganisationen ist jedoch misslich.347 Im Bereich der Massenschäden erstickt die Regelung jeden Anreiz, als Repräsentant umfangreiche Arbeit wie auch Risiken auf sich zu nehmen. Je nach Auslegung könnte die Vorgabe sogar kollektive Schadenersatzverfahren in Massenschadensfällen dort in Gänze unterbinden, wo sich eine Gruppe von Geschädigten zusammenschließt, da die Durchsetzung individueller Schadensersatzansprüche genau genommen eben auch nach wirtschaftlichem Ertrag strebt. Den Geschädigten wird jedenfalls die Möglichkeit genommen eine unbeteiligte Organisation mit der Rechtsdurchsetzung zu beauftragen. Da deren Tätigwerden, das ausschließlich dem Vorteil anderer dient, ohne Gegenleistung fern der Realität liegt und eine öffentliche Finanzierung der Individualrechtsdurchsetzung ebenfalls nicht in Betracht kommt, blieben allenfalls externe Finanzierungsmöglichkeiten denkbar, die ein weit höheres Missbrauchsrisiko bergen.348 Besser wäre es daher, in Massenschadensfällen genauere Voraussetzungen für vertragliche Vereinbarungen zwischen den Geschädigten und der sie repräsentierenden Organisation zu formulieren und dieser gleichzeitig ihre wirtschaftliche Konstitution freizustellen. Auch in Streuschadensfällen schadet die Forderung nach „Gemeinnützigkeit“ deutlich mehr, als sie nützt. Fehlt bereits den Geschädigten selbst aufgrund der sogenannten rationalen Apathie der Handlungsanreiz, wird er dadurch wie die Erfahrung z. B. mit den deutschen Verbandsunterlassungsklagen gezeigt hat, auch bei den Verbänden jedenfalls verringert.349 Dabei sind wirtschaftliche Gewinne im Gegensatz zu den Massenschadensfällen gar nicht von Bedeutung. Sie sind zudem in der häufigsten Rechtsform des eingetragenen Idealvereins gar nicht möglich und würden zugleich die Steuervergünstigungen der Verbraucherund Wirtschaftsverbände i. S. d. § 51 I AO gefährden. Dessen ungeachtet ist wirtschaftlicher Umsatz, der im Sinne des Satzungszwecks reinvestiert werden kann dringend erforderlich, da andere – insbesondere öffentliche Finanzierung – 345
Hempel, ebenda und ders., in: Möschel/Bien, S. 71, 81 Mitteilung kollektiver Rechtsschutz (a. a. O., erstes Kapitel, Fn. 151), S. 11. 347 Vgl. schon im dritten Kapitel, S. 217 ff. sowie in diesem Kapitel S. 302 ff. 348 So zu Recht auch Ahrens, WRP 2015, 1040, 1044 f. 349 Ebenso Böni/Wassmer, EWS 2015, 130, 136; zu Unrecht zweifelnd Ahrens, WRP 2015, 1040, 1046 („scheint gering zu sein“). 346
§ 6 Die „Einrichtung“
265
nicht in hinreichendem Maße zur Verfügung steht.350 Die Durchsetzung der betreffenden überindividuellen Interessen oder Allgemeininteressen ist jedoch wesentlich darauf angewiesen. Ein möglicher Ausweg bestände für diese Fallgruppe darin, den Begriff der „Gemeinnützigkeit“ im Sinne der §§ 51 ff. AO zu interpretieren und den Verbänden so das Wirtschaften innerhalb ihres Satzungszwecks zu ermöglichen.351 Jedenfalls die deutschen Verbände würden über den damit vorgegebenen Umfang ohnehin nicht hinausgehen, da sie andernfalls Gefahr liefen, steuerrechtliche Vergünstigungen einzubüßen. Vor diesem Hintergrund überrascht auch die im jüngsten niederländischen Gesetzesentwurf in Art. 3:305a III lit. a BW-E vorgeschlagene Regelung. Nachdem die Finanzen der Interessenorganisationen in der ca. 30-jährigen Geschichte des niederländischen Rechtsschutzes bis heute zunehmend strengeren Regeln unterworfen wurden, fordert erstmals die sogenannte Juristengruppe, weder die Organisation selbst noch ihr Vorstand dürfe nach Gewinnen streben.352 Das Justizministerium hat in den jüngst vorgelegten Gesetzesentwurf jedoch nur ein Verbot für die Vorstandsmitglieder aufgenommen. Die Auslegung dieser Norm im Einzelnen bleibt abzuwarten. Eine wortlautgetreue Auslegung wäre jedoch zu begrüßen. Während eine erwerbswirtschaftliche Motivation der Vorstandsmitglieder über deren festgelegte Vergütung hinaus nämlich zu Recht unterbunden werden sollte, würde eine Beschränkung der Organisation selbst in ihren Refinanzierungsmöglichkeiten nicht nur der traditionellen Flexibilität des niederländischen Rechts widersprechen, sondern wäre – wie für Deutschland bereits dargelegt – ebensowenig sachdienlich.353
350 Beispielhaft zur Finanzierung der Verbraucherorganisationen im zweiten Kapitel, S. 136 ff.; öffentliche Finanzierung ist aber auch dann entbehrlich, wenn die in diesem Bereich in rechtswidriger Weise erwirtschafteten Gewinne nutzbar gemacht werden können. 351 Insoweit dann wieder übereinstimmend mit Tillema, a. a. O. (Fn. 344). 352 Aanbevelingen juristengroep uitvoering motie Dijksma, TK 2016–2017, Kamer stuk 34 608, Beilage zu Nr. 3 S. 4. 353 Aus niederländischer Sicht nochmals Tillema, NTBR 5/2014, 194, 200 ff.
Viertes Kapitel
Qualifikation zur Interessenvertretung Im vorausgehenden Kapitel stand die Frage im Mittelpunkt, wer bzw. welche Organisationen generell für die Rolle eines für die Gesamtgruppe repräsentativen Klägers in Betracht kommen. Die Empfehlung der Europäischen Kommission zum kollektiven Rechtsschutz unterscheidet hinsichtlich der vor Gericht repräsentativ tätigen Akteure wie gesehen zwischen den Geschädigten selbst, sogenannten „Vertreterorganisationen“ sowie „Einrichtungen, die […] ad hoc für eine bestimmte Vertretungsklage zugelassen wurden“. Lediglich für die zweite Gruppe sieht das Papier gesetzlich genau zu definierende „Zulassungsvoraussetzungen“ vor, anhand der interessierte „Einrichtungen“ vor Klageerhebung offiziell als „Vertreterorganisation“ anerkannt werden.1 Auf diese Weise soll der Nachweis angemessener Vertretung der Interessen der jeweils vertretenen Personen geführt werden.2 Von diesen – wenigen – Vorgaben ausgehend widmet sich der folgende Abschnitt der Frage, welchen Anforderungen ein Repräsentant in einem kollektiven Rechtsschutzverfahren unterliegen sollte und stellt dazu vergleichend bereits bestehende mitgliedsstaatliche Regelungen gegenüber. Der Schwerpunkt liegt dabei erneut auf Deutschland und den Niederlanden. Zur besseren Übersicht werden unter dem Schlagwort „abstrakte Vorgaben“ zunächst solche Anforderungen behandelt, die fallunabhängig bestehen (dazu § 7). In einem weiteren Abschnitt folgen dann solche Maßgaben, die den Bezug zu einem konkret zu entscheidenden Einzelfall herstellen (dazu § 8). Die gewonnenen Erkenntnisse werden jeweils zum Abschluss der Abschnitte zusammengetragen. Die Zielvorstellung besteht darin, im Lichte der Kommissionsempfehlung eine Liste – abstrakter und konkreter – Qualifikationsmerkmale zu erstellen, die den Vertretenen einerseits bestmöglichen Schutz bieten, aber gleichzeitig den Zweck und die Attraktivität des Verfahrens nur in hinnehmbarem Maße begrenzen. In einem weiteren Abschnitt werden abschließend die Normen des bereits geltenden Verbandsklagerechts an den zuvor erarbeiteten Merkmalen gemessen und entsprechende Änderungsvorschläge unterbreitet (dazu § 9).
1 2
Empfehlung kollektiver Rechtsschutz, a. a. O. (erstes Kapitel, Fn. 155), Nr. 4 und 6. Empfehlung kollektiver Rechtsschutz, a. a. O. (erstes Kapitel, Fn. 155), ErwGr. 18 S. 2.
268
Viertes Kapitel: Qualifikation zur Interessenvertretung
§ 7 Abstrakte Vorgaben Zwei von dreien in der Kommissionsempfehlung ausdrücklich genannten Zulassungsvoraussetzungen betreffen den generellen Charakter oder Aufbau von „Vertreterorganisationen“ ohne sich auf einen konkret zu entscheidenden Fall zu beziehen. Gemäß Empfehlung Nr. 4 S. 2 lit. a soll es sich um eine gemeinnützige Organisation handeln („non-profit making character“/ „à but non lucratif“). Diese Organisation muss nach lit. c über „ausreichende finanzielle und personelle Ressourcen sowie erforderliche[n] juristische[n] Sachverstand [verfügen], um mehrere Personen vertreten und deren Interesse wahrnehmen zu können“ („sufficient capacity in terms of financial resources, human resources, and legal expertise, to represent multiple claimants acting in their best interest“ / „une capacité suffisante, sur le plan des ressources financières, des ressources humaines et de l’expertise juridique, pour représenter plusieurs demandeurs au mieux de leurs intérêts“).3 Beide Voraussetzungen werden jedoch weder in der Empfehlung selbst noch in den sie begleitenden Dokumenten näher erläutert. Es bietet sich daher an, darauf nach der Sichtung bereits geltender und angewandter Regelungen erneut zurückzukommen. Dabei soll zunächst der Frage nachgegangen werden, inwieweit das Primär- und Sekundärecht der EU den Mitgliedsstaaten auch hierfür verbindliche Vorgaben macht (dazu I.). Des Weiteren werden die Regelungsansätze in Deutschland und den Niederlanden gegenübergestellt, die sich einerseits durch sehr umfangreiche gesetzliche Regulierung und andererseits durch deren Fehlen auszeichnen (dazu insgesamt II.). In einem Zwischenfazit werden die gewonnen Erkenntnisse zusammengetragen und zu den genannten Empfehlungen der EU-Kommission in Beziehung gesetzt (dazu III.).
I. Primär- und Sekundärrecht der Europäischen Union Neben der Empfehlung stellen diejenigen Richtlinien, die schon heute ein Antrags- oder Klagerecht für bestimmte Einrichtungen als Repräsentanten eines bestimmten kollektiven Interesses vorsehen4, gleichzeitig an die handelnden Akteure keine ausdrücklichen Anforderungen. Sie beschränken sich auf die wiederkehrende und nur jeweils leicht abgewandelte Maßgabe, wonach der Zugang zu einem Verfahren Stellen und Organisationen vorbehalten bleiben soll, denen „nach innerstaatlichem Recht“,
3 Empfehlung kollektiver Rechtsschutz, a. a. O. (erstes Kapitel, Fn. 155), Nr. 4 S. 2 lit. a und c. 4 Dazu schon im dritten Kapitel, S. 185 ff.
§ 7 Abstrakte Vorgaben
269
„nach nationalem Recht“ o.Ä. ein „berechtigtes Interesse“ am jeweiligen Schutzzweck (z. B. am Schutz der Verbraucher) zukommen muss.5 Diese Voraussetzung eines rechtlichen Interesses schließt zunächst all diejenigen von einem Klage- bzw. Antragsrecht aus, die ausschließlich faktisch Verbraucherinteressen vertreten. Als rechtlich verankert ist das Interesse dann anzusehen, wenn den Betreffenden eine Klage- oder Antragsbefugnis als Repräsentant von Verbraucherinteressen durch die nationale Umsetzungsgesetzgebung der jeweiligen Richtlinie selbst oder durch Normen anderer Regelungsbereiche ausdrücklich verliehen wird.6 Nimmt man die entsprechenden Passagen aber wörtlich, ist den Mitgliedstaaten darüber hinaus aufgetragen und steht ihnen somit im Rahmen der Umsetzungsgesetzgebung frei zu bestimmen, wie sich ein solches „berechtigtes Interesse“ definiert und demzufolge wer „Person oder Organisation“ bzw. „Verbraucherverband“ oder „Berufsverband“ im Sinne der jeweiligen Richtlinien sein kann.
1. Vorgaben des Art. 169 AEUV Einzelne Stimmen in der Literatur, darunter insbesondere Micklitz, verweisen dagegen für die Zwecke von Art. 11 I 2 UGP-RL und Art. 3 I UKla-RL nachdrücklich auf Art. 169 AEUV (zuvor Art. 153 EG) mit der Begründung durch diesen werde „die Definitionsmacht für Verbraucherorganisationen europäisiert“.7 Anhaltspunkte dafür sind im Wortlaut des Art. 169 AEUV selbst und auch in den Materialien hierzu jedoch schwer zu finden. Art. 169 AEUV gilt als Leitnorm des EU-Verbraucherrechts und als zentrale Vorschrift für Maßnahmen der EU auf diesem Gebiet.8 Als solche kommen ihr drei Funktionen zu: Sie konkretisiert in den Absätzen I, II und IV die Kompetenzen der Union in Abgrenzung zu denen der Mitgliedsstaaten, macht gleichzeitig in Abs. I inhaltliche Vorgaben für die Rechtsetzung der EU im Bereich Verbraucherschutz und regelt dazu in Abs. III ergänzend das Gesetzgebungsverfahren.9
5 Vgl. Art. 4 I 2 RL 84/450/EWG, Art. 11 I 2 UGP-RL, Art. 5 I 2 RL 2006/114/EG, Art. 7 I 2 Klausel-RL, Art. 11 II 1 Fernabsatz-RL, Art. 13 II Finanzfernabsatz-RL, Art. 3 UKla-RL und Art. 23 II 1 Verbraucherrechte-RL. Micklitz, in: MK LauterkeitsR, EG D, Art. 11 RL 2005/29/ EG Rn. 32 zählt die Formulierung daher zu Recht „zum Bestand des Gemeinschaftsrechts“. 6 Pfeiffer, in: W/L/P, Art. 7 RL 93/13/EWG Rn. 17 = ders., in: G/H/N/Wolf, Bd. IV, 40. EL 2009, A 5, Art. 7 Rn. 17; Micklitz, in: MK LauterkeitsR, EG D, Art. 11 RL 2005/29/EG Rn. 33. 7 Micklitz/Rott, in: G/H/N/Wolf, Bd. IV, 40. EL 2009, A 25, Art. 3 Rn. 26 = Micklitz, in: MK LauterkeitsR, EG D, Art. 11 RL 2005/27/EG Rn. 33; ders., in: ders./Rott/Docekal/ Kolba, S. 222; ders., in: MK ZPO, § 3 UKlaG Rn. 13. 8 Pfeiffer, in: G/H/N, Art. 169 AEUV Rn. 1 f. 9 Pfeiffer, ebenda; Krebber, in: Callies/Ruffert, Art. 169 AEUV Rn. 2 f. und 9; Lurger, in: Streinz, Art. 169 AEUV Rn. 16 f., 19 und 29; Schwarze, Art. 169 AEUV Rn 9, 14, 18.
270
Viertes Kapitel: Qualifikation zur Interessenvertretung
Im gegebenen Kontext ist die zweitgenannte Funktion und mithin die Frage von Bedeutung, ob Art. 169 I AEUV in Bezug auf die oben behandelten Richtlinien inhaltliche Vorgaben entnommen werden können bzw. müssen. Neben den Handlungszielen „Förderung der Interessen der Verbraucher“ und „Gewährung eines hohen Verbraucherschutzniveaus“ sind in Art. 169 I AEUV die Aufgaben- oder Handlungsfelder genannt, in denen die Union tätig wird und damit der Anwendungsbereich der Vorschrift in breiter Formulierung und nicht abschließend umgrenzt. Der zivilrechtliche Verbraucherschutz wird dem „Schutz der wirtschaftlichen Interessen“ zugerechnet. Daneben ist für die hiesigen Zwecke das „Recht auf Bildung von Vereinigungen zur Wahrung ihrer Interessen“ zu nennen. Es konkretisiert das in Art. 12 I EuGRCh wie auch in der gemeinsamen Verfassungsüberlieferung der Mitgliedsstaaten enthaltene Grundrecht der Vereinigungsfreiheit und erstreckt es ausdrücklich auf die Bildung von Verbrauchervereinigungen.10 Die UKla-Richtlinie als unionsrechtliche Maßnahme wird u. a. diesem Aufgabenfeld zugeordnet.11 Insbesondere der letztgenannte Aspekt steht mit der hier erörterten Annahme im Konflikt, Art. 169 AEUV enthalte unionsrechtliche Vorgaben für Verbraucherorganisationen. Bezieht sich das in Art. 169 I AEUV genannte „Recht auf Bildung von Vereinigungen“ auf das Grundrecht der Vereinigungsfreiheit, so bildeten aus Art. 169 I AEUV selbst stammende Mindestanforderungen gleichzeitig ungeschriebene Schranken zu diesem Grundrecht, obwohl der Wortlaut der Norm lediglich positive Rechte formuliert. Diejenigen, die Art. 169 AEUV bestimmte Anforderungen für Verbraucherorganisationen entnehmen wollen, räumen selbst ausdrücklich ein, dass bereits deren Klagerecht in der Norm nicht genannt wird. Dennoch halten sie es für notwendig, „zumindest für die Existenz von Verbraucherorganisationen generelle Kriterien aufzustellen“.12
2. Richtlinien als Basis für Mindestkriterien Die Argumentation für europarechtlich vorgegebene Mindestkriterien knüpft neben Art. 169 AEUV zudem an die oben13 bereits behandelten Richtlinien an und geht davon aus, der darin verwendete Terminus „berechtigtes Interesse“ stelle eine von der jeweiligen Richtlinie vorgegebene Größe dar, über die das Unionsrecht auf die Konstitution der entsprechenden Organisationen Einfluss nimmt. Es könne mithin nur europäisch definiert werden.14 10
Vgl. bereits im dritten Kapitel, S. 197 mit Fn. 48. Art. 169 AEUV Rn. 17; Lurger, in: Streinz, Art. 169 AEUV Rn. 19 ff.; Schwarze, Art. 169 AEUV Rn 10 f. 12 Micklitz/Rott, in: G/H/N/Wolf, Bd. IV, 40. EL 2009, A 25, Art. 3 Rn. 26 = M icklitz, in: MK LauterkeitsR, EG D, Art. 11 RL 2005/27/EG Rn. 33 = ders., in: MK ZPO, § 4 UKlaG Rn. 13. 13 Dazu bereits im dritten Kapitel, S. 185 ff. 14 Micklitz/Rott, in: G/H/N/Wolf, Bd. IV, 40. EL 2009, A 3 Rn. 152 und a. a. O. (Fn. 12); 11 G/H/N/Pfeiffer,
§ 7 Abstrakte Vorgaben
271
Diese Sichtweise richtet sich jedoch gleichzeitig in allen Fällen erkennbar gegen den Wortlaut, demzufolge „nach dem Recht eines Mitgliedsstaats“, „nach dem nationalen Recht“ bzw. „nach dem innerstaatlichen Recht“ ein solches „berechtigtes Interesse“ bestehen muss. Anlass zu einem anderen Verständnis könnte allenfalls Art. 3 UKla-RL bieten. Er gibt die allgemeine Definition einer sogenannten „qualifizierten Einrichtung“ vor, die zum Zweck einer grenzüberschreitenden Klageberechtigung von den Mitgliedsstaaten zu einer entsprechenden Liste bei der Europäischen Kommission anmeldet werden kann. Eintragungsfähig ist danach „jede Stelle oder Organisation, die nach dem Recht eines Mitgliedsstaats ordnungsgemäß errichtet wurde und ein berechtigtes Interesse daran hat, die Einhaltung der in Artikel 1 genannten Bestimmungen [also: der in Anhang I der Richtlinie genannten weiteren Richtlinien] sicherzustellen“.
Hier ließe sich argumentieren, der Zusatz „nach dem Recht eines Mitgliedsstaats“ beziehe sich anders als bei den übrigen Richtlinien nur auf die ordnungsgemäße Errichtung. Für diese Interpretation könnten u. a. die englische, französische, italienische und spanische Fassung der Norm ins Feld geführt werden, in denen dies jeweils grammatikalisch eindeutig der Fall ist. Bei genauerer Betrachtung ist diese Interpretation des Wortlautes aber dennoch unzutreffend. In der deutschen ebenso wie auch der niederländischen Fassung ist es grammatikalisch gleichermaßen möglich, den Zusatz auf beide Satzteile zu beziehen. Aufschluss über die intendierte Bedeutung des fraglichen Passus in Art. 3 UKla-RL gibt aber dessen Entstehungsgeschichte: Im ersten Kommissionsvorschlag zur UKla-Richtlinie15 lautete der fragliche Passus des Art. 3 I noch im Einklang mit allen vorhergehenden Richtlinien: „jede Stelle oder jede Organisation […], die nach dem nationalen Recht ein berechtigtes Interesse daran hat, die Einhaltung der in Artikel 1 genannten Bestimmungen durchzusetzen, […]“.
Das Europäische Parlament stimmte dieser Formulierung in erster Lesung jedoch nur mit folgender Anpassung zu16: „jede Stelle oder jede Organisation […], die sich nach dem geltenden Recht eines Mitgliedstaats ordnungsgemäß konstituiert und daher ein berechtigtes Interesse daran hat,
a. A. Tenreiro, 3 Contrats Concurrence Consommation (1993), Nr. 7, S. 1, 3 („Les Etats membres sonst ainsi libres […] de fixer les critères […]”); Halfmeier, Popularklagen, S. 370. 15 Vorschlag der Kommission vom 16. 02. 1996 für eine Richtlinie […] betreffend Unterlassungsklagen auf dem Gebiet des Schutzes der Verbraucherinteressen, KOM(95) 712 endgültig = Abl. 1997 Nr. C 107, S. 3, 4. 16 Vgl. Änderung 17 im Rahmen der legislativen Entschließung mit der Stellungnahme des Europäischen Parlaments zu dem Vorschlag […] KOM(95) 712 endgültig, Abl. 1996 Nr. C 362, S. 236, 238.
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Viertes Kapitel: Qualifikation zur Interessenvertretung
die Einhaltung der in Artikel 1 genannten Bestimmungen durchzusetzen, […]“ (Hervorhebung durch Verfasser).
Dies wurde auch seitens der Kommission gebilligt und in einen geänderten zweiten Kommissionsvorschlag übernommen. Obwohl es darin heißt, die vorgenommene, redaktionelle Änderung des Art. 3 entspräche der Änderung seitens des Parlaments, erhält der fragliche Abschnitt dort dann letztlich folgende Fassung17: „jede Stelle oder jede Organisation […], die sich nach dem geltenden Recht eines Mitgliedstaats ordnungsgemäß konstituiert und nach nationalem Recht ein berechtigtes Interesse daran hat, die Einhaltung der in Artikel 1 genannten Bestimmungen durchzusetzen, […]“ (Hervorhebung durch Verfasser).
Die hervorgehobene Doppelung der Formulierungen findet sich ebenso in der französischen, italienischen und niederländischen Fassung des Dokuments. In der englischen und spanischen Version dagegen fehlt bereits der Zusatz „nach nationalem Recht“ im zweiten Halbsatz. Unabhängig davon aber heißt es in allen genannten Sprachen ausdrücklich, dass die Mitgliedsstaaten für jede Organisation die „durch ihre nationale Gesetzgebung festgelegten Kriterien“ anwenden.18 Im Zuge eines Gemeinsamen Standpunktes wurde Art. 3 UKla-RL schließlich von der letztgenannten in die noch heute geltende Form gegossen.19 Der dazugehörigen Begründung ist jedoch nicht zu entnehmen, dass dem Wegfall der Worte „nach nationalem Recht“ im zweiten Halbsatz eine inhaltliche Bedeutung zukommen sollte.20 Vielmehr bekennen sich das Europäische Parlament und der Rat bei Art. 3 lit. b UKla-RL ausdrücklich zu der Formulierung „entsprechend den im Rahmen der nationalen Rechtsvorschriften festgelegten Kriterien“. Aus der dargestellten Entwicklung wird somit deutlich, dass die gegenüber den vorhergehenden Richtlinien abweichende Formulierung den oftmaligen Veränderungen und Übersetzungen geschuldet ist. Dementsprechend heißt es in Art. 13 II Finanzfernabsatz-RL und nun in Art. 23 II Verbraucherrechte-RL unmissverständlich „eine oder mehrere der folgenden nach den innerstaatlichen Rechtsvorschriften bestimmten Einrichtungen“. 17 Geänderter Vorschlag der Kommission vom 23. 12. 1996 für eine Richtlinie […] betreffend Unterlassungsklagen auf dem Gebiet des Schutzes zum (sic!) Verbraucherinteressen, KOM(96) 725 endgültig, S. 9 f. und dazu S. 3. 18 Geänderter Vorschlag der Kommission, ebenda, S. 3. 19 Gemeinsamer Standpunkt des Europäischen Parlaments und des Rates der Europäischen Union (EG) Nr. 48/97, festgelegt am 30. 10. 1997 im Hinblick auf den Erlaß der Richtlinie […] über Unterlassungsklagen zum Schutz der Verbraucherinteressen, Abl. 1997, Nr. C 389, S. 51, 53. 20 Begründung des Rates, Abl. 1997, Nr. C 389, S. 56, 57.
§ 7 Abstrakte Vorgaben
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Die Bestimmung von Einrichtungen, deren Interesse im Sinne der Richtlinien berechtigt ist, bleibt damit weiterhin – in einigen Sprachfassungen der UKlaRichtlinie mit gutem Grund über den Wortlaut hinaus – der mitgliedsstaatlichen Umsetzungsgesetzgebung auferlegt. Allerdings genießen die Mitgliedsstaaten dabei nicht vollständige Freiheit. Im Grundsatz ist es daher richtig anzunehmen, das Ermessen der Mitgliedsstaaten bei der Bestimmung der handelnden Organisationen sei begrenzt.21 So soll eben gerade nicht jede Einrichtung klageberechtigt sein, die nach nationalem Recht namentlich dazu bestimmt wird, sondern willkürfrei allgemeingültige Kriterien entwickelt werden, mit deren Hilfe der Begriff des berechtigten Interesses handhabbar gemacht werden kann.22 Diese Lesart respektiert einerseits den Wortlaut, wonach das Interesse „nach nationalem Recht“ o.Ä. zu bestehen hat, stellt dabei jedoch gleichzeitig bestimmte Anforderungen an die Umsetzungsgesetzgebung. Diese ergeben sich bereits aus dem Wortlaut der Richtlinien selbst, wenn sie das jeweils maßgebliche Interesse umreißen und so den Zweck der zu benennenden Organisationen grob vorgeben23: Art. 7 I und II Klausel-RL: „[…] im Interesse der Verbraucher und der gewerbetreibenden Wettbewerber […] Interesse am Schutz der Verbraucher“ Art. 11 I UGP-RL: „im Interesse der Verbraucher […] Interesse an der Bekämpfung unlauterer Geschäftspraktiken“ Art. 5 I RL 2006/114/EG: „[…] im Interesse der Gewerbetreibenden und ihrer Mitbewerber […] Interesse am Verbot irreführender Werbung oder an der Regelung vergleichender Werbung“ Art. 3 UKla-RL: „Interesse […] die Einhaltung der in Artikel 1 genannten Bestimmungen sicherzustellen“ und weiter in lit. b: „Organisationen, deren Zweck im Schutz der in Artikel 1 genannten Interessen besteht“ Art. 13 I und II Finanzfernabsatz-RL und Art. 23 I und II Verbraucherrechte-RL: „im Interesse der Verbraucher […] Interesse am Schutz der Verbraucher“.
Der festgelegte Rahmen bezieht sich somit im Wesentlichen auf die Zwecksetzung der als Repräsentanten zuzulassenden Organisationen, Einrichtungen und Verbände. Da die Richtlinien ausdrücklich entweder ein behördliches oder aber ein gerichtliches Verfahren verlangen, kann es sich nur um im Rechtssinne verfasste Vereinigungen handeln, die nach dem jeweiligen nationalen Prozessrecht rechts- und parteifähig sein können. Andernfalls hätten sie zu dem entsprechenden Verfahren keinen Zugang. Ihre Rechtsform darf dabei nicht mit dem gegebenen Zweck in Konflikt geraten. Die mitgliedsstaatliche Gesetzgebung muss sicherstellen, dass der Inhalt ihrer jeweiligen privatrechtlichen 21 Pfeiffer, in: W/L/P, Art. 7 RL 93/13/EWG Rn. 18 = ders., in: G/H/N/Wolf, Bd. IV, 40. EL 2009, A 5, Art. 7 Rn. 16; Mankowski, WRP 2010, 186, 188; Witt, in: U/B/H, § 4 UKlaG Rn. 2; Tenreiro, 3 Contrats Concurrence Consommation (1993) Nr. 7, 1, 3. 22 Anders aber die bislang unbeanstandete Umsetzung durch Österreich in § 29 I KSchG, der diejenigen Institutionen namentlich aufzählt, die einen Anspruch geltend machen können. 23 Vgl. dazu schon im dritten Kapitel, S. 191 ff.
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Viertes Kapitel: Qualifikation zur Interessenvertretung
Satzung mit den richtlinienrechtlichen Vorgaben im Einklang steht. Um es nicht bei einem lediglich formalen Bekenntnis zu belassen, dem die Umgehung droht, sollte zudem dessen tatsächliche Umsetzung kontrolliert werden. Dabei gilt es aber zu berücksichtigen, dass die genannten Richtlinien von den Mitgliedsstaaten unisono „angemessene und wirksame Mittel“ fordern, die den Zweck der jeweiligen Richtlinie verwirklichen und damit ihre Einhaltung sicherstellen.24 Übermäßige Anforderungen an Einrichtungen und Verbände beeinträchtigen deren Handlungsmöglichkeiten und verringern damit auch deren Handlungsanreiz. Die Richtlinien aber basieren auf dem Gedanken, Rechte kollektiv zur Durchsetzung zu bringen, die andernfalls verfallen würden. Jede von den Mitgliedsstaaten errichtete Hürde schränkt damit zugleich die erforderliche Wirksamkeit der Mittel ein.25 In diesem Sinne ist bereits die zum Teil26 verlangte Gegnerfreiheit der entsprechenden Einrichtungen bedenklich und dürfte neben einer Kontrolle des Satzungszwecks und seiner tatsächlichen Umsetzung auch nicht erforderlich sein. Im Fokus der richtlinienrechtlichen Vorgabe steht die Vermeidung von Interessenkonflikten. Eine Vereinigung mit entsprechendem Satzungszweck, die diesen auch in ihrer Arbeit konsequent verfolgt, wird aber i. d. R. keine Interessengegner aufnehmen bzw. diese werden kaum Interesse an einem Beitritt haben. Einzelne Mitglieder dagegen dürften die Interessenausrichtung nicht in Frage stellen.27 Einige Autoren halten zudem gesetzliche Bestimmungen zu Größe, Mitgliederzahl, und Struktur für notwendig.28 Diese Forderung verwundert insbesondere aus der Feder derjenigen, die gleichzeitig feststellen, die Richtlinien sähen diesbezüglich „keine ausdrücklichen Regelungen“ vor.29 Wenn das aber – wie auch nach der Ansicht des Verfassers – der Fall ist, fehlte für solche Bestimmungen die Grundlage, sofern sie nicht für die Verwirklichung des Richtlinienrechts zwingend notwendig wären. Noch weiter geht Micklitz und fordert einen stabilen organisatorischen Aufbau mit einer festen Geschäfts24 Art. 7 I Klausel-RL; Art. 11 I Finanzfernabsatz-RL; Art. 11 I UGP-RL; Art. 5 I RL 2006/114/EG; Art. 23 I Verbraucherrechte-RL. 25 Ähnlich Halfmeier, Popularklagen, S. 370; so auch noch Micklitz, in: MK BGB, 4. Aufl., § 13 AGBG Rn. 92. 26 Micklitz/Rott, in: G/H/N/Wolf, Bd. IV, 40. EL 2009, A 25, Art. 3 Rn. 27 = Micklitz, in: MK LauterkeitsR, EG D, Art. 11 RL 2005/27/EG Rn. 33 = ders., in: MK ZPO, § 4 UKlaG Rn. 13; ders., in: ders./Rott/Docekal/Kolba, S. 222; ähnlich auch Mankowski, WRP 2010, 186, 188. 27 Vgl. zum Umgang der deutschen Rechtsprechung und Literatur mit sog. Mischverbänden ebenfalls unter dem Aspekt ihres Satzungszwecks im dritten Kapitel, S. 211 f. mit Fn. 107 f. 28 Pfeiffer, in: W/L/P, Art. 7 RL 93/13/EWG Rn. 18 = ders., in: G/H/N/Wolf, Bd. IV, 40. EL 2009, A 5, Art. 7 Rn. 16; Witt, in: U/B/H, § 4 UKlaG Rn. 2; Tenreiro, 3 Contrats Concurrence Consommation (1993) Nr. 7, 1, 3. 29 Jeweils ebenda Witt, der auf den „Sinn und Zweck der Richtlinien“ verweist; ähnlich auch Tenreiro.
§ 7 Abstrakte Vorgaben
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stelle sowie eine gewisse Mindestgröße, die eine auf Dauer angelegte Tätigkeit dokumentiert.30 Neben den Richtlinien verweist er diesbezüglich wie bereits vorab ausgeführt auf Art. 169 AEUV (zuvor Art. 153 EG). Die letzte Konsequenz dieser Behauptung, nämlich dass die Europäischen Verträge (!) jeder Verbraucherorganisation u. a. die Führung einer festen Geschäftsstelle vorschreiben, genügt beinahe für sich selbst als Gegenbeweis. Davon abgesehen ist aber auch mit Blick auf die Richtlinien nicht erkennbar, inwieweit Größe, Mitgliederzahl und Struktur verlässliche und noch dazu unumgängliche Maßstäbe für die Interessenvertretung setzen. Es ist offensichtlich, dass Einrichtungen, die ihre Tätigkeit nicht ernsthaft oder wissentlich nur über einen kurzen Zeitraum verfolgen wollen, nur über eine geringe Größe und Mitgliederzahl verfügen. In umgekehrter Richtung aber scheitert diese Gleichung, da Größe und Mitgliederzahl keinerlei zuverlässige Rückschlüsse auf die Qualität, Ernsthaftigkeit, oder die voraussichtliche Bestandsdauer einer Organisation erlauben. Außerdem mag bezweifelt werden, ob eine gewisse Größe und die jedenfalls geplante Dauerhaftigkeit der Arbeit überhaupt taugliche Qualitätskriterien darstellen oder ob nicht vielmehr auch solche Einrichtungen zu einem effizienten Verfahren beitragen, die sich nur einem bestimmten Einzelfall widmen.31 Entsprechende Zulassungskriterien stehen damit einer von den Richtlinien bezweckten effizienten privatrechtlichen Rechtsdurchsetzung durch bestimmte Einrichtungen entgegen, anstatt sich daraus zu ergeben. Über den bereits im Wortlaut verankerten Rahmen hinaus stellen die Richtlinien daher anders als behauptet weder unmittelbar noch in verschleierter Form Kriterien für Verbraucher- oder Berufsverbände auf.32 Von rechtstechnischer Seite kommt hinzu, dass solche Kriterien zudem im Detail durch die Mitgliedsstaaten konkretisiert werden müssten, was von den betreffenden Autoren auch beabsichtigt wird. Um nur die offensichtlichsten Folgefragen zu nennen: Woran sind die Größe und die Stabilität des Aufbaus zu messen? Welche Mindestgröße oder -mitgliederzahl ist zu veranschlagen? Wann gilt eine Tätigkeit als auf Dauer angelegt? Der gegebene Umsetzungsspielraum würde hierauf im Extremfall derzeit 28 unterschiedliche Antworten ermöglichen. Dadurch aber würden Rechtsunsicherheit und Rechtszersplitterung Vorschub geleistet und jedenfalls die mit der UKla-Richtlinie angestrebte „Angleichung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften der Mitgliedstaaten über [grenzüberschreitende] Unterlassungsklagen“ sabotiert. Diesem Zweck ebenso wie allen übrigen Richtlinien wäre zwar sicherlich mit einer weitestmöglichen Parallelisierung der Anforderungen besser gedient. Dessen ungeachtet darf man jedoch nicht ignorieren, dass die Richtlinien hier entsprechende 30
Vgl. bereits oben, Fn. 26. Halfmeier, S. 371 und ders., in: Prütting/Gehrlein, § 4 UKlaG Rn. 1. 32 In diesem Sinne die Umsetzung der Niederlande in Art. 3:305a und 3:305c BW. 31 Ebenso
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Viertes Kapitel: Qualifikation zur Interessenvertretung
Gestaltungsfreiheiten gewähren. Die Argumentationslinie, Normen dann allein wegen ihres richtlinienrechtlichen Ursprungs wieder „europäisch“ definieren zu wollen, führt im Kreis. Eine rechtsverbindliche Festlegung wäre durch eine abweichende Fassung oder andere Rechtsform z. B. als Verordnung ebenso möglich gewesen. Allgemeingültige Kriterien einer primärrechtlichen Norm entnehmen zu wollen, erscheint dann schließlich erst recht als ein Lösungsversuch durch die Hintertür.33
II. Kontrolldichte de lege lata 1. Umfangreiche Regulierung in Deutschland Die wesentlichen privaten Verbandsklagekompetenzen des deutschen Rechts sind wie gesehen in den §§ 8 und 10 UWG für den Bereich des Lauterkeitsrechts, in den §§ 33 und 34a für den Bereich des Kartellrechts und in den §§ 1 ff. UKlaG für den Bereich des Verbraucherschutzrechts niederlegt. Für die als „qualifizierte Einrichtungen“ bezeichneten Verbraucherverbände wurden die Zulassungsvoraussetzungen zwischenzeitlich vereinheitlicht und für alle drei Regelungsbereiche gilt kraft Verweises in § 8 III Nr. 3 UWG, § 33 II Nr. 2 GWB und § 3 I 1 Nr. 1 UKlaG der § 4 II UKlaG (dazu a)). Daneben stehen die sogenannten „Verbände zur Förderung gewerblicher und selbstständiger beruflicher Interessen“. Sie sind zwar gem. § 8 III Nr. 2 UWG, § 33 II Nr. 1 GWB und § 3 I Nr. 2 UKlaG ebenso in allen drei Bereichen zur Verbandsklage berechtigt. Alle drei Normen unterscheiden sich mit Blick auf die an dieses Recht geknüpften Voraussetzungen jedoch geringfügig (dazu b)). Außerhalb der Verbandsklage besteht für natürliche Personen ebenso wie für rechtlich verfasste Organisationen aller Art die Möglichkeit, sich unter den Voraussetzungen des § 12 I-IV RDG sowie der Rechtsdienstleistungsverordnung (RDV) i. S. v. § 12 V RDG als Inkassodienstleister zu registrieren. (dazu c))
a) Verbraucherverbände aa) Unterlassungsklagebefugnis durch Anerkennung als „qualifizierte Einrichtung“ i. S. v. § 4 II 1 UKlaG Maßgeblich für ein Klagerecht deutscher Verbraucherverbände gemäß den §§ 3 I 1 Nr. 1 UKlaG, 8 III Nr. 3 UWG sowie 33 II Nr. 2 GWB ist ihre Eintragung als „qualifizierte Einrichtung“ auf einer Liste des Bundesamtes für Justiz. Jeder gelistete Verband kann daraus konstitutiv die entsprechenden Rechte 33 Wenn Micklitz, in: MK LauterkeitsR, EG D, Art. 11 RL 2005/27/EG Rn. 35 seine hier dargestellte Sichtweise dann zum guten Schluss ohne jegliche Stütze und ohne Bezug zum Primärrecht, jedoch „cum grano salis“ auch noch auf gewerbliche Verbände erstrecken will, wird der Pragmatismus seiner Argumentation überdeutlich.
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ableiten34, es sei denn seine Eintragung ruht gem. § 4 II 5 UKlaG oder aber wird gem. § 4 II 4 UKlaG mit Wirkung für die Zukunft aufgehoben. Für eine erstmalige Eintragung sowie auch für ihr Fortbestehen sieht § 4 II 1 UKlaG bestimmte allgemeine Anforderungen vor. Eintragungsfähige35 Verbände müssen danach zunächst mindestens drei im Aufgabenbereich – der Wahrnehmung von Verbraucherinteressen durch Aufklärung und Beratung – tätige Verbände oder mindestens 75 natürliche Personen als Mitglieder haben (seit 24. 02. 2016 § 4 II 1 Nr. 1 UKlaG). Für die erste Variante ist die tatsächliche Tätigkeit der Mitgliedsverbände in der verbraucherbezogenen Aufklärung und Beratung maßgeblich. Sie können diese Tätigkeit jedoch in verschiedenen, auch vom Tätigkeitsfeld des Dachverbands abweichenden Bereichen ausführen36 und müssen weder einen entsprechenden Satzungszweck noch ein bestimmtes Mitgliederquorum vorweisen können. Auch muss es sich nicht um rechtsfähige Verbände handeln.37 Der Kreis der Mitglieder in der zweiten Variante unterliegt dagegen keinen weiteren Bedingungen. So kann er sich z. B. durchaus mehrheitlich aus passiven Mitgliedern zusammensetzen.38 Gleichzeitig muss es sich bei den 75 Personen auch nicht bloß um Verbraucher handeln.39 Unter Verweis auf die Rechtsprechung zu Mischverbänden40 wollen einige anhand der Mitgliederstruktur sicherstellen, dass vorrangig Verbraucherinteressen vertreten werden und eine Kollision mit gewerblichen Interessen ausgeschlossen ist.41 Obwohl die Mitgliederstruktur einen Teil des nach der Rechtsprechung maßgeblichen Gesamtbildes ausmacht, ist für eine solche Differenzierung im Rahmen der Mindestmitgliederzahl aber kein Raum. Insbesondere lässt sich hierüber nicht wie vorgeschlagen der Einfluss einzelner gewerblicher Mitglieder korrigieren, der ihnen durch Beitragsoder Spendenleistungen zukommen kann. Gleichzeitig erscheint es höchst unwahrscheinlich, dass ein Verband mit entweder mehrheitlich gewerblich ausgerichteten oder einzelnen sehr einflussreichen solcher Mitglieder bezüglich 34 Schlosser, in: Staudinger, § 4 UKlaG Rn 1; Witt, in: U/B/H, § 4 UKlaG Rn. 1; Lindacher, in: W/L/P, § 3 UKlaG Rn. 6; Micklitz, in: MK ZPO, § 4 UKlaG Rn. 30; Bassenge, in: Palandt, § 4 UKlaG Rn. 3; Roloff, in: Erman, 13. Aufl., § 4 UKlaG Rn. 6. 35 Vgl. dazu bereits im dritten Kapitel, S. 205 ff. 36 Dazu aus der Rspr. BGH NJW 1986, 1613. 37 Zum Gesamten Schlosser, in: Staudinger, § 4 UKlaG Rn. 7; Micklitz, in: MK ZPO, § 4 UKlaG Rn. 21; Witt, in: U/B/H, § 4 UKlaG Rn. 4; Brönneke, in: Brönneke, S. 75, 77; L indacher, in: W/L/P, § 4 UKlaG Rn. 9. 38 Lindacher, in: W/L/P, § 4 UKlaG Rn. 9, der jedoch minderjährige Mitglieder für nicht berücksichtigungsfäghig hält. 39 Micklitz, in: MK ZPO, § 4 UKlaG Rn. 21. 40 Vgl. dazu im dritten Kapitel, S. 211 f. mit Fn. 107. 41 Ottofülling, in: MK LauterkeitsR, § 8 UWG Rn. 426; Köhler/Feddersen, in: Köhler/ Bornkamm, § 8 UWG Rn. 3.58; Jestaedt, in: Ahrens, Kap. 19 Rn. 52; Paal, in: Groß kommUWG, § 8 UWG Rn. 237, der jedoch vorrangig „Mitgliederinteressen“ vertreten wissen will.
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Viertes Kapitel: Qualifikation zur Interessenvertretung
des Satzungszwecks sowie seiner tatsächlichen Tätigkeit und Ausstattung die Vorgaben des § 4 II 1 UKlaG erfüllen kann.42 Neben einer Mindestanzahl an Mitgliedern verlangt § 4 II 1 UKlaG, dass Verbraucherverbände zwischen der Erlangung der Rechtsfähigkeit und ihrer Eintragung mindestens ein Jahr bestehen (seit 24. 02. 2016 § 4 II 1 Nr. 2 UKlaG). Schließlich muss auf Grund ihrer bisherigen Tätigkeit gesichert erscheinen, dass die Verbände ihre satzungsmäßigen Aufgaben auch künftig dauerhaft wirksam und sachgerecht erfüllen werden (seit 24. 02. 2016 § 4 II 1 Nr. 3 UKlaG). Dieser letztgenannten Voraussetzung werden zwei Elemente entnommen. Zum einen besteht in dem Bezug auf eine bisherige Tätigkeit die schon vor Erlass des UKlaG zu §§ 13 und 22a AGBG a. F. sowie auch § 13 UWG a. F. allgemein anerkannte Bedingung fort, dass der jeweilige Verband den gesetzlich festgelegten Zweck nicht nur in seiner Satzung niederlegen, sondern zum Nachweis entsprechender Erfahrung auch tatsächlich danach tätig werden und bleiben muss.43 Im Falle eines Dachverbandes, der seinerseits Verbände zu Mitgliedern hat, ist es ausreichend, wenn die Mitgliedsverbände aufklärend und beratend agieren.44 Jedenfalls dürfen Aufklärung und Beratung nur im ausschließlichen Interesse der Verbraucher ausgeübt werden und damit auch nicht teilweise eigenen, z. B. wirtschaftlichen Verbandsinteressen dienen. Aufgrund der jüngsten Gesetzesänderung müssen sie zudem „wirksam“ sein und damit nach der Vorstellung des Gesetzgebers „einen solchen Umfang und eine solche Verbreitung haben, dass sie für eine größere Anzahl von Verbrauchern im Tätigkeitsbereich des Verbandes merkbar“ sind. Einrichtungen, die ihren satzungsmäßigen Zweck gar nicht oder nur sporadisch in die Tat umsetzen, sollen danach gem. § 4 II 4 Nr. 2 42 So bedauert Micklitz, in: MK ZPO, § 4 UKlaG Rn. 21 sogar die „restriktiv-nachteilige Wirkung“ der mit § 22a AGBG a. F. eingeführten Mindestmitgliederzahl, für die nach seiner Auffassung angesichts der Anforderungen an die satzungsgemäße und tatsächliche Tätigkeit kein Bedarf bestand; kritisch auch bereits Koch, Prozessführung, S. 281 f. 43 Aus der Rspr. OVG Münster NJW 2004, 1123 unter Verweis auf BGH NJW 1986, 1613 zu § 13 II Nr. 1 AGBG a. F., dort wiederum unter Verweis auf BGH NJW 1972, 1988, 1989 f. zu § 13 Ia UWG a. F.; aus der Lit. Micklitz, in: MK ZPO, § 4 UKlaG Rn. 20; Roloff, in: Erman, 13. Aufl., § 4 UKlaG Rn. 3; Schlosser, in: Staudinger, § 4 UKlaG Rn. 4; Witt, in: U/B/H, § 4 UKlaG Rn. 4b; Lindacher, in: W/L/P, § 4 UKlaG Rn. 10; Bassenge, in: Palandt, § 4 UKlaG Rn. 6; Brönneke, in: Brönneke, S. 75, 76 f.; auch hier zu einseitig aus lauterkeitsrechtlicher Sicht (vgl. schon im dritten Kapitel, S. 207 f.) Jestaedt, in: Ahrens, Kap. 19 Rn. 59; Köhler/Feddersen, in: Köhler/Bornkamm, § 8 UWG Rn. 3.57 und ihm folgend Ottofülling, in: MK LauterkeitsR, § 8 UWG Rn. 431, denen zufolge die Tätigkeit „maßgeblich (auch) darauf gerichtet sein muss, die Verbraucher über die Marktlage, die Qualität und Preiswürdigkeit der […] angebotenen Güter zu unterrichten und ihnen die Auswahl […] zu erleichtern“. 44 Brönneke, in: Brönneke, S. 75, 77 f.; Witt, in: U/B/H, § 4 UKlaG Rn. 4; a. A. Micklitz, in: MK ZPO, § 4 UKlaG Rn. 20; Lindacher, in: W/L/P, § 4 UKlaG Rn. 9 unter Verweis auf BGH NJW 1986, 1613 zu § 13 UWG a. F.; die Urteilsformulierung: „Das Gesetz verlangt […], daß die Mitgliedsverbände sich ebenfalls der Aufgabe widmen, die Interessen der Verbraucher […] wahrzunehmen“ (Hervorhebung durch Verfasser) lässt sich tatsächlich so verstehen; den Hauptanwendungsfall hierzu in der Praxis bildete der Verbraucherzentrale Bundesverband (vzbv), vgl. § 2 seiner Satzung, für den jedoch ebenso die Vermutung in § 4 II 2 UKlaG gilt.
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UKlaG ihre Eintragung verlieren.45 Auf Initiative des Rechtsausschusses wurde die letztgenannte Voraussetzung in einem neuen § 4 IIa UKlaG ausschließlich für den Bereich des Datenschutzrechts näher konkretisiert. Die Norm verpflichtet eingetragene „qualifizierte Einrichtungen“ dem Bundesamt für Justiz „jährlich die Anzahl [von] Abmahnungen und erhobenen Klagen [in diesem Bereich] mitzuteilen und über die Ergebnisse […] zu berichten.“ Diese Angaben müssen in die Beurteilung nach § 4 II 1 Nr. 3 UKlaG n. F. einfließen. Der Ansatz ist begrüßenswert, seine Umsetzung jedoch leider missraten. Die tatsächliche Abmahn- und Klagetätigkeit könnte dem Bundesamt einen wichtigen Anhaltspunkt für das Engagement und die Ernsthaftigkeit eines Verbandes bieten. Eine konsequente Umsetzung müsste dann voraussichtlich zur Löschung eines Großteils der eingetragenen Verbände von der Liste führen, die mehrheitlich gar keine Abmahnungen erteilen oder Klagen erheben.46 Nur so erhielte der Verbraucher wie auch der Gesetzgeber endlich ein realistischeres Bild von der Anwendung des UKlaG durch die Verbände, das derzeit von einer Vielzahl seit Jahren oder Jahrzehnten ungenutzter Eintragungen verfälscht wird. Demgegenüber ist § 4 IIa UKlaG n. F. aber leider – wie schon so oft – ausschließlich aus der weiterhin unbegründeten Angst vor massenhaften Abmahnungen entstanden.47 Die Berichtspflicht gilt daher nur für „Einrichtungen, die Ansprüche […] geltend gemacht haben“. Alle in diesem Sinne untätigen Verbände sind dagegen keine Rechenschaft schuldig. Eine umfassende Mitteilungspflicht hinsichtlich der Gesamtzahl von Abmahnungen und Klagen aus den §§ 1, 1a, 2 und 2a UKlaG hätte denselben, aber eben noch viele weitere Zwecke erfüllen können, ohne umgekehrt diejenigen Verbände zu überfordern, die diese Daten i. d. R. ohnehin in ihren Jahresberichten veröffentlichen. Eine sachgerechte Aufgabenerfüllung erscheint nach dem Willen des Gesetzgebers i. S. v. § 4 II 1 Nr. 3 UKlaG n. F. gesichert, wenn die Einrichtung darüber hinaus über eine hinreichende finanzielle und organisatorische Ausstattung verfügt.48 Im Gegensatz dazu orientierte sich die Rechtsprechung bislang nur an personeller und sachlicher Ausstattung. Eine Einrichtung bot danach „Gewähr für eine sachgerechte Aufgabenerfüllung“ i. S. v. § 4 II 1 UKlaG a. F., wenn sie sich grundsätzlich selbst mit den zur Erfüllung ihres Verbandszwecks notwendigen Mitteln versieht und zumindest so ausgestattet ist, dass sie typische und durchschnittlich schwer zu verfolgende verbraucherfeindliche Praktiken 45 Entwurf eines Gesetzes zur Verbesserung der zivilrechtlichen Durchsetzung von verbraucherschützenden Vorschriften des Datenschutzrechts, BT-Drucks. 18/4631, S. 25; dort wird fälschlicherweise auf Satz 5 Bezug genommen. 46 Vgl. dazu auch im fünften Kapitel, S. 392 mit Fn. 47. 47 Bericht des Ausschusses für Recht und Verbraucherschutz, BT-Drucks. 18/6916, S. 5, 8, der sich a. a. O. zu dem erzieherischen Hinweis veranlasst gesehen hat, die Möglichkeiten des UKlaG „mit Bedacht einzusetzen“. 48 Entwurf, a. a. O. (Fn. 45).
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selbst erkennen und abmahnen kann.49 Konkret wurde dazu von der Literatur eine gewisse Mindestqualifikation der Angestellten und zudem bestenfalls eine eigene Geschäftsstelle, mindestens aber die allgemeine Erreichbarkeit zu üblichen Zeiten verlangt.50 Maßstäbe für die finanzielle Mindestausstattung von Verbraucherverbänden fehlen daher bislang und wurden auch vom Gesetzgeber nicht vorgegeben. Obwohl umfangreiche Ausführungen und Rechtsprechung zur Finanzausstattung der gewerblichen Verbände existiert, kann sie jedenfalls nicht unbesehen übertragen werden.51 Nicht nur die Interessenlage, sondern insbesondere auch die Finanzstruktur beider Verbandsarten unterscheidet sich erheblich. Die im Verhältnis strenge finanzielle Regulierung der gewerblichen Verbände ist unter dem Eindruck der sogenannten Gebühren- oder Abmahnvereine entstanden und hat die u. U. umfangreichen finanziellen Möglichkeiten von Förderern aus der Wirtschaft zu berücksichtigen.52 Entsprechend hohe Hürden würden die größtenteils öffentlich- oder spendenfinanzierten Verbraucherverbände endgültig in den Ruin treiben. Gleichzeitig ist es bisher nicht zu missbräuchlichem Vorgehen auf Seiten der Verbraucherverbände gekommen, das eine Regulierung akut erforderlich machen würde. Allerdings befindet sich wie gesehen auch hier das Finanzmodell im Wandel.53 Begrüßenswert wäre es daher, wenn Forderungen nach einer finanziellen Mindestausstattung jedenfalls so lange zurückgestellt würden, bis über die Modalitäten der Verfahrensfinanzierung an sich, beispielweise im Rahmen eines Gewinnabschöpfungsmodells oder mit Hilfe einer Fondslösung entschieden wurde. Sowohl mit Blick auf die Ausstattung als auch die bereits ausgeübte tatsächliche Tätigkeit hatte die Rechtsprechung vor Erlass des UKlaG Erleichterungen für neu gegründete Verbände vorgesehen. Für sie war es ausreichend, dass sie ihrer Struktur und ihrem Wesen nach auf die Verwirklichung des in der Satzung bestimmten Zweckes angelegt sind.54 Diese Privilegierung hat sich mit § 4 UKlaG erübrigt, der nun vor einer Eintragung in die Liste qualifizierter Einrichtungen eine Mindestbestandsfrist von einem Jahr vorsieht, während deren 49 Falsch aber OVG Münster, NJW 2004, 1123, das eine „erforderliche finanzielle, personelle und sachliche Ausstattung“ verlangt, obwohl diese aus dem Lauterkeitsrecht stammende Formulierung nicht auf Verbraucherverbände übertragbar ist und auch in keiner der zum Nachweis genannten Quellen vorkommt; vgl. außerdem die Literaturnachweise in Fn. 45. 50 Lindacher, in: W/L/P, § 4 UKlaG Rn. 10; ähnlich Schlosser, § 4 UKlaG Rn. 4; Roloff, in: Erman, 13. Aufl., § 4 UKlaG Rn. 3; vgl. auch Ottofülling, in: MK LauterkeitsR, § 8 UWG Rn. 430, der sehr nah am UWG aber wiederum eine Geschäftsstelle für zwingend erachtet. 51 So aber wohl Köhler/Feddersen, in: Köhler/Bornkamm, § 8 UWG Rn. 3.57 und Jestaedt, in: Ahrens, Kap. 19 Rn. 59; Witt, in: U/B/H, § 4 UKlaG Rn. 4b verlangt die Erfüllung möglicher Erstattungsansprüche obsiegender Prozessgegner. 52 Ausführlich zur finanziellen Ausstattung der gewerblichen Verbände sogleich, S. 285 ff. 53 Vgl. bereits im zweiten Kapitel, S. 136 ff. sowie im dritten Kapitel, S. 213. 54 BGH NJW 1972, 1988, 1990.
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Verlauf auch die übrigen Voraussetzungen vollständig erfüllt werden können und müssen.55
bb) Rechtsdienstleistende Tätigkeit gem. § 8 I Nr. 4 RDG Obwohl sie grundsätzlich ohne vorherige Registrierung tätig werden dürfen, sieht § 8 II i. V. m. § 7 II RDG besondere Mindestanforderungen vor, denen Verbraucherzentralen und andere Verbände i. S. v. § 8 I Nr. 4 RDG zwingend nachkommen müssen, um Rechtsdienstleistungen erbringen zu dürfen. Sie rechtfertigen sich für den Gesetzgeber aus dem Umstand, dass diese Rechtsdienstleistungen zum Teil mitgliederfinanziert und häufig auf professioneller Grundlage erbracht werden.56 Durch die Mindestanforderungen sollen die Rechtsuchenden im Rahmen von §§ 7 und 8 RDG vor unqualifizierten Rechtsdienstleistungen geschützt werden.57 Verstöße gegen (§ 8 II i. V. m.) § 7 II RDG können ein behördliches Untersagungsverfahren gem. § 9 I RDG zur Folge haben. Die Nichtigkeit vertraglicher Vereinbarungen gem. § 134 BGB i. V. m. § 3 RDG tritt jedoch erst mit einer bestandskräftigen Untersagung, nicht dagegen bereits durch den Verstoß selbst ein.58 § 7 II RDG verlangt zum einen in Anlehnung an § 3 I Nr. 2 UKlaG und § 8 III Nr. 2 UWG von den genannten Einrichtungen „die zur sachgerechten Erbringung dieser Rechtsdienstleistungen erforderliche personelle, sachliche und finanzielle Ausstattung“. Die Anforderungen werden damit im Detail an den Umfang der erbrachten Rechtsdienstleistungen geknüpft, was ihre Bestimmung vom Einzelfall abhängig macht und dadurch die Kontrolle erschwert.59 So geht der Gesetzesentwurf von einem breiten Spektrum aus zwischen Vereinigungen mit wenigen Mitgliedern wie z. B. Kleingartenvereinen einerseits, für die keinerlei besondere Ausstattung erforderlich sein soll bis hin z. B. zu Gewerkschaften oder Mietervereinen andererseits, die immer eine professionelle Organisationsstruktur benötigen.60 Im Einzelnen bezieht sich die personelle Ausstattung auf die Anzahl und fachliche Qualifikation derjenigen Mitarbeiter, die mit den Rechtsdienstleistungen betraut sind. Zur sachlichen Ausstattung 55 Micklitz, in: MK ZPO, § 4 UKlaG Rn. 20 sieht darin einen Verstoß gegen Art. 7 II Klausel-RL – und damit wohl auch gegen Art. 3 UKla-RL –, weil sich das dort vorgesehene „berechtigte Interesse“ am Schutz der Verbraucher nicht an starre Bestandsfristen koppeln lasse. 56 Entwurf eines Gesetzes zur Neuregelung des Rechtsberatungsrechts, BT-Drucks. 16/3655, S. 60; gleichzeitig werden a. a. O. die Anforderungen für die Mehrheit der Adressaten als unproblematisch bewertet, obwohl sie ausdrücklich bei unseriöser Schuldnerberatung Abhilfe schaffen sollen; insgesamt kritisch Kleine-Cosack, § 8 RDG Rn. 30, 33 und § 7 RDG Rn. 38. 57 Dux, in: Deckenbrock/Henssler, § 8 RDG Rn. 54. 58 Dux, ebenda, § 7 RDG Rn. 70. 59 Kleine-Cosack, § 7 RDG Rn. 41; K.-M. Schmidt, in: Krenzler, § 7 RDG Rn. 68. 60 Entwurf eines Gesetzes zur Neuregelung des Rechtsberatungsrechts, BTDrucks. 16/3655, S. 60.
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Viertes Kapitel: Qualifikation zur Interessenvertretung
zählen die verfügbaren Arbeits- und Kommunikationsmittel. Anforderungen an die finanzielle Ausstattung sollen schließlich eine im Rahmen von §§ 7 und 8 RDG nicht verpflichtende Haftpflichtversicherung ersetzen und werden daher jedenfalls durch den freiwilligen Abschluss einer solchen erfüllt.61 Über die Ausstattung hinaus haben Einrichtungen sicherzustellen, dass „die Rechtsdienstleistung durch eine Person, der die entgeltliche Erbringung dieser Rechtsdienstleistung erlaubt ist, durch eine Person mit Befähigung zum Richteramt oder unter Anleitung einer solchen Person erfolgt.“
Die Anleitung muss dabei qua Legaldefinition in § 6 II 2 RDG „eine an Umfang und Inhalt der zu erbringenden Rechtsdienstleistungen ausgerichtete Einweisung und Fortbildung sowie eine Mitwirkung bei der Erbringung der Rechtsdienstleistung [umfassen], soweit dies im Einzelfall erforderlich ist.“
Auch hier orientiert sich der Maßstab also wieder am Umfang der erbrachten Dienstleistung. Eine strenge Überwachung und Kontrolle von Mitarbeitern durch die qualifizierte Person ist im Regelfall nicht vorgesehen.62 Stattdessen soll neben einer Einweisung mit zunehmender Qualifikation und Erfahrung der nicht-juristischen Mitarbeiter deren regelmäßige Information über neue Entwicklungen (Schulungen, Weiterbildungen, Rundschreiben o.Ä.) sowie die Möglichkeit zur Rücksprache ausreichen.63 Insgesamt, besonders aber im letztgenannten Punkt stehen sehr flexibel gestaltete Anforderungen damit einer weitestgehend fragwürdigen Kontrolle gegenüber. Die einzige Eingriffsmöglichkeit stellt ein Untersagungsverfahren gem. § 9 RDG dar, das sich präventiv gegen erlaubte, aber dauerhaft unqualifizierte Rechtsdienstleistungen richtet.64 Bereits aus verfassungsrechtlichen Gründen ist hierfür jedoch ein schwerwiegender Eingriff in Form erheblicher Verstöße erforderlich. Die zuständige Behörde muss eine Überprüfung zwar gem. § 24 LVwVfG von Amts wegen durchführen, jedoch nur aus Anlass mitgeteilter Tatsachen, die solche Verstöße nahelegen. Eine regelmäßige Kontrolle erfolgt daher nicht, sodass seitens der Literatur zu Recht bemängelt wird, dass Kontrollmechanismen für die in den §§ 6 II, 7 II und 8 II RDG gestellten Anforderungen de facto fehlen.65 61 Dux, in: Deckenbrock/Henssler, § 7 RDG Rn. 70; Kleine-Cosack, § 7 RDG Rn. 42; K.-M. Schmidt, in: Krenzler, § 7 RDG Rn. 55 ff. 62 Entwurf eines Gesetzes zur Neuregelung des Rechtsberatungsrechts, BTDrucks. 16/3655, S. 58; K.-M. Schmidt, in: Krenzler, § 6 RDG Rn. 34; Dux, in: Deckenbrock/ Henssler, § 7 RDG Rn. 60. 63 K.-M. Schmidt, in: Krenzler, § 6 RDG Rn. 32 f., 37 f. Kleine-Cosack, § 6 RDG Rn. 44. 64 Dux, in: Deckenbrock/Henssler, § 9 RDG Rn. 4, 6. 65 Kleine-Cosack, § 7 RDG, Rn. 44 und § 8 RDG Rn. 30, 33; K.-M. Schmidt, in: Krenzler, § 7 RDG Rn. 66 und § 8 RDG Rn. 74; Dux, in: Deckenbrock/Henssler, § 7 RDG Rn. 61; bereits der Bundesrat forderte in seiner Stellungnahme zum Entwurf eines Gesetzes zur Neuregelung des Rechtsberatungsrechts, BT-Drucks. 16/3655, S. 104 ein Überwachungserfordernis in § 6 II 2 RDG.
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b) Verbände zur Förderung gewerblicher und selbstständiger beruflicher Interessen Das bereits an dieser Stelle gespaltene Bild der Bedinungen, die an eine kollektive Interessenvertretung geknüpft werden, zerfällt weiter, richtet man den Blick auf die in § 8 III Nr. 2 UWG, § 33 II Nr. 1 GWB sowie § 3 I Nr. 2 UKlaG genannten „Verbände zur Förderung gewerblicher und selbstständiger beruflicher Interessen“. Sie unterliegen keinerlei behördlicher Kontrolle. Die Vorgaben der genannten Normen werden vielmehr in jedem einzelnen Verfahren vor Gericht erneut i. S. d. derzeit herrschenden Lehre von der Doppelnatur66 als Prozess- und Sachurteilsvoraussetzungen überprüft. Zu den Vorgaben gehört u. a., dass die Verbände „insbesondere nach ihrer personellen, sachlichen und finanziellen Ausstattung imstande sind, ihre satzungsmäßigen Aufgaben […] tatsächlich wahrzunehmen“. Ungeachtet der Überprüfung in jedem Einzelfall soll diese Voraussetzung hier erörtert werden, da sie inhaltlich nicht mit dem konkret zu entscheidenden Fall in Beziehung steht und sich damit nach obiger Definition abstrakt auf die Konstitution der jeweiligen Vereinigung bezieht. Das Merkmal wurde ursprünglich von der Rechtsprechung entwickelt, im Rahmen der UWG-Reform 1994 in § 13 II Nr. 2 UWG a. F. aufgenommen67 und fand von dort seinen Weg in die übrigen Regelungen68. Obgleich es erkennbar unbestimmt und ausfüllungsbedürftig ist, beschränken sich Rechtsprechung und Literatur auch hierzu bis heute auf § 8 III Nr. 2 UWG und seine Vorgänger. Naheliegende, wenn nicht sogar zwingende verbraucher- bzw. kartellrechtliche Spezifikationen existieren nicht. Stattdessen wird so gut wie möglich die lauterkeitsrechtliche Auslegung nutzbar gemacht. Wie schon aus dem Gesetzeswortlaut ersichtlich bildet die in drei Teilbereiche gegliederte Verbandsausstattung einen Gradmesser dafür, dass der Verband „imstande ist [seine] satzungsmäßigen Aufgaben […] tatsächlich wahrzunehmen“. Für Verbände, deren Satzungszweck (auch) die Bekämpfung unlauteren Wettbewerbs einschließt, orientiert sich die Rechtsprechung dabei an einer zwischenzeitlich fest etablierten Faustformel: Jeder Verband muss sachlich, personell und finanziell ausreichend ausgestattet sein, um das Wettbewerbsverhalten beobachten und bewerten zu können, so dass er typische und durchschnittlich schwer zu verfolgende Wettbewerbsverstöße selbst erkennen und abmahnen könnte und außerdem eine entsprechend umfassende Tätigkeit auch regelmäßig tatsächlich ausübt.69 66
Vgl. dazu bereits im zweiten Kapitel, S. 92 ff. des Rechtsauschusses zum Gesetzentwurf zur Änderung des UWG, BTDrucks. 12/8089, S. 4; Jestaedt, in: Ahrens, Kap. 19 Rn. 22; angesichts dessen und des dabei unveränderten Wortlauts ist diese Rspr. auch weiterhin für den geltenden § 8 III Nr. 2 UWG von Bedeutung. 68 Vgl. dazu bereits im dritten Kapitel, S. 221 f. 69 Erstmals BGH NJW 1984, 2525; im Anschluss daran st. Rspr.: BGH NJW 1986, 67 Bericht
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aa) Zur sachlichen und personellen Ausstattung – Zusammenarbeit mit einem Rechtsanwalt Zur sachlichen Ausstattung eines Verbands zählen dabei die für seine Tätigkeit erforderlichen räumlichen Voraussetzungen wie z. B. eine eigene Geschäftsstelle, je nach Umfang erforderliche und eingerichtete Büroräume und deren angemessene technische Ausrüstung u. a. mit Computern, Telefonen, Faxgeräten sowie den notwendigen Anschlüssen.70 Die personelle Ausstattung demgegenüber betrifft die fachliche Qualifikation des Verbandsvorstands sowie der Verbandsmitarbeiter. Hierbei sind in erster Linie die (wettbewerbs-) rechtlichen Kenntnisse des Personals maßgebend, die sich aus entsprechender Ausbildung aber u. U. auch aus der Berufserfahrung eines Laien oder ursprünglich Fachfremden ergeben können.71 Ein Verband kann sich für seine Tätigkeit zudem unter bestimmten Bedingungen der Mithilfe Dritter, insbesondere eines Rechtsanwalts bedienen. So ist bei Fachverbänden, die gegen Wettbewerbsverstöße lediglich im Zuge ihrer Arbeit für einen bestimmten Berufszweig o. Ä. vorgehen, der o. g. Maßstab der Eigenleistung niedrig anzusetzen.72 Generell ist es nicht zu beanstanden, wenn Verbände rechtlich komplexe Fälle von einem externen Rechtsanwalt bearbeiten lassen.73 Grundsätzlich erkennt die Rechtsprechung in der Einbeziehung von Rechtsanwälten allerdings ein erhöhtes Risiko missbräuchlicher Handhabung, da deren Tätigkeit für einen Verband als bloßer Vorwand für Abmahnungen, die Einziehung von Vertragsstrafen und sonstige gewinnbringende Prozesstätigkeit vorgeschoben werden könnte. Es kommt daher ein entsprechend strenger Maßstab zur Anwendung, wobei ein Verband über jeden Missbrauchsverdacht erhaben sein muss. Als Grundvoraussetzung sind konkrete Auftrags-, Überwachungs- und Abrechnungsmaßnahmen im Verhältnis zu den beauftragten Rechtsanwälten zwingend erforderlich, die in aller Regel nur von einer eigenen Geschäftsstelle und Geschäftsführung des Verbands administriert werden können.74 Die Übernahme sämtlicher Verbandsaufgaben 1347; BGH GRUR 1986, 676 f.; BGH GRUR 1991, 684; BGHZ 126, 145, 147 und BGH GRUR 2000, 1093, 1094; vgl. auch Ottofülling, in: MK LauterkeitsR, § 8 UWG Rn. 408; Goldmann, in: Harte/Henning, § 8 UWG Rn. 294. 70 KG WRP 1999, 1302, 1306; Ottofülling, in: MK LauterkeitsR, § 8 UWG Rn. 412; Paal, in: GroßkommUWG, § 8 UWG Rn. 224; Goldmann, in: Harte/Henning, § 8 UWG Rn. 333. 71 BGH GRUR 2000, 1093, 1095; enger KG WRP 1999, 1302, 1305; Ottofülling, in: MK LauterkeitsR, § 8 UWG Rn. 409; Paal, in: GroßkommUWG, § 8 UWG Rn. 222; Büscher, in: F/B/O, § 8 UWG Rn. 261; Goldmann, in: Harte/Henning, § 8 UWG Rn. 330 ff. 72 BGH NJW 1990, 3149 und BGH GRUR 2000, 1093, 1095; Büscher, in: F/B/O, § 8 UWG Rn. 261. 73 OLG Koblenz WRP 2010, 148, 150 f.; dem folgend Köhler/Feddersen, in: Köhler/ Bornkamm, § 8 UWG Rn. 3.46; Ottofülling, in: MK LauterkeitsR, § 8 UWG Rn. 409; 74 BGHZ 126, 145, 149 f. und BGH GRUR 1991, 684, 685; Jestaedt, in: Ahrens, Kap. 19 Rn. 23.
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durch eine Anwaltskanzlei ist daher nur in absoluten Ausnahmefällen möglich.75
bb) Finanzielle Leistungsfähigkeit In finanzieller Hinsicht gilt ein Verband als ausreichend leistungsfähig, wenn die ihm zur Verfügung stehenden Mittel eine satzungsgemäße Aufgabenerfüllung ermöglichen, also jedenfalls alle regelmäßigen Fixkosten u. a. für Betrieb, Ausstattung und die übliche Verbandstätigkeit abdecken.76 Daneben forderte die ältere Rechtsprechung zur Gewähr einer sachgerechten Prozessführung, dass ein Verband grundsätzlich die Prozesskosten von Verfahren mit Streitwerten bis zur Höhe der Revisionssumme selbst tragen könne ohne auf eine Streitwertherabsetzung angewiesen zu sein. Überstieg der Streitwert dagegen die Revisionssumme, sollten gerade auch Verbände i. S. v. § 13 II Nr. 2 UWG a. F. auf eine Herabsetzung zurückgreifen können, da die ihnen auferlegte öffentliche Interessenvertretung andernfalls gerade in Großverfahren gefährdet würde.77 Fraglich ist, ob dieser Maßstab weiterhin zur Anwendung kommen kann, obwohl sich die Gesetzeslage zwischenzeitlich entscheidend verändert hat.
(1) Abschaffung der Wertrevision Zum einen wurde die sogenannte Wertrevision mit der ZPO-Reform zum 01. 01. 2002 abgeschafft und mit ihr die in § 546 I ZPO a. F. festgeschriebene Revisionssumme von 60.000 DM aus dem Gesetz gestrichen.78 Einige Stimmen in der Literatur haben daraufhin ihre Ausführungen scheinbar lediglich im Wortlaut angepasst und gehen nun davon aus, jeder Verband müsse ausreichende Mittel für eine eventuelle Prozesskostenerstattung bis in die Revisionsinstanz ohne Inanspruchnahme einer Streitwertherabsetzung vorhalten. Zum Nachweis dessen wird weiterhin auf die vorgenannte Rechtsprechung verwiesen.79 Diese 75 Als
solchen will der BGH (vgl. Fn. 74) sein Urteil in GRUR 1986, 676 f. verstanden wissen. Dort war der klagende Verband ca. 50 Jahre (!) selbst wettbewerbsrechtlich tätig gewesen, bevor er die Geschäftsführung an ein bis dahin nur kooperierendes Anwaltsbüro übergab. 76 BGH GRUR 1990, 282, 285; Jestaedt, in: Ahrens, Kap. 19 Rn. 24. 77 BGH GRUR 1994, 385 und GRUR 1998, 958; so auch weiterhin BGH GRUR 2011, 560; ebenfalls unverändert darauf Bezug nehmend MK LauterkeitsR/Ottofülling, § 8 UWG Rn. 413; Jestaedt, in: Ahrens, Kap. 19 Rn. 20. 78 Unter Verweis auf eine drohende Überlastung des Bundesgerichtshofs wurde die Geltungsdauer der Übergangsvorschrift in § 26 Nr. 8 EGZPO jedoch mehrfach, zuletzt bis 30. 06. 2018 verlängert, sodass weiterhin eine Mindestbeschwer von nun 20.000 € gilt, vgl. zuletzt Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Recht und Verbraucherschutz zu dem Entwurf eines Dritten Gesetzes zur Änderung der Insolvenzordnung, BTDrucks. 18/10470, S. 13. Obwohl die eigentliche Änderung daher bislang kaum praktische Auswirkungen hatte, ist die gesetzgeberische Entscheidung gleichermaßen zu berücksichtigen. 79 Köhler/Feddersen, in: Köhler/Bornkamm, § 8 UWG Rn. 3.48; Paal, in: Groß kommUWG, § 8 UWG Rn. 225; ähnlich Ohly, in: Ohly/Sosnitza, § 8 UWG Rn. 106 („über
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Ansicht übersieht, dass die Rechtsprechung zum alten Recht mit dem Bezug auf die Revisionssumme zunächst lediglich eine Wertgrenze für die Inanspruchnahme einer Streitwertherabsetzung gezogen hat. Wenn es darüber hinaus heißt, ein Verband müsse „grundsätzlich auch finanziell in der Lage sein, diese Aufgabe [die Bekämpfung unlauteren Wettbewerbs] zu erfüllen, ohne zur sachgerechten Prozessführung auf eine Streitwertherabsetzung […] angewiesen zu sein“80, betraf dieser Grundsatz folglich Verfahren mit einem Streitwert bis zu 60.000 DM. Aufgrund der Wertrevision bestand in diesen Fällen zudem eine deutlich höhere Wahrscheinlichkeit, dass ein solches Verfahrens spätestens nach der 2. Instanz enden würde. Angesichts der Änderungen im Revisionsrecht ergibt sich aus der genannten Literaturansicht nun ohne Änderung der Rechtsprechung und auch im Übrigen ohne sachlichen Grund eine deutliche Verschärfung der Anforderungen. Die Verbände müssten danach vorab ausreichende Mittel für drei Instanzen vorhalten ohne jemals auf eine Streitwertherabsetzung zurückgreifen zu können.81 Allerdings besteht keinerlei Anlass, von Verbänden bereits bei Verfahrensbeginn finanzielle Mittel für eventuelle Kostenerstattungsansprüche über drei Instanzen zu fordern. Dies gilt erst recht, wenn man die Merkmale des § 8 III Nr. 2 UWG mit der herrschenden Lehre von der Doppelnatur82 auch als Sachurteilsvoraussetzungen einordnet, die mithin in jeder Instanz erneut zu überprüfen sind.
(2) Ermittlung des Gebührenstreitwertes Hinzu kommen nun außerdem Änderungen im Kostenrecht und dadurch bedingte Neuerungen im Verfahrensrecht. Mit dem am 09. 10. 2013 in Kraft getretenen Gesetz gegen unseriöse Geschäftspraktiken hat der Gesetzgeber die Ermittlung des Gebührenstreitwertes für Verfahren nach dem UWG in § 51 II-V GKG n. F. neu geregelt.83 Für Verfahren nach dem UKlaG gelten § 51 II-V GKG dagegen nicht. Während der Streitwert dort weiterhin gem. § 48 GKG i. V. m. § 3 ZPO im freien Ermessen des Gerichts liegt, ist er in Wettbewerbsverdrei Instanzen“); unklar Büscher, in: F/B/O; § 8 UWG Rn. 262, demzufolge aber in gewisser Fortführung des alten Grenzwerts bei Streitwerten, die 30.000 € deutlich übersteigen, auf eine Streitwertherabsetzung zurückgegriffen werden darf. 80 Vgl. oben, Fn. 77. 81 Klarstellungsbedürftig Köhler/Feddersen und Paal, a. a. O. (Fn. 79), bei denen es wörtlich heißt „bis hin zur Revisionsinstanz“, womit möglicher Weise auch nur die ersten beiden Instanzen gemeint sein könnten; ähnlich Büscher, a. a. O. (Fn. 79): „bis zur Revisionsinstanz“; kein Auslegungsspielraum verbleibt dagegen bei Ohly, a. a. O. (Fn. 79), der formuliert: „Verfahrenskosten für Prozesse über drei Instanzen auch ohne Streitwertherabsetzung“. 82 Vgl. dazu bereits im zweiten Kapitel, S. 92 ff. 83 Zur Neuregelung vgl. den Entwurf eines Gesetzes gegen unseriöse Geschäftspraktiken, BT-Drucks. 17/13057, S. 30 f.; außerdem Ebersohl, in: GroßkommUWG, § 12 UWG F Rn. 3 ff.; Schlingloff, in: MK LauterkeitsR, § 12 UWG Rn. 660 ff.; Köhler/Feddersen, in: Köhler/Bornkamm, § 12 UWG Rn. 5.3–5.3d.
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fahren nach dem UWG nun „nach der sich aus dem Antrag des Klägers für ihn ergebenden Bedeutung der Sache nach Ermessen zu bestimmen“ (§ 51 II GKG). Es bleibt danach zwar bei einer Ermessensentscheidung, die aber zunächst auf der Bedeutung der Sache für den Kläger und damit seinem objektiv zu bestimmenden Interesse an der erstrebten Entscheidung beruhen muss. In Fällen eines Unterlassungs- und Beseitigungsanspruchs aus § 8 I UWG ist dieses Klägerinteresse auf die Verhinderung künftiger Verletzungshandlungen gerichtet. Die Bedeutung der Sache hängt damit von deren Wahrscheinlichkeit und dem zu erwartenden Ausmaß ab, in dem sie Umsatz und Gewinn des Klägers beeinträchtigen würden. Beide Faktoren werden wiederum anhand der Gefährlichkeit der schon erfolgten Zuwiderhandlung, dem sogenannten Angriffsfaktor bestimmt, wobei insbesondere Intensität, Dauer, Art, Umfang und Auswirkung der Verletzungshandlung, die Stärke der Wiederholungsgefahr, die Wahrscheinlichkeit, das Ausmaß und die Folgen künftiger Verletzungshandlungen und die Unternehmensverhältnisse des Verletzers (Umsatz, Größe, Wirtschaftskraft) in die Bewertung einfließen.84 Im Falle eines Verbandsklägers gem. § 8 III Nr. 2–4 UWG ist für die Entscheidung maßgeblich, wessen Interessen er wahrnimmt. Bei gewerblichen Verbänden i. S. v. § 8 III Nr. 2 UWG wird angesichts Ihres Satzungszwecks und einer vorausgesetzten Berührung von Mitgliederinteressen auf das Interesse eines gewichtigen Mitbewerbers abgestellt, der jedoch selbst nicht Mitglied sein muss.85 Bei Klagen von Verbraucherverbänden i. S. v. § 8 III Nr. 3 UWG wird dagegen das im Einzelfall berührte Verbraucherinteresse zugrunde gelegt.86 Des Weiteren sollen aber auch die Interessen des Beklagten Berücksichtigung finden. Der Gebührenstreitwert ist deshalb gem. § 51 III 1 GKG „angemessen zu mindern“, wenn sein ebenfalls objektiv zu bestimmendes Interesse erheblich geringer ausfällt als das des Klägers, z. B. weil er aus dem angegriffenen Verstoß oder seiner Wiederholung kaum finanzielle oder wettbewerbliche Vorteile zieht. Ausschlaggebend sind auch hier die genannten Umstände des jeweiligen Einzelfalls, sodass gleichzeitig Kläger- und Beklagteninteresse besser im Verhältnis zueinander beurteilt werden können.87 Fehlen schließlich für eine Wertbestimmung anhand des objektiven Interesses insgesamt die tatsächlichen 84 Sosnitza, in: Ohly/Sosnitza, § 12 UWG Rn. 233; Köhler/Feddersen, in: Köhler/ Bornkamm, § 12 UWG Rn. 5.5 f.; Schlingloff, in: MK LauterkeitsR, Vor § 12 UWG Rn. 76; ausführlich Retzer/Tolkmitt, in: Harte/Henning, § 12 UWG Rn. 818 ff.; zur Bestimmung des Klägerinteresses vgl. auch BGH GRUR 1990, 1052, 1053 und BGH GRUR 2013, 301, 305. 85 Änderung der Rspr. angesichts der UWG-Reform 1994 in BGH GRUR 1998, 958 m. w. N.; im Anschluss nun BGH GRUR 2011, 560; aus der Lit. jew. ebenda: Retzer, Rn. 833 f.; Schlingloff, Rn. 77 sowie Ebersohl, in: GroßkommUWG, § 12 UWG F Rn. 31 f. m. w. N. 86 BGH GRUR 2011, 560; Sosnitza, in: Ohly/Sosnitza, § 12 UWG Rn. 234; Köhler/ Feddersen, in: Köhler/Bornkamm, § 12 UWG Rn. 5.9; Ebersohl, ebenda, Rn. 33. 87 Köhler/Feddersen, in: Köhler/Bornkamm, § 12 UWG Rn. 5.5; Entwurf eines Gesetzes gegen unseriöse Geschäftspraktiken, BT-Drucks. 17/13057, S. 30.
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Anhaltspunkte, gibt § 51 III 2 GKG einen festen Gebührenstreitwert von 1000 Euro vor.88 Mit der Neuregelung strebt der Gesetzgeber nach strengeren Maßstäben für die schwierige Streitwertbestimmung in Wettbewerbssachen und dabei gleichzeitig einem verbesserten Interessenausgleich zwischen Kläger und Beklagtem. Regelstreitwerte sind damit nach ganz überwiegender und sachgemäßer Ansicht unvereinbar.89 Umstände außerhalb des konkreten Klagebegehrens sollen möglichst außer Betracht bleiben. Gleichzeitig rechnet der Gesetzgeber aufgrund der Änderungen mit einer „deutliche[n] Herabsetzung der Streit- und Gegenstandswerte“ und erhofft sich damit wegen §§ 32, 23 RVG indirekt auch einen verringerten finanziellen Anreiz von Abmahnungen durch Rechtsanwälte.90 Werden somit bereits bei der Streitwertfestsetzung die Unternehmensverhältnisse und Interessen auf beiden Seiten stärker berücksichtigt, hat der Gesetzgeber zudem für die in § 12 IV UWG a. F. und davor in § 23a UWG a. F. niedergelegte Streitwertherabsetzung bzw. -minderung keinen Bedarf mehr gesehen.
(3) Streitwertbegünstigung anstelle von Streitwertherabsetzung An die Stelle der Streitwertherabsetzung tritt mit § 12 IV, V UWG n. F. nun eine Regelung zur einseitigen sogenannten Streitwertanpassung oder -begünstigung, die den bereits bestehenden Regelungen im gewerblichen Rechtsschutz und § 89a GWB entspricht.91 § 12 IV, V UWG n. F. gilt gem. § 5 UKlaG auch für Verfahren nach dem UKlaG. Die Streitwertbegünstigung soll dem Problem Rechnung tragen, dass auch in Anwendung der oben dargestellten Grundsätze hohe Streitwerte denkbar sind und damit ein Ungleichgewicht entstehen kann, wenn die wirtschaftlich Schwächere der Parteien die im Verlustfall zu begleichenden Kosten fürchten muss.92 Im Gegensatz zu § 12 IV UWG a. F. handelt es sich jedoch um eine Härtefallregelung, die nur zur Anwendung kommen kann, wenn bei der Berechnung der Prozesskosten nach dem vollen Streitwert die wirtschaftliche Lage einer Partei erheblich gefährdet würde. Dies ist der Fall, wenn ihre wirtschaftliche Existenz andernfalls in Frage stände und ihr die Insolvenz drohte. Allgemeine wirtschaftliche Schwierigkeiten oder Wettbewerbsnachteile begründen eine hinreichende Gefährdung nicht. Umgekehrt ist eine Partei auch dann nicht berücksichtigungsfähig, wenn sie bereits ver88
Dazu ausführllich Schlingloff, in: MK LauterkeitsR, § 12 UWG Rn. 663. Sosnitza, in: Ohly/Sosnitza, § 12 UWG Rn. 234; Köhler/Feddersen, in: Köhler/ Bornkamm, § 12 UWG Rn. 5.3a m. w. N. 90 Entwurf eines Gesetzes gegen unseriöse Geschäftspraktiken, BT-Drucks. 17/13057, S. 30 f. 91 Entwurf eines Gesetzes gegen unseriöse Geschäftspraktiken, ebenda, S. 25 f. Eine solche Regelung war bis zur UWG-Reform 2004 auch noch in § 23b UWG a. F. enthalten; zur Normhistorie Schwippert, in: Teplitzky, Kap. 50 Rn. 2. 92 Entwurf eines Gesetzes gegen unseriöse Geschäftspraktiken, a. a. O. (Fn. 90), S. 26. 89
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mögenslos ist.93 Für Streitwerte bis 10.000 Euro soll eine erhebliche Gefährdung und damit eine Begünstigung regelmäßig nicht in Betracht kommen.94 Die antragstellende Partei muss ihre Gefährdung i. S. v. § 294 ZPO glaubhaft machen, indem sie ihre Einkommens- und Vermögensverhältnisse offenlegt. Die Entscheidung liegt im Ermessen des Gerichts und kann auch das Verhalten der Partei im Prozessumfeld, wie z. B. von ihr (nicht) ergriffene Maßnahmen zur Prozessverhinderung berücksichtigen. Die Erfolgsaussichten des konkreten Verfahrens sind dagegen nicht von Bedeutung.95 Der schlussendlich gefasste Beschluss ist entsprechend der Streitwertfestsetzung nur für die jeweilige Instanz gültig und kann gem. § 63 III GKG von Amts wegen abgeändert werden.96 Im Unterschied zur Streitwertherabsetzung kommt eine Streitwertbegünstigung nach § 12 IV, V UWG n. F. nur der jeweils antragstellenden Partei zu Gute. Verliert sie den Prozess in Teilen oder vollständig, werden von ihr zu erstattende Gerichts- und die eigenen wie gegnerischen Anwaltskosten nur aus einem geringeren Gebührenstreitwert erhoben. Gewinnt sie dagegen, kann ihr Anwalt seine Kosten vom Gegner auf der Grundlage des regulären Streitwertes ersetzt verlangen.97 Geht die Regelung damit jedenfalls zu Lasten des Prozessgegners, darf sie nur in den genannten Ausnahmefällen wirtschaftlicher Härte zur Anwendung kommen. Bei gewerblichen Verbänden erlangt in diesem Zusammenhang wieder ihre vom Gesetz verlangte finanzielle Grundausstattung Bedeutung.98 Nach früherer Rechtsprechung kam eine Streitwertbegünstigung gem. § 23b UWG a. F. daher nur in Verfahren in Betracht, deren regulärer Streitwert die Revisionssumme von 60.000 DM erheblich überstieg. Darunter war die erforderliche wirtschaftliche Härte nicht denkbar, da die Verbände entsprechende finanzielle Mittel bereits zum Zweck ihrer Prozessführungs- und Sachbefugnis vorhalten mussten. Ausnahmen wurden lediglich unter besonderen Umständen wie einer Häufung paralleler Verfahren anerkannt.99 Die Literatur zur Neuregelung setzt soweit vorhanden nun einen „sehr hohen Streitwert“ voraus, ohne diesen näher zu spezifizieren.100 Gleichzeitig ist jedoch auch der Referenzrahmen, nämlich das Mindestmaß der erforderlichen finanziellen 93 Sosnitza, in: Ohly/Sosnitza, § 12 UWG Rn. 236 f.; Köhler/Feddersen, in: Köhler/ Bornkamm, § 12 UWG Rn. 5.20 f.; Schwippert, in: Teplitzky, Kap. 50 Rn. 7; vgl. auch Schmidt, in: Immenga/Mestmäcker, § 89a GWB Rn. 9 zur Parallelvorschrift. 94 Schlingloff, in: MK LauterkeitsR, § 12 UWG Rn. 647 m. w. N. 95 Ebenda, Rn. 651 ff.; Köhler/Feddersen, in: Köhler/Bornkamm, § 12 UWG Rn. 5.22. 96 Sosnitza, in: Ohly/Sosnitza, § 12 UWG Rn. 238; Köhler/Feddersen, in: Köhler/ Bornkamm, § 12 UWG Rn. 5.27. 97 Schlingloff, in: MK LauterkeitsR, § 12 UWG Rn. 658a-c; Schwippert, in: Teplitzky, Kap. 50 Rn. 3; jew. ebenda Sosnitza, Rn. 240 und Köhler/Feddersen, Rn. 5.29 ff. 98 Vgl. Schmidt, in: Immenga/Mestmäcker, § 89a GWB Rn. 10, der aber ohne Grund auf § 3 I Nr. 2 UKlaG verweist, obwohl § 33 II Nr. 1 GWB selbst eine hinreichende finanzielle Ausstattung verlangt. 99 BGH GRUR 1998, 958, 959. 100 Ebersohl, in: GroßkommUWG, § 12 UWG F Rn. 72 f.; Köhler/Feddersen, in: Köhler/
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Ausstattung seit Abschaffung der Wertrevision ungeklärt.101 Im Vergleich zu den gewerblichen Verbänden sollen für Verbraucherverbände dagegen weniger strenge Maßstäbe gelten und eine Streitwertbegünstigung häufiger und in stärkerem Maße in Betracht kommen, um deren Funktionsfähigkeit im öffentlichen Interesse zu erhalten. Für die Feststellung der wirtschaftlichen Verhältnisse soll dabei die jeweilige finanzielle Situation des Verbraucherverbands insgesamt und insbesondere der ihm bewilligte Etat für Prozesskosten berücksichtigt werden.102 Auch diesbezüglich ergeben sich mit der jüngsten Änderung des UKlaG Unsicherheiten, da nach dem Willen des Gesetzgebers nun auch Verbraucherverbände zu einer gewissen finanziellen Mindestausstattung verpflichtet sein sollen.103
(4) Fazit Im Ergebnis wird deutlich, dass die Anforderungen an die finanzielle Ausstattung von Verbänden und die gesetzlichen Neuerungen im Verfahrens- und Kostenrecht noch unzureichend aufeinander abgestimmt wurden. Seit Abschaffung der Wertrevision fehlt der Anknüpfungspunkt für die finanzielle Mindestausstattung, die gewerbliche Verbände gem. § 8 III Nr. 2 UWG, § 33 II Nr. 1 GWB sowie § 3 I Nr. 2 UKlaG hinsichtlich eventueller gegnerischer Kostenerstattungsansprüche im Einzelfall gewährleisten müssen. An dem ursprünglichen Grenzwert, lediglich umgerechnet in Euro, lässt sich angesichts der ausdrücklichen Abkehr des Gesetzgebers von starren Streitwertgrenzen, einem geänderten Kostenrecht in Wettbewerbsverfahren und nicht zuletzt der inflationsbedingten Geldwertentwicklung nicht festhalten. Gleichzeitig ist es realitätsfern von den Verbänden Rückstellungen in vollständiger Höhe der potenziellen Kostenerstattungsansprüche über drei Instanzen zu verlangen. In diesem Fall gälten für die Verbände strengere Anforderungen als für alle übrigen Kläger. Außerdem wäre eine Gefährdung ihrer wirtschaftlichen Lage i. S. v. § 12 IV UWG n. F. dann begriffsnotwendig ausgeschlossen und ihnen bliebe eine Streitwertbegünstigung jedenfalls verwehrt. Ungeachtet dieser Unklarheiten hat sich der Gesetzgeber jüngst dafür ausgesprochen auch „qualifizierte Einrichtungen“ i. S. d. § 4 UKlaG, also die Verbraucherverbände, zu einer finanziellen Mindestausstattung zu verpflichten. Begrüßenswert sind dagegen die Maßstäbe, die der Bundesgerichtshof für eine solche finanzielle Mindestausstattung in seiner jüngsten Entscheidung vorgegeben hat. Darin stellt das Gericht klar, dass die Verbände nicht liquide Bornkamm, § 12 UWG Rn. 5.23; Schlingloff, in: MK LauterkeitsR, § 12 UWG Rn. 646; Schwippert, in: Teplitzky, Kap. 50 Rn. 8: „außerordentlich hoch“. 101 Dazu schon soeben, S. 285 f. 102 Vgl. die in Fn. 100 genannten Quellen jew. im Anschluss an BGH GRUR 2011, 560 zu § 12 IV UWG a. F. und Schwippert, in: Teplitzky, Kap. 50 Rn. 11. 103 Kritisch dazu bereits oben, S. 279 f. mit Fn. 49.
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Mittel in Höhe eines maximalen theoretischen Gesamtkostenrisikos sämtlicher noch nicht endgültig beendeter Gerichtsverfahren vorhalten müssen.104 Vielmehr solle zu ihren Gunsten berücksichtigt werden, dass potenzielle Kostenerstattungspflichten aus verschiedenen Verfahren in aller Regel nicht sofort und gleichzeitig entstehen. Um eine hypothetische Belastung durch laufende Parallelverfahren dennoch in die finanzielle Beurteilung einzubeziehen, habe jeder Verband eine die Kosten des jeweiligen Einzelfalls vielfach übersteigende liquide Finanzausstattung nachzuweisen und dürfe darüber hinaus mit der Zahlung von Prozesskosten in der Vergangenheit nicht in Rückstand geraten sein. Umgekehrt sei erst dann von einer unzureichenden finanziellen Ausstattung auszugehen, wenn das realistische Kostenrisiko eines Verbands seine dafür verfügbaren Mittel bei zurückhaltender Betrachtung spürbar übersteigt.105 Diese Grundsätze helfen zwar bei der Beurteilung im Einzelfall weiter, lassen aber dennoch die wesentliche Frage des Referenzwertes unbeantwortet. Wie die „Kosten des jeweiligen Einzelfalls“ und in deren Summe „das realistische Kostenrisiko eines Verbandes“ zu veranschlagen sind, sagt das Gericht nicht. Die erforderliche Mindestausstattung aber ist letztlich davon abhängig, ob hierfür jeweils das vollständige Kostenerstattungsrisiko über drei Instanzen oder ein niedrigerer Wert zu Buche schlägt.
cc) Finanzierungsquellen Neben ihrer Höhe ist unter dem Gesichtspunkt der finanziellen Ausstattung eines Verbands zudem die Herkunft seiner Mittel von Bedeutung. Sie setzen sich auch bei „Verbänden zur Förderung gewerblicher oder selbstständiger beruflicher Interessen“ zunächst aus den Beiträgen ihrer Mitglieder sowie aus Spenden zusammen.106 Darüber hinaus dürfen Verbände aber innerhalb bestimmter Grenzen auch Einnahmen aus Abmahnungen und Vertragsstrafen zur Finanzierung ihrer Arbeit heranziehen. Speziell für den Bereich der Prozesskosten kommen schließlich Deckungszusagen oder Bürgschaften einzelner Dritter hinzu. Insgesamt betrachtet dürfen diese Einnahmequellen auch die Mitgliedsbeiträge in erheblichem Umfang übersteigen. Maßgeblich für § 8 III Nr. 2 UWG ist dabei grundsätzlich nur die Verfügbarkeit der Mittel gemäß der zuvor entwickelten Grundsätze, nicht aber die Finanzierungsstruktur eines Verbands.107
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BGH GRUR 2012, 411, 412; im Anschluss daran auch KG WRP 2012, 992, 995. aus der Lit. insoweit auch Köhler/Feddersen, in: Köhler/Bornkamm, § 8 UWG Rn. 3.48; unklar, da wohl versehentlich falsch formuliert Paal, in: GroßkommUWG, § 8 UWG Rn. 225. 106 Köhler/Feddersen, in: Köhler/Bornkamm, § 8 UWG Rn. 3.48; Ottofülling, in: MK LauterkeitsR, § 8 UWG Rn. 414; Paal, in: GroßkommUWG, § 8 UWG Rn. 226; Büscher, in: F/B/O, § 8 UWG Rn. 262. 107 BGH GRUR 2005, 689, 690; Paal, ebenda. 105 Ebenda;
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Für Vertragsstrafen sowie Abmahnpauschalen gelten jedoch Besonderheiten: Leistungen an einen Verband aufgrund von dessen Ansprüchen auf Vertragsstrafe sind als echte Einnahmen zu werten. Sie gelten daher jedenfalls dann als unbedenklich, wenn sie ihm in einer Höhe und Regelmäßigkeit zufließen, die eine hinreichend sichere Teilbilanzierung auf der Habenseite auch in den Voranschlägen erlauben.108 Im Fall einer erfolgreichen Abmahnung hat ein Verband ebenfalls Anspruch auf Zahlung einer Gebühr gegen den Abgemahnten. Der dem Verband so zukommende Pauschalbetrag wird die tatsächlichen Kosten der konkreten Abmahnung i. d. R. übersteigen. Gleichzeitig aber machen Abmahnungen einen legitimen Teil der regulären Tätigkeit aus, für die jeder Verband eine entsprechende Ausstattung bereitstellen muss.109 Vor diesem Hintergrund ist es grundsätzlich nicht verwerflich, die diesbezüglichen Kosten auch wiederum aus Abmahngebühren zu bestreiten. Der Verband muss jedoch sicherstellen, dass die Einnahmen aus Abmahngebühren in seiner Gewinnermittlung aufgeführt werden und ausschließlich wieder seiner Abmahntätigkeit zu Gute kommen. Diese muss darüber hinaus dauerhaft in einem akzeptablen Verhältnis zur restlichen Tätigkeit stehen.110 Dementsprechend können Einnahmen aus Vertragsstrafen und Abmahngebühren nicht mehr berücksichtigt werden, wenn sie deutlich überhöht sind oder in einem krassen Missverhältnis zu den sonstigen Einnahmen des Verbands stehen.111 Auch hierbei gelten keine festen Grenzwerte, sondern es sind die Umstände des jeweiligen Einzelfalles maßgeblich.112
dd) Tatsächliche ausgeübte, satzungsgemäße Tätigkeit Neben den Anforderungen an die Verbandsausstattung hatte sich in ständiger Rechtsprechung vor der UWG-Reform 1994 für § 13 I bzw. II Nr. 2 a. F. UWG außerdem die Bedingung etabliert, dass jeder Verband seine satzungsgemäßen 108
BGH GRUR 1990, 282, 285 und BGH NJW 2000, 73, 74; KG WRP 2012, 992, 995 f. nur die oben (S. 283 mit Fn. 69) zitierte Faustformel, wonach seine Ausstattung einen Verband u. a. in die Lage versetzen muss, typische und durchschnittlich schwer zu verfolgende Wettbewerbsverstöße selbst zu erkennen und abzumahnen. 110 BGH NJW 2000, 73, 74; KG WRP 2012, 992, 996; noch offen gelassen dagegen in BGH GRUR 1990, 282, 285 und BGH GRUR 1998, 489, 490; aus der Lit. Köhler/Feddersen, in: Köhler/Bornkamm, § 8 UWG Rn. 3.48; Ottofülling, in: MK LauterkeitsR, § 8 UWG Rn. 414; Büscher, in: F/B/O, § 8 UWG Rn. 262; Jestaedt, in: Ahrens, Kap. 19 Rn. 20; zur tatsächlich ausgeübten Verbandstätigkeit zudem sogleich. 111 BGH GRUR 1988, 918; BGH GRUR 1990, 282, 285 und BGH GRUR 1998, 489, 490; Jestaedt, in: Ahrens, Kap. 19 Rn. 20. 112 Z. B. bewertete der BGH in GRUR 1991, 684, 685 die Abmahnpauschalen eines Verbands als überhöht, weil sie die Obergrenze seiner Unkosten um 100 % überschritten und verneinte dementsprechend eine hinreichende finanzielle Ausstattung. Umgekehrt verneinte er im Falle eines jungen, im Aufbau befindlichen Vereins in GRUR 1998, 489, 490 ein krasses Missverhältnis, obwohl Abmahnungen in den ersten 16 Monaten der Vereinstätigkeit rund 47 % der Gesamteinnahmen ausmachten. 109 Vgl.
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Ziele auch tatsächlich umfassend und regelmäßig verfolgt.113 Daran hält der Bundesgerichtshof auch nach der Reform unverändert fest.114 Der notwendige Umfang der Tätigkeit orientiert sich dabei am konkreten Satzungszweck.115 Für Fachverbände, die sich den spezifischen Belangen einer bestimmten Branche oder Berufsgruppe widmen, gelten demnach andere Anforderungen als für sogenannte Wettbewerbsvereine, die allgemein und eventuell ausschließlich gegen Wettbewerbsverstöße vorgehen. Im Fokus der Fachverbände stehen die Interessen ihrer Zielgruppe, für die sie sich mit ihrer Arbeit z. B. in Rundschreiben, Vorträgen, Mitgliederversammlungen, aber auch vor Gericht einsetzen müssen. Vereinzelt hat die Rechtsprechung zu Gunsten von Fachverbänden zudem eine tatsächliche Ausübung ihres satzungsgemäßen Zwecks schon in Anbetracht der Größe und des wirtschaftlichen Gewichts ihrer Mitglieder als naheliegend angesehen.116 Ihr prozessuales Vorgehen gegen Wettbewerbsverstöße beschränkt sich jedenfalls regelmäßig auf den jeweiligen inhaltlichen Tätigkeitsbereich und darf daher insgesamt einen geringeren Anteil der Arbeit ausmachen.117 Obwohl die außergerichtliche wie gerichtliche Bekämpfung von Wettbewerbsverstößen demgegenüber den eigentlichen Zweck sogenannter Wettbewerbsvereine darstellt, darf sich deren tatsächliche Tätigkeit nicht auf die unmittelbare Verfolgung solcher Verstöße beschränken. Stattdessen muss ihre Arbeit dafür eine tragfähige Grundlage schaffen, indem sie bspw. das Wettbewerbsgeschehen beobachten, Testkäufe tätigen, Informationsmaterial herausgeben oder einen Rundschreiben dienst betreiben und wettbewerbspolitische Veranstaltungen besuchen oder ausrichten.118 Jedenfalls, aber zuvorderst bei sogenannten Wettbewerbsvereinen, entspricht die Verbandstätigkeit nicht mehr dem Satzungszweck und wird damit unzulässig, wenn sie einem übermäßigen Gewinnstreben dient und der Verband mit ihr in erster Linie Gebühren oder Vertragsstrafen erzielen will. Anhaltspunkte dafür können ein krasses Missverhältnis der Einnahmequellen im oben dargestellten Sinne oder eine routinemäßige Abmahnpraxis beschränkt auf leicht erkennbare Verstöße sein.119 Gleichzeitig ist eine große Anzahl von Abmahnungen nicht per se verwerflich, sondern kann z. B. einer entsprechend großen Anzahl von Verstößen gegenübersteht oder parallel zur übrigen Verbandsarbeit an Bedeutung gewonnen haben. Im Grundsatz muss ein Verband jedoch willens und in 113 BGH GRUR 1975, 377, 378; BGH GRUR 1986, 676, 677; BGH NJW 1986, 1347; BGH GRUR 1988, 918; BGH NJW 1990, 3149. 114 BGH GRUR 2000, 1084, 1085; BGH GRUR 2000, 1093, 1094; BGH NJW 2001, 3707, 3708. 115 Ausführlich Jestaedt, in: Ahrens, Kap. 19 Rn. 24. 116 BGH NJW 1990, 3149; BGH GRUR 2000, 1093, 1095. 117 Ebenda. 118 BGH GRUR 1986, 676, 677; BGH GRUR 1990, 282, 284; BGHZ 126, 145, 116; a. A. Goldmann, in: Harte/Henning, § 8 UWG Rn. 298. 119 BGH GRUR 1988, 918; BGH GRUR 1990, 282, 285 f.
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der Lage sein, jeden Verstoß mangels einer Unterwerfungserklärung des Abgemahnten auch vor Gericht zu verfolgen.120 Kritische Stimmen in der Literatur weisen darauf hin, dass das Erfordernis einer tatsächlichen Wahrnehmung der satzungsgemäßen Aufgaben im Rahmen der UWG-Reform 1994 nicht in das Gesetz aufgenommen wurde und daher im diesbezüglich unveränderten Wortlaut des § 8 III Nr. 2 UWG keine Stütze findet. Stattdessen müsse ein Verband zu satzungsgemäßer Tätigkeit eben nur „imstande sein“.121 Zur Lösung wird dann aber ganz überwiegend122 wiederum auf die Rechtsprechung zurückgegriffen, die zu Gunsten von ordnungsgemäß errichteten Verbänden, die über einen Zeitraum von mehreren Jahren regelmäßig als Verbandskläger i. S. v. § 8 III Nr. 2 UWG zugelassen werden und demnach den Anforderungen von den Gerichten unbeanstandet entsprechen, eine satzungsgemäße Interessenwahrnehmung tatsächlich vermutet. Es obliegt dem jeweiligen Beklagten, die Vermutung zu widerlegen, indem er hinreichende Tatsachen vorträgt, die eine Veränderung nahelegen.123 Diese Vorgehensweise ist sachgerecht. Sie stellt sicher, dass neben einer Reihe theoretischer Vorgaben auch die tatsächliche Praxis eines Verbands in § 8 III Nr. 2 UWG berücksichtigt wird. Gleichzeitig harmoniert die Vermutung mit dem Wortlaut, der ebenfalls von der Ausstattung auf die Verbandstätigkeit schließt. Dazu passend stellt die Rechtsprechung an die tatsächliche Tätigkeit junger und im Aufbau befindlicher Verbände deutlich geringere Anforderungen, sodass sie § 8 III Nr. 2 UWG bereits mit einer hinreichenden Struktur und Ausstattung erfüllen können.124 Aus dem gleichen Grund kann der Auffassung einiger Oberlandesgerichte125 nicht gefolgt werden, wonach die Vermutung nicht nur eine tatsächliche satzungsgemäße Tätigkeit der betreffenden Verbände, sondern auch ihre bereits erläuterte hinreichende persönliche, sachliche und finanzielle Ausstattung erfasst.126 Diese Ansicht findet zunächst weder in der Rechtsprechung des Bun-
120 BGH GRUR 1998, 489, 491; BGH NJW 2000, 73, 75; vgl. auch Jestaedt, in: Ahrens, Kap. 19 Rn. 25. 121 Ohly, in: Ohly/Sosnitza, § 8 UWG Rn. 107; Köhler/Feddersen, in: Köhler/Bornkamm, § 8 UWG Rn. 3.49; differenzierend zwischen einem Verstoß gegen § 8 III Nr. 2 und § 8 IV UWG Goldmann, in: Harte/Henning, § 8 UWG Rn. 301; weiterhin wie die Rspr. Büscher, in: F/B/O, § 8 UWG Rn. 263 und Büch, in: Teplitzky, Kap. 13 Rn. 26. 122 A. A. wohl Paal, in: GroßkommUWG, § 8 UWG Rn. 221. 123 BGH GRUR 1991, 684; BGHZ 126, 145, 146; BGH GRUR 2000, 1093, 1095. 124 BGH GRUR 1998, 489, 490; BGHZ 126, 145, 146; Goldmann, in: Harte/Henning, § 8 UWG Rn. 295; Ohly, in: Ohly/Sosnitza, § 8 UWG Rn. 107; Jestaedt, in: Ahrens, Kap. 19 Rn. 21; Büscher, in: F/B/O, § 8 UWG Rn. 264. 125 OLG Stuttgart, GRUR-RR 2009, 343, 344 und GRUR-RR 2009, 347; OLG Frankfurt Magazindienst 2009, 528, 529; OLG Düsseldorf Magazindienst 2009, 1049; OLG Koblenz, WRP 2010, 148, 150; KG WRP 2012, 992, 995. 126 Vgl. schon S. 284 ff.; zu Recht kritisch noch Teplitzky, 10. Aufl., Kap. 13 Rn. 28 mit Fn. 146; a. A. jetzt Büch, in: Teplitzky, Kap. 13 Rn. 28 mit Fn. 147.
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desgerichtshofs127 noch in der Literatur128 eine tragfähige Stütze. Des Weiteren ist ihr auch in der Sache nicht beizupflichten. Für ein erweitertes Verständnis der Vermutung könnte allenfalls eine Verfahrensvereinfachung sprechen. Diese wird aber bereits erreicht, indem Verbände die Voraussetzungen des § 8 III Nr. 2 UWG im Wege des Freibeweises darlegen und somit auch auf Ihre Bekanntheit bei Gericht stützen können.129 Einer weitergehenden Vereinfachung im Wege eines Listensystems ähnlich des § 4 UKlaG hat der Gesetzgeber dagegen eine klare Absage erteilt.130 Auch systematisch ist nicht zu rechtfertigen, warum die Verbandsausstattung im Gegensatz zu den übrigen Merkmalen des § 8 III Nr. 2 UWG vermutet und der Beklagte hierfür beweisbelastet werden soll. So würde ihn beispielsweise ein Vortrag gegen die finanzielle Ausstattung des Verbandsklägers vor große Schwierigkeiten stellen. Schließlich ist eine derartige Erweiterung der Vermutung auch nicht sinnvoll. Verfügt ein Verband nachgewiesener Weise über eine hinreichende Ausstattung, entspricht es der Lebensrealität, dass er diese auch zum Einsatz bringen wird. Umgekehrt aber hindert mangelnde Ausstattung keineswegs an einer Klagetätigkeit. Eine entsprechende Vermutung wird dem nicht gerecht und missachtet, dass sich die Ausstattung eines Verbands gerade in der oben dargestellten Form kurzfristig, aber bedeutend verändern kann, so z. B. seine personellen Ressourcen oder aber seine Finanzmittel nach dem Verlust eines bedeutenden Prozesses.
c) Einziehungs- und Abtretungslösungen Mit Hilfe der Voraussetzungen des § 12 RDG sollen sich „Rechtsuchende und […] betroffene Dritte oder öffentliche Stellen“ nach dem Willen des Gesetzgebers „darauf verlassen können, dass Rechtsdienstleistungen nur von persönlich zuverlässigen, sachkundigen, erfahrenen und gegen Pflichtverletzungen versicherten Personen erbracht werden.“131 Berufsbezeichnungen, die das Wort „Inkasso“ enthalten, darf daher gem. § 11 IV RDG nur tragen, wer sich zur Erbringung von Inkassodienstleistungen i. S. v. § 10 I 1 Nr. 1 RDG hat registrieren lassen. Bei Zuwiderhandlung droht gem. § 20 I Nr. 4, III RDG ein Bußgeld. Für eine Registrierung ist zunächst gem. §§ 12 I Nr. 2, 11 I RDG „besondere Sachkunde in den für die beantragte Inkassotätigkeit bedeutsamen Gebieten des 127 Vgl.
Fn. 123; offener aber noch BGH NJW 1986, 1347; auf den ersten Blick unklar auch BGH GRUR 1997, 476, wo es jedoch bei genauerem Hinsehen heißt, es handele sich um eine „auf eine langjährige Tätigkeit (sic!) des Kl. beruhende – tatsächliche Vermutung“ (Hervorhebung durch Verfasser). 128 Vgl. oben, Fn. 121. 129 BGH NJW 2001, 3707, 3708; Köhler/Feddersen, in: Köhler/Bornkamm, § 8 UWG Rn. 3.9; Ohly, in: Ohly/Sosnitza, § 8 UWG Rn. 91. 130 Entwurf eines Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb, BT-Drucks. 15/1487, S. 22 f. 131 Entwurf eines Gesetzes zur Neuregelung des Rechtsberatungsrechts, BT-Drucks. 16/3655, S. 66.
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Rechts“ erforderlich. Als solche nennt das Gesetz ausdrücklich, aber nicht abschließend das Bürgerliche Recht, das Handels-, Wertpapier- und Gesellschaftsrecht, das Zivilprozessrecht sowie das Kostenrecht und orientiert sich damit an der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zum Forderungsinkasso.132 Die besondere Sachkunde hat ein Antragsteller auf theoretischer Seite durch Zeugnisse sowie auf praktischer Seite durch entsprechende Berufserfahrung nachzuweisen (§ 12 III RDG). Die Einzelheiten dieses Nachweises regeln die §§ 2 und 3 Rechtsdienstleistungsverordnung (RDV). U. a. wird in der Regel mindestens eine zweijährige Berufsausübung unter Anleitung oder alternativ eine praktische Berufsausbildung verlangt. Darüber hinaus setzt eine Registrierung „persönliche Eignung und Zuverlässigkeit“ voraus (§ 12 I Nr. 1 RDG). Beide Aspekte, die sich in Teilbereichen überschneiden, richten sich nach der Person des Antragstellers sowie der konkret beabsichtigten Rechtsdienstleistung und sind vor dem Hintergrund des Art. 12 GG anhand einer umfassenden Einzelfallprüfung zu beurteilen.133 Geeignet ist grundsätzlich nur, wer unbeschränkt geschäftsfähig ist. Die Auswirkungen dauerhafter geistiger Beeinträchtigungen, die die allgemeine Geschäftsfähigkeit unberührt lassen, hängen von der in Frage stehenden Tätigkeit ab. Körperliche Behinderungen stehen der Eignung i. d. R. nicht entgegen.134 Die Gefahr einer beruflichen Interessenkollision dagegen läuft ihr zuwider, wobei aber eine lediglich abstrakte Gefahr noch hinnehmbar ist. Erst eine konkrete Gefahr regelmäßiger Pflichtverletzungen ist schädlich und kann sich z. B. daraus ergeben, dass der Antragsteller eine mit der Rechtsdienstleistung generell unvereinbare weitere Tätigkeit ausübt (so z. B. als Finanzierungsvermittler) oder mit der betreffenden Berufsgruppe eine Berufs- oder Bürogemeinschaft bildet.135 Die Zuverlässigkeit kann daneben insbesondere in den von § 12 I Nr. 1 und § 14 I Nr. 1 RDG ausdrücklich geregelten Fällen versagt werden. Dazu gehören die Verurteilung zu einem Verbrechen oder berufsbezogenen136 Vergehen, ungeordnete Vermögensverhältnisse i. S. v. § 12 II RDG insbesondere aufgrund Insolvenz sowie ein Widerruf bzw. eine Rücknahme einer Registrierung nach RDG oder einer Anwaltszulassung nach BRAO innerhalb der letzten drei Jahre 132 Vgl. den Verweis auf den Beschluss des BVerfG NJW 2002, 1190 im Entwurf eines Gesetzes zur Neuregelung des Rechtsberatungsrechts, BT-Drucks. 16/3655, S. 66. Dazu auch Rillig, in: Deckenbrock/Henssler, § 11 RDG Rn. 3 ff. Nach allg. Meinung werden auf dem Gebiet des Bürgerlichen Rechts im Anschluss an den Beschluss des BVerfG, a. a. O., S. 1191 nur Kenntnisse in den ersten drei Büchern des BGB verlangt. 133 Dötsch, in: Deckenbrock/Henssler, § 12 RDG Rn. 14 f. und 39 ff.; Kleine-Cosack, § 12 RDG Rn. 4, 7, 11; K.-M. Schmidt, in: Krenzler, § 12 RDG Rn. 6 und 16 ff. 134 Entwurf eines Gesetzes zur Neuregelung des Rechtsberatungsrechts, BTDrucks. 16/3655, S. 67; außerdem jew. ebenda Dötsch, Rn. 17 ff.; K.-M. Schmidt, Rn. 8 ff. 135 Jew. a. a. O. (Fn. 133) Dötsch, Rn. 26 ff; Kleine-Cosack, Rn. 5; K.-M. Schmidt, Rn. 12 f. 136 Dazu im Unterschied zur Sanktionspraxis in der Anwaltschaft Römermann, NJW 2008, 1249, 1253.
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vor Antragstellung. Es handelt sich jeweils um eine widerlegbare tatsächliche Vermutung, sodass die zuständige Behörde in besonderen Umständen des Einzelfalls trotzdem die Zuverlässigkeit annehmen kann.137 Schließlich verpflichtet § 12 I Nr. 3 RDG i. V. m. § 5 RDV den Antragsteller zum Abschluss einer Berufshaftpflichtversicherung mit einer Mindestversicherungssumme von 250.000 Euro je Versicherungsfall. Auch juristische Personen und Gesellschaften ohne Rechtspersönlichkeit, die eine Registrierung beantragen, unterliegen den genannten Voraussetzungen, soweit dies nach der Natur der Sache möglich ist. Darüber hinaus müssen sie mindestens eine natürliche sogenannte „qualifizierte Person“ dauerhaft beschäftigen und benennen, die ihrerseits die erforderliche Sachkunde, Eignung und Zuverlässigkeit besitzt. Diese Person muss in ausnahmslos allen Angelegenheiten, die Rechtsdienstleistungen des Unternehmens betreffen, weisungsunabhängig und -befugt handeln können und zur Vertretung nach außen berechtigt sein (§ 12 IV RDG).
d) Vergleichbare Ansätze Wie Deutschland setzen auch einige weitere Mitgliedsstaaten der EU auf eine Reihe gesetzlich geregelter Anforderungen, denen privatrechtliche Institutionen entsprechen müssen, um unabhängig von dem konkreten Einzelfall überhaupt als Kläger in einem kollektiven Rechtsschutzverfahren in Betracht zu kommen. So sind beispielsweise alle Kollektivverfahren des französischen Code de la Consommation ausschließlich solchen Verbraucherorganisationen vorbehalten, die sich vorab haben behördlich registrieren lassen.138 Eine Registrierung wiederum ist nur Organisationen in Form einer rechtsfähigen association möglich, die nach ihrer Satzung den Schutz von Verbraucherinteressen zum Ziel haben (Art. L411-1 CCons). Des Weiteren sind auch diese nur dann registrierfähig, sofern sie unabhängig von jeder unternehmerischen oder gewerblichen Tätigkeit agieren (Art. L412-1 S. 1 CCons). Eine Ausnahme gilt diesbezüglich gemäß Satz 2 nur für bestimmte Konsumgenossenschaften (sociétés coopératives de consommation). Für Organisationen, die diesen Grundbedingungen entsprechen, bestimmt der Verordnungsteil des CCons konkrete Anforderungen139 für eine Akkredi137 Dötsch, in: Deckenbrock/Henssler, § 12 RDG Rn. 46; Kleine-Cosack, § 12 RDG Rn. 8; K.-M. Schmidt, in: Krenzler, § 12 RDG Rn. 19. 138 Vgl. Art. L421-1 I CCons: „[…] si elles ont été agréées […]“; Art. L426-1 I CCons, der auf den zuvor genannten Artikel verweist; Art. L422-1 I CCons: „[…] toute association agréée […]“ sowie Art. L423-1 I CCons: „Une association […] agréée en application de l’article L411-1 […]“. 139 Im Einzelnen dargestellt bei Franke, S. 40 ff. und Beuchler, in: Micklitz/Stadler, Verbandsklagerecht, S. 142 ff. Puttfarken/Franke, in: Basedow/Hopt/Kötz/Baetge, S. 161 ff. beziehen auch die Regelungen außerhalb des Code de la Consommation ein und zeigen die Gemeinsamkeiten auf.
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tierung in Art. R411-1 CCons. Eine antragstellende association muss danach zunächst ab dem Zeitpunkt ihrer Anmeldung gem. Art. 5 des Gesetzes vom 01. Juli 1901 relative au contrat d’association mindestens ein Jahr Bestand haben (Art. R411-1 I Nr. 1 CCons). Während dieses Jahres muss sie tatsächlich und öffentlich im Dienst des Verbraucherschutzes tätig gewesen sein und dies nachweisen. Von Bedeutung ist hierfür insbesondere, ob sie Informationsmaterial verfasst und herausgibt, Informationsveranstaltungen organisiert und Beratungsstellen betreibt (Art. R411-1 I Nr. 2 CCons). Schließlich ist im Zeitpunkt des Antrags auf behördliche Zulassung eine bestimmte Mindestanzahl zahlender Mitglieder erforderlich. Landesweit tätige Organisationen, sofern sie nicht ausschließlich wissenschaftliche Untersuchungen und Analysen durchführen, benötigen davon 10.000. Für Vereinigungen, die ihre Arbeit auf lokaler und regionaler Ebene oder in einzelnen départements leisten, verlangt das Gesetz dagegen lediglich eine ausreichende Anzahl zahlender Mitglieder im Verhältnis zu ihrem räumlichen Tätigkeitsbereich („suffisant, eu égard au cadre territorial de leur activité […]“, Art. R411-1 I Nr. 3 CCons). Auf diesem Weg soll sichergestellt werden, dass eine ggf. im Verbraucherinteresse klagende association die gesamte Verbraucherschaft jedenfalls in ihrem Tätigkeitsbereich hinreichend repräsentiert.140 Für einen ähnlichen Ansatz haben sich im Rahmen der 2014 in Kraft getretenen action en réparation collective auch der belgische141 sowie bereits zuvor der schwedische Gesetzgeber142 entschieden. In beiden Fällen wurde jedoch auf ein separates Registrierungsverfahren verzichtet.
2. Kaum Regulierung in den Niederlanden Obwohl der kollektive Rechtsschutz im niederländischen Privatrecht zu den Meistgenutzten seiner Art in Europa gehört, kommt das Burgerlijk Wetboek bislang ohne jede abstrakte Vorgabe für die handelnden Organisationen aus. Jede voll rechtsfähige vereniging bzw. jede stichting ist grundsätzlich ermächtigt, eine Verbandsklage i. S. d. Art. 3:305a ff. BW zu erheben oder einen Vergleichsvertrag nach Art. 7:907 I BW auszuhandeln und seine Verbindlichkeit zu beantragen.143 Ein allgemeines Auswahl- oder Zulassungsverfahren existiert 140
Franke, S. 43; Beuchler, in: Micklitz/Stadler, Verbandsklagerecht, S. 143. Dazu bereits im zweiten Kapitel, S. 124 f. 142 Dazu bereits im zweiten Kapitel, S. 116 f. 143 Hierzu sehr kritisch Lunsingh Scheurleer, in: van Solinge e. a., S. 99, 101 f. und 104 f. der sich allerdings fragt, ob das Erfordernis an Interessenorganisationen, Rechtspersönlichkeit in Form einer stichting oder vereniging zu besitzen, eine Gewähr bieten kann gegen unnötige oder missbräuchliche Klagen oder verschiedenste Formen interessenwidrigen Vorgehens. Dies scheint dem Verfasser schon prinzipiell unmöglich. Erst recht unverständlich ist es aber, wenn ders., a. a. O., S. 105 f. zur Lösung auf ein Ombudsmann-Modell und sogar zivilrechtliche Befugnisse für die Staatsanwaltschaft verweist, anstatt im Anschluss an durchaus berechtigte Kritik zusätzliche Voraussetzungen für die handelnden Organisationen in Erwägung zu ziehen. 141
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ebenfalls nicht. Insbesondere ad hoc für die Bearbeitung eines einzelnen Schadensfalls gebildete Organisationen werden so begünstigt. Gleichzeitig treten jedoch in den letzten Jahren wie gesehen zunehmend auch negative Auswüchse der geringen Regulierung zu Tage.144 Die Politik wie auch die juristische Literatur sind daher um eine Lösung bemüht, die die Interessenorganisationen einer engmaschigeren Kontrolle unterwirft ohne dabei die Vorteile des liberalen Ansatzes grundlegend zu beschneiden.145 Ungeachtet dessen brachten weder das zum 1. Juni 2013 in Kraft getretene Änderungsgesetz zum WCAM noch der Vorentwurf zur Einführung einer Verbandsklage auf Schadenersatz spezifischere Anforderungen an stichtingen und verenigingen mit sich.146 Dies bemängelt auch die sogenannte Juristengruppe in ihrer Ausarbeitung und trägt ein weiteres Mal die Zielbedingungen zusammen. Die Geschädigten sollen nach Ansicht der Gruppe möglichst Einsicht in die Tätigkeit der Interessenorganisationen erhalten und die Schädiger im Gegenzug einschätzen können, ob diese repräsentativ für möglichst viele der Geschädigten stehen. Die Geschädigten sollen außerdem beurteilen können, welche Interessenorganisation ihren jeweiligen Belangen am dienlichsten ist und die Schädiger nicht mit einer Vielzahl von Prozessen konfrontiert werden. Die Juristengruppe schlussfolgert daher: „Die Anforderungen des Vorentwurfs, um die Qualität repräsentativer Organisationen zu garantieren, müssen deutlicher und präziser formuliert werden.“147 Erforderlich seien u. a. auch Regelungen in Bezug auf die finanzielle Situation der Interessenorganisationen und die fachliche Erfahrung und Expertise ihrer Mitarbeiter.148 Das Justizministerium hat auch diese Anregungen in dem nun veröffentlichten, endgültigen Gesetzesentwurf149 aufgegriffen und will neben verschiedenen Zulassungsbedingungen 144
Dazu bereits im zweiten Kapitel, S. 170 ff. De Jong, Ondernemingsrecht 5/2010, 239, 240; noch ohne konkreten Bezug betont der niederländische Justizminister im Rahmen einer Evaluation des WCAM 2008, dass stets eine Balance zwischen hinreichenden Anreizen für die Aufnahme von (Vergleichs-)Verhandlungen und einer „claimcultuur“ mit Phänomenen wie „blackmail settlements“ gefunden werden müsse, vgl. Brief van de Minister van Justitie, TK 2008–2009, Kamerstuk 31 762, Nr. 1 S. 3. Tzankova/Henssler, in: Hodges/Stadler, S. 91, 104 nennen es eine „schlechte Idee“ Sicherheit gegen Missbrauch darin zu suchen, dass ad hoc gebildete Interessenorganisationen verboten oder in ihrer Arbeit eingeschränkt werden. 146 Zu dem mit Wet tot wijziging van de Wet collectieve afwikkeling massaschade eingeführten Art. 3:305a II 3 BW sogleich S. 347 ff.; zum Inhalt des Vorentwurfs bereits im dritten Kapitel, S. 103 ff. mit Fn. 137. 147 Aanbevelingen juristengroep uitvoering motie Dijksma, TK 2016–2017, Kamer stuk 34 608, Beilage zu Nr. 3 S. 2. 148 Ebenda, S. 4. 149 Voorstel van wet, Wijziging van het BW en het WBR teneinde de afwikkeling van massaschade in een collectieve actie mogelijk te maken, TK 2016–2017, Kamerstuk 34 608, Nr. 2; dazu MvT, a. a. O., Nr. 3; zum Inhalt des Entwurfs im Überblick bereits im zweiten Kapitel, S. 105 ff. 145
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bezüglich Transparenz und governance150 weitere Aspekte in Art. 3:305a BW-E berücksichtigen. So verlangt Art. 3:305a II lit. c BW-E von jeder Interessenorganisation ausreichende finanzielle Mittel, um die Kosten der Verfahrensführung zu tragen. Zu Nachweiszwecken soll das Gericht oder ein von ihm beauftragter Dritter Einsicht in die Bücher der betreffenden Organisation erhalten. In Fällen eines Third Party Litigation Funding soll das Gericht zudem die Vorlage des Finanzierungsvertrages verlangen können, um eine übermäßige Einflussnahme durch den Geldgeber ausschließen zu können. Diesbezüglich wird in der Begründung ausdrücklich darauf hingewiesen, dass die vorgenannten Daten der Gegenseite nicht zugänglich sein sollen.151 Ergänzend zu Art. 3:305a II lit. c BW-E verpflichtet Art. 3:305a V BW-E die Interessenorganisationen, einen Jahresbericht des Vorstands sowie einen bilanziellen Jahresabschluss zu erstellen. Die Art. 2:49 BW betreffend verenigingen bzw. 2:300 BW betreffend stichtingen sollen dazu auf alle Organisationen i. S. d. Art. 3:305a und 3:305c BW Anwendung finden. Ergänzend zu den allgemeinen Regeln muss der Jahresbericht des Vorstands zudem auf der Internetseite der Organisation veröffentlicht werden. Die Veröffentlichung beider Dokumente im Handelsregister ist dagegen nicht erforderlich, sofern die Organisation hierzu nicht ohnehin verpflichtet ist.152 In einem weiteren Punkt erhebt Art. 3:305a II lit. e BW-E hinreichende Erfahrung und Sachkunde bezüglich der Verfahrenseinleitung und -führung zur Voraussetzung. Interessenorganisationen sollen nachweisbar über die relevante Expertise verfügen, die sich jeweils nach dem konkreten Einzelfall bestimmt. Das Maß der Sachkunde und Erfahrung darf ebenfalls je nach Umfang der vertretenen Gruppe variieren. Ausweislich der Entwurfsbegründung sollen durch diesen Punkt ad hoc gegründete Organisationen ausdrücklich nicht ausgeschlossen werden. Die Anforderungen des Art. 3:305a II lit.e BW-E könnten sie stattdessen durch die Beschäftigung entsprechend sachkundiger Personen, andere Tätigkeiten für die Betroffenen, weitere parallel geführte Kollektivverfahren und eine entsprechende Besetzung ihres Vorstandes erfüllen.153
III. Schlussfolgerungen Mit den Verbandsklagerechten Deutschlands und der Niederlande stehen sich bislang zwei im Kern unterschiedliche Regelungsansätze gegenüber. Das geltende niederländische Recht zeichnet sich aus verschiedenen Gründen durch einen sehr flexiblen Umgang und nur geringe Kontrolle von Interessenorgani150
Dazu bereits oben, S. 248 ff. MvT, a. a. O. (Fn. 149), S. 22 f. 152 Ebenda, S. 32. 153 Ebenda, S. 24. 151
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sationen aus, das deutsche Recht dagegen jedenfalls durch sehr umfangreiche gesetzliche Vorgaben. Der jüngste niederländische Gesetzesentwurf würde bei Inkrafttreten zwar das Maß der Regulierung deutlich verstärken, unterscheidet sich aber inhaltlich weiterhin vom deutschen Verbandsklagerecht. Mit Blick auf die Umsetzung der Empfehlungen der EU-Kommission und damit mögliche Gesetzgebungsvorhaben in der Zukunft ist der Niederländische gegenüber dem deutschen Ansatz dabei aus verschiedenen Gründen vorzugswürdig.
1. Personelle und sachliche Ausstattung Zusätzlich zu einer in den Fällen des § 78 ZPO zwingenden anwaltlichen Vertretung154 fordert das deutsche Verbandsklagerecht in UKlaG, UWG und GWB eine bestimmte personelle und sachliche Ausstattung des Verbandsklägers. Sie wird nicht nur für die Tätigkeit als Interessenvertreter für notwendig erachtet, sondern soll zugleich eine deutliche Trennung zum anwaltlichen Vertreter bewirken, sodass dieser nicht im Schatten eines nur formell bestehenden Verbandes agieren kann. Mit ähnlichem Wortlaut empfiehlt die EU-Kommission in Nr. 4 S. 2 lit. c, Vertreterorganisationen müssten u. a. über „ausreichende […] personelle Ressourcen sowie erforderliche[n] juristische[n] Sachverstand“ verfügen. Art. 3:305a II lit. e BW-E stellt dagegen nach dem Wortlaut auf hinreichende Erfahrung und Sachkunde bezüglich der Verfahrenseinleitung und -führung ab.
a) Allgemeines In allen Fällen kollektiver Rechtsdurchsetzung benötigt der Repräsentant ohne Zweifel einen gewissen juristischen Sachverstand. Dabei entscheiden sowohl Größe, Qualifikation, Aufstiegschancen und Gehalt der Belegschaft als auch die sachliche Ausstattung mit Büroräumen, einer Geschäftsstelle, entsprechender EDV u. v. m. maßgeblich über Umfang und Erfolg der angestrebten Tätigkeit.155 Umgekehrt aber sind die tatsächlichen Mindestanforderungen unmittelbar an den konkreten Einzelfall gebunden und variieren deutlich z. B. im Vergleich zwischen einem Abmahn- und Klageverfahren gegen einen lokalen Wettbewerber und dem rechtlichen Vorgehen gegen ein landes- oder gar europaweit agierendes Unternehmen. Diese Verknüpfung müsste eine gesetzliche Regelung zunächst abbilden, wofür Art. 3:305a II lit. e BW-E als Vorbild dienen kann. Obwohl bislang erst sehr wenig Material zu der vorgeschlagenen Norm vorliegt, wird darin bereits deutlich, dass sich die Beurteilung einerseits am Umfang des konkreten Verfahrens und andererseits je nach Organisationsform an verschiedenen Faktoren orientieren kann. Ein allgemein gültiger Maßstab, wie ihn die 154 Zum Verhältnis des Repräsentanten zu seinem anwaltlichen Vertreter sogleich noch S. 302 ff. 155 Vgl. schon von Moltke, S. 86 ff.
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deutschen Verbandsklagerechte und jedenfalls nach ihrem Wortlaut wohl auch die Empfehlung der EU-Kommission anlegen wollen, dürfte dagegen kaum ermittelbar sein und birgt das Risiko, je nach Einzelfall zu hohe bzw. zu niedrige Anforderungen zu stellen. Davon abgesehen ist aber durchaus zweifelhaft, inwieweit gesetzliche Anforderungen an die personelle und sachliche Ausstattung überhaupt notwendig sind. Organisationen, die ernsthaft als Repräsentant in einem kollektiven Rechtsschutzverfahren tätig sein wollen und anhand bestimmter Anforderungen an Satzungszweck und Repräsentativität eine taugliche Interessenwahrnehmung nachweisen156, werden in aller Regel nicht über eine mangelhafte Ausstattung verfügen. Wie das Beispiel der deutschen Verbraucherverbände gezeigt hat, sind darüber hinaus jedoch entsprechende finanzielle Mittel157 von Nöten. Eine Unterfinanzierung wird demgegenüber jedenfalls zu einem zurückhaltenden Vorgehen veranlassen und im schlimmsten Fall qualitative Einbußen verursachen. Neben einer interessengerechten Tätigkeit und hinreichender Finanzierung verbleibt Regulierungsbedarf daher nur noch insoweit, wie eine Abgrenzung zwischen dem Repräsentanten und seinem anwaltlichen Vertreter erforderlich ist. Die genannten Voraussetzungen schließen nämlich nicht aus, dass der Repräsentant lediglich als geldgebende Hülle fungiert, während die wesentliche Arbeit von einem im Hintergrund stehenden Anwaltsbüro übernommen wird. Hierin liegt wie oben dargestellt derzeit der wesentliche Zweck der Anforderungen an eine sachliche und personelle Ausstattung.158
b) Trennung zwischen Gruppenrepräsentant und Prozessvertreter In der Auseinandersetzung mit kollektiven Rechtsschutzmechanismen warnen Vertreter der Rechtspolitik wie auch der Wissenschaft regelmäßig, beinahe mantraartig vor „amerikanischen Verhältnissen“ – ein Schreckensszenario, das es danach in den europäischen Rechtssystemen jedenfalls zu verhindern gilt. Ein wesentliches und charakteristisches Element aller US-amerikanischen Kollekivklagen ist das sogenannte entrepeneurial lawyering. Der Begriff steht stellvertretend für die zentrale Funktion i. d. R. großer amerikanischer Anwaltsbüros in Kollektivverfahren.159 Obwohl ein vergleichbares System von der großen Mehrheit der Stimmen in Deutschland und Europa so vehement abgelehnt wird160, enthält keine der hier untersuchten gesetzlichen Regelungen oder Reformvorschlägen besondere 156
Zu diesen Anforderungen im jeweiligen Einzelfall sogleich, S. 356 ff. Dazu sogleich, S. 305 ff. 158 Dazu sogleich und bereits oben, S. 284 ff. 159 Dazu bereits ausführlich im ersten Kapitel, S. 59 ff. 160 Eine Ausnahme Madaus, ZEuP 2012, 99, 107 f.; wohl auch Ahrens, WRP 2015, 1040, 1045. 157
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Bestimmungen, die sich dem Verhältnis des jeweiligen Repräsentanten zu Vertretern der Anwaltschaft widmen.161 Ein Gruppenrepräsentant aber, ob selbst Gruppenmitglied oder die Gruppe vertretende Institution wird das Verfahren praktisch in den seltensten Fällen allein führen, sondern einen Prozessvertreter hinzuziehen. Naturgemäß wird dessen Einfluss auf einen individuellen Repräsentanten deutlich größer sein, als wenn er von einer klagenden Institution beauftragt oder ggf. sogar dauerhaft von ihr beschäftigt wird. Nichtsdestotrotz ist auch dort die Interessenlage und Qualifikation des Prozessvertreters im konkreten Fall bedeutsam. Eine gewisse Ausnahme machen lediglich die in der deutschen Rechtsprechung entwickelten Grundsätze zur personellen Ausstattung i. S. v. 162 § 8 III Nr. 2 UWG. Auch Sie richten sich aber nur ausschnittsweise gegen ein missbräuchliches Vorgehen von Rechtsanwaltskanzleien, die eine selbstgegründete Rechtsperson gewissermaßen als leere Hülle vorschieben. Bei genauerem Hinsehen scheint eine echte Kooperation von Anwaltskanzlei und Verband aber dennoch möglich. Dabei dürfte sogar unschädlich sein, wenn ein oder mehrere Partner der Kanzlei die Verbandsgründung betreiben und selbst als Vorstand auftreten. Entscheidend ist dagegen, dass der Verband selbst die von der Rechtsprechung vorausgesetzte sachliche, personelle und finanzielle Ausstattung erhält. Wiederum dürfte es aber keinen gesetzlichen Bedenken begegnen, wenn ihm die finanziellen Mittel ebenfalls von der Rechtsanwaltskanzlei zufließen, so lange sie nur zu einer ausschließlichen Verwendung zu Verbandszwecken deklariert werden. Die entscheidende Hürde gegen ein missbräuchliches Vorgehen besteht schließlich – wie vom Gesetzgeber gewollt – in der vorausgesetzten erheblichen Anzahl von Mitgliedern auf dem sachlich und räumlich relevanten Markt, da sich die notwendige Anzahl von Unternehmern nicht für ein nur gewinnorientiertes Vorhaben wird einspannen lassen. Während § 8 III Nr. 2 UWG also im hier behandelten Kontext mit Erfolg gegen Scheinverbände als Abmahnvehikel in Stellung gebracht wurde, verhindert die Norm keineswegs eine seriöse, wenn auch vollumfängliche Einflussnahme durch eine Anwaltskanzlei. Angesichts fehlender Kontrollmöglichkeiten ist eine solche Konstellation sowohl im negatorischen Rechtsschutz als auch in einem potenziellen Verfahren zur Bekämpfung von Streuschäden nicht wünschenswert163, aber gleichzeitig de lege lata – aus den dargelegten Gründen – und auch de lege ferenda mit den diesseits befürworteten Änderungen unwahrscheinlich. Eine Rechts161 Die Empfehlung kollektiver Rechtsschutz, a. a. O. (erstes Kapitel, Fn. 155) enthält lediglich in Nr. 29 und 30 Regelungen bezüglich der Honorierung von Anwälten; die Kontrolle von „Einrichtungen“ aus dem Hintergrund wird allenfalls indirekt durch das Erfordernis der Gemeinnützigkeit in Nr. 4 S. 2 lit. a eingeschränkt. 162 Dazu schon S. 284 ff. 163 Vgl. dazu im dritten Kapitel, S. 252 ff.
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anwaltskanzlei wird an der Errichtung und dem Betrieb eines Idealvereins oder einer gGmbH, die die Wiederverwendung wirtschaftlicher Erträge im Sinne des Satzungszwecks nachzuweisen hat, kaum ein Interesse haben. Ein eindrucksvolles Beispiel für die Stellung der Anwaltschaft in Kollektivverfahren zur Geltendmachung individueller Massenschäden bieten dagegen die stichtingen des niederländischen Rechts.164 Sie stellen sogar den Sinn und Zweck institutioneller Repräsentanten an sich in Frage, wenn die Anwaltschaft ohnehin im Hintergrund die Geschicke der Organisation und insbesondere ihre Finanzen unter Kontrolle hält. Aus deutscher Sicht wiederum müssen Vertreter der Anwaltschaft bereits aufgrund des Anwaltszwanges gem. § 78 I ZPO unabhängig vom konkreten Repräsentanten in der großen Mehrheit aller gerichtlichen Verfahren beteiligt sein. Auch im außergerichtlichen Bereich erfordert die Organisation von Massenschadensfällen außerdem zweifelsohne gewissen juristischen Sachverstand. Schon aus diesen Gründen werden Rechtsanwälte in jedem kollektiven Rechtsschutzverfahren zwingend eine tragende Rolle spielen. Dies gilt umso mehr für Verfahren, die von einem einzelnen Geschädigten als Gruppenkläger geführt werden. Mag der Umfang des erlittenen Schadens ihm auch grundsätzlich einen hinreichenden Handlungsanreiz bieten, wird er zwangsläufig zur Marionette, wenn er nicht zufällig über besonderen Sachverstand und auch juristische Kenntnisse verfügt. Dies wird in den seltesten Fällen (man denke z. B. an umfangreiche Kartellschäden) gegeben sein. Ungeachtet seiner Bedeutung kann der mit der Sache betraute Rechtsanwalt andererseits jedenfalls nicht selbst als Kläger auftreten. Dies verhindern bereits allgemeine Regelungen der Prozessführungsbefugnis sowie seine berufsrechtliche Stellung. Den Ausweg bietet daher eine repräsentative Organisation, die entweder die Geschädigten als Mitglieder oder Gesellschafter einbezieht oder aber – was vorzugswürdig ist – mit ihnen lediglich auf schuldrechtlicher Basis verbunden wird. Während eine aus Geschädigten gebildete Rechtsperson nämlich ebenso wie ein einzelner Geschädigter als Gruppenkläger lediglich ein Hilfsvehikel für die Tätigkeit des Rechtsanwalts darstellen würde, unterstände eine zu diesem Zweck verpflichtete Organisation engerer Kontrolle. Zu einer vertraglichen Verpflichtung gegenüber den Geschädigten kämen weitere gesetzliche Anforderungen an Satzungszweck und Repräsentativität.165 Des Weiteren unterläge eine solche Organisation in Deutschland zu Recht der Registrierungspflicht als Rechtsdienstleister nach dem RDG. Die dortigen Voraussetzungen bezüglich Sachkunde und Eignung dürften sich in weiten Teilen auch mit Art. 3:305a II lit. e BW-E decken. In diesem Kontext ist schließlich kein Grund ersichtlich weitere Bedingungen an die Kooperation zwischen einem institutionellen Repräsentanten und 164 165
Vgl. dazu ebenfalls schon im dritten Kapitel, S. 255 ff. Dazu sogleich, S. 356 ff.
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einer Rechtsanwaltskanzlei zu stellen. Neben Organisationen vergleichbar der CDC SA werden diese sicherlich auch bestrebt sein, ihre Ableger auf einem enstprechenden Markt zu platzieren. Geschiet dies im Gegensatz zur bisherigen Handhabung in den Niederlanden aber offen sichtbar und werden die genannten Anforderungen von den jeweiligen Organisationen erfüllt, ist es durchaus unschädlich, wenn zwischen ihnen und einer Rechtsanwaltskanzlei eine interne Verknüpfung besteht.
2. Finanzielle Ausstattung und Transparenz Die Möglichkeiten der Finanzierung kollektiver Rechtsschutzverfahren sind ebenso vielfältig wie die damit verbundenen Probleme. Im Fokus dieser Untersuchung stand daher lediglich, ob und wenn ja, welche finanziellen Mittel von einer Organisation verlangt werden sollten, um als Gruppenrepräsentant zugelassen zu werden und in welchem Umfang sie diese nachweisen und über ihre finanziellen Verhältnisse aufklären sollte. Die Grundlage der Über legungen bildete dabei das nahezu ohne Ausnahme befürwortete166 loser paysPrinzip und soweit im Detail erforderlich, das deutsche zivilprozessuale Kostenrecht.
a) Verfahren bei Streuschäden und im negatorischen Rechtsschutz In den bestehenden Unterlassungsklageverfahren wird den klageführenden Verbänden zum Schutz der Beklagten eine gewisse finanzielle Mindestausstattung abverlangt. Diese rechtfertigt sich im Wesentlichen daraus, dass dort ebenso wie in einem potenziellen Streuschadensverfahren die Betroffenen bzw. Geschädigten mangels Interesse als Geldgeber ausscheiden. Weil aber ein legitimes, überindividuelles Interesse an der Durchsetzung der betreffenden Rechte besteht, wurden kraft Gesetzes Verbraucher- und Wirtschaftsverbände zu ihrer Geltendmachung ermächtigt. Rechtspolitisch liegt es damit zunächst in den Händen des Staates, die Verbände für die ihnen übertragenden Aufgaben hinreichend auszustatten.167 Diesbezüglich wäre z. B. eine staatliche Förderung für Verbände denkbar, die sich nachweisbar in gewissem Umfang und gewisser Regelmäßigkeit als Verbandskläger engagieren. Des Weiteren ließen sich die Haushalte der Verbände durch eine gebundene Eigenfinanzierung stützen, indem ihnen z. B. im Rahmen eines Gewinnabschöpfungsmechanismus erlaubt 166 Empfehlung kollektiver Rechtsschutz, a. a. O. (erstes Kapitel, Fn. 155), Nr. 13; ebenso der Entwurf eines Gesetzes über die Einführung von Gruppenverfahren, BT-Drucks. 1871464, S. 24; Geiger, S. 229; weitere Literaturnachweise bei Stadler, in: Van Boom (im Erscheinen), dort Fn. 75 und 76. 167 Für eine Erhöhung der finanziellen Mittel bereits von Moltke, S. 96 bei Umsetzung der UKla-RL; für eine „verbesserte Finanzierung“ auch Böni/Wassmer, EWS 2015, 130, 139; für das Kartellrecht erwägt Lehne, WuW 2012, 560, 570 eine Finanzierung privater Rechtsdurchsetzung mit Kartellbußgeldern.
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wird, Klageerlöse unter der Voraussetzung einzubehalten, diese nachweisbar in weitere Maßnahmen dieser Art zu investieren.168 Da den Verbänden aber ungeachtet dessen stets nur ein bestimmtes Budget zur Verfügung stehen wird, ist es gerechtfertigt, die Beklagten im Einzelfall vor einem Kostenausfallrisiko gesondert zu schützen. Die Bindung von Prozessführungs- und Sachbefugnis an eine bestimmte finanzielle Mindestausstattung ist in diesem Zusammenhang daher sachgerecht. Mit dem legitimen Ziel, insbesondere kleinere Fachverbände sowie die öffentliche Interessenvertretung durch alle Verbände zu fördern, sind dabei jedoch flexible Bewertungsansätze von Nöten. Der bislang unterschiedliche Maßstab für gewerbliche Verbände einer- und Verbraucherverbände andererseits stützt sich auf die Annahme, erstere seien ausschließlich mitglieder-, die zweiten ausschließlich staatlich finanziert. Neben einem erkennbaren Wandel bei den Verbraucherverbänden trifft diese Ungleichbehandlung jedenfalls die mitgliederbasierte Finanzierung zu Unrecht. Geht es um die Realisierung eines legitimen überindividuellen Interesses ist kein Grund ersichtlich, den einzelnen Verbandsmitgliedern als Geldgeber eine höhere Last abzuverlangen als dem Staat selbst. Eine über Spenden und Mitglieds- bzw. staatliche Förderbeiträge hinausgehende Eigenfinanzierung mittels Abmahnungen, Gewinnabschöpfung o. Ä. bedarf ohne Zweifel rechtlicher Kontrolle, die aber durch regelmäßige Nachweise über die Mittelverwendung und steuerrechtliche Anforderungen der Gemeinnützigkeit169 gewährleistet werden kann. Anders als bisher ist daher kein doppelter Boden bei der Frage der Streitwertfestsetzung erforderlich, geschweige denn gerechtfertigt und eine Anwendung der § 51 II-V GKG auch in Verfahren nach dem UKlaG geboten. Die seitens des Bundesgerichtshofs zuletzt entwickelten Grundsätze zum erforderlichen Mindestumfang der finanziellen Ausstattung170 sind ein erster Schritt in die richtige Richtung. Klärungsbedarf besteht für das deutsche Recht weiterhin bei der Frage, inwieweit jedes einzelne Verfahren in die Risikobewertung einfließt. Falls Art. 3:305a II lit. c BW-E in der jüngst vorgestellten Form Gesetz würde, wäre es auch in den Niederlanden an Rechtsprechung und Literatur festzulegen, wann die Mittel „hinreichend“ im Sinne der Norm sind. Eine Lösungsmöglichkeit bestände darin, die Kosten jedes Einzelfalls ausschließlich an der laufenden Instanz zu bemessen, sodass die Verbände zwar eventuell die Inanspruchnahme eines Rechtsmittels auch anhand ihrer finanziellen Leistungsfähigkeit beurteilen müssten, nicht aber bereits das gesamte Verfahren von An168 Ähnlich Koch, WuW 2013, 1059, 1069; auch Böni/Wassmer, ebenda; in diese Richtung gehen auch die aktuellen Überlegungen des BMJV, ein Sondervermögen beim Bundesamt für Justiz einzurichten, vgl. im zweiten Kapitel, S. 54 f.; dies unterstützend Keßler, S. 29; für eine Einzahlung der abgeschöpften Gewinne in einen zweckgebundenen Fonds auch bereits Micklitz/Stadler, in: dies., Verbandsklagerecht, S. 1270 ff. 169 Dazu bereits im zweiten Kapitel, S. 262 ff. 170 Dazu bereits oben, S. 290 f.
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fang an unter dem Vorzeichen einer Finanzierung über drei Instanzen steht. So ließe sich im deutschen Recht gleichzeitig eine tragfähige Verknüpfung mit § 12 IV, V UWG n. F. schaffen. Während den Verbänden eine Streitwertbegünstigung aktuell verwehrt bleibt, da sie im Falle einer tatbestandlichen Gefährdung ihrer wirtschaftlichen Lage mangels finanzieller Ausstattung bereits ihre Prozessführungs- und Sachbefugnis einbüßen, könnten sie dann z. B. angesichts eines bedeutsamen Verfahrens aber mangels entsprechender Mittel in zweiter oder dritter Instanz auf eine Streitwertbegünstigung zurückgreifen. Diese Möglichkeit ginge jedoch zu Lasten des Beklagten, dem ebenfalls Rechtsmittel zur Verfügung stehen. Diese würden entwertet, wenn nach einem Obsiegen des Verbandsklägers in erster Instanz, dessen Prozessführungs- und Sachbefugnis mangels entsprechender Mittel in der zweiten Instanz entfiele.171 Zur Lösung schlagen Langen und Teigelack172 in Anlehnung an § 112 II ZPO173 vor, nur die voraussichtlichen Kostenerstattungsansprüche der ersten beiden Instanzen sowie die Gerichtskosten der Revisionsinstanz zu berücksichtigen. Sie verweisen zu Recht darauf, dass eine Zulassung der Revision gem. § 543 I Nr. 1 ZPO nicht feststeht, die Erfolgsaussichten einer Nichtszulassungsbeschwerde statistisch gering ausfallen und zudem viele Tätigkeiten des Berufungsanwalts als Annex der Berufungsinstanz zugerechnet werden. Hinzuzufügen wäre dann die Möglichkeit, in der Revisionsinstanz eine Streitwertbegünstigung gem. § 12 IV, V UWG n. F. in Anspruch nehmen zu können. Dieser Vorschlag erscheint interessengerecht. Bringt man darüber hinaus die Grundsätze der § 51 II-V GKG in allen Verbandsklageverfahren zur Anwendung, dürfte die finanzielle Absicherung in Unterlassungsklageverfahren ohnehin noch weiter an Bedeutung verlieren. Ein eventuelles Verfahren zur Bekämpfung von Streuschäden müsste nach hier vertetener Ansicht zudem den klagenden Verbänden im Obsiegensfall zu Gute kommen, indem sie die Erträge wenigstens zum Teil im Sinne ihres Satzungszwecks wiederverwenden dürfen. Das den Verbänden zur Verfügung stehende Budget könnte so zusätzlich konsolidiert werden. Eine Auskehrung der Einzelbeträge an die Geschädigten erscheint aus einer Vielzahl von Gründen unrealistisch und im Verhältnis von Kosten und Nutzen unnötig. Obwohl die Betroffenen an der Realisierung ihrer Ansprüche aus wirtschaftlichen Gründen kein Interesse haben, kann daraus aber nicht umgekehrt geschlossen werden, dass Anteile dessen einem Dritten – sei es einem Prozessführer als Vergütung 171
Diesen Aspekt übersieht Stadler, in: Van Boom (Im Erscheinen). Langen/Teigelack, BB 2014, 1795, 1800, dort im Kontext des Düsseldorfer CDC-Verfahrens. 173 Während die Rechtssprechung dort für die Berechnung der sog. Ausländersicherheit ebenfalls den für alle Instanzen aufzuwendenden Betrag heranzieht, spricht sich die h. L. dafür aus, nur Kosten der Eingangs- und der ersten Rechtsmittelinstanz bzw. neben der Eingangsinstanz sogar nur den Gerichtskostenvorschuss für die Berufungsinstanz zu berücksichtigen; BGH NJW-RR 1990, 378; a. A. Herget, in: Zöller, § 112 ZPO Rn. 2; Schulz, in: MK ZPO, § 112 ZPO Rn. 5, wie der BGH aber Schmidt, in: Prütting/Gehrlein, § 112 ZPO Rn. 1, jew. m. w. N. 172
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oder dem Bundeshaushalt – ausgezahlt werden können. Anders dagegen, wenn die Mittel jedenfalls mit dem mutmaßlichen Willen der Geschädigten dem maßgeblichen Interesse an Schadensprävention und der Sanktion von Fehlverhalten zu Gute kommen.
b) Verfahren bei Massenschäden In Massenschadensverfahren stellt sich die Situation erneut anders dar. Die Betroffenen haben nicht nur an der Durchsetzung ihrer Rechte ein veritables Interesse, sondern ihnen kommt zudem ein potenzieller Verfahrenserlös jedenfalls in großen Teilen zugute. Von den übrigen Kostenvorteilen eines Kollektivverfahrens z. B. aufgrund einer gemeinsamen Beweisaufnahme, einer gemeinsamen anwaltlichen Vertretung auf Klägerseite sowie der Kostendegression profitieren die Kläger- und die Beklagtenseite gleichermaßen. Die absoluten Kosten eines Kollektivverfahrens werden aufgrund dessen immer unter der Summe der Kosten für Individualverfahren aller Gruppenmitglieder liegen. Von den Gruppenmitgliedern muss daher verlangt werden, das verbleibende Kostenrisiko gemeinsam und im gleichen Maße wie die Beklagtenseite zu tragen. In dieser Hinsicht – so sei nochmals klargestellt – ist den Überlegungen des Landgerichts und des Oberlandesgerichts Düsseldorf im Fall der CDC SA uneingeschränkt zuzustimmen. Die Unwägbarkeiten des Düsseldorfer Verfahrens waren dagegen ausschließlich der Untätigkeit des Gesetzgebers geschuldet, der einen seit Jahren bestehenden Regelungsbedarf unberücksichtigt gelassen hat. Der Versuch seitens der Wirtschaft – genauer: des in anderen Staaten bereits prosperierenden Marktes der Rechtsberatung174 – dem mit kreativen Lösungen abzuhelfen, ist schließlich keine Überraschung.175 Ein Verfahrensmodell zur kollektiven Durchsetzung von Massenschäden darf somit die eigentlichen Profiteure, also die geschädigten Gruppenmitglieder, nicht per se von ihrem Kostenrisiko entbinden. Auch abseits rechtlicher Vorgaben wäre diese Freiheit, wie Systeme auf Erfolgsbasis hinreichend deutlich machen, nicht wünschenswert, da sie gleichzeitig eine interessengerechte Repräsentation in Frage stellen kann. Gleichzeitig gilt aber auch hier, dass der Beklagte kein Recht auf einen solventen Kläger beanspruchen kann. Wenn er sich einem einzelnen Gruppenrepräsentanten anstelle jedes einzelnen Gruppenmitglieds gegenübersieht, darf er daher zwar im Vergleich nicht schlechter, muss 174 Vgl. auch Halfmeier, 50 Jahre Verbandsklage, S. 148: „Selbstverständlich gibt es in unserer komplexen Industrie- und Dienstleistungsgesellschaft schon jetzt eine „Rechtsindustrie“ als Zweig der Wirtschaft; […]. Das ist aber auch gut so, da unsere entwickelte Volkswirtschaft in ihrer Komplexität ohne eine solche entfaltete „Rechtsindustrie“ wohl kaum legitim und effizient zu steuern wäre.“ 175 Zutreffend Montag, ZRP 2013, 172, 175: „[…] auch für den kollektiven Rechtsschutz gilt, dass sich Probleme ihre Lösungen suchen“. Fälschlicherweise erwartet der Autor aber der anschließenden Aufzählung zufolge die Initiative dazu nur von politischer Ebene.
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jedoch auch nicht besser stehen.176 Eine Verpflichtung des Gruppenrepräsentanten, die im Falle seines Prozessverlustes zu tragenden Kosten sicherheitshalber bereits zu Verfahrensbeginn vorzuhalten, ginge daher über das notwendige Maß deutlich hinaus.177 Anders dagegen eine anteilige Haftung aller Gruppenmitglieder entsprechend dem Verhältnis ihres Anteils am Gesamtstreitwert, wie sie z. B. der Gesetzesentwurf von Bündnis 90/Die Grünen in § 629 I ZPO-E vorsieht.178 Allerdings können dem obsiegenden Beklagten dabei nicht die Aufgabe und das damit verbundene Risiko zufallen, einzelne Kostenanteile bei den Gruppenmitgliedern eintreiben zu müssen. Rein formell muss es daher bei der alleinigen Kostenerstattungspflicht des Gruppenrepräsentanten bleiben.179 Diesem wiederum sollte aber ein materiell-rechtlicher Kostenerstattungsanspruch gegen die Gruppenmitglieder in der Höhe ihres jeweiligen Anteils eingeräumt werden, der erst mit Erlass eines gerichtlichen Kostenfestsetzungsbeschlusses fällig wird. Darüber hinaus muss eine eventuelle Vollstreckung des Beklagten gegen den Gruppenrepräsentanten darauf beschränkt werden, dessen Ansprüche zu pfänden und sich überweisen zu lassen. Weitere Begünstigungen sowohl des Beklagten als auch der Gruppenmitglieder, wie sie § 629 II und III ZPO-E nach dem genannten Entwurf180 vorsehen, sind dagegen unbegründet. Jedes Gruppenmitglied sollte richtiger Weise im Vorlauf der Beitrittserklärung sein eigenes Kostenrisiko jedenfalls annähernd ermitteln und seine Entscheidung so an einem kalkulierbaren Gesamtprozessrisiko ausrichten können.181 Eine Rechtfertigung, dem Einzelnen über seinen Anteil am Gesamtstreitwert hinausgehende Kosten aufzuerlegen, besteht nicht. Der in § 629 II ZPO-E festgelegte Höchstbetrag sollte daher dem in Abs. I festgelegten Anteil entsprechen.182 Auf diese Weise würde sichergestellt, dass das einzelne Gruppenmitglied auch im Verlustfalle von den Kostenvorteilen eines Gruppenverfahrens profitiert, während der Beklagte für jeden einzelnen Anteil im gleichen Maße wie in einem hypothetischen Individualverfahren abgesichert ist. Diese Lösung krankt jedoch auf den ersten Blick an der Berechnung der Anteile, die von der Gesamtzahl der Beigetretenen abhängig sind und dem Einzelnen daher entgegen dem Gesagten nicht bei Beitrittserklärung bekannt 176
Dazu schon im dritten Kapitel, S. 148 ff. diese Richtung aber auch Micklitz/Stadler, in: dies., Verbandsklagerecht, S. 1422, die in § 9 GVMuG-E einen Nachweis „in geeigneter Form“ verlangen. 178 Entwurf eines Gesetzes über die Einführung von Gruppenverfahren, BT-Drucksache 18/1464, S. 9; dafür wohl auch Langen/Teigelack, BB 2014, 1795, 1800 f. 179 Ein unmittelbarer Durchgriff stände zudem wie von Thole, ZWeR 2015, 93, 107 f. eingewandt, im Konflikt mit dem formellen Parteibegriff der ZPO. 180 Vgl. oben, Fn. 178. 181 Entwurf, a. a. O. (Fn. 178), S. 25. 182 So wohl auch § 40 III GVMuG-E nach Micklitz/Stadler, in: dies., Verbandsklagerecht, S. 1435. 177 In
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Viertes Kapitel: Qualifikation zur Interessenvertretung
sein können. Einen tauglichen und ermittelbaren Referenzwert stellen jedoch die Kosten eines Individualverfahrens dar, die unmöglich überschritten werden. Zudem lässt sich seitens des Gruppenrepräsentanten eine Kostenprognose im Verhältnis zur Zahl der Gruppenmitglieder erstellen, die wiederum als Beitrittsanreiz dienen kann. Umgekehrt darf die Kostenerstattungspflicht seitens des bzw. der Beklagten aber lediglich die vom Gericht festgesetzten Kosten betreffen. Weitere Besonderheiten des Gruppenverfahrens, wie z. B. die Kosten einer Teilnahmeerklärung müssen demgegenüber in jedem Falle in die Sphäre der Gruppenmitglieder fallen, die im Gegenzug von der Anspruchsbündelung profitieren. Eine weitere Sicherheit für den Beklagten, wie sie § 629 III ZPO-E bietet, indem er eventuelle Restkosten dem Gruppenrepräsentanten auferlegt, ist weder erforderlich noch geboten. Andernfalls würde der Beklagte in einem höheren Maße vom gegenseitigen Kostenrisiko entlastet, als dies in individuellen Klagen der Gruppenmitglieder der Fall wäre. Steht der Gruppenrepräsentant außerhalb der Kostenerstattung im Verlustfalle, böten sich außerdem diverse weitere Vorteile: Zunächst könnte er so, vergleichbar der Anwaltschaft, frei von einem eigenen Kostenrisiko agieren. Gleichzeitig aber wäre durch das Kostenrisiko auf Seiten der Gruppenmitglieder eine hinreichende Kontrolle sichergestellt. Im Rahmen einer vertraglichen Vereinbarung zwischen dem einzelnen Gruppenmitglied und dem Repräsentanten183 könnte zudem die Vergütung des Repräsentanten losgelöst von den Verfahrenskosten geregelt und den Gegebenheiten (u. a. Größe der Gruppe, Person des Repräsentanten, Arbeitsaufwand) angepasst werden. Auf diesem Weg entstünden ebenfalls Regressmöglichkeiten der Gruppenmitglieder gegen interessen- und vertragswidriges Verhalten. Eine solche Vergütungsregelung könnte schließlich auch außerhalb des Verbots von Erfolgshonorarvereinbarungen stehen.184 Das für Rechtsanwälte in § 49b II 1 BRAO geregelte Verbot dient vorrangig dem Schutz der anwaltlichen Unabhängigkeit, dem Schutz des Rechtssuchenden vor Übervorteilung sowie der Förderung der prozessualen Waffengleichheit.185 Der letztgenannte Aspekt würde nach der hier vorgeschlagenen Regelung entfallen, da sie nicht zu einer Verlagerung des Kostenrisikos führte. Dem Gruppenrepräsentanten selbst würde eine erfolgsabhängige Vereinbarung ohnehin zum Nachteil gereichen. Naheliegender scheint vielmehr eine nach Aufgabenerledigung abgeschichtete 183 Vgl.
auch Stadler, in: Van Boom (im Erscheinen): „The relationship [between claimants and a special pupose vehicle] is a purely contractual matter […]“. Eine schuldrechtliche Beziehung zwischen Gruppenrepräsentant und Gruppenmitglied will der genannte Entwurf, a. a. O. (Fn. 178), S. 22 f. dagegen mit § 619 II ZPO-E ohne ersichtlichen Grund ausschließen. 184 Zum Verstoß einer Erfolgshonorarvereinbarung mit einem Rechtsanwalt oder einem von diesem beherrschten Unternehmen gegen § 134 und § 138 BGB, KG MDR 2003, 599 f.; zu den Vorteilen einer erfolgsabhängigen Vergütung in Massenschadensfällen Tillema, NTBR 5/2014, 194, 201. 185 BVerfGE 117, 163, 183 ff.
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Vergütung, z. B. bezüglich der Gruppenbildung, der Verfahrensorganisation, der Sachverhaltsermittlung, der Erlösverteilung u. v. m. Auf diese Weise bliebe dem Gruppenrepräsentanten einerseits der Anreiz erhalten, die nächste Verfahrensstufe zu erreichen und andererseits die Sicherheit, bereits geleistete Arbeit auch vergütet zu bekommen. Das Interesse der Geschädigten zur Durchsetzung ihrer Rechte in Massenschadensfällen bliebe schließlich durch eine Vergütung jedenfalls dann unbeeinträchtigt, wenn diese gemeinsam mit den Kosten des Gerichtsverfahrens die Kosten eines Individualverfahrens nicht übersteigt. Je nach der Höhe der Einzelforderung geht die Bereitschaft zu finanziellen Einbußen wie im Fall Zementkartell sichtbar186 mitunter noch weit darüber hinaus. Alle genannten Vorgaben inklusive des materiell-rechtlichen Kostenerstattungsanspruchs könnten wie z. B. ein Vergleichsvertrag nach Art. 7:900 ff. BW als besonderes Schuldrecht in das BGB Eingang finden. Demgegenüber wäre eine bestimmte finanzielle Ausstattung des Repräsentanten auf prozessualer Ebene nur noch mit Blick auf das laufende Geschäft erforderlich. Diesem Zweck genügt im deutschen Recht der geltende § 12 I Nr. 1 lit. b, II RDG, der ohnehin zur Anwendung kommt, da die Tätigkeit einer Vertreterorganisation von deren Registrierung als Rechtsdienstleister187 abhängen dürfte. Aufgrund des entsprechend weit gefassten Wortlauts wäre auch eine am Verfahrensinhalt ausgerichtete Auslegung vergleichbar mit Art. 3:305a II lit. c BW-E denkbar.
3. Zuvor offiziell anerkannte und ad hoc zugelassene Einrichtungen Als möglichen Repräsentanten der Gesamtgruppe unterscheidet die Kommissionsempfehlung neben „denjenigen, die behaupten, einen Schaden erlitten zu haben“ und „Behörden“ zwischen „Einrichtungen, die zuvor offiziell als Vertreterorganisation […] anerkannt wurden“
und „Einrichtungen, die von den Behörden oder Gerichten eines Mitgliedstaats ad hoc für eine bestimmte Vertretungsklage zugelassen wurden“.188
Entgegen verbreiteten Vorbehalten gegen ad hoc gegründete Vereinigungen werden diese also ausdrücklich berücksichtigt. Diese Entscheidung verdient aus verschiedenen Gründen Zustimmung. Die Abneigung gegen diese Organisationsform liegt im Wesentlichen in dem mit ihr verbundenen Missbrauchspotenzial begründet. In erster Linie stehen ad hoc gegründete Organisationen 186 Dazu bereits im zweiten Kapitel, S. 146 f.: Die Geschädigten waren dort bereit bis zu 35 % ihrer Forderung zu opfern; auch Rutten, MvV 11/2015, 319, 324 schätzt, dass Geschädigte angesichts des Prozessrisikos in der Regel bereit sind, zwischen 10 und 30 % ihrer individuellen Forderung an den Interessenvertreter abzutreten. 187 Dazu bereits im zweiten Kapitel, S. 85 ff. 188 Empfehlung kollektiver Rechtsschutz, a. a. O. (erstes Kapitel, Fn. 155), ErwGr. 17 und 18 sowie Nr. 6.
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Viertes Kapitel: Qualifikation zur Interessenvertretung
im Verdacht, von Anwaltskanzleien oder gar dem Schädiger selbst im negativen Sinne als Vehikel vorgeschoben zu werden, um entweder rein wirtschaftliche Interessen zu befriedigen oder aber negativen Einfluss auf ein Verfahren auszuüben. Im Gegensatz dazu bleiben die Vorzüge oftmals unerwähnt. Dazu gehört zuvorderst die Flexibilität ad hoc gegründeter Organisationen, die zur Vielfalt unter den Interessenvertretern beiträgt und so ein Monopol einiger weniger, angestammter Organisationen verhindert. Gleichzeitig kann ihre Flexibiltät auch gerade sicherstellen, dass sie sich ausschließlich und besonders eingehend einem bestimmten Interesse widmen, während „Wiederholungstäter“ der Gefahr ausgesetzt sind, widerstreitende Interessen verschiedener vertretener Gruppen in Einklang bringen zu müssen oder Gruppen zu verprellen.189 Wie insbesondere in der niederländischen Praxis erkennbar, spiegelt die Anzahl der bearbeiteten Fälle zudem nicht die Missbrauchsanfälligkeit eine Organisation wieder. Diese liegt vielmehr zunächst in der Freiheit begründet, die die jeweilige Rechtsform bietet. Im Gegensatz zur Ausnahmeerscheinung einer stichting nach niederländischem Recht unterliegen die juristischen Personen des deutschen Privatrechts deutlich strengerer interner sowie staatlicher Aufsicht. Sonderformen wie beispielsweise die sogenannte Ein-Mann-GmbH könnten durch entsprechende Regelungen vergleichbar dem Art. 3:305a II lit. a BW-E ausgeschlossen werden.190 Dies gilt zwar nicht für Personengesellschaften, die jedoch ausnahmslos die persönliche und gesamtschuldnerische Haftung ihrer Gesellschafter vorsehen. Aus diesem und anderen strukturellen Gründen sind sie als Repräsentant ohnehin eher ungeeignet. Des Weiteren wird das Missbrauchspotenzial maßgeblich durch die Kriterien bestimmt, die für eine Zulassung als Repräsentant vorausgesetzt werden. Der jüngste Gesetzesentwurf aus den Niederlanden zeigt dabei in begrüßenswerter Deutlichkeit, dass solche Kriterien durchaus auch für alle Organisationsformen gemeinsam gestaltet werden können, sofern sie einer entsprechend flexiblen Auslegung zugänglich bleiben. Diesbezüglich bleibt in der Empfehlung der EU-Kommission offen, warum die in Nr. 4 S. 2 genannten Kriterien gerade nicht für ad hoc zugelassene Einrichtungen gelten sollen.191 Klar ist, dass ein vorausgehendes Anerkennungsverfahren die Arbeit solcher Organisationen über Gebühr erschweren würde und daher ein anderer Überprüfungsmechanismus erforderlich ist. In dessen Rahmen sind jedoch wenigstens dieselben Kriterien, wenn nicht sogar ein insgesamt strengerer Maßstab angebracht.192 189
Zu beidem vgl. Tzankova/Henssler, in: Hodges/Stadler, S. 91, 103 f. So bereits zum Abschluss des dritten Kapitels, S. 260 mit Fn. 327. 191 Zu dieser Auslegung bereits im dritten Kapitel, Fn. 4. 192 Auch MvT, Wijziging van het Burgerlijk Wetboek en het Wetboek van Burgerlijke Rechtsvordering teneinde de afwikkeling van massaschade in een collectieve actie mogelijk te maken, TK 2016–2017, Kamerstuk 34 608, Nr. 3 S. 18. 190
§ 8 Eignung für den konkreten Fall
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Obwohl die Empfehlung wohl ein besonderes Zulassungsverfahren im Blick hat, dessen Ausgestaltung sie den einzelnen Mitgliedsstaaten überlassen will, sollten jedenfalls die in Empfehlung Nr. 4 S. 2 genannten Kriterien auch darin zur Anwendung kommen. Neben der inhaltlichen Notwendigkeit ist bereits nicht erkennbar, warum ad hoc zugelassene und vorab anerkannte Einrichtungen in diesem Punkt unterschiedlich behandelt werden sollten.193 Die Erfahrungen mit der UKla-Richtlinie haben zudem die Schwierigkeiten mit national abweichenden Zulassungskriterien hinreichend verdeutlicht, sodass insbesondere mit Blick auf eine grenzüberschreitende Tätigkeit die Missbrauchsgefahr eher erhöht würde. In diesem Punkt bedarf die Empfehlung daher der Korrektur.
§ 8 Eignung für den konkreten Fall Der vorausgehende § 7 hat sich der Frage gewidmet, welche abstrakt normierten Anforderungen an potenzielle Repräsentanten gestellt werden können. Damit bleibt für den jetzt folgenden Abschnitt die Qualifikation für den konkreten Fall zu erörtern. Mithilfe dieses weiteren Kriteriums gilt es sicherzustellen, dass die Interessen der Geschädigten gerade derart, wie sie in einem konkreten Einzelfall liegen, auch bestmöglich vertreten werden. Dieser weitere Schritt erlangt insbesondere dann Bedeutung, wenn kollektive Rechtsschutzmechanismen wie z. B. in den Niederlanden keiner sektoralen Begrenzung unterliegen. In diesen Fällen ist es ebenso wenig gerechtfertigt wie sinnvoll, den Kreis der grundsätzlich Klageberechtigten eng zu umgrenzen, soll das Verfahren doch gerade vielfältig und flexibel einsetzbar sein. Im Ausgleich dazu erlangt aber die Übereinstimmung der Interessen der Gruppenmitglieder mit denen des für sie Handelnden angesichts des konkreten Einzelfalls besondere Bedeutung. Nur soweit diese gewährleistet ist, lässt sich im weiteren Verfahren z. B. ein Minus an Mitwirkungsrechten im Vergleich zu einem Individualverfahren rechtfertigen. Aber auch in einem Verfahren, das lediglich auf ein bestimmtes Rechtsgebiet beschränkt ist, ist eine entsprechende Kontrolle unentbehrlich. Man denke nur an eine Unterlassungsklage gegen missbräuchliche AGB oder andere verbraucherschädigende Praktiken, die andernfalls auch ein gewerblicher Berufsverband im Verbraucherinteresse erheben könnte. Dementsprechend sieht auch die Empfehlung der EU-Kommission als eine Mindestvoraussetzung für Vertreterorganisationen einen „direkte[n] Zusammenhang zwischen den wichtigsten Zielen der Organisation und den […] Rechten [vor], deren Verletzung geltend
193 So auch ausdrücklich die Aanbevelingen juristengroep uitvoering motie Dijksma, TK 2016–2017, Kamerstuk 34 608, Beilage zu Nr. 3 S. 3 f.
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Viertes Kapitel: Qualifikation zur Interessenvertretung
gemacht wird und die Gegenstand der Klage sind“.194 Als Vergleichsgrundlage dienen aus den Mitgliedsstaaten wiederum Regelungen aus Deutschland (dazu I.) und den Niederlanden (dazu II.) Der genaue Zeitpunkt, an dem Fragen der Qualifikation zur Bearbeitung eines konkreten Falles erörtert werden, ist wie so oft zwischen den Verfahren verschieden. Allerdings ist offensichtlich, dass sowohl der jeweilige Repräsentant als auch das Klageziel und damit die Interessen der Vertretenen schon feststehen müssen. Im Kontext der Klageberechtigung insgesamt steht die Frage der Qualifikation für den konkreten Fall mithin am Schluss.
I. Die Übereinstimmung des Satzungszwecks und der tatsächlichen Verbandstätigkeit mit dem konkret geschützten Interesse in Deutschland 1. Gerichtliche Überprüfung von Verbraucherverbänden Eigentlich verlangt das Gesetz in den §§ 3 I 1 Nr. 1 UKlaG, 8 III Nr. 3 UWG und 33 II Nr. 2 GWB von einem deutschen Verbraucherverband wie gesehen lediglich eine wirksam fortbestehende Eintragung in der Liste qualifizierter Einrichtungen des Bundesamtes für Justiz. Weist ein klagender Verband diese mit Hilfe einer Bescheinigung gem. § 4 III 2 UKlaG nach, ist er nach der herrschenden Meinung von der Doppelnatur195 sowohl prozessführungs- als auch sachbefugt. Bei begründeten Zweifeln an der Einhaltung der Eintragungsvoraussetzungen bleibt dem Gericht nur die Möglichkeit und Pflicht das Verfahren gem. § 4 IV UKlaG auszusetzen und das Bundesamt für Justiz zu einer Überprüfung aufzufordern. Das Gericht selbst ist zu einer Kontrolle der sachlichen Richtigkeit der Eintragung nach Maßgabe des § 4 II 1 und 2 UKlaG jedenfalls nicht befugt.196 Als problematisch erweist sich aber, dass es „qualifizierten Einrichtungen“ i. S. d. § 4 II 1 UKlaG nach einstimmiger Auffassung erlaubt ist, ihre Tätigkeit in sachlicher oder räumlicher Hinsicht bzw. auf bestimmte Verbrauchergruppen zu beschränken.197 Angesichts der Konsequenzen einer solchen Beschränkung zerfällt die Einigkeit im Ausgangspunkt in eine Vielzahl verschiedener Ansichten und Begrifflichkeiten, die sich in vier Gruppen einteilen lassen: Zum Teil wird angenommen, nur die Prozessführungsbefugnis der betreffenden Verbände reduziere sich auf ihren in der Satzung festgelegten Tätigkeitsbereich.198 194
Empfehlung kollektiver Rechtsschutz, a. a. O. (erstes Kapitel, Fn. 155), Nr. 4 S. 2 lit. b. Vgl. bereits im zweiten Kapitel, S. 92 ff. 196 Micklitz, in: MK ZPO, § 3 UKlaG Rn. 16; Lindacher, in: W/L/P, § 4 UKlaG Rn. 2; Köhler/Feddersen, in: Köhler/Bornkamm, § 8 UWG Rn. 3.61; Paal, in: GroßkommUWG, § 8 UWG Rn. 241; vgl. auch den Entwurf eines Gesetzes über Fernabsatzverträge und andere Fragen des Verbraucherrechts […], BT-Drucks. 14/2658, S. 54 f. 197 Dazu bereits im dritten Kapitel, S. 212 mit Fn. 109. 198 Köhler/Feddersen, in: Köhler/Bornkamm, § 8 UWG Rn. 3.56. 195
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Andere gehen davon aus, die Aktivlegitimation sei entsprechend beschnitten.199 Eine dritte Gruppe betrachtet im Fall einer Beschränkung des Tätigkeitsfeldes sowohl Prozessführungsbefugnis als auch Aktivlegitimation als begrenzt.200 Eine große vierte Gruppe belässt es schließlich bei der dogmatisch undeutlichen Feststellung, die „Klagebefugnis“ sei limitiert.201 Eine sachliche, regionale oder sonstige Beschränkung des Betätigungsfelds muss jedenfalls in der Satzung des betreffenden Verbands niedergelegt sein und ist im Einzelfall aus deren Wortlaut, dem Sinn und Zweck der Satzungsbestimmung, ihrem systematischen Bezug zu anderen Satzungsvorschriften sowie darüber hinaus aus den tatsächlichen Umständen zu ermitteln.202 Ob einem handelnden Verband für eine konkrete Klage die Prozessführungs- und/oder die Sachbefugnis zukommt, kann aber unter diesen Umständen – ungeachtet eines wirksamen Listeneintrags – nur anhand des jeweiligen Einzelfalls und nur durch das befasste Gericht festgestellt werden. Eine Überprüfung i. S. d. § 4 IV UKlaG durch das Bundesamt für Justiz bezieht sich dagegen nur auf die Übereinstimmung mit § 4 II UKlaG und scheidet aus. Daraus folgt für die ganz überwiegende Ansicht in Rechtsprechung203 und Literatur204, das Gericht habe neben einer wirksam fortbestehenden Eintragung zu prüfen, ob die Prozess199 Witt, in: U/B/H, § 4 UKlaG Rn. 5a spricht davon, die „Sachbefugnis“ werde im Umfang der Beschränkung begrenzt. 200 Roloff, in: Erman, 13. Aufl., § 4 UKlaG Rn. 2; Ohly, in: Ohly/Sosnitza, § 8 UWG Rn. 111; wohl auch Schlosser, in: Staudinger, § 3 UKlaG Rn. 2 („Begrenzung der Klagebefugnis“) und § 4 UKlaG Rn. 6 („Beschränkung der Aktivlegitimation“); außerdem Büch, in: Teplitzky, Kap. 13 Rn. 31d f. und Jestaedt, in: Ahrens, Kap. 19 Rn. 67 f., 72, die im Anschluss an Erdmann, in: GroßkommUWG, 1. Aufl., § 13 UWG Rn. 89, 98 f., 104 neben prozessrechtlichen Grundvoraussetzungen auf materiell-rechtlicher Ebene eine „Verletzung des Verbandes selbst“ verlangen, für die die angegriffene Handlung in seinen Aufgaben- und Interessenbereich eingreifen muss. 201 Lindacher, in: W/L/P, § 3 UKlaG Rn. 16; Halfmeier, in: Prütting/Gehrlein, § 4 UKlaG Rn. 2; Ottofülling, in: MK LauterkeitsR, § 8 UWG Rn. 428; Büscher, in: F/B/O, § 8 UWG Rn. 273, 276; Goldmann, in: Harte/Henning, § 8 UWG Rn. 347. Eine Beschränkung der „Klagezuständigkeit“ folgt bei Micklitz, in: MK ZPO, § 4 UKlaG Rn. 17. 202 Ausführlich BGH NJW 2012, 1812, 1813 f.; außerdem Lindacher, in: W/L/P, § 3 UKlaG Rn. 16; Halfmeier, in: Prütting/Gehrlein, § 4 UKlaG Rn. 2; Witt, in: U/B/H, § 4 UKlaG Rn. 5. 203 BGH NJW 2012, 1812, 1813; andere teils in diesem Kontext zitierte Entscheidungen wie z. B. BGH NJW 1983, 1320; OLG Celle GRUR 1970, 473 f. oder OLG Hamburg NJW 1993, 1867, 1868 sind als Nachweis unbrauchbar, da sie vor der Einführung des Listensystems ergangen sind. Mindestens gewagt sind außerdem die Schlüsse von Meller-Hannich/ Höland, Evaluierung, S. 24 dort mit Fn. 13 f. von der Urteilsformulierung auf die Praxis, wobei noch dazu im zitierten Urteil des OLG Düsseldorf mit der Zentrale zur Bekämpfung unlauteren Wettbewerbs ein Verband i. S. v. § 3 I Nr. 2 UKlaG geklagt hatte. 204 Lindacher, in: W/L/P, § 3 UKlaG Rn. 23; Bassenge, in: Palandt, § 4 UKlaG Rn. 3; Witt, in: U/B/H, § 4 UKlaG Rn. 5a; Köhler, in: Köhler/Bornkamm, § 3 UKlaG Rn. 3a = Köhler/ Feddersen, a. a. O., § 8 UWG Rn. 3.61a; Ohly, in: Ohly/Sosnitza, § 8 UWG Rn. 111; Goldmann, in: Harte/Henning, § 8 UWG Rn. 347; unklar Micklitz, in: MK ZPO, § 3 UKlaG Rn. 14 und 16.
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führung im konkreten Einzelfall vom Satzungszweck des klagenden Verbands umfasst ist. Damit aber werden den Gerichten inhaltliche Feststellungen auferlegt, die mit Einführung des Listensystems ja gerade vermieden werden sollten. Im zugehörigen Gesetzesentwurf heißt es dazu: „[…] Dazu muss für Deutschland ein Meldeverfahren eingeführt werden. […] Die inhaltliche Prüfung, ob ein Verbraucherverband die Anforderungen erfüllt, muss durch das Bundesverwaltungsamt aus Anlass der Aufnahme in die Liste […] durchgeführt werden. Diese Prüfung kann dann aber künftig den ordentlichen Gerichten abgenommen werden, […]. Künftig soll die Klagebefugnis der Verbraucherverbände deshalb generell von der Aufnahme in die Liste nach § 22a oder nach Artikel 4 II der Richtlinie 98/27/EG abhängen.“ (Hervorhebung durch Verfasser).205
a) Rechtfertigungsversuche der Rechtsprechung Zur Rechtfertigung verweist der Bundesgerichtshof darauf, die zusätzliche gerichtliche Kontrolle sei erforderlich, weil bei der Eintragung eines Verbands eben nicht geprüft werde, ob und gegebenenfalls inwiefern dessen Tätigkeit nach seiner Satzung in örtlicher oder sachlicher Hinsicht beschränkt ist.206 Dabei handelt es sich jedoch um einen Zirkelschluss, da das Gesetz ausschließlich eine Eintragung in die vom Bundesamt für Justiz geführte Liste zur Bedingung erhebt. In den Gesetzesmaterialien zu § 22a AGBG a. F. heißt es zwar ausdrücklich: „Die Anforderungen an die Aufnahme in die Liste müssen denen entsprechen, unter denen Verbraucherverbände nach geltendem Recht klageberechtigt sind.“207
Zu diesen Anforderungen gehörte nach übereinstimmender Auffassung auch der Bezug des konkreten Falls zum Satzungszweck des klagenden Verbandes.208 Obwohl diese Auffassung die Gesetzesänderung überdauert hat, sieht das UKlaG aber keinerlei Bezug zwischen einer potentiellen inhaltlichen Beschränkung des Satzungszwecks und der Prozessführungs- und/oder Sach befugnis eines Verbandes vor.209 Darüber hinaus stützt der Bundesgerichtshof die gerichtliche Kontrolle des Satzungszwecks auf Art. 4 I 2 UKla-RL. Danach haben die Gerichte zu Gunsten 205 Entwurf
eines Gesetzes über Fernabsatzverträge und andere Fragen des Verbraucherrechts […], BT-Drucks. 14/2658, S. 52; vgl. auch Schmidt-Räntsch, DB 2002, 1595, 1596. 206 BGH NJW 2012, 1812, 1813; im Anschluss daran Goldmann, in: Harte/Henning, § 8 UWG Rn. 347. 207 Vgl. oben, Fn. 205. 208 Hierzu jetzt BGH NJW 1983, 1320; OLG Celle GRUR 1970, 473 f.; OLG Hamburg NJW 1993, 1867, 1868; außerdem Kohler, S. 71 und Lakkis, S. 175 f. jew. m. w. N. 209 Anders vor Gesetzesänderung, als dies nach übereinstimmender Auffassung in das Merkmal „zu deren satzungsgemäßen Aufgaben es gehört […]“ der §§ 13 II Nr. 1 AGBG a. F. bzw. 13 II Nr. 3 UWG a. F. hineininterpretiert wurde und das Merkmal in jedem Einzelfall zu prüfen und nachzuweisen war; vgl. auch Kohler, S. 74.
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„jede[r] qualifizierte[n] Einrichtung eines anderen Mitgliedstaats“ (Hervorhebung durch Verfasser) zwar grundsätzlich einen Listeneintrag als Nachweis der Berechtigung zu akzeptieren, behalten jedoch das Recht zu prüfen, „ob der Zweck der qualifizierten Einrichtung deren Klageerhebung in einem speziellen Fall rechtfertigt.“
Aus der Sicht der deutschen Gerichten bezieht sich die Norm nach ihrem Wortlaut also auf alle ausländischen Einrichtungen, die aufgrund eines Eintrags in die von der Europäischen Kommission geführte Liste in Deutschland gem. §§ 8 III Nr. 3 UWG, 33 II Nr. 2 GWB oder 3 I 1 Nr. 1 UKlaG Klagen erheben können. Um umgekehrt die von der Richtlinie vorgesehene Überprüfung deutscher „qualifizierter Einrichtungen“ durch ausländische Gerichte explizit zu ermöglichen, entschied sich der deutsche Gesetzgeber bei der Schaffung des Listensystems durch § 22a AGBG a. F. auch den satzungsgemäßen Zweck der jeweiligen Organisation in der Liste zu vermerken.210 Darauf aufbauend sieht der Bundesgerichtshof die deutschen Gerichte in Bezug auf alle nationalen wie ausländischen „qualifizierten Einrichtungen“ in der Pflicht. Das Gericht argumentiert, der deutsche Gesetzgeber habe von der durch Art. 7 UKla-RL eröffneten Möglichkeit, den „qualifizierten Einrichtungen“ auf nationaler Ebene weitergehende Handlungsbefugnisse einzuräumen, keinen Gebrauch gemacht. Während entsprechende über die Richtlinie hinausgehenden Rechte den gewerblichen Verbänden (§ 3 I Nr. 2 UKlaG) sowie den Industrie- und Handelskammern (§ 3 I Nr. 3 UKlaG) verliehen wurden, würden sich die Rechte aus- und inländischer „qualifizierter Einrichtungen“ decken. In beiden Fällen hätten die Gerichte daher zu kontrollieren, ob die Rechtsverfolgung im Einzelfall vom Satzungszweck noch gedeckt ist.211 Über elf Jahre nach der Einführung des Listensystems versucht sich der Bundesgerichtshof damit erstmals an einer Rechtfertigung für eine Prüfung, die im Gesetz schon ebenso lange nicht mehr vorgesehen ist. Sein Ansatz scheint dementsprechend bestenfalls aus der Not geboren und ignoriert, dass die Richtlinie selbst eine solche Direktwirkung grundsätzlich gar nicht entfalten kann.212 Der deutsche Gesetzgeber dagegen hat für das durch Art. 4 I 2 UKla-RL ermöglichte Prüfungsrecht der Gerichte weder in Bezug auf ausländische noch inländische „qualifizierte Einrichtungen“ eine Grundlage in der Umsetzungs210 Entwurf eines Gesetzes über Fernabsatzverträge und andere Fragen des Verbraucherrechts […], BT-Drucks. 14/2658, S. 54 f. 211 BGH NJW 2012, 1812, 1813; auch Witt, in: U/B/H, § 3 UKlaG Rn. 6 und § 4 UKlaG Rn. 5 f. 212 Zur Wirkungsweise von Richtlinien generell statt vieler Nettesheim, in: G/H/N, Art. 288 AEUV Rn. 136; Ruffert, in: Callies/Ruffert, Art. 288 AEUV Rn. 23; Schröder, in: Streinz, Art. 288 AEUV Rn. 72 ff.; zu Art. 4 I 2 UKla-RL im Speziellen von Moltke, S. 94; Kohler, S. 74; Greger, NJW 2000, 2457, 2461; Hess, in: Ernst/Zimmermann, S. 527, 537.
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gesetzgebung geschaffen.213 Ein Ausnahmefall unmittelbarer Wirksamkeit der Richtlinie wäre nur denkbar, wenn die betreffende Norm eine Verpflichtung des Staates im Wege einer objektiven Verpflichtung oder auf ihn gerichteter Ansprüche enthielte.214 Im Gegensatz dazu zielt die UKla-Richtlinie aber auf die Gleichstellung inländischer und ausländischer „qualifizierter Einrichtungen“ und ermöglicht gerade als Ausnahme dazu eine weitergehende Überprüfung der ausländischen Einrichtungen in Art. 4 I 2.215
b) Rechtfertigungsversuche der Literatur In der Literatur ist die Auseinandersetzung nur wenig ergiebiger. Einige der Stimmen, nach denen eine Beschränkung des Satzungszwecks die Prozessführungs- und/oder Sachbefugnis eines Verbands beeinflusst, enthalten sich sogar jedes Kommentars dazu, von wem und an welcher Stelle im Verfahren dies kontrolliert werden soll.216 Ein weiterer Teil geht ohne jede Begründung von einem entsprechenden Prüfungsrecht der Gerichte aus.217 Ein Großteil der lauterkeitsrechtlichen Literatur will jedenfalls in Bezug auf ausländische Einrichtungen die in Art. 4 I 2 UKla-RL genannte gerichtliche Kontrollbefugnis mithilfe einer richtlinienkonformen Auslegung des § 8 III Nr. 3 UWG zur Anwendung bringen.218 Dies würde aber voraussetzen, dass die Norm entsprechende Auslegungsspielräume bietet, was bereits zweifelhaft ist. Selbst wenn man solche aber mit einem entsprechend weiten Verständnis annähme und damit auch eine den Wortlaut übersteigende Rechtsfortbildung erlaubte, käme eine richtlinienkonforme Interpretation des nationalen Umsetzungsrechts nur dann in Betracht, wenn und soweit das nationale Umsetzungsrecht auch Interpretationsergebnisse zuließe, die mit der Richtlinienbestimmung unvereinbar wären.219 Das ist hier jedoch nicht der Fall. Die Richtlinie geht im Grundsatz von der Registrierung der Verbände in ihrem Heimatstaat und der Anerkennung der damit verbundenen Klageberechtigung in allen übrigen Mitgliedsstaaten 213
Anders z. B. die Niederlande in Art. 3:305c I BW oder Österreich in § 29 II Nr. 2 KSchG. Dazu jew. a. a. O. (Fn. 212) Nettesheim, Rn. 149 ff.; Schröder, Rn. 106 ff.; Ruffert, Rn. 57 ff. 215 Ausführlich Mankowski, WRP 2010, 186, 189 f.; außerdem Micklitz, in: MK ZPO, § 4 UKlaG Rn. 40, 43; beide aber scheinen Art. 4 I 2 UKla-RL unmittelbar eine gerichtliche Residualkompetenz in Bezug auf ausländische Einrichtungen zu entnehmen. 216 Roloff, in: Erman, 13. Aufl., § 4 UKlaG Rn. 2; Schlosser, in: Staudinger, § 3 UKlaG Rn. 2 und § 4 UKlaG Rn. 6; Halfmeier, in: Prütting/Gehrlein, § 4 UKlaG Rn. 2; exemplarisch Micklitz, in: MK ZPO, § 3 UKlaG Rn. 16. 217 Lindacher, in: W/L/P, § 3 UKlaG Rn. 23; Bassenge, in: Palandt, § 4 UKlaG Rn. 3; Ohly, in: Ohly/Sosnitza, § 8 UWG Rn. 111; vgl. auch Micklitz, in: MK ZPO, § 3 UKlaG Rn. 14. 218 Köhler/Feddersen, in: Köhler/Bornkamm, § 8 UWG Rn. 3.63; Büch, in: Teplitzky, Kap. 13 Rn 31; Jestaedt, in: Ahrens, Kap. 19 Rn. 50; Paal, in: GroßkommUWG, § 8 UWG Rn. 245; Büscher, in: F/B/O, § 8 UWG Rn. 277. 219 Nettesheim, in: G/H/N, Art. 288 AEUV Rn. 134 f. mit ausführlichen Nachweisen aus der Rspr. 214
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aus (sogenanntes Herkunftslandprinzip).220 Der Verzicht eines Mitgliedsstaats auf die von der Richtlinie eigentlich ermöglichte gerichtliche Residualkontrolle steht dem nicht entgegen. Etwas anderes lässt sich auch nicht aus der Deutung Mankowskis ableiten, der die satzungsmäßige Zwecksetzung eines Verbands als europäische Vorgabe begreift, der durch die Residualkontrolle zum Durchbruch verholfen wird.221 Es trifft zu, dass die Richtlinien einen gewissen Rahmen abstecken, innerhalb dessen sich der Zweck als Repräsentant tätiger Organisationen bewegen muss.222 Eine Einrichtung, die dem zwar nicht entspricht, aber dennoch aufgrund mangelhafter Umsetzungsgesetzgebung oder aber ihrer nachlässigen Anwendung registriert wird und ein Klagerecht erhält, wäre daher auch mit der jeweiligen Richtlinienbestimmung unvereinbar. Dieser Konflikt ergibt sich dann aber aus dem ausländischen Recht bzw. seiner Anwendung und kann nicht mithilfe der Auslegung einer deutschen Norm, hier § 8 III Nr. 3 UWG, behoben werden, die ihrerseits gänzlich richtlinienkonform ist. Auch kann es nicht Aufgabe der nationalen Zivilgerichte sein, durch die Hintertür mitgliedsstaatliche Umsetzungsgesetzgebung und deren Ausführung durch die registrierenden Verwaltungsbehörden zu kontrollieren. Aus Gründen der Vollständigkeit sei noch ergänzt, dass eine richtlinienkonforme Auslegung auch hinsichtlich inländischer, aber in ihrem Tätigkeitsbereich beschränkter, Einrichtungen nicht weiterhilft, da sie jedenfalls den Anforderungen des § 4 II UKlaG und damit auch denjenigen der Richtlinie entsprechen. Schließlich gesteht aus dem Kreis der Befürworter einer richtlinienkonformen Auslegung Büch zutreffend ein, dass auch mit ihr noch keinerlei Aussage dazu getroffen ist, welche Konsequenzen ein Gericht aus einer negativ befundenen Prüfung zu ziehen hätte.223 Ein weiterer Lösungsversuch ordnet den in Art. 4 I 2 UKla-RL vorgesehenen Vorbehalt den Missbrauchsklauseln in § 8 IV UWG und § 2b UKlaG (vor dem 24. 02. 2016 § 2 III UKlaG) zu.224 Danach könnte eine Klage als missbräuchlich zurückgewiesen werden, wenn der Satzungszweck der klagenden Einrichtung nicht mit dem Klagegegenstand korrespondiert. Gegen diesen Ansatz spricht schon unabhängig von inhaltlichen Fragen die damit verbundene uneinheitliche Anwendung. Zuvorderst bleibt die Rechtsnatur der Missbrauchsvorbehalte weiterhin ungeklärt. Die wohl herrschende Meinung zu § 8 IV UWG geht von einer prozessualen Regelung aus, die im Falle einer missbräuchlichen ge220
Vgl. oben, Fn. 215. Mankowski, WRP 2010, 186, 190. 222 Vgl. oben, S. 273 ff. 223 Büch, in: Teplitzky, Kap. 13 Rn. 31. 224 Köhler/Feddersen, in: Köhler/Bornkamm, § 8 UWG Rn. 3.63; Paal, in: Groß kommUWG, § 8 UWG Rn. 245; Mankowski, WRP 2010, 186, 190; Greger, NJW 2000, 2457, 2458 im Widerspruch zu sich selbst, a. a. O., S. 2461. 221
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richtlichen Geltendmachung die Prozessführungsbefugnis entfallen lässt. Sie stützt sich in erster Linie auf den Wortlaut der Norm („unzulässig“), die Gesetzesmaterialien225 sowie die Intention, Missbrauchsfälle möglichst früh und möglichst bereits auf prozessualer Ebene zu unterbinden.226 Eine andere vorwiegend zu § 2 III UKlaG a. F. vertretene Ansicht, siedelt die Norm ebenfalls im prozessualen Kontext an, bezieht sie jedoch auf das Rechtsschutzinteresse des jeweiligen Klägers, das dementsprechend im Missbrauchsfall nicht vorläge.227 Eine Mindermeinung fasst § 8 IV UWG schließlich als rechtsvernichtende materiell-rechtliche Einwendung auf, die den Unterlassungs- bzw. Beseitigungsanspruch erlöschen lässt.228 Eine von Seiten der UKla-Richtlinie erforderliche und durchaus wünschenswerte einheitliche Umsetzung des Art. 4 I 2 UKla-RL wäre damit keineswegs gewährleistet. Hinzu kommt noch, dass ein entsprechendes Prüfungsrecht der Gerichte dann nur bei Ansprüchen aus § 8 I UWG, § 2 UKlaG sowie seit kurzem auch § 1 UKlaG, mangels einer entsprechenden Norm aber nicht bei solchen aus § 33 I GWB möglich wäre. Jedenfalls in Bezug auf die AGB-Kontrollklage nach § 1 UKlaG war diese vormalige Differenz von der Bundesregierung explizit gewollt, die annahm, sei „wegen seines Gegenstands weniger missbrauchsanfällig“.229 Das überzeugte jedoch nicht, da Ansprüche und Klagen aus § 8 I (i. V. m. §§ 3 I, 3a) UWG und § 1 UKlaG sowohl den gleichen Anspruchsinhabern bzw. potenziellen Klägern offenstehen als auch im Fall damit verbundener Wettbewerbsverstöße weitgehend parallel verlaufen. Dementsprechend intervenierte bereits im weiteren Verlauf der Gesetzgebung der Rechtsausschuss. In seiner Empfehlung heißt es, in § 13 II Nr. 2 werde „die Missbrauchsklausel gegen Abmahnvereine ebenfalls eingefügt“ und für § 22 III Nr. 2 AGBG a. F. hält er es für erforderlich, „die eingrenzenden Bestimmungen zur Abwehr von Missbräuchen aus § 13 Abs. II UWG […] wörtlich zu übernehmen.“ Anpassungen an den Missbrauchsklauseln wurden dagegen ohne ersichtlichen Grund nicht vorgenommen und erst 225 Vgl. die Beschlussempfehlung des Rechtsausschusses zu § 13 V UWG a. F. in BTDrucks. 10/5771, S. 22: „[…] Klagebefugnis […] verneint“. 226 Zu § 8 IV UWG aus der jüngsten Rspr. BGH NJW 2013, 787, 788 und BGH GRUR 2012, 730, 731; aus der Lit.: Paal, in: GroßkommUWG, § 8 UWG Rn. 252; Büscher, in: F/B/O, § 8 UWG Rn. 283; Ohly, in: Ohly/Sosnitza, § 8 UWG Rn. 155; Goldmann, in: Harte/ Henning, § 8 UWG Rn. 632; Jestaedt, in: Ahrens, Kap. 20 Rn. 4 f.; Ulrich, in: FS von Gamm, S. 223, 228 ff.; Büch, in: Teplitzky, Kap. 13 Rn. 50 jew. nochmals m. w. N. 227 Micklitz, in: MK ZPO, § 2 UKlaG Rn. 52 und zudem zum Verständnis der Abgrenzung des Rechtsschutzinteresses von der Aktivlegitimation i. S. d. deutschen Rechts auch § 3 UKlaG Rn. 7, 37 f. und 42 f.; dem wohl folgend Erman/Rohloff, § 2 UKlaG Rn. 5; unklar Bassenge, in: Palandt, § 2 UKlaG Rn. 21; vgl. zu dieser Ansicht auch Jestaedt, in: Ahrens, Kap. 20 Rn. 4 mit Fn. 25 f. 228 Köhler/Feddersen, in: Köhler/Bornkamm, § 8 UWG Rn. 4.4. 229 Entwurf eines Gesetzes über Fernabsatzverträge und andere Fragen des Verbraucherrechts […], BT-Drucks. 14/2658, S. 53.
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mit Wirkung zum 24. 02. 2016 durch den neuen § 2b UKlaG nachgeholt.230 Bei § 33 I GWB besteht das Problem dagegen fort. Inhaltlich stellt sich darüber hinaus die Frage, ob die fehlende Übereinstimmung von Satzungszweck und Klagegegenstand überhaupt den Tatbestand einer missbräuchlichen Geltendmachung i. S. v. § 8 IV UWG bzw. § 2b UKlaG n. F. erfüllt. Einigkeit besteht insoweit, als beide Normen jeweils einen besonderen Missbrauchstatbestand enthalten und nicht das allgemeine Missbrauchsverbot jeweils in die betreffenden Gesetze übertragen wollen. § 8 IV UWG und § 2b UKlaG n. F. betreffen danach nur die Art und Weise der Geltendmachung von Ansprüchen aus § 8 I UWG bzw. §§ 1 bis 2a UKlaG inklusive aller vorprozessualen und prozessualen Umstände. Dazu zählen u. a. die Art und Schwere des verfolgten Verstoßes sowie das Verhalten von Gläubiger, Schuldner und allen übrigen Beteiligten. Anhand eines Gesamtbildes ist ein Missbrauch je Einzelfall gesondert festzustellen. Als übergeordnete Leitlinie dient eine Rechtsverfolgung aus sachfremden Motiven, insbesondere aus Gewinnerzielungs- oder Schädigungsabsicht.231 Während der jeweilige Kläger also nach Maßgabe der §§ 8 III UWG bzw. 3 UKlaG generell über Prozessführungs- und Sachbefugnis verfügt, beziehen sich die §§ 8 IV UWG und § 2b UKlaG n. F. auf deren missbräuchliche Ausnutzung im konkreten Fall. Eine trennscharfe Abgrenzung mag dabei zwar mitunter schwerfallen.232 Schon aus Gründen der Darlegungs- und Beweislast ist jedoch erforderlich zwischen Prozessführungs- bzw. Sachbefugnis und deren Missbrauch zu unterscheiden.233 So lassen sich die in ihrem sachlichen oder räumlichen Tätigkeitsbereich durch eigene Satzungsbestimmung beschränkten Verbände nicht mit den genannten sachfremden Motiven auf eine Stufe und damit unter Generalverdacht stellen. Der sie betreffende Kontrollmechanismus richtet sich vielmehr gegen eine potenzielle Überschreitung inhaltlicher Kompetenzen und betrifft damit eine originäre Frage des Prozessführungsrechts an sich.234 Hierfür ist ohne Belang, ob es sich um einen inländischen oder einen ausländischen auf der Liste der EU-Kommission eingetragenen Verband handelt. Bei Letzteren 230 Dazu Entwurf eines Gesetzes zur Verbesserung der zivilrechtlichen Durchsetzung von verbraucherschützenden Vorschriften des Datenschutzrechts, BT-Drucks. 18/4631, S. 24. 231 Köhler/Feddersen, in: Köhler/Bornkamm, § 8 UWG Rn. 4.10 f.; Goldmann, in: Harte/ Henning, § 8 UWG Rn. 640 ff.; Jestaedt, in: Ahrens, Kap. 20 Rn. 3; Büch, in: Teplitzky, Kap. 13 Rn. 44 ff.; Büscher, in: F/B/O, § 8 UWG Rn. 284–286; Paal, in: GroßkommUWG, § 8 UWG Rn. 256–258 jew. m. w. N. aus der Rspr. 232 Vgl. ausdrücklich Jestaedt, in: Ahrens, Kap. 20 Rn. 6, 8; Köhler/Feddersen, in: Köhler/ Bornkamm, § 8 UWG Rn. 4.9; Ulrich, in: FS von Gamm, S. 223, 228; exemplarisch noch zum alten Recht OLG Koblenz GRUR 1979, 496, 497, wo sowohl das Prozessführungsrecht an sich als auch eine missbräuchliche Ausübung in Frage stand. 233 Ulrich, in: FS von Gamm, S. 223, 226 f. 234 Vgl. Ulrich, ebenda: „Kein Zweifel konnte daran bestehen, daß ein Recht, ob materieller oder prozessualer Art, nur mißbraucht werden kann, sofern es überhaupt gegeben ist.“
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scheint lediglich die Bedrohung größer, da sie weder den Segen einer deutschen Listenbehörde für sich beanspruchen können, noch eine letzte Kontrollmöglichkeit besteht, wie sie § 4 IV UKlaG für inländische Einrichtungen vorsieht. Das ändert jedoch nichts daran, dass in- wie ausländische Einrichtungen bei sachfremder Vorgehensweise § 8 IV UWG und § 2b UKlaG n. F. unterliegen. Die von Art. 4 I 2 UKla-RL anvisierten Fragen einer inhaltlichen Betroffenheit bleiben dabei ungeklärt, wobei freilich die grenzüberschreitende Tätigkeit im Vordergrund stehen dürfte.235 Es ist durchaus nachvollziehbar, wenn Mankowski daher für eine pragmatische Lösung plädiert, anstatt „in Schönheit zu sterben“.236 Allerdings darf der Pragmatismus nicht dauerhaft in Stellung gebracht und dafür gesetzgeberische Fehler ignoriert werden, anstatt sie zu beheben. Dies gilt erst recht, wenn das Ventil der Missbrauchsklauseln konkret „über dessen eigentlichen Anwendungsbereich hinaus“ geweitet werden müsste, was Mankowski zutreffend eingesteht. Damit aber werden das Herkunftslandprinzip und die grenzüberschreitende Anerkennung über Gebühr beansprucht und die angestrebte Angleichung der Vorschriften gefährdet.237 Gleichzeitig wird der Anreiz begraben, den Fehler im Sinne der Richtlinie zu korrigieren. Einen gänzlich anderen Lösungsansatz entwickelt schließlich Kohler238. Sie nimmt an, § 3 I 1 Nr. 1 UKlaG gewähre demjenigen einen Anspruch aus § 1 bzw. § 2 UKlaG, der in die Liste des Bundesamtes für Justiz eingetragen ist. Die Aktivlegitimation239 bestehe damit jedoch nur im Umfang der Eintragung und die Übereinstimmung von Klagegegenstand und Eintragungsumfang könne vom Gericht überprüft werden. Dabei bleibt offen, ob das Gericht seine Prüfung ausschließlich auf den konkret in der Liste verzeichneten Satzungszweck stützen oder auch die Satzung selbst bzw. ihre tatsächliche Handhabung berücksichtigen darf. Auch diese Herangehensweise hat aber weitere Schwächen. Wesentlich bleibt, dass der Wortlaut des § 3 I 1 Nr. 1 UKlaG nur von „eingetragen“ spricht und keine Abstufungen vorsieht. Gleichzeitig enthält die Liste Angaben zum Satzungszweck jeder Einrichtung, die grundsätzlich der Abgrenzung dienen könnten. Ein Blick in die derzeitige Liste qualifizierter 235 Diesbezüglich dient ausgerechnet die deutsche Praxis als Paradebeispiel, da das Bundesamt für Justiz die gesamte inländische Liste lediglich an die EU-Kommission weiterleitet und somit Einrichtungen dort registriert werden, die nicht grenzüberschreitend tätig werden (wollen), vgl. im fünften Kapitel, S. 358 mit Fn. 12 f. 236 Mankowski, WRP 2010, 186, 190. 237 Im Gegenteil sollten die Normen daher mit Micklitz, in: MK ZPO, § 2 UKlaG, Rn. 54 „krassen Einzelfällen“ vorbehalten bleiben. 238 Kohler, S. 75 ff. 239 Die Frage, ob § 3 UKlaG die Prozessführungsbefugnis, die Aktivlegitimation oder beide betrifft, soll hier weiterhin offen bleiben; vgl. dazu bereits im zweiten Kapitel, S. 92 ff. Sie ist aber hier auch nicht von Belang, da der Eintragungsumfang in gleichem Maße die Prozessführungsbefugnis begrenzen könnte.
§ 8 Eignung für den konkreten Fall
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Einrichtungen240 offenbart aber, wie wenig die dort niedergelegten Angaben teilweise aussagen. Das gilt insbesondere für die zu mehr als einem Drittel der Einrichtungen verwendete Formulierung: „Wahrnehmung der Interessen der Verbraucher durch Aufklärung und Beratung; zur Führung von Verbandsklagen im Interesse der Verbraucher berechtigt“.
Mit anderen Worten wurde hier lediglich der Wortlaut des § 4 I 2 UKlaG eingefügt. Eine Prüfung nach den vom Bundesgerichtshof geforderten Maßstä ben241 ist nur anhand dessen undenkbar. Ebenso wenig hilft die Pauschalangabe einem ausländischen Gericht bei einer Prüfung i. S. v. Art. 4 I 2 UKla-RL. Scheinbar in Antizipation dessen nennt die Liste zudem zum Zweck jeder Einrichtung auch die jeweils maßgebliche Satzungsbestimmung. Eine Überprüfung der Satzungsbestimmungen im Einzelnen und ggf. sogar ihrer tatsächlichen Umsetzung durch das Gericht griffe allerdings wieder in die Prüfungskompetenz des Bundesamtes für Justiz ein.
c) Ergebnis Zusammenfassend bleibt es dabei, dass eine gesetzliche Grundlage für die nach dem alten Recht geforderte Übereinstimmung von Satzungszweck und Klagegegenstand im Einzelfall fehlt. In konsequenter Anwendung der §§ 3 I 1 Nr. 1 UKlaG, 8 III Nr. 3 UWG und 33 II Nr. 2 GWB müssten die Gerichte derzeit jede auf der Liste des Bundesamtes für Justiz oder der Europäischen Kommission registrierte Einrichtung ohne weitere Überprüfung ihres Satzungszwecks zur Klage zulassen. Eine Gesetzesänderung242 ist daher dringend notwendig.
2. Verbände zur Förderung gewerblicher und selbstständiger beruflicher Interessen Bedingt durch die gerichtliche Überprüfung der gewerblichen Verbände je Einzelfall im Unterschied zum Listensystem bei den Verbraucherverbänden orientieren sich hierbei auch die Anforderungen mehrheitlich am konkreten Fall. Sie sind insbesondere als Reaktion auf eine ausgiebige Abmahnpraxis sogenannter Gebühren- oder Abmahnvereine in den 1980er und 90er Jahren entstanden und sollen daher in erster Linie der Missbrauchsprävention dienen.243 Mit Blick auf ihre Mitglieder setzen die §§ 8 III Nr. 2 UWG, 33 II Nr. 1 GWB und 3 I Nr. 2 UKlaG in verklausuliertem Wortlaut voraus, dass den Verbänden 240 Online abrufbar unter https://www.bundesjustizamt.de/DE/Themen/Buergerdienste/ Verbraucherschutz/qualifizierte_Einrichtungen/Liste_node.html (zuletzt besucht am 12. 04. 2017). 241 Vgl. oben, S. 315 mit Fn. 202. 242 Einzelheiten dazu sogleich, S. 359 ff. 243 Vgl. den Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb, BT-Drucks. 12/7345, S. 4 und 5 f.
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„eine erhebliche Zahl von Unternehmern angehört, die Waren oder Dienstleistungen gleicher oder verwandter Art auf demselben Markt vertreiben“.
Den Ausgangspunkt bilden zunächst „Waren oder Dienstleistungen“. Als „Ware“ gilt jedes Gut, dass nach seiner wirtschaftlichen Funktion Gegenstand eines Handels im geschäftlichen Verkehr sein kann. „Dienstleistung“ meint demgegenüber alle geldwerten unkörperlichen Leistungen, die ungeachtet des zugrundeliegenden Vertrags für einen anderen erbracht werden und ihm zu Gute kommen sollen.244 Entsprechend dieser weiten Auslegung qualifiziert § 2 I Nr. 1 letzter Hs. UWG auch Grundstücke als Waren sowie Rechte und Verpflichtungen als Dienstleistungen. Beide werden zudem im gesamten UWG gleichbehandelt, sodass sich eine genaue Abgrenzung erübrigt.245
a) Erhebliche Anzahl von Mitgliedern auf dem sachlich und räumlich relevanten Markt Klagende Verbände finden nur dann Berücksichtigung, wenn ihre Mitglieder Waren oder Dienstleistungen in „gleicher oder verwandter Art“ und „auf demselben Markt“ wie der Beklagte vertreiben. Gemeint sind damit Unternehmen, die dem Verletzer auf demselben sachlich und räumlich relevanten Markt als Wettbewerber begegnen, also um Kunden konkurrieren können.246 In sachlicher Hinsicht muss zwischen beiden ein Wettbewerbsverhältnis bestehen, indem sich die betreffenden Waren oder Dienstleistungen ihrer Art nach so gleichen oder nahe stehen, dass der Absatz des einen Unternehmers durch irgendein wettbewerbswidriges Handeln des anderen beeinträchtigt werden kann. Es reicht aus, wenn die Mitgliedsunternehmen eine zumindest nicht gänzlich unbedeutende Beeinträchtigung mit einer gewissen, wenn auch nur geringen Wahrscheinlichkeit zu befürchten haben. Die Anforderungen an den sachlich relevanten Markt sind weit gefasst. Im Regelfall agieren der Verletzer und die Mitgliedsunternehmen in derselben Branche oder in Branchennähe. Eine Beeinträchtigung im o. g. Sinne kommt aber auch über verschiedene Branchen hinweg, zwischen verschiedenen Handelsstufen oder auch bei einem unterschiedlichen Abnehmerkreis in Betracht.247 Maßgeblicher Anknüpfungs244 Ottofülling, in: MK LauterkeitsR, § 8 UWG Rn. 383 f.; Köhler, in: Köhler/Bornkamm, § 2 UWG Rn. 39. 245 Köhler, ebenda. 246 BGH NJW 1996, 3278, 3279; BGH NJW 1997, 1782; BGH GRUR 1998, 498, 499; BGH GRUR 2000, 1084, 1085; Köhler/Feddersen, in: Köhler/Bornkamm, § 8 UWG Rn. 3.35. 247 Aus der ständigen Rspr. BGH NJW 1996, 3278, 3279; BGH NJW 1997, 1782; BGH GRUR 1998, 498, 499; BGH NJW 2000, 1792 f.; BGH GRUR 2006, 778, 779; BGH GRUR 2007, 610, 611; BGH GRUR 2007,809, 810; mit umfangreichen weiteren Nachweisen Jestaedt, in: Ahrens, Kap. 19 Rn. 32 ff.; Köhler/Feddersen, in: Köhler/Bornkamm, § 8 UWG Rn. 3.35 und 3.38 f.; Ottofülling, in: MK LauterkeitsR, § 8 UWG Rn. 385ff; Paal, in: GroßkommUWG, § 8 UWG Rn. 214 f.; außerdem Goldmann, in: Harte/Henning, § 8 UWG Rn. 324 f.; F ritzsche, in: G/L/E, § 79 Rn. 188.
§ 8 Eignung für den konkreten Fall
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punkt ist das konkret angegriffene Wettbewerbsverhalten des in Anspruch Genommenen und damit nicht sein Gesamtsortiment an Waren oder Dienstleistungen, sondern nur derjenige Geschäftsbereich, dem das betreffende Verhalten zuzuordnen ist.248 Das Element „auf demselben Markt“ bezweckt daneben eine Marktabgrenzung in räumlicher Hinsicht, sodass sich eine sachliche Beeinträchtigung auch als praktisch wahrscheinlich erweist und für die betroffenen Mitglieder wirtschaftlich nicht völlig unbedeutend wäre. Der räumlich relevante Markt kann danach örtlich begrenzt sein oder auch das gesamte Bundesgebiet umfassen. Er bestimmt sich anhand der Geschäftstätigkeit und des Angebots des angegriffenen Unternehmens.249 Dem klagenden Verband muss schließlich „eine erhebliche Zahl“ von Unternehmern i. S.v § 2 I Nr. 6 UWG angehören, die auf dem sachlich und räumlich relevanten Markt tätig sind. Mit dieser im Zuge der UWG-Reform 1994 neu eingeführten Voraussetzung wandte sich der Gesetzgeber gegen das missbräuchliche Vorgehen zahlreicher sogenannter Gebühren- oder Abmahnvereine vor allem durch ein massenhaftes Abmahnen und Verfolgen von Verstößen mit nur marginaler Bedeutung für das Wettbewerbsgeschehen insgesamt oder auch für einzelne Mitbewerber.250 Anstelle sachfremder, z. B. finanzieller Individualinteressen des Klägers soll damit wieder ausschließlich eine kollektive Wahrnehmung von Mitgliederinteressen sichergestellt werden.251 In diesem Sinne ist das Merkmal nicht wörtlich zu verstehen oder eine abstrakt und generell maßgebliche Mitgliederzahl bestimmbar. Die Anzahl ist vielmehr dann „erheblich“, wenn die Mitgliedsunternehmen je Einzelfall die Angehörigen des relevanten Marktes derart repräsentieren, dass die Tätigkeit des Verbands durch die Interessen dieser Mitglieder zwingend mitbestimmt wird. Die Mitglieder bieten in diesem Fall aufgrund ihrer Anzahl, Größe oder Marktbedeutung eine Gewähr für die Rechtsverfolgung des Verbands im Dienste ihrer gemeinsamen Interessen.252 Erforderlich ist eine Gesamtbeurteilung aller Umstände des 248 BGH
810.
GRUR 2006, 778, 779; BGH GRUR 2007, 610, 611; BGH GRUR 2007,809,
249 BGH NJW 1996, 3278, 3279; BGH NJW 1997, 1782; BGH GRUR 1998, 170; BGH GRUR 1998, 498, 499; BGH GRUR 2000, 619, 620; BGH NJW 2001, 371, 372; BGH GRUR 2009, 692, 693; aus der Lit. jew. a. a. O. (Fn. 247) Jestaedt, Rn. 39 ff.; Köhler/Feddersen, Rn. 3.40 f.; Ottofülling, Rn. 390 ff.; Paal, Rn. 216; Fritzsche, Rn. 190; vgl. auch den Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des UWG, BT-Drucks. 12/7345, S. 11. 250 Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des UWG, ebenda, S. 10 und 12. 251 Ebenda, S. 12; ebenso der Entwurf eines Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb, BT-Drucks. 15/1487, S. 23. 252 BGH NJW 1996, 3276, 3277; BGH GRUR 1998, 489, 491; BGH NJW 1998, 815, 816 f.; BGH NJW 2004, 854, 855; BGH GRUR 2007, 610, 611; BGH GRUR 2007, 809, 810; BGH NJW 2009, 1886, 1887; Jestaedt, in: Ahrens, Kap. 19 Rn. 30; Köhler/Feddersen, in: Köhler/Bornkamm, § 8 UWG Rn. 3.42a; Ottofülling, in: MK LauterkeitsR, § 8 UWG Rn. 398 f.; Paal, in: GroßkommUWG, § 8 UWG Rn. 217 f.; Büscher, in: F/B/O, § 8 UWG Rn. 257; Ohly, in: Ohly/Sosnitza, § 8 UWG Rn. 103; Büch, in: Teplitzky, Kap. 13 Rn. 30 f.
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inzelfalls.253 Demgegenüber benötigt ein Verband weder eine Mindestanzahl E von Mitgliedern, noch ist der Anteil der betreffenden Mitglieder an der Gesamtmitgliederzahl von Bedeutung. Ebenso wenig muss ihm ein bestimmtes Quorum an Mitbewerbern angehören oder ist das Verhältnis der Mitglieder zu den Angehörigen des relevanten Marktes insgesamt erheblich.254 Des Weiteren sind für das Merkmal nicht nur unmittelbare, sondern auch mittelbare Mitglieder zu berücksichtigen, mithin alle Unternehmer, die z. B. einem Fach- oder Spitzenverband oder einer Industrie- und Handelskammer angehören, die ihrerseits wiederum Mitglied im klagenden Verband ist. Dies ist allerdings nur möglich, wenn der vermittelnde Verband seinerseits die Förderung gewerblicher oder selbständiger beruflicher Interessen seiner Mitglieder bezweckt. Alle Voraussetzungen des § 8 III Nr. 2 UWG muss er dagegen nicht selbst erfüllen.255 Zu den praktisch bedeutsamsten Verbänden, die schon früh auf diese Weise für das gesamte Bundesgebiet als klagebefugt anerkannt wurden, zählen die Zentrale zur Bekämpfung des unlauteren Wettbewerbs (Wettbewerbszentrale) sowie der Deutsche Schutzverband gegen Wirtschaftskriminalität (DSW).256 Eine Vielzahl weiterer Verbände folgte. Angesichts der breiten Anerkennung mittelbarer Mitgliedschaften u. a. durch den Bundesgerichtshof gibt Büch257 zu bedenken, dass sich Verbände ausschließlich zu diesem Zweck gegenseitig beitreten könnten und befürwortet zu Recht die Motive im jeweiligen Einzelfall zu überprüfen. Das damit benannte Risiko hat die Rechtsprechung in jüngeren Entscheidungen jedenfalls zum Teil aufgegriffen und klargestellt, dass die Voraussetzungen für eine Verbandsklagebefugnis nicht mit Hilfe der Mitgliedschaft anderer Organisation nur künstlich geschaffen werden darf.258
b) Absatz- und Nachfragewettbewerb Mit dem Begriff „vertreiben“ erfasst der Wortlaut schließlich jeden Absatz von Waren und Dienstleistungen auf dem Markt und damit alle Wettbewerbshandlungen, die darauf abzielen sie dem allgemeinen Handelsverkehr zuzuführen. 253 Köhler/Feddersen, in: Köhler/Bornkamm, § 8 UWG Rn. 3.42 kritisert unter Verweis auf BGH GRUR 1997, 934, 936 den damit verbundenen „erheblichen Prüfungsaufwand“, der bisweilen zu einer „Erbsenzählerei“ nötige; ebenso Ottofülling, in: MK LauterkeitsR, § 8 UWG Rn. 396; Paal, in: GroßkommUWG, § 8 UWG Rn. 217; zustimmend auch Büch, in: Teplitzky, Kap. 13 Rn. 30c mit Fn. 176. 254 Vgl. die Literaturnachweise in Fn. 252 jew. m. N. aus der Rspr. 255 Jestaedt, in: Ahrens, Kap. 19 Rn. 45 m. w. Nachw. aus der Rspr.; Ottofülling, in: MK LauterkeitsR, § 8 UWG Rn. 401 ff.; Goldmann, in: Harte/Henning, § 8 UWG Rn. 312 ff.; Paal, in: GroßkommUWG, § 8 UWG Rn. 219; Köhler/Feddersen, in: Köhler/Bornkamm, § 8 UWG Rn. 3.43; Büch, in: Teplitzky, Kap. 13 Rn. 30d. 256 Dazu BGH NJW 1995, 724, 725 und BGH NJW 1995, 1361, 162. 257 Büch, in: Teplitzky, Kap. 13 Rn. 30e; ebenso bereits Teplitzky, 10. Aufl., Kap. 13 Rn. 30c; darauf verweisend Ottofülling, in: MK LauterkeitsR, § 8 UWG Rn. 406. 258 BGH GRUR 2003, 454, 455; BGH GRUR 2006, 873, 874 f.; BGH GRUR 2007, 610, 611.
§ 8 Eignung für den konkreten Fall
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Lediglich reine Vorbereitungsmaßnahmen reichen nicht aus259 Als problematisch erweist sich damit aber, dass der Begriff des Vertreibens im genannten Kontext nur den Absatz, nicht aber den Bezug von Waren oder Dienstleistungen einschließt und damit der Nachfragewettbewerb im Wortlaut nicht berücksichtigt wird. Ein großer Teil der Literatur beurteilt dies als „rechtspolitisch verfehlt“, weil relevante Wettbewerbsverstöße in beiden Bereichen gleichermaßen vorkommen könnten.260 Bei seiner Entstehung 1896 und 1909 konzentrierte sich das UWG ausschließlich auf den Angebotswettbewerb und übernahm damit die Funktion eines Gesetzes zum Schutz von Konkurrenten in einem horizontalen Wettbewerbsverhältnis. In der Zeit zwischen den 1950er und 1970er Jahren setzte sich dann jedoch ausgehend vom Kartellrecht die Erkenntnis durch, dass auch der Nachfragemarkt des Schutzes gegen unlauteres Wettbewerbsverhalten bedarf.261 Der zentrale Begriff der „Handlungen zu Zwecken des Wettbewerbs“ in § 1 UWG a. F. schloss daher nach letztlich unbestrittener Auffassung Handlungen auf Anbieter- sowie auf Nachfragerseite ein.262 Gleichzeitig unterschied das UWG von Beginn an bis zu seiner Reform 2004 zwischen verschiedenen Anspruchstellern. Dem aufgrund wettbewerbswidrigen Verhaltens unmittelbar verletzten Mitbewerber oder auch unmittelbar Betroffenen standen Ansprüche u. a. aus § 1 oder § 3 UWG a. F. direkt zu. Hinzu kamen alle sonstigen Mitbewerber mit nur einem sogenannten abstrakten Wettbewerbsverhältnis zum Anspruchsgegner sowie die gewerblichen Verbände. In § 13 I UWG i. d. F. vom 07. 06. 1909 heißt es dazu: „In den Fällen der §§ 1, 3 kann der Anspruch auf Unterlassung von jedem Gewerbetreibenden der Waren oder Leistungen gleicher oder verwandter Art herstellt oder in den geschäftlichen Verkehr bringt […], oder von Verbänden zur Förderung gewerblicher Interessen geltend gemacht werden.“
Derselbe Passus war zuvor nahezu gleichlautend bereits in § 1 I 2 des Gesetzes zur Bekämpfung des unlauteren Wettbewerbs von 1896 enthalten.
259 Paal, in: GroßkommUWG, § 8 UWG Rn. 213; Ottofülling, in: MK LauterkeitsR, § 8 UWG Rn. 382; Köhler/Feddersen, in: Köhler/Bornkamm, § 8 UWG Rn. 3.37; Jestaedt, in: Ahrens, Kap. 19 Rn. 38; Goldmann, in: Harte/Henning, § 8 UWG Rn. 320 f.; Erdmann, in: G/L/E, § 33 Rn. 9. 260 Jew. ebenda Paal; Ottofülling; Köhler/Feddersen; Ohly und Jestaedt; außerdem Fritzsche, in: G/L/E, § 79 Rn. 187. 261 Fezer, in: F/B/O, § 2 Nr. 3 UWG D Rn. 23; Erdmann, in: G/L/E, § 33 Rn. 10; Ohly, in: Ohly/Sosnitza, § 2 UWG Rn. 46. 262 Sich noch ausschließlich auf „Absatz“ bzw. „Vertrieb“ beziehend BGH GRUR 1952, 582, 584 und BGH GRUR 1953, 293, 294; anders dann erstmals BGH GRUR 1967, 138, 141 m. zust. Anm. Droste, S. 142; dies fortführend BGH GRUR 1977, 619, 620 f.; BGH GRUR 1982, 677, 678; BGH GRUR 1982, 737 f.
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Erst mit Wirkung ab dem 01. 01. 1987 wurde er leicht angepasst und lautete fortan in § 13 II UWG a. F.: „In den Fällen der §§ 1, 3, 4, 6 bis 6e, 7, 8 kann der Anspruch auf Unterlassung geltend gemacht werden 1. von Gewerbetreibenden, die Waren oder gewerbliche Leistungen gleicher oder verwandter Art vertreiben, 2. von rechtsfähigen Verbänden zur Förderung gewerblicher Interessen […].“
Eine inhaltliche Änderung war jedoch auch hiermit nicht verbunden. Der Gesetzgeber nahm nur anderen Regelungsbedarf im Gesetz zum Anlass, § 13 wegen der zuvor „zum Teil schwer verständlichen Art“ redaktionell umzugestalten.263 Während der Anspruch des unmittelbar Betroffenen aus § 1 UWG also wie gesehen auch Fälle des Nachfragewettbewerbs abdeckte, war § 13 I UWG a. F. und im Anschluss § 13 II Nr. 1 UWG a. F. auf ein in Verkehr Bringen bzw. den Vertrieb und damit den Absatzmarkt beschränkt. Eine Analogie wurde dennoch nicht erwogen.264 Der einschränkende Wortlaut betraf die gewerblichen Verbände dagegen im Gesetz wie auch seiner praktischen Anwendung zunächst nicht265 bis er mit der UWG-Reform 1994 zur „Einschränkung der Klagebefugnis“ auch in § 13 II Nr. 2 UWG integriert wurde.266 Seit der umfassenden UWG-Reform 2004 finden sich nun alle Anspruchsnormen gemeinsam in den §§ 8 ff. UWG. Der Unterlassungsanspruch nach § 8 I UWG wie auch der Schadenersatzanspruch des § 9 UWG steht seitdem zunächst dem nun in § 2 I Nr. 2 UWG legal definierten „Mitbewerber“ zu. Dabei handelt es sich um jeden „Unternehmer, der mit einem oder mehreren Unternehmern als Anbieter oder Nachfrager von Waren oder Dienstleistungen in einem konkreten Wettbewerbsverhältnis steht.“
Im Gesetzentwurf heißt es dazu erstmals klarstellend, Unternehmen ständen „in der Regel dann miteinander im Wettbewerb, wenn sie den gleichen Abnehmerkreis bzw. Lieferantenkreis haben“ (Hervorhebung durch Verfasser).267 263 Entwurf
eines Gesetzes zur Änderung wirtschafts- und verbraucherrechtlicher Vorschriften, BT-Drucks. 10/4741, S. 17. 264 Vgl. aus der Rspr. BGHZ 18, 175,181 f.; BGH GRUR 1966, 445, 446; BGH GRUR 1969, 479, 480; BGH NJW 1981, 1616; BGH NJW 1988, 3154, 3155; aus der Lit. Erdmann, in: GroßkommUWG, 1. Aufl., § 13 UWG, Rn. 40. 265 Vgl. dazu BGH GRUR 1977, 619, 620 (insoweit nicht vollständig abgedruckt in NJW 1977, 1242) und BGH NJW 1983, 171. 266 Vgl. den Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des UWG, BT-Drucks. 12/7345, S. 1 und S. 10 ff., der a. a. O., S. 11 und 12 klarstellt, dass „hinsichtlich der Voraussetzung eines Wettbewerbsverhältnisses im übrigen auf die bisherige Praxis zurückgegriffen werden kann“. 267 Entwurf eines Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb, BT-Drucks. 15/1487, S. 16.
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Gleichzeitig betont der Gesetzgeber zum Begriff der Wettbewerbshandlung in § 2 I Nr. 1 UWG a. F. als „Zentralbegriff des UWG“ im Anschluss an die fast fünfzigjährige Praxis: „Er umfasst nicht nur die eigene Absatzförderung, sondern auch […] Handlungen im Nachfragewettbewerb.“ (Hervorhebung durch Verfasser).268
Im Gegensatz zu § 2 I Nr. 2 UWG wurde der Wortlaut des § 8 III Nr. 2 UWG aber in diesem Punkt gegenüber § 13 II Nr. 2 UWG a. F. unverändert beibehalten. Auf dieser Grundlage ist nun also § 8 III Nr. 1 UWG ausdrücklich auch in Fällen des Nachfragewettbewerbs anwendbar, Nr. 2 ihrem Wortlaut zufolge dagegen nicht. Von einer eng an diesem Wortlaut orientierten Auslegung könnte jedoch ausnahmsweise abzuweichen sein, wenn es die Gesetzessystematik oder der Sinn und Zweck der Norm erfordern.269 Im systematischen Kontext beziehen die Legaldefinitionen der Begriffe „geschäftliche Handlung“, „Mitbewerber“ sowie „Marktteilnehmer“ in § 2 I Nr. 1, 2 und 3 UWG alle sowohl den Absatz- als auch den Nachfragewettbewerb ein. Zwingende Konsequenzen für die Verbandsklagebefugnis in § 8 III Nr. 2 UWG ergeben sich daraus jedoch nicht. § 8 III Nr. 1 UWG und § 9 UWG eröffnen allen Mitbewerbern i. S. v. § 2 I Nr. 3 UWG Ansprüche und ihre Durchsetzung. Beide stehen unabhängig von der hier behandelten Frage wegen § 2 I Nr. 3 UWG bzw. § 8 III Nr. 2 UWG allgemein unter dem Vorbehalt, dass der Mitbewerber oder die Verbandsmitglieder mit dem Anspruchsgegner im Wettbewerb stehen. Den Marktteilnehmern i. S. v. § 2 I Nr. 2 UWG, die qua definitionem auch keine Verbraucher sind, bleiben Ansprüche und der Klageweg damit generell verschlossen.270 Eine Verbandsklagebefugnis in jedem Fall einer unlauteren geschäftlichen Handlung sieht das Gesetz somit offensichtlich nicht vor. Angesichts der weiteren Anforderungen des § 8 III Nr. 2 UWG an Verbandsausstattung und -mitglieder, zwischen denen keine Hierarchie erkennbar ist, lässt sich auch eine Verbandsklagebefugnis in allen Fällen einer Berührung von Mitgliederinteressen nicht als zwingend begründen. Der Wortlaut des § 8 III Nr. 2 UWG steht damit weder systematisch noch teleologisch mit dem übrigen Gesetz in einem Konflikt, der eine Auslegung darüber hinaus rechtfertigen würde. Ohne eine Lösung im Wege der Auslegung überhaupt erst in Betracht zu ziehen, spricht sich ein großer Teil der Literatur unter Verweis auf die § 2 I Nr. 1–3 UWG für eine analoge Anwendung des § 8 III Nr. 2 UWG auf Fälle des Nachfragewettbewerbs aus.271 Nur Goldmann hält eine „Ausgrenzung des Nachfragemarktes“ für hinnehmbar und sieht dort für eine Verbandsklagebefugnis 268 Ebenda.
269 So auch in geringfügig anderem Kontext BGHZ 152, 121, 127 ff. zu § 3 I Nr. 2 UKlaG a. F. und LG Köln, GRUR-RR 2010, 124, 125 zu § 33 II GWB a. F. 270 Zu dieser weiteren Schutzlücke sogleich S. 335 ff. 271 Jew. a. a. O. (Fn. 259) Paal; Ottofülling; Köhler/Feddersen; Ohly und Jestaedt; außerdem Fritzsche, in: G/L/E, § 79, Rn. 187.
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neben der Befugnis der Mitbewerber aus § 8 III Nr. 1 UWG kein Bedürfnis.272 Aus eben diesem Grund und der zuvor dargestellten Systematik steht aber bereits eine für die Analogie erforderliche Regelungslücke in Zweifel. Diese Lücke müsste zudem noch planwidrig, also vom Gesetzgeber unbeabsichtigt sein. Allerdings besteht die fragliche Gesetzespassage wie gesehen dem Grunde nach seit nahezu 110 Jahren. Währenddessen hat der Gesetzgeber ungeachtet der von Rechtsprechung und Literatur letztlich unbestrittenen Bedeutung des Nachfragemarktes für das UWG an den Worten „in Verkehr bringen“ bzw. „vertreiben“ festgehalten. Schließlich hat er mit der UWG-Reform 2004 zwar den Nachfragewettbewerb sowohl in den Materialien als auch im Wortlaut des Gesetzes ausdrücklich einbezogen und § 8 III Nr. 1 UWG daran angepasst, aber Nr. 2 dennoch nicht verändert. Obwohl eine Analogie von Teilen der Literatur befürwortet wird, kam sie auch in der höchstrichterlichen Praxis bislang nicht zur Anwendung. Ginge man noch wohlwollend von einer Regelungslücke in § 8 III Nr. 2 UWG aus, wäre diese angesichts der dargestellten Historie der Norm also unmöglich planwidrig, sodass es an den Voraussetzungen für eine Analogie fehlt.
c) Berührung von Mitgliederinteressen Durch die UWG-Reform 2004 wurde zu § 8 III Nr. 2 UWG und § 3 I Nr. 2 UKlaG schließlich erneut ein weiteres Element hinzugefügt. Gewerblichen Verbänden stehen Ansprüche aus § 8 I UWG seitdem nur zu, „soweit die Zuwiderhandlung die Interessen ihrer Mitglieder berührt“.273
Diese Ergänzung wird in den Gesetzesmaterialien jedoch leider mit keinem Wort erläutert.274 Die Bedeutung des Merkmals ist – vielleicht auch aus diesem Grund – bis heute unklar. Der größere Teil der Literatur275 nimmt an, die Interessen der Mitglieder seien dann berührt, wenn ihnen aufgrund der Zuwiderhandlung ein eigener Anspruch aus § 8 I, III Nr. 1 UWG zusteht. Die Vertreter dieser Ansicht halten es dabei nicht für erforderlich, dass der Anspruch auch durchsetzbar ist.276 Des Weiteren müsse auch nicht allen Mitgliedern ein solcher Anspruch zukommen, sondern nur denjenigen, die auch mit dem Verletzer auf 272
Goldmann, in: Harte/Henning, § 8 UWG, Rn. 320. § 3 I Nr. 2 UKlaG heißt es: „[…] soweit […] der Anspruch eine Handlung betrifft, die die Interessen ihrer Mitglieder berührt […]“. 274 Vgl. den Entwurf eines Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb, BTDrucks. 15/1487 sowie die zugehörige Beschlussempfehlung mit Bericht des Rechtsausschusses, BT-Drucks. 15/2795. 275 Köhler/Feddersen, in: Köhler/Bornkamm, § 8 UWG Rn. 3.51; Paal, in: Groß kommUWG, § 8 UWG Rn. 227; Ottofülling, in: MK LauterkeitsR, § 8 UWG Rn. 415 f.; Jestaedt, in: Ahrens, Kap. 19 Rn. 44; Ohly, in: Ohly/Sosnitza, § 8 UWG Rn. 108. 276 Die zum Nachweis von Köhler und Ottofülling, jew. a. a. O. (Fn. 275) angeführte Entscheidung des OLG Bamberg in GRUR 2007, 167 stellt lediglich klar, dass Mitbewerbern einer- und Verbänden andererseits jeweils ein eigener Anspruch zukommt, der – auch ver273 In
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dem relevanten Markt im Wettbewerb stehen, mithin dem „erheblichen“ Teil im oben a) genannten Sinne. Die Gegenansicht277 betrachtet die Mitgliederinteressen als berührt, wenn sie gerade durch die beanstandete Zuwiderhandlung betroffen sind. Obwohl von einigen durchaus die Nähe des hier behandelten Merkmals zu der Forderung nach einer erheblichen Anzahl von Verbandsmitgliedern, die auf dem relevanten Markt tätig sind, erkannt und bekundet wird278, wird das Verhältnis bzw. die Abstimmung von beiden i. d. R. nicht erörtert.279 An eben dieser Stelle zeigen sich aber bei genauer Analyse Widersprüche zur erstgenannten Ansicht. Dafür ist zunächst wie schon soeben ein Blick zurück auf das UWG vor der Reform 2004 erforderlich. Es unterschied neben Verbraucherverbänden und Kammern zwischen drei Anspruchsberechtigten: Dem durch wettbewerbswidriges Verhalten unmittelbar verletzten Wettbewerber oder auch unmittelbar Betroffenen einerseits und den übrigen „Gewerbetreibenden, die Waren oder gewerbliche Leistungen gleicher oder verwandter Art vertreiben“ gem. § 13 II Nr. 1 UWG a. F. sowie den „Verbänden zur Förderung gewerblicher Interessen“ gem. § 13 II Nr. 2 UWG andererseits. Ein Anspruch unmittelbar aus der verletzten Norm (z. B. § 1 oder § 3 UWG) konnte nur dem durch das jeweils angegriffene Verhalten unmittelbar Betroffenen zukommen, der dazu mit dem Verletzer in einem sogenannten konkreten Wettbewerbsverhältnis stehen musste. Dieses von der Rechtsprechung entwickelte Merkmal280 verlangte, dass „beide Parteien gleichartige Waren oder gewerbliche Leistungen innerhalb desselben Endverbraucherkreises abzusetzen versuchen und das Wettbewerbsverhalten des einen daher den anderen beeinträchtigen, d. h. im Absatz behindern oder stören kann.“281
Darüber hinaus gestand § 13 II Nr. 1 bzw. 2 UWG a. F. bestimmte Ansprüche, darunter auch solche aus § 1 und § 3 UWG a. F., sonstigen Gewerbetreibenden sowie gewerblichen Verbänden unter der zusätzlichen Voraussetzung zu, dass sie bzw. eine erhebliche Anzahl ihrer Mitglieder „Waren oder gewerbliche Leistungen gleicher oder verwandter Art auf demselben Markt wie der Verletzer jährungsrechtlich – unabhängig ist. Zum Inhalt des fraglichen Merkmals an sich äußert sich das Gericht jedoch nicht. 277 Goldmann, in: Harte/Henning, § 8 UWG Rn. 336, der zudem eine nicht unerhebliche Beeinträchtigung verlangt; ähnlich Büscher, in: F/B/O, § 8 UWG Rn. 265, der die Erheblichkeit jedoch ausschließlich § 3 UWG zuordnet; vgl. auch BGH GRUR 2004, 1037, 1038. 278 Ohly, in: Ohly/Sosnitza, § 8 UWG Rn. 108; Jestaedt, in: Ahrens, Kap. 19 Rn. 44; auch Ottofülling, in: MK LauterkeitsR, § 8 UWG Rn. 415. 279 Dazu aber Goldmann, in: Harte/Henning, § 8 UWG Rn. 307 f. 280 RGSt 32, 27, 28; RGZ 118, 133, 136, 137; BGH GRUR 1972, 535; BGH GRUR 1997, 907, 908; zur Entstehung und Entwicklung Fezer, in: F/B/O, § 2 Nr. 3 UWG D Rn. 27 f.; Ohly, in: Ohly/Sosnitza, § 2 UWG Rn. 26. 281 BGH NJW 2001, 371; BGH NJW 2002, 2642, 2643; BGH NJW 2004, 3032, 3033 jew. m. w. N.
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vertreiben“. In Abgrenzung zum unmittelbar Betroffenen entnahm die Rechtsprechung dieser Passage ein sogenanntes abstraktes Wettbewerbsverhältnis. Als Faustformel orientierte sie sich daran, ob sich „die betreffenden Waren oder Dienstleistungen ihrer Art nach so gleichen oder nahe stehen, dass der Absatz des einen Unternehmers durch irgendein wettbewerbswidriges Handeln des anderen beeinträchtigt werden kann. Es reicht aus, wenn die Mitgliedsunternehmen eine zumindest nicht gänzlich unbedeutende Beeinträchtigung mit einer gewissen, wenn auch nur geringen Wahrscheinlichkeit zu befürchten haben.“282
Die UWG-Reform 2004 hat nun den Begriff des Mitbewerbers erstmals offiziell in das Gesetz eingeführt und gleichzeitig die Regelungen zur Anspruchsberechtigung in §§ 8 ff. UWG konzentriert. Ansprüche auf Unterlassung und Schadenersatz stehen seitdem gem. § 8 I, III Nr. 1 bzw. 9 UWG jedem „Mitbewerber“, mithin gem. § 2 I Nr. 3 UWG jedem Unternehmer zu, „der mit einem oder mehreren Unternehmern als Anbieter oder Nachfrager von Waren oder Dienstleistungen in einem konkreten Wettbewerbsverhältnis steht.“
Wie der Gesetzgeber in diesem Kontext ausdrücklich klargestellt hat, normieren § 8 III Nr. 1 und § 9 UWG damit die vor der Reform gefestigte Rechtsprechung und Praxis zum unmittelbar Verletzten. Des Weiteren wurde die vormals in § 13 II Nr. 1 UWG a. F. geregelte Anspruchsberechtigung des nur abstrakt betroffenen Wettbewerbers bewusst gestrichen, da dieser Personengruppe kein schutzwürdiges Eigeninteresse an der Geltendmachung von Abwehransprüchen zukomme. Ihnen stehe, so der Gesetzgeber, stattdessen die Möglichkeit offen, einen anspruchsberechtigten Wirtschafts- oder Verbraucherverband zur Bekämpfung des Wettbewerbsverstoßes einzuschalten.283 Im Ergebnis kann damit nur noch ein nach altem Verständnis unmittelbar und konkret betroffener Wettbewerber „Mitbewerber“ i. S. v. § 2 I Nr. 3 UWG sein. Gleichzeitig ist die Unterscheidung zwischen einem unmittelbar und einem nur abstrakt betroffenen Wettbewerber bzw. einem konkreten und einem nur abstrakten Wettbewerbsverhältnis zwar in dieser Hinsicht, aber anders als zum Teil behauptet nicht für das Gesetz insgesamt, obsolet geworden.284 So ist zunächst das „konkrete Wettbewerbsverhältnis“ nun Bestandteil der Legaldefinition des „Mitbewerbers“ in § 2 I Nr. 3 UWG. Das Wort „konkret“ war im ursprünglichen Gesetzesentwurf noch nicht enthalten, wurde jedoch auf Bestreben des Bundesrates mit Zustimmung der Regierung aufgenommen, um deutlich zu machen, „dass nur der unmittelbar Verletzte im Sinne der Recht282 BGH NJW 1996, 3276, 3277 sowie 3278, 3279 und 3280, 3281 jew. m. w. N.; BGH GRUR 1998, 489, 491 und 498, 499; BGH GRUR 2000, 438, 440. 283 Entwurf eines Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb, BT-Drucks. 15/1487, S. 22, z. T. wörtlich wiedergegeben bei Ohly, in: Ohly/Sosnitza, § 2 UWG Rn. 67; Erdmann, in: G/L/E § 33 Rn. 14; Büscher, in: F/B/O, § 8 UWG Rn. 231; Jestaedt, in: Ahrens, Kap. 18 Rn. 3. 284 So aber Köhler, in: Köhler/Bornkamm, § 2 UWG Rn. 96.
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sprechung des Bundesgerichtshofs zum bisherigen Recht von der Definition des „Mitbewerbers“ erfasst sein soll“ und „der nur abstrakt betroffene Mitbewerber im Sinne des § 13 II Nr. 1 UWG bisheriger Fassung nicht unter den Mitbewerberbegriff fällt“.285 Im Anschluss daran hält die Rechtsprechung an ihrer o. g. Definition286 eines „konkreten Wettbewerbsverhältnis“ auch für § 2 I Nr. 3 UWG fest, lässt es aber darüber hinaus in Übernahme des Entwurfstextes genügen, „wenn zwischen den Vorteilen, die jemand durch eine Maßnahme für sein Unternehmen oder das eines Dritten zu erreichen sucht, und den Nachteilen, die ein anderer dadurch erleidet, eine Wechselwirkung in dem Sinne besteht, dass der eigene Wettbewerb gefördert und der fremde Wettbewerb beeinträchtigt werden kann.“287
Als nicht ausreichend wurde es dagegen beurteilt, wenn ein Unternehmer durch die angegriffene Wettbewerbshandlung in seinem Marktstreben lediglich irgendwie betroffen ist oder eine Beeinträchtigung ohne jedes Konkurrenzmoment vorliegt.288 Jedenfalls kommt es ausschließlich auf eine tatsächliche Wettbewerbsbeziehung an, die an die jeweilige geschäftliche Handlung im konkreten Einzelfall anknüpft und sich u. U. auch allein aus dieser ergeben kann.289 Parallel dazu hat nicht nur der Gesetzgeber den Wortlaut des § 13 II Nr. 2 UWG a. F. in § 8 III Nr. 2 UWG beibehalten, sondern auch die Rechtsprechung an ihrer Auffassung unter dem Stichwort des abstrakten Wettbewerbsverhältnisses unverändert festgehalten.290 Ebenso wenig ist in der Literatur zu § 8 III Nr. 2 UWG in dieser Hinsicht eine inhaltliche Änderung gegenüber § 13 II Nr. 2 UWG a. F. erkennbar.291 285 Stellungnahme des Bundesrates zum Entwurf eines Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb, BT-Drucks. 15/1487, S. 29 und Gegenäußerung der Bundesregierung, a. a. O., S. 40; anschaulich zur Reform des Mitbewerberbegriffs Keller, in: Harte/Henning, § 2 UWG Rn. 114 ff. 286 Vgl. oben, S. 331 mit Fn. 281. 287 Klarstellend jetzt BGH GRUR 2014, 1114, 1115 f. m. w. N.; vgl. zuvor auch BGHZ 168, 314, 316 f. 288 BGH GRUR 2014, 573, 575 m. w. N. 289 BGH, ebenda und NJW 2009, 3511, 3516; Köhler, in: Köhler/Bornkamm, § 2 UWG Rn. 98; Erdmann, in: G/L/E, § 33 Rn. 16 f.; Keller, in: Harte/Henning, § 2 UWG Rn. 132 f.; Fezer, in: F/B/O, § 2 I Nr. 3 UWG D Rn. 34. 290 Vgl. BGH GRUR 2006, 778, 779; BGH GRUR 2007, 809, 810; BGH GRUR 2007, 610, 611; beide Entscheidungen aus 2007 sprechen zwar, was Köhler hervorhebt, nur noch von „Wettbewerbsverhältnis“, halten jedoch unter ausdrücklichem Verweis auf die Entscheidung GRUR 2006, 778 an der Definition eines abstrakten Wettbewerbsverhältnisses fest. Eine inhaltliche Änderung ist daher nicht erkennbar. 291 Goldmann, in: Harte/Henning, § 8 UWG Rn. 323; Köhler/Feddersen, in: Köhler/ Bornkamm, § 8 UWG Rn. 3.35; Büscher, in: F/B/O, § 8 UWG Rn. 254; Paal, in: Großkomm UWG, § 8 UWG Rn. 214; anschaulich Jestaedt, in: Ahrens, Kap. 19 Rn. 33 („entsprechend dem schon vor der Reforn 2004 geltenden Recht“).
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Dennoch hält insbesondere Köhler das Adjektiv „konkret“ in § 2 I Nr. 3 UWG für „unnötig“ und entbehrlich292 und will dementsprechend auch den Terminus des abstrakten Wettbewerbsverhältnisses im Rahmen von § 8 III Nr. 2 UWG aufgeben293. Dem liegt der Versuch zugrunde, den Begriff des Wettbewerbsverhältnis für das gesamte UWG einheitlich auszulegen. Seien eine damit verbundene Vereinfachung sowie die Angleichung an die UGP-Richtlinie auch noch so wünschenswert, ergeben sich aufgrund der wie gesehen unveränderten Sachlage doch gravierende Schwierigkeiten. Sie werden am besten anhand der hier erörterten Berührung von Mitgliederinteressen i. S. v. § 8 III Nr. 2 UWG deutlich: Um Vereinheitlichung bemüht interpretiert Köhler die Gesetzespassage „erhebliche Zahl von Unternehmern […], die Waren oder Dienstleistungen gleicher oder verwandter Art auf demselben Markt vertreiben“ im Sinne einer erheblichen Zahl von Mitbewerbern.294 Daraus wiederum resultiert konsequenter Weise seine Auffassung, die Interessen dieser Mitgliedsunternehmen seien nur dann berührt, wenn ihnen selbst ein Anspruch aus § 8 I, III Nr. 1 UWG zukommt. Zusammengefasst führte dies jedoch dazu, dass neben § 8 III Nr. 1 UWG auch der durch die gewerblichen Verbände i. S. v. Nr. 2 gebotene Rechtsschutz auf „Mitbewerber“ i. S. v. § 2 I Nr. 3 UWG beschränkt würde.295 Nur abstrakt betroffene Wettbewerber i. S. v. § 13 II Nr. 1 UWG a. F. dagegen, die i. d. R. wohl auch nicht auf die Hilfe der Verbraucherverbände hoffen können, würden so faktisch ausgeschlossen. Diese Interpretation widerspricht damit aber dem ausdrücklichen Willen des Gesetzgebers, wonach nur abstrakt betroffene Wettbewerber die eigene Anspruchs- und Klageberechtigung zwar verlieren, jedoch die Möglichkeit behalten sollten, sich an einen gewerblichen Verband zu wenden. Verstände man umgekehrt das von Köhler erstrebte einheitliche Wettbewerbsverhältnis weit im Sinne eines vormals abstrakten Wettbewerbsverhältnisses, verstieße man nicht nur gegen den Wortlaut des § 2 I Nr. 3 UWG sondern gewissermaßen aus der Gegenrichtung gegen die Intentionen der UWG-Reform 2004.296 Als Resümee ergibt sich, dass ungeachtet der Reform des Mitbewerberbegriffs zwischen § 8 III Nr. 1 i. V. m. § 2 I Nr. 3 UWG einer- und § 8 III Nr. 2 292 Köhler, WRP 2009, 499, 504; ders., in: Köhler/Bornkamm, § 2 UWG Rn. 96; dem zustimmend Erdmann, in: G/L/E, § 33 Rn. 14; Büch, in: Teplitzky, Kap. 13 Rn. 5 mit Fn. 31. 293 Köhler/Feddersen, in: Köhler/Bornkamm, § 8 UWG Rn. 3.35; dem zustimmend wiederum Fritzsche, in: G/L/E, § 79 Rn. 188 und Ohly, in: Ohly/Sosnitza, § 8 UWG Rn. 99. 294 Köhler, WuW 2009, 258, 259; ders./Feddersen, in: Köhler/Bornkamm, § 8 UWG Rn. 3.35; ebenso Fritzsche, in: G/L/E, § 79 Rn. 186. 295 So auch Jestaedt, in: Ahrens, Kap. 19 Rn. 44 im Widerspruch zu sich selbst a. a. O., Rn. 33; wenn für die Mitgliedsunternehmen ein abstraktes Wettbewerbsverhältnis zum Verletzer ausreicht, ergibt es keinen Sinn für eine Interessenberührung einen eigenen Anspruch als Mitbewerber und damit ein konkretes Wettbewerbsverhältnis zu verlangen. 296 Dazu anschaulich Köhler, in: Köhler/Bornkamm, § 2 UWG Rn. 104; Erdmann, in: G/L/E, § 33 Rn. 17 a. E.; Jestaedt, in: Ahrens, Kap. 18 Rn. 22 a. E.
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UWG andererseits im gegebenen Wortlaut weiterhin eine Abstufung besteht. „Mitbewerber“ müssen zueinander in einer Wechselbeziehung stehen, aufgrund der die in Frage stehende geschäftliche Handlung die Interessen des Gegenüber irgendwie fassbar negativ betreffen kann297 bzw. ihre Waren oder Dienstleistungen einen konkreten Bezug zueinander aufweisen, sodass mit der Förderung des eigenen Absatzes die Beeinträchtigung des fremden Absatzes einhergehen kann.298 Für die abstrahierte Wettbewerbsbeziehung der Verbandsmitglieder zum Verletzer dagegen genügt jede auch geringe Wahrscheinlichkeit einer Beeinträchtigung. Die Terminologie ist unerheblich, allerdings besteht kein Grund die Unterscheidung zwischen einem konkreten und einem abstrakten Wettbewerbsverhältnis zu verwerfen. Bezüglich der Interessen der Verbandsmitglieder i. S. v. § 8 III Nr. 2 UWG ist daher der Ansicht von Goldmann sowie Büscher beizupflichten. Sie sind bereits dann „berührt“, wenn die wenigstens abstrakte Wettbewerbsbeziehung der Mitglieder zum Verletzer gerade durch die angegriffene Zuwiderhandlung betroffen ist. Verlangte man hier mit der Gegenansicht einen eigenen Anspruch der Mitglieder aus § 8 I, III Nr. 1 UWG und damit eine unmittelbare Betroffenheit ihrer Interessen, stünde dies im Widerspruch dazu, neben „Mitbewerbern“ auch nur abstrakt betroffene Wettbewerber als „erhebliche“ Vereinsmitglieder anzuerkennen.
d) Schutz von Marktteilnehmern Das inhaltlich wie dargestellt299 weiterhin unumstrittene Tatbestandsmerkmal einer „erhebliche[n] Zahl von Unternehmern […], die Waren oder Dienstleistungen gleicher oder verwandter Art auf demselben Markt vertreiben“,
hat im Kontext der UWG-Reform 2004 schließlich noch eine weitere Schutzlücke entstehen lassen. § 2 I Nr. 2 UWG definiert als „Marktteilnehmer“ übergreifend „neben Mitbewerbern und Verbrauchern alle Personen, die als Anbieter oder Nachfrager von Waren oder Dienstleistungen tätig sind“.
Aus dieser Gruppe genießen alle „Mitbewerber“ i. S. v. § 2 I Nr. 3 UWG Individualrechtsschutz via § 8 I, III Nr. 1 UWG und werden zudem durch die gewerblichen Verbände via § 8 I, III Nr. 2 UWG repräsentiert. Die Interessen der Verbraucher werden durch die Verbraucherverbände via § 8 I, III Nr. 3 UWG sowie parallel dazu mit den §§ 1 ff. UKlaG geschützt. Allerdings wird allen darüber hinaus von der o. g. Definition erfassten „Marktteilnehmern“ keinerlei 297
Keller, in: Harte/Henning, § 2 UWG Rn. 133. der „weite Mitbewerberbegriff“ von Köhler, in: Köhler/Bornkamm, § 2 UWG Rn. 109b. 299 Vgl. soeben, S. 324 ff. 298 So
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wettbewerbsrechtlicher Schutz zuteil. Davon betroffen sind in erster Linie die Unternehmen der Marktgegenseite, mithin solche, die mit ihren Lieferanten respektive Kunden – weder abstrakt noch konkret, weder auf dem Absatznoch auf dem Nachfragemarkt – im Wettbewerb stehen, aber dennoch durch deren unlauteres geschäftliches Verhalten beeinträchtigt werden können.300 Sie können allenfalls auf die Unterstützung derjenigen gewerblichen Verbände hoffen, die wie z. B. die Wettbewerbszentrale über eine breite Mitgliederbasis verfügen und daher die oben behandelten Voraussetzungen erfüllen, obwohl die Initiative gegen einen Wettbewerbsverstoß vorzugehen u. U. von einem sonstigen „Marktteilnehmer“ stammt.301 Im Gegensatz zu § 8 III Nr. 2 UWG, wo diese Schutzlücke bislang hingenommen wird, musste sich die Rechtsprechung zu den teils gleichlautenden Normen im UKlaG sowie im GWB a. F. bereits mit der gleichen Problematik beschäftigen. Bei seinem Inkrafttreten am 01. 01. 2002 lautete § 3 I UKlaG: „Die in den §§ 1 und 2 bezeichneten Ansprüche auf Unterlassung und auf Widerruf stehen zu: […] 2. rechtsfähigen Verbänden zur Förderung gewerblicher Interessen, soweit ihnen eine erhebliche Zahl von Gewerbetreibenden angehört, die Waren oder gewerbliche Leistungen gleicher oder verwandter Art auf demselben Markt vertreiben, soweit sie insbesondere nach ihrer personellen, sachlichen und finanziellen Ausstattung imstande sind, ihre satzungsgemäßen Aufgaben der Verfolgung gewerblicher Interessen tatsächlich wahrzunehmen, und, bei Klagen nach § 2, soweit der Anspruch eine Handlung betrifft, die geeignet ist, den Wettbewerb auf diesem Markt wesentlich zu beeinträchtigen.“ (Hervorhebung durch Verfasser).
Bereits im September 2002 verneinte der Bundesgerichtshof in BGHZ 152, 121, 126 zu Recht jegliches Wettbewerbsverhältnis zwischen Tankstellenbetreibern und den sie beliefernden Mineralölgesellschaften, weswegen § 1 i. V. m. § 3 I Nr. 2 UKlaG in der soeben zitierten Fassung im konkreten Fall eigentlich der AGB-Kontrollklage des Dachverbands des Tankstellen- und Garagengewerbes entgegengestanden hätte. Das Gericht ging jedoch von einem „Missgriff bei der Formulierung des Gesetzes“ aus und befand daher eine Auslegung über den Wortlaut hinaus aufgrund von Sinn und Zweck der Vorschrift für gerechtfertigt. Es konnte in der ursprünglichen Übernahme der fraglichen Passage aus § 13 II Nr. 2 UWG a. F. in § 13 II Nr. 2 AGBG a. F. und von dort in § 3 I Nr. 2 UKlaG lediglich ein „terminologische[s] Interesse an einer einheitlichen Begrifflichkeit“ erkennen, während „ein sachlich rechtfertigender Grund für die 300 Göckler, WRP 2016, 434, 436; Köhler, WRP 2007, 602, 603; ders./Feddersen, in: Köhler/Bornkamm, § 8 UWG, Rn. 3.30; zustimmend Büch, in: Teplitzky, Kap. 13 Rn. 30 mit Fn. 163. 301 Darin vermutet Köhler, WRP 2007, 602, 604 den Grund, dass die Problematik bislang keine größere Beachtung fand.
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gesetzliche Differenzierung zwischen Wirtschaftsverbänden“ nach Ansicht des Gerichts nicht bestand. Der Gesetzgeber folgte302 und die Norm wurde mit Wirkung ab dem 08. 07. 2004 wie folgt angepasst: „2. Verbänden zur Förderung gewerblicher oder selbständiger beruflicher Interessen, soweit sie insbesondere nach ihrer personellen, sachlichen und finanziellen Ausstattung imstande sind, ihre satzungsgemäßen Aufgaben der Verfolgung gewerblicher oder selbständiger beruflicher Interessen tatsächlich wahrzunehmen, und, bei Klagen nach § 2, soweit ihnen eine erhebliche Zahl von Unternehmern angehört, die Waren oder Dienstleistungen gleicher oder verwandter Art auf demselben Markt vertreiben […].“ (Hervorhebung durch Verfasser).
Auch das acht Jahre später mit § 33 II GWB a. F. und dort mit der gleichen Problematik befasste Landgericht Köln303 setzte sich ausführlich mit der Argumentation des Bundesgerichtshofs in vorgenanntem Fall auseinander. Aufgrund eines im Gegensatz zu § 1 UKlaG in § 33 I GWB a. F. enthaltenen Individualanspruchs für jeden von einem Kartellverstoß betroffenen, konnte es der Argumentation für die streitgegenständliche Norm jedoch nicht folgen. Der Gesetzgeber nahm auch diese abweisende Entscheidung nach einiger Verspätung zum Anlass, § 33 II GWB a. F. zu reformieren.304 § 33 II Nr. 2 GWB lautet daher seit dem 30. 06. 2013 nun: „Verbänden zur Förderung gewerblicher oder selbstständiger beruflicher Interessen, wenn ihnen eine erhebliche Zahl von betroffenen Unternehmen im Sinne des Absatzes 1 Satz 3 angehört […].“
und weiter: „Betroffen ist, wer als Mitbewerber oder sonstiger Marktbeteiligter durch den Verstoß beeinträchtigt ist.“
Diese jeweils durch die Rechtsprechung veranlassten Änderungen sind zwar begrüßenswert, offenbaren gleichzeitig jedoch leider einen Mangel an Übersicht und Verständnis auf Seiten des Gesetzgebers. So hätte er bereits im Anschluss an die Entscheidung des Bundesgerichtshofs aus dem Jahr 2002 das Problem in § 3 I Nr. 2 UKlaG insgesamt beheben und das Ergebnis bei der Neufassung von § 8 III Nr. 2 UWG im Jahr 2004 und § 33 II GWB a. F. im Jahr 2005 berücksichtigen können. Diese und auch die weitere Chance zu einer umfassenden Klärung im Anschluss an die Entscheidung des Landgerichtes 302 Entwurf eines Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb, BT-Drucksache 15/1487, S. 27 zu § 20 IV Nr. 1. 303 LG Köln, GRUR-RR 2010, 124, 125 f. Das Gericht trennt dabei nicht hinreichend zwischen einem vertikalen Lieferverhältnis, im konkreten Fall zwischen einem Handelskonzern als Lieferant und seinen Kunden und einem Wettbewerbsverhältnis auf dem Nachfragemarkt; dazu schon soeben S. 326 ff. 304 Dazu auch Göckler, WRP 2016, 434, 436.
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Köln ließ er ungenutzt. In Bezug auf § 8 III Nr. 2 UWG hatte zudem Köhler305 zwischenzeitlich folgende Neufassung vorgeschlagen: „1. rechtsfähigen Unternehmen zur Förderung unternehmerischer Interessen, soweit sie insbesondere nach ihrer personellen, sachlichen und finanziellen Ausstattung im Stande sind, ihre satzungsmäßigen Aufgaben der Verfolgung unternehmerischer Interessen tatsächlich wahrzunehmen und soweit ihnen eine erhebliche Zahl von Unternehmen angehört, die durch die Zuwiderhandlung als Mitbewerber oder sonstige Marktteilnehmer beeinträchtigt sind;“
Der Vorschlag verdient Zustimmung. Er steht im Einklang mit dem Schutzzweck des UWG zu Gunsten aller Marktteilnehmer und löst insbesondere auch die soeben306 erörterten Auslegungsschwierigkeiten im Verhältnis zu § 2 I Nr. 1–3 und § 8 III Nr. 1 UWG. Gleichzeitig rückt er, was zu begrüßen ist, die Verbände in den Fokus des Rechtsschutzes. Anstatt diesen oder einen ähnlichen Vorschlag aufzugreifen, vollzog der Gesetzgeber jedoch nun mit der jüngsten Änderung des UKlaG eine absolut unverständliche Kehrtwende. Mit dem lapidaren Hinweis auf eine Angleichung an § 8 III Nr. 2 UWG307 änderte er mit Wirkung zum 24. 02. 2016 § 3 I Nr. 2 UKlaG erneut. Darin heißt es nun wieder: „rechtsfähigen Verbänden zur Förderung gewerblicher oder selbständiger beruflicher Interessen, soweit ihnen eine erhebliche Zahl von Unternehmen angehört, die Waren oder Dienstleistungen gleicher oder verwandter Art auf demselben Markt vertreiben, wenn sie insbesondere nach ihrer personellen, sachlichen und finanziellen Ausstattung imstande sind, ihre satzungsmäßigen Aufgaben der Verfolgung gewerblicher oder selbständiger beruflicher Interessen tatsächlich wahrzunehmen, und soweit die Zuwiderhandlung die Interessen ihrer Mitglieder berührt.“
Damit hat der Gesetzgeber denselben, vom Bundesgerichtshof bereits 2002 erörterten Fehler nun sehenden Auges wiederholt und dadurch die eigene ausdrückliche Korrektur308 ohne jeden Bezug darauf rückgängig gemacht. Die Folge ist eine vollends unnötige und unbegründete Rechtsunsicherheit, die zu dem eigentlichen Klärungsbedarf noch hinzutritt. Obwohl inhaltlich gerechtfertigt, dürfte zu allem Überfluss auch der Rückgriff auf die höchstrichterliche Entscheidung in BGHZ 152, 121, 130 ff. angesichts des gesetzeshistorischen
305 Köhler, WRP 2007, 602, 604; der Vorschlag verwundert insoweit, als seine Umsetzung eine deutliche Erweiterung der Verbandsklagebefugnis bedeuten würde, während ders. mit seiner oben S. 334 mit Fn. 294 vertretenen Ansicht heute wie auch bereits damals ausschließlich für ‚Mitbewerber‘ als Verbandsmitglieder plädierte. 306 Vgl. S. 326 ff. und S. 330 ff. 307 Entwurf eines Gesetzes zur Verbesserung der zivilrechtlichen Durchsetzung von verbraucherschützenden Vorschriften des Datenschutzrechts, BT-Drucks. 18/4631, S. 24; dazu auch Göckler, WRP 2016, 434, 437. 308 Vgl. Fn. 302.
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Kontextes und der Änderungsbegründung nun jedenfalls einigen Begründungsaufwand erfordern.309
3. Voraussetzungen für eine rechtdienstleistende Tätigkeit nach RDG Das Rechtsdienstleistungsgesetz stellt an registrierte Personen i. S. v. § 10 I 1 RDG grundsätzlich keine Anforderungen hinsichtlich ihrer Tätigkeit im konkreten Einzelfall. Verfügt der betreffende Dienstleister über eine wirksame Registrierung, handelt er in deren Umfang zulässig i. S. v. § 3 RDG. Die zuständige Behörde kann eine Registrierung im Einzelfall jedoch gem. § 10 III 1, 3 RDG mit einer Bedingung (§ 36 II Nr. 2 LVwVfG) oder Auflage (§ 36 II Nr. 4 LVwVfG) versehen, wenn es der Schutz der Rechtssuchenden oder des Rechtsverkehrs erfordert. Vor dem Hintergrund des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes muss dazu eine besondere Gefahrensituation gegeben sein, die nicht durch die Registrierungsvoraussetzungen des § 12 RDG abgedeckt wird. Denkbar ist z. B. die Bedingung einer höheren Mindestversicherungssumme oder die Auflage strikter räumlicher Trennung zwischen mehreren Erwerbstätigkeiten.310 Die Registrierung von Inkassounternehmern soll zudem gem. § 10 III 3 RDG in aller Regel mit der Auflage verbunden werden, fremde Gelder unverzüglich an eine empfangsberechtigte Person weiterzuleiten oder auf ein gesondertes Konto einzuzahlen. Zu Recht wird kritisiert, dass diese Auflage anders als z. B. § 43a V 2 BRAO für Rechtsanwälte als Soll-Vorschrift ausgestaltet wurde.311 Für den bedeutenden Zweig der Inkassodienstleistungen hat der Gesetzgeber zudem durch das Gesetz gegen unseriöse Geschäftspraktiken spezifische Darlegungs- und Informationspflichten festgelegt. Er hat sich dazu nach eigener Angabe jedoch ohne konkrete Erläuterung aufgrund von Missbrauchsfällen im Inkassobereich (z. B. durch überhöhte Rechnungen) veranlasst gesehen.312 Die neu eingeführten Pflichten sollen in erster Linie der Information der Verbraucher dienen, sodass diese im Zweifelsfall Rechnungen nicht aus Verunsicherung begleichen, sondern die gerichtliche Klärung suchen.313 Der entsprechende § 11a RDG gilt seit dem 01. 11. 2014 nun für alle i. S. v. § 10 I oder § 15 RDG registrierten Personen, für alle Inhaber einer Alterlaubnis i. S. d. RBerG sowie aufgrund einer gleichlautenden Parallelregelung in § 43d BRAO zudem für Rechtsanwälte, „wenn sie eine Forderung gegenüber einer Privatperson geltend 309
Ebenso sehr kritisch und mit „große[r] Verwunderung“ Göckler, WRP 2016, 434, 438 f. eines Gesetzes zur Neuregelung des Rechtsberatungsrechts, BTDrucks. 16/3655, S. 66; Kleine-Cosack, § 10 RDG Rn. 51; D. Schmidt, in: Krenzler, § 10 RDG Rn. 68 f.; Weth, in: Henssler/Prütting, § 10 RDG Rn. 25 f. 311 Römermann, NJW 2008, 1249, 1253; ders., NJW 2006, 3025, 3031; D. Schmidt, in: Krenzler, § 10 RDG Rn. 75. 312 Den Regelungsbedarf bezweifelt dagegen Sturm, JurBüro 2012, 566, 570 f. 313 Entwurf eines Gesetzes gegen unseriöse Geschäftspraktiken, BT-Drucks. 17/13057, S. 17 310 Entwurf
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machen“. Der Geltungsbereich ist jedoch auf Inkassodienstleistungen i. S. v. § 2 II RDG beschränkt, sodass Fälle sogenannten echten Factorings und echter Forderungskäufe nicht erfasst werden.314 Als Privatperson gem. § 11a II RDG bzw. § 43d II BRAO gilt in Anlehnung an § 13 BGB „[…] jede natürliche Person, gegen die eine Forderung geltend gemacht wird, die nicht im Zusammenhang mit ihrer gewerblichen oder selbständigen beruflichen Tätigkeit steht.“
Es wird unterschieden zwischen originären Mindestangaben in § 11a I 1 Nr. 1–6 RDG und ergänzenden Informationen in § 11a I 2 Nr. 1–4 RDG. Die Dienstleister sind verpflichtet dem Schuldner die Mindestangaben ungefragt „mit der ersten Geltendmachung“, i. d. R. also gemeinsam mit der ersten Zahlungsaufforderung zu übermitteln. Benannt werden müssen der Name oder die Firma des Auftraggebers, der Forderungsgrund, eine Zinsberechnung unter Darlegung der Grundlagen, alle anfallenden Inkassokosten inkl. einer eventuellen Inkassovergütung sowie ein ggf. darin enthaltener Anteil an Umsatzsteuer. Von den Angaben zu Zinsen, Kosten und Umsatzsteuer erwartet sich der Gesetzgeber, dass die Dienstleister diese Aspekte einer Schlüssigkeitsprüfung unterziehen.315 Nur auf ausdrückliche Anfrage des Schuldners sind des Weiteren eine ladungsfähige Anschrift des Auftraggebers, Name oder Firma des ursprünglichen Gläubigers sowie die wesentlichen Umstände des Vertragsschlusses bekannt zu geben. Eine bestimmte Form der Angaben ist nicht vorgesehen. Die Informationen müssen aber in klarer und für den durchschnittlichen Adressaten verständlicher Weise verfasst und tatsächlich übermittelt werden. Der Verweis auf eine Einsichtnahmemöglichkeit z. B. auf einer verlinkten Webseite ist nicht zulässig.316 Während Verstöße gegen § 43d BRAO für Rechtsanwälte berufsrechtliche Konsequenzen haben können, handeln registrierte Personen i. S. d. RDG, die § 11a RDG missachten, ordnungswidrig gem. § 20 II Nr. 1 oder 2 RDG. Ihnen droht bereits bei einmaligen vorsätzlichen oder fahrlässigen Pflichtverletzungen ein Bußgeld bis zu einer Maximalhöhe von 50.000 Euro. Ein „beharrlicher“ Verstoß gegen Informationspflichten dient darüber hinaus als gesetzliches Regelbeispiel einer „dauerhaft unqualifizierten Rechtsdienstleistung“, aufgrund der gem. § 14 Nr. 3 RDG die Registrierung widerrufen werden kann. Auf privatrechtlicher Ebene sind deliktische Schadenersatzansprüche des Schuldners gem. § 823 II BGB sowie wettbewerbsrechtliche Ansprüche anderer Inkassodienstleister gem. §§ 3, 4 Nr. 11 UWG denkbar.317
314
Gesetzentwurf, ebenda; Dötsch, in: Deckenbrock/Henssler, § 11a RDG Rn. 10 f. Gesetzentwurf, ebenda, S. 18; Dötsch, ebenda, Rn. 19 ff. 316 Gesetzentwurf, ebenda; Dötsch, ebenda, Rn. 15 ff. 317 Dötsch, in: Deckenbrock/Henssler, § 11a RDG, Rn. 56 ff. und § 14 RDG, Rn. 45 f. 315
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II. Das Repräsentativitätsgebot in den Niederlanden Das niederländische Recht stellt an stichtingen bzw. voll rechtsfähige verenigingen, die nach Art. 3:305a ff. BW eine allgemeine Verbandsklage erheben oder gem. Art. 7:900 ff. BW ein WCAM-Verfahren führen wollen bislang keine generellen Anforderungen, sondern nur solche, die im Kontext des jeweiligen Einzelfalles zu beurteilen sind. Aber auch hier liegen die derzeit geltenden Hürden im Verhältnis sehr niedrig. In seiner ersten Fassung setzte Art. 3:305a I BW für eine Zulassung als Verbandskläger sogar lediglich voraus, dass die Vertretung der jeweils betroffenen Interessen vom Satzungszweck der klagenden Organisation umfasst sein muss. Diesbezüglich war streitig, ob eine entsprechende formelle Angabe in der Satzung ausreicht oder eine gewisse tatsächliche Tätigkeit im Vorhinein ebenso erforderlich ist (dazu sogleich 1.). Im WCAMVerfahren dagegen besteht gar kein präventiver Kontrollmechanismus. Gem. Art. 7:907 III lit. f BW kann es der gerechtshof Amsterdam lediglich ablehnen, einen vorgelegten Vergleichsvertrag für verbindlich zu erklären, wenn die auf Seiten der Geschädigten handelnde(n) Organisation(en) nicht hinreichend repräsentativ für deren Interessen ist (sind). Das Merkmal der Repräsentativität der Interessenorganisation war ursprünglich schon im Rahmen der Allgemeinen Verbandsklage diskutiert, aber letztlich bei ihrer Kodifizierung nicht in Art. 3:305a BW übernommen worden. Im Zuge der Änderung der Vorschriften zum 01. Juni 2013 wurde dieser Aspekt jedoch wieder aufgegriffen (dazu unten 2.). Der Vorentwurf und im Anschluss daran der endgültige Gesetzesentwurf zur Erweiterung der allgemeinen Verbandsklage um ein kollektives Schadenersatzverfahren sieht nun eine weitere Verschärfung der Zulassungsbedingungen vor (dazu unten 3.).
1. Für und Wider ein Repräsentativitätsgebot Bis heute bildet die Basis der allgemeinen Verbandsklagebefugnis gem. Art. 3:305a I BW die bei deren Einführung noch einzige Bedingung, wonach „[e]ine stichting oder vereniging mit voller Rechtsfähigkeit […] eine Klage erheben [kann], die dem Schutz gleichartiger Interessen von anderen Personen dient, sofern sie diese Interessen gemäß ihrer Satzung vertritt“318.
Die Norm verlangt mithin, dass sich die Vertretung der spezifischen Interessen des jeweiligen Einzelfalles übereinstimmend im Satzungszweck wiederfindet.319 Damit wird gleichzeitig der Kreis der von der Klage betrof318 Art. 3:305a I BW: „Een stichting of vereniging met volledige rechtsbevoegdheid kan een rechtsvordering instellen die strekt tot bescherming van gelijksoortige belangen van andere personen, voorzover zij deze belangen ingevolge haar statuten behartigt.“ 319 MvT, Regeling van de bevoegdheid van bepaalde rechtspersonen om ter bescherming van de belangen van andere personen een rechtsvordering in te stellen, TK 1991–1992, Kamerstuk 22 486, Nr. 3 S. 20; Mom, S. 205; Frenk, S. 126; ders./Boehle-Woelki, in: Basedow/
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fenen Personen auf diejenigen begrenzt, deren Interessen durch die klagende Organisation wahrgenommen werden.320 Bereits vor Kodifizierung der allgemeinen Verbandsklage hatte die Rechtsprechung diese zentrale Voraus setzung entwickelt321, deren Einhaltung sie auch weiterhin streng kontrolliert.322 Nach wie vor nicht gänzlich geklärt ist dabei die Frage, inwieweit eine sehr allgemeine Formulierung des Satzungszwecks zulässig ist, die mithin eine Interessenvertretung in vielen verschiedenen Bereichen bei gleichbleibender Satzung ermöglichen könnte. Kritische Stimmen in der Rechtsprechung wie in der Literatur plädieren dafür, eine Organisation nicht als Kläger zuzulassen, wenn ihre Zwecksetzung in der Satzung so unkonkret formuliert ist, dass deren Inhalt tatsächlich nicht mehr feststellbar ist.323 In der Vergangenheit hatte sich der Hoge Raad wiederum für eine lockerere Handhabung im Sinne der Prozessökonomie ausgesprochen.324 Im Entstehungsprozess der gesetzlichen Regelung war zudem umstritten, ob die lediglich formale Angabe eines bestimmten Zwecks in der Satzung für die Klagebefugnis ausreichend sein sollte. Dies hatte der Hoge Raad zuvor wiederholt verneint und stattdessen verlangt, dass die betreffende stichting oder vereniging darüber hinaus eine tatsächliche Tätigkeit zur Verfolgung ihrer satzungsgemäßen Ziele nachweist.325 Dem schloss sich auch der Gesetzgeber zunächst an326, wich von diesem Standpunkt jedoch im Laufe des Gesetzgebungsverfahrens wieder ab. Neben zahlreichen zwischenzeitlich von der Rechtsprechung anerkannten Ausnahmen327 stützte sich die schlussendliche Ablehnung im Wesentlichen auf das Argument, eine tatsächliche Tätigkeit werde jedenfalls im Rahmen der einer Klage zwingend vorausgehenden außerHopt/Kötz/Baetge, S. 225 f.; Tzankova/Lunsingh Scheurleer, 622 Annals AAPSS (2009) 149, 152. 320 MvT, ebenda. 321 Vgl. Mom, S. 205, dort mit Fn. 493 und Frenk, S. 90 f. , jew. unter Verweis auf Hoge Raad, Urteil vom 01. 07. 1992 (Alphahulpen). 322 Hoge Raad, Urteil vom 13. 10. 2006, ECLI:NL:HR:2006:AW2080, Rn. 9.2.2 und 9.2.3; vgl. auch Hoge Raad, Beschluss vom 28. 03. 2014, ECLI:NL:HR:2014:766, Rn. 3.4.1. 323 Frenk, S. 126 m. w. N., demzufolge der Satzungszweck zudem auch keine innerlichen Widersprüche enthalten darf; exemplarisch aus der Rspr. das erstinstanzliche Urteil im Fall der Stichting Clara Wichmann, rechtbank s’Gravenhage, Urteil vom 07. 09. 2005, ECLI:NL:RBSGR:2005:AU2088, Rn. 3.7.; vgl. auch Mom, S. 205 f. 324 Hoge Raad, Urteil vom 02. 04. 1993 (NVPI). 325 Hoge Raad, Urteil vom 27. 06. 1986 (De Nieuwe Meer); Hoge Raad, Urteil vom 18. 12. 1992 (Kuunders); Hoge Raad, Urteil vom 02. 04. 1993 (NVPI). 326 MvT, a. a. O. (Fn. 319): „Der Name muss halten, was er verspricht.“; nicht erforderlich aber sei der Bestand der Rechtsperson für eine bestimmte Zeit, sondern die bloße Gründung und Aktivität davor könne ausreichen. 327 Vgl. dazu Mom, S. 206 f. und Frenk, S. 97 und 131 f.; der Hoge Raad hielt die Angabe des Satzungszwecks allein insbesondere dann für ausreichend, wenn eine Geltendmachung der betroffenen Interessen in Individualverfahren kaum möglich erschien, vgl. z. B. Hoge Raad, Urteil vom 18. 12. 1992 (Kuunders); Hoge Raad, Urteil vom 02. 04. 1993 (NVPI).
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gerichtlichen Verhandlung von Kläger und Beklagtem (vgl. Art. 3:305a II BW) verrichtet und zusätzliche Anforderungen darüber hinaus seinen daher „unvernünftig“.328 Indem der Gesetzgeber in Folge dessen auf eine entsprechende Einschränkung verzichtete, ermöglichte er gleichzeitig, dass im Anschluss an einen bestimmten Einzelfall, ad hoc gegründete Vereinigungen vorbehaltlos als Verbandskläger auftreten können, die andernfalls wohl in der Regel329 an einem Nachweis tatsächlicher Tätigkeit gescheitert wären. Nichtsdestotrotz ergingen auch nach Erlass der gesetzlichen Regelung einige in diesem Punkt widersprüchliche Entscheidungen der Untergerichte.330 Ungeachtet dieser Unklarheiten wurde Art. 7:907 I BW, der die Befugnis regelt, als Repräsentant der Geschädigten ein WCAM-Verfahren zu führen in zentralen Punkten Art. 3:305a I BW exakt nachgebildet.331 So können auch hier „eine oder mehrere332 stichtingen oder voll rechtsfähige verenigingen“ auf Seiten der Geschädigten Partei eines Vergleichsvertrages werden und als solche einen Antrag auf Feststellung der Verbindlichkeit stellen. Diesem Antrag wird gem. Art. 7:907 I 1 BW a. E. neben anderen nur unter der Voraussetzung entsprochen, „dass diese stichtingen oder verenigingen die Interessen dieser [geschädigten] Personen gemäß ihrer Satzung vertreten“. Treten mehrere Organisationen auf, ist es ausreichend, wenn sich jedem der potenziell verschiedenen Interessen wenigstens eine unter ihnen widmet, sodass alle relevanten Belange durch die Gesamtgruppe der Geschädigtenvertreter abgedeckt brigen spiegelt der Gesetzeswortlaut genau den Verfahrensablauf sind.333 Im Ü wieder, sodass alle in Art. 7:907 I BW genannten Merkmale erst im Rahmen der Entscheidung über den Antrag auf Verbindlichkeit durch den gerechtshof Amsterdam überprüft werden. In der gesamten Zeit davor bleiben die ggf. diversen stichtingen und verenigingen unkontrolliert. Im gerichtlichen Verfahren 328 Memorie van Antwoord, TK 1991–1992, Kamerstuk 22 486, Nr. 5 S. 6 und Nota naar aanleiding van het eindverslag, a. a. O., Nr. 8 S. 3 f. m. N. aus der Rspr.; außerdem Mom, S. 207 m. w. N. 329 Abhängig von Wortlaut und Auslegung einer entsprechenden Norm wäre denkbar gewesen, z. B. eine sehr umfangreiche vorprozessuale Arbeit als ausreichend anzuerkennen, sodass ad hoc gegründete Vehikel zwar nicht in allen, wahrscheinlich aber in der Mehrheit der Fälle nicht zugelassen worden wären. 330 Auch hierzu nochmals exemplarisch das erstinstanzliche Urteil im Fall Stichting Clara Wichmann, rechtbank s’Gravenhage, Urteil vom 07. 09. 2005, ECLI:NL:RBSGR:2005: AU2088, Rn. 3.8. 331 Vgl. dazu bereits im zweiten Kapitel, S. 165 f. mit Fn. 442. 332 Der Zusatz „oder mehrere“ wurde an dieser und einigen weiteren Stellen erst infolge des Änderungsgesetzes (Wet tot wijziging van de WCAM) mit Wirkung zum 01. 06. 2013 ergänzt, um das Gesetz der gängigen Praxis anzupassen, in der an allen bisher durchgeführten Verfahren mehrere stichtingen oder verenigingen beteiligt waren, MvT, Wijziging van het BW en het WBR en de Faillissementswet teneinde de collectieve afwikkeling van massavorderingen verder te vergemakkelijken, TK 2011–2012, Kamerstuk 33 126, Nr. 3 S. 14. 333 Gerechtshof Amsterdam, Beschluss vom 25. 01. 2007, ECLI:NL:GHAMS:2007: AZ7033 (Dexia), Rn. 5.23; Klaassen, Ars Aequi 9/2013, 627, 636.
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geht die Prüfung des Art. 7:907 I BW dann ähnlich dem Verbandsklageverfahren der eigentlichen Prüfung des Vertrages voraus. Unabhängig vom Vertragsinhalt scheidet eine Verbindlichkeit daher gegenüber denjenigen Organisationen aus, die wegen Verstoßes gegen Art. 7:907 I BW nicht zugelassen werden. So entschied der gerechtshof Amsterdam z. B. im Shell-Verfahren gegen zwei als stichting organisierte Rentenversicherungsanstalten, weil ihr Satzungszweck, die Versicherung von Renten für Arbeitnehmer, ihre Angehörige und dem Fonds angeschlossene Unternehmen sowie alle damit verbundenen Dienstleistungen, auch in seiner weitest möglichen Auslegung nicht die Interessenvertretung der konkret Geschädigten einschließe. Auch die Tatsache, dass die betreffenden Anstalten selbst benachteiligte Anleger waren und sich aufgrund ihrer Verluste auch ihr für Versicherungsleistungen verfügbares Vermögen vermindert hatte, änderte daran nach Ansicht des Gerichts nichts.334 Sieht es dagegen wie in der Mehrheit bisher entschiedener Fälle Art. 7.907 I BW als erfüllt an, überprüft es den vorgelegten Vergleichsvertrag anhand der Absätze II und III. Der Verbindlichkeit des Vergleichs kann dabei gem. Art. 7:907 III lit. f BW entgegenstehen, dass „die stichtingen oder verenigingen im Sinne von Absatz 1 nicht hinreichend repräsentativ sind in Bezug auf die Interessen derjenigen, in deren Sinne der Vertrag geschlossen wurde“335. In den bislang sieben WCAM-Verfahren wurde zwar noch kein Antrag aus diesem Grund abgewiesen, das Merkmal der Repräsentativität bedarf dennoch näherer Betrachtung.
2. Repräsentativität einerseits, hinreichender Interessenschutz andererseits Die soeben erörterten Aspekte sind überwiegend auf die inhaltlichen Kompetenzen der handelnden Organisation selbst gerichtet. Es soll anhand ihrer Satzung sichergestellt werden, dass sie die konkret betroffenen Interessen tatsächlich vertreten kann und sich möglichst ausschließlich ihrer Durchsetzung widmen wird. Darüber hinaus wird unter dem Stichwort Repräsentativität seit der Entstehung des kollektiven Rechtsschutzes in den Niederlanden über das Verhältnis der jeweiligen stichting oder vereniging zur Gruppe der Betroffenen Einzelpersonen, mithin ihre persönliche Legitimation diskutiert. Der – rein theoretische – Idealzustand besteht darin, dass sich jeder im Einzelfall Betroffene mit dem verfahrensführenden Verband identifizieren und dieser somit als optimaler Repräsentant der Interessen aller Beteiligter auftreten könnte. Obwohl es in der Praxis vielfach unrealistisch erscheinen mag, alle betroffenen Einzelpersonen und -interessen zu berücksichtigen, rechtfertigt sich die Stellung als Interessen334 Gerechtshof Amsterdam, Beschluss vom 29. 05. 2009, ECLI:NL:GHAMS:2009: BI5744 (Shell), Rn. 6.4; sehr kritisch zur Ablehnung der Rentenversicherungsanstalten Ozmis/ Tzankova, TCR 2/2012, 33, 40 ff. 335 Art. 7:907 III lit. f BW: De rechter wijst het verzoek af indien de in lid 1 bedoelde stichtingen of verenigingen niet voldoende representatief zijn ter zake van de belangen van degenen ten behoeve van wie de overeenkomst is gesloten.
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vertreter je eher, desto größer der Rückhalt des Repräsentanten in der Gesamtgruppe der Beteiligten ausfällt. Damit stellt sich jedoch die schwierige Frage, ob dieser Faktor sinnvoll anhand eines Gradmessers abgebildet werden kann. In der Rechtsprechung des Hoge Raad vor Erlass der Art. 3:305a ff. BW kam der Begriff der Repräsentativität zwar in einigen Urteilen in unterschiedlichem Kontext zur Sprache, wurde aber nie zu einer klar definierten Zulassungsbedingung ausgearbeitet. Teils beschränkte sich das Gericht auf ein rein quantitatives Verständnis und stellte z. B. ausschließlich auf die Zahl der Mitglieder einer vereniging ab, teils bezog er andere Aspekte wie die tatsächliche Tätigkeit oder die Reputation der Organisation als Verhandlungspartner mit ein.336 Entgegen vereinzelter Stimmen, die im Gesetzgebungsverfahren ohne dies näher zu konkretisieren ein Repräsentativitätsgebot in Art. 3:305a I BW gefordert hatten337, sah auch der Gesetzgeber davon ab. Die gleiche Wirkung sei vielmehr durch das Zusammenspiel anderer Merkmale, darunter die Kontrolle des Satzungszwecks, das Gebot außergerichtlicher Verhandlungen (vgl. Art. 3:305a II BW) sowie die Rechte der einzelnen Beteiligten aus Art. 3:305a IV und V BW gewährleistet.338 Zudem dürfte auch die Unbestimmtheit des Begriffs eine Rolle gespielt haben, durch die verschiedene, ggf. sogar willkürliche Interpretationen durch die Rechtsprechung und damit ebenso die Gefahr drohte, dass Verfahren lediglich in einem Streit um die Repräsentativität der klagenden Partei aufgingen.339 Ausdrücklich in Beachtung dessen beurteilte der Gesetzgeber den Bedarf bei Einführung des WCAM jedoch anders. Wenn es um eine „so weitreichende Rechtsfolge wie die Bindung an einen Vertrag über die Abwicklung [den Geschädigten] zustehender Schadenersatzansprüche“ gehe, sei ein Repräsentativitätsgebot im Unterschied zur allgemeinen Verbandsklage „am richtigen Platz“. Beispielsweise müsse allein schon verhindert werden, dass die potenziellen Schädiger eine stichting oder vereniging zur vermeintlichen Durchsetzung der Interessen der Geschädigten errichteten.340 Ebenso wenig könnten Organisationen als repräsentativ angesehen werden, die ausschließlich von den mit einem 336 Ausführliche Darstellung bei Mom, S. 208 f., dort mit Fn. 512 und 513; vgl. Hoge Raad, Urteil vom 11. 12. 1987 (Staat/VEB), Hoge Raad, Urteil vom 10. 11. 1989 (LIO) und Hoge Raad, Urteil vom 02. 09. 1994 (Consumentenbond). 337 Vgl. die Nachweise bei Mom, S. 209, dort Fn. 514. 338 MvT, Regeling van de bevoegdheid van bepaalde rechtspersonen om ter bescherming van de belangen van andere personen een rechtsvordering in te stellen, TK 1991–1992, Kamerstuk 22 486, Nr. 3 S. 21; zustimmend Frenk, S. 132 und Mom, S. 209 f.; ebenso jetzt zur Neuregelung in Art. 3:305a II 3 BW Rutten, MvV 11/2015, 319, 326; kritisch Lunsingh Scheurleer/Vermeulen, in: Busch/Klaassen/Arons, S. 257, 263. 339 Frenk, S. 132; aus eben diesem Grund bemängelt Rutten, ebenda, der neue Art. 3:305a II 3 BW streue „Sand in die Maschine“. 340 MvT, Wijziging van het BW en het WBR teneinde de collectieve afwikkeling van massaschades te vergemakkelijken, TK 2003–2004, Kamerstuk 29 414, Nr. 3 S. 15; Krans, NTBR 1/2005, 2, 5.
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Schadensfall befassten Anwälten errichtet würden.341 Im Anschluss an seine Argumentation bei der allgemeinen Verbandsklage sprach sich der Gesetzgeber aber erneut deutlich gegen eine „fest umrissene Vorgabe“ aus.342 Die Repräsentativität könne sich aus einer Vielzahl von Faktoren ergeben, unter denen nicht einige wenige eine besondere Bedeutung erlangen sollten. Beispielhaft nennt er als Anknüpfungspunkte die über das Verfahren hinausgehende Tätigkeit einer Organisation im Interesse der Geschädigten, die Anzahl Geschädigter, die sich ihr angeschlossen haben und eine Beurteilung, inwieweit diese selbst die Interessenvertreter als repräsentativ empfinden. Schließlich könne auch einfließen, ob die Organisation in anderem Zusammenhang mit dem betreffenden Schadensereignis entweder als Gesprächspartner für den Staat oder als Sprachrohr in den Medien aufgetreten sei.343 Das Gericht hat gem. Art. 1016 I WBR die Möglichkeit über die Repräsentativität einer Interessenorganisation ein Sachverständigengutachten zu verlangen. Der Vorgabe folgend hat der gerechtshof Amsterdam bei der Anwendung des Art. 7:907 III lit. f BW in den bisherigen WCAM-Verfahren jeweils verschiedene Schwerpunkte gesetzt. Während bei den etablierten Interessenorganisationen eher ihr Satzungszweck und ihre tatsächlich ausgeübte Tätigkeit im Mittelpunkt stand, orientierte sich das Gericht bei ad hoc gebildeten Organisationen mehr an der Anzahl und Art der ihr angeschlossenen Geschädigten.344 Schließlich ließ es hier auch zum Teil die Übereinstimmung mit dem Claimcode miteinfließen.345 Auch für das Repräsentativitätserfordernis des Art. 7:907 III lit. f BW gilt, dass es nur von der Gesamtheit aller für die Geschädigten tätigen Organisationen erfüllt werden muss. Jeweils Einzelne unter ihnen können sich mithin auf die Vertretung einer bestimmten Gruppe Geschädigter beschränken. Da die Verbindlichkeitsentscheidung im WCAM-Verfahren im Gegensatz zu einem Urteil aufgrund der Art. 3:305a ff. BW Wirkung auch über die Niederlande hinaus entfalten kann, hat dies besondere Bedeutung erlangt in Bezug auf Geschädigte mit einem ausländischen Wohnsitz.346 341 Nota naar aanleiding van het verslag, TK 2003–2004, Kamerstuk 29 414, Nr. 7 S. 2. Zulässig soll es dagegen sein, wenn die Anwälte die Geschädigten selbst bei der Gründung unterstützen und die Organisation im Anschluss daran anwaltlich vertreten. Zur Problematik der sog. „advocatenstichting“ vgl. bereits im zweiten Kapitel, S. 170 ff. 342 MvT, a. a. O. (Fn. 340). 343 Ebenda. 344 Klaassen, Ars Aequi 9/2013, 627, 636 f.; weitere Beispiele und Nachweise auch bei Ozmis/Tzankova, TCR 2/2012, 33, 39, dort mit Fn. 51. 345 Vgl. dazu Fn. 288. 346 Dazu gerechtshof Amsterdam, Beschluss vom 29. 05. 2009, ECLI:NL:GHAMS: 2009:BI5744 (Shell), Rn. 6.22 bis 6.25 und gerechtshof Amsterdam, Beschluss vom 15. 07. 2009, ECLI:NL:GHAMS:2009: BJ2691 (Vedior), Rn. 4.20 und 4.21; außerdem Klaassen, Ars Aequi 9/2013, 627, 637. Diese Funktion des Repräsentativitätsgebots sah auch schon der Gesetzgeber, vgl. MvT, a. a. O. (Fn. 340), S. 15 f.
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In Anbetracht positiver Erfahrungen mit dem Repräsentativitätsgebot in Art. 7:907 III lit. f BW relativiert sich jedoch die Entscheidung des Gesetzgebers, davon im Rahmen der allgemeinen Verbandsklage abzusehen. Dies umso mehr, wenn man sich verdeutlicht, dass aufgrund des Verbots in Art. 3:305a III BW zwar Schadenersatz-, keineswegs aber alle Geldforderungen von der Geltendmachung ausgeschlossen werden. So können z. B. in eine Klage auf Feststellung der Nichtigkeit eines Vertrages die damit im Erfolgsfall verbundenen bereicherungsrechtlichen Rückforderungsansprüche der Vertragspartner einbezogen oder auch die Erfüllung einer vertraglichen Geldschuld (z. B. in Form von Lohnzahlungen) verlangt werden.347 Hinzu kommt die u. U. nicht unerhebliche Bedeutung eines Feststellungsurteils für eventuell daran anschließende Vergleichsverhandlungen und ein WCAM-Verfahren mit dem Schädiger. Ein signifikanter Unterschied zwischen allgemeiner Verbandsklage und WCAM-Verfahren mit Blick auf die erhoffte Repräsentativität der handelnden Interessenvertreter kann daher nicht ausgemacht werden. Im Gegenteil sogar bietet das WCAM-Verfahren, das gänzlich auf einer einverständlichen Problemlösung aufbaut diesbezüglich eher eine höhere Gewähr, ist doch der Schädiger jedenfalls daran interessiert, möglichst viele Geschädigte zufrieden zu stellen und so von einer opt out-Erklärung abzuhalten. Das als Klage im traditionellen Sinn gestaltete Verbandsklageverfahren ist darauf nicht zwingend angewiesen.348 Dementsprechend griff auch der Gesetzgeber im Februar 2011 im Angesicht des vorgeblichen Wildwuchs von claimstichtingen349, für den er u. a. den „nahezu vorbehaltlosen Zugang zu Gericht“ verantwortlich zeichnete, die Frage der Repräsentativität wieder auf und regte an, ein Art. 7:907 III lit. f BW nachgebildetes Gebot auch in einen neuen Art. 3:305a II 3 BW zu übernehmen.350 Die dazugehörige Begründung wurde in großen Teilen scheinbar wortgleich aus den Materialien zum WCAM-übernommen. Besonderer Wert wird darüber hinaus lediglich auf die „Umstände des konkreten Falls“ gelegt, anhand derer die Repräsentativität beurteilt werden soll. Des Weiteren sollte ausdrücklich kein neues Konzept entwickelt, sondern für die Ausgestaltung des Repräsentativitätsgebots unter Verweis auf diverse Urteile des Hoge Raad „zur 347 Mom, S. 231 und 232 f.; Frenk/Boele-Woelki, in: Basedow/Hopt/Kötz/Baetge, S. 213, 240; Arons/Koster, Ondernemingsrecht 7/2014, 333, 335. 348 So dann auch schließlich der Gesetzgeber, MvT, Wijziging van het BW en het WBR en de Faillissementswet teneinde de collectieve afwikkeling van massavorderingen verder te vergemakkelijken, TK 2011–2012, Kamerstuk 33 126, Nr. 3 S. 12; außerdem Klaassen, Ars Aequi 9/2013, 627, 636. 349 Dazu bereits im zweiten Kapitel, S. 166 ff. 350 Voorstel van wet: Wet tot wijziging van de Wet collectieve afwikkeling massaschade, i. d. F. der Internetkonsultation vom 15. 02. 2011, online abrufbar unter http://www.inter netconsultatie.nl/massaschade (zuletzt besucht am 12. 04. 2017), S. 1.
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Situation vor Einführung des Art. 3:305a BW zurückgekehrt“ werden.351 Diesem Vorschlag trat jedoch der Raad van State, ein beratendes Organ bestehend aus Fachleuten und unter Vorsitz des Monarchen, dem jeder Gesetzesentwurf vorzulegen ist, mit wiederum bekannter Argumentation entgegen. Hinter dem Begriff der Repräsentativität könnten sich die unterschiedlichsten Bedeutungen verstecken und er sei daher zu undeutlich. Noch dazu gelte das Gebot nicht in allen Fällen, wenn die ursprüngliche Rechtsprechung gemäß dem Verweis wieder zur Anwendung käme. In der Praxis befürchtete die zuständige Abteilung daher Rechtsunsicherheit und u. U. sogar willkürliche Entscheidungen. Sie sprach sich stattdessen für eine, vom Gesetzgeber ebenfalls vorgelegte, jedoch „zurückhaltendere“ Alternativformulierung aus352, die schließlich auch Eingang ins Gesetz fand.353 Mag diese Entscheidung auch im Einklang stehen mit der damaligen Debatte, nehmen weder der Raad van State noch die endgültigen Gesetzesmaterialien mit einem Wort auf das zwischenzeitlich in Art. 7:907 III lit. f BW eingeführte Repräsentativitätsgebot Bezug, das sich entgegen aller Bedenken in der Praxis als durchaus handhabbar erwiesen hat. Ein Grund für die unterschiedliche Behandlung von allgemeiner Verbandsklage und WCAM-Verfahren wird auch hier weder genannt, noch ist er ersichtlich.354 Nach Art. 3:305a II 3 BW sind stichtingen oder verenigingen nun auch dann nicht als Verbandskläger zuzulassen, wenn durch die von ihnen erhobene Klage, die Interessen der Personen nicht hinreichend geschützt werden, zu deren Gunsten sie eingereicht wurde.355 Dies soll sich jeweils für den konkreten Fall im Wesentlichen danach richten, inwieweit die Betroffenen im Erfolgsfall durch die Verbandsklage einen Vorteil erhalten und inwieweit darauf vertraut werden kann, das die klagende Organisation über hinreichende Kenntnis und Fertigkeiten verfügt, um das Verfahren zu führen.356 Der Gesetzgeber betont, im Unterschied zum ursprünglich angedachten Repräsentativitätsgebot werde dem Richter damit eine materielle Beurteilungsgrundlage geschaffen, die ihm bei Zweifeln im Hinblick auf die Motive einer Organisation einen weiten Entscheidungsspielraum einräumen soll. Dennoch zeigen die Gesetzesmaterialen beispielhaft einige Anknüpfungspunkte auf, die abgesehen von einem hinzuge351 MvT, Wet tot wijziging van de Wet collectieve afwikkeling massaschade, i. d. F. der Internetkonsultation vom 15. 02. 2011, a. a. O. (Fn. 350), S. 5–7. 352 Advies Raad van State en nader rapport, TK 2011–2012, Kamerstuk 33 126, Nr. 4 S. 2 f. 353 Dazu MvT, a. a. O. (Fn. 348), S. 6. 354 Das bemängeln auch Ozmis/Tzankova, TCR 2/2012, 33, 39, die die Frage in den Raum stellen, ob damit implizit am Repräsentativitätsgebot in Art. 7:907 III lit. f BW Kritik geübt werden soll. 355 Art. 3:305a II 3 BW: „Een rechtspersoon als bedoeld in lid 1 is eveneens niet ontvankelijk, indien met de rechtsvordering de belangen van de personen ten behoeve van wie de rechtsvordering is ingesteld onvoldoende gewaarborgd zijn.“ 356 MvT, a. a. O. (Fn. 348); vgl. auch Rutten, MvV 11/2015, 319, 320.
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kommenen Verweis auf die Befolgung des Claimcode357 wörtlich mit den in der Begründung zu Art. 7:907 III lit. f BW Genannten übereinstimmen.358 Insgesamt stehen sich damit in Art. 3:305a II 3 BW und Art. 7:907 III lit. f BW nun zwei Regelungen mit dem gleichen Zweck gegenüber, die sich auch inhaltlich nach der Vorstellung des Gesetzgebers nicht unterscheiden359, formell aber für eine ungleiche Auslegung offenstehen. Ob damit im Vergleich zum Erstentwurf der Rechtsicherheit und -klarheit ein Dienst erwiesen wurde, mag mithin bezweifelt werden.360 Darüber hinaus erachtet Rutten die genannten Kritierien auch inhaltlich als „nicht ausschlaggebend“ und folgt dabei weitgehend der bereits geäußerten Kritik an einem Repräsentativitätsgebot.361 Die übrige Tätigkeit eines Interessenvertreters außerhalb des Verfahrens, die tatsächliche Umsetzung des Satzungszwecks in der Vergangenheit sowie ein Auftreten als Gesprächspartner könne bereits im Rahmen der tatsächlichen Umsetzung des Satzungszwecks gem. Art. 3:305a I letzter Hs. BW berücksichtigt werden.362 Weiter gibt er zu bedenken, dass eine geringe Anzahl angeschlossener Betroffener die Motive des Interessenvertreters nicht per se verwerflich werden lässt. Zwar ließen sich durch entsprechende mediale Kampagnen Betroffene zum Beitritt motivieren. Gleichzeitig könne dies aber auch die Verhandlungen mit dem Schädiger negativ beeinflussen, der ggf. die Öffentlichkeit scheut.363 Schließlich dürfe auch kein Unterschied gemacht werden zwischen ad hoc gegründeten und angestammten Interessenorganisationen. Der erstgenannten Gruppe dürfe nicht aus Prinzip eine unlautere Vorgehensweise unterstellt werden, auch wenn sie eine gewisse Vegütung von ihren Mitgliedern bzw. den beigetretenen Betroffenen verlangen.364 Im Ergebnis wird vieles von der Handhabung durch die Rechtsprechung abhängen. Es ist sicherlich zutreffend, dass weder einzelne Aspekte für sich 357 Nach Ansicht von Rutten, MvV 11/2015, 319, 323 verdient Erwähnung, dass die Norm nicht ausdrücklich eine Übereinstimmung mit dem Claimcode verlangt; ob dies angesichts der vorgegebenen Normauslegung erforderlich ist, erscheint zweifelhaft. Jedenfalls unberechtigt ist derselbe Hinweis bezüglich der Gesetzeshistorie, da der Claimcode erst am 01. 01. 2012 flächendeckend in Kraft trat, vgl. S. 245. 358 MvT, a. a. O. (Fn. 348), S. 6 und S. 12 f.; Lemstra, in: Holtzer e. a., S. 389, 399 geht folglich davon aus, dass beide Normen übereinstimmen. 359 So nun ausdrücklich auch der Gesetzgeber selbst, vgl. MvT, Wijziging van het BW en het WBR teneinde de afwikkeling van massaschade in een collectieve actie mogelijk te maken, TK 2013–2014, Kamerstuk 31 762, Beilage zu Nr. 4 S. 13, Rn. 5.1. Im gleichen Dokument auf S. 18 dagegen bezeichnet er dann das Repräsentativitätsgebot als „Bestandteil“ des Gebots hinreichenden Interessenschutzes, wobei aber unklar bleibt, inwieweit das eine über das andere hinausgeht. 360 So auch Ozmis/Tzankova, TCR 2/2012, 33, 39; für einen einheitlichen Maßstab beider Normen auch van Abeelen, NTBR 1/2015, 19, 23; Lemstra, in: Holtzer e. a., S. 389, 398. 361 Rutten, MvV 11/2015, 319, 320; vgl. auch bereits Fn. 338 und 339. 362 Ebenda, S. 320 f. 363 Ebenda, S. 321 f. 364 Ebenda, S. 323 und 324.
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allein den Ausschlag geben, noch bestimmte Organisationen aus Prinzip ausgeschlossen werden sollten. Eine Gesamtbetrachtung aller relevanten Faktoren ermöglicht dennoch aus hiesiger Sicht eine bessere Beurteilung, als dies anhand von Art. 3:305a I BW allein möglich wäre.
3. Reformvorhaben: Auf Umwegen zu einem Repräsentativitätsgebot Seit einigen Jahren wird nun über die Abschaffung des Art. 3:305a III BW und damit eine Erweiterung der allgemeinen Verbandsklage gem. Art. 3:305a ff. BW um die Möglichkeit zur kollektiven Geltendmachung von Schadenersatzansprüchen diskutiert. Es besteht Einigkeit, dass zum Schutz der Betroffenen und auch der Beklagten dann weitere Zulassungskriterien für die verfahrensführenden stichtingen oder verenigingen erforderlich wären, um u. a. zu Unrecht, leichtfertig oder missbräuchlich erhobenen Klagen vorzubeugen.365
a) Der Vorentwurf eines Wet afwikkeling massaschade in een collectieve actie Mit dem im Juli 2014 zur Konsultation veröffentlichten Vorentwurf eines entsprechenden Änderungsgesetzes wurde daher erwogen, einen neuen, ausschließlich für Schadenersatzfälle geltenden Absatz V an Art. 3:305a BW anzufügen, um „vorzubeugen, dass repräsentative Interessenorganisationen zu leichtsinnig ein kollektives Schadenersatzverfahren einleiten“.366 Aus diesem Absatz ist insbesondere dessen lit. a hier von Interesse, der anordnete, dass „die klagende Rechtsperson über die für die erhobene Klage erforderliche Sachkunde verfügt und davon ausgegangen werden kann, dass sie die Interessen, für die sie sich einsetzt, auf sorgfältige Weise vertritt.“367 Bei der Frage, welche inhaltliche Bedeutung die Vorschrift haben und in welchem Verhältnis sie zu den bereits geltenden stehen sollte368, sorgte die Begründung des Vorentwurfs leider für Verwirrung und Unklarheiten. Mithilfe des Erfordernisses hinreichender Sachkunde wollte das Justizministerium sicherstellen, dass eine klagende Organisation über genügend Expertise 365 Vgl. zuletzt MvT, Wijziging van het BW en het WBR teneinde de afwikkeling van massaschade in een collectieve actie mogelijk te maken, TK 2016–2017, Kamerstuk 34 608, Nr. 3 S. 16. 366 MvT, Wijziging van het BW en het WBR teneinde de afwikkeling van massaschade in een collectieve actie mogelijk te maken, TK 2013–2014, Kamerstuk 31 762, Beilage zu Nr. 4 S. 13 Rn. 5.1; Lemstra, in: Holtzer e. a., S. 389, 395 kritisiert zu Recht das vollständige Fehlen statistischer Grundlagen in der Gesetzesbegründung; auch Bosters e. a., NJB 24/2015, 1584, 1589 drängen darauf zunächst untersuchen zu lassen, warum es in einigen Fällen nicht zu einer vergleichsweisen Regelung kommt. 367 Art. 3:305a V lit. a BW-E in der Fassung des Vorentwurfs: „de rechtspersoon die de rechtsvordering instelt, beschikt over voldoende deskundigheid ter zake van de rechtsvordering en kan worden geacht de belangen waarvoor hij opkomt op zorgvuldige wijze te behartigen.“ 368 Zu diesen im Folgenden behandelten Fragen MvT, a. a. O. (Fn. 366), S. 19 ff.; außerdem van Abeelen, NTBR 1/2015, 19, 22 f.; Arons/Koster, Ondernemingsrecht 16/2014, 687, 689 f.; Lemstra, in: Holtzer e. a., S. 389, 398 f.
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für das Verfahren verfügt (z. B. durch einen Fachmann als Vorstandsmitglied) oder wenigstens dazu Zugang hat. Die Art, der Umfang wie auch das Maß an Professionalität der Sachkunde sollten sich dabei nach den Gegebenheiten des konkreten Falles (z. B. der Schadensart oder auch der Größe der vertretenen Gruppe) richten. Unter dem Stichwort der Professionalität nannte die Entwurfsbegründung als weiteres Element die good governance der Interessenorganisation wie sie auch in den Prinzipien I, II, und IV des Claimcode behandelt wird und für die z. B. ein den Vorstand beaufsichtigendes Organ erforderlich sein kann. Dadurch verschwammen allerdings die Grenzen zu Art. 3:305 II 3 BW, für den die Befolgung des Claimcode bereits nach geltendem Recht von Bedeutung sein soll.369 Für das zweite Merkmal einer sorgfältigen Interessenvertretung verwies der Vorentwurf auf rule 23 (g) der US-amerikanischen Federal Rules of Civil Procedure, nicht aber auf einen der vier Absätze oder zahlreichen Unterabsätze.370 Gemeint war wohl rule 23 (g) (4) FRCP.371 Allerdings erschöpfte sich der Bezug auch schon in der Ähnlichkeit der Formulierung. Inhaltliche Parallelen wurden nicht gezogen. Stattdessen sollte die niederländische Norm als Auffangtatbestand dienen und eine Ablehnung der handelnden Organisation ermöglichen, auch wenn alle anderen Merkmale jedenfalls auf dem Papier erfüllt werden. Als Beispiel nannte der Entwurf Fälle, in denen eine stichting oder vereniging zwar einerseits die Interessen der Geschädigten hinreichend im Sinne von Art. 3:305 II 3 BW schützt, gleichzeitig aber ein zu starkes finanzielles Eigeninteresse an der Sache hat. In Übereinstimmung mit den Prinzipien IV und V des Claimcode sollten dabei insbesondere Teilnahmebeiträge, vereinbarte Erfolgsvergütungen oder Finanzierungsvereinbarungen mit Dritten näher überprüft werden. Mit Blick auf die Haftung des Führungspersonals verwies das Justizministerium zum Abschluss noch auf den Vorentwurf zum Wet bestuur en toezicht rechtspersonen372. Hätte der Vorentwurf Gesetzeskraft erlangt, würden an einen Verbandskläger i. S. v. Art. 3:305a I BW in Schadenersatzfällen mithin vier verschiedene Zulassungsvoraussetzungen gestellt. Es würde verlangt, dass die betreffende Organisation die konkret zu schützenden Interessen „gemäß ihrer Satzung vertritt“ (Art. 3:305a I BW), „durch die erhobene Klage, die Interessen der Personen hinreichend geschützt werden, zu deren Gunsten sie eingereicht wurde“ 369 Ebenso van Abeelen, NTBR 1/2015, 19, 23; zu Art. 3:305 II 3 BW bereits soeben, S. 348 f. mit Fn. 357; Hammerstein, in: Holtzer e. a., S. 351, 355 bezweifelt die praktische Umsetzbarkeit der Regelung an sich. 370 Ähnlich undifferenziert auch van Abeelen, NTBR 1/2015, 19, 24 f., die sich aber zu Recht nach dem maßgeblichen Zeitpunkt fragt; sogar auf die gesamte rule 23 verweisend Hammerstein, ebenda. 371 Rule 23 (g) (4) FRCP: “Duty of Class Counsel – Class Counsel must fairly and adequately represent the class.” 372 Dazu bereits im dritten Kapitel, S. 243 ff.
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(Art. 3:305a II 3 BW), die Organisation „über die für die erhobene Klage erforderliche Sachkunde verfügt“ (Art. 3:305a V lit. a 1.Var. BW gem. Vorentwurf) und schließlich, dass sie „die Interessen, für die sie sich einsetzt, auf sorgfältige Weise vertritt“ (Art. 3:305a V lit. a 2.Var. BW gem. Vorentwurf). Im Rahmen eines ggf. anschließenden WCAM-Verfahrens würden die u. U. identischen Interessenorganisationen zusätzlich dahingehend überprüft, ob sie „hinreichend repräsentativ sind in Bezug auf die Interessen derjenigen, in deren Sinne der [Vergleichs]Vertrag geschlossen wurde“ (Art. 7:907 III lit. f BW). Rein anhand ihres Wortlauts betrachtet, sind alle fünf genannten Merkmale inhaltlich unbestimmt und ihnen könnte theoretisch eine identische Bedeutung zukommen. Lediglich hinsichtlich der Übereinstimmung von Klageinteresse und Satzungszweck und der Repräsentativität sind Auslegungsansätze der Rechtsprechung vorhanden.373 Darüber hinaus könnten nur die hier besprochenen Gesetzesmaterialien als Auslegungshilfe dienen. Diese aber wiederum enthielten leider offenkundige Widersprüche und Unklarheiten.374 Eine trennscharfe Abgrenzung zwischen Repräsentativität i. S. v. Art. 7:907 lit. f BW einerseits und hinreichendem Interessenschutz i. S. v. Art. 3:305a II 3 BW andererseits wäre anhand der genannten Indizien undenkbar gewesen. Noch hinzu kommt, dass die Definitionen in mehreren offiziellen Dokumenten teils gleich teils unterschiedlich ausfielen375 und die zu Art. 7:907 lit. f BW ergangene Rechtsprechung nahezu unberücksichtigt blieb. Aber auch die erst im Juni 2013 in Kraft getretenen Ergänzungen wären nicht eindeutig in das System eingegliedert worden. Beispielsweise kann für Art. 3:305a II 3 BW der amtlichen Begründung zufolge von Belang sein, ob ein Verbandskläger den Vorgaben des Claimcode entspricht. Gleichzeitig sollten einzelne seiner E lemente wiederum im Art. 3:305a V lit. a BW in der Fassung des Vorentwurfs aufgehen. Ähnliches hätte für das Element der Sachkunde gegolten. Erklärt es die amtliche Begründung noch zu einer von zwei maßgeblichen Fragen für einen hinreichenden Interessenschutz i. S.v Art. 3:305a II 3 BW, „inwieweit darauf vertraut werden kann, dass die klagende Organisation über ausreichende Kenntnis und Fähigkeiten verfügt, um das Verfahren zu führen“, regte der Vorentwurf daneben ein eigenständiges Tatbestandsmerkmal mit demselben Inhalt an. Die Grenzen zwischen diesen Normen wären bestenfalls fließend, um nicht zu sagen völlig unklar gewesen. Schließlich wurde noch der Entwurf eines Wet bestuur en toezicht rechtspersonen ins Spiel gebracht. Installierten juristische Personen wie darin vorgesehen ein aufsichtführendes Organ, wären wiederum Teile des Claimcode wie auch des Art. 3:305a V lit. a BW in der Fassung des Vorentwurfs überflüssig geworden. 373
Dazu bereits oben S. 298 ff. und S. 341 ff. Recht Arons/Koster, Ondernemingsrecht 16/2014, 687, 689 mehrmals: „De Minister geeft echter geen duielijke criteria“. 375 Vgl. soeben, S. 348 f. 374 Zu
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Das Justizministerium verlor sich mit dem Vorentwurf, wenn auch nicht ausschließlich so doch in erster Linie in dem Versuch konkrete Zugangsbarrieren zu normieren und gleichzeitig an der Offenheit und Flexibilität der Regelungen festzuhalten. Das kam einer Quadratur des Kreises gleich und hätte Rechtsklarheit und -sicherheit massiv untergraben. Die u. a. von Seiten des Raad voor de Rechtspraak im Rahmen der Internetkonsultation geübte Kritik376 teilt der Verfasser daher vollumfänglich. Nichtsdestotrotz bewiesen insbesondere die Materialien zum Vorentwurf durchaus ein inhaltliches Verständnis der Sache. Die jedem Merkmal zugeordneten inhaltlichen Aspekte verdienten im Zusammenhang mit einem kollektiven Schadenersatzmechanismus zweifelsohne Berücksichtigung. Dies galt insbesondere für eine in Ansätzen erkennbare Vierteilung in Fragen zur Satzung, solche zur persönlichen Legitimation und Repräsentativität, Anforderungen an Sachkunde und Führungsstruktur und schließlich Fragen der Verfahrensfinanzierung.
b) Die Vorschläge der Juristengruppe Auch angesichts der weitreichenden Kritik am Vorentwurf bot die sogenannte Juristengruppe377 dem Justizministerium ihre Mithilfe an und arbeitete eine Reihe von Empfehlungen aus. Im gegebenen Kontext ist daraus nur Empfehlung Nr. 1378 von Bedeutung, wonach ein Gesetzesentwurf „strenge Voraussetzungen“ an die Zulassung einer Interessenorganisation stellen soll. Anders als der Vorentwurf spricht sich die Juristengruppe dabei für eine einheitliche Regelung für alle Interessenorganisationen aus.379 Im Einklang mit der hiesigen Beurteilung des Vorentwurfs fordert die Juristengruppe außerdem, die Anforderungen des Vorentwurfs an die Zulassung repräsentativer Organisationen müssten deutlicher und präziser formuliert werden.“380 Im Einzelnen solle es sich auch zukünftig um eine stichting oder eine voll rechtsfähige vereniging handeln, die kraft ihrer Satzung den jeweils betroffenen Interessen dient. Dabei dürften aber weder die Organisation selbst, noch ihre Gründer bzw. Vorstandsmitglieder direkt oder indirekt einen Gewinn anstreben. Des Weiteren solle die Qualität der stichting oder vereniging nachgewiesen werden. Dafür seien ihre governance, also Aufbau, Struktur und Beschlussfassung, ihre Finanzierung und dabei insbesondere eventuelle Beiträge der Geschädigten und ihre Transparenz von Bedeutung. Außerdem seien eine angemessene Rechtsvertretung, die Erfahrung der Organisation selbst sowie die Anforderungen an Bei- und Austritt von Mitgliedern beachtlich. In Verfahren, 376
Dazu bereits im zweiten Kapitel, S. 103 f. Dazu bereits im zweiten Kapitel, S. 104 f. 378 Zu der folgenden Darstellung ebenda, S. 3–5. 379 A. A. und damit für eine Differenzierung van Abeelen, NTBR 1/2015, 19, 26. 380 Aanbevelingen juristengroep uitvoering motie Dijksma, TK 2016–2017, amerstuk 34 608, Beilage zu Nr. 3 S. 2. K 377
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die lediglich ideelle Interessen nur geringen Schadensbeträge zum Gegenstand haben, solle ein geringerer Maßstab gelten. Von wenigen Einzelheiten abgesehen gibt die Juristengruppe damit im Ergebnis den schon vorhandenen Erkenntnisstand zum wiederholten Male wieder. Die konkrete Umsetzung in Gesetzesform lässt die Ausarbeitung jedoch gänzlich unberücksichtigt, obwohl gerade darin die wesentliche Schwäche des Vorentwurfs bestand.
c) Der Entwurf eines Änderungsgesetzes Im Anschluss an die Arbeiten der Juristengruppe lag die Aufgabe daher erneut beim Justizministerium, die schon bestehenden und im Vorentwurf noch erweiterten Widersprüche in der Konkurrenz verschiedener Normen aufzulösen. Das Ergebnis liegt nun in Form eines Entwurfs zur Wijziging van het Burgerlijk Wetboek en het Wetboek van Burgerlijke Rechtsvordering teneinde de afwikkeling van massaschade in een collectieve actie mogelijk te maken vor. Neben deutlich verschärften generellen Vorgaben von Aufbau und Struktur der handelnden Interessenorganisationen381 hat sich das Justizministerium darin mit Blick auf die konkreten Anforderungen im Einzelfall für eine Rückkehr zu den Wurzeln entschieden. Art. 3:305a I BW soll nur geringfügig ergänzt werden und zukünftig lauten: „Eine stichting oder vereniging mit voller Rechtsfähigkeit kann eine Klage erheben, die dem Schutz gleichartiger Interessen von anderen Personen dient, sofern sie diese Interessen gemäß ihrer Satzung vertritt und diese Interessen hinreichend geschützt werden.“382
Mit dem anschließenden Art. 3:305a II 1 BW-E wird die vorgenannte Voraussetzung dann weiter präzisiert: „Die Interessen der Personen, auf deren Schutz die Klage gerichtet ist, werden hinreichend geschützt, wenn die Rechtsperson im Sinne des Absatzes 1 hinreichend repräsentativ ist im Verhältnis zu ihren Mitgliedern und den Umfang der von ihr geltend gemachten Forderungen und verfügt über: […].“383
Im deutlichen Unterschied zum Vorentwurf wird damit das Verhältnis der verschiedenen Merkmale bereits im Wortlaut klargestellt. Zentrales Merkmal soll zukünftig sein, ob die Interessen der Betroffenen hinreichend geschützt werden. In der Entwurfsbegründung bemängelt das Justizministerium ausdrücklich, dass 381
Dazu bereits im dritten Kapitel, S. 248 ff. und in diesem Kapitel, S. 300. BW-E: „Een stichting of vereniging met volledige rechtsbevoegdheid kan een rechtsvordering instellen die strekt tot bescherming van gelijksoortige belangen van andere personen, voor zover zij deze belangen ingevolge haar statuten behartigt en deze belangen voldoende zijn gewaarborgd.“ 383 Art. 3:305a II BW-E: „De belangen van de personen tot bescherming van wier belangen de rechtsvordering strekt, zijn voldoende gewaarborgd, wanneer de rechtspersoon als bedoeld in lid 1, voldoende representatief is, gelet op de achterban en de omvang van de vertegenwoordigde vorderingen en beschikt over: […]“ 382 Art. 3:305a I
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die Einführung dieses Mermals in Art. 3:305a II 3 BW in der Praxis bislang – wohl wider Erwarten – nicht zu Veränderungen bei der Zulässigkeitsprüfung geführt hat. Es soll daher nun weiter konkretisiert werden. Die damit verbundene, strengere Regulierung zielt dabei in erster Linie auf ad hoc gegründete Organisationen und solche, die kommerzielle Zwecke verfolgen. Sie sollen aus der Masse besser herausgefiltert werden können.384 Ob die Interessen der Betroffenen hinreichend geschützt werden, bestimmt sich nach dem jetzt entworfenen Modell einerseits an einer Reihe abstrakter Voraussetzungen, die die jeweilige Interessenorganisation erfüllen muss.385 Hinzu kommt andererseits die Repräsentativität der Organisation im konkreten Einzelfall. Sie beurteilt sich nach der Entwurfsbegründung danach, inwieweit eine Organisation im Hinblick auf ihre Mitglieder für die Gesamtgruppe der Betroffenen eintritt. Als Indizien werden der Anteil Betroffener, der sich angeschlossen hat und der Umfang der geltend gemachten Forderung im Verhältnis zur Gesamtforderung genannt. In jedem Einzelfall soll die Interenssenorganisation darlegen, für wen genau sie auftritt. Die Vorlage einer Namensliste sei jedoch nicht erforderlich, sondern eine genaue Umschreibung ausreichend, um welche Gruppe es sich handelt, beispielweise „alle Verbraucher, die am Datum X bei Unternehmen Y Produkt Z erworben haben“ oder „alle Personen, die in Bereich X wohnhaft sind und durch den Brand bei Unternehmen Y am Datum Z einen Schaden erlitten haben“. Mithilfe des Repräsentativitätserfordernis solle das Gericht insbesondere ausschließen können, das Organisationen zugelassen werden, denen die nicht vorranging die Unterstützung ihrer Mitglieder anstreben. Der jeweilige Maßstab hänge dabei vom jeweiligen Einzelfall ab und bestimme sich im Verhältnis zur Gesamtzahl der Betroffenen. Bei der Auswahl eines Exclusieve Belangenbehartiger aus allen zugelassenen Organisationen sei dann zu einem späteren Zeitpunkt die Repräsentativität wiederum ein, jedoch nicht der alleinige Faktor.386 Angesichts der Bedeutung und der Errungenschaften der niederländischen Rechtsprechung, ohne die ein kollektiver Rechtsschutz in der aktuellen Form nicht existieren würde, ist der jüngste Regelungsentwurf zu begrüßen. Es wäre bedauerlich gewesen, hätte das Justizministerium im Stile des Vorentwurfs Heil in einer scheinbar ausdifferenzierten Regelung mit sehr detailreichem Wortlaut gesucht. Im Gegensatz dazu überzeugt der neue Entwurf nun durch eine klare Methodik, während alle inhaltlichen Aspekte des Vorentwurfs erhalten geblieben sind. Dadurch bietet der Entwurf auch die Chance, die im geltenden Recht mitunter aufgetauchten Widersprüche aufzulösen. Indem das Justizministerium den Fragen der Führungsstruktur, Transparenz, Erfahrung und Sachkunde 384 MvT,
Wijziging van het BW en het WBR teneinde de afwikkeling van massaschade in een collectieve actie mogelijk te maken, TK 2016–2017, Kamerstuk 34 608, Nr. 3 S. 18 f. 385 Dazu bereits im dritten Kapitel, S. 248 ff. sowie in diesem Kapitel, S. 298 ff. 386 MvT, a. a. O. (Fn. 384), S. 19 f.
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sowie der Verfahrensfinanzierung jeweils eine eigenständige Norm gewidmet hat, können die Anforderungen an Satzung und persönliche Legitimation dem Erfordernis der Repräsentativität im traditionellen Sinne vorbehalten bleiben. Diesbezüglich kann die Rechtsprechung dann auch auf die in der Vergangenheit entwickelten Grundsätze zurückgreifen und gleichzeitig eine Parallelität zu Art. 7:907 III lit. f BW schaffen. Das nächste Kapitel auf dem Weg zum „Stock hinter der Tür“387 darf daher mit Spannung erwartet werden.
III. Schlussfolgerungen Die in § 5 dargestellten Erfahrungen und die in §§ 6 und 7 erörterte Rechtslage de lege lata verdeutlichen die unmittelbare Verknüpfung zwischen dem Zweck einer Organisation und ihrer Tauglichkeit als Interessenvertreter. Die Satzung388 bildet die rechtliche Grundlage jeder Vereinigung und legt ihre primären Handlungsmaximen verbindlich fest. Steht eine Organisation infolge dessen mit dem Verfahrenszweck in Konflikt, kann sie schon deshalb als verfahrensführender Interessenvertreter nicht in Frage kommen. Dementsprechend sehen alle hier untersuchten Normen inklusive der Empfehlung der EU-Kommission zu Recht bereits vor, dass der satzungsgemäße Zweck der handelnden Einrichtung, die mit dem Verfahren verfolgten Interessen hinreichend abbilden muss (dazu 1.). Außerdem ist in einem zweiten Schritt aber auch die konkrete Interessenlage in jedem Einzelfall insoweit von Bedeutung, als sie von einer abstrakt-generellen Norm nicht fallübergreifend berücksichtigt werden kann. Obwohl eine Organisation ihrer Satzung zufolge der Vorgabe entspricht, ist damit ihre Eignung im Einzelfall noch nicht hinreichend gewährleistet. Das gilt z. B. dann, wenn sich die betreffende Einrichtung auf ein bestimmtes Tätigkeitsfeld spezialisiert hat, das zwar von dem übergeordneten Satzungszweck erfasst wird, im Einzelfall jedoch nicht einschlägig ist. Für diese Zwecke lässt sich der in den Niederlanden verwendete Aspekt der Repräsentativität nutzbar machen (dazu 2.). Gleichzeitig wäre dadurch sicher387 Ein „stock achter de deur“ steht in der niederländischen Sprache sprichwörtlich für ein Druckmittel. Dem Justizministerium zufolge, vgl. MvT, Wijziging van het BW en het WBR teneinde de afwikkeling van massaschade in een collectieve actie mogelijk te maken, TK 2013–2014, Kamerstuk 31 762, Beilage zu Nr. 4 S. 1 fehlt im niederländischen kollektiven Rechtsschutz bislang ein solches Druckmittel, das insbesondere die jeweiligen Schädiger zu außergerichtlichen Verhandlungen veranlasst und ihre Vergleichsbereitschaft erhöht. Der Begriff ist daher in der niederländischen Literatur und auch darüber hinaus zum Erkennungszeichen geworden, vgl. u. a. Lemstra, in: Holtzer e. a., S. 389, 390; Bosters e. a., NJB 24/2015, 1584; ebenso bereits Mom, S. 217; jetzt auch Stadler, ZfPW 2015, 61, 73; dies., VbR 2015, 145, 147; dies., in: Cafaggi/Micklitz, S. 305, 316. 388 Hier in ihrem weitest möglichen Wortsinne, also z. B. auch in Form eines Gesellschaftsvertrages.
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gestellt, dass es sich bei der Satzung nicht nur um ein förmliches Bekenntnis handelt, sondern sie auch tatsächlich die Grundlage der Arbeit bildet. Andernfalls wären ohne Schwierigkeiten Umgehungen möglich und die Anforderungen an die Satzungsbestimmungen würden leer laufen. Unter diesem Gesichtspunkt bedürfen auch einzelne der bereits bestehenden Normen des deutschen Rechts zum Schutz der Gruppenmitglieder und der Funktionalität des Verfahrens der Konkretisierung (dazu im Anschluss § 9).
1. Satzungszweck Je konkreter der Verfahrenszweck bereits im Vorhinein feststeht, desto deutlicher kann der erforderliche Satzungszweck schon von Gesetzes wegen eingegrenzt werden. Wie schon so oft ergeben sich auch hier die maßgeblichen Unterschiede entlang der Linie von Massenschadensverfahren einer- und Streuschadensverfahren bzw. negatorischem Rechtsschutz andererseits. Ein kollektives Massenschadensverfahren ist in erster Linie auf die Schadenskompensation gerichtet und dient damit vorwiegend dem Individualrechtsschutz im klassischen Sinne. Die jeweils betroffenen individuellen Interessen werden sich erwartungsgemäß je Einzelfall unterscheiden. Zudem sind verschieden konstituierte Interessenorganisationen denkbar. Dazu gehören solche, die sich ausschließlich für einen ganz bestimmten Schadensfall bilden, solche, die ihre Dienste wiederholt, jedoch nur für eine bestimmte Art von Schäden wie beispielweise Kartellschäden anbieten und auch Organisationen, die wiederholt und übergreifend in Massenschadensfällen tätig werden wollen. Es bietet sich daher eine weite Formulierung an wie sie z. B. das niederländische Recht in Art. 3:305a I BW verwendet: „[…] kann eine Klage erheben, die dem Schutz gleichartiger Interessen von anderen Personen dient, sofern sie diese Interessen gemäß ihrer Satzung vertritt“.
Im Dienste der notwendigen Flexibilität muss hierfür auch ein vergleichsweise allgemein gehaltener Satzungszweck als ausreichend angesehen werden wie beispielsweise: „Rechtliche und tatsächliche Unterstützung größerer Personengruppen bei der Durchsetzung ihrer gleichartigen Interessen aufgrund eines Massenschadensereignisses“.
Steht dagegen in Streuschadensfällen oder im negatorischen Rechtsschutz ein bestimmtes überindividuelles Interesse beispielsweise am Schutz der Verbraucher oder eines lauteren Wettbewerbs im Mittelpunkt, kann bereits die gesetzliche Regelung einen entsprechenden Satzungszweck zwingend vorschreiben. In Anlehnung an die in UWG, UKlaG und GWB bereits enthaltenen Unterlassungsklagen wären z. B. folgende Formulierungen denkbar: „ […] deren Aufgabe ihrer Satzung zufolge darin besteht, die Interessen der Verbraucher wahrzunehmen“ oder
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„ […] deren Aufgabe ihrer Satzung zufolge darin besteht, gewerbliche oder selbständige berufliche Interessen zu fördern“.
Dabei ist von besonderer Bedeutung, dass der von einer Interessenorganisation verlangte Satzungszweck uneingeschränkt mit denjenigen Interessen übereinstimmt, die das jeweilige Verfahren schützen und denen es zur Durchsetzung verhelfen soll.389 Wird der Verfahrenszweck – wie u. a. im Richtlinienrecht üblich – ausdrücklich normiert, lässt sich dies regelungstechnisch am einfachsten umsetzen, wenn in den darauffolgenden Vorschriften darauf Bezug genommen wird, z. B.: „ […] deren Aufgabe ihrer Satzung zufolge darin besteht, die in § x dargelegten Interessen wahrzunehmen“.
Beide Formulierungen ermöglichen es den betreffenden Organisationen zugleich, ihre Arbeit wie zum Teil bereits üblich in sachlicher oder örtlicher Hinsicht oder auf einen bestimmten Personenkreis zu beschränken. Während die Grundnorm dann lediglich den erforderlichen Rahmen vorgibt, ist innerhalb dessen aufgrund des mangelnden Interesses und der daher fehlenden Präsenz der betroffenen Personengruppen jedoch ein größeres Maß an Kontrolle zwingend notwendig. Anders als in Massenschadensfällen sind die betreffenden Satzungsbestimmungen deshalb so konkret wie möglich vorauszusetzen, wobei die gesetzliche Regelung selbst die Untergrenze bildet. Konkurrierende Interessen dürfen nicht gemeinsam den Satzungszweck bilden. Dies entspricht der geltenden Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs und der überwiegenden Literaturansicht, wonach jedenfalls solche Mischverbände nicht als Interessenvertreter zugelassen werden, die sich gleichrangig konkurrierenden Interessen widmen. Bei Überschneidungen, die sich aus inhaltlichen Gründen ergeben (vgl. z. B. § 2 der Satzung des ADAC e. V.), sollte ebenfalls daran festgehalten werden, nach dem Gesamtbild zu unterscheiden. Dabei ist eine restriktive Handhabung vorzugswürdig, jedoch nicht auszuschließen, dass ein überwiegender Zweck von einem Randphänomen unberührt bleiben kann. Abwägungen im Einzelfall erlaubt das Merkmal der Repräsentativität (dazu sogleich). Die Art und Weise der Interessenwahrnehmung kann dagegen variieren und bedarf nicht zwingend einer näheren Regelung in der Satzung. Insbesondere muss es Organisationen unbenommen bleiben, obwohl sie sich z. B. mehrheitlich mit der Aufklärung und Information einer bestimmten Zielgruppe beschäftigt, in gravierenden Fällen zu rechtlichen Mitteln zu greifen. Dabei handelt es sich aber nicht um eine Frage der satzungs- und zweckgemäßen Tätigkeit sondern der hinreichenden Ausstattung und fachlichen Qualifikation (dazu bereits zuvor in § 7).
389 Zu diesbezüglich gravierenden Mängeln im geltenden deutschen Recht sogleich, S. 361 ff.
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2. Repräsentativität In Einzelfällen kann die Repräsentativität einer Organisation bereits aufgrund der Übereinstimmung eines entsprechend konkreten Satzungszwecks und dem vertretenen Interesse naheliegen. Auch dann gilt es jedoch sicherzustellen, dass die tatsächliche Tätigkeit ebenfalls dem entspricht und nicht eine aus formalen Gründen passende Satzungsbestimmung vorgeschoben wurde. Je allgemeiner eine Organisation ihren Zweck in der Satzung festgelegt hat, desto erforderlicher ist im Übrigen eine zusätzliche Repräsentativitätsprüfung. Angesichts des hohen Eigeninteresses der Geschädigten am Verfahrenserfolg können derartige Anforderungen in Massenschadensfällen in aller Regel zurücktreten. In einem auf opt in basierenden System wird sich der einzelne Geschädigte um Informationen über die in Frage kommenden Repräsentanten bemühen, auf die er im Folgenden seine Auswahlentscheidung stützt. Der Repräsentant wird sich Untätigkeit oder sachfremde Maßnahmen in der Regel nicht erlauben können. Handelt es sich um einen vertraglich verpflichteten Dienstleister, drohten ihm sogar rechtliche Konsequenzen. Insbesondere in opt out-basierten Systemen besteht darüber hinaus die Gefahr, dass der Einzelne zu Gunsten des Ergebnisses eventuelle Ungereimtheiten nachträglich unberücksichtigt lässt. Aber auch in einem u. a. von der EU-Kommission favorisierten opt in-Verfahren sollte die Kontrolle nicht den Geschädigten allein überlassen bleiben. In Streuschadensfällen sowie im negatorischen Rechtsschutz schenken die Betroffenen schließlich den handelnden Organisationen in rationaler Apathie regelmäßig wenig bis gar keine Aufmerksamkeit. Eine nähere Überprüfung der Verbandstätigkeit würde daher ohne eine entsprechende gesetzliche Regelung gänzlich fehlen. Klärungsbedürftig ist damit, woran die Repräsentativität einer Organisation gemessen werden kann. Im Anschluss an die positiven Erfahrungen in den Niederlanden wäre hierfür ein Katalog von Faktoren sinnvoll. Dazu zählen z. B. die über das Verfahren hinausgehende Tätigkeit einer Organisation im betroffenen Interesse, die Anzahl Geschädigter, die sich ihr angeschlossen haben sowie eine Beurteilung, inwieweit diese selbst die Interessenvertreter als repräsentativ empfinden. Schließlich könnten auch Erfahrungen aus der Vergangenheit in die Bewertung einfließen. Verschiedene Faktoren sollten je Einzelfall unterschiedliche Berücksichtigung finden können. Die Tätigkeit eines Repräsentanten in der Vergangenheit kann beispielsweise für Erfahrung und Zuverlässigkeit sprechen, darf aber gleichzeitig keine zwingende Rolle spielen, da andernfalls der Zugang zum Verfahren für neugegründete Vereinigungen ohne Grund versperrt bliebe. Dasselbe gilt erst recht für eine gesetzlich vorgeschriebene Mindestbestandsfrist. Die Existenz einer Organisation allein sagt zunächst nichts über deren Aktivitäten und Fähigkeiten aus, sodass eine solche Frist lediglich ein Abwarten von gewisser Dauer
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bestätigt. Während dieser Zeit ist vielmehr das wirtschaftliche Fortbestehen einer neu gegründeten Organisation in Gefahr, die zur Untätigkeit jedenfalls im Bereich Repräsentation verpflichtet wird. Der Zusammenschluss von Geschädigten ausschließlich eines spezifischen Schadensfalles würde gänzlich unterbunden. Es liegt aber gleichermaßen im Bereich des Möglichen, dass ein personell und fachlich qualifizierter Repräsentant, der das Vertrauen der Geschädigten genießt, bereits in seinem ersten und ggf. einzigen Fall überzeugen kann. Diese Faktoren sollten daher dort eine verstärkte Berücksichtigung erfahren, wo für Bestandsorganisationen insbesondere ihre Zuverlässigkeit und Erfolgsrate sprechen. Sofern die tatsächliche Tätigkeit der betreffenden Organisationen in der Vergangenheit bedeutsam wird, sollte zudem weniger das Ausmaß der Klagetätigkeit an sich als vielmehr die Interessenausrichtung und fachliche Erfahrung im Vordergrund stehen. Auch eine festgelegte Mindestmitgliederzahl ist nicht zielführend. In Streuschadensfällen und dem negatorischen Rechtsschutz ist eine gesetzlich vorausgesetzte Mindestanzahl von Mitgliedern, angeschlossenen Personen o. Ä. kaum aussagekräftig, da die betroffene Personengruppe zur Durchsetzung konkreter Rechte bereits den Beitritt zu einer entsprechenden Organisation scheut. Die deutschen gewerblichen Verbände und darunter insbesondere Berufsverbände und Kammern bilden insoweit eine Ausnahme, da sie in vielen Bereichen auf einer Zwangsmitgliedschaft aufbauen. Der freiwillige Anschluss aus anderen Gründen (z. B. Informationsaustausch, berufliche Vernetzung, Beratung in anderen Angelegenheiten) und die daraus resultierenden Mitgliederzahlen der Organisation helfen demgegenüber als Indikator für eine besondere Qualifikation zur Interessenvertretung nicht weiter. Etwas anderes mag zwar für die allgemeine Beliebtheit und das Vertrauen in die betreffende Organisation gelten, die sich jedoch in festen Zahlen kaum zuverlässig abbilden lassen. So verlangt beispielsweise § 4 II Nr. 1 UKlaG von deutschen Verbraucherverbänden die Mitgliedschaft von mindestens drei Verbänden oder 75 natürlichen Personen und Art. R411-1 I Nr. 3 CCons von landesweit tätigen Verbraucherorganisationen in Frankreich demgegenüber 10.000 Mitglieder. Insgesamt könnte der in der Mitglieder- oder Kundenzahl ausgedrückte Rückhalt in der Bevölkerung bzw. einer Bevölkerungsgruppe mithin allenfalls als ein Repräsentativitätsmerkmal in die Beurteilung einfließen, sollte jedoch keinesfalls an eine bestimmte Zahl gebunden sein und zwingend durch weitere Faktoren ergänzt werden. In Massenschadensfällen, die von einem größeren Interesse der Geschädigten an Rechtsdurchsetzung und Repräsentant geprägt sind, bietet deren Vertrauen im Vergleich einen deutlich besseren Legitimationnachweis. Aus rechtlicher Sicht droht mit einer Mindestmitgliederzahl außerdem ohne Grund die Festlegung auf eine mitgliedschaftlich verfasste Rechts- und Organisationsform.390 Stattdessen 390
Dazu bereits im dritten Kapitel, S. 258 ff.
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wäre eine weiter gefasste Formulierung besser geeignet, die z. B. auf die Anzahl von Personen Bezug nimmt, die einer Organisation, sei es z. B. im Wege der Mitgliedschaft oder einer vertraglichen Verknüpfung das Vertrauen geschenkt haben. Darüber hinaus ist aber auch hier ein gesetzlich vorgegebener Grenzwert unangebracht, da die Situation allein schon aufgrund der Dimension der jeweiligen Fälle deutlich variieren kann. Auch ein bestimmtes Quorum nähme der Regelung die notwendige Flexibilität, indem z. B. eine Organisation, die durch besondere Fachlichkeit und Erfahrung auffällt, aber mangels Werbemitteln geringere Popularität genießt, jedenfalls untauglich wäre. In allen Verfahrensformen ist der Gesetzgeber ungeachtet aller Flexibilität dennoch zu deutlichen Vorgaben aufgerufen, welche Faktoren Berücksichtigung finden können, sodass eine tragfähige Grundlage für eine entsprechende weitere Ausgestaltung des Merkmals durch die Gerichte gelegt wird. Darüber hinaus darf das Merkmal der Repräsentativität ausschließlich dem Gericht als Einwand dienen und nicht dem Beklagten, den eventuelle Mängel ohnehin unberührt lassen, die Möglichkeit bieten, das Verfahren zu torpedieren.
§ 9 Notwendige Anpassungen am Verbandsklagerecht de lege lata Aufgrund diverser gesetzlicher Mängel ist eine interessengerechte Verfahrensführung nach den vorab entwickelten Grundsätzen im bestehenden deutschen Verbandsklagerecht des UKlaG, UWG und GWB nicht gewährleistet. Insbesondere aufgrund der Beschränkung auf den negatorischen Rechtsschutz sind negative Auswirkungen jedoch bislang ausgeblieben. Allerdings mag die geringe Klageaktivität der Verbände und die in weiten Teilen mäßige Bedeutung der Unterlassungsklagemechanismen als solche bereits ausreichen. Negative Erfahrungen mit den sogenannten Abmahn- und Gebührenvereinen in der Vergangenheit dienen vielen weiterhin als Argument für eine allgemein strenge Regulierung, wohingegen die konkrete Auseinandersetzung mit Sachfragen leider einem kleinen, meist ungehörten Kreis vorbehalten bleibt. Bestimmte im Folgenden dargestellte Korrekturen sind daher in einem ersten Schritt dringend geboten (dazu sogleich I.). Auf dieser Grundlage werden dann in einem zweiten Schritt mögliche Weiterentwicklungen kurz skizziert (dazu sodann II.).
I. Mangelhafte Abgrenzung von Interessenbereichen Eine Überprüfung, ob die im konkreten Einzelfall maßgeblichen Interessen mit dem Zweck der jeweils handelnden „qualifizierten Einrichtung“ i. S. v. § 4 II 1 UKlaG übereinstimmen, ist zwar unbestritten erforderlich und gewollt, findet jedoch im Gesetz bislang keine Grundlage (dazu sogleich 1.). Gleichzeitig eröffnet das Gesetz einerseits den gewerblichen Verbänden Prozessführungs-
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befugnis und Aktivlegitimation dort, wo die ihrerseits vertretenen Interessen unmöglich einschlägig sein können (dazu sodann 2.). Dasselbe gilt andererseits im Rahmen der lauterkeitsrechtlichen Verbandsklage auch für die Verbraucherverbände, während die Interessen der sonstigen Marktteilnehmer i. S. d. § 2 I Nr. 2 UWG dort unberücksichtigt bleiben (dazu 3.). Schließlich wurde auch § 33 II GWB an die aus UKlaG und UWG bekannten Regelungen angeglichen, ohne die Besonderheiten der privaten Kartellrechtsdurchsetzung hinreichend zu berücksichtigen (dazu 4.).
1. § 3 I Nr. 1 UKlaG Will man Verbraucherverbänden weiterhin eine Klagemöglichkeit einräumen, obwohl sie sich z. B. nur auf einen bestimmten sachlichen oder räumlichen Tätigkeitsbereich spezialisieren, ist eine Prüfung unumgänglich, ob der jeweilige Einzelfall in diesen Tätigkeitsbereich fällt. Diese Prüfung sollen nach weit verbreiteter Meinung die Gerichte bereits heute durchführen, obwohl eine gesetzliche Grundlage fehlt.391 Sie könnte für die Zukunft auf zwei Wegen realisiert werden: Die naheliegende Variante besteht darin, den in Art. 4 I 2 UKla-RL vorgesehenen Vorbehalt in § 3 I Nr. 1 UKlaG zu integrieren und auf inländische Verbände auszudehnen. Der offensichtliche Nachteil wäre die damit verbundene Rückkehr zur Überprüfung der Satzungen durch die Gerichte in jedem Einzelfall, wie es bereits im Bereich der rechtsdienstleistenden Tätigkeit der Fall ist. § 8 I Nr. 4 RDG erlaubt den Verbraucherzentralen und anderen mit öffentlichen Mitteln geförderten Verbraucherverbänden Rechtsdienstleistungen weitestgehend ohne Einschränkung. Allerdings dürfen sie sich ähnlich der Problematik bei den Verbandsunterlassungsklagen ausdrücklich nur innerhalb des jeweiligen satzungsmäßigen Aufgabenbereichs bewegen. Rechtsdienst leistungen sind danach nur dann erlaubnisfrei, soweit sie inhaltlich auf das Verbraucherrecht und den Verbraucherschutz beschränkt bleiben und sich zudem personell nur an Verbraucher, nicht aber an Unternehmer i. S.d § 13 BGB, richten.392 Diese Voraussetzungen gelten zunächst nur außergerichtlich, bilden dadurch jedoch ebenso die Grundlage für eine spätere gerichtliche Vertretung entweder gem. § 79 II 2 Nr. 3 ZPO oder alternativ als Prozessstandschafter bzw. Inkassozessionar. Sie sind daher ebenso für die Zulässigkeit der jeweiligen Klage relevant. Die Alternative wäre demgegenüber eine nur geringfügige Anpassung des § 3 I Nr. 1 UKlaG im Sinne Kohlers393, sodass die jeweiligen Ansprüche den „qualifizierten Einrichtungen“ nur entsprechend dem in der Liste des Bundesamtes für Justiz angegebenen Tätigkeitsumfang zustehen. Für diese Option 391
Vgl. dazu in diesem Kapitel S. 314 ff. Dux, in: Deckenbrock/Henssler, § 8 RDG Rn. 42; Kleine-Cosack, § 8 RDG Rn. 19; K.-M. Schmidt, in: Krenzler, § 8 RDG Rn. 58. 393 Vgl. oben, S. 322 f. mit Fn. 238. 392
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wäre jedoch gleichzeitig eine Weiterentwicklung der Liste notwendig, in deren Rahmen insbesondere einheitliche Vorgaben für die Angabe des Satzungszwecks in § 4 UKlaG aufgenommen werden müssten.394 Die Vielzahl verschiedener Satzungsgestaltungen in eine einheitliche Form zu pressen, scheint jedoch nicht nur schwierig, sondern böte zudem gegenüber der ersten Alternative kaum einen Vorteil. Auch wenn man die entsprechenden Angaben sei es im Wege eines Formblatts oder auch schlicht durch die Wiedergabe der betreffenden Satzungsbestimmung in die Liste aufnähme, wäre dennoch eine Prüfung erforderlich, ob die im jeweiligen Einzelfall maßgeblichen Interessen davon erfasst werden. Im Ergebnis bleibt eine gerichtliche Überprüfung, wie sie bereits weithin befürwortet wird, daher die einzig sinnvolle Regelung. Die entsprechende gesetzliche Grundlage nach dem Vorbild des Art. 4 I 2 UKla-RL gilt es schnellstmöglich in § 3 I Nr. 1 UKlaG zu integrieren.
2. § 3 I Nr. 2 UKlaG Im Rahmen der Reform des AGBG im Jahr 2000 kopierte der Gesetzgeber den bereits vorhandenen § 13 II Nr. 2 AGBG a. F. in den neu eingeführten § 22 III Nr. 2 AGBG a. F. betreffend eine Unterlassungsklage wegen verbraucherrechtlicher Verstöße und ergänzte beide Vorschriften wortgleich. Diese – in den Materialen nicht weiter begründete – Entscheidung wirft bis heute weitere Fragen auf, die hier zum besseren Verständnis und aufgrund anhaltender Aktualität anhand des geltenden Rechts der §§ 8 III Nr. 2 UWG sowie 3 I Nr. 2 UKlaG erörtert werden.
a) Interessenwiederspruch im Verhältnis zu § 2 UKlaG aa) Problemstellung Gem. § 8 III Nr. 2 UWG stehen Ansprüche nach § 8 I UWG den gewerblichen Verbänden u. a. nur unter den Voraussetzungen zu, dass „ihnen eine erhebliche Zahl von Unternehmern angehört, die Waren oder Dienstleistungen gleicher oder verwandter Art auf demselben Markt vertreiben“ und zudem „die Zuwiderhandlung die Interessen ihrer Mitglieder berührt“. Im Kern wird damit verlangt, dass der betreffende Verband eine erhebliche Anzahl Unternehmer zu Mitgliedern hat, die mit dem Verletzer derart in einem Wettbewerbsverhältnis stehen, dass sie eine zumindest nicht gänzlich unbedeutende Beeinträchtigung durch die angegriffene Wettbewerbsmaßnahme mit einer gewissen, wenn auch nur geringen Wahrscheinlichkeit zu befürchten haben.395 Diesen Mitgliedern 394 Die nähere Ausgestaltung könnte sich als schwierig erweisen, soll den Gerichten ein Rückgriff auf die Satzungen selbst tatsächlich verwehrt bleiben. Micklitz, in: MK ZPO, § 4 UKlaG Rn. 26 spricht sich für ein – optimaler Weise natürlich in allen Mitgliedsstaaten – einheitliches Formblatt aus. 395 Ausführlich dazu bereits oben, S. 324 ff.
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muss zudem aufgrund der beanstandeten Zuwiderhandlung selbst ein Anspruch aus § 8 I UWG zustehen.396 In diesen Bedingungen kommt das Nebeneinander der Interessen von Mitbewerbern, anderen Marktteilnehmern, der Allgemeinheit und der Verbraucher im UWG unter dem übergeordneten Gesichtspunkt eines lauteren Wettbewerbs zum Ausdruck.397 Die Klagetätigkeit der gewerblichen Verbände wird dementsprechend auf den Interessenbereich ihrer Mitglieder begrenzt.398 Dieselben Anforderungen an gewerbliche Verbände stellt auch § 3 I Nr. 2 UKlaG und dies seit der jüngsten Gesetzesänderung mit Wirkung zum 24. 02. 2016 ohne dabei zu differenzieren, ob sie Ansprüche nach § 1, § 1a oder § 2 UKlaG geltend machen wollen. Zum 24. 02. 2016 entfallen ist dagegen die zuvor enthaltene Vorgabe, dass „der Anspruch eine Handlung betrifft, […] die geeignet ist, den Wettbewerb nicht unerheblich zu verfälschen“. Sowohl vor als auch nach seiner Reform integriert § 3 I Nr. 2 UKlaG damit weiterhin wettbewerbsrechtliche Terminologie in ein wettbewerbsunabhängiges Verbraucherschutzgesetz, sodass der Wortlaut bereits auf den ersten Blick unpassend erscheint. Naheliegender Weise wird § 3 I Nr. 2 UKlaG auch weitestgehend § 8 III Nr. 2 UWG entsprechend ausgelegt.399 Das ist jedoch insbesondere im Hinblick auf die Berührung von Mitgliederinteressen nur begrenzt möglich. Jedenfalls die o. g. Auffassung, den im Wettbewerbsverhältnis stehenden Mitgliedern müsse ein eigener Anspruch zukommen, ist offensichtlich nicht übertragbar, da das UKlaG individuelle Unterlassungsansprüche der Betroffenen generell nicht vorsieht. Aber auch die alternativ vertretene Auslegung, wonach die angegriffene Handlung lediglich den satzungsmäßigen Interessenbereich des Verbandes berühren muss und das Merkmal nur dann zu verneinen ist, wenn sie zu den Aufgaben des Verbands keinerlei Beziehung hat400, mündet wenigstens zum Teil in einem Widerspruch. § 3 I Nr. 2 UKlaG selbst schreibt als Satzungszweck der fraglichen Verbände die „Verfolgung gewerblicher oder 396 Ausführlich
dazu bereits oben, S. 330 ff. Vgl. bereits im dritten Kapitel, Fn. 87. 398 Jestaedt, in: Ahrens, Kap. 19 Rn. 26; Ottofülling, in: MK LauterkeitsR, § 8 UWG Rn. 416 („Damit reicht die Klageberechtigung eines Verbandes nicht weiter als die seiner Mitglieder“); Köhler, in: Köhler/Bornkamm, § 3 UKlaG Rn. 3: „[…] den Verbänden [sind] die Ansprüche […] zur Wahrung der Interessen bestimmter Gruppen ([…]; Verbandsmitglieder im Falle des § 3 I Nr. 2 und 3) eingeräumt“. 399 Sich auf diesen Verweis beschränkend Micklitz, in: MK ZPO, § 3 UKlaG Rn. 26 und 31 f. mit Fn. 72; Köhler, in: Köhler/Bornkamm, § 3 UKlaG Rn. 5; generell bleibt der Erkenntnisgewinn aus der Mehrheit der Kommentierungen zu § 3 I Nr. 2 UKlaG erschreckend gering, da sie sich in Allgemeinplätzen oder Verweisen auf § 8 III Nr. 2 UWG sowie dazu ergangener Rechtsprechung erschöpfen. 400 Bassenge, in: Palandt, § 3 UKlaG Rn. 10; Roloff, in: Erman, 13. Aufl., § 3 UKlaG Rn. 6; Halfmeier, in: Prütting/Gehrlein, § 3 UKlaG Rn. 5; wieder anders Schlosser, in: Staudinger, § 3 UKlaG Rn. 11, der die gesamte Passage lediglich als unnötige Verdopplung der Bagatellgrenze des § 3 UWG abtut. 397
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selbstständiger beruflicher Interessen“ vor. Im Gegensatz dazu müssen Geltendmachung und Durchsetzung von Ansprüchen gem. § 2 UKlaG ausnahmslos „im Interesse des Verbraucherschutzes“ geboten sein. Nach überwiegender Ansicht hat dazu der mithilfe eines Anspruchs aus § 2 UKlaG angegriffene Verstoß die Kollektivinteressen der Verbraucher zu berühren, indem er in seinem Gewicht und seiner Bedeutung über den Einzelfall hinausreicht und eine generelle Klärung geboten erscheinen lässt.401 Diesem Aspekt ist zwar im Kontext des Art. 1 UKla-RL durchaus zuzustimmen. Stiefmütterlich behandelt wird dabei aber die Tatsache, dass es sich eben um die Kollektivinteressen der Verbraucher zu handeln hat. Während sich § 2 UKlaG also auf Tatbestandsebene402 ausschließlich gegen eine Verletzung von Verbraucherinteressen wendet, verlangt § 3 I Nr. 2 UKlaG für die diesbezügliche Prozessführungs- und Sachbefugnis, dass der zugrundeliegende Verstoß gegen Verbraucherschutzgesetze zugleich gewerbliche oder Wettbewerbsinteressen – nämlich die Interessen der Verbandsmitglieder – beeinträchtigt. Zwischen beiden, eigentlich aufeinander bezogenen Normen besteht daher ein offensichtlicher Interessenwiderspruch. Dasselbe galt für die, in der bis 24. 02. 2016 geltenden Fassung des § 3 I Nr. 2 UKlaG zum Ausschluss von Bagatellfällen geforderte wesentliche Beeinträchtigung des Wettbewerbs auf dem Markt: Obwohl es denkbar ist, dass eine Verletzung von Verbraucherschutzgesetzen gleichzeitig für den Wettbewerb relevant wird, ist dieser Gleichlauf keineswegs zwingend. Er tritt zudem ebenso wie die zuvor genannte Berührung gewerblicher Interessen im Kontext des UKlaG rein zufällig ein. Die Integration originär lauterkeitsrechtlicher Merkmale in § 3 I Nr. 2 UKlaG schließt somit eine Klage der gewerblichen Verbände weiterhin dort aus, wo ausschließlich Verbraucherinteressen betroffen sind. Die Klagetätigkeit der gewerblichen Verbände wird damit auf Fälle begrenzt, die sie ohnehin mit Hilfe von § 8 I, III Nr. 2 UWG geltend machen können.403
bb) Verhältnis der Verbandsklagen nach § 8 UWG und § 2 UKlaG Die Problematik setzt sich im Verhältnis der Verbraucherverbandsklagen untereinander fort. In Abgrenzung zu § 1 UKlaG soll § 2 UKlaG auf jeden Ver401 Entwurf eines Gesetzes über Fernabsatzverträge und andere Fragen des Verbraucherrechts […], BT-Drucks. 14/2658, S. 53; aus der Literatur Bassenge, in: Palandt, § 2 UKlaG Rn. 5; Roloff, in: Erman, 13. Aufl., § 2 UKlaG Rn. 4; Halfmeier, in: Prütting/ Gehrlein, § 2 UKlaG Rn. 12; Köhler, in: Köhler/Bornkamm, § 2 UKlaG Rn. 17; wohl auch Micklitz, in: MK ZPO, § 2 UKlaG Rn. 16, der zudem die von § 8 I UWG erforderte Wiederholungsgefahr darin verortet. 402 Die Mehrheit der in Fn. 401 genannten Quellen versteht das Merkmal „im Interesse des Verbraucherschutzes“ als Anspruchs- nicht aber als Prozessvoraussetzung; anders nur Halfmeier, a. a. O. 403 Ebenso schon Hess, in: Ernst/Zimmermann, S. 527, 532; Krebs, Beilage 14/2000 zu DB 48/2000, 1, 27; bezeichnender Weise wird das UKlaG neben UWG und GWB z. B. im Selbstporträt der Wettbewerbszentrale bei Münker, 10 Journal of Intellectual Property Law & Practice (2015) 638, 639 gar nicht genannt.
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stoß gegen Verbraucherschutzvorschriften Anwendung finden, der nicht auf der Empfehlung oder Verwendung von AGB beruht. Der Anwendungsbereich des § 1 UKlaG lässt sich damit anhand der Rechtsprechung zum AGB-Recht eindeutig bestimmen.404 Unklar ist dagegen das Verhältnis von § 2 UKlaG und § 8 UWG zueinander. Die Angabe im ursprünglichen Gesetzentwurf, § 22 AGBG a. F. ergänze in der Sache § 13 UWG a. F.405 ist missverständlich und führt daher nicht weiter. Zu berücksichtigen ist aber der im Rahmen der UWGReform 2004 neu gefasste § 8 V 2 UWG. Danach findet das UKlaG mit Ausnahme des § 13 UKlaG und außerhalb von Fällen des § 4a UKlaG „im Übrigen“ keine Anwendung.406 Im Gesetzentwurf heißt es dazu: „Durch Satz 2 soll klargestellt werden, dass die Regelungen zu den zivilrechtlichen Rechtsfolgen sowohl hinsichtlich der Klagebefugnis als auch hinsichtlich der Anspruchsgrundlagen abschließend sind. Ein Wettbewerbsverstoß kann daher nicht über das Unterlassungsklagengesetz geltend gemacht werden.“407
Weitere Klärung ergibt sich aus der anschließenden Auseinandersetzung von Bundesrat und Bundesregierung. Der Erstgenannte begrüßte zwar die Regelung, forderte aber ihre Verschiebung in § 2 II UKlaG.408 Dagegen befürchtete die Bundesregierung eine Auslegung, wonach das UKlaG auch in Parallelfällen unanwendbar sei und stellte klar: „[…] wenn eine Handlung sowohl gegen das UWG als auch gegen andere verbraucherschützende Vorschriften verstößt […] soll […] – wenn man das Unterlassungsklagengesetz nicht völlig entwerten will – eine Klage nach dem Unterlassungsklagengesetz unter Berufung auf einen Verstoß gegen eine andere verbraucherschützende Vorschrift weiterhin zulässig sein.“ (Hervorhebung durch Verfasser).409
Es ergibt sich also folgendes Bild: Die Geltendmachung eines Anspruchs aus § 8 I UWG, der sich auf einen Wettbewerbsverstoß durch eine unzulässige geschäftliche Handlung stützt, kann ausschließlich im Wege des UWG erfolgen.410 In Fällen, in denen zugleich ein Verbraucherrechtsverstoß gegeben ist, also sowohl der Tatbestand des § 8 I UWG als auch des § 2 UKlaG erfüllt ist, stehen beide Regime nebeneinander. Dementsprechend hat der Bundesgerichtshof zwischenzeitlich eine Sperrwirkung des Anspruchs aus § 2 UKlaG gegenüber Ansprüchen aus § 8 I i. V. m. §§ 3, 4 Nr. 11 UWG a. F. (seit 10. 12. 2015: §§ 3 I, 404
BGHZ 175, 28, 30 f. eines Gesetzes über Fernabsatzverträge und andere Fragen des Verbraucherrechts […], BT-Drucks. 14/2658, S. 52, 53. 406 Irreführend Roloff, in: Erman, 13. Aufl., § 2 UKlaG Rn. 2, die den Anschein erweckt, durch die Norm werde das Verhältnis abschließend geregelt, was wie sogleich dargestellt keineswegs der Fall ist. 407 Entwurf eines Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb, BT-Drucks. 15/1487, S. 23. 408 Ebenda, S. 33. 409 Ebenda, S. 43; im Gegensatz dazu Walker/Stomps, ZGS 2004, 336, 338. 410 So auch Kamlah, WRP 2006, 33, 36. 405 Entwurf
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3a UWG) abgelehnt.411 Insbesondere die in § 3 I UKlaG nicht genannten Mitbewerber können so gegen verbraucherrechtliche Verstöße i. S. v. § 2 UKlaG mit § 8 I, III Nr. 1 UWG unter der Voraussetzung vorgehen, dass zugleich ein unlauteres Handeln durch Rechtsbruch (§ 3 I i. V. m. § 3a UWG) gegeben ist.412 In umgekehrter Richtung greifen auch die für einen Ausschluss des § 2 UKlaG in jedem Anwendungsfall des § 8 I UWG vorgebrachten Argumente nicht durch. Besonders hervorgehoben wird, die kurze Verjährungsfrist des § 11 UWG würde durch die Anwendung des § 2 UKlaG unterlaufen, für den die Regelverjährung gem. §§ 195, 199 BGB gilt. Hinzu kommt die Kritik, das in sich geschlossene System des UWG werde aufgebrochen.413 Beides betrachtet jedoch einzig die wettbewerbsrechtliche Seite. § 2 UKlaG verkörpert aber in Umsetzung der UKla-Richtlinie die Entscheidung für einen uneingeschränkten Schutz von Verbraucherinteressen unabhängig von wettbewerbsrechtlichen Fragen. Aus diesem Grund kann das gerade im Sinne der Unternehmer für die wettbewerbsrechtliche Verjährung maßgebliche Beschleunigungsinteresse keine Berücksichtigung finden. Auch die systematische Stellung des § 8 V 2 UWG verdeutlicht diese Ausrichtung.414 Auf diese Grundlage stützt sich in der neueren Literatur die zu Recht überwiegende Ansicht, Ansprüche aus § 8 I UWG und § 2 UKlaG stünden gleichberechtigt nebeneinander.415 Dabei können für den jeweiligen Anspruch und seine Geltendmachung ausschließlich die materiell- und prozessrechtlichen Voraussetzungen des jeweiligen Gesetzes gelten.416 Das Richtlinienrecht der EU gibt zwischenzeitlich Anlass zu weiteren Überlegungen. So dient das UKlaG u. a. der Umsetzung der UKla-Richtlinie und damit gem. deren Art. 1 I einer Vereinheitlichung der Vorschriften über Unterlassungsklagen zum Schutz der Kollektivinteressen der Verbraucher – und weiter in Art. 1 II – gegen Verstöße durch „jede Handlung, die den in Anhang I aufgeführten Richtlinien in der in die innerstaatliche Rechtsordnung der Mitgliedstaaten umgesetzten Form zuwiderläuft“. Anhang I Nr. 11 UKla-RL nennt seit der Neufassung der Richtlinie 2009 nun auch die UGP-Richtlinie. Daraus wird zum Teil gefolgert, dass jedenfalls diejenigen Vorschriften des 411 BGH NJW 2011, 76, 78; ebenso für § 1 UKlaG BGH NJW 2012, 3577, 3580 f.; KG MDR 2005, 677; OLG Jena GRUR-RR 2006, 283. 412 Köhler, in: Köhler/Bornkamm, § 2 UKlaG Rn. 11b; ders., a. a. O., § 3a UWG Rn. 1.22 f.; Bassenge, in: Palandt, § 3 UKlaG Rn. 1. 413 Zu beidem Walker/Stomps, ZGS 2004, 336, 339; einen Vorrang von § 8 UWG nimmt auch Schmidt, NJW 2002, 25, 27 ohne weitere Begründung an. 414 Vgl. schon die Debatte im Gesetzentwurf, dazu oben S. 366; außerdem Kamlah, WRP 2006, 33,37. 415 Micklitz, in: MK ZPO, § 2 UKlaG Rn. 2, 13; Köhler, in: Köhler/Bornkamm, § 2 UKlaG Rn. 11a f.; beiden folgend Bassenge, in: Palandt, § 2 UKlaG Rn. 1; außerdem H alfmeier, in: Prütting/Gehrlein, § 2 UKlaG Rn. 3. 416 Ausdrücklich Kamlah, WRP 2006, 33, 37; vgl. auch die Auseinandersetzung zwischen OLG Hamburg NJW 2007, 2264, 2265 und KG NJW 2007, 2266, 2267 f.; diese Trennung ist wie gesehen auch § 8 V 2 UWG zu entnehmen.
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UWG, die der Umsetzung der UGP-Richtlinie dienen, gleichzeitig als Verbraucherschutzgesetze i. S. v. § 2 UKlaG qualifiziert werden müssen.417 Dem ist angesichts des weit ausgelegten Begriffs der „Verbraucherschutzgesetze“ sowie insbesondere der Deutungshoheit der UKla-Richtlinie im Hinblick auf die gem. ihrem Art. 1 II jedenfalls zu umfassenden Verstöße zuzustimmen. Ungeachtet dessen handelt es sich dabei aber um eine Tatbestandsfrage im Rahmen von § 2 UKlaG, die nicht dazu veranlasst, das o. g. Verhältnis von § 2 UKlaG und § 8 UWG neu zu bewerten. Im Gegenteil entzieht eine zwingende Qualifizierung bestimmter UWG-Normen als „Verbraucherschutzgesetze“ Überlegungen zur Sperrwirkung zwischen beiden endgültig die Grundlage.
cc) Fazit Zum Ausgangspunkt zurückkehrend unterstreicht die aus dem Meinungs spektrum vorzugswürdige Ansicht eines unabhängigen Nebeneinanders beider Normen die Rolle des § 2 UKlaG als Anspruch ausschließlich im Interesse der Verbraucher. § 2 UKlaG steht damit im Konflikt mit der Aufgabenstellung der gewerblichen Verbände, die mit Verbraucherschutzinteressen in keinem Fall in einer Beziehung bzw. ihnen im Einzelfall sogar durchaus diametral entgegenstehen kann. Folglich werden sie sich im Rahmen einer Klage aus § 2 UKlaG daher vorrangig den gem. § 3 I Nr. 2 UKlaG berührten Belangen ihrer Mitglieder widmen. Die von § 2 UKlaG eigentlich geschützten Verbraucherinteressen können allenfalls von einer Reflexwirkung profitieren.418 Gleichzeitig ist das mit einem solchen Verfahren befasste Gericht aber wegen § 3 I Nr. 2 UKlaG zu umfangreichen wettbewerbsrechtlichen Feststellungen gezwungen, die ansonsten für den Anspruch bedeutungslos sind.419 Aus diesen Gründen liegt es nahe, § 2 UKlaG mit Hilfe des Merkmals „im Interesse des Verbraucherschutzes“ ausschließlich in den Dienst der Verbraucherinteressen zu stellen. In der vorliegenden Form hat § 3 I Nr. 2 UKlaG dann in Bezug auf § 2 UKlaG keinen Anwendungsbereich.420 417 Köhler, in: Köhler/Bornkamm, § 2 UKlaG Rn. 11a; Micklitz, in: MK ZPO, § 2 UKlaG Rn. 14. 418 So schon Pastor, GRUR 1969, 571, 575; außerdem Lakkis, S. 2; vorsichtig kritisch auch von Moltke, S. 96; der Interessenunterschied zeigt sich z. B. in der Klage eines gewerblichen Verbands in BGH NJW 1994, 731, wobei der mit § 13 I, II Nr. 2 UWG a. F. angegriffene Wettbewerbsverstoß auf der Verletzung verbraucherschützender Vorschriften beruhte. Der gleiche Fall würde heute von §§ 2, 3 I Nr. 2 UKlaG erfasst, obwohl im Fokus des klagenden Verbands sicherlich die durch unlauteres Verhalten verletzten Interessen seiner Mitglieder und nicht Verbraucherinteressen stünden. 419 Mit der überwiegenden Ansicht von der Doppelnatur, vgl. dazu bereits im zweiten Kapitel, S. 92 ff., werden Prozessführungs- und Sachbefugnis zur Geltendmachung eines verbraucherschützenden Anspruchs von wettbewerbsrechtlichen Fragen bestimmt; aus diesem Grund will Micklitz, in: MK ZPO, § 3 UKlaG Rn. 31 „‚individuelle‘ Elemente der Klagebefugnis“ anerkennen, deren schlüssige Behauptung ausreicht. 420 Vgl. schon von Moltke, S. 93, der anmerkt, man müsse entweder akzeptieren, dass
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b) Anspruchskonkurrenz von § 1 bzw. § 1a UKlaG und §§ 8 I i. V.m 3 I, 3a UWG Im Gegensatz zu § 2 UKlaG stehen Unterlassungsansprüche nach den §§ 1 und 1a UKlaG nicht ausschließlich im Verbraucherinteresse. § 1 UKlaG ist zunächst über die Klausel-Richtlinie hinaus darauf gerichtet, den Rechtsverkehr insgesamt von sachlich unangemessenen, den §§ 307 bis 309 BGB wiedersprechenden Klauseln in AGB freizuhalten.421 Kann ein Unterlassungsanspruch in dem von § 310 I BGB vorgegebenen Rahmen daher auch in einem rein unternehmerischen Kontext entstehen, könnte § 3 I Nr. 2 UKlaG dafür eigenständige Bedeutung haben. Das verhindert jedoch in der geltenden Fassung erneut die Parallelität zum Lauterkeitsrecht. Für eine Prozessführungs- und Sachbefugnis muss der betreffende Verband eine erhebliche Anzahl Unternehmer zu Mitgliedern haben, die mit dem Verletzer derart in einem Wettbewerbsverhältnis stehen, dass sie eine zumindest nicht gänzlich unbedeutende Beeinträchtigung durch die angegriffene Wettbewerbsmaßnahme mit einer gewissen, wenn auch nur geringen Wahrscheinlichkeit zu befürchten haben und zudem die angegriffene AGB-Klausel den satzungsmäßigen Interessenbereich des Verbandes berühren.422 Werden diese Voraussetzungen insbesondere hinsichtlich des Wettbewerbsverhältnisses erfüllt, steht jedoch gleichzeitig fest, dass es sich bei der beanstandeten Verwendung von AGB um eine „geschäftliche Handlung“ i. S. v. § 1 I Nr. 1 UWG handelt. Noch darüber hinaus versteht die inzwischen überwiegende Ansicht ohnehin jede Verwendung von unwirksamen AGB als eine „geschäftliche Handlung“, sofern der nach der Norm erforderliche Unternehmensbezug gegeben ist, da die Verwendung typischer Weise in einem objektiven Zusammenhang mit der Förderung des Absatzes bzw. Bezugs einer Ware oder Dienstleistung steht und diesbezüglich mit dem Abschluss eines Vertrags verbunden ist.423 Des Weiteren handelt es sich bei den §§ 307 ff. BGB nach ebenfalls jüngst geänderter und inzwischen wohl herrschender Ansicht in Rechtsprechung und Literatur um Marktverhaltensregeln i. S. d. § 3a UWG, sodass die Verwendung unangemessener, den §§ 307 ff. BGB wiedersprechenden Klauseln in AGB auch einen Unterlassungsanspruch aus §§ 8 I i. V. m. §§ 3 I, 3a UWG begründet.424 Dem gewerbliche Verbände „daneben regelmäßig eigene Interessen verfolgen“ oder § 3 I Nr. 2 UKlaG würde leerlaufen. 421 BGHZ 196, 11, 18 und BGHZ 127, 35, 38; dem folgend Köhler, in: Köhler/ Bornkamm, § 1 UKlaG Rn. 1; außerdem Halfmeier, in: Prütting/Gehrlein, § 1 UKlaG Rn. 1; Micklitz, in: MK ZPO, § 1 UKlaG Rn. 5. 422 Dazu soeben, Fn. 400. 423 Köhler, in: Köhler/Bornkamm, § 3a UWG Rn. 1.287; Schaffert, in: MK LauterkeitsR, § 4 Nr. 11 UWG Rn. 359; Keller, in: Harte/Henning, § 2 UWG Rn. 30; Sosnitza, in: Ohly/ Sosnitza, § 2 UWG Rn. 24 jew. m. w. N. 424 Klarstellend BGH NJW 2012, 3577, 3580 f.; dem folgend zuletzt OLG München, WRP 2014, 1154, 1155 sowie aus der Literatur Köhler, in: Köhler/Bornkamm, § 3a
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steht auch die UGP-Richtlinie nicht entgegen, da die Klausel-Richtlinie ihr gem. Art. 3 II UGP-RL vorgeht bzw. sie jedenfalls nach Art. 3 IV UGP-RL unberührt bleibt.425 Der Schutz der Mitbewerber und sonstigen Marktteilnehmer steht ohnehin außerhalb des Anwendungsbereichs der UGP-Richtlinie. Im Ergebnis ähnelt die Situation daher der des § 2 UKlaG. Erfüllen die gewerblichen Verbände im konkreten Einzelfall die Anforderungen des § 3 I Nr. 2 UKlaG, haben sie die Wahl, ob sie einen Anspruch nach § 1 UKlaG oder aber mit Hilfe des gleichlautenden § 8 III Nr. 2 UWG einen Anspruch nach §§ 8 I i. V. m. 3 I, 3a UWG geltend machen. Beide Ansprüche stehen nach ebenfalls überwiegender Ansicht in Anspruchskonkurrenz nebeneinander.426 Ein gewisser Unterschied besteht nur hinsichtlich einzelner materiell-rechtlicher wie prozessualen Vorgaben des jeweiligen Gesetzes. In der jetzigen Form besteht daher auch in Bezug auf § 1 UKlaG für § 3 I Nr. 2 UKlaG keinerlei Bedürfnis. Im Gegenteil ist nicht einzusehen, warum die gewerblichen Verbände aufgrund der Parallelität die engeren Vorschriften des UWG, z. B. die verkürzte Verjährung, umgehen können sollten.
c) Fazit Angesichts der diversen Schwierigkeiten erscheint eine trennschärfere Lösung erstrebenswert. § 3 I Nr. 2 UKlaG fehlt aufgrund des gesetzlich vorgegebenen Satzungszwecks gewerblicher Verbände nach hier vertretener Ansicht der Anwendungsbereich insoweit, als Anspruch und Klage aus § 2 UKlaG die von ihnen satzungsgemäß verfolgten Interessen nicht schützen. Daneben geht § 3 I Nr. 2 UKlaG nach derzeitiger Rechtslage bezüglich § 1 UKlaG komplett in der Parallelnorm des § 8 III Nr. 2 UWG auf. Die Verbände können hier ohne erkennbaren Grund je nach Bedarf zwischen den prozessualen Regimen des UKlaG einerseits und des UWG andererseits wählen. Im Sinne einer Minimallösung könnten und sollten § 3 I Nr. 2 und 3 UKlaG daher zum Zweck der Gesetzesklarheit sowie auch der dogmatisch deutlichen Abgrenzung ersatzlos gestrichen werden.427 Änderungen ergeben sich dadurch nicht. Mit den §§ 1, 1a und 2 UKlaG verbleiben i. V.m § 3 I Nr. 1 UKlaG übergreifende, auch den Verbraucherschutz im Wettbewerbsrecht einbeziehende Ansprüche und Klagen im kollektiven Verbraucherinteresse. UWG Rn. 1.288; von Jagow, in: Harte/Henning, § 3a UWG Rn. 70; Götting/Hetmank, in: F/B/O, § 3a UWG Rn. 159; Schaffert, in: MK LauterkeitsR, § 4 Nr. 11 UWG Rn. 359; a. A. Ohly, in: Ohly/Sosnitza, § 3a UWG Rn. 78a. 425 Köhler, in: Köhler/Bornkamm, § 3a UWG Rn. 1.286. 426 Schaffert, in: MK LauterkeitsR, § 4 Nr. 11 UWG Rn. 31; Köhler, in: Köhler/Bornkamm, § 3a UWG Rn. 1.43 und 1.284; ders., a. a. O., § 1 UKlaG Rn. 14; Micklitz, in: MK ZPO, § 1 UKlaG Rn. 60; dem folgend auch Bassenge, in: Palandt, § 1 UKlaG Rn. 3; kritisch Lindacher, in: W/L/P, Vor §§ 1 ff. UKlaG Rn. 27; Ohly, in: Ohly/Sosnitza, § 3a UWG Rn. 78a. 427 Dafür bereits Hess, in: Ernst/Zimmermann, S. 527, 532.
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3. § 8 III Nr. 2 und 3 UWG Dieselbe Problematik setzt sich denknotwendig auf Seiten des UWG fort. Während die Prozessführungs- und Sachbefugnis der gewerblichen Verbände i. S. d. § 8 III Nr. 2 UWG durch das Tatbestandsmerkmal der Berührung von Mitgliederinteressen eingegrenzt wird, fehlt eine solche Einschränkung in § 8 III Nr. 3 UWG für die Verbraucherverbände. Auch diese Lücke geht auf eine bewusste Änderung des Gesetzgebers zurück. Ähnlich der Auslegung, die eine Berührung des satzungsgemäßen Interessenbereichs der gewerblichen Verbände durch die angegriffene Handlung fordert, sah § 13 II Nr. 3 UWG a. F. ausdrücklich eine Beschränkung für die Verbraucherverbände vor, indem ihr Unterlassungsanspruch eine Handlung betreffen musste, „durch die wesentliche Belange der Verbraucher berührt werden“. Diese Passage wurde vom Gesetzgeber bei der Neufassung der Norm in § 8 III Nr. 3 UWG mit dem Hinweis nicht übernommen, es bestehe ohnehin von vornherein kein Interesse von Verbraucherverbänden an einer Klage, soweit bei einem Wettbewerbsverstoß Belange der Verbraucher nicht berührt seien.428 Ausgehend vom Wortlaut lässt § 8 III Nr. 3 UWG damit nun Klagen von Verbraucherverbänden in allen Fällen des § 8 I UWG zu.429 Gegen diese Auslegung kann weder die – tatsächliche oder hypothetische – Interessenlage der Verbraucherverbände noch das Argument ins Feld geführt werden, solche Klagen seien „nicht notwendig“, da bei einer Verletzung lediglich von Mitbewerberinteressen, die Mitbewerber selbst klagen (Nr. 1) oder sich an Verbände i. S. v. Nr. 2 oder 4 wenden könnten430. Die Einschätzung u. a. des Gesetzgebers, eine Einschränkung sei aus bestimmten Gründen nicht erforderlich, bildete lediglich das Motiv für die Gesetzesänderung. Sie mag auch rein tatsächlich zutreffen, ändert jedoch nichts an der rechtlichen Tragweite der Norm, also dem rechtlich Möglichen. Des Weiteren wird darauf verwiesen, eine Klage außerhalb von Verbraucherinteressen sei nicht vom Satzungszweck der Verbraucherverbände gedeckt.431 Obwohl auch dieser Einwand inhaltlich 428 Entwurf eines Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb, BT-Drucks. 15/1487, S. 23; ebenso Köhler/Feddersen, in: Köhler/Bornkamm, § 8 UWG Rn. 3.52, demzufolge die Vebraucherverbände „nur Verstöße gegen solche Vorschriften aufgreifen dürfen, die dem Verbraucherschutz dienen.“; a. A. war der Bundesrat, BT-Drucks. 15/1487, S. 33, der in seiner Stellungnahme dafür plädierte die Einschränkung nicht nur zu erhalten, sondern gegenüber der vorherigen Fassung auf alle Klagefälle auszuweiten. 429 So i. E. Jestaedt, in: Ahrens, Kap. 19 Rn. 70 mit Beispielen aus der Rspr. und wohl auch Heermann, GRUR 2004, 94, 95; dies erkennt auch Büscher, in: F/B/O, § 8 UWG Rn. 270, der aber daraufhin entgegen der ausdrücklichen Gesetzesänderung annimmt, eine Klage von Verbraucherverbänden sei ausgeschlossen, wenn Verbraucherinteressen nicht berührt seien und zur Umsetzung dessen sogar § 8 IV UWG in Stellung bringen will. 430 So aber Ottofülling, in: MK LauterkeitsR, § 8 UWG Rn. 420; noch weiter Fritzsche, in: G/L/E, § 79 Rn. 218, der die Gesetzesänderung i. E. wohl schlicht ignorieren will. 431 KG GRUR-RR 2005, 359; Ottofülling, ebenda, Rn. 421; Paal, in: GroßkommUWG, § 8 UWG Rn. 229; Köhler/Feddersen, in: Köhler/Bornkamm, § 8 UWG Rn. 3.52.
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zweifelsohne zutrifft, stößt er wie gesehen auf systematische Schwierigkeiten. Aus einem Listeneintrag durch das Bundesamt für Justiz leiten sich ebenso konstitutiv die Rechte aus § 8 III Nr. 3 UWG ab. Raum für eine Überprüfung, ob Satzungszweck und die konkret maßgeblichen Interessen im Einzelfall übereinstimmen, bietet das Gesetz auch hier nicht.432 Schließlich wendet Lettl ein, eine Anspruchsberechtigung gem. § 8 III Nr. 3 UWG für Verbraucherverbände bestehe nur dann, wenn der Wettbewerb nicht nur unerheblich zum Nachteil der Verbraucher beeinträchtigt werde.433 Diese Erheblichkeitsschwelle ist jedoch gem. § 3 II UWG lediglich Voraussetzung des materiell-rechtlichen Anspruchs und gehört nicht zum Tatbestand des § 8 III Nr. 3 UWG.434 Im Gegensatz dazu steht auch der Wortlaut des § 8 III UWG, wonach eben alle sich aus § 8 I UWG ergebenen Ansprüche den in Nr. 1–4 Genannten unter den dortigen Voraussetzungen zustehen. Von einer ausschließlich am Wortlaut orientierten Auslegung könnte allenfalls abzuweichen sein, wenn sie dem Sinn und Zweck des § 8 III Nr. 3 UWG zuwiderliefe.435 Als solchen begreift Lettl436 den „kollektiven Schutz der Verbraucher“ wie er schon im ersten Gesetzentwurf zur Verbraucherverbandsklage 1965437 genannt wird. Gemäß dem geltenden § 1 UWG dient das gesamte Gesetz jedoch „dem Schutz der Mitbewerber, der Verbraucherinnen und Verbraucher sowie der sonstigen Marktteilnehmer […]. Es schützt zugleich das Interesse der Allgemeinheit an einem unverfälschten Wettbewerb“.
Der Schutz der Mitbewerber im Horizontalverhältnis einerseits und der Schutz der Verbraucher und sonstigen Marktteilnehmer im Vertikalverhältnis andererseits stehen gleichberechtigt nebeneinander.438 Dieses Nebeneinander wird auch in § 8 III UWG deutlich, wobei dessen Nr. 3 in der Tat nur dem Verbrauchernicht aber dem Mitbewerberschutz dienen kann. Allerdings geht § 1 UWG von einem integrierten Modell aus, sodass entsprechend der sogenannten Schutzzwecktrias das Interesse der Allgemeinheit an unverfälschtem Wettbewerb als ebenso gleichberechtigter und selbstständiger Zweck hinzutritt.439 Fraglich 432
Dazu bereits ausführlich S. 314 ff. Lettl, BB 2004, 1913, 1924; ders., GRUR 2004, 449, 460. 434 Zutreffend Büscher, in: F/B/O, § 8 UWG Rn. 270; ebenso KG GRUR-RR 2005, 359. 435 Lettl, a. a. O. (Fn. 433); ihm folgend Ottofülling, in: MK LauterkeitsR, § 8 UWG Rn. 420; außerdem KG GRUR-RR 2005, 359; wohl auch Paal, in: GroßkommUWG, § 8 UWG Rn. 229. 436 Ebenda. 437 Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb […],BT-Drucks. IV/2217, S. 4. 438 Köhler, in: Köhler/Bornkamm, § 1 UWG Rn. 45; Sosnitza, in: MK LauterkeitsR, § 1 UWG Rn. 11; von Ungern-Sternberg, in: G/L/E, § 28 Rn. 1. 439 Ebenda; vgl auch den Entwurf eines Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb, BTDrucks. 15/1487, S. 15 f. 433
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bleibt damit, inwieweit sich § 8 III Nr. 3 UWG neben dem Verbraucherschutz auch diesem Interesse widmet. Nimmt man die Gleichberechtigung aller drei Schutzzwecke ernst, spricht einiges dafür, es auch in § 8 III Nr. 3 UWG zu verorten. Dabei ist jedoch zu berücksichtigen, dass § 8 I, III UWG keine originäre Gemeinwohlklage enthalten, sondern das Marktverhalten der Unternehmen im Interesse der Marktteilnehmer regeln und damit zugleich dem Interesse der Allgemeinheit an unverfälschtem Wettbewerb zur Durchsetzung verhelfen sollen. Während der Regelungsgehalt des § 1 S. 2 UWG im Einzelnen umstritten ist, z. T. sogar gänzlich in Abrede gestellt wird, steht jedenfalls fest, dass eine isolierte Verfälschung des Wettbewerbs ohne gleichzeitige nachteilige Auswirkungen auf Mitbewerber, Verbraucher oder sonstige Marktteilnehmer nicht vorstellbar ist.440 Dennoch bleibt eine Vielzahl von Grenzfällen, innerhalb derer sich die verschiedenen Interessen überschneiden. Vor dem Hintergrund der Schutzzwecktrias des § 1 UWG erscheint es daher schwierig, alle Klagen von Verbraucherverbänden, die sich außerhalb von Verbraucherinteressen bewegen, als dem Zweck des § 8 III Nr. 3 UWG zwingend zuwider zu deklarieren. Gleichzeitig aber stellt § 8 III Nr. 2 UWG die Klage der gewerblichen Verbände nur zum Schutz kollektiver Interessen der Mitglieder zur Verfügung.441 Qualifiziert man schließlich wie gesehen alle verbraucherschützenden Normen des UWG zugleich als „Verbraucherschutzgesetze“ i. S. v. § 2 UKlaG, ist § 8 III Nr. 3 UWG nicht mehr notwendig. Wie § 3 I Nr. 2 und 3 UKlaG könnte und sollte daher auch diese Norm gestrichen werden.442 Änderungen ergeben sich an dieser Stelle ebenfalls nicht. Zurück blieben Anspruch und Klage aus § 8 UWG im kollektiven Interesse der gewerblichen und freiberuflichen Mitbewerber. Aufgrund fortbestehender und zuletzt wieder verstärkter Mängel in § 8 III Nr. 2 UWG finden die sonstigen Marktteilnehmer i. S. d. § 2 I Nr. 2 UWG derzeit keine Berücksichtigung.443 Zu ihren Gunsten ist daher eine Korrektur des Gesetzeswortlauts ebenfalls dringend erforderlich, mit der § 8 UWG in das kollektive Interesse der gewerblichen und freiberuflichen Marktteilnehmer insgesamt gestellt werden könnte. Gesetzgeberische Klarstellung und notfalls Ergänzung wäre zudem dahingehend wünschenswert, dass der materiell-recht440 Köhler, in: Köhler/Bornkamm, § 1 UWG Rn. 48; von Ungern-Sternberg, in: G/L/E, § 27 Rn. 2 und 4; Podszun, in: Harte/Henning, § 1 UWG Rn. 71; in diese Richtung auch bereits BGHZ 149, 247, 257 ff. 441 Vgl. schon S. 364 mit Fn. 398; so auch Goldmann, in: Harte/Henning, § 8 UWG Rn. 300; Fritzsche, in: G/L/E, § 79 Rn. 185 und 189; Micklitz/Stadler, in: dies., Verbandsklagerecht, S. 1199; etwas anderes ergibt sich auch nicht aus BGH NJW 1994, 731, denn die Mitgliederinteressen werden dort durch unlauteres Wettbewerbsverhalten berührt; unerheblich ist dabei in der Tat, ob die Unlauterkeit aus einem Verstoß gegen eine Norm resultiert, die die Verbraucher, den Wettbewerb oder beide schützen soll; in dieser Hinsicht klarstellungsbedürftig Köhler/Feddersen, in: Köhler/Bornkamm, § 8 UWG Rn. 3.30. 442 Dafür bereits Hess, in: Ernst/Zimmermann, S. 527, 532. 443 Vgl. dazu bereits oben, S. 335 ff.
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liche Anspruch und die jeweilige Klage an die Interessen des Klägers bzw. der maßgeblichen Gruppe gebunden bleiben. Beispielsweise sollte auch die Klage eines Mitbewerbers wegen Rechtsbruchs gem. § 8 I, II Nr. 1 i. V. m. §§ 3 I, 3a UWG davon abhängen, dass er darlegt, inwieweit seine eigenen Interessen i. S.d § 3a UWG spürbar beeinträchtigt sind. Formulierungsbeispiele hierfür bieten bereits jetzt § 33 I und II Nr. 1 GWB444 sowie der bereits oben445 erörterte Änderungsvorschlag Köhlers. Eventuelle Reflexwirkungen blieben davon offensichtlich unberührt und Einbußen am Schutz des Allgemeininteresses an einem unverfälschten Wettbewerb wären im Zusammenspiel mit den §§ 1 ff. UKlaG nicht zu erwarten. Auf diese Weise würde zugleich eine bessere Abstimmung der jeweiligen Materie mit europarechtlichen Vorgaben ermöglicht, indem die fortschreitende Trennung zwischen Verbraucherschutz und Mitbewerberschutz auf materiell-rechtlicher Ebene (vgl. die UGP-Richtlinie einer- und die RL 2006/114/EG andererseits) auch auf prozessualer Ebene fortgesetzt würde. Umfangreiche Abgrenzungsschwierigkeiten könnten so vermieden und mögliches Missbrauchspotenzial beiderseits abgebaut werden. Zur Klarstellung sei erwähnt, dass mit den hier vorgeschlagenen Änderungen explizit keine „‚Ausklammerung‘ des Verbraucherschutzes aus dem Wettbewerbsrecht“446 verbunden wäre. Die Handlungsmöglichkeiten aller Verbände blieben entsprechend der zutreffenden Auslegung des bisherigen Rechtes erhalten. Es würde aber das „systematisch noch unabgestimmte[s] Bild des Unterlassungsrechtsschutzes im Wettbewerbsrecht und Verbraucherschutzrecht“447 strukturiert und prozessual eine eindeutige Abgrenzung zwischen beiden Gebieten ermöglicht. Eine deutlichere inhaltliche Abgrenzung ist insbesondere auf Seiten des Verbraucherschutzrechtes erforderlich, das durch die Verschränkung in der Tradition des Unionsrechtes eine zunehmend marktbezogene Ausrichtung hinnehmen musste.
4. § 33 II Nr. 1 und 2 GWB Vor dem Hintergrund des bisher Gesagten darf ein Wort zu § 33 II GWB nicht fehlen. Auch wenn die Kartellrechtliche im Gegensatz zur lauterkeitsrechtlichen Verbandsklage ungeachtet ihres schon über 50-jährigen Bestehens bislang kaum praktische Bedeutung erlangt hat448, verdient sie im hiesigen Zusammenhang wissenschaftliche Aufmerksamkeit. Im Rahmen der siebten GWB-Novelle 2005 wurde die Reichweite des Unterlassungs- und Beseitigungsanspruchs aus § 33 I GWB erheblich erweitert. 444
Eine Annäherung befürwortet auch Göckler, WRP 2016, 434, 438. Vgl. oben, S. 338 mit Fn. 305. 446 Meller-Hannich/Höland, Evaluierung, S. 152. 447 Ebenda. 448 Rehbinder, in: Loewenheim e. a., § 33 GWB, Rn. 6; Bornkamm, in: Langen/Bunte, § 33 GWB, Rn. 95; eine der wenigen Ausnahmen ist z. B. BGH GRUR 1986, 478 ff. 445
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So ist seit der auf Initiative des Ausschusses für Wirtschaft und Arbeit verabschiedeten Neufassung nicht mehr die Verletzung einer kartellrechtlichen Norm mit Schutzgesetzcharakter zugunsten des Anspruchstellers erforderlich, sondern jeder Verstoß gegen deutsches oder europäisches Kartellrecht grundsätzlich anspruchsbegründend. Der Anspruch aus § 33 I GWB steht seitdem allen durch einen Kartellverstoß betroffenen Marktteilnehmern, u. a. auch der Marktgegenseite offen.449 Die Änderung beruhte maßgeblich auf der zwischenzeitlich gefestigten Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs, wonach das aus Art. 10 AEUV abgeleitete Effektivitätsgebot (sogenannter effèt utile) mit Blick auf die praktische Wirksamkeit des Art. 101 AEUV (zuvor Art. 81 EG) gebietet, dass jedermann Ersatz desjenigen Schadens verlangen kann, der ihm durch ein verbotenes Kartell oder sonstiges wettbewerbswidriges Verhalten entstanden ist.450 In § 33 II GWB a. F. wurde zudem ähnlich wie bei § 3 I Nr. 2 UKlaG der Wortlaut der damals geltenden lauterkeitsrechtlichen Norm des § 8 III Nr. 2 UWG a. F. ebenso kommentarlos451 implantiert.452 Vereinzelt taucht in der Literatur hierzu das – berühmt berüchtigte und im Kartellrecht jedenfalls fehlplatzierte – Argument der Bekämpfung von Abmahnvereinen auf.453 Die entsprechende Änderung des § 33 II GWB a. F. wirkte für die kollektive Rechtsdurchsetzung vom Gesetzgeber ungesehen der gleichzeitig erfolgten Öffnung der Anspruchsnorm in Absatz I entgegen. § 33 II GWB a. F. forderte nämlich nun von gewerblichen Verbänden, dass „ihnen eine erhebliche Zahl von Unternehmern angehört, die Waren oder Dienstleistungen gleicher oder verwandter Art auf demselben Markt vertreiben“ und „die Zuwiderhandlung die Interessen ihrer Mitglieder berührt“. Der Vertrieb auf demselben relevanten Markt erfasste dabei jedoch ausschließlich horizontale Wettbewerbsverhältnisse, sodass Verbände nicht nur zwingend „Mitbewerber“ i. S. v. § 33 I 3 1. Var GWB zu Mitgliedern haben, sondern zudem deren Interessen zwingend berührt sein mussten. Der Geschäftsbereich des Verletzers und der Verbandsmitglieder stimmte daher in Fällen „sonstiger Marktteilnehmer“ (§ 33 I 3 2. Var GWB), also im 449 Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Wirtschaft und Arbeit, BTDrucks. 15/5049, S. 16 und 49; ausführlich dazu und zur Frage der Betroffenheit Rehbinder, in: Loewenheim e. a., § 33 GWB Rn. 10 ff.; Bornkamm in: Langen/Bunte, § 33 GWB Rn. 29 ff. 450 EuGH Rs. C-453/99 (Courage), Slg. 2001 I-6314, 6323 f., Rn. 27 ff.; EuGH Rs. C-295 bis 298/04 (Manfredi), Slg. 2004 I-6641, 6660 f., Rn. 59 ff. 451 Vgl. den Entwurf eines siebten Gesetzes zur Änderung des GWB, BT-Drucks. 15/3640, S. 53, den zugehörigen Bericht des Ausschusses für Wirtschaft und Arbeit, BT-Drucks. 15/5049, S. 49 sowie die Beschlussempfehlung des Vermittlungsausschusses, BT-Drucks. 15/5735, S. 2. 452 Anschaulich Köhler, WRP 2007, 602, 603: „Die 7. Kartellnovelle […] übernahm die – offenbar als vorbildlich empfundene – Regelung des § 8 III Nr. 2 UWG in den § 33 II GWB. Eine Abstimmung mit […] § 33 I 3 GWB erfolgte dabei allerdings nicht, so dass die […] Regelung im GWB wie ein Fremdkörper wirkt.“ 453 Rehbinder, in: Loewenheim e. a., § 33 GWB Rn. 66, der zudem auf eine „extensive frühere kartellrechtliche Rechtsprechung“ verweist.
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Vertikalverhältnis zu Lieferanten und (End-)Abnehmern auf dem relevanten Markt nicht überein und die Verbände wurden blockiert.454 Im Unterschied zur Parallelnorm des UKlaG wurde das kartellrechtliche Pendant jedoch mit der achten GWB-Novelle 2013 erneut geändert und dabei nicht nur der Wortlaut angepasst, sondern auch – was weitgehend unkommentiert geblieben ist – der letzte Halbsatz des § 33 II GWB a. F. („soweit die Zuwiderhandlung die Interessen ihrer Mitglieder berührt“) aus dem Gesetz gestrichen. Dieser Passus hatte mit der Neufassung seine Bedeutung verloren, da § 33 II Nr. 1 GWB nun vorgibt, dass dem Verband „eine erhebliche Anzahl von betroffenen Unternehmen“ angehören muss. Unter diesen Vorzeichen sind die Interessen der Verbandsmitglieder nun in jedem denkbaren Fall berührt. Gleichzeitig bestätigt die neue Fassung die zu § 8 III Nr. 2 UWG mehrheitlich vertretene Ansicht, dass eine Interessenberührung einem eigenen Anspruch der Verbandsmitglieder gleichkommt. Auch im GWB schreibt § 33 II Nr. 1 GWB nun die Mitgliedschaft einer erheblichen Anzahl von Unternehmen vor, denen selbst ein Anspruch i. S. v. § 33 I GWB zukommt. Ebenfalls hat der Gesetzgeber § 33 II Nr. 1 GWB mit der Änderung von der lauterkeitsrechtlichen Terminologie gelöst und der Norm so eine ihrem systematischen Standort angemessene Auslegung ermöglicht. Wurde den inhaltlichen Widersprüchen damit abgeholfen, bleibt zu entscheiden, inwieweit § 33 II Nr. 1 GWB neben § 8 III Nr. 2 UWG und § 33 II Nr. 2 GWB neben § 3 I 1 Nr. 1 UKlaG weiterhin erforderlich ist. Weitgehende Einigkeit besteht in Rechtsprechung und Literatur inzwischen bezüglich des Verhältnisses von Kartell- und Lauterkeitsrecht. Danach kommt für den Regelungsbereich des Kartellrechts mit Ausnahme des Vergaberechts ausschließlich das abschließende zivilrechtliche Sanktionssystem der §§ 33 ff. GWB zur Anwendung.455 Andernfalls würden die darin vorgesehenen Besonderheiten, wie z. B. die umfassende Einbeziehung der Marktgegenseite sowie die Differenzierung zwischen Verbots- und Missbrauchstatbeständen, unterlaufen. Die Unlauterkeit einer Handlung kann sich daher zwar nicht aus einem Kartellverstoß ergeben. Gleichzeitig ist es aber nicht ausgeschlossen, dass dieselbe Handlung gleichzeitig einen eigenständigen lauterkeitsrechtlichen Verbotstatbestand und damit sowohl § 8 UWG als auch § 33 GWB erfüllt. Beide 454 Aus der Rspr. LG Köln GRUR-RR 2010, 124 ff.; OLG Düsseldorf, Urteil vom 24. 04. 2013 in der Sache VI-U (Kart) 4/12, U (Kart) 4/12, zit. nach juris, Rn. 77; Köhler, WuW 2009, 258, 259 f.; ders., WRP 2007 602, 603; Emmerich, in: Immenga/Mestmäcker, § 33 GWB Rn. 106; so ungeachtet der zwischenzeitlichen Änderungen auch noch Bornkamm in: Langen/Bunte, § 33 GWB Rn. 101, der zwar im Normtext, nicht aber in der Kommentierung § 33 II GWB n. F. berücksichtigt. 455 Dezidiert entgegen früherer Senatsauffassung BGHZ 166, 154, 159 ff. und BGHZ 177, 150, 153; Bornkamm in: Langen/Bunte, § 33 GWB Rn. 176; Rehbinder, in: Loewenheim e. a., § 33 GWB Rn. 77; Ahrens, in: Harte/Henning, Einleitung G Rn. 112; Schaffert, in: MK LauterkeitsR, § 4 UWG Rn. 22; Emmerich, in: Immenga/Mestmäcker, § 33 GWB Rn. 114.
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Normen können daher sinnvoller Weise in Anspruchskonkurrenz nebeneinanderstehen.456 Fraglich ist jedoch, ob neben einer zuvor favorisierten umfassenden Verbraucherverbandsklage im UKlaG auch für § 33 II Nr. 2 GWB weiterhin Bedarf besteht.457 Das bejaht indirekt Emmerich, wenn er festhält, weder bei dem GWB noch bei den Wettbewerbsregeln des AEUV handele es sich um „Verbraucherschutzgesetze“ i. S. v. § 2 II UKlaG.458 Seinen Befund stützt er auf das Urteil des Bundesgerichtshofs in BGHZ 166, 154, 160 und damit ausschließlich auf die bewusste Entscheidung des Gesetzgebers im Rahmen der siebten GWB-Novelle 2005, die Verbraucherverbände in § 33 II GWB nicht zu berücksichtigen. Kann dem insoweit gefolgt werden, bleibt dabei allerdings leider die achte GWBNovelle 2013 außer Betracht, die diese Entscheidung mit der Einführung von § 33 II Nr. 2 GWB revidiert hat. Dazu heißt es von Seiten des Gesetzgebers, „die Position der Verbraucherverbände werde durch eine angemessene Beteiligung an der privaten Kartellrechtsdurchsetzung verbessert.“459 Dennoch spricht vieles dafür, am Befund Emmerichs festzuhalten. Zunächst ist der Verbraucher im übergeordneten europäischen Kartellrecht zwar durchaus präsent, aber in erster Linie in seiner Funktion für den Wettbewerb von Bedeutung. Die Grundlage der Art. 101 ff. AEUV und des darauf aufbauenden Sekundärrechts bildet jedoch ein funktionsfähiger und unverfälschter Wettbewerb, der der Marktintegration und damit im Zusammenspiel mit den Grundfreiheiten in erster Linie der Schaffung und Aufrechterhaltung des Binnenmarktes dienen soll.460 In diesem Kontext finden die Interessen der Verbraucher in erster Linie als ökonomischer Faktor der Verbraucher- oder Konsumentenwohlfahrt zunehmend Berücksichtigung. Ungeachtet der so wachsenden Bedeutung halten Rechtsprechung und Literatur am o. g. wettbewerbspolitischen Fokus auf die Struktur des Marktes und den Wettbewerb als solchen fest und erklären dem Schutz der Verbraucherinteressen als selbstständigem Ziel eine Absage.461 456 Ebenda (Fn. 455); vgl. auch Köhler, in: Köhler/Bornkamm, § 2 UKlaG Rn. 12 und § 3a UWG Rn. 1.341; die Unterschiede haben sich zum Teil relativiert, indem Ansprüche gem. § 33 I GWB nun gem. § 33 II Nr. 2 GWB n. F. auch „qualifizierten Einrichtungen“ i. S. v. § 4 UKlaG, also Verbraucherverbänden zustehen. 457 Ausführlich zum Verhältnis von § 1 UKlaG und § 33 GWB, dabei aber unklar zum Verhältnis von § 2 UKlaG und § 33 GWB OLG Düsseldorf, Urteil vom 24. 04. 2013 in der Sache VI-U (Kart) 4/12, U (Kart) 4/12, zit. nach juris, Rn. 71 ff. 458 Emmerich, in: Immenga/Mestmäcker, § 33 GWB, Rn. 102. 459 Entwurf eines achten Gesetzes zur Änderung des GWB, BT-Drucks. 17/9852, S. 17. 460 Protokoll Nr. 27 zum AEUV über den Binnenmarkt und den Wettbewerb; S chuhmacher, in: G/H/N, Art. 101 AEUV Rn. 9, 11; Eilmansberger, in: Streinz, Art. 101 AEUV Rn. 1 ff.; Emmerich, in: Immenga/Mestmäcker, Art. 101 AEUV Rn. 3; Fuchs/Möschel, in: Immenga/ Mestmäcker, Art. 102 AEUV Rn. 126 f.; so bereits EuGH Rs. C-26/76 (Metro ./. Kommission), Slg. 1977, 1877, 1905, Rn. 20. 461 Fuchs/Möschel, in: Immenga/Mestmäcker, Art. 102 AEUV Rn. 131; Körber, in: Immenga/Mestmäcker, Art. 2 FKVO Rn. 334 ff.; Schuhmacher, in: G/H/N, Art. 101
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Viertes Kapitel: Qualifikation zur Interessenvertretung
Auch bei Entstehung des GWB hieß es bereits in der Gesetzesbegründung: „Es soll die Freiheit des Wettbewerbs sicherstellen und wirtschaftliche Macht da beseitigen, wo sie [….] die bestmögliche Versorgung der Verbraucher in Frage stellt.“462 Eine dem § 1 UWG vergleichbare Zweckbestimmung enthält das GWB jedoch nicht.463 Stattdessen steht auch hier im Anschluss an das zum europäischen Recht Gesagte der Schutz des Wettbewerbs als Institution im Zentrum und wird durch den individuellen Schutz der Wirtschaftssubjekte flankiert und effektiviert. Eine eigenständige verbraucherschützende Zwecksetzung ist damit jedoch nicht verbunden.464 Im Ergebnis können daher weder das europäische noch das deutsche Kartellrecht des GWB als „Verbraucherschutzgesetz“ i. S. v. § 2 UKlaG eingeordnet werden. Lediglich bei § 33 II Nr. 2 GWB selbst handelt es sich um eine verbraucherschützende Norm, die im Dienste der Funktionsfähigkeit des Wettbewerbs und seiner Regulierung insgesamt geschädigten Verbrauchern die Möglichkeit zu individuellem und kollektivem Rechtsschutz eröffnet. Die privatrechtliche Rechtsdurchsetzung im Kartellrecht gem. § 33 GWB steht damit anders als im Fall von §§ 1 ff. UKlaG und § 8 UWG in ihrer jetzigen Ausgestaltung separat. Ungeachtet dessen besteht auch im Rahmen des § 33 II Nr. 2 GWB das Problem einer Interessenkollision. § 33 I und III GWB gewähren dem Betroffenen einen individuellen Unterlassungs- und Schadenersatzanspruch. Anders als im UWG dient darüber hinaus auch § 33 II Nr. 1 GWB gewissermaßen der gebündelten Geltendmachung individueller Unterlassungsansprüche, da die gewerblichen Verbände eine erhebliche Zahl Betroffener als Mitglieder nachweisen müssen. Die Verbraucherverbände dagegen unterliegen gem. § 33 II Nr. 2 GWB neben einem Listeneintrag wiederum keinen zusätzlichen Einschränkungen. Auch hier ist daher eine gesetzgeberische Klarstellung erforderlich. § 33 II Nr. 2 GWB sollte nur dann eingreifen, wenn zu den Betroffenen i. S. d. Absatzes 1 in einem gewissen Maße auch Verbraucher zählen und der betreffende Verband zudem die Interessen dieser Verbraucher auch seiner Satzung zufolge vertreten kann.
AEUV Rn. 16; EuGH, Rs. C-8/08 (T-Mobile Netherlands ./. Raad van bestuur van de Nederlandse Mededingingsautoriteit), Slg. 2009 I-4529, Rn. 36 ff. im Anschluss an die Schlussanträge der Generalanwältin Kokott, Rn. 56 ff.; ebenso bereits EuGH, Rs. C-94/04 P (British Airways ./. Kommission), Slg. 2007 I-2373, 2411, Rn. 106. 462 Entwurf eines Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen, BT-Drucks. 2/1158, S. 21; darauf verweist auch Keßler, VuR 2012, 391. 463 Dafür aber der Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen – Verbraucherschutz und Nachhaltigkeit im Wettbewerbsrecht verankern, BT-Drucks. 17/9956, S. 2. 464 Zimmer, in: Immenga/Mestmäcker, § 1 GWB Rn. 10 ff.
§ 9 Notwendige Anpassungen am Verbandsklagerecht de lege lata
379
II. Ein horizontaler Ansatz In ihrer Empfehlung trägt die EU-Kommission allen Mitgliedsstaaten die Einführung eines innerstaatlichen kollektiven Rechtsschutzsystems an, das auf unionsweit einheitlichen Grundsätzen beruhen, aber gleichzeitig den einzelnen Rechtstraditionen der Mitgliedstaaten Rechnung tragen soll.465 Während der Anwendungsbereich der Empfehlung aus Kompetenzgründen auf die Verletzung durch Unionsrecht garantierter Rechte beschränkt bleibt, soll sie in allen davon umfassten Fällen zur Geltung gelangen und enthält ausdrücklich keine sektorale Beschränkung auf bestimmte Rechtsgebiete. In den besonders hervorgehobenen Bereichen Verbraucherschutz, Wettbewerb, Umweltschutz, Schutz personenbezogener Daten, Finanzdienstleistungen und Anlegerschutz erkennt die EU-Kommission lediglich einen besonderen Bedarf.466 Mit Blick auf Deutschland könnte daher über die soeben dargestellte Minimallösung hinaus ein in sich schlüssiges Gesamtsystem der Verbandsunterlassungsklage ein erstes Ziel darstellen. Mit Meller-Hannich und Höland ist insoweit ein prozessual einheitliches Rechtsschutzinstrument denkbar und vorzugswürdig, mit dem sowohl Verstöße gegen Verbraucherschutznormen als auch Wettbewerbsverstöße aufgegriffen werden können. Auch eine Kombination z. B. mit einem Gewinnabschöpfungsmechanismus zur Bekämpfung von Streuschäden wäre zu erwägen. Dabei lässt sich eine optimale prozessuale Interessendurchsetzung erst in Übereinstimmung des Zwecks der verletzten materiell-rechtlichen Norm mit der Zwecksetzung und Tätigkeit der handelnden Organisation erreichen. Nicht umsonst erkennen ausnahmslos alle bereits bestehenden Regelungen diese Voraussetzung als zwingend an. Sie steht jedoch einer Vereinheitlichung der Klageform auf prozessualer Ebene nicht entgegen. Umgekehrt setzt eine derartige Vereinheitlichung keineswegs ebenso eine m ateriell-rechtliche Parallelisierung voraus, die auch nicht wünschenswert ist.467 Die Zusammenführung der verschiedenen Verbandsunterlassungsklagen in einem einheitlichen prozessualen Modell böte des Weiteren die Möglichkeit, die entsprechenden Normen in die ZPO zu integrieren468, sodass der zunehmenden Rechtszersplitterung in diesem Bereich entgegengewirkt würde. Fachspezifische Besonderheiten auf materiell-rechtlicher Ebene, wie z. B. die 465
Nr. 2.
466
Empfehlung kollektiver Rechtsschutz, a. a. O. (erstes Kapitel, Fn. 155), ErwGr. 10 und
Ebenda, ErwGr. 6 und 7 sowie Nr. 1. a. A. Meller-Hannich/Höland, Evaluierung, S. 153, wonach z. B. das materielle Verbraucherschutzrecht vor dem Hintergrund seiner Ausrichtung auf funktionsfähigen Wettbewerb interpretiert werden sollte. 468 Dafür auch schon Halfmeier, Popularklagen, S. 393 ff. außerdem Hess, JZ 2011, 66, 74; abwägend ders., in: Ernst/Zimmermann, S. 527, 542 ff.; dazu neigend Schilken, in: MellerHannich, S. 21, 48. 467 Insoweit
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Viertes Kapitel: Qualifikation zur Interessenvertretung
zwischen UWG und UKlaG variierende Verjährung, blieben davon unberührt. Sollten prozessuale Besonderheiten ausschließlich für die Geltendmachung bestimmter materiell-rechtlicher Ansprüche erforderlich sein, ließen sich diese ohne Schwierigkeiten auch in der ZPO berücksichtigen. Eine entsprechende Reform könnte vergleichbar den Niederlanden ggf. als Ausgangspunkt für ein Gesamtkonzept des kollektiven Rechtsschutzes im deutschen Recht dienen.
Fünftes Kapitel
Auswahl eines bestimmten Repräsentanten In den beiden vorausgehenden Kapiteln sind Antworten auf die zentralen Fragen dieser Untersuchung gegeben worden, wer als Gruppen- oder Verbandskläger in einem kollektiven Rechtsschutzverfahren in verschiedenen Kostellationen in Betracht kommt und welche Anforderungen jeweils an diese Organisationen gestellt werden sollten. Jedes der befürworteten Qualifikationsmerkmale kann seinen Zweck jedoch nur dann erfüllen, wenn der betreffende Repräsentant noch vor Verfahrensbeginn zufriedenstellend nachweist, dass er diesen Voraussetzungen auch entspricht. Hierzu stehen im Wesentlichen zwei Modelle zur Verfügung, die aufgrund ihrer unmittelbaren, thematischen Verknüpfung abschließend kurz gegenübergestellt werden. Die weitere Überwachung, ob die gesetzlichen Voraussetzungen auch während des gesamten laufenden Verfahrens eingehalten werden, steht dagegen im Kontext der Kontrolle der Verfahrensführung und bleibt außen vor.
§ 10 Überprüfung der Qualifikationsmerkmale Die Überprüfung gesetzlich vorgegebener Anforderungen an repräsentativ tätige Organisationen kann entweder mithilfe eines separaten Anerkennungsverfahrens oder je Einzelfall im Rahmen des gerichtlichen Verfahrens erfolgen, in dem die Organisation als Partei auftritt. Damit ist in aller Regel zugleich die Reichweite der Entscheidung vorgegeben. Während in einem getrennten Verfahren eine fortwirkende Anerkennung ausgesprochen wird, bleibt die Zulassung im Rahmen eines gerichtlichen Verfahrens üblicherweise auf den konkreten Einzelfall beschränkt. Nach einem Blick auf die Regelungsempfehlung der EU-Kommission (dazu I.) werden im Folgenden einzelne bereits in Anwendung befindliche Verfahren näher beleuchtet (dazu II.). Auf dieser Grundlage wird die Überprüfung in einem separaten Verfahren abschließend einer gerichtlichen Überprüfung gegenübergestellt und unter besonderer Berücksichtigung der zuvor befürworteten Merkmale ein Fazit gezogen (dazu III.).
382
Fünftes Kapitel: Auswahl eines bestimmten Repräsentanten
I. Empfehlung der EU-Kommission Die Empfehlung der EU-Kommission unterscheidet ihrem Wortlaut nach zwischen Einrichtungen, die „[…] ad hoc für eine bestimmte Vertretungsklage zugelassen w[e]rden“ und solchen, die „auf der Grundlage genau definierter Zulassungsvoraussetzungen [als] Vertreterorganisationen anerk[annt werden und deshalb] befugt sind, Vertretungsklagen zu erheben“.1 Unklar bleibt dabei aber, wie sich beide Gruppen unterscheiden sollen. In der parallel ergangenen Mitteilung heißt es dazu: „Zur Festlegung der Kriterien für die Anerkennung klagebefugter Vertreterorganisationen, die keine hoheitliche Gewalt ausüben, gibt es mehrere Möglichkeiten. Eine Möglichkeit besteht darin, dass das Gericht von Fall zu Fall prüft, ob die Vertreterorganisation als Kläger geeignet ist (Ad-hoc-Zulassung). Eine andere Möglichkeit wäre, die Anerkennungskriterien gesetzlich festzulegen, d. h. die Klagebefugnis abstrakt zu bestimmen. Es wäre dann Sache des Gerichts zu prüfen, ob die Anerkennungskriterien erfüllt sind, oder es könnte eine Art behördlicher Genehmigung vorgesehen werden, wenn die Kriterien von einer Behörde geprüft werden.“2
Der Unterschied zwischen den genannten Möglichkeiten wird nicht hinreichend deutlich. Die entscheidende Differenzierung betrifft die Reichweite einer Anerkennung. Sie kann entweder nur für das jeweilige Verfahren oder wie z. B. in UKlaG und RDG dauerhaft, ggf. bis auf Widerruf erteilt werden. Natürlich müssten auch eine Anerkennung von Fall zu Fall und die dabei angewendeten Kriterien eine gesetzliche Grundlage haben. Während diese ad hoc-Zulassung jedenfalls von dem befassten Gericht je Einzelfall vorzunehmen wäre, könnte ein vorgelagertes Anerkennungsverfahren entweder bei einer Behörde (vgl. § 4 UKlaG) oder alternativ ebenso bei Gericht angesiedelt werden (vgl. § 19 RDG). Versteht man nun die Empfehlung Nr. 6 der EU-Kommision in dem genannten Sinne, sodass zwischen einer einzelfallbasierten Anerkennung für ad hoc-gegründete Organisationen einerseits und einem vorgelagerten Anerkennungsverfahren andererseits zu trennen ist, ergeben sich jedoch wie bereits oben angedeutet Widersprüche zu Empfehlung Nr. 4 S. 2 lit. b. Für den darin geforderten Zusammenhang mit den Zielen der Organisation stellt die EUKommission ausdrücklich auf den Inhalt der jeweiligen Klage im Einzelfall ab.3 Ein vorgelagertes Anerkennungsverfahren bietet jedoch nur dann einen Mehrwert, wenn darin fortgeltende Voraussetzungen überprüft und überwacht werden und das entscheidende Gericht dahingehend entlastet wird. Je Einzelfall 1
Empfehlung kollektiver Rechtsschutz, a. a. O. (erstes Kapitel, Fn. 155), Nr. 4 und 6. Mitteilung kollektiver Rechtsschutz, a. a. O. (erstes Kapitel, Fn. 151), S. 12. 3 Empfehlung kollektiver Rechtsschutz, a. a. O. (erstes Kapitel, Fn. 155), Nr. 4 S. 2 lit. b: „direkter Zusammenhang zwischen den […] Zielen der Organisation und den […] Rechten, deren Verletzung geltend gemacht wird und die Gegenstand der Klage sind“ (Hervorhebung durch Verfasser). 2
§ 10 Überprüfung der Qualifikationsmerkmale
383
festzustellende Besonderheiten der jeweiligen Unterlassungs- bzw. Schadenersatzklage können daher nicht berücksichtigt werden. Denkbar wäre natürlich, den Begriff „zuvor“ in Empfehlung Nr. 6 im Sinne von vor dem jeweiligen Hauptsacheverfahren zu verstehen und die gestellten Mindestanforderungen vergleichbar der certification jeweils durch das Gericht überprüfen zu lassen. Dann aber müssten nicht nur Gemeinnützigkeit und Ausstattung (Empfehlung Nr. 4 S. 2 lit. a und c) jedes Mal aufs Neue überprüft werden, sondern es bestände zudem kein Unterschied zu den ad hoc-zugelassenen Einrichtungen, die jedoch in Nr. 6 ausdrücklich abgegrenzt werden. In der Gesamtschau ergibt sich eine sinnvolle Differenzierung daher nur zwischen einer fallweisen Anerkennung einerseits und einem vorgelagerten Anerkennungsverfahren andererseits.4 Das Letztgenannte muss dann abstrakten Voraussetzungen vorbehalten bleiben, während solche mit Bezug zur jeweiligen Klage sinnvoller Weise der richterlichen Überprüfung zufallen müssen.
II. Besonderes Anerkennungsverfahren Bei der Umsetzung der UKla-Richtlinie haben sich einige Mitgliedsstaaten der EU für ein – in der Regel bei einer Behörde angesiedeltes – Registrierungsverfahren für Verbraucherorganisationen entschieden.5 Exememplarisch werden daraus im Folgenden die Regelungen aus Deutschland und Frankreich näher erörtert, die über Art. 4 UKla-RL hinaus auch in reinen Inlandsfällen zur Anwendung kommen. Im Kontext des CDC-Verfahrens bietet sich für Deutschland zudem ein Vergleich zum Registrierungsverfahren des Rechtsdienstleistungsgesetzes an. Insbesondere ein agrément nach dem französischen Code de la Consommation ist darüber hinaus bereits nach dem geltenden Recht für die jüngst eingeführte action de groupe von Bedeutung.6 Daneben kennt auch die seit September 2014 in Belgien anwendbare action en réparation collective in Art. XVII. 39 Nr. 1 und 2 CDE eine Registrierung von Verbraucherorganisationen. Die für Nr. 2 erforderliche königliche Verordnung wurde jedoch bisher noch nicht erlassen.7 Für das deutsche Recht haben sich sowohl Micklitz/ Stadler als auch die Bundestagsfraktion von Bündnis 90/Die Grünen in ihren jeweiligen Entwürfen einer Gruppenklage ebenfalls dafür ausgesprochen, das bestehende Verfahren gem. § 4 UKlaG auch zu diesem Zweck zu übernehmen.8 Im Übrigen obliegt die Überprüfung des Repräsentanten in den weiteren bereits 4 Ebenso
Tillema, NTBR 5/2014, 194, 197. Vgl. die Zusammenstellung bei Micklitz, in: ders./Rott/Docekal/Kolba, S. 223 ff. 6 Vgl. bereits im vierten Kapitel, S. 297 f. 7 Vgl. bereits im dritten Kapitel, S. 125. 8 § 3 GVMuG nach Micklitz/Stadler, in: dies., Verbandsklagerecht, S. 1419 und § 611 Nr. 2 ZPO-E nach dem Entwurf eines Gesetzes über die Einführung von Gruppenverfahren, BTDrucks. 18/1464, S. 5. 5
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Fünftes Kapitel: Auswahl eines bestimmten Repräsentanten
bestehenden kollektiven Schadenersatzverfahren der EU-Mitgliedsstaaten soweit erkennbar dem entscheidenden Gericht und zwar entweder im Rahmen des Verfahrens selbst oder einer Vorstufe dazu.
1. Deutschland a) Eintragungsverfahren zur Liste qualifizierter Einrichtungen nach Unterlassungsklagengesetz In der Pflicht zur Umsetzung der UKla-Richtlinie a. F. vollzog der deutsche Gesetzgeber mit Einführung des § 22a AGBG a. F. (heute § 4 UKlaG) einen Systemwechsel. Zur Vereinfachung grenzüberschreitender Rechtsverfolgung verlangt die Richtlinie in alter wie neuer Fassung, dass alle Mitgliedsstaaten einerseits jeder auf einer Liste bei der Europäischen Kommission eingetragenen qualifizierten Einrichtung die Möglichkeit zur Klage eröffnen (Art. 4 I UKlaRL) und andererseits der Kommission diejenigen inländischen Einrichtungen mitteilen, die zum Zweck ihrer grenzüberschreitender Klagebefugnis dort eingetragen werden wollen (Art. 4 II UKla-RL). Während die Verbandsklageverfahren im AGBG, UWG und GWB zuvor ausschließlich bei den Gerichten angesiedelt waren, machten die Neuerungen eine vorhergehende, behördliche Registrierung erforderlich. Diese „Chance einer Verwaltungsvereinfachung“ nahm der deutsche Gesetzgeber zum Anlass die inhaltliche Überprüfung aller Verbraucherverbände inklusive der Inländischen im Wege eines Listensystems einzuführen.9
aa) Eintragung in die Liste qualifizierter Einrichtungen Die Listenführung oblag zunächst mangels einer geeigneten Behörde im Geschäftsbereich des Justizministeriums dem Bundesverwaltungsamt, wurde dann aber mit Wirkung zum 01. 01. 2007 dem mit Blick auf die internationale rechtliche Zusammenarbeit neu gegründeten Bundesamt für Justiz (BfJ) in Bonn übertragen.10 Es hat die Liste nicht nur jeweils zum Stichtag 1. Januar im Bundesanzeiger bekannt zu machen, sondern ist seit der jüngsten Reform zudem gesetzlich verpflichtet, sie in jeweils aktueller Fassung auf seiner 9 Entwurf eines Gesetzes über Fernabsatzverträge und andere Fragen des Verbraucherrechts […], BT-Drucks. 14/2658, S. 51 f.; dazu auch Schmidt-Räntsch, DB 2002, 1595, 1596; ebenso z. B. Frankreich, zum dortigen Verfahren sogleich; anders z. B. die Niederlande, die lediglich mit Art. 3:305c I und II BW bei der Kommission registrierten Einrichtungen den Zugang zur nationalen Verbandsklage gewährt haben, die jedoch davon unabhängig fortbesteht. 10 Art. 4 XIV Gesetz zur Errichtung und zur Regelung der Aufgaben des Bundesamts für Justiz, vgl. den zugehörigen Entwurf und seine Begründung in BT-Drucks. 16/1827, S. 1 und 15 f.; diese Änderung bleibt trotz Neuauflage und Zitierung des aktuellen Gesetzestextes unberücksichtigt in den Kommentierungen von Micklitz, in: MK ZPO zu § 4 UKlaG sowie Köhler/ Feddersen zu § 8 III Nr. 3 UWG und Köhler zu § 4 UKlaG jew. in: Köhler/Bornkamm, sowie bei Büch, in: Teplitzky, Kap. 13 Rn. 31 ff. und Jestaedt, in: Ahrens, Kap. 19 Rn. 50 ff.
§ 10 Überprüfung der Qualifikationsmerkmale
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Internetseite11 zu veröffentlichen (§ 4 I 1 UKlaG n. F.). Darüber hinaus muss das Amt die Liste zweimal jährlich mit Stand 1. Januar und 1. Juli der Europäischen Kommission übermitteln (§ 4 I 2 UKlaG n. F.). Die letztgenannte Regelung bleibt auch nach ihrer Reform weiterhin hinter verschiedenen Vorgaben des Art. 4 UKla-RL zurück. Art. 4 II 1 UKla-RL sieht vor, dass eine Mitteilung an die Kommission und damit die Eintragung auf der dortigen Liste nur auf Antrag der jeweiligen nationalen Einrichtung erfolgt. Gemäß § 4 I 2 UKlaG dagegen übermittelt das Bundesamt für Justiz automatisch und vollständig die bei ihm geführte Liste. Auf diesem Weg werden auch solche nationalen Einrichtungen, die dies entweder nicht wollen oder aber deren Satzung und Tätigkeitsbereich eine Klage in anderen Mitgliedsstaaten gar nicht vorsehen12, dennoch auf der Liste der EU-Kommission eingetragen.13 Daraus ergibt sich wiederum der Vereinheitlichung entgegenstehender Prüfungsbedarf für die mitgliedsstaatlichen Gerichte. § 4 I 2 UKlaG und das Antragsverfahren sollten daher jedenfalls derart angepasst werden, dass die antragstellenden Verbände die von ihnen angestrebte Liste ausdrücklich benennen müssen und das Bundesamt für Justiz dann dieser Wahl entsprechend die Anforderungen überprüft. Des Weiteren hat die Europäische Kommission nach Art. 4 III 3 UKla-RL alle Änderungen an der bei ihr geführten Liste unverzüglich und eine vollständig aktualisierte Liste alle sechs Monate zu veröffentlichen. Dem kann sie jedoch nur nachkommen, wenn sie innerhalb derselben Fristen entsprechende Benachrichtigungen aus den Mitgliedsstaaten erhält. Jedenfalls die halbjährliche Veröffentlichung ist mit der jüngsten Änderung des § 4 UKlaG nun gewährleistet.14 Nach wie vor könnte die EU-Kommission einzelne Änderungen an der Liste aber allenfalls dann wie gefordert unverzüglich bekanntgeben, wenn sie täglich die Internetseite des Bundesamtes für Justiz kontrollierte. Stattdessen sollte 11 https://www.bundesjustizamt.de/DE/Themen/Buergerdienste/Verbraucherschutz/quali fizierte_Einrichtungen/Liste_node.html (zuletzt besucht am 12. 04. 2017). 12 Beachtlich hier der noch gegenteilige Hinweis des Gesetzgebers im Entwurf eines Gesetzes über Fernabsatzverträge und andere Fragen des Verbraucherrechts […], BTDrucks. 14/2658, S. 54 f.: „Natürlich müssen die in den Satzungen der Verbände enthaltenen Zweckbestimmungen auch die Führung derartiger Verfahren im europäischen Ausland abdecken“. 13 Greger, NJW 2000, 2457, 2460; so sind auf der aktuellen Liste der EU-Kommission (Stand 01. 01. 2016, vgl. Abl. 2016 Nr. C 87, S. 1 ff.) aus Deutschland 36 verschiedene Mieterschutzvereine registriert, deren Tätigkeit kraft Satzung auf einen örtlichen Umkreis beschränkt ist, wie z. B. der Mieterverein Bochum, Hattingen und Umgegend e. V., vgl. dessen Satzung online unter https://www.mieterverein-bochum.de/service/downloads/ (zuletzt besucht am 12. 04. 2017). 14 Vgl. zu § 4 I 2 UKlaG a. F. Micklitz, in: MK ZPO, § 4 UKlaG Rn. 8 f.; Witt, in: U/B/H, § 4 UKlaG Rn. 6a; Micklitz/Rott, in: G/H/N/Wolf, Bd. IV, 40. EL 2009, A 25, Art. 4 Rn. 28; Greger, NJW 2000, 2457, 2460; Schaumburg, DB 2002, 723, 727; Lindacher, in: W/L/P, § 4 UKlaG Rn. 4 gibt an, das BfJ habe demgemäß der EU-Kommission die Liste bereits halbjährlich übermittelt.
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Fünftes Kapitel: Auswahl eines bestimmten Repräsentanten
§ 4 I 2 UKlaG richtlinienkonform ausgelegt werden und das Bundesamt jede Korrektur der Liste im Internet zugleich elektronisch an die Kommission übermitteln. Zudem ist der Gesetzgeber aufgefordert auch diese verbliebene Lücke bei der nächsten Gelegenheit zu schließen. Eine Eintragung auf der Liste des Bundesamtes für Justiz erfolgt ausschließlich auf Antrag, über den durch Bescheid entschieden wird. Dieser stellt ebenso wie ein möglicher Aufhebungsbescheid einen Verwaltungsakt i. S. v. § 35 BVwVfG dar, was durch § 4 III 1 UKlaG nochmals klargestellt wird. Er wird durch Eintragung bzw. Streichung vollzogen.15 Erfüllt ein antragstellender Verband alle von § 4 II 1 UKlaG vorgegebenen Voraussetzungen, hat er einen Anspruch auf Eintragung sowie auf die Ausstellung einer Bescheinigung darüber (§ 4 III 2 UKlaG).16 Gegen eine ablehnende Entscheidung sind dementsprechend zunächst ein Widerspruch gem. § 68 I 1 VwGO und sodann eine verwaltungsrechtliche Verpflichtungsklage gem. § 42 2. Var VwGO statthaft. In Umsetzung von Art. 4 II 2 UKla-RL werden pro eingetragenem Verband jeweils der Name, die Anschrift, das (Vereins-) Registergericht mit Registernummer sowie der satzungsmäßige Zweck in der Liste vermerkt (§ 4 II 3 UKlaG). Eine Rechtsverordnung i. S. v. § 4 V UKlaG wurde bis dato nicht erlassen, sodass auf das Verfahren zur Eintragung wie auch zu ihrer Aufhebung als selbstständiges Verwaltungsverfahren die allgemeinen Regelungen des Bundesverwaltungsverfahrensgesetz (BVwVfG) Anwendung finden.17
bb) Kontrolle, Ruhen und Löschung einer Eintragung Ein Eintrag muss schließlich gem. § 4 II 4 UKlaG aus der Liste wieder entfernt werden, wenn ein eingetragener Verband dies selbst beantragt (Nr. 1) oder die Voraussetzungen dafür nicht (mehr) vorliegen (Nr. 2). Der zweite Fall macht deutlich, dass § 4 II 1 UKlaG nicht nur einmalig zu erfüllende Kriterien enthält, sondern diese auch für die gesamte Zeit der Eintragung bestehen bleiben müssen. Entspricht ein eingetragener Verband den Kriterien nicht (mehr), hat das Bundesamt für Justiz ihn von Amts wegen18 von der Liste zu streichen. Daraus ergibt sich zwar keine korrespondierende Pflicht zu einer regelmäßigen Kontrolle, wohl aber die Verpflichtung bei gegebenem Anlass, z. B. 15 Micklitz, in: MK ZPO, § 4 UKlaG Rn. 33; Lindacher, in: W/L/P, § 4 UKlaG Rn. 16; Greger, NJW 2000, 2457, 2460. 16 Entwurf eines Gesetzes über Fernabsatzverträge und andere Fragen des Verbraucherrechts […], BT-Drucks. 14/2658, S. 55; Schaumburg, DB 2002, 723, 724; Micklitz und Greger, jew. ebenda. 17 OVG Münster, NJW 2004, 1123; Roloff, in: Erman, 13. Aufl., § 4 UKlaG Rn. 5; Bassenge, in: Palandt, § 4 UKlaG Rn. 8 f.; Köhler, in: Köhler/Bornkamm, § 4 UKlaG Rn. 11; Greger, NJW 2000, 2457, 2460. 18 Vgl. § 24 BVwVfG; dazu auch OVG Münster, NJW 2004, 1123; Bassenge, in: Palandt, § 4 UKlaG Rn. 9; Lindacher, in: W/L/P, § 4 UKlaG Rn. 16.
§ 10 Überprüfung der Qualifikationsmerkmale
387
einer g erichtlichen Aufforderung i. S. v. § 4 IV UKlaG tätig zu werden.19 Nach Angaben des Bundesamtes für Justiz sind gerichtliche Aufforderungen jedoch selten.20 In der überwiegenden Zahl von Fällen erfolge eine Überprüfung von Amts wegen oder auf Anregung Dritter, i. d. R. in Anspruch genommener Unternehmer.21 Das Wort „oder“ verwundert, sieht doch das Gesetz ein entsprechendes Recht Dritter nicht vor. Damit bleibt nur die Möglichkeit, dass die Behörde entsprechenden Vortrag des Dritten zum Anlass nimmt, von Amts wegen tätig zu werden. Das aber scheint im Konflikt mit dem ursprünglichen Zweck des Listensystems, Verteidigungsvorträge des Beklagten zu Prozessführungsbefugnis und Aktivlegitimation eines einzelnen Verbands jedenfalls im Gerichtsverfahren überflüssig zu machen und so eine Verfahrensvereinfachung zu erreichen. Demgegenüber können aber „begründete Zweifel“ i. S. v. § 4 IV UKlaG vor dem Hintergrund des Beibringungsgrundsatzes allenfalls aus entsprechendem Vortrag des Beklagten entstehen. Im Unterschied zum alten Recht hat dieser Vortrag jedoch keine Beweisbelastung für den Kläger zur Folge, zu dessen Gunsten die Vorlage einer Bescheinigung i. S. v. § 4 III 2 UKlaG ausreicht.22 Damit ergibt sich durchaus die angestrebte Entlastung des Gerichts. Daneben fehlt es außergerichtlich, mithin im Verwaltungsverfahren an einer Norm, auf deren Grundlage der Dritte Schutz beanspruchen und so das Bundesamt für Justiz zu einer Kontrolle verpflichten könnte. Der Behörde steht es daher frei, aufgrund von Anregungen im o. g. Sinne tätig zu werden oder nicht. Um Klagen von Verbänden zu unterbinden, deren Eintragung zweifelhaft und daher voraussichtlich aufzuheben ist, kann das Bundesamt für Justiz diese für maximal drei Monate gem. § 4 II 5 UKlaG ruhend stellen.23 Aus dem gleichen Grund entfalten die verwaltungsrechtlichen Rechtsbehelfe gegen die Ruhensanordnung keine aufschiebende Wirkung (§ 4 II 6 UKlaG). Die Konsequenzen einer solchen Anordnung sind jedoch nicht vollständig geklärt. Der Vorgabe des Gesetzgebers entsprechend soll dem betreffenden Verband während der Ruhensphase die prozessuale Geltendmachung auch und gerade in einem bereits laufenden Verfahren nicht möglich sein. Gleichzeitig aber muss dessen materiell-rechtlicher Anspruch ungeachtet der ruhenden Eintragung (vgl. § 3 I UKlaG: „stehen zu“) fortbestehen, sodass er im Falle einer rechtswidrigen, da z. B. unbegründeten Anordnung weiterhin durchgesetzt werden kann.24 Zustimmung verdient vor diesem Hintergrund die Ansicht Köhlers, 19
Micklitz, in: MK ZPO, § 4 UKlaG Rn. 27. Siehe sogleich, Fn. 40. 21 Meller-Hannich/Höland, Evaluierung, S. 133. 22 Vgl. Hess, in: Ernst/Zimmermann, S. 527, 536 („gesetzliche Beweismittelbeschränkung“). 23 Beschlussempfehlung und Bericht des Rechtsausschusses zum Gesetzentwurf zur Modernisierung des Schuldrechts, BT-Drucks. 14/7052, S. 208 f. 24 Auf eine rechtmäßige Anordnung folgt dagegen ohnehin die Löschung der Eintragung und damit der automatische Verlust von Prozessführungsbefugnis und Aktivlegitimation. 20
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Fünftes Kapitel: Auswahl eines bestimmten Repräsentanten
ein Gericht müsse laufende Verfahren bis zu einer endgültigen Entscheidung des Bundesamtes für Justiz, mithin für die Bestandsdauer der Ruhensanordnung aussetzen.25 Dies lässt sich ebenso auf ggf. neu eingeleitete Verfahren übertragen. Die von Köhler bemühte Analogie zu § 4 IV UKlaG ist jedoch nicht erforderlich, wenn man das dem Gericht dort eingeräumte Ermessen mit Schlosser im Fall einer Ruhensanordnung als auf Null reduziert betrachtet. Zwar sind an begründete Zweifel i. S. v. § 4 IV UKlaG strenge Anforderungen zu stellen26, diese können aber seitens des Gerichts als erfüllt angesehen werden, wenn das Bundesamt für Justiz aufgrund tatsächlicher Anhaltspunkte i. S. v. § 4 II 5 UKlaG von Amts wegen tätig wird.27 Verschiedene Stimmen vertreten dagegen die Auffassung, eine Ruhensanordnung gem. § 4 II 5 UKlaG wirke sich in unterschiedlicher Form über die Verfahrensaussetzung hinaus auch auf Prozessführungsbefugnis und Aktivlegitimation des betreffenden Verbandes aus.28 Vertretbare Gründe sind hierfür jedoch nicht ersichtlich. Die Norm selbst sowie auch ihre Entstehungsgeschichte geben zu der intendierten Rechtsfolge keine Auskunft. Dem Gesetzgeber ging es ausweislich um die Überbrückung einer Überprüfungsphase, während der die Legitimität des betreffenden Verbandes in Zweifel steht.29 Nach dem logischen Zusammenhang ist davon auszugehen, dass die Aufhebung seiner Eintragung ungeachtet des missverständlichen Wortlauts dabei zwar eine anzunehmende, keinesfalls aber eine zwingende Folge der Überprüfung ist. Andernfalls könnte das Bundesamt für Justiz ebenso die Löschung der Eintragung anstelle ihres Ruhens anordnen. Dann bestände aber auch kein Bedarf ausschließlich die verbleibende Zeit bis zur Zustellung des Bescheides zu überbrücken, da diese maximal wenige Tage in Anspruch nehmen wird.30 Soll die Eintragung somit für die Dauer eines ergebnisoffenen Kontrollverfahrens ruhen, ist systematisch nicht nachvollziehbar, warum die Folgen einer Initiative von Seiten des Bundesamtes für Justiz strenger ausfallen sollten als jene einer gerichtlichen 25 Köhler, in: Köhler/Bornkamm, § 4 UKlaG Rn. 10; ebenso Goldmann, in: Harte/ Henning, § 8 UWG Rn. 343; Bassenge, in: Palandt, § 4 UKlaG Rn. 9 und Schmidt-Räntsch, DB 2002, 1595, 1597; ähnlich Witt, in: U/B/H, § 4 UKlaG Rn. 7, der ein automatisches Ruhen eines laufenden Kontrollklageverfahrens annimmt. 26 BGH GRUR 2010, 852, 853. 27 Schlosser, in: Staudinger, § 4 UKlaG Rn. 11. 28 Für Schlosser, in: Staudinger, § 4 UKlaG Rn. 12 „steht die Anordnung des Ruhens der Eintragung für seine Dauer ihrer Aufhebung gleich“; für eine Suspendierung des materiellen Rechts ohne auf prozessuale Fragen einzugehen Micklitz, in: MK ZPO, § 4 UKlaG Rn. 29; nach Ottofülling, in: MK LauterkeitsR, § 8 UWG Rn. 432 „verliert der Verband seine Klagebefugnis“; ebenso Ohly, in: Ohly/Sosnitza, § 8 UWG Rn. 110; wohl sogar für dauerhaften Anspruchsentzug LG Arnsberg, Urteil vom 29. 11. 2010 in der Sache 8 O 122/10, zit. nach juris, Rn. 12 f. 29 Vgl. schon soeben S. 387 mit Fn. 23. 30 Das entgegengesetzte Wortlautargument von Ottofülling, in: MK LauterkeitsR, § 8 UWG Rn. 432, dort Fn. 2451 überzeugt demgegenüber nicht.
§ 10 Überprüfung der Qualifikationsmerkmale
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Initiative gem. § 4 IV UKlaG, die über eine entsprechende Aufforderung zu der identischen Überprüfung führt. Der notwendige Schutz des Beklagten wird durch eine zwingende Verfahrensaussetzung lückenlos gewährt. Gleichzeitig dürfen dem angezweifelten Verband aber für den Fall einer fortbestehenden Eintragung keine über die erlittene Zwangspause hinausgehenden Nachteile entstehen. Schließlich bereitet der befristete Verlust von Prozessführungsbefugnis und/oder Aktivlegitimation auch dogmatische Schwierigkeiten. Allen voran sind ein befristeter Anspruchsverlust und damit ein nur zeitweiliger Entzug der Aktivlegitimation nicht möglich. Des Weiteren wäre der befristete Wegfall der Prozessführungsbefugnis zwar theoretisch denk- und nutzbar, lässt sich jedoch nicht begründen. Folgt man der herrschenden Meinung von der Doppelnatur, stützen sich Prozessführungsbefugnis und Aktivlegitimation gleichermaßen auf die – hier ruhende – Eintragung und lassen sich nicht unterschiedlich behandeln. Versteht man § 3 I 1 Nr. 1 UKlaG dagegen als reine Regelung der Aktivlegitimation31, kann die Ruhensanordnung auch nur diese, nicht aber die Prozessführungsbefugnis beeinflussen. Aus den genannten Gründen führt daher nur die oben befürwortete Ansicht zu einem vertretbaren Ergebnis. Die Streichung selbst ist als actus contrarius zur Eintragung ebenfalls Verwaltungsakt32, der mit Widerspruch gem. § 68 I 1 VwGO und Anfechtungsklage gem. § 42 1. Var VwGO angegriffen werden kann. Der Aufhebungsbescheid (§ 4 III 1 UKlaG) beseitigt die Eintragung und die damit konstitutiv verbundenen Rechte gem. § 4 II 4 UKlaG ausschließlich mit Wirkung für die Zukunft.
cc) Eintragungspraxis des Bundesamtes für Justiz Die Anzahl zunächst durch das Bundesverwaltungsamt, jetzt durch das Bundesamt für Justiz, registrierter „qualifizierter Einrichtungen“ liegt zum 01. 01. 2017 bei 77. Darunter befinden sich 16 Verbraucherzentralen sowie ihr Dachverband vzbv, 38 verschiedene Mieterschutzvereine und -verbände und 22 sonstige, einem bestimmten anderen Teilgebiet gewidmete Organisationen.33 Die Gesamtzahl auf der Liste registrierter Einrichtungen ist von einer Anfangsphase abgesehen über die Jahre sehr konstant geblieben. Die erste je veröffentlichte Liste mit Stand vom 20. 03. 2001 umfasste 26 Einrichtungen34, am 13. 07. 2001 waren bereits 46 registriert35. Nach Einführung des UKlaG wuchs 31
Zum Meinungsstreit bereits im zweiten Kapitel, S. 92 ff. Genauer Rücknahme gem. § 48 I, III BVwVfG, sofern die Eintragungsvoraussetzungen von Anfang an nicht vorlagen, Widerruf gem. § 49 II Nr. 1 BVwVfG, sofern sie nachträglich entfallen sind. 33 Bundesanzeiger 2017, Amtlicher Teil, Bekanntmachung 4 vom 02. 01. 2017; das Dokument kann online auf den Seiten des Bundesanzeigers unter www.bundesanzeiger.de (zuletzt besucht am 12. 04. 2017) abgerufen werden. 34 Bundesanzeiger 2001, Nr. 84, Amtlicher Teil, S. 8818. 35 Bundesanzeiger 2001, Nr. 144, Amtlicher Teil, S. 16659 f. 32
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die Liste bis zum 29. 11. 2002 auf 6336, bis zum 17. 10. 2003 auf 6737 und bis zum 13. 10. 2004 auf 73 Einrichtungen38. In den seitdem vergangenen zwölf Jahren hat sich ihre Anzahl mithin kaum verändert. Dieselbe Konstanz zeigt sich neben der Gesamtzahl auch bei den registrierten Einrichtungen selbst. Insgesamt waren nur 98 verschiedene jemals auf der Liste erfasst. 48 (über 60 %) der aktuell 78 registrierten Einrichtungen werden mindestens seit dem Jahr 2002 durchgängig auf der Liste geführt, 22 (ca. 30 %) darunter sogar von Beginn der Listenführung an. Das bedeutet zugleich, dass die ersten der veröffentlichten Listen bis heute in ihrem Bestand nahezu unverändert erhalten geblieben sind. 22 der 26 am 22. 03. 2001 registrierten Einrichtungen (rund 85 %), 37 der 48 am 13. 07. 2001 registrierten Einrichtungen (rund 77 %) und 46 der 64 am 29. 11. 2002 registrierten Einrichtungen (rund 72 %) sind auch noch auf der aktuellen Liste zu finden. Von den 21 Einrichtungen, deren Eintrag gelöscht wurde, waren insgesamt acht für einen Zeitraum von nur vier Jahren oder weniger, sechs für einen Zeitraum von nur zwei Jahren oder weniger auf der Liste verzeichnet. Die übrigen zwölf befanden sich für mindestens sechs Jahre, zum Teil aber deutlich länger auf der Liste. Verlässliche Schlüsse aus diesen Angaben über die Handhabung des Eintragungsverfahrens seitens des Bundesamtes für Justiz gestalten sich schwierig. Dennoch leitet Micklitz aus der im Vergleich zur großen Mehrheit der anderen Mitgliedsstaaten hohen Anzahl registrierter Verbände ab, dass „praktisch jeder Verband, der es nur will, aufgenommen wird“ und stellt in Frage, ob das Bundesamt für Justiz die Antragsteller überhaupt einer materiellen Prüfung unterzieht.39 Diese Diagnose entspricht erwartungsgemäß nicht den Angaben aus dem zuständigen Referat beim Bundesamt für Justiz40: Danach müssen Antragsteller dort nicht nur im Rahmen des Eintragungsverfahrens eine umfangreiche Prüfung durchlaufen, sondern die Einhaltung der gesetzlichen Voraussetzungen wird zudem für jede bereits eingetragene Einrichtung turnusmäßig kontrolliert. Durchschnittlich ca. zwei bis drei Neuanträge zählt das Bundesamt für Justiz pro Jahr. Im Vergleich dazu wurden unter Federführung des Bundesamtes seit dem 01. 01. 2007 lediglich 13 Verbände neu auf die Liste aufgenommen.41 36
Bundesanzeiger 2003, Nr. 30, Amtlicher Teil, S. 2679 ff. Bundesanzeiger 2004, Nr. 1, Amtlicher Teil, S. 6 ff. 38 Bundesanzeiger 2005, Nr. 1, Amtlicher Teil, S. 6 ff. 39 Micklitz, in: MK ZPO, § 3 UKlaG Rn. 12 und § 4 UKlaG Rn. 31. 40 Mein Dank gilt der Leiterin des zuständigen Referats III 2 beim Bundesamt für Justiz, Frau Dr. Daubach sowie ihrem Mitarbeiter Herrn Engelhardt für ihre umfangreiche Auskunft im Rahmen eines Gespräches am 14. 12. 2015 im Bundesamt für Justiz. 41 Im Gegensatz zur aktuellen Auskunft (vgl. ebenda) noch etwas anders die Angabe im Jahr 2010 bei Meller-Hannich/Höland, Evaluierung, S. 131, wonach die Nachfrage von Verbänden auf Eintragung „deutlich höher“ liegt als die Zahl der tatsächlichen Eintragungen. 37
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Mangels einer Rechtsverordnung i. S. v. § 4 V UKlaG hat das Bundesamt für Justiz im Rahmen der allgemeinen Vorgaben des BVwVfG bei der Gestaltung des Eintragungsverfahrens weitgehend freie Hand. Antragstellende Verbände müssen einen Fragebogen ausfüllen sowie ein umfassendes Unterlagenpaket bestehend aus einem aktuellen Auszug aus dem Vereinsregister, der Vereinssatzung, einer Mitgliederliste sowie aussagekräftigen Nachweisen ihrer verbraucherbezogenen Aufklärungs- und Beratungstätigkeit vorlegen. Außerdem werden Druckschriften und soweit vorhanden der Internetauftritt der antragstellenden Einrichtung gesichtet und in Einzelfällen auch anonyme Testanrufe durchgeführt.42 Neben den formalen Voraussetzungen der Mitgliederzahl, Bestandsdauer und des satzungsmäßigen Zwecks bildet die „sachgerechte Aufgabenerfüllung“ i. S. v. § 4 II 1 UKlaG a. F. (seit 24. 02. 2016 § 4 II 1 Nr. 3 UKlaG) einen entscheidenden Teil der Prüfung. Dabei steht die sachliche, personelle und finanzielle Ausstattung der Einrichtung im Mittelpunkt. Der Fokus liegt auf einer eigenen Geschäftsstelle, die sachlich, räumlich und organisatorisch unabhängig arbeitet und entsprechend erreichbar ist sowie auf der finanziellen Ausstattung der Einrichtungen. Sie muss so dimensioniert sein, dass sowohl die regelmäßige Beratungs- und Aufklärungstätigkeit als auch eventuelle gerichtliche Verfahren inklusive der Prozesskosten im Verlustfalle aus eigener Kraft bestritten werden können. Insbesondere die finanzielle Ausstattung wird jedoch im Einzelfall und im Verhältnis zur Größe, Tätigkeit und dem finanziellen Hintergrund der jeweiligen Organisation bewertet ohne sich an einem feststehenden Betrag zu orientieren. Als Nachweis wird hierzu eine regelmäßig vorzulegende Einnahmen überschussrechnung herangezogen.43 Dieser Kontrollschwerpunkt gibt zu denken. Besonders fragwürdig erscheint ein weiteres Mal die Gleichstellung mit den gewerblichen Verbänden, die in der Angabe gipfelt, die Behörde greife als Maßstab überwiegend auf die umfangreiche höchstrichtlicherliche Rechtsprechung zu den §§ 13 I a. F., 13 II Nr. 2 a. F. bzw. 8 III Nr. 2 UWG und dem darin enthaltenen Passus der „personellen, sachlichen und finanziellen Ausstattung“ zurück.44 Kann man gewisse Parallelen mit Sicherheit nicht leugnen, bleiben notwendige Differenzierungen mit der gleichen Sicherheit unberücksichtigt. Die genannte Rechtsprechung ist für das Lauterkeitsrecht spezifiziert, während die Liste qualifizierter Einrichtungen darüber hinaus gerade auch im Verbraucher- und Kartellrecht Anwendung findet. Außerdem kann nicht oft genug hervorgehoben werden, dass die Verbraucher42 Vgl. Fn. 40; außerdem Meller-Hannich/Höland, Evaluierung, S. 132, wonach zudem noch alle bei dem vzbv, dem Deutschen Industrie- und Handelskammertag sowie bei der örtlichen Industrie- und Handelskammer vorliegenden Informationen eingeholt werden. 43 Vgl. Fn. 40. 44 So die aktuelle Auskunft (vgl. Fn. 40) ebenso wie bereits Meller-Hannich/Höland, a. a. O. (Fn. 42), dort inklusive eines ausdrücklichen Verweises auf bestimmte Urteile.
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verbände und die gewerblichen Verbände in aller Regel verschiedene, ja in den meisten Fällen genau entgegenlaufende Interessen vertreten. Ist ihre Tätigkeit damit grundverschieden, können sich eine „sachgerechte Aufgabenerfüllung“ i. S. v. § 4 II 1 UKlaG a. F. (seit 24. 02. 2016 § 4 II 1 Nr. 3 UKlaG) und die i. S. v. § 8 III Nr. 2 UWG erforderliche „personelle, sachliche und finanzielle Ausstattung“ unmöglich decken. Der Mangel an höchstrichterlicher Rechtsprechung zu § 4 UKlaG und seinen Vorgängernormen ist bedauerlich, aber belegt ausschließlich den ebenso fehlenden Bedarf.45 Gleichzeitig darf dieser Mangel die zuständige Behörde und alle übrigen Rechtsanwender nicht dazu veranlassen, auf Normen zurückzugreifen, deren Anwendung hier ungerechtfertigt ist. Diese Verquickung wendet sich kurz gesagt contra legem. Die angebliche Motivation gegen rechtliche Vehikel vorzugehen, die ausschließlich zur Erlangung von Einnahmen durch Gebühren oder Vertragsstrafen handeln und schlagwortartig als Abmahnvereine bezeichnet werden46, ist in diesem Kontext vorgeschoben und nicht tragfähig, da derartiger Missbrauch im Bereich der Verbraucherverbände jedenfalls seit Geltung der Liste soweit bekannt nicht vorgekommen ist. Es soll nicht unerwähnt bleiben, dass eine Vereinheitlichung der Maßstäbe auch und gerade seitens des Verfassers befürwortet wird. Sie ist aber nur auf gesetzlicher Grundlage möglich. So lange das Gesetz dezidiert zwischen „qualifizierten Einrichtungen“ und gewerblichen Verbänden unterscheidet gilt es diese Differenzierung zu respektieren und auch in der Rechtsanwendung konsequent umzusetzen. Angesichts des Gesagten verwundert nicht, dass es den antragstellenden Verbänden nach Angaben des Bundesamtes für Justiz allenfalls in Einzelfällen an der notwendigen Ausstattung fehlt. Stattdessen wird eine Eintragung in den meisten Fällen abgelehnt, weil Einrichtungen ihre „Kernkompetenz auf einem anderen Gebiet haben“. Im Mittelpunkt steht hier der Bereich Gesundheit, in dem beispielsweise Organisationen zur Aufklärung über Gefahren des Rauchens oder Verbände, die sich den Interessen der Betroffenen einer bestimmten Krankheit widmen nicht zur Liste zugelassen werden können, da sie keine originären Verbraucherinteressen vertreten. Gleichzeitig aber berichtet das zuständige Referat von vergleichsweise vielen Anfragen, die den Zweck der Eintragung verkennen oder sogar die Anerkennung als „qualifizierte Einrichtung“ als Art der Zertifizierung ihrer Verbraucherarbeit verstehen.47 Aus diesem Grunde kommt es auch dazu, dass sich Anfragen im Anschluss an eine 45 Wörtlich dazu bei Normierung der Zusatzvoraussetzungen in § 13 II Nr. 2 UWG a. F. der Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des UWG, BT-Drucks. 12/7345: „Eine gleichartige Änderung der Vorschriften über das Klagerecht der Verbraucherverbände […] ist nicht erforderlich, weil insoweit Mißbräuche nicht bekanntgeworden sind.“ 46 Meller-Hannich/Höland, Evaluierung, S. 132. 47 Dieser Aspekt betrifft insbesondere die zahlreichen Mietervereine und -verbände, auf die nach Angaben des BfJ (vgl. Fn. 40) keinerlei Abmahn- oder Klagetätigkeit entfällt.
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telefonische Auskunft wieder erledigen oder einmal gestellte Anträge nach Anforderung der genannten Nachweise versanden. Mit Hilfe einer regelmäßigen Überprüfung aller eingetragenen Einrichtungen stellt das Bundesamt für Justiz zunächst sicher, dass die in der Liste genannten Daten wie Post- und E‑Mail-Adresse sowie Telefonnummer auf dem aktuellen Stand bleiben und die jeweiligen Verbände weiterhin über die geforderte Mindestmitgliederzahl verfügen. Darüber hinaus aber können sich im Rahmen der damit verbundenen Kontaktaufnahme Anhaltspunkte für eine nähere amtswegige Überprüfung ergeben. In der Mehrheit der Fälle erfolgt eine solche Detailkontrolle aber auf Hinweis von Verbrauchern, von abgemahnten Unternehmen oder deren Rechtsbeiständen, die in einem bereits laufenden Gerichtsverfahren danach streben, die Prozessführungsbefugnis und Aktiv legitimation des Klägers zu beseitigen. Obwohl das Verwaltungsverfahren für solche Dritte keine feststehenden Rechte bereithält, sie das Bundesamt also nicht zu einer Prüfung rechtlich verpflichten können, werden diese Hinweise grundsätzlich ernst genommen und verfolgt. Auch hier variiert die Häufigkeit, so ist z. B. in 2015 keine einzige Prüfungsbitte eingegangen, in anderen Jahren dagegen mehrere. Dennoch führen sie praktisch nie zu einer Löschung von Eintragungen. Dazu trägt wohl auch bei, dass das Bundesamt bei einmaligen Verstößen eine gewisse Kulanz walten lässt und z. B. bereit ist, unbegründete und in Einzelfällen schlecht geführte Prozesse nicht unmittelbar zum Anlass einer Löschung zu nehmen, sondern stattdessen das weitere Verhalten der betreffenden Einrichtung einer engeren Kontrolle zu unterziehen. In Ausnahmefällen kommt es während dieser Phase zu einer Ruhensanordnung gem. § 4 II 5 UKlaG. Die Gerichte machen dagegen von ihrer Kompetenz nach § 4 IV UKlaG praktisch keinen Gebrauch.48
b) Registrierungsverfahren nach Rechtsdienstleistungsgesetz Im Rahmen der Neufassung des Rechtsdienstleistungsrechts und dem Wechsel von RBerG zu RDG hat der Gesetzgeber auch das vormalige Erlaubnisverfahren umgestaltet. Das zuvor zwischen den Bundesländern unterschiedlich gehandhabte Verfahren wurde bundeseinheitlich geregelt. Sachkundeprüfungen und eine laufende Dienstaufsicht durch die Behörden sind nicht mehr vorgesehen, sondern lediglich eine Registrierung auf der Grundlage vorzulegender Unterlagen.49
48
Zu den vorausgegangenen Absätzen nochmals Fn. 40. eines Gesetzes zur Neuregelung des Rechtsberatungsrechts, BTDrucks. 16/3655, S. 43; außerdem Kleine-Cosack, § 13 RDG Rn. 1; Weth, in: Henssler/Prütting, § 13 RDG Rn. 1. 49 Entwurf
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aa) Antrag auf Registrierung (§ 13 RDG) § 19 RDG verleiht in Abs. I den Landesjustizverwaltungen die Zuständigkeit zur Durchführung des Gesamtgesetzes, jedoch zudem in Abs. II den Landesregierungen die Möglichkeit zur Delegation auf nachgeordnete Behörden. Davon haben alle 16 Landesregierungen Gebrauch gemacht.50 Die Registrierung als Rechtsdienstleister erfolgt mittels eines in § 13 RDG und § 6 RDV festgelegten Antragsverfahrens bei der jeweils zuständigen Behörde. Maßgeblich für die Zuständigkeit ist der Ort der inländischen Hauptniederlassung des Antragstellers. Mangels Niederlassung im Inland kann der Antrag an jede i. S. v. § 19 RDG zuständige Stelle gerichtet werden (§ 13 I 1 und 2 RDG). Ein Antrag kann schriftlich oder elektronisch gestellt werden und muss neben dem (Teil-) Bereich i. S. v. § 10 I RDG, für den eine Registrierung angestrebt wird, alle Angaben enthalten, die gem. § 16 II 1 Nr. 1 RDG zum Pflichtinhalt des Registers gehören (§ 13 I 4 RDG, § 6 I, II RDV). Auf der Internetseite des Rechtsdienstleistungsregisters stehen vereinheitlichte Antragsformulare zur Verfügung.51 Zum Nachweis der Angaben sind die in § 13 I 4 Nr. 1–5 RDG genannten Dokumente (u. a. eine Darstellung des Ausbildungs- und Berufswegs sowie ein Führungszeugnis) sowohl bezogen auf den Antragsteller selbst als auch auf jede seiner „qualifizierten Personen“ beizubringen. Ebenso wie bei dem Eintragungsverfahren gem. § 4 UKlaG handelt es sich auch bei dem Registrierungsverfahren nach § 13 RDG um ein Verwaltungsverfahren, das sich neben den spezialgesetzlichen Regelungen in RDG und RDV nach dem Verwaltungsverfahrensgesetz des jeweiligen Bundeslandes richtet (vgl. § 1 III BVwVfG).52 Das Verfahren gliedert sich anhand von § 13 II 2 RDG in drei Stufen. Die Behörde überprüft zunächst die Vollständigkeit des Antrags i. S. v. § 13 I 3 Nr. 1–5 RDG sowie die persönliche Eignung, Zuverlässigkeit und Sachkunde des Antragstellers und ggf. seiner „qualifizierten Personen“. Erst im Anschluss an eine positive Feststellung wird der Antragsteller in einem zweiten Schritt aufgefordert, der Behörde seine Berufshaftpflichtversicherung und die Erfüllung eventueller zusätzlicher Bedingungen (§ 10 III 1 1.Var. RDG) nachzuweisen. Gem. § 24 LVwVfG gilt für das gesamte Verfahren der Untersuchungsgrundsatz und die zuständige Behörde hat den Sachverhalt grundsätzlich von Amts wegen zu ermitteln. § 13 RDG verpflichtet den Antragsteller jedoch zur Mitwirkung. 50 Vgl. für Baden-Württemberg § 30a S. 1 Verordnung des Justizministeriums über Zuständigkeiten in der Justiz; eine Liste der jeweils zuständigen Registrierungsbehörden ist abrufbar unter http://www.rechtsdienstleistungsregister.de/Zustaendigkeitsliste.pdf (zuletzt besucht am 12. 04. 2017). 51 http://www.rechtsdienstleistungsregister.de/?button=Antragsformulare&sess_clean=1 (zuletzt besucht am 12. 04. 2017). 52 Dötsch, in: Deckenbrock/Henssler, § 13 RDG Rn. 54 und 58; Weth, in: Henssler/ Prütting, § 13 RDG Rn. 1; K.-M. Schmidt, in: Krenzler, § 13 RDG Rn. 3 und 36.
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Über dessen Angaben hinausgehende Ermittlungen liegen im Ermessen der Behörde, die z. B. weitere Zeugen, Sachverständige oder auch den Antragsteller selbst anhören oder Stellungnahmen z. B. bei Berufsverbänden einholen kann.53 Jedenfalls vor einer Ablehnung des Antrags schreibt § 28 I LVwVfG eine Anhörung des Antragstellers grundsätzlich vor. Entspricht der Antragsteller allen Vorgaben, hat er einen Anspruch auf Registrierung54, die die Behörde in einem letzten Schritt vornimmt und im Rechtsdienstleistungsregister öffentlich bekanntmacht. Die Registrierung selbst ist ein Verwaltungsakt i. S. v. § 35 LVwVfG55, der gem. § 43 I LVwVfG im Moment seiner Bekanntgabe gegenüber dem Antragsteller (vgl. § 41 I 1 LVwVfG) wirksam wird.56 Eine Rechtsvorschrift, die gem. § 43 III 1 LVwVfG die öffentliche Bekanntgabe (z. B. im Rechtsdienstleistungsregister) zuließe, enthält das RDG nicht. Im Gegenteil trennt der Wortlaut in § 10 I 1 und § 16 II Nr. 1 und 2 RDG ausdrücklich zwischen der Registrierung einerseits und ihrer öffentlichen Bekanntmachung im Register andererseits. Insbesondere § 16 II Nr. 2 RDG besagt ausdrücklich, es werde die Registrierung bekannt gemacht, die „bestandskräftig untersagt worden ist“, was zwingend die vorherige Bekanntgabe der Untersagung i. S. v. §§ 43 I, 41 I 1 LVwVfG erfordert. Für die erstmalige Erteilung der Registrierung kann nichts anderes gelten. Zu einer anderen Auffassung verleitet der ursprüngliche Gesetzesentwurf, in dem es heißt: „Gleichzeitig ist die Eintragung in das Rechtsdienstleistungsregister als konstitutive Voraussetzung für die Berufsausübung normiert. […] Zum Schutz der Rechtsuchenden wird der Akt der Publizierung aufgewertet und erhält gleichzeitig Erlaubnischarakter.“57
Die Voraussetzungen hierfür hat der Gesetzgeber jedoch im verabschiedeten Gesetz nicht geschaffen. Stattdessen heißt es in § 16 I RDG: „Das Rechtsdienstleistungsregister dient der Information der Rechtsuchenden, der Personen, die Rechtsdienstleistungen anbieten, des Rechtsverkehrs und öffentlicher Stellen.“58
In Verbindung mit dem zuvor Gesagten kann die Registereintragung daher keine konstitutive Wirkung entfalten und es ist lediglich die behördliche Regis53 Dötsch, in: Deckenbrock/Henssler, § 13 RDG Rn. 59 ff.; Kleine-Cosack, § 13 RDG Rn. 17 ff.; K.-M. Schmidt, in: Krenzler, § 13 RDG Rn. 30 ff.; vgl. auch den Entwurf eines Gesetzes zur Neuregelung des Rechtsberatungsrechts, BT-Drucks. 16/3655, S. 70 f. 54 Dötsch, in: Deckenbrock/Henssler, § 13 RDG Rn. 71; Kleine-Cosack, § 13 RDG Rn. 19; Weth, in: Henssler/Prütting, § 13 RDG Rn. 13. 55 Sturm, JurBüro 2012, 508, 509; Dötsch, in: Deckenbrock/Henssler, § 13 RDG, Rn. 72. 56 Dötsch, ebenda; wohl auch K.-M. Schmidt, in: Krenzler, § 13 RDG Rn. 34. 57 Entwurf eines Gesetzes zur Neuregelung des Rechtsberatungsrechts, BTDrucks. 16/3655, S. 63; dem ohne weitere Begründung folgend Kleine-Cosack, § 13 RDG Rn. 2, 19 und auch § 10 RDG Rn. 8; Weth, in: Henssler/Prütting, § 13 RDG Rn. 13; Sturm, JurBüro 2012, 508, 509. 58 Vgl. dazu nochmals den Gesetzentwurf, ebenda, S. 74 f.
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trierung maßgeblich. Gegen eine ablehnende Behördenentscheidung kann der Antragsteller mit Verpflichtungswiderspruch gem. § 68 II VwGO (soweit nach Landesrecht erforderlich) und Verpflichtungsklage gem. § 42 I 2. Var. VwGO vorgehen. Bundesweit sind zum Jahreswechsel 2016/2017 4287 Rechtsdienstleister im Register erfasst, darunter 1972 im Bereich Inkassodienstleistung, 807 im Bereich Rentenberatung, 228 zu einem ausländischen Recht sowie 1695, die bereits unter Geltung des RBerG eine Erlaubnis innehatten. Ein geringer Anteil von 415 Dienstleistern hat sich für mehrere Dienstleistungsbereiche registriert. § 13 III RDG verpflichtet schließlich alle registrierten Dienstleister, der für sie zuständigen Behörde unverzüglich Änderungen derjenigen Tatsachen mitzuteilen, die Einfluss auf die Registrierung selbst oder aber die Aktualität des Registereintrags haben. Seit einer Gesetzesänderung mit Wirkung ab dem 01. 08. 2013 reicht eine Mitteilung in Textform, mithin via E‑Mail aus. § 13 II RDG statuiert eine Meldeobliegenheit, die die Behörde nicht selbstständig durchsetzen kann.59 Eine „beharrliche“ Unterlassung kann jedoch gem. § 14 I Nr. 1 a. E. den Widerruf der gesamten Registrierung rechtfertigen. Zu Recht wird kritisiert, dass der neu eingeführte Bußgeldtatbestand des § 20 RDG die Meldeobliegenheiten dagegen nicht erfasst. Da die Schwelle zum Widerruf der Registrierung aus Verhältnismäßigkeitsgründen hoch anzulegen sein wird, dürften daher einige Verstöße ungesühnt bleiben, was insbesondere die o. g. Aktualität des Registers gefährdet.60
bb) Aufsicht und Widerruf der Registrierung (§§ 13a, 14 RDG) Nach dem ursprünglichen Willen des Gesetzgebers bei Einführung des Rechtsdienstleistungsgesetzes sollte die behördliche Aufsicht über registrierte Rechtsdienstleister derart verringert werden, dass „die zuständigen Justizverwaltungen nur noch tätig werden, wenn Tatsachen bekannt werden, die einen Widerruf der Registrierung erforderlich machen.“ Anders als zuvor in § 3 der Zweiten AusführungsVO zum RBerG sollten weder die Aufsichtsführung noch spezifische Aufsichtsmaßnahmen gesetzlich vorgegeben werden.61 In seiner Ursprungsfassung von 2008 kannte das Gesetz daher ausschließlich das Verfahren auf Rücknahme- bzw. Widerruf der Registrierung durch die zuständige Registrierungsbehörde. Es richtet sich als Verwaltungsverfahren 59 K.-M. Schmidt, in: Krenzler, § 13 RDG Rn. 37; Dötsch, in: Deckenbrock/Henssler, § 13 RDG Rn. 86. 60 Dötsch, ebenda; vgl. auch den Entwurf eines Gesetzes zur Neuregelung des Rechtsberatungsrechts, BT-Drucks. 16/3655, S. 71, der sich nur auf „erhebliche[n] und beharrliche[n] Verstöße[n]“ bezieht. 61 Entwurf eines Gesetzes zur Neuregelung des Rechtsberatungsrechts, BTDrucks. 16/3655, S. 43; vgl. auch K.-M. Schmidt, in: Krenzler, § 14 RDG Rn. 3.
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ebenso wie schon das Registrierungsverfahren mangels spezialgesetzlicher Regelung in RDG oder RDV nach dem LVwVfG des jeweiligen Bundeslandes. Dementsprechend gilt auch hier gem. § 24 LVwVfG der Untersuchungsgrundsatz und die Behörde hat von Amts wegen zu ermitteln, sobald ihr Umstände bekannt werden, die eine Rücknahme bzw. einen Widerruf rechtfertigen würden.62 Das RDG selbst regelt in § 14 den Widerruf einer rechtmäßig erteilten Registrierung in bestimmten Fällen. Daneben erklärt die Norm ausdrücklich auch § 49 LVwVfG für anwendbar, der z. B. bei einem Verstoß gegen Auflagen i. S. v. § 10 III RDG herangezogen werden kann. Obwohl nicht explizit genannt, kann – und ggf. muss – die Behörde zudem eine ex tunc rechtswidrige Registrierung auf der Basis von § 48 LVwVfG zurücknehmen.63 Im Gegensatz zu den §§ 48 und 49 LVwVfG kommt ihr in den Fällen des § 14 RDG jedoch kein Ermessen zu, sodass eine Registrierung bei Erfüllung eines dort bestimmten Widerrufstatbestands zwingend zu entziehen ist.64 Die in § 14 Nr. 1–4 aufgeführten Widerrufsgründe spiegeln weitestgehend die Registrierungsvoraussetzungen des § 12 RDG wieder. Liegen sie nicht mehr vor, kann auch die Registrierung nicht mehr fortbestehen. Hinzu kommen Fälle „dauerhaft unqualifizierter Rechtsdienstleistungen“. Als Regelbeispiele nennt § 14 Nr. 3 RDG Dienstleistungen über die Grenzen der Befugnis hinaus sowie Verstöße gegen § 11a RDG. Auch Fälle mangelnder Sachkunde sind hier einzuordnen. Abgesehen vom Wegfall der in § 12 I Nr. 1 & 3 RDG konkret normierten Voraussetzungen zeigt in allen Varianten des § 14 RDG bereits der Wortlaut, dass einmalige oder rudimentäre Fehler einen Entzug der Registrierung als zwingende Folge nicht rechtfertigen. Es ist eine „dauerhafte“ oder „beharrliche“ Missachtung notwendig, sodass eine Fortsetzung der Rechtsdienstleistungen den Schutz der Rechtsuchenden, des Rechtsverkehrs oder der Rechtsordnung gefährdet. Ein Widerruf darf anhand einer vertieften Prüfung und Abwägung aller Umstände des Einzelfalls nur als einzig verhältnismäßige Lösung verbleiben.65 Auch der Widerruf oder die Rücknahme der Registrierung werden bereits mit ihrer Bekanntgabe gegenüber dem betreffenden Rechtsdienstleister wirksam (§ 43 I LVwVfG). Gegen den belastenden Verwaltungsakt kann er mit Anfechtungswiderspruch gem. § 68 I 1 VwGO (soweit nach Landesrecht erforderlich) und Anfechtungsklage gem. § 42 I 1. Var. VwGO vorgehen. Beide Rechtsmittel 62 Dötsch, in: Deckenbrock/Henssler, § 14 RDG Rn. 9 f.; K.-M. Schmidt, in: Krenzler, § 14 RDG Rn. 11 f. 63 Weth, in: Henssler/Prütting, § 14 RDG Rn. 1; K.-M. Schmidt, in: Krenzler, § 14 RDG Rn. 2. 64 Weth, ebenda, Rn. 2; Kleine-Cosack, § 14 RDG Rn. 16. 65 Entwurf eines Gesetzes zur Neuregelung des Rechtsberatungsrechts, BTDrucks. 16/3655, S. 72; Kleine-Cosack, § 14 RDG Rn. 17; Weth, in: Henssler/Prütting, § 14 RDG Rn. 3; K.-M. Schmidt, in: Krenzler, § 14 RDG Rn. 5 und 13 f.
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entfalten grundsätzlich gem. § 80 I 1 VwGO aufschiebende Wirkung, sodass er seine Dienstleistung weiterhin ausüben kann, es sei denn die sofortige Vollziehung des Widerrufs wird gem. § 80 II Nr. 4 VwGO angeordnet. Ab dem Zeitpunkt der Bestandskraft des Widerrufs erbrachte Rechtsdienstleistungen sind unabhängig von einer anschließenden Löschung im Register (§ 17 I Nr. 4 RDG) unzulässig i. S. v. § 3 RDG.66 Die Behörde kann dem betreffenden Dienstleister jedoch eine Frist zur zulässigen Abwicklung bereits laufender Mandate einräumen. Somit kann eine Übergangsphase entstehen, während der der Widerruf oder die Rücknahme aufgrund sofortiger Vollziehung oder Bestandskraft bereits wirksam, ihr Adressat aber weiterhin im Rechtsdienstleistungsregister eingetragen ist. Insbesondere im Fall sofortiger Vollziehung ist eine Löschung aufgrund des eindeutigen Wortlauts des § 17 I Nr. 4 RDG noch nicht möglich. Obwohl eine ausdrückliche Folgenregelung bei sofortiger Vollziehung (vgl. § 14 IV BRAO) im RDG fehlt, ist auch hier die Wirksamkeit des Widerrufs und damit der Erlaubnisverlust unbestritten.67 Zusätzlich wollen Dötsch und K.-M. Schmidt § 20 I Nr. 1 RDG zur Anwendung bringen.68 Auch diesem Ansatz dürfte aber der Wortlaut der Norm entgegenstehen, der sich nicht nur auf eine Untersagungsanordnung im Gegensatz zu einem Widerruf, sondern zudem auf gänzlich andere Adressaten bezieht. Näher läge vielmehr § 20 I Nr. 2 RDG. Eine gesetzgeberische Klarstellung wäre daher wünschenswert. Zum Zweck einer „wirksamen Aufsicht über Rechtsdienstleister zur Bekämpfung unseriöser Methoden“ ergriff der Bundesrat im Jahr 2013 die Initiative zu Gunsten von aufsichtsrechtlichen Maßnahmen auch unterhalb der Schwelle des Widerrufs der Registrierung“69 und veranlasste den Gesetzgeber dadurch zur Einführung des § 13a RDG.70 Die seit dem 09. 10. 2013 geltende Norm soll „die Reaktionsmöglichkeiten der Registrierungsbehörden bei Rechtsverstößen registrierter Personen erweiter[n] und eine anlassbezogene Aufsicht ausdrücklich im Gesetz veranker[n].“71 Konkrete Mängel bei der behördlichen Aufsicht während der vorausgegangenen fünf Geltungsjahre oder andere Anhaltspunkte für einen tatsächlichen Bedarf nach der Verschärfung erörtern die 66 Dötsch, in: Deckenbrock/Henssler, § 14 RDG Rn. 65 m. w. N.; Kleine-Cosack, § 14 RDG Rn. 18; K.-M. Schmidt, in: Krenzler, § 14 RDG Rn. 42; a. A. Weth, in: Henssler/Prütting, § 14 RDG Rn. 23. 67 Ausführlich Dötsch, ebenda, Rn. 80 ff. 68 Jew. a. a. O. (Fn. 66): Dötsch, Rn. 80; K.-M. Schmidt, Rn. 46. 69 Stellungnahme des Bundesrates zum Entwurf eines Gesetzes gegen unseriöse Geschäftspraktiken, BT-Drucks. 17/13429, S. 3; außerdem Römermann, NJW 2008, 1249, 1253. 70 Vgl. die Gegenäußerung der Bundesregierung zur Stellungnahme des Bundesrates, ebenda, S. 16 und die diesbezügliche Beschlussempfehlung des Rechtsausschusses, BTDrucks. 17/14192, S. 8. 71 Bericht des Rechtsausschusses u. a. zu den Drucksachen 17/13057 und 17/13429, BTDrucks. 17/14216, S. 5.
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Gesetzmaterialien zu der Norm, deren Umfang kaum über diesen Textabsatz hinausgeht, nicht.72 Alle Aufsichtsmaßnahmen obliegen nach der Aufgabenzuweisungsnorm in § 13a I RDG der i. S. v. § 19 RDG zuständigen Behörde. Sie trifft gem. der Generalklausel des § 13a II 1 RDG Maßnahmen, um die Einhaltung dieses Gesetzes sicherzustellen, wobei ihr ausschließlich ein Auswahlermessen, nicht aber ein Entschließungsermessen zukommt.73 Um welche Maßnahmen es sich handeln kann ist jedoch unklar. Als Orientierung könnte die Aufsichtsnorm des alten Rechts in § 3 der Zweiten AVO zum RBerG dienen.74 Präventive Aufklärungsmaßnahmen z. B. die Einsicht in Bücher und Akten oder die Aufforderung zur Stellungnahme werden jedoch bereits von § 13a IV RDB abgedeckt. Der Effekt einer behördlichen Missbilligung, Rüge oder Weisung zu einem bestimmten Verhalten lässt sich gleichermaßen im Wege der Auflage gem. § 10 III RDG erreichen, die in § 13a II 2 RDG klarstellend nochmals genannt wird. Ob Missbilligung, Rüge oder eine Androhung des Widerrufs der Behörde dennoch wieder zur Verfügung stehen sollen, bleibt offen. Dagegen sprechen der bereits dargestellte Systemwandel von RBerG zu RDG sowie auch die entgegengesetzte Bekundung in der ursprünglichen Gesetzesbegründung: „Eine Rückkehr zu dem früheren gestuften Sanktionssystem, bei dem einem Widerruf regelmäßig ein Rügeverfahren vorzuschalten war, soll hiermit nicht einhergehen.“75
Der Anwendungsbereich der Generalklausel ebenso wie auch das Verhältnis zwischen der Fachaufsichts- und der allgemeinen Ordnungsbehörde bleiben mithin im Dunkeln.76 Jedenfalls auf den ersten Blick plausibler erscheint demgegenüber die Befugnis zur vorübergehenden Untersagung der rechtsdienstleistenden Tätigkeit in § 13a III RDG. Eine Untersagung steht im Auswahl- und Entschließungsermessen der Behörde und ist ebenso wie der Widerruf und seine Registrierung Verwaltungsakt. Sie ist möglich, wenn ein Rechtsdienstleister aufgrund eindeutiger Anhaltspunkte und mit hoher Wahrscheinlichkeit entweder eine Registrierungsvoraussetzung nicht mehr erfüllt oder erheblich und dauerhaft seine Pflichten verletzt. Die Untersagung basiert damit auf einer Prognose im Einzelfall, kann jedoch angesichts des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit und den Garantien des Art. 12 GG nur in engen Grenzen zur Anwendung kommen. U. a. müssen jedenfalls alle milderen Eingriffsmittel von Hinweis 72
Sehr kritisch gegenüber dem Gesetzentwurf auch Sturm, JurBüro 2012, 566, 570 f. des Rechtsausschusses u. a. zu den Drucksachen 17/13057 und 17/13429, BTDrucks. 17/14216, S. 5; auch Dötsch, in: Deckenbrock/Henssler, § 13a RDG Rn. 9. 74 Vgl. dazu ausführlich Dötsch, ebenda, Rn. 10–15. 75 Entwurf eines Gesetzes gegen unseriöse Geschäftspraktiken, BT-Drucks. 17/13057, S. 20. 76 Dötsch, in: Deckenbrock/Henssler, § 13a RDG Rn. 15 plädiert z. B. für eine Unterlassungsverfügung der Behörde. 73 Bericht
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bis Auflage erfolglos ausgeschöpft worden sein.77 Aus diesem Grund aber verschwimmt das Verhältnis zu einem Widerruf gem. § 14 RDG. Nach dem Willen des Gesetzgebers soll die Untersagung „ein weiteres Tätigwerden der registrierten Person […] schon im laufenden Widerrufsverfahren […] unterbinden“.78 Die Voraussetzungen an eine Untersagung einerseits und einen Widerruf inkl. seiner sofortigen Vollziehung andererseits unterscheiden sich jedoch kaum, sodass mit der Untersagung kaum ein Zeitgewinn verbunden ist. Hinzu kommt, dass der Gesetzgeber in den §§ 16 und 17 RDG keine Änderungen vorgenommen hat, sodass eine Untersagung nach § 13a III RDG (anders als eine solche nach § 9 RDG) nicht in das Rechtsdienstleistungsregister eingetragen werden kann. Sie bleibt dem Rechtsverkehr daher grundsätzlich unbekannt, obwohl die Kenntnis gerade für die kurzzeitige Überbrückung eines laufenden Verfahrens essentiell wäre. Neben einem sofort vollziehbaren bzw. spätestens neben einem bestandskräftigen Widerruf erfüllt die Untersagung schließlich bereits keinen Zweck mehr. Auf den ohnehin nicht erkennbaren, jedenfalls aber nicht nachgewiesenen Bedarf nach mehr Aufsicht hat der Gesetzgeber folglich mit einer unscharfen Norm reagiert, die den Behörden de facto kaum mehr Befugnisse verleiht als zuvor.79
2. Agrément im Rahmen des franzöischen Code de la Consommation Das Verfahren zur Anerkennung einer qualité d’agir im Rahmen der Kollektivverfahren des französischen Code de la Consommation wird in dessen Verordnungsteil in den Art. R411-2 bis R411-7 geregelt. Es ist bei einer Fachbehörde der départements, der Direction départementale de la concurrence, de la consommation et de la répression des fraudes (CCRF) angesiedelt (Art. R411-4 I CCons). Diese unterstehen dem französischen Ministerium für Wirtschaft, Industrie und Informationstechnik (Ministère de l’Économie, de l’Industrie et du Numérique) bei dem eine Generaldirektion (direction générale CCRF) eingerichtet ist.80 Die endgültige Entscheidung über eine Zulassung liegt dementsprechend für landesweit tätige Organisationen auf Ministerebene, dort gemeinsam beim Minister für Verbraucherangelegenheiten sowie dem Justizminister (Art. R411-2 I CCons). Für Vereinigungen, die nur lokal, regional oder innerhalb eines département handeln, ist der Präfekt 77 Bericht des Rechtsausschusses u. a. zu den Drucksachen 17/13057 und 17/13429, BTDrucks. 17/14216, S. 5; auch Dötsch, in: Deckenbrock/Henssler, § 13a RDG Rn. 20 ff. 78 Bericht des Rechtsausschusses, ebenda. 79 Vgl. auch Dötsch, a. a. O. (Fn. 77), Rn. 1: „u. U. nicht immer vertieft durchdacht“ und Kleine-Cosack, § 13a RDG: „in der Praxis bedeutungslos“. 80 Vgl. deren Selbstportrait unter http://www.economie.gouv.fr/dgccrf/dgccrf (zuletzt besucht 12. 04. 2017); zur DG CCRF auch Beuchler, in: Micklitz/Stadler, Verbandsklagerecht, S. 147 f.
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des jeweiligen département entscheidungsbefugt (Art. R411-2 II CCons). In beiden Fällen wird zuvor eine Stellungnahme der Staatsanwaltschaft, abgegeben durch den Generalstaatsanwalt des zuständigen Bezirks, eingeholt. (Art. L411‑1 und R411-2 III CCons). Einem Antrag auf Anerkennung muss die antragstellende association eine Reihe von Unterlagen und Nachweisen beifügen, die in einer eigenen Verordnung81 aufgeführt sind (Art. R411-4 II CCons). Bei Eingang eines vollständigen Antrags wird eine Empfangsbestätigung ausgestellt (Art. R411-4 III CCons), ab deren Datierung er innerhalb von 6 Monaten beschieden werden muss. Geschieht dies nicht, gilt eine Zulassung als erteilt (Art. R411-5 I CCons). Nach dem Wortlaut des Art. L411-1 CCons („[…] les associations […] peuvent être agréées […]“) wie auch der französischen Literatur82 kommt der Behörde bei ihrer Entscheidung ein Ermessensspielraum zu. Ein Anspruch auf Zulassung besteht auch bei Erfüllung aller Bedingungen nicht. Eine ablehnende Entscheidung muss von der Behörde begründet werden und ist – ebenso wie ein positiver Bescheid – als Verwaltungsakt im Hinblick auf Rechtsfehler gerichtlich überprüfbar.83 Die erteilte Zulassung wird demgegenüber auf nationaler Ebene im Journal Officiel und andernfalls in einem regionalen Amtsblatt (Recueil des actes administratifs) bekannt gemacht (Art. R411-2 I und II CCons). Sie gilt für einen Zeitraum von fünf Jahren, nach deren Ablauf sie beliebig häufig unter den identischen Voraussetzungen wie der Erstantrag um weitere fünf Jahre verlängert werden kann (Art. R411-2 IV CCons). Eine eventuelle Verschärfung der gesetzlichen Zulassungsbedingungen trifft demnach nur Neuanträge.84 Alle zugelassenen Organisationen sind verpflichtet, jährlich Rechenschaft über ihre Tätigkeit abzulegen (Art. R411-6 CCons).85 Kommt eine von ihnen den Zulassungsvoraussetzungen nicht mehr nach, indem sie etwa die erforderliche Anzahl zahlender Mitglieder oder ausreichende tatsächliche Aktivität nicht nachweisen kann oder nicht mehr unabhängig von gewerblicher Tätigkeit agiert, kann ihr das agrément auch vor Ablauf von fünf Jahren auf Initiative des Generalstaatsanwalts wieder entzogen werden (Art. R411-7 CCons). In Anbetracht von 15 landesweit und insbesondere über 700 unterhalb der nationalen Ebene zugelassenen Verbraucherorganisationen86 liegt es nahe, dass 81 Art. 1 Arrêté du 21 juin 1988 rélatif à l’agrément des organisations de defense de consommateurs. 82 Franke, S. 44; Beuchler, in: Micklitz/Stadler, Verbandsklagerecht, S. 145. 83 Ebenda. 84 Beuchler, in: Micklitz/Stadler, Verbandsklagerecht, S. 146; zum Verlängerungsantrag siehe außerdem Art. 3 Arrêté du 21 juin 1988 rélatif à l’agrément des organisations de defense de consommateurs. 85 Art. 2 Arrêté du 21 juin 1988 rélatif à l’agrément des organisations de defense de consommateurs. 86 Dazu bereits im dritten Kapitel, S. 233 und Fn. 220.
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die Akkreditierung ungeachtet der scheinbar sehr umfangreichen und gesetzlich detailliert festgelegten Bedingungen jedenfalls von den französischen Lokalbehörden sehr großzügig gehandhabt wird. Soweit ersichtlich werden Anträge praktisch nur äußerst selten bzw. gar nicht zurückgewiesen.87 Insbesondere die verlangte Mindestanzahl von Mitgliedern wird dabei scheinbar regelmäßig ad absurdum geführt, indem bereits bestehende Organisationen wie z. B. Gewerkschaften eigens Verbraucherverbände gründen und ihre eigenen Mitglieder gleichzeitig als Mitglieder der neuen association veranschlagen. Eine individuelle Beitrittserklärung wird dabei umgangen, indem Mitglieder bei Eintritt in die Gewerkschaft als Teil ihrer dortigen Beitrittserklärung ihr Einverständnis geben (müssen), gleichzeitig Mitglied in jeder von der Gewerkschaft gegründeten Vereinigung zu werden. Diese Praxis liegt wohl u. a. darin begründet, dass der französische Staat bestimmte Subventionen sowie auch die Einbeziehung in bestimmte nationale Beratergremien an ein agrément nach dem Code de la Consommation knüpft.88 Dennoch scheint Missbrauch zu Lasten der Beklagten bislang keine Bedeutung erlangt zu haben, wobei zu berücksichtigen ist, dass sich die Klagetätigkeit bislang auf die action civile fokussiert hat. Mit der Eröffnung neuer Möglichkeiten durch die action de groupe bleibt abzuwarten, ob es dabei bleibt, insbesondere da prognostizierte Schadenersatzsummen von mehreren 100 Millionen Euro durchaus Begehrlichkeiten wecken könnten.
III. Schlussfolgerungen 1. Übergreifende Bewertung eines Anerkennungsverfahrens Ein vorgelagertes Anerkennungsverfahren bietet gegenüber einer Einzelfallkontrolle auf den ersten Blick zwei Vorteile: Einerseits wird das mit dem eigentlichen Kollektivverfahren befasste Gericht entlastet und kann sich anstelle von Verfahrensfragen schneller der Sache selbst widmen. Andererseits wird die Arbeit von Organisationen erleichtert, die regelmäßig in verschiedenen Verfahren als Kläger auftreten. Obwohl sie in der Regel darauf bedacht sein werden, den gesetzlichen Voraussetzungen auf Dauer zu entsprechen, verbliebe mit einer erneuten Prüfung je neuem Verfahren trotzdem ein gewisses Risiko, eventuell nicht zur Klage zugelassen zu werden. Darüber hinaus eröffnet eine Kontrolle je Einzelfall dem Beklagten die Möglichkeit, das Verfahren an einem „Nebenkriegsschauplatz“ abseits der eigentlichen Streitfragen zu torpedieren. Zum Schutz der Beklagten aber auch der Gesamtgruppe Betroffener darf die Überprüfung gleichzeitig nicht zu einem rein formellen Akt degradiert werden. Das gewählte Verfahren muss hinreichend flexibel gestaltet sein, sodass die 87
Franke, S. 46 m. w. N.; Beuchler, in: Micklitz/Stadler, Verbandsklagerecht, S. 147.
88 Ebenda.
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Kontrollinstanz auf Besonderheiten des Einzelfalles und auch auf kurzfristige Änderungen reagieren kann.89 In dieser Hinsicht haben sich gravierende Schwächen eines vorgezogenen Anerkennungsverfahrens offenbart. In erster Linie sind gesetzliche Voraussetzungen, die in Bezug zu dem jeweiligen Einzelfall stehen, nur in Kenntnis der maßgeblichen Tatsachen überprüfbar. Dessen ungeachtet ist es natürlich theoretisch denkbar, auch diese Merkmale in einem ausgelagerten Verfahren für jeden Einzelfall erneut abzufragen. Beispielsweise könnte die Freigabeentscheidung einer Prüfstelle zur Bedingung für die Klageerhebung gemacht werden. Dabei könnte es sich um eine Behörde oder alternativ um einen mit der eigentlichen Sache nicht befassten gerichtlichen Spruchkörper90 handeln. Das jeweilige Organ müsste sich jedoch zu diesem Zweck ebenfalls in den Fall einarbeiten und daher über die dazu erforderliche Sachkunde verfügen. Grundsätzlich anders liegt es bei der Kontrolle einer wirksamen Gründung, der Rechtsform und der Satzung einer Interessenorganisation. Hierfür setzt zum Teil bereits das übrige Recht gewisse Hürden (beispielsweise eine Vereinsoder Handelsregistereintragung unter Vorlage der Satzung) und Änderungen kommen üblicher Weise seltener vor. Gemeinsam mit den Adress- und weiteren Kontaktdaten können diese Angaben also mit geringem Aufwand z. B. in einer Liste erfasst werden.91 Allerdings erscheint hinsichtlich aller zu überprüfenden Voraussetzungen fraglich, inwieweit aus der organisatorischen Trennung von Zulassungsverfahren und Klageverfahren tatsächlich Vorteile resultieren. Seinen Namen sowie Adress- und Kontaktdaten muss der Kläger ohnehin mit der Klageschrift angeben. Allgemeine rechtliche Fragen der Gründung bzw. der Rechtsform an sich sind oftmals bereits in anderen Registern erfasst. Das gilt zum Teil auch für die Satzung. Muss das entscheidende Gericht schließlich ohnehin in jedem Einzelfall überprüfen, ob die klagende Organisation die konkret betroffenen Interessen auch ihrer Satzung zufolge schützt und ihre Tätigkeit darauf aus richtet92, ist damit zugleich die Feststellung verbunden, dass die Organisation und ihre Satzung einem allgemeineren Verfahrenszweck zu dienen bestimmt sind. Auch eine Vorabprüfung der Satzung erübrigt sich damit. Eine Auslagerung der genannten Prüfungspunkte entlastet folglich zwar den mit der Sache befassten Spruchkörper, nicht aber das Verfahren insgesamt. Dieser Mangel 89 Dementsprechend gegen im Einzelnen ausdifferenzierte und demzufolge eng gefasste gesetzliche Zugangsvoraussetzungen bereits im vierten Kapitel, S. 356 ff. 90 Dafür z. B. Rutten, MvV 11/2015, 319, 327. 91 Wie bzw. in welchem Umfang die Satzung einer Organisation in einer solchen Liste wiedergegeben werden sollte, bestimmt sich maßgeblich danach, ob und wenn ja für welche weiteren Entscheidungen die Liste eine Grundlage bieten muss, dazu bereits im vierten Kapitel, S. 357 f. 92 Zu diesem Problem im Zusammenhang mit den als „qualifizierte Einrichtung“ i. S. d. UKlaG registrierten Verbraucherverbänden bereits ausführlich im vierten Kapitel, S. 314 ff.
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wird insbesondere am weiteren Verfahrensverlauf deutlich. Infolge einer konsequenten Trennung müsste eine Prüfstelle, die bei Verfahrenseingang über die Zulassung entscheidet, diese Kompetenz auch für das restliche Verfahren innehaben. Hierzu wären wiederum Regelungen erforderlich, die das Verhältnis beider Entscheidungsträger zueinander bestimmen. Könnte das mit der Sache befasste Gericht oder der Beklagte oder ggf. sogar die Gruppenmitglieder während des laufenden Verfahrens eine Neubewertung der Zulassungskriterien verlangen? Könnte umgekehrt die Prüfstelle von Amts wegen in ein laufendes Verfahren eingreifen, wenn sie der Auffassung ist, dass bestimmte Voraussetzungen entfallen sind? Sind divergierende Entscheidungen vorgesehen und wenn ja, wessen Urteil hat Bestand? Obwohl sich auch in der hier erörterten Frage die Beurteilungsgrundlage zwischen den Verfahrensgegenständen Massenschaden einerseits und Streuschaden andererseits unterscheidet, ergibt sich ausnahmsweise in beiden Fallgruppen dasselbe Ergebnis. Die Überprüfung gesetzlicher Qualifikationsmerkmale sollte ausschließlich dem entscheidenden Gericht obliegen. Ein vom eigentlichen Verfahren getrenntes Anerkennungsverfahren bietet demgegenüber keine Vorteile, führt aber zu Abgrenzungsproblemen und erhöht den bürokratischen Aufwand. Zur näheren Begründung ist wiederum zu differenzieren:
2. Verwendbarkeit in Verfahren zur Durchsetzung von Massenschäden Ein Verfahren zur gebündelten Durchsetzung individueller Schadenersatzansprüche soll nach dem diesseits befürworteten Willen der EU-Kommission sowohl wiederholt tätigen als auch ad hoc gegründeten Interessenorganisationen in der Klägerrolle offenstehen. Die EU-Kommission spricht sich dabei bedauernswerter Weise für unterschiedliche Zugangsregelungen und -verfahren aus.93 Im Gegensatz dazu ist eine einheitliche Regelung vorzugswürdig. Unter den im Verlauf dieser Arbeit erörterten Bedingungen ist kein Grund ersichtlich, beide Gruppen allein aufgrund ihrer Bestandsdauer unterschiedlich zu behandeln. Dies gilt erstaunlicher Weise auch und gerade für die in Nr. 4 S. 2 der Kommissionsempfehlung genannten Merkmale, die für jede Art der „Einrichtung“ anhand eines einheitlichen Maßstabs überprüft werden könnten. Unterschiede bezüglich des Zugangs zu Gericht wären zudem anfällig für Umgehungsversuche und Missbrauch. In den Niederlanden beispielsweise gründen langjährig bestehende Institutionen wie z. B. der Consumentenbond bereits heute aus Finanzund Haftungsgründen Ableger zur Abwicklung einzelner Kollektivverfahren, obwohl weder Art. 3:305a noch Art. 7:907 BW zwischen verschiedenen Arten repräsentativer Organisationen unterscheiden.94 Darüber hinaus besteht auch in der Sache keine Notwendigkeit zu einer Unterscheidung. Beschränkt man 93 94
Empfehlung kollektiver Rechtsschutz, a. a. O. (erstes Kapitel, Fn. 155), Nr. 4 und 6. Vgl. bereits im zweiten Kapitel, S. 169 mit Fn. 458.
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die Prüfung in Massenschadensfällen wie in § 9 erörtert auf den Satzungszweck und eine umfangreiche Repräsentativitätskontrolle der jeweiligen Organisation, sprechen die besseren Gründe dafür, diese in den Händen des entscheidenden Gerichts zu belassen. Auf diese Weise erübrigt sich eine u. U. schwierige Abgrenzung von Kompetenzen zu einer Prüfstelle, während das Gericht zudem die erforderliche Flexibilität behält, um während des gesamten Verfahrens auf Veränderungen reagieren zu können. Abweichende Entscheidungen zwischen Gericht und Prüfstelle und eine gegebenenfalls umfangreiche interne Abstimmung werden im Gegenzug vermieden. Dadurch kann sich das Gericht zugleich unter Geltung der allgemeinen Schlüssigkeits- bzw. Erheblichkeitsgrundsätze Einwänden des Beklagten widmen ohne zu zeitaufwänder Konsultation eines anderen Organs verpflichtet zu sein. Erwähnung verdient schließlich, dass die vorausgegangenen Schlussfolgerungen das Problem lediglich vor dem Hintergrund prozessualer Effizienz und eines hinreichenden Interessenschutzes beleuchten. Die einzelnen Geschädigten werden davon unabhängig sicherlich daran interessiert sein, im Vorfeld verschiedene Organisationen sowie deren Erfahrung, Expertise und eventuelle Referenzen zu vergleichen. Zu diesem Zweck bietet sich möglicher Weise eine Listenführung an, die daher im Kontext der Auswahl eines Gruppenklägers nähere Aufmerksamkeit verdient. Alternativ wäre in Anlehnung an den jüngsten Gesetzesentwurf in den Niederlanden95 auch eine Verpflichtung denkbar, entsprechende Angaben auf einer Internetseite bereitzustellen.
3. Verwendbarkeit im Bereich des negatorischen Rechtsschutzes und Gewinnabschöpfungsverfahren Ein Verfahren, das auf die Unterlassung rechtswidrigen Verhaltens oder die Regulierung von Streuschäden durch Abschöpfung rechtswidrig erlangter Gewinne gerichtet ist, sollte wie bereits dargelegt96 ausschließlich einer bestimmten Gruppe von Interessenorganisationen offenstehen. Dazu gehören in erster Linie die traditionellen Verbraucher- und Wirtschaftsverbände. Ein Registrierungsverfahren, wie aktuell in § 4 UKlaG geregelt, erscheint daher auf den ersten Blick als Zugangshürde sinnvoll, um unerwünschte Beteiligte fernzuhalten. Derselbe Effekt ließe sich jedoch ebenso durch eine entsprechende Anpassung der gesetzlichen Zulassungskriterien erreichen. Dies wird am besten am Beispiel der Wirtschaftsverbänden deutlich: Obwohl in der Vergangenheit unter dem Deckmantel eines „Verbandes zur Förderung beruflicher und selbstständiger beruflicher Interessen“ wiederholt Missbrauchsfälle auftraten, wurde ein Listenverfahren für diese Art der Verbände nicht eingeführt. Stattdessen passte der Gesetzgeber – hinsichtlich der Missbrauchsbekämpfung mit Erfolg – 95 96
Dort Art. 3:305a II lit.d BW-E; dazu bereits im dritten Kapitel, S. 250. Dazu im dritten Kapitel, S. 253 f.
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die gesetzlichen Zugangsvoraussetzungen an.97 Die Gesetzesbegründung zur UWG-Reform 2004 erklärt diese Entscheidung zu Recht wie folgt: „Ob [die Voraussetzungen des § 8 III Nr. 2 UWG] im konkreten Fall vorlieg[en], erschließt sich den zuständigen Gerichten häufig erst nach einer Gesamtbeurteilung sämtlicher Umstände des Einzelfalles. Die Eintragung in eine […] allgemeine Liste könnte eine solche Prüfung nicht ersetzen.“98
Diese zutreffende Einschätzung stützt zugleich die obige Feststellung, wonach entgegen der herrschenden Meinung in Literatur und Rechtsprechung eine Beurteilung der Umstände des Einzelfalls bei den Verbraucherverbänden über einen Listeneintrag i. S. d. § 4 UKlaG hinaus in der derzeitigen Gesetzesfassung eben nicht vorgesehen ist.99 Gleichzeitig bekräftigt die derzeit gängige Handhabung contra legem, dass die Übereinstimmung des satzungsgemäßen Zwecks mit den im Einzelfall betroffenen Interessen wie in § 9 dargelegt unbedingt erforderlich und daher auch zu überprüfen ist. Weder diese Prüfung noch eine Kontrolle der für den Einzelfall verfügbaren Mittel100 kann ein vorgelagertes Anerkennungsverfahren leisten. Demgegenüber sind die notwendigen tatsächlichen Feststellungen meist ohnehin Bestandteil des jeweiligen Verfahrens. Unter der Prämisse, dass die regelmäßig als Kläger auftretenden Organisationen wie der vzbv, die Verbraucherzentralen und die Wettbewerbszentrale nicht nur die gesetzlichen Voraussetzungen in der Regel erfüllen werden, sondern auch deren Satzung, Tätigkeit und finanzielle Jahresabschlüsse öffentlich für jedermann zugänglich sind, stehen dem Beklagten in diesen Fällen kaum Möglichkeiten zur Verfügung, das Verfahren durch das Bestreiten von Zulassungsvoraussetzungen in die Länge zu ziehen. Schließlich ließen sich mit einem Wegfall der Konkurrenzfrage zwischen dem entscheidenden Gericht und einer Prüfstelle auch die derzeit bestehenden Abgrenzungsschwierigkeiten zwischen der Prüfungskompetenz des Bundesamtes für Justiz aus § 4 IV UKlaG und dem Missbrauchsvorbehalt in den §§ § 8 IV UWG und § 2b UKlaG n. F. zufriedenstellend lösen. Anders als Micklitz/Stadler meinen, würden mit der entgegengesetzten Vorgehensweise, nämlich der Ausweitung der Liste des Bundesamtes für Justiz auf die Verbände der gewerblichen Wirtschaft auch nicht „auf einen Schlag eine Reihe von Problemen gelöst“.101 Mit der Aufnahme der Wirtschaftsverbände sei – so die Begründung – nach außen gegenüber den Mitgliedstaaten und der Gemeinschaft offensichtlich, wer in Deutschland über eine Kontrollkompetenz im UWG verfügt. Angesichts der Erfahrungen im UKlaG scheint bereits diese 97
Dazu im zweiten Kapitel, S. 141 f. Entwurf eines Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb, BT-Drucks. 15/1487, S. 23. 99 Dazu ausführlich im vierten Kapitel, S. 314 ff. 100 Insoweit, als sie erforderlich ist; vgl. dazu im vierten Kapitel, S. 300 ff. 101 Micklitz/Stadler, in: dies., Verbandsklagerecht, S. 1198. 98
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Schlussfolgerung höchst zweifelhaft. Einerseits ist die gem. § 4 UKlaG geführte Liste mehrheitlich gefüllt mit Organisationen, die keinerlei Klageaktivität entfalten. Andererseits müssen die wenigen Organisationen, die vor Gericht als Verbandskläger aktiv werden, nach ganz herrschender Lehre und Rechtsprechung nichtsdestotrotz nachweisen, ob ihre Prozessführung im konkreten Einzelfall vom Satzungszweck umfasst ist. Eine offensichtliche Klarstellung ist folglich mit einem Listeneintrag keineswegs verbunden. Darüber hinaus bleiben Micklitz/Stadler weitere Gründe schuldig, warum die Erweiterung der Liste überhaupt wünschenswert oder erforderlich ist. Stattdessen verweisen sie darauf, die Aufnahme der klagebefugten Verbände wirke marktbereinigend und nur die allgemein anerkannten Verbände der gewerblichen Wirtschaft würden ihre Aufnahme in die Liste beantragen. Auch dieser Schlussfolgerung stehen die Erfahrungen mit dem UKlaG entgegen. Weitaus mehr Verbände sind dort der Liste beigetreten, als von den vermittelten Klagerechten tatsächlich Gebrauch machen. Auch ist im Unterschied zu einer gerichtlichen Überprüfung kein marktbereinigender Effekt zu erkennen. Dazu ist zunächst nicht dargelegt, inwieweit die Registrierung bei einer Behörde tatsächlich abschreckender wirkt als eine gerichtliche Klagezulässigkeitsprüfung, wenn eine Registrierung insbesondere für eine vorgelagerte außergerichtliche Abmahnung nicht erforderlich ist. Der Zugang zum Verfahren sollte schließlich an erster Stelle durch die gesetzlichen Voraussetzungen an sich und nicht den Modus ihrer Überprüfung begrenzt werden. Grundlage einer Bewertung muss daher sein, welcher Modus die wirkungsvollste Kontrolle ermöglicht. Vor diesem Hintergrund bietet ein ausgelagertes Anerkennungsverfahren ein deutlich erhöhtes Erpressungspotenzial, wenn es missbräuchlich agierenden Verbänden gelänge, auch nur vorübergehend auf einer Liste eingetragen zu werden. Eine hinreichende Gewähr hiergegen ist jedenfalls in der derzeit geltenden Form zweifelhaft. Des Weiteren birgt ein Registrierungszwang gerade die Gefahr einer Marktbeschränkung: Will man ungeachtet des Listensystems trotzdem auch nur sektoral für bestimmte Branchen oder bestimmte Regionen tätige Verbände zur Klage zulassen, ist eine Überprüfung des Einzelfalles unumgänglich, die nur das mit der Sache befasste Gericht leisten kann. Eine doppelte Prüfung zunächst durch die Behörde und erneut durch das Gericht wäre die Folge. Andernfalls bliebe eine Klage endgültig dem vzbv, der Wettbewerbszentrale und anderen Großverbänden vorbehalten, womit einer flächendeckenden privatrechtlichen Durchsetzung sei es des Verbraucher- wie des Lauterkeitsrechts sicherlich nicht gedient wäre. Im Ergebnis überwiegen somit die Argumente gegen ein vorgelagertes behördliches Anerkennungsverfahren. Das derzeit bei dem Bundesamt für Justiz angesiedelte Listenverfahren sollte folglich mit Blick auf rein inländische Fälle gestrichen werden. Davon unabhängig müsste das in § 4 UKlaG geregelte Ver-
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fahren jedoch für die Zwecke der UKla-Richtlinie bestehen bleiben und könnte im dort geregelten Sinne fortan für eine Anmeldung derjenigen Organisationen verwendet werden, die tatsächlich grenzüberschreitend tätig werden wollen. Auf diesem Weg würde aus deutscher Sicht die Liste qualifizierter Einrichtungen bei der EU-Kommission bereinigt und erstmals den Voraussetzungen der UKla-Richtlinie vollends entsprochen.
Zusammenfassung der wesentlichen Thesen und Ergebnis Unter dem Oberbegriff kollektiver Rechtsschutz lassen sich eine Vielzahl verschiedener Fallkonstellationen zusammenfassen, in denen die Interessenlage der einzelnen Betroffenen mitunter erheblich variiert. Mit Blick auf die kollektive Geltendmachung von Schadensersatz können in einer groben Kategorisierung Fälle, in denen sowohl der Gesamtschaden als auch der Schaden beim Einzelnen ein erhebliches Ausmaß annimmt (hier als Massenschaden bezeichnet) von Fällen unterschieden werden, in denen zwar der Gesamtschaden beträchtlich ist, der Einzelne aber einen zum Teil nur minimalen Schaden erleidet (hier als Streuschaden bezeichnet). In der zuerst genannten Fallgruppe hat jeder e inzelne Geschädigte im Regelfall ein hinreichendes Interesse an der Durchsetzung seiner individuellen Ersatzansprüche. Ungeachtet dessen halten oftmals hohe Kosten der Sachverhaltsermittlung und das damit verbundene Beweis- und Kostenrisiko den Einzelnen von einer Individualklage ab. Während eine gebündelte Geltendmachung diesem Hemmnis entgegenwirkt, führt sie im Regelfall zu einer überdimensionalen Beanspruchung der Justiz.1 Demgegenüber fehlt den von Streuschäden Betroffenen jedes Interesse an der Geltendmachung eines individuellen Schadensersatzanspruchs. Sie bleiben im Regelfall untätig, weil dies nach einer ökonomischen Analyse der Kosten eines Gerichtsverfahrens im Verhältnis zum möglichen Nutzen die einzig rationale Entscheidung darstellt (sogenannte rationale Apathie).2 Diese Ausgangssituation gilt es auch bei der Frage zu berücksichtigen, wer als klagender Repräsentant für die Gesamtgruppe der Betroffenen in Betracht kommt und welche Anforderungen an ihn zu stellen sind. Eine Repräsentation im eigentlichen Sinne findet dabei ohnehin nur dort statt, wo in einem Verfahren schlussendlich auch über die individuellen Ansprüche Einzelner entschieden wird. Hat ein Verfahren dagegen lediglich die Bekämpfung rechtswidrigen Verhaltens für die Zukunft, sei es in Form einer Unterlassungsklage oder aber einer Gewinnabschöpfung zum Zweck der Wiedergutmachung und Abschreckung zum Gegenstand, wird der Repräsentant im Dienst eines überindividuellen, stärker normativ geprägten Interesses tätig.3 1
Dazu im ersten Kapitel, S. 10 ff. Dazu im ersten Kapitel, S. 12 ff. 3 Dazu im ersten Kapitel, S. 19 ff. 2
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Zusammenfassung der wesentlichen Thesen und Ergebnis
Während eine Klagemöglichkeit durch Interessenorganisationen im Bereich des negatorischen Rechtsschutzes bereits weit verbreitet ist, stehen ihr zum Zweck der gebündelten Geltendmachung individueller Forderungen vielfach Vorbehalte entgegen. Insbesondere die US-amerikanische class action und ihr durch hochspezialisierte Anwaltskanzleien kontrolliertes System wirken abschreckend und dienen vielen als unumstößliches Negativbeispiel. Neben entsprechender Zurückhaltung auf rechtspolitischer Ebene wurde eine ablehnende Haltung gegenüber der kollektivrechtlichen Durchsetzung von Schadenersatzansprüchen in Deutschland zuletzt auch von Seiten der Gerichte deutlich. Mit großem medialen Echo traten beispielsweise das Landgericht und das Oberlandesgericht Düsseldorf dem Versuch der belgischen Gesellschaft Cartel Damage Claims SA entgegen, auf der Grundlage des bestehenden Abtretungsrechts die Schadensersatzansprüche einer Vielzahl Kartellgeschädigter gebündelt geltend zu machen. Die von beiden Instanzgerichten angenommene Nichtigkeit der Abtretungen wegen Verstoßes gegen die guten Sitten (§ 138 BGB) ist bei genauerer Analyse nicht haltbar.4 Ungeachtet dessen kann das Institut der Abtretung aber auch generell nicht über den Mangel eines echten kollektiven Rechtsschutzmechanismus hinweghelfen. Bei der Gestaltung eines solchen Mechanismus de lege ferenda ist jede prinzipielle Ablehnung unberechtigt und lässt oftmals eine sachliche Auseinandersetzung und Argumentation vermissen. Ausgangspunkt der Rechtsgestaltung muss stattdessen stets eine Gegenüberstellung der betroffenen Interessen und der daraus resultierenden Anreizlage der Geschädigten einerseits und des Repräsentanten andererseits sein. Für die kollektive Geltendmachung von Massenschäden spiegelt sich das hinreichende Interesse jedes Geschädigten an der Durchsetzung seiner Ansprüche in der Bereitschaft zur Mitwirkung im Verfahren und an der Kontrolle des Repräsentanten wieder. Das Risiko einer unerwünschten Verselbstständigung des Repräsentanten bleibt dadurch gering. Hinzu kommt, dass jeder Geschädigte bereit sein wird, für die Leistungen des Repräsentanten, namentlich die Organisation der Gesamtgruppe, die Zusammenstellung der tatsächlichen Grundlagen sowie die Durchführung des gesamten Verfahrens, zu bezahlen. Eine derartige Gegenleistung dient wiederum dem Repräsentanten als Anreiz und kann auch eine interessengerechte Aufgabenwahrnehmung sicherstellen. Dieser Effekt tritt jedoch ausschließlich dann ein, wenn der Beziehung des Repräsentanten zu jedem Mitglied der von ihm repräsentierten Gruppe eine vertragliche Vereinbarung zugrundeliegt, die die Pflichten des Repräsentanten sowie die Gegenleistung der Gruppenmitglieder festlegt und beiden eine durchsetzbare Rechtsgrundlage bietet. Mittels einer solchen vertraglichen Verknüpfung besteht gleichzeitig die Möglichkeit, den Besonderheiten jedes 4
Dazu im zweiten Kapitel, S. 145 ff.
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Einzelfalles, z. B. mit Blick auf die Zusammensetzung der Gruppe, Rechnung zu tragen. Ein einzelnes Mitglied aus der Gruppe der Geschädigten eignet sich hierbei wie auch in allen anderen Fallkonstellationen nicht als Repräsentant der Gesamtgruppe. Ihm fehlen in erster Linie das erforderliche Fachwissen, aber auch die finanziellen Mittel. Das Modell der Repräsentation durch ein Gruppenmitglied entpuppt sich bei genauerem Hinsehen vielmehr als eine unbrauchbare Hilfskonstruktion. Im Regelfall müsste das ausgewählte Gruppenmitglied auf die Hilfe eines anwaltlichen Vertreters zurückgreifen, der die eigentliche Tätigkeit übernähme. Dann aber entfällt nicht nur die Grundlage für eine Gegenleistung an das bestimmte Gruppenmitglied, sondern gleichzeitig kann auch lediglich dieses Gruppenmitglied auf den anwaltlichen Vertreter einwirken. Es droht entweder eine Kollusion zwischen dem ausgewählten Repräsentanten und seiner anwaltlichen und sonstigen Hilfspersonen oder aber ein Kontrollverlust der Gruppe insgesamt. Beides lässt sich vermeiden, wenn ein externer, entsprechend ausgebildeter Dienstleister als Repräsentant verpflichtet wird. Mithilfe einer vertraglichen Bindung an jedes einzelne Gruppenmitglied kann eine interessengerechte Tätigkeit insgesamt sichergestellt werden, wobei gleichzeitig alle Vorteile der Kollektivierung ausgenutzt werden können. Die Rechtsform des Dienstleisters ist dafür unerheblich.5 Die kollektive Geltendmachung von Streuschäden leidet demgegenüber unter der rationalen Apathie und daraus resultierend einem fehlenden Handlungsanreiz für alle Geschädigten. Ihnen fehlt nicht nur der Grund eine Individualklage zu erheben, sondern sie werden sich aus rationaler Entscheidung heraus ebensowenig in ein Kollektivverfahren einbringen. Damit mangelt es zunächst an einer Kontrolle des Repräsentanten durch die Betroffenen und es besteht die erhöhte Gefahr eines missbräuchlichen Vorgehens zu ihrem Nachteil. Vor diesem Hintergrund bietet es sich an, das Verfahren von individuellen Ansprüchen zu lösen, an deren Durchsetzung ohnehin kein Interesse besteht und es ausschließlich auf die Bekämpfung des rechtswidrigen Verhaltens auszurichten. Zugleich lässt sich eine Gegenleistung für den Repräsentanten nicht als Handlungsanreiz in Stellung bringen, da die Betroffenen offensichtlich nicht bereit sein werden, grundlos in ein Verfahren zu investieren. An dieser Stelle muss daher mit den Verbraucherverbänden und anderen Interessenvertretungen auf Repräsentanten zurückgegriffen werden, denen bereits die Verpflichtung gegenüber einem jeweils geschützten überindividuellen Interesse (z. B. Verbraucherschutz, lauterer Wettbewerb etc.) als Handlungsanreiz genügt. Auch diese Verbände sind aber auf finanzielle Sicherheit angewiesen, sodass sie das Prozessrisiko nicht tragen können ohne aus erfolgreichen Verfahren einen Ertrag zu generieren. Dabei darf es sich jedoch nicht um einen Gewinn im eigentlichen Sinne handeln, sondern lediglich um eine Entschädigung, die es ermöglicht, das 5
Dazu im dritten Kapitel, S. 251 ff.
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Prozess- und Kostenrisiko insgesamt abzuferdern. Da es sich bei den g enannten Verbänden jedenfalls in Deutschland in aller Regel um eingetragene Idealvereine handelt, die noch dazu der steuerlichen Gemeinnützigkeit und staatlicher Förderung unterliegen, sind ihnen Gewinne ohnehin nicht möglich. In sachlicher Hinsicht verfügen sie jedoch über die notwendigen Erfahrungen und das Fachwissen in ihrem jeweiligen Tätigkeitsbereich.6 In beiden Fällen, sowohl bei einer gebündelten Geltendmachung von Massenschäden als auch einem Verfahren zur Bekämpfung von Streuschäden, sollten des Weiteren bestimmte gesetzliche Anforderungen an die jeweiligen Akteure gestellt werden. An erster Stelle steht dabei die Übereinstimmung der satzungsgemäßen Zwecksetzung des Repräsentanten mit dem jeweils betroffenen Interesse. In Massenschadensfällen bietet sich diesbezüglich eine weit gefasste gesetzliche Regelung an, die je Einzelfall flexibel ausgelegt werden kann. Soweit ein Verfahren zur Bekämpfung rechtswidrigen Verhaltens bereits von Gesetzes wegen auf einen bestimmten Bereich (z. B. den Verbraucherschutz) begrenzt bleibt, sollte die Zwecksetzung des verfahrensführenden Verbandes ebenfalls darauf ausgerichtet sein. In Ergänzung zu dieser formalen und folglich leicht beeinflussbaren Voraussetzung sollten die Befugnisse des Repräsentanten außerdem von einer umfassenden Beurteilung seiner Repräsentativität abhängig gemacht werden. Das Gesetz sollte hierzu einen Katalog verschiedener Repräsentativitätskriterien vorsehen, der hinreichende Vorgaben enthalten muss, aber gleichzeitig nicht abschließend formuliert werden darf. Im Rahmen einer Einzelfallbetrachtung müssen alle maßgeblichen Faktoren in den Kontext eingeordnet und unterschiedlich gewichtet werden können, sodass beispielweise auch jungen und in der Entstehung befindlichen Institutionen der Zugang zum Verfahren offensteht. Mögliche Kriterien umfassen die über das Verfahren hinausgehende Tätigkeit einer Organisation im betroffenen Interesse, die Anzahl Geschädigter, die sich ihr angeschlossen haben sowie eine Beurteilung, inwieweit diese selbst den Interessenvertreter als repräsentativ empfinden. Auch Erfahrungen aus der Vergangenheit können in die Bewertung einfließen. Sowohl von einer gesetzlich festgelegten Mindestbestandsfrist als auch einer Mindestzahl an Mitgliedern sollte dagegen abgesehen werden.7 Nichtsdestotrotz stehen in Massenschadensfällen einer Kooperation des handelnden Repräsentanten mit einer Rechtsanwaltskanzlei keinerlei sachliche Gründe entgegen. Insbesondere ist kein vernünftiger Grund ersichtlich, diejenigen, die entsprechend ihrer Ausbildung über das erforderliche juristische Fachwissen verfügen, prinzipiell von einer Tätigkeit auszuschließen, die eben dieses Fachwissen in hohem Maße erfordert. Dennoch sollte stets eine organisatorische Trennung zwischen einem verbandsmäßig organisierten Re6 Ebenda. 7
Dazu im vierten Kapitel, S. 356 ff.
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präsentanten und seinem anwaltlichen Vertreter vorausgesetzt werden. Auf diese Weise lässt sich die Sondersituation des Gruppenverfahrens nicht nur in das bekannte Konzept aus Partei und rechtlicher Vertretung integrieren, sondern in erster Linie die Kontrollmöglichkeiten optimieren. Unter anderem unterfiele der Repräsentant nach dem geltenden Recht der Registrierungspflicht des Rechtsdienstleistungsgesetzes, sodass sich weitere Anforderungen an die sachliche und personelle Ausstattung erübrigen würden. In Verfahren, die sich Streuschadensfällen ungeachtet individueller Schadenersatzansprüche widmen, ist eine entsprechende Regelung dagegen nicht erforderlich. Sowohl die zuvor befürwortete Beschränkung solcher Verfahren auf bestimmte gemeinnützige Interessenverbände in der Rechtsform des Idealvereins oder einer gGmbH als auch eine Pflicht zur Wiederverwendung von Erträgen verringern das Missbrauchspotenzial bereits auf ein Minimum.8 Anforderungen an die finanzielle Ausstattung des klageberechtigten Repräsentanten sind demgegenüber lediglich in Rechtsschutzverfahren zur Bekämpfung von Streuschäden erforderlich, da die einzelnen Geschädigten wiederum aufgrund ihrer rationalen Apathie nicht zur Mitwirkung bereit sein werden. Dennoch setzt ein zuverlässiger Rechtsschutz die Klagetätigkeit der hierfür vorgesehenen Verbände voraus, weswegen es ihnen angesichts knapper Budgetierung möglich sein muss, mithilfe erfolgreicher Verfahren ihre Tätigkeit zu refinanzieren. Zum Schutz des Beklagten ist gleichzeitig eine Überprüfung des im Falle des Prozessverlustes zur Ersattung von Kosten verfügbaren Budgets sachgerecht. Dabei widerspräche es allerdings den tatsächlichen Gegebenheiten zu Lasten des klagenden Verbandes, wenn er finanzielle Mittel in Höhe potenzieller Kostenerstattungsansprüche über drei Instanzen vorhalten müsste. Stattdessen genügt es in Anlehnung an § 112 ZPO, wenn ein Verband über hinreichende Mittel zur Erstattung der Kosten der ersten beiden Instanzen sowie der Gerichtskosten für die Revisionsinstanz verfügt. Ihm sollte zudem bereits im Vorhinein in Relation zur Bedeutung der Sache eine Streitwertbegünstigung in der zweiten und notfalls dritten Instanz ermöglicht werden. Eine Unterscheidung zwischen Verbraucherverbänden und gewerblichen Verbänden vor dem Hintergrund überwiegend staatlicher bzw. mitgliederbasierter Finanzierung ist dabei nicht gerechtfertigt.9 In Verfahren zur Durchsetzung von Massenschäden kann ein Ausgleich des prozessualen Kostenrisikos erreicht werden, indem die Haftung für potenzielle Kosten im Verlustfall bei den einzelnen Geschädigten verbleibt. Eine entsprechende Haftungsverteilung lässt sich mithilfe eines Kostenerstattungsanspruchs des Gruppenrepräsentanten gegen jedes Gruppenmitglied in Höhe von dessen Anteil an der eingeklagten Gesamtforderung umsetzen. Im Außen8 9
Dazu im dritten Kapitel, S. 301 ff. Dazu im dritten Kapitel, S. 305 ff.
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verhältnis zum Beklagten muss der Gruppenrepräsentant dagegen schon aufgrund des formellen Parteibegriffs der ZPO zur Kostenerstattung verpflichtet bleiben. Dennoch würde seine Verpflichtung, die im Falle eines Prozessverlustes zu tragenden Kosten sicherheitshalber bereits zu Verfahrensbeginn vorzuhalten, den Beklagten übervorteilen. Aus dem gleichen Grund ist eine Vollstreckung des Beklagten gegen den Gruppenrepräsentanten auf die Pfändung und Überweisung seiner Erstattungsansprüche gegen die Gruppenmitglieder zu beschränken. Im Ergebnis kann der Gruppenrepräsentant damit unabhängig von einem Kostenrisiko agieren, während den Beklagten das Kostenrisiko des Beklagten demjenigen entspricht, das ihn in Einzelverfahren aller Gruppenmitglieder träfe. Auf diese Weise wird gleichzeitig eine hinreichende Kontrolle des Repräsentanten seitens der Gruppenmitglieder sichergestellt. Dessen Handlungsanreiz wiederum muss sich aus einer vertraglich vereinbarten Vergütung ergeben, die damit zugleich nicht mehr in einer missbrauchsanfälligen Verbindung zum Ausgang des Verfahrens steht.10 Eine Überprüfung aller Qualifikationsmerkmale sollte stets im Rahmen der Klagezulässigkeitsprüfung durch das ebenfalls in der Sache entscheidende Gericht erfolgen. Allein auf diese Weise kann sichergestellt werden, dass die Besonderheiten des Einzelfalles insbesondere im Rahmen einer Repräsentativitätsprüfung Berücksichtigung finden. Eine Auslagerung bestimmter Prüfungspunkte in ein separates Kontrollverfahren erfordert demgegenüber einen gesteigerten bürokratischen Aufwand ohne erkennbare Vorteile mit sich zu bringen.11 Vor dem vorgenannten Hintergrund bedürfen sowohl das geltende deutsche Verbandsklagerecht in UWG, UKlaG und GWB, aber auch die Vorschläge der Europäischen Kommission in der Empfehlung vom 13. 06. 201312 in vielfacher Hinsicht der Korrektur. In ihrer geltenden Fassung stehen die §§ 8 III UWG, 3 UKlaG und 33 II GWB insbesondere der Übereinstimmung von Satzungszweck und Verfahrenszweck entgegen. Das führt u. a. zu einer unübersichtlichen Vermischung von Verbraucherschutz- und Lauterkeitsrecht, die aus der Übernahme originär lauterkeitsrechtlicher Vorschriften in das frühere AGBG und das UKlaG resultieren. Im Sinne einer Minimallösung gilt es daher die entsprechenden Interessenbereiche wiederum sauber zu trennen. Zu diesem Zweck sind die §§ 3 I Nr. 2 UKlaG und 8 III Nr. 3 UWG zu streichen, denen in ihrer geltenden Fassung ohnehin kein Anwendungsbereich zukommt. Im Rahmen der lauterkeitsrechtlichen Verbandsklage sind die Interessen der sogenannten „Marktteilnehmer“ i. S. v. § 2 I Nr. 2 UWG weiterhin ungeschützt.13 Im Verbraucherschutzrecht 10
Dazu im dritten Kapitel, S. 308 ff. Dazu im fünften Kapitel, S. 402 ff. 12 Empfehlung kollektiver Rechtsschutz, a. a. O. (erstes Kapitel, Fn. 155). 13 Dazu im vierten Kapitel, S. 370 ff. 11
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demgegenüber erkennen Rechtsprechung und Literatur den Gerichten je Einzelfall ein Prüfungsrecht bezüglich der Übereinstimmung des Satzungszwecks „qualifizierter Einrichtungen“ mit den im konkreten Einzelfall betroffenen Interessen zu, wofür eine gesetzliche Grundlage fehlt.14 In beiden Fällen ist eine gesetzgeberische Korrektur dringend erforderlich. Das Registrierungsverfahren für Verbraucherverbände bei dem Bundesamt für Justiz hat bereits heute und endgültig im Fall der befürworteten Gesetzesänderungen für innerstaatliche Fälle keine Funktion mehr. Es sollte auf die ursprünglich in der UKla-Richtlinie vorgesehene Registrierung zur Wahrnehmung grenzüberschreitender Befugnisse beschränkt werden.15 Die Empfehlung der EU-Kommission zum kollektiven Rechtsschutz kann schließlich auf dem Weg zu einer Einführung entsprechender Verfahren in allen Mitgliedsstaaten allenfalls am Anfang stehen. Die mangelnde Kompromissbereitschaft der Mitgliedsstaaten mit Blick auf eine EU-einheitliche Lösung ist bedauerlich, aber aus rechtspolitischen Gründen nicht zu ändern. Allerdings gehen auch die in der Empfehlung unverbindlich niedergelegten Grundsätze am Ziel vorbei. Dies beginnt mit der fehlenden Trennung zwischen den Fallkonstellationen Massenschaden und Streuschaden, obwohl beide unmöglich identisch behandelt werden können. Mit Blick auf die Repräsentation ist die durch den Begriff der „Einrichtung“ vermittelte Offenheit im Ausgangspunkt zu begrüßen. Dasselbe gilt für die Einbeziehung sowohl bereits bestehender und mehrfach tätiger als auch ad hoc gegründeter Organisationen. Die unterschiedliche Behandlung beider Gruppen, insbesondere mit Blick auf die jeweils vorgesehenen Voraussetzungen für eine Klagebefugnis in Empfehlung Nr. 4 bzw. Nr. 6 ist demgegenüber unverständlich. Im Gegensatz dazu wäre für ad hoc auftretende Organisationen, über die entsprechende Erkenntnisse gerade fehlen jedenfalls derselbe, wenn nicht sogar ein strengerer Maßstab angebracht.16 Während die „Mindestvoraussetzungen“ in Empfehlung Nr. 4 S. 2 lit. b und c ggf. mit geringfügigen Anpassungen den hier befürworteten Qualifikationsmerkmalen entsprechen, widerspricht die Voraussetzung der „Gemeinnützigkeit“ in Empfehlung Nr. 4 S. 2 lit. a der Anreizlage sowohl in Massen- als auch in Streuschadensfällen. Eine Tätigkeit, die nicht nur erhöhtes Fachwissen und personelle sowie finanzielle Ressourcen erfordert, sondern auch mit einem entsprechenden Ausfallrisiko verbunden ist, kann nicht ohne eine – in der Regel finanzielle – Gegenleistung erwartet werden. Genau diese aber würde unterbunden, wenn „Einrichtungen“ wirtschaftlicher Umsatz ganz zu Schweigen von Gewinn verboten bliebe. Gleichzeitig begründet eine finanzielle Gegenleistung naturgemäß ein Eigeninteresse des Repräsentanten, das zu den repräsentierten 14
Dazu im vierten Kapitel, S. 314 ff. Dazu im fünften Kapitel, S. 405 ff. 16 Dazu im vierten Kapitel, S. 311 ff. 15
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Interessen in Konkurrenz treten kann. Auch einem daraus resultierend interessenwidrigen Vorgehen des Repräsentanten könnte aber durch das hier vorgeschlagene Finanzierungsmodell Einhalt geboten und gleichzeitig eine effiziente Verfahrensführung ermöglicht werden. Damit würden sich schließlich die Voraussetzungen der Empfehlungen Nr. 14–16 weitgehend erübrigen.17 Insgesamt ist es angesichts der stetigen Weiterentwicklung auf dem Gebiet des kollektiven Rechtsschutzes dringend an der Zeit, Detailfragen wie die hier behandelten näher in den Blick zu nehmen. Das deutsche Recht kann dabei für die institutionelle Repräsentation einer Gruppe von Geschädigten, obwohl es bislang kein kollektives Schadenersatzverfahren kennt, auf umfangreiche Erfahrungen aus über 100 Jahren Verbandsklage zurückgreifen. Zu diesen Erfahrungen gehören ebenso diejenigen Defizite, die heute zu verzeichnen sind, weil in der Vergangenheit unbesehen Bestimmungen zwischen verschiedenen Regelungsbereichen transferiert und die nähere Ausgestaltung im besten Fall den Gerichten überlassen wurde. Im Ausgangspunkt ist daher zunächst eine rechtspolitische Entscheidung gegen eine unbegründete Blockade und für die Auseinandersetzung mit inhaltlichen Fragen erforderlich. Dabei wäre es wünschenswert, wenn der Blick anders als derzeit an vielen anderen Stellen üblich weder an den europäischen Innen- noch den Außengrenzen Halt macht. Obwohl nämlich eine Rechtsvereinheitlichung aus nachvollziehbaren Gründen Bedenken begegnen mag, gilt das nicht für einen grenzüberschreitenden Erfahrungsaustausch, der nicht zuletzt dem Verfasser an vielen Stellen zu Gute gekommen ist.
17
Dazu im dritten Kapitel, S. 262 ff. und im vierten Kapitel, S. 305 ff.
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Sachregister Abgasskandal 55 Abmahntätigkeit 219, 252, 292 Abmahnung 141, 279, 288, 291 ff., 306, 407 Abmahnverein, siehe auch Gebührenverein Absatz 324, 326 ff., 331 f., 335, 369 Abschreckung 15 f., 27 f., 39, 95, 409 Abtretungsmodell 79 ff., 92, 148 ff., 159 ff., 231 Acquis communautaire 195 f. Action civile 107 ff., 176 f., 402 Action de groupe 3, 109 ff., 178 ff., 231 ff., 253 Action en cessation de pratiques illictes 108, 176, 233, 404 Action en répresentation conjointe 108 f., 114, 179, 233, 252 Action en suppression de clauses abusives 108, 176, 233, 252 Adhäsionsklage 107, 176 Advocatenstichting 171 Agrément 232, 383, 400 ff. Akkreditierung, siehe Agrément Aktiengesellschaft 86, 173, 204 Anerkennungsverfahren 69, 234, 381 ff., 402 ff. Anerkennungskriterien 382 Angebotswettbewerb 327 Angriffsfaktor 287 Anreiz –– zur Klageerhebung 10, 13, 59 ff., 81, 172, 203, 256, 257, 274, 304 –– wirtschaftlich / finanziell 41, 52, 63, 257 f., 264, 288, 410 f. Anreizwirkung, siehe Anreiz Antidiskriminierungsverband 220 Anwaltszwang 82 f., 231, 304 Arbeitsgemeinschaft der Verbraucherverbände e. V. 132
Arbeitsgemeinschaft der Verbraucher e. V. 133 Ashurst Studie 27 Association –– nach belgischem Recht 125 f.; –– nach französischem Recht 175 f., 179 f., 231 ff., 258 Association de défense des consommateurs 233 f., 297 f., 401 f. Association sans but lucratif, siehe Association Aufgabenbereich, siehe Satzungszweck Aufsichtsorgan 238 f., 244 f., 249 f. Aufsichtsrat, siehe Aufsichtsorgan Außengesellschaft 204 Ausstattung –– personell und sachlich 256, 268, 279, 281 ff., 294 f., 301 f., 391 f., 413 –– finanziell 147 ff., 161, 238, 261, 279 ff., 285 ff., 294 f., 305 ff., 391 f., 413 Außergerichtliche Streitbeilegung 1, 12, 34, 35, 36, 55, 71, 96, 99, 112, 121, 125 Bagatellschaden 7, 9 Barnsdale Cartel Damage Solutions AG 162 Begründete Zweifel 387 f. Behörde 48, 58, 183 f.,187 ff., 282, 297, 311, 339, 382 ff., 393 ff., 403, 407 Beibringungsgrundsatz 387 Belanghebbendenvertegenwoordiging, siehe Beteiligtenvertretung Belgien 124 ff., 298, 383 Benoit Hamon 109 Berufserfahrung 284, 296 Berufshaftpflichtversicherung, siehe Haftpflichtversicherung Berufskammer 143, 226 f., 230
440
Literaturverzeichnis
Berufsverband 30, 50, 129, 189 ff., 203, 269, 275, 313, 360, 395, siehe auch syndicats professionels Beschlussfassung 238, 244, 248 f., 253 Bestuur, siehe Vorstand Beteiligtenvertretung 249 Beweisaufnahme 10, 62, 76, 159 Beweiswürdigung 159 Bindungswirkung 55, 110 Berufsgruppe 80, 128, 224, 256, 293, 296 Branche 129, 168, 224, 293, 324 Bundesamt für Justiz 55, 279, 314 ff., 372, 384 ff., 407, 415 Bundeshaushalt 308 Bundeskartellamt 145 f., 158 Bundesverwaltungsamt 316, 384, 389 Bürgschaft 291 Cartel Damage Claims 145 ff., 231, 410 Certification 64, 67 f., 116, 120 f., 383 Claimcode 245 ff., 346, 349, 351 f. Class action 5, 16, 19, 23, 28, 29, 31, 33, 47, 52 f., 64 ff., 100 f., 108, 116, 171, 173 f., 178, 255, 410 Code de la consommation 107 ff., 176, 232 ff., 297, 383, 400 ff. Competition Act 1998 119 ff. Competition Appeal Tribunal (CAT) 119 ff. Consumentenautoriteit 251 Consumentenbond 165, 168 f., 235, 245, 247, 256 Consumer Association (CA) 119, 187 Consumer Rights Act 2015 121 f. Coöperatie, siehe eingetragene Genossenschaft Cour de Cassation 175 Dachverband 117, 129, 132, 135 f., 143, 224, 277 f., 336, 389 Damage scheduling 100, 102, 104, 106, 166 Dänemark 3, 115, 118 Darlegungs- und Informationspflicht 339 Deckungszusage 261, 291 Diethylstilbestrol (DES) 99, 101, 166 Deutsche Telekom AG 11 Die Verbraucherinitiative e. V. (VI) 134, 139 f.
Dienstaufsicht 393 Dienstleistung 130, 155, 158, 205, 234, 240, 253, 258, 324 ff., 332, 334 ff., 363, 369, 375 Director General of Fair Trading 387 Direktwirkung 317 Discovery 66 f., 178 DSB-Bank 102, 168 f., 170, 247 Durchsetzungsdefizit 12, 13 f., 16, 142 Durchsetzungsmängel, siehe Durchsetzungsdefizit Effèt utile 198 f., 375 Effektivitätsgebot, siehe effét utile Eigenfinanzierung 213, 305 f. Ein-Mann-GmbH 312 Eingetragene Genossenschaft (eG) 217, 223, 240 Eingetragener Idealverein (e. V.) 217 ff., 232, 259 ff., 304, 412 Einkommens- und Vermögensverhältnisse 289 Eintragungsverfahren 384 ff. Einziehung von Forderungen 80 ff., 97, 146, 156, 222, 230 f., 295 f. Einziehungsermächtigung 78, 80, 151 Entrepeneurial laywering 59, 172, 257, 302 Enterprise Act 2002 119, 122 Entschädigungsfonds 166 Erfolgsbeteiligung 60, 155, 172 Erfolgshonorar, siehe Erfolgsvergütung Erfolgshonorarvereinbarung 60, 310 Erfolgsvergütung 57, 60, 66, 172, 351 Erlaubnispflicht 47, 80, 84, 85 ff., 91 Erlaubnisverfahren 214, 383 Erlös 86, 215, 254, 306, 308, 311 Ernsthaftigkeit 181, 275, 279 Erwerbszweck 219 Exclusieve Belangenbehartiger 106, 355 Expected value 9 f., 12 Fachverband 129, 223 f., 235, 284, 293, 306 Faillissementswet 102 Fernabsatz-Richtlinie 50, 188 ff. Finanzmarkt, siehe Kapitalmarkt Finanzfernabsatz-Richtlinie 191, 195 Finanzausstattung, siehe Ausstattung, finanziell
Sachregister
Fixkosten 285 Fonds 166, 179, 280, 306, 344 Fondslösung 179, 280 Forderungskauf 79, 84, 86, 155 f., 340 Forum non conveniens 101 Freibeweis 295 Fremdorganisation 134 f., 255 f. Gebührenstreitwert 159 f., 286 ff. Gebührenverein 46, 141 f., 216, 218, 280, 320, 323, 325, 361, 375, 392 Gegenmachtstheorie 131 Gegenstandswert, siehe Streitwert Gemeinnützige Gesellschaft mit beschränkter Haftung (gGmbH) 217, 260, 304, 413 Gemeinnützigkeit 184, 236, 254, 262 ff., 303, 306, 383, 412, 415 Gemeinsamer Standpunkt 189, 193, 272 Gemeinwohlklage 163 ff., 261, 373 Generaldirektion Gesundheit und Verbraucherschutz 31, 32, 34 ff. Generaldirektion Wettbewerb 25, 27, 28, 31, 37 Gesamtstreitwert 309 Geschäftliche Handlung 229, 329, 333, 335, 366, 369 Geschäftsführung 237, 255, 284 Geschäftsstelle 275, 280, 284, 301, 391 Gesellschaft mit beschränkter Haftung (GmbH) 173, 223, 235, 256 Gesellschaft ohne Rechtspersönlichkeit 90, 231 Gesellschaftsvertrag 86, 89, 203, 256, 356 Gesetz gegen unseriöse Geschäftspraktiken 286, 339 Gesetz über Allgemeine Geschäftsbedingungen (AGBG) 47 ff., 93, 132, 141 f., 106, 205 ff., 212 ff., 222, 224 f., 316 f., 320, 363 f., 384, 414 Gesetz zur Bekämpfung des unlauteren Wettbewerbs 44, 127 Gewerbe 192, 227 f. Gewerbefreiheit 44, 127 f. Gewerbeordnung 127 Gewerblich 219 Gewerbsmäßig 218 f.
441
Gewinn 10, 15, 227 f., 232, 236, 240, 254, 257, 263 f., 284, 287, 306, 411 f., 415 Gewinnabschöpfung 17, 55, 72, 92, 95, 252, 254 , 280, 305 f., 379, 405 f. Gewinnanteil 146 Gewinnstreben 246, 250, 265, 293, 321, 353 Good governance 245, 351 Grünbuch über kollektive Rechtsdurchsetzungsverfahren für Verbraucher 34 ff., 41 Grünbuch „Schadenersatzklagen wegen Verletzung des EU-Wettbewerbsrechts“ 25 ff. Grünbuch „Zugang der Verbraucher zum Recht […]“ 24 Grundsatz des effektiven Unionsrechtsschutzes, siehe effèt utile Grundsatz der Unionstreue 198 Gruppenklage 19, 29, 31, 41, 53, 108, 109 ff., 116 f., 118, 119, 183 Haftpflichtversicherung 282, 297, 394 Handelsgesellschaft 85, 260 Handelsregister 88, 236, 237, 300, 403 Handlungsanreiz, siehe Anreiz Handwerkskammer 49, 143, 190, 206, 224 ff. Härtefall 288 Hauptzweck 13, 17, 130, 211, 219, 229 Hausfrauenverband 131 Herkunftslandprinzip 319, 322 Hoge Raad 99, 164 ff., 342, 345, 347 Industrie- und Handelskammer 49, 143, 206, 224 ff., 317, 326 Inkassodienstleistung 82, 85, 89 ff., 147, 231, 295, 339 f., 396 Inkassozession 79 f., 84, 85, 148 ff., 230, 362 Innengesellschaft, auch Personeninnengesellschaft 204 Insolvenz 102, 149 f., 168, 288, 296 Interesse 20 ff. –– Allgemeininteresse oder öffentliches Interesse 6 ff.; 12, 15, 17 ff., 94, 164 f., 372 f.
442
Literaturverzeichnis
–– diffuse Interessen 7, 115 –– gewerbliche Interessen 45 f., 129 f., 219 f., 227 ff., 252, 364 f., 372 f. –– Individualinteresse 7 f., 18, 21, 255 f. –– Kollektivinteresse 18, 107, 174 ff., 185 –– Verbraucherinteressen 7, 22, 50, 53, 81 f., 107 f., 115, 117, 130 ff., 141, 144, 165, 176 ff., 208 ff., 233, 252, 269 f., 364 f., 372 –– Überindividuelle Interessen 7, 22, 92, 253 f., 305 f., 409, 411 f. Interessenkollision 211, 296, 378 Intérêt collectif 175 f., 178 Internetauftritt 135, 250, 300, 385, 391, 405 Jahresabschluss 239, 244, 300, 406 Juristengruppe 248, 265, 299, 353 f. Juristischer Sachverstand, siehe Ausstattung, personell und sachlich Justizgewährungsanspruch 149 Kammern der freien Berufe, siehe Berufskammern Kapitalgesellschaft 260 ff. Kapitalmarkt 8, 11, 71, 85, 101, 256 Kartellrecht 2, 9, 17, 44 ff., 119 ff., 127, 230 Kartellschaden 146, 231, 256, 304, 357 Klageaktivität 142 f., 361, 407 Klageindustrie 53, 174, 260 Klausel-Richtlinie 50, 185 ff., 190 f., 369 f. Kollektivschaden 6 f. Kompensation, siehe Schadenskompensation Körperschaft 204 ff. –– im steuerrechtlichen Sinn 262 f. –– öffentlich-rechtliche Körperschaft 129, 184, 190, 224 ff., 251 –– privatrechtliche Körperschaft 218, 223 f., 260 ff. Kostenausfallrisiko 306 Kostendegression 308 Kostenerstattungsanspruch 119, 147, 150, 156, 286, 290, 307 ff., 413 Kostenprognose 310 Kostenrisiko 62, 147 ff., 253, 255, 291, 308 ff., 409, 412 ff. Kostenzuschuss 155
Liste qualifizierteer Einrichtungen –– bei dem Bundesamt für Justiz 142 f., 207 f., 213 ff., 276, 279, 314 ff., 322 f., 362 f., 384 ff., 407 f. –– bei der EU-Kommission 105, 234 f., 271, 385 f. Lobbyliste 128 Loi relative à la consommation 109 f. Loi Royer 173 Loser pays-Prinzip 39, 62, 149, 305 Marktabgrenzung 325 Marktteilnehmer 207, 329, 335 ff., 362, 364, 370, 372 f., 375, 414 Marktverhaltensregeln 369 Massenschaden 3, 6 ff., 10 ff., 59, 61 f., 63, 95, 255 ff., 264, 308 ff., 357, 359 f., 404 f. Meldeobliegenheit 396 Mindestanforderungen 184, 200, 216, 270 ff., 281, 301, 383 Mindestbestandsdauer 203, 280, 359, 412 Mindestkriterien, siehe Mindestanforderungen Mindeststandardsprinzip 198 Mindestvermögen 238 Mindestversicherungssumme 297, 339 Mischverband 211 f., 230, 274, 277, 358 Missbrauchsgefahr 29, 31, 33, 142, 213, 218, 264, 313 Missbrauchsklausel 319 ff. Missbrauchsrisiko, siehe Missbrauchsgefahr Mitbestimmung 260 ff. Mitbewerber 44, 185 ff., 207, 221, 273, 287, 325 ff., 332 ff., 337 f., 364, 367, 370 ff. Mitgliederquorum 277 Mitgliederverbot 237 f. Mitgliederversammlung 168, 215, 237 f., 243, 249, 293 Mitgliederzahl 46, 140, 203, 274 f., 277 f., 325 f., 360, 391, 393 Mitgliedsbeitrag 137, 215, 219, 246, 291 Motie Dijksma 103 Musterfeststellungsklage 55 f. Musterverfahren 36, 71, 92
Sachregister
Nachfragemarkt 326 ff. Öffentliche Förderung 136 ff., 140, 213 ff. Öffentliche Konsultation 36, 38, 120 Ombudsmann 12, 36, 95, 117 ff., 125, 190, 298 Ordre 175 Organisationsstruktur 135, 281 Persönliche Eignung 296, 394 Popularklage 74, 114, 205 Postulationsfähigkeit 82 f., 85 Prinzipal-Agenten-Konflikt 33, 57 ff. Prozessfinanzierungsgesellschaft 173 Prozessführungsbefugnis 24, 64 f., 73 ff., 83 f., 92 ff., 304, 314 f., 320, 387 ff., 393 Prozessvoraussetzungen 65, 74, 231, 283, 286 Punitive damages, siehe Strafschadenersatz Qualifizierte Einrichtung 29 ff., 206 ff., 234 f., 276 ff., 290, 317 Qualité d’agir 175, 178, 179, 232 f., 400 Raad van commissarissen 244 Rationale Apathie 12 f., 16, 17 f., 59, 63, 260, 409 Rationales Desinteresse, siehe auch rationale Apathie Recht zur Bildung von Vereinigungen 197, 200, 270 Rechtbank 105, 172, 239 Rechtsanwalt 59 ff., 80, 82, 83, 87, 90, 109, 141, 160, 257 f., 284 f., 288, 303 ff., 310, 339 f., 412 Rechtsberatungsgesetz 80 ff., 156 Rechtsdienstleistung 81 ff., 156, 216, 221, 230 f., 281 f., 295 ff., 339 f., 362, 393 ff., 413 Rechtsdienstleistungsgesetz, siehe Rechtsdienstleistung Rechtsdienstleistungsregister 394 f., 398, 400 Rechtsdienstleistungsverordnung 295 ff. Rechtsfähigkeit 85, 125, 203, 217, 222 ff., 234, 241 f.
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Rechtsform 85, 125 f., 173, 195, 217 ff., 232 f., 258 ff., 312, 403, 411 Rechtspersönlichkeit 82, 126, 232 Rechtssetzungskompetenz 1, 269, 379 Rechtsschutzinteresse 320 Rechtsträgerschaft 203 f. Rechtsverfolgungsgesellschaft 71, 84 ff., 163, 255, 257, 260 Rechtszersplitterung 275, 379 Referentenentwurf 55 f., 164, 241 Refinanzierung 87, 255 ff., 265 Regelstreitwert 288 Registrierungsverfahren 206, 298, 383, 393 ff., 405, 415 Rentenversicherungsanstalt 344 Repräsentationsmodell, siehe Repräsentationsprinzip Repräsentationsprinzip 18 f., 56 ff., 64 ff., 107, 253 f., 409 f. Repräsentativität 100, 169, 170, 174, 179, 341 ff., 359 ff., 412 ff. Repräsentativitätsgebot 341 ff. Residualkontrolle 319 Ressourcen, siehe Ausstattung, personell und sachlich Revisionsinstanz 94, 285 f., 307, 413 Revisionssumme 285 f., 289 Richtlinie 2006/114/EG 185 ff., 193 Richtlinie 84/450/EWG 49, 185 ff., 199 Richtlinienkonforme Auslegung 193, 318 f., 386 Sachkunde 91, 295 ff., 300 f., 304, 350 ff., 355, 393 f., 397, 403 Sachurteilsvoraussetzung, siehe Prozessvoraussetzung Sammelklage 19 f., 25, 27, 28, 322 ff., 40, 43, 51, 52, 54 Sammelklage österreichischer Prägung 84, 115 Schadenskategorie, siehe damage scheduling Schadenskompensation 2, 9, 10 f., 12, 13, 15 f., 28, 109, 144, 253, 257, 357 Schadensprävention 14 ff., 95, 144, 253, 308 Schlüssigkeitsprüfung 47, 340
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Literaturverzeichnis
Schuldrechtsreform 206, 207, 214, 217, 218 Schutzzweck 46, 87, 91, 269, 338, 372 f. Schutzzwecktrias 372 f. Schweden 3, 115 ff. Selbstlosigkeit 263 Selbstorganisation 139, 255 Selbstregulierung 36, 128 f., 140, 245 Selbstzweckstiftung 261 f. Sittenwidrigkeit 148 ff. Sondervermögen 55, 86, 306 Spende 137, 215, 219, 252, 277, 280, 291, 306 Spitzenverband 223, 326 Staatsanwaltschaft 238 f., 298, 401 Ständiger Ausschuss für Selbsthilfe 131 Steuervergünstigung 264 Stichting 165 ff., 234 ff., 243 ff., 298 ff., 304, 312, 341 ff. Stiftung 97, 118 f., 204, 223 f., 261 f. –– Stiftung für den Stifter 261 –– Unselbstständige Stiftung 262 –– Verbrauchsstiftung 262 Stiftung Verbraucherinstitut 132, 133 Strafschadenersatz 16, 33, 52 f., 61, 178 Streitgenossenschaft 72, 76 f., 158 ff. Streitwert 13, 62, 65, 285 ff., 306 f. Streitwertanpassung, siehe Streitwertbegünstigung Streitwertbegünstigung 288 ff., 307, 413 Streitwertherabsetzung 155, 159 f., 285 ff. Streitwertminderung, siehe Streitwertherabsetzung Streuschaden 6 ff., 12 ff., 58 f., 62 f., 95, 114, 118, 144, 177, 179, 253 f., 259 ff., 264 f., 305 ff., 357, 359 f., 379, 405 ff. Subsidiaritätsprinzip 198 Syndicats professionels 174 f., 231 Systemwechsel 206, 384 Tatsächliche Tätigkeit 143, 246, 277 ff., 283, 292 ff., 298, 342 ff., 359 f. Teilnahmegebühr 172, 250 Toezichthoudend orgaan 244 Trittbrettfahrerverhalten 61 f., 63, 172 UGP-Richtlinie 185 ff., 193, 334, 367 f., 370, 374
UKla-Richtlinie 31, 50, 95, 108, 177, 190, 191 ff., 206, 235, 270 ff., 275, 313, 318, 320, 367 f., 383 ff., 407 f., 415 Umsetzungsfrist 42, 206 Umsetzungsgesetzgebung 50, 192, 269, 273, 319 Union féderale de consommateurs – Que Choisir 111, 113, 114, 234 Unterlassungsanspruch 44 f., 92, 221, 328, 364, 369, 371, 378 Unterlassungsklagengesetz 50, 206, 384 Unternehmensverhältnisse 287 f. Untersagungsverfahren 281 f., 395, 398 ff. Untersuchungsgrundsatz 394, 397 Verband –– Begriff 201 ff. –– Verband zur Förderung gewerblicher (und selbstständiger beruflicher) Interessen 44 ff., 128, 142, 201, 221 ff., 283 ff., 323 ff. –– Verbraucherverband 20, 24, 27, 46 ff., 80 ff., 107 f., 110, 130 ff., 205 ff., 252 ff., siehe auch qualifizierte Einrichtung –– Wirtschafts- und Unternehmerverband 127 ff. Verbandsklage –– Allgemeine Verbandsklage nach Art. 3: 305a ff. BW 3, 97 f., 103 ff., 164 ff., 234 f., 251, 341 ff. –– Besondere Verbandsklage nach Art. 6:240 BW 96, 165, 234 –– im AGBG a. F. und UKlaG 47 ff., 92 ff., 205 ff., 362 ff. –– im GWB 44 ff., 92 ff., 374 ff. –– im UWG 44 ff., 92 ff., 221 f., 365 ff., 369 ff. –– Verbraucherverbandsklage 195 ff. Verbandsmitarbeiter, siehe Ausstattung, personell und sachlich Verbandsvorstand, siehe Ausstattung, personell und sachlich Verbindlichkeitserklärung 69, 100 ff., 106, 111, 121, 124, 251, 298, 341 ff. Verbandszweck 357 ff. –– Art. 3:305a Abs. 1 BW 341 ff. –– Association de défense des consommateurs 233 f.
Sachregister
–– Qualifizierte Einrichtung 208 ff., 314 ff., 362 ff. –– Verband zur Förderung gewerblicher (und selbstständiger beruflicher) Interessen 227 ff., 362 ff. Verbraucherforderung 20, 82, 115, 252 Verbraucherinteressen, siehe Interessen Verbraucherpolitische Startegie 2007– 2013 32 ff., 43 Verbraucherprogramm 2014–2020 43 f. Verbraucherrechte-Richtlinie 191 Verbraucherschutzbehörde 251, 254 Verbraucherschutzgesetz 210, 364 ff. Verbraucherschutzniveau 197, 270 Verbraucherschutzverein e. V. 132, 133 Verbraucherzentrale 80 ff., 132 ff., 142 ff., 213 ff., 221, 281, 362, 389, 406 Verbraucherzentrale Bundesverband e. V. 54, 134 ff., 142 ff., 213, 389, 406 Vereinigungsfreiheit 197, 200, 232, 270 Vereniging 165, 168 f., 234 f., 240 ff., 243 ff., 256, 258, 298 ff., 341 ff. Vereniging van Effectenbezitters (VEB) 169, 235, 247, 256 Verfahrensdauer 29, 161 Verfahrenstrennung 161 Verfügungsgeschäft 154 ff. Vergleichsvertrag 99 f., 102 f., 124, 166, 170, 234, 241, 247, 251, 298, 311 Vergütung 59 ff., 168, 172, 178, 250, 254, 258, 265, 307, 310 f., 414, siehe auch Erfolgsvergütung Verhältnismäßigkeitsgrundsatz 339 Verificatiefase 102 Veritäts- und Bonitätsrisiko 86 f. Vermittlungsausschuss 46, 189 f., 375 Verpflichtungsgeschäft 154 f. Vertragsstrafe 284, 291 ff., 392 Vertretungsklage 42, 183 f., 267, 311, 382 Vertreiben 324 ff. Vertreterorganisation 41, 97, 183 f., 252, 262, 267 f., 301, 311 ff., 382 Verwaltungsverfahren 386, 387, 393, 394, 396
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Volkswagen AG 55, 173 Vorstand 126, 129, 172, 233, 236 ff., 245 ff., 250, 256, 265, 284, 300 Waffengleichheit 148, 310 Ware 324 ff. WCAM 99 ff., 106, 121, 124, 165 ff., 248, 251, 256, 259, 299, 341 ff. Weißbuch „Schadenersatzklagen wegen Verletzung des EU-Wettbewerbsrechts“ 28 ff. Wertrevision 285 ff. Wet bestuur en toezicht rechtspersonen 243 ff., 248 f., 351 f. Wet collectieve afwikkeling massaschade, siehe WCAM Wet handhaving consumentenbescherming (WHC) 251 Wettbewerbspreis 158 Wettbewerbsverband, siehe Wettbewerbsverein Wettbewerbsverein 224, 293 Wettbewerbsvereinigung , siehe Wettbewerbsverein Wettbewerbsverhältnis 324 ff, 336, 337, 363 f., 369, 375 Wettbewerbszentrale 143, 224, 252, 326, 336, 365, 406, 407 Wettbewerbsverstoß 29, 45, 283, 284, 292 f., 320, 327, 332, 336, 366, 371, 379 Which?, siehe Consumer Association (CA) Widerrufsanspruch 48, 92, 206 Zementkartell 146 ff. Zentrale zur Bekämpfung unlauteren Wettbewerbs e. V., siehe Wettbewerbszentrale Zession 79 ff., 148 ff., siehe auch Inkassozession Zunft 44, 127 f. Zuverlässigkeit 296 f., 356 f., 394 Zwei-Parteien-Prinzip 56, 59, 72 f., 116, 255