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German Pages 398 Year 2000
ARMIN WILLINGMANN
Rechtsentscheid - Geschichte, Dogmatik und Rechtspolitik eines zivilprozessualen Vorlagemodells
Schriften zum Prozessrecht Band 155
Rechtsentscheid - Geschichte, Dogmatik und Rechtspolitik eines zivilprozessualen Vorlagemodells Eine Untersuchung zu Struktur und Reform des § 541 ZPO
Von Armin Willingmann
Duncker & Humblot . Berlin
Gedruckt mit Unterstützung der Deutschen Forschungsgemeinschaft Die Deutsche Bibliothek - CIP-Einheitsaufnahme Willingmann, Armin: Rechtsentscheid - Geschichte, Dogmatik und Rechtspolitik eines zivilprozessualen Vorlagemodells : eine Untersuchung zu Struktur und Reform des § 541 ZPO I von Armin Willingmann. Berlin : Duncker und Humblot, 2000 (Schriften zum Prozessrecht ; Bd. 155) Zug!.: Rostock, Univ., Diss., 1998 ISBN 3-428-09672-X
Alle Rechte vorbehalten
© 2000 Duncker & Humblot GmbH, Berlin Fotoprint: Berliner Buchdruckerei Union GmbH, Berlin Printed in Germany ISSN 0582-0219 ISBN 3-428-09672-X Gedruckt auf alterungs beständigem (säurefreiem) Papier entsprechend ISO 9706 E)
FürJana
Vorwort Richterliche Rechtsfortbildung ist integraler Bestandteil unserer Rechtsordnung. Sie wird grundsätzlich dadurch gewahrt, daß in den unterschiedlichen Verfahrensordnungen ein Instanzenzug eingerichtet ist, der neben einer Kontrollfunktion auch sicherstellt, daß relevante Rechtsfragen an die Obergerichte gelangen können, deren Judikatur insbesondere der Rechtsvereinheitlichung und -fortbildung dient. Um auf diesem Wege eine "Leitrechtsprechung" herauszubilden, ist es allerdings erforderlich, daß in nennenswertem Umfang bedeutsame Rechtsfragen tatsächlich an die Obergerichte gelangen. Dem steht im heutigen deutschen Zivilprozeßrecht entgegen, daß der Zugang zum höheren Instanzenzug durch eine kontinuierliche Ausweitung der Erstzuständigkeit der Amtsgerichte bei gleichzeitiger Erhöhung der Berufungs- und Revisionssumme zusehends schwieriger wird. Indem der Gesetzgeber in der Vergangenheit im Rahmen nahezu aller Justizentlastungsvorhaben auf das Instrument der Erhöhung von Zulassungsstreitwerten gesetzt hat, wurden gleichsam zwangsläufig bestimmte Bereiche des Zivilrechts, in denen regelmäßig nur um Beträge in geringer Höhe gestritten wird, von richterlicher Rechtsfortbildung ausgeschlossen. Dies ist deshalb besonders problematisch, weil es sich um Regelungsgebiete handelt, die nicht durch den Streitwert der einzelnen Sache, sondern durch die Masse der anfallenden Verfahren auch von volkswirtschaftlicher Bedeutung sind. Hierzu zählen beispielsweise Rechtsfragen des Konsumentenkredits, des Makler- und Reiserechts sowie weite Teile des Werkvertragsrechts. Dieses unbefriedigende Ergebnis ließe sich vermeiden, wenn in solchen Rechtsgebieten die Möglichkeit einer richterlichen Vorlage relevanter Rechtsfragen eröffnet würde, wie sie seit Jahrzehnten im Wohnraununietrecht besteht. Obwohl dort die Amtsgerichte sachlich ausschließlich zuständig sind, wird der eigentlich am Landgericht endende Rechtszug durch das richterliche Vorlagemodell des Rechtsentscheids (seit 1991: § 541 ZPO) ergänzt. Diese beim Oberlandesgericht einzuholende Vorabentscheidung stellt keine verlängerte Instanz dar, sondern dient allein der obergerichtlichen Beantwortung konkret aufgeworfener Rechtsfragen, entweder weil eine Rechtsprechungsdivergenz droht oder grundsätzliche Bedeutung der Frage gegeben ist. Auf diese Weise wird die hinreichende Beteiligung der Obergerichte an der Rechtsprechung im Wohnraumrnietrecht und damit die Wahrnehmung ihrer rechtsfortbildenden Aufgabe losgelöst von unmittelbaren Interessen oder Initiativen der Parteien - sichergestellt.
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Vorwort
Die vorliegende Untersuchung geht zunächst der historischen Entwicklung dieses besonderen Verfahrensmodells nach, dessen Anfange in den Problemen der Wohnraumbewirtschaftung der 20er Jahre liegen und dessen Grundkonzeption den Gesetzgeber bis in die jüngste Zeit hinein zu inpirieren scheint (Kap. 1). Sodann wird die dogmatischen Struktur des Rechtsentscheids in Wohnrawnmietsachen, wie er jetzt in § 541 ZPO geregelt ist, insbesondere anband der in der Rechtspraxis auftretenden Fragen und Probleme untersucht (Kap.2) sowie seine - bisweilen mißglückte - Einbettung in das übrige Zivilverfahrensrecht betrachtet (Kap.3). Die Frage einer Ausweitung des REModells legt einen Vergleich mit ähn1ichen instanziellen Vorlageverfahren wie Art. 177 EGV und Art. 100 Abs. 1 GG nahe, deren praktische Problemfelder und aktuelle Reformdiskussionen vor allem interessieren (Kap. 4). Abschließend wird der Versuch unternommen, die Frage nach der Möglichkeit einer Ausweitung des Rechtsentscheids zur Lösung des Rechtsfortbildungsdefizits bei geringwertigen Streitgegenständen zu beantworten (Kap. 5). Die Studie verfolgt damit zugleich zwei Anliegen. Sie will das bislang wissenschaftlich wenig beachtete Rechtsentscheid-Verfahren vielschichtig beleuchten und innerhalb des bereits vom Gesetzgeber vorgesehenen Rahmens fortentwickeln helfen. Darüber hinaus soll die Tauglichkeit des Modells für weitere, bislang nicht erfaßte Bereiche des Zivilrechts überprüft werden. Im Ergebnis wird gezeigt, daß der Rechtsentscheid im Wohnraummietrecht ein effektives und sinnvolles Institut zur Rechtsharmonisierung ist und in ausgewählten, abgrenzbaren Gebieten des Zivilrechts als eigenständiges Rechtsfortbildungsinstrument eine vernünftige Alternative zum Rechtsmittelsystem der ZPO sein kann. Die Untersuchung wurde im Frühjahr 1998 abgeschlossen und im Sommersemester 1998 von der Juristischen Fakultät der Universität Rostock als Dissertation angenommen. Sie ist während meiner Tätigkeit als Wissenschaftlicher Assistent am dortigen Institut für Internationales Recht - Lehrstuhl für Bürgerliches Recht, Zivilprozeßrecht, Internationales Privatrecht und Rechtsvergleichung - entstanden. An dieser Stelle ist es allen Dank zu sagen, die das Entstehen der Arbeit gefördert haben. In erster Linie gilt dies für meinen akademischen Lehrer, Prof. Dr. Harald Koch, der trotz vielfältiger Belastungen in der Aufbauphase der Juristischen Fakultät, als Dekan und Richter am Oberlandesgericht Rostock stets gesprächsbereit und interessiert war. Er hat seinem Assistenten den erforderlichen zeitlichen wie auch geistigen Freiraum gelassen, der für wissenschaftliche Arbeit unerläßlich ist und das Klima an seinem Lehrstuhl nachhaltig prägt. Seine Art wissenschaftlicher Auseinandersetzung und kollegialen Umgangs werden mir Maßstab bleiben.
Vorwort
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Herzlich danke ich Prof. Dr. Reinhard Singer, der trotz anderweitiger Beanspruchung das Zweitgutachten zügig verfaßt und Prof. Dr. Comelius Prittwitz, der den Vorsitz in der Disputation mit interessanten Anregungen gefiihrt hat. Dank ist aber auch denen zu sagen, die nicht arn formellen Promotionsverfahren beteiligt waren, und dennoch den Fortgang der Arbeit beeinflußt haben. Zu nennen ist hier in erster Linie Prof. Dr.Ralph Weber, der gerade wegen seiner besonders kritischen Position zu den hier vertretenen Ansätzen eines allein überindividuellen, von der Parteidisposition befreiten Rechtsentscheids ein stets herausfordernder Gesprächspartner war. Gleiches gilt fiir meinen Assistentenkollegen Stephan Schlegel, LLM., dem ich außerdem fiir die mühevolle Durchsicht des Manuskripts in der Schlußphase danke. Die Deutsche Forschungsgemeinschaft hat die Veröffentlichung der Arbeit in den Schriften zum Prozessrecht durch Übernahme des Druckkostenzuschusses sehr erleichtert. Auch dafiir vielen Dank! Ich widme diese Arbeit meiner Ehefrau Jana, die den Text immer wieder engagiert gelesen und großes Verständnis für die zeitliche Inanspruchnahme arn neu gegIiindeten Institut wie auch während der Entstehensphase der Untersuchung gezeigt hat. Rostock, im Januar 1999
Armin Willingmann
Inhaltsverzeichnis Einleitung EinfUhrung in das Problem ................................................................................. 27 I. Deflzite der aktuellen Rechtspflegeentlastungsdebatte ................................... 27 2. Rechtsprechungsdivergenz und Vereinheitlichungsauftrag ............................ 28 3. Der Forschungsstand.................................................................................... 32 ll. Gang der Untersuchung ...................................................................................... 35 Ill. Ziel der Untersuchung ........................................................................................ 36 IV. Wortlaut der aktuellen Bestimmungen des RE-Modells ....................................... 37
I.
Kapitell Historische und aktuelle Anwendungsbereiche des RE-Modells
I.
Entwicklung und Entwicklungsbedingungen des Rechtsentscheids ...................... 39 I. Anfllnge des Mieterschutzes im wilhelminischen Deutschland....................... 39 a) Mietrecht und Mietprozeß nach den Grundkonzeptionen von BGB und ZPO ........................................................................................................ 39 b) Kriegsbedingter Mieterschutz bis 1917 ..................................................... 43 c) Einrichtung und Aufgaben der Einigungsämter ......................................... 46 d) DieMieterschutzverordnungen v. 26.7.1917 und 23.9.1918 ...................... 47 e) Anpassungen des Mieterschutzrechts nach Kriegsende .............................. 51 aa) Ausdehnung der einigungsamtlichen Kompetenzen ............................ 51 bb) Kritik an der einigungsamtlichen Praxis und Korrekturbestrebungen .. 52 cc) Die Qualiflkation der einigungsamtlichen Tätigkeit... ......................... 55 2. Zusammenfassende Bewertung der Entwicklung bis 1923 ............................. 57 3. Mieterschutzgesetz 1923 .............................................................................. 58 a) Vorbemerkung ......................................................................................... 58 b) Zuständigkeitsfragen ................................................................................ 59 c) Der verbleibende Aufgabenkreis der Mieteinigungsämter .......................... 61 d) Die Rechtsbeschwerde gegen einigungsamtliche Entscheidungen .............. 62 4. Die Verfahrensanordnung vom 19. September 1923 ...................................... 64 a) Grundsätzliche Bestimmungen ................................................................. 64 b) Die Rechtsbeschwerde nach der Verfahrensordnung ................................. 64 c) Der Rechtsentscheid nach § 24 VerfAO ............................................. ....... 65
Inhaltsverzeichnis
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5. Exkurs zwn Vorbild: § 34 Preuß. PachtschutzordnWlg v. 3.6.19201 23.7.1921 .................................................................................................... 66 a) HintergTWld der Pachtschutzrege1Wlgen .................................................... 66 aa) Kompetenzen der PachteinigWlgsämter (PEÄ) ........ .. .. .............. .... ..... 68 bb) Rechtsmittel in Pachtsachen .............................................. .. .............. 69 cc) Der Rechtsentscheid in Pachtsachen .................................................. 69 (1) RegelWlgsgehalt
69
(2) Amtliche BegrOndWlg für die Einführung eines RE-Modells ......... 69 dd) BewertWlg des Modells in der zeitgenössischen Diskussion ............... 71 b) Vergleich des Beschwerderechtszugs in Pacht- Wld Mietsachen ................ 72 6. Übernahme des PSchO-Rechtsentscheids in das Mieterschutzverfahren ......... 73 7. Rechtsentscheidspraxis nach MSchG Wld VerfAO ........................................ 74 a) Die Legitimation des Rechtsentscheids in der RechtsprechWlg .................. 75 b) Problemfelder des frilhen Rechtsentscheid-Modells .................................. 77 aa) Zur VorIagebegrOndWlg .................................................................... 77 bb) Zum VorlagegTWld der beabsichtigten Di vergenz ............................... 78 ( 1) GrWldsatz .................................................................................... 78 (2) VereinheitlichWlgsumfang ............................................................ 79 cc) Zur GrWldsatzvorlage ........................................................ ............... 80 dd) Beschränkung auf das einigWlgsamtliche Verfahren ........................... 81 ee) Zum Prttfimgsrecht des Rechtsentscheid-Gerichts .............................. 81 fl) Zur EntscheidWlgsautonomie der Beschwerdestelle ........................... 82 gg) StellWlg der Parteien ......................................................................... 83 hh) Analogien zwn übrigen Prozeßrecht Wld verfahrensrechtliche Entscheide ............................................................................................. 84 (I) Analogiefähigkeit zivilprozessualer Normen ................................. 84
8. 9.
10. 11. 12.
(2) Verfahrensrechtliche Rechtsentscheide ......................................... 84 c) GesamtbetrachtWlg .................................................................................. 85 d) Die Publizität des Rechtsentscheids .......................................................... 85 Einschätzwlg der ersten EntstehWlgsphase ............................ .. ...................... 86 NS-GesetzgebWlg ........................................................................................ 90 a) Das MSchG am Ende der Weimarer Republik ........................................... 90 b) Überblick über die Maßnahmen der NS-RegieTWlg im Mietverfahrensrecht ....................................................................................................... 90 c) NeueTWlgen durch das MSchG v. 15.12.1942 ............................................ 93 aa) Integration in die Gerichtsstruktur Wld Zuständigkeiten ...................... 93 bb) Ausgestaltung des Rechtsentscheids gern. § 47 MSchG 1942 ............. 93 Der Rechtsentscheid Wlter der Ge1tWlg des GrWldgesetzes ............................ 94 Rechtsentscheid Wld soziales Mietrecht ........................................................ 95 Der Rechtsentscheid nach ÄndeTWlg von Art. m 3. MRÄG .......................... 97 a) Beschränkter AnwendWlgsbereich (§§ 556a - 556c BGB) ......................... 97
Inhaltsverzeichnis
II.
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b) Ausweitung des Anwendungsbereichs im Wohnraummietrecht ................. 97 Der Rechtsentscheid außerhalb des Wohnraummietrechts ................................... 99 I. Vorbemerkung ............................................................................................. 99 2. Grundsätze der Schuldrechtsanpassung in den neuen Bundesländern ........... 100 a) Legislativer Hintergrund und Problemlage .............................................. 100 b) Die Verweisung auf § 541 ZPO durch § 56 SchuldRAnpG ...................... 10 I 3. Rechtspflege-Entlastung und Rechtsentscheid ............................................. 104 a) Das (1.) RPflegeEntlG ........................................................................... 104 b) Entwurf eines 2. RPflegeEntlG............................................................... 104 aa) Vorschläge und Ziele des Entwurfs ................................................. 104 bb) Auswirkungen der Änderungen aufWohnungsmiet- und Anpassungssachen ................................................................................... lOS cc) Der Rechtsentscheid im Verfahren nach § 45 WEG ......................... 105 (I) Vorbemerkung ........................................................................... lOS (2) WE-Verfahrensrecht und freiwillige Gerichtsbarkeit.. ............ ..... 105
(3) RefomlVorschlag nach dem geplanten 2. RPflegeEntlG ............... III. Zusammenfassung und Fazit der historischen Betrachtung ................................ I. Entwicklungsschritte .................................................................................. 2. Grobe Abgrenzung des Rechtsentscheids von den Rechtsmitteln .................
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Kapitel 2
Das Regelungsgerust des § 541 Abs. 1 ZPO
I. Einleitung ....................... ................................................................................. II. Norminhalt.. ........................................................................................ ...... ...... III. Die Aufgabenverteilung zwischen Land- und Oberlandesgericht.. ..................... I. Das ,,Landgericht als Berufungsgericht" ..................................................... a) Die Zuständigkeit des Landgerichts in Mietsachen .................................. b) Die Beschränkung auf Berufungsverfahren und ihre Ausnahmen ............. aa) Ausnalunen von § 23 Nr. 2a GVG ................................................... bb) Übereinstimmende Erledigungserklärung in der Berufungsinstanz .... cc) Das Landgericht als ,,Beschwerdegericht" in Mietsachen .................
112 113 113 114 114 115 116 117 117
(l) F allkonstellationen und Standpunkte .......................................... 117
(2) Stellungnahme ........................................................................... (a) Die fehlende Berücksichtigung des Problems im Gesetzgebungsverfahren (b) Differenzierte Einordnung nach dem Zweck des Beschwerdeverfahrens ...................................................................... (c) Beschwerde-Fallkonstellationen ...........................................
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Inhaltsverzeichnis (aa) Die Beschwerde gegen die KostenentscheidlUlg gern. § 91aZPO
121
(bb) Die Beschwerde wegen VersaglIDg von Prozeßkostenhilfe, §§ 114, 127 Abs. 2 ZPO ..................................... 123 (cc) Die Beschwerde wegen VersaglIDg einer RäwnlUlgsfrist, § 721 ZPO .......................................................... 127 (dd) Zusammenfassende StelllUlgnahme .............................. 2. ,,Rechtsfrage aus dem Wohnraummietrecht" ............................................... a) Die Einschränkung auf das Wohnraummietrecht.. .... ........ .. ..................... aa) Bandbreite der vertretenen Ansichten .............................................. bb) StelllUlgnahrne ................................................................................ b) AbgreI1ZlUlg von Rechts- lUld Tatfragen .................................................. c) Rechtsfrage lUld Allgemeine GeschäftsbedinglIDgen ................................ d) Rechtsentscheid über den Rechtsentscheid? ............................................ aa) StandplIDkte der RechtsprechlUlg ..................................................... bb) Kritik dieser RechtsprechlUlg .......................................................... e) Zusammenfassende StelllUlgnahrne......................................................... 3. Der VorlagegflUld der beabsichtigten AbweichlUlg ...................................... a) Vergleichbare BestimmlUlgen lUld Unterschiede ..................................... aa) Divergenz als VorlagegflUld im GerichtsverfasslUlgs- und Prozeßrecht. ..............................................................................................
128 129 129 130 132 133 135 136 136 138 139 140 140 140
(1) Die FWlktion des Divergenzkriteriwns ........................................ 140 (2) Das Grundmodell der Divergenzvorlage: § 137 GVG (1877) ....... bb) Allgemeine BegriffsbestimmlUlg ..................................................... b) ,,AbweichlUlgsflihige" Entscheidungen ................................................... aa) Extension der Vorlagepflicht: der Beschluß des BGH vom 11.1.1984 ....................................................................................... bb) Kritik am StandpWlkt von RechtsprechlUlg und herrschender LiteraturmeinlUlg .....................................................................................
142 143 144 144 146
(1) Normsystematischer Ansatz (Rimmelspacher) ............................ 146 (2) Praktikabilitätsansätze (Landfermann u. a.) ................................. 147 cc) StelllUlgnahme ................................................................................ 148 dd) Alternativen zur Divergenz-Extension de lege ferenda ..................... 149 (1) Einführung eines Publizitätserfordernisses .................................. 149 (2) Einführung einer Stichtagsrege1ung ............................................ c) Umfang der AbweichlUlg (innere Divergenz) .......................................... d) Prüfung der Divergenz ........................................................................... aa) Die ,,DarleglIDgslast" des Landgerichts ...... .. ...... .............. .......... ...... bb) AusleglIDg von Rechtsentscheiden ................................................... e) Übergeordnete BindlUlg des vorlagepflichtigen Gerichts ......................... 4. Die Vorlage wegen "gflUldsätzlicher BedeutlUlg" ........................................
149 150 151 15 1 153 153 155
Inhaltsverzeichnis
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a) Das Verhältnis von Divergenz- und Grundsatzvorlage ............................. 155 b) Die Feststellung gnmdsätzlicher Bedeutung ............................................ 155 aa) Rechtsgrundsätzlichkeit als Verfahrensvoraussetzung ...................... 155 (1) Rechtsgrundsätzlichkeit sm Beispiel von § 132 Abs. 4 GVG ....... 155 (2) Rechtsgrundsätzlichkeit sm Beispiel der Revisionszulassung (§ 546 Abs. 1 ZifI. 1 ZPO) ........................................................ 156 bb) Rechtsgrundsätzlichkeit im RE-Verfahren ....................................... 158 (1) Der Standpunkt der Rechtsprechung ........................................... 158 (2) Der Standpunkt Rimmelspachers .................... ............................ 160 (3) Stellungnahme ........................................................................... cc) Besonderheit: BVerfG-Entscheidung und Rechtsgnmdsätzlichkeit ... dd) Besonderheit: Außerkrafttretende Nonnen im RE-Verfahren ............ ee) Zur methodischen Problematik der Rechtsgrundsätzlichkeit ............. c) Zusammenfassende Stellungnahme zu den VorlagegrüIlden .................... 5. Entscheidungserheblichkeit der Vorlagefrage filr den Ausgangsprozeß ........ a) Vorbemerkung ....................................................................................... b) Die Prüfung der Entscheidungserheblichkeit... ........................................ aa) Der Streit um die Prüfungskompetenz.............................................. bb) Die Entscheidungserheblichkeit vor Eintritt in die Beweisaufuahrne.
160 161 162 162 164 165 165 166 166 170
( 1) ProblemfiHle .............................................................................. 170 (2) Stellungnahme ........................................................................... 172 cc) Die Erledigung der Vorlage durch andere Gerichtsentscheidungen ... 173 (1) Unkenntnis eines bereits erlassenen Rechtsentscheids ................. (a) Das Kenntnis-Problem im RE-Verfahren .............................. (b) Lösungsansatz: "Umdeutung" des Vorlagegrundes ............... ( c) Lösungsansatz: Rückgabe der Vorlage an das Landgericht ....
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(2) Der "überholende" Rechtsentscheid ............................................ (a) Die "überholte" Divergenzvorlage ........................................ (b) Die "überholte" Grundsatzvorlage ........................................ (c) Zeitpunkt der Entscheidung .................................................. dd) Die Erledigung durch parteiautonomes Verhalten ............................
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(1) Problemstellung ......................................................................... (a) Das ,,Rechtsschutzargument" (BayObLG) ............................ (b) Das ,,Funktionsargument" (Literatur) ................................... (c) Die Kritik eines umfassenden RE-Verständnisses .................
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(2) Stellungnahme ........................................................................... 184 (a) Der Fortgang des Verfahrens durch die Kostenentscheidung .184 (b) Erledigung ohne ,,Restentscheidung" des Ausgangsgerichts .. 186 (aa) Die Lösung nach herrschender Lehre und Praxis ........... 186 (bb) Überindividuelle Funktion des Rechtsentscheids .......... 186
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Inhaltsverzeichnis (cc) Abstrakte Vorlageentscheidungen? .............................. 187 (dd) Diskussion und Stellungnahme .................................... 190
6. Einzelfragen wtd Rechtswirlrungen des Vorlagebeschlusses ........................ a) Fonnulierwtg der Vorlagefrage durch das Landgericht.. .......................... aa) Die fonnalen Anforderungen ........................................................... bb) Stellungnahme ................................................................................ b) Abänderbarkeit des Vorlagebeschlusses .................................................. c) Aussetzung des Verfahrens wegen anderweitiger Vorlage ....................... d) Umfonnulierung der Vorlagefrage durch das Oberlandesgericht... ........... IV. Die Stellung des Obergerichts im RE-Verfahren ............................................... 1. VoTÜberlegung ........................................................................................... 2. Die Bindungswirkung des Rechtsentscheids wtd ihre Probleme ................... a) Gnmdlegung .......................................................................................... b) Bindungswirkungen des positiven Rechtsentscheids .......... .. .. .... .. .. ......... aa) Die Bindung des vorlegenden Gerichts ............................................
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(I) Inhalt der Bindung und systematische Einordnwtg ...................... 198 (2) Durchbrechung der Bindwtg .......................................... ............. 199 bb) Die Bindung der Landgerichte ......................................................... 200 cc) Bindwtg der Amtsgerichte ............................................................... 201 c) Das Oberlandesgericht als Quasi-Gesetzgeber. ........................................ 202 aa) Zur Einordnung des Rechtsentscheids .............................................. 202 bb) Stellungnahme ................................................................................ 203 d) Bindungswirkung des negativen Rechtsentscheids .................................. 203 3. Rechtsentscheid durch den Bwtdesgerichtshof.. .......................................... 204 a) Vorlagepflicht des Oberlandesgerichts .................................................... 204 b) Abweichwtgsproblematik und Anfrageverfahren .................................... 205 c) Exkurs: Das Anfrageverfahren nach § 132 Abs. 3 S. 1 GVG ................... 205 aa) Verfahrensrechtliche Ausgestaltwtg ................................................. 205 bb) Stellungnahme ................................................................................ 206 cc) Anfrageverfahren wtd Rechtsentscheid ............................................ 207 (I) Nichtberücksichtigwtg innerhalb des RPflVereinfG .................... 207 (2) KlassifIkation der Antwort auf Anfrage nach § 132 Abs. 3 GVG. 208 dd) Ergebnis ......................................................................................... 209 4. Kosten des RE-Verfahrens .......... .. ........ .... ................................................. 209 V. Die Stellung der Parteien ................................................................................. 209 1. Das Verstllndnis von der Parteistellwtg im RE-Verfahren ............................ 209 2. Die institutionelle Beteiligung der Parteien gern. § 541 Abs. 1 S. 2 ZPO ...... 211 3. Wirkungen der Stellungnahme ................................................................... 214 4. Zusammenfassendes Ergebnis .................................................................... 216 5. Die Vorlagepflicht und ihre Mißachtwtg ..................................................... 217 a) Ansatzpunkte einer Vorlageptlichtverletzwtg .......................................... 217
Inhaltsverzeichnis
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b ) Fehlen einer zi vilprozessualen LösWlgsmöglichkeit ................................ 217 c) VerfassWlgsbeschwerde Wld Verstoß gegen Art. lOl Abs. I S. 200....... 218 aa) Mietrechtliche Vorlagepflicht in der RechtsprechWlg des B VeifG ..... 218 bb) StellWlgnahme ................................................................................ 220 cc) Rechtspolitische ErwägWlgen .......................................................... 221 V1. EinschätzWlg des RE-Verfahrens ..................................................................... 222 Kapitel 3
Rechtsmittelproblematik und HarmonisierungsdeflZite 1. II.
VoruberlegWlg ................................................................................................. 226 Die Divergenzberufung gem. § 511a Abs. 2 ZPO .............................................. 228 L Die Rechtslage vor Einfilhrung von § 511 a Abs. 2 ZPO n. F....................... 228 a) Problematik eines streitwertabhängigen Rechtsmittels in Mietsachen ....... 228 b) EntwicklWlg der Erwachsenheitssumme als Rechtsmittelvoraussetzung ... 229 aa) "Chronologie des Abbaus von Rechtsmitteln" .................................. 229 bb) Problematik der BegrundWlg des Gesetzgebers ................................ 230 c) AbkoppelWlg des Mietrechts vom Erreichen einer Berufungsswnme ....... 231 aa) Die Beschwerdewertproblematik ..................................................... 231
(l) Die BerechnWlg des Beschwerdewerts ........................................ 232 (2) StellWlgnahme ........................................................................... 235 bb) Das alternative Konzept: Streitwert- Wld Divergenzberufung ............ 236 cc) EinbindWlg der Amtsgerichte in das RE-Konzept... .......................... 237
(l) Unmittelbare BindWlg der Amtsgerichte ..................................... 237 (2) Mittelbare BindWlg durch ein Divergenzrechtsmittel... ................ 240 2. Modell-ÜberlegWlgen im GesetzgebWlgsverfahren ..................................... 241 a) Rechtsmittel- Wld Vorlage\ösWlg ............................................................ 241 b) Rechtspolitische Konzeption der DivergenzberufWlg .............................. 242 3. Praktische Probleme der DivergenzberufWlg gem. § 511a Abs. 2 ZPO ........ 244 a) DarlegWlgslast ....................................................................................... 244 b) Mindestwert .......................................................................................... 246 c) AbweichWlgsfähigkeit. ........................................................................... 246 d) Prufungspflicht des Landgerichts ............................................................ 247 4. Divergenzberufung und Rechtsmittelzwecke ............................................... 248 5. EinordnWlg der Divergenzberufung in das Rechtsmittelsystem .................... 249 IIl. Vereinfachtes amtsgerichtliches Verfahren gem. § 495a ZPO ............................ 250 I. ProblemstellWlg ......................................................................................... 250 2. § 495a ZPO im Lichte des VerfassWlgsrechts ....... ...................................... 253 a) Der Streitstand in der Literatur .............................................. ................. 253 aa) Die Position StolJmanns ................................................... ........ ....... 253
2 Willingmann
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Inhaltsverzeichnis
bb) Die Position Hennrichs ................................................................... 254 ce) Die Position KlmZes ........................................................................ 254 b) Der Standpunkt des BVerfG ................................................................... 255 c) SteIhmgnahrne ....................................................................................... 255 3. Bagatellverfahren Wld Divergenzberufung .................................................. 256 IV. Das Bagatellverfahren in der geplanten ZPO-Novelle (§ 313a ZPO) .................. 259 V. Die Ausnahrneberufung .................................................................................. 260 I. Grundsätzliches zur Ausnahmeberufung ..................................................... 260 2. Problematik des Sonderrechtsmittels .......................................................... 262 VI. Fazit zu Divergenzberufung, Bagatellverfahren Wld Rechtsentscheid................. 263
Kapitel 4 Vergleichbare instanzielle Vorlagemodelle
I. UntersuchWlgsgegenstand Wld -prämissen ........................................................ 265 11. Das VorabentscheidWlgsverfahren nach Art. 177 EGV ..................................... 268 I. EinieitWlg: Begriffiichkeit und Abgrenzung ................................................ 268 2. Funktion .................................................................................................... 269 3. Die Vomussetzungen des Vorabentscheidungsverfahrens ............................ 272 a) VorlagegrOnde ....................................................................................... 272 b) Die Vorlageberechtigung ....................................................................... 273 aa) Vorlage nur durch "Gerichte" .......................................................... 273 bb) Fakultative und obligate Vorlage: die Differenzierung in Art. 177 EGV ............................................................................................... 275 (1) Adressaten der Vorlagepflicht: abstrakte oder konkrete BetmchtWlgsweise ................................................................................ 275 (2) StellWlgnahrne ........................................................................... 276 (3) Rechtsmittel i. S. d. Art. 177 Abs. 3 EGV ................................... 278 (4) Die Vorlagebefugnis gern. Art. 177 Abs. 2 EGV ......................... 278 cc) Aussetzung des Verfahrens während der Vorlage ............................. 279 c) Entscheidungserheblichkeit .................................................................... 279 aa) Die normative Anknüpfung ............................................................. 280 (I) Subjektive Beurteilung durch das Ausgangsgericht ..................... 280 (2) Die wesentlichen Aussagen des EuGH zur Erforderlichkeitsprüfung .................................................................................... 281 (a) Rechtssache Mattheus/Doege ............................................... 282 (b) Rechtssache Foglia/Novello ................................................. 283 (aa) Tatsächlicher Wld rechtlicher Hintergrund .................... 283 (bb) Bewert\Ulg und Stellungnahme zur Foglia/Novello-Entscheidung ................................................................... 285
Inhaltsverzeichnis
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(3) Die Erforderlichkeits-Rechtsprechung im Urteil der Literatur ...... 286 (a) Ansicht Ress' ...................................................................... 286 (b) Ansicht Krücks .................................................................... 288 (c) Ansicht Dauses .................................................................... 288 (4) Eigene Stellungnahme zur Rechtsprechung und den Literaturansichten .................................................................................. 288 bb) Erforderlichkeit und ,,Acte-claire-Doktrin" im Rahmen des Art. 177 Abs. 3 EGV .................................................................................... 290 (l) Beurteilung der Vorlagefrage ..................................................... 291
(2) Ausnahmen von der Vorlagepflicht ............................................ 291 (3) Standpunkt des EuGH ................................................................ 292 cc) Eigene Stellungnahme ..................................................................... 293 d) Exkurs: Kollision von europäischer Vorlagemöglichkeit und innerstaatlicher Bindung des Vorlagegerichts........................................................ 294 aa) Die EuGH-Rechtsprechung ................................................ ............. 294 bb) Die deutsche Rechtsprechung .......................................................... 296 cc) Stellungnahmen in der Literatur ...................................................... 297 dd) Stellungnahme ................................................................................ 298 e) Form und Begründung der Vorlage ......................................................... 299 f) Stellung der Parteien des Ausgangsrechtsstreits ....................................... 300 aa) Rechtsnatur des Vorabentscheidungsverfahrens ............................... 300 bb) Rechtsbehelfe gegen das Vorabentscheidungsersuchen .................... 301 (l) Die Ansicht des EuGH ............................................................... 301
(2) Streitstand in Deutschland und Stellungnahme ............................ 302 (3) Besonderheit: Beschwerdeflihigkeit des Aussetzungsbeschlusses. 304 (a) Aussetzung des Zivilrechtsstreits nach § 148 ZPO ................ 304 (b) Die Ansicht Pfeiffers ........................................................... 306 (4) Stellungnahme zur Frage der Rechtsbehelfe im Vorlageverfahren 307 cc) Besonderheit: Die Beteiligung im mündlichen Verfahren vor dem EuGH ............................................................................................. 309 g) Verfahrensbeendigung ............. '" ........................................................... 310 aa) Beendigung des Ausgangsrechtsstreits ............................................. 310 bb) Beendigung des Vorlageverfahrens ................................................. 311 h) Die Wirkung der Vorabentscheidung ...................................................... 311 aa) Rechtskraft ..................................................................................... 311 bb) Bindungswirkung im Ausgangsrechtsstreit ...................................... 312 ce) Weitergehende Präjudizwirkung .......................... .. .......................... 313 (l) Ansichten in der Literatur ........................................................... 313
(2) Stellungnahme ...................................................... .. ................... 315 i) Mißachtung der Vorlagepflicht. .................................. ............................. 316
20
Inhaltsverzeichnis aa) Gemeinschaftsrechtliche Folgen: Vertragsverletzungsverfahren ....... 316 ( 1) Vertragsverletzungsverfahren nach Art. 169, 171 EGV ............... 316 (2) Zwischenergebnis ...................................................................... 318 bb) Verfassungsrechtliche Folgen nach deutschem Recht.. ..................... 318 (1) Art. 101 Abs. 1 S. 2 00 ................................................. .. .......... 319 (a) Der Standpunkt der älteren Literatur ..................................... 319 (b) Der Standpunkt des BVerfG ................................................ 320 (c) Standpunkte aus der neueren Literatur ...... ........ .................... 322 (d) Stellungnalune .................................................................... 324
m.
(2) Art. 103 Abs. 1 00 .................................................................... 324 cc) Praktische Reaktionsmöglichkeiten ................................ ................. 326 dd) Reformüberlegungen ....................................................................... 326 ee) Stellungnalune ................................................................................ 327 4. Aktuelle Diskussion des Vorabentscheidungsverfahrens und eine Einschätzung des Modells ....................................................................................... 327 a) Reformvorschläge .................................................................................. 327 aa) Reformdislrussion ........................................................................... 327 bb) Gerichtsverfassungsrechtliche Vorschläge ....................................... 329 cc ) Verfahrensrechtliche Vorschläge ..................................................... 330 b) Einschätzung und Stellungnalune ........................................................... 331 aa) Entscheidungserheblichkeit. .......................................... .. ................ 333 bb) Parteistellung ................................................ .............. ............. ....... 333 cc) Bindungswirkung der Entscheidung ................................... .. ........... 334 dd) Mißachtung der Vorlagepflicht.. ...................................................... 334 c) Fazit ...................................................................................................... 335 Das Normenkontrollverfahren nach Art. 100 Abs. I 00 ................................... 336 I. Vorlagevoraussetzungen ............................................................................ 337 aa) Gegenstand des Verfahrens nach Art. 100 Abs. 1 00 ...................... 337 b) Vorlagepflicht der Gerichte .................................................................... 337 aa) Vorlagekompetenz .......................................................................... 337 bb) Beschränkungen der Vorlagepflicht.. ............................................... 338 c) Anforderungen an den Vorlagebeschluß des Fachgerichts ....................... 339 aa) Vorlageerfordemisse im engeren Sinne ............................................ 339 (I) ,,BegrGndungslast" ..................................................................... 339 (2) Insbesondere zur Entscheidungserheblichkeit der Vorlage frage ... 340 bb) Stellungnalune ................................................................................ 342 cc) Aussetzung und Vorlage ................................................................. 343 dd) Das Verhältnis der Normenkontrolle zum Ausgangsrechtsstreit.. ...... 344 d) Beteiligung der Parteien des Ausgangsrechtsstreits ................................. 346 e) Mißachtung der Vorlagepflicht.. ............................................................. 346
Inhaltsverzeichnis
21
f) BindWlgswirkung der EntscheidWlg im Normenkontrollverfahren ............ 346 2. Funktion Wld Einschätzung der konkreten Normenkontrolle ........................ 347 a) Die Bedeutung der Richtervorlage ............................................. ............. 347 b) Zweck des Art. 100 Abs. I 00............................................................... 348
Kapite/5 Übertragbarkeit des Rechtsentscheids
Vorbemerkung ................................................................................................. 350 Verfassungsrecht ............................................................................................. 351 1. Problembereich .......................................................................................... 351 2. Rechtsentscheid Wld richterliche Unabhängigkeit... ..................................... 351 III. Verfahrenstypen .............................................................................................. 356 1. Ausgangspunkt einer KlassiflzierWlg .......................................................... 356 2. GruppenbildWlg ......................................................................................... 356 3. Gruppentypische RE-Probleme .................................................................. 357 a) Streitwertabhängige Zuständigkeit der Amtsgerichte bis DM 1.500,- ...... 357 aa) Amtsgericht Wld RE-Spruchkörper .................................................. 357 bb) Fazit. .............................................................................................. 358 b) Die berufimgsfllhigen Streitigkeiten vor dem Amtsgericht
I. II.
(~DM
10.000,-) .................................................................................. 358
c) Die prinzipiell revisionsfllhigen Streitigkeiten (ab DM 10.000,-) ............ 359 d) Fazit ...................................................................................................... 359 N. Rechtspolitische ÜberlegWlgen ........................................................................ 360 1. Argumentationsebenen............................................................................... 360 a) Die abstrakte FragestellWlg ................. ....................... ..................... ....... 360 aa) BegrilndWlg .................................................................................... 360 bb) StellWlgnahme ................................................................................ 361 b) Temporäre Geltung des Rechtsentscheids ............................................... 362 c) Alternative: Das Anfrageverfahren vor Einleitung des Rechtsentscheids .. 363 d) Technische Probleme der Ausweitung .................................................... 363 2. Das Kernproblem: die "soziale Brisanz" der Materie ................................... 363 a) Überlegwtgen zum Wohnraummietrecht... .............................................. 363 b) Die geeigneten RegelWlgsmaterien ......................................................... 366 3. Vorschlag ............................................................... ................................... 366 V. Thesenartige Gesamtbetrachtung ...................................................................... 367 Literaturverzeichnis ............................................................................................ 378 Sachwortverzeichnis ..................................... ....................................................... 394
Abkürzungsverzeichnis a.A. a.a. O. Abt. abw. AcP a.E. a.F. AG AGB allgM Anh. Aufl. Az.
anderer Ansicht am angegeben Ort Abteilung abweichend Archiv fllr die civilistische Praxis am Ende alte Fassung Amtsgericht Allgemeine Geschäftsbedingungen allgemeine Meinung Anhang Auflage Aktenzeichen
BAG BayObLG BB Bd. BGB BGBl. BGH BGHZ
Bundesarbeitsgericht Bayerisches Oberstes Landesgericht Betriebsberater (Zs) Band Bürgerliches Gesetzbuch Bundesgesetzblatt Bundesgerichtshof Amtliche Sammlung der EntscheidWlgen des Bundesgerichtshofes in Zivilsachen Bundesmietgesetz Bundesratsdrucksache Bundestagsdrucksache Bundesverfassungsgericht Amtliche Sammlung der EntscheidWlgen des Bundesverfassungsgerichts
BMG
BR-DrS BT-DrS BVerfG BVerfGE
CPO
Civilprozeßordnung
DB DDR
Der Betrieb (Zs) Deutsche Demokratische Republik derselbe Deutscher Jurisrentag
ders. DIT
)\b~gsverzeichrUs
DJZ DR DrS DRiZ DWohn;\ DWW
Deutsche Juristenzeitung (Zs) Deutsches Recht (Zs) Drucksache Deutsche Richterzeitung (Zs) Deutsches Wohnungsarchiv (Zs) Deutsche Wohnungswirtschaft (Zs)
EA. EGV Ein!. EntiG EntiVO Erg
Einigungsamt und Mietschöffengericht (Zs) Vertrag zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft Einleitung Entlastungsgesetz Entlastungsverordnung Ergänzung
F f., ff. FarnRZ FGG FR FS FWW
Fach folgende Zeitschrift fiIr das gesamte Familienrecht (Zs) Gesetz zur Regelung der l\ngelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit Finanzrundschau (Zs) Festschrift Die freie Wohnungswirtschaft (Zs)
GG GKG GS GVG
Grundgesetz Gerichtskostengesetz Gesetzessammlung Gerichtsverfassungsgesetz
HGZ Hdb. Hdk. Hrsg. HS.
Hanseatische Gerichtszeitung (Zs) Handbuch Handkommentar Herausgeber Halbsatz
JFG
JZ
Jahrbuch fiIr freiwillige Gerichtsbarkeit (Zs) Justizministerblatt Juristische Schulung (Zs) Juristische Wochenschrift (Zs) Juristen-Zeitung (Zs)
Kap. Komm. KG
Kapitel Kommentar Kammergericht
JMB!. JuS JW
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24
Abkürzungsverzeichnis
LG LZ
Landgericht Leipziger Zeitung (Zs)
MDR MEA
MSchG MSchVO MünchKonun
Monatsschrift filr Deutsches Recht (Zs) Mieteinigungsamt Gesetz zur Regelung der Miethöhe Mietrechtsänderungsgesetz Mieterschutzgesetz Mietschutzverordnung Münchner Konunentar
n.F. NJW NJW-RR
neue Fassung Neue Juristische Wochenschrift (Zs) NJW - Rechtsprechungsreport Zivilrecht (Zs)
OLG OLGZ
Oberlandesgericht Amtliche Sanunlung der Entscheidungen der Oberlandesgerichte in Zivilsachen
PEÄ
Pachteinigungsämter Prager Juristische Zeitschrift (Zs) Preußisch/eies Pachtschutzordnung
MHG MRÄG
PragJurZ. Pr., Preuß. PschO Rdnr. RGBI.
RE RES RG RGBI. RGZ RJA
RMG Rpfleger RPflEntlG RpflVereinfG RPSchO
Rra RT RT-DrS
RuW Rz.
Randnununer Reichsgesetzblatt Rechtsentscheid Sanunlung der Rechtsentscheide Reichsgericht Reichsgesetzblatt Amtliche Sanunlung der Entscheidungen des Reichsgerichts in Zivilsachen Reichsjustizamt (auch Zs) Reichsmietgesetz Der Deutsche Rechtspfleger (Zs) Rechtspflegerentlastungsgesetz Rechtspflegevereinfachungsgesetz Reichspachtschutzordnung Reiserecht aktuell (Zs) Reichstag Reichstags-Drucksache Recht und Wirtschaft (Zs) Randziffer
Abkürzwlgsverzeichnis S. SchlHA SGG Sp. stRspr
Seite Schleswig-Holstein Anzeiger (Zs) Sozialhilfegesetz Spalte ständige Rechtsprechung
Übers. Urt.
Übersicht Urteil
VerfAO Verh. vgl. VO VVDStRL VwGO
Verfahrensanordnung Verhandlung vergleiche Verfahrensordnung Veröffentlichungen der Vereinigung der Deutschen Staatsrechtslehrer Verwaltungsgerichtsordnung
WKSchG WMG WRV WuM
Wohnungskündigungsschutzgesetz Wohnungsmangelgesetz Weimarer Reichsverfassung Wohnungswirtschaft und Mietrecht (Zs)
ZAP ZIP ZBIFG ZfRSoz. ZMR ZRP Zs ZwAuflVO
Zeitschrift ftlr Anwaltspraxis (Zs) Zeitschrift ftlr Wirtschaftsrecht (Zs) Zentralblätter ftlr freiwillige Gerichtsbarkeit (Zs) Zeitschrift ftlr Rechtssoziologie (Zs) Zeitschrift ftlr Miet- und Wohnungsrecht (Zs) Zeitschrift ftlr Rechtspolitik (Zs) Zeitung, Zeitschrift Zwangsauflösungsverordnung
25
Einleitung I. Einführung in das Problem 1. Def'lzite der aktuellen Recbtspflegeentlastungsdebatte ,,Der ,blaue Himmel' beginnt zu früh" - mit dieser knappen Aussage charakterisiert der amtierende Präsident des Bundesgerichtshofs, Karlmann Geisl ein Grundproblem der aktuellen deutschen Rechtspflege, die zwischen dem Wunsch nach Erhalt eines hohen Rechtsschutzniveaus und dem Zwang zur Rationierung der knappen Ressource Reche hin- und hergerissen wird. Unter dem Diktat schmaler öffentlicher Haushaltsmittel hat sich der Gesetzgeber wiederholt, verstärkt aber in der jüngeren Zeit, dazu entschlossen, wenn schon nicht den Zugang zur Justiz, so doch zumindest den weiteren Rechtszug zu beschneiden, um so die Gesamtdauer der Verfahren zu verkünen. Produkt dieser Maßnahmen ist ein Rechtsmittelsystem, das sich im wesentlichen am Streitwert orientiert und vom Erreichen einer bestimmten Summe (Beschwer) den Zugang zur nächsten Instanz abhängig macht. Diese gesetzgeberische Maßnahme erscheint auf den ersten Blick solange unproblematisch, als der verfassungsrechtliche Anspruch auf Justizgewährung erhalten bleibt. Da das BVerjG bereits frühzeitig entschieden hat, daß der Gesetzgeber aus diesem Grunde nicht gezwungen ist, einen Rechtsmittelweg zu schaffen, solange er einschränkungslos Rechtsschutz zu gewähren verma~, setzt die Kritik gegenüber sog. Vereinfachungs- oder Entlastungsmaßnahmen in der Ziviljustiz weniger an der (grundgesetzlichen) Wurzel, sondern eher bei den ökonomischen oder sozialen Folgen, vor allem aber den Auswirkungen auf weitere Funktionen richterlicher Tätigkeit an. Zu diesen zählen namentlich auch Rechtsfortbildung und Rechtsprechungsharmonisierung4 .
ZRP 1997, 165. So schon für den Zustand ausgangs der 70er Jahre, G. Pfeiffer, ZRP 1981, 121 fI Vorher bereits nachdrücklich KaI/hasser, JR 1971, S. 265 - 273. 3 Erstmalig BVerjGE 1,433; st Rspr. Dazu ausf. in Kap. 3/5. 4 Diese Feststellung läßt sich ohne weitere Erörterung der umfangreichen Diskussion über die Prozeßzwecke treffen, denn selbst die Vertreter eines streng sUbjektiven Verständnisses, demzufolge der Zweck des Prozesses im Schutz individueller RechtsposiI
2
28
Einleitung
2. Recbtsprecbungsdivergenz und Vereinbeitlicbungsauftrag Das Ziel einheitlicher Rechtsprechung, voraussehbarer Prozeßabläufe und berechenbarer Entscheidungen ist ein Gerechtigkeitsgebot und erfaßt die Rechtsordnung in allen ihren Gebieten. Es läßt sich verfassungsrechtlich bereits in Art. 3 Abs. 1 GG festmachen, der über Art. 1 Abs. 3 GG auch fiir die Judikative unmittelbare Geltung hat5. Danach ist die unterschiedliche Anwendung rechtlicher Bestimmungen auf gleichartige Sachverhalte auch fiir die Gerichte verboten. Oder kurzgefaßt: "In der gleichen Auslegungsituation ist eine Rechtsnorm gleich auszulegen"6. Dieses Ergebnis unterhalb des Verfassungsrechts und ohne pennanenten Rückgriff auf die Verfassungsbeschwerde zu erreichen, fmden sich in den Prozeßordnungen regelmäßig Bestimmungen, die zum Zwecke der Vereinheitlichung und Fortbildung des Rechts entweder den Parteien eine zusätzliche, höhere Gerichtsinstanz eröffnen oder aber einen gerichtsinternen Vorlagezwang an einen übergeordneten Spruchkörper begründen. Dies gilt auch fiir das Zivilverfahrensrecht. Sowohl die Rechtsvereinheitlichung durch Rechtsmittel als auch durch Vorlageverfahren begegnen dort wie anderswo in vielfältigen Abwandlungen, die bereits zahlreich untersucht wurden. Insbesondere die Frage nach der rechtsvereinheitlichenden Funktion der obersten Gerichtshöfe des Bundes stand dabei im Mittelpunkt des Interesses 7 • So ertragreich die vielfältige Beschäftigung mit dieser Aufgabe der Höchstgerichtsbarkeit war und weiterhin ist, darf dennoch nicht übersehen werden, daß die Masse zivilrechtlicher Streitigkeiten gar keine Aussicht darauf hat, in die Revision gelangen zu können, so daß eine Befassung des Bundesgerichtshofs mit den zugrundeliegenden rechtlichen Materien nur selten der Fall sein wird; ein Ausgleichsverfahren, wie es vor den Gerichtshöfen des Bundes vorgesehen ist, findet daher nur in den seltensten Fällen statt. Diese faktische "Abschottung" des BGH bewirken die allgemeinen Regeln des Gerichtsverfassungsrechts. Sie haben zur Folge, daß heute eine Vielzahl von (Zivil-)Prozessen wegen ihres relativ geringen Streitwerts entweder nur am Amtsgericht oder allenfalls als Berufungsverfahren am Landgericht stattfinden.
tionen gesehen wird, räwnen ein, daß zwnindest die Rechtsmittelinstanzen über individuelle Zwecke jedenfalls mitverfolgen; aus( Lames, 3 ff.; Henckel, 61 ff.; Jauemig, I, 3 (; Koch, 4 ff. ; zurückhaltend insoweit immer noch Grunsky, 1 ff., 5 ff. am Bsp. der Revision. 5 BVeifGE 19,47. 6 Gusy, Döv 1992, 461, 468. 7 Vgl. nur die Monografien von E.-W. Hanack (1962); M. Schulte (1986); C. Mayer (1996).
I. EinfUhrung in das Problem
29
Hat die erstinstanzliche Befassung der Amtsgerichte schon wegen der Ortsnähe und -kenntnis wie auch der Bürgernähe vieles für sich. so steht ein kurzer Instanzenzug aber naturgemäß auch einer einheitlichen Rechtsprechung entgegen, solange diese Hannonisierungsaufgabe allein von den Oberlandesgerichten oder dem Bundesgerichtshof im Rechtsmittelverfahren wahrgenommen wird. Dieses Problem stellt sich insbesondere - wenn auch nicht nur - im Bereich des Verbraucherprozesses8 . In der Praxis ranken sich heute die meisten Rechtsstreitigkeiten9 zwischen Konsumenten und Händlern, DienstIeistern oder Unternehmern, aber auch Verkehrsunfallbeteiligten um Streitwerte unterhalb der erforderlichen Berufungssumme, die seit dem 1.3.1993 auf l.500,-- DM angehoben ist, § 511a I ZPO IO . Bis vor wenigen Jahren lag diese Summe noch bei 500,-- DM, seit 1982 bei 700,-- DM und erst Anfang der 90er Jahre wurde sie auf l.200,-- DM erhöht. Die beiden letzten Anhebungen der Streitwerte hatten zur Folge, daß die zuständigkeitshalber angerufenen Amtsgerichte (§ 23 GVG) in diesen Prozessen häufig zugleich erste und letzte Instanz sind; eine weitere Tatsacheninstanz fehlt ebenso wie die Möglichkeit, problematische Rechtsfragen einer Revision oder ähnlicher obergerichtlicher Prtifung zu unterwerfen bzw. Stellungnahme zuzuführen. Aber auch bei Rechtsstreitigkeiten oberhalb eines Streitwerts von 1.500,-- DM findet das VerfahrenjedenfaUs vor dem Landgericht sein Ende, da die Revision gern. § 545 ZPO nur gegen Berufungsurteile der Oberlandesgerichte statthaft ist. Und selbst jenseits dieser Begrenzung auf Amts- und Landgerichte besteht nur vereinzelt die Möglichkeit, daß der Bundesgerichtshof auch tatsächlich mit einer Rechtssache befaßt wird. Zwar beklagen auch die Richter des BGH - wie die anderer BundesgerichteIl - ihre Überlastung, immer seltener wird das oberste Zivilgericht jedoch mit Rechtsproblemen konfrontiert, die wegen ihrer grundsätzlichen Bedeutung einer Klärung durch höchstrichterliche Rechtsprechung erfahren sollten. Dies läßt sich durch wenige Zahlen präzisieren I2. Pro 8 Hier verstanden als Summe aller Rechtsstreitigkeiten, die verbraucherrechtlichen Bezug aufweisen, vgl. auch Koch, VerbrPrR, 86 f; älmlicher Befund auch bei Löwe, 99, 112 f 9 Das Stat. Jahrbuch der Bundesrepublik (Stand 1997) wies in den Jahren 1993 1995 zwischen 1,2 und 1,5 Mio. "Gewöhnliche Prozesse" vor den Amtsgerichten aus. Auf das Wolmungsmietrecht entfielen in diesem Zeitraum regelmäßig rd. eine Viertel Million Verfahren, nur wenig geringer die Zahlen bei kaufrechtlichem Hintergrund. Auf das Verkehrsunfallrecht kamen ca. 150.000 Verfahren pro Jahr. 10 Durch Art. I Nr. 7 RpflEntlG v.II.I.1993, BGBI. I, 50. 11 Umfassend zur Situation am BVetjG der vom BMJ herausgegeben Bericht zur Entlastung des Bundesveifassungsgerichts v. Januar 1998. 12 Vgl. auch hierzu ZRP 1997, 166. Detailliert Stat. Jahrbuch 1997,365.
30
Einleitung
Jahr verkünden die 24 Oberlandesgerichte in Deutschland rd. 28.000 Urteile. Weniger als ein Viertel davon (rd. 6.500) erreichen einen Streitwert von mehr als 60.000 DM und sind somit automatisch revisionsfähig. Tatsächlich erreichen den BGH von diesen aber nur ca. 3.600 Revisionen. Aus der übergroßen Masse der übrigen, durch Urteil beendeten OLG-Verfahren - inunerhin fast 22.000 - werden nur 160 (!) wegen grundsätzlicher Bedeutung zur Revision zugelassen. Es muß vermutet werden, daß auf diese Weise die Leitfunktion höchstrichterlicher Rechtsprechung verlorengeht. Der BGH büßt so seine Aufgabe, zur Fortbildung des Rechts wie zur Vereinheitlichung der Rechtsprechung beizutragen, ein. Ein Zustand, der allgemein beklagt wird und nach Lösungen verlangtl3. Die Problematik fehlender richterlicher Rechtsfortbildungsmöglichkeit stellt sich im Grunde auf allen Ebenen der Gerichtsbarkeiten. Im Zivilverfahrensrecht erweist sie sich in den Bereichen als besonders drängend, die bereits aus gerichtsverfassungsrechtlichen Gründen die Beendigung des Rechtszugs vor dem Landgericht vorsehen. Dann fehlt es automatisch an einer "reinen Rechtsinstanz" und es drängt sich die Frage auf, ob aus rechts- oder sozialstaatlichen Gründen in der Masse der Rechtssachen eine erweiterte Überprüfung letztinstanzlicher Landgerichtsurteile angezeigt ist oder, mit anderen Worten, ob es eines erweiterten Rechtszuges bedarf, wenn durch das GVG die erstinstanzIiche Zuständigkeit des Amtsgerichts und damit ein verkürzter Instanzenzug angeordnet istl4 . So gestellt, ist die Frage keineswegs neu. Sie taucht regelmäßig im Gefolge der Debatten um zusätzliche EntIastungsmöglichkeiten in der Rechtspflege auf, findet dort aber - zumal seit Beginn der 90er Jahre - keinerlei Berücksichtigung mehr. Inzwischen stellt sie sich jedoch im Hinblick auf die neuerliche Diskussion weiterer Anhebung von Zuständigkeitswerten um so dringlicher, als in Zukunft der Regelfall gerichtlichen Rechtsschutzes faktisch auf eine einzige Instanz beschränkt werden wird.
\3 Vorschläge dazu wurden bereits einige gemacht; der Rechtsausschuß des Bundestags hat sich gelegentlich der jUngsten Vereinfachungsnovelle erneut tnit dieser Frage befaßt. Geis hält es - bei aller Kritik am gegenwärtigen Modell - fiIr unerläßlich, am Prinzip der Streitwertrevision festzuhalten, allerdings mit inhaltlicher Modiflzierung; Stichs, ZRP 1998, 1 tT. schlägt ebenfalls Verändenmgen am Zulassungsmodell vor, indem dieses durch eine - begrenzte - Zulassungsbeschwerde ersetzt wird. Im Zusammenhang tnit der rechtspolitischen Frage nach einer Ausweitung des Rechtsentscheids wird auf diese Vorschläge noch zurückzukommen sein. 14 Diese Frage wurde in der Vergangenheit auch fiIr andere Gebiete wiederholt aufgeworfen; vgl. nur Kissel, ZRP 1976, 10 fT.
I. Einfühnmg in das Problem
31
Die fehlende "Kontrolle" amtsgerichtlicher Urteile einerseits und die stetig wachsende Zahl von Zivilklagen andererseits lassen befiirchten, daß Rechtsprechung in diesem Bereich zunelunend allein in der Eingangsinstanz stattfmden und naturgemäß divergieren wird l5 . Parallel dazu steigt die Unsicherheit über den Prozeßausgang und das entsprechende -risiko. Dies übrigens nicht nur für die Parteien, sondern auch fiir deren Anwälte, die vor dem Hintergrund des obergerichtlichen Postulats vom "sichersten Weg"16 Gefahr laufen, wegen schlechter Prozeßfiihrung regreßpflichtig zu werdenl7 . Allgemein wirkt sich eine unsichere, kaum prognostizierbare Instanzrechtsprechung zwangsläufig auf den Wirtschaftsablauf aus, dessen Kalkulationsgrundlagen wenig verläßlich bleiben. Sehen wir Rechtssicherheit und prozessuale Vorhersehbarkeit aber als wesentliche Faktoren des Rechtsstaats an und verstehen sie zugleich als Postulate des verfassungsrechtliche Gleichheitsgebots, so muß der Frage nachgegangen werden, ob es rechtlich erforderlich, zwnindest aber wünschenswert und möglich ist, der wachsenden Divergenz zwischen den immer zahlreicheren amtsgerichtlichen Erst- bzw. landgerichtlichen Berufungsentscheidungen zu begegnen und eine gewisse Einheitlichkeit der Rechtsprechung herbeizufiihren l8 , ohne zugleich den Rechtsmittelzug auszubauen l9 . Dies könnte durch Einfiihrung eines Verfahren geschehen, das trotz des begrenzten Instanzenzuges Vereinheitlichung der Rechtsprechung, aber auch die richterliche Rechtsfortbildung. sicherstellt. Modellcharakter kommt insoweit dem Rechtsentscheidsverfahren zu, das seit 1991 durch § 541 ZPO geregelt ist und einer Harmonisierung der Judikatur im Wohnraummietrecht dienen soll.
15 Dies gilt gleichennaßen in allen Rechtsgebieten mit bekanntermaßen niedrigen Streitwerten, wie beispielsweise Gewährleistungsklagen bei Haushaltsgeräten, KfzReparaturen, Wohnungsmaklerprovisionen; vgl. dazu schon Kissel, ZRP 1976, 10. insoweit triffi die Befilrchtung einer fiIr die Fortentwicklung des Rechts zu geringen Qualität amtsgerichtlicher Urteile, die Tonner äußert, nicht nur auf das Reiserecht zu; vgl. Tonner, Reisevertrag, Einl., Rz. 28. 16 So schon RGZ 151,259,264. 17 Zu dieser Problematik instruktiv Vol/kommer, Anwaltshaftungsrecht, 96 ff. 18 Henke, ZZP 1996, 135, 161 bezeichnet sie als ,formalen Teil der Gerechtigkeit". 19 Ein Ausbau des Rechtsmittelzugs ist unter den bestehenden fiskalischen Bedingungen geradezu ausgeschlossen, vgl. nur die jüngsten Stellungnahmen von Stichs, ZRP 1998, I, 2; Eylmann, Rpfleger 1998, 45 ff.
32
Einleit\lllg
3. Der Forschungsstand Während verschiedene prozessuale Modelle der Rechtsvereinheitlichung bereits intensiv untersucht wurden, scheint es, als stelle der Rechtsentscheid auch heute noch einen "Fremdkörper", ein "Novum" oder ein "Sonderinstitut" dai°, dessen nähere Betrachtung sich nicht lohne. Entsprechend fehlt es an wissenschaftlicher Auseinandersetzung. Obwohl der Rechtsentscheid eine erhebliche Abweichung innerhalb des im übrigen parteidominierten Zivilprozesses darstellt, wurde das Institut nur ein einziges Mal monografisch erörtert21 • Und auch in Arbeiten zur Rechtsvereinheitlichung durch Prozeß(recht) findet er nur beiläufige Erwähnuni2 . Dies muß in Anbetracht der Bedeutung des Rechtsentscheids für die Verfahrenspraxis des Mietprozesses und die Entwicklung des Wohnraummietrechts überraschen. Doch nicht alleine wegen seiner Bedeutung fiir ein elementares Gebiet des Zivilrechts von besonderer sozialpolitischer Bedeutung ist die prozessuale Ausgestaltung des Rechtsentscheids von Interesse. Auch der Gesetzgeber sieht darin offenbar in jüngster Zeit ein Rechtsinstitut, das dem Bemühen nach Entlastung der Justiz einerseits Rechnung trägt und andererseits auftretenden Rechtsprechungsdivergenzen begegnen kann. So erklärt sich, warum das Modell 1991 erstmalig auf ein Rechtsgebiet außerhalb des Mietrechts ausgedehnt und nunmehr gern. § 56 SchuldRAnpG in sog. Anpassungssachen auf dem Gebiet der ehemaligen DDR gilt. Damit scheint die Entwicklung jedoch noch kein Ende zu finden. Nach dem bereits vorliegenden Entwurf eines weiteren Justizentlastungsgesetzes23 soll der Rechtsentscheid das bisher mehrstufige Verfahren in Wohnungseigentumssachen ablösen und auch dort seine vereinheitlichende wie fortbildende Wirkung entfalten. Diese legislativen Ansätze werden ergänzt durch Stimmen aus der Literatur, die in Anbetracht der steigenden Zahl nicht oder nur beschränkt rechtsmittelfä-
20 Durchweg Termini aus der Gesetzgeb\lllgsdebatte zur Einfilhrung des Rechtsentscheids fUr Rechtsfragen der Sozialklausel im Jahre 1967, wiedergegeben bei SchmidtFutterer, NJW 1968,919. 21 GnatZ)', Der Rechtsentscheid gern. Art. III 3. Mietrechtsänder\lllgsgesetz, FrankfurtlM. 1990, zugl. Diss. iur. Gießen 1989. 22 Lames (1993); Hergenröder (1995). 23 Typoskript eines Entwurfs der Arbeitsgruppe ,,RechtspflegeentIast\lllg \llld Verfahrensbeschleunigung" \lllter Federführung des Sächsischen Staatsministeriums der Justiz v. 26.10.1995 und BR-DrS 605/96 v. 14.8.1996.
I. Einfilhnmg in das Problem
33
higer Rechtsstreitigkeiten die generelle Ausweitung des Systems befürworten oder gar fordem24 •
An dieser Stelle fugt sich der Rechtsentscheid in die aktuelle Diskussion um die Rechtsmittel im Zivilprozeß ein, deren unveränderter Fortbestand in Anbetracht leerer öffentlicher Kassen und kollabierender Justiz unwahrscheinlich geworden ise5 . Unabhängig von den Überlegungen zur Entlastung der Justiz durch Einführung eines obligatorischen Schlichtungsversuchs26 vor Klageerhebung oder den Ausbau der Schiedsgerichtsbarkeit wird die bereits 1993 beabsichtigte neuerliche Erhöhung der Berufungssumme auf DM 2000,-- eine Entwicklung fortsetzen, an deren Ende der weitestgehende Ausschluß großer Rechtsgebiete und zahlreicher Prozeßparteien von einem auch nur zweizügigen Verfahren stehen wird. In diesen Rechtsgebieten wird zugleich die rechtsfortbildende Funktion obergerichtlicher Entscheidungen aufgegeben; sie drohen damit auch aus der wissenschaftlichen Diskussion - schon in Ermangelung hinreichender Publizität der Urteile - herauszufallen. Deshalb ist es angezeigt, ein Modell näher zu betrachten, das zwar den Parteien keine weitere Instanz eröffnen soll, zugleich aber durch Klärung relevanter Rechtsfragen durch ein Obergericht oder den Bundesgerichtshof die gewünschte Vereinheitlichungs- und Fortbildungsfunktion der Rechtsprechung auch bei begrenztem Instanzenzug gewährleisten kann. Diese Funktion hat der Rechtsentscheid gern. § 541 Abs. 1 ZPO. Der eindeutige Wortlaut der Norm und der klare Wille des Gesetzgebers bei Einführung des Modells schließen eine analoge Anwendung der Bestimmung auf andere Zivilsachen als das Wolmraummietrecht aus. Erforderlich wäre daher eine gesetzliche Ausweitung. Sie setzt voraus, daß zunächst in einer kritischen Untersuchung eine Bestandsaufnahme des Rechtsentscheids in der bisherigen Form versucht wird.
24 Schon frühzeitig Hassold, JR 1985, 96 ff; Teichmann, JZ 1993, 990, 995; R. Schmid, Rra 1995, 41; positiv auch L6we, 99, 119 f. Solche Forderungen gehören in den Kontext einer allgemeinen Debatte um den ,,zivilprozeß der Zukunft', der sich nicht nur aus fiskalischen Gnlnden von der aktuellen Parteiorientienmg wird lösen müssen, vgl. Greger, JZ 1998, IOn ff. 25 Vgl. nur wieder Stichs, ZRP 1998, 1,3; düster auch Eylmann, Rpfleger 1998,45 ff. 26 Vgl. dazu BarteIs, ZRP 1996,297,298, der übrigens moniert, daß die Mietangelegenheiten im Katalog des Entwurfs zu § 15 EGZPO nicht enthalten sind. - 1m europäischen Ausland findet sich gemde im Bereich der Mietsachen häufig ein Schlichtungsinstrumentariwn, dessen Übernahme zwecks Entlastung der Eingangsinstanz angeregt wird, vgl. Blankenburg, ZRP 1992, 97, 99.
3 Willingmann
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Einleitwlg
Im Mittelpunkt steht dabei keine rechtstheoretische Diskussion von Präjudizien und ihrer Verbindlichkeit im deutschen Recht. Die dazu erschienene Literatur erscheint so übergroß und vollständig, daß das Thema als weithin erschlossen gelten darf7. Diese Arbeit konzentriert sich demgegenüber auf einen innerhalb des deutschen Zivilprozeßrechts besonderen Fall einer gesetzlich angeordneten Bindung an eine gerichtliche Entscheidung, die regelmäßig auch als mit Präjudizialwirkung ausgestattet angesehen wird28 . Dabei soll der Rechtsentscheid zunächst in seinem vom Gesetzgeber festgelegten Umfang in § 541 ZPO als ein grundsätzlich zulässiges Modell richterlicher Bindung betrachtet, was nicht ausschließt, daß an späterer Stelle die Problematik der Bindung des Richters an "höherrangige" Urteile, des "richterlichen Gesetzgebers" und seiner verfassungsrechtlichen Stellung erörtert werden. Vieles ist hierzu jedoch bereits ausführlich dargelegt worden29 . Deshalb wird auch die verfassungsrechtliche Seite eines Eingriffs in die richterliche Unabhängigkeit durch Ausweitung einer Bindung nur dort diskutierf°. Die Arbeit versteht sich als Untersuchung eines Instituts des Zivilprozeßrechts, das freilich ohne den besonderen Bezug zum Wohnraummietrecht nicht erfaßt werden kann. Gleichwohl kann nur beiläufig der Frage nach der Notwendigkeit einheitlicher, zeitgemäßer und interessengerechter Mietrechtskodifikation nachgegangen werden, obwohl die entsprechenden Streitfragen gerade in den vergangenen Jahren durch die Einsetzung einer Kommission des Bundestags erneut in das öffentliche Bewußtsein gerückt wurden31 . Allein die politische Handlungsunfähigkeit von Regierung und Opposition am Ende der 13. Legislaturperiode habe das gesamte Reformprojekt zum Stillstand gebracht. Gilles hat bereits vor über zehn Jahren darauf hingewiesen, daß ,,sehr viel dringlicher als eine Maßnahme zur Vereinheitlichung der Mielrechlsprechung eine vereinheitlichende Genera/bereinigung des Geselzeswirrwarrs auf dem Wohnungsmielsektor (iSI)"32. Diese Aussage gilt uneingeschränkt auch für den aktueUen Rechtszustand. Das nach wie vor durch eine Vielzahl von Einzeigesetzen geprägte Mietrecht wird aUerdings auch künftig kaum in ein "benutzer-
27 Vgl. nur die monografischen Aufarbeitwlgen von Kruse (1971); Schlater (1973); Blaurock, (1985); Schlachter (1986); außerdem das methodologische Schrifttum: F. Bydlinski (2. Aufl., 1991), 501 ff.; LarenziCanaris, (3. Aufl., 1995), 252 ff.; umfassend schon Larenz, FS Schima (1969), 247 ff. 28 Dazu noch näher in Kap. 2. 29 Vgl. nur Roellecke. VVDStRL 34, 7 ff.; Starek, VYDStRL 34,43 ff. 30 Kap. 5. 31 Vgl. dazu Behrens, WuM 1997, 77 ff.; Rips, WuM 1996, 189 ff.; 255 ff.; 385 ff.; 1997, 11 ff. 32 Gi/les, Miete, 143.
II. Gang der Untersuchung
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freundliches eigenes Wohnungsmietgesetzbuchs.. 33 einmünden. Für diese Untersuchung ist hingegen von Interesse, inwieweit sich die Hoffnung erfiUlt hat, anband des RE-Modells Anregungen für gesetzliche Maßnahmen zu erlangen. Mit anderen Worten: Ob das durch den Rechtsentscheid konkretisierte Wohnraununietrecht den Gesetzgeber veranlaßt hat, legislativ tätig zu werden.
11. Gang der Untersuchung Das Anliegen einer kritischen Bestandsaufnahme des gegenwärtigen REModells und der Prüfung einer Übertragbarkeit des Rechtsentscheids auf andere Zivilrechtssachen bestimmt den Gang der Untersuchung. Die Einzigartigkeit des Rechtsentscheids im Gefüge des deutschen Zivilprozesses verlangt zuerst einen Blick auf seine historische Entwicklung, die eng mit der - krisenhaften Wohnungspolitik und Mietrechtsgestaltung der Weimarer Republik zusammenhing. Damit soll zugleich der Frage nachgegangen werden, ob der Rechtsentscheid ein originär mietrechtliches Institut des Prozeßrechts war, inwieweit der situative Kontext seine Einfiihrung förderte und welche Erwägungen zur Beibehaltung bzw. Ausweitung des Modells nach ökonomischer und rechtlicher Konsolidierung geführt haben. Im Anschluß daran wird aus der Perspektive der am RE-Verfahren Mitwirkenden das normative Gerüst des geltenden Rechtsentscheids gern. § 541 ZPO vorgestellt und die Anwendungsproblematik diskutiert. Es soll der Frage nachgegangen werden, vor welchem Hintergrund und wie sich aus einer zu allen Zeiten sehr schmalen gesetzlichen Regelung ein - offenbar - funktionstüchtiges Instrument entwickeln konnte. Motor dieser Entwicklung war die Rechtspraxis. In diesem Zusammenhang werden anband der in gerichtlicher Praxis auftretenden Schwierigkeiten vier Prüfungspunkte des RE-Modells vertieft werden, nämlich die Entscheidungserheblichkeit des Rechtsentscheids für den Ausgangsrechtsstreits, die Stellung der Parteien in beiden Verfahrensabschniuen, die Folgen eines Mißachtens der Vorlagepflicht sowie die Bindungswirkungen des ergangenen Rechtsentscheids. Da die Tauglichkeit des RE-Modells im wesentlichen von seiner Bewährung im Mietprozeß abhängt, sind in diesem Untersuchungsabschnitt die zahlreichen Ablehnungsentscheidungen - sog. negative Rechtsentscheide - durch die Obergerichte von besonderem Interesse. Ihre Häufigkeit darf auch als Indiz für praktische Anwendungsschwierigkeiten des Rechtsentscheids durch die zur Vorlage verpflichteten Gerichte gewertet werden. Den Abschluß dieses Kapitels bildet der Versuch einer wertenden Einord-
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GilJes, ebda.
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Einleinmg
nung des aktuellen Entscheid-Modells im Wohnraununietrecht unter Berücksichtigung kritischer Stimmen aus Wissenschaft und Praxis. Das dritte Kapitel befaßt sich mit Hannonisierungsfragen, diesmal allerdings nicht aus dem Blickwinkel weitestgehender Rechtsprechungsvereinheitlichung, sondern innerhalb des geltenden RE-Gerüstes der ZPO. Der in § 541 Abs. 1 ZPO geregelte Rechtsentscheid hat 1993 durch Einfiihrung der Divergenzberufung gern. § 511a Abs. 2 ZPO eine flankierende Maßnahme erfahren, die jedoch gewisse Defizite, insbesondere Anwendungsschwierigkeiten, aufweist und systematische Einordnungsprobleme bereitet. Älmliche Friktionen scheint es auch zwischen der neugeschaffenen Regelung für sog. Bagatellverfahren gern. § 495a ZPO und der Divergenzberufung zu geben. Beide Nonnen haben für den Mietprozeß erhebliche Bedeutung; ihre Einbettung in das geltende REModell verdient daher nähere Betrachtung. Um die Frage einer Ausweitung des Rechtsentscheids zu beantworten, erscheint sodann ein vergleichender Blick auf andere Vorlageverfahren sinnvoll. Insbesondere interessiert dort die Frage, ob vergleichbare Anwendungsschwierigkeiten auftreten oder vorzugswürdige Instrumentarien zum Umgang mit ähnlichen Problemen innerhalb der Vorlagemodelle entwickelt wurden. Eine effektive Vergleichbarkeit des Rechtsentscheids besteht freilich nur mit solchen Vorlageverfahren, die nicht (zwangsläufig) erst innerhalb der höchsten Gerichtsbarkeit angesiedelt sind, sondern bereits innerhalb des Instanzenzugs, u. U. auch bereits dem zuerst angerufenen Gericht, die Möglichkeit einer Vorlage eröffnen. Dieses Kriterium erfiillt idealtypisch das Vorabentscheidungsverfahren nach Art. 177 EGV sowie - mit Einschränkungen - die konkrete Nonnenkontrolle (Richtervorlage) gern. Art. 100 Abs. I GG. Beide Verfahren werden vergleichend vorgestellt und ihre Voraussetzungen untersucht, wobei die zu § 541 ZPO in den Mittelpunkt gerückten Schwerpunkte auch hier besonders betont werden. Am Ende dieser Betrachtung wird sich zeigen, ob es Verbesserungsvorschläge gibt, die sich aus den Erfahrungen im Umgang mit zwei unterschiedlichen VorlagernodelIen ableiten lassen. Den Abschluß bilden Überlegungen zur allgemeinen Übertragbarkeit des Rechtsentscheids in das Zivilprozeßsystem, ausgehend von der verfassungsrechtlichen Frage richterlicher Bindung an eine bzw. die höhere Gerichtsbarkeit. Sodann werden rechtspolitische Argumente für und gegen den Rechtsentscheid und seine Ausweitung diskutiert und anband der Untersuchungsergebnisse ein eigener Vorschlag unterbreitet.
111. Ziel der Untersuchung Die Untersuchung verfolgt somit zwei Ziele. Sie will zum einen das Regelungskonzept des Rechtsentscheids im Wohnraummietrecht, wie es sich de lege
IV. Wortlaut der aktuellen Bestinunungen des RE-Modells
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lata zeigt, kritisch würdigen und ggf. sinnvoll ergänzen helfen. In seiner Besprechung der Monografie von Gnatzy vertrat Lammee 4 die Auffassung, daß fortan unzulässige RE-Vorlagen nicht mehr vorkommen müßten. Gleichwohl finden sich auch in den vergangenen acht Jahren seit Erscheinen der Arbeit über die Zulässigkeit des RE-Verfahrens dutzende veröffentlichte Ablehnungsbeschlüsse. Sie können Indikator für unklare Vorlagevoraussetzungen, möglicherweise aber auch rur einen Anreiz, sich mittels RE-Vorlage der richterlichen Entscheidung zu entziehen, sein. Wenn diese Arbeit dazu beiträgt, das Verständnis fiir den bisherigen Anwendungsbereich zu erhöhen, Streitpunkte innerhalb des Systems einer Klärung zuzufiihren und zur Diskussion über die Ausweitung des Rechtsentscheids auf andere Rechtsgebiete beizutragen, ist ein gesetztes Ziel erreicht. Das zweite besteht darin, die Tauglichkeit des REModells rur andere Zivilprozesse zu klären. Ob eine Ausweitung des § 541 ZPO möglich und sinnvoll ist, soll anband einer Bestandsaufnalune des derzeitigen Verfahrens und einiger verfassungsrechtlicher Überlegungen gezeigt werden. Letztlich obliegt es dem Gesetzgeber, eine Entscheidung darüber zu treffen, ob trotz bedrängter öffentlicher Haushalte und stagnierendem Personalsektor in der Justiz im Sinne eines übergeordneten Zieles der Rechtsprechungsvereinheitlichung und richterlichen Rechtsfortbildung die Ausweitung des Rechtsentscheids vorgenommen wird. Unter Umständen hilft dieses Rechtsinstitut, dazu beizutragen, daß "der blaue Himmel" nicht zu früh beginnt. Wenn die nachfolgende Untersuchung auch rur diese Überlegung Anregungen liefert, ist auch das zweite Ziel der Arbeit erreicht.
IV. Wortlaut der aktuellen Bestimmungen des RE-Modells Bevor die Untersuchung mit dem historischen Hintergrund des Rechtsentscheids beginnt, sei zunächst der aktuelle Wortlaut der Normen, die das REModell ausmachen, wiedergegeben und ihr systematischer Standort festgemacht.
§ 541 Abs. 1 ZPO enthält folgende Regelung: "Will das Landgericht als Berufungsgericht bei der Entscheidung einer Rechtsfrage, die sich aus einem Mietvertragsverhältnis über Wohnraum ergibt ( ... ), von einer Entscheidung des Bundesgerichtshofes oder eines anderen Oberlandesgerichtes abweichen, so hat es vorab eine Entscheidung des im Rechtszug übergeordneten Oberlandesgerichts über die Rechtsfrage (Rechtsentscheid) herbeizufiIhren; das gleiche gilt, wenn eine solche Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung ist und sie durch Rechtsentscheid noch nicht entschieden ist. ( ... ) Die Entscheidung ist für das landgericht bindend."
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ZMR 1990,479.
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Diese Fonnulierung stimmt vollständig mit Art. III des 3. Gesetzes zur Änderung mietrechtlicher Bestimmungen (3. MRÄG) vom 21.12.196735 überein und wurde durch Art. 1 Nr. 39 RPflVereinfG zwn 1.4. 19ge6 in die ZPO eingefügt. Systematisch befindet sich § 541 im 3. Buch der ZPO ("Rechtsmittel") innerhalb der Bestimmungen über die Berufung (§§ 511 - 544 ZPO). Um die mit dem Rechtsentscheidsverfahren verbundenen legislativen Erwartungen nachzuvollziehen, ist eine weitere Nonn zu beachten. Zugleich mit der Übernahme von Art. In 3. MRÄG als § 541 ZPO wurde § 511a Abs. 2 ZPO geändert und folgende Bestimmung aufgenommen: ,,In Streitigkeiten über Ansprüche aus einem Mietverhältnis über Wolmraum oder über den Bestand eines solchen Mietverhältnisses findet die Berufung auch dann statt, wenn das Amtsgericht in einer Rechtsfrage von einer Entscheidung eines Oberlandesgerichts oder des Bundesgerichtshofes abgewichen ist und die Entscheidung auf der Abweichung beruht."
Neben §§ 511a Abs. 2, 541 ZPO tritt schließlich noch eine dritte Bestimmung über den Rechtsweg in Mietsachen: gern. § 23 Nr. 2a GVG ist das Amtsgericht für alle mietrechtlichen Streitigkeiten ausschließlich sachlich zuständig (Nr. 2a, 2. Halbsatz); abweichende Vereinbarungen der Parteien sind unzulässig, es besteht also ein Pro- und Derogationsverbot. 37 Alle drei Bestimmungen stellen einen geschlossenen Regelungskontext über den Rechtszug dar. Die Gründe dafür sind in erster Linie rechtshistorischer Natur.
BGBL 11248; BGBl. I 1980, S. 657. Gesetz zur Vereinfachung der Rechtspflege v. 17.12.1990, BGBI. 12847. 37 Kissel, GVG, a.a.O., § 23, Rz. 29.
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Kapitel J
Historische und aktuelle Anwendungsbereiche des RE-Modells I. Entwicklung und Entwicklungsbedingungen des Rechtsentscheids Im Mittelpunkt dieser Untersuchung steht das Rechtsentscheidsmodell, wie es in der aktuellen Rechtsprechung praktiziert und im Umfeld der Justizreformüberlegungen als Altemativrnodell diskutiert wird Das heute in § 541 ZPO geregelte Verfahren ist jedoch kein Produkt der jüngeren, bundesdeutschen Rechtswissenschaft oder Gesetzesgebung. Seine Wurzeln reichen vielmehr an den Anfang unseres Jahrhunderts zurück und stehen in engem Zusammenhang mit den Wandlungen des materiellen Wohnraummietrechts und der Herausbildung eines gesetzlichen Mieterschutzes. Da die Ursprünge des Instituts wie auch manche aktuelle Anwendungsproblematik in diesen Zusammenhängen gründen, sollen zunächst die historischen Entwicklungslinien von Wohnraummiet- und Verfahrensrecht kurz nachgezeichnet werden, soweit sie Einfluß auf die Herausbildung des Rechtsentscheids hatten. Die Betrachtung beginnt mit dem durch das Bürgerliche Gesetzbuch geschaffenen Rechtszustand). 1. Anfinge des Mieterschutzes im wilhelminischen Deutschland a) Mietrecht und Mietprozeß nach den Grundkonzeptionen von BGB und ZPO
Wie die meisten anderen Teile des BGB sind auch die Bestimmungen über die Miete, insbes. von Wohnraum, Ausdruck der geistig-politischen Haltung im Deutschland der Gründerzeit. Geprägt von der Vorstellung des Liberalismus, der sich gegenüber der Revolution von 1848 bereits im wesentlichen zu einem reinen Wirtschaftsliberalismus entwickelt hatte, stand die Sicherung ökonomischer Betätigungsfreiheit des Einzelnen im Mittelpunkt legislativen Anliegens. ) Da das Mietrecht im wesentlichen den allgemeinen Regeln des Gerichtsverfassungs- und Prozeßrechts unterworfen war und keine Sonderstelhmg einnahm, ist eine Betrachtung der deutschen Partikularrechte entbehrlich. Nur zum besseren Verständnis verfahrensrechtlicher Regelungen soll tiefer auf das materielle Mietrecht eingegangen, im übrigen darf auf die umfassenden Monografie von Walter, Mietrechtlicher Bestandsschutz, 21 ff. und passim verwiesen werden.
Kap. I: Anwendungsbereiche des RE-Modells
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Sie fand im Grundsatz der Privatautonomie, verstanden als weitestgehend unbeschränkte Vertragsfreiheit, ihren deutlichsten Ausdruck, flankiert vom verfassungsrechtlichen Schutz des Eigentums2. In diesem Geiste steht auch die Konzeption des Mietrechts innerhalb des BGB. Zwar fand zwischen dem von der Pandektistik geprägten Vorschlag der l. Kommission und dem stark durch die (Justiz-)Praxis beeinflußten 2. Entwurf eine gewissen Abschwächung der radikal wirtschaftsliberalen Fassung Gesetzbuchs statt. Prinzipiell blieb es aber bei der Vorstellung gleichstarker, paritätischer Vertragspartner, die ihren Kontrakt selbständig auszuhandeln vermochten. Korrekturmöglichkeiten gegenüber dieser gewünschten, aber kaum wirklichen Ausgangslage der Parteien eines Wohnraummietvertrags wurden daher auch nicht im konkreten Regelungsgerüst der Miete, sondern in allgemeinen Vorschriften, namentlich gegen den Rechtsmißbrauch, gesehen. Wollte man überhaupt erste soziale Schutzvorschriften im ursprünglichen Mietrechtskonzept des BGB erkennen, so ist in erster Linie § 571 BGB 3 zu nennen, der das Mietverhältnis trotz des Grundsatzes der Relativität des Schuldverhältnisses vom Eigentümerwechsel ablöste. Daneben traten bestimmte Anforderungen an die Kündigung des Mietvertrages, um einen allzu kurzfristigen Verlust der Wohnung zu verhindern. Außerhalb des BGB wurde auf Anregung aus dem Reichstag noch der Vollstreckungsschutz nach § 721 ZPO eingeführt, der auf Antrag des Mieters die gerichtliche Gewährung einer angemessenen Räumungsfrist sicherstellte. Damit hatte es bei Inkrafttreten des BGB sein Bewenden. Die nur schwache gesetzliche Ausprägung des Mieterschutzes ist allerdings nicht nur auf die politischen Rahmenbedingungen der Zeit zurückzuführen. Anders als heute scheint es, als hätte sich im letzten QuartaI des 19. Jahrhunderts die ausgeprägt enge Beziehung des Mieters zu "seiner" Wohnung erst langsam entwickelt. Die fortschreitende Industrialisierung und der wirtschaftli-
Wolter, 79 Wld passim. Die übrigen, ebenfalls als ,,sozialpolitisch" bezeichneten zwingenden Bestimmungen des BGB-Mietrechts enthalten Regelungen, die lediglich eine gewisse Begrenzung der Vertragsfreiheit bedeuteten, z.B. § 540: Unwirksamkeit des Gewährleisttmgsausschlusses bei arglistigem Verschweigen des Mangels durch den Vennieter, § 544: Kündigungsmöglichkeit des Mieters bei akuter Gesundheitsgefährdung durch die Wohnung; §§ 559 S. 3, 560 S. 2: Ausschluß bzw. Einschränktmg des Vermieterpfandrechts bei unpfllndbaren Sachen; §§ 566, 567: Fonn des Grundstücksmietvertrages bzw. Höchstdauer der Miete. AnflInge eines gesetzgeberisch intendierten Mieterschutzes wird darin nur sehen können, wer demgegenüber die schrankenlose Privatautonomie der Zivilrechtsordnung bejaht Kritisch äußerten sich hier wie andernorts A. Menger, Das Bürgerliche Recht Wld die besitzlosen Volksklassen (1890) und 0. Gierke, Die sociale Aufgabe des Privatrechts (1893), 74 ff 2 Ebenso
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I. Entwickhmg und Entwicklungsbedingungen des Rechtsentscheids
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che Aufschwung im Deutschland des 19. Jahrhunderts hatten eine nach heutigen Maßstäben unvorstellbare Mobilität der Arbeiter und ihrer Familien - eben der typischen Mieter - zur Folge. In Berlin4 zogen zwischen 1879 und 1894 jährlich zwischen 43 % und 65 % der Bevölkerung in eine andere Wohnuni, veranlaßt durch eine variierende Familiengröße, günstigere Entfernung zum Arbeitsplatz bei noch unvollkommenem Nahverkehr, bessere Entlohnung und bezahlbare Miete6 . Erst zur Jahrhundertwende konsolidierte sich diese Situation, auch bedingt durch eine stärkere Bindung der Arbeiterschaft an den jeweils arbeitgebenden Betrieb. Nun trat ein intensiveres Wohnungsproblem auf, da die zunehmende Verstädterung des Lebens wie auch ein anhaltendes Bevölkerungswachstum dazu geführt hatten, daß eine den durchaus raschen Wohnungsbau7 übersteigende Nachfrage entstand. Wohnten 1871 noch 2/3 der Bevölkerung auf dem Lande, drehte sich dieses Verhältnis bis zum Jahre 1916 vollständig ums. Allein die Berliner Einwohnerzahl wuchs binnen sechzig Jahren von 400.000 auf 2 Millionen (1910)9. Der Umfang mietrechtlichen Bestandsschutzes erweist sich insoweit wohl auch als Spiegel des jeweiligen Wohnungsmarktes und der entsprechenden Angebots- und Nachfragesituation. Diesen tatsächlichen Verhältnissen und der liberalen Ausgestaltung des materiellen Mietrechts entsprach es auch, keine besondere verfahrensrechtliche Sicherung des Mieterschutzes zu schaffen. Der Mietprozeß wurde allgemein den Bestimmungen über den bürgerlichen Rechtsstreit unterworfen. Sachlich zu4 In Essen wechselten noch im Jahre 1900 binnen zwei Jahren SO % der Haushalte die Wohnung, vgl. Nipperdey, 145. 5 Die Gründe liegen in den zumeist nur kurzfristig eingegangenen Beschäftigungsverhältnissen, deren jederzeitige Lösbarkeit zunächst ftIr beide Seiten von Vorteil schien. Im Laufe eines Arbeitslebens wurde wiederholt die Tätigkeit gewechselt, der Arbeit und besseren Entlohnung gleichsam hinterhergezogen. Dies hatte im prosperierenden Ruhrgebiet zur Folge, daß ein - allerdings nur zaghafter - Werkswohnungsbau einsetzte, der die Beschäftigten an die Montan- und Stahl betriebe binden sollte, vgl. Kdmper, Wohnungswirtschaft, 68 tT. Mit ähnlichem Befund Nipperdey, 137, 142. 6 Auf diese vier Parameter bringt Nipperdey. 142 die nachweislich hohe Wohnungsfluktuation. 7 Seit der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts diente der Wohnungsbau nicht mehr in erster Linie dem Eigenbedarf, sondern der Kapitalanlage und dem Rentenbezug. Hauseigentum entwickelt sich zur Einkommensquelle, vgl. auch hierzu Nipperdey, 136 ff. S Die Gründe liegen in einem keineswegs kontinuierlichem Wirtschaftsaufschwung, den das Kaiserreich im letzten Quartal des 19. Jahrhunderts nahm. Zäsuren wir der sog. Gründerkrach 1873 und die Wirtschaftsstagnation bis Anfang der 90er Jahre wirkten sich auch auf den Wohnungsbau, der nahezu ausschließlich als private Sache angesehen wurde, aus. Dies änderte sich leicht durch den 2. Aufschwung, der von der Jahrhundertwende bis kurz vor Kriegsbeginn anhielt. 9 Auch außerhalb der Hauptstadt explodierte die Bevölkerung. Irn gleichen Zeitraum in Düsseldorf von 30.000 auf 360.000, in Chemnitz von 30.000 auf 290.000; Zahlenmaterial bei Kämper. 46 tT.
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Kap. I: Anwendungsbereiche des RE-Modells
ständig war gern. § 23 Nr. 2a GVG das Amtsgericht, da die zu erwartenden Streitigkeiten sowohl "dinglicher und zugleich einfacher Natur" seienJO • Da § 38 CPO in der damaligen Fassung noch jegliche Prorogation ll erlaubte, wurde regelmäßig der Wohnsitz des Vermieters als Gerichtsstand vereinbart, so daß die Begründung der sachlichen Zuständigkeit wie auch des Gerichtsstands nach der Belegenheit der Mietsache praktisch von den Vorgaben der Reichsjustizgesetze abwich. Nachdem die Vermieterverbände auch in den zaghaften Schutzansätzen des BGB noch zu weitreichende Eingriffe in ihre Eigentümerpositionen sahen, wurde die konkrete Vertragsgestaltung der Parteien seit 1900 zumeist durch Fonnularvereinbarungl2 vorgenommen, dessen rechtliche Gültigkeit von den Gerichten selten in Zweifel gezogen wurde. Einem weithin dispositiven\3 Mietrecht der Zivilrechtskodifikation stand so in der Praxis ein ausdifferenziertes Vertragswesen gegenüberl4 , das kaum den Vorstellungen des Gesetzgebers vom autonomen Aushandeln der Vertragsbedingungen entsprach. Ein durch den sog. 2. Gründerboom l5 ausgelöster intensiver - rentabler - Wohnungsbau konnte die Defizite dieser Rechtslage einige Jahre verschleiern, schien der Wohnungswechsel doch jedenfalls grundsätzlich möglichl6 • Bestand danach zunächst weniger ein quantitatives Wohnungsproblem, so wurde die
10 C. Hahn, Motive 1,69. Dieselbe Bestinunung fand sich in Art. 6 Ziff. I Bayr.CPO, älmliche Bestinunungen hatten zahlreiche Partikularrechte. Die Motive des Regienmgsentwurfs betonen an dieser Stelle ausdrücklich, daß die Pachtverhältnisse von dieser Regelung nicht erfaßt würden. Für sie sollte die gerichtliche Erstzuständigkeit streitwertabhängig bestinunt werden. 11 In Fortfilhrung bereits bestehender Partikularbestinunungen und als Umsetzung der Parteiautonomie auch im Zivilprozeß, wie die amtl. Begründung betont, vgl. C. Hahn, Motive II, 160. 12 Der dann auch gleich einen zusätzlichen Katalog von KÜIldigungsgründen und fristen vorsah, da die entsprechenden Vorschriften des BGB als dispositiv angesehen wurden. Die Rechtsprechung erlaubte dies mit ganz wenigen Ausnahmen, vgl. aber AG Manchen, DJZ 1911, Sp. 460. 13 Ausgenommen waren aber u. a. die §§ 540, 541, 544, 559, 560 S.2, 567, 570 BGB, vgl. schon Fn. 3. 14 Wesentlichen Anteil an dieser Praxis hatte der Centralverband der Haus- und Gnmdbesitzer Deutschlands, der seinen Mitgliedern schon vor Inkrafttreten des BGB einen Mustervertrag zur Verfl1gung stellte, der insbes. einen gegenüber den gesetzlichen Vorschriften erheblich verschärften Katalog von KÜIldigungsgründen enthielt; vgl. Brackner, 198 ff. ; später im selben Tenor Unger, JW 1918, 134. 15 Etwa seit 1896, vgl. zum Wohnungsbau Hdring, 11 ff. 16 Einschränkungen müssen allerdings auch hier filr den Bereich der Arbeiterwohnungen gemacht werden. Es fehlte zumeist an preisgÜIlstigem, ausreichend großem Wohnrawn; zu hohe Mieten fiUuten sodann zum Phänomen der sog. ,,schlafgänger". Dabei handelte es sich wn - meist familienfremde - Personen, die lediglich einen Schlafplatz in einer Wohnung gemietet hatten; vgl. zum ganzen Nipperdey, 136, 142 ff. mit umfassender Erläutenmg der sozialen Spannungslage dieser Wohnsituation; ähnlich aus juristischem Blickwinkel schon Klang, Verhandlungen, 192, 196.
I. EntwicklWlg Wld EntwicklWlgsbedingWlgen des Rechtsentscheids
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qualitative Wohnungssituation in den Ballungsgebieten bereits zu Beginn des 20. Jahrhunderts als dramatisch angesehen und Abhilfe gefordertl7 . In Ennangelung eigener Kompetenz in diesem Gebiet l8 , mußte es die Reichsregierung jedoch bei Appellen und Ralunenvorgaben rur die Länder belassen. Letztlich beherrschte die "altliberale Nichtinterventionspolitik"19 auch das Gebiet der Wohnungswirtschaft. Zu einer substanziellen Änderung der Wohnsituation in den Ballungsgebieten kam es bis zum Jahre 1914 nicht mehr. Die Wohnungssituation verschlechterte sich in Deutschland nach Beginn des 1. Weltkriegs weiter. Schließlich hatte die weitreichende Militarisierung des öffentlichen Lebens den vollständigen Zusammenbruch der Wohnungswirtschaft zur Folge. Schien zunächst zumindest noch ausreichend Wohnraum vorhanden zu sein20, so kam alsbald der Wohnungsneubau zum Erliegen. Baufachkräfte leisteten Kriegsdienst, Kapital war durch Kriegsanleihen gebunden. Eine fortschreitende Landflucht, insbesondere in die Zentren der Kriegsindustrie, drohte zum Kollaps des Wohnungsmarktes zu fUhren. Vor diesem - freilich schon vor Kriegsbeginn festzustellenden - Hintergrund wurden alsbald erste Maßnahmen ergriffen, um auch in den Bestand und die Abwicklung bestehender Mietvereinbarungen eingreifen zu können und einen vorsichtigen Mieterschutz zu gewährleisten21 .
b) Kriegsbedingter Mieterschutz bis 1917 Eine der ersten Maßnahmen der Kriegsgesetzgebung in Deutschland bestand darin, die wirtschaftliche Leitung den nun veränderten politischen Umständen
17 Nipperdey, 142, 146 f. betont die hygienischen Mangelzustände Wld die gerade im MietwohnWlgsbereich katastrophalen Überbelegmtgen. Um die JahrhWldertwende lebten in Hamburg wie in Berlin noch rWld 10 % der BevölkerWtg in reinen KellerwohnWlgen; vier Fünftel der ungelernten Arbeiter in Berlin in Wohnungen mit nur einem beheizbaren Zimmer. Am Wlteren Ende der sozialen Skala drohte seines Erachtens durch- . aus eine VerslwuWlg, die mit den Mitteln des Marktes nur unzureichend behoben werden konnten; ähnlich auch Petersen, 23. 18 Nach der ReichsverfassWlg v. 1871 gehörte die WohnWlgsfürsorge nicht in die Zuständigkeit des Reichs, Art 4 RY. 19 Nipperdey, 147, der allerdings darauf hinweist, daß in den 90er Jahren des letzten Jahrhunderts wenigstens komrnWlale Wohnungsinspektionen und die Festlegung von Gesundheitsstandards üblich wurden. 20 Durch den Fortzug von Ausländern nach Kriegsbeginn, die sinkende Zahl von EheschließWlgen, sodann auch durch HaushaltszusammenlegWlgen, vgl. Petersen, 25. 21 Daneben traten allererste Initiativen staatlicher FörderWtg des sozialen WOhnWlgSbaus, die allerdings unter der zunehmend kriegsbedingten Mangelwirtschaft alsbald ebenfalls wieder zum Erliegen kam, vgl. Nipperdey, 148.
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Kap. I: AnwendWlgsbereiche des RE-Modells
anzupassen. Infolge einer Generalennächtiguni2 wurde mittelbar auch in das Mietrecht eingegrifIen23 • Bereits wenige Wochen nach der deutschen Kriegserklärung erging eine Verordnung, durch die zum Schutze der Kriegsteilnehmer und ihrer Angehörigen alle bürgerlich-rechtlichen Streitigkeiten, in denen ein Kriegsteilnehmer Partei war, unterbrochen oder auszusetzen waren24 • Im darauffolgenden Jahr wurde ebenfalls auf diesem Wege angeordnet, daß den Kriegshinterbliebenen ein unentziehbares Kündigungsrecht zustehe 5 • Diese beiden Beispiele zeigen, daß durch den allgemeinen Militärdienst und die Umstellung auf Kriegsökonomie - mit einer daraus folgenden veränderten Wirtschaftsstruktur Deutschlands - auch von Seiten der Reichsregierung Eingriffe in bestehende Rechtsbeziehungen für erforderlich gehalten wurden. Auf diesem Wege erfuhr das bis dahin streng der Vertragsfreiheit unterworfene Wohnraurnmietrecht des BGB - wenn auch in besonderer politischer Situation - erste Reduktionen, die als vorsichtige Grundlage einer künftigen Mieterschutzgesetzgebung bezeichnet werden können26 •.
22 Gesetzliche GrWldlage der kriegsbedingten Eingriffe in die RechtsordnWlg war die Generalklausei in § 3 des Gesetzes zur Enndchtigung des Bundesrats zu wirlschaftlichen Maßnahmen v. 4.8.1914, RGBl. 327, derzufolge der BWldesrat filr die Dauer des Krieges befugt war, diejenigen Maßnahmen, die sich zur ,,Abhilfe wirlschaftlicher Schädigung als notwendig erweisen" , zu ergreifen. Gegenüber dem Reichstag bestand lediglich eine Berichtspflicht; nur auf Verlangen des Reichstags mußten solche Maßnahmen zurückgenommen werden, s. auch DJZ 1915,875. 23 Wie die mietrechtliche Problematik im Krieg überhaupt alsbald Gegenstand rechtspolitischer ErörterWlg wurde, vgl. z. B. Mittelstein, JW 1915, 1327 ff 24 VO v. 4.8.1914, RGBl. 328. 25 VO v. 7.10.1915, RGBl. 642. Die RegelWlg war erforderlich geworden, weil die Hinterbliebenen gefallener Soldaten regelmäßig das SonderkündigWlgsrecht des § 569 BGB nicht ausüben konnten, da diese BestimmWlg - zwneist formularmäßig - abbedungen war. Zum Schutze der Hinterbliebenen, die ein billigenswertes wirtschaftliches Interesse an kurzfristiger LÖSWlg des Mietverhältnisses hatten, wurde daher aus der disv. positiven Anordnung des § 569 BGB eine zwingende Vorschrift, §§ 1, 3 7.10.1915. Hatte die Ehefrau den Mietvertrag zusammen mit dem Ehemann abgeschlossen, sollte § 569 BGB überhaupt nicht zur AnwendWlg gelangen, weshalb die Verordnung das Sonderkündigungsrecht erst schaffen mußte (§§ 2, 3). Die Verordnung war nicht unumstritten, wurde doch gerade der Vermieter in Notzeiten als der schwächere Vertragspartner angesehen, vgl. insoweit ausf Stillschweig, JW 1915, 1334 ff.; neutraler C. Stern, 10; W. Gross, 23 ff. Da sich der Gesetzgeber nicht dazu durchringen konnte, v. eine allgemeine RegelWlg zu erlassen, sondern den AnwendWlgsbereich der 7.10.1915 auf Todesfälle, die in unmittelbarem ursächlichen Zusammenhang mit dem Kriege standen, beschränkte, bot sie eine Fülle von Zweifelsfragen Wld einige soziale Brisanz. Hinterbliebene getöteter Zivilisten karnen danach erst gar nicht in den Vorzug der Verordnung, vgl. auch dazu Stillschweig, JW 1915, 1334 ff. sowie Harder, JW 1915,1389,1390 WldBreslauer, JW 1915, 1390. 26 Schon Hertel, 1; ebenso Weiß, 39; ähnlich Petersen, 25.
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I. Entwicklung und Entwicklungsbedingungen des Rechtsentscheids
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Die wohnungswirtschaftlichen Probleme erforderten aber jenseits dieser Eingriffe in das materielle Recht bestehender Verträge noch flankierende Maßnahmen. Ab dem Jahr 1916 bestanden weitreichende staatliche Beschränkungen des Wohnungsbaus27 , so daß kaum mehr Investoren zur Schaffung von Wohnraum bereit oder in der Lage waren. Neben die durch die Stagnation des Wohnungsbaus auftretenden makroökonomischen Schwierigkeiten der WohnraumversorgiUlg traten nun weitere, die den vorhandenen Bestand und die darüber getroffenen Vereinbarungen zwischen Vermietern und Mietern betrafen. War die erste Gruppe darauf angewiesen, durch regelmäßige Mietzahlung bestehende, die BaufmanzierUng sichernde Hypotheken zu bedienen28 und/oder aus dem Mietertrag den Lebensunterhalt zu bestreiten, wuchs für die Mieterseite das Interesse am Erhalt der angemieteten Wohnung ebenso wie - im Falle der Tötung des zum Kriegsdienst eingezogenen Partners - der Wunsch nach der Möglichkeit vorzeitiger Kündigung oder der Erlaubnis zur Untervermietung freier Räume. Zu Beginn des Krieges hatten überdies zahlreiche Vermieter ,,zunächst aus Patriotismus, alsdann notgedrungenerweise"29 den Mietzins gemindert, wollten oder mußten dann aber ab Mitte 1916 jedoch wieder erhöhen, teils auch über die sog. Friedensmiete des Sommers 1914 hinaus, um die zwischenzeitlichen Verluste wieder auszugleichen30 . Widersetzten sich Mieter diesem Ansinnen, so blieb den Vermietern fast zwangsläufig nur der Weg über eine Kündigung des Mietvertrages. Die so entstehende Gemengelage unterschiedlichster Interessen der Vertragsparteien wurde durch administrative Zielvorstellungen verstärkt, die darauf gerichtet waren, einerseits in der kriegsbedingten Mangelwirtschaft grundsätzlich marktwirtschaftliche Strukturen zu erhalten, zugleich aber auch einen stärkeren Schutz vor Verlust des Lebensurnfelds sicherzustellen. Mit zunehmender Dauer des Krieges nalunen die lenkungspolitischen Forderungen durch Absicherung des als schwächer erkannten Mieters zu. Dieses Ziel zu erreichen, wurden Eingriffsbefugnisse bis hin zu einer vollständigen Zwangsbewirtschaftung des Wohnraums erwogen; das entsprechende Instrumentarium wuchs mit Fortdauer des Krieges31 • Die Korrelation zum er-
27 Ab Herbst 1916 bestand quasi ein totales, militärisch bedingtes Bauverbot; vgl. C. Stern. 10; Petersen, 25. Dieses Faktum fand noch in den 20er Jahren in der mietrechtIichen Judikatur besondere Erwähnung, z. B. KG, JW 1925, 2622. 28 Vgl. insbes. C. Stern, 9. 29 C. Stern, 11. 30 Ders., ebda. An dieser Stelle sei nochmals auf den wirtschaftshistorischen Zusammenhang hingewiesen: Die rechtliche Entwicklung während des Krieges war unmittelbare Folge des Funktionswandels, den der Wohnungsbau seit der 2. Hälfte des 19. Jahrhunderts durchlaufen hatte. Das Errichten und Verkaufen bzw. Vermieten von Wohnraum diente seitdem verstarkt als rentable Anlageform. 31 Dies übrigens nicht nur in Deutschland oder den kriegführenden Staaten, sondern auch in neutralen Ländern in ähnlicher Weise. Einen instruktiven Überblick zur Ent-
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Kap. 1: AnwendWlgsbereiche des RE-Modells
starkenden Mieterschutz liegt auf der Hand: schließlich kam die Reichsregierung nicht umhin, Maßnahmen zu ergreifen, um die auch in Deutschland ermüdende Kriegsbegeisterung Wld Siegeszuversicht aufrechtzuerhalten. Diese Entwicklung spiegelt sich auch in den legislativen Schritten zur verfahrensrechtlichen GestaltWlg der Mietstreitigkeiten. c) Einrichtung undAufgaben der Einigungsämter
Zu den ersten Maßnahmen in diese RichtWlg zählte die gesetzliche RegelWlg über die sog. EinigWlgsämter (EA)32 durch Bekanntmachung v. 15.12.191433 . Die - kaum zu überschätzende - Aufgabe dieser EinrichtWlgen bestand mancherorts schon vor dem Kriege darin, zwischen den Parteien eines Mietvertrags bzw. der Hypothekenvereinbarung zu vermitteln Wld einen "billigen Ausgleich" in Konfliktflillen zu suchen. Daneben waren sie berufen, in bestimmten gerichtlichen Streitigkeiten über Wohnraummietverhältnisse für die zuständigen Gerichte gutachterlich tätig zu werden; insoweit kam den Ämtern eine Sachverständigenposition ZU34. Organisatorisch sollten die Ämter bei den GemeindeverwaltWlgen eingerichtet werden. Zuständig konnte diese besondere SchlichtWlgsstelle bereits dann sein, wenn sich irgendein rechtlicher oder wirtschaftlicher Bezug zum Mietrecht herstellen ließ. Eine sachliche BeschränkWlg auf Wohn- oder GeschäftsraumüberlassWlg bestand mangels näherer gesetzlicher RegelWlg nicht. Da ihre Aufgabe jedoch in erster Linie in der VermittlWlg bestand, herrschte Einigkeit darüber, daß sie kein Recht sprechen oder Urteile erlassen konnten35 . Unter Hinweis auf die bestehende Rechtslage, aber auch Wlter Einschluß wirtschaftlicher Wld sozialer wicklWlg der WohnWlgszwangswirtschaft in Europa zwischen 1900 Wld 1920 bietet Klang, VerhandlWlgen, 192, 195 tT. 32 Die BezeichnWlg ,.}.1ieteinigungsamt" (MEA) starrunt erst aus dem Jahre 1922, ist seither aber Synonym fllr diese Einrichtwtg, auch fllr die Zeit seit der ersten gesetzlichen RegelWlg. 33 RGBI. 511. 34 Hintergrund dieser RegelWlg war die Verordnung über die gerichtliche Bewilligung von Zahlungsfristen v. 7.8.1914 (RGBl. 359), die auch fllr Mietforderilllgen galt. Danach konnte das Gericht in Zivilrechtsstreitigkeiten mit VerkündWlg des Urteils dem Beklagten eine ZahlWlgsfrist von max. drei Monaten einräumen, wenn die Forderwtg vor dem 31. 7.1914 entstanden war Wld die Lage von Schuldner Wld Gläubiger diesen Aufschub rechtfertigte. Die VerordnWlg diente wtmittelbar dem Schutz der kriegsteilnehmenden Schuldner. Sie wurde im Laufe des Krieges mehrfach verlängert, die Dreimonatsfrist im Sonuner 1916 im Hinblick auf das Kriegsgeschehen auf sechs Monate verlängert Wld vom Stichtag 31.7.1914 abgelöst. Die EinigWlgsämter hatten gutachterIich zur Frage der RechtfertigWlg des ZahlWlgsaufschubs im konkreten Falle StellWlg zu nehmen. 35 Vgl. nur W. Gross,22.
I. Entwicklung und Entwicklungsbedingungen des Rechtsentscheids
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Erwägungen sollten die Vertragsparteien unter Mitwirkung des Einigungsamts eine Lösung ihres Mietkonflikts, beispielsweise durch eine angemessene neue Vereinbarung, treffen. Jedoch war der so vor dem Einigungsamt geschlossene Vergleich in Ermangelungjeglicher Gerichtsqualität nicht vollstreckbar. Personell war das Einigungsamt mit einem Juristen, der die Befähigung zum Richteramt besaß, sowie je einem Mieter und Vermieter zu besetzen. Im Hinblick auf die beschriebene Funktion stand ihnen nach der Bekanntmachung v. 15.12.1914 nur ein begrenztes Instrumentarium zur Verfügung. Immerhin konnten sie durch die Verhängung von Ordnungsgeldern das Erscheinen der Parteien zur Verhandlung erzwingen sowie sich die Richtigkeit der Angaben und Aussagen an Eides Statt versichern lassen. Die Aufgabe der Ämter erschöpfte sich aber zunächst in einer Entlastung oder Unterstützung der - durch den Kriegsdienst erheblich verkleinerten - Justiz. Außerdem versprach man sich von der Schaffung einer Schlichtungsstelle auch die Vermeidung gerichtlicher Auseinandersetzungen36 .
d) Die Mieterschutzverordnungen v. 26.7.1917 und 23.9.1918 Im Laufe des Krieges wurden die ursprünglich schmalen Kompetenzen der Einigungsämter deutlich ausgeweitet, insbesondere erhielten sie durch die Bekanntmachung zum Schutze der Mieter v. 26.7.1917 (MSchvoi 7 erste Entscheidungsgewalf8 . Hintergrund dieser Kompetenzerweiterung waren die eingangs beschriebenen wirtschaftlichen Probleme, verstärkt durch häufigere Versuche von Vermietern, aus der spürbaren Wohnungsknappheit Kapital zu schlagen. In der Annahme, daß in erster Linie der unveränderte Fortbestand abgeschlossener Mietverträge das Wohnungsproblem lösen könne, wurden zusätzliche Eingriffe in die Vertragsfreiheit rur zulässig erachtef9 . Die bis dahin auf Vermittlung beschränkte Aufgabe der Einigungsämter wurde daraufhin zu einer Spruchtätigkeit ausgestaltet40 . So konnten sie fortan in bestehende Mietverhältnisse eingreifen und auf Antrag des Mieters über die Wirksamkeit einer
So ausdlÜcklich C. Stern, 9. RGBI. 659. 38 Ober die Inhalte dieser Kompetenzerweitenmg vgl. W. Gross, 26 ff.; Weiß, S. 38 (1; Petersen, 26 f. 39 Zu den Erwägungen des Gesetzgebers vgl. Unger, JW 1915, 134, 135. 40 Vgl. die Begründung im Reichsanzeiger 1917, Nr. 178. Nur am Rande sei erwähnt, daß die Diskussion um die Ausweitung der Kompetenzen der Einigungsämter eine aktuelle Parallele aufweist. Im Rahmen des bereits angesprochenen obligatorischen Güteverfahrens, wie es der Entwurf des 2. RPflEntiG vorsieht, ist genau derselbe Punkt umstritten, denn die Einrichtung von Schlichtungsstellen ohne Kompetenzen (Entscheidungsbefugnisse) sei sinnlos, vgl. Barte/s, ZRP 1996,297,298. 36 37
Kap. I: AnwendWlgsbereiche des RE-Modells
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Vennieterkündigung41 und die Fortsetzung des Mietverhältnisses entscheiden; zugleich vennochten sie, für die Dauer der Fortgeltung des Mietvertrages den Mietzins zu bestimmen. Auf Antrag des Vennieters waren sie außerdem befugt, den mit einem Neu-Mieter im Vertrauen auf die Wirksamkeit der Kündigung abgeschlossenen Vertrag aufzuheben, wenn dessen Erfüllung durch die Anordnung der Fortdauer unmöglich wurde. Die Verordnung schuf mithin für die Ämter die Möglichkeit, durch ihre Entscheidungen unmittelbar auf bestehende Privatrechtsverhältnisse einzuwirken42 . Trotz dieser weitreichenden Kompetenzen sollten die Entscheidungen wie bisher allein "nach billigem Ermessen" geflillt werden (§ 3 Abs. 1 S. 1 MSchVO). Der so ennittelte Ausspruch des Einigungsamts war gern. § 3 Abs. 1 S. 2 MSch VO unanfechtbar, gleich ob eine Kündigung für unwirksam erklärt oder die Fortdauer des Mietverhältnisses angeordnet wurde. Traf das Einigungsamt eine inhaltliche Entscheidung, so galt diese als vereinbarte Bestimmung des Mietvertrages. Gemeinsam mit der MSchVO trat eine ergänzende Verfahrensordnung in Kraft. Den so gewachsenen Kompetenzen entsprach die Ausgestaltung des einigungsamtlichen Verfahrens jedoch nicht. Die (Reichs-) Verordnung setzte nur einen Ennächtigungsrahrnen, beließ es jedoch bei dem Grundsatz der Entscheidungsfindung nach billigem Ennessen. Konkrete Kriterien, an denen das Ermessen ausgerichtet werden konnte, wurden den Ämtern nicht in die Hand gegeben. Fast zwangsläufig mußte deren Spruchpraxis in der Folgezeit auseinanderdriften. Die Fixierung des Reichsgesetzgebers auf ein weithin flexibles, kontrollarmes Verfahren einschließlich Entscheidungskompetenz stand der Herausbildung einer einheitlichen Spruchpraxis von Anfang an entgegen. Die Ausgestaltung des Verfahrens durch den Gesetzgeber läßt sich nur dadurch erklären, daß die Regelungen stets in der Vorstellung geschaffen wurden, es handele sich um Übergangsrecht, das keiner Harmonisierung durch Entscheidungsvereinheitlichung bedürfe. Inhaltliche Schwächen43 der MSchVO, wie beispielsweise ihre Unanwendbarkeit auf Zeitrnietverträge, die nach dem 26.7.1917 vennehrt abgeschlossen wurden, oder die Beschränkung auf Kündigungen wegen Mietsteigerungen, sollten durch die Bekanntmachung zum Schutze der Mieter v. 23.9.1918 (Novelle zur MSchVOt 4 überwunden werden45 • Zugleich erhielten die EinigungsAllerdings beschrankt auf den KÜI1digWlgSgTWld der MieterhöhWlg. Deshalb wurden sie jetzt erstmalig als ,~ondergerichte in Mietsachen" bezeichnet, vgl. W. Gross,27. 43 Dazu im einzelnen Unger, JW 1915, 134 ff. 44 RGBI. I 1140. Zugleich trat die Verordnung über Maßnahmen gegen den Wohnungsmangel v. 23.9.1918 in Kraft, RGBI. I 1143. Sie regelte die öffentlich-rechtliche Seite des WohnWlgsproblems, in dem erste Schritte zu einer Zwangsbewirtschaftung des 41
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1. EntwicklWlg Wld EntwicklWlgsbedingWlgen des Rechtsentscheids
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ämter zusätzliche Kompetenzen46 , die weitere Eingriffe in die privatautonome Gestaltung des Mietvertrages bedeuteten. So waren die Ämter fortan auch fiir Verlängerungsbegehren sowie die Ersetzung der Untervermietungserlaubnis zuständig47 • In einzelnen Gebieten des Deutschen Reiches, in denen die Wohnungsnot besonders groß war, schuf die Novelle allgemeine Eingriffsermächtigungen. Dort konnten fortan sämtliche vermieterseitigen Wohnraumkündigungen dem Zustimmungserfordernis des Amtes unterworfen werden48 , bisweilen bestand auch eine Anzeigepflicht bei Neuvermietung, wenn der vereinbarte Mietzins höher war als jener, den der vorherige Mieter zu zahlen hatte. Außerdem sollten befristete Mietverträge automatisch als verlängert gelten, wenn nicht der Vermieter rechtzeitig vor Ablauf die Zustimmung des Einigungsamtes zur Beendigung des Mietverhältnisses eingeholt hatte. Mancherorts konnten die Ämter schließlich noch zur Überprüfung der Mietzinsbildung und angemessener Herabsetzung desselben angerufen werden. Ein reichsweites, generelles Genehmigungsbedürfnis bei Kündigungen bestehender Mietverhältnisse wurde indessen nicht eingefiihrt49 . Nach wie vor bestand die Hoffnung, alsbald zum "Normalzustand" des BGB zuriickzukehren50 . Ein Wunsch, der bis zur natio-
WohnWlgsbestandes getan wurden. - Zuvor hatte es noch dirigistische Maßnahmen regionaler Anneefilhrungen gegeben, die seit Beginn des Jahres 1918 durch AnordnWlgen aufgfWld des Gesetzes über den Belagenmgszustand versuchten, Lücken der MSchVO zu schließen, so durch eine Kopps-Verordnung v. 30.4.1918 (RArbBI. 1918,532), durch die jegliche KündigWlg Wld MietzinssteigefWlg ohne ZUStimmWlg des EinigWlgsamts im Bereich der Befehlsgewalt bestimmter Anneekorps untersagt Wld das Nichtvennieten von Wohnräumen mit Strafe bedroht wurde; vgl. zu den Anordnungen Recht u. Wirtschaft 1918,136. 45 Einen Überblick über die ÄnderWlgen bietet C. Stern, JW 1918, 726 fI 46 Eine knappe - zeitgenössische - Übersicht bei EbellLilienthal, Mieterschutzgesetz,
XI, XII. 47 Insoweit konnten sie auf Antrag des Mieters auch die VerlängefWlg von befiisteten Mietverhältnissen um maximal ein Jahr anordnen. Ausgenommen waren lediglich einvernehmliche Vertragsaufhebungen der Mietparteien; vgl. C. Stern, JW 1918,726. 48 Nach der MSch VO hatten einige Länder des Reiches, teilweise auch Kommunaloder Militärbehörden weitergehende Schutzregeln ftlr Mieter erlassen, an deren Verfassungsmäßigkeit wegen des Eingriffs in das BGB erhebliche Zweifel bestanden. Diese sollten durch die vom Reich ausgehende Verordnung beseitigt werden. Deshalb wurde zugleich auch die Verordnung über den Wohnungsmangel v. 23.9.1918 erlassen, die im wesentlichen zwangswirtschaftlichen Charakter hatte; vgl. C. Stern, 12 f. Zur Problematik dieser Normsetzung am Beispiel der Anordnung, betr. die Einführung einer HßchstgrenzeftJr Mietzinssteigerungen v. 9.12.1919 vgl. Anschütz, JW 1920,339. 49 Ein gravierendes Versäumnis der Mieterschutzregelungen, denn die Initiative zur Anrufung des Einigungsamtes mußte im KündigWlgsverfahren stets vom Mieter ausgehen und unterlag einer einwßchigen Ausschlußfiist, die nicht selten aus Unkenntnis versäumt wurde. Ein generelles GenehmigWlgserfordernis hätte diese Sachlage umgekehrt. 50 W. Gross, 31; ebenso Unger, JW 1918, 134.
4 Willingmann
Kap. 1: Anwendungsbereiche des RE-Modells
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nalsozialistischen Machtübernalune nicht mehr in Erfullung gehen sollte und letztlich erst in den 70er Jahren wieder Wirklichkeit wurde. Neben den materiellrechtlichen Veränderungen, die die BGB-Bestimmungen verdrängten, wurde zugleich eine aktualisierte Anordnung für das Verfahren vor den Einigungsämtern erlassen51 • In ihr erfuhr der Sitzungsablauf nähere Regelung, zugleich umriß sie die Kompetenzen des Vorsitzenden, aber auch die Beteiligungsrechte der Parteien durch die Sicherstellung rechtlichen Gehörs oder die Möglichkeit der Ablehnung von Mitgliedern des MEA. Erstmalig konnten nun auch vor der Entscheidung einstweilige Anordnungen getroffen werden (§ 8). Diesen Verbesserungen der verfahrensrechtlichen Ausgestaltung stand jedoch die fortschreitende Rechtszersplitterung durch Entscheidungsdivergenzen zwischen den zahlreichen Einigungsämtern gegenüber. Diese Problematik ging der Gesetzgeber mit der Novelle und den Änderungen im Verfahrensrecht hingegen nicht an. Bei Kriegsende und in den Anfangsjahren der Weimarer Republik bestanden die Regelungen zur Wohnraummiete zum großen Teil aus einem reichs- und einzelstaatlichen Notrecht52, sowohl in einer öffentlich-rechtlichen Ausprägung in Form der Wohnungsmangelverordnungen als auch in Privatrecht regelnder Gestalt, der Mieterschutzverordnung. Diese war aber keineswegs aus einer grundsätzlichen Erkenntnis in die Notwendigkeit der Mieterfiirsorge, etwa aus sozialen Gesichtspunkten, gewachsen53 . Dagegen spricht bereits die stets nur provisorische Regelung der Materie54 , von der man sichjedesmal erhoffie, daß alsbald wieder die Bestimmungen des Bürgerlichen Gesetzbuches volle Geltung erlangen kännten55 • Zugleich war die Effektivität der reichsrechtlich vor-
Vom 23.9.1918, RGBl. I 1146. Reichsrechtlich zählen dazu u. a. die SammelheizungsVO v. 2.11.l917122.6.1919, die Verordnung betr. die Abänderung von Preisen filr die Lieferung elektrischer Arbeit, Gas und Leitungswasser v. 1.2.1919/5.3.1919, 11.3.1920, 18.3.1920, die Verordnung zur Bekämpfung des Wuchers bei Vermittlung von Mieträumen v. 31.7.1919; aufLänderebene erließ insbesondere Preußen zahlreiche weitere Regelungen, vgl. dazu Rertel, 411 ff. 53 So auch schon Rertel, 4. 54 Äußeres Kennzeichen war die fast durchgängige zeitliche Befristung der legislativen Maßnahmen. 55 Vgl. Brandis, AcP 121 (1923), 171, 176; Weiß, 42. Bemerkenswert sind in diesem Zusammenhang die Verhandlungen des 33. Deutschen luristentags, der 1924 in Heidelberg stattfand, sowie die Ausftlhrungen in den gängigen Großkomrnentaren der Zeit, namentlich zum BGB. Die DJT-Gutachter Ruth und Klang, die filr den luristentag lediglich Berichte vorlegen konnten, forderten übereinstimmend die Abschaffung der Zwangswirtschaft, räumten aber ein, daß die Rückkehr zum BGB erst nach Konsolidierung des Wohnungsmarktes möglich sei, vgl. Ruth, Verhandlungen, 165, 191f; Klang, Verhandlungen, 168. Ähnlich die Rechtswissenschaft: So fmdet sich u. a. noch bei So51
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I. EntwicklWlg Wld EntwicklWlgsbedingoogen des Rechtsentscheids
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gesehenen Schutzmaßnahmen weithin von der Umsetzung durch die Landesgesetzgeber abhängig, die - je nach Umfang der Wohnungsnot - sehr unterschiedlich ausfiel. Die ersten Schritte in Richtung auf einen Mieterschutz entsprachen weit mehr dem politischen Anliegen, in der Zeit des Krieges keine zusätzliche Beunruhigung in großen Teilen der Bevölkerung aufkommen zu lassen56 . Wurde schon 1913 von einer Kommission des Reichstags in der qualitativ schlechten Wohnsituation eine Gefahr fiir die "Wehrfähigkeit des Volkes" gesehen57 , so waren durchaus Folgen fiir den sozialen Frieden zu befiirchten, wenn zur psychischen und materiellen Belastung durch die Fortdauer der Krieges auch noch der Wohnungsmarkt dem freien Spiel der Marktkräfte überlassen worden wäre. Insoweit kann in der Ausbildung eines besonderen Mietrechts und eigener Verfahrensinstitutionen jedenfalls ein Spiegel der gesamtpolitischen Situation im Kaiserreich während des 1. Weltkriegs gesehen werden.
e) Anpassungen des Mieterschutzrechts nach Kriegsende aa) Ausdehnung der einigungsamtlichen Kompetenzen Die bereits vor der deutschen Kapitulation abzusehenden Wohnraumprobleme durch Übersiedlung in die Zentren des Reichs und den Rückstrom der Soldaten erforderten schon kurze Zeit nach Kriegsende weitere Maßnahmen von Legislative und Exekutive. Im Bereich des Mietrechts geschah dies durch die Verordnung zum Schutze der Mieter v. 22.6.J9Jfl8 , die abermals die einigungsamtlichen Kompetenzen erweiterte und nunmehr auch auf Mietverhältnisse über Läden und Werkstätten ausdehnte. Wesentlich fiir die Wohnraummiete wurde das Zustimmungserfordernis des Einigungsamtes bei allen Zwangsvollstreckungsmaßnahmen vor und nach (amtsgerichtlichen) Räumungsurteilen. Von diesem Zeitpunkt an hatten die Ämter regelmäßig einen doppelten bis dreifachen Zugriff auf die streitigen Mietverhältnisse59 . Zunächst bei der obligatorischen Zustimmung zur Beendigung desselben, sodann nochmals, wenn trotz entsprechender Entscheidung des MEA der Vermieter erst
ergel-Scheifling, 3. Autl 1926, Vor § 535 die HotTnWlg, daß bei ,,Eintritt normaler Verhtiltnisse" die ursprünglichen BGB-Bestimmungen über das Mietrecht wieder AnwendWlg fmden. 56 Ebenso Pergande, 34. 57 Entwurf zu einem ReichswolmWlgsgesetz zur Verbesserung der Wolmungsverhältnisse im allgemeinen Wld der der minderbemittelten Klassen im besonderen", zit. bei Petersen,23. 58 RGBl. 591. 59 Hauswald. PrVerwBl. 42, 453 spricht von "drei Riegeln (00')' die zum Schutze der Mieter vor die bisher (00') noch gültigen Vorschriften des BGB und der ZPO vorgeschoben sind". 4'
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Kap. 1: Anwendungsbereiche des RE-Modells
klageweise einen gerichtlichen Räumungstitel erwirken wollte6O • Schließlich erneut, wenn aus dem Räumungsurteil gegen den Mieter vollstreckt werden sollte61 • In allen Fällen war die MitwirkWlg durch vorherige Zustimmung des Mieteinigungsamtes erforderlich. Problematisch an den seit 1914 kontinuierlich gewachsenen, den steigenden Wohnungsproblemen angepaßten Kompetenzen der Einigungsämter blieb trotz Erlasses entsprechender Anordnungen das nur ansatzweise geregelte Verfahren. das zudem einem ausdrücklich gewollten Entscheidungsermessen unterlag62 . Hinzu trat, daß den Ämtern aus der Kriegszeit allzu oft nur provisorische, nach lokalen Besonderheiten wechselnde Rechtsgrundlagen zur Verfiigung standen, die ausschließlich an aktuellen (wohnungs-)politischen Bedürfuissen ausgerichtet waren63 . Eine allgemein akzeptierte, einheitliche Entscheidungsfmdung der zahlreichen SpruchsteIlen entstand nicht. bb) Kritik an der einigungsamtlichen Praxis und Korrekturbestrebungen Als besonderes Ärgernis wurde die seit 1917 bestehende Unanfechtbarkeit der einigungsamtlichen Entscheidungen64 angesehen65 , deren Umfang umstritten war66 und die per se die Gefahr barg, daß die Beschlüsse den Beteiligten als willkürlich erscheinen mußten. Die schon von Gesetzes her ungeordnete Rechtslage wurde durch eine unterschiedliche Spruchpraxis der Einigungsämter noch weiter zersplittert67 • So entstand gleichsam eine Grauzone des (Miet-) Rechts, die zu Mißtrauen aller beteiligten Gruppen gegenüber den Einigungsämtern fiihrte 68 . 60 Diese beiden Zustimmungserklärungen konnten allerdings in einem Verfahrensgang begehrt werden. 61 Rechtsgrundlage filr diese Kompetenzen des Einigungsamtes war einmal die 2. MSch VO, hinsichtlich der Zustimmungserfordernisse bei Räumungsbegehren aber die Wohnungsmangelverordnung v. 23.9.1918. Letztere mußte allerdings in den Ländern durch ministeriellen Erlaß umgesetzt werden. 62 Dies stellte auch das RG in seinem Urteil v. 16.11.1923 heraus, RGZ 107, 284, 286. 63 Das Mietrecht dieser Zeit wurde allgemein als ,,Notrecht" begriffen, verfolgte es doch zumeist kurzfristige politische Ziele, die auch in enger zeitlicher Befristung der Maßnahmen zum Ausdruck kamen, so u. a. in den MSch VO von 191811919, dem RMG und dem WMG von 1920. 64 § 7 Abs. 1 S. 3 MSchVO. Dazu auch RGZ 101, 115. 65 Vgl. Bavensiepen, DJZ 1919, Sp. 881,883. 66 Vgl. C. Stern, JW 1918, 726, 727 und die dortige Auseinandersetzung mit den Materialien. 67 Vgl. nur Brandis, AcP 121 (1923), 171, 176. 68 Zur Bewertung vgl. Roquette, MSchG, Einl., Rz. 10; ebenso Weiß, 42.
I. Entwicklung und Entwicklungsbedingungen des Rechtsentscheids
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Verschiedene Gruppen beklagten die politische Ausrichtung einigungsamtlicher Entscheidungen, die nicht nach rechtlichen Vorgaben und Maßstäben, sondern in Kenntnis des jeweiligen Vorsitzenden und seiner Anschauungen geradezu vorhersehbar waren. Dieser Zustand fand auch in der wissenschaftlichen Diskussion seinen Niederschlag69 . Schon frtih wurden daher Forderungen nach einer besseren - nachvollziehbaren - Ausgestaltung des Verfahrens, größeren Einflußmöglichkeiten der Parteien und Revisibilität der Entscheidungen erhoben. Gerade aus dem letztgenannten Problem heraus entstand ein lebhafter Streit darüber, ob in Ermangelung eines Rechtsmittels der Parteien wenigstens das Einigungsamt selbst fehlerhafte oder für unrichtig erkannte Beschlüsse aufheben könne7o . Das Reichsgericht hat sich in seinem Urteil v. 21.12.1921 71 mit dieser kontrovers erörterten Frage auseinandergesetzt72 • Im entschiedenen Fall war es dem Vermieter gelungen, durch unwahre Angaben die (für ihn obligate!) Zustimmung des Einigungsamtes zur Aufhebung des Mietverhältnisses und zur Räumungsklage zu erlangen. In Unkenntnis der falschen Angaben entschied das MEA, daß dem Vermieter das Recht zustehe, Räumung zu verlangen. Kurz darauf machte der Mieter dem MEA Mitteilung von der tatsächlichen Lage und begehrte eine neue Entscheidung, die unter Hinweis auf die neuen Tatsachen auch erlassen wurde. Parallel dazu erhob der Vermieter vor dem ordentlichen Gericht Räumungsklage, die in erster Instanz erfolgreich, in zweiter hingegen erfolglos war und so an das Reichsgericht kam. Dort reduzierte sich der Rechtsstreit auf die Frage, welche der beiden Entscheidungen des Einigungsamts Gültigkeit habe, da § 7 MSchVO 191873 anordnete, daß die Entscheidungen unanfechtbar seien. Die MSch VO enthielt allerdings keine Bestimmung darüber, ob auch das MEA selbst gehindert sei, die eigene Entscheidung aufzuheben. Das Reichsgericht nahm grundsätzlich zum Sinn der Unanfechtbarkeitsbestimmung in Mieterschutzsachen Stellung. Im Anschluß an eine frühere Entscheidung74 69 Brandis, Gruchots Beiträge, 67. Jg. 449; W. Gross, 40 f.; zusanunenfassend Petersen, 33. 70 Vgl. Haffener, JW 1921,1344; Stern, JW 1922,216 f.;Mal/er, JW 1924,2013 ff. 71 RGZ 103,314 fI 72 Die große Bedeutung, die das einigungsamtliche Verfahren in den 20er Jahren erlangt hat, zeigt sich auch in der Häufigkeit reichsgerichtlicher Entscheidungen auf diesem Gebiet Allein in der amtlichen Sanunlung fmden sich vier grundlegende Urteile zu Rechtsfragen des Mieterschutzverfahrens vor den Einigungsämtern, vgl. die Urteile v. 10.12.1920, RGZ 101, 115 zur Bindung der ordentlichen Gerichte an Beschlüsse des MEA; 10.1.1922, RGZ 103, 380 zur Rechtsprüfung durch das MEA; 31.3.1922, RGZ 104,244 zur Kompetenzabgrenzung zwischen Gerichten und Einigungsämtern; s. auch RG, Urt. v. 28.11.1924, DJZ 1925,432 zu lokalen Kompetenzerweiterungen . 73 MSchVO v. 23.9.1918, RGBI. 1140. 74 Urteil v. 7.12.1920, RGZ 101,53.
Kap. 1: Anwendungsbereiche des RE-Modells
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sah es den wesentlichen Grund für diese Bestimmung darin, rasch eine endgültige Entscheidung zu fällen und so eine sichere Rechtslage zwischen den Parteien herzustellen7s • Insoweit sperre § 7 MSchVa selbst eine Arglistklage der belasteten Partei wegen Erschleichens einer Entscheidung76. Da im einigungsamtlichen Verfahren jedoch ein Rechtsmittel der Parteien gänzlich fehle, verstoße es gegen das Gebot einer Entscheidung "nach billigem Ermessen", wenn in diesem Falle nicht einmal das Amt sich selber korrigieren könne77 . Das Reichsgericht zog in seinem Urteil die Ziele des einigungsamtlichen Verfahrens zur Begründung heran, nämlich eine rasche, an der (akuten) Wohnungspolitik ausgerichtete Entscheidung. Zugleich lehnte es den aus dem Zivilprozeßrecht bekannten Weg der actio doli wegen der Unanfechtbarkeitsbestimmung der MSch va ab, um schließlich zur Selbstaufhebungsbefugnis zu gelangen, deren Voraussetzungen aber eng an die der Arglistklage nach § 826 BGB angeknüpft wurden. Die Begründung des Selbstaufhebungsrechts fiel erkennbar schwer. In der Folge fehlte es nicht an kritischen Stellungnahmen, die zwar eine Änderung bei vorsätzlicher Täuschung, nicht aber bei bloßem error iuris des Einigungsamtes bejahten78 . Rechtssicherheit durch irrevisible Entscheidung blieb aber das kardinale Argument in dieser Debatte79 . Da das Reichsgericht bereits 192080 aus der Unanfechtbarkeitsbestimmung der MSchva auch eine Bindung der ordentlichen Gerichtsbarkeit an die Beschlüsse des Einigungsamtes gefolgert hatte81 , wurde die Bedeutung einigungsamtlicher Maßnahmen noch verstärld:. In ständiger Rechtsprechung hielt das Reichsgericht daran fest, daß die Funktion der Ämter im Ausgleich der unterschiedlichen Interessen von Mietern und Vermietern liege, die sie im öffentlichen Auf-
7S
RGZ 103,314,317.
76
Ebda.
77 Das RG bezeichnet das "billige Ennessen" als "den obersten Leitsatz der Rechtsprechung des MEA", RGZ 103, 314, 318. 78 Vgl. z. B. Stern, JW 1922,216 f. Stern argumentiert im wesentlichen von der materiellrechtlichen Seite her. Da auch der auf iniger Grundlage ergehende Ausspruch des MEA Bestandteil des Mietvertrages wird, stehe es danach nunnehr den Parteien zu, ihren Vertrag zu ändern, nicht aber dem Einigungsamt. Hingegen gelte fiIr dessen durch Täuschung erlangten Entscheidungen bereits, daß diese gar nicht Vertragsbestandteil würden, so daß hier das MEA weiterhin ändern dürfe. 79 Vgl. Mittelstein, JW 1922,581; krit. Will, JW 1922,581,582. 80 Urt. v. 1O.12.1920,RGZ 101,115. 81 Zwar räumte das Reichsgericht ein, daß das MEA nur innerhalb seiner Zuständigkeit, die der gerichtlichen Prüfung unterläge, tätig werden dürfe. Nach dem Sinn der MSchva sei an die Zuständigkeit der Ämter jedoch ein großzügiger Maßstab anzulegen, RGZ 101, 115, 116. Dies fortsetzend im Urt. v. 6.3.1922, RGZ 104, 155, 156.
I. EntwicklWlg Wld EntwicklWlgsbedingWlgen des Rechtsentscheids
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trage wahrnähmen, um der drohenden Obdachlosigkeit großer Bevölkerungskreise entgegenzuwirken82 . Auch durch die Rechtsprechung des Reichsgerichts blieb das Verfahren vor den Mieteinigungsämtem in dieser Nachkriegszeit ein schwer einzuordnendes Rechtsgebilde im Schnittpunkt behördlicher und gerichtlicher Funktionen. Von der rechtlichen Qualifizierung der Ämter hing aber ab, welches Verfahrensrecht, welche Grundsätze der Fallbehandlung zur Anwendung gelangten, aus welchem Rechtsgebiet Analogieschlüsse zulässig und inwieweit die Entscheidungen von der Justiz zu berucksichtigen waren. Daruber hinaus folgte aus der Qualifikation der Ämter auch deren staatsrechtliche Stellung83 , namentlich die Antwort auf die Frage einer Weisungsbindung. cc) Die Qualifikation der einigungsamtlichen Tätigkeit Im Jahre 1922 stellte sich das Reichsgericht84 auf den Standpunkt einer strikten Aufgabenteilung zwischen ordentlicher Gerichtsbarkeit und Tätigkeit der Einigungsämter. Auf Grundlage des - immer noch gültigen, wenn auch nur partiell anwendbaren - BGB-Rechts komme es dem Amtsgericht zu, über das Bestehen eines KÜDdigungsgrundes zu befinden, während die Frage der ErheblichkeitspIiifung des KÜDdigungsgrundes allein Sache des Mieteinigungsamtes sei. Die dabei dem MEA zufallende Aufgabe sei öffentlich-rechtlicher Natur, die PIiifung des Gerichts eine solche des Zivilrechts85 . Kurze Zeit später lag dem obersten Gericht die Frage vor, ob ein durch Vergleich vor dem städtischen Einigungsamt vereinbartes Vorkaufsrecht an einem Grundstück rechtsgültig war. Verkürzt stellte sich also das Problem, ob die Vereinbarung der Parteien den Formerfordernissen einer Beurkundung durch Prozeßvergleich entsprach. Dies wäre zu bejahen gewesen, wenn die Ämter als Sondergerichte der streitigen Gerichtsbarkeit angesehen werden konnten. Diese Ansicht wurde in der Literatur von einigen vertreten86, die in der Tätigkeit der Ämter eine Form der Rechtsprechung sahen, da die Ämter befugt waren, im Ausdrücklich RGZ 104,244,245. Vgl. Holtz, DJZ 1921,616 f. 84 Urt. v. 31.3.1922,RGZ 104,244. 85 RGZ 104, 244, 246. 86 Schon früh Oertmann, JW 1917, 956; Anschatz, JW 1920,340; Groffebert. Recht 1922,61,62. In der Rspr. ausdrücklich KG. RE v. 7.11.l925, JW 1926, 1001. Weitere Nachweise in RGZ. 107, 284, 286. Zu beachten ist allerdings, daß innerhalb dieser Gruppe nur teilweise die Zugehörigkeit zur ordentlichen Gerichtsbarkeit bejaht wurde, während andere sie den Verwaltungsgerichten zuordneten, vgl. Brandis, JW 1924, 2013; Hein, JW 1924,2018; ders. JW 1925,2336. 82
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Rahmen ihrer Zuständigkeit auch über Rechtsfragen zu entscheiden87 , zumindest aber private Rechte zu gestalten88 ; zudem sollten ihre Entscheidungen keiner aufsichtsbehördlichen Kontrolle unterliegen89 . Andere sahen in den Ämtern reine Verwaltungsbehörden90 und folgerten daraus auch entsprechende Eingriffsbefugnisse oberer Dienststellen91 • Das Reichsgericht war ebenfalls der Ansicht, daß es sich bei den Einigungsämtern um Behörden und nicht um Gerichte handelt92 . Es begründete seinen Standpunkt mit der historischen Entwicklung, an deren Anfang die Vermittlungstätigkeit der Einigungsämter gestanden habe, die erst sukzessive durch eine - dann allerdings unanfechtbare - Spruchtätigkeit ergänzt worden sei. Diesen Entscheiden lägen jedoch keine Grundsätze des materiellen Rechts, sondern allein Billigkeitsgesichtspunkte zugrunde. Danach habe das Einigungsamt "nicht Rechtsfragen zu 16sen, nicht Rechtsschutz zu gewähren, es hat vielmehr in BeUitigung von sozialwirtschaJtlichen Gesichtspunkten und von Envtigungen der Billigkeit und Zweckmäßigkeit rechtsgestaltend und rechtschaffond zu wirken. Es ist nach Art und Bedeutung seiner Aufgaben und Wirksamkeit im ganzen als ein Organ zur Ausübung sozialer Fürsorge, aber nicht als Rechtspflegeorgan zu betrachten und de"',§emäß nicht den Gerichten, sondern den Verwaltungsbeh6rden zuzuztihlen. ,,9 Daß den Ämtern seit der Novelle zur MSch va erhebliche Entscheidungskompetenzen zustanden, ließ das Reichsgericht ebenso unberücksichtigt wie die Frage, ob seine Erwägungen auch fiir die in einigen Ländern bei den Gerichten angesiedelten Mieteinigungsämter gelten sollten. Erwartungsgemäß beendete
BayObLG BayZ 1925,235; KG LZ 1923,563. Groffebert, Recht 1922, 61, der eine gewisse Ähnlichkeit des einigungsamtlichen Verfahrens mit solchen der freiwilligen Gerichtsbarkeit feststellt, die ebenfalls Aspekte der Zweckmäßigkeit zur Grundlage von Entscheidungen zu berücksichtigen habe. 89 Groffebert, Recht 1922, 60; Staudinger-Kiefersauer (11. Autl., 1955), Vor §§ 535 ff., Rz. 136. 90 Mitte/stein, JW 1921, 1148; Ho/tz, DJZ 1921,616,617 unter Hinweis auf die historische Einrichtung bei den Kommunalverwaltungen und die Entstehung als Institutionen der Kriegszwangswirtschaft; Roth, LZ 1921,401 ff.; ähnlich auch Damerow, JW 1922, 209; wohl auch Hein, JW 1926, 1000 f. 91 Insbes. Ho/tz, DJZ 1921,616,617, der in § 50 Abs. 3 Pr.LVerwG die Ennächtigung zu Weisungen wie auch zur Aufhebung einigungsamtlicher Entscheidungen sah; krit. dazu Groffebert, Recht 1922,60,61. 92 In Abgrenzung zur Verwaltungsgerichtsbarkeit spricht das Reichsgericht dort auch von bloßen Verwaltungsstellen, RGZ 107,284,287, zust. W. Gross, 58. 93 RGZ 107, 284, 286 f. Zustimmend, wenn auch in anderem Zusammenhang, Meyerowitz, JW 1925, 2333 f. 87
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daher das Urteil die Diskussion über das "Wesen der Mieteinigungsämter" nicht. Die Beispiele aus der Rechtsprechung des Reichsgerichts zu Beginn der 20er Jahre zeigen die Unsicherheit in der Behandlung und Einordnung der inzwischen mit umfassenden Kompetenzen im Mietrecht ausgestatteten Einigungsämter und ihrer Entscheidungen. Dieser Zustand forderte ebenso nach größerer Übersichtlichkeit mietrechtlicher Bestimmungen wie auch einer Neuordnung des Verfahrens, dessen Befriedungsfunktion infolge uneinheitlicher Rechtsanwendung verloren gegangen war. 2. Zusammenfassende Bewertung der Entwicklung bis 1923 Eine erste Zäsur in der Entwicklung eigener Instrumentarien für das Mietrecht läßt sich im Jahre 1923 am Erlaß des Mieterschutzgesetzes festmachen. Aus dem bei Inkrafttreten des BGB noch weitgehend schrankenlosen materiellen Mietrecht war kriegs- und wirtschaftsbedingt ein Notrecht geworden, das sich nahezu vollständig vom Ideal der Vertragsautonomie entfernt hatte. Die Regelungen des BGB waren zwar formell nicht aufgehoben, jedoch zu weiten Teilen überlagert von Maßnahmen der Wohnungszwangswirtschaft, die sich auch in einem auf Verordnungswege eingeführten Mieterschutz spiegelten. Im Rückblick muß erstaunen, wie lange trotz absehbarer Entwicklung des Wohnungsmarktes an den Postulaten des BGB festgehalten wurde. Die Einsicht, daß eine extreme wirtschaftliche Krisensituation Eingriffe in die Vertragsfreiheit erlauben muß, setzte sich erst im letzten Viertel des 1. Weltkrieges auch auf legislativer Ebene durch. Früher als im Bereich des materiellen Rechts erfuhr das Mietrecht jedoch schon zu Kriegsbeginn eine veränderte verfahrensrechtliche Ausgestaltung durch die neugeschaffenen Einigungsämter. Ihre Einrichtung war Teil des Notprogramms, bezogen auf die Gewährleistung staatlichen Rechtsschutzes in Zeiten wirtschaftlicher Einschränkung. Ursprünglich in ihrer Ausgestaltung den. Schiedsstellen ähnlich, wurde ihr Aufgabenkreis mit Fortdauer des ökonomischen Drucks während des Krieges vergrößert und richterlicher Tätigkeit angenähert. Ob die Ämter allerdings tatsächlich justizielle Einrichtungen oder solche der Exekutive waren, blieb in den ersten Jahren ihrer Existenz umstritten. Entsprechend problematisch erwies sich die Einordnung ihres Verfahrens, insbesondere aber die Schließung normativer Lücken, sobald die Verfahrensanordnung keine Regelung enthielt. Problematisch war daneben, daß die Schaffung der Einigungsämter zunächst nur als Hilfseinrichtungen erfolgte, so daß prozedural ein Dualismus aus einigungsamtlicher und amtsgerichtlicher Erstzuständigkeit in Mietsachen entstand. Er wurde zwar schrittweise mit den wachsenden Kompetenzen der Einigungsämter beseitigt, jedoch zu keinem Zeitpunkt ganz aufgegeben.
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Kap. 1: AnwendWlgsbereiche des RE-Modells
Daß eine nähere Ausgestaltung unterblieb und auch keine Inkorporation in die vorhandenen GroßkodifIkationen (GVG, ZPO oder BGB) erfolgte, erklärt sich aus dem weit verbreiteten Verständnis des Übergangscharakters dieses Notrechts. Die schnellstmögliche Rückkehr zum Rechtszustand der Vorkriegszeit fmdet sich programmatisch in nahezu allen Materialien; sie wird von den meisten Kommentatoren ebenso wie von den Gerichten übernommen. Erst die langsam reifende Erkenntnis, daß die wirtschaftliche Situation auf längere Sicht keine Wiederherstellung des ursprünglichen Rechtszustandes erlauben würde, fiihrte zur Initiative fiir ein Mieterschutzgesetz nebst entsprechender Verfahrensanordnung.
3. Mieterschutzgesetz 1923 a) Vorbemerkung Die wohnungswirtschaftliche Situation hatte sich in der Nachkriegszeit und den Anfangen der Weimarer Republik nur unzureichend erholt94 . Zwar fielen alsbald nach Kriegsende die militärisch veranlaßten Bauverbote. Die galoppierende Inflation verhinderte indessen private Investitionen in den Wohnungsbau, wie sie vor dem Kriege bereits üblich waren. Um die Bautätigkeit überhaupt anzukurbeln. gingen zahlreiche Gemeinden dazu über, selbst Mietshäuser zu errichten und zu bewirtschaften. Diese insgesamt sehr schwerfällige Bauinitiative war jedoch ebenfalls inflationsbedingten Schwankungen unterworfen und wurde allgemein als nicht sonderlich effektiv angesehen95 . Erfolgreicher war eine andere Maßnahme: Aus der Erkenntnis, daß dem Einzelnen regelmäßig das erforderliche Kapital fiir einen großflächigeren Wohnungsbau fehlte, wurde die Gründung von Bau- und Siedlungsgenossenschaften, die sich bereits seit der Iahrhundertwende entwickelt hatten. weiter gefördert. Sie konnten rationeller als die kommunale Verwaltung arbeiten, ohne in erster Linie unternehmerischen Gewinnzielen nachstreben zu müssen. Deshalb wurde in ihnen geradezu die ideale Einrichtung zur Schaffung von Wohnraum gesehen96 . Der Neubau von Wohnraum sollte dieses drängende soziale Problem lösen. Um ihn zu unterstützen. wurden privilegierende rechtliche Regelungen geschaffen 97 • Bis zum Eintritt einer Entlastung auf dem Wohnungsmarkt mußten je-
94 Brandis, AcP 121 (1923), 171, 178 schätzt den Fehlbestand auf rd. eine Million WolmWlgen. 95 Ruth, VerhandlWlgen, 165, 173. 96 Dies betonte auch Ruth. VerhandlWlgen, 165, 174. 97 Dazu zählte die Herausnahme von Neubauten aus der ZwangsbewirtschaftWlg Wld die LockefWlg, ggf. FreisteIlung von MieterschutzbestimmWlgen filr diese Objekte, wie sie reichseinheitlich durch das WMG v. 26.7.1923 erfolgte.
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doch Maßnahmen getroffen werden, die sich auf den Erhalt des aktuellen Bestands bezogen. Dies galt sowohl fiir den Wohnraum selber als auch fiir die ihn betreffenden Mietverhältnisse. Deshalb griff der Gesetzgeber seit dem Jahre 1921 einen Teil der Kritik, auch an der prozessualen Ausgestaltung des (Not-) Mietrechts, auf und nahm den Erlaß einer zumindest teilweisen Neu-Kodifikation des Mietrechts in Angriff. Die politische Debatte über eine weitere Verfestigung des Notrechts zog sich über gut zwei Jahre hin. Die grundsätzlichen Gegner der Wohnungszwangswirtschaft beriefen sich in erster Linie auf das durch Art. 152 WRV garantierte Eigentum sowie die in Art. 153 WRV verfassungsrechtlich gesicherte Vertragsfreiheit. Im Reichstag trugen indessen die Vertreter eines sozial gebundenen Eigentumsbegriffs, den sie ebenfalls aus Art. 153, 155 WRV ableiteten, den Sieg davon98 • Am Ende dieses langwierigen Gesetzgebungsprozesses stand auch das Mieterschutzgesetz v. 1.6.192399 (1. MSchGlOO)IOI. Zum 1.10.1923 102 sollte dadurch das Wohnungsmietrecht auf eine völlig neue Rechtsgrundlage gestellt und das materielle Mietrecht vereinheitlicht, zugleich aber auch das entsprechende Verfahrensrecht geordnet werden. 103 Dies alles in der Erkenntnis, fiir eine gewisse Zeit auf Wohnraumbewirtschaftung bzw. -kontrolle angewiesen zu sein und deshalb einer vereinheitlichenden Kodifikation zu bedürfen.
b) ZusUindigkeitsjragen Als wesentliche Neuregelung in verfahrensrechtlicher Hinsicht wurde die zuvor noch ausgebaute - Zuständigkeit der Mieteinigungsämter rur Kündigungsstreitigkeiten beseitigt. Konnte das Einigungsamt .bislang nach Ermessensausübung hierüber entscheiden, so ersetzte das Mieterschutzgesetz die einseitige Kündigungsmöglichkeit des Vermieters durch das Erfordernis richterlicher Aufhebung des Mietvertrags, die erst auf (Zivil-)Klage hin erfolgen
98 Der parlamentarischen Auseinandersetzung folgten noch verschiedene gerichtliche ,,Nachspiele" vor dem Reichsgericht, das die VerfassWlgsmäßigkeit der WohnrawngesetzgebWlg zu überprüfen hatte, vgl. RGZ 105,251; 108,252; 111,224. 99 RGBl. I 353. 100 Paragraphen ohne Gesetzesbezeichnung sind nachfolgend solche des I. MSchG. 101 Im Jahre 1923 wurden die drei "Grundgesetze der Wohnungszwangswirtschajt" (W. Gross, 48) erlassen. Das vor dem MSchG in Kraft getretene Reichsmietengesetz v. 24.3.1923 (RMG) diente zur BestimmWlg der Miethöhe und filhrte die ,.gesetzliche Miete" ein. Das Wohnungsmangelgesetz v. 26.7.1923 (WMG) regelte die öffentliche Bewirtschaftwtg des Mietrawns. 102 Auch dieses Gesetz enthielt eine "Verfallsklausel". Es sollte am 1.7.1926 wieder außer Kraft treten, da man sich bis dahin eine Besserung auf dem Wohnungsmarkt erhorne. Als diese nicht eintrat, wurde das Gesetz wiederholt "verlängert". 103 Vgl. nur Roquette, MSchG, Einl., Rz. 11.
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konnte l04 • Diese Aufhebungsstreitigkeiten mIrden nunmehr ausschließlich den Amtsgerichten zugewiesen (§§ 1, 7 Abs. 1), deren Entscheidungen nicht mehr nach "billigem Ermessen", sondern anband konkreter Tatbestände ergingen (§§ 2 - 4). Daneben blieben die Mieteinigungsämter allerdings für einzelne Verfahren zuständig, in denen die besondere Verfahrensausgestaltung gegenüber dem Zivilprozeß bessere Erfolge versprach. Dazu zählten insbesondere solche, in denen die Zustimmung des Vennieters zur Änderung des (fortbestehenden) Mietvertrages notwendig war\05. Zugleich mIrde aber der Rechtszug durch das MSchG sowie eine entsprechende Verfahrensordnung gesetzlich ausgestaltet und durch Einführung eines Rechtsmittels ergänzt. I 06 Die Abschaffung der einseitigen KÜßdigungsmöglichkeit und die Integration der neuen Aufhebungssachen in die allgemeine Justiz war in den Beratungen zum 1. MSchG nicht unumstritten \07. Vertreter des Reichsarbeitsministeriums wiesen darauf hin, daß die den Einigungsämtern übertragenen Aufgaben im wesentlichen dazu dienten, soziale Konfliktlagen zu lösen, die sich aus der konkreten Situation des örtlichen Wohnungsmarktes ergäben. Das so eingeräumte Entscheidungsermessen trage dieser Aufgabe, schon wegen der oftmals nötigen Rückkopplung mit den lokalen Wohnungsämtern, eher Rechnung als ein nach den starren Regeln des Zivilprozesses ausgetragener Mietrechtsstreit. In ähnlichem Sinne äußerte sich auch der Reichsverband der Einigungsämter, der die eigene Institution stets als "Organ öffontlicher Wohnungswirtschaft" verstandlO8 • Selbst in der Literatur überwogen die Stimmen, die bedauerten, daß 104 Über diesen mit ,Mieterschutz" überscluiebenen Abschnitt fmdet sich in der amtl. Begründung des Entwurfs die allgemeine Zielsetzung der Wohnungspolitik dieser Zeit wie auch der Zweck des Gesetzes: Der Mieter soll, ,.wlange er nicht in der Lage ist, seine Wohnung oder Arbeitsstatte frei zu wahlen, vor wirtschaftlich nicht gerechtfertigten Mietsteigerungen und Kandigungen gesichert werden", Begr. 13. 105 So bei der Erlaubnis zur Untervermietung. Einzelne, darüber hinausgehende Aufgaben können hier vernachlässigt werden; als Beispiel sei nur genannt, daß das MEA Schiedsstelle ft1r Verfahren nach der SammelheizungsVO v. 22.6.1919 blieb und dort ohne Anfechtungsmöglichkeit entscheiden konnte, vgl. dazu RGZ 101,53. 106 Vgl. Brandis, Gruchots Beiträge, 67. Jg., 449. 107 Vgl. Brandis, Gruchots Beiträge, 67. Jg., 449 fT. 108 Dort wurde - mit bemerkenswert moderner Vorstellung - die wiederbegründete Zuständigkeit der Amtsgerichte als ,.,Anachronismus auf dem Weg zu einem modemen Gateveifahren" angesehen, vgl. zu den einzelnen Stellungnahmen Petersen, 47, 137 fT.; die Bedeutung "volkswirtschaftlicher Erwagungen" ft1r die Entscheidung des MEA hob auch Hein, DJZ 1922, 372 hervor, der außerdem auf ein gravierendes zusätzliches Problem hinwies: In Anbetracht der Wohnungsnot würde nur ein Teil der Aufhebungsurteile überhaupt durch Räumung zu vollstrecken sein, da das Wohnungsamt in den meisten Fällen dem Richterspruch mangels Ersatzraums nicht nachkommen könnte. Und er schließt daran an: ,»ie Lahmlegung von Richtersprüchen durch die Organe der Wohnungsfarsorge muß im Volke das GejUhl der Ohnmacht des ordentlichen Richters erwecken".
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ein flexibles, von der Untersuchungsmaxime beherrschtes Verfahren nunmehr wieder dem Parteienstreit unterliegen soIIte lO9 . Zudem wurde hervorgehoben, daß die von den MEÄ zugrunde gelegten wirtschaftlichen Überlegungen nun einer reinen Rechtsprüfung weichen müßten11o . Demgegenüber begrüßten Vermieter- und Mieterseite die obligatorische Anbindung an die Justiz, versprachen sich doch beide Gruppen höhere Rechtssicherheit vom gerichtlichen VerfahrenIlI. Es darf wohl als politischer Komprorniß angesehen werden, wenn die Neuregelung durch das I. MSchG und nachfolgenden Verordnungen zu einer gewissermaßen gespaltenen Zuständigkeit in Mietsachen fiihrten: die besonders relevanten Streitigkeiten um die Beendigung des Mietverhältnisses wurden - wieder - in das amtsgerichtliche Verfahren überführt, während die von der Masse her nicht weniger umfangreichen, möglicherweise aber nicht so brisanten Zustimmungsverfahren den Mieteinigungsämtern verblieben. In ihnen schien der Verzicht auf zivilprozessuale Strukturen zugunsten sozialpolitischer Billigkeitsentscheidungen vertretbar. c) Der verbleibende Aufgabenkreis der Mieteinigungsämter
Die Abtrennung der Aufhebungssachen hätte eine weitere Ausdifferenzierung nahegelegt, die den Besonderheiten der unterschiedlichen Verfahrenssituationen bei der Behandlung und Abwicklung von Mietsachen Rechnung getragen hätte. Bemerkenswerterweise wurde aber keine starre Teilung nach Verwaltungs- und Gerichtsverfahren vorgenommen. Vielmehr verblieben den Mieteinigungsämtern auch nach der gesetzlichen Neuregelung - begrenzte Spruchaufgaben, so in Sachen, die ihnen durch das Reichsrnietengesetz (RMG), das Mieterschutzgesetz (MSchG) und das WOhnungsmangelgesetzl12 (WMG) übertragen waren; hier konnte das MEA weiterhin entscheiden.
109 Vgl. beispielhaft Hein, DJZ 1922,372 ff. m. w. N. 1\0 So ausdrücklich Hein, DJZ 1922, 372 ff. mit statistischen Hinweisen zu den ,,Erfolgen" der Einigungsämter. III Der ein Jahr nach Erlaß des MSchG tagende 33. Deutsche Juristentag begrüßte ebenfalls diese Neuregelung mit dem Argument, daß vor 1nkrafttreten des Mietnotrechts ebenfalls der Vermieter geZWWlgen gewesen sei, Räumungsklage zu erheben, wenn er einen Mieter loswerden wollte. Ein freies KOndigungsrecht mit Widerspruchsmöglichkeit des Mieters würde lediglich die Parteirollen vertauschen, was dem eigentlichen System fremd sei, vgl. Ruth, Verhandlungen, 165, 184f Dem weiteren Protokoll der Verhandlungen läßt sich allerdings auch entnehmen, wie umstritten die Beibehaltung der Mieteinigungsämter in den Kreisen der Rechtspraxis blieb, vgl. DJT, Verhandlungen, 165,246 ff. 112 WMG v. 26.7.1923, RGBI. 1754. Nach der WohnungsmangelVO v. 23.9.1918 hatte den Einigungsämtern auch die Befugnis zugestanden, über Beschwerden gegen wohnungsbehördliche Verfügungen der Gemeinden zu entscheiden; diese verwaltungsrechtliche Aufgabe fiel durch das WMG weg; es verblieben aber Kompetenzen zur Fest-
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Auf diese fortbestehende funktionale AufgabenvermischWlg ist der 2. Abschnitt des MSchG zurückzufiihren, der sich den Mieteinigungsämtern widmet. § 37 Abs. I MSchG bestimmte fiir Wlterschiedliche Verfahren die Zuständigkeit des MEA, gern. Abs. 2 MSchG blieb es den Ländern des Reiches dabei überlassen, die Organisationsstruktur für die Einigoogsstellen zu bestimmen: ihre EinrichtWlg war weiterhin sowohl bei den Gemeinden als auch innerhalb der Justiz möglich. Das Gesetz Wlterstellt, daß für das Verfahren eine eigene OrdnWlg fortgilt bzw. neu geschaffen wird. Trotz des Funktionswandels der Mieteinigoogsämter durch das MSchG blieb es daher bei einer - freilich gegenüber der 1. MSchVO modifizierten - EntsCheidWlgskompetenzl13 . Auch die bereits zuvor begründeten Rechte der Ämter, namentlich zur VorladWlg der Parteien Wld zur Abnahme von Eiden wurden beibehalten. NWlmehr galt die ausdrückliche AnordnWlg, im Falle von Beweisaufnahmen dem Gegner Gelegenheit zum rechtlichen Gehör zu geben. Zugleich bekräftige das I. MSchG aber, daß die EntscheidWlgen im MEAVerfahren "nach billigem Ermessen" zu fallen seien. d) Die Rechtsbeschwerde gegen einigungsamtliche Entscheidungen
Während insoweit vieles übernommen wurde, was seit 1914 zu den Aufgaben Wld Kompetenzen der Einigoogsämter gehörte, wirkte sich das zwischenzeitlich artikulierte Bedürfnis nach vorhersehbarer EntscheidWlg, nach Rechtssicherheit auch in der GestaltWlg des Verfahrensrechts aus. Kernpunkt der Kritik war insbesondere die fehlende Anfechtbarkeit von einigungsamtlichen Beschlüssen. Waren diese bis 1923 WtaDfechtbar, so schuf das I. MSchG erstmalig ein Rechtsmittel: § 41 ließ binnen einer Notfrist von zwei Wochen die ,,Rechtsbeschwerde" gegen die EntscheidWlg des MEA zu. Die Beschwerde konnte nur auf die "Verletzung des Gesetzes" gestützt werden (§ 41 Abs. 2). Auf die EinfiihrWlg einer zweiten Tatsacheninstanz wurde bewußt verzichtet. Sie verzögere nur das Verfahren Wld bereite zudem unnötige Kosten, was mit Rücksicht auf die wirtschaftliche Notsituation unzumutbar sei 114. Die Rechtsbeschwerde war begründet, wenn das Mieteinigoogsamt bei seiner EntscheidWlgsfindWlg gegen das Gesetz verstoßen hatte. Ein solcher Verstoß lag vor, wenn gesetzliche BestimmWlgen nicht oder nicht richtig angesetzung eines Zwangsmietvertrags sowie von Entschädigungsleistungen der Gemeinden bei Inanspruchnalune von Geschäftsräwnen. Schon hier sei erwähnt, daß das Gesetz zwn 1.4.1933 aufgehoben wurde. 113 Dies unterstreicht auch die Terminologie, vgl. § 39 Abs. I ,,Das MEA entscheidet in der Besetzung ... ". [Hervorhebung durch den Verf. ) 114 Vgl. die amtl. Begründung zwn MSchG, RT-DrS 1920122,4185.
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wendet wurden. Erläuternd nennt § 41 MSchG typische Fälle, so unter anderem die Mißachtung des Gebots rechtlichen GehÖrs ll5 . Etwaige Zweckmäßigkeitserwägungen, die von jeher die Arbeit der Einigungsämter beherrschten, konnten indessen mit der Rechtsbeschwerde nicht angegriffen und entsprechend auch nicht nachgeprüft werdenl16 . Insoweit wurde der Begriff Rechtsbeschwerde eng verstanden. Andererseits sollten die Beschwerdegerichte die Ausübung "billigen Ermessens", wie es den einigungsamtlichen Entscheidungen zugrunde lag, nachprüfen können. Diese Prüfung erstreckte sich nicht nur darauf, ob überhaupt eine Abwägung stattgefunden hatte, sondern auch auf deren Richtigkeit11 ? Dennoch blieb manches unklar, beispielsweise zur Frage, ob die BeschwerdesteIle von sich aus Defiziten in der tatsächlichen Aufklärung vor dem MEA abhelfen konnte, ob dort zuvor noch nicht geltend gemachte Rechte der Parteien gleichwohl berücksichtigt oder die Sachen zur erneuten Verhandlung zurückverwiesen werden konnten l18 • Weitere Einzelheiten sind für diese Untersuchung nicht relevant. Wollte man - unter Absehen von einzelnen Besonderheiten - eine Parallele ziehen, so näherte sich die Ausgestaltung der Rechtsbeschwerde im Einigungsverfahren der Revision in Zivilsachen an119. Dies mag auch erklären, warum die Rechtsbeschwerde in Wohnraummietsachen ohne wissenschaftliche Vorarbeiten oder eine problemorientierte Diskussion eingeführt hat120. Im wesentlichen wurden - worauf später noch zurückzukommen sein wird - die ähnlichen Regelungen der Preuß. Pachtschutzordnung v. 27.9. 192i 21 und ihrer Vorgängerin, der Verordnung über die Rechtsbeschwerde in Pachtschutzsachen v. 23.7.1921 122 herangezogen 123 .
115 Das durch § 40 Abs. 3 S. 2 1. MSchG ausdrücklich Eingang in das einigungsamtliche Verfahren gefunden hat. Als weitere Gtilnde ftlr eine Rechtsbeschwerde konnte auf den Katalog von § 551 ZPO ZUIilckgegritTen werden, ferner auf Spezialbestimmungen des Wohnungsmangelgesetzes. 116 In diesem Punkte herrschte allerdings heftiger Streit, da das KG die Auffassung vertrat, auch "billiges Ermessen" sei nachprüfbar, vgl. KG, JW 1924, 840; RE v. 6.10.1924, JW 1924, 20 II m. zust. Anm. Engel. Andere schränkten dies auf die Überprüfung von WillkOr ein, vgl. Brandis, Gruchots Beiträge, 67. Jg., 449, 465. 117 So ausdrücklich KG, RE v. 20.2.1925, JW 1926, 1001 f. Engel, JW 1924, 2011 betonte ausdrücklich, daß die Aufgabe der MEÄ darin bestehe, ,,das sozial-, nicht das
formal richtige Recht [zuJfinden". 118 Vgl. ausf. KG, RE v. 13.3.1924, JW 1924,840 f. 119 Auf diese Parallele stellen auch einzelne RE des Kammergerichts ab, vgl. JW 1926, 1585 mit krit. Anm. Ruth, ebda.; JW 1926, 1002 m. zust. Anm. Mittelstein, ebda. 120 Dies gilt freilich fil.r das gesamte Mietnotrecht der Zeit, vgl. auch krit. dazu Roth, LZ 1921,402. 121 GS287. 122 GS488. 123 Dazu auch Brandis, Gruchots Beiträge, 67. Jg. 449,466.
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Half die Einigungsstelle der bei ihr eingelegten Beschwerde selbst ab, so endete das Verfahren, konnte aber jederzeit durch einen neuen Antrag wieder aufgenommen werden. Im anderen Falle mußte sie das Rechtsmittel der BeschwerdesteIle vorlegen (§ 42). Dies konnte aufgrund der Rahmenermächtigung in § 42 Abs. 3 MSchG eine Verwaltungsbehörde, ein Landgericht oder ein höheres Gericht sein. § 47 MSchG ermächtigte die Reichsregierung, mit Zustimmung des Reichsrats, das Verfahren vor den Einigungs- und Beschwerdestellen zu regeln. Dies geschah wenige Wochen nach Inkrafttreten des 1. MSchG durch die ,,Reichsanordnun~ aber das Verfahren vor den Mieteinigungsämtern (VerfAD)" v.
19.9.192i
4.
4. Die Verfahrensanordnung vom 19. September 1923 a) Grundsätzliche Bestimmungen Neben einigen grundsätzlichen Bestimmungen über die Mitglieder des Mieteinigungsamtes, die Zuständigkeit nach der Belegenheit der Mietsache und das allgemeine Verfahren charakterisieren insbesondere zwei Vorschriften das einigungsamtliche Verfahren im Sinne der VerfAO: Gern. § 5 mußte die Verhandlung wie auch die Verkündung einer Entscheidung in nichtöffentlicher Sitzung erfolgen und gern. § 7 Abs. 2 VerfAO sollte das Amt "in jeder Lage des Verfahrens auf eine gatliche Einigung der Beteiligten hinwirken".
b) Die Rechtsbeschwerde nach der Verfahrensordnung
§§ 21 ff. VerfAO regelten - über §§ 41 ff. MSchG hinaus - das Rechtsbeschwerdeverfahren. Danach sollte die Beschwerdestelle an die tatsächlichen Feststellungen in der Entscheidung des Einigungsamtes gebunden sein, andererseits aber neue Tatsachen, die einen wesentlichen Verfahrensmangel begrtindeten, berücksichtigen können. Diese Regelung führte zu allerlei Mißverständnissen. Dennoch wurde die Einführung einer Rechtsbeschwerde allgemein begrüßt, auf nennenswerte Kritik l25 stieß lediglich die uneinheitliche Zuständigkeitsregelung innerhalb des Reiches 126.
RGBJ. I, 889; nachfolgend als "VerfAO" abgekürzt. VgJ. Bruno Stern, JW 1924,2024. 126 In den meisten Ländern waren die Landgerichte BeschwerdestelIen, in Hessen das Oberlandesgericht Darmstadt, in Mecklenburg das Oberlandesgericht Rostock. 124 125
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c) Der Rechtsentscheid nach § 24 Verj4 0 Im Gefolge der Einfuhrung einer Rechtsbeschwerde in Mieteinigungsamtssachen fmdet sich sodann erstmalig ein Rechtsentscheidsmodell im Mietrecht. Gern. § 24 VerfAO waren die obersten Landesbehörden ennächtigt worden, die Beschwerdestellen innerhalb ihres Landes anzuweisen, anhängige Verfahren einem höheren Gericht127 zur "Vorabentscheidung einer Rechtsjrage,,128 vorzulegen, wenn die Beschwerdestelle von einer ihr bekannten Entscheidung einer anderen Beschwerde oder Rechtsentscheidsstelle abweichen wollte. Für den Fall, daß die Sache grundsätzliche Bedeutung hatte, konnten die Beschwerdestellen die Sache der höheren Stelle vorlegen. Die Regelung weist deutliche Ähnlichkeit mit dem "modernen" Rechtsentscheid auf, enthält allerdings auch Unterschiede, die zum Teil in dem Zwang zur Berücksichtigung fOderaler Rechtsstrukturen im Deutschen Reich begründet lagen. § 24 VerfAO ist gleichsam der Urtypus des heutigen mietrechtlichen Rechtsentscheids. Die tatsächliche Einfuhrung eines Rechtsentscheids war in die Entscheidungsgewalt der obersten Landesbehörden (Ministerien) gestellt, denen es sodann frei stand, ein Gericht oder ein Amt mit den Aufgaben der Beschwerdestelle zu betrauen. War dies geschehen, so konnte zugleich angeordnet werden, daß und welche "höhere" Instanz Rechtsentscheidsstelle sein sollte. Die Vorlage von Rechtsfragen an diese Stelle hing allerdings von zwei unterschiedlichen Voraussetzungen ab: während die beabsichtigte Abweichung von einer der Beschwerdestelle bekannten Entscheidung einer anderen Beschwerde- oder RechtsentscheidssteUe zur Vorlage verpflichtete, bestand bei grundsätzlicher Bedeutung der Rechtsfrage lediglich eine Vorlagemöglichkeit. Rechtsbeschwerde und -entscheid waren auf Wunsch Preußens in die neue Regelung des mietrechtlichen Verfahrens aufgenommen worden. Im Reichsrat beriefen sich die preußischen Vertreter darauf, daß mit einer ähnlichen Regelung in Pachtschutzsachen129 bereits gute Erfahrungen gemacht worden seien, weshalb die Übernahme in das mietrechtliche Verfahren empfohlen werden könne. Demgegenüber befürchteten die Vertreter Bayerns und Sachsens unnötige Verfahrensverzögerungen; zudem wurde ein Bedürfnis nach vereinheitlichender Rechtsprechung durch Rechtsentscheide in einem Teil des Wohn-
127 Oder einer höheren Verwaltungsstelle, wenn die Aufgaben der Beschwerdestelle von einer Verwaltungsbehörde wahrgenommen wurden; vgl. dazu auch Roquette, MSchG, § 47, Rz. 1. 1U . Roquette, MSchG, § 47, Rz. 5. 129 Preuß. Pachtschutzordnung v. 27.9.1922, Preuß. GS 287.
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Kap. I: Anwendungsbereiche des RE-Modells
raurrunietrechts verneint, weil die gesamte Mietgesetzgebung ohnehin nur provisorischen Charakter habe l3o . Da sich die Vertreter Preußens mit ihrem Rechtsentscheid-Vorschlag unter Hinweis auf die Erfahrungen aus einer vergleichbaren Regelung in Pachtsachen durchsetzten und damit - ohne dies zu ahnen - ein Dauerinstitut des Mietprozeßrechts schufen, sei ein kurzer Blick auf das als Vorbild herangezogene Pachtschutzverfahren geworfen.
5. Exkurs zum Vorbild: § 34 Preuß. Pachtschutzordnung v.3.6.1920/23.7.1921 a) Hintergrund der Pachtschutzregelungen Im Jahre 1920 erging auf Reichsebene die Pachtschutzordnung (PSChO)131, die die obersten Landesbehörden ennächtigte, in ihren Gebieten sog. Pachteinigungsämter zu schaffen 132 • Sie sollten in einem möglichst fonnlosen Verfahren interessengerechte Einigungen zwischen Pächtern und Verpächtern landwirtschaftlicher Flächen l33 herbeiführen, um so gerichtliche Auseinandersetzungen zu vermeiden. Politischer Hintergrund fiir ihre Schaffung war die seit jeher bestehende besondere Bedeutung des Pachtwesens in Deutschland, das im Laufe des Krieges noch zugenommen hatte l34 . In Zeiten unsicherer Nahrungsmittelversorgung schien es günstig, landwirtschaftlich nutzbare Flächen zu bebauen, um durch Selbstbewirtschaftung eine gewisse Unabhängigkeit zu erlangen. Infolge dessen stiegen ab dem Ende des Krieges Grundstückspreise wie auch Pachtzinsen rapide an. Hinzu kam, daß ein Teil der aus dem Krieg heimkehrenden Soldaten, die zuvor als Landwirte tätig gewesen waren, während ihrer Abwesenheit verpachtete Flächen zurückforderten, um sie selbst zu bewirtschaf-
130 Zu dieser Kontroverse Petersen, 185. 131 Vom 9.6.1920, RGBl. 1193. 132 Die Ämter hatte es schon vorher gegeben, jedoch waren sie - wie die Mieteinigungsämter - innerhalb der Verwaltung untergebracht. Die Änderung durch die PSchO v. 27.9.1922 integrierte deren Aufgaben in die Justiz. FOr einen Ubergangszeitraum blieben die bisherigen behördlichen Ämter allerdings eingerichtet, um die laufenden Verfahren abzuschließen (vgl. § 48 Abs. 2/3). Anschließend erfolgte die Neubesetzung der Vorsitzenden- und BeisitzersteIlen durch das Präsidium des jeweiligen Landgerichts. 133 Zuvor war bereits die Kleingarten- und Kleinpachtlandordnung v. 31.7.1919 (RGB\. 1371) ergangen, deren Anwendungsbereich sich auf nichtgewerbliche Grundstücknutzung beschränlcte und fIlr Streitigkeiten das Kleingartenschiedsgericht schuf; vg\. Glirlner, JW 1922, 841. Zur Möglichkeit eines Rechtsentscheids in diesen Sachen vgl. KG, RE v. 14.4.1924, JW 1924,843 f. 134 Zur Bedeutung der Landpacht im allgemeinen vgl. LangelWulfflLüdtke-Handjery, XXITI.
I. Entwicklung und Entwicklungsbedingungen des Rechtsentscheids
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ten l35 . Die Reichsregierung versuchte dieser Entwicklung zu begegnen, indem sie bereits im FIiihjahr 1918 den Grundstücksverkehr mit landwirtschaftlichen Flächen ab einer Größe von 5 ha rur genehmigungspflichtig erklärte l36 . Ein Jahr später wurde eine ähnliche Regelung fiir Flächen kleingärtnerischer Nutzung erlassen. Diese beiden Verordnungen hinderten indessen nicht die stete - auch inflationsbedingte - Erhöhung der Pachtzinsen, die häufig über eine Kündigung des Pachtvertrages erzwungen wurde. Auf der anderen Seite beriefen sich zahlreiche Pächter auf langfristige Kontrakte, deren Pachtzinsvereinbarungen nicht mehr mit der wirtschaftlichen Entwicklung Schritt hielten. Beide Probleme zu entschärfen, erging die Reichspachtschutzordnung v. 9.6.192U 37 (RPSchO), die um einen Ausgleich zwischen den betroffenen Gruppen bemüht war. Entgegen ursprünglichen Plänen enthielt sie nicht nur Bestimmungen, die den Entzug der Pachtsache regelten. Sie sollte darüber hinaus auch eine erleichterte Form der Abänderung bestehender Verträge und Anpassung des Pachtzinses ermöglichen. In ihrer amtlichen Begründung wurde nachhaltig auf die Bedeutung des Pachtverhältnisses fiir die deutsche Landwirtschaft hingewiesen l38 . Kontroversen über bestehende Pachtverhältnisse waren nach der Pachtschutzordnung nicht mehr vor den ordentlichen Gerichten, sondern in einer Art Güte- oder Schlichtungsverfahren vor dem zu schaffenden Pachteinigungsamt auszutragen. Sie einzurichten, wurden die obersten Landesbehörden durch die RPSchO ermächtigt, und zugleich der ordentliche Rechtsweg in diesen Pachtsachen ausgeschlossen. Preußen hat von der Ermächtigung bereits durch die Pachtschutzordnung v. 3.7.1920139 Gebrauch gemacht, mußte die Verordnung jedoch in der Folgezeit wiederholt auf politischen Druck und wirtschaftliche Schwierigkeiten hin ändernl40 , ohne deren Gehalt jedoch wesentlich abzuwandeln.
Vgl. WagemannIMarwitz. 1. Bekanntmachung über den Verkehr mit landwirtschaftlichen Gnmdstücken v. 15.3.1918, RGBI. 123. 137 RGB\. 1193. Die Pachtschutzordnung erging auf Gnmdlage des Gesetzes über die vereinfachte F onn der Gesetzgebung zum Zwecke der Übergangswirtschaft v. 17.4 .1919 (RGB\. 394). 138 Vgl. dazu WagemannIMarwitz, 3. 139 GS 363. 140 Erstmalig neu gefaßt am 21.1.1921 (GS 125, sodann ergänzt durch Verordnung v. 25.7.1921, GS. 488; verlängert durch Verordnung v. 27.9.1922, GS 287, verlängert durch Verordnung v. 30.9.1925, GS 141. Änderungen sind zumeist auf Anregungen berufsständischer Organisationen zurückzuführen. llir wesentlicher Inhalt bestand darin, den Anwendungsbereich der Ordnung zu erweitern und abweichende Vereinbarungen der Parteien ftlr nichtig zu erklären. Da die Reichspachtschutzverordnung zunächst bis zum 30.5.1922 und sodann durch Gesetze bis zum 30.9.1924 (RGBl. 529) bzw. bis zum 30.9.1927(RGB\. I 151) verlängert wurde, waren auch die preußischen Pachtschutzord135
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Kap. 1: AnwendlUlgsbereiche des RE-Modells
aa) Kompetenzen der Pachteinigungsämter (pEÄ) Die Pachteinigungsämter ähnelten denen fiir Mietsachen, wurden jedoch im Gegensatz zu diesen in Preußen von Anfang an bei den Amtsgerichten eingerichtetl41 . Thre personelle Besetzung sollte den besonderen Anliegen der Parteien von Pachtverhältnissen Rechnung tragen l42 . In land-, obstwirtschaftlichen oder sonstigen gewerblich gärtnerischen Pachtsachen wurden die Stellen statt der ordentlichen Gerichte angerufen. Ihre Aufgabe bestand im wesentlichen darin, auf eine gütliche Einigung der Beteiligten hinzuwirken, sofern es um die Kündigung oder sonstige Beendigung des Pachtverhältnisses bzw. um die Angemessenheit der vereinbarten Leistungen ging (§ 2 PSchO). Beide Aufgaben sind ebenfalls in unmittelbarem Zusammenhang mit der fortschreitenden Wirtschaftskrise der Weimarer Republik, vor allem der grassierenden Inflation in jenen Jahren zu sehen. Die Eingriffsbefugnisse der PEÄ in bestehende Verträge unterlagen jedoch einer wesentlichen Einschränkung. Gern. § 2 Abs. 2 PSchO konnten sie nur eingreifen, wenn sich die Beibehaltung der vertraglichen Vereinbarung zwischen den Parteien "entweder als Ausbeutung der Notlage oder unter Berücksichtigung der veränderten wirtschaftlichen Verhältnisse offenbar als schwere Unbilligkeit darstellt(...)". Schließlich begründete auch die Gefahr wirtschaftlicher Not bei Fortbestand des Vertrags eine Abänderungskompetenz des Amtes. Dieser ursprünglich interessengerechte Ansatz der Pachtschutzordnung drohte jedoch alsbald infolge einer wesentlichen Rechtsprechungsänderung verloren zu gehen. Galt ausgehend von der Rechtsprechung des Reichsgerichts für die Zivilgerichte zunächst der Grundsatz "pacta sunt servanda" und die Maxime "Mark gleich Mark" als wesentliche Entscheidungsleitlinie, so änderte sich dies unter dem Druck der fortschreitenden Geldentwertung. BeherrschennlUlgen ZlUlächst befristet verkündet worden lUld bedurften wiederholter VerlängeflUlgen, die gegen Ende der Weimarer Republik im Reichstag immer umstrittener wurden, vgl. WagemannIMarwitz,9. 141 Dennoch entbrannte auch bei den Pachteinigungsämtern der Streit um deren staats- bzw. gerichtsverfassungsrechtliche Stellung, da namentlich das Reichsarbeitsministerium durch ,,Bescheide" und ,,Hinweise" auf die Entscheidungspraxis der Ämter einwirken wollte; vgl. zu dieser Kontroverse Meding, RuW 1922, 141 ff. 142 Die Bedeutung der PachteiniglUlgsämter im ,,Agrarstaat" Preußen wird schon anhand der nach der ursprünglichen Pachtschutzordlllmg vorgesehen Besetzung deutlich: Einem Amtsrichter wurden vier Beisitzer aus den Kreisen der Verpächter und Pächter, jeweils paritätisch, zur Seite gestellt, § 6 PSchO. Diese Zahl wurde erst Ende 1925 ,,aus Kostengrüllden" auf zwei reduziert. Die Mitglieder des Amtes wurden vom Präsidenten des Landeskulturamtes auf Vorschlag der Landwirtschaftskammer ernannt. Als überaus modern muß übrigens § 9 Abs. 1 S. 1 der Verordnung angesehen werden, demzufolge auch weibliche Personen zu Beisitzern bestellt werden konnten.
I. EntwicklWlg Wld EntwicklWlgsbedingWlgen des Rechtsentscheids
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der Gedanke der Vertragsjudikatur wird infolgedessen die "clausula-rebus-sicstantibus-Formel", die anband der Bestimmung über Treu und Glauben zu beachten war. Diese geänderte Auffassung konnte jedoch durch den Ausschluß des ordentlichen Rechtswegs in den genannten Pachtsachen keine Anwendung finden, sahen doch die PEÄ weiterhin den Katalog des § 2 Abs. 1 PSchO als alleine für sie maßgeblich an. Erst durch neuerliche Änderung der RPSchO v. 13.2.1924 wurde der bisherige Eingriffskatalog geändert und allgemein der Entscheidungsgrundsatz der Billigkeit eingeführt. Er erlaubte es, in der Folgezeit auch die (geänderten) Grundsätze der Zivilrechtsprechung auf das einigungsamtliche Verfahren anzuwenden. bb) Rechtsmittel in Pachtsachen Ähnlich verlief die Entwicklung im Rechtsmittelrecht. Die Entscheidungen des Pachteinigungsamtes ergingen ursprünglich durch unanfechtbaren Beschluß (§ 6 PSchO v. 3.7.1920). Erst mit der Nachtragsverordnung v. 23.7.1921 143 wurde gegen die Entscheidungen die Rechtsbeschwerde zum Landgericht eingeführt, die allein auf die Verletzung des Gesetzes gestützt werden konnte (§§ 24 ft). Zugleich sollten die Bestimmungen der ZPO über die Wiederaufnahme des Verfahrens auch in Pachtschutzsachen Anwendung fmden. cc) Der Rechtsentscheid in Pachtsachen (1) Regelungsgehalt
Innerhalb des Rechtsbeschwerdeverfahrens schuf die PSchO dann ein eigenes Vorlageverfahren zum Kammergericht: Wollte das Landgericht bei seiner Rechtsmittelentscheidung von der "ihm bekannten Entscheidung eines anderen Landgerichts oder des Kammergerichts, die zu derselben Rechtsfrage ergangen ist, abweichen", so hatte es die Sache dem Kammergericht vorzulegen, damit dieses über die Rechtsfrage vorab entschied (§ 34 PSchO I44 ). Das gleiche konnte geschehen, wenn es sich um eine "bislang nicht letztinstanzlich entschiedene Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung" handelte.
(2) Amtliche Begrondungjür die EinfiJhrung eines RE-Modells Innerhalb des deutschen Verfahrensrechts stellte dieses Rechtsinstitut ein Novum dar. Aus den Materialien ist nicht ersichtlich, daß auf vergleichbare InGS488. Die AnordnWlg innerhalb der aufeinanderfolgenden PachtschutzordnWlgen variierte: In der FasSWlg v. 27.9.1922 befmdet sich die inhaltsgleiche Rege1Wlg in § 35, in der vom 30.9.1925 in § 47. 143
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Kap. l: Anwendungsbereiche des RE-Modells
stitute in noch bestehendem Landesprozeßrecht, auf wissenschaftliche oder praktische Vorarbeiten ZUlÜckgegriffen beziehungsweise anderweitige Erfahrungen eingebracht wurden. Die amtliche Begründung enthält lediglich allgemeine Erwägungen, die zur Schaffung des Rechtsentscheids fiihrten. Sie liegen offenbar in der - gleichfalls nicht näher dargelegten - Forderung nach einheitlicher Rechtsprechung begründet. Wegen des Vorbildcharakters der PSchORegelung fiir die Einfiihrung des mietrechtlichen RE-Verfahren ist die knappe Begründung des preußischen Gesetzgebers von besonderem Interesse. Kernpunkt dieser Begründung ist das Bedürfnis nach Rechtseinheit, ohne da-
fiir einen kostspieligen und zeitintensiven Rechtsmittelweg schaffen zu müssen. Die Wahrung der Rechtseinheit wird als "von so eminent o.fJentlich-rechtlicher Bedeutung" angesehen, daß es weder auf die Revisibilität des Prozeßgegenstands noch auf die Rechtsmittelneigung der Parteien ankommen rechung eines (zivil-)gerichtlichen Verfahrens für die 156 Bleckmann,
Rz. 940.
157 hn eigentlichen Vorabentscheidungsverfahren werden sie seit der EntscheidWlg v. 27.3.1963 - Rs. 28 - 30/62 Da Costa -, Slg. 1963, 81 nur noch als ,J3eteiligte" angesehen, vgl. auch Lutter, UJ> 86. Bd. (1973), 107, 129 Wld Daig, FS Kutscher, 79, 80. 158 Art. 20 der Satzung des EuGH. 159 Grundlegend bereits das EuGH, Urt. v. 14.12.1962 - Rs. 31 u. 33/62 WiJhnnann u. Latticke -, Slg. 1962, 1027. 160 So bereits im EuGH-Urt. v. 9.12.1965 - Rs. 44/65 Hessische Knappschaft -, Slg. 1965,1267.
161 Zum ganzen Komplex vgl. RengelinglMiddeke/Gellennann/Jakobs, Rz. 350. 162 Nach Dauses hat sich die durchschnittliche Dauer des VorabentscheidWlgsverfahrens zwischen Ersuchen des nationalen Gerichts und Urteil des EuGH in der Zeit seit 1975 von zunächst 6 Monaten auf immerhin 18,8 Monate im Jahre 1992 erhöht. Kritisch merkt er an: ,,Solche VeifahrensllJngen dtlmpfen die Vorlagefreudigkeit der nationalen Instanzgerichte und geflJhrden dadurch die Gewlihrleistung effektiven Rechtsschutzes mit unverantwortlichen Auswirkungen im wirtschaftlichen und sozialen Bereich", Gutachten, D 81; ebenso, allerdings mit einer Wlterstellten Dauer von rd. 24 Monaten ftIr VorabentscheidWlgsverfahren, Voß, Referat, N 25; ähnliche VermutWlg zur durchschnittlichen Verfahrendauer bei Pfeiffer, NJW 1994, 1997, 1999.
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Kap. 4: Vergleichbare instanzielle Vorlagemodelle
Beteiligten die vorübergehende Nichtgewahrung gerichtlichen Rechtsschutzes l63 . Daneben treffen die Prozeßparteien zusätzliche Kosten, die mit der Vorlage einhergehen. Zwar ist das eigentliche (gerichtliche) Vorabentscheidungsverfahren kostenfrei, fiir die zwangsläufig durch einen Anwalt vertretene Parteil64 entstehen jedoch weitere Gebührenbelastungenl65 , zudem fallen bei persönlicher TeilnaIune an einer mündlichen Verhandlung Kosten an. Der EuGH geht wohl auch deshalb davon aus, daß die nationalen Rechtsmittel gegen das Vorabentscheidungsersuchen jedenfalls eröffnet sind166. (2) Streitstand in Deutschland und Stellungnahme
Nach herrschender Meinung zum deutschen Rechtl67 soll gleichwohl kein Rechtsbehelf gegen das Vorabentscheidungsersuchen des Prozeßgerichts zur Verfügung stehenl68 • Die Begründungen dafiir sind allerdings unterschiedlich. Der Ausschluß soll sich einmal aus dem Verständnis des Art. 177 EGV selbst ergeben, weil die dort gewährte gerichtliche Vorlagefreiheit ein Rechtsmittel der Parteien grundsätzlich nicht zulasse l69 . Andererseits wird mit Rücksicht auf den Wortlaut von Art. 177 Abs. 2 EGV, demzufolge ein Instanzgericht vorlegen "kann", auch vertreten, daß dies zugleich eine Einschränkung der entsprechenden Kompetenz erlaubeI 70. Zumeist wird zur Begründung des Rechtsmittelausschlusses jedoch die Ähnlichkeit des Ersuchens mit anderen prozeßleitenden Verfügungen herangezogen, die ebenfalls nicht selbständig anfechtbar sindl7l . Ein Ausschluß der So schon Schulte, MDR 1952, 520; ähnlich Pfeiffer, NJW 1994, 1996, 1997. Art. 17 der Satzung des EuGH schreibt den Anwaltszwang vor, es muß sich nach Abs. 2 dieser Vorschrift um einen in einern Mitgliedsstaat zugelassenen Rechtsanwalt vor. 165 Vgl. dazu im einzelnen Grabitz/HiJj7Wohlfahrt, Art. 177, Rz., 69. 166 Urt. v. 12.2.1974 - Rs. 146/73 Rheinmühlen-Düsseldorj -, Slg. 1974, 139, 148; EuGH. Slg. 1974,51,62 -BRT -; Hdk zu EUVIEGV-Hailbronner, Rz. 24. 167 Zur unterschiedlichen Ausgangslage in den Mitgliedsstaaten, vgl. Dauses, S. 95 m.w.N. 168 Ganz h. M., vgl. bereits Riegel, NJW 1975, 1094 tT; ders., RlW/AWD 1976, 110; aus der neueren Lit. Everling, DRiZ 1993,5, 12; Dauses, S. 95, 96; ders., FS Everling, 223, 233; Pfeiffer, NJW 1994, 1996, 1997. Aus der Rspr. schon OLG KiJln, WRP 1977, 734; grundlegend BFH. BFHE 132, 217 - anders aber noch BFHE 110, 12 -. Dem BFH zustimmend, VGH Baden-Württemberg, lnfAuslR 1986, 206 EuGRZ 1986, 572 m. grds. zust. Amn. Hilf. 169 So Ehle, NJW 1963, 2202; Riegel, RlW 1976, 110. 170 So wohl Pfeiffer, NJW 1994, 1996, 1997 f. 171 Dauses, 84; Rengeling!'MiddekeiGellennanniJakobs, Rz. 395 m. zahlr. Nachw. aus der deutschen Judikatur, auch Riegel, RlW/A WD 1976, 110. Demgegenüber hat der BFH zu § 128 Abs. 2 FGO ausdrücklich betont, daß eine Vorlage gern. Art. 177 Abs. 2 163
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=
ll. Das Vorabentscheidungsverfahren nach Art. 177 EGV
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selbständigen Anfechtbarkeit solcher Maßnahmen des Gerichts findet sich in jeweils ähnlicher Fonnulierung u. a. in §§ 146 Abs. 2 VwGO, 128 Abs. 2 FGO oder § 172 Abs. 2 SGB. Danach besteht keine Beschwerdemöglichkeit beispielsweise bei Vertagungsbeschlüssen oder Fristbestimmungen, Anordnungen zur Beweiserhebung oder zur Verfahrenstrennung (vgl. nur § 146 Abs.2 VwGO). Dieser Ansicht liegt die Überlegung zugrunde, möglichst keine materiellen Probleme eines Rechtsstreits in das Beschwerdeverfahren über prozeßleitende Maßnahmen zu verlagert, da eine solche Verlagerung die Gefahr divergierender Entscheidungen im Beschwerde-, Haupt- und Rechtsmittelverfahren birgt. Dieser Ansatz setzt allerdings bereits voraus, daß die Bestimmungen über prozessuale Zwischenentscheidungen auf das Vorlageersuchen nach Art. 177 EGV überhaupt Anwendung finden. Anerkanntennaßen handelt es sich bei dem Vorlagebeschluß um ein Rechtsinstitut eigener Art, das im deutschen Prozeßrecht keinen positiven Niederschlag oder eine Entsprechung gefunden hat. Mithin fehlt es an einem unmittelbaren Rechtsbehelf oder einer Verweisung auf ein Rechtsmittel. Da die Vorlageentscheidung jedoch als Beschluß ergeht, ist zu erwägen, ob dagegen die nach aUen Prozeßordnungen eröffnete Möglichkeit der Beschwerde besteht 172 • Angreifbar sein könnte auch der - ebenfalls nach den jeweiligen Verfahrensvorschriften vorgesehene - Aussetzungsbeschluß, der gleichsam uno actu mit dem Vorabentscheidungsersuchen an den Gerichtshof verbunden ist. Die Unanfechtbarkeit des Vorlagebeschlusses unter Rückgriff auf die entsprechenden Bestimmungen des Verwaltungsprozeßrechts verlangt eine Analogie zu den in § 146 Abs. 2 VwGO genannten Fällen173 . Sinn und Zweck der genannten Bestimmungen ist die Venneidung von Verfahrensaufspaltungen und die - gleichsam ungehinderte - Vorbereitung und Förderung der Entscheidungsfindung. Würde man hier eine Beschwerde zulassen, hätte dies zwangsläufig Verfahrensverzögerungen zur Folge. Diese für Beweisbeschlüsse, Aufklärungsanordnungen oder andere prozeßleitende Maßnahmen geltende RegeEGV eigentlich nicht unter den dort genannten Katalog falle, weil diese Maßnahmen lediglich ftlr den Fortgang des anhängigen Verfahrens hilfreich seien, während VorabentscheidWlgsersuchen unmittelbar der EntscheidungsfmdWlg dienten. Jedoch sei § 128 Abs. 2 FGO erweiternd dahingehend auszulegen sei, daß auch VorabentscheidWlgsersuchen darunter fielen, vgl. BF1IE 132, 217, 218; ebenso VGH Baden-Württemberg, EuGRZ 1986, 572 f =InfAuslR 1986,206,207. 172 Vgl. nur §§ 146 Abs. I VwGO, 128 Abs. I FGO, 172 Abs. I SGB. 173 Der Einfachheit halber wird nachfolgend nur diese Nonn zitiert, weil SGB Wld FGO ganz ähnliche Bestimmungen enthalten. Freilich ist zu berücksichtigen, daß die Paralle1nonn der FGO (§ 128 Abs. 2) ausdrücklich anordnet, daß der Beschwerdeausschluß nicht ftlr Aussetzungsbeschlüsse gilt; dazu sogleich.
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Kap. 4: Vergleichbare instanzielle Vorlagemodelle
lung wird auf das Vorabentscheidungsverfahren übertragen, dessen Ziel durchaus Parallelen § 146 Abs. 2 VwGO aufweist l74 . Demnach solle es generell keine Beschwerdemöglichkeit gegen das Ersuchen an den EuGH geben. Gerade gegen diesen generellen Beschwerdeausschluß bestehen allerdings auch Bedenken. Sobald nämlich die Vergleichbarkeit der Gründe nach § 146 Abs. 2 VwGO verneint wird175 , fehlt es dieser Argumentation an einer tragfähigen Basis. Und auch der herangezogene, dominierende Charakter von Art. 177 Abs. 2 EGV schließt eine Beschwerdemöglichkeit nur dann aus, wenn sich diese Beschwerde auf gemeinschaftsrechtliche Erwägungen stützt; denn nur fiir diesen Bereich postuliert der Gerichtshof sein Auslegungs- und Verwerfungsmonopol. Die von BFH und VGH Mannheim vertretene Ansicht, der sich die Kornmentarliteratur weitestgehend angeschlossen hat, enthält daher durchaus fragwürdige Argumente. Reduziert auf den Ausschluß einer nationalen Überprüfung des Vorlageermessens - wie Hilf dies vorschlägt176 -, hat die herrschende Ansicht allerdings den Vorzug einer leicht praktikablen und damit der Rechtssicherheit dienenden Regelung. (3) Besonderheit: Beschwerdeftihigkeit des Aussetzungsbeschlusses
(a) Aussetzung des Zivilrechtsstreits nach § 148 ZPO Im Gegensatz zu Art. 100 Abs. 1 GG177 ist in Art. 177 EGV nichts über die Aussetzung oder ein Aussetzungserfordernis bei beabsichtigtem Vorabentscheidungsersuchen gesagtl78. Das Gemeinschaftsrecht beläßt es somit auch hier beim Primat des nationalen Verfahrensrechts. Es versteht sich aber von selbst, daß der anhängige Rechtsstreit fiir die Dauer bis zum Erlaß einer Vorabentscheidung nicht weiter betrieben werden kann. Für den Bereich des deutschen Zivilverfahrensrechts müßten insoweit die Regelungen in den §§ 148, 252,567 ff. ZP0179 berücksichtigt werden.
174 ZuerstBFHE 132,217; zustimmend VGH Mannheim, EuGRZ 1986,572 f. = InfAuslR 1986, 206 f, wo ergänzend noch auf die Parallele zu § 80 BVerfGG herangezogen wird. 175 So Hilf, EuGRZ 1986, 574. 176 Ebenda. Dieser Vorschlag lehnt sich eng an den - inzwischen verlassenen Rechtsstandpunkt von BFHE 110, 12 an, wo für die Beschwerdefllhigkeit eines Vorlagebeschlusses eine über die mit der Vorlage notwendigerweise hinausgehende Beschwer verlangt wurde. 177 Dazu unten, S. 336 t1 178 Lediglich die Satzung des EuGH setzt in Art. 20 Abs. I die Aussetzung WJd Anrufung des Gerichtshofs voraus. 179 Vgl. OLG KiJln WRP 1977,734,736.
ll. Das Vorabentscheidungsverfahren nach Art. 177 EGV
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Gern. § 148 ZPO kann das Prozeßgericht zwar anordnen, daß die Verhandlung bis zur Erledigung "des anderen Rechtsstreits" ausgesetzt wird, sofern es auf die Entscheidung in diesem Rechtsstreit ankommt; diese Entscheidung, die ebenfalls durch Beschluß ergeht, ist jedoch grundsätzlich mit der Beschwerde gern. §§ 252, 567 ZPO angreifbarl80 . Dies wirft zunächst die Frage auf, inwieweit im Rahmen des Vorabentscheidungsverfahrens fiir eine Anwendung von § 148 ZPO Raum bleibt. § 148 ZPO knüpft die Aussetzungsmöglichkeit an die Rechtshängigkeit eines anderen Rechtsstreits, dessen Ergebnis präjudiziell fiir das anhängige Verfahren sein kann. Das Vorabentscheidungsverfahren gern. Art. 177 EGV stellt in diesem Sinne keinen "anderen Rechtsstreit' dar181 , es fehlt im Zeitpunkt der Vorlage an der in § 148 ZPO vorausgesetzten anderweitigen Anhängigkeit182 • Diese wird allenfalls durch das Vorabentscheidungsersuchen selbst hergestellt. Jedoch bestehen keine Bedenken, die Norm zumindest sinngemäß auch auf Vorlageverfahren anzuwenden, die zur Unterbrechung des Rechtsstreits fiihren183 . § 148 ZPO wird allgemein als prozeßleitende Maßnahme zur Verhinderung überflüssiger Arbeit durch parallele Verfahren angesehen 184 und entsprechend weit verstanden. Viel spricht dafiir, in der Bestimmung einen allgemeinen Rechtsgedanken zu sehen, daß ein Gericht, das eine Rechtsfrage nicht selbst entscheidet, bis zur Entscheidung über diese Frage nicht weiter verhandeln kann185 • Ist es demnach möglich, den Rechtsstreit analog § 148 ZPO auszusetzen, so ist damit jedoch noch nicht entschieden, ob die entsprechende gerichtliche Verfügung unter Umständen beschwerdefiUlig i. S. d. § 252 ZPO ist186• Die ZPO enthält keine Spezialregelung hinsichtlich einer eingeschränkten Rechtsbehelfsmöglichkeit bei Vorlageverfahren. Sie gleichsam mittels teleologischer Reduktion gegen den Wortlaut von § 252 ZPO zu entwickeln erscheint be180
§ 252 ZPO gilt filr alle Arten der Aussetzung, vgl. nur Z6Iler-Greger, § 252,
Rz.l. 181 So jüngst wieder LG Bann, EuZW 1996, 159, 160 mit der Besonderheit, daß wegen zahlreicher Vorlagen in derselben Angelegenheit (Schadensersatzpflicht der BRD wegen Nichtumsetzung der Pauschalreise-Richtlinie 90/314IEWG) zwar ausgesetzt, jedoch nicht an den EuGH vorgelegt wurde. 182 Vgl. den Hinweis bei PfeifJer, NJW 1994, 1996, 1998. 183 Ebenso Pfeiffer, NJW 1994, 1996, 1998 ffi. w. N. 184 Vgl. nur ThomrulPutzo, § 148, Rz. 2; Ziiller-Greger, § 148, Rz. l. 185 Vgl. Pfeiffer. NJW 1994, 1996, 1998. Dazu läßt sich auch ergänzend § 249 Abs. 2 ZPO heranziehen, der Prozeßhandlungen der Parteien während der Aussetzung die Wirkun~ nimmt. I 6 So aber Z6I/er-Greger, § 252, Rz. 1b.
20 Willingmann
Kap. 4: Vergleichbare instanzielle Vorlagemodelle
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denklichl87 . Gleichwohl lehnt die ganz herrschende Meinung den Rückgriff einer Partei auf die Beschwerde gern. § 252 ZPO ab und hält entsprechende Rechtsbehelfe gegen den Vorlagebeschluß für unzulässigl88 .
(b) Die Ansicht Pfeiffors Demgegenüber vertritt Pfoiffor die Auffassung, daß auch gegen einen Vorlagebeschluß i. S. von Art. 177 EGV die Beschwerde nach § 252 ZPO zulässig sein müsse. Dies folge bereits aus dem Primat des innerstaatlichen Prozeßrechts, die diesen Rechtsbehelf bei der Aussetzung des Rechtsstreits vorsehe, und der vorlagebedingten Eingriffe in die Dispositionsrechte der Parteien, deren Rechtsschutzinteresse dadurch in den Hintergrund gedrängt würde I 89. In den Mittelpunkt seiner Überlegungen rückt Pfeiffer die dem Zivilprozeß grundsätzlich anhaftende besondere Individualrechtsschutzfunktion, die in den prozessualen Gestaltungsrnitteln ihren Ausdruck finde. Die Gestaltung des Vorlageverfahren sei demgegenüber Sache zweier Gerichte, aus dem Parteiverfahren werde ein solches von ,,Richter zu Richter" I 90. Entsprechend gekürzt sei der Anspruch auf rechtliches Gehör; auf der anderen Seite träten Dritte in das Verfahren ein, denen jeglicher Bezug zum Ausgangsrechtsstreit fehle. Mit dieser Argumentation wendet sich Pfeiffer in erster Linie gegen Ansätze, die den Parteien das Beschwerderecht schon deshalb versagen wollen, weil es an Aussetzungs- oder Eingriffswirkungen der Vorlageentscheidung fehle. Weitergehend sieht er aber auch in der Überlegung, eine selbstllndige Beschwerdemöglichkeit stelle einen unzulässigen Eingriff der höheren Instanz in die Kognitionskompetenz des vorlegenden Gerichts dar, kein überzeugendes Argument. Denn die in diesem Zusammenhang regelmäßig geäußerte Nähe des Vorabentscheidungsverfahrens zur Richtervorlage nach Art. 100 Abs. I GG bestehe nur scheinbar; es überwögen aber die Unterschiede. Denn die Richtervorlage schaffe ein "Verfahrenshindernis eigener Art", das dem Ausgangsgericht keine andere Möglichkeit als die Vorlage lasse. Könnte der entsprechende Beschluß aber aufgehoben werden, wäre das Streitgericht unter Umständen gezwungen, für verfassungswidrig erachtete Normen anzuwenden. Dieses besondere Verfahrenshindernis bestehe hingegen bei Art. 177 Abs. 2 EGV nicht, da
PfeifJer, NJW 1994, 1996, 1998. Aus der Rechtsprechung OLG KiJln, WRP 1977,734; aus der Lit ZiJller-Greger, § 252, Rz. Ibm. w. N.; das BVerfG ist im Zusammenhang mit Art. 100 Abs. I GG allerdings anderer Auffassung, wenn zwar ausgesetzt, jedoch nicht vorgelegt wird, NJW 187
188
1973,1319. 189
190
PfeifJer, NJW 1994, 1997 ff. PfeifJer, NJW 1994, 1996,2000.
II. Das VorabentscheidWlgsverfahren nach Art. 177 EGV
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den Gerichten ein Ennessensspielraum bleibe, ob sie eine Frage des Gemeinschaftsrechts dem EuGH vorlegen l91 . Schließlich führt Pfeiffer aus, daß auch der Grundsatz von der Entscheidungsselbständigkeit jeder Instanz durch ein Beschwerdeverfahren nicht tangiert würde. Kontrolliert werde nämlich nicht die Ausübung des (Vorlage-) Ennessens, sondern allein, ob die Voraussetzungen einer Aussetzung vorlagen und die rechtlichen Grenzen des Ennessens eingehalten wurden\92. In diesem Zusammenhang blieben die europarechtlichen Erwägungen nachprüfungsfrei, die Vorlagekompetenz werde ,.geschontd93 • (4) Stellungnahme zur Frage der Rechtsbehelfo im Vorlageverfahren
Die Lösung dieses keineswegs abstrakten Problems ergibt sich weniger aus den Versuchen, das Vorabentscheidungsverfahren unter die ,.prozeßleitenden Verftlgungen" zu subsumieren, als vielmehr aus dem Wesen der Vorlageverfahren selbst. Es ist Pfeiffer zuzustimmen, wenn er darauf verweist, daß die Vorlage nach
Art. 177 EGV mit zivilrechtlichem Hintergrund zumeist die Auslegung des Gemeinschaftsrechts zum Inhalt hat. Eine stattgebende Beschwerdeentscheidung hätte hier nur zur Folge, daß das vorlagewillige Gericht selbst - also ohne Hilfe des EuGH - das Gemeinschaftsrecht auslegen müßte. Im Rahmen der konkreten Nonnenkontrolle nach Art. 100 Abs. 1 GG geht es demgegenüber nicht um die Auslegung, sondern um die Frage der Verfassungsmäßigkeit gesetzlicher Bestimmungen. In solchen Fallen erweist sich eine Beschwerdemöglichkeit als problematisch, da sie - konsequent weitergedacht - dazu führt, daß das zur Vorlage entschlossene Gericht nach erfolgreicher Beschwerde für verfassungswidrig erachtetes Recht anzuwenden hätte. Insoweit deckt sich der Ausschluß einer selbständigen Beschwerdemöglichkeit mit dem (Gesetzes-) Verwerfungsmonopol des BVerjG. Der Ausschluß der Beschwerde auch für den Bereich der Auslegungsvorlagen ergibt sich aber nicht aus dem Vergleich mit der Richtervorlage. Neben der praktischen Komplikation, die durch eine - von Pfeiffer favorisierte - gespaltene Beschwerdemöglichkeit entsteht, ergeben sich Bedenken aus dem bereits dargelegten Wesen und den Zielen von Vorlageverfahren sowie deren Verhältnis zur Individualrechtsschutzfunktion des Zivilprozesses.
Pfeiffer, NJW 1994, 1996,2000. Pfeiffer, NJW 1994, 1996, 2000 f. 193 Pfeiffer, NJW 1994, 1996,2000. 191
192
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Kap. 4: Vergleichbare instanzielle Vorlagemodelle
Es wurde bereits ausgeführt, daß der Sinn und Zweck von VorlagernodelIen zumindest nach deutschem Prozeßrechtsverständnisl94 nicht in einem erweiterten Rechtsschutz der Parteien, sondern in der Erfüllung des (verfassungs- bzw. hier gemeinschaftsrechtlichen) Auftrags zur Rechtsharmonisierung besteht. Dieses Ziel kollidiert zwangsläufig mit dem Interesse der Parteien an einer zügigen Entscheidung ihres Rechtsstreits, das seinerseits aber nicht unbedingt das Interesse an gebotener oder erforderlicher Rechtsharmonisierung ist. Das Verfahren nach Art. 177 EGV läßt sich - ähnlich dem Rechtsentscheid gern. § 541 ZPO - als justizinterner Vorgang verstehen, dessen Bedeutung im wesentlichen eben nicht in der konkreten, sondern vorrangig in der verallgemeinernden Entscheidung einer Rechtsfrage besteht, mag sie auch auf den jeweiligen Einzelfall Auswirkungen zeigen. Dies spiegelt auch die Regelung der Art. 164 ff. EGV wider. Im übrigen wird sie durch das vom EuGH postulierte Auslegungsmonopol unterstrichen. Die vom Gerichtshof jedem innerstaatlichen Gericht prinzipiell eingeräumte Vorlagemöglichkeit WÜrde durch die gleichwohl bestehende Beschwerdemöglichkeit gegen den Vorlagebeschluß konterkariert. Ließe man einen Rechtsbehelf insoweit zu, wäre de facto die Entscheidung über die Vorlage an den Gerichtshof überprüfbar und bestünde zugleich keine uneingeschränkte Vorlageoption. Das restriktive Verständnis zur Beschwerdefahigkeit von Aussetzungs- und Vorlagebeschlüssen steht somit auf dem Boden der vom Gerichtshof geforderten weiten Vorlagemöglichkeit aller Gerichte\9S. Daran ändert auch der Ansatz Pfeiffers nichts, der eine gleichsam kupierte Beschwerdemöglichkeit gern. § 252 ZPO befürwortet. Es erscheint bereits zweifelhaft, ob die von ihm vorgenommene Unterscheidung im Überprüfungsrahmen praktikabel ist. Der Sache nach - und dort kollidiert sein Ansatz mit dem des EuGH - birgt prinzipiell jede Möglichkeit einer Überprüfung der Vorlageentscheidung die Gefahr einer unzulässigen Restriktion der durch Art. 177 Abs. 2 EGV eingeräumten Vorlagebefugnis. Zusammenfassend läßt sich feststellen, daß die Stellung der Parteien eines (Zivil-)Prozesses durch die Einleitung eines Vorabentscheidungsverfahren er-
194 Insoweit muß die wiederholte Betommg des Individualschutzzwecks von Art. 177 EGV, wie sie der EuGH sieht, irritieren. Neben der Vermutung, daß der Gerichtshof darüber offenbar ein weiteres Verständnis hat, drängt sich der Eindruck auf, daß diese Sätze aus einer Zeit stammen, in der es wn eine möglichst breite Legitimationsbasis des VorabentscheidWlgsverfahrens ging, ohne der Systematik eines Vorlageverfahrens gerecht zu werden. 19S Ebenso Riegel, RlW/AWD 1976,llOf.
ll. Das VorabentscheidWlgsverfahren nach Art. 177 EGV
309
heblichen Wandlungen unterliegt. Wie schon zum deutschen Rechtsentscheid ausgefiihrt, werden aus den durch die Dispositionsmaxime gestärkten Parteien eines Zivilprozesses die Beteiligten eines auf die Beantwortung einer abstrakten Rechtsfrage gerichteten objektiven Verfahrens. Legitimiert wird dies allein dadurch, daß die Abwägung zwischen dem auf individuellen Rechtsschutz ausgerichteten Prozeß und der Notwendigkeit einer Klärung grundsätzlicher Rechtsfragen der Primat des "abstrakten" Verfahren anerkannt wird. Dies deckt sich mit den Begründungen des Rechtsentscheids im deutschen Zivilprozeß.
cc) Besonderheit: Die Beteiligung im mündlichen Verfahren vor dem EuGH Zum Ende der Betrachtung von Mitwirkungsbefugnissen der Parteien im Vorabentscheidungsverfahren sei noch auf eine Abweichung von der deutschen Vorlagepraxis hingewiesen. Obwohl strukturell darauf angelegt, eine Entscheidungshilfe bei der Klärung abstrakter Fragen des Gemeinschaftsrechts zu sein, gehen Satzung wie Verfahrensordnung des EuGH in allen Verfahren vom Erfordernis einer mündlichen Verhandlung aus, Art. 18 Abs. 1 Satzung, Art. 104 § 2, 3 VerfO. Dies muß bei einem objektiven Verfahren überraschen. Gleichwohl macht der EuGH von der mündlichen Verhandlung auch in Vorabentscheidungsverfahren rege Gebrauch. Lediglich für bereits geklärte Fragen eröffnet Art. 104 § 3 VerfO seit 1991 die Möglichkeit, auch durch Beschluß, und damit ohne mündliche Verhandlung, zu entscheiden. Fonnal reicht die Stellung der Parteien im anhängigen Verfahren nach
Art. 177 EGV daher weiter als im deutschen Vorlagerecht vorgesehen. Es besteht zumindest ein Anspruch auf mündliche Verhandlung, während der Rechtsentscheid nach § 541 ZPO lediglich ein Recht zur Stellungnahme kennt, das auch nur ausnahmsweise vor dem Obergericht ausgeübt wird, sofern das Landgericht die Beteiligung der Parteien beim Vorlagebeschluß versäumt hat Prima facie deutet die Verfahrensweise vor dem EuGH auf eine größere Beteiligungsmöglichkeit hin; dies mag ein weiteres Indiz für den mit Art. 177 EGV auch beabsichtigten Individualrechtsschutz sein. Ob allerdings de facto der Einfluß der Parteien des Ausgangsrechtsstreits dadurch größer ist als in der nationalen Vorlagepraxis muß empirischer Forschung überlassen bleiben.
310
Kap. 4: Vergleichbare instanzielle Vorlagemodelle ~
VerJfahrensbeendigung
aa) Beendigung des Ausgangsrechtsstreits Wegen seiner Ausgestaltung als "Zwischenstreit"196 stellt das Vorabentscheidungsverfahren nur einen Ausschnitt aus dem vor dem staatlichen Gericht anhängigen Gesamtverfahren dar. Da sich im Ralunen von Auslegung des Gemeinschaftsrechts durch den Gerichtshof und Anwendung des Rechts durch das Vorlagegericht nicht inuner randscharfe Abgrenzungen ergeben, ist das Verfahren zwischen beiden Spruchkörpern vom Grundsatz der Zusammenarbeit geprägt. Ein hierarchisches Verhältnis zwischen den Gerichten wird bewußt vermieden. Hauptverfahren bleibt stets der Ausgangsrechtsstreit der Parteien vor dem nationalen Gericht. Während die Parteien auf das "richterliche" Verfahren nach Art. 177 EGV keinerlei Einflußmöglichkeit haben, bleibt sie ihnen auf den anhängigen Rechtsstreit vor dem nationalen Gericht unbenommen. Daraus folgt, daß ihre Parteihandlungen Auswirkungen auf das laufende Vorabentscheidungsverfahren haben können. Nach herrschender Meinung führen die K1agrücknahme oder ein prozeßbeendender Vergleich im Ausgangsrechtsstreit auch dazu, daß das Vorabentscheidungsverfahren endet l97 . Das formale Vorgehen ist insoweit allerdings von Interesse, da der EuGH normalerweise von der Beendigung des Rechtsstreits keine unmittelbare Kenntnis erlangt. Erforderlich ist daher, daß das vorlegende Gericht das Ersuchen - den Vorlagebeschluß zurücknimmt. Geschieht dies nicht, so soll der - infonnierte! - EuGH dann die Vorlage als gegenstandslos zurückweisen l98 . Demnach obliegt es auch alleine dem Vorlagegericht, das Vorabentscheidungsverfahren zu beenden, was als Zeichen strikter Aufgabenteilung zwischen beiden Spruchkörpern begriffen wird l99 . Der EuGH führt aus diesem Grunde das Verfahren so lange weiter, bis der Vorlagebeschluß zurückgezogen ist oder das nationale Gericht höherer Instanz mitgeteilt hat, daß dieser aufgehoben isroo . Der Gerichtshof scheint hier durchaus geneigt zu sein, in der Sache noch eine Vorabentscheidung zu erlassen, solange die Prozeßbeendigung nicht "sicher" ist. Dies zeigt, daß der Rechtshannonisierungsaspekt von besonderer Be-
So GroebenIThiessinglEhlermann/Krück, Art. 177, Rz. 7. Vgl. nur Lutter, ZZP 86. Bd. (1973),107,139. 198 Vgl. Lutter ebenda. 199 Hdk. zu EUVIEGV-Hailbronner , Art. 177, Rz. 26; RengelingIMiddeke/Gellermann/Jakobs, Rz. 350. 200 Grundlegend EuGH, UIt. v. 30.1.1974 - Rs. 127m SABAM -, Slg. 1974, 51. 196 197
11. Das Vorabentscheidungsverfahren nach Art. 177 EGV
311
deutung ist, und das Interesse an einer Klärung zur Entscheidung des konkreten Einzelfalls demgegenüber zurücktritt. bb) Beendigung des Vorlageverfahrens Wird das Vorabentscheidungsersuchen nicht zurückgenommen, so entscheidet der EuGH durch Urteil über die vorgelegten Fragen. Seit dem 1.7.19geOl läßt die Verfahrensordnung des EuGH zu, daß eine Entscheidung nach Art. 177 EGV auch ohne mündliche Verhandlung durch Beschluß ergehen kann, wenn die vorgelegte Frage offensichtlich mit einer bereits vorgelegten übereinstimmt, über die der Gerichtshof bereits entschieden hat (Art. 104 § 2). h) Die Wirkung der Vorabentscheidung
Die Rechtwirkungen der Vorabentscheidungsurteile werden uneinheitlich beurteilf02 . Problematisch erscheint bereits die Abgrenzung von Rechtskraft und Bindungswirkung. Auch dies ist Folge des Fehlens entsprechender Bestimmungen innerhalb des EGV. Wie die Vorlagevoraussetzungen unterscheiden sich auch die Wirkungen der EuGH-Entscheidungen gern. Art. 177 EGV. Für diese Untersuchung sind - wegen der Parallele zum RE-Verfahren - die Auslegungsurteile (Art. 177 Abs. 1, lit. a) von besonderem Interesse, während die zur Feststellung der Gültigkeit von Rechtsakten (Abs. 1, lit. b) weitgehend unberücksichtigt bleiben können. aa) Rechtskraft Hinsichtlich der Wirlrungen der Vorabentscheidung ist zwischen dem Eintritt der Rechtskraft des EuGH -Urteils und einer weitergehenden Bindung des oder der Spruchkörper zu unterscheiden. Der EuGH entscheidet durch Urteil, in dessen Tenor das Auslegungsergebnis (bzw. die Gültigkeit der Handlung) festgestellt und begtiindet wird. Insoweit erwächst das Urteil in Rechtskraft, gern. Art. 67 VerfO des EuGH mit dem Tage seiner Verkünduni03 •
Zu den verfahrensrechtlichen Neuerungen vgl. H. J. Rabe, EuZW 1991, 596 ff. Ebenso Dauses, S. 148, der die Diskussion für noch nicht abgeschlossen halt 203 Vgl. dazu auch KoenigiSander, Rz. 497; Borchardt, in: Lenz, Art. 1Tl, Rz. 36; Pescatore, BayVBI. 1987,33,42; Heß, ZZP 108. Bd. (1995), 59,67: Formell, weil die Entscheidung unanfechtbar und ab VerktIndung rechtskräftig ist; materiell, weil sich die Befriedungsfunktion dieses Instituts auch auf präjudizielle Rechtsverhältnisse beziehen 201
202
312
Kap. 4: Vergleichbare instanzielle Vorlagemodelle bb) Bindungswirkung im Ausgangsrechtsstreit
Vom Eintritt der fonnellen Rechtskraft ist die Bindungswirkung der Vorabentscheidung fiir das Ausgangsverfahren zu trennen. Üblicherweise erteilt der Gerichtshof eine tenorierte Antwort und gibt in den Entscheidungsgründen Auslegungskriterien, die dem Vorlagegericht die Umsetzung der Entscheidung im Ausgangsrechtsstreit des Vorlageverfahrens ermöglichen sollen204 . Bindungswirkung bedeutet dann, daß das konkrete Auslegungsergebnis des EuGH im weiterhin vor dem nationalen Gericht anhängigen Rechtsstreit zu beachten ist. Die aufgeworfene gemeinschaftsrechtliche Frage ist dort in der vom Gerichtshof vorgenommenen Auslegung zu berücksichtigen205 . Diese Wirkung der Vorabentscheidung gilt fiir das komplette Ausgangsverfahren, fiir alle Gerichte, die denselben Rechtsstreit zu entscheiden haben, also auch fiir ein etwaiges Rechtsrnittelgericht, vor das der Rechtsstreit gelangt bzw. an das der Rechtsstreit zurückverwiesen wird206 . Jedoch steht es diesen Gerichten frei, ihrerseits den EuGH erneut anzurufen, um eine "weitere Klärung herbeizujUhren", wenn sie der Entscheidung nicht folgen wollen,,207. Für das Ausgangsverfahren bindet die Vorabentscheidung das Vorlagegericht demnach inhaltlich208 , da durch den EuGH über die Auslegung des EGV "entschieden" wird209 . Demnach hat das nationale Gericht die im Tenor und den Entscheidungsgründen210 niedergelegte Auffassung des Gerichtshofs seinem Urteil zugrundezulegen211 . Eine Beschränkung der Bindungswirkung auf den tenorierten Ausspruch212 ist bei Entscheidungen nach Art. 177 EGV nicht angezeigt, da die Urteilsfonnel kann und in der konkreten Auslegungsentscheidung eine Bindung der Parteien Ausspruch des Gerichtshof entsteht. 204 KoenigiSander,
an
den
Rz. 495.
Dauses, 149. 206 Dauses, 148. 205
GrabitrlHilflWohlfahrt, Art. 177, Rz. 70. EuGH, Urt. v. 3.2.1977, Rs. 52/76 Benedetti -, Sig. 1977, 163; vgl. auch RengeIinglMiddeke!Ge/lennanniJakobs, Rz. 395. Zu beachten ist jedoch, daß auch noch nach 207
208
durchgefilhrtem Vorabentscheidungsverfahren für das vorlegende Gericht die Möglichkeit besteht, seine Einschätzung, daß es auf die gemeinschaftsrechtliche (Vorlage-)Frage für die Entscheidung des Rechtsstreits ankommt, revidieren und somit die Entscheidung des EuGH außer Betracht lassen kann, vgl. nur Borchardt, in: Lenz, Art. 177, Rz. 38. 209 Nach Borchardt, in: Lenz soll sich dies aus der Urteilsformel ,für Recht erkannt' ergeben, Art. 177, Rz. 36; demgegenüber sieht Dauses, 148 in dieser Formulierung lediglich einen Hinweis darauf, daß kein ,,konkreter" Rechtsstreit entschieden wird. 210 So Dauses, 149. 211 Dies sieht auch das BVeifG ebenso, vgl. BVeifGE 45, 142, 162 = NJW 1977, 2024; BVeifGE 52, 187,201 =NJW 1980,519. 212 So Lenz, ZAP 1989, S. 767, 773, der diesen dann aber im Lichte der Entscheidunsgründe verstanden wissen will - eine unnötige, akademische Differenzierung.
II. Das VorabentscheidWlgsverfahren nach Art. 177 EG V
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lediglich eine stark gemme Fonn der vorausgehenden Entscheidungsgriinde darstellt. Eine Einschränkung erfährt die Bindungswirkung der Vorabentscheidung jedoch dadurch, daß das Vorlagegericht von ihr abweichen kann, soweit es für die Entscheidung auf den Ausspruch des Gerichtshofs nicht ankomme l3 • cc) Weitergehende Präjudizwirkung (1) Ansichten in der Literatur
Eine ausdrückliche präjudizielle Bindung anderer Gerichte an AuslegungsUrteile214 in Vorabentscheidungsverfahren ist in Art. 177 EGV nicht vorgesehen; sie wird auch vom Gerichtshof selbst nicht angenommen21S • Gleichwohl ist die Frage nach einer weitergehenden Breitenwirkung der Urteile in Vorabentscheidungsverfahren umstritten. Vereinzelt wird den Entscheidungen entnommen, daß innerstaatliche Gerichte von der durch den EuGH vorgenommenen Auslegung einer gemeinschaftsrechtlichen Bestimmung nicht mehr abweichen dürften216 . Koenig/Sander sprechen von einer "beschränkten erga-omnes-Bindungs Wirkung", die zwar keine spätere Vorlage gleichen Inhalts ausschließe, wohl Dauses, S. 149. Anders, wenn der Gerichtshof die Ungültigkeit von OrganhandlWlgen feststelltechte "erga-omnes-Wirlcung" -, da es dem Gebot der Rechtssicherheit widerspricht, wenn durch spätere EntscheidWlg die Gültigkeit der Handllmg festgestellt wird, vgJ. EuGH, urt. v. 13.5.1981 - Rs. 66/80 International Chemical Corporation -, Sig. 1981, 1191; dazu KoeniglSander, Rz. 499 m. Nachw. aus der Lit.; ebenso Groebeni/'hiesinglEhlermanniKrUck, Art. 17, Rz. 88. Zu beachten ist allerdings, daß dies wiederum nicht ftIr EntscheidWlgen gilt, in denen die Ungültigkeit einer OrganhandlWlg nicht festgestellt wird, da der Gerichtshof u. U. in späteren Verfahren zu einem anderen Ergebnis kommen kann. 215 EuGH, Rs. 66/80 International Chemical Corporation -, Slg. 1981, 1191; ebenso Dauses, S. 153. 216 Anhaltspunkte werden dem Urt. in der Rs. 66, 127,128/79 Administrazione delle Finanzendello Stato/Salumi -, Sig. 1980, 1237, 1260 entnommen; Hinweis bei Groebeni/'hiesing/ Ehlermannl Krilck, Art. 177, Rz. 90; in der deutschen RechtsprechWlg hat sich - allerdings nur ein einziges Mal - der BGH ftIr eine Allgemeinverbindlichkeit der VorabentscheidWlg ausgesprochen, vgJ. Urt. v. 14.6.1963, NJW 1964,152,155. Die Ansicht blieb obergerichtlich singulär, in jüngster Zeit hat jedoch das LG Bonn zur BegründWlg eines Aussetzungsbeschlusses nach § 148 ZPO die MeinWlg vertreten, die BindWlgswirlrung der EuGH-Urteile bestehe ,,in lihnlichem Umfang wie der nationale Rechtsentscheid oder wie die Rechtsauffassung des Veifassungsgerichts im Rahmen des Normenkontrollveifahrens" , EuZW 1996, 159, 160. Eine bemerkenswerte, nicht Wlproblematische Ansicht; dazu sogleich. 213
214
Kap. 4: Vergleichbare instanzielle Vorlagemodelle
314
aber abweichende Entscheidungen verbiete. Wolle der nationale Richter abweichen. so sei er vorlagepflichtig217 • Diese Wirkung der Vorabentscheidung folge aus der Einrichtung des Instituts selbst und aus Art. 5 Abs. I EGV218 • Dieser Ansicht folgt auch Wolf, der es jedoch nur fiir ,,zweckmäßig" erachtet, nicht von einer Auslegungsentscheidung abzuweichen219 Ähnlich die Ansicht von Renge/inglMiddeke/Gellermann/Jakobs, die meinen, der Grundsatz der Prozeßökonomie gebiete eine Bindung der Instanzgerichte an Vorabentscheidungsurteile, da ein Abweichen der Instanzgerichte von bereits ergangenen Urteilen des EuGH stets einen Berufungs- bzw. Revisionsgrund darstelle. In der nächsten Instanz müsse jedoch das nationale Gericht die bisherigen Vorabentscheidungen berücksichtigen, so daß - wohl der Einfachheit halber - dies auch gleich auf Instanzebene geschehen könne220 • Borchardt sieht zumindest darin. daß der Gerichtshof eine Vorlagepflicht verneint, wenn er bereits über dieselbe Rechtsfrage entschieden hat., eine gewisse Präjudizwirkuni21 •
Nach Krück besteht lediglich eine Parallele zur Präjudizwirkung höchstrichterlicher Entscheidungen in den Mitgliedsstaaten außerhalb des Common-LawRechtskreises. Auch diese erlangten zwar keine unmittelbare Verbindlichkeit ("stare decisis") außerhalb des entschiedenen Rechtsstreits, erführen jedoch wegen der Bedeutung des Spruchkörpers auch ohne formelle Regelung eine weite Akzeptanz durch die Instanzgerichte222 • Auf ähnlichem Standpunkt steht Dauses, der in der Möglichkeit für andere Gerichte, auf durch Vorabentscheidung gewonnene Auslegungsergebnisse zurückgreifen zu können. bereits eine ,,Präjudizwirkung" sieht, die er mit der ,,Leitfunktion" höchstrichterlicher Entscheidungen gleichstellt223 . Zur Begründung zieht Dauses die Rechtsprechung des Gerichtshofs 224 heran. derzufolge letztinstanzliche Gerichte keiner Vorlagepflicht unterliegen, wenn die gleiche
217
Rz. 499.
Ebenso _ für das Ungültigkeitsverfahren - Borchardt, in: Lenz, Art. 177, Rz. 40. In: FS LUke, S. 979,984. 220 Rz. 401. 221 In: Lenz, Art. 177, Rz. 42. 222 In: GroebenlIhiesinglEhlermann, Art. 177, Rz. 91. 223 S. 154. 224 Urt. v. 27.3.1963 - Rs. 28-30/62 Da Costa -, Slg. 1963, 63, in dem der Gerichtshof auf die wenige Monate zuvor ergangene Entscheidung in der Rs. 26/62 Van Gend & Loos , Slg. 1963, 1. verwies; zustimmend P. Hay, American Journal of Comparative Law 1963,404. 21 g
219
ll. Das VorabentscheidWlgsverfahren nach Art. 177 EGV
315
Frage bereits durch den EuGH in einem anderen Verfahren entschieden worden ist. Insoweit ähnelten die Vorabentscheidungen den oberstrichterlichen Erkenntnissen der nationalen Gerichte, die keine unmittelbare Verbindlichkeit für andere Rechtsstreitigkeiten entfalteten, von denen aber andererseits eine "rechtsbildende Kraft" ausgehe, so daß sie in praxi über den konkreten Fall hinausreichten225 .
(2) Stellungnahme Die dargestellten Ansichten zeigen, daß die Frage der Wirkung des Vorabentscheidungsurteils noch nicht abschließend beantwortet ist. Da sich eine ausdrückliche Bindungswirkung aus dem EGV nicht und aus der Judikatur des EuGH nur schwer nachweisen läßt, wird entweder nur eine beschränkte Allgemeinwirkung angenommen oder aber eine weitergehende Bindung der nationalen Gerichte aus (sehr) allgemeinen Kriterien abgeleitet. Dies geschieht, weil im Regelungsgerüst des Art. 177 EGV eine Bestimmung fehlt, die den Geltungsanspruch des einzelnen Urteils in vergleichbarer Weise wie § 541 ZPO oder § 31 BVerfGG festlegt. Um wenigstens eine ähnliche Wirkung der EuGHUrteile zu erlangen, müssen praktische Erwägungen in den Mittelpunkt gerückt werden. Zu überlegen ist jedoch auch hier, ob nicht dem Vorlagemodell selbst eine solche Bindungswirkung der Urteile einer "Schlußinstanz" immanent ist. Anders ausgedrückt läßt sich auch die Frage stellen, ob nicht Vorlageurteile zwangsläufig einer Breitenwirkung bedürfen, um dem System Effektivität zu verleihen. Nach den bereits dargelegten Überlegungen zur Zielfunktion eines durch Vorlageverfahren ergänzten Rechtsschutzsystems läge es nahe, die dort erzielten Ergebnisse zu übertragen und dies zu bejahen. Etwas anderes könnte sich nur ergeben, wenn sie feststellen ließe, daß das Vorabentscheidungsverfahren im Gegensatz zum RE-Modell einen stärkeren Individualbezug aufweist. Sobald das Interesse an der Gewährung individuellen Rechtsschutzes überwiegt, ist anzunehmen, daß auch die - grundsätzlich abstrakte - Entscheidung nicht hinreichend vom Einzelfall getrennt werden kann, so daß eine Bindungswirkung über den konkreten Fall hinaus ausscheidet. Im Ralunen des Verfahrens nach Art. 177 EGV, namentlich durch die umfassende Beteiligung der Parteien und Dritter entsteht ein Fallbezug, der dem Urteil des EuGH per se die abstrakte Bindungswirkung nimmt.
225
Dauses, S. 156.
316
Kap. 4: Vergleichbare instanzielle Vorlagemodelle
Das Fehlen einer normativen Bindungswirkung von Entscheidungen in Verfahren nach Art. 177 EGV, wie sie beim Rechtsentscheid vorgesehen ist, stellt den gravierendsten Unterschied zwischen beiden Modellen dar. Zugleich ist aber festzustellen, daß aus der urspIiinglich überhaupt nicht gewollten Bindungswirkung inzwischen zumindest eine partielle Präjudizialität der EuGHErkenntnisse anerkannt ist. i) Mißachtung der Vorlagepflicht
Stärker noch als im Bereich des nationalen Rechts birgt das Gemeinschaftsrecht die Gefahr einer Mißachtung der durch den EGV vorgesehenen Vorlagepflicht. Dies mag an einer weitreichenden Unsicherheit über die Verfahrensmechanismen, aber auch an fehlender Kenntnis des materiellen Gemeinschaftsrechts liegen226 • Schließlich könnte auch. die zu erwartende lange Verfahrensdauer von der Vorlage abschrecken. Keineswegs wird immer von einem bewußten Unterlassen auszugehen sein, ebensowenig hat der Begriff der "Mißachtung" in diesem Zusammenhang einen peiorativen Charakter. Daß auf die Vorlage an einen anderen (höheren) Spruchkörper verzichtet wird, kann unterschiedliche GIiinde haben, die Auswirkungen für die Parteien sind jedoch stets identisch: eine aufgetretene Frage, die eine Vorlage zur Vorabentscheidung gerechtfertigt hätte, bleibt durch das für diese Verfahren eingerichtete Gericht unbeantwortet. Es liegt in der Natur des Rechtsstreits, daß die Partei, die diesen Verfahrensmangel erkennt oder sich dadurch benachteiligt fühlt, nach Rechtsbehelfen sucht. Kommt ein nationales Gericht seiner Vorlagepflicht nicht nach, so könnten sowohl auf kommunitärer wie auf nationaler Rechtsgrundlage Reaktionsmöglichkeiten offenstehen, um den Verfahrensfehler zu "heilen". aa) Gemeinschaftsrechtliche Folgen: Vertragsverletzungsverfahren (1) VertragsverletzungsverJahren nach Art. 169, 171 EGV
Die Nichtbeachtung der Vorlagepflichf27 verletzt neben Art. 177 Abs. 3 auch Art. 5 Abs. 1 EGV, der die Mitgliedsstaaten verpflichtet, alle geeigneten Maßnahmen zur Erfüllung der Vertragsverpflichtungen einzuleiten. Gleichwohl
226 Everling, DRiZ 1993,5, Ilfnennt daneben auch psychologische Vorbehalte, die den nationalen Richter von einer Vorlage an den Gerichtshof abhalten, der - aus deutscher Sicht - nach ungewohnten Verfahrensregeln und Kriterien in einer ungewohnten Sprache judiziert. 227 Dauses, Gutachten D 125, spricht vom ,,rechtswidrigen" Unterlassen der Vorlage, wobei freilich der Rechtswidrigkeit über die Feststellung einer Vorlagepflichtmißachtung keine eigene Bedeutung zukommt.
II. Das Vorabentscheidungsverfahren nach Art. 177 EG V
317
hat die Mißachtung der Vorlagepflicht - wie im RE-Verfahren - nur begrenzte Auswirkungen. Möglich ist nach Gemeinschaftsrecht ein Vertragsverletzungsverfahren gern.
Art. 169 - 171 EGV gegen das Mitgliedsland, dem das Gericht angehörf28 . Dies kann jedoch nur von der Kommission eingeleitet werden, an die sich die Parteien des' Ausgangsrechtsstreits mithin wenden müßten. Ein Anspruch auf Einleitung des Vertragsverletzungsverfahrens besteht nichr29 ; die Parteien haben insoweit keine Möglichkeit einer "Klageerzwingung,mo. Und selbst die Auswirkungen eines eingeleiteten Infraktionsverfahrens sind beschränkt. Zwar besteht Einigkeit darüber, daß ein Mitgliedsstaat rur gemeinschaftsrechtswidrige Akte aller seiner Organe verantwortlich isr31 ; dazu zählen auch die Entscheidungen seiner Gerichte. Jedoch ist das stattgebende Urteil im Verletzungsprozeß nach Art. 169 EGV fiir die Entscheidung im Anlaßrechtsstreit ohne Bedeutung232 • In die Rechtskraft des ergangenen Urteils greift das Urteil wegen Vertragsverletzung nicht ein. Entsprechend läßt sich ein Individualschutz aus Art. 169 EGV jedenfalls nicht herleiten233 . Insoweit bleibt auch Art. 171 EGV in diesen Verfahren ohne Wirkuni34 . Danach sind die Mitgliedsstaaten zwar verpflichtet, alle Maßnahmen, die sich aus dem Urteil des EuGH ergeben, zu ergreifen und ggf. negative Folgen des gemeinschaftsrechtswidrigen Verhaltens zu beseitigen. Nicht zu übersehen sind dabei jedoch die praktischen Schwierigkeiten eines solchen "Folgenbeseiti-
228 Schiller sieht darin nur eine ,.theoretische MiJglichkeit", da das Verfahren viel zu schwerfällig und im Ergebnis unzureichend umsetzbar wäre, NJW 1983, 2736; ebenso Riegel, NJW 1975, 1054; ähnlich Dauses, Gutachten, D 126. 229 EuGH, Urt. v. 1.3.1966 - Rs. 48/65 Latticke -, Slg. 1966,27; Urt. v. 14.2.1989Rs. 247/89 Star Fruit -, Slg. 1989,291. 230 Dauses, 119. 231 Borchardt, in: Dauses, EG-Wirtschaftsrecht, P. I, Rz. 14; Dauses, 119. 232 Dies mag die Kommission bislang bewogen haben, in Fällen mißachteter Vorlagepflicht kein Vertragsverletzungsverfahren einzuleiten. Dauses filhrt dies darauf zurück, daß das Verfahren nach Art. 169, 170 EGV von der Kommission als ultima mtio verstanden wird, das erst dann zur Anwendung gelangt, wenn oberste nationale Gerichte konsequent die Inanspruchnahme des Vorabentscheidungsverfahrens ablehnen, S. 120 m. w. N. Zum bisher einzigen Fall, in dem die Kommission zumindest das Vorverfahren gern. Art. 169 EGV gegen einen Mitgliedsstaat, in dem ein letztinstanzliches Gericht eine Vorlage nach Art. 177 EGV unterließ, eingeleitet hat (Pingo-Hlihnchen) vgl. auch Meier, EuZW 1991, 11 fT. Kritisch zu dieser Zurückhaltung, Ehlennann, FS Kutscher (1981), S. 135. 233 Dauses, 119. 234 Schaub, NJW 1994,81,83. Gleichwohl mag ein entsprechendes Verfahren sinnvoll sein, bildet es doch u. U. die Grundlage für eine Haftung des entsprechenden Mitgliedslandes, vgl. dazu m. w. N. Dauses, S. 121.
318
Kap. 4: Vergleichbare instanzielle Vorlagemodelle
gungsanspruchs". Wegen des Gewaltenteilungsgrundsatzes kann diese (Beseitigungs-)Maßnahme in Deutschland - wie auch den anderen Mitgliedsstaaten der Union - jedenfalls nicht durch Eingriff in die Rechtskraft eines gerichtlichen Urteils behoben werden. Die Kommission hat dieses Dilenuna durchaus erkannt und scheint das Verfahren gern. Art. 169, 171 EGV auch eher dahin zu verstehen, daß der danach ggf. verurteilte Staat künftigen Verletzungen auf gleicher Grundlage entgegentritt. Zu diesen perspektivischen Maßnahmen sollen Informationen der Bundesregierung über den kommunitären Rechtsstandpunkt zählen, aber auch das Einschreiten der Legislative, um die Gerichte künftig enger und eindeutig an das Gemeinschaftsrecht zu binden. Diese Maßnahmen sind freilich - anders als nach Art. 169, 171 EGV vorgesehen - nicht dazu geeignet, den bereits begangenen Verstoß zu heilen oder dessen unmittelbare Folgen aus der Welt zu schaffen. Um dies zu erreichen, müßte das an und für sich - ohne Vorlage - beendete Verfahren prozessual in ein Stadium zurückversetzt werden können, das ein Nachholen des Vorabentscheidungsverfahrens zuließe. Ein denkbares Modell wäre insoweit, zumindest auf nationaler Ebene eine Restitutionsklage analog § 580 Nr. 6n ZPO zuzulassen, wie Meier dies vorschlägt235. Aufgegriffen wurde dieser Vorschlag allerdings bislang noch nicht. (2) Zwischenergebnis
De lege lata fehlt dem EU-Bürger gemeinschaftsrechtlich jede Möglichkeit, innerhalb eines anhängigen Verfahrens oder noch nach Abschluß des Rechtsstreits eine Vorlage an den EuGH durchzusetzen236 . bb) Verfassungsrechtliche Folgen nach deutschem Recht Nach deutschem Recht237 kann allerdings die pflichtwidrige Nichtvorlage den Anspruch auf den gesetzlichen Richter gern. Art. 10 1 Abs. 1 S. 2 GG verletzen238 .
ZHR 133 (1969), 86; DVBl. 1975,786; 1978,502; ders. EuZW 1991, 11, 14. Koenig/Sander, Rz. 486. 237 Diese Lösung ist ein deutsches Speziflkwn und in keiner Rechtsordnung eines anderen Mitgliedsstaates der EU vorgesehen, vgl. Dauses, Gutachten, D 126. 238 So das BVeifG erstmalig in seinem Beschluß v. 22.10.1986, BVeifGE 73, 339, 366; bestätigt durch BVeifGE 75,223,245; BayVBl. 1989,595; BayVerfGH, BayVBl. 1989,593. 235
236
11. Das Vorabentscheidungsverfahren nach Art. 177 EGV
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(l)Art. 101 Abs. 1 S. 2 GG Dieser Grundsatz von Verfassungsrani39 garantiert jedermann das Recht, sein Anliegen vor dem gesetzlich zuständigen Gericht in der vorgeschriebenen Zusammensetzung vorzubringen. Dun wird in erster Linie dadurch Rechnung getragen, daß die Zuständigkeit des Richters im voraus abstrakt-generell festgelegt ist Einzelheiten ergeben sich aus den Bestimmungen des Gerichtsverfassungsrechts und der Prozeßordnungen. Der Entzug des gesetzlichen Richters kann auch darin liegen, daß ein angerufenes Gericht eine nach den gesetzlichen Bestimmungen bestehende Vorlagepflicht übergeht und selbst (bzw. allein) entscheidet. In diesem Fall steht den Prozeßparteien die Verfassungsbeschwerde gegen das Urteil gern. Art. 93 Abs. I Nr.4b GG, §§ 90 ff. BVerfGG offen. Ob die unterlassene Vorlage an den EuGH gern. Art. 177 Abs. 3 EGV als Verstoß gegen Art. 101 Abs. I S.2 GG anzusehen ist, war geraume Zeit umstritten240 • (a) Der Standpunkt der älteren Literatur In der Literatur wurde frühzeitig der Standpunkt eingenommen, daß auch der EuGH gesetzlicher Richter i. S. d. deutschen Verfassungsrechts isr4 \. Zur Begründung konnte ganz allgemein auf die durch den deutschen Gesetzgeber erteilte Zustimmung zum EWG-Vertrag verwiesen werden (Art. 24 Abs. I GG), die automatisch den EuGH - zumindest rur gemeinschaftsrechtliche Zweifelsfragen - in die deutsche Gerichtsverfassung integriert habe242 • Flankierend ließ sich ferner auf das insoweit bestehende Rechtsprechungsmonopol des EuGH abstellen243 .
239 Allgemein wird von einem "grundrechtsgleichen Recht" gesprochen, vgl. nur PierothiSchlink, Rz. 1162. 240 Vgl. Schiller, NJW 1983,2736. 24\ Eine umfassende Übersicht bietet Amolf, FS f. K. H. Neumayer, 17 ff. , allerdings auf dem Diskussionsstand von 1985. 242 Vgl. nur Ipsen, EuR 1972,58; Feige, AöR 100 (1975), 544; Meier, NJW 1971, 2123. 243 Kritisch zum Begriff ,,Rechtsprechungsmonopol", Hepting, EuR 1982, 321; kritisch zum EuGH als gesetzlichem Richter, Riegel, NJW 1975, 1053 f, der dies deshalb ftIr fragwürdig hält, weil das Vorabentscheidungsverfahren als Zwischenverfahren und ohne Beteiligung der Parteien des Ausgangsrechtsstreits ausgestaltet sei.
320
Kap. 4: Vergleichbare instanzielle Vorlagemodelle
(b) Der Standpunkt des BVerjG244
Das BVerjG hat zunächst - obwohl wiederholt Gelegenheit zur Stellungnahme bestand245 - die Beantwortung dieser Frage offen gelassen und erst durch seinen Beschluß v. 22.10.1986246 klargestellt, daß auch der EuGH "gesetzlicher Richter" sei und damit die Vorlagepflicht an den Gerichtshof in den (Schutz-)Bereich von Art. 101 Abs. 1 S.2 GG falle 247 . Durch Beschluß v. 8.4.1987248 hat das BVerjG sodann erstmalig das Urteil eines obersten Bundesgerichts (hier: des BFH) wegen Verletzung des Anspruchs auf den gesetzlichen Richter durch Nichtvorlage an den EuGH aufgehoben. Es ging davon aus, daß der Bundesfinanzhof, der einer im Ausgangsrechtsstreit eingeholten Vorabentscheidung des Finanzgerichts nicht folgte, jedoch seinerseits die Rechtsfrage nicht erneut dem EuGH vorgelegt hatte, die Pflicht aus Art. 177 Abs. 3 EGV objektiv willkürlich verletzt hat249 . Mit diesen beiden Entscheidungen250 wurde das Vorabentscheidungsverfahren gern. Art. 177 EGV in die bisherige "Vorlage-Rechtsprechung" des BVerjG integriert. Erste Voraussetzung dafiir war die Feststellung, daß auch der EuGH ,.gesetzlicher Richter" im Sinne des deutschen Verfassungsrechts ist. Dies sei - so Instruktiv die Übersicht bei Rodi, DÖV 1989,750 tT. BVe1jGE 31, 145, 169 = NJW 1971,2122; BVeifGE 29, 198,297 = NJW 1970, 2155; BVeifGE, 29, 213, 219. 246 BVe1jGE 73, 339, 366 (,,solange Ir) = NJW 1987, 577. Inhaltlich ging es um die (erneute) Frage der Zulässigkeit einer konkreten Normenkontrolle über eine EWGVerordnung. Hatte das BVeifG noch in seinem Beschl. v. 29.5.1974 (,,solange BVerfGE 37, 271) eine solche ftlr zulässig emchtet, solange das Gemeinschaftsrecht keinen dem GG vergleichbaren Grundrechtsschutz gewähre, so stellte es in seinem Beschl. v. 22.10.1986 fest, daß durch die Rechtsprechung des EuGH inzwischen ein dem GG entsprechender Grundrechtsschutz im Gemeinschaftsrecht entwickelt worden sei. Solange dies anhalte, werde das BVeifG keine Gerichtsbarkeit über das sekundäre Gemeinschaftsrecht mehr ausüben; diese Rechtsprechung wurde wiederholt bestätigt, vgl. BVe1jGE 85, 191; BVeifG, NVwZ 1993,883. Dauses vermutet freilich injÜDgster Zeit einen umgekehrten Trend, etwa des Inhalts, daß das BVeifG inzwischen vom Solange-II-Beschluß wieder abweicht und seine eigene, subsidiäre Prüfungskompetenz in Anbetracht der mangelhafter Grundrechtsgewährleistung wieder stärker hemusstreicht, gleichsam also eine ,,solange-III-Entscheidung" vorbereitet, vgl. EuZW 1997, 705. 247 Zuvor hatte das BVeifG in zwei Verfassungsbeschwerden, die ebenfalls diese Frage zum Gegenstand hatten, die Antwort offengelassen, weil die Vorlage (durch den BFH) jedenfalls ,/licht willkürlich" unterblieben war, Beschluß v. 13.10.1970, BVeifGE 29,198,207; Beschluß v. 9.6.1971, BVe1jGE 31,145,169. 248 NJW 1988, 1459 = JZ 1988, 191 m. Anm. Rupp. 249 Sehr krit. zu Inhalt und BegrÜDdungsduktus des BVeifG, H. H. Rupp, JZ 1988, 194,197. 250 Weiterhin beachtlich BVe1jG, Beschl. v. 4.11.1987 - 2 BvR 876/85, :rit. bei SedemundIMontag, NJW 1988, 602. 244 245
r,
11. Das Vorabentscheidungsverfahren nach Art. 177 EG V
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das BVerjG - der Fall, weil der Gerichtshof ein durch die Gemeinschaftsverträge geschaffenes hoheitliches Rechtspflegeorgan ist, das auf Gnmdlage normativ festgelegter Kompetenzen und Verfahrensregeln Rechtsfragen in richterlicher Unabhängigkeit gnmdsätzlich endgültig entscheidee51 • Weitere Voraussetzung eines Verstoßes gegen das Verfassungsgebot ist jedoch nach ständiger Rechtsprechung das (objektiv) willkarliehe Unterlassen einer Vorlage252 , in der Diktion des BVerjG eine "qualifizierte Verletzung" des Prozeßgnmdrechts. Was im einzelnen und genau unter den WiUkürbegriff des BVerjG gefaßt werden kann, ist schwer zu bestimmen253 • Verschiedene Entscheidungen des Gerichts zu unterschiedlichen "Vorlage-Verfassungsbeschwerden" legen den Schluß nahe, daß zwar gnmdsätzlich das Willkürkriterium als elementarer Bestandteil eines Verstoßes gegen Art. 101 Abs. 1 GG angesehen wird, die präzise Bestimmung ihrer Voraussetzungen aber ebenfalls einer gewissen Willkür nicht entbehrt. So soll einmal Willkür des mißachtenden Gerichts nur dann vorliegen, wenn sich die Behandlung von Zuständigkeitsnormen (als Nichtbeachtung einer Vorlagepflicht) so weit von dem diese Normen bestimmenden Gnmdsatz des gesetzlichen Richters entfernt, daß die Gerichtsentscheidung nicht mehr zu rechtfertigen ise54 , andernorts genügte bereits die objektiv unvertretbare Nichtvorlage 255 , dann wieder müssen die Vorlagevoraussetzungen unzweifelhaft vorgelegen haben256 • Der allgemeine, strenge Maßstab gilt auch fiir die Vorlagepflicht an den EuGH257. Allerdings beantwortet das BVerjG in diesen Fällen die Verletzung auch im Lichte der Besonderheiten des Vorabentscheidungsver251
Die Frage des "gesetzlichen Richters" ist durch den Beschluß des 1. Senats des
BVe1jG v. 10.8.1995 (NJW 1995,2703) auch für den EuGH noch einmal neu aufgeworfen worden, weil die vom BVe1jG geforderte grundsätzliche "Vomusbestimmbarkeit" des tatsächlich entscheidenden Richters auch beim Gerichtshof keineswegs gewährleistet scheint, da dort die - in Deutschland gerügte - Überbesetzung der Kammern und Einzelbestinunung des Berichterstatters durch den Präsidenten des EuGH üblich ist Der EuGH erscheint jedoch keineswegs gewillt, sich insoweit dem deutschen Maßstab anzupassen; vielmehr stößt dieses Problem auf weitreichendes Unverständnis - beim Gerichtshof wie auch in anderen Mitgliedsstaaten; vgl. dazu M6ßlang, EuZW 1996, 69, 70; Kissel, JZ 1994, 1178, 1179; umfassend rechtsvergleichend zu diesem Thema Koch, in: FS Nakamura, S. 513 ff. 252 Vgl. BVe1jGE 18, 38,43 = NJW 1965, 1323; BVe1jGE 29, 198, 207 = NJW 1970, 2155; BVe1jGE 31, 145, 169 = NJW 1971,2122. 253 Eine instruktive Übersicht und Auseinandersetzung fmdet sich bei Rodi, DOv 1989, 750, 753 ff. 254 BVe1jGE 29, 198,207 =NJW 1970,2155; BVe1jG, NJW 1988, 1456. 255 BVe1jGE 42,237,241. 256 BVe1jGE 31, 145, 169. 257 BVe1jG, NJW 1988, 1456,1457. 21 Willtngmann
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Kap. 4: Vergleichbare instanzielle Vorlagemodelle
fahrens 258 und hat dazu verschiedene Falltypen entwickelt, da Willkür, wie die l. Kammer des 2. Senats fonnuliert, kein ,frei schwebender Maßstab" sei. Danach soll sie nur vorliegen, wenn das Gericht seine Vorlagepflicht grundsätzlich verkennt, obwohl die gemeinschaftsrechtliche Frage entscheidungserheblich ist. Ebenfalls willkürlich ist es, wenn das Ausgangsgericht von einer gefestigten EuGH-Rechtsprechung abweicht und gleichwohl bewußt nicht vorgelegt haf 59 • Schließlich auch, sofern sich noch keine Rechtsprechung des EuGH herausgebildet oder dieser die Frage erschöpfend beantwortet hat, sofern "mtJgliche GegenaufJassungen zu der entscheidungserheblichen Frage des Gemeinschaftsrechts gegen aber der vom Gericht vertretenen Auffassung eindeutig vorzuziehen sintl,260. Von diesen drei Fallgruppen dürfte lediglich die zuletzt genannte von größerer praktischer Relevanz wie auch einiger Problematik sein. Zu recht weist C/ausnitzer darauf hin, daß das BVerjG hier eine Hürde aufgestellt hat, die von den Prozeßparteien kaum zu nehmen sein wird, da nicht bloße Zweifel an der zutreffenden Auslegung des Gemeinschaftsrechts durch das deutsche Gericht genügen, sondern darüber hinaus die von der betroffenen Partei vertretene Rechtsauffassung der des entscheidenden Gerichts "unzweifelhaft aberlegen" sein muß 261 • Trotz Berücksichtigung gemeinschaftsrechtlicher Besonderheiten scheitern am Erfordernis willkürlicher Verletzung die meisten Verfassungsbeschwerden wegen der Mißachtung der Vorlagepflicht. (c) Standpunkte aus der neueren Literatur Während die Einordnung des EuGH als "Richter" i. S. d. Art. 10 I Abs. I GG auf allgemeine Zustimmung stieß, ist das "Willkürargument" gerade im Zusammenhang mit dem gemeinschaftsrechtlichen Vorlageverfahren nicht ohne Kritik geblieben. Dause~62 und &haub 263 halten den Schutzumfang der Vorlagepflicht nach Art. 177 EGV für deutlich weitergehend als das grundgesetzliehe Willkürver258 BVe1jG, NJW 1988, 1456; dazu auch Clausnitzer, NJW 1989,641 ff.; Hdk. zu EUVIEGV-Hailbronner, Art. 177, Rz. 39. 259 BVe1jG, EuR 1988, 190; dazu auch MiJßlang, EuZW 1996, 69 ff; Nachweise auch bei Dauses, Gutachten, D 126. 260 BVe1jG, NJW 1988, 1456,1457 = EuGRZ 1988, 109 ff; BVerjGE 82, 159, 195; dazu krit. Clausnitzer, NJW 1989,641,643. 261 NJW 1989,641,643. Clausnitzer hält den Nichtannahmebeschluß des BVerjG deshalb auch ftIr ,,integrationsfeindlich" und hom, daß die Konsequenzen der Entscheidung durch vennehrte Vorlagen der Instanzgerichte gemildert werden. 262 S. 122; ders., Gutachten, D 126; ders., FS Everling, 223, 235. 263 NJW 1994,81,83.
II. Das Vorabentscheidungsverfahren nach Art. 177 EGV
323
bot. Dies fiihrt zwangsläufig zu einem Spannungsfeld zwischen angeordnetem Vorlagezwang und seiner Mißachtens-Sanktion. Die deutsche Rechtsprechung zur willkürlichen Vorlagepflichtverletzung kollidiert mit den vom EuGH in der "CILFIT-Entscheidung"264 aufgestellten Kriterien für das Bestehen einer Vorlagepflicht des nationalen Gerichts. Darin hatte der Gerichtshof im Wege der Vorabentscheidung gesagt, daß die vorlagepflichtigen Gerichte bereits dann den EuGH anzurufen hätten, wenn sich eine entscheidungserhebliche Auslegungsfrage des Gemeinschaftsrechts stellt Eine Ausnahme soll danach nur gelten, wenn die ,,Anwendung des Gemeinschaftsrechts derart offonkundig ist, daß fiJr einen vernünftigen Zweifel keinerlei Raum bleibt." Ob dieser Fall gegeben ist, muß das nationale Gericht unter Berücksichtigung der besonderen Schwierigkeiten bei der Auslegung des Gemeinschaftsrechts und vor dem Hintergrund der "Gefahr voneinander abweichender Gerichtsentscheidungen innerhalb der Gemeinschaft" beurteilen. Eingehend hat sich Meier mit dieser Frage anband des ,.}Jingo-Hähnchen" Falles auseinandergesetzt265 • Seines Erachtens folgt schon aus der Feststellung des BVerjG, daß der EuGH gesetzlicher Richter ist, zwangsläufig eine Verpflichtung zur Annahme von Verfassungsbeschwerden, die sich gegen eine letztinstanzliche Gerichtsentscheidung richten, sofern diese unter Mißachtung der Vorlagepflicht ergangen isf66. Denn "nur auf diese Weise würde das BVerjG die gemeinschaftsrechtliche Verpflichtung nach Art. 5 EWGV erfiJIlen267 ." Danach sei nämlich auch das BVeljG als Organ des Mitgliedsstaates Deutschland gern. Art. 5 Abs. 2 EGV gehalten, Maßnahmen zu unterlassen, die der Verwirklichung der Europäischen Union entgegenstünden. Der Verwirklichung dieses Zieles diene u. a. die Vorlagepflicht in Art. 177 Abs. 3 EGV, mithin müsse auch das höchste deutsche Gericht auf Verfassungsbeschwerde hin entweder die Sache aufheben und zwecks Vorlage zurückverweisen, oder aber selbst gern. Art. 177 Abs. 3 EGV dem EuGH vorlegen. Indem das BVerjG jedoch auch für eine Verfassungsbeschwerde, die sich auf
Art. 177 Abs.3 EGV stützt, auf die "WiUkürlichkeit" des Unterlassens der Vorlage abstellt, habe es zwar einen Gleichklang zum Verfassungsrechtsschutz bei unterbliebenen Vorlagen geschaffen und insoweit auch dem deutschen Verfassungsrecht genüge getan, jedoch verkannt, daß es damit zugleich eine Maßnahme ergriffen hat, die den Vertragszweck gefährde.
Urt. v. 6.10.1982, Rs. 283/81, Slg. 1982,3415. EuZW 1991, II tI; ders., ZLR 1988,675. 266 EuZW 1991, 11, 13. 267 EuZW 1991, 11, 13.
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Kap. 4: Vergleichbare instanzielle Vorlagemodelle
Verkürzt heißt dies, daß das BVerjG durch Art. 5 EGV gemeinschaftsrechtlich verpflichtet ist, die Vorlagepflicht nach Art. 177 Abs. 3 EGV sicherzustellen, entweder durch stattgebende und zurückverweisende Verfassungsbeschwerde oder auch durch eigene Vorlage nach Annahme der Beschwerde gegen das letztinstanzliche Urteil des nationalen Gerichts. Dies zugrunde gelegt, birgt die restriktive Annahmepraxis des BVerjG durchaus den Vorwurf der Gemeinschaftsrechtswidrigkeif68 . (d) Stellungnahme Weniger im Rahmen der unmittelbaren Vorlagevoraussetzungen nach Art. 177 EGV als vielmehr bei Berücksichtigung der Rechtsprechung zur Mißachtung einer Vorlagepflicht zeigt sich eine weitere Parallele zwischen Vorabentscheidungsverfahren und Rechtsentscheid. Hier wie dort stellt sich das tatsächliche Problem der Nichtvorlage, die der Prozeßpartei den gesetzlichen Richter nimmt Für den Bereich des Rechtsentscheids muß es insoweit bei derdurchaus fragwürdigen - Willkürformel des BVerjG bleiben, die sich an nationalem Verfassungsrecht ausrichtet. Anders im Vorlageverfahren nach Art. 177 EGV. Hier weist das Gemeinschaftsvertragswerk einen über das deutsche Verfassungsrecht hinausgehenden Standard auf, der mit der entsprechenden Rechtsprechung des BVerjG kollidiert. Daß bei einer Umkehr der Vorlage-Rechtsprechung des BVerjG nur in diesem Punkte bestimmte Verfahren im Rahmen einer Verfassungsbeschwerde privilegiert würden, muß vor dem Hintergrund der besonderen Bedeutung des Gemeinschaftsrechts und der mit Art. 177 Abs. 3 EGV verfolgten Integrationsziele hingenommen werden. (2) Art. 103 Abs. J GG
Hat eine Partei ausdrücklich auf die Vorlagemöglichkeit hingewiesen, namentlich nach Hinweis des Gerichts zur Rechtslage eine etwaige Abweichung von gemeinschaftsrechtlichen Bestimmungen o. ä. dargetan, kann die Nichtvorlage auch als Verstoß gegen den Anspruch auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG) angesehen werden.
268 Nach dieser Ansicht steht zwangsläufig der Beschwerdeführer vor dem BVerfG besser da, der seine Beschwerde auf einen Verstoß gegen die europarechtliche Vorlagepflicht stützt. Diese Besserstellung des Marktbtlrgers ergebe sich jedoch - so Meier aus der inneren Logik des Gemeinschaftsrechts und sei hinzunehmen, da der EGV die Freiheitsrechte gegenüber dem Mitgliedsstaat erweitern solle, EuZW 1991, 11, 13.
n. Das Vorabentscheidungsverfahren nach Art. 177 EGV
325
Auch Art. 103 Abs. 1 GG enthält ein grundrechtsgleiches Recht Er soll sicherstellen, daß die von einer gerichtlichen Entscheidung Betroffenen zu den tatsächlichen und rechtlichen Grundlagen bereits im Entscheidungsfindungsprozeß Stellung nehmen können269 • Damit wird vermieden, daß die Beteiligten zu bloßen Verfahrensobjekten degradiert werden. Funktional sichert sie dadurch auch die Richtigkeit richterlicher Entscheidung, da die Befolgung der Bestimmung zwangsläufig die Entscheidungsgrundlage verbreitert; Art. 103 Abs. 1 GG trägt mithin zur Durchsetzung materieller Gerechtigkeit bei 270. Der konkrete Inhalt der Verfassungsgewährleistung richtet sich nach den Besonderheiten der jeweiligen Verfahrensart. Soweit er dort keine eigene Ausprägung erfahren hat, bleibt es bei den allgemeinen gerichtsverfassungsrechtlichen Grundlagen. Zu diesen zählt u. a. die Informationspflicht des Gerichts über den jeweiligen Verfahrensstand und ein darauf aufbauendes Äußerungsrecht der Beteiligten, das nicht nur auf das Einbringen von Beweismitteln, sondern insbesondere auch auf den Vortrag von Rechtsansichten erstreckt isf 71 . An dieser Stelle tangiert die Gewährleistung rechtlichen Gehörs die bereits erörterte Vorlageproblematik. Zwar besteht nach den verfassungsrechtlich nicht zu beanstandenden Verfahrensordnungen kein unmittelbarer Parteieinfluß auf die Vorlageentscheidung des Gerichts, dieses ist jedoch wegen Art. 103 Abs. 1 GG gehalten, zu einem entsprechenden Antrag oder einer solchen Anregung einer Partei Stellung zu nehmen272 . Grundsätzlich stellt jede Abweichung von den Anforderungen des Art. 103 Abs. 1 GG einen Eingriff dar. Gleichwohl wird in bestimmten Fällen ein Verfassungsverstoß verneint, wenn beispielsweise die Entscheidung nicht auf der Mißachtung beruht. Der Verfassungsverstoß ist aber auch dann schon abgewendet, wenn das Gericht in irgendeiner Form begründet auf den Parteivortrag eingeht, mag diese Begründung auch falsch sein273 • Obwohl Pieroth/Schlink eine überdurchschnittlich hohe Erfolgsquote von Verfassungsbeschwerden auf Grundlage des Art. 103 Abs. 1 GG ausmachen274 , 269 Zu Einzelheiten, insbes. zu den VerwirldichlUlgsstufen von Art. 103 Abs. 1 GG vgl. PierothlSchlink, Rz. 1183. 270 Vgl. Schilken, Rz. 130. 271 Vgl. BVerjGE. 9,231,236; 55,1,6; Schi/ken, Rz. 140 m. w. N. 272 Nicht lUlerwähnt bleiben kann in diesem Zusammenhang allerdings der heftige Streit über die Frage, ob aus Art. 103 Abs. 1 GG eine VerpflichtlUlg des Gerichts zum ,,Rechtsgespräch" abgeleitet werden kann. Sie konzentriert sich auf die Schwierigkeit, mit den Parteien vor der konkreten Entscheidung die eigene Rechtsansicht zu erörtern; vgl. dazu nurSchi/ken, Rz. 141 m. w. N. 273 So treffend Wolf, FS Lüke, S 979, 985. 274 Rz. 1181.
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Kap. 4: Vergleichbare instanzielle Vorlagemodelle
kommt der Bestimmung im Zusammenhang mit unterlassenen Vorabentscheidungsersuchen keine besondere Bedeutung zu. cc) Praktische Reaktionsmöglichkeiten Unterhalb der gemeischafts- und verfassungsrechtlichen Ebene richten sich die Reaktionsmöglichkeiten der betroffenen Partei sodann nach dem jeweiligen Verfahrensstand des anhängigen Rechtsstreits und dem zulässigen Rechtsweg. Während bei der Mißachtung einer Vorlagepflicht durch den letztinstanzlichen Spruchkörper nach deutschem Prozeßrecht allein die Verfassungsbeschwerde nach Art. 93 Abs. 1 Nr. 4a GG verbleibt, ist vor Beendigung des Rechtszugs nach innerverfahrensrechtlichen Möglichkeiten zu suchen. Vor den Verwaltungs- und Finanzgerichten werden Auslegungsfragen des EG-Rechts bzw. der Gültigkeit von EG-Maßnahmen regelmäßig als von ,.grundstitz/icher Bedeutung" angesehen, so daß die Parteien - ggf. mittels Nichtzulassungsbeschwerde - die Zulassung der Revision an das BVerwG bzw. den BFH herbeiführen können275 • Anders im Zivilprozeß. Da der BGH an die Zulassungsentscheidung des Oberlandesgerichts gebunden ist, besteht bei Nichterreichen der Revisionssumme im Ausgangsrechtsstreit das Problem, daß der BGH mit der Rechtssache nicht mehr befaßt wird. Das in praxi - soweit ersichtlich - noch nicht aufgetretene Problem ließe sich aber - wie bereits ausgeführt - durch eine gemeinschaftsrechtliche Reduktion von § 546 Abs. 1 S. 3 ZPO lösen, der dann bei unterlassener Vorlage unanwendbar wäre276 . dd) Reformüberlegungen Ebenso wie im nationalen Recht sind Diskussionen auf der Ebene des Gemeinschaftsrechts darum entstanden, die Einflußmöglichkeiten der Parteien bei Unterlassen einer Vorlage zu erweitern. Die vorgeschlagenen Reformen hängen vom jeweiligen Standpunkt zur Bedeutung des Vorabentscheidungsverfahrens ab. Wird dessen besondere Funktion auch im Individualrechtsschutz gesehen, so liegt es nahe, den Parteien einen unmittelbaren Rechtsbehelf einzuräumen, der eingelegt werden kann, wenn das nationale Gericht seiner Vorlagepflicht nicht nachkommt.
275 Mutke,
276
DVBI. 1987,403. So Koch, EuZW 1995, 78, 82; ihm folgend KoenigiSander, Rz. 488.
11. Das Vorabentscheidungsverfahren nach Art 177 EGV
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Einen anderen Ansatz verfolgt ein bereits vor über zwanzig Jahren eingebrachter Vorschlag, der eine Änderung bzw. Erweiterung von Art. 177 EGV vorsieht und ebenfalls bei Verletzung der Vorlagepflicht ein Rechtsmittel gegen die so ergangene Entscheidung vorsieht. Gedacht war an ein Kassationsverfahren. Der entsprechende Vorschlag aus dem Jahre 1975 fand Eingang in den Vertragsentwurf des Europäischen Parlaments zur Gtiindung der EU aus dem Jahre 1984. Umgesetzt wurde er jedoch nicht. Das Grundproblem eines individuellen Initiativrechts nach Mißachtung der gemeinschaftsrechtlichen Vorlagepflicht liegt darin, zunächst zu entscheiden, ob und inwieweit den Parteien das Recht eingeräumt werden soll, unmittelbar den EuGH anzurufen. Einem so ausgestalteten Modell steht jener Ansatz gegenüber, der eine Lösung innerhalb des nationalen Prozeßrechts sucht. ee) Stellungnahme Die Diskussion um die Mißachtung der Vorlagepflicht an den EuGH zeigt ebenfalls Nähe zum ParaUelproblem innerhalb des Rechtsentscheid-Verfahrens. Freilich bestehen auch aus den Besonderheiten des Gemeinschaftsrechts resultierende Unterschiede. Neben den fiir diese Untersuchung nicht weiter relevanten Besonderheiten des Vertragsverletzungsverfahrens besteht ein Unterschied darin, daß erst die Mißachtung der Vorlagepflicht durch die Letztinstanz zur verfassungsrechtlichen Sanktion führt, während "instanzielles" Unterlassen zunächst innerhalb des Rechtszugs beseitigt werden kann. Dies ergibt sich daraus, daß das Vorabentscheidungsverfahren auch den Instanzspruchkörpern eine Vorlagemöglichkeit einräumt.
4. Aktuelle Diskussion des Vorabentscheidungsverfahrens und eine Einschätzung des ModeUs a) Reformvorschläge
aa) Reformdiskussion Die grundsätzliche Bewährung des auf der Zweiteilung von Direktklagen und Vorabentscheidungsverfahren beruhenden Systems des Rechtsschutzes innerhalb der Europäischen Union ist allgemein anerkannt und nicht umstrit-
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Kap. 4: Vergleichbare instanzielle Vorlagemodelle
ten277 • Gleichwohl ist auch am EuGH die aus sämtlichen Gerichtszweigen bekannte Verfahrensflut nicht spurlos vOIÜber geflossen 278 . Eine kontinuierliche Zunahme der Prozesse und Verfahren vor dem Gerichtshof gefährdet dessen Funktionsfähigkeit ebenso wie die anderer Gerichte279 und hat seit einiger Zeit dazu gefiihrt, über eine Änderung der Prozeßregeln auf normativem Wege zu diskutieren und ggf. im Wege einer Vertragsänderung herbeizufiihren280 . Das Ziel dieser Überlegungen besteht unter anderem281 in einer Reduktion der Vorlagemengen, um weiterhin eine qualitativ sinnvolle Beantwortung der Vorabentscheidungsersuchen zu sichern und zugleich kontraproduktive Verfahrenslängen zu vermeiden. Um diesen Ziel zu erreichen, soll entweder der Zugang zum Gerichtshof erschwert oder die Entscheidungsfindung formalisiert werden. Schließlich wird auch angeregt, die Vorlagen von einer "grundsätzlichen Bedeutung" abhängig zu machen282 • Diese Ansätze kollidieren jedoch nicht nur mit der bislang selbst gewählten "Freizügigkeit" des EuGH, sondern auch mit grundlegenden institutionellen Erwägungen, die zur Einrichtung des Gerichtshofs und zur Einführung des Vorabentscheidungsverfahrens geführt haben. Einige der Reformvorschläge seien nachfolgend kurz vorgestellf83 .
277 Beispielhaft dafür sei nur auf jüngere deutschsprachige Literatur hingewiesen: Dauses, Gutachten, D 52, D 80; ders., S. 2 fT.; Everling, DRiZ 1993,5 f[ ; ders., Referat,N 17. 278 Zweifelnd, ob bei den Vorabentscheidungsersuchen von einer ,,Flut" gesprochen werden könne (162 Vorlagen im Jahre 1992), insbes. Voß, Referat, N 28. Die Gesamtbelastung des Gerichtshofs stellt allerdings auch Voß nicht in Frage. 279 So Everling, Referat, N 10 unter Bezugnahme auf das Zahlenmaterial von Dauses, Gutachten, D 175 fT. 280 Besonders intensiv fand diese Diskussion auf dem 60. Deutschen Juristentag 1994 in Münster statt, dessen europarechtliche Abteilung dem Rechtsschutz und der Gerichtsbarkeit in der Europäischen Gemeinschaft gewidmet war. - Dies übrigens schon zum zweiterunal, denn bereits der Juristentag in Bochum 1966 hatte das Thema aufgegriffen und anband des Gutachtens von Ule diskutiert. Die nachfolgenden Reformvorschläge aus Deutschland lehnen sich eng an das Gutachten für den Juristentag 1994 von Dauses sowie die drei Referate von Everling, Voß und Sedemund an; die Ergebnisse der Abstimmung in der europarechtlichen Abteilung des 60. DIT fmden sich auch in NJW 1994, 3081 f. 281 Die Reformvorschläge erfassen selbstverständlich nicht nur das Vorabentscheidungsverfahren, sondern nahezu alle Bereiche des kommunitären Rechtsschutzsystems. Für diese Untersuchung sind nur die Veränderungsvorschläge zum Verfahren nach Art. 177 EGV von Interesse; zu den übrigen Ansätzen sei nochmals auf Dauses, Gutachten, D 72 ff. und Everling, Referat, N 10 ff. verwiesen. 282 Heß, ZZP 108 (1995), S. 59,84. 283 Zu Einzelheiten vgl. Dauses, Gutachten, D 81 ff. m. w. N. aus der Lit
II.
Das VorabentscheidWlgsverfahren nach Art. 177 EGV
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bb) Gerichtsverfassungsrechtliche Vorschläge Der außerordentliche Charakter des Verfahrens nach Art. 177 EGV hat inzwischen dazu geführt, daß ein weithin eigenes "europäisches Prozeßrecht" herausgebildet wurde. In Anlehnung an den in nationalen Prozeßordnungen allgemein üblichen Instanzenzug wird auch für Vorabentscheidungsersuchen ein zweistufiges Verfahren vorgeschlagen, wobei das seit 1989 bestehende Europtiische Gericht 1. Instanz (EuG) erstzuständig werden so1l284. Dieses dann aber nicht nur im Rahmen von Direktklagen285 , für die dies heute schon gilt, sondern auch rur Vorabentscheidungen286 . Gegen die Entscheidung des EuG könne dann u. U. ein "Rechtsmittel" eingeräumt werden, das den Zugang zum EuGH eröffnet. Ob das EuG bereits dann unzuständig wird, wenn die Sache ,,grundsatzliche Bedeutung" hat, ist ebenso offen wie die Frage, ob erst bei besonderer Relevanz der Sache das "Rechtsmittel" an den Gerichtshof statthaft ist. Schließlich könnte auch ein Evokationsrecht des Gerichtshofs Entlastung verschaffen, indem zwar grundsätzlich die Zuständigkeit des EuG begründet wird, der EuGH die wesentlichen Sachen aber wieder an sich ziehen kann287 . Ein so auf das EuG zugeschnittenes Modell kann noch weitere Varianten aufweisen. So könnte bei Fortbestand der Zuständigkeit des Gerichtshofs für alle Vorabentscheidungsersuchen eine Verweisung durch diesen an das EuG möglich sein, um die weniger bedeutsamen Vorlagen dort beantworten zu lassen. Ähnlich auch der Vorschlag eines Annahmeverfahrens durch den Gerichtshof. Ohne Einfiihrung eines zweistufigen Rechtszugs in Vorabentscheidungen käme auch ein Annahmeerfordernis durch den EuGH in Betracht, das dem deutschen Annahmeverfahren für Verfassungsbeschwerden vergleichbar wäre. Im Endeffekt tendieren alle diese Lösungsvorschläge gerichtsverfassungsrechtlicher Art dahin, die Kompetenz des Gerichtshofs über kurz oder lang auf verfassungsrechtliche und/oder grundsätzliche Rechtsfragen zu beschränken, wobei zumindest die wesentlichen Vorabentscheidungsersuchen - sei es unmittelbar, sei es im Rechtsmittelzug - in der Entscheidungsgewalt des EuGH verbleiben sollen.
284 So pointiert Dauses, Gutachten, D 165. 285 Zu den Aufgaben Wld Kompetenzen des Gerichts Erster Instanz der Europäi· schen Gemeinschaften (EuG), vgl. Rabe, EuZW 1991,596 ff. 286 Befürwortend insbes. Voß. Referat, N 28 ff; Everling, Referat, N 15, allerdings mit der Einschränlamg, daß erst peau a peau die Kompetenzen des EuG dahingehend erweitert werden; dort auch Nachweise krit Stimmen. 287 Koopmans, SEW 1991,5, zit. nach Everling, Referat, N 12.
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Kap. 4: Vergleichbare instanzielle Vorlagemodelle
cc) Verfahrensrechtliche Vorschläge Ansatzpunkte in verfahrenstechnischer Hinsicht bieten sich demgegenüber dort, wo der Gerichtshof bislang eine besonders großzügige Praxis verfolgt hat, namentlich bei den Anforderungen an Form, Inhalt und Begründung der Vorlage nach Art. 177 EGV. Besonders weitgehend ist der Vorschlag von Zuleeg, der das Vorlagegericht verpflichten will, dem Vorabentscheidungsersuchen einen eigenen Entscheidungsvorschlag - also eine Antwort auf die vorgelegte Rechtsfrage - beizufiigen288 . Hält der EuGH die Antwort des vorlegenden Gerichts zwnindest fUr vertretbar und die Frage nicht fUr besonders relevant, soll die Vorlage zurückgegeben werden dürfen. Diesem Modell ist Everling unter Hinweis auf die damit einhergehende Aufgabe einer einheitlichen Auslegung des Gemeinschaftsrechts entgegengetreten. Unabhängig davon verbleibt aber auch eine kursorische Prüfungspflicht des Gerichtshofs, so daß nur ein begrenzter Entlastungseffekt zu erwarten ist289 . Unterhalb dieser normativen Reformebene sind allerdings bislang Entlastungsansätze erkennbar, die dem Gerichtshof gleichwohl eine gewisse Steuerung der Vorlagernengen erlauben. Der EuGH verlangt immer noch keine nähere Begründung der Vorlage und verweigert sich bislang - zumindest grundsätzlich - einer substantiellen Erforderlichkeitskontrolle der Vorabentscheidungsersuchen. Mit gleicher Deutlichkeit schließt er eine eigene Prüfung der Entscheidungserheblichkeit aus. Erst in jüngster Zeit ist ein leichter "Trend" dahingehend zu erkennen, mit dieser Großzügigkeit zu brechen, um leichter Vorlagen abweisen zu können. In der Diktion des Gerichtshofs ist freilich nie die Rede von der "Unzulässigkeit' des Vorabentscheidungsersuchens, vielmehr wird regelmäßig die bestehende Kooperationsverpflichtung zwischen nationalem und kommunitärem Gericht betont und gegenseitige Rücksichtnalune angemahnt. Während vor diesem Hintergrund eine nähere Begründungspflicht des vorlegenden Gerichts ganz unbedenklich wäre, scheint es, als fUrchte der EuGH um diesen Geist der Kooperation bei einer schärferen Erheblichkeitskontrolle und Zunahme von Vorlagerückgaben an die nationalen Gerichte. Statt eines so einschneidenden Instruments schlägt Dauses daher vor, in den Vertragstext eine "Dialogbestimmung" aufzunehmen, die es zuließe, daß der Gerichtshof beim nationalen Gericht nachfragt, sofern sich Unklarheiten aus JZ 1994, S. I ff. Hinzu tritt das psychologische Problem, daß sich die Richter des Ausgangsrechtsstreits vennutlich ungerne Blößen in der Ptüfung und Anwendung von Europarecht geben und dann im Zweifel eher auf - auch notwendige - Vorlagen verzichten werden. 288
289
II. Das Vorabentscheidungsverfahren nach Art. 177 EGV
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der Vorlage ergäben29O • Das Vorlagegericht könnte dann den Beschluß gleichsam nachbessern, um dem Gerichtshof weitere Fallumstände oder die Relevanz der Vorlage darzulegen. Dies würde erhebliche Synergieeffekte freisetzen und das Verfahren nach Art. 177 EGV von dem zur Zeit noch deutlichen Eindruck eines Rechtsmittelverfahrens, in dem jegliche Kontaktaufnahme zur Vorinstanz zu unterblieben habe, befreien291 . Gleichwohl solle aber das eigentliche Verfahrensrecht im Rahmen des Art. 177 EGV weiterhin Sache richterlicher Rechtsfortbildung sein. Es kann hier nicht näher auf weitere Details dieser - bislang nicht umgesetzten - Vorschläge eingegangen werden. Sie indizieren aber eine aktuelle Reformbedürftigkeit des Vorabentscheidungsverfahrens gern. Art. 177 EGY. Unter Geltung des status quo soll daher eine Einschätzung des Vorabentscheidungsverfahrens zum heutigen Zeitpunkt versucht werden. b) Einschtitzung und Stellungnahme
Das Vorabentscheidungsverfahren ist keine "Erfindung" der Autoren des EWG-Vertrages292 . In der Praxis kommt ihm jedoch heute eine überragende Bedeutung für die europäische Rechtsvereinheitlichung zu. Es stellt "das entscheidende europäische Integrationsinstrument auf rechtlicher Ebene dar"293, soll auch ein "Grundpfoi/er des kommunitt'iren Rechtsschutzsystems" sein294 .
Regelmäßig wird der außerordentliche Erfolg dieses Modells an der Schnittstelle zwischen nationalem Recht und Gemeinschaftsrecht betont295 . Entsprechend fehlt es auch an Stimmen, die das Verfahren grundsätzlich in Frage stellen. Daß es freilich in Anbetracht des Arbeitsanfalls und der Vergrößerung der EU allgemein als reformbedürftig erscheint, wurde vorstehend ausgeführt.
290 Gutachten, D 134; ders., FS Everling, 223, 237: " ... wäre ein möglichst formloses Rechtsgespräch inter iudices wünschenswert". 291 Dauses, FS Everling, 223, 237. 292 Vgl. Pescatore, BayVBI. 1987, 33, der auf den Vorbildcharakter von Art. 100 Abs. I GG sowie Art. 134 der italienischen Verfassung hinweist. Anders Lutter, ZZP 86. Bd. (1973), 107, 128, der dies schon wegen der schmaleren Entscheidungsbasis der Richtervorlage verneint und kein Vorbild filr das Verfahren nach Art. 177 im europäischen Rawn sieht. 293 So ausdrücklich RengelingIMiddeke/Gellermann/Jakobs, Rz. 352; früher schon Nicolaysen, EuR 1972, 375; ähnlich Lieber, S. 14. 294 So Dauses, D 118. 295 Vgl. Pescatore, BayVBI. 1987, 33; Dauses, Gutachten D 119.
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Kap. 4: Vergleichbare instanzielle Vorlagemodelle
Das in Art. 177 EGV geregelte Verfahren enthält - wie gezeigt - zahlreiche Parallelen zum deutschen Rechtsentscheid nach § 541 ZP0296 , aber auch zu anderen VorlagernodelIen. Dies wird auch durch die "Selbsteinschätzung" des EuGH unterstrichen, der ebenfalls in seiner "Vorlage-Rechtsprechung" lediglich einen Beitrag zur Rechtspflege in den Mitgliedstaaten sieht, andererseits allerdings darauf hinweist, daß es sich um Entscheidungen mit Bindungswirkung handelt. Dennoch hält der Gerichtshof seine eigene Rechtsprechung - im Gegensatz zu manchen Stimmen zum deutschen Rechtsentscheid - nicht nur für gutachterliche Stellungnahmen. Auch das Vorabentscheidungsverfahren stellt keine eigene Instanz dar. Es ist vielmehr ein besonderes Zwischenverfahren297 , in dem weitgehend auf eine institutionelle Beteiligung der Parteien des Ausgangsrechtsstreits verzichtet wird. Eine Durchsicht seines Ablaufs hat gezeigt, daß das Verfahren nach Art. 177 EGV die Grundstruktur eines Vorlageverfahrens aufweist, wie es eingangs umrissen wurden. In einem gewissen Umfang läßt sich daher Übereinstimmung mit ähnlichen VorlagernodelIen des deutschen (Zivil-)Rechts konstatieren, insbesondere soweit auf das Auslegungsmonopol des Gerichtshofs Bezug genommen wird. Dennoch bestehen wesentliche Unterschiede: Hinsichtlich der dem EuGH zugleich zustehenden Verwerfungskompetenz bei der Gültigkeitskontrolle bestehen Parallelen zur - nachstehend noch zu erörternden - Richtervorlage gern. Art. 100 Abs. 1 GG, während es zum Auslegungsvorrecht keine Entsprechung gibt. Von den in §§ 2, 15 RsprEinhG und § 28 Abs.2 FGG, § 79 Abs.2 GBO vorgesehenen Divergenzvorlagen unterscheidet sich Art. 177 EGV schon wegen des fehlenden Devolutiveffekts; während dort das Verfahren vollständig durch das Obergericht übernommen und entschieden wird, ergänzt der EuGH nach eigenem Verständnis nur die Entscheidungsgrundlage des vorlegenden Gerichts um die Auslegung des EGV. Hinzu kommt, daß die beiden Vorlageverfahren nach deutschem Recht überhaupt erst in Betracht kommen, wenn die Gefahr eines konkreten Auslegungswiderspruchs besteht. Anders beim Vorabentscheidungsverfahren, dessen Einleitung nicht von einer etwaigen Divergenz abhängt, nach einer Auslegungsentscheidung des EuGH aber das Vorlagegericht inhaltlich bindet. 296 Die Parallelen dazu sind weit größer als die zur (Gnmdsatz-) oder (Divergenz-) Revision; anders offenbar Heß, der diesen Aspekt weithin vernachlässigt und einen Fortentwicklungsvorschlag aus dem deutschen Revisionsrecht entwickeln will, ZZP 108. Bd. (1995), 59, 84. Zutreffend demgegenüber die Einschätzung des LG Bonn, Beschl. v. 31.10.1994, EuZW 1996, 159, 160, das auf die weitreichende Übereinstimmung der Verfahren nach Art. 177 EGV, 100 Abs. 1 GG und § 541 ZPO abstellt. 297 Der EuGH spricht von einem ,,zwischenstreit', Sig. 1973,269,275.
11. Das Vorabentscheidungsverfahren nach Art. 177 EGV
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Gerade wegen des zuletzt genannten Aspekts besteht daher eine Nähe zum RE-Modell, das ebenfalls keine eigene Sachentscheidung des Obergerichts bewirkt, sondern lediglich zu einer - allerdings verbindlichen - (Auslegungs-) Entscheidung einer Rechtsfrage führt. Zugleich haben sich aber gerade an den für diese Untersuchung als wesentlich herausgearbeiteten Problembereichen d'!r Entscheidungserheblichkeit, Partei stellung, Mißachtenssanktion und Bindungswirkung auch deutliche Unterschiede gezeigt, die nur zum Teil auf der Besonderheit eines transnationalen Vorlageverfahrens beruhen, im übrigen aber den unterschiedlichen Einfluß verschiedener Rechtstraditionen auf den EGV und sein "Hannonisierungs-/ Vorabentscheidungsverfahren" verraten. Aus den Einzelergebnissen dieser partiellen Betrachtung lassen sich hinsichtlich der Untersuchungsschwerpunkte folgende Ergebnisse zusammenfassen:
aa) Entscheidungserheblichkeit Trotz zaghafter Verschärfungen genügt für die Zulässigkeit eines Vorabentscheidungsersuchens grundSätzlich die Erforderlichkeitsannahme des streitentscheidenden Richters. Der EuGH ist - freilich durch wenig griffige Kriterien nur langsam zu einer Kontrolle dieses Erfordernisses übergegangen. Der Sache nach weicht dies immer noch von der allgemeinen Vorlagepraxis des deutschen Rechts ab, in der sich die Entscheidungserheblichkeit als wesentliches Mengenkontrolle herausgebildet hat und von den Obergerichten geradezu zäh verteidigt wird.
bb) Partei stellung Die Stellung der Parteien ist de lege lata gekennzeichnet vom fehlenden Einfluß auf das Auslegungsersuchen selbst. Die Initiativkompetenz dazu liegt allein in den Händen des angerufenen Gerichts. Wie in den VorlagernodelIen deutschen Rechts gewährt auch das Vorabentscheidungsverfahren den Parteien lediglich die Möglichkeit einer "Anregung" zur Vorlage. Der Gerichtshof leitet dies allerdings nicht aus einer allgemeinen Systematik des Vorlagemodells, sondern aus Art. 177 EGV selbst ab, indem er das dort genannte Vorlagerecht als auch nicht durch Parteieinfluß manipulierbar und allein den Gerichten vorbehalten ansieht. Verwirrung hat freilich die vom Gerichtshof vertretene Ansicht ausgelöst, der EGV gewähre zwar keinen eigenen, verbiete aber auch keinen nationalen Rechtsbehelf gegen ein Vorlageersuchen. Diese mit Rücksicht auf die die Parteien treffenden Folgen eines Vorabentscheidungsverfahrens durchaus nachvollziehbare Ansicht hat jedenfalls für den deutschen Rechtskreis keine Aus-
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Kap. 4: Vergleichbare instanzielle Vorlagemodelle
wirkungen gehabt. Nach einhelliger Meinung gibt es im deutschen Zivilprozeß kein passendes Rechtsmittel, mit dem der Vorlagebeschluß angegriffen und einer eigenen Prtifung unterzogen werden könnte. cc) Bindungswirkung der Entscheidung Die Vorabentscheidung bindet zunächst im Ausgangsrechtsstreit so wie jedes andere auf Vorlage hin ergangene Judikat auch. Das nationale Gericht muß - soweit es in seiner Entscheidung darauf ankommt - den Tenor und die tragenden Gründe des EuGH-Urteils zugrunde legen. Anderenfalls kann es dieses Urteil auch unberücksichtigt lassen, sofern es zwischenzeitlich zu der Erkenntnis gelangt ist, die aufgeworfene Frage des Gemeinschaftsrechts sei nicht weiter relevant. Dies deckt sich mit der unmittelbaren Wirkung des Rechtsentscheids. Eine darüber hinausgehende, präjudizielle Bedeutung ist - anders als in § 541 Abs. 1 ZPO - im EGV nicht vorgesehen. Sie wird auch nur vereinzelt vertreten, wobei zur Begründung sehr allgemeine Überlegungen zum Vorabentscheidungsverfahren selbst herangezogen werden müssen298 . Überwiegend wird demgegenüber angenommen, daß jenseits des konkreten Ausgangsrechtsstreits lediglich eine gewisse Vorbildwirkung der Vorabentscheidung besteht, die keine unmittelbare Auswirkung auf Folgeverfahren auslöst. Dies entspricht zwar nicht der Regelung in § 541 ZPO, wohl aber denen der Vorlageverfahren nach § 132 GVG. Auch diese Entscheidungen sind nicht direkt verbindlich, jedoch mit besonderer Autorität der Höchstgerichtsbarkeit ausgestattet. Eine These, die sich in Deutschland nicht nur im Hinblick auf Entscheidungen oberster Gerichte in Vorlageverfahren, sondern in sämtlichen Gerichtszweigen bestätigen läßt. dd) Mißachtung der Vorlagepflicht Auch bei der Mißachtung der Vorlagepflicht begegnet das bereits dargestellte Problem der Überschneidung kommunitärer und binnenstaatlicher Reaktionsmöglichkeiten, die sich aus der Konstruktion des Vorabentscheidungsverfahrens ergibt. Die Nichtbeachtung der aus Art. 177 Abs. 3 EGV folgenden Vorlagepflicht durch die deutschen Gerichte stellt zunächst eine Vertragsverletzung der Bundesrepublik Deutschland dar, zu dessen Organen die nationalen Gerichte zählen. Wie dargelegt, entfaltet die sich aus dem EGV ergebende Reaktionsmög298
Vgl. KoeniglSander, Rz. 499.
11. Das Vorabentscheidungsverfahren nach Art. 177 EGV
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lichkeit jedoch keine individuellen Rechte: unabhängig von gemeinschaftsrechtlichen Klageoptionen besteht keine Möglichkeit, seitens der Exekutive in einen anhängigen oder gar abgeschlossenen Prozeß einzugreifen. Die Rechtskraft eines nationalen Urteil läßt sich mittels europarechtlicher Beseitigungsinstrumentarien nicht überwinden. Seit der Anerkennung des EuGH als gesetzlicher Richter i. S. d. Art. 10 1 Abs. 1 S. 2 GG besteht jedoch nach deutschem Recht die Möglichkeit der Verfassungsbeschwerde, wenn ein Gericht seine Vorlagepflicht mißachtet hat. Die erfolgreiche Verfassungsbeschwerde beseitigt selbst die Rechtskraft eines zwischenzeitlichen Urteils und versetzt den Rechtsstreit in die Lage vor seiner Entscheidung zurück. Da das BVerjG jedoch einen Entzug des gesetzlichen Richters erst dann bejaht, wenn dies durch Willkür geschehen ist, scheitern die meisten Verfassungsbeschwerden wegen Mißachtung einer Vorlagepflicht. In der Literatur fmden sich daher kritische Stimmen hinsichtlich der Willküranforderungen. die im Kontrast zu den vom EuGH aufgestellten Kriterien einer Vorlagepflicht stehen. Die jüngsten Entscheidungen des BVerjG bestätigen gleichwohl die "Willkür-Rechtsprechung", und erklären, warum die Zahl erfolgreicher Verfassungsbeschwerden in diesem Zusammenhang so gering ist.
c) Fazit
Der Überblick zum Vorabentscheidungsverfahren hat gezeigt, daß Parallelen zum allgemeinen deutschen Vorlagesystem wie auch zum besonderen Rechtsentscheidsmodell bestehen. In weiten Teilen deckt sich hier das Verfahren auf europäischer Ebene mit dem des nationalen Rechts. Dies gilt nicht nur für die prozessualen Aspekte, die unter dem Primat des nationalen Prozeßrechts aus deutscher Sicht zu beurteilen sind, sondern auch für solche Voraussetzungen, die sich originär aus dem EGV bzw. aus der Rechtsprechung des Gerichtshofs ergeben. Betrachten wir das Ergebnis der "Problemschau" noch unter einem weiteren Blickwinkel, so zeigt sich eine Besonderheit des Vorabentscheidungsverfahrens, die im deutschen Rechtsentscheid keine Entsprechung findet. Der EuGH hat von Anfang an die Gelegenheit genutzt, im Wege von Vorabentscheidungsurteilen sein eigenes, in Art. 177 EGV nur rudimentär umrissenes Verfahrensrecht zu fonnen. Mit großer Selbstverständlichkeit hat er sowohl materielles Gemeinschaftsrecht fortentwickelt als auch zugleich die Voraussetzungen des eigenen Vorlageverfahrens präzisiert. Anders als im deutschen Vorlagesystem zeigt sich dabei eine weitreichende Liberalität gegenüber den einzelnen Voraussetzungen eines Ersuchens.
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Kap. 4: Vergleichbare instanzielle Vorlagemodelle
Dieser kurze Blick auf das Verfahren und die Problempunkte von Art. 177 EGV zeigt noch ein weiteres. Stärker als das (nationale) Vorlageverfahren nach § 541 ZPO befindet sich das Vorabentscheidungsverfahren auch heute noch in einer materiellen Diskussion. Praktische Justizprobleme wie auch die theoretische Grundlegung des Verfahrens selbst sind Gegenstand literarischwissenschaftlicher Auseinandersetzung. Schon deshalb kann von einer größeren Dynamik im Vergleich zum Rechtsentscheid gesprochen werden. Dies mag in erster Linie daran liegen, daß sich erst ein "europäisches Prozeßrecht", insbesondere aber ein eigenes Vorlageverfahrensrecht ausbilden muß. Der vergleichende Blick hat zahlreiche Kongruenzen zwischen den VorlagernodelIen gezeigt. Wollte man einzelne Aspekte des Vorabentscheidungsverfahrens in die nationale Vorlagesystematik übernehmen, so böte sich dafiir in erster Linie die Praxis des EuGH zur Entscheidungserheblichkeitsprüfung an. Die auch aus Selbstlegitimation heraus entwickelte großzügige Rechtsprechung eröffnet naturgemäß ein breiteres Entscheidungsspektrurn und verbreitert - unabhängig von der Anordnung präjudizieller Bindung - den Wirkungsrahmen der Vorlagerechtsprechung. Dabei dürfen jedoch die auch außerhalb des Rechtlichen liegenden Erwägungen des EuGH nicht verkannt werden, seine eigene Rechtsprechung so auszuweiten. Es ist zu vermuten, daß damit auch ein Stück Geltungswille einhergegangen ist, der sich aus dem in Art. 164 EGV formulierten Auftrag an den Gerichtshof ergibt, eine einheitliche Rechtsprechung zu gewährleisten.
111. Das Normenkontrollverfahren nach Art. 100 Abs. 1 GG Im Zusammenhang mit dem Vorabentscheidungsverfahren wurden schon Parallelen zur konkreten Normenkontrolle gern. Art. 100 Abs. 1 GG299 angesprochen. Wegen der dort aufgezeigten Unterschiede hinsichtlich des Entscheidungsgegenstands, soll nachfolgend nurmehr ein Überblick über die Behandlung der vier bisherigen Problemschwerpunkte "Entscheidungserheblichkeit", "Parteistellung", "Mißachtung der Vorlagepflicht" und "Bindungswirkung" bei der Normenkontrolle gegeben werden.
299 Für diesen Vergleich können die beiden anderen in Art. 100 GG geregelten Verfahren der Normverifikation gern. Abs. 2 und der speziellen, verfassungsgerichtlichen Divergenzvorlage nach Abs. 3 außer Betracht bleiben; sie haben in der gerichtlichen Praxis nur marginale Bedeutung; vgl. dazu Heun, AöR 122. Bd. (1997), 610, 626 tT.
Ill. Das Nonnenkontrollverfahren nach Art 100 Abs. I 00
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1. Vorlagevoraussetzungen aa) Gegenstand des Verfahrens nach Art. 100 Abs. 1 GG Gegenstand der Richtervorlage gern. Art. 100 Abs. 1 GG ist die Frage der Verfassungsmäßigkeit eines förmlichen nachkonstitutionellen Gesetzes3OO, das auf einen konkreten Rechtsstreit Anwendung finden so1l30\. Dieser - alleinige Inhalt der Vorlage entspricht der "GültigkeitspIiifung" durch den EuGH im Verfahren nach Art. 177 Abs. 1 Iit. b EGY. Die auf die Auslegung von Rechtsvorschriften beschränkte Vorlage, wie sie Art. 177 Abs. 1 EGV ebenfalls vorsieht, ist mit der Normenkontrollmöglichkeit nicht beabsichtigt. b) Vorlagepflicht der Gerichte
aa) Vorlagekompetenz Die Vorlagekompetenz liegt ausschließlich bei Gerichten302, freilich ohne Rücksicht auf die instanzielle Hierarchie303 , da es auf allen Stufen der Gerichtsbarkeit um die Frage der Verfassungsmäßigkeit anwendbaren Rechts gehen kann. Insoweit ist zwischen der Letztentscheidungskompetenz des BVerjG und der Prüfungskompetenz des um Rechtsschutz angerufenen Gerichts zu unterscheiden. Die Fachgerichtsbarkeit muß im Rahmen eines anhängigen Rechtsstreits prüfen, ob die darauf anzuwendenden Bestimmungen verfassungskonform sind304 . Wird diese Frage verneint - und nur dann -, besteht eine Ausset-
300 Dazu md zu weiteren PIiUungsgegenständen vgl. v. Manch - W. Meyer, Art 100 00, Rz. 12 m.w.. N. sowie ausftlhrlich BendalKlein, Rz. 713 tT. Einzelheiten zum PIilfungsgegenstand, der auch die vorkonstitutionellen Gesetze, die der Gesetzgeber ,,in seinen Willen aufgenommen hat" (BVeifGE 6, 55, 65; 11, 126, 129) sind rur diese Untersuchung nicht weiter von Belang; vgl. dazu aber umfassend Bettennann. 324, 330 f1 und jüngst Heun, AöR 122. Bd. (1997),610,615. 301 Deshalb muß es sich um ausgefertigte, verkündete Gesetze handeln; zur "vorbeugenden" konkreten Nonnenkontrolle vgl. aber W. Schmidt, NVwZ 1982, 181; Roemer, NVwZ 1983, 145. 302 Zur Diskussion einer Vorlagepflicht der Verwaltung, vgl. Bettennann, 324, 350 tT. Im Zusammenhang mit der Vorlagepflicht der Judikative fmdet sich eine ähnliche Diskussion des Gerichtsbegriffs, wie sie bereits zu Art. 177 EG V geschildert wurde, vgl. BVeifGE 6, 55,63; 30, 170, 171: Alle sachlich mabhangigen SpruchsteIlen, die in einem fonnell gültigen Gesetz mit Gerichtsaufgaben betraut sind md als solche bezeichnet werden; dazu aber kritisch, Bettennann, 324, 352. 303 Heun, AöR 122. Bd. (1997),610,614 spricht von einer Vorlageberechtigung "in geradezu egaliUirer Weise".
304 Zum grlIDdsätzlich anderen (eingeschränkteren!) Verständnis richterlichen PIilfungsrechts unter der Weimarer Reichsverfassung, vgl. Anschatz, WRV, Art. 102, Anm. 3 und - im Gegensatz dazu - RGZ 111,320. 22 Wilhngmann
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Kap. 4: Vergleichbare instanzielle Vorlagemodelle
zungs- und Vorlagepflicht, die zugleich das "Zwischenverjahren"305 der konkreten Normenkontrolle in Gang setzt. Beim BVetjG ist dann die Verwerfungskompetenr06 monopolisiert. Art. 100 Abs. 1 GG weist daher dem BVerjG das alleinige Verwerfungsrechf07 hinsichtlich gesetzlicher Bestimmungen zu, während die entsprechende Prüfungspflicht alle Gerichte im Rahmen der bei ihnen anhängigen Verfahren triffi308. Durch die Übertragung der (Letzt-)Kontrolle auf ein Gericht mit Verfassungsorganqualität wird nach allgemeinem Verständnis die Autorität des Gesetzgebers gewal1If 09. Zugleich vermeidet diese Zentrierung auf das BVetjG divergierende Entscheidungen über die Gültigkeit von Gesetzen, die aus der grundgesetzlich verankerten (Erst-)Prüfungskompetenz der Fachgerichtsbarkeit mit der Folge diffuser richterlicher Normenkontrolle resultieren würde. Mithin kommt auch Art. 100 GG eine fiir die Gesamtrechtsordnung wesentliche Vereinheitlichungsfunktion ZU3lO. bb) Beschränkungen der Vorlagepflicht Eine gleichsam natürliche Beschränkung der Vorlagepflicht ergibt sich durch die schon zu Art. 177 EGV untersuchte ,,Binnenbindung" der Instanzgerichtsbarkeit. Prinzipiell sind auch hier Konstellationen denkbar, in denen ein Instanzgericht nach Zurückverweisung der Sache durch die Rechtsmittelinstanz eine Vorlage nach Art. 100 Abs. 1 GG erwägt Andererseits ist der judex a quo an die Rechtsauffassung des judex ad quem gebunden. Unabhängig davon, daß diese Bindung sich nur auf die Rechtsausfiihrungen bezieht, auf denen das angefochtene Urteil beruht, besteht aber das grundsätzliche Problem, inwieweit daneben die Pflicht aus Art. 100 Abs. 1 GG bestehen bleibt. Das B VetjG geht von einer breiten res judicata-Wirkung der (zurückverweisenden) Rechtsmittel305 BVeifGE 29, 325, 326; 67, 26, 33. Zur Einordnung des Verfahren sogleich. Krit. zur - allerdings einheitlichen - Terminologie Bettermann, 323, 326 f., der darauf hinweist, daß das BVerjG nicht verwirft, sondern für nichtig erklärt (§§ 82, 78 BVerfGG), und außerdem bereits das vorlegende Instanzgericht die Anwendung verweigert. Allerdings muß auch Bettermann einraumen, daß das Nichtanwendungsrecht des Fachgerichts beschränkt ist, da es eine Entscheidung unter dieser Prämisse jedenfalls nicht erlassen darf. Das von ihm angenommene "vorltJujige Verweifungsrecht' bleibt daher ohne praktische Auswirkungen. 307 So ausdrücklich BVeifGE 22, 373, 378; schon in BVerjGE 2, 124, 128 ist von ,lIefoativem Entscheidungsmonopof' und der "Verweifungskompetenz" die Rede. 08 Vgl. BendalKlein, Rz. 691. 309 BVeifGE 22, 373, 378; 86, 71, 77; ebenso Sachs~turm, Art. 100, Rz. 5. Dies rechtfertigt auch die Beschränkung auf nachkonstitutionelles Recht. 310 BVeifGE 1,184,197; 2,124,128; 30,170, 172; Heun. 610,612: Vermeidung von ,,Rechtsunsicherheit'. 306
m. Das Nonnenkontrollverfahren nach Art.
100 Abs. I GG
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entscheidung aus und unterstellt, daß der Oberrichter die Verfassungsmäßigkeit der entsprechenden Nonnen geprüft haben müsse, da er sonst deren Nichtanwendung durch den judex a quo nicht gerügt und deren Anwendung verlangt
hätte311 • c) Anforderungen an den Vorlagebeschluß des Fachgerichts aa) Vorlageerfordernisse im engeren Sinne Die Anforderungen an den richterlichen Vorlagebeschluß sind in § 80 Abs. 2 BVerfGG und § 23 Abs. 1 S. 2 BVerfGG angedeutet. Die konkreten Voraussetzungen sind jedoch im wesentlichen durch die Rechtsprechung des BVerjG ausgefonnt worden. Ganz übereinstimmend wird in der aktuellen Literatur festgestellt, daß diese Anforderungen an den Vorlagebeschluß durch das BVerjG zusehends gesteigert werden312 . Eine "Verschärfung" der Zulässigkeitsvoraussetzungen wird zumeist an zwei Kriterien festgemacht. (1) ,.Begründungs/ast'
Der Vorlagebeschluß muß aus sich selbst heraus verständlich sein und erkennen lassen, daß das Vorlagegericht bei Anwendung der fraglichen Nonn zu einem anderen Ergebnis kommen würde als ohne Berücksichtigung derselben. Nach der Vorstellung des BVerjG muß der Vorlagebeschluß sogar ohne Beiziehung der Akten des Ausgangsrechtsstreits erkennen lassen, wanun das Gericht zu seiner Auffassung gekommen ist und die Entscheidung des BVerjG entscheidungserheblich isfl3. Für diese besondere "Hürde" fehlt es freilich ebenso an einer gesetzlichen wie sachlichen Rechtfertigung, denn § 80 Abs. 2
BVeljGE 2, 406. Benda/Klein, Rz. 757, 795 die auch die bisweilen harsche Kritik des BVeljG an den Vorlagebegründungen rügen; dieselbe Feststellung triffi Heun, 610, 618. Pestalozza, 204 ftlhrt etwas Zahlenmaterial ftlr diese - zutreffende - Behauptung an: Im ersten Halbjahr 1988 gelangten 15 Vorlagen gern. Art. 100 Abs. I GG an das BVeljG, von denen 7 unzulässig (davon 4 mit a-limine-Abweisung); in einem Fall blieb die zweifelhafte Zulässigkeit infolge offensichtlicher Unbegründetheit dahingestellt, von den verbleibenden 7 Vorlagen hielt das Gericht 5 für unbegründet. Pestalozza sieht nach jahrelanger Rechtsprechung zu Zulässigkeitsfragen in der großen Anzahl unzulässiger Vorlagen ein Argument für seine These von den schärferen Anforderungen. Dem ließe sich freilich entgegen halten, daß das Phänomen unzulässiger Vorlagen auch im Rechtsentscheid noch auftritt, obwohl auch hier nahezu alle Zulässigkeitsfragen geklärt scheinen. Benda/Klein, Rz. 757, Fn. 184 haben bei Durchsicht der Bände 60 - 80 der amtlichen Sanunlung der Entscheidungen des BVeljG festgestellt, daß 105 Vorlagen nach Art. 100 Abs. I GG zulässig, 45 hingegen unzulässig waren. 313 BVeljGE 2,266,271; 53,257,287; 79,240,243. 311
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Kap. 4: Vergleichbare instanzielle Vorlagemodelle
S. 2 BVerfGG ordnet ausdtiicklich die Beifügung der Akten an. Im übrigen gibt es Zulässigkeitsfragen, deren Prüfung ohne Akteneinsicht unnötig erschwert würde. Schließlich wird der Vorlagebeschluß überflüssig aufgebläht, wenn schlichte Verweisungen auf den Inhalt der Prozeßakten durch entsprechende Schilderungen ersetzt werden müßten. Es ist daher Pestalozza zuzustimmen, der das vom BVerjG aufgestellte Kriterium darauf reduzieren will, daß der Beschluß ,,grundstitzlich aus sich heraus versttindlich sein muß" 314. Mehr dürfte § 80 Abs. 2 S. 2 BVerfGG nicht zulassen. (2) Insbesondere zur Entscheidungserheblichkeit der Vorlagefrage
Vom vorlegenden Fachgericht erwartet das BVerjG weiter, daß es die Auswirkungen der Norm auf den Rechtsstreit sowie die Unvereinbarkeit mit verfassungsrechtlichen Bestimmungen darlegt und dabei deutlich macht, daß es auf die konkrete Norm für die Entscheidung des Rechtsstreits ankommt. Dies entspricht § 80 Abs. 2 S. 1 BVerfGG und erfordert einen doppelten Überprüfungsansatz: zunächst ist festzustellen, daß die fragliche Norm - und nur sie! fiir die Entscheidung des Rechtsstreits maßgebliche Anwendung fmdet; sodann hat das Fachgericht Überlegungen zur Verfassungswidrigkeit dieser Rechtsvorschrift anzustellen. Das Ergebnis der Entscheidung müßte danach im Falle der Ungültigkeit der Norm anders ausfallen als im Falle ihrer Gültigkeit. Dem BVerjG genügen dabei nicht allein Zweifel des Fachgerichts an der Verfassungsmäßigkeit; dieses muß vielmehr davon überzeugt sein3J5 , daß die einschlägige Norm einer Prüfung durch das BVerjG nicht standhälf l6 . Dazu ist es erforderlich, sowohl die anwendbaren Normen als auch das Grundgesetz zu interpretieren, so daß das Gericht zu einem eigenen Prüfungsergebnis kommen muß3J7 . Dies erfordert auch, daß das Fachgericht eine verfassungskonforme Auslegung der Norm in Erwägung ziehf l8 . Nach diesen Maßstäben kann das Fachgericht die Überzeugung von der Verfassungswidrigkeit nur erlangen, wenn es den anhängigen Rechtsstreit im Grunde bis zur Entscheidungsreife gebracht, also auch erforderliche Beweise
Pestalozza, 205. So ausdrücklich schon BVeljGE 1, 184, 189; 9, 237, 240; 16, 188, 189,80,54,58. 316 Vgl. statt aller v. Manch - W. Meyer, Art. 100 00, Rz. 21. 317 BendalKlein, Rz. 751. 318 BVeljGE 78, 104, 117; krit. dazu BendalKlein, Rz. 755 in Anbetracht der Problematik einer sog. verfassungskonformen Auslegung; Heun, 610, 619 hält die Anforderungen an die Möglichkeit verfassungskonformer Auslegung durch das Fachgericht ftlr ,,gelegentlich abertrieben." 314
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ill. Das Nonnenkontrollverfahren nach Art. 100 Abs. I GG
341
eingeholt haf\9. Sodann muß es sich mit der höchstrichterlichen Judikatur, aber auch mit wesentlichen Literaturmeinungen auseinandergesetzt haben. Dieses alles ist schließlich folgerichtig begründet dem BVerjG darzulegen320 . Gelingt dies nicht, so weist das BVerjG die Vorlage ohne weiteres als unzulässig zuIiic~2\.
Die Beurteilung der Entscheidungserheblichkeit obliegt nach wiederholter Feststellung des BVerjG grundsätzlich dem Fachgericht322 , wiewohl es sich um eine Sachurteilsvoraussetzung fiir die Entscheidung des Verfassungsgerichts handelt. Der Primat fachgerichtlicher Prüfung der Entscheidungserheblichkeit stützt sich bei der konkreten Normenkontrolle insbesondere auf die bewußte Zweiteilung der Verfahren. Dem BVerjG obliegt es alleine, zur verfassungsrechtlichen Frage Stellung zu nehmen; es hat mit dem Ausgangsverfahren an sich nichts zu tun. Würde ihm gleichwohl die Prüfung der Entscheidungserheblichkeit übertragen, müßte es zum einen in die materielle Rechtslage des Ausgangsverfahrens einsteigen, zum anderen würden die sich daraus ergebenden Ausführungen im Rahmen einer Zuruckweisung der Vorlage das Ausgangsgericht zwar nicht de jure, wohl aber der Sache nach binden, zumindest aber zu einer Auseinandersetzung zwingen. Dieser Effekt des Vorlageverfahrens soll vermieden werden. Doch auch von dem Grundsatz vorrangiger Relevanzfeststellung durch das vorlegende Gericht hat das BVerjG verschiedene Ausnahmen gemacht. So soll, sofern die vom Fachgericht geäußerte Rechtsauffassung offensichtlich unhaltbar ist, die Vorlage unzulässig sein323 . Ebensowenig besteht die vorrangige Prüfungskompetenz fiir rein verfassungsrechtliche Erwägungen, die das BVerjG selbst voll nachprüfen kann. In diesen Kontext gehört auch die Möglichkeit des Gerichts, die Vorlagefrage umzuinterpretieren, zu straffen oder auch zu erweitern. Das BVerjG nimmt fiir sich darüber hinaus das Recht in Anspruch, die vorgelegte Norm gegen eine andere auszutauschen, die dann ihrerseits entscheidungserheblich isf 24 . Dieses Verfahren ist nicht unproblematisch, wird doch so ein Prüfungsgegenstand ausgewechselt, den der vorlegende Fachrichter nicht in seine Erwägungen einbezogen hatte. Oder vereinfacht ausgedrückt: diese Norm wurde vom Instanz-
BVerjGE 11, 330, 334; 34,118,127; 50,108, 1l3. BVerjGE 80, 59, 65; 80,68, 72. 32\ BVerjGE 47, 146. 322 BVerjGE 2,181,190; 57, 295,315. 323 BVerjGE 77, 308, 327. 324 BVerjGE 33,122; 36, 182.
3\9
320
342
Kap. 4: Vergleichbare instanzielle Vorlagemodelle
richter nicht fiir anwendbar, also auch nicht fiir verfassungswidrig gehalten, entsprechend hat er über ihre Nichtanwendung auch noch nicht befunden. Ein Austausch des Prüfungsgegenstands wird hier nur zulässig sein, wenn das BVerjG davon ausgehen darf, daß der Vorderrichter auch die substituierte Nonn im Falle ihrer Anwendung fiir grundgesetzwidrig angesehen hätte325 . bb) Stellungnahme Die Entscheidungserheblichkeit hat sich im Verfahren nach Art. 100 Abs. 1 GG zum wesentlichen Kontrollinstrument dafiir entwickelt, ob die verfassungsrechtliche Frage aufgenommen wird oder nichf 26 . Insbesondere die (über-)großen Anforderungen an die Darlegung der eigenen Prüfung und die erschöpfende Begründung der Vorlage ist nicht ohne Kritik geblieben, da sich eine grundgesetzliche Vorgabe dafiir nicht finden läßf 27 • Besonders problematisch erweist sich aber nicht alleine die Herausbildung strengerer Vorlagekrlterien, sondern deren (anscheinende) Beliebigkeit bei der Prüfung eingehender Richtervorlagen328 • Das Begründungserfordernis hat sich inzwischen zum hervorragenden Kriterium zur Steuerung des Zugriffs auf Prüfungsgegenstände entwickele29 . Ihre Rechtfertigung in der heutigen Praxis scheint alleine aus dem Ziel der Erhaltung der Arbeitsfähigkeit des BVerjG zu folgen. Dessen Entlastung steUt freilich keinen Selbstzweck dar330 , so daß die inzwischen verfestigte Rechtsprechung des Gerichts zu dieser Zulässigkeitsvoraussetzung in der Tat bedenklich ist. Das BVerjG rechtfertigt demgegenüber seine hohen Anforderungen an die Entscheidungserheblichkeit mit der grundsätzlichen Subsidiarität der Verfassungsgerichtsbarkeie31 sowie dem verfassungsrechtlichen Justizgewährleistungsanspruch, der bei unnötiger Vorlage nicht gewahrt sei332 .
Vgl. Bettermann, 324, 363. 350. 327 Vgl. v. Münch - W. Meyer, Art. 100 GG, Rz. 22; Benda/Klein, Rz. 772. 328 Vgl. v. Münch - W. Meyer, Art. 100 GG, Rz. 33: "Vabanque-Spiel"; BendaIK1ein, Rz. 796: " ... überzeugende Konzeption abhanden gekommen". 329 Ebenso Heun, 610, 620. 330 So ausdrücklichPestalozza, 205, der allerdings die vom BVeljG aufgestellten Anforderungen ftlr vertretbar hält. 331 BVeljGE 47,146,154; 63,1,22. 332 BVeljGE 78, 165, 178. Die Entscheidung bietet zudem ein bemerkenswertes Beispiel ftlr die strengen Anforderungen an die inhaltliche Begründung eines Vorlagebeschlusses, 171 ff. 325
326 Ress,
III. Das Normenkontrollverfahren nach Art 100 Abs. 1 00
343
Der Subsidiaritätsgesichtspunkt knüpft an die unterschiedlichen Bereiche von Fach- und Verfassungsgerichtsbarkeit an. Auf Grundlage dieses Aspekts ist die verfassungs gerichtliche Entscheidung dann jedenfalls nicht erforderlich, wenn das vorlegende Gericht den Rechtsstreit ohne die Anwendung der u. U. verfassungswidrigen Nonn hätte entscheiden können. Dieser Ansatz trägt eo ipso dem Entlastungsgesichtspunkt Rechnuni 33 • Klare Konturen weist die so abgrenzende Rechtsprechung jedoch nicht auf, zumal das BVerjG inzwischen der konkreten Nonnenkontrolle Funktionen zugewiesen hat, die jenseits des begrenzten Prüfungsmaßstabs nach Art. 100 Abs. 1 GG angesiedelt sind. Noch problematischer ist aber die Überhöhung der Erheblichkeitsprüfung durch den Rückgriff auf die staatliche Verpflichtung zur Justizgewährleistung. Sie stützt sich darauf, daß jede Vorlage die Streitentscheidung verzögert, was zu venneiden jeder Richter verpflichtet see34 • Dem entsprechend soll ein strenger Maßstab bei der Prüfung von Erheblichkeit und Vorlagebegründung gelten. Dieses Argument geht auf Bettermann33S zurück, der davon spricht, daß die Instanzgerichte durch eine zu großzügige Handhabung der Erheblichkeitsprüfung geradezu ennuntert würden, statt der Sachentscheidung einen Vorlagebeschluß zu erlassen. Deren Sache sei es aber in erster Linie, den Rechtsstreit auf subkonstitutioneller Ebene möglichst schnell und effektiv zu erledigen. Diese Verpflichtung sieht Bettermann unmittelbar durch den aus Rechtsstaats- und Rechtswegklausel folgenden Justizgewährleistungsanspruch gedeckt. Diese Argumentation ist keineswegs zwingend; sie würde in sämtlichen Vorlageverfahren eine Verschärfung der Erheblichkeitsprüfung rechtfertigen, denn der Aspekt, daß durch eine Verfahrensaussetzung und Einholung einer Zwischenentscheidung der Rechtsstreit verlängert wird, ist stets zu beobachten. Er greift auch schon bei "begründeter" (richtiger) Aussetzung, müßte dort aber wegen des möglicherweise gleichrangigen Gebots materieller Gerechtigkeit oder Richtigkeit der Entscheidung hintanstehen. Im Falle des Art. 100 Abs. 1 GG gebietet aber die Verfassung selbst eine Aussetzung, so daß die Anknüpfung an den Justizgewährleistungsanspruch wohl eine zu große Münze ist. cc) Aussetzung und Vorlage Liegen die Voraussetzungen fiir eine konkrete Nonnenkontrolle vor, so entsteht ein Verfahrenshindernis eigener Art, da das Gericht ansonsten Gefahr lieZustimmend SachsiStunn, Art. 100, Rz. 6. So der Leitsatz BVerjGE 78, 165. 335 In: BVerfG u. 00, Bd. I, 323, 362. 333 334
344
Kap. 4: Vergleichbare instanzielle Vorlagemodelle
fe, auf Grundlage einer verfassungswidrigen Bestimmung Recht zu sprechen. Sie zu verhindern, hat das Fachgericht das Verfahren auszusetzen und die Rechtsfrage der Verfassungsmäßigkeit des anwendbaren Rechts durch das BVerjG klären zu lassen. Nach allgemeiner Ansicht wird die Befugnis zur Aussetzung nicht den entsprechenden (Fach-)Prozeßordnungen entnommen, sondern unmittelbar Art. 100 Abs. I GG336 . Dies hat Folgen ftir die Beschwerdefahigkeit des entsprechenden Beschlusses. Anders als in den bereits diskutierten Aussetzungsfällen gern. § 541 ZPO bzw. Art. 177 EGV verbietet bereits die Struktur der konkreten NormenkontroUe ein Rechtsmittel gegen die Vorlageentscheidung. Denn die im Rahmen eines solchen Beschwerdeverfahrens zu prüfende Richtigkeit der Vorlage kollidiert zwangsläufig mit der alleinigen Verwerfungskompetenz des BVetjG. Nicht aussetzungsfahig sind Eilverfahren, wie sie die verschiedenen Prozeßordnungen vorsehen. Die Normenkontrolle wird hier in den entsprechenden Hauptsacheverfahren erfolgen. Im Rahmen der konkreten Normenkontrolle sind Aussetzung und Vorlage notwendig miteinander verbunden, wiewohl das GG nur erstere anspricht. Es gibt also - abweichend von der PIaxis zu Art. 177 EGV - keine Aussetzung ohne Vorlage, etwa weil dieselbe Frage schon dem BVerjG vorliegt337 • Bis zu einer Entscheidung im Normenkontrollverfahren bleibt die Vorlagepflicht bestehen; hat das BVerjG über die entsprechende Bestimmung im Normenkontrollverfahren entschieden, werden die übrigen Vorlagen mit identischer Fragestellung automatisch unzulässig. dd) Das Verhältnis der Normenkontrolle zum Ausgangsrechtsstreit In den vorangegangenen Kapiteln wurde wiederholt die besonders enge Verknüpfung von Ausgangs- und Vorlageverfahren erörtert. Ausnahmslos aUe Vorlagemodelle kennen eine spezielle Interdependenz zwischen beiden Verfahren, die von einer gewissen "Verfahrensherrschaft" der Parteien gekennzeichnet ist, soweit es um die Beendigung des Vorlageverfahrens geht, wenn der Ausgangsprozeß erledigt wird. Beim Rechtsentscheid entfallt - nach noch herrschender Meinung - jedenfalls die Entscheidungserheblichkeit der Vorlage, 336 BVeifGE 6, 222, 236; zustimmend BendalKlein, Rz. 798; ebenso Bettermann, 324,367, der darin den spezifisch prozessualen Charakter von Art. 100 Abs. I GG sieht. 337 Dafür spricht, daß vorherige Vorlagen u. U. als unzulässig verworfen .werden; ebenso können weitere Vorlagen zusätzliche Begründungen enthalten, die zur Überzeugungsbildung des BVerjG beitragen; vgl. BendalKlein, Rz. 709.
ill. Das Nonnenkontrollverfahren nach Art. 100 Abs. I GG
345
wenn die Parteien den Anlaßrechtsstreit beenden. Auf den Bereich der Richtervorlage läßt sich dieses Junktim indessen nicht uneingeschränkt übertragen. Das Verhältnis von Richtervorlage und Ausgangsverfahren ist - soweit man der Diktion des BVerfG folgt - weitgehend unklar. Ähnlich der Einschätzung zu Art. 177 EGV fmdet sich in der Rechtsprechung die Bezeichnung als "verselbsuindigtes,,338 oder "objektives"339 Verfahren, dessen Zweck in der Sicherung einer verfassungsmäßigen Entscheidung im konkreten Rechtsstreit dient. Diese Betonung des objektiven Charakters findet eine Anknüpfung im alleinigen Initiativrecht des Fachgerichts wie auch den - noch aufzuzeigenden - begrenzten Rechten der Parteien. Entsprechend soll es im Verfahren nach Art. 100 Abs. 1 GG nicht um die Durchsetzung subjektiver Rechte gehen340 • Im Widerspruch zu dieser Einschätzung stehen allerdings Qualifikationen als
"Zwischenverfahren", als Teil eines einheitlichen Prozesses341 • Dann ist das BVerjG auch bereit, die individuellen Interessen der Parteien - im Rahmen der Entscheidungserheblichkeit - zu berücksichtigen342 • Mit dieser Berücksichtigung von subjektiven Interessen ist jedoch noch nicht gesagt, inwieweit die Parteien durch Beendigung des Prozesses die anhängige Richtervorlage verhindern. Während allgemein auch für die konkrete Normenkontrolle angenommen wird, daß das Vorlageverfahren zu beenden ist, wenn der Anlaßrechtsstreit erledigt wird, scheint das BVerfG ein weitherzigeres Verständnis zuzulassen. Zwar hat es in BVerjGE 14, 141 die Richtervorlage rur gegenstandslos angesehen, nachdem im Ausgangsverfahren keine Entscheidung mehr zu treffen war. Soweit die Parteien über den Anlaßrechtsstreit und dessen Verfahren disponieren können, stellt das BVerjG die Normenkontrollkompetenz zugleich zur Disposition der Parteien343 • Andernorts scheint das BVerfG jedoch einen Verzicht auf das Kriterium der Entscheidungserheblichkeit für den Ausgangsprozeß unter engen Voraussetzungen zuzulassen, und stützt dies auf den Rechtsgedanken des § 90 Abs. 2 S. 2 BVerfGG. Gern. § 90 Abs. 2 S. 1 BVerfGG ist als Zulässigkeitsvoraussetzung rur die Verfassungsbeschwerde angeordnet, daß der Rechtsweg erschöpft sein
338
BVerfGE 42, 42, 49; 29,217,219.
339 BVerfGE 67,26, 33. BVerfGE 2,213,217; 42,90,91; 72, 51, 59. BVerfGE 42,42,49. 342 BVerfGE 63, 1,22: ,,Interessen der Verfahrensbeteiligten". 343 Bettermann, 324, 373. 340 341
346
Kap. 4: Vergleichbare instanzielle Vorlagemodelle
muß. Nach Abs.2 kann das BVerjG davon absehen und sofort entscheiden, wenn sie "von allgemeiner Bedeutung ist oder wenn dem Beschwerdeführer ein schwerer und unabwendbarer Nachteil entstande".
d) Beteiligung der Parteien des Ausgangsrechtsstreits Die konkrete Nonnenkontrolle kennt keine Fonn der Beteiligung der Parteien. Anders als in den bisher beschriebenen Verfahren wird im Rahmen von Art. 100 Abs. 1 GG auf Parteistellungnahmen o. ä. verzichtet, lediglich in § 80 Abs. 3 BVerfGG findet sich überhaupt ein Hinweis auf die Prozeßparteien: danach erfolgt der Vorlageantrag des Gerichts unabhängig von einer etwaigen NichtigkeitsTÜge durch eine Partei. Allenfalls im Zusammenhang mit der Aussetzung des Verfahrens wird ihnen - nach der jeweiligen Prozeßordnung rechtliches Gehör gewährt, das jedoch ip Ennangelung besonderer (prozeß-) Rechte ohne nennenswerten Einfluß auf die Vorlageentscheidung bleibt.
e) Mißachtung der Vorlagepflicht Die Mißachtung der Vorlagepflicht ist ein Verfassungsverstoß, denn bei Vorliegen der Voraussetzungen des Art. 100 Abs. 1 GG im anhängigen Verfahren besteht seitens des Fachgerichts kein Vorlageennessen. Insoweit hat Art. 100 Abs. 1 GG imperativischen344 Charakter, Vorlageberechtigung und verpflichtung entsprechen sich demnach. Die unterbliebene Vorlage stellt sich - wie in den übrigen Vorlageverfahren - filr den oder die Verfahrensbeteiligten als Entzug des gesetzlichen Richters (Art. 101 Abs. 1 S. 2 GG) dar. Auch in diesem Falle ist es möglich, Verfassungsbeschwerde zu erheben, deren Zulässigkeit allerdings von der Erschöpfung des Rechtswegs und deren BegrüDdetheit - nach der Rechtsprechung des BVerjG - vom willkürlichen Unterlassen abhängf45.
j) Bindungswirkung der Entscheidung im Normenkontrollverfahren Gern. § 31 BVerfGG sind die Entscheidungen des BVerjG mit einer besonderen, wiewohl auch unterschiedlicher Bindungswirkung ausgestattet. Für alle gilt die Bindungswirkung nach Abs. I, der sich an die Verfassungsorgane des Bundes und der Länder sowie alle Gerichte und Behörden richtet. Für bestimmte, einzeln aufgeführte Fälle ist den Entscheidungen sogar gern. § 31
344 So BendalKlein, Rz. 708. 345
BVerjGE 13, 132, 143; 73, 339, 366; 75, 223, 245.
m. Das Nonnenkontrollverfahren nach Art. 100 Abs. 1 GG
347
Abs. 2 S. 1 Gesetzeskraft beigemessen. Zu diesen zählen auch die Beschlüsse nach § 13 Nr. 11 BVerfGG, also die Entscheidungen im konkreten Normenkontrollverfahren. Die Anordnung gesetzesgleicher Wirkung unterscheidet den Ausspruch des auf Vorlage hin entscheidenden Verfassungsgerichts erheblich von den Entscheidungen in den bislang dargestellten Modellen. Indem hier die Entscheidung Gesetzeskraft erlangt, stellt sich die Frage nach der Rechtskraft ebenso wie die nach einer über den Einzelfall hinausgehenden Präjudizialwirkung in ganz anderer Form. Zunächst einmal ist unklar, was sich der Verfassungsgesetzgeber unter der in § 31 Abs. 2 S. 2 BVerfGG angeordneten Gesetzeskraft vorgestellt hat. Es darf angenommen werden, daß damit ein über den Rahmen der allgemeinen Bindungswirkung hinausgehende Bedeutung gemeint war. Es kann hier dahinstehen, wie die Beschlüsse des BVerjG, die § 31 Abs. 2 BVerfGG unterfallen, normtheoretisch einzuordnen sind. Gesetze sind sie jedenfalls nicht; die Entscheidungen können allenfalls als gesetzesähnlich verstanden werden, sind jedoch weiterhin Urteile. Dennoch ist ihre Bindungswirkung intensiver als die von - präjudiziellen Urteilen, denn die gesetzesähnliche Entscheidung des BVeifG richtet sich an das gesamte Gemeinwesen, erfaßt also über die in Abs. 1 genannten Staatsorgane auch unmittelbar alle Rechtspersönlichkeiten. Maunz sieht daher in der "Gesetzeskraft" nichts anderes als die Allgemeinverbindlichkeit des Ausspruchs "aber den Kreis der Beteiligten und ihrer Rechtsnachfolger, aber auch aber den Kreis der Behörden und Gerichte hinaus,,346. Bettermann hält demgegenüber die Gesetzeskraft in § 31 Abs. 2 BVerfGG für nichts anderes als die Rechtskraft oder die Allgemeinverbindlichkeit von Entscheidungen, hier lediglich beschränkt auf Entscheidungen über Gesetze347 •
2. Funktion und Einschätzung der konkreten Normenkontrolle a) Die Bedeutung der Richtervorlage Die Bedeutung der Richtervorlage nach Art. 100 Abs. 1 GG ist groß, die Belastung des Gerichts entsprechend hoch. Dies hat dazu gefilhrt, daß im Jahre 1993 ein vereinfachtes Abweisungsverfahren bei offensichtlicher Unzulässig346 BVerfGG, § 31, Rz. 29. In Anbetracht des Streits um den Inhalt der "Gesetzeskraft' in § 31 Abs. 2 BVerfGG wäre es - so Maunz, a.a.O. - sinnvoller gewesen, schlicht anzuordnen, bestimmte EntscheidWlgen seien für jedennann bindend. 347 In: BVerGG u. GG I, 324, 366.
348
Kap. 4: Vergleichbare instanziel1e Vorlagemodelle
keit eingefiihrt wurde. Gern. § 80a Abs. 1 BVerfGG kann das BVerjG durch einstimmigen Kammerbeschluß Richtervorlagen ZUIÜckweisen; lediglich fiir Vorlagen der Landesverfassungsgerichte und oberster Bundesgerichte muß diese a-limine-Abweisung durch Senatsentscheidung ergehen.
b) Zweck des Art. JOOAbs. J GG Art. 100 Abs. 1 GG dient der Einheitlichkeit der Verfassungsrechtsprechung, indem die Verwerfungskompetenz zur Wahrung der Autorität des Gesetzgebers bei einem (obersten) Gericht monopolisiert wurde. Von der verfassungsrechtlichen Anlage her ist Normenkontrolle daher ebenfalls ein Instrument zur Verhinderung von Rechtszersplitterung. Problematisch ist jedoch, daß das BVerjG diesem ursprünglichen Zweck des Verfahrens nach Art. 100 Abs. 1 GG weitere Funktionen hinzugefügt hat. Die. konkrete Normenkontrolle soll nämlich auch dem Schutz des Bürgers vor der Anwendung verfassungswidriger Gesetze dienen, entsprechend sei dadurch auch die Verfassungsmäßigkeit der Entscheidung im Ausgangsverfahren zu gewährleisten348 . Schließlich ist die Normenkontrolle auch als Teil eines einheitlichen Prozesses zu verstehen, in dem die Interessen der Verfahrensbeteiligten nicht unberücksichtigt bleiben können349 . Die Legitimation strengster Anforderungen an den Beschluß folgt nicht aus verfassungsrechtlichen oder einfachgesetzlichen Vorgaben für das Normenkontrollverfahren: Sie folgt inzwischen einzig zu dem Zweck, dem BVerfG ein Korrektiv zur Bewältigung der Vorlagernengen und zur Verweigerung (vermeintlich) unnötiger Verfahren in die Hände zu geben. Daß dies zu Brüchen führt, solange ein weites Verständnis von der Vorlagepflicht aller Gerichte besteht, versteht sich von selbst. Ebenso ist nicht zu übersehen, daß die Annahmespielräurne in einem Verfahren, das von seiner Anlage her unmittelbar auf die Überprüfung des Gesetzgebers gerichtet ist, Opportunitätsgedanken bei der Entscheidungsfindung eine Rolle spielen.
348 BVeifGE 67,26,33. W. Meyer weist zu recht daraufhin, daß damit ein Überprüfimgsspielrawn eröflhet wurde, der weit in die sachliche Entscheidungskompetenz des Fachgerichts hinragt und vom bisherigen Konzept der Normenkontrol1e nicht gedeckt ist. Auch wegen dieser eigenmächtigen Kompetenzerweiterung des BVeifG regt er an, die Verwerfimgskompetenz des Gerichts wieder an die Demokratie ZUfÜckzubinden, u. a. mit dem Vorschlag, die Wirksamkeit von Verwerfimgsentscheidungen von der qualifIzierten Zustimmung des Parlaments abhängig zu machen, in: v. Manch, Art. 100, Rz.33. 349 BVeifGE63, 1,22.
ill. Das Nonnenkontrollverfahren nach Art. 100 Abs. 1 GG
349
Nachdem nun die parallelen Problemlagen und teilweise unterschiedlichen Behandlungsmuster in zwei weiteren Vorlageverfahren betrachtet wurden, soll im folgenden der Frage nach der Übertragbarkeit und konkreten Ausgestaltung des RE-Verfahrens auf andere Bereiche des Zivilrechts nachgegangen werden.
Kapitel 5
Übertragbarkeit des Rechtsentscheids I. Vorbemerkung Am Ende dieser Untersuchung des Rechtsentscheid-Modells soll die eingangs aufgeworfene Frage nach der Übertragbarkeit dieses Vorlagemodells auf weitere Gebiete des Zivilrechts stehen, ob also eine Ausdehnung des Rechtsentscheids de lege ferenda möglich und sinnvoll ist. In den Diskussionen über die weitere Reform des Rechtsmittelrechts findet der Rechtsentscheid jenseits des SchuldRAnpG und der - geplanten - Änderung des WEG bislang keine weitere Berücksichtigung). Die bisherige, insbesondere aber die zu erwartende weitere Erhöhung von Eingangs- und Rechtsmittelsummen in der nächsten Zeit wirft jedoch die Frage auf, ob das REModell über den bisherigen Anwendungsbereich hinaus eingeführt werden kann und sollte. Damit soll zunächst die - bereits angedeutete - verfassungsrechtliche Frage aufgeworfen werden. Vor allem erscheint es problematisch, ob eine Ausweitung der besonderen Bindungswirkung des Rechtsentscheids mit dem herkömmlichen Verständnis richterlicher Unabhängigkeit im deutschen Recht verträglich ist. Unter der Voraussetzung einer grundgesetzlichen Zulässigkeit des erweiterten Rechtsentscheids werden sodann die überhaupt dafür in Betracht kommenden Verfahrenstypen vorgestellt. Auf diese Weise läßt sich der Rahmen für eine Übertragung des Rechtsentscheids abstecken. In diesem Zusammenhang kann auch auf die kritische Diskussion, die den Rechtsentscheid bei seiner (Wieder-)Einführung begleitet hat, zurückgegriffen werden. Damit wird zugleich übergeleitet zu rechtspolitischen Überlegungen. Die Ausweitung auf andere Bereiche des Zivilrechts setzt - verfassungsrechtliche Zulässigkeit und verfahrensrechtliche Praktikabilität unterstellt - den politischen Willen voraus, das Modell auszuweiten. Hier werden noch einmal Vorzüge und Nachteile des Rechtsentscheids
) Vgl. nur Gottwald, Gutachten; krit. zum Rechtsentscheid Stichs, ZRP 1998, 1,2.
n. Verfassungsrecht
351
gegenübergestellt, um sodann in eine abschließende Antwort auf die eingangs aufgeworfene Frage zu münden.
11. Verfassungsrecht 1. Problembereich Die Erweiterung des RE-Modells wurde bereits frühzeitii und auch wiederholt erwogen3 • Insbesondere im Bereich des Verbraucherschutzrechts4, aber auch in anderen Rechtsgebieten, deren Eingangsinstanz - mitunter zwangsläufig - das Amtsgericht ise. In der Literatur werden jedoch "verfassungsrechtliche Bedenken" geäußert, wenn das auf die Wohnraummiete beschränkte Rechtsentscheidsverfahren Modellcharakter erhielte und auf andere Gebiete des Zivilprozesses übertragen wiirde6 . Zur Begründung führt Gnatzy aus, daß die Richter nach Art. 20 Abs. 3, 97 Abs. 1 GG ausschließlich an Gesetz und Recht gebunden sowie unabhängig seien. Da eine präjudizielle Bindung lediglich von Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts ausgehe (Art. 94 Abs. 2 GG, § 31 BVerfGG), bestehe bei erweitertem Rechtsentscheid die Gefahr des Eingriffs in die richterliche Unabhängigkeit. Mit diesem Einwand werden zwei unterschiedliche Fragen aufgeworfen, nämlich die nach der Bindung des Richters an Recht und Gesetz (Art. 20 Abs. 3 GG) sowie die nach der richterlichen Unabhängigkeit (Art. 97 Abs. I GG). Beiden Bedenken soll nachgegangen werden.
2. Rechtsentscheid und richterliche Unabhängigkeit Es stellt sich grundsätzlich die Frage, ob eine weitergehende präjudizielle Bindung einen Eingriff in die durch Art. 97 GG gesicherte Unabhängigkeit des Richters darstellen kann. Eine Antwort darauf setzt voraus, sich die Intensität präjudizieller Bindung nach dem bisherigen Prozeßrecht zu vergegenwärtigen und mit dem Rechtsentscheid zu vergleichen. Insoweit kann an die Überlegungen in der Einleitung angeknüpft werden.
Vgl. Gunther, JW 1922, 842 (Kap. 1, I.4.a.cc). Hassold, JR 1985, 96; Gartner, JZ 1992, 1136; Teichmann, JZ 1993, 990, 995; R Schmid, Rra 1995,41. 4 E. Schmidt, KritV 1989,303,315. 5 Jendrek, 63, 68. 6 So Gnatzy, 192 f.; mißverständlich Kissel, GVG, § 1, Rz. 137 einerseits und § 121, Rz 13 andererseits. 2
3
352
Kap. 5: Übertragbarkeit des Rechtsentscheids
Das deutsche Prozeßrecht kennt in allen Rechtsgebieten7 Nonnen, die in unterschiedlicher Fonn eine Bindung des Untergerichts an Rechtsausfiihrungen des Obergerichts vorsehen8 . Beispielhaft wurde bereits das zuruckvenveisende Revisionsurteil genannt (§ 565 Abs. 2 ZPO). Man wird in diesen Fällen eine grundsätzliche Anerkennung richterlicher Bindung durch Anordnung des Gesetzgebers sehen können. Diese ist freilich stets auf den einzelnen, zu entscheidenden Fall fixiert. Bildlich gesprochen besteht die Verbindlichkeit sonach eindimensional vertikal. Daneben gibt es Bindungen über den konkreten Rechtsstreit hinaus dann, wenn fiir den Fall der beabsichtigten Abweichung eine Vorlagepflicht angeordnet ist. Insoweit wird häufig von mittelbarer Bindung gesprochen, die alle gleichgelagerten, aber eben nicht konkreten Rechtsstreitigkeiten erfaßt. Beispielhaft fiir diese Verfahren sind die Divergenzvorlagepflichten nach § 28 Abs. 2 FGG bzw. § 79 Abs. 2 GBO. Ihre Besonderheit liegt darin, daß das erkennende Oberlandesgericht nach Feststellung einer drohenden Divergenz verpflichtet ist, von einer eigenen Entscheidung abzusehen und die Rechtssache komplett an den Bundesgerichtshof abzugeben. Dieser befindet über den anhängigen Einzelfall, stellt zugleich aber auch eine Leitentscheidung fiir die Zukunft auf, an die die Oberlandesgerichte - über die Divergenzvorlagepflicht mittelbar - gebunden sind. Dieser Einfluß auf die Rechtsfindung verzichtet auf die unmittelbare vertikale Bindung, indem die Sache sogleich beim Gericht, dem vorgelegt wird, "durchentschieden" wird. Zugleich strahlt dessen Entscheidung aber horizontal aus, da die Divergenzvorlagepflicht bereits bei Abweichung von einer OLG-Entscheidung erneut eingreift. Hinsichtlich des Rechtsentscheids verhält es sich insoweit ähnlich, freilich auf einer durch die ausschließliche Eingangszuständigkeit begründeten niedrigeren Gerichtsstufe. In seinen Wirkungen ist der vom Oberlandesgericht erlassene Rechtsentscheid jedoch mehrdimensional. Er entfaltet zunächst Verbindlichkeit fiir das vorlegende Landgericht und wirkt somit unmittelbar vertikal, da der Entscheidungssatz im Berufungsurteil zu berucksichtigen ist. Darüber hinaus werden mittelbar sowohl alle übrigen Landgerichte als auch - jetzt quasimittelbar durch die Möglichkeit der Divergenzberufung - sämtliche Amtsgerichte an den Rechtsentscheid gebunden. Insoweit besteht also zugleich eine mehrdimensionale Bindungswirkung. Diese Multifunktionalität unterscheidet § 541 Abs. 1 ZPO von den anderen Voriagemodellen. Fraglich ist aber, ob die7 Zu beachten ist grundsätzlich Art. 95 Abs. 3 00, der die Sicherung einheitlicher Rechtsprechung ausdrücklich erwähnt, vgl. zur ,,Rechtsprechungseinheit als Verfassungsauftrag" umfassend Schulte, 32 ff. 8 Z. B. § 358 StPO, 144 Abs. 6 VwGO, § 126 Abs. 5 FGO; § 72 Abs. 5 ArbGG verweist auf § 565 Abs. 2 ZPO; vgl. zum ganzen schon Tiedtke, JZ 1978, 626 tI
n. VerfassWlgsrecht
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ser Unterschied bereits zu einer Kollision mit der richterlichen Unabhängigkeit führt Für sämtliche der dargelegten Modelle wird von einer präjudiziellen Wirkung gesprochen, wiewohl die Auswirkungen des Präjudizes ganz unterschiedlich sind. Damit wird offenbar, daß hinsichtlich Bindungswirkung und Präjudiz divergierende Vorstellungen bestehen können. Um die Verfassungsmäßigkeit präjudizieller Bindung feststellen zu können, bedarf es daher einer weiteren Pmzisierung der tatsächlichen Einflußnahme auf die richterliche Tätigkeit durch die Schaffung verbindlicher Vorentscheidungen. Ausgehend von der richterlichen Tätigkeit als eigenverantwortliche Urteilsfindung anband des Gesetzes9 müssen Bindungsmodelle per se als Eingriff in richterliche Freiheit empfunden werden10 . Dies gilt jedenfalls dann, wenn der Richter nicht mehr eigenverantwortlich zu entscheiden vermag, sondern seinem Urteil verbindliche Aussagen anderer Gerichte zugrunde legen muß. Konsequent umgesetzt bedeutet dies aber, daß jegliche Bindung des Richters, wie sie in den Vorlagemodellen oder im Revisionsverfahren vorgesehen ist, gegen Art. 97 Abs. 1 GG verstieße. Dies erfordert einen weiteren Blick auf die Ausgestaltung der Vorlagemodelle im deutschen Zivilprozeßrecht. Keine der genannten Regelungen kennt eine Bindungswirkung dergestalt, daß der Richter gezwungen wäre, eine höherrangige rechtliche Beurteilung zu übernehmen, ohne auf eine Abweichung oder Aufgabe der Rechtsprechung drängen zu könnenll . Im Gegenteil: Nach der Vorlagesystematik des deutschen Prozeßrechts besteht die Bindung immer nur insoweit, als sie einen Vorlage-, ggf. auch einen Abgabezwang der gesamten Rechtssache anordnet. In keinem Falle aber ist der Richter unweigerlich gezwungen, eine vorherige Entscheidung zu übernehmen. Es wird ihm lediglich eine weitere Begrundungspflicht - etwa in Form des Vorlagezwangs - auferlegt. Das deutsche Vorlagenmodell weist danach nur Ansätze eines Präjudizi-
9 Vgl. Larenz, Präjudiziell, 254 fT. Dies ist die praktische Umsetzung der verfassWlgsrechtlichen BindWlg des Richters an Recht Wld Gesetz, Art. 20 Abs. 3 00. 10 So auch Kissel, GVG, § I, Rz. 137. 11 Vgl. aber ftlr das Recht der Vereinigten Staaten Hay, 8 fT; auch Zweigert/K6tz, 253 fT. Präjudizien haben allerdings im anglo-amerikanischen Rechtskreis Rechtsquellencharakter, vgl. dazu ausf. Langenbucher, 67 fT. Dies wird ftIr den Rechtsentscheid wie überhaupt fiI.r Präjudizien nach deutschem Rechtsverständnis - nicht angenommen, vgl. Larenz/Canaris, 253. Entsprechend dürfen Untergerichte nach amerikanischem Rechtsverständnis (,,stare-decisis-Doctrine") auch nicht von einschlägigen Präjudizien abweichen. Geschieht dies doch, so ist dies allein ein AufuebWlgsgrwtd durch das Obergericht; zu Einzelheiten vgl. Langenbucher, 111 ff.
23 Willingmann
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Kap. 5: Übertragbarkeit des Rechtsentscheids
ensystems auf, ohne dies aber zu einer uneingeschränkten Übernahmepflicht der Unterinstanzen auszubauen. Außerdem ist die Entscheidungsstruktur des Rechtsentscheids zu bedenken. Die Vorlagepflicht nach § 541 ZPO knüpft an die abweichende Rechtsansicht des Gerichts an. Der Rechtsentscheid seinerseits enthält eine - "authentische,,12- Interpretation des Gesetzes, soll also den Norminhalt klarstellen. Damit legt das Obergericht eine gesetzliche Bestimmung aus, die vom Richter ohnehin zu beachten wäre. Zum Erreichen des Vereinheitlichungszieles wird diese Auslegung mit Verbindlichkeit ausgestattet. Zutreffend wird daher gelegentlich vom normähnlichen Charakter der Rechtsentscheide gesprochenl3 . Unbeeinflußt davon bleiben weiterhin die allein vom Streitrichter zu beurteilenden Tatsachen und die Rechtslage im übrigen. Der Rechtsentscheid bewirkt mithin keinen Entzug der Entscheidung durch das Oberlandesgerichts, sondern grenzt in bestimmten Punkten die Alleinentscheidungskompetenz ein. Da dem Richter danach noch weithin Entscheidungsspielraum verbleibt, sollte eher von präjudiz-ähnlichen Wirkungen, nicht aber von Präjudizien selbst gesprochen werden. Schon diese konkrete Ausgestaltung fuhrt zu Bedenken, im Ausbau des Rechtsentscheids einen Eingriff in richterliche Unabhängigkeit zu sehen. In ihr läßt sich aber auch kein Eingriff in die sachliche Unabhängigkeit des Richters sehen. Das BVerjG hat klargestellt, daß die richterliche Unabhängigkeit die Beziehung der Judikative zu den anderen Staatsgewalten sichere und ihnen gegenüber zu einer Weisungsfreiheit fuhre l4 . Gegenüber innerjustizieller Bindung soll Art. 97 Abs. 1 GG indessen nicht herangezogen werden l5 • Normen, die den Richter verpflichten, Entscheidungen höherrangiger Gerichte zu berücksichtigen, beschränken zwar die Entscheidungszuständigkeit des Gerichts, stellen sich aber nicht als Eingriffe in die Unabhängigkeit der Gerichte dar16• Danach formuliert Art. 97 Abs. I GG allein ein Verbot der Beeinflussung des Richters durch Dritte, nicht aber der Gerichte durch die Judikative selbst.
So Hassold, JR 1985, 96, 98. Schlager, ZMR 1993, 314. 14 Ebenso Schmidt-BleibtreuiKlein, Art. 97, Anrn. 2. 15 BVerjGE 12, 71,72 zur Bindungswirlrung des § 16 RHG, der die Amtsgerichte an Entscheidungen des Oberlandesgerichts band, soweit es wn die Zulässigkeit eines Ver12
13
fahrens ging. 16 Ebenso Schmidt-B1eibtreuiKlein, Art. 97, Rz. 2; SachslDetterbeck, Art. 97, Rz. 7, allerdings einschränkend auf "typische und traditionelle Funktionsbedingungen", die ,.zum Wesen der richterlichen Tätigkeit" gehören; ebenso JarasslPieroth, Art. 97, Rz. 5.
11. Verfassungsrecht
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Art. 97, 98 GG regeln mithin die rechtliche Stellung der Dritten Gewalt gegenüber den beiden anderen Staatsgewalten17 , aber auch gegenüber gesellschaftlichen Einflüssenl8 . In diesem Rahmen betont Art. 97 Abs. 1 GG die schon in Art. 20 Abs. 3 GG enthaltene Bindung des Richters an erlassene Gesetze. Die Gesetzesbindung des Richters wird durch die legislative Entscheidung für ein gesetzliches Bindungsmodell jedoch nicht unterlaufen. § 31 BVerfGG und Art. 94 Abs.2 GG dienen allerdings nur scheinbar als Stütze dieser These: von der Ennächtigung des Art. 94 Abs. 2 GG hat der Gesetzgeber in § 31 Abs. 2 S. 1 BVerfGG Gebrauch gemacht19 und damit ein Verfahren geschaffen, in dem allein den Entscheidungen des BVerfG Gesetzeskraft zukommt. Mithin werfen solche Entscheidungen des BVerfG nicht die Frage nach der Präjudizien-, sondern nach der Gesetzesbindung der Gerichte auf. Und diese ist in Art. 20 Abs. 3, 94 Abs. 2 GG festgelegt. Dies bedeutet dann aber auch, daß eine weitere Bindung des Gerichts zur Berücksichtigung von Rechtsausfiihrungen höherrangiger Instanzen den Schutzbereich des Art. 97 Abs. 1 GG nicht tangieren. Der Verfassungsmäßigkeit einer Ausweitung des RE-Modells stehen diese GG-Artikel demnach gerade nicht entgegen. Vielmehr steht es dem Gesetzgeber frei, die Richter an Gesetze - und damit auch an einen bestimmten Instanzen- und Vorlagezug - zu binden, solange damit kein Eingriff in deren sachliche Unabhängigkeit einhergeht. Soweit Gnatzy neben diesen Bedenken einen Eingriff in die Verfassungsstellung der Richter deshalb bejaht, weil schließlich in Fällen jenseits des § 23a Nr. 2a GVG keine ,,Notwendigkeit' für die Einführung des Rechtsentscheids bestehe20, ist ihm ebenfalls nicht beizupflichten. Auf die strukturelle Identität von Prozessen, in denen gar kein oder nur ein Rechtsmittel zulässig ist, wurde schon hingewiesen. Darüber hinaus postulieren die die Richterschaft betreffenden Artikel des Grundgesetzes keinerlei Verpflichtung des Gesetzgebers, bei Eingriffen in das Verfahrensrecht, namentlich den Verfahrensablauf, die Meßlatte der ,,Notwendigkeit' anzulegen. Entscheidend ist lediglich, ob die prozessualen Änderungen die verfassungsrechtlich abgesicherte Unabhängigkeit des Richters tangieren oder die Gesetzesbindung zu Gunsten einer Bindung an Akte Dies dOrfte der Sache nach kein weiteres Kriteriwn sein, sondern lediglich den Ausspruch des BVerfG in E 12,71 fT. wnschreiben. 17 MaunzlDfJrigIHerzoglScholz, Art. 97, Rz. I. 18 MaunzlDUriglHerzoglScholz, Art. 97, Rz. 22 fT. 19 Freilich durchaus eingeschränkt, nämlich auf Verfahren nach Art. 93 Abs. 1 Nr. 2, NT. 4a und 4b, Abs. 3, 100 Abs. 1 und Abs. 2 sowie Art. 126 GG; vgl. hierzu auch Maunz-Durig-Herzog-Scholz, Art. 94, Rz. 19. 20 A. a. 0., 193. Dort jedoch ohne weitere Begründung. 23*
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Kap. 5: Übertragbarkeit des Rechtsentscheids
anderer Organe beschnitten würde21 • Mit einer Ausweitung des Rechtsentscheids-Verfahrens ginge jedoch keine Bindung an andere Staatsgewalten, sondern ebenfalls nur eine "Intern-Bindung" einher. Solange der Richter in diesem Rahmen an seiner eigenen Rechtsauffassung festhalten kann und ihn - fiir den Fall drohender Divergenz - die Prozeßnorm lediglich zur Vorlage verpflichtet, ist seine sachliche Unabhängigkeit nicht beschränkt Schließlich läßt sich aus dem Rechtsstaatsprinzip und dem Gleichheitssatz des Grundgesetzes eine verfassungsrechtlich gebotene Gewährleistung möglichst voraussehbarer Entscheidungen der Gerichte ableiten, deren Ziel das RE-Verfahren dienen soll. Im Ergebnis ist festzuhalten, daß weder das bestehende noch ein erweitertes Rechtsentscheidsmodell den Schutzbereich des Art. 97 Abs. GG verletzt.
III. Verfahrenstypen
1. Ausgangspunkt einer KlassifIZierung Somit stellt sich zum Abschluß dieser Untersuchung die Frage, welche Rechtsstreitigkeiten von einem weiten RE-Modell erfaßt werden könnten. Es wurde eingangs schon ausgefiihrt, daß strukturelle Ähnlichkeiten zwischen allen Prozessen, die ihren Ausgang am Amtsgericht nehmen, bestehen. Während jedoch die ausschließliche sachliche Zuständigkeit des Amtsgerichts in Mietsachen bereits durch § 23a Nr. 2a GVG gesetzlich angeordnet ist, fmden andere Zivilprozesse zumindest nicht zwangsläufig vor dieser Eingangsinstanz statt. Identität der Ausgangslage besteht daher nur dann, wenn sich aus tatsächlichen Gründen eine Erstzuständigkeit der Amtsgerichte ergibt, mithin also nur bei Prozessen bis zu einem Streitwert von DM 10.000,--. Demnach ist in allen Rechtsangelegenheiten, fiir die keine ausschließliche Zuständigkeit des Amtsgerichts gegeben ist, zumindest denkbar, daß sich infolge höheren Streitwerts sogleich das Landgericht mit einer Sache zu befassen hat; dann ist prinzipiell auch der drei stufige Rechtszug bis zum Bundesgerichtshof möglich.
2. Gruppenbildung Schon diese Feststellung gebietet aber eine Differenzierung in verschiedene Fallgruppen. Allgemeine Zivil streitigkeiten unterliegen mangels ausschließlicher Zuweisung an ein bestimmtes Gericht den allgemeinen Regelungen über
21 Zu Recht weist Scholz in: Maunz/DfirigIHerzogiScholz, Art. 97, Rz. 29 darauf hin, daß auch jetzt schon der Richter an Akte anderer Staatsorgane gebunden sein kann, wie beispielsweise an bestandskräftige Verwaltungsakte oder gültige Rechtsverordnungen.
ffi. Verfahrenstypen
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die sachliche Zuständigkeit. Entsprechend können drei Fallgruppen gebildet werden, nämlich: (l)Streitigkeiten bis zu einem Streitwert von DM 1.500,--, fiir die das Amtsgericht einzige Instanz ist, da eine Berufung gern. § 511 a Abs. 1 ZPO ausgeschlossen wird. (2)Streitigkeiten bis zu einem Wert von DM 10.000,--, die zwar auch vor dem Amtsgericht beginnen, jedoch zum Landgericht berufungs-, jedoch nicht revisionsfähig sind. (3)Streitigkeiten, die wegen Erreichens des erforderlichen Zuständigkeitstreitswerts erstinstanzlich dem Landgericht zugewiesen sind und daher berufungs- und grundsätzlich auch revisionsfähig sind, mithin also grundsätzlich zu einer Entscheidung des BGH führen können.
3. Gruppentypische RE-Probleme a) Streitwertabhängige Zuständigkeit der Amtsgerichte bis DM J.500,--
aal Amtsgericht und RE-Spruchkörper Geht man davon aus, daß durch geringe Streitwerte einerseits und angehobene Rechtsmittelsummen andererseits fiir die Masse der Verfahren nicht nur die Erst-, sondern auch die Letztzuständigkeit der Amtsgerichte gegeben ist, so wirft dies die Frage auf, ob ein allgemeines RE-Verfahren eingefiihrt werden sollte und könnte. Ein solches Verfahren müßte sich freilich erheblich von dem derzeit in § 541 ZPO geregelten Rechtsentscheid unterscheiden. Nicht mehr die Landgerichte "als Berufungsgerichte" wären verpflichtet, den Entscheid des übergeordneten Spruchkörpers einzuholen, sondern bereits die - alleinzuständigen - Amtsgerichte. Zuständig fiir den Erlaß eines solchen Rechtsentscheids könnte dann das Land- wie auch das Oberlandesgericht sein, dessen Entscheid die beschriebene Bindungswirkung auslösen müßte, um den beschriebenen "RE-Effekt" zu erreichen. Der Vereinheitlichungseffekt würde jedoch kaum erreicht, wenn eine landgerichtliche Zuständigkeit für Rechtsentscheide geschaffen würde. In diesem Falle bliebe den Amtsgerichten die Aufgabe, für eine Rechtsvereinheitlichung durch Vorlage an einen höheren Spruchkörper zu sorgen. Wenn diese wiederum von der Grundsatzbedeutung der Rechtsfrage bzw. beabsichtigter Divergenz abhinge, wäre ein solches Verfahren in Anbetracht der deutschen Amtsgerichtsdichte wie auch ihrer Arbeitsbelastung undurchführbar. Insbesondere das
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Kap. 5: Übertragbarkeit des Rechtsentscheids
bereits geschilderte Infonnationsproblem würde sich in diesem Falle gleichsam potenzieren, wollte man den Amtsgerichten die entsprechende (Divergenz-)Recherche zumuten. Daneben träte zwangsläufig eine Berücksichtigungspflicht, die von den Amtsgerichten nicht mehr zu leisten wäre - und bei Übertragung der dargestellten Möglichkeiten einer Verfassungsbeschwerde wegen Nichteinholung des Rechtsentscheids auch mittelbare Auswirkungen auf das Bundesverfassungsgericht zeitigen müßte, die die derzeitigen Bemühungen um eine Entlastung, insbesondere im Bereich der Verfassungsbeschwerden22, geradezu konterkarieren würde. Prinzipiell gilt auch fiir eine Vorlagemöglichkeit der Amtsgerichte an ein Oberlandesgericht nichts anderes. Zwar wäre hier der Kreis der zu beachtenden Entscheidungen u. U. kleiner, aber immer noch kaum überschaubar. Bliebe grundsätzlich nur der Weg, über eine Rechtsmittelreform nachzudenken und die Lirnitierung auf einen Rechtszug prinzipiell aufzugeben. Dabei würde jedoch nicht so sehr die Rechtsvereinheitlichung, sondern die Befriedungsfunktion des Rechtsgangs eine Rolle spielen; ein Schritt, der mit den jüngsten Ambitionen des Gesetzgebers schwerlich in Einklang zu bringen ist. bb) Fazit Es sprechen in erster Linie praktische Probleme gegen eine Einfiihrung des Rechtsentscheids bereits von der amtsgerichtlichen Ebene an. Dadurch würde weder der gewünschte Harrnonisierungseffekt erreicht noch in vertretbarem Maße Rechtsfortbildung betrieben. Namentlich die Folge von Vorlagepflichtverstößen, die das BVerjG zum erweiterten Amtsgericht machten, verbietet im Grunde einen solchen Schritt. b) Die berufungsfähigen Streitigkeiten vor dem Amtsgericht (SDM 10.000,--)
Anderes könnte allerdings für Verfahren gelten, die vor dem Amtsgericht ihren Ausgang nehmen und berufungsfähig sind. Da sie keinesfalls in die Revision gelangen können (§ 545 ZPO), besteht eine weitreichende Übereinstimmung mit der heutigen Ausgangslage im Wohnraurnrnietrecht. Daher kommt hier die Einfiihrung des Rechtsentscheids am ehesten in Betracht.
22 Vgl. dazu BMI (Hrsg.), EntlastlUlg, 77 ff.
m. Verfahrenstypen
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c) Die prinzipiell revisions!ähigen Streitigkeiten (ab DM 10.000,--) Zivilprozesse, die bereits vor dem Landgericht ihren Ausgang nehmen, sind prinzipiell revisionsflUlig, so daß grundsätzlich eine Rechtsvereinheitlichungswie auch Rechtsfortbildungsinstanz zur Verfiigung steht. Ergänzt durch das Zulassungs"Verfahren gern. § 546 ZPO tri1ft bereits das Berufungsgericht eine Prüfungspflicht, die Rechtsgrundsätzlichkeit und Divergenzfälle erfaßt. Ein Rechtsentscheid ist in diesen Fällen solange entbehrlich, als weiterhin darauf vertraut werden kann. daß in hinreichendem Umfange Rechtsfortbildungsmaterial an den BGH gelangt und auf diese Weise die Rechtsharmonisierung durch den Instanzenzug eintritt.
d) Fazit Lediglich für die heute grundsätzlich nicht revisionsfahigen Rechtssachen ist die Einführung des Rechtsentscheids sinnvoll. Dabei muß allerdings von der Vorstellung Abschied genommen werden, daß eine rechtliche Vorabentscheidung bereits dann entbehrlich ist, wenn theoretisch die Möglichkeit besteht, daß eine Sache an den Bundesgerichtshof gelangt. Mit anderen Worten: Anders als bei Anordnung ausschließlicher Zuständigkeit der Amtsgerichte in Wohnraumrnietsachen besteht stets die Möglichkeit, daß - Erreichen des erforderlichen Streitwerts vorausgesetzt - ein Sachproblem auch an den Bundesgerichtshof gelangt. Dies dürfte indessen für die Masse der Verbraucherprozesse, zumindest im Individualrechtsstreit, die krasse Ausnalune sein. Hier gleichwohl einen Rechtsentscheid zuzulassen, stünde der prinzipiellen Möglichkeit obergerichtlicher Rechtsprechung nicht entgegen, solange das Verhältnis konkurrierender Entscheidungen geklärt wäre. Nach der Struktur des Rechtsentscheids böte sich hier eine Lösung spiegelbildlich zu der beschriebenen Vorlagepflicht bei Divergenzgefahr an: Grundsätzlich bindet ein oberlandesgerichtlicher Rechtsentscheid die nachgeordneten Gerichte, nicht jedoch den BGH, der sowohl im nonnalen Prozeß wie auch auf Divergenzvorlage im RE-Verfahren mit mehrdimensionaler BindungswirkUng entscheiden könnte23 .
23 Alternativ ließe sich nochmals der Gedanke der Zentralgerichtsbarkeit aufgreifen, diesmal allerdings in Gestalt des Bundesgerichtshofs; diesen Vorschlag hat Schltiger, ZMR. 1995, 292, in Anbetracht des anschwellenden Entscheidmaterials in Wohnrawnmietsachen bereits unterbreitet.
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Kap. 5: Übertragbarkeit des Rechtsentscheids
IV. Rechtspolitische Überlegungen 1. Argumentationsebenen a) Die abstrakte Fragestellung
aa) BeglÜndoog Die Frage einer Ausweitung des Rechtsentscheids als grundsätzliches Modell der Rechtsvereinheitlichoog ood -fortbildoog ist neben den dargestellten Problemen rechtlicher UmsetzWlg in erster Linie eine solche des politischen Willens. Die Einführung des Rechtsentscheids setzt die politische Entscheidoog voraus, zumindest partiell die Begrenzung des Rechtszugs zugoosten größerer Rechtseinheit ood richterlicher Rechtsfortbildoog auch in "geringwertigen" Massenverfahren aufzugeben. Im Rahmen der Diskussion einer Übertragoog des bisherigen Modells können zunächst noch einmal die Bedenken gegen den Rechtsentscheid aus der Gesetzgebungsdebatte des 3. MRÄG herangezogen werden. ErwartWlgsgemäß dürften sie bei einer Ausweitungsdebatte erneut aufgeworfen werden. Seinerzeit war kritisiert worden, daß die VerquickWlg von Tatsachen- ood Rechtsinstanz, insbesondere die Schwierigkeit, abstrakte Rechtsfragen anband eines konkreten Falles zu formulieren, ein besonderes Hindernis des Rechtsentscheids-Verfahrens darstellten. Daneben trat die BefiirchtWlg, daß die Verfahren durch das gerichtliche Interlokut eine W13ßgemessene Verlängerung erfuhren. Schließlich sollte auf das "fremde" Institut verzichtet ood eher ein "BerufungsdurchgrifI" vom Amts- zum Oberlandesgericht erwogen werden, der sich in den Bahnen des deutschen Ziviprozeßrechts hielte24 • Die meisten dieser Argumente sind durch die hohe Akzeptanz des Rechtsentscheidverfahrens im Wohnraummietrecht widerlegt worden. Die schwierige Formulierung der weithin abstrakten Vorlagefrage ist durch die anerkannte Abänderungsmöglichkeit des Obergerichts erleichtert ood die durchschnittliche Dauer eines RE-Verfahrens hat sich bei ca. vier Monaten eingespielt.
24 Die unmittelbare Berufung zum Oberlandesgericht ist in der Tat ein Gegenmodell, das der Gesetzgeber auch im Rahmen des Familienrechts eingefillut hat. Gleichwohl begegnet auch dieses Verfahren Bedenken, weil es dazu fillut , daß die Oberlandesgerichte in Familiensachen als Tatsacheninstanz fungieren und eine erhebliche Mehrbelastung, vgl. Jendrek, 68. Interessanter erscheint in diesem Zusammenhang der Vorschlag Voßkuhles, 335, 337, die Berufung gegen amtsgerichtliche Urteile vollständig gegen eine Revision zum Landgericht auszutauschen, die er aus dem von ihm entwickelten ,.,sekundaren Kontrollanspruch" aus Art. 19 Abs. 4 GG herleitet.
IV. Rechtspolitische Überlegungen
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In jüngerer Zeit sind jedoch vereinzelt Stimmen zu hören, die an der aktuellen Dimension des Rechtsentscheids in Mietsachen Kritik üben. Nach Gärtner, der grundsätzlich die weitgehende Einführung des Rechtsentscheids im Jahre 1980 begrüßt, befindet sich das Institut noch in "einer vergleichsweise jungen Entwicklungsphase" , zugleich stellt er aber schon gewisse "Grenzen des Wachstums" feses. Diese folgten aus der zunehmenden Verfeinerung der Vorlagevoraussetzungen, namentlich wegen ,grundstilzlicher Bedeutung". Denn was darunter falle, entziehe sich einer rein juristisch-logischen Festlegung. Während weniger ausdifferenzierte Rechtsordnungen die Frage nach der Grundsatzbedeutung eher auf existentielle Probleme konzentrieren, führe die "Überjlußgesellschajt westlicher Prtigung" zu einer weitreichenden rechtlichen Spezialisierung. Diesen Befund sieht Gärtner auch in der aktuellen Praxis der Rechtsentscheide bestätigt, die seines Erachtens dazu führe, daß immer neue "Subtilittiten" formuliert und zur Diskussion gestellt würden. Insbesondere die richterliche Praxis auf der Ebene des Landgerichts gerate so verstärkt in Gefahr, die Fülle der Rechtsentscheide nicht mehr zu überblicken, vor allem aber mit immer neuen Ausdifferenzierungen vermeintlich entschiedener Rechtsfragen in Konflikt zu geraten. Schläger betont insoweit ergänzend, daß es den Landgerichten bisweilen an dem Bewußtsein fehle, daß es sich bei Rechtsentscheiden um ein normähnliches Institut handele, dessen auf Rechtssicherheit angelegter Zweck nur erreicht werde, wenn es nurmehr um abstrakte, typische normausfüllende oder normüberschreitende Wertungen gehe. Demgegenüber gerate die jüngere Rechtsentscheids-Praxis in die Gefahr, sich im Detail zu verlieren26• bb) Stellungnahme Die Gründe für diese - durchaus naheliegende - Gefahr sind bereits im Rechtsentscheidsverfahren selbst angelegt. Schon die Formulierung der Vorlage verlangt vom Landgericht die Fähigkeit, die aufgetretene Rechtsfrage weitestgehend vom zu entscheidenden Fall zu abstrahieren und gleichwohl kennt-. lich zu machen, warum es auf diesen Aspekt für den vorliegenden Sachverhalt - und bei der Grundsatzvorlage für eine Vielzahl weiterer - entscheidend ankommt. Der richterlichen Entscheidung wird mithin eine wissenschaftlichtheoretische Vorfrage vorangestellt27 • Diese mag sehr wohl dazu verleiten, das Garlner, JZ 1992, 1136, 1137 (; ähnlich auch Schlager, ZMR 1993,314. Schlager, ZMR 1993, 314. 27 Worin Garlner, JZ 1992, S. 1136, 1138 ebenfalls eine Gefahr sieht, da der Rechtsentscheid zum "Vehikel wissenschaftlicher Meinungen und Aktivitaten" wird; dies sei um so problematischer, als zahlreiche Richter, die an Obergerichten mit Rechtsentscheidssachen befaßt seien, zugleich als Autoren wissenschaftlicher Beiträge oder 2S
26
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Kap. 5: Übertragbarkeit des Rechtsentscheids
Rechtsproblem auszufeilen und birgt zugleich die Gefahr, damit am gesetzgeberischen Ziel wie auch an der gerichtlichen Vorlagepflicht vorbeizugehen. Hier liegt eine systemimmanente Gefahr des Rechtsentscheids, die die Frage aufwirft, ob das Modell selbst stets nur fiir einen bestimmten Zeitraum den gewünschten Effekt herbeifiihren kann, um danach gleichsam zwangsläufig an der Masse des Entscheidmaterials zu "kollabieren". Betrachten wir die historische Grundlage des Rechtsentscheids, so wird deutlich, daß die Intentionen des Gesetzgebers ursprünglich - d. h. in den 20er Jahren - auf ein Übergangsmodell ausgerichtet waren. Der Rechtsentscheid diente zunächst dazu, die durch eine Vielzahl von Gesetzen und Verordnungen geradezu zerklüftete Landschaft zu glätten. Da bereits im Bereich des materiellen Rechts stets angenommen wurde, daß eine Rückkehr zum BGB alsbald möglich sein werde, durfte auch davon ausgegangen werden, daß im Gefolge dieser Entwicklung zugleich der Rechtsentscheid entbehrlich würde. b) TemportJre Geltung des Rechtsentscheids
Die Zeit hat indessen eine andere Entwicklung gebracht. Das Modell eines quasi temporären Rechtsinstituts sollte gleichwohl nicht vorschnell von der Hand gewiesen werden. Sie kann dann fruchtbar gemacht werden, wenn ein weiterer Aspekt des Rechtsentscheids berücksichtigt wird. Das Auftreten von Divergenzen wie das Bedürfnis nach grundsätzlicher Klärung sind auch Indikatoren normativer Defizite. Daher ist zu erwägen, das REMaterial permanent darauf durchzusehen, ob ein gesetzgeberischer Handlungsbedarf besteht, der zur Übernahme der gerichtlichen Aussage in eine KodifIkation führen könnte. Ergänzend ließe sich abermals über eine Art Stichtags- oder "Verfallklausel" rur Rechtsentscheide nachdenken, sofern der Gesetzgeber die darin aufgeworfenen Fragen nach einer bestimmten Zeit noch nicht aufgegriffen hat. Auf diese Weise ließe sich einmal mehr dem Argument der Versteinerung der Rechtsfortbildung durch Präjudizien begegnen.
Kommentare in Mietsachen bekannt seien und deshalb die gerichtliche EntscheidWlg der Gefahr "theoretischer Prttferenz" erlägen. Dem ist zuzustimmen, sofern die Rechtsentscheide dadurch mangels hinreichender Verständlichkeit Wlbmuchbar würden; allerdings ist Gttrtner entgegenzuhalten, daß es nur wünschenswert sein kann, wenn das wissenschaftlich nur sparsam besetzte Wohnraummietrecht auch Gegenstand universitärer Diskussion würde. Die Verknüpfung richterlicher Tätigkeit Wld publizistischer Aktivität begegnet keineswegs nur beim Rechtsentscheid; sie darf weitenteils als fruchtbar ftlr die RechtsentwicklWlg angesehen werden.
IV. Rechtspolitische Überlegungen
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c) Alternative: Das Anfrageverfahren vor Einleitung des Rechtsentscheids
Zu überlegen ist weiterhin, ob eine gewisse Begrenzung der Vorlagernenge durch die Übemalune des Anfrageverfahrens gern. § 132 Abs. 3 GVG in das RE-Modell erreicht wird. Da der bestehende Rechtsentscheid bis zur Aufgabe der Rechtsauffassung durch den entscheidenden Senat bzw. bis zu einer Entscheidung durch den BGH Geltung beansprucht, könnte das Anfrageverfahren, dessen zeitlicher Rahmen kürzer wäre als ein fonneller Vorlagebeschluß, eine sinnvolle Ergänzung für den großen Bereich der Divergenzvorlagen werden. d) Technische Probleme der Ausweitung
In der Ausweitungsdiskussion wird wiederholt auf die Problematik von Vorlagepflicht und Infonnationsdichte hingewiesen. Das eine Problem liegt darin, das Entscheidmaterial jedem zur Vorlage verpflichteten Richter rechtzeitig zukommen zu lassen, damit keine unbewußten Mißachtensfälle auftreten. Eine Lösung hatte bereits Landfennann angeregt, indem er die schnellstmögliche Publikation der Rechtsentscheide via JURJS anregte28 • Nun hat sich diese Verbreitungsmöglichkeit als wenig effektiv erwiesen; daß aber in Zukunft mit einem Anschluß der Justiz an die modemen Telekommunikationsmöglichkeiten hier weitere Beschleunigungen erreicht werden können, liegt nahe. Die andere Schwierigkeit ist vorgelagert. Es betrim die rechtzeitige Information der Landgerichte über eingegangene Vorlagebeschlüsse. Damit in Zukunft zeitnahe, aber divergierende Rechtsentscheide vermieden werden, erscheint es sinnvoll, verstärkt bereits über eingegangene Vorlagebeschlüsse zu informieren, um mittels Aussetzung anderer anhängiger Verfahren das Modell zu effektivieren.
2. Das Kemproblem: die "soziale Brisanz" der Materie a) Überlegungen zum Wohnraummietrecht
Neben diesen praktischen Umsetzungsproblemen bleibt schließlich ein letzter, allein rechtspolitischer Aspekt zu berücksichtigen: der Rechtsentscheid ist
28
NJW 1985,2609, 261l.
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Kap. 5: Übertragbarkeit des Rechtsentscheids
seit jeher ein Vereinheitlichungsinstrument in Rechtsgebieten, in denen eine besondere "soziale Brisanz" vermutet wurde29 . Die ausschließliche Erstzuständigkeit der Amtsgerichte in Wohnraummietsachen war bereits eine sozialpolitische WeichensteIlung, in deren Gefolge erst das Rechtsvereinheitlichungsproblem und sodann der Rechtsentscheid aufgetaucht sind. Rechtspolitisch sollten Überlegungen zur Übertragbarkeit auf das übrige Zivilrecht daher die Paralle zur Einfiihrung des § 23 Nr. 2a GVG suchen3o • Da sich eine analoge Anwendung des § 541 ZPO in Anbetracht des eindeutigen Wortlauts und der bekannten Ziele des Gesetzgebers verbietet, müßten fiir eine legislative Maßnalune ähnliche Gründe eingreifen, wie sie seinerzeit bei Einfiihrung der ausschließlichen Zuständigkeit der Amtsgerichte in Wohnraummietsachen sowie des die Rechtsprechung harmonisierenden Rechtsentscheids vorlagen. Bereits bei den Beratungen der Reichsjustizgesetze wurde zur Begründung amtsgerichtlicher Zuständigkeit in Mietsachen angeführt, daß diese einer "besonders raschen und auf die Vertrautheit mit den lokalen Verhältnissen gestfJtzten Entscheidung bedi1rjen"31. Zugleich bestand die Vorstellung, daß die vor das Amtsgericht gebrachten Streitigkeiten in der Regel größerer Schwierigkeit entbehrten und in einem angemessenen Verhältnis zu den Kosten der Rechtsverfolgung stehen müßten32 . Diese grundsätzlichen Erwägungen über die Begründung ausschließlicher Zuständigkeit werden auch heute noch geteilt, wenngleich gewichtige rechtspolitische Bedenken bestehen33 . Sie folgen zunächst einmal daraus, daß die pauschale Annalune geringerer Schwierigkeit amtsgerichtlicher Prozesse empirisch nicht haltbar sei; darüber hinaus verbiete sich auch die Berufung auf die Kostenrelation solcher Verfahren, da die Gewährung von Rechtsschutz im Rechtsstaat keine Frage finanzieller Potenz sein 29 R. Fischer, 28, spricht von einem "besonders sensiblen Bereich". Dabei stellte Fischer den Rechtsentscheid nach Art. m 3. MRÄG auf eine Stufe mit der Verlagerung der Berufungsinstanz in Unterhaltssachen von den Land- auf die Oberlandesgerichte lUld die Regelung des § 14 AGBG, der die Erstzuständigkeit der Landgerichte bei Verbandsklagen vorsieht. Diesen Bestimmungen sei bei ihrer Einfilhrung gemeinsam, daß sie im Endeffekt eine Möglichkeit der Anrufung des BGH schufen, die "im 6ffentlichen Interesse" geboten sei; ebda., 28; im folgend HergenriJder, 40; zwn öffentlichen Interesse am Verfahren überhaupt auch ausf. Koch, Prozeßfilhrung, 8 ff. ; ders., Verbraucherprozeßrecht, 4 ff. 30 Bzw. der Diskussion um den "Vorläufer" dieser Norm: § 29a ZPO; vgl. dazu nur Matthes, BB 1968, 551; Hummel, ZMR 1968, 97; Gerischer, ZMR 1968, 193; Haase, JR 1969,210. 31 Hahn TI, a.a.O., 940. 32 ZusanunenstelllUlg der Argumente bei Kissel, GVG, a.a.O., § 23, Rz. 6 ff. lUld ders., ZRP 1976, 10, Fn. l. 33 Auch hierzu instruktiv Kissel, GVG, (vorige Fußnote).
IV. Rechtspolitische Überlegungen
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dürfe34 • Schließlich widerspreche sie aber auch der Vorstellung vom mündigen Bürger, der sehr wohl der Auffassung sein könne, daß der von ihm angestrengte Prozeß auch bei geringem Streitwert fiir ihn bedeutsam sei. Neben diese allgemeinen Überlegungen stellt Kissel noch ein weiteres rechtspolitisches Argument. Mit der durch das 1. RpflEntlG eingeführten quasiobligatorischen Einzelrichterzuständigkeit am Landgericht (§ 348 ZPO) sei die Grenze zwischen den beiden Eingangsinstanzen weitgehend verwischr 5 . Eine ausschließliche Zuweisung an das Amtsgericht legt daher stets die Vennutung nahe, lediglich dem Ziel einer (zeitlich) begrenzten36 Rechtsverfolgung zu dienen. Tragen daher die historischen Gründe fiir die amtsgerichtliche Erstzuständigkeit bei geringen Streitwerten nicht mehr hinreichend, so muß dies noch nicht zwangsläufig für die ausschließliche Zuständigkeit in Mietsachen gelten. Hier greift jedenfalls die gesetzgeberische Vorstellung besonders gebotener Ortsnähe und daraus resultierender Kenntnis des Spruchkörpers von den tatsächlichen Gegebenheiten. Ob auch das Argument besonders "rascher Bearbeitung" angesichts der Gerichtsbelastungen noch überzeugt, sei hier dahingestellt. Allein auf diese Ortsnähe abgestellt, besteht ein wesentlicher Unterschied zwischen Mietsachen und zahlreichen anderen Streitigkeiten, deren geografischer Bezug für die Verhandlung der Sache allerdings auch nicht so entscheidend ist. Die ursprünglichen Überlegungen im Rahmen des 3. MRÄG stellten daneben insbesondere auf die besondere "soziale" Brisanz des Mietrechts ab. Vergleichbare soziale Brisanz wie das Mietrecht hat allerdings lediglich das Arl>eitsrecht; ein Bereich, in dem der Gesetzgeber ebenfalls auf das Mittel ausschließliche Zuständigkeitsfixierung zurückgreift, die Rechtsvereinheitlichung allerdings von der Parteiinitiative abhängig macht und dem Instanzenzug anvertraut. Ob darüber hinaus ein Regelungskomplex von solcher Breitenbedeutung ist, muß bezweifelt werden. Allerdings spricht die vom Gesetzgeber jetzt ins Auge gefaßte Einführung des Rechtsentscheids in Verfahren nach dem WEG dafür, daß sowohl die Massenhaftigkeit der befiirchteten Prozesse als auch die besondere sozialpolitische Bedeutung der Materie fiir die Schaffung eines RE-Modells nicht mehr unbedingt vorausgesetzt werden.
34 Mit gleicher Klinge wird jüngst wieder gegen die Streitwertrevision zu Felde gezogen, vgl. Stichs, ZRP 1998, 1. 35 Kissel, GVG, § 23, Rz. 8. 36 Also auch einer instanziell abgekürzten, [Arun. des Verf.]
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Kap. 5: Übertragbarkeit des Rechtsentscheids
b) Die geeigneten Regelungsmaterien Unabhängig von der sozialen Brisanz einer Materie bleibt letztlich zu fragen, ob es eines abgeschlossenen Regelungskomplexes, wie ihn das Wohnraummietrecht darstellt, bedarf, um den Rechtsentscheid einzufiihren. Die Schuldrechtsanpassungssachen in der ehern. DDR wie auch die WE-Sachen nach dem jüngsten Gesetzesentwurf stellen noch solche geschlossenen Rechtsmaterien dar. In Betracht kämen auch solche Rechtsgebiete, in denen ein weithin komplexes Regelungsgerüst existiert, das eine Abgrenzung zum allgemeinen Zivilrecht zuläßf 7 • Auch hier ist eine Lösung vom bisherigen RE-Modell erwägenswert. Da es eine vergleichbar abgeschlossene Regelungsmaterie kaum mehr gibt, ist zu fragen, ob die generelle RE-Möglichkeit neben der durch Rechtsmittel geformten Rechtsfortbildung bestehen kann. Daß dieser gesetzgeberischen Entscheidung rechtliche Bedenken nicht entgegenstünden, wurde vorstehend dargelegt. Sie ist allein von dem Gestaltungswillen des Gesetzgebers abhängig, der sich entschließen müßte, statt einer rechtsmittelfreien Zone zumindest einen gesetzlich geregelten Fortbildungsmechanismus einzurichten, damit "der blaue Himmel' nicht mehr zwangsläufig über den Entscheidungen der Eingangsinstanz beginnt.
3. Vorschlag Die Untersuchung hat den Rechtsentscheid von seiner erstmaligen Einführung in der preußischen Pachtschutzordnung bis zu den jüngsten Plänen im Gesetzgebungsverfahren vorgestellt. Das heute praktizierte RE-Modell des § 541 Abs. 1 ZPO hat sich hinreichend bewährt, wiewohl es partiell reformbedürftig erscheint. Seine Möglichkeiten werden indessen vom Gesetzgeber nur unzureichend genutzt. Wäre dieser bereit, die den Obergerichten ursprünglich auf Zeit übertragene Rechtsfortbildungsfunktion in einzelnen Materien nach Ablauf bestimmter Fristen wieder an sich zu ziehen und anband des RE-Materials den gesetzlichen Erneuerungsbedarf festzustellen, böte der Rechtsentscheid eine ideale Ergänzung der übrigen Rechtsfortbildungsinstrumentarien des Zivilprozeßrechts und zugleich eine vorzügliche Hilfestellung fiir den Gesetzgeber. Dm vorübergehend zu präzisieren, wurde der Rechtsentscheid eingefiihrt. Sobald vergleichbarer Präzisierungsbedarf feststellbar ist, insbesondere bei fortschrei-
37 Innerhalb des BGB könnte dies für die Reisevertragsmaterie gelten, der es zwar in jeder Hinsicht an sozialer Relevanz fehlt, die aber andererseits besonders von zunehmender Rechtsprechungsdivergenz betroiTen scheint, vgl. Tempel, Rra 1998, 37;R. Schmid, Rra 1995,41; frtlher schon Teichmann, JZ 1993,990, 995.
V. Thesenartige Gesamtbetrachtung
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tender Ausklammerung ganzer Regelungskomplexe aus dem prozessualen Instanzenzug, empfiehlt sich die - zumindest temporäre - Erweiterung des Rechtsentscheids rur geschlossene Rechtsmaterien, indem die Regelungen in §§ 541 Abs. 1, 511a Abs.2 ZPO um die dem Rechtsentscheid zugefiihrten Rechtsgebiete ergänzt werden.
v. Thesenartige Gesamtbetrachtung (Zusammenfassung der Ergebnisse) Am Ende der Untersuchung sollen die einzelnen Ergebnisse noch einmal im Überblick vorgestellt werden. L
1. Es hat sich gezeigt, daß der Rechtsentscheid ein besonderes Institut speziellen Verfahrensrechts ist, das der Gesetzgeber in Deutschland nach Vorbild einer preußischen Landesregelung erst unter Geltung weitreichenden materiellen Notrechts zu Beginn der Weimarer Republik eingefiihrt har 8 . Weder die ZPO noch das GVG verfugten seinerzeit über eine vergleichbare Bestimmung, die es einerseits ermöglichte, Fragen grundsätzlicher Bedeutung bzw. drohender Entscheidungsdivergenz durch eine obergerichtliche Spruchtätigkeit auf Vorlage aus der Instanzjudikatur zu beantworten, ohne dafiir den Parteien ein Rechtsmittel zur Verfugung zu stellen. Diese Funktion erfullte der Rechtsentscheid, dessen Anwendungsbereich indessen von Anfang an auf bestimmte Materien begrenzt wurde, die materiell nur als Übergangsrecht galten und deren verfahrensrechtliche Ausgestaltung ebenfalls nur fiir eine temporäre Maßnahme gehalten wurde; es sind dies das Pachtschutz-39, Mieterschutz-40 und Fideikommißauflösungsrecht. Aus diesem Grunde erfolgte zu keiner Zeit eine Inkorporierung der RE-Bestimmung in das allgemeine Zivilverfahrensrecht. Dies war aber auch deshalb nicht möglich, weil sich der Rechtsentscheid zunächst außerhalb der ordentlichen Gerichtsbarkeit entwickelt hatte, und lange Zeit gleichermaßen rur behördliche wie gerichtliche Beschwerdeverfahren in den genannten Rechtssachen anwendbar war. Die Bestimmungen über den Rechtsentscheid bildeten daher stets den verfahrensrechtlichen Annex eigens geschaffenen Sonderrechts infolge bedrängter wirtschaftlicher Verhältnisse.
Kap. 1, Abschn. 1.1. Kap. 1, Abschn. 1.5. 40 Kap. 1, Abschn. 1.6.
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39
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Kap. 5: Übertragbarkeit des Rechtsentscheids
2. Zugleich muß allerdings angenommen werden, daß diese Rechtsgebiete dem Gesetzgeber immerhin so bedeutsam waren, daß eine Spruchdivergenz der verschiedenen Beschwerdestellen nicht hinnehmbar schien und deshalb mittels Vorlageverfahren eine weitgehende Harmonisierung erreicht werden sollte. Insoweit stellt sich - freilich vom Gesetzgeber nicht so recht beabsichtigt - die Einfiihrung des Rechtsentscheids als flankierende Maßnahme für die Herausbildung eines Mieterschutzrechtes dar, das die ursprüngliche liberale Konzeption des BGB 41 unter den vielfältigen Zwängen des 1. Weltkriegs abgelöst hatte. 3. Der Charakter eines Not- oder Übergangsrechts wird auch dadurch unterstrichen, daß die Rechtswissenschaft dem neugeschaffenen Institut nur sehr wenig Aufmerksamkeit schenkte. Der Rechtsentscheid wurde schon in Preußen und anschließend auch im Deutschen Reich ohne nennenswerte Vorarbeiten oder den Rückgriff auf wissenschaftliche, empirische Kenntnisse eingefiihrt. Ebensowenig fand nach der Einfiihrung eine Diskussion der Vorlage- oder Entscheidungsvoraussetzungen statt; schließlich blieb das RE-Modell auch innerhalb der Diskussionen über die Reform des Zivilprozeßrechts unberücksichtigt. Seine nähere Ausformung wird der Rechtsprechung überlassen42 . Die rege RESpruchpraxis des Kammergerichts, insbesondere zum MSchG 1923, hat das Institut nachhaltig geprägt. Der Mangel an wissenschaftlicher Befassung bestand demgegenüber unabhängig von der weiteren politischen Entwicklung in Deutschland bis in das Jahr 1967 fort. 4. Danach erlebte das seit der Justizgleichschaltung im NS-Deutschland43 fast vergessene Rechtsinstitut gleichsam eine Renaissance, als bei Aufhebung des Mieterschutzgesetzes zum 1.1.1968 die ausschließliche sachliche Zuständigkeit der Amtsgerichte in Wohnraummietsachen mittels § 29a ZPO angeordnet wird44 • Der dadurch von vomeherein begrenzte Rechtszug in Wohnraummietsachen sollte durch Einfiihrung des Rechtsentscheids zumindest für die Rechtsfragen der neugeschaffenen Sozialklausel einen gewissen Harmonisierungseffekt herbeiführen. Auch dieser Schritt des Gesetzgebers war nicht frei von experimentellen Überlegungen, war doch ein Ziel der Einführung, die Bewährung der neugeschaffenen Bestimmungen des sog. sozialen Mietrechts durch obergerichtliche RE-Tätigkeit überprüfen zu können. 5. Obwohl die Erfahrungen mit dem Rechtsentscheid nach Art. III 3. MRÄG infolge alsbaldiger Änderung des materiellen Rechts nur gering waren, hat sich
Kap. Kap. 43 Kap. 44 Kap.
41
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I, Abschn. I, Abschn. I, Abschn. I, Abschn.
1.1. 1.7. l.9. l.11.
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dieses Hannonisierungsmodell in der weiteren rechtspolitischen Debatte gegenüber der Alternative eines unmittelbaren Rechtszugs vom Amts- zum Oberlandesgericht behauptet, indem durch Änderung des Art. III 3. MRÄG seit 1980 für alle materiellen Fragen des Wohnraummietrechts der Rechtsentscheid zur Verfügung steht45 . Als rechtspolitische Kuriosität muß in diesem Zusammenhang allerdings gesehen werden. daß der Gesetzgeber sich nicht schon 1980, sondern erst im Rahmen der Rechtspflegeentlastungsdebatte der 90er Jahre entschließen konnte, das inzwischen etablierte Modell des Rechtsentscheids in die ZPO zu integrieren. 6. Nicht nur die 1991 erfolgte Einfügung des Rechtsentscheids in die Berufungsbestimmungen der ZPO (§ 541) unterstreicht, daß dieses besondere Vorlagemodell inzwischen als wertvolle Hilfe und Dauereinrichtung bei der Vereinheitlichung der Mietrechtsprechung anerkannt wird. Indem der Gesetzgeber zugleich für Prozesse in Schuldrechtsanpassungssachen auf dem Gebiet der ehern. DDR eine Verweisung auf § 541 ZPO anordnete, hat er zu verstehen gegeben, daß das RE-Modell aus dem singulären Anwendungsbereich im Wohnraummietrecht herausgelöst werden und weiterreichende Verwendung finden so1l46. Die Verweisung in § 56 SchuldRAnpG und die neuerlichen Bemühungen um eine Einführung des Rechtsentscheids in Wohnungseigentumssachen47 unterstreichen dieses Ziel.
n Trotz fehlender wissenschaftlicher Erörterung hat sich in der Praxis inzwischen ein weithin geschlossenes AnwendungsmodelI des Rechtsentscheids etabliert, in das der Gesetzgeber seit der Ausweitung im Jahre 1980 materiell nicht mehr eingegriffen hat. Die wesentlichen Ausprägungen des Vorlageverfahrens gehen weitenteils auf die historischen Vorgänger zurück; daneben hat die Judikatur seit Ausweitung des Rechtsentscheids ein großenteils konsistentes Verfahrensgerüst entwickelt48 . Dieses wird durch folgende Besonderheiten gekennzeichnet: 1. Systematisch erweist sich das RE-Verfahren nicht als Rechtsmittel, es bestehen auch nur rudimentäre Ähnlichkeiten49 . Daß er kein Rechtsmittel im Sin45 Kap. I, Abschn. 1.12. 46 Kap. 1, Abschn. II.2. 47 Kap. I, Abschn. II.3. 48 Kap. 2. Abschn. A 49 AA offenbar Hassold , JR 1985, 96, 97, der ausfilhrt, daß Devolutiveffekt der Rechtsmittel, Vorlagezwang beim Rechtsentscheid, die Hierarchie der Gerichte und die Konzentration der Entscheidungskompetenz in einer höchsten Instanz "institutionelle 24 Willingmann
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Kap. 5: Übertragbarkeit des Rechtsentscheids
ne der ZPO ist, zeigt bereits seine ursprüngliche Bezeichnung als "Vorabentscheidungsverjahren". Damit geht keine Nachprüfung eines untergeordneten Gerichts einher. Vielmehr besteht die Besonderheit des Konzepts aus einem Zusammenwirken zweier, instanziell freilich unterschiedlicher Spruchkörper. Beide Gerichten erfüllen dabei ganz unterschiedliche Aufgaben mit einem eigenen Wirkungskreis50 . Während das Landgericht zur Streitentscheidung, mithin also zur Gewährung von Rechtsschutz angerufen ist, erfiillt das Obergericht sowohl eine unterstützende Funktion in bezug auf die Entscheidung des konkret anhängigen Prozesses; zugleich aber kommt ihm die Aufgabe zu, einen der Rechtseinheit dienenden Rechtssatz zu formulieren, dessen Wirkungen über den Ausgangsrechtsstreit hinausreichen sollen. 2. Eine Besonderheit des RE-Konzepts besteht in der konsequenten Aufgabenteilung zwischen Land- und Oberlandesgericht. Der landgerichtlichen Ebene fällt dabei nicht allein die Aufgabe zu, den konkreten Berufungs- oder Beschwerderechtsstreit zu entscheiden, sondern dabei zugleich auch in besonderem Maße die bisherige Rechtsprechung im Wohnraummietrecht zu berücksichtigen; dies einmal, um eine drohende Divergenz zu einer obergerichtlichen Entscheidung zu erkennen, zum anderen, damit Fragen grundsätzlicher Bedeutung alsbald dem Obergericht zur Klärung vorgelegt werden. Insoweit einzigartig im deutschen Zivilverfahrensrecht, kommt einer Tatsacheninstanz auch eine wesentliche Funktion zur Wahrung von Rechtseinheit und Rechtsfortbildung ZU51. 3. Die das Landgericht zur Vorlage verpflichtenden Gründe der beabsichtigten Abweichung und grundsätzlichen Bedeutung der Rechtsfrage decken sich in Anwendung und Auslegung weitgehend mit den gleichlautenden Bestimmungen anderer Prozeßordnungen52 . Die Praktikabilität des Rechtsentscheids hat freilich durch eine Extension des Begriffs "Entscheidung" bei der Vorlagepflicht wegen beabsichtigter Divergenz erheblich gelitten. Unverkennbar provoziert diese weite Auslegung Verfassungsbeschwerden wegen der Mißachtung einer Vorlagepflicht. 4. Wie bei sämtlichen anderen Vorlagemodelle verzichten die Obergerichte auch im mietrechtlichen Vorlageverfahren nicht auf das ungeschriebene Erfordernis der Entscheidungserheblichkeit eines Rechtsentscheids rur den Aus-
Garantien der Entscheidungsharmonie, d. h. der Rechtseinheif' darstellen und so eine Gleichwertigkeit sieht. 50 Kap. 2, Abschn. Am. 51 Kap. 2, Abschn. A.m. 52 Kap. 2, Abschn. A.m.3.14.
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gangsrechtsstreie3 . Diese herrschende Meinung, die erkennbar bemüht ist, Parallelen zu den insoweit anders ausgestalteten VorlagernodelIen nach §§ 28 Abs. 2, 3; 79 Abs. 2, 3 GBO herzustellen, verkennt die funktionale Zweiteilung im RE-Verfahren und zieht aus diesem Befund nur unzureichende Konsequenzen, indem sie auch bei diesem eigenständigen Institut der Rechtsharmonisierung im klassischen Blick auf den Individualrechtsschutzzweck des Zivilrechtsstreits verharrt. In Anerkennung der jeweils eigenen Kompetenzen der beiden am Rechtsentscheid beteiligten Spruchkörper und ihrer funktional abgrenzbaren Entscheidungsbereiche erweist sich das Festhalten am Entscheidungserheblichkeitskriterium aber als problematisch, da auf diese Weise ein gesetzlich nicht vorgesehener, die Funktion des Rechtsentscheids aber konterkarierender Einfluß der Parteien auf das der Fortbildung dienende Verfahren besteht. Die vom Gesetzgeber eindeutig differenzierten Aufgaben der zwei Gerichte unterschiedlicher Instanz erlauben daher - entgegen der herrschenden Meinung - auch eine andersartige Behandlung, insbesondere der sog. ErledigungsflUle54 . Während die partei autonome Erledigungserklärung im "normalen" Zivilrechtsstreit wie in den übrigen zivilistischen VorlagernodelIen zur Beendigung des Prozeßrechtsverhältnisses führt, so daß auch das Gericht, das im Vorlageverfahren (etwa nach § 28 Abs. 2 FGG) zu entscheiden hat, keine Entscheidung mehr erlassen kann, gilt dies bereits de lege lata fiir den Rechtsentscheid nicht55 . Dies läßt sich aus der Aufgabenverteilung im RE-Verfahrens ableiten. Zwar beendet auch hier die parteiliche Erledigungserklärung oder die Berufungsrücknahme den Ausgangsrechtsstreit, an dessen Entscheidung das Obergericht mitwirken sollte. Da dem Obergericht indessen durch § 541 Abs. 1 ZPO eine weitere, gerade das Wesen des Rechtsentscheids kennzeichnende Funktion zukommt, ist es auch nach Beendigung des Ausgangsprozesses berechtigt, einen Rechtsentscheid zu erlassen. Zumindest bei der Grundsatzvorlage ist diese Möglichkeit eines zur Beendigung des Vorlageverfahrens fiihrenden Verhaltens der Parteien des Ausgangsrechtsstreits systemfremd. Da dem Obergericht auch bei Beendigung des Prozesses in der Berufungsinstanz sowohl die materielle Vorlagefrage als auch das Entscheidungsmedium (der Rechtsentscheid in Beschlußform) mit eigenständiger, rechtsfortbildender Funktion erhalten bleibt, besteht fiir das Erheblichkeitskriterium in diesem Vorlageverfahren bereits de lege lata keine Notwendigkeit mehr. Anders freilich bei der Divergenzvorlage: hier entflUlt mit der Beendigung des Ausgangsrechtsstreits die zur Vorlage verpflichtende Gefahr einer Entscheidungsdivergenz, so daß ein Rechtsentscheid nicht mehr ergehen kann.
53 Kap. 2, Abschn . AID.5. 54 55
Kap. 2, Abschn. Aill.5.b.dd. Kap. 2, Abschn. Aill.5.b.dd.(2).
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Kap. 5: Übertragbarkeit des Rechtsentscheids
5. In konsequenter Umsetzung dieser Zielrichtigung des Rechtsentscheids ist die Stellung der Parteien nur schwach ausgestaltet. Soweit ihnen die Mitwirkung am Vorlageverfahren durch ein Recht zur Stellungnahme eingeräumt ist, erweist sich dies lediglich als einfachgesetzliche Umsetzung des verfassungsrechtlich verankerten rechtlichen Gehörs (Art. 103 Abs. 1 GG). Weitergehende Rechte stehen den Parteien nicht zu; soweit sie auf Verhinderung einer Vorlage(entscheidung) gerichtet wären, müßten sie als systemfremd betrachtet werden. Nichts anderes gilt aber auch fiir ein Initiativrecht, da § 541 Abs. 1 ZPO den Parteien keine weitere Instanz einräumen, sondern lediglich eine im öffentlichen Interesse liegende Rechtsprechungsvereinheitlichung sicherstellen will. Dieser klaren Einordnung der Stellung der Parteien im RE-Verfahren steht auch nicht die Möglichkeit der Verfassungsbeschwerde bei unterlassener Vorlage entgegen. Die bereits dargelegte funktionale Zweiteilung des Verfahrens und die unterschiedlichen Aufgaben der daran beteiligten Gerichte bedeutet konsequenterweise bei Mißachtung einer Vorlagepflicht den Entzug des gesetzlichen Richters (Art. 101 Abs. 1 S.2 GG), sofern das Unterlassen des Landgerichts sich als willkürlich darstellt. Denn die Berufungskammer kommt in diesen Fällen ihrer Aufgabe, den Rechtsstreit unter gleichzeitiger Beachtung des RE-Modells zu entscheiden, nicht nach. Die erfolgreiche Verfassungsbeschwerde fUhrt sodann zur Aufhebung des Berufungsurteils, so daß der Rechtsstreit in ein Verfahrensstadium ZUJÜckversetzt wird, der dem Landgericht ermöglicht, den Rechtsentscheid einzuholen.
m. 1. Mit der Einfiihrung der Divergenzberufung (§ 511a Abs. 2 ZPO) hat der Gesetzgeber im Jahre 1991 auch das RE-Modell erweitert. Auf diese Weise wurde den Beschwerden über eine hinreichend formalisierte Einbindung der Amtsgerichte in die RE-Systematik Rechnung getragen56 . Allerdings wurde weder die unmittelbare Verbindlichkeit der Rechtsentscheide auch fiir die Amtsgerichte eingeführt., noch eine Vorlagepflicht rur die Eingangsinstanz begründet. Das gewachsene RE-Modell wurde insoweit nicht konsequent fortentwicke1t 57 • 2. Indem der Gesetzgeber eine Berufungsmöglichkeit bei Divergenz zwischen amtsgerichtlicher Entscheidung in einer Wohnraummietsache und einem Rechtsentscheid schuf, hat er bewußt die RE-Systematik verlassen und ein
56 57
Kap. 3, Abschn. 11.1. Kap. 3, Abschn. 11.2.
V. Thesenartige Gesamtbetrachtwlg
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Rechtsmittel eigener Art in die ZPO eingefiihrt58 • Dieser konzeptionelle Unterschied zum "klassischen" RE-Modell prägt das Verständnis des § 511a Abs. 2 ZPO und muß bei seiner Auslegung berücksichtigt werden. 3. Die Divergenzberufung hat weit weniger als der Rechtsentscheid die Aufgabe, der Vereinheitlichung und Fortbildung des Wohnraummietrechts zu dienen. Dies verdeutlicht bereits das Fehlen der Rechtsgrundsätzlichkeit als weiterer Berufungsgrund in § 511a Abs. 2 ZPO. Die Norm dient demgegenüber in erster Linie dem Vertrauensschutz der Prozeßbeteiligten, die sich darauf einrichten können, daß die Leitfunktion der RE-Praxis den Ausgang des Rechtsstreit berechenbarer macht. Weicht aber das Amtsgericht in einer nicht berufungsflihigen Wohnraumsache von einem Rechtsentscheid ab, so ist dieses Vertrauen in die Einheitlichkeit der Rechtsanwendung gestört. Da das deutsche Recht eine wunittelbare, absolute Präjudizienbindung nicht kennt, muß konsequenterweise der beschwerten Partei ein Rechtsmittel eröffnet werden, selbst wenn die Berufungssumme nicht erreicht wurde. Diese Funktion erfiillt § 511a Abs. 2 ZPO. 4. Eine Problematik des Divergenzrechtsmittels liegt allerdings darin, daß die Nonn nur unzureichend mit der Bestimmung über das sog. Bagatellverfahren nach § 495a ZPO in Einklang gebracht worden ist59 . Die Verfahrenserleichterungen, die der Gesetzgeber fiir Rechtsstreite bis zu einem Streitwert von 1.200,-- DM geschaffen hat, kollidieren mit der zugleich eingefiihrten Bestimmung über die Divergenzberufung. 5. Indem das Amtsgericht gern. § 495a Abs. 2 ZPO in "Bagatellsachen" auf die Abfassung eines Urteils verzichten kann, droht in Wohnraununietsachen die Gefahr, daß die - vom Berufungsfiihrer darzulegende - Abweichung von einem Rechtsentscheid nicht mehr nachgewiesen werden kann. In diesem Punkte verstößt die Regelung über das Bagatellverfahren gegen die aus Art. 103 Abs. 1 GG abgeleitete Begriindungspflicht fiir gerichtliche Entscheidungen. 6. Der Konflikt zwischen der Verfahrenserleichterung nach § 495a ZPO und dem zusätzlichen Rechtsmittel nach § 511a Abs. 2 ZPO läßt sich auch nicht befriedigend über die sog. Ausnahmeberufung wegen greifbarer Gesetzeswidrigkeit lösen 6O • Insoweit ist der Gesetzgeber aufgerufen, die beiden Verfahrensrechtsnovellen aus dem Jahre 1991 dadurch zu harmonisieren, daß die Regeln über ein erleichtertes Verfahren zumindest hinsichtlich der Vereinfachungen
Kap. 3, Absclm. II, 4./5. Kap. 3, Absclm. lli. 60 Kap. 3, Absclm. IV.
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Kap. 5: Übertragbarkeit des Rechtsentscheids
bei der Urteilsabfassung in Wohnraummietsachen nicht gelten. Dieses Problem scheint allerdings in der bereits aktuell ins Auge gefaßten Novelle der "Bagatellverfahrensnormen" noch nicht gesehen worden zu sein61 . IV. 1. Es besteht eine strukturelle Nähe zwischen dem RE-Verfahren nach § 541 Abs. ZPO und den Vorlagemodellen nach Art. 100 Abs. 1 GG und Art. 177 EGV. Dies kommt u. a. darin zum Ausdruck, daß bei völlig unterschiedlicher materiellrechtlicher Ausgangslage ganz ähnliche Problembereiche diskutiert werden62 . 2. Dies wird an verschiedenen Voraussetzungen fiir die Einleitung bzw. Durchführung des Vorlageverfahrens nach Art. 177 EGV deutlich:
a) Auch im Vorabentscheidungsverfahren nach Art. 177 EGV verzichtet der EuGH inzwischen nicht mehr vollends auf ein "Erheblichkeitskriterium"63. Normativ läßt sich dies - im Gegensatz zu § 541 Abs. 1 ZPO - bereits am Wortlaut des Art. 177 EGV festmachen. Gleichwohl fällt die tatsächliche Erforderlichkeitsprüfung durch den Gerichtshof anders, im wesentlichen großzügiger, aus als im mietrechtlichen Vorlageverfahren. Der Gerichtshof wendet sich im wesentlichen gegen die von ihm so bezeichneten "konstruierten" Vorlagen, während er bei der nach nationalem Verständnis mitunter strenger beurteilten Frage der Erheblichkeit fiir den konkreten Ausgangsrechtsstreit weniger hohe Maßstäbe anlegt. Als besonderes Kennzeichen des gemeinschaftsrechtlichen Vorlageverfahrens muß die vom Gerichtshof stets wiederholte ,,Kooperationsmaxime" angesehen werden, die dahingehend verstanden wird, daß der EuGH soweit als möglich Entscheidungshilfe leisten und die ihm von den nationalen Gerichten vorgelegten Fragen beantworten wilL Erst in der jüngeren Vorabentscheidungspraxis des Gerichtshof ist eine gewisse Trendwende festzustellen, die sich offenkundig auch als Korrektiv zur Bewältigung der Vorlagemenge erweist. Daß der Gerichtshof dabei auch auf andere Kriterien als die "Erforderlichkeit" zurückgreift, ändert sachlich nichts daran, daß aus der ursprünglich äußerst weiten Entscheidungspraxis allmählich eine gewissermaßen selbst-gesteuerte Spruchtätigkeit wird. b) Die Stellung der Parteien ist im Vorabentscheidungsverfahren anders geregelt als im RE-Modell64 • Zwar räumt ihnen auch Art. 177 EGV kein eigenes 61 Kap. 3, Abschn. VI. 62 Kap. 4, Abschn. II./III. 63 Kap. 4, Abschn. 1I.2.c. 64 Kap. 4, Abschn. 1I.2.f.
V. Thesenartige Gesamtbetrachtung
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Initiativrecht für eine Vorlage ein, so daß die Parteien ebenfalls nur eine Vorlage anregen können. Der Gerichtshof ist jedoch der Ansicht, daß die gemeinschaftsrechtliche Regelung zumindest ein Rechtsmittel gegen eine Vorlage zuläßt, sofern dies nach nationalem Recht gegeben ist. Für das deutsche Recht wird die Existenz einer Beschwerdemöglichkeit gegen den Vorlagebeschluß allerdings verneint. Gleiches gilt - zumindest nach herrschender Meinung - für den Aussetzungsbeschluß des Streitgerichts. Dieser Ausschluß stimmt mit der Einstufung auch des Vorabentscheidungsverfahrens als justizinterner Vorgang überein. c) Die Wirkung der Vorabentscheidung nach Art. 177 EGV unterscheidet sich deutlich vom Rechtsentscheid65 . Zwar ist hier ebenfalls das vorlegende Gericht beispielsweise an die Auslegung des Gemeinschaftsrechts durch den Gerichtshof gebunden, eine weitergehende - auch mittelbare - Bindung wird demgegenüber abgelehnt. Sie läßt sich auch nur aus allgemeinen Grundsätzen und Praktikabilitätserwägungen ableiten; der EGV enthält hingegen für eine Präjudizialität keinerlei Anhaltspunkte. d) Hinsichtlich der Verletzung der in Art. 177 EGV angeordneten Vorlagepflicht ergibt sich aus der Natur des gemeinschaftsrechtlichen Vorlageverfahrens, daß zwei unterschiedliche Reaktionsmechanismen eingreifen. Zum einen die Sanktionen nach dem EGV (Art. 169, 171 EGV)66, zum anderen - wie beim Rechtsentscheid - die Verfassungsbeschwerde wegen des Entzugs des gesetzlichen Richters (Art. 101 Abs. 1 S.2 GGr. Der Ineffektivität des Vertragsverletzungsverfahrens nach dem EGV steht inzwischen die Anerkennung des EuGH als gesetzlicher Richter im Sinne des Grundgesetzes, so daß sich in diesem Punkte eine Parallele zur Mißachtung der Vorlagepflicht beim RE-Modell ergibt.
3. Im Gegensatz zur nationalen Regelung der Vorlageverfahren befindet sich
das gemeinschaftsrechtliche in einer umfassenden Reformdiskussion68 , ausgelöst durch die den Gerichtshof überfordernde Vorlagenflut. Von besonderem Interesse sind insoweit die Stimmen, die einen stärkeren Dialog zwischen den beiden Spruchkörpern im Vorabentscheidungsverfahren fordern. Ein weithin informeller Umgang der beiden Gerichte würde manches Verfahren erleichtern.
65 Kap. 4, Abschn. TI.2.h. 66 Kap. 4, Abschn. TI.2.i.aa) 67 Kap. 4, Abschn. TI.2.i.bb) 68 Kap. 4, Abschn. TI.3.
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Kap. 5: Übertragbarkeit des Rechtsentscheids
4. Im Normenkontrollverfahren nach Art. 100 Abs. 1 GG wiederholen sich die aufgezeigten Problempunkte der Vorlagemodelle69 . Weit strenger als in den beiden anderen Verfahren stellt das BVerfG eine Erheblichkeitsprüfung an und fordert entsprechend präzisen Vortrag des Ausgangsgerichts70 • Auf der anderen Seite hat das BVerfG trotz Erledigung des anhängigen Rechtsstreits im Verfahren nach Art. 100 Abs. 1 GG entschieden, wenn ihm dies im besonderen öffentlichen Interesse schien. Die strenge Handhabung dieses Kriterium rechtfertigt sich aus der Subsidiarität der Verfassungsgerichtsbarkeit, darüber hinaus hat es sich aber zu dem entscheidenden Kontrollinstrument zur Regulierung der Vorlagernenge erwiesen. 5. Im übrigen kennt auch das Vorlageverfahren nach Art. 100 Abs. 1 GG keine relevante Beteiligung der Parteien7 !; vielmehr bestimmt § 80 Abs. 3 BVerfGG, daß ihre Nichtigkeitsrüge auf eine etwaige Vorlage durch das Gericht keine Auswirkungen hat. 6. Die Mißachtung der Vorlagepflicht stellt - wie in den anderen Modelleneine Verletzung von Art. 101 Abs. 1 S. 2 GG dar72 • Die an den Erfolg der Verfassungsbeschwerde geknüpften Voraussetzungen entsprechen ebenfalls denen der anderen Verfahren. 7. Gern. § 31 BVerfGG sind die Entscheidungen des BVerfG mit besonderer Bindungswirkung ausgestattee 3 . V.
1. Der Rechtsentscheid begegnet in der bisherigen Form keinen verfassungsrechtlichen Bedenken. Die Regelung in § 541 Abs. 1 ZPO verstößt nicht gegen Art. 97 Abs. 1 GG, da die sachliche Unabhängigkeit des zur Vorlage verpflichteten Richters nicht tangiert wird. Bindungswirkungen höherrangiger Judikate stellen insoweit typische "Funktionsbedingungen" der Gerichtsbarkeit dar, deren Verfassungsmäßigkeit das BVerfG bejaht hae 4 • 2. Die praktische Ausweitung des Rechtsentscheids setzt zunächst eine Klassifikation der in Betracht kommenden Rechtssachen voraus. Dabei wirft ein bereits die nicht berufungsfahigen Rechtssachen betreffendes RE-Modell zu viele Kap. 4, Abschn. m. Kap. 4, Abschn. m.l.c.aa) 7! Kap. 4, Abschn. m.l.d. 72 Kap. 4, Abschn. m.l.e. 73 Kap. 4, Abschn. m.l.f. 74 • BVerfGE 12, 67, 71,31,137, 140.
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praktische Probleme auf, wn daraus ein effektives Instrument der Rechtsvereinheitlichung zu fonnen. Die Rechtsentscheidsfahigkeit sollte weiterhin erst im Berufungsrechtszug einsetzen, freilich durch Eröffnung des Divergenzrechtsmittels ab der Eingangsinstanz. Für die prinzipiell revisionsfahigen Rechtssachen bedarf es keines Rechtsentscheids, solange der Zugang zu den Obergerichten nicht allein eine theoretische Möglichkeit darstellt. 3. Rechtspolitisch erweist sich der Rechtsentscheid als Alternative zur Revision, jedenfalls in solchen Materien, denen der Zugang zur Obergerichtsbarkeit größtenteils verwehrt ist. Allerdings wurde das RE-Modell bislang ausschließlich in solchen Rechtsgebieten eingefuhrt, denen eine besondere soziale Bedeutung zukommt. Erst die jüngsten Pläne des Bundesrats scheinen von dieser Prämisse Abstand zu nelunen. Ein Rechtsgebiet vergleichbarer sozialpolitischer Bedeutung wie das Wohnraurnmietrecht besteht lediglich auf dem Gebiet des Arbeitsrechts, in dem der Gesetzgeber die Rechtsfortbildung durch den dreistufigen Gerichtsaufbau und ein Rechtsmittelsystem gewährleistet sieht. 4. Um den Rechtsentscheid erweitert einzuftihren, wäre daher ein Abschied vom Kriterium der "sozialen Brisanz" fur diese SichersteUung einheitlicher Rechtsanwendung erforderlich. Zugleich bietet sich seine Einführung in erster Linie dort an, wo ein vergleichbarer, in sich geschlossener Regelungskomplex gleicher Rechtsanwendung zugefuhrt werden soll. Daneben ist es aber auch nicht ausgeschlossen, den Rechtsentscheid parallel zum Rechtsmittelzug einzufuhren, sofern die unterschiedlichen Bindungswirkungen durch gesetzliche Anordnung klargestellt würden. 5. Die Einftihrung eines wiederwn erweiterten Rechtsentscheids erforderte dann lediglich eine Ergänzung in § 541 Abs. 1 ZPO, da es sich wn eine Besonderheit der Berufungsinstanz handelt. Zugleich empfiehlt sich auch die entsprechende Anpassung von § 511a Abs. 2 ZPO, wn die Eingangsinstanz - zumindest im mittelbaren Sinne - in den Wirkungsbereich des Vorlagemodells einzubeziehen.
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1 Abweichend vom verlagseigenen Zitiervorschlag wird die Zeitschrift "Wohnungswirtschaft und Mietrecht" als "WuM" zitiert, die Zeitschrift "Wertpapiermitteilungen" hingegen als "WM".
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Sachwortverzeichnis
Analogie 84,201,208,210,222,262,
Divergenzrechtsmittel 227,240 - 244, 248
304
Anfrageverfahren 84, 205 - 208, 222, 364,388
Ausnahmeberufung
227,260 - 264,
374
Aussetzung des Verfahrens 118, 196, 279,347
Bagatellverfahren, s. a. Vereinfachtes 36, amtsgerichtliches Verfahren 225,227,250 - 264, 374, 379, 386
Bagatellverfahren, s. u. Vereinfachtes amtsgerichtliches Verfahren 374 Berufungsverfahren 28, 111, 113 - 116, 127, 129,204,211
Beschwerde 62 - 66, 71, 75 - 83, 93 - 94, 106 - 111, 114 - 129, 126, 127, 114 - 129, 144, 145, 181, 184, 195,211,218,261,295,304 - 309, 325,388,391 Beschwerdewert 106, 232 Bindungswirlrungen 35, 113, 153, 198 - 204, 267, 294 - 299, 377, 378,393 Bundesverfassungsgericht 97,276, 359,380
Divergenz
31,70,72,77,78, 81, 111, 114, 134, 136, 140, 145, 139 - 155, 161, 164, 166, 171, 174 -187,192,196,201,206,217, 221,237,240,241,245,249,256 263,299, 333, 334, 352 - 374, 387 Divergenzberufung 226 - 249 Mindestwert 246
Einheitsmietvertrag 91 Einigungsämter 46 - 90 Ennessen 48, 52, 62, 63, 88, 120 ~lifUoation
55,92
Spruchpraxis 48, 52 Zuständigkeit 56,59,61,64,75,93 Entscheidungserheblichkeit 35, 117, 170, 165 - 194, 216, 266, 279 - 342, 371,389
Erwachsenheitsswnme, s. a. Rechtsmittelswrune 231 - 237 Wertberechnung 233 Freiwillige Gerichtsbarkeit 76, 77, 82, 92,93,94,106,111,140, 141, 144, 145, 169, 190, 195, 207, 208, 212, 333,353,372,383,385
Gerichtsstruktur Gerichtsverfassungsgesetz
93 141,142,
383,385,392
Gesetzeswidrigkeit, greifbare
227
Hannonisierung
31,48,88,99,121, 141, 164, 200, 202, 226, 235, 257, 270,369
Kriegsgesetzgebung Mieterschutz
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39 -61, 78, 86, 91, 94, 95,368,380,381,384,389,392 Mieterschutzgesetz v. 1.6.1923 (MSchG 1923) 57 - 59, 72, 91 - 95, 111,369
Sachwortverzeichnis Mieterschutzgesetz v.15.l2.1942 91 - 95 (MSchG 1942) Mieterschutzverordmmg (MSchVO) v.22.6.1919 50,51,60 v. 23.9.1918 47,48,49,50, 52, 53, 61 v.26.7.l917 47,48 Mietprozeß 35 - 36, 39,41,88, 188, 237,242,264 Mietrechtsanderungsgesetze (MRÄG) 3. MRÄG v. 21.12.l967 38,95,96, 98, 96 - 99, 109, 114, 129, 132, 138, 139, 144, 148, 151, 154, 166, 184,202,218,228,237,238,361, 365,366,369,389,394 Parteien 28,31,33,35,38,63,67, 83 - 86, 111, 112, 131, 157, 158, 171,175 - 208,212,215,216,223, 263,266, 267, 271, 274, 275, 277, 278, 282 - 296, 300, 301, 302 - 310, 311, 313, 316, 317, 318, 320, 326, 327, 328, 333, 334, 345, 346, 347, 368,372,373,375,377 Präjudiz, präjudizielle Wirlamg, s. a BindWlgswirlamgen 180,238, 240,354,384 42,89 Prorogation 115, 189,386 Prozeßzweck Rechtsbeschwerde 62 - 66,69, 72, 74, 75, 82, 83, 93, 107, 116, 119, 133, 145,221 Rechtsentscheid 195 Abänderbarkeit AblehnWlgsbeschluß 119,135,179 Allgemeine GeschäftsbedingWlgen (AGB) 135 Analogiefllhigkeit 84, 262 Anhörung, s.a. StellWlgnahme der der Parteien 212,213 AussetzWlg des Verfahrens 118, 196,279,347
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Berufungsverfahren 28, 111, 114, 115, 116, 127, 129,204, 211 BindWlgswirlrung des negativen Rechtsentscheids 204 DarlegWlgslast 151,244,247,300 Divergenz 31,70,72,77,78,81, 111, 114, 134, 136, 139, 140, 141, 142, 143, 144, 145, 146, 147, 150, 151, 152, 153, 154, 155, 161, 164, 166, 171, 174, 175, 176, 177, 178, 179,185,187,192,333,353,357, 358,371,373,387 EinschätzWlg86, 101, 136, 156, 185, 193,200,208,222,234,248,280, 295,313,328,332,333,346,348 EntscheidWlgserheblichkeit 165-93 Beweisaufnahme 125, 133, 167, 170,171,172,173,215 Prüfungskompetenz 166 - 180 Wld Parteiautonomie 42 Kosten 62, 72, 105,209, 365 negativer 204 ParteistellWlg 209 - 211, 215, 216, 334,337 Prüfungskompetenz/en 166,169, 180,321,338,339,342 33, 85, 149 Publizität Rechts-ffatfrage 37, 38, 65, 69, 76, 78, 111, 113, 115, 123, 125, 126, 129 - 139, 140 - 162, 163 - 188, 191 - 202, 203, 206, 211, 213, 214,217,345,358,362,371,384 ReformüberlegWlgen 327 176 Rückgabe der Vorlage Spruchpraxis des Kammergerichts (1923 - 1945) 74 - 86, 109 StellWlgnahme der Parteien 111, 211-216 StichtagsregelWlg 149, 150 Temporäre GeltWlg 363 Übereinstimmende ErledigWlgserklärWlg 117, 179-193
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Sachwortverzeiclmis
Verfassungsbeschwerde 28,111, 148, 220, 218 - 221, 255, 260, 263, 275, 320, 325 - 327, 336, 346,347,359,373,376,377,392 VorlagebegrUndung 77,151,152, 344 VorlagebeschlußlO7, 138, 151, 154, 166, 167, 169, 170, 173, 175, 176, 181, 182, 194 - 198, 209 - 220, 364,376 Vorlagefrage 78,85,134,152,159, 162, 165 - 181, 193, 211, 224, 361,372 VorlagegrUnde 126, 164, 177,272 Vorlagepflicht des Landgerichts 79, 112, 114, 116, 121, 128, 133, 140, 144, 151, 167, 169, 170, 175, 178, 184, 197, 199, 203, 210, 221, 247,362,373 des Oberlandesgerichts 204 ~chtung 63,217,218,262, 347,371,373,376,377 Refonnüberlegungen 327 Zuständigkeiten, s. a des Landgerichts, des Oberlandesgerichts 93,102,114 Rechtsfortbildung 27 - 37,99, 110, 114, 115, 123, 150, 153, 165, 172, 178, ISO, 188, 189, 1, 192, 193 - 202, 216, 221, 224, 225, 227, 248, 253, 260,266,298, 332, 353 - 61, 363, 367, 371, 378, 383, 384, 386, 388, 390,391 Rechtsgrundsätzlichkeit, 80, 138, 146 - 155, 162, 164, 179, 185,204, 211,360,374 Rechtsgutachten 81,87,192,202 Rechtsmittelsumme, s. u. Erwachsenheitssumme 229 Rechtsmittelzwecke 248 Rechtspflegeentlastung Entwurf eines 2. RpflEntlG 30 - 34, 104 - 108, 274
32,73,99, Gesetz v. 11.1.1993 104 - 108, 223 Rechtspflegevereinfachungsgesetz 98 v.17.12.1990 Rechtsprechungsvereinheitlichung/ -hannonisierung 27, 36, 37, 91, 113, 122, 127, 142, 145, 160, 178, 192, 204,216,234,245,373 Rechtszersplittenmg 50,79, 102, 110, 220,226,242,269,270,349 Reichsmietengesetz (RMG) 52,59,61, 80,91,92 Revision 28, 27 - 30, 63, 72, 113 -115,133,134,140,143,156, 157, 158, 188, 190, 199, 200, 209, 241,260, 277, 296, 299, 327, 333, 359,361,378,381,387,388,394 Richtervorlage 36, 172, 307, 308, 332, 333, 338 - 348 Sachenrechtsbereinigungsgesetz (SachenRBerG) 101 Schuldrechtsänderungsgesetz, s. a Schuldrechtsanpassung 100 - 102,387,391 Schuldrechtsanpassung SchuldRAnpG 32,99,101, 99 -104,107,110,115,351,370 Soziales Mietrecht 96, 98, 202, 218, 389 108, 180, 188, Stellung der Parteien 193,216 149, 150 Stichtagsregelung 231 Streitwertberufung Vereinfachtes amtsgerichtliches Verfahren gern. § 495a ZPO, s. u. Bagatellverfahren 36,225,227, 250 - 262, 374, 379, 386 Verfassungsbeschwerde 28,111,148, 220,218 - 221,228,234,255,260, 263, 275, 320 - 324, 325, 327, 336, 346,347,359,373,376,377,392
Sachwortverzeichnis Vorabentscheidungsverfahren (Art 177 RGV) Vorlagegründe 338 - 341 Vorabentscheidungsverfahren (Art. 177 EGV) 268 - 337 Acte-claire-Doktrin 290 118, Aussetzung des Verfahrens 196,279,347 Begründung der Vorlage 170, 300, 331,343 Bindungswirkungen 35, 113, 153, 198,203,267,297,299,377,378, 393 Kollision 126,264,294,299, 354 Entscheidungserheblichkeit, (Erforderlichkeitsprüfung) 271- 316, 334,337,371,389 Erforderlichkeitsprüfung 280 - 287, 375 Fonn 300 - 301,314,326,331,377 Individualschutz 272,318 Kooperationl-srnaxime 285,290, 331,375 Parteien 223,263,271,274,275, 278,284,300,306,301 - 10,313, 320, 324 - 25, 326 Rechtsbehelfe 275,278,302,307, 308,383 Rechtskraft 267,272,312,313,318, 319,336,348 Rechtsmittel 28, 33, 38, 54, 62, 64, 69, 70, 71, 99, 106, 107, 108, 110, Ill, Il4, Il5, 121, 126, 127, 143, 157,189,202,210,211,218,223, 226,227,230,232,237,241,242, 244,245,248,249,251,256,257, 258, 260, 262 - 264, 275, 278, 300 - 302, 313, 328, 330, 335,
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345, 356, 367 - 371, 374, 376, 382,383,385,386,391 Refonn 351,369,380 311 Verfahrensbeendigung VorlagebegrUndung 77,151, 338 - 345 Vorlageberechtigung 184,238,273, 288,301,338,347 Vorlagefrage 77 - 80,85, 134, 152, 159,162,165,166,167,169,170, 171, 172, 174, 180, 181, 191, 193, 194,196,211,224,280,283,285, 287,291,294,295,300,301,341, 342,361,372 VorlagegrUnde 77-80,126, 140 - 143, 155 - 160, 164, 177, 272,300 - 301,338 - 345 Wirkung der Vorabentscheidung, s.a. Bindungswirlrungen 312,313, 315,376 Vorlagepflicht 35,78,79, 111, 118, 121, 122, 123, 126, 127, 128, 129, 137, 139, 140, 141, 142, 144, 147, 148, 149, 150, 153, 154, 163, 178, 200,201, 202, 204, 205, 217, 218, 221,240,243,245,247,267,275 279,291,292,293, 314 - 318, 320 - 328, 335, 336, 337, 338, 339, 345, 347,353,355 Wohnraumkündigungsschutzgeset:zJe (WKSchG) 97 - 98 Wohnungseigentum-/srecht 106 Wohnungswirtschaft Wohnungsmangelgesetz v. 26.7.1923 59 Zentralgerichte Zentralisierung
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