Rechtliche Grenzen der Kursstabilisierung nach Aktienplatzierungen [1 ed.] 9783428523467, 9783428123469

Stabilisieren Emissionsbanken den Kurs neu platzierter Aktien, nehmen sie gezielt Einfluss auf die Preisentwicklung der

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Rechtliche Grenzen der Kursstabilisierung nach Aktienplatzierungen [1 ed.]
 9783428523467, 9783428123469

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Schriften zum Wirtschaftsrecht Band 203

Rechtliche Grenzen der Kursstabilisierung nach Aktienplatzierungen Von Adrian Bingel

asdfghjk Duncker & Humblot · Berlin

ADRIAN BINGEL

Rechtliche Grenzen der Kursstabilisierung nach Aktienplatzierungen

Schriften zum Wirtschaftsrecht Band 203

Rechtliche Grenzen der Kursstabilisierung nach Aktienplatzierungen Von Adrian Bingel

asdfghjk Duncker & Humblot · Berlin

Die Juristische Fakultät der Universität Tübingen hat diese Arbeit im Jahre 2006 als Dissertation angenommen.

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

D 21 Alle Rechte vorbehalten # 2007 Duncker & Humblot GmbH, Berlin Druck: Berliner Buchdruckerei Union GmbH, Berlin Printed in Germany ISSN 0582-026X ISBN 978-3-428-12346-9 Gedruckt auf alterungsbeständigem (säurefreiem) Papier ∞ entsprechend ISO 9706 *

Internet: http://www.duncker-humblot.de

Meinen Eltern

Vorwort Diese Abhandlung wurde von der Juristischen Fakultät der Eberhard-KarlsUniversität Tübingen im Frühjahr 2006 als Dissertation angenommen. Für die Veröffentlichung konnte der Stand der Literatur und der Rechtsprechung bis Mitte 2006 berücksichtigt werden. Ich bedanke mich herzlichst bei meinem Doktorvater Herrn Professor Dr. Heinz-Dieter Assmann, der mich bei der Auswahl und Bearbeitung des Themas stets unterstützte und mir jede erdenkliche Freiheit bei der Gestaltung der Arbeit ließ. Danken möchte ich auch Herrn Professor Dr. Ulrich Bälz für die so zügige Erstellung des Zweitgutachtens. Dank schulde ich ferner Herrn Professor Dr. Dr. h.c. Franz W. Wagner für die prägende Vermittlung ökonomischer Kenntnisse und Herrn Professor Judge Frank H. Easterbrook für anregende Gespräche über die Kursstabilisierungsregeln in den USA. Ganz besonderer Dank gebührt meiner Verlobten für ihren stets wertvollen Rat, für ihre Geduld und ihr Verständnis während der Erstellung dieser Arbeit. Widmen möchte ich die Arbeit meinen Eltern, die mich während meiner gesamten Ausbildung in jeder Hinsicht unterstützt und gefördert haben. Stuttgart, im November 2006

Adrian Bingel

Inhaltsübersicht

A. Einleitung ...................................................................................................................21 I.

Problemstellung und historische Entwicklung ....................................................21

II. Begriff der Kursstabilisierung ............................................................................22 III. Untersuchungsgegenstand und Fortgang der Arbeit ...........................................24 1. Eingrenzung des Untersuchungsgegenstandes................................................24 2. Fortgang der Arbeit.........................................................................................25 B. Die emissionsbegleitenden Tätigkeiten der Beteiligten .........................................27 I.

Die beteiligten Parteien: Emittent und Emissionskonsortium .............................27 1. Der Emittent ...................................................................................................27 2. Das Emissionskonsortium...............................................................................29 3. Einzelne vertragliche Abreden zwischen den Beteiligten ...............................31

II. Preisfindung vor der Emission............................................................................33 III. Durchführung der Kursstabilisierung nach der Platzierung ................................35 1. „Pure Stabilization“ ........................................................................................36 2. „Aftermarket Short Covering“........................................................................36 3. Vertragliche Abreden zur Beschränkungen der Aktienveräußerungsmöglichkeit .....................................................................40 IV. Verpflichtung des Konsortialführers...................................................................43 1. Verpflichtung..................................................................................................43 2. Vergütung als Gegenleistung..........................................................................46

10

Inhaltsübersicht

C. Das Stabilisierungsgeschäft aus ökonomischer Sicht ............................................48 I. Typische Preisentwicklung im Anschluss an eine Emission ................................48 1. „Underpricing“ ...............................................................................................48 2. „Flipping“ .......................................................................................................53 3. „Overpricing“ .................................................................................................53 4. Liquiditätsengpass ..........................................................................................54 5. Fazit ................................................................................................................54 II. Wirkungsweise der Kurspflege............................................................................55 1. Kursbeeinflussung durch Stabilisierungskäufe ...............................................55 2. Kursstützung durch Veräußerungsbeschränkungen ........................................62 III. Ökonomische Bewertung ....................................................................................64 1. Kurspflege als Manipulation des Börsenpreises .............................................64 2. Möglichkeit einer wirtschaftlichen Rechtfertigung.........................................70 3. Gezielte Beseitigung emissionstypischer Schwankungen? .............................79 4. Langfristige Auswirkungen bei empirischer Betrachtung...............................88 IV. Zusammenfassende Bewertung..........................................................................89 D. Rechtliche Behandlung der Kursstabilisierung in den USA .................................92 I.

Überblick über das US-amerikanische Regelungssystem ...................................92

II. Historische Entwicklung der regulierenden Vorschriften ...................................95 III. Derzeitige Regulierung der Kurspflege durch Regulation M..............................95 1. Allgemeines ....................................................................................................95 2. Platzierungsform.............................................................................................96 3. Der Stabilisierungspreis ..................................................................................97 4. Mitteilungspflichten im Zusammenhang mit einer Stabilisierungsmaßnah me .............................................................................100 5. Stabilisierung außerhalb der Vereinigten Staaten .........................................102 6. Rückkauf durch den Emittenten....................................................................102

Inhaltsübersicht

11

IV. Diskussion der von der SEC geplanten Änderungen ........................................103 1. Erhöhte Offenlegungsanforderungen für „Short Covering“..........................103 2. Verbot der „Penalty Bids“ ............................................................................106 V. Denkbarer Verstoß gegen Section 10(b) des SEA ............................................107 E. Rechtliche Grenzen der Kursstabilisierung in Deutschland ..............................110 I. Das Aktiengesetz ................................................................................................110 1. Zulässigkeit von Stabilisierungskäufen......................................................... 110 2. Aktienrechtliche Beurteilung von „Lock-up“-Vereinbarungen ....................125 II. Das Wertpapierhandelsgesetz .............................................................................131 1. Verbot der Marktmanipulation nach § 20a WpHG .......................................131 2. Verbot von Insidergeschäften nach § 14 WpHG ..........................................198 3. Interessenkonflikte nach § 31 I Nr. 2 WpHG ...............................................217 4. Ad-hoc Publizität nach § 15 WpHG .............................................................223 F. Zusammenfassung der Ergebnisse ........................................................................232 I.

Die emissionsbegleitenden Tätigkeiten der Beteiligten ....................................232

II. Das Stabilisierungsgeschäft aus ökonomischer Sicht .......................................233 III. Die rechtliche Behandlung der Kursstabilisierung in den USA ........................234 IV. Die rechtlichen Grenzen der Kursstabilisierung in Deutschland.......................235 Literaturverzeichnis ...................................................................................................238 Sachwortverzeichnis ...................................................................................................252

Inhaltsverzeichnis A. Einleitung .............................................................................................................21 I.

Problemstellung und historische Entwicklung....................................................21

II. Begriff der Kursstabilisierung ............................................................................22 III. Untersuchungsgegenstand und Fortgang der Arbeit ...........................................24 1. Eingrenzung des Untersuchungsgegenstandes................................................24 2. Fortgang der Arbeit.........................................................................................25 B. Die emissionsbegleitenden Tätigkeiten der Beteiligten .........................................27 I.

Die beteiligten Parteien: Emittent und Emissionskonsortium.............................27 1. Der Emittent ...................................................................................................27 2. Das Emissionskonsortium...............................................................................29 3. Einzelne vertragliche Abreden zwischen den Beteiligten ...............................31 a) Verteilung des Platzierungsrisikos..............................................................31 b) Vergütung der Banken................................................................................32

II. Preisfindung vor der Emission............................................................................33 III. Durchführung der Kursstabilisierung nach der Platzierung ................................35 1. „Pure Stabilization“ ........................................................................................36 2. „Aftermarket Short Covering“........................................................................36 a) Mehrzuteilung.............................................................................................36 b) Greenshoe-Option ......................................................................................37 3. Vertragliche Abreden zur Beschränkungen der Aktienveräußerungsmöglichkeit .....................................................................40 a) „Lock-up“-Vereinbarungen ........................................................................40 b) „Penalty Bids” ............................................................................................42

14

Inhaltsverzeichnis IV. Verpflichtung des Konsortialführers ..................................................................43 1. Verpflichtung..................................................................................................43 2. Vergütung als Gegenleistung..........................................................................46

C. Das Stabilisierungsgeschäft aus ökonomischer Sicht ............................................48 I.

Typische Preisentwicklung im Anschluss an eine Emission...............................48 1. „Underpricing“ ...............................................................................................48 a) Reputationsgedanke....................................................................................49 b) Risikoaversion der Anleger ........................................................................50 c) Entschädigung der vergleichsweise schlecht informierten Anleger............50 d) Entschädigung der vergleichsweise gut informierten Anleger ...................51 2. „Flipping“ .......................................................................................................53 3. „Overpricing“ .................................................................................................53 4. Liquiditätsengpass ..........................................................................................54 5. Fazit ................................................................................................................54

II. Wirkungsweise der Kurspflege...........................................................................55 1. Kursbeeinflussung durch Stabilisierungskäufe ...............................................55 a) „Price Pressure Hypothesis“ .......................................................................55 b) „Substitution Hypothesis“ und Informationseffekt.....................................56 (1) „Substitution Hypothesis“....................................................................56 (2) Informationseffekt ...............................................................................57 (3) Bedeutung für das Stabilisierungsgeschäft ..........................................59 c) „Liquidity Hypothesis“...............................................................................60 d) Schlussfolgerung ........................................................................................62 2. Kursstützung durch Veräußerungsbeschränkungen ........................................62 a) Vermeidung negativer Signale....................................................................62 b) Schaffung positiver Signale........................................................................63 III. Ökonomische Bewertung....................................................................................64 1. Kurspflege als Manipulation des Börsenpreises .............................................64 a) Wirtschaftliche Bedeutung der Informationseffizienz ................................64 b) Manipulation als Störung der Informationseffizienz ..................................66

Inhaltsverzeichnis

15

c) Stabilisierungskäufe als Manipulation ........................................................67 d) Vertragliche Veräußerungsverbote mit Manipulationspotential .................69 2. Möglichkeit einer wirtschaftlichen Rechtfertigung.........................................70 a) Herstellung eines ordnungsgemäßen Handels ............................................71 b) Wirtschaftliche Erleichterung der Aktienplatzierung .................................72 c) Effizienz des Kapitalmarkts........................................................................73 (1) Allokationseffizienz und Informationseffizienz...................................73 (2) Operationale Effizienz .........................................................................74 (a)

„Underpricing“ als Entschädigung der vergleichsweise schlecht informierten Anleger.....................................................74

(b)

„Underpricing“ als Entschädigung der vergleichsweise gut informierten Anleger............................................................75

(c)

Stabilisierungsversprechen als Indiz für eine zutreffende Festsetzung des Emissionspreises ...............................................76

(3) Institutionelle Effizienz........................................................................77 3. Gezielte Beseitigung emissionstypischer Schwankungen? .............................79 a) Besondere Notwendigkeit der Stabilisierung im Anschluss an eine Emission .........................................................................................79 b) Die Identifizierung beseitigungswürdiger Schwankungen .........................80 (1) Stabilisierungskäufe.............................................................................81 (a)

Vorheriges „Overpricing“ ...........................................................81

(b)

Vorheriges „Underpricing“ und das sich anschließende „Flipping“ ...................................................................................81

(c)

Liquiditätsengpass.......................................................................83

(2) Veräußerungsbeschränkungen .............................................................83 c) Die wirtschaftlichen Interessen der beteiligten Parteien .............................84 (1) Emittent ...............................................................................................84 (2) Emissionskonsortium...........................................................................85 (a)

Spekulationsgeschäfte.................................................................85

(b)

Reputationsgedanke ....................................................................86

(c)

Provisionszahlungen ...................................................................86

(d)

Fazit ............................................................................................87

16

Inhaltsverzeichnis 4. Langfristige Auswirkungen bei empirischer Betrachtung...............................88 IV. Zusammenfassende Bewertung..........................................................................89

D. Rechtliche Behandlung der Kursstabilisierung in den USA .................................92 I.

Überblick über das US-amerikanische Regelungssystem ...................................92

II. Historische Entwicklung der regulierenden Vorschriften ...................................95 III. Derzeitige Regulierung der Kurspflege durch Regulation M..............................95 1. Allgemeines ...................................................................................................95 2. Platzierungsform............................................................................................96 3. Der Stabilisierungspreis.................................................................................97 4. Mitteilungspflichten im Zusammenhang mit einer Stabilisierungsmaßnahme .............................................................................100 a) Die der Stabilisierung zeitlich gleichlaufende Offenlegung .....................100 b) Vorherige Veröffentlichung im Emissionsprospekt..................................101 c) Aufzeichnungspflicht nach Durchführung der Maßnahmen .....................101 5. Stabilisierung außerhalb der Vereinigten Staaten .........................................102 6. Rückkauf durch den Emittenten....................................................................102 IV. Diskussion der von der SEC geplanten Änderungen.........................................103 1. Erhöhte Offenlegungsanforderungen für „Short Covering“..........................103 2. Verbot der „Penalty Bids“ ............................................................................106 V. Denkbarer Verstoß gegen Section 10(b) des SEA .............................................107 E. Rechtliche Grenzen der Kursstabilisierung in Deutschland ..............................110 I. Das Aktiengesetz ...............................................................................................110 1. Zulässigkeit von Stabilisierungskäufen.........................................................110 a) Erwerb eigener Aktien nach §§ 71 f. AktG...............................................110 (1) Ausnahmetatbestände in § 71 I AktG ................................................111 (a)

Abwendung eines schweren, unmittelbar bevorstehenden Schadens i.S.v. § 71 I Nr. 1 AktG ............................................111 (aa)

Schaden der Gesellschaft ..............................................111

Inhaltsverzeichnis (bb) (b)

17

Unmittelbar bevorstehender Schaden ............................ 113

Ermächtigung durch die Hauptversammlung i.S.v. § 71 I 1 Nr. 8 AktG ...................................................................114

(2) Umgehungsgeschäfte nach § 71a bzw. § 71d AktG...........................116 (3) Ergebnis .............................................................................................118 b) Einlagenrückgewähr nach § 57 AktG .......................................................119 c) Unangemessen niedriger Ausgabepreis i.S.v. § 255 II AktG....................120 (1) Problemstellung .................................................................................120 (2) Auffassung des Kammergerichts .......................................................121 (3) Kritik..................................................................................................122 (a)

Rechtmäßigkeit des Bezugsrechtsausschlusses .........................122

(b)

Kapitalerhöhung i.S.d. § 186 III 4 AktG...................................123

(c)

Kein Verstoß gegen § 255 II AktG ...........................................124

2. Aktienrechtliche Beurteilung von „Lock-up“-Vereinbarungen ....................125 a) Zulässigkeit von „Lock-up“-Vereinbarungen ...........................................125 (1) Grundsätzliche Bedenken ..................................................................125 (2) Sonderfall: Kursstabilisierung nach Aktienplatzierungen ..................127 b) Verpflichtung zu „Lock-up“-Vereinbarungen ..........................................129 II. Das Wertpapierhandelsgesetz ............................................................................131 1. Verbot der Marktmanipulation nach § 20a WpHG .......................................131 a) Schutzzweck des § 20a WpHG.................................................................132 b) Die Verfassungsmäßigkeit von § 20a WpHG...........................................133 c) Kursstabilisierung als Marktmanipulation i.S.d. § 20a WpHG.................138 (1) Die „sonstige Täuschungshandlung“ nach § 20a I 1 Nr. 2 a.F. ..........139 (a)

Historische Entwicklung des Tatbestandes ...............................139

(b)

Das Kaufmotiv als Täuschungsgegenstand ...............................140

(c)

Der Erklärungswert einer Stabilisierungsmaßnahme ................141

(2) Die „sonstige Täuschungshandlung“ nach § 20a I 1 Nr. 3 n.F...........144 (a)

Stabilisierungskäufe ..................................................................144 (aa)

Berücksichtigung der Missbrauchsrichtlinie ................. 144

(bb)

Berücksichtigung des § 4 MaKonV .............................. 145

18

Inhaltsverzeichnis (b)

„Lock-up“-Vereinbarungen.......................................................147

(3) Herbeiführung eines künstlichen Preisniveaus nach § 20a I 1 Nr. 2 Alt. 2..........................................................................147 (a)

Konkretisierung in § 3 MaKonV...............................................148

(b)

Feststellung eines künstlichen Preisniveaus..............................149

(c)

Geeignetheit der Kurspflege zur Herbeiführung eines künstlichen Preisniveaus ...........................................................151 (aa)

Stabilisierungskäufe ...................................................... 151

(bb)

Veräußerungsbeschränkungen ...................................... 152

(4) Falsche oder irreführende Signale nach § 20a I 1 Nr. 2 Alt. 1 ..........153 (5) Verschweigen bewertungserheblicher Umstände nach § 20a I 1 Nr. 1....................................................................................155 (a)

Stabilisierungskäufe ..................................................................156

(b)

„Lock-up“-Vereinbarungen.......................................................157

(6) Zusammenfassung .............................................................................157 d) § 20 a III WpHG und die EG-Verordnung Nr. 2273/2003 .......................158 (1) Überblick über den Regelungskomplex .............................................159 (2) Die VO 2273/2003 als Safe Harbor ...................................................160 (3) Zulässige Maßnahmen nach VO 2273/2003 ......................................162 (a)

Ausgangspunkt: Die Definition der Stabilisierung....................162

(b)

„Signifikantes Zeichnungsangebot“ ..........................................163 (aa)

Privatplatzierungen ....................................................... 163

(bb)

Sekundärplatzierungen .................................................. 166

(c)

„Verbundene Instrumente“........................................................166

(d)

„Verkaufsdruck“ .......................................................................168

(e)

Stabilisierungsmanager .............................................................169 (aa)

Keine ausdrückliche Erwähnung in der Verordnung..... 169

(bb)

Beschränkung auf Emissionsbanken ............................. 170

(cc)

Ausweitung auf ausländische Institute .......................... 171

(dd)

Vorherige Benennung ................................................... 172

(ee)

Tragweite der unterschiedlichen Regelung in KuMaKV und VO 2273/2003 ........................................................ 172

Inhaltsverzeichnis (f)

(g)

19

Stabilisierungszeitraum.............................................................173 (aa)

Die zeitlichen Grenzen .................................................. 173

(bb)

Stabilisierung während des Bookbuilding-Verfahrens .. 175

Stabilisierungstransparenz ........................................................178 (aa)

Vorherige Bekanntgabe ................................................. 179

(bb)

Keine zeitlich gleichlaufende Offenlegung ................... 181

(cc)

Anschließende Bekanntgabe gegenüber der BaFin ....... 182

(dd)

Anschließende Bekanntgabe gegenüber der Öffentlichkeit ................................................................ 183

(h)

Stabilisierungspreis ...................................................................184

(i)

Ergänzende Maßnahmen: Mehrzuteilung und Greenshoe.........186

(j)

(aa)

Bekanntgabepflicht und Ausübungszeitraum ................ 187

(bb)

Mehrzuteilung ohne Deckung durch Greenshoe ........... 189

(cc)

„Refreshing the Shoe“ ................................................... 190

Im Ausland getätigte Stabilisierungsmaßnahmen .....................193

e) Nichterfüllung einzelner Voraussetzungen der VO 2273/2003 ................194 f) Zulässige Marktpraxis nach § 20a II WpHG.............................................197 2. Verbot von Insidergeschäften nach § 14 WpHG ..........................................198 a) Per-Se-Verbot für Stabilisierungsmaßnahmen..........................................199 (1) Hinweise in der Normgebung ............................................................199 (2) Insiderinformation .............................................................................201 (a)

Nicht öffentlich bekannter Umstand .........................................201

(b)

Potential zur Preisbeeinflussung ...............................................202

(c)

Stabilisierungsvorhaben als unternehmensinterne Entscheidung.............................................................................203 (aa)

Streitstand vor Inkrafttreten des AnSVG ...................... 203

(bb)

Scalping-Entscheidung des BGH ..................................204

(cc)

Die Insiderinformation nach § 14 I Nr. 1 WpHG n.F.... 205

(3) Verwenden einer Insiderinformation .................................................208 (a)

„Ausnutzen“ nach § 14 I Nr. 1 WpHG a.F................................209

(b)

„Verwenden“ nach § 14 I Nr. 1 WpHG n.F. .............................210

(4) Zwischenergebnis ..............................................................................213

20

Inhaltsverzeichnis b) Hinzutreten weiterer Umstände ................................................................213 c) Sonderfall: Stabilisierung gegen den Markttrend......................................214 3. Interessenkonflikte nach § 31 I Nr. 2 WpHG ...............................................217 a) Potentielle Interessenkonflikte..................................................................217 b) Vermeidung der Interessenkonflikte.........................................................219 c) Aufklärung der Kunden ............................................................................221 4. Ad-hoc Publizität nach § 15 WpHG .............................................................223 a) Safe Harbor der VO 2273/2003 ................................................................223 b) Publizitätspflicht nach § 15 I 1 WpHG.....................................................225 (1) Einzelne Kursstabilisierungsmaßnahmen ..........................................225 (a)

Tatbestandsänderungen durch das AnSVG ...............................225

(b)

Kriterium der Unmittelbarkeit...................................................227

(2) Vereinbarungen im Übernahmevertrag..............................................229 (3) „Lock-up“-Vereinbarungen ...............................................................231 F. Zusammenfassung der Ergebnisse ........................................................................232 I.

Die emissionsbegleitenden Tätigkeiten der Beteiligten ....................................232

II. Das Stabilisierungsgeschäft aus ökonomischer Sicht .......................................233 III. Die rechtliche Behandlung der Kursstabilisierung in den USA........................234 IV. Die rechtlichen Grenzen der Kursstabilisierung in Deutschland.......................235 Literaturverzeichnis ....................................................................................................238 Sachwortverzeichnis ....................................................................................................252

A. Einleitung I. Problemstellung und historische Entwicklung Nach der Ausgabe neuer Wertpapiere haben Emittent und Emissionsbanken Interesse an einer möglichst stabilen Kursentwicklung. Eine solche ist aufgrund der mit einer Emission verbundenen Bewertungsunsicherheiten keine Selbstverständlichkeit. Aus diesem Grunde versuchen die Emissionsbanken den Kurs zu stabilisieren, indem sie, insbesondere durch An- und Verkäufe, gezielten Einfluss auf die Preisbildung nehmen. Aus Sicht des Emittenten erhöht das die Wahrscheinlichkeit einer erfolgreichen Platzierung. Aus Sicht der die Wertpapiere zeichnenden Anleger verringert es die Gefahr stark sinkender Kurse nach der Emission. Auch die Banken selbst haben ein wirtschaftliches Interesse an der Stabilisierungstätigkeit. Die Interessen der Beteiligten scheinen mithin auf den ersten Blick gleichlaufend. Andererseits muss ein effizienter Kapitalmarkt frei sein von einer „künstlichen“ Beeinflussung der Kursentwicklung. Idealerweise spiegelt der Kurs einer Aktie exakt den auf sie entfallenden anteiligen Wert des Unternehmens wieder. Das funktioniert, solange Angebot und Nachfrage Ausdruck der Wertschätzung der Anleger sind. Der Aktienkauf durch Emissionsbanken hingegen, dessen Zweck die Kurssteigerung selbst ist, könnte diesen Mechanismus stören. Werden Anleger, insbesondere diejenigen, die das Papier zu einem durch Stabilisierung künstlich angehobenen Preis erwerben, über die wahre Vermögenslage des Unternehmens getäuscht, kann die Stabilisierungstätigkeit als Manipulation angesehen werden. Der Grat zwischen einer die Aktienplatzierung lediglich erleichternden Kurspflege und einer unerwünschten manipulativen Einflussnahme ist schmal. Diese Arbeit will die bedeutendsten Problemfelder untersuchen und zu ihrer Lösung beitragen. Im Hinblick auf die Strafbarkeit des Börsenbetrugs nach § 88 BörsG a.F. hat die Kurspflege in den letzten Jahrzehnten in der Literatur gelegentliche Erwähnung gefunden, zu einer detaillierten Auseinandersetzung kam es dabei jedoch kaum. Insbesondere hatte der deutsche Gesetzgeber die sich um die Kursstabilisierung rankenden rechtlichen Probleme bis vor wenigen Jahren nicht ausdrücklich geregelt. In starkem Kontrast dazu stand die rechtliche Behandlung im US-amerikanischen Kapitalmarktrecht. Ausgehend von einem grundlegen-

22

A. Einleitung

den und auch heute noch lesenswerten Erlass der Wertpapierbehörde SEC aus dem Jahre 19401, unterliegen Stabilisierungsmaßnahmen in den Vereinigten Staaten bereits seit einem halben Jahrhundert expliziten Regelungen. In Deutschland hat die Diskussion um die Zulässigkeit der Kursstabilisierung erst mit der Einführung des § 20a WpHG durch das Vierte Finanzmarktförderungsgesetz an Schwung gewonnen2. § 20a I WpHG hat im Zuge des Anlegerschutzverbesserungsgesetzes (AnSVG) im Oktober 2004 gewisse Änderungen erfahren und wird mittlerweile – nach der Aufhebung der Verordnung zur Konkretisierung des Verbots der Kurs- und Marktpreismanipulation (KuMaKV)3 – durch die Safe Harbor Regelungen einer Verordnung der Europäischen Kommission (VO 2273/2003)4 flankiert. Die letztgenannte Verordnung stellt explizit für die Kursstabilisierung Vorschriften zur Verfügung, die beschreiben, unter welchen Umständen die Kurspflege weder einen Verstoß gegen das Manipulationsverbot des § 20a WpHG noch gegen das Insiderhandelsverbot des § 14 WpHG darstellen soll. Trotz der nunmehr ausdrücklichen Regelung sind einige grundlegende Fragen offen geblieben, andere – vor allem in den Randbereichen der VO 2273/2003 – stellen sich neu.

II. Begriff der Kursstabilisierung Der Begriff der Kursstabilisierung erfasst verschiedene Formen der Einflussnahme auf den Preis von Wertpapieren zum Ausgleich kurzfristiger Marktschwankungen5, die ihren Grund nicht in der aktuellen Geschäftslage des Emittenten oder der allgemeinen Marktentwicklung finden6. Idealerweise versucht der Stabilisierende also die Schwankungen auszugleichen, die typischerweise mit einer Aktienplatzierung verbunden sind7. Nach Art. 2 Nr. 7 der VO

_________ 1

SEC Release No. 34-2446 (1940). Vgl. beispielsweise zur Kurspflege im Allgemeinen, unter Beachtung der Rechtslage vor dem Inkrafttreten des AnSVG, die Arbeit von Meißner, Stabilisierung und Pflege von Aktienkursen. 3 Endgültiges Außerkraftreten der gesamten KuMaKV durch § 11 der Verordnung zur Konkretisierung des Verbotes der Marktmanipulation (MaKonV). Wann genau die Stabilisierungsregeln in Teil 3 der KuMaKV unanwendbar wurden, ist streitig, vgl. nur Streinz/Ohler, WM 2004, 1309, 1314 und später noch Fußnote 284. 4 „Verordnung zur Durchführung der Richtlinie 2003/6/EG des Europäischen Parlaments und des Rates – Ausnahmeregelungen für Rückkaufprogramme udn Kursstabilisierungsmaßnahmen“. 5 Fleischer, ZIP 2003, 2045 m.w.N. 6 Schwark, Kapitalmarktrechts-Kommentar, § 20a Rn. 36; Hess/Krämer in FS Döser, S. 171, 177; Leppert/Stürwald, ZBB 2004, 302, 309; Ekkenga, WM 2002, 317 m.w.N. 7 Im Folgenden: „Emissionstypische Schwankungen“. 2

II. Begriff der Kursstabilisierung

23

2273/2003 ist die Kursstabilisierung im Sinne der Verordnung „jeder Kauf bzw. jedes Angebot zum Kauf relevanter Wertpapiere und jede Transaktion mit vergleichbaren verbundenen Instrumenten, die Wertpapierhäuser oder Kreditinstitute im Rahmen eines signifikanten Zeichnungsangebots für diese Wertpapiere mit dem alleinigen Ziel tätigen, den Marktkurs dieser relevanten Wertpapiere für einen im Voraus bestimmten Zeitraum zu stützen, wenn auf diese Wertpapiere Verkaufsdruck besteht“. Ein „signifikantes Zeichnungsangebot“ ist „eine öffentlich angekündigte Erst- oder Zweitplatzierung relevanter Wertpapiere, die sich sowohl hinsichtlich des Werts der angebotenen Wertpapiere als auch hinsichtlich der Verkaufsmethoden vom üblichen Handel unterscheidet“ (Art. 2 Nr. 9 VO 2273/2003). Die Verordnung erfasst folglich nur Stabilisierungsmaßnahmen nach einer Aktienplatzierung und nur solche in Form von Kapitalmarkttransaktionen, insbesondere Stabilisierungskäufen. Die Kursstabilisierung durch Aktienkäufe soll aufgrund ihrer hervorgehobenen Bedeutung auch im Zentrum der vorliegenden Arbeit stehen. Gleichwohl werden insbesondere mit der Darstellung von „Lock-up“-Vereinbarungen auch andere Maßnahmen Erwähnung finden. Die mit der Stabilisierung verbundenen Tätigkeiten sind in der juristischen Literatur ursprünglich vorwiegend unter dem Begriff „Kurspflege“ diskutiert worden8. International hat sich jedoch der aus dem common law-Rechtskreis stammende Begriff „Kursstabilisierung“ (stabilization9) eingebürgert10, der mittlerweile durch die KuMaKV und vor allem die VO 2273/2003 übernommen wurde. Deshalb soll auch in dieser Arbeit vornehmlich von „Kursstabilisierung“ gesprochen werden, der Begriff der „Kurspflege“ wird jedoch synonym verwendet11. In der Literatur ist teilweise auch von Marktpflege12, Kursstützung13, Kursdoping14 die Rede, wobei die Begriffe in dieser Reihenfolge teilweise den Übergang hin zu einer unzulässigen Beeinflussung, d.h. hin zur Manipulation veranschaulichen.

_________ 8

Vgl. nur Groß in GS Bosch, S. 49 mit zahlreichen Nachweisen. So die US-amerikanische Regulation M. 10 So auch Feuring in Habersack/Mülbert/Schlitt, § 27 Rz. 1. 11 Anders Meißner, Stabilisierung und Pflege von Aktienkursen, S. 27. 12 Meißner, Stabilisierung und Pflege von Aktienkursen, S. 27 m.w.N. 13 Schäfer, WM 1999, 1345 beschreibt die Kursstützung als eine Maßnahme, die im Gegensatz zur Kurspflege einen Kursrückgang entgegen der Markttendenz abzuschwächen sucht. In der vorliegenden Arbeit soll die Verwendung des Begriffes aber nicht auf diese Bedeutung reduziert werden. Der Übergang zwischen den einzelnen Formen ist ohnehin fließend. Sind Maßnahmen entgegen der Marttendenz gemeint, findet das ausdrückliche Erwähnung. 14 Fleischer, ZIP 2003, 2045; Vogel, WM 2003, 2437; Ekkenga, WM 2002, 317; Lutter/Gehling, WuB II A. § 71a AktG 1.92, S. 952 ff. 9

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A. Einleitung

III. Untersuchungsgegenstand und Fortgang der Arbeit 1. Eingrenzung des Untersuchungsgegenstandes Die vorliegende Arbeit untersucht die rechtlichen Grenzen der Kursstabilisierung nach Aktienplatzierungen. Im Zentrum sollen die Maßnahmen nach einem erstmaligen öffentlichen Angebot von Wertpapieren stehen (IPO); denn dort besteht der größte Bedarf an Kursstabilisierung. Aber auch Privatund/oder Sekundärplatzierungen sollen von der vorliegenden Untersuchung erfasst werden und werden – wo eine Differenzierung geboten ist – separate Erwähnung finden. Die besondere Notwendigkeit der Stabilisierung ergibt sich aus der Bewertungsunsicherheit nach einer Emission und aus den Fragen, in welchem Umfang und zu welchen Preisen der Markt zur Aufnahme solcher (neuer) Wertpapiere bereit und in der Lage ist. Für die rechtliche und ökonomische Beurteilung ist es unumgänglich, den typischen Ablauf einer Platzierung, insbesondere einer Erstemission, zu berücksichtigen. Deshalb soll in der Folge zunächst ein knapper Überblick über die relevanten rechtstatsächlichen Umstände bei einer Aktienemission gegeben werden, bevor eine zunächst wirtschaftliche, dann aber vor allem juristische Untersuchung folgen kann. Aus den wirtschaftlichen Besonderheiten im Aftermarket15 hat sich für diese Arbeit eine Begrenzung auf Stabilisierungsbemühungen gerade nach Platzierungen ergeben. Denn weder die rechtstatsächlichen Beschreibungen noch die sich anschließenden ökonomischen Betrachtungen können auf eine aus anderen Gründen notwendige Stabilisierung, die nicht im Zusammenhang mit einer Aktienplatzierung steht, vernünftigerweise übertragen werden. Wie an späterer Stelle noch eingehender zu sehen sein wird, wird das Stabilisierungsgeschäft nach Aktienemissionen (fast) ausschließlich von Teilnehmern des Emissionskonsortiums vorgenommen. Insbesondere die damit einhergehenden Stabilisierungskäufe werden zumeist nach einer zuvor erfolgten Mehrzuteilung durch den Konsortialführer getätigt, nicht durch den Emittenten selbst16. Deshalb sollen diejenigen Vorschriften im Mittelpunkt der nachfolgenden Untersuchung stehen, die die Grenzen für das so erfolgende Geschäft des Emissionskonsortiums festlegen. Der für den Rückkauf durch den Emitten-

_________ 15

Aftermarket bezeichnet den Sekundärmarkt im unmittelbaren Anschluss an eine Emission. 16 Ausnahme sind da teilweise die sog. „Lock-up“-Vereinbarungen. Dazu unter anderem noch Abschnitt B.III.3.a).

III. Untersuchungsgegenstand und Fortgang der Arbeit

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ten relevante § 71 AktG findet zwar ebenfalls Berücksichtigung, steht jedoch nicht im Mittelpunkt der Untersuchung17. Aus entsprechenden Gründen werden gezielte Kursstützungsmaßnahmen im zeitlichen Zusammenhang mit Unternehmensübernahmen ausgeschlossen. Auch hier ergeben sich zum Teil ganz andere und in sich unterschiedliche wirtschaftliche Überlegungen, die separater Beurteilung bedürfen. 2. Fortgang der Arbeit In Abschnitt B dieser Arbeit sollen zunächst die emissionsbegleitenden Tätigkeiten der beteiligten Parteien dargestellt werden. Knappe Berücksichtigung werden dabei auch die typischen vertraglichen Vereinbarungen zwischen dem Emittenten und dem Emissionskonsortium finden. Der Erläuterung, wie der Emissionspreis bei den meisten der heute stattfindenden Emissionen festgelegt wird, schließt sich ein Abschnitt (B.III) an, der die rechtstatsächliche Durchführung der für diese Arbeit relevanten Stabilisierungsmaßnahmen kurz darstellt. Abschließend soll der Frage nachgegangen werden, ob sich aus den besagten vertraglichen Abreden zwischen Emittent und Konsortium sogar eine (konkludente) Verpflichtung zur Stabilisierung ergibt. Abschnitt C dieser Arbeit widmet sich dem ökonomischen Hintergrund der Kursstabilisierung. Zunächst werden die typischen Preisentwicklungen im Anschluss an eine Aktienplatzierung beschrieben, insbesondere diejenigen nach einem erstmaligen öffentlichen Angebot. Hier treten typische Phänomene auf, die die Notwendigkeit der Durchführung einer Kurspflege plausibel erscheinen lassen könnten. Anschließend soll erörtert werden, auf welche Weise Stabilisierungsmaßnahmen den Kurs einer Aktie zu beeinflussen vermögen. Im Hauptteil des Abschnitts wird eine wertende Beurteilung der Kursstabilisierung aus ökonomischer Sicht vorgenommen (Abschnitt C.III). Am Anfang steht die Feststellung, dass eine wirkungsvoll durchgeführte Kursstabilisierung den Aktienkurs „künstlich“ beeinflusst und daher in diesem Sinne manipulativen Charakter hat. Dem schließt sich die Behandlung der Fragen an, mit der Verfolgung welchen kapitalmarktpolitischen Ziels eben diese Manipulation gerechtfertigt werden und ob das Erreichen dieses Zieles in der Praxis vernünftigerweise erwartet werden kann. Abschließend werden die langfristigen wirtschaftlichen Auswirkungen der Kurspflege unter Beachtung empirischer Untersuchungen betrachtet.

_________ 17

Anders Meißner, der die §§ 71 ff. AktG ausführlich diskutiert, da seine Arbeit gerade auch die von Aktienplatzierungen unabhängige Kurspflege behandelt, Meißner, Stabilisierung und Pflege von Aktienkursen.

26

A. Einleitung

Eine Darstellung des einschlägigen US-amerikanischen Regelungssystems erfolgt in Abschnitt D. Dabei soll nicht nur der existierende Regelungskomplex als Ganzes dargestellt, sondern auch auf einzelne Aspekte wie die zulässige Platzierungsform, den maximalen Stabilisierungspreis18 und etwaige Publizitätspflichten eingegangen werden. Zudem werden die Änderungen erläutert, die die SEC im Dezember 2004 vorgeschlagen hat, die aber bislang noch nicht umgesetzt wurden. Aus der rechtlichen Behandlung der Kursstabilisierung in den USA sollen im Fortgang der Arbeit entsprechende Schlüsse für das deutsche Rechtssystem gezogen werden. Der Hauptteil der Arbeit findet sich in Abschnitt E, der die rechtlichen Grenzen der Kursstabilisierung in Deutschland behandelt. Hierbei soll zwischen Vorschriften des Aktiengesetzes und solchen des Wertpapierhandelsgesetzes (WpHG) durch Einteilung in zwei Unterabschnitte differenziert werden. Der Schwerpunkt liegt dabei auf der Auslegung der Vorschriften des WpHG, da insbesondere die §§ 71 f. AktG fast ausschließlich rechtliche Grenzen für den Rückkauf durch den Emittenten selbst zur Verfügung stellen, die einschlägigen Gesetze des WpHG aber insbesondere auch die Tätigkeit der Emissionsbanken berühren. Dort ist für die kapitalmarktrechtliche Beurteilung der Kurspflege in erster Linie der Manipulationstatbestand des § 20a WpHG von besonderer Bedeutung. Unter anderem soll hier nach einer Untersuchung der Tatbestandsvarianten des § 20a I WpHG der dazugehörige europäische Safe HarborKomplex VO 2273/2003 der Kommission mit den meisten ihrer Vorschriften dargestellt und diskutiert werden. Die einzelnen Tatbestandsalternativen des Verbotstatbestandes (§ 20a I WpHG) werden vor allem dann relevant, wenn die Voraussetzungen der genannten Ausnahmeverordnung in Einzelfällen nicht erfüllt sind. Im Anschluss daran sollen die Grenzen aufgezeigt werden, die auch das Insiderhandelsverbot des § 14, die allgemeinen Verhaltensregeln nach § 31 und die Ad-hoc-Publizität des § 15 WpHG ziehen können. Die Arbeit wird durch eine Zusammenfassung der Ergebnisse in Thesen abgeschlossen.

_________ 18

Gemeint ist der Preis, zu dem das Stabilisierungsangebot abgegeben wird.

B. Die emissionsbegleitenden Tätigkeiten der Beteiligten Unter Emission versteht man die öffentliche Platzierung1 von Wertpapieren durch den Aussteller der Wertpapiere, d.h. das öffentliche Inverkehrbringen derselben2. Bei der Emission neuer Wertpapiere sind in der Regel neben dem Emittenten selbst verschiedene Finanzinstitute, zumeist Investmentbanken, beteiligt, die die Wertpapierausgabe auf verschiedene Weise unterstützen3.

I. Die beteiligten Parteien: Emittent und Emissionskonsortium 1. Der Emittent Für den Emittenten sind (insbesondere) mit dem Gang an die Börse eine Vielzahl von Vor- und Nachteilen verbunden4. Nach seinem originären Zweck stellt das öffentliche Angebot eigener Wertpapiere eine Möglichkeit zur Generierung neuen Kapitals dar5. Typischerweise wird es sich dabei um Unternehmen handeln, denen einerseits beträchtliches zukünftiges Wachstum zugetraut wird, die aber andererseits für eine derartige Entwicklung noch keine hinreichenden Finanzierungsmittel zur Verfügung haben. In diesen Fällen bringt die Emission neues Eigenkapital6 und eröffnet häufig, sofern gewünscht, die Mög-

_________ 1

Insoweit beziehen sich einige Teile dieses Abschnitts nur auf das öffentliche Platzieren von Aktien, da hier besondere Problemlagen zu berücksichtigen sind. Wie bereits erläutert nimmt die Arbeit an sich aber keine Beschränkung auf ausschließlich öffentliche Wertpapierangebote vor. 2 Lenenbach, Kapitalmarkt- und Börsenrecht, Rn. 7.1 mit zahlreichen Nachweisen. 3 Eine sog. „Selbstemission“ ohne Beteiligung eines Bankenkonsortiums scheitert regelmäßig daran, dass die Gesellschaft nicht über die notwendigen Absatzkanäle verfolgt, vgl. Lutter/Drygala, in: FS Raisch, S. 239, 245. 4 Ausführlich dazu, zunächst mit einer Gegenüberstellung der Vor- und Nachteile in Tabellenform, sodann mit einer Erläuterung verschiedener finanztheoretischer Modelle zu diesem Fragenkreis Färber, Börseneinführung, S. 47 ff. 5 Lenenbach, Kapitalmarkt- und Börsenrecht, Rn. 7.3; Färber, Börseneinführung, S. 97 ff. 6 Schanz, Börseneinführung, § 1 Rn. 4 ff., der insbesondere auch darauf hinweist, dass eine erstmalige Emission nicht nur das in diesem Rahmen zugeführte Kapital einbringt, sondern auch zukünftige Kapitalerhöhungen erleichtert. Allgemein auch Lenenbach, Kapitalmarkt- und Börsenrecht, Rn. 7.3.

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B. Die emissionsbegleitenden Tätigkeiten der Beteiligten

lichkeit, zusätzliches Fremdkapital aufzunehmen7. Auch eine spätere Unternehmensakquisition durch Anteilstausch wird dadurch erheblich erleichtert8. Im Übrigen bietet sie den bisherigen Eigentümern der Gesellschaft die Gelegenheit, ihre Anteile ganz oder teilweise, sofort oder sukzessive zu veräußern und auf diese Weise den unternehmerischen Erfolg liquide zu stellen. In der Bewertung durch die Geschäftspartner des Emittenten ist zumeist eine deutliche Verbesserung des Standings zu verzeichnen9. Nachteile einer Emission sind vor allem die hohen Kosten, die durch die Emission selbst und ihre Vorbereitung hervorgerufen werden. Neben den Aufwendungen für den Emissionsservice, den Entscheidungs- und Informationskosten sowie den durch das „Underpricing”10 hervorgerufenen Kosten11, sind dabei vor allem auch die Mehraufwendungen in das Kalkül einzubeziehen, die durch gesteigerte kapitalmarktrechtliche Anforderungen, insbesondere unter dem Aspekt besonderer Publizitätspflichten, gerade auch für die Zeit nach der Emission verursacht werden12. Die obligatorische Veröffentlichung unternehmensinterner Zahlen hat dabei auch den strategischen Nachteil, dass damit nicht nur den Anlegern, sondern gerade auch den Konkurrenten zusätzliche Informationen zur Verfügung gestellt werden. Zudem verlieren freilich die Altgesellschafter durch die Aufnahme fremder Aktionäre im Zuge der Emission an Einfluss auf das Unternehmensgeschehen. Die Frage, welches Unternehmen im Einzelfall für ein Initial Public Offering geeignet ist, lässt sich allenfalls durch Benennung von Indizien und nicht abschließenden Faktoren beantworten. Als Daumenregel empfehlen Investmentbanken einen solchen Finanzierungsschritt nur dann, wenn in naher Zukunft ein jährlicher Verkaufserlös von 75 bis 100 Millionen Dollar oder mehr erwartet wird13. Im Übrigen werden als Anhaltspunkte häufig die aktuelle Größe des Unternehmens, die Erfolge der Vergangenheit, das Geschick des aktuellen Managements, der Stellenwert des Unternehmens in der öffentlichen Meinung,

_________ 7 Eine reine Aufnahme zusätzlichen Fremdkapitals ohne Emission hingegen würde, sofern von neuen und alten Gläubigern überhaupt zugelassen, zu einer Verschlechtung der Eigen-/Fremdkapitalquote führen, was zumeist mit der Erhöhung des Darlehenszinssatzes einhergeht. So – zumindest ansatzweise – auch Lenenbach, Kapitalmarkt- und Börsenrecht, Rn. 7.3. 8 Schanz, Börseneinführung, § 1 Rn. 6. 9 Schanz, Börseneinführung, § 1 Rn. 10. 10 Dazu noch später Abschnitt C.I.1. 11 Färber, Börseneinführung, S. 29 ff. 12 Vgl. Schanz, Börseneinführung, § 1 Rn. 17; Färber, Börseneinführung, S. 39 ff.; Olson/Arp, SG 022 ALI-ABA 231. 13 Olson/Arp, SG 022 ALI-ABA 231; Schanz spricht im Hinblick auf den deutschen Emissionsmarkt von (in den 90er Jahren üblichen) 80 – 100 Millionen DM vgl. Schanz, Börseneinführung, § 6 Rn. 30.

I. Die beteiligten Parteien: Emittent und Emissionskonsortium

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die interne Organisationsstruktur und vor allem die im Entscheidungszeitpunkt geltenden Marktbedingungen angeführt14. 2. Das Emissionskonsortium Die neben dem Emittenten an der Emission beteiligten Investmentbanken übernehmen dabei die Rolle des Vermittlers, indem sie den Emittenten bei der Emission beraten und begleiten, insbesondere die Platzierung der Wertpapiere bei den Investoren organisieren15. Die Beratung bezieht sich dabei beispielsweise auf die Art des aufzunehmenden Kapitals, das Emissionsvolumen, die Platzierungstechnik und das Timing der Emission16. Ziel ist es, ein „maßgeschneidertes Emissionskonzept“ aufzustellen17. Der Pflichtenumfang der Emissionsbanken wird dabei im sog. Übernahmevertrag zwischen den Banken und dem Emittenten festgelegt18. Die Wahl eines passenden und erfahrenen Emissionsbegleiters (sog. Underwriter) ist dabei ein ausschlaggebender Schritt auf dem Weg zu einer erfolgreichen Wertpapieremission19. Als Kriterium bei der Auswahl sollten dabei vor allem der Ruf der Bank, die persönlichen Beziehungen zwischen Bank und Emittent sowie der jeweilige Anteil von institutionellen und privaten Kunden der Bank besondere Beachtung finden20. Der Emittent sollte außerdem darauf achten, dass nicht nur der Stabilisierungsmanager selbst, sondern auch das ihn umgebende Konsortium über hinreichend starke Absatzkanäle verfügt21.

_________ 14

Vgl. nur Olson/Arp, SG 022 ALI-ABA 231; für den deutschen Markt Schanz, Börseneinführung, § 6 Rn. 25 ff. und § 10 Rn. 3 ff. Fast identische Kriterien verwendet auch Färber in seiner finanztheoretischen Regressionsanalyse zur Feststellung der Determinanten für einen Börsengang, vgl. Färber, Börseneinführung, S. 210 ff. 15 Bosch/Groß, Emissionsgschäft, Rn. 10/65 ff.; Brinker, Investment Banking, S. 34. 16 Pawelka, Investment-Banking-Strategien, S. 34. 17 Schanz, Börseneinführung, § 6 Rn. 36. 18 Krämer/Hess in FS Döser, S. 171, 172; Schäfer in Schwintowski/Schäfer, § 23 Rn. 61 ff.; Lenenbach, Kapitalmarkt- und Börsenrecht, Rn. 7.71 ff. 19 Schanz spricht hier anschaulich von einem „Beauty Contest“, den der Emittent mit potentiellen Kandidaten für das Emissionskonsortium durchführen sollte, nachdem sich die Vertreter des Emittenten selbst hinreichend auf die etwaigen Verhandlungen vorbereitet haben, vgl. Schanz, Börseneinführung, § 9 Rn. 11 f. 20 Lenenbach, Kapitalmarkt- und Börsenrecht, Rn. 7.4. 21 Einen Überblick bieten hier Soderquist/Gabaldon, Securities Regulation, S. 27 ff. So auch Lenenbach und Schäfer für die Auswahl durch den Konsortialführer, vgl. Kapitalmarkt- und Börsenrecht, Rn. 7.15 und Schäfer in Schwintowski/Schäfer, § 23 Rn. 12.

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B. Die emissionsbegleitenden Tätigkeiten der Beteiligten

Gerade das im Falle einer Übernahme- oder Garantieplatzierung22 auf die Bank(en) übertragene Risiko23 ist ganz erheblich. Aus diesem Grund schließen sich die beteiligten Banken zu sog. Emissionskonsortien zusammen und teilen auf diese Weise das Platzierungsrisiko entsprechend der sog. Konsortialquote24 untereinander auf25. Auf diese Weise erhöhen sich auch die Anzahl und der internationale Diversifizierungsgrad der Absatzkanäle, über den die beteiligten Banken verfügen. Der Terminus „Emissionskonsortium“ bezeichnet dabei einen befristeten Zusammenschluss26 rechtlich selbständig bleibender Banken zum Zwecke der Durchführung einer Wertpapieremission auf gemeinsame Rechnung27. Typischerweise enthalten solche Konsortien28 einen Lead Manager und einen Co-Manager (sog. Führungsgruppe) sowie zusätzliche Mitglieder, die gegebenenfalls zur Garantiegruppe oder auch nur zur Verkaufsgruppe gehören29. Der Lead Manager organisiert das Konsortium, trifft die Vereinbarungen mit dem Emittenten und erhält im Gegenzug eine zusätzliche Gebühr, die aus dem Verkaufserlös heraus bestritten wird30. Das Konsortium seinerseits verkauft die Aktien dann direkt an die Marktteilnehmer oder – im Sinne eines beschleunigten Verkaufs – an andere Banken (sog. Subunderwriters und Selling Group Members31), die ihrerseits versuchen, die Papiere auf dem Markt zu

_________ 22 Eingehender zu den verschiedenen Formen der Absatzgestaltung sogleich noch Abschnitt B.I.3.a). 23 Pawelka, Investment-Banking-Strategien, S. 35 unterscheidet hier zwischen dem „waiting risk“ (Risiko einer negativen Marktentwicklung während der „Wartezeit“ bis zur Emission), dem „pricing risk“ (Risiko, einen nicht marktgerechten Preis festzusetzen) und dem „marketing risk“ (Risiko einer Nichtabsetzbarkeit aufgrund schlechten Marketings). 24 So De Meo, Bankenkonsortien, S. 58; Schäfer in Schwintowski/Schäfer, § 23 Rn. 38. 25 Vgl. Krämer/Hess in FS Döser, S. 171, 178; Schanz, Börseneinführung, § 9 Rn. 20; Soderquist/Gabaldon, Securities Regulation, S. 26. 26 Das zugrunde liegende rechtliche Gebilde wird dabei gemeinhin als „Konsortialvertrag“ bezeichnet. 27 De Meo, Bankenkonsortien, S. 10; Pawelka, Investment-Banking-Strategien, S. 41. Nach wohl einhelliger Meinung handelt es sich hier zumeist um eine BGB-Gesellschaft i.S.d. §§ 705 ff. BGB, siehe nur Grundmann in Schimansky/Bunte/Lwowski, § 112 Rn. 84 ff. und differenzierend Schäfer in Schwintowski/Schäfer, § 23 Rn. 26 ff; Bosch/Groß, Emissionsgeschäft, Rn. 10/32 ff.. 28 Zur Strukturierung globaler Konsortien bei internationalen Emissionen vgl. Schanz, Börseneinführung, § 9 Rn. 23 f. 29 Ausführlich dargestellt bei Pawelka, Investment-Banking-Strategien, S. 41 ff; Schäfer in Schwintowski/Schäfer, § 23 Rn. 12 Rn. 27. 30 Soderquist/Gabaldon, Securities Regulation, S. 26. Ausführlicher dazu der folgende Abschnitt B.I.3.b) 31 Vgl. Meyer in Marsch-Barner/Schäfer, § 7 Rn. 104; Schäfer in Schwintowski/Schäfer, § 23 Rn. 27.

I. Die beteiligten Parteien: Emittent und Emissionskonsortium

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platzieren32. Die letztgenannte Alternative ist aus Sicht des Konsortiums die sicherere, birgt allerdings den Nachteil, dass die Gewinnspanne mit der dann dazwischen geschalteten Bank geteilt werden muss. 3. Einzelne vertragliche Abreden zwischen den Beteiligten Die einzelnen Abreden sind teilweise im sog. Letter of Engagement oder im Übernahmevertrag, teilweise in den Konsortialvereinbarungen enthalten33. Die dadurch begründeten Rechtsverhältnisse sind mehrzählig und komplex34. Für diese Arbeit interessant sind insbesondere die Vereinbarungen über die Verteilung des Platzierungsrisikos und über die Vergütung der Banken. a) Verteilung des Platzierungsrisikos Die Platzierung selbst wird zunächst einmal im Übernahmevertrag35 geregelt36. Als Parteien treten hier – anders als in dem zeitlich vorangehenden „Letter of Engagement“ – alle Konsortialmitglieder einzeln auf, die jeweils eine entsprechende Vereinbarung separat mit dem Emittenten abschließen, um deutlich zu machen, dass sie gegebenenfalls nicht als Gesamtschuldner in Anspruch genommen werden wollen37. Gegenstand des Übernahmevertrages zwischen Emittent und Konsortium ist unter anderem die Frage, wer das sog. Platzierungsrisiko zu tragen hat38. Es ist in diesem Zusammenhang zu unterscheiden zwischen sog. Begebungskonsortien, bei denen das Platzierungsrisiko beim Emittenten verbleibt, und den Übernahme- oder Garantiekonsortien, bei denen die Emissionsbanken das Platzierungsrisiko übernehmen39. Dem Begebungs-

_________ 32 Hazen/Ratner, Broker Dealer Regulation, S. 21 f.; Soderquist/Gabaldon, Securities Regulation, S. 26. 33 Der Übernahmevertrag betrifft dabei das Außenverhältnis des Konsortiums zum Emittenten, der Konsortialvertrag das Innenverhältnis unter den Konsortialmitgliedern, vgl. Bosch/Groß, Emissionsgeschäft, Rn. 10/28. 34 Vgl. für eine übersichtliche Darstellung z.B. Schanz, Börseneinführung, § 9 Rn. 17 ff; Lenenbach, Kapitalmarkt- und Börsenrecht, Rn. 7.71 ff. oder Schäfer in Schwintowski/Schäfer, § 23 Rn. 20 ff. 35 Zu den unterschiedlichen Zeitpunkten des Vertragsabschlusses in Deutschland und den USA vgl. ausführlich Meyer in Marsch-Barner/Schäfer, § 7 Rn. 96 ff. 36 Meyer in Marsch-Barner/Schäfer, § 7 Rn. 94; ausführliche Darstellung auch bei Schanz, Börseneinführung, § 9 Rn. 37. 37 Meyer in Marsch-Barner/Schäfer, § 7 Rn. 103. 38 Statt aller Schäfer in Schwintowski/Schäfer, § 23 Rn. 10. 39 Brinker, Investment Banking, S. 34 für eine Beschreibung der ökonomischtatsächlichen Vorgehensweise. Rechtlich können die einzelnen Konstrukionen als Geschäftsbesorgungsvertrag mit dienstvertaglichen Elementen, als gemischt-typischer Vertrag mit Kauf- und Geschäftsbesorgungselementen oder als Kommissionsgeschäft ein-

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B. Die emissionsbegleitenden Tätigkeiten der Beteiligten

konsortium liegt das „Best-Effort“-Prinzip40 zugrunde, vermöge dessen die Banken lediglich nachhaltiges Bemühen bei der Unterbringung der Finanztitel zusagen41. Die Bank verkauft die emittierten Wertpapiere für fremde Rechnung des Emittenten und stellt dabei lediglich ihre Vertriebskenntnisse und ihre Vertriebsorganisation zur Verfügung42. Im Fall eines Übernahmekonsortiums übernehmen die Banken das gesamte Emissionsvolumen, was rechtlich einem unbedingten Erwerb der Wertpapiere gleichkommt43. Das Garantiekonsortium übernimmt zwar die Papiere nicht von vornherein, garantiert aber den Absatz aller Wertpapiere und verpflichtet sich, diese im Fall einer Nicht-Platzierbarkeit selbst zu übernehmen (bedingter Erwerb)44. In wirtschaftlicher Hinsicht sind die beiden letztgenannten Methoden als gleichwertig anzusehen45. International und auch im deutschen Markt ist die rechtliche Konstruktion des Übernahmekonsortiums am häufigsten vorzufinden46. b) Vergütung der Banken Als Vergütung für das gesamte Emissionskonsortium wird mit dem Emittenten vorwiegend eine Provision vereinbart, die sich am Brutto-Emissionserlös

_________ geordnet werden, vgl. Meyer in Marsch-Barner/Schäfer, § 7 Rn. 94. Entscheidend ist dabei die genaue Ausgestaltung der Vereinbarungen im Einzelfall. Grundmann in Schimansky/Bunte/Lwowski, § 112 Rn. 6; Lenenbach, Kapitalmarkt- und Börsenrecht, Rn. 7.10; Bosch/Groß, Emissionsgeschäft, Rn. 10/76 ff. 40 Insgesamt auch “Best Efforts Underwriting” genannt, vgl. Soderquist/Gabaldon, Securities Regulation, S. 26; Hazen/Ratner, Broker Dealer Regulation, S. 33; so auch Lenenbach, Kapitalmarkt- und Börsenrecht, Rn. 7.11. 41 Grundmann in Schimansky/Bunte/Lwowski, § 112 Rn. 6; Schäfer in Schwintowski/Schäfer, § 23 Rn. 10; Pawelka, Investment-Banking-Strategien, S. 36; Lenzen, Eingriffe in die Börsenkursbildung, S. 199 („Absatzvermittlung“); Färber, Börseneinführung, S. 26. 42 De Meo, Bankenkonsortien, S. 11. 43 De Meo, Bankenkonsortien, S. 11; Pawelka, Investment-Banking-Strategien, S. 36; Lenzen, Eingriffe in die Börsenkursbildung, S. 199; Färber, Börseneinführung, S. 26; Schanz, Börseneinführung, § 9 Rn. 33; Grundmann in Schimansky/Bunte/Lwowski, § 112 Rn. 6; Schäfer in Schwintowski/Schäfer, § 23 Rn. 10; im anglo-amerikanischen Rechtsraum auch „Firm Commitment Underwriting“ genannt, vgl. Soderquist/Gabaldon, Securities Regulation, S. 26; Hazen/Ratner, Broker Dealer Regulation, S. 33. 44 Scholze, Konsortialgeschäft I, S. 294; Pawelka, Investment-Banking-Strategien, S. 36; Lenenbach, Kapitalmarkt- und Börsenrecht, R.n 7.11; auch „Standby Underwriting“ oder „Strict Underwriting“ genannt, vlg. Soderquist/Gabaldon, Securities Regulation, S. 26 bzw. Hazen/Ratner, Broker Dealer Regulation, S. 32 f. 45 Lenenbach, Kapitalmarkt- und Börsenrecht, Rn. 7.11. 46 Vgl. nur Krämer/Hess in FS Döser, S. 171, 178; Technau, AG 1998, 445, 446.

II. Preisfindung vor der Emission

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bemisst47. Eine entsprechende Regelung findet sich zumeist bereits in der Mandatsvereinbarung (Letter of Engagement)48. In dem üblicherweise vorliegenden Übernahmekonsortium setzt sich die Provision aus folgenden Bestandteilen zusammen: Die Verkaufsprovision teilen sich die Konsortialmitglieder entsprechend des von ihnen veräußerten Anteils untereinander auf; sie beträgt rund 60% der gesamten Summe. Die restlichen 40% ergeben sich zu gleichen Teilen aus der Übernahmeprovision als Abgeltung für das entsprechende Risiko und der Managementprovision, die zum großen Teil allein dem Konsortialführer zufließt. Hinzu kommt häufig eine Erfolgsprovision, die die Gesellschaft und die Altaktionäre nach freiem Ermessen festlegen und ein Pauschalhonorar für misslungene Emissionen (sog. break-up fee) 49.

II. Preisfindung vor der Emission Gerade wenn Aktien oder sonstige Wertpapiere erstmalig ausgegeben werden, stellt sich die Frage, welchen Preis die Marktteilnehmer hierfür aufzubringen haben bzw. aufzubringen bereit sind. Gerade bei Erstemissionen ist die Festlegung eines angemessenen Preises aufgrund der noch nicht verfügbaren Bewertung durch den Markt häufig recht schwierig. In der Vergangenheit sind verschiedene Preisfindungsverfahren entwickelt und verwendet worden. Im Hinblick auf den Zeitpunkt der Emissionspreisfixierung kann zwischen dem „Advanced oder Fixed Pricing“ einerseits und dem „Open Pricing“ andererseits unterschieden werden50. Während bei ersteren die Konditionen bereits bei Mandatsvergabe festgelegt werden, wird bei letzterem vorab lediglich eine indikative Preisvorstellung angegeben, die endgültige Festlegung der Konditionen erfolgt erst nach Angebotsbeginn51. Das bis zum Jahre 1994 bei Aktienemissionen in Deutschland nahezu ausnahmslos angewendete Festpreisverfahren (Advanced oder Fixed Pricing) wurde in Anlehnung an die internationale

_________ 47 Für den amerikanischen Kapitalmarkt beläuft sich die Verguetung auf 6-10% der Emissionseinkünfte, vgl. Benveniste/Busaba/Wilhelm, 24 Journal of Financial Economics 1996, 223, 227; Ellis/Michaely/O’Hara, 55 Journal of Finance (2000), 1039, 1043 und 1063 mit detaillierter Beschreibung der „normalen“ Aufteilung der Underwriting Fees innerhalb des Konsortiums für den US-Markt. 48 Schanz, Börseneinführung, § 9 Rn. 18. 49 Vgl. zu alledem ausführlich Meyer in Marsch-Barner/Schäfer, § 7 Rn. 92 sowie Schanz, Börseneinführung, § 9 Rn. 18. 50 So z.B. auch Lenenbach, Kapitalmarkt- und Börsenrecht, Rn. 7.93 oder Schanz, Börseneinführung, § 10 Rn. 45 ff. 51 Vgl. Pawelka, Investment-Banking-Strategien, S. 37; Lenenbach, Kapitalmarktund Börsenrecht, Rn. 7.93 ff.

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B. Die emissionsbegleitenden Tätigkeiten der Beteiligten

Praxis52 weitestgehend durch das Bookbuilding-Verfahren als Variante des Open Pricing ersetzt53. Hierbei wird die Nachfrageseite – sowohl private als auch institutionelle Investoren54 – verstärkt in die Preisfindung mit einbezogen55. Vor Zeichnungsbeginn wird vom Konsortium lediglich eine Preisspanne vorgegeben56, die eine Schwankungsbreite von 10% bis 15% aufweist57. Grundlage ihrer Festsetzung bilden die im Vorfeld durchgeführte fundamentale Unternehmensbewertung, die Ergebnisse der Analyse der Marktkapitalisierung vergleichbarer Unternehmen und eine allgemeine Einschätzung der Marktlage58. Dem schließt sich ein Bieterverfahren an, in dem die interessierten Investoren ihre Preis- und Mengenvorstellungen offenbaren59. Diese werden in elektronischen Orderbüchern gesammelt60, um anschließend in Kenntnis der Nachfragestruktur einen angemessenen Emissionspreis festlegen zu können61. Dabei werden die Gebotspreise unter Beachtung der Zeichnungsvolumina sowie der Qualität und Preissensitivität der Zeichnungen zu einem Durchschnittspreis summiert62. Beachtenswert ist jedoch, dass sowohl dem Emittenten als auch der Emissionsbank dabei ein gewisser Entscheidungsspielraum hinsichtlich der Festlegung des Emissionspreises verbleibt. Die betriebswirtschaftliche Determinierung des Emissionspreises anhand des beim Konsortialführer geführten Orderbuches ist damit nicht allein maßgebend für den endgültigen Verkaufspreis63. In Anbetracht des oben64 schon erwähnten Platzierungsrisikos haben die

_________ 52 Beispielsweise ist in angelsächsischen Ländern das Bookbuilding-Verfahren seit langem üblich, vgl. Kaserer/Kempf, Die Bank 1996, 184. 53 Pawelka, Investment-Banking-Strategien, S. 37; Willamowski, Bookbuilding, Rn. 206, Bosch/Groß, Emissionsgeschäft, Rn. 10/259; Schanz, BKR 2002, 439, 441; Hein, WM 1996, 1, der schon für die Jahre 1994-1995 zahlreiche Beispiele nennt. Für den US-amerikanischen Kapitalmarkt auch Aggarwal, 68 Journal of Financial Economics (2003), 111, 115. 54 Willamowski, Bookbuilding, Rn. 206. 55 Schäfer in Schwintowski/Schäfer, § 23; Kaserer/Kempf, Die Bank 1996, 184. 56 Hein, WM 1996, 1; Lenenbach, Kapitalmarkt- und Börsenrecht, Rn. 7.94. 57 Pawelka, Investment-Banking-Strategien, S. 38; Schäfer in Schwintowski/Schäfer, § 23 Rn. 74. 58 Pawelka, Investment-Banking-Strategien, S. 38; Lenenbach, Kapitalmarkt- und Börsenrecht, Rn. 7.94. Eine Übersicht über die verschiedenen Verfahren findet sich auch bei Schanz, Börseneinführung, § 7, eine umfassende Diskussion verschiedener Aspekte der Unternehmensbewertung bei Börsig/Conenberg, Bewertung von Unternehmen. 59 Kaserer/Kempf, Die Bank 1996, 184; Lenenbach, Kapitalmarkt- und Börsenrecht, Rn. 7.93 ff. Den Emissionsbanken gehen die Zeichnungsaufträge (sog. „indications of interest“) über spezielle Orderformulare zu, vgl. Willamowski, Bookbuilding, Rn. 207. 60 Willamowski, Bookbuilding, Rn. 207. 61 Pawelka, Investment-Banking-Strategien, S. 38. 62 Willamowski, Bookbuilding, Rn. 223. 63 Willamowski, Bookbuilding, Rn. 225; i. d. Sinne wohl auch Hein, WM 1996, 1. 64 Vgl. Abschnitt B.I.3.

III. Durchführung der Kursstabilisierung nach der Platzierung

35

Banken zumindest unter diesem Gesichtspunkt ein Interesse, den Emissionspreis möglichst gering zu halten, um einen vollständigen Absatz der Papiere zu gewährleisten65. Nach Festlegung des Emissionspreises nimmt der Konsortialführer in Absprache mit dem Emittenten die Zuteilung der Wertpapiere vor. Es wird dabei versucht, durch eine ausgewogene Zuteilung an bereits bekannte Investorengruppen die Voraussetzungen für eine stabile Platzierung zu schaffen66. In jüngster Zeit67 wurde in verschiedenen Fällen eine neue Variante des Bookbuilding-Verfahrens durchgeführt, das sog. „Decoupled Bookbuilding“. Hierbei wird in einem ersten Schritt nicht einmal eine Preisspanne festgelegt. Vielmehr wird während der Roadshow das Interesse der Anleger zu ermitteln versucht, die Festlegung der Preisspanne ergibt sich erst aufgrund der so gewonnenen Erkenntnisse. Anschließend wird ein sog. „Accelerated Bookbuilding“ angesetzt, welches innerhalb von drei Tagen zur endgültigen Festlegung des Emissionspreises führt68. Dieser wird anschließend in Form einer Ad hocMeldung veröffentlicht69. Der auf diese Weise festgelegte Emissionspreis ist also der Einschätzung durch den Markt weitgehend angenähert. Gleichwohl ist stark zu bezweifeln, dass mit dieser Methode eine „Punktlandung“ geschafft werden kann70. In der Tat sind auch nach derartigen Preisfindungsverfahren erhebliche Abweichungen vom Kurs des ersten Handelstages festgestellt worden71.

III. Durchführung der Kursstabilisierung nach der Platzierung Aufgrund der auch nach dem Bookbuilding-Verfahren verbleibenden Unsicherheit der Bewertung durch den Markt und gewisser emissionstypischer

_________ 65

Auf den damit möglicherweise einhergehenden Underpricing-Effekt wird später nochmals zurückzukommen sein, vgl. C.I.1. 66 Willamowski, Bookbuilding, Rn. 229 f. 67 Soweit ersichtlich, in Deutschland erstmalig durchgeführt bei der Emission der Conergy AG im Frühjahr 2005, vgl. den „Unvollständigen Verkaufsprospekt“ der Conergy AG vom 4. März 2005, S. 12 f. 68 Propektrechtlich handelt es sich dabei um einen sog. „Nachtrag“, der sich an den Erfordernissen des § 16 WpPG zu orientieren an. 69 Vgl. Land/Kläsener, „Neues Prospektrecht bewährt sich in der Praxis“, BörsenZeitung vom 23. Nov. 2005, S. 2. 70 Willamowski, Bookbuilding, Rn. 218; Schwintowski/Schäfer, Bankrecht, § 23 Rn. 74; anders aber noch Hein, WM 1996, 1, 2. 71 Vgl. nur Kaserer/Kempf, Die Bank 1996, 184, 186.

36

B. Die emissionsbegleitenden Tätigkeiten der Beteiligten

Phänomene, auf die an späterer Stelle72 noch näher eingegangen werden wird, kommt es in der Zeit nach einer Aktienplatzierung zu erheblichen Kursschwankungen, teilweise auch zu einem signifikanten Steigen oder Absinken des Kurses. Das ist aus verschiedenen Gründen und Perspektiven unerwünscht73. Deshalb versucht der Konsortialführer den Aktienkurs nach der Emission gezielt zu stabilisieren. Die vier wichtigsten Vorgehensweisen sollen im Folgenden erläutert werden; von der europäischen Ausnahmeverordnung VO 2273/2003 werden allerdings nur die beiden ersten erfasst. 1. „Pure Stabilization“ Häufig soll der fallende Aktienkurs durch Käufe gestützt werden, die der Stabilisierungsmanager zumeist im eigenen Namen oder im Namen des Konsortiums durchführt. Ein solcher „Rückkauf“ kann mit dem Aufbau eigener Positionen einhergehen74, in der angloamerikanischen Literatur auch als pure stabilization bezeichnet75. Hierbei werden die Anteile am Markt erworben und solange gehalten, bis der Markt gefestigt genug erscheint, die betreffenden Wertpapiere wieder aufzunehmen. Ein solches Vorgehen wäre dem Konsortialführer auch ohne weitere Vereinbarung mit dem ausgebenden Unternehmen möglich. Er würde in diesem Fall aber auch das Risiko eines nach dem Kauf erfolgenden Kursverfalls tragen und stünde insoweit nicht besser als alle anderen Teilnehmer des Kapitalmarkts. 2. „Aftermarket Short Covering“ a) Mehrzuteilung Der Aufbau eigener Aktienbestände ist aber dann unerwünscht, wenn der Käufer neben der Stabilisierung des Kurses kein Interesse an den Anteilen selbst hat. Die „Pure Stabilization“ ist deshalb in der Praxis auch nur selten vorzufinden. Im Zuge einer US-amerikanischen Kapitalmarktstudie76 wurde aufgezeigt, dass die Konsortialbanken bei 61 von 114 Emissionen Kurspflegemaßnahmen durchführten, dass dies aber nicht ein einziges Mal mit dem Aufbau eigener Aktienbestände einherging. Vielmehr ist üblich, dass das Emissionskonsortium zunächst eine Short-Position aufbaut. Diese entsteht dadurch,

_________ 72

Vgl. den Abschnitt C.I. Siehe insbesondere den noch folgenden Abschnitt C.II.2. 74 Thießen, WiSt 2002, 523, 524. 75 Vgl. nur Aggarwal, Journal of Finance 2000, 1075, 1078, Loss/Seligman, Fundamentals of Securities Regulation, S. 1063. 76 Dargestellt bei Aggarwal, Journal of Finance 2000, 1074, 1082 ff. 73

III. Durchführung der Kursstabilisierung nach der Platzierung

37

dass mehr als 100% der festgelegten Emissionsmenge bei der Emission zugeteilt werden77 (sog. Mehrzuteilung). Die Bank hat nun die Möglichkeit, die Papiere kursstabilisierend zurückzukaufen und gleichwohl keine Wertpapierposition im Sinne eines Aktivbestandes erwerben zu müssen (sog. „Aftermarket Short Covering“). Der stabilisierende Effekt für den Aktienkurs ist für die „Pure Stabilization“ und das „Short Covering“ derselbe78. Die auf diese Weise zunächst aufgebaute Short Position ohne weitere Vereinbarung mit dem Emittenten oder den Altaktionären wird als sog. „naked short“ bezeichnet79. Bemerkenswert sind auch die rechtlichen Konstruktionen, mittels derer die beschriebene Mehrzuteilung möglich gemacht wird. Es bieten sich mehrere Wege an: Entweder können die zusätzlichen Aktien von einem oder mehreren Altaktionären zur Verfügung gestellt werden. Dann handelt es sich um einen Wertpapierleihvertrag, in dem die Papiere darlehensweise überlassen werden80. Die Rückzahlung erfolgt dann nach Erwerb im freien Markt oder nach Ausübung der im nächsten Abschnitt näher beschriebenen Greenshoe-Option. Denkbar ist aber auch, dass die Aktien aus Eigenbeständen einer Konsortialbank entnommen werden oder aber, dass mit einem oder mehreren Großanlegern, die bei der Platzierung bedacht worden sind, eine spätere Belieferung der diesem bzw. diesen zugeteilten Aktien vereinbart wird (sog. deferred settlement)81. Hierbei handelt es sich um eine rein schuldrechtliche Vereinbarung mit diesen Anlegern82. b) Greenshoe-Option Im Fall einer nicht weiter gedeckten Mehrzuteilung („naked short“) verbleibt der Bank allerdings das Risiko, dass der Aktienkurs nach der Emission steigt und sie aufgrund der vorgenommenen Mehrzuteilung gleichwohl gezwungen ist, die Wertpapiere zu einem vergleichsweise hohen Preis am Markt zu erwer-

_________ 77

Vgl. CESR/02-020b vom April 2002, S. 13; Thießen, WiSt 2002, 523, 524; Benveniste/Erdal/Wilhelm, Journal of Banking & Finance (1998), 741, 742. 78 Vgl. Aggarwal, 55 Journal of Finance (2000), 1075; Boehmer/Fishe, 10 Journal of Corporate Finance (2004), 575, 576; ihnen folgend SEC Release Nos. 33-8511, 3450831 (2004), S. 54. 79 Vgl. unter anderem Krämer/Hess in FS Döser, S. 171, 172; Lenenbach, Kapitalmarkt- und Börsenrecht, Rn. 7.104. 80 Groß, ZIP 2002, 160, 161 f; Schanz, BKR 2002, 439, 441 f.; Vogel in Assmann/Schneider, § 20a Rn. 223. 81 Schanz, BKR 2002, 439, 441 f; Lenenbach, Kapitalmarkt- und Börsenrecht, Rn. 104. 82 Groß, ZIP 2002, 160, 161.

38

B. Die emissionsbegleitenden Tätigkeiten der Beteiligten

ben; das wäre mit einem Verlustgeschäft verbunden83. Dieses Risiko kann durch eine sog. Greenshoe-Option84 abgesichert werden85. Diese gewährt dem Konsortium das Recht, vom Emittenten oder von Altaktionären zusätzlich zum vereinbarten Emissionsvolumen weitere Aktien zum Emissionspreis zu beziehen, mit denen es seiner Lieferverpflichtung gegenüber den Anlegern beziehungsweise den Rückgabeansprüchen aus etwaigen Wertpapierdarlehensverträgen nachkommen kann86. Ist diese Greenshoe-Option von einem Altaktionär eingeräumt worden, ist die rechtliche Abwicklung vergleichsweise unkompliziert87. Im Falle der Optionsausübung ist dieser verpflichtet, die bislang von ihm gehaltenen Anteile zu liefern. Ist die Option hingegen vom Emittenten selbst eingeräumt worden, ist im Falle ihrer Ausübung eine Kapitalerhöhung notwendig88. In diesem Zuge bedarf es zudem entweder eines Bezugsrechtsverzichts bzw. –kaufs oder eines Bezugsrechtsausschlusses, jeweils zugunsten der Konsortialbanken89. Denn gerade diesen müssen – wegen der bis zu diesem Zeitpunkt noch offenen ShortPositionen – die nun im Zuge der Kapitalerhöhung zusätzlich zur Verfügung gestellten Aktien zugeteilt werden90. Wirtschaftlich gesehen hat diese Konstruktion (Optionseinräumung durch den Emittenten) freilich Vorteile. Denn nur auf diese Weise kann ein zusätzliches Aktienpaket ausgegeben, mithin ein gewisser Mehrerlös erzielt werden. Auch aus diesem Grunde ist diese Variante

_________ 83 Willamowski, Bookbuilding, Rn. 252; Schanz, BKR 2002, 439, 442; Meyer in Marsch-Barner/Schäfer, § 7 Rn. 60. 84 Der Begriff „Greenshoe“ geht zurück auf die Emission der Firma Greenshoe Manufacturing Company, bei der dieses Instrument zum ersten Mal eingesetzt wurde, vgl. nur Hein, WM 1996, 1, 6. 85 Boehmer/Fishe, Underwriter Short Covering in the IPO Aftermarket: A Clinical Study, 10 Journal of Corporate Finance, 575, 576 (2004); Ellis et al., 55 Journal of Finance (2000), S. 1039, 1058; Vogel, WM 2003, 2437, 2438; Meyer in MarschBarner/Schäfer, § 7 Rn. 60; Technau, AG 1998, 445, 458; CESR/02-020b vom April 2002, S. 13. 86 Willamowski, Bookbuilding, Rn. 249 ff.; Ekkenga, WM 2002, 317; Hein, WM 1996, 1, 6; Groß, ZIP 2002, 160, 162; Schanz, BKR 2002, 439, 441; Meyer in MarschBarner/Schäfer, § 7 Rn. 60; Lenenbach, Kapitalmarkt- und Börsenrecht, Rn. 7.105; Schanz, Börseneinführung, § 10 Rn. 94 ff. Eine Definition der Greenshoe-Option findet sich in diesem Sinne auch in der VO 2273/2003, dort Art. 2 Nr. 14. 87 Meyer in Marsch-Barner/Schäfer, § 7 Rn. 63; Schanz, Börseneinführung, § 10 Rn. 98. 88 Meyer in Marsch-Barner/Schäfer, § 7 Rn. 63; Lenenbach, Kapitalmarkt- und Börsenrecht, Rn. 7.106; Schanz, Börseneinführung, § 10 Rn. 99. 89 Lenenbach, Kapitalmarkt- und Börsenrecht, Rn. 7.106; Schanz, Börseneinführung, § 10 Rn. 99 ff. Zu den damit verbundenen rechtlichen Problemen siehe noch den unten folgenden Abschnitt E.I.1.c). 90 Groß, ZIP 2002, 160, 162.

III. Durchführung der Kursstabilisierung nach der Platzierung

39

– trotz der rechtlichen Komplikationen91 – in den letzten Jahren auf dem deutschen Markt mindestens genauso häufig gewählt worden wie die Optionseinräumung durch einen Altaktionär92. Ein großer Teil der heute durchgeführten Wertpapieremissionen wird tatsächlich nicht „naked“, sondern unter zusätzlicher Vereinbarung einer solchen Greenshoe-Option durchgeführt93; auch in Deutschland ist der Greenshoe seit einigen Jahren fester Bestandteil bei Börsengängen94, aber auch bei bezugsrechtsfreien Kapitalerhöhungen95. Zumeist enthält der Übernahmevertrag die Vereinbarung, dass weitere Aktien bezogen werden können. Üblicherweise darf der Stabilisierungsmanager innerhalb der ersten 30 Tage nach der Emission bis zu 15% des Emissionsvolumens zusätzlich anfordern96; das gilt auch für den deutschen Markt97. Recht häufig wurde die Greenshoe-Option in der Vergangenheit dann auch ausgeübt: Im Rahmen einer ökonomischen Studie, die allerdings ausschließlich NASDAQ-Unternehmen untersuchte, wurde aufgezeigt, dass die Greenshoe-Option in 57% der Fälle in voller Höhe, bei 13% immerhin teilweise und nur bei 30% der Emissionen gar nicht wahrgenommen wurde98. Grundsätzlich werden die Banken also bei nach der Emission gestiegenen Kursen die Greenshoe-Option ausüben, die Anzahl der im Umlauf befindlichen Anteile damit erhöhen und auf diese Weise dazu beitragen, dass der Marktpreis (möglicherweise) wieder sinkt99. Ist der Kurs hingegen nach der Emission bereits gesunken, können sie problemlos Aktien am Markt erwerben und auf diese

_________ 91

Dazu noch mehr im unten folgenden Abschnitt E.I.1.c). Vgl. Schanz, BKR 2002, 439, 442 unter Angabe statistischer Werte für den Neuen Markt. 93 Auch das CESR bezeichnet das in seiner Empfehlung als “best practice“, vgl. CESR/02-020b vom April 2002, S. 13. 94 Schanz, BKR 2002, 439, 440 mit Angabe statistischer Werte für den Neuen Markt; Groß, ZIP 2002, 160; Technau, AG 1998, 445, 446 und 458. 95 Groß, ZIP 2002, 160. 96 Ellis et al., 55 Journal of Finance (2000), S. 1039, 1058; Hanley et al., 5 Journal of Financial Intermediation (1996), S. 127, 135; Aggarwal, 55 Journal of Finance (2000), S. 1075. 97 Groß, ZIP 2002, 160, 161; Schanz, BKR 2002, 439, 442 unter Angabe statistischer Werte für den Neuen Markt; ansonsten Technau, AG 1998, 445, 458; Busch, AG 2002, 230, 231; Lenenbach, Kapitalmarkt- und Börsenrecht, Rn. 7.104; Schäfer in Schwintowski/Schäfer, § 23 Rn. 93; Schanz, Börseneinführung, § 10 Rn. 91. 98 Ellis et al., 55 Journal of Finance (2000), S. 1039. 99 Sog. Verwässerungseffekt. Das ist zumindest dann der Fall, wenn der Emissionspreis, also der Preis, der dem Emittenten auch für diese zweite Tranche zufließt, unter dem Marktpreis liegt. Die im Abschnitt C.I angestellten Überlegungen zur Wirkungsweise der Kurspflege sind hier irrelevant, da in diesem Fall ja eine tatsächliche Veränderung der wirtschaftlichen Verhältnisse des Emittenten eintritt, nämlich die Ausgabe neuer Anteile und die Einnahme des Emissionspreises pro neu ausgegebener Aktien. 92

40

B. Die emissionsbegleitenden Tätigkeiten der Beteiligten

Weise die vorgenommenen Leerverkäufe bedienen, mithin auf diesem Wege ihre eigenen Short-Positionen abbauen100. Der Börsenkurs soll101 dadurch wieder steigen. Sowohl die Zulässigkeit von Stabilisierungskäufen an sich als auch die von Mehrzuteilung und Greenshoe-Option sind in der Ausnahmeverordnung der Europäischen Kommission, VO 2273/2003, ausdrücklich geregelt. 3. Vertragliche Abreden zur Beschränkungen der Aktienveräußerungsmöglichkeit a) „Lock-up“-Vereinbarungen Weniger Beachtung in der aktuellen Literatur zum Thema Stabilisierung und keine Erwähnung in der Verordnung finden sog. „Lock-up“-Vereinbarungen. Ungeachtet dessen sind derartige Maßnahmen zur Kursstützung durchaus geeignet102 und marktüblich103. „Lock-ups“ sind ein Unterfall sog. Marktschutzvereinbarungen104. Marktschutzvereinbarungen sind Abreden zum rücksichtsvollen Umgang mit Aktien des Emittenten im zeitlichen Umfeld eines Börsengangs105. Unter „Lock-up“Vereinbarungen versteht man die vertragliche Verpflichtung der Altaktionäre, ihre Anteile im Anschluss an eine Wertpapierplatzierung innerhalb einer be-

_________ 100 Zur Problematik eines etwaigen Automatismus vgl. die kritische Auseinandersetzung unten im Abschnitt C.III.3. 101 Auf die Frage, wie genau der Kauf von Aktien den Kurs beeinflusst, soll weiter unten noch eingegangen werden, siehe Abschnitt C.I. 102 Schäfer in Schwintowski/Schäfer, § 23 Rn. 95; Pfüller/Anders, WM 2004, 2445, 2449; Bruchner/Popischil in Lutter/Schneider, Rn. 11.39; Lutter/Drygala in FS Raisch, S. 239, 246 ff; ausführlicher zu der wirtschaftlichen Wirkungsweise noch Abschnitt C.II.2 und Fleischer, WM 2002, 2305, 2306 f. 103 Vgl. nur Pfüller/Anders, WM 2004, 2445, 2449. Das zeigen auch die jüngsten Erfahrungen in der Praxis, vgl. beispielsweise den Wertpapierprospekt der Praktiker Bau- und Heimwerkermärkte Holding AG vom 4.11.2005, S. 10, den Prospekt der QCells AG vom 20.9.2005, S. 7 und den der Thielert AG vom 4.11.2005, S. 14 f. Mit der Erläuterung einer empirischen Untersuchung für den US-amerikansichen Kapitalmarkt auch Field/Hanka, 56 Journal of Finance (2001), 471. 104 Neben den nachfolgend beschriebenen Veräußerungsrestriktionen, die den Aktionären entweder vom Emissionskonsortium oder vom Emittenten auferlegt werden, fallen auch sog. Verwässerungsschutzvereinbarungen unter den Begriff des Marktschutzes. Hier verpflichtet sich der Emittent gegenüber dem Emissionskonsortium, Maßnahmen zu unterlassen, die zu einem Absinken des Kurses führen könnten; der Emittent verzichtet hier insbesondere zeitweise auf die Durchführung von Kapitalerhöhungen, vgl. hierzu Fleischer, WM 2002, 2305, 2306. 105 Lutter/Drygala in FS Raisch, S. 239, 246; Fleischer, WM 2002, 2305. Verlangt wird dabei letztlich ein Wohlverhalten gegenüber dem Markt, der Gesellschaft und den Neuanlegern, vgl. Bruchner/Popischil in Lutter/Schneider, Rn. 11.38.

III. Durchführung der Kursstabilisierung nach der Platzierung

41

stimmten Frist nicht zu veräußern106, weder direkt noch indirekt zur Veräußerung anzubieten, und auch sonst keine Maßnahmen zu ergreifen, die einer Veräußerung wirtschaftlich gleichkommen107. Derartige Abreden werden teilweise mit den Emissionsbanken, insbesondere aber auch mit dem Emittenten selbst getroffen. Auf diese Weise sollen wirtschaftlich nachteilige Folgen108 verhindert werden, die für den Fall zu befürchten sind, dass sich die Altaktionäre im zeitnahen Umfeld einer Platzierung von ihren Anteilen trennen, dadurch selbst „Kasse machen“, und der Aktienkurs auf diese Weise – möglicherweise signifikant – fällt. Gerade in dem Fall, in dem die Abreden zwischen Altaktionär und Emissionskonsortium getroffen werden, ist zwischen verschiedenen Abstufungen des Marktschutzes zu differenzieren: Entweder der Altaktionär verpflichtet sich, eine etwaige Veräußerung nur mit Zustimmung des Konsortiums vorzunehmen, das diese für die Fälle einer marktschonenden Veräußerung zu geben verspricht, oder die etwaigen Verkäufe müssen gemäß der Abrede ausschließlich über das Emissionskonsortium selbst vorgenommen werden, oder es handelt sich sogar um echte Haltevereinbarungen, die dem Aktionär vorübergehend die Veräußerung vollumfänglich untersagen109. Aufgrund der kursstützenden Wirkung der „Lock-up“-Vereinbarungen werden diese vom Untersuchungsgegenstand der vorliegenden Arbeit erfasst. Da derartige Abreden im Anschluss an eine Emission jedoch aktienrechtlich110 und – im Falle ihrer Offenlegung111 – auch kapitalmarktrechtlich112 vergleichsweise unproblematisch sind, werden sie im Fortgang der Arbeit unweigerlich weniger Beachtung finden als die Stabilisierung durch Kapitalmarkttransaktionen, insbesondere Aktienkäufe.

_________ 106

Schäfer in Schwintowski/Schäfer, § 23, Rn. 95. Fleischer, WM 2002, 2305; Benz/Kiwitz, DStR 1999, 1162, 1163; Harrer/Mölling, BB 1999, 2521; Ekkenga, WM 2002, 317, 321; Pfüller/Anders, WM 2004, 2445, 2449. 108 Zu diesen Folgen und der darauf basierenden kursstützenden Wirkungsweise derartiger Vereinbarungen siehe noch den Abschnitt C.II.2. 109 Vgl. zu alledem Fleischer, WM 2002, 2305, 2306. Zu dieser Einteilung auch – allerdings nicht nur auf die Abreden zwischen Konsortium und Aktionären bezogen – Lutter/Drygala in FS Raisch, S. 239, 246. 110 Vgl. nur Bruchner/Popischil in Lutter/Schneider, Rn. 11.38: „uneingeschränkt als zulässig angesehen“. 111 Dazu ist der Emittent ersten verpflichtet, vgl. noch Abschnitt E.II.1.c)(5)(b), und zweitens werden derartige Vereinbarungen schon aufgrund ihrer positiven Signalwirkung, vgl. noch Abschnitt C.II.2, auch gerne publiziert. 112 Im Falle der Offenlegung wird das andernfalls zu berücksichtigende Täuschungsund Manipulationspotential erheblich verringert, was v.a. für einen etwaigen Verstoß gegen § 20a WpHG von entscheidender Bedeutung ist. 107

42

B. Die emissionsbegleitenden Tätigkeiten der Beteiligten

b) „Penalty Bids” Auch die vor allem in den Vereinigten Staaten diskutierten „Penalty Bids“ sollen gewisse Aktionärskreise an der sofortigen Veräußerung im Anschluss an die Emission hindern. Sie sind aber nicht identisch mit den soeben dargestellten „Lock-up“-Vereinbarungen. Denn im Zuge der „Penalty Bids“ soll unterbunden werden, dass gerade die Neuaktionäre, die die Aktien erst im Zuge der Emission zugeteilt bekommen haben, dieselben im direkten Anschluss wieder veräußern. Der Stabilisierungsmanager versucht das nach einer Emission häufig zu beobachtende Flipping also vertraglich zu unterbinden. Flipper veräußern ihre Anteile wieder, sofort nachdem sie dieselben im Zuge der Emission erworben haben, und versuchen auf diese Weise an einem nach der Emission sprunghaft steigenden Kurs113 gewinnschöpfend zu partizipieren. „Penalty Bids” sind vertragliche Klauseln, denen zufolge der Stabilisierungsmanager die Provision von den Syndikatsmitgliedern, deren Kunden die Aktien sofort wieder veräußern, zurückverlangen kann114. Das betroffene Syndikatsmitglied wiederum wendet sich an den beteiligten Broker, dem es seinerseits die andernfalls zu zahlende Provision vorenthält. Ob eine etwaige Klausel tatsächlich ausgeübt wird, hängt vom Einzelfall ab115. In anderen Fällen werden Strafzahlungen (“Penalties”) für den Fall des Flippings vereinbart116. Teilweise droht der Stabilisierungsmanager auch einfach nur an, zu stark auftretendes Flipping mit dem Ausschluss von zukünftigen Emissionen zu bestrafen. Allein eine solche Androhung kann Wirkung zeigen117. In jedem der genannten Fälle wird das jeweilige Mitglied versuchen, seine Anteile ausschließlich an Kunden abzugeben, die die Aktien mit höchster Wahrscheinlichkeit in nächster Zeit nicht verkaufen werden118. Es kommt also nicht zu einer direkten vertraglichen Verpflichtung der Neuaktionäre selbst; eine sofortige Veräußerung soll vielmehr durch gezielte Zuteilung an langfristig interessierte Anleger verhindert werden. In der Folge sollen „Penalty Bids“ jedoch aus Gründen der Darstellung, zusammen mit den „Lock-up“-

_________ 113 Grund für die rapiden Kursanstieg ist gegebenenfalls vor allem ein vorheriges Underpricing, vgl. noch näher den Abschnitt C.I.1. 114 Vgl. Aggarwal, 55 Journal of Finance (2000), 1075, 1080; Benveniste/Erdal/Wilhelm, Journal of Banking & Finance (1998), 741, 742; SEC Release Nos. 33-8511, 34-50831 (2004), S. 57. 115 SEC Release Nos. 33-8511, 34-50831 (2004), S. 58. 116 Thießen, WiSt 2002, 523, 524. 117 Aggarwal, 68 Journal of Financial Economics (2003), 111, 115; Benveniste et al., 42 Journal of Financial Economics (1996) 223, 224. Hanley/Lee/Seguin, 5 Journal of Financial Intermediation (1996) 127, 133. 118 Benveniste/Busaba/Wilhelm, 42 Journal of Financial Economics (2003), 223, 224.

IV. Verpflichtung des Konsortialführers

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Vereinbarungen, unter den Begriff „Veräußerungsbeschränkungen“ gefasst werden. Denn auch mit ihnen sollen letztlich verstärkte Veräußerungsvorgänge verhindert werden. Diese Form der Stabilisierung wird insbesondere in US-amerikanischen Kapitalmarktstudien angeführt119 und hat in der die Stabilisierung regelnden Regulation M sogar ausdrückliche Erwähnung gefunden. „Penalty Bids“ werden folglich in erster Linie in der später folgenden120 Darstellung des US-amerikanischen Rechts besondere Beachtung finden. Abschließend kann also festgehalten werden, dass die eine Form von Stabilisierung („Lock-up”-Vereinbarungen und „Penalty Bids“) den Kurs durch eine Begrenzung des Angebots stützen will, während die beiden anderen Ausprägungen („Pure Stabilization” und „Short Covering”) gezielt die Nachfrage erhöhen. Mittels welcher ökonomischer Effekte der Kurs im Einzelnen tatsächlich beeinflusst werden könnte, wird an späterer Stelle121 noch eingehend erörtert.

IV. Verpflichtung des Konsortialführers 1. Verpflichtung Das Stabilisierungsgeschäft im Anschluss an Aktienplatzierungen wird fast ausschließlich von den an der Emission beteiligten Banken vorgenommen. Der Emittent selbst stabilisiert den Kurs nach einer Aktienplatzierung fast nie. In den USA wäre das sogar unzulässig122. Und auch nur ausnahmsweise bilden sich sog. „selbständige“ Kurspflegekonsortien, die mit einer vorangegangenen Emissionstätigkeit nicht in organisatorischem Zusammenhang stehen123; denkbar ist das jedoch für die Einführung ausländischer Aktien an deutschen Börsen124. Innerhalb des Emissionskonsortiums ist die Kurspflege zumeist dem Konsortialführer (lead manager) anvertraut125, der sie im Namen des gesamten

_________ 119

Vgl. für den US-amerikanischen Kapitalmarkt umfassend Aggarwal, 55 Journal of Finance (2000), 1075; Schäfer in Schwintowski/Schäfer, § 23 Rn. 95. 120 Abschnitt D. 121 Abschnitt C.II. 122 Vgl. den Abschnitt D.III.6. 123 De Meo, Bankenkonsortien, S. 12; Pfüller/Anders, WM 2003, 2445, 2451; Fleischer, ZIP 2003, 2045, 2046 und 2052. 124 De Meo, Bankenkonsortien, S. 12; Meißner, Stabilisierung und Pflege von Aktienkursen, S. 187. 125 Vgl. Schäfer, WM 1999, 1345; Fleischer, ZIP 2003, 2045.

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B. Die emissionsbegleitenden Tätigkeiten der Beteiligten

Konsortiums durchführt126. Fraglich ist, ob und gegebenenfalls inwieweit sich eine vertragliche Verpflichtung des Konsortiums oder des Konsortialführers zur Kursstabilisierung ergeben kann. Vereinzelt wird angenommen, eine solche Verpflichtung ergebe sich als gesellschaftsrechtliche Nebenpflicht aus dem Übernahmevertrag127. Die konkreten Regelungen über Dauer, Ausmaß und Kostentragung der Kurspflege könne man unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls jeweils ermitteln. Als Argument dafür, dass es sich um eine bloße Nebenpflicht und nicht um eine Hauptpflicht des Konsortiums handelt, wird angeführt, dass die Konsorten im Falle unerwarteter Kurseinbrücke in eigenem Interesse eingriffen. Denn das eingeführte Wertpapier werde auf längere Zeit mit dem Einführungskonsortium in Verbindung gebracht, weshalb nachhaltige Kurseinbrüche auch dem Emissionskredit der Konsorten erheblich schaden könnten128. Diesem Argument ist beizupflichten. M.E. kann daraus aber nicht nur abgeleitet werden, dass es sich nicht um eine Hauptpflicht handelt, sondern sogar, dass es sich um gar keine vertragliche Verpflichtung handelt129. Denn eine solche ist überflüssig, solange die zu verpflichtende Partei die Tätigkeit, zu der sie sich verpflichten könnte, ohnehin im eigenen Interesse wahrnehmen muss. Ein Eigeninteresse der beteiligten Banken ergibt sich aus verschiedenen Gesichtspunkten: Zum einen trägt das Emissionskonsortium in den meisten Fällen das Risiko der vollständigen Platzierung aller Aktien auf dem Emissionsmarkt. Das begründet ein starkes Interesse des Konsortialführers an einer erfolgreichen und vollständingen Platzierung, die durch Stabilisierungsmaßnahmen unterstützt werden kann130. Darüber hinaus darf – wie bereits angeführt – nicht vergessen werden, dass in einem ganz beträchtlichen Ausmaß die Reputation der Emissionsbank131 im Hinblick auf die Durchführung erfolgreicher Emissionen auf dem Spiel steht. Ein nach der Emission stark sinkender Aktienkurs wäre in jedem Falle abträglich. Dies gilt für die Stabilisierung durch Aktienkäufe und für die Vereinbarung von Veräußerungsbeschränkungen gleichermaßen. Wie an späterer Stelle132 noch erläutert wird, ergibt sich für die Emissionsbank im Zuge

_________ 126 Krämer/Hess in FS Döser, S. 171, 181 f. mit Formulierungsbeispiel für eine entsprechende Vereinbarung zwischen den Banken. 127 De Meo, Bankenkonsortien, S. 58 f. und 152 f. 128 De Meo, Bankenkonsortien, S. 59. 129 Gegen eine nachvertragliche Nebenpflicht aus dogmatischen Gründen ausdrücklich Grundmann in Schimansky/Bunte/Lwowski, § 112 Rn. 78. 130 So auch Krämer/Hess in FS Döser, S. 171, 178. Auf die wirtschaftlichen Interessen der Emissionsbanken abstellend auch Grundmann in Schimansky/Bunte/Lwowski, § 112 Rn. 78. 131 Auf diesen Aspekt abstellend auch Fleischer, ZIP 2003, 2045, 2046. 132 Vgl. insoweit v.a. den Abschnitt C.III.3.c).

IV. Verpflichtung des Konsortialführers

45

von Stabilisierungskäufen zudem die Möglichkeit, unter bestimmten Umständen Veräußerungsgewinne zu realisieren133. Auch das spricht für ein Eigeninteresse der Banken an der Stabilisierungstätigkeit. Wohl gerade aus diesen Gründen finden sich in den Übernahmeverträgen zwischen den Emittenten und den Banken ausdrückliche Verpflichtungen zur Stabilisierung heute nicht (mehr)134. Allenfalls sagt man zu, „etwaige Stabilisierungsmaßnahmen nach Maßgabe der geltenden Gesetze und Börsenusancen“135 durchzuführen. Teilweise wird schon daraus abgeleitet, dass auch eine konkludente vertragliche (Neben)Pflicht nicht bestehe. Denn in der Praxis sei es üblich, derartige Pflichten und die damit zusammenhängende Kostenfrage gegebenenfalls ausdrücklich und schriftlich zu vereinbaren136. In der Tat ist in Anbetracht der so häufigen Durchführung solcher Maßnahmen nach Platzierungen davon auszugehen, dass die Parteien eine entsprechende Klausel in den Übernahmevertrag aufnehmen würden, wollten sie eine wirkliche Verpflichtung schaffen. Ein entscheidendes Argument bietet in diesem Zusammenhang aber auch die Formulierung des Art. 9 Nr. 1 a) der VO 2273/2003. Diese Vorschrift legt wie auch schon die entsprechende Norm in der KuMaKV137 fest, dass die Marktteilnehmer im Rahmen der obligatorischen Bekanntgabepflicht darüber aufgeklärt werden müssen, dass keine Garantie bzw. Verpflichtung zur Durchführung von Stabilisierungsmaßnahmen bestehe. Sofern der Verordnungsgeber hiermit nicht nur ausdrücken wollte, dass dem Anleger kein Anspruch auf Durchführung solcher Maßnahmen zusteht138, kann daraus abgeleitet werden, dass auch die Europäische Kommission sich zumindest der Marktpraxis bewusst ist und wohl davon ausgeht, dass eine etwaige vertragliche Verpflichtung

_________ 133

Wenig überzeugend erscheint deshalb allerdings das Argument, die Banken wollten sich nicht vertraglich binden, weil durch eine solche Pflicht ein erhebliches wirtschaftliches Risiko entstehe, so Krämer/Hess in FS Döser, S. 171, 180. Gerade im Zuge des Mehrzuteilungs- und Greenshoe-Verfahrens werden die meisten wirtschaftlichen Risiken ausgeschaltet. 134 Krämer/Hess in FS Döser, S. 171, 180; Meißner, Stabilisierung und Pflege von Aktienkursen, S. 186; Leppert/Stürwald, ZBB 2004, 302, 311; Schanz, Börseneinführung, § 10 Rn. 122; Groß in GS Bosch, S. 49, 58; wohl auch Vogel in Assmann/Schneider, § 20a Rn. 217. A.A. wohl Grundmann in Schimansky/Bunte/Lwowski, § 112 Rn. 30 und Schäfer in Schwintowski/Schäfer, § 23 Rn. 90. 135 Schanz, Börseneinführung, § 9 Rn. 37; Meißner, Stabilisierung und Pflege von Aktienkursen, S. 186. 136 Fleischer, ZIP 2003, 2045, 2046. 137 Dort § 9 I 2 Nr. 1. 138 Das ist aber wohl nicht der Fall. Ausweislich der Begründung zur KuMaKV sollte der Anleger nur darüber aufgeklärt werden, dass er sich auf derartige Maßnahmen nicht verlassen darf, vgl. Begründung zur KuMaKV, BR-Drucks. 639/03, zu § 9, S. 16.

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B. Die emissionsbegleitenden Tätigkeiten der Beteiligten

auch gegenüber dem Emittenten nicht besteht. Ob daraus jedoch – noch weitergehend – abgeleitet werden kann, dass eine solche vertragliche Verpflichtung sogar unzulässig ist139, ist indes sehr fraglich. Der Verordnungsgeber wollte im Rahmen der Bekanntgabepflichten die Interessen der Marktteilnehmer schützen und nicht explizit die Vertragsgestaltungsmöglichkeiten zwischen Emittent und Konsortium regulieren. Es kann also festgehalten werden, dass sich eine vertragliche Verpflichtung der Konsortialbanken zur Stabilisierung nicht automatisch ergibt, sondern allenfalls – wie in der derzeitigen Praxis aber nicht üblich – ausdrücklich festgelegt140 werden müsste141. Nebenbei sei angemerkt, dass sich eine Verpflichtung zur Stabilisierung normalerweise auch nicht aus dem Konsortialvertrag zwischen den Banken ergibt142. Dort werden expressis verbis allenfalls Ermächtigungen zugunsten des Lead Managers in den Konsortialvertrag aufgenommen, die festhalten, dass er etwaige Stabilisierungsmaßnahmen im Namen der anderen Konsorten durchführen darf143. E contrario kann daraus geschlossen werden, dass der Konsortialführer nicht schon grundsätzlich zur Vornahme solcher Maßnahmen verpflichtet ist. 2. Vergütung als Gegenleistung Enthält der Übernahmevertrag also keine explizite Verpflichtung zur Stabilisierung und ist eine implizite – wie gesehen – nicht ohne weiteres herleitbar, ist die Antwort auf die sich anschließende Frage, ob die Emissionsbank eine besondere Vergütung für die Durchführung der Stabilisierungsmaßnahmen erhält, bereits vorgezeichnet. Während man früher144 die Stabilisierungskosten als Emissionskosten betrachtete, die dem Emittenten zugeordnet werden konn-

_________ 139

So angedacht bei Feuring, in Habersack/Mülbert/Schlitt, § 27 Rn. 39. Das aber bleibt natürlich möglich, so auch explizit Meißner, Stabilisierung und Pflege von Aktienkursen, S. 186 f.; Vogel, ZIP 2003, 2437 2440 f.; auch Krämer/Hess in FS Döser, S. 171, 180 f. 141 Fleischer, ZIP 2003, 2045, 2046; Meißner, Stabilisierung und Pflege von Aktienkursen, S. 186 f.; Krämer/Hess in FS Döser, S. 171, 180; Feuring, in Habersack/Mülbert/Schlitt, § 27 Rn. 39; a.A. wohl Lenenbach, Kapitalmarkt- und Börsenrecht, Rn. 7.102 und 7.105; Schanz, Börseneinführung, § 10 Rn. 122; Schlitt/Schäfer, AG 2004, 346, 357, Fn. 108. 142 Fleischer, ZIP 2003, 2045, 2046; Meißner, Stabilisierung und Pflege von Aktienkursen, S. 187. A.A. De Meo, Bankenkonsortien, S. 58 f. 143 Krämer/Hess in FS Döser, S. 171, 181 f. 144 Auch hier wird an verschiedenen Stellen in der Literatur wieder der entsprechende Wandel in der Praxis betont. Wahrscheinlich erscheint, dass gerade aufgrund der nunmehr nicht mehr aufgestellten ausdrücklichen Stabilisierungsverpflichtung im Übernahmevertrag auch die Auffassung verdrängt wurde, dass die Stabilisierungskosten dem Emittenten zuzurechnen sind. 140

IV. Verpflichtung des Konsortialführers

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ten145, ist heute konsequenterweise davon auszugehen, dass der Konsortialführer aufgrund seines eigenen Interesses an diesem Geschäft die Maßnahmen auch auf eigene Kosten durchführt146. In jedem Fall kann nicht ohne weiteres angenommen werden, dass ein Teil der an das Konsortium gezahlten Provision147 als Vergütung für die Stabilisierungstätigkeit anzusehen ist. Denn wenn die Banken hierzu – wie soeben gesehen – vertraglich nicht verpflichtet sind, macht auch eine implizite Vergütung dieser Tätigkeit wenig Sinn148. Soweit Kurspflegemaßnahmen ausdrücklich vergütet werden, handelt es sich dabei in der überwiegenden Mehrheit um die Fälle, in denen die Kurspflege nicht von dem Emissionskonsortium selbst, sondern von einer davon separaten Kurspflegegesellschaft betrieben werden soll149.

_________ 145 Fleischer, ZIP 2003, 2045, 2046; tatsächlich noch so beispielsweise bei Lutter/Gehling, WuB II A. § 71a AktG 1.92, S. 952, 955. 146 Fleischer, ZIP 2003, 2045, 2046 m.w.N.; so auch Groß in GS Bosch, S. 49, 58. 147 Siehe insoweit oben den Abschnitt B.I.3. 148 Mit diesem Ergebnis auch Meißner, Stabilisierung und Pflege von Aktienkursen, S. 186 f. 149 Vgl. insoweit z.B. den Sachverhalt, der der Entscheidung des OLG Frankfurt a.M. vom Januar 1992 zugrunde lag, OLG Frankfurt a.M., WuB II A. § 71a AktG 1.92, S. 951. In diesem Fall wurde eine Kurspflegevergütung von 3,5% des Emissionserlöses als angemessen angesehen.

C. Das Stabilisierungsgeschäft aus ökonomischer Sicht Im Zentrum dieser Arbeit soll die Frage nach der Zulässigkeit und den rechtlichen Grenzen der Kursstabilisierung stehen. Die damit verbundenen Sachverhalte sind teilweise konkret und ausdrücklich geregelt, teilweise werden sie lediglich von abstrakten Verbotstatbeständen erfasst. In jedem Fall ergeben sich Auslegungs- und Bewertungsprobleme, die nur dann einer vernünftigen Lösung zugeführt werden können, wenn die ökonomischen Gefahren auf der einen und die wirtschaftlichen Vorteile auf der anderen Seite hinreichende Beachtung finden. Deshalb soll im Folgenden das Stabilisierungsgeschäft aus ökonomischer Sicht beleuchtet werden. Bevor sich die Arbeit mit der Wirkungsweise der Stabilisierungsmaßnahmen auseinandersetzt, sollen die Kursentwicklungen beschrieben werden, die sich ohne die Kurspflege – möglicherweise auch mit ihr – im Anschluss an eine Emission typischerweise einstellen. Anschließend werden die mit der Stabilisierung verbundenen Vorteile in Abwägung mit der von ihr ausgehenden Manipulationsgefahr erörtert.

I. Typische Preisentwicklung im Anschluss an eine Emission Nach ihrer Erstausgabe sind die neuen Wertpapiere häufig starken Kursschwankungen unterworfen. Insbesondere weil sich dabei bestimmte Effekte regelmäßig wiederholen, hat die Frage nach den Ursachen für solche Entwicklungen gesteigerte Beachtung in der betriebswirtschaftlichen und teilweise auch juristischen Literatur gefunden. Für die ökonomische Beurteilung der Kurspflege hat das deshalb besondere Bedeutung, weil sich aus der Begründung für eben diese Kursentwicklungen Indizien ergeben können, mit welcher Dringlichkeit die damit in Zusammenhang stehenden Kursschwankungen vermieden werden müssen. 1. „Underpricing“ Der erste Handelstag nach einer Emission ist häufig geprägt durch einen starken Kursanstieg, also einer deutlichen positiven Abweichung des Schlusskurses am ersten Tag vom zuvor festgesetzten Emissionspreis. Diese sog. Zeichnungsrendite betrug bei US-amerikanischen IPOs, deren Untersuchungen sich insgesamt auf empirische Daten aus den vergangenen 40 Jahren beziehen,

I. Typische Preisentwicklung im Anschluss an eine Emission

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rund 15%1. Ähnliche Zahlen wurden auch für den deutschen Kapitalmarkt nachgewiesen2. Es ist davon auszugehen, dass derartige Befunde auf fast allen Kapitalmärkten beobachtet werden können3. Solche Renditen finden ihren Grund in einer zu niedrigen Festsetzung des Emissionspreises, sog. „Underpricing“4. Dieses Phänomen konnte auch durch die Einführung des BookbuildingVerfahrens nicht beseitigt werden5. Die Ursachen für diese Unterbewertung sind in der wirtschaftswissenschaftlichen Literatur noch nicht abschließend geklärt. a) Reputationsgedanke Der dem „Underpricing“ folgende Kursanstieg nach der Wertpapierausgabe impliziert einen insgesamt erfolgreichen Verlauf der Emission. Das dient auch dem Standing der betreffenden Emissionsbank im Kapitalmarkt. Schon deshalb kann die Festsetzung eines bewusst niedrigeren Preises Vorteile für die involvierten Banken haben. Überdies sind die Banken – zumindest im Fall eines Garantie- oder Übernahmekonsortiums – aufgrund des hohen Platzierungsrisikos6 an einer reibungslosen Emission interessiert7; einen überhöhten Ausgabepreis gilt es vor diesem Hintergrund in jedem Fall zu vermeiden. Teilweise – insbesondere von Seiten der Investmentbanken – wird aber auch behauptet, das „Underpricing“ sei eine bewusst eingesetzte Möglichkeit, das

_________ 1 Vgl. Ellis/Michaely/O´Hara, Journal of Finance 2000, 1039 ff.; Thießen, WiSt 2002, 523; Aggarwal, Journal of Finance 2000, 1075, 1082 ff. 2 Uhlir, Zeitschrift für Bankrecht und Bankwirtschaft 1989, 2 ff.; Brinker, Investment Banking ,S. 35; Ljungqvist, European Economic Review 1997, 1309, 1313 ff.; Wasserfallen/Wittleder, 38 European Economic Review (1994), 1505; Kaserer/Kempf, ZBB 1995, 45; Kaserer/Kempf, Die Bank 1996, S. 185, 186. 3 Uhlir, Zeitschrift für Bankrecht und Bankwirtschaft 1989, 2, 3; Meißner, Stabilisierung und Pflege von Aktienkursen, S. 51. 4 Kaserer/Kempf, ZBB 1995, 45; Schäfer in Schwintowski/Schäfer, § 23 Rn. 74. 5 Willamowski, Bookbuilding, Rn. 218; Kaserer/Kempf, Die Bank 1996, 184, 186 haben ein durchschnittliches Underpricing von 5,6% festgestellt. Dieser Wert lag sogar höher als das Underpricing während der selben Zeitspanne (Jahr 1995) beim Festpreisverfahren. Dieses Ergebnis wird auch durch die Tatsache bestätigt, dass das Underpricing-Phänomen in angelsächsichen Ländern nicht weniger stark ausfällt, obwohl das Boobuilding-Verfahren dort schon lange üblich ist. Grund dafür könnte sein, dass die im Bookbuilding befragten Anleger ihr Interesse an der Aktie aus taktischen Gründen untertreiben, vgl. Meißner, Stabilisierung und Pflege von Aktienkursen, S. 53. 6 Vgl. zu dieser Problematik bereits oben den Abschnitt B.I.3.a). 7 Vgl. Kaserer/Kempf, ZBB 1995, 45, 49. Konsequenterweise führen diese Stimmen das Underpricing dann auf den geringen Wettbewerb auf dem Emissionsmarkt zurück, vgl. Kaserer/Kempf, ZBB 1995, 45, 49 ff. und Uhlir, Zeitschrift für Bankrecht und Bankwirtschaft 1989, 2, 3 ff.

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C. Das Stabilisierungsgeschäft aus ökonomischer Sicht

Standing und die Reputation des Emittenten zu sichern, indem so langfristig zu einem gesunden und nachhaltigen Kursverlauf beigetragen wird8. Auch der Emittent habe deshalb ein gewisses Interesse an einer eher niedrigen Festsetzung des Emissionspreises, um sich ein positives Standing für etwaige Folgeemissionen aufzubauen. b) Risikoaversion der Anleger Außerdem könnte auch auf das erhöhte Investitionsrisiko abgestellt werden, das mit einer (Erst)Emission von Wertpapieren verbunden ist. Das auszugebende Wertpapier unterlag bis zu diesem Zeitpunkt noch keiner Bewertung durch den freien Kapitalmarkt. Die auf die Emission folgende Reaktion ist ungewiss. Da fast alle Anleger dem Grunde nach risikoavers sind, muss einem erhöhten Risiko immer auch eine höhere erwartete Rendite folgen, wenn die Anziehungskraft einer Anlage für die Marktteilnehmer gleich bleiben soll. Schon deshalb müsse man den Käufern am Primärmarkt durch gezieltes „Underpricing” eine gesteigerte erwartete Rendite versprechen. Gegen diesen Gedanken lässt sich allerdings einwenden, dass das bei einer Emission verbleibende Risiko durch Erwerb von Derivaten weitgehend diversifiziert und in diesem Zuge verringert werden kann. Einer Entschädigung durch „Underpricing” bedarf es daher nicht. c) Entschädigung der vergleichsweise schlecht informierten Anleger Zum großen Teil wird das Phänomen des „Underpricings” auf eine asymmetrische Informationsverteilung am Kapitalmarkt zurückgeführt9. Eines dieser informationsökonomischen Modelle10 geht von zwei verschiedenen Gruppen von Anlegern aus: die sog. Uninformierten und die sog. Informierten. Letztere hätten insoweit einen Informationsvorsprung, als sie überbewertete von unterbewerteten Emissionen unterscheiden könnten. Sie zeichneten folglich lediglich die unterbewerteten11. Die Uninformierten könnten diese Unterscheidung nicht

_________ 8 Vgl. Uhlir, Zeitschrift für Bankrecht und Bankwirtschaft 1989, 2, 3; Loque et al., 75 Journal of Businss (2002), 213, 214. 9 Betsch, Corporate Finance, S. 369; Neus, Kredit und Kapital 1996, 428, 429; Uhlir, Zeitschrift für Bankrecht und Bankwirtschaft 1989, 2, 4; Kaserer/Kempf, ZBB 1995, 45, 47. 10 Dieses geht zurück auf Rock, Journal of Financial Economics (1986), 187 ff., vgl. Kaserer/Kempf, ZBB 1995, 45, 47; Loque et al., 75 Journal of Businss (2002), 213, 214. 11 Rock, Journal of Financial Economics (1986), 187, 191. Anderer Auffassung sind hier insbesondere Hanley/Wilhelm: Auch instutionelle (vermutetermaßen gut Informierte) Investoren seien an Überbewerteten IPOs beteiligt, da ein Fernbleiben von solchen keinesfalls „kostenfrei“ sei. Denn in diesem Fall bestehe die Gefahr, dass sie in Zukunft

I. Typische Preisentwicklung im Anschluss an eine Emission

51

mit der nötigen Sicherheit treffen. Sie wüssten lediglich, dass es unterbewertete und überbewertete Emissionen gibt und dass es informierte Anleger (die Informierten) gibt, die schon ex ante entsprechend unterscheiden könnten. Die Uninformierten folgerten daraus, dass sie zwar den Verlust alleine tragen müssten im Fall einer Überbewertung, sich den Gewinn aber im Fall einer Unterbewertung mit den Informierten zu teilen hätten. Das führe dazu, dass die Uninformierten sinnvollerweise nur dann zeichneten, wenn der Emittent für den Emissionspreis einen entsprechenden Abschlag vom Erwartungswert12 mache13. Wolle der Emittent auf die Uninformierten als Investoren nicht verzichten, müsse er auf diese Forderung eingehen14. Je größer die Ex ante-Unsicherheit (der Uninformierten) und damit die Informationsasymmetrie sei, desto größer sei das „Underpricing”15. Daraus folge, dass der Ausgabepreis systematisch unter dem Erwartungswert liegt, und die Papiere dadurch typischerweise unterbewertet seien. d) Entschädigung der vergleichsweise gut informierten Anleger Ein anderer Ansatz16, der allerdings ebenfalls auf der Annahme asymmetrischer Informationsverteilung basiert, geht davon aus, dass mit dem „Underpricing” nicht die Uninformierten, sondern ganz gezielt die besser Informierten belohnt werden sollen. Emittent und Emissionsbank hätten häufig selbst nicht alle Informationen, die zur Bewertung nötig seien; auch insoweit herrsche also eine gewisse Informationsasymmetrie17. Aus diesem Grund wolle der Emittent

_________ an den dann ertragsreicheren Emissionen nicht mehr teilnehmen könnten, vgl. Hanley/Wilhelm, 37 Journal of Financial Economics (1995), 239, 241. 12 Die Differenz zwischen objektivem Erwartungswert und dem von den Uninformierten gerade noch gezahlten Wert kann in Abhängigkeit verschiedener Faktoren quantifiziert werden. Sie steigt z.B. mit dem Anteil informierter Anleger und mit der Unsicherheit der Erwartungen über den Sekundärmarktpreis, vgl. nur Neus, Kredit und Kapital 1996, 428, 432, Gleichung (3). 13 Dass diese Investoren bei einem zu geringen Underpricing tatsächlich von der Zeichnung absehen, wurde für den US-Markt bereits empirisch nachgewiesen, vgl. Beatty/Ritter, Journal of Financial Economics (1986), 213 ff. 14 Andernfalls wird der IPO-Markt illiquide, vgl. Betsch, Corporate Finance, S. 369. Rock unterstellt in seinem Modell, dass die Gruppe der informierten Anleger nicht groß genug sei, um die gesamte Emission alleine zu zeichnen, Rock, Journal of Financial Economics (1986), 187, 191. 15 Uhlir, Zeitschrift für Bankrecht und Bankwirtschaft 1989, 2, 11. 16 Vgl. grundlegend Benveniste/Spindt, 24 Journal of Financial Economics (1989), 343 sowie Hanley/Wilhelm, 37 Journal of Financial Economics (1995), 239. Eine schöne Darstellung der Ergebnisse findet sich bei Meißner, Stabilisierung und Pflege von Aktienkursen, S. 53. 17 Benveniste/Spindt, 24 Journal of Financial Economics (1989), 343, 344.

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C. Das Stabilisierungsgeschäft aus ökonomischer Sicht

im Bookbuilding-Verfahren den maximal erzielbaren Preis für seine Wertpapiere erfahren18. Das aber sei nur dann möglich, wenn die besser informierten Marktteilnehmer ihren Informationsvorsprung preisgäben. Das sei grundsätzlich nicht in deren Sinne. Denn je weniger Interesse bei den Anlegern festgestellt werden könne, desto niedriger werde der Emissionspreis festgesetzt und umso größer sei die Rendite der Anleger19. Wolle man trotzdem das wahre Interesse dieser vergleichsweise gut informierten Investoren in Erfahrung bringen, setze das voraus, dass man sie entsprechend entschädigen könne20. Der vornehmlich eingeschlagene Weg der Entschädigung sei eine bewusste Unterbewertung21. Wie hoch dieses „Underpricing” ausfallen müsse, hinge in erster Linie davon ab, welchen Wert die besser Informierten ihren exklusiven Informationen zuschrieben22. Diese Unterbewertung komme dann insbesondere den Anlegern zugute, die ihre positiven Erwartungen ehrlich mitgeteilt haben. Denn die Emissionsbanken wiesen bei der nachfolgenden Emission gezielt den Anlegern, die besonders starkes Interesse bekundet haben, also ihre positive Information weder verheimlicht noch untertrieben haben, einen großen Anteil unterbewerteter Aktien zu23. Auch dieser Theorie zur Folge ist das „Underpricing” Ausfluss einer bewussten „Entschädigungs-Strategie“ der Emissionsbanken. Welcher der beiden letztgenannten, in ihrer Gesamtheit wohl vorherrschenden, Theorien der Vorzug gegeben werden muss, ist bislang nicht abschließend geklärt worden und hängt zu einem großen Teil auch von den Eigenheiten der

_________ 18

Vgl. dazu Abschnitt B.II. Meißner, Stabilisierung und Pflege von Aktienkursen, S. 53. 20 Andernfalls ist es für diese Marktteilnehmer natürlich wesentlich lukrativer, die exklusiven Informationen zu verheimlichen, die Aktien zu einem niedrigen Preis zu zeichnen und anschließend – nach Bekanntwerden der Informationen – gewinnbringend zu veräußern, vgl. Benveniste/Spindt, 24 Journal of Financial Economics (1989), 343, 344. 21 Diesen Zusammenhang zwischen der Preisgabe besonderer Informationen und der erhöhten Zuteilung unterbewerteter Aktien untersuchen insbesondere Benveniste/Spindt, 24 Journal of Financial Economics (1989), 343. 22 Benveniste/Spindt, 24 Journal of Financial Economics (1989), 343, 344. 23 In der Tat weisen Benveniste/Spindt, 24 Journal of Financial Economics (1989), 343 in ihrem theoretischen Modell nach, dass auf diese Weise, d.h. gezieltes Underpricing und bewusste Zuteilung der Aktien, ein hinreichender Anreiz zur Preisgabe privater Informationen geschaffen werden kann. Lee/Taylor/Walter, 34 Journal of Financial and Quantitative Analysis (1999), 425 untersuchen diesen Zusammenhang empirisch. Da entsprechende Werte für den US-amerikansichen Markt nicht erhältlich sind, beschränken sie sich auf die Untersuchung von IPOs an der Stock Exchange of Singapore. Für diesen Markt können sie allerdings gleich zweierlei zeigen: Erstens sind institutionelle Anleger im Durchschnitt besser informiert als private. Zum zweiten partizipieren gerade diese institutionellen, besser informierten Anleger in gesteigertem Maße an hochattraktiven Erstemissionen. 19

I. Typische Preisentwicklung im Anschluss an eine Emission

53

Märkte in den einzelnen Ländern ab24. Eine empirische Untersuchung für den deutschen Kapitalmarkt liegt – soweit ersichtlich – noch nicht vor. 2. „Flipping“ In der ökonomischen Literatur25 ist anerkannt, dass die starken Kursschwankungen im Anschluss an eine Emission zumindest zu einem gewissen Teil auf das sog. Flipping zurück geführt werden können: Kurzfristig orientierte Spekulanten (Flipper) halten die neu emittierten Wertpapiere nur wenige Stunden oder Tage, um sie anschließend gewinnbringend zu veräußern26. „Spekulierende“ Investoren gibt es auf jedem Markt. Das Flipping ist aber gerade im Aftermarket besonders beliebt. Grund dafür sind die beschriebenen Kursgewinne, die in den ersten Tagen nach der Emission erzielt werden können. Das Verhalten der Flipper führt dazu, dass der Kurs zunächst deutlich ansteigt, aufgrund des starken Flippings möglicherweise sogar über den eigentlichen Anteilswert hinaus. Die anschließende Veräußerung der Wertpapiere führt zu einer Kurssenkung, die dann eventuell verstärkt wird durch Verkäufe solcher Anleger, die den plötzlichen Preisnachlass als negative Information werten27. Denkbar ist, dass die Flipper die daraus resultierende Unterbewertung nutzen, um ein zweites Mal gewinnbringend zu investieren. 3. „Overpricing“ Der Vollständigkeit halber sei an dieser Stelle auch das „Overpricing”28 erwähnt. Dieses Phänomen konnte insbesondere Anfang der 90er Jahre beobachtet werden29. Es handelt sich dabei um die im Zuge der Festlegung des Emissionspreises erfolgende Überbewertung der Papiere. Diese Erscheinung wird in der ökonomischen Literatur deutlich weniger intensiv diskutiert, was daran liegen mag, dass „Overpricing” auch erheblich seltener nachgewiesen werden konnte als „Underpricing”. Beachtet man, dass die Emissionstätigkeit der Investmentbanken größtenteils in Form von Provisi-

_________ 24

Mit dieser Feststellung und einer zusammenfassenden Darstellung der vertretenen Theorien Benveniste/Erdal/Wilhelm, Journal of Banking & Finance (1998), 741, 744 ff. 25 Vgl. statt aller Thießen, WiSt 2002, 523, 534. 26 Vgl. Thießen, WiSt 2002, 523; hiervon ebenfalls ausgehend die Regierungsbegründung zum Vierten Finanzmarktförderungsgesetz, BT-Drucks. 14/8017, S. 90; Feuring in Habersack/Mülbert/Schlitt, § 27 Rz. 1. 27 Zum Informationseffekt vgl. oben Abschnitt C.II.1.b). 28 Aggarwal, Journal of Finance 2000, 1075. 29 Betsch, Corporate Finance, S. 368.

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C. Das Stabilisierungsgeschäft aus ökonomischer Sicht

onen vergütet wird30, die Erhöhung des Emissionspreises mit der damit einhergehenden Erhöhung des Gesamtvolumens also das Honorar der Banken merklich erhöht, liegt ein erstes Motiv für das „Overpricing” auf der Hand. Teilweise wird aber auch mit dem Konkurrenzdruck der Banken argumentiert. Diese können gerade in IPO-schwachen Zeiten dazu verleitet werden, zu große Preiszugeständnisse an die Emittenten zu machen, um das Mandat zu erhalten31. Für den Emittenten selbst bedeutet eine höhere Festsetzung des Ausgabepreises natürlich einen erhöhten Kapitalzufluss durch die Emission. 4. Liquiditätsengpass Im Fall von weniger populären Emissionen, also solchen, die ein Interesse großer Anleger nur deshalb nicht auslösen, weil sie nicht hinreichend bekannt sind, wird argumentiert, die Aufblähung des marktlichen Angebots bedinge einen künstlichen Preisdruck32. Dieses Phänomen kann auch als vorübergehender, auf die einzelne Aktie bezogener, Liquiditätsengpass begriffen werden. Der allein aufgrund mangelnder Bekanntheit beruhende Angebotsüberhang signalisiert dann dem Markt ein teilweise unzutreffendes negatives Bild des Emittenten. So ist es denkbar, dass im Falle geringeren Marktinteresses bei einer Emission der Unternehmenswert in den ersten Tagen durch den Börsenkurs noch nicht richtig wiedergegeben wird. Der vorübergehende Erwerb der Anteile durch den Konsortialführer ist dann sinnvoll. 5. Fazit Welches der beschriebenen Phänomene vorherrscht, hängt von den Umständen des konkreten Einzelfalls und den jeweiligen Marktgegebenheiten ab. In jedem Fall ergeben sich starke Preisveränderungen, entweder in Form eines ansteigenden oder eines fallenden Preises oder schlicht als willkürliche Schwankungen des Kurses.

_________ 30

Thießen, WiSt 2002, 523; Vgl. dazu aber v.a. den obigen Abschnitt B.I.3. So die Erklärung von Betsch, Corporate Finance, S. 369. 32 Ekkenga, WM 2002, 317; Als Argument angeführt auch bei Hess/Frost, Journal of Finance 1982, S. 11; Feuring in Habersack/Mülbert/Schlitt, § 27 Rn. 1. 31

II. Wirkungsweise der Kurspflege

55

II. Wirkungsweise der Kurspflege Stabilisierungskäufe und „Lock-up“-Vereinbarungen sollen den Aktienkurs im Anschluss an eine Platzierung stabilisieren. Die ökonomische Wirkungsweise dieser Maßnahmen ist dabei von besonderem Interesse. 1. Kursbeeinflussung durch Stabilisierungskäufe In Abschnitt B.III dieser Arbeit wurde beschrieben, dass Kurspflege zum ganz überwiegenden Teil in Form von Aktien(rück)käufen durchgeführt wird. Die so vorgenommene Erhöhung der Nachfrage nach den betreffenden Aktien soll den Kurs stabilisieren. Dieser Funktionszusammenhang wird zwar an vielen Stellen in der Literatur als selbstverständlich vorausgesetzt33, ist aber aus finanzwirtschaftlicher Sicht keinesfalls unbestritten34. Während das Spezialproblem der Kursstabilisierung insoweit kaum Beachtung findet, wird aber zumindest allgemein die Frage diskutiert, auf welche Weise – ganz grundsätzlich – der Kauf oder Verkauf von Wertpapieren deren Kurs zu beeinflussen vermag. Auch ist die Frage, ob der Aktienkurs durch gezielte Käufe oder Verkäufe manipuliert werden kann, untersucht worden35. a) „Price Pressure Hypothesis“ Die so genannte „Price Pressure Hypothesis“36 geht grundsätzlich davon aus, dass der Preis einer Aktie dem allgemein bekannten Spiel von Angebot und Nachfrage unterliegt: Eine erhöhte Nachfrage lässt den Preis steigen, ein erhöhtes Angebot lässt ihn sinken, und umgekehrt. Im Gegensatz zur „Substitution Hypothesis“37 setzt diese Theorie also die Prämisse, dass auch ein konkretes Wertpapier einzigartige und individuelle Kriterien aufweist, die es unaustauschbar machen38. Wird eine Aktie verstärkt gekauft, wird sie als wirtschaftliches Gut „knapper“. Ein „knappes“ Gut hat einen höheren Preis. Im Rahmen einer Emission existiere häufig ein Überangebot, das Druck auf den Preis aus-

_________ 33 Überwiegend wird knapp festgestellt, dass sich die Stabilisierung des Kurses über eine Verknappung des Papiers am Kassamarkt erreichen lasse, vgl. Ekkenga, WM 2002, 317; Leppert/Stürwald, ZBB 2004, 302, 309; wo wohl ebenfalls Fleischer, ZIP 2003, 2045, 2046. 34 In diesem Sinne auch Lenzen, Eingriffe in die Börsenkursbildung, S. 34. 35 Vgl. besonders instruktiv Fischel/Ross, Harvard Law Review 1991, 503. 36 Als Gegenthese auch beschrieben in dem grundlegenden Beitrag Scholes, 45 The Journal of Business (1972), 179 und bei Fischel/Ross,105 Harvard Law Review (1991), 503, 516. 37 Siehe den folgenden Abschnitt C.II.1.b). 38 Scholes, 45 The Journal of Business (1972), 179.

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C. Das Stabilisierungsgeschäft aus ökonomischer Sicht

übe („price pressure“), was den Kurs wiederum unwillkürlich fallen lasse39. Dieser Effekt müsse und könne durch eine durch die Banken gesteigerte Nachfrage aufgefangen werden. Das lasse die betreffende Aktie wieder als knapp erscheinen, den Kurs somit steigen. Ist diese herkömmliche Ansicht richtig, liegt die Wirkungsweise der Kurspflege in der Tat auf der Hand. Der Stabilisierungsmanager kann über gezielte Käufe und Verkäufe den Aktienpreis beliebig beeinflussen und gezielt stabilisieren. b) „Substitution Hypothesis“ und Informationseffekt (1) „Substitution Hypothesis“ In der modernen ökonomischen Literatur ist jedoch die sog. „Substitution Hypothesis“ im Vordringen. Dieser zufolge zeichnet sich ein Finanztitel gerade nicht durch seine Einzigartigkeit aus40. Vielmehr steht ein Wertpapier nur für einen bestimmten Zahlungsstrom, der durch seine erwartete Höhe und die Varianz (d.h. finanzwirtschaftliches Risiko) charakterisiert ist41. Ein Wertpapier wird nicht wegen seiner unmittelbaren Verwendungsmöglichkeit nachgefragt, sondern wegen des Ertrages, den es abwirft42. Die moderne Portfoliotechnik43 lässt ohne weiteres zu, ein bestimmtes Papier mit bestimmten Eigenschaften durch ein Portfolio anderer Papiere und Derivate zu replizieren44. Das heißt, jede Aktie kann ersetzt werden, ist substituierbar. Das wiederum hat zur Folge, dass der „Markt“ einer Aktie eben nicht nur die Aktie selbst, sondern alle gleichwertigen Portfolios umfasst45. Der so definierte Markt ist unermesslich groß und macht es mithin unmöglich, den Preis eines Finanztitels durch die

_________ 39

Scholes, 45 The Journal of Business (1972), 179. Vgl. Scholes, 45 The Journal of Business (1972), 179, der in seinem Beitrag richtungsweisend festhält: The „shares of a firm are not unique works of art but abstract rights to uncertain income stream for which close counterparts exist either directly or indirectly via combinations of assets of various kinds“. 41 Grundlegend hierzu Markowitz, 7 The Journal of Finance (1952), 77 ff. 42 Kopp, Erwerb eigener Aktien, S. 101. 43 Dieser liegt vor allem das in der ökonomischen Literatur allgemein anerkannte Capital Asset Pricing Model (CAPM) zugrunde. Dieses wurde erstmalig dargelegt von Sharpe in Sharpe, 19 Journal of Finance (1964), 425. Ganz grundlegend und stellvertretend für die ideellen Ursprünge der modernen Portfoliotheorie auch Markowitz, 7 The Journal of Finance (1952), S. 77. 44 So auch Easterbrook in der Entscheidung West v. Prudential Securities, Inc., 282 F.3d 935, 938 (7th Cir. 2002); Im Übrigen Fischel/Ross, 105 Harvard Law Review (1991), 503, 514. 45 Vgl. Scholes, 45 The Journal of Business (1972), 179, 182. 40

II. Wirkungsweise der Kurspflege

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bloße Erhöhung der Nachfrage nach oben zu treiben46, sofern diese Nachfrage nicht gezielt zu einem Preis vollzogen wird, der ungleich höher47 ist als der vorherrschende Marktpreis48. Technisch gesprochen, ist die Nachfragekurve für Wertpapiere fast vollkommen horizontal49. Das sei auch der Grund dafür, so die Theorie, dass 47% aller Blocktransaktionen in einer US-amerikanischen Studie ohne Wirkung auf den Kurs geblieben seien50. Die „Substitution Hypothesis“ ist durch empirische Untersuchungen wiederholt bestätigt worden51. (2) Informationseffekt Vertreter der „Substitution Hypothesis“ argumentieren weiter, dass der Kurs einer Aktie aus den soeben genannten Gründen nur indirekt beeinflusst werden kann, nämlich mittels des so genannten Informationseffekts52. Der Preis, den Investoren für ein Wertpapier zahlen, hängt davon ab, auf wie hoch sie die

_________ 46

Vgl. Lenzen, Eingriffe in die Börsenkursbildung, S. 34. Das allerdings begegnet praktischen und rechtlichen Schwierigkeiten. Praktisch gesehen, kann eine Transaktion an der Börse natürlich nicht zu einem beliebig hohen Preis durchgeführt werden, da sich die einzelnen Rechtsgeschäfte durch Zusammenführung von vorhandenen Kaufs- und Verkaufsangeboten ergeben. Sie werden also nicht automatisch zu dem angebotenen Preis durchgeführt. Insbesondere aber ist das Abgeben eines Stabilisierungsangebots zu einem höheren Preis als dem am Markt vorherrschenden ohnehin häufig unzulässig. Das regelt die US-amerikanische Regulation M ausdrücklich, vgl. ausführlicher noch Abschnitt D.III.3. Die VO 2273/2003 lässt diese Frage offen; sowohl in der KuMaKV als auch den Empfehlungen des CESR hatten sich jedoch noch zumindest implizite Beschränkungen befunden, vgl. dazu Abschnitt E.II.1.d)(3)(h). 48 In diesem Fall ergibt sich die Einstellung eines höheren Kurses ganz unmittelbar durch die Abgabe überhöhter Angebote. Genau auf diese Weise – und nicht durch die bloße Erhöhung der Nachfrage – ist in den Fällen, in denen die Kursmanipulation zum Gegenstand US-amerikanischer Gerichtsentscheidungen wurde, die Manipulation durchgeführt worden: die gezielte Platzierung von Angeboten zu überzogenen Preisen, vgl. SEC v. Lorin, 877 F. Supp. 192 (S.D.N.Y.1995), United States v. Mulheren, 938 F.2d 364 (2d Cir. 1991), Markowski v. SEC, 274 F.3d 525 (D.C.Cir.2001). Insoweit widersprechen derartige Vorkommnisse auch nicht, wie aber Thel meint, vgl. Thel, 79 Cornell Law Review (1994), 219, dem von Fischel und Ross, Fischel/Ross, 105 Harvard Law Review (1991), 503 gefundenen Ergebnis, dass der Kurs nicht durch die bloße Erhöhung der Nachfrage manipuliert werden kann. 49 Vgl. Scholes, 45 The Journal of Business (1972), 179; West v. Prudential Securities, Inc., 282 F.3d 935, 939 (7th Cir. 2002). 50 Lenzen, Eingriffe in die Börsenkursbildung, S. 35. 51 Vgl. nur Scholes, 45 The Journal of Business (1972), 179 und Fischel/Ross, 105 Harvard Law Review (1991), 503, 514, letztere mit zahlreichen Nachweisen. 52 Grundlegende Darstellung des Zusammenhangs zwischen neuen Informationen und der Preisbildung in einem Kapitalmarkt vgl. nur Brealey/Myers, Corporate Finance, Chapter 13. 47

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C. Das Stabilisierungsgeschäft aus ökonomischer Sicht

zukünftigen Zahlungsströme und deren Varianz53 schätzen54. In diese Überlegungen fließen sämtliche Informationen ein, die den Marktteilnehmern im entsprechenden Zeitpunkt zur Verfügung stehen. In einem sog. semi-effizienten Kapitalmarkt bildet der Markt alle – öffentlich zugänglichen – Informationen durch den Aktienkurs ab. Neue Informationen sind aus einer großen Anzahl von Quellen erhältlich. Für viele Marktteilnehmer kann bereits der Kauf eines großen Aktienpakets an sich durch einen anderen Teilnehmer eine werthaltige Information darstellen55, sog. Signaling56. Dies ist vernünftigerweise genau dann der Fall, wenn der jeweilige Marktteilnehmer davon ausgehen kann, dass besagter Mitstreiter über neuere, aktuellere, zusätzliche Informationen verfügt. Hat dieser tatsächlich aktuelle und bessere Informationen, ist jener gewillt, der Aktie in Zukunft einen höheren Wert zuzumessen. Der Kurs steigt, da die Transaktionen von diesem Zeitpunkt an tendenziell zu höheren Preisen durchgeführt werden. Vertreter der „Substitution Hypothesis“ führen also an, dass nicht die erhöhte Nachfrage an sich, sondern erst dieser Informationseffekt den Aktienkurs beeinflussen kann. Ein solcher Informationseffekt ist in der Literatur wiederholt empirisch nachgewiesen worden57. Inwieweit eine Kursbeeinflussung im Einzelfall stattfindet, hängt in erster Linie davon ab, welcher Informationsvorsprung dem anderen Marktteilnehmer zugeschrieben wird und welche Kaufmotivation sich dahinter verbergen mag. Vermutet man hinter dem Käufer des Aktienpakets einen „Insider“58, der die Transaktion deshalb tätigt, weil er über neue, dem Markt bislang verborgen gebliebene Informationen verfügt, wird der Kurseffekt regelmäßig vergleichsweise groß sein59. So gehen gerade auch von einem Aktienrückerwerb durch den Emittenten selbst, der ganz unabhängig von Aktienplatzierungen durchgeführt wird, gewisse Signalwirkungen aus60. Bei-

_________ 53

Die Varianz ist das Quadrat der Standardabweichung vom Erwartungswert. Fischel/Ross, 105 Harvard Law Review (1991), 503, 515. Der Kurs spiegelt die Zukunftserwartungen aller Marktteilnehmer wieder, vgl. auch die Gesetzesbegründung zum KonTraG, BT-Drucksache 13/9712, S. 23. 55 Fischel/Ross, 105 Harvard Law Review (1991), 503, 515. 56 Vgl. nur Kopp, Erwerb eigener Aktien, S. 110 f. 57 Vgl. Fischel/Ross, 105 Harvard Law Review (1991), 503, 515 mit den entsprechenden Nachweisen. 58 „Insider“ ist hier nicht im rechtlich-technischen Sinne zu verstehen. Es soll sich hier lediglich um eine Person handeln, der ein gewisser Informationsvorsprung zugetraut wird. 59 Aus diesem Grunde versuchen gerade die sog. „Bluffer“ den Aktienkurs dadurch zu beeinflussen, dass sie dem Markt versuchen zu signalisieren, dass sie Insider sind, wenngleich sie eigentlich über Insiderinformationen gar nicht verfügen,vgl. Varnholt, Finanzmarkt und Portfoliomanagement 1993, 459, 466. 60 Kopp, Erwerb eigener Aktien, S. 46 ff.; Schremper, Aktienrückkauf und Kapitalmarkt, S. 89 ff.; Gerke/Fleischer/Langer in Börsig/Conenberg, S. 282. 54

II. Wirkungsweise der Kurspflege

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spielsweise kann ein solcher Rückkauf zum Ausdruck bringen, dass der Emittent die Anteile für unterbewertet hält61. Je nach der konkreten Situation, der Art der Durchführung62 und der sich daraus ergebenden Interpretation durch den Markt kann dieser Informationseffekt erhebliche Auswirkungen auf die Kursentwicklung haben63. (3) Bedeutung für das Stabilisierungsgeschäft Bezogen auf den Untersuchungsgegenstand dieser Arbeit lässt der beschriebene wirtschaftliche Funktionszusammenhang die Frage zu, welche Informationen die Marktteilnehmer einem im Zuge einer Stabilisierungsmaßnahme vorgenommenen Aktienkauf entnehmen können. Das muss differenziert beantwortet werden. Wissen die Marktteilnehmer, dass es sich lediglich um einen Stabilisierungskauf handelt, können sie diesen wohl kaum als positive Information werten. Vielmehr signalisiert ein solcher Kauf eher die Besorgnis des Stabilisierenden, dass der Kurs zu weit absinke. Erhalten die Marktteilnehmer eine solche Information, müsste ihre Wertschätzung bezüglich der Aktie möglicherweise abnehmen, die Stabilisierungsmaßnahmen wären dann kontraproduktiv64. Wissen die Marktteilnehmer hingegen nicht, dass es sich um Stabilisierungskäufe handelt65, könnten sie diese Blocktransaktion als gutes Zeichen werten, als Transaktion eines Insiders, der über neue positive Informationen verfügt. Dann würde die Stabilisierung funktionieren im Sinne einer Beeinflussung des Aktienkurses66. Festzuhalten bliebe jedoch, dass eine

_________ 61 Zu der Möglichkeit aktiver Informationspolitik siehe eingehend Kopp, Erwerb eigener Aktien, S. 111. 62 Dabei muss nicht nur zwischen Rückkäufen über die Börse und öffentlichen Rückkaufangeboten unterschieden werden, sondern gerade auch im Hinblick auf die Kursbeeinflussung ist innerhalb der öffentlichen Rückkaufangebote auch zwischen einem Festpreisangebot, dem holländischen Auktionsverfahren und der Ausgabe übertragbarer Verkaufsrechte zu differenzieren, vgl. Schremper, Aktienrückkauf und Kapitalmarkt, S. 37 ff. oder Gerke/Fleischer/Langer in Börsig/Conenberg, S. 278 ff. 63 Ausführlich zu den zahlreichen Theorien, die zu dieser ökonomischen Frage existieren, Kopp, Erwerb eigener Aktien, S. 116 ff. Mit einer umfassenden empirischen Untersuchung, die insbesondere nach verschiedenen Indikatoren wie Unternehmensgröße, Indexzugehörigkeit, Rückkaufverfahren etc. differenziert, Schremper, Aktienrückkauf und Kapitalmarkt, S. 123 ff mit Ergebnissen auf S. 172 ff. 64 So auch Fischel/Ross, 105 Harvard Law Review (1991), 503, 538. Genau diese Befürchtung ist eines der Hauptbedenken, die amerikanische Kommentatoren gegen die gesteigerte Publikationspflicht erheben, die die SEC im Dezember 2004 (siehe unten Abschnitt D.IV.1) vorgeschlagen hat, vgl. nur den Kommentar von John C. Burch, Jr. und Bruce S. Foerster vom 15. Februar 2005, Seite 4, abrufbar auf der Internetseite der SEC: http://www.sec.gov/rules/proposed/s74104.shtml. 65 Unten wird noch aufgezeigt werden, dass die europäische Regelung bislang keine Offenbarungspflicht im Transaktionszeitpunkt selbst vorsieht, vgl. Abschnitt E.II.1.d)(3)(g).

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C. Das Stabilisierungsgeschäft aus ökonomischer Sicht

so funktionierende Stabilisierung allein auf einer gewissen Irreführung67 des Marktes beruht: Die Teilnehmer werden in ihr er Interpretation der Transaktion bewusst fehlgeleitet68, weil sie über die Vornahme der gezielten Stabilisierung nicht hinreichend aufgeklärt sind69. Sollte die Kursstabilisierung doch einmal durch den Emittenten selbst durchgeführt werden, hängt das Ausmaß der Kursbeeinflussung daher maßgeblich davon ab, ob der Stabilisierungskauf öffentlich angesagt oder anonym über die Börse getätigt wird70.

c) „Liquidity Hypothesis“ Die sog. „Liquidity Hypothesis“ verteidigt den Ansatz, dass der Preis eines Wertpapiers doch ganz unmittelbar durch Kauf und Verkauf desselben beeinflusst werden kann. Dabei stellt sie insbesondere auf Liquiditätsengpässe ab. Es wird argumentiert, zwar seien prinzipiell genügend Käufer bzw. Verkäufer vorhanden, die zum Handel dieser Wertpapiere bereit seien, diese seien jedoch häufig nicht einfach aufzufinden71. Für das Aufsuchen dieser Händler müssten

_________ 66 Wie Meißner, Stabilisierung und Pflege von Aktienkursen, S. 35 so schön formuliert, müsste jemand, der den Markt auf diese Weise manipulieren wollte, „einen Insider imitieren“. 67 Die Gefahr für Investoren, die von der Täuschung durch Verbreitung falscher Informationen im Zusammenhang mit Stabilisierungsmaßnahmen resultiert, betont auch das CESR ausdrücklich, CESR/02-020b, S. 9. Ob dabei auf den hier beschriebenen Informationseffekt angespielt wird, kann den dortigen Ausführungen nicht eindeutig entnommen werden. In diesem Sinne auch erneut die SEC im Dezember 2004, SEC Release Nos. 33-8511, 34-50831 (2004), S. 47 f. 68 In diesem Sinne auch Meißner, Stabilisierung und Pflege von Aktienkursen, S. 61. Auch die SEC hat im Dezember 2004 erneut darauf hingewiesen, dass die sich mit der Kurspflege befassende Regulation M insbesondere die Aufgabe habe, den Stabisierungsmaßnahmen insoweit entgegen zu wirken als sie allein darauf beruhen, dass den Marktteilnehmern der Eindruck einer (in diesem Maße) gar nicht vorhandenen Knappheit der betreffenden Aktie vermittelt wird, vgl. SEC Release Nos. 33-8511, 34-50831 (2004), S. 7. Zum Beispiel merken aber auch Loss/Seligman an, dass die Durchführung von Stabilisierungsmaßnahmen den Zweck verfolgt, andere Marktteilnehmer zum Kauf zu veranlassen, vgl. Loss/Seligman, Fundamentals of Securities Regulation, S. 1085. Interessant ist an diesen Stellen, dass die Verfasser diese Ansicht gerade nicht ausdrücklich, geschweige denn ausführlich, begründen, sondern wie selbstverständlich einfach voraussetzen. 69 Vielleicht deshalb sieht die US-amerikanische Regulation M für Stabilisierungsmaßnahmen schon längst vor, dass deren Zweck auch dem Vertragspartner sofort offenbart werden muss. Für Short Covering-Maßnahmen will die SEC genau diese Regeglung ebenfalls einführen, vgl. unten Abschnitt D.IV. 70 Kopp, Erwerb eigener Aktien, S. 46 ff. mit zahlreichen Nachweisen. 71 Lenzen, Eingriffe in die Börsenkursbildung, S. 37.

II. Wirkungsweise der Kurspflege

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zusätzliche Kosten, sog. Liquidity costs72, aufgewendet werden. Alternativ müsse die Aktie zu einem verbilligten Preis abgegeben werden73. Das ließe den Aktienkurs sinken. Anders gewendet: Stelle sich die Bank im Fall der Stabilisierung als Käufer sofort zur Verfügung, verhindere das ein Absinken des Kurses, weil die beschriebenen Liquidity Costs nicht anfallen würden. Auch dieser Zusammenhang zwischen der Liquidität in einem bestimmten Markt und etwaigen Einwirkungen auf den Aktienpreis ist in Einzelfällen empirisch belegt74. Dem ist zuzugeben, dass gerade im Spezialfall der Kursstabilisierung nach einer Erstemission ein gewisser Liquiditätsengpass bestehen kann75. So könnte es durchaus sein, dass das mögliche Emissionsvolumen überschätzt wurde. Besonders bei weniger bekannten und beobachteten Emissionen könnte dann die – nach der „Substitution Hypothesis“ eigentlich irrationale – Situation eintreten, dass schlicht zu wenig Käufer für die neuen Aktien vorhanden sind. Es entsteht dann genau der „Druck auf die Preise“, von dem wohl vor allem der europäische Verordnungsgeber auszugehen scheint76. In diesem Fall wäre es in der Tat Erfolg versprechend, eine gewisse Anzahl von Aktien im Zuge einer Stabilisierungsmaßnahme vom Markt zu nehmen. Fraglich ist, wie häufig derartige Situationen auftreten. Gerade das heute übliche Bookbuilding-Verfahren77 lässt eine vergleichsweise genaue Abschätzung des Nachfragevolumens zu. Wird eine geringe Nachfrage erwartet, könnte der Emittent die Wertpapierausgabe einfach zeitlich strecken und so temporäre Engpässe vermeiden78. Ein sehr bedeutender Liquiditätsengpass im Aftermarket ist deshalb nur in seltenen Fällen zu erwarten. Zumeist wird ein nach der Emission auftretender Kursabschwung eben doch das Ergebnis dessen sein, dass der Markt das Papier weniger wertvoll einschätzt als vom Emittenten zunächst erhofft. Dann hilft auch die teilweise Rücknahme der Wertpapiere nichts, zumindest nicht auf langfristige Sicht.

_________ 72

Fischel/Ross, Harvard Law Review 1991, 503, 515 f. Fischel/Ross, 105 Harvard Law Review (1991), 503, 539. 74 Vgl. Pettway/Radcliffe, 14 Financial Management (1985), 16 für den Markt der Energieversorger. 75 Zu dieser vergleichsweise emissionstypischen Preisentwicklung siehe schon den Abschnitt C.I.4. 76 Vgl. nur Verordnung EC 2273/2003 Nr. 11 oder die CESR-Empfehlung CESR/02020b, S. 9, in denen immer wieder auf den häufig auftretenden „selling pressure“ verwiesen wird, der typischerweise nach einer Erstemission auftrete. 77 Siehe oben Abschnitt B.II. 78 Fischel/Ross, 105 Harvard Law Review (1991), 503, 539. 73

62

C. Das Stabilisierungsgeschäft aus ökonomischer Sicht

d) Schlussfolgerung Es muss an dieser Stelle festgehalten werden, dass auch die ökonomische Literatur bislang nicht abschließend nachweisen konnte, auf welche Weise Kursstabilisierungsmaßnahmen den Kurs der betreffenden Aktie beeinflussen können. Vielmehr ist nicht einmal einhellig geklärt, inwiefern ein Börsenkurs ganz allgemein durch Transaktionen überhaupt beeinflusst werden kann. Wie dargelegt, existieren dazu verschiedene Theorien. Während die Gesetz- und Verordnungsgeber wohl von einem simplen Angebots-Nachfrage-Zusammenhang ausgehen, kann das in Anbetracht der Besonderheiten eines Finanztitels nicht in dieser Einfachheit bestätigt werden. Vielmehr sind Wertpapiere grundsätzlich substituierbar. Fehlende Liquidität nach einer Emission mag in Einzelfällen erklären, warum der Rückkauf von Aktien deren Kurs wieder steigen lassen könnte. Am naheliegendsten erscheint aber, dass der Preis einer Aktie über den sog. Informationseffekt indirekt beeinflusst werden kann. Dies stimmt wiederum nur dann, wenn die Marktteilnehmer den Stabilisierungsmaßnahmen – unzutreffenderweise – positive Informationen entnehmen. Inwieweit das möglich und erwünscht ist, wird in der Folge wiederholt Gegenstand dieser Arbeit sein. 2. Kursstützung durch Veräußerungsbeschränkungen a) Vermeidung negativer Signale Die Erklärung der durch „Lock-up“-Vereinbarungen oder „Penalty Bids“ erzeugten Wirkung79 ist ebenfalls differenziert zu betrachten. Werden besonders große Aktienpakete im Anschluss an eine Platzierung abgegeben, kann tatsächlich ein gewisser Angebotsdruck (i.S.d. „Price Pressure Hypothesis“) auf den Markt wirken. Dieses Überangebot könnte den Kurs beeinflussen. In den meisten Fällen aber wird sich ein Kurseffekt insbesondere durch die negative Signalwirkung solcher Verkäufe ergeben80. Der Platzierung unmittelbar folgende Verkäufe signalisieren anderen Anlegern, dass die Emission von Insidern als nicht erfolgreich eingestuft wird (Informationseffekt). Besonders stark ausgeprägt ist dieses „Negativ-Signaling“ wohl dann, wenn Altaktionäre ihre Anteile sofort nach der Emission liquidieren und der Markt ihnen einen gewissen Informationsvorsprung zugeschrieben hatte.

_________ 79 Zu der unter abweichenden Gesichtspunkten vorzunehmenden Frage der wirtschaftlichen Auswirkungen sog. Standstill Agreements i.R.v. Übernahmesituationen vgl. eingehend Wagner, Standstill Agreements, S. 54 ff. 80 So für den Fall nicht vorhandener „Lock-ups“ auch Bruchner/Popischil in Lutter/Schneider, Rn. 11.39.

II. Wirkungsweise der Kurspflege

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Werden Altaktionäre durch „Lock-ups“ vertraglich gebunden, die Anteile über eine gewisse Zeitspanne zu halten, oder kann über die Einführung von „Penalty Bids“ verhindert werden, dass kurzfristige Spekulanten bei der Emission berücksichtigt werden, können die beschriebenen Effekte gleichermaßen verhindert werden81: Es wird kein Überangebot an Aktien erzeugt, und mangels sofortiger (Wieder)Verkäufe werden keine negativen Signale an den Markt gesendet82. b) Schaffung positiver Signale Zusätzlich erhofft man sich gerade bei detaillierter Offenlegung der „Lockup“-Vereinbarungen einen eigenen Signal-Effekt: Verpflichten sich Altaktionäre freiwillig, ihre Anteile nach der Emission zu behalten, signalisiert das dem Markt auf glaubhafte Weise, dass sie an die Zukunft des Unternehmens glauben und die Emission nicht lediglich als einen die Liquidierung erleichternden Schritt ansehen83. Die Glaubhaftigkeit rührt daher, dass die Altaktionäre sich auf diese Weise einem wirtschaftlich nicht ganz unerheblichen Vermögensrisiko aussetzen, was Anteilseigner schwächerer Unternehmen nicht zu tun bereit wären84. Durch „Lock-up“-Vereinbarungen soll mithin das Vertrauen der Neuaktionäre gestärkt werden85. In diesem Fall werden nicht nur die von etwaigen Verkäufen ausgehenden negativen Signale verhindert, sondern durch die Offenlegung der Abreden sogar positive Signale gesendet. Die beiden Theorien indizieren, dass sowohl „Lock-up“-Vereinbarungen als auch „Penalty Bids“ kursstabilisierende Wirkung haben.

_________ 81 Harrer/Mölling, BB 1999, 2521, 2522. So auch Lenzen, Eingriffe in die Börsenkursbildung, S. 25, die allerdings ausschließlich mit dem dann reduzierten (Über)angebot argumentiert; Bruchner/Popischil in Lutter/Schneider, Rn. 11.39 hingegen verweisen auf die Signalwirkung und das verringerte Angebot an Wertpapieren. Für die Wirkung von „Penalty Bids“: SEC Release Nos. 33-8511, 34-50831 (2004), S. 59. 82 So grundsätzlich auch Field/Hanka, 56 Journal of Finance (2001), 471, die aber vornehmlich auf den im nächsten Abschnitt beschriebenen positiven Signaleffekt verweisen. 83 Field/Hanka, 56 Journal of Finance (2001), 471. 84 So insgesamt dargestellt als Argument für die Vorteilhaftigkeit derartiger Vereinbarungen bei Fleischer, WM 2002, 2305, 2306 f. 85 Kersting, AG 1997, 222, 227.

64

C. Das Stabilisierungsgeschäft aus ökonomischer Sicht

III. Ökonomische Bewertung 1. Kurspflege als Manipulation des Börsenpreises Ausgangspunkt für die ökonomische Beurteilung der Kurspflege ist deren Einordnung als Manipulationsverhalten. In Betracht kommt insbesondere die Manipulation in Form einer Störung der kapitalmarkteigenen Informationseffizienz. a) Wirtschaftliche Bedeutung der Informationseffizienz Die sog. Informationseffizienz hat große Bedeutung für die Funktionsfähigkeit des Kapitalmarkts. Sie ist ein Unterfall der Allokationseffizienz86. Die Allokationseffizienz bezieht sich auf die Steuerungsleistung des Marktes; es sind die Voraussetzungen dafür zu schaffen, dass anlagefähiges Kapital dorthin fließt, wo es am dringendsten und erfolgversprechendsten benötigt wird87, wo es die höchste Effektivität verspricht88. Die optimale Allokation des Kapitals wird in der ökonomischen Literatur weitgehend als die Hauptfunktion des Kapitalmarkts gesehen89. Der Markt beruht auf der Annahme, dass das Spiel von Angebot und Nachfrage grundsätzlich geeignet ist, diejenige Unternehmung den Wettbewerb um das Kapital gewinnen zu lassen, die damit am besten arbeitet90. Das funktioniert dann, wenn die Marktteilnehmer gezielt in die Unternehmen investieren, die sie für zukunftsträchtig und somit für finanziell lukrativ halten. Die Börsen sollen hierbei als „Wirtschaftsparlamente“ die entsprechenden Informationen einer Mehrzahl von Marktteilnehmern dadurch zusammenfassen, dass die einem einzelnen Angebot innewohnende Bewertung einer Unternehmung sofort allgemein zugänglich wird91. Der Kurs einer Aktie wird dann alle Informationen über diese Aktie in sich selbst widerspiegeln92. Er soll dabei der „wirklichen Marktlage“ entsprechen, § 24 II 1 BörsG.

_________ 86

Assmann in Assmann/Schütze, § 1 Rn. 24. Assmann in Assmann/Schütze, § 1 Rn. 24; Watter, SZW 1990, 193, 195; Franke/Hax, Finanzwirtschaft, S. 365; Merkt/Rossbach, JuS 2003, 217, 220; Copeland/Weston, Financial Theory, Chapter 10, S. 330; Lenenbach, Kapitalmarkt- und Börsenrecht, Rn. 1.40. 88 Kopp, Erwerb eigener Aktien, S. 99. 89 Vgl. statt aller Fama, 25 The Journal of Finance (1970), 383. 90 Assmann in Assmann/Schütze, § 1 Rn. 24; Kümpel, Bank- und Kapitalmarktrecht, Rn. 8.202; Jean-Richard, SZW 1995, 259, 261; Franke/Hax, Finanzwirtschaft, S. 365. 91 Merkt/Rossbach, JuS 2003, 217, 222 ; Jean-Richard, SZW 1995, 259, 261. 92 Vgl. Hockmann, Kreditwesen, 331. Copeland/Weston, Financial Theory, Chapter 10, S. 331; Fama, 25 The Journal of Finance (1970), 383. Kopp, Erwerb eigener Aktien, S. 97; Neumann/Klein, Kredit und Kapital 1982, 165; Möller, ZfbF 1985, 500; Lenzen, Eingriffe in die Börsenkursbildung, S. 53; Lenenbach, Kapitalmarkt- und Börsenrecht, 87

III. Ökonomische Bewertung

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Informationseffizienz bedeutet daher, dass die öffentlich zur Verfügung stehende Information93 tatsächlich in dem jeweils aktuellen Preis eines Vermögenswertes (restlos) abgebildet wird94. Dabei wird der Grad der Informationseffizienz bestimmt durch die Fähigkeit der Marktteilnehmer, Fehlbewertungen von Wertpapieren durch den Kapitalmarkt zu erkennen und durch geeignete Börsentransaktionen zu beseitigen95. Eine umfassende US-amerikanische Kapitalmarktstudie ergab beispielsweise, dass – zumindest in den dort untersuchten Fällen – neue Informationen innerhalb von fünf bis zehn Minuten in die Preisbildung aufgenommen wurden96. Die Anleger können deshalb darauf vertrauen, dass der Aktienkurs in einem funktionierenden Kapitalmarkt die ehrlichen Wertschätzungen aller Marktteilnehmer zutreffend widerspiegelt. Dass die Marktteilnehmer bei ihrer individuellen Kaufentscheidung nicht nur die Entwicklung unternehmensinterner Vorgänge, sondern auch die von anderen Teilnehmern vorgenommenen Transaktionen auf dem Kapitalmarkt berücksichtigen, steht auch in Einklang mit dem oben97 gefundenen Ergebnis: Stabilisierungsmaßnahmen vermögen mit gewisser Wahrscheinlichkeit gerade deshalb den Aktienkurs zu beeinflussen, weil sie die Anleger über die Kaufmotivation der Bank täuschen. Die Anleger halten diesen Kaufvorgang für die Konsequenz einer gesteigerten Unternehmensbewertung. Der Glaube der

_________ Rn. 1.41. So sogar der moderne Gesetzgeber im Zusammenhang mit der Vergütung durch Aktienoptionen, vgl. Gesetzesbegründung zum KonTraG, BT-Drucksache 13/9712, S. 23. 93 Für die Informationseffizienz von Kapitalmärkten exisitieren verschiedene Abstufungen. In der Folge dieser Arbeit soll davon ausgegangen werden, dass der Markt semieffizient ist, dass der Preis alle öffentlich verfügbaren Informationen abbildet. Eine solche Annahme entspricht in der ökonomischen Literatur wohl auch der h.M., vgl. statt aller Copeland/Weston, Financial Theory, Chapter 11, S. 361 ff. sowie Fama, 25 The Journal of Finance (1970), 383, 412 ff.. Im Hinblick auf den deutschen Kapitalmarkt war man da allerdings bislang etwas zurückhaltender, vgl. nur Kopp, Erwerb eigener Aktien, S. 104 ff. m.w.N. Zur Einteilung der verschiedenen Stufen grundlegend Fama, 25 The Journal of Finance (1970), 383. Ihn zitierend auch Copeland/Weston, Financial Theory, Chapter 10, S. 332. Strenger und mit leicht abweichender Definition Rubinstein, 65 American Economic Review (1975), 812. Im Zusammenhang mit der Manipulation von Aktienkursen zusammenfassend dargestellt bei Meißner, Stabilisierung und Pflege von Aktienkursen, S. 37. 94 Brealey/Myers, Corporate Finance, Chapter 13, S. 364; Copeland/Weston, Financial Theory, Chapter 10, S. 331; Fama, 25 The Journal of Finance (1970), 383. Kopp, Erwerb eigener Aktien, S. 97; Neumann/Klein, Kredit und Kapital 1982, 165; Möller, ZfbF 1985, 500. Eine schöne und ausführliche Beschreibung der Bedeutung der Informationseffizienz für die Fälle der Manipulation durch Kursstabilisierung findet sich vor allem bei Meißner, Stabilisierung und Pflege von Aktienkursen, S. 38 ff. 95 Kopp, Erwerb eigener Aktien, S. 104. 96 Patell/Wolfson, 13 Journal of Financial Economics (1984), 223. 97 Siehe oben den Abschnitt C.II.1.b).

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C. Das Stabilisierungsgeschäft aus ökonomischer Sicht

Investoren an die Informationseffizienz des Marktes wird dann bewusst ausgenutzt. b) Manipulation als Störung der Informationseffizienz Wenn man zunächst die verschiedenen Formen98 von Manipulationshandlungen außer acht lässt, kann Manipulation definiert werden als eine Tätigkeit, die es bezweckt, den Aktienkurs in eine bestimmte Richtung zu bewegen, um dabei Vorteile aus dem gestiegenen Kurs zu schlagen99, ohne dass dieser Erfolg auf einem höheren Wissensstand des Manipulators basiert100. Manipulation liegt also dann vor, wenn der den Preis beeinflussende Marktteilnehmer den Aktienkurs gezielt aus seinem informationseffizienten Gleichgewicht bringt101. Schutzgut des Verbotstatbestands der Marktmanipulation ist deshalb auch die Zuverlässigkeit und Wahrheit der Preisbildung an Börsen und Märkten im Interesse ihrer Funktionsfähigkeit102. Wie gesehen, kann im optimalen Fall dem Preis einer Aktie das Ergebnis der Verarbeitung aller Informationen über Risiko und Erwartungswert des Wertpapiers entnommen werden. Genau diese Funktion wird durch manipulative Akte gestört103. Die manipulierende Partei versucht gezielt, die restlichen Marktteilnehmer von einem Preisniveau zu überzeugen, das in Wahrheit gar nicht Spiegelbild aller relevanten Informationen ist. Dass und warum dieser Manipulati-

_________ 98

Zur Einteilung siehe vor allem Vogel in Assmann/Schneider, Vor § 20a Rn. 23 ff. Lenzen, Eingriffe in die Börsenkursbildung, S. 12; Varnholt, Finanzmarkt und Portfoliomanagement 1993, 459, 460 und Fischel/Ross, 105 Harvard Law Review (1991), 503. 100 Varnholt, Finanzmarkt und Portfoliomanagement 1993, 459, 460 und Fischel/Ross, 105 Harvard Law Review (1991), 503. 101 Varnholt, Finanzmarkt und Portfoliomanagement 1993, 459, 462; Meißner, Stabilisierung und Pflege von Aktienkursen, S. 37. Darauf stellt insbesondere auch Lenzen ab, wenn sie die negativen Folgen manipulativer Handlungen für die Investoren und den Markt selbst beschreibt, vgl. Lenzen, Eingriffe in die Börsenkursbildung, S. 53 ff.: Der Kurs spiegelt die vorhandenen Informationen unzutreffend wieder. 102 Vgl. nur Vogel, NStZ 2004, 252, 255. Das galt auch schon für § 88 BörsG a.F., vgl. Begründung zum Zweiten Gesetz zur Bekämpfung der Wirtschaftskriminalität, BTDrucks. 10/318, S. 46. 103 Auch die höchsten Wertpapierbehörden stellen zunehmend auf die Störung des Preisbildungsmechanismus und die Beeinträchtigung des Informationseffektes ab, wenn die nachteiligen Folgen manipulativer Eingriffe oder des Insider Tradings diskutiert werden, vgl. die SEC zur Begründung der Regulation M, SEC Releases Nos. 33-7375, 34-38067 (1996), S. 2, und in jüngester Zeit wiederholt in Release Nos. 33-8511, 3450831 (2004), S. 3 und 38, zudem auch SEC Release 34-19244 (1982) zur Einführung der Rule 10b-18 oder das CESR bei den Empfehlungen zur Marktmissbrauchsrichtlinie, CESR/02-089d, Ziffer 62, oder zu den Folgen manipulierter Aktienkurse vgl. Meißner, Stabilisierung und Pflege von Aktienkursen, S. 47 ff. 99

III. Ökonomische Bewertung

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onseffekt gerade auch durch gezielte Käufe an der Börse erreicht werden kann, weisen Allen/Gorton in Form eines numerischen Modells nach104. Die Störung der Informationseffizienz durch Manipulationshandlungen hat diverse negative Auswirkungen. An dieser Stelle sei nur erwähnt, dass Anleger durch „unzutreffende Preise“ zu falschen Anlageentscheidungen verleitet werden können. Zudem ist die Kapitalbewertungsfunktion der Börse gestört. Denn der Börsenkurs ist häufig Grundlage für die Bewertung bei Unternehmnsübernahmen, Fusionen, Abfindungen, für die Bilanzaufstellung oder die Berechnung von Steuern. Ein in seiner Effizienz gestörter Markt kann diese Aufgaben – wenn überhaupt – nur eingeschränkt wahrnehmen105. c) Stabilisierungskäufe als Manipulation Werden Aktien zu Stabilisierungszwecken von der Emissionsbank erworben, enthält der so gestiegene Kurs nicht die Information einer gesteigerten Rendite oder eines verminderten Risikos, sondern ist die bloße Folge der Stabilisierungsinteressen der Emissionsbank. Der sich einstellende Preis steht nicht mehr ausschließlich für verarbeitete Informationen; die Informationseffizienz des Kapitalmarkts ist gestört. Solange die restlichen Marktteilnehmer nicht darüber aufgeklärt sind, dass es sich in diesem konkreten Fall lediglich um einen Stabilisierungskauf gehandelt hat106, werden auch sie den Preis nicht – etwa durch anschließende Verkäufe – in sein informationseffizientes Gleichgewicht zurückführen. Die von der Emissionsbank durchgeführte Stabilisierung hat manipulativen Charakter107. Das leuchtet insbesondere dann ein, wenn man das Ergebnis aus Abschnitt II.1.b)(2) betrachtet, wonach die Beeinflussung des Kurses bei der Kursstabilisierung wohl zu einem beachtlichen Teil auf dem (im Einzelfall möglicherweise unzutreffenden) Informationseffekt beruht. Manipulationshandlungen, bei denen ein Marktteilnehmer versucht, durch gezielten

_________ 104

Allen/Gorton, 36 European Economic Review (1992), 624. Ausführlich zu den negativen Auswirkungen manipulativer Handlungen für den Anleger und den Kapitalmarkt Lenzen, Eingriffe in die Börsenkursbildung, S. 52 ff. 106 Das wäre allenfalls dann anders, wenn der Kauf offiziell und öffentlich als Stabilisierungstransaktion bezeichnet würde. Das ist zum Beispiel bei den in dieser Arbeit nicht zentral behandelten Rückkäufen durch den Emittenten selbst denkbar. Kauft der Emittent die Anteile im Rahmen eines öffentlichen Angebots unter Angabe des Stabilisierungszwecks zurück, kann von einer Manipulation in vorgenanntem Sinne wohl kaum noch gesprochen werden. 107 Auf die von einem gestörten Preis ausgehende Fehlinformation und die daraus resultierende Manipulationsgefahr weisen auch schon Lutter in Kölner Kommentar, § 71 Rn. 12 und auf ihn verweisend Huber in FS Kropff, S. 101, 122 in anderem Zusammenhang hin. 105

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C. Das Stabilisierungsgeschäft aus ökonomischer Sicht

Einsatz dieses Signaling-Effekts, den Kurs zu beeinflussen, werden als „Bluffing“ bezeichnet108. In weiten Teilen der ökonomischen Literatur wird (deshalb) wie selbstverständlich angenommen, dass es sich bei der Kurspflege streng genommen „um eine Form der Kursmanipulation handelt, die danach strebt, richtige Kursbewegungen zu verlangsamen“109. Die Täuschung der Marktteilnehmer ist in einem jungen IPO-Markt auch besonders leicht, weil die betreffenden Papiere zuvor nicht öffentlich gehandelt und somit nur teilweise von der Öffentlichkeit bewertet worden sind110. Die Störung der Informationseffizienz hat in einer solchen Situation daher besonders gravierende Auswirkungen. Ein solchermaßen manipulativer Eingriff in die Preisbildung wird den beteiligten Banken insbesondere durch die ihnen zur Verfügung stehende Greenshoe-Option erleichtert: Während jeder andere Marktteilnehmer bei einem solchen Vorgehen immer das Risiko einer für ihn ungünstigen Kursentwicklung trägt, ist der Konsortialführer durch die Möglichkeit abgesichert, seine ShortPositionen im Fall eines steigenden Kurses durch Ausübung der GreenshoeOption zu decken. Es kann also auch nicht argumentiert werden, dass letztlich jeder Marktteilnehmer den Kurs über eigene Transaktionen zu beeinflussen versuchen könnte. Der Unterschied ist, dass dem Konsortialführer eben diese Tätigkeit ohne jegliches wirtschaftliches Risiko möglich ist. Die SEC ist schon 1940 davon ausgegangen, dass es sich bei der Kursstabilisierung grundsätzlich um einen Fall der Kursmanipulation handelt111, der gesonderter Rechtfertigung bedarf. Diese Auffassung hat die SEC erst im Dezember 2004 erneut bestätigt112. Wohl ebenfalls diesen Überlegungen folgend, geht

_________ 108

Varnholt, Finanzmarkt und Portfoliomanagement 1993, 459, 462. Vgl. Hanley/Kumar/Seguin, Journal of Financial Economics 1993, 177, 194; Benveniste/Erdal/Wilhelm, Journal of Banking & Finance 1998, 741, 743; Benveniste/Busaba/Wilhelm, 42 Journal of Financial Economics (2003), 223, 224; Loss/Seligman, Fundamentals of Securities Regulation, S. 1064; Soderquist/Gabaldon, Securities Regulation, S. 563 f. So wohl auch Lenzen, Eingriffe in die Börsenkursbildung, S. 15, die jedoch auf S. 13 noch die Überlegung anstellt, ob bei Kurspflegemaßnahmen in Anbetracht ihrer positiven ökonomischen Wirkung überhaupt von “Manipulation” gesprochen werden könne. 110 Aggarwal/Conroy, 55 Journal of Finance (2000), 2903, 2904; Die SEC macht beispielsweise in der Rule 101, die einer Manipulation nach der Emission entgegenwirken soll, eine Ausnahme für aktiv gehandelte Wertpapiere, vgl. Rule 101(c)(1). Grund hierfür ist, dass die Manipulationskosten hier höher seien, vgl. SEC Releases Nos. 33-7375; 34-38067 (1996), S. 45. Am anfälligsten sind zweifelsohne bislang dem Markt vergleichsweise unbekannte und erstmalig angebotene Papiere. 111 Vgl. SEC Release No. 34-2446 (1940), S. 12. 112 SEC Release Nos. 33-8511, 34-50831 (2004), S. 39 und S. 50 mit Bezug auf die neuesten Untersuchungen von Boehmer/Fishe, vgl. Boehmer/Fishe Who Ends up Short 109

III. Ökonomische Bewertung

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der deutsche Gesetzgeber im Rahmen des Vierten Finanzmarktförderungsgesetzes davon aus, dass auch effektive Rechtsgeschäfte113 über die tatsächliche Geschäftslage täuschen können114 und will solche Praktiken, die allein der Beeinflussung des Kurses dienen, dem Manipulationsverbot des § 20a WpHG unterstellen115. d) Vertragliche Veräußerungsverbote mit Manipulationspotential Ähnliches gilt für „Penalty Bids“. Freilich kann durch sie möglicherweise verhindert werden, dass die sog. Flipper irreführende oder zumindest verunsichernde Signale an den Markt senden. Sie verhindern aber auch den Verkauf von Aktien, der tatsächlich auf der verminderten Wertschätzung des jeweiligen Veräußerers beruht. So unterbinden sie, dass eine insoweit durchaus wertvolle Information an den Markt gesendet wird. Wenn auf diese Weise der Kurs vor dem Absinken bewahrt wird, ist er ebenfalls nicht mehr ausschließlich das Ergebnis der Bewertung durch den Markt, sondern resultiert zumindest auch aus dem Umstand, dass die Anteilseigner daran gehindert werden, ihre Wertpapiere zu veräußern. Der Kurs ist möglicherweise nicht in seinem informationseffizienten Gleichgewicht. Er ist indirekt manipuliert worden116. Dieser Effekt tritt vor allem dann in den Vordergrund, wenn die entsprechenden „Penalty Bids“ den restlichen Marktteilnehmern nicht bekannt sind. „Lock-up“-Vereinbarungen haben zunächst einmal das gleiche Manipulationspotential. Auch sie sind geeignet, Altaktionäre dann am Verkauf zu hindern, wenn sie einen solchen aufgrund ihrer gesunkenen Wertschätzung der Aktien eigentlich durchführen wollten. In diesem Fall würde der Kurs unter Umständen ebenfalls nicht alle öffentlich bekannten Informationen widerspiegeln, wäre in gewisser Weise „künstlich“, d.h. nicht in seinem informationseffizienten Gleichgewicht. Diese Gefahr reduziert sich aber deutlich, wenn derartige Vereinbarungen im Emissionsprospekt offengelegt werden. Denn dann steigt die

_________ From Underwriter Short Covering? A Detailed Analysis of Underwriter Stabilization in a Large IPO, (March 28, 2001), S. 32 ff. 113 Ausführlich zur Einordnung der Kursstabilisierung als handelsbasierte Manipulation Meißner, Stabilisierung und Pflege von Aktienkursen, S. 42 ff und vor allem S. 62. 114 Vgl. Begründung zum Vierten Finanzmarktförderungsgesetz, BT-Drucks. 14/8017, S. 89. Eine eingehende Auseinandersetzung mit diesem Problem erfolgt unten im Abschnitt E.II.1.c)(1). 115 Begründung zum Vierten Finanzmarktförderungsgesetz, BT-Drucks. 14/8017, S. 90. Ob die vom Gesetzgeber insoweit vorgenommenen Bemühungen als erfolgreich einzustufen sind, soll weiter unten, im Abschnitt E.II.1.b), Gegenstand der Untersuchung sein. 116 Lenzen führt gerade auch vertragliche Veräußerungsverbote als eine Kategorie der Manipulation auf, vgl. Lenzen, Eingriffe in die Börsenkursbildung, S. 25.

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C. Das Stabilisierungsgeschäft aus ökonomischer Sicht

Wahrscheinlichkeit, dass die anderen Marktteilnehmer den nicht erfolgenden Verkauf durch die Altaktionäre zutreffend interpretieren und den Preis durch entsprechende Transaktionen ihrerseits seinem informationseffizienten Gleichgewicht zuführen. Eine Veröffentlichung der „Lock-up“-Vereinbarungen im Prospekt ist für den Einzelfall sehr wahrscheinlich117, da erstens eine entsprechende prospektrechtliche Pflicht besteht118 und zweitens gerade aus der Offenlegung gewisse positive Signale für den Markt resultieren können und sollen119. Das zeigt auch, dass das Manipulationspotential von Stabilisierungsmaßnahmen durch hinreichende Transparenz verringert werden kann. Für den Fall der Stabilisierungskäufe ist dieser Effekt jedoch weniger aussichtsreich und ist deshalb oben noch nicht ausdrücklich angeführt worden, da im Emissionsprospekt allenfalls die Möglichkeit später erfolgender Stabilisierungskäufe angekündigt120, nicht aber der Kauf selbst im Moment der Stabilisierung offengelegt wird121. 2. Möglichkeit einer wirtschaftlichen Rechtfertigung Sollen die soeben dargelegten manipulativen Eingriffe in die Börsenkursbildung gleichwohl erlaubt und in gewissem Maße legitimiert werden, bedürfen sie einer stichhaltigen Rechtfertigung. Früher wurden die verschiedenen Wege der Kursstabilisierung pauschal als zulässig bzw. dem Kapitalmarkt dienlich122 beschrieben. Sie wurden gerechtfertigt mit dem Hinweis auf die gängige Marktpraxis123, auf den Wortlaut des § 88 BörsG a.F., dessen amtlicher Begründung124 oder mit dem Verweis darauf, dass die Kurspflege der „Vermei-

_________ 117

Das zeigen auch die jüngsten Erfahrungen in der Praxis, vgl. beispielsweise den Wertpapierprospekt der Praktiker Bau- und Heimwerkermärkte Holding AG vom 4.11.2005, S. 10, den Prospekt der Q-Cells AG vom 20.9.2005, S. 7 und den der Thielert AG vom 4.11.2005, S. 14 f. So auch üblich im US-amerikanischen Kapitalmarkt, vgl. umfassend Field/Hanka, 56 Journal of Finance (2001), 471. 118 Vgl. noch Abschnitt E.II.1.c)(5)(b). 119 Vgl. schon Abschnitt C.II.2. 120 Auf die entsprechenden Gebote des deutschen Rechts wird in Abschnitt E.II.1.d)(3)(g) zurückzukommen sein. 121 So aber die Anforderungen in der US-amerikanschen Regulation M, siehe Abschnitt D.III.4.a). 122 Siehe nur OLG Frankfurt a.M., WuB II A. § 71a AktG 1.92, S. 951, 952: „üblich und erforderlich“. 123 So zitiert bei Fleischer, ZIP 2003, 2045, 2046; Vogel bezeichnet das als eine Art „professionsadäquates Verhalten“, vgl. Vogel, WM 2003, 2437, 2438. 124 Ausführlicher Fleischer, ZIP 2003, 2045, 2046 f; Vogel, WM 2003, 2437, 2438; so festgehalten auch in Meißner, Stabilisierung und Pflege von Aktienkursen, S. 35.

III. Ökonomische Bewertung

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dung irreführender Marktentwicklungen“ diene125. Sie sei als Möglichkeit anerkannt, den turbulenten Aftermarket126 nach einer Wertpapieremission zu beruhigen127. Auch heute wird teilweise noch schlicht darauf verwiesen, dass die Kurspflege dazu diene, „Zufallsschwankungen“ zu vermeiden128. Vorwiegend bemüht man sich nunmehr jedoch um eine tiefergehende wirtschaftliche Rechtfertigung. a) Herstellung eines ordnungsgemäßen Handels Teilweise wird behauptet, Kurspflege sei schon notwendig, um einen „ordnungsgemäßen Handel“ herzustellen. So heißt es in der Begründung zum Vierten Finanzmarktförderungsgesetz, die Kurspflege rechtfertige sich „im Hinblick auf die Funktion der Börse, einen ordnungsgemäßen Handel aufrechtzuerhalten und die Preiskontinuität sicherzustellen“129. Auch die europäische Verordnung zur Kursstabilisierung stellt unter anderem auf denselben Gedanken ab, wenn es dort zur Begründung heißt: „Stabilisation activities mainly have the effect of providing support for the price of an offering [...], thus [...] maintaining an orderly market130 in the relevant securities.“ Die nunmehr obsolete KuMaKV wollte gar die „Integrität und Funktionsfähigkeit des Finanzmarktes“131 schützen. Es ist allerdings fragwürdig, inwiefern ein durch Kurspflege künstlich beeinflusster – manipulierter – Markt mehr Integrität aufweisen soll als ein solcher, dem zwar Schwankungen immanent sind, dessen Preise aber auf natürliche Weise über Angebot und investitionstechnisch motivierte Nachfrage zustande kommen.

_________ 125 Meyer, AG 2004, 289, 291. Es ist indes nicht einsichtig, was an Kursschwankungen „irreführend“ sein und insbesondere, warum der gezielte Eingriff in den Markt mittels Stabilisierung weniger irreführend sein soll. 126 Als Aftermarket wird der Handel von Wertpapieren unmittelbar im Anschluss an die Emission bezeichnet. 127 Willamowski, Bookbuilding, Rn. 244 für die Notwendigkeit der Kursstabilisierung im Sekundärmarkt. 128 Vgl. z.B. Meyer, AG 2004, 289. Indes ist unklar, weshalb zugegebenermaßen starke Kursschwankungen im Anschluss an eine Emission “Zufallsschwankungen” darstellen sollen. Auch diese Schwankungen sind schließlich das Ergebnis wirtschaftlicher Überlegungen der Marktteilnehmer, wenngleich es sich möglicherweise um Spekulationsgeschäfte handelt. Aber auch diese sind einem gesunden Kapitalmarkt keinesfalls fremd, sondern sogar immanent. 129 BT-Drucks. 14/8017, S. 90. 130 So wohl auch Teile in der amerikanischen Literatur, vgl. Foschay, 45 Virginia Law Review (1959), 907. 131 So die Formulierung der Begründung zur KuMaKV, BR-Drucks. 639/03, S. 9.

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C. Das Stabilisierungsgeschäft aus ökonomischer Sicht

Auch der Rechtfertigungsansatz über die Aufrechterhaltung des ordnungsgemäßen Handels ist bedenklich. Vogel132 fragt, warum es nicht „ordnungsgemäß“ sein soll, dass ein großes Angebot auf die Preise drückt bzw. der Börsenkurs starken Schwankungen unterliegt. Denn der Handel ist genau dann ordnungsgemäß, wenn die materiellen und verfahrensrechtlichen Vorschriften eingehalten sind, wenn beispielsweise die Feststellung des Börsenpreises den Anforderungen der §§ 24 ff. BörsG sowie den einschlägigen Börsenordnungen und das Verhalten der Teilnehmer den Vorgaben des WpHG entspricht. Es kann keinesfalls davon ausgegangen werden, dass die starken Kursschwankungen gezwungenermaßen die Folge eines Verstoßes gegen die genannten Bestimmungen sind. Deshalb machen die Kursschwankungen den Handel nicht per se ordnungswidrig. Somit benötigt man die Kurspflege auch nicht, um einen „ordnungsgemäßen Handel wieder herzustellen“ oder „aufrechtzuerhalten“. Vielmehr verkennt dieser Ansatz, dass es sich bei der Kurspflege ja gerade um einen manipulativen Eingriff in die freie Preisbildung des Aktienmarktes handelt. b) Wirtschaftliche Erleichterung der Aktienplatzierung Weit mehr verspricht der Ansatz, dass die Kurspflege zwar zur Ordnungsgemäßheit des Handels nichts beizutragen vermag, aber die Emission neuer Wertpapiere und damit die Unternehmensfinanzierung vereinfacht. Dadurch wäre zwar noch nicht gesagt, dass Stabilisierungsmaßnahmen per se einem guten Zweck dienen. Es wäre aber möglich, dass ökonomische Überlegungen so schwer wiegen, dass eine gewisse Manipulation in Kauf genommen werden muss. So stellt beispielsweise die Empfehlung des CESR133 ausschließlich darauf ab, dass die Emission von Wertpapieren mittels Kurspflege erleichtert werde, indem die Finanzierungskosten für den Emittenten reduziert würden. Die SEC hat schon im Jahre 1940 davon gesprochen, dass es sich bei der Kurspflege zwar um einen Fall der Marktmanipulation handle134, diese aber notwendig sei, um ein rapides Absinken des Aktienkurses zu verhindern und somit die Emission neuer Aktien zu erleichtern135. Wie im nächsten Abschnitt noch zu sehen sein wird, vereinfacht die Kurspflege die Abwicklung der Emission, sofern sie es schafft, emissionstypische Schwankungen zu reduzieren. Das gilt dann für Stabilisierungskäufe und Veräußerungsbeschränkungen gleichermaßen. Gleichwohl beantwortet auch dieses

_________ 132

Vogel, WM 2003, 2437, 2438. CESR/02-020b, S. 9. 134 Vgl. SEC Release No. 34-2446 (1940), S. 12. 135 Vgl. SEC Release No. 34-2446 (1940), S. 5. 133

III. Ökonomische Bewertung

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Ergebnis noch nicht die Frage, welchem übergeordneten kapitalmarktpolitischen Ziel eine solche „Erleichterung der Emission“ entspricht. Als entsprechende Maxime kommt die Kapitalmarkteffizienz in Betracht. c) Effizienz des Kapitalmarkts Eine der Hauptaufgaben des Kapitalmarktrechts ist die Herstellung und Aufrechterhaltung der Markteffizienz136. Dieser Begriff lässt sich in drei Bestandteile aufgliedern: Die Allokationseffizienz, die operationale Effizienz und die institutionelle Effizienz137. (1) Allokationseffizienz und Informationseffizienz Die Allokationseffizienz bezieht sich – wie bereits erwähnt – auf die Steuerungsleistung des Kapitalmarkts. Es sind die Voraussetzungen dafür zu schaffen, dass anlagefähiges Kapital dorthin fließt, wo es am dringendsten und erfolgversprechendsten benötigt wird138. Auf der Grundlage der Entscheidungen für marktliche Verteilungsvorgänge ist dies dort der Fall, wo das eingesetzte Kapital die höchste Rendite verspricht139. In Bezug auf die Rechtfertigung der Kursstabilisierung könnte allenfalls argumentiert werden, dass die Banken durch ihre Stabilisierungsmaßnahmen den „wahren Kurswert“ herzustellen helfen, somit die Steuerung des Kapitals verbessern und auf diese Weise die Allokationseffizienz erhöhen. Dieser Gedanke setzt aber voraus, dass die Emissionsbanken den tatsächlichen Wert eines Anteils zutreffender feststellen können als der Sekundärmarkt. Das ist zu bezweifeln. Denn abgesehen von den damit verbundenen praktischen Problemen der Wertfeststellung ist den Wirtschaftswissenschaften eine Differenzierung zwischen Marktpreis und „wahrem Wert“ der Aktie fremd140. Ganz im Gegenteil: Oben141 wurde bereits festgestellt, dass sich der manipulative Charakter der Kursstabilisierung gerade daraus ergibt, dass Stabilisie-

_________ 136

Lenenbach, Kapitalmarkt- und Börsenrecht, Rn. 1.37. Mit eben dieser Einteilung Assmann in Assmann/Schütze, § 1 Rn. 23 ff.; Ihm folgenden unter anderem Kümpel, Bank- und Kapitalmarktrecht, Rn. 8.178 ff. und Merkt/Rossbach, JuS 2003, 217, 220. 138 Copeland/Weston, Financial Theory, Chapter 10, S. 330; Assmann in Assmann/Schütze, § 1 Rn. 24. 139 Assmann in Assmann/Schütze, § 1 Rn. 24. 140 Von einem solchen Verständnis weicht auch die Rspr. zunehmend ab, vgl. insbesondere BGHZ 147, 108 = BGH ZIP 2001, 734, 736 ff. = BB 2001, 1053, 1055 ff. [„DAT/Altana“] und BGHZ 153, 47 = BGH ZIP 2003, 387, 390 [„Macrotron“]. 141 Abschitt C.III.1. 137

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C. Das Stabilisierungsgeschäft aus ökonomischer Sicht

rungsmaßnahmen den Aktienpreis aus seinem informationseffizienten Gleichgewicht bringen. Die Informationseffizienz aber ist ein Unterfall der Allokationseffizienz142. Diese wird im Zuge der Kurspflege also eher verringert als erhöht. (2) Operationale Effizienz Der Aspekt der operationalen Effizienz zielt darauf ab, die durch die Bereitstellung von Anlagemöglichkeiten verursachten Kosten zu minimieren, um die Funktionsfähigkeit des Kapitalmarkts zu fördern143. Dabei sind die Kosten für den Emittenten aus der Emission und die der Investoren aus der Kapitalanlage gleichermaßen in Betracht zu ziehen144. Ein Unterfall dieser Kosten ist der Aufwand des Emittenten, der sich bei der Platzierung von Aktien in der Höhe des erzielbaren Emissionspreises widerspiegelt. Eben dieser wird durch das oben beschriebene „Underpricing” – teilweise signifikant – reduziert. (a) „Underpricing“ als Entschädigung der vergleichsweise schlecht informierten Anleger Es wurde erläutert, dass ein großer Teil aller Emissionen durch eine starke Unterbewertung (sog. „Underpricing”) gekennzeichnet ist. Dieses regelmäßig auftretende Phänomen wird, wie gesehen, zum großen Teil damit begründet, dass der Emittent den weniger gut informierten Anlegern eine Ex-anteEntschädigung dafür zahlen muss, dass sie sich die Gewinne aus einer etwaigen Unterbewertung mit den besser Informierten teilen, die Verluste im Fall einer Überbewertung hingegen alleine tragen müssen. Aus diesem Grunde müssten – so die Theorie – die Emittenten eine möglicherweise zusätzliche, jedenfalls aber bewusste Unterbewertung vornehmen145. Teile in der Literatur146, die diese Theorie befürworten, argumentieren nun weiter, dass eine solche Entschädigung den Anlegern statt durch das Festlegen eines bewusst zu niedrig gewählten Emissionspreises auch durch die glaubhafte Ankündigung von Stabilisierungsmaßnahmen versprochen werden könne. Denn im Falle einer trotzdem, d.h. zufällig, stattfindenden Unterbewertung sei den

_________ 142

Vgl. zu dieser Einordnung Assmann in Assmann/Schütze, § 1 Rn. 24. Assmann in Assmann/Schütze, § 1 Rn. 25; Copeland/Weston, Financial Theory, Chapter 10, S. 331; Lenenbach, Kapitalmarkt- und Börsenrecht, Rn. 1.42. 144 Assmann in Assmann/Schütze, § 1 Rn. 25; Kümpel, Bank- und Kapitalmarktrecht, Rn. 8.197; Schmitz, ZStW 115 (2003), 501, 505. 145 Vgl. dazu ausführlicher schon den Abschnitt C.I.1.c). 146 Vgl. Chowdhry/Nanda, 31 Journal of Financial and Quantitative Analysis (1996), 25, ihnen folgend Meißner, Stabilisierung und Pflege von Aktienkursen, S. 54 ff. 143

III. Ökonomische Bewertung

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Investoren ohnehin gedient, im Fall einer Überbewertung dürften sie sich dann auf eine nachherige Stabilisierung des Preises durch die Emissionsbanken verlassen. Das stelle für sie eine Art Put-Option dar147. In der Tat hat die Praxis bereits gezeigt, dass Investoren besonders gerne Emissionspapiere zeichnen, für die die Durchführung von Kurspflege im Vorfeld angekündigt wurde148. Dem Emittenten ermögliche das, von einer Entschädigung mittels bewussten „Underpricings“ abzusehen. Dies senke seine Emissionskosten. Denn die für die Stabilisierung anfallenden Kosten seien im Vergleich zu den aus einem signifikanten „Underpricing” resultierenden deutlich geringer 149. Die Gesamtkosten der Emission würden auf diese Weise also gesenkt, die operationale Effizienz des Marktes erhöht. (b) „Underpricing“ als Entschädigung der vergleichsweise gut informierten Anleger Folgt man hingegen der „Underpricing”-Theorie, die zwar ebenfalls auf Informationsasymmetrie abstellt, die aber davon ausgeht, dass die Unterbewertung der Preis ist, den der Emittent zahlt, um im Rahmen des BookbuildingVerfahrens das wahre Interesse der gut Informierten zu ermitteln150, kann die Kursstabilisierung ebenfalls als ergänzende Maßnahme gesehen werden: Statt eines übermäßigen „Underpricings“ vor der Emission könnte man die besser Informierten dadurch entlohnen, dass sie im Zuge der Stabilisierungsmaßnahmen die Anteile problemlos wieder abgeben können151. Diese Auffassung wird durch das empirische Ergebnis von Benveniste/Erdal/Wilhelm152 gestützt, die

_________ 147 Benveniste/Erdal/Wilhelm, Journal of Banking & Finance (1998), 741, 743; Fishe, 37 Journal of Financial and Quantitative Analysis (2002), 319, 320; Hanley/Kumar/Seguin, Journal of Financial Economics (1993), 177. 148 Benveniste/Spindt, 24 Journal of Financial Economics (1989), 343. 149 Hauptgrund dafür ist, dass die Entschädigung hier nur ex post, also im Falle einer tatsächlichen Überbewertung gezahlt werden muss. Im Fall des Underpricing wird der entsprechende Abschlag vom eigentlichen Emissionspreis hingegen in jedem Fall vorgenommen, vgl. Chowdhry/Nanda, 31 Journal of Financial and Quantitative Analysis (1996), 25. 150 Vgl. oben Abschnitt C.I.1.d). 151 Wie bei der entsprechenden Underpricing-Theorie (dargestellt in Abschnitt C.I.1), muss auch hier dafür gesorgt werden, dass diese Entschädigung ausschließlich den besser Informierten als „Belohnung“ für die Preisgabe ihrer Informationen zukommt. Im Fall des Underpricings wurde das dadurch erreicht, dass man denen, die am meisten Interesse bekunden, den größten Anteil der Emission zuteilt. Hier kann eine entsprechende „Diskriminierung“ durch die Verwendung von Penalty Bids erzielt werden, vgl. Benveniste/Busaba/Wilhelm, 42 Journal of Financial Economics (1996), 223, 225. Ihnen folgend Meißner, Stabilisierung und Pflege von Aktienkursen, S. 56 f. 152 Benveniste/Erdal/Wilhelm, Journal of Banking & Finance (1998), 741.

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C. Das Stabilisierungsgeschäft aus ökonomischer Sicht

feststellen, dass insbesondere institutionelle Großanleger, die vermutetermaßen besser Informierten153, ihre Anteile im Zuge von Stabilisierungsmaßnahmen wieder veräußern154. (c) Stabilisierungsversprechen als Indiz für eine zutreffende Festsetzung des Emissionspreises Ein alternativer oder ergänzender Effekt der Kursstabilisierung zur Verringerung des „Underpricings“ wurde von Benveniste/Busaba/Wilhelm155 beschrieben. Ein Großteil der Investoren befürchte im Falle einer Emission, dass die Banken einen Anreiz zur Überbewertung der Emissionspapiere haben, um ihren Provisionserlös erheblich zu steigern156. Verpflichtet sich die Bank aber zur nachherigen Kurspflege, die im Falle einer Überbewertung recht kostspielig sein könne, sei es glaubhaft, dass sie um eine Festsetzung des tatsächlich zu erwartenden Preises bemüht sei. Ein solches Versprechen könne dann als Substitut für eine andernfalls nötige gezielte Unterbewertung dienen157. Oder, wie es Meißner158 formuliert, könne das Versprechen zur Stabilisierung als Pfand angesehen werden, welches die Anleger gegen die Überbewertung der Emission absichere. Diese Theorie ist aber deswegen kritisch zu hinterfragen, weil ihre Vertreter voraussetzen, dass Stabilisierungsmaßnahmen im Fall einer vorherigen Überbewertung kostspielig sind. Dem kann jedoch entgegengehalten werden, dass die Bank die Papiere schließlich zu einem höheren Preis verkauft hat als sie sie anschließend im Markt zurück kaufen wird. Deshalb stellt ein solches Szenario für die Bank vielmehr die Realisierung von Spekulationsgewinnen dar159. Ins

_________ 153 Der Zusammenhang zwischen institutionellen Großanlegern und einem erhöhten Informationsstand konnte allerdings bislang nur für die Singapore Stock Exchange empirisch wirklich nachgewiesen werden, vgl. Lee/Taylor/Walter, 34 Journal of Financial and Quantitative Analysis (1999), 425. 154 So auch Benveniste/Busaba/Wilhelm, 42 Journal of Financial Economics (1996), 223, 225 f. 155 Benveniste/Busaba/Wilhelm, 42 Journal of Financial Economics (1996), 223. 156 Meißner, Stabilisierung und Pflege von Aktienkursen, S. 56. Die Emittenten selbst haben natürlich ohnehin eine gewisse Motivation zur Übertreibung, da sie an einem möglichst maximalen Emissionserlös interessiert sind, so auch Benveniste/Spindt, 24 Journal of Financial Economics (1989), 343, 344. 157 Benveniste/Busaba/Wilhelm, 42 Journal of Financial Economics (1996), 223, 225. 158 Meißner, Stabilisierung und Pflege von Aktienkursen, S. 56. 159 Vgl. insoweit auch noch die Ausführungen im Abschnitt C.III.3.c) und vor allem die ökonomische Untersuchung von Fishe, der feststellt, dass der Emissionsbank insoweit eine Put-Option zur Verfügung steht, Fishe, 37 Journal of Financial and Quantitative Analysis (2002), 319, 320. Boehmer/Fishe, 10 Journal of Corporate Finance (2004), 575, 576.

III. Ökonomische Bewertung

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Extreme geführt, bedeutet das sogar, dass die Bank ein doppeltes Motiv zur Übertreibung des Emissionspreises hat: Erst maximiert sie den Emissionserlös und anschließend verzeichnet sie Spekulationsgewinne, wenn sie die Aktien zu einem im Sekundärmarkt niedrigeren Preis erwirbt. Anders ist das nur, wenn die Emissionsbank den entsprechenden Stabilisierungskauf stets zum Emissionspreis vornimmt160; dann scheidet natürlich eine Gewinnrealisierung für die Bank aus. In den Vereinigten Staaten ist ein Stabilisierungskauf, der über dem Preis vorgenommen wird, der sich unabhängig auf dem Markt ergeben hat, ausdrücklich unzulässig161. (3) Institutionelle Effizienz Institutionelle Effizienz bedeutet die Erhaltung und Festigung des Vertrauens der Investoren in die Stabilität und Integrität des Marktes. Außerdem gilt es, die allgemeinen Funktionsvoraussetzungen eines Marktes zu sichern, wie etwa den freien Zugang von Anbietern und Investoren zum Markt, um so dessen Breite (Vielfalt des Angebots) und Tiefe (Zahl der Investoren und Volumen des angelegten und anlagesuchenden Kapitals) zu sichern162. Voraussetzung für die Funktionsfähigkeit ist also auch eine hinreichende Liquidität des Marktes163. Diese wird durch übermäßige Kursschwankungen und die damit einhergehenden Unsicherheiten eingeschränkt, wenn sie dazu führt, dass Investoren dem Kapitalmarkt fernbleiben164. Diesen Aspekt spricht wohl auch die europäische Verordnung zur Kursstabilisierung165 an, wenn sie festhält, dass die Zulassung der Kurspflege gerechtfertigt sei, da mit ihrer Hilfe das „Vertrauen der Anleger in den Kapitalmarkt“ gestärkt werden könne166. Die Abschreckung der Investoren durch zu starke Kursschwankungen ist unter zwei Aspekten denkbar. Zum einen ist die Kursbildung am Aktienmarkt nicht immer nur das Ergebnis rein rationaler Erwartungen. Es ist daher nicht auszuschließen, dass Anleger im Fall eines starken Kursverlusts aus Angst, also

_________ 160

Davon gehen die Ökonomen Benveniste et al. wohl implizit aus, vgl. Benveniste/Busaba/Wilhelm, 42 Journal of Financial Economics (1996), 223. Weshalb sie das tun, ist unklar, zumal gerade das amerikanische Recht in vielen Fällen die Stabilisierung zum Emmissionspreis gar nicht zulässt, vgl. unten den Abschnitt D.III. 161 Vgl. dazu noch Abschnitt D.III.3. 162 Assmann in Assmann/Schütze, § 1 Rn. 26; Vgl. Kümpel, Bank- und Kapitalmarktrecht, Rn. 8.185; Lenenbach, Kapitalmarkt- und Börsenrecht, Rn. 1.43; Schmitz, ZStW 115 (2003), 501, 505. 163 Vgl. Kümpel, Bank- und Kapitalmarktrecht, Rn. 8.185; Merkt/Rossbach, JuS 2003, 217, 220; Schmitz, ZStW 115 (2003), 501, 505. 164 Vgl. Kümpel, Bank- und Kapitalmarktrecht, Rn. 8.175. 165 VO 2273/2003. 166 Verordnung EC 2273/2003 Nr. 11.

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C. Das Stabilisierungsgeschäft aus ökonomischer Sicht

aus bloß psychologisch-emotionalen Gründen, ihre Anteile veräußern und dem Kapitalmarkt fernbleiben und/oder sich anderen Märkten zuwenden167. Zum anderen ist ein solches Verhalten auch rational begründbar: Der Großteil aller Anleger des Kapitalmarkts ist von Natur aus risikoscheu168. Deshalb beansprucht er als Ausgleich für jedes – durch starke Kursschwankungen vermittelte – Risiko169 eine höhere Rendite. Dass das Risiko bei einer Anlage auf dem Kapitalmarkt höher ist als beispielsweise bei einer festverzinslichen Anlage, ist eine Selbstverständlichkeit und kann auch nicht verhindert werden. Wenn nun aber eben diese Unsicherheit durch bestimmte Mechanismen nach der Emission übermäßig erhöht wird, besteht die Gefahr, dass der Kapitalmarkt den aufgrund des erhöhten Risikos gestiegenen (Verzinsungs-)Ansprüchen des Anlegers nicht mehr genügt und auf diese Weise wertvolle Investoren verliert. Können mittels Kurspflege (in Form von Stabilisierungskäufen oder aber auch durch vertragliche Veräußerungsbeschränkungen) die starken Kursschwankungen des Aftermarkets reduziert und die damit verbundene Abschreckung der Investoren verhindert werden, leisten Kursstabilisierungsmaßnahmen durchaus einen Beitrag zur gesteigerten Funktionsfähigkeit des Kapitalmarkts. Eine USamerikanische Kapitalmarktstudie hat gezeigt, dass Investoren bei einer Emission zunehmend zeichnungsbereit sind, wenn zuvor Kursstabilisierungsmaßnahmen angekündigt wurden170. Die teilweise gestellte Frage171, warum die in diesem Zusammenhang häufig zitierte Preiskontinuität172 an sich einen Wert darstellen soll, ist berechtigt. Wie gesehen, kann eine Antwort aber über die Effizienz des Kapitalmarkts gefunden werden: Hilft die Herstellung einer gewissen Stabilität in der Kursentwicklung, den Kapitalmarkt für Investoren attraktiver zu gestalten, macht sie ihn sogleich effizienter. Effiziente und damit international funktions- und wettbewerbsfähige Kapitalmärkte sind wesentliche Bestandteile unserer Volkswirtschaft173. Die

_________ 167 Hopt, Kapitalanlegerschutz, S. 495; auf die Verunsicherung auch explizit abstellend Lenzen, Eingriffe in die Börsenkursbildung, S. 15 und Bruchner/Popischil in Lutter/Schneider, Rn. 11.39: „irrationale Momente“. 168 Vgl. umfassend statt aller Copeland/Weston, Financial Theory, Chapter 4, S. 85 ff. 169 Risiko ist hier ökonomisch i.S.v. Unsicherheit/Ungewissheit zu verstehen. D.h. wäre der Anleger nicht an sich risikoscheu, hätte eine risikobehaftete Anlage keinerlei Nachteile. 170 Benveniste/Spindt, 24 Journal of Financial Economics (1989), 343. 171 Vgl. nur Vogel, WM 2003, 2437, 2438. 172 Stellvertretend für gesetzgeberische Tätigkeiten die Begründung zum Vierten Finanzmarktförderungsgesetz, BT-Drucks. 14/8017, S. 90. Als Beispiel in der Literatur kann Weber genannt werden, der knapp festhält, dass die Kurspflege „eine im Interesse aller Marktteilnehmer liegende Preisstabilität gewährleiste“, vgl. Weber, NZG 2004, 23, 25. 173 Merkt/Rossbach, JuS 2003, 217, 220; Lenenbach, Kapitalmarkt- und Börsenrecht, Rn. 1.37; Schmitz, ZStW 115 (2003), 501, 505. Das besondere Interesse der Wirtschaft

III. Ökonomische Bewertung

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Aufbringung von Risikokapital erlangt dabei besondere Bedeutung174. Diese wirtschaftlichen Vorteile auf der einen Seite und der Aspekt der Marktmanipulation auf der anderen Seite müssen durch kapitalmarktrechtliche Vorschriften einer vernünftigen Kompromisslösung zugeführt werden. Sollte der Stabilisierungsmanager also tatsächlich in der Lage sein, emissionstypische Kursschwankungen zu verhindern oder abzuschwächen, leistet die Kurspflege einen wertvollen Beitrag auch zur institutionellen Effizienz des Kapitalmarkts und kann so kapitalmarktpolitisch gerechtfertigt werden. Zur Klarstellung sei nochmals angemerkt, dass das voraussetzt, dass die nach einer Aktienplatzierung typischerweise auftretenden Kursschwankungen abgeschwächt werden. Eine Kurspflege durch den Emittenten, völlig unabhängig von einer Emission, vermag dieser Ansatz freilich nicht zu rechtfertigen; hierfür bedürfte es separater wirtschaftlicher Überlegungen. 3. Gezielte Beseitigung emissionstypischer Schwankungen? a) Besondere Notwendigkeit der Stabilisierung im Anschluss an eine Emission Der genannte Interessenkonflikt zwischen der Preiskontinuität (zugunsten der Effizienz des Kapitalmarkts) auf der einen Seite und einer gänzlich unmanipulierten Preisentwicklung auf der anderen Seite besteht für den gesamten Primär- sowie Sekundärmarkt und kann eigentlich nicht auf den Aftermarket im unmittelbaren Anschluss an eine Wertpapierausgabe beschränkt werden. Denn den Markt für Investoren attraktiver zu gestalten, indem man unangenehme Kursschwankungen eliminiert, ist ein Bedürfnis, das auch nach Ablauf einer etwaigen 30-Tage-Frist noch besteht. Gleichwohl sind die Rechtfertigung und die gesetzgeberische Erlaubnis von Stabilisierungsmaßnahmen nur für den Aftermarket vorgesehen. Der Grund dafür ist zunächst, dass hier die befürchteten Kursschwankungen höher sind als in dem sich anschließenden Sekundärmarkt175. Insbesondere hat man aber auch die Hoffnung, dass gerade im Anschluss an eine Wertpapierausgabe die emissionstypischen Auslöser176 für die Marktunruhe leichter identifiziert und gezielt bekämpft werden können177.

_________ an Kurspflegemaßnahmen unter diesen Gesichtspunkten wurde von der SEC schon 1940 festgestellt, vgl. SEC Release No. 34-2446 (1940). 174 Uhlir, ZBB 1989, 2, 14; Caspari, ZGR 1994, 530, 532. 175 Vgl. nur Lenenbach, Kapitalmarkt- und Börsenrecht, Rn. 7.102. 176 Vgl. zur Beschreibung derselben den obigen Abschnitt C.I. 177 So auch Krämer/Hess als Begründung für die rechtliche Unbedenklichkeit von Stabilisierungsmaßnahmen: Es sollen Zufallsschwankungen im Anschluss an die erfolgte Erstnotierung ausgeglichen werden, die nicht in der aktuellen Geschäftslage des Emittenten oder der allgemeinen Börsenverfassung ihre Ursache haben. In diesem Fall spre-

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C. Das Stabilisierungsgeschäft aus ökonomischer Sicht

Schon die Definitionen der Kursstabilisierung bringen zum Ausdruck, dass eine solche Hoffnung besteht, wenn festgehalten wird, dass Stabilisierungsmaßnahmen vornehmlich vorgenommen würden, um die durch das Flipping ausgelösten Effekte abzufangen oder zumindest abzuschwächen178. Wie schon zu Beginn der Arbeit179 festgehalten wurde, meint der Begriff der Kursstabilisierung ganz allgemein verschiedene Formen der Einflussnahme auf den Preis kurz zuvor emittierter Wertpapiere zum Ausgleich kurzfristiger Marktschwankungen, die nicht durch die aktuelle Geschäftslage des Emittenten oder die allgemeine Marktentwicklung begründet sind. Weder der Gesetzgeber noch die Literatur gehen also davon aus, dass der Kurs mittels Stabilisierung einfach, d.h. unabhängig von der Berücksichtigung von Zufallsschwankungen, angehoben wird. Die gezielte Beseitigung ausschließlich der (emissionstypischen) Schwankungen setzt aber zweierlei voraus: Erstens müssen die Emissionsbanken überhaupt in der Lage sein, emissionstypisches Flipping-Verhalten von solchen Preisveränderungen zu unterscheiden, die durch natürliche Änderungen im Markt oder im Unternehmen selbst hervorgerufen werden. Und zweitens muss es auch glaubhaft sein, dass der Stabilisierungsmanager die Kurspflege nur dann betreibt, wenn sie ihren ursprünglichen Zweck erfüllt, das heißt er keine davon abweichenden Eigeninteressen verfolgt. Hier lohnt sich eine Betrachtung der wirtschaftlichen Interessen der beteiligten Banken. Es muss also untersucht werden, ob die Emissionsbanken die emissionstypischen Phänomene gezielt bekämpfen können und wollen. b) Die Identifizierung beseitigungswürdiger Schwankungen Alle vier der oben180 beschriebenen typischen Preisentwicklungen im Anschluss an eine Emission bringen deutliche Unruhen für den Aftermarket mit sich: „Overpricing”, „Underpricing”, Flipping, Liquiditätsengpass. Fraglich ist nur, welche davon durch Stabilisierung beseitigt werden müssen und ob berechtigte Hoffnung besteht, dass eine dafür notwendige Differenzierung bewusst vorgenommen werden kann.

_________ che viel für die rechtliche Unbedenklichkeit und geradezu Erforderlichkeit solcher Platzierungsmaßnahmen, vgl. Krämer/Hess in FS Döser, S. 171, 177. 178 Vgl. nur die euroäische Verordnung EC 2273/2003 Nr. 11 und die CESREmpfehlung CESR/02-020b, S. 9. 179 Abschnitt A.II, dort auch mit weiteren Nachweisen. 180 Vgl. oben Abschnitt C.I.

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(1) Stabilisierungskäufe (a) Vorheriges „Overpricing“ Sind die Kursschwankungen im Aftermarket das Ergebnis eines vorangegangenen „Overpricings“ durch den Emittenten und seinen Underwriter, wird sich – unabhängig von der theoretischen Begründung des „Overpricings“ – früher oder später der Preis einstellen, den der Markt für richtig hält. In diesem Fall sollten Kursstabilisierungsmaßnahmen nur mit Vorsicht durchgeführt werden, weil damit ausschließlich erreicht werden kann, dass sich die Einstellung des tatsächlichen Preises noch weiter hinauszögert, der Effekt der vorherigen Fehlbewertung also sogar noch verlängert wird. Der Sinn der Kurspflege könnte hier allein darin bestehen, etwaige Panikverkäufe durch andere Investoren und damit eine überzogene Abwertung zu verhindern. Darüber hinausgehend entspricht eine solche Hinauszögerung aber einem Nullsummenspiel: Der bisherige Inhaber ist froh, dass er zu einem noch nicht gesunkenen Preis verkaufen kann, der neue Käufer dagegen hat das Pech, das Papier zu einem inflationierten181 Preis zu erwerben und einen entsprechenden Verlust zu verzeichnen, sobald die Stabilisierungsmaßnahmen beendet werden und eine Kurskorrektur durch den Markt unwillkürlich stattfindet. In diesen Konstellationen sind keine emissionstypischen Phänomene nachweisbar, die es bedenkenlos abzuschwächen oder gar zu verhindern gilt. (b) Vorheriges „Underpricing“ und das sich anschließende „Flipping“ Für die ökonomische Erklärung des „Underpricings“ wurden drei verschiedene Ansätze geschildert. Gemeinsam haben alle drei Erklärungsansätze, dass zunächst eine künstliche Unterbewertung vorgenommen wird, die von den Banken oder Emittenten bewusst gewählt bzw. hingenommen wird182. Diese wird von den Marktteilnehmern erkannt, die durch rasche Käufe den Kurs am ersten Handelstag nach oben treiben und auf diese Weise Zeichnungsrenditen realisieren können. Soweit ist das Betreiben von Kurspflegemaßnahmen überflüssig. Dass sich im Laufe des ersten Tages der eigentliche Marktwert einstellt, braucht weder bedauert noch verhindert zu werden. Der starke Kursanstieg ist eine marktwirtschaftliche Selbstverständlichkeit. „Künstlich“ war allenfalls die zu tiefe Festsetzung des Emissionskurses. Diese aber kann durch Stabilisierungsmaßnahmen im Aftermarket ohnehin nicht mehr beeinflusst werden.

_________ 181

Diesen Begriff verwendend Hanley et al., 5 Journal of Financial Intermediation (1996), 127, 130. 182 Insoweit wird i. d. Literatur auch weitgehend von sog. Intendiertem Underpricing gesprochen, vgl. nur Uhlir, Zeitschrift für Bankrecht und Bankwirtschaft 1989, 2, 9 ff.

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C. Das Stabilisierungsgeschäft aus ökonomischer Sicht

Marktwirtschaftlich schädlich wird dies – wie oben gesehen183 – erst dann, wenn die Zeichnungsrendite, die sich am ersten Tag regelmäßig einstellt, ausgenutzt wird von den bereits genannten Flippern. Deren sofort anschließend durchgeführte Verkäufe führen zu einem starken Absinken des Kurses, zu erheblichen Preisschwankungen in den folgenden Tagen und möglicherweise auch zu zusätzlichen Panikverkäufen184 anderer Investoren. Das ist dem Kapitalmarkt zwar immanent, aber ökonomisch unerwünscht185. Diese Entwicklung könnte verhindert werden, wenn die an der Emission Beteiligten ermächtigt würden, die im Zuge des Flippings frei werdenden Aktienbestände aufzukaufen und anschließend sukzessive wieder an die restlichen – dann überwiegend an einer langfristigen Investition interessierten – Anleger abzugeben. Das kann den Kurs in solchen Fällen tatsächlich auf die gewünschte Weise stabilisieren186. Gleiches ergibt sich, wenn man nicht ausschließlich auf die durch Flipping ausgelösten Schwankungen abstellt. Selbst wenn diese die Folge einer ganz allgemeinen Marktunsicherheit sind, kann sich die Eliminierung der Schwankungen durch entsprechende Maßnahmen theoretisch lohnen. In der Praxis setzt das jedoch voraus, dass die Emissionsbank solche „Flipping-Geschäfte“ oder anderweitige „künstliche“ Schwankungen überhaupt identifizieren kann, bevor sie Stabilisierungskäufe durchführt. Ob ihr das im Einzelfall möglich ist, ist schwer zu sagen. Denn auch der Konsortialführer beobachtet lediglich, dass gewisse Investoren die Wertpapiere sofort nach der Emission wieder veräußern. Aus welcher Motivation sie das tun, ob deren Verkauf also nicht doch vollkommen bewertungsadäquat ist, z.B. als Folge einer negativen Unternehmensentwicklung oder einer anderweitig begründeten gesunkenen Unternehmenswertschätzung, wird in concreto schwer zu ermitteln sein. Das würde der Annahme gleich kommen, dass der Stabilisierungsmanager den „wahren Wert“ der Aktie errechnen kann, diesen mit dem sich tatsächlich eingestellten vergleicht und bei einer entsprechenden Abweichung durch Stabilisierungskäufe in den Markt eingreift. Dass die Emissionsbank aber über einen derartigen Wissensvorsprung verfügt, ohne mit Insiderwissen zu handeln, ist sehr unwahrscheinlich187. Letztlich bleibt der Bank also nichts anderes, als

_________ 183 Abschnitt C.III.2.c)(3): Starke Schwankungen reduzieren gegebenenfalls die Effizienz des Marktes, wenn sie nicht auf einer ehrlichen Unternehmensbewertung beruhen. 184 Hopt stellt fest, dass Kapitalanleger verunsichert und zu „unrichtigen Anlageentscheidungen hingerissen“ werden könnten, Hopt, Kapitalanlegerschutz, S. 495. 185 Zur Begründung vgl. oben den Abschnitt C.III.2.c)(3). 186 Aggarwal, Journal of Finance 2000, 1075, 1100 mit einem entsprechenden empirischen Nachweis. 187 Vgl. nur Hanley/Kumar/Seguin, Journal of Financial Economics 1993, 177, 194 mit empirischem Nachweis, dass solche Zweifel berechtigt sind. Auch in der deutschen (juristischen) Literatur wird festgehalten, dass in einer marktwirtschaftlichen Ordnung, in der sich die Preise nur im Wechselspiel von Angebot und Nachfrage herausbilden,

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immer dann Papiere zu kaufen, wenn solche am Aktienmarkt sofort im Anschluss an eine Emission veräußert wurden, weil dann zumindest eine erhöhte Wahrscheinlichkeit besteht, dass es sich bei den Verkäufern um „bloße“ Flipper handelt188. Häufig mag das richtig sein, manchmal aber, wie gesehen, auch nicht. (c) Liquiditätsengpass Ein entsprechendes Ergebnis erhält man, wenn man die an anderer Stelle bereits aufgezeichnete Konstellation des Liquiditätsengpasses betrachtet. Sollte die Aktie tatsächlich deshalb nicht platzierbar sein, weil die Emission im Kapitalmarkt nicht hinreichend wahrgenommen wird, macht es zumindest in der Theorie Sinn, die Wertpapiere zunächst einmal vom Markt zu nehmen und dann sukzessive zu platzieren. Aber auch in diesen Fällen fragt sich, woran der Konsortialführer erkennen soll, ob sich der Liquiditätsengpass tatsächlich aus der mangelnden Bekanntheit der Emission ergibt oder nicht doch Folge einer ganz normalen Bewertung durch den Markt und damit die Konsequenz eines vorherigen „Overpricings“ ist. (2) Veräußerungsbeschränkungen Ähnliches gilt für „Penalty Bids“. Freilich sind gerade solche Absprachen auch geeignet, das Flipping zu unterbinden oder Investoren mit entsprechenden Flipping-Absichten vom Primärmarkt fernzuhalten. Auf der anderen Seite wird hier aber genauso wenig differenziert zwischen Verkäufen, die das Resultat der Flipping-Strategie sind und solchen, die auf einer soliden und ehrlichen Wertschätzung des Veräußerers beruhen. Eine ausschließliche Bekämpfung emissi-

_________ grundsätzlich ein „gerechter Preis“ durch Rechtsetzung oder Festlegung eines „wahren“ Bewertungsverfahrens nicht ermittelt werden kann, vgl. nur Hefermehl/Spindler in Münchener Kommentar, § 87 Rn. 12, in anderem Zusammenhang: „Das Recht kennt keinen „gerechten Preis“; Spindler, DStR 2004, 36, 40 f., der diese allgemeine Überlegung dort auf die Angemessenheit von Vorstandsvergütungen überträgt. Auch Lutter/Gehling hatten schon in ihrer Anmerkung aus dem Jahre 1992 betont, dass „alle Berechnungen und Bewertungen über den möglichen Kurs oder über den ‚inneren Wert’ der Aktie Schall und Rauch“ seien, „wenn sie der Markt nicht bestätigt“, Lutter/Gehling, WuB II A. § 71a AktG 1.92, S. 952, 953. 188 Von einem ähnlichen Mechanismus geht interessanterweise auch das CESR in seiner Empfehlung aus. Auch hier wird angeführt, dass immer dann stabilisiert würde, wenn der Preis sinkt und immer dann die Greenshoe-Option ausgeübt würde, wenn der Kurs gestiegen ist, vgl. CESR/02-020b vom April 2002, S. 13.

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C. Das Stabilisierungsgeschäft aus ökonomischer Sicht

onstypischer Schwankungen oder Kursverluste kann damit nicht erreicht werden. Durch „Lock-up“-Vereinbarungen sollen letztlich Schwankungen bekämpft werden, die dadurch resultieren, dass die Altaktionäre ihre Anteile veräußern und diese nicht unverzüglich von einem langfristigen Anleger aufgenommen werden. In gewisser Weise können solche Schwankungen natürlich „emissionstypisch“, d.h. unabhängig von der wahren Wertentwicklung des Unternehmens, sein. Auf der anderen Seite könnten auch hier wieder Verkäufe durch Altaktionäre verhindert werden, die aufgrund einer nach der Emission geänderten Ansicht zur Ertragskraft des Unternehmens sich von Anteilen trennen wollen. Solche Entwicklungen aufzuhalten, ist aber nicht primäres Ziel der Kurspflege. c) Die wirtschaftlichen Interessen der beteiligten Parteien Setzt man nun gleichwohl die Prämisse, dass der den Kurs Stabilisierende sauber zwischen emissionstypischen Schwankungen und der natürlichen Unternehmens- und Marktentwicklung differenzieren kann, stellt sich die Frage, wie glaubwürdig das Versprechen der Akteure ist, ihre Befugnisse ausschließlich zur Erreichung dieser Ziele einzusetzen. Es lohnt sich insoweit, die ökonomischen Handlungsmotive der Beteiligten zu betrachten. (1) Emittent Es ist zu vermuten, dass der Emittent selbst in erster Linie ein Interesse an einem steigenden Aktienkurs hat. Inwieweit er vor diesem Hintergrund darauf bedacht ist, ausschließlich emissionstypische Kursschwankungen zum Ausgleich zu bringen und das Kursniveau im übrigen nicht doch künstlich anzuheben, also einem etwaigen Markttrend entgegenzuwirken, ist eine Frage des Einzelfalls. Eine gewisse Missbrauchsgefahr besteht jedoch189. Aus Sicht des Managements macht eine zumindest vorübergehende Anhebung des Kursniveaus schon deshalb Sinn, weil eigene Optionen so möglicherweise gewinnbringend ausgeübt werden können. Auf jeden Fall sollte folglich die Gestattung der Kurspflege auf eine kurze Zeitspanne nach der Emission begrenzt bleiben. Aber auch dabei hat der Emittent natürlich ein Interesse an der Darstellung einer nach außen hin erfolgreichen Emission und damit an einer möglicherweise übermäßigen Kursstützung. Denn das verbessert die Aussichten für eine lukrative Folgeemission.

_________ 189

Denkbar ist auch, dass der Kurs lediglich an wichtigen Bilanzstichtagen auf das „richtige“ Niveau gebracht werden soll, sog. Bilanzpflege, vgl. Schäfer, WM 1999, 1345, 1346.

III. Ökonomische Bewertung

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(2) Emissionskonsortium Wird die Kurspflege durch Emissionsbanken ausgeführt, haben diese ebenfalls ein wirtschaftliches Eigeninteresse an der Kursstabilisierung, die über die bloße Herbeiführung von Preiskontinuität hinausgeht190. (a) Spekulationsgeschäfte Wie oben191 bereits erwähnt, verbinden Banken eventuelle Pflegemaßnahmen in der Praxis zumeist mit dem Aufbau sog. Short-Positionen, also der Vornahme einer Mehrzuteilung. Sinkt der Kurs unmittelbar nach der Emission, erwirbt die Bank einen Teil der Aktien am Markt und versucht, den Kurs auf diese Weise wieder anzuheben. Die Bank selbst macht dabei Gewinn, weil der (Rück)Kaufpreis unter dem zuvor erzielten Verkaufspreis liegen wird192. Dass dieser Differenzbetrag in der Praxis an den Emittenten weitergeleitet werden muss, ist nicht ersichtlich193. Steigt der Kurs unmittelbar nach der Emission, übt die Bank die Greenshoe-Option aus und kann so ihrer Lieferverpflichtung nachkommen. Da sie diese zusätzlichen Anteile zum Ausgabepreis beziehen kann, also ungefähr zu dem Preis, zum dem sie die Aktien zuvor im Zuge der Mehrzuteilung verkauft hat, macht sie zumindest keinen Verlust. Gewinn macht sie auch in diesen Fällen, sofern der zusätzliche Provisionserlös durch Erhöhung des emittierten Volumens größer ist als die angefallenen Verwaltungskosten194. Die Bank hat also ein Interesse, bei gefallenen Kursen die Aktien stets am Markt zu erwerben und bei gestiegenen Kursen die GreenshoeOption auszuüben. Keine Berücksichtigung findet in diesem Kalkül die Frage, warum der Kurs im Einzelfall gestiegen oder gesunken ist, ob das also jeweils überhaupt die Folge einer emissionstypischen und zu bereinigenden Kursschwankung war. Sinkt der Kurs etwa aufgrund einer negativen Marktentwicklung oder weil in dieser Anfangsphase neue Informationen über die Geschäftsentwicklung des Emittenten veröffentlicht wurden, gibt es keine Rechtfertigung für eine Kursstabilisierung. Gleichwohl sind die Banken gezwungen, Aktien zurückzukaufen, um ihre Lieferverpflichtungen zu erfüllen. Steigt der Kurs aufgrund einer positiven Geschäftsentwicklung, gibt es ebenfalls keinen Grund, jenen wieder zu drücken. Die Ausübung der Greenshoe-Option ist dann eigentlich nicht gerechtfertigt. Und trotzdem wird man die Banken schwer davon

_________ 190 Vor den wirtschaftlichen Eigeninteressen der Emissionsbanken im Rahmen der Wertpapierausgabe hat auch die SEC jüngst wieder gewarnt, vgl. SEC Release Nos. 338511, 34-50831 (2004), S. 37 f und 46 f. 191 Abschnitt B.III.2.a). 192 Diesen Aspekt ebenfalls erwähnend, Busch, AG 2002, 230, 233, in Fußnote 27. 193 So auch Schanz, BKR 2002, 439, 447. 194 In diesem Sinne auch Thießen, WiSt 2002, 523, 524.

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überzeugen können, die Aktien am Markt zu erwerben, da sie auf diese Weise einen erheblichen Spekulationsverlust zu verzeichnen hätten. In der ökonomischen Literatur wird daher formuliert, dass die GreenshoeOption letztlich das Recht sei, zusätzliche Aktien abzurufen, wenn es vorteilhaft erscheint. Sie komme daher aus finanzwirtschaftlicher Sicht einer PutOption gleich195. Denn letztlich „setzt“ die Bank mit dem Aufbau von ShortPositionen „auf“ einen fallenden Aktienkurs und ist für den Fall einer gegenteiligen Entwicklung – d.h. eines steigenden Kurses – durch die GreenshoeOption abgesichert. In jedem Fall scheint das Betreiben der Kurspflege für die Emissionsbank ein lukratives Geschäft zu sein, das über die Vergütung durch den Emittenten hinaus Spekulationsgewinne einbringen kann196. (b) Reputationsgedanke Ganz abgesehen von der Betrachtung potentieller Spekulationsgewinne oder -verluste hat die Emissionsbank schon ganz grundsätzlich ein Interesse an einem steigenden oder zumindest nicht absinkenden Kursverlauf. Denn ein Kursverlust lässt die Emission als wenig erfolgreich erscheinen. Damit verschlechtert sich das Standing der Bank im Kapitalmarkt. Unter diesem Gesichtspunkt macht die Anhebung des Kurses aus Sicht der Banken auf jeden Fall Sinn. Das gilt für die Stabilisierung durch Aktienkäufe wie die durch „Lock-up“Vereinbarungen gleichermaßen. (c) Provisionszahlungen Ein zusätzlicher, überlagernder Effekt ergibt sich aus der Provisionsvergütung der Emissionsbanken. Es ist denkbar, dass die Banken den Greenshoe zum Teil sogar dann ausüben, wenn der Kurs leicht unter dem Emissionspreis liegt, da die Emissionsbanken häufig nach dem Umsatz bemessene Provisionen erhalten197, die unabhängig davon sind, ob die Emission insgesamt erfolgreich oder erfolglos war198. Sie könnten daher gesteigertes Interesse an einer umfangreichen199 Emission und damit an einer Ausübung der Greenshoe-Option haben. In einer kapitalmarkttheoretischen Betrachtung argumentiert Fishe200, dass ein

_________ 195

Vgl. Fishe, 37 Journal of Financial and Quantitative Analysis 319, 320 (2002). Boehmer/Fishe, 10 Journal of Corporate Finance (2004), 575, 586, die in einer Studie aufzeigen, dass die Profitabilität für Entscheidung en über einzelne Kurspflegemaßnahmen eine entscheidende Rolle spielt. 197 Vgl. genauer und mit weiteren Nachweisen Abschnitt B.I.3.b). 198 So ebf. kritisch Thießen, WiSt 2002, 523. 199 In der Anzahl der Wertpapiere gemessen. 200 Fishe, 37 Journal of Financial and Quantitative Analysis (2002), 319. 196

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solches Vorgehen für den Underwriter sogar in zweifacher Hinsicht vorteilhaft sei. Zum einen erhöhe er seine Provisionseinnahmen, zum anderen bestehe die Möglichkeit, die offene Short-Position zunächst teilweise durch Ausübung der Greenshoe-Option zu drücken. Sei der Kurs aufgrund der so erhöhten Anzahl an Aktien auf dem Markt gesenkt worden, könne die Emissionsbank die verbleibende Short-Position durch Kauf der im Wert gefallenen Aktien schließen und auf diese Weise einen zusätzlichen Spekulationsgewinn verzeichnen201. In einer empirischen Studie stellte Aggarwal202 für den USamerikanischen Emissionsmarkt tatsächlich fest, dass die Option auch dann ausgeübt wurde, wenn der Marktpreis leicht unter dem Emissionspreis lag, obwohl dafür in solchen Fällen gar kein marktliches Bedürfnis besteht. Auch in diesen Konstellationen würden Kursbeeinflussungsmaßnahmen nicht der ursprünglichen und rechtfertigenden Idee der Kurspflege, nämlich der bloßen Beseitigung emissionstypischer Schwankungen, entsprechen. Es würde sogar zu einer Kursabsenkung kommen, obwohl der Preis schon unter dem Emissionspreis liegt. (d) Fazit In vielen Fällen werden die Motive der beteiligten Banken und der Zweck der Kurspflege freilich parallel laufen. Als Ergebnis dieses Abschnitts kann aber festgehalten werden, dass das zumindest nicht zwingend so ist. Nicht nur die schwierige Identifizierung der emissionstypischen Schwankungen, sondern auch die sich aus der Mehrzuteilung ergebende rechtliche und wirtschaftliche Situation der Banken machen es unwahrscheinlich, dass sich der Stabilisierungsmanager einer Kurspflege dann enthält, wenn es sich um Änderungen in der Bewertung des Marktes oder des Unternehmens an sich handelt. Letzten Endes wird die Kursstabilisierung eben doch nur dazu dienen, gewisse Kursabwärtsbewegungen zu verlangsamen, ganz gleich, was die Ursache für die entsprechende Preisentwicklung ist. Mit Sicherheit ist auch die bloße Verhinderung eines nach der Emission schnell erfolgenden Absinkens des Kurses im Interesse mancher Marktteilnehmer. Eine solche Vorgehensweise entspricht aber nicht der ursprünglichen Definition der Kursstabilisierung und erfüllt auch nicht ohne weiteres die Voraussetzungen, die für Rechtfertigung über eine Steigerung der Kapitalmarkteffizienz angenommen werden müssen.

_________ 201 202

Fishe, 37 Journal of Financial and Quantitative Analysis (2002), 319, 333. Aggarwal, 55 Journal of Finance 2000, 1075, 1079.

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C. Das Stabilisierungsgeschäft aus ökonomischer Sicht

4. Langfristige Auswirkungen bei empirischer Betrachtung Betrachtet man die voranstehenden ökonomischen und kapitalmarkttheoretischen Ausführungen, die für den Einzelfall viele Fragen unbeantwortet lassen müssen, ist es von gesteigertem Interesse, wie sich Stabilisierungsmaßnahmen in der Vergangenheit auf die Kursentwicklung der Unternehmen ausgewirkt haben. Selbst wenn man davon ausgeht, dass die Durchführung von Kurspflegemaßnahmen, manchmal sogar auch schon deren bloße Ankündigung, die Unternehmensfinanzierung erleichtern, indem sie allen Beteiligten (Emittent, Banken, Aktienhändlern, Investoren) die Angst vor zu starken Schwankungen nehmen, bleibt immer noch die Frage, welche langfristigen Auswirkungen die Stabilisierung auf die Entwicklung des Wertpapierpreises hat. Empirische Ergebnisse liegen teilweise zumindest für den US-amerikanischen Emissionsmarkt vor. Aber auch aus diesen kann keine eindeutige Schlussfolgerung abgeleitet werden. Insbesondere Hanley/Kumar/Seguin203 sowie Ruud204 haben signifikante negative Preistendenzen gefunden, sobald die Stabilisierungsbemühungen beendet waren. Es wurde festgehalten, dass die positive Wirkung der Kursstabilisierung also nur vorübergehend sei. Dies kann nach Meinung der Autoren ganz einfach auf die Natur der Kurspflege zurückgeführt werden: Kursstabilisierung sei letzten Endes eine Art Manipulation. Deren Beendigung erlaube es den dann ungestörten Kräften von Angebot und Nachfrage, ein natürliches Preisniveau herbei zu führen. Da Kurspflege nichts anderes sei als die Hinauszögerung von Kursverlusten, erführen Emissionen, die stabilisiert worden seien, ganz selbstverständlich einen preislichen Abwärtstrend, sobald die Maßnahmen beendet seien205. Insoweit sei es ohnehin verwunderlich, dass diese Form der Manipulation vom Gesetz ausdrücklich erlaubt sei206. In einer anderen Untersuchung wurde für Emissionen geschlossener Investmentfonds festgestellt, dass der beschriebene Kursverlust, also die Anpassung an die tatsächlichen Marktverhältnisse, nur langsam verlaufe. Das wiederum wurde auf die Tatsache zurück geführt, dass die Stabilisierungsmaßnahmen auch nur sukzessive beendet worden seien207. In starkem Kontrast

_________ 203 Hanley/Kumar/Seguin, Journal of Financial Economics 1993, 177. Auf diese Veröffentlichung greift auch die SEC in ihrer Stellungnahme vom Dezember 2004 zurück, wenn sie auf die besonderen wirtschaftlichen Gefahren der Kursstabilisierung hinweist, vgl. SEC Release Nos. 33-8511, 34-50831 (2004), S. 50; einen solchen Zusammenhang hat die SEC aber schon im Jahre 1940 als zutreffend vorausgesetzt, vgl. SEC Release No. 34-2446 (1940). 204 Ruud, 34 Journal of Financial Economics (1993), 135. 205 Hanley/Kumar/Seguin, Journal of Financial Economics (1993), 177, 194. 206 Hanley/Kumar/Seguin, Journal of Financial Economics (1993), 177, 194. 207 Hanley/Lee/Seguin, 5 Journal of Financial Intermediation (1996), S. 127, 130.

IV. Zusammenfassende Bewertung

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hierzu stehen die Studien von Aggarwal208 und Schultz/Zaman209, die derartige Resultate keineswegs ableiten konnten. Sie folgerten, dass der Stabilisierungseffekt eindeutig dauerhaft, nicht nur vorübergehend sei. Ein eindeutiger Effekt konnte also bislang nicht nachgewiesen werden. Sind die letztgenannten Untersuchungen die zutreffenden, bestehen berechtigte Hoffnungen, dass die Großzahl der Kursstabilisierungsmaßnahmen geeignet sind, lediglich Schwankungen auszugleichen, jedoch nicht zu einer künstlichen Aufblähung des Kurses zu führen. Die zunächst genannten Untersuchungen von Hanley/Kumar/Seguin und Ruud hingegen lassen an einem solchen Ergebnis zweifeln. Eine abschließende Klärung kann im Rahmen dieser Arbeit nicht herbeigeführt werden.

IV. Zusammenfassende Bewertung Zu Beginn des Abschnitts C wurden die typischen Preisentwicklungen im Aftermarket dargestellt. Die starken Kursschwankungen im Anschluss an eine Aktienemission ergeben sich – neben der allgemeinen Bewertungsunsicherheit bezüglich der zuvor noch nicht gehandelten Aktie – vor allem aus einer (bewussten) Unterbewertung der Wertpapiere bei Festlegung des Emissionspreises und dem daraus resultierenden Spekulationsgeschäft durch sog. Flipping. Anschließend wurde hinterfragt, auf welche Weise Aktien(rück)käufe den Kurs zu beeinflussen vermögen. Es konnte festgehalten werden, dass Wertpapiere aufgrund der erleichterten Substituierbarkeit grundsätzlich in nur sehr eingeschränktem Maße dem klassischen Spiel von Angebot und Nachfrage unterliegen. Vielmehr reagieren Aktienmärkte vor allem auf neue Informationen, so auch auf die von einer Blocktransaktion ausgehende Signalwirkung. Nebenbei kann aber festgehalten werden, dass eine solche im Falle der Kurspflege irreführend wäre, da die Durchführung solcher Maßnahmen ja gerade nicht auf einer besonderen Wertschätzung der Banken, sondern lediglich auf ihrem Interesse an einem stabilen Aktienkurs beruhen. Für den Fall einer größeren Aktienplatzierung musste aber auch gefolgert werden, dass es aufgrund gewisser Liquiditätsengpässe im Aftermarket durchaus denkbar ist, dass die bloße „Rücknahme“ der Papiere durch die Konsortialbank zu einer Erholung des Kurses führen kann, da der Absatzdruck gemindert wird. Welcher der Effekte im Einzelfall überwiegt, kann nicht allgemeingültig ermittelt werden. Veräußerungsbeschränkungen verhindern insbesondere eine allgemeine Verunsicherung der Marktteilnehmer und unterbinden negative Signale, die durch

_________ 208 209

Aggarwal, 55 Journal of Finance (2000), 1075. Schultz/Zaman, 35 Journal of Financial Economics (1994), 199.

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C. Das Stabilisierungsgeschäft aus ökonomischer Sicht

eine der Emission unmittelbar folgende Veräußerung der Aktien an den Markt ausgesendet werden können. Bei der sich anschließenden ökonomischen Beurteilung wurde zunächst dargestellt, dass die Kursstabilisierung grundsätzlich zu einer Störung des informationseffizienten Gleichgewichts führt und daher manipulativen Charakter hat. Ein solcher Eingriff bedarf einer kapitalmarktpolitischen Rechtfertigung. Die Kurspflege kann zwar nicht dadurch gerechtfertigt werden, dass sie in der Lage ist, einen ordnungsgemäßen Handel wieder herzustellen. Denn ein Aftermarket mit starken Kursschwankungen ist nicht per se ordnungswidrig. Vielmehr stellt die Kurspflege selbst einen gewissen Eingriff in den ordnungsgemäßen Handel dar. Entscheidend sind daher vielmehr rein (volks)wirtschaftliche Überlegungen: Die Beseitigung von Kursschwankungen kann den Emissionsmarkt attraktiver machen und auf diese Weise zusätzliche Investoren anziehen. Das erhöht die Liquidität, die institutionelle Effizienz des Kapitalmarkts wird gesteigert. Soweit die Ankündigung späterer Stabilisierungsmaßnahmen als Substitut eines andernfalls vorgenommenen „Underpricings“ gewählt wird, lassen sich auf diese Weise auch die Emissionskosten senken und damit die operationale Effizienz des Marktes steigern. Die mit diesen Effekten einhergehenden wirtschaftlichen Vorteile müssen gegen das andererseits bestehende Manipulationspotential abgewogen werden. Bedenken bestehen allerdings bezüglich der Frage, inwieweit Kurspflegemaßnahmen überhaupt geeignet sind, emissionstypische Preisschwankungen gezielt zu eliminieren. Aufgrund der typischerweise mit einer Emission verbundenen Phänomene scheint es durchaus denkbar, dass gewisse Kursstabilisierungsmaßnahmen die schädlichen Folgen der Emission abschwächen. Insbesondere in praktischer Hinsicht ist aber erstens fraglich, ob die Banken oder der Emittent in der Lage sind zu entscheiden, wann eine Kursbewegung bekämpft werden muss und wann sie einfach Abbild der „normalen“ Geschäfts- oder Marktentwicklung ist. Zweitens kann durchaus kritisch hinterfragt werden, ob die Beteiligten gewillt sind, eine solche Unterscheidung vorzunehmen oder ob das nicht ihren finanziellen Eigeninteressen widerspricht. Wahrscheinlich besteht eher die Tendenz, den Kurs ganz grundsätzlich zu stabilisieren im Sinne einer Anhebung des Preises, sobald dieser sinkt. Geht es im Übrigen ohnehin nur um die Stützung des Kurses und weniger um die gezielte Eliminierung von Schwankungen, ist die Kurspflege wirkungsvoll und zielführend. Die Darstellung der Langzeitwirkungen in der Praxis ergab kein einheitliches Bild. Nur teilweise wird in der Literatur behauptet, der Effekt der Kurspflege sei lediglich vorübergehend. Zusammenfassend kann festgehalten werden, dass die ökonomischen Aspekte der Kursstabilisierung bislang noch nicht abschließend untersucht worden sind. Zu viele Fragen sind offen hinsichtlich der Wirkungsweise, des tatsächli-

IV. Zusammenfassende Bewertung

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chen Täuschungspotentials und der kurz- sowie langfristigen Auswirkungen dieser emissionsbegleitenden Tätigkeiten. Immer wieder hat sich aber gezeigt, dass Kursstabilisierungsmaßnahmen dem Grunde nach manipulative Züge haben und allenfalls durch wirtschaftliche Argumente gerechtfertigt werden können. Dieses Ergebnis und die darüber hinaus bestehende Unsicherheit sprechen allgemein für eine eher enge Grenzziehung, wenn es um die Zulässigkeit der Kurspflege geht. Im Fortgang dieser Arbeit wird an einigen Stellen auf die eine oder andere der vorstehenden ökonomischen Überlegungen zurück zu kommen sein. Es kann dann bei der Auslegung der einzelnen Vorschriften in concreto abgewogen werden, ob und in welchem Umfang die mit der Kursbeeinflussung einhergehenden Gefahren in Kauf genommen werden sollten.

D. Rechtliche Behandlung der Kursstabilisierung in den USA Der deutsche Gesetzgeber gab mit der Einführung des § 20a WpHG durch das Vierte Finanzmarktförderungsgesetz erstmals Anlass, die Kurspflege mittels einer Konkretisierungsverordnung ausdrücklich zu regeln. Die KuMaKV ist im Oktober 2003 in Kraft getreten. In den Vereinigten Staaten hingegen werden derartige Maßnahmen schon seit vielen Jahrzehnten auf Gesetzes- und Verordnungsebene berücksichtigt. Das dortige Regelungssystem hat sich in seiner praktischen Anwendung weitgehend bewährt. Die deutschen und europäischen Vorschriften sind dem US-amerikanischen System in puncto Kurspflege sehr ähnlich. Es kann davon ausgegangen werden, dass das Kapitalmarktrecht der Vereinigten Staaten hier unter anderem1 als Vorbild gedient hat2. Das macht eine eingehendere Darstellung der dortigen Regelungen lohnenswert.

I. Überblick über das US-amerikanische Regelungssystem Die Regulierung der Kapitalmärkte in den USA basiert in erster Linie auf dem Securities Act von 1933 und dem Securities Exchange Act von 1934. Während sich die Vorschriften des Securities Acts hauptsächlich mit der ordnungsgemäßen Anmeldung neuer Wertpapiere beschäftigen3, sind die Regelungsgegenstände des Securities Exchange Act vielfältiger4 und umfassen unter anderem die für diese Arbeit relevanten Manipulationstatbestände, Sec. 9(a)(2) sowie 9(a)(6) und auch Sec. 10(b)5.

_________ 1 Starke Ähnlichkeit weist auch das englische Recht auf, dessen Financial Services Act für die europaweiten und deutschen Regelungen ebenfalls richtungsweisend war, vgl. eingehend Meißner, Stabilisierung und Pflege von Aktienkursen, S. 73 f. und 110 ff. 2 Ekkenga, WM 2002, 317, 318 und 319; Pfüller/Anders, WM 2003, 2445, 2446. 3 Insbesondere in Sec. 5 Securities Act. 4 So auch Soderquist/Gabaldon, Securities Regulation, S. 3. 5 Unterstützend wirken bei der Unterbindung der Marktmanipulation auch Sec. 17(a) des Securities Acts und 15(c)(1) und (2) des Securities Exchange Acts. Die verschiedenen Vorschriften gelten für verschiedene Marktsituationen auf unterschiedlichen Märkten, jeweils bezüglich verschiedener Personengruppen. Im amerikanischen Kapitalmarktrecht wird hier häufig nicht genau unterschieden; auch in höhergerichtlichen Entscheidungen kommt nicht immer eindeutig zum Ausdruck, welcher Manipulationstatbestand eigentlich gemeint ist. Soderquist/Gabaldon bringen das schön zum Ausdruck,

I. Überblick über das US-amerikanische Regelungssystem

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Den weitestgehenden Anwendungsbereich hat grundsätzlich Sec. 10(b) Securities Exchange Act, der – vereinfacht wiedergegeben – jegliche manipulativen oder täuschenden Handlungen im Zusammenhang mit dem Kauf oder Verkauf eines Wertpapiers untersagt, soweit diese gegen die Vorschriften der SEC verstoßen. Die daraus resultierende Ermächtigung hat die SEC mit dem Erlass der Rule 10b wahrgenommen. In Form von Rule 10b-5 wird allgemein-abstrakt bestimmt, was manipulative und täuschende Handlungen sind. Hierunter können schon aufgrund der Abstraktheit der Norm eine Vielzahl manipulativer Handlungen gefasst werden, insbesondere können auch Insiderhandlungen gegen Rule 10b-5 verstoßen. Für die Regulierung der Kursstabilisierung wesentlich relevanter, weil konkreter gefasst, sind jedoch Sec. 9(a)(2) und 9(a)(6). Nach Sec. 9(a)(2) ist es verboten, Transaktionen zu bewirken und dabei einen tatsächlichen oder fiktiven Handel herbeizuführen zu dem Zwecke, andere Marktteilnehmer zum Kauf oder Verkauf desselben Wertpapiers zu veranlassen. Betrachtet man das oben6 gefundene Ergebnis, dass die Wirkung von Stabilisierungsmaßnahmen zumindest auch auf dem Effekt beruht, dass die restlichen Marktteilnehmer dem Stabilisierungskauf eine bestimmte Information entnehmen, durch denselben also zum Kauf des Papiers veranlasst werden, ließe sich die Kurspflege bereits unter den Tatbestand von Sec. 9(a)(2) fassen. Dagegen könnte man allenfalls argumentieren7, dass die Stabilisierung zwar möglicherweise andere Teilnehmer zum Kauf veranlasst, dieser Effekt aber nicht der eigentliche Zweck8 ist. In jedem Fall wird die Kurspflege jedoch von Sec. 9(a)(6) erfasst. Danach ist es verboten, Transaktionen herbeizuführen zu dem Zwecke, den Preis eines Wertpapiers zu stützen, zu fixieren oder zu stabilisieren, sofern dabei gegen die von der SEC zu erlassenden Vorschriften verstoßen wird. Die Stabilisierung

_________ wenn es zur Einführung des Kapitels über Marktmanipulation heißt: „Basically, the prohibitions against market manipulation end up being the same irrespective of the market involved.“, vgl. Soderquist/Gabaldon, Securities Regulation, S. 558. 6 Vgl. Abschnitt C.II.1.b). 7 Gerade bei der Darstellung der Kursstabilisierung wird in den USA wie selbstverständlich davon ausgegangen, dass durch Stabilisierungsmaßnahmen der Kauf durch andere Marktteilnehmer veranlasst werden soll, vgl. Loss/Seligman, Fundamentals of Securities Regulation, S. 1085 und vor allem SEC Release Nos. 33-7375, 34-38067 (1996), S. 98. Foschay, 45 Virginia Law Review (1959), 907 weist auf die Auffassung der SEC hin, dass immer dann, wenn jemand Käufe durchführt, die ausschließlich dazu dienen, den Kurs zu beeinflussen, der Zweck der Beeinflussung anderer Marktteilnehmer ohne Weiteres abgeleitet werden könne. 8 Dass eine solche Behauptung mit der eigentlichen Wirkungsweise der Kursstabilisierung, vgl. Abschnitt C.I, schwer vereinbar ist, sei an dieser Stelle ausgeblendet. Jedenfalls wird die Frage des „Zwecks“ gerade bei durch effektive Transaktionen herbei geführte Kursmanipulationen zum eigentlichen Beweisproblem, vgl. United States v. Mulheren, 938 F.2d 364 (2d Cir. 1991).

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D. Rechtliche Behandlung der Kursstabilisierung in den USA

wird in dieser Norm also wörtlich genannt, was die Subsumtion unter den Verbotstatbestand erheblich leichter gestaltet als nach der deutschen Gesetzeslage9. Auch in Sec. 9(a)(6) sieht der amerikanische Gesetzgeber also eine Ermächtigung für die SEC zum Erlass einer konkretisierenden Regelung vor, die diese mittlerweile10 mit dem Erlass der Regulation M wahrgenommen hat. Im Gegensatz zu einer in der deutschen Literatur teilweise vertretenen Meinung 11 stellt die Regulation M selbst keinen Safe Harbor dar. Dass ergibt sich schon aus dem Wortlaut der Sec. 9(a)(6), wonach Stabilisierungsmaßnahmen dann gegen das Manipulationsverbot verstoßen, wenn sie nicht mit den von der SEC zu erlassenden Regelungen in Einklang stehen. Ein Verstoß gegen die Regulation M stellt also, in Abgrenzung zu einer Safe Harbor-Konstruktion, automatisch einen Verstoß gegen Sec. 9(a)(6) des Securities Exchange Act dar12. Das betonte die SEC auch ausdrücklich, als sie sich 1996 bewusst gegen ein Safe Harbor-System entschied13. Die Regulation M selbst setzt sich aus den Rules 100 bis 105 zusammen. Die Kursstabilisierung wird dabei in Rule 104 behandelt, die grundsätzlich „Pure Stabilization“, „Short Covering“ und „Penalty Bids“ gleichermaßen erfasst. Die Rule 100 stellt die für die Auslegung der Regulation M wichtigen Definitionen zur Verfügung. Erwähnung findet dabei auch der Begriff der Kursstabilisierung14. Rule 101 und 102 untersagen dem Emittenten, dem Emissionskonsortium und den mit ihnen wirtschaftlich Verbundenen grundsätzlich den Handel mit dem ausgegebenen Wertpapier für eine gewisse Zeitspanne nach der Emission. Von diesem Verbot wird das Emissionskonsortium befreit, soweit es eine nach Rule 104 zulässige Kursstabilisierung betreibt, vgl. Rule 101(b)(2). Rule 103 betrifft die Tätigkeit des passiven Market Makers der NASDAQ. Rule 105 verbietet grundsätzlich Leerverkäufe im Zusammenhang mit einer Wertpapieremission, da die Befürchtung bestand, dass solche in derartigen Situationen einen zu hohen Abwärtsdruck auf die Preise erzeugen könnten15.

_________ 9 Vgl. zu den entsprechenden Problemen im Zusammenhang mit § 20 a WpHG unten den Abschnitt E.II.1.c)(1). 10 Zur historischen Entwicklung vgl. Abschnitt D.II. 11 Vgl. Meyer, AG 2004, 289, 292; Meyer in Marsch-Barner/Schäfer, § 7, Rn. 66; so wohl auch Ekkenga, WM 2002, 317, 318; insoweit zumindest verwirrend auch Moosmayer, wistra 2002, 161, 164. 12 Anders ist dies bei einem Verstoß gegen Rule 10b-18 (Aktienrückkauf durch den Emittenten). Dort ist die so gewollte Konstruktion aber auch schon in der Vorbemerkung der Vorschrift selbst ausdrücklich festgehalten. 13 Vgl. SEC Release Nos. 33-7375, 34-38067 (1996), S. 6. 14 Vgl. ausführlicher unten Abschnitt D.III. 15 Vgl. Hazen/Ratner, Broker Dealer Regulation, S. 111.

III. Derzeitige Regulierung der Kurspflege durch Regulation M

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II. Historische Entwicklung der regulierenden Vorschriften Der Ausgangspunkt der US-amerikanischen Regulierung der Kursstabilisierung war der bis heute noch lesenswerte SEC-Erlass aus dem Jahre 1940, der sich erstmals eingehend mit den rechtlichen Grenzen der Kurspflege befasste. Es wurde die Regulation X-9A6-1 erlassen, die jedoch aufgrund ihres engen Anwendungsbereichs in der Praxis kaum Bedeutung erlangen konnte16. Die erste wirklich bedeutsame Kodifizierung nahmen die im Jahre 1955 erlassenen Rules 10b-6, 10b-7 und 10b-8 vor17, die unter gleichzeitiger Aufhebung der Regulation X-9A6-1 eingeführt wurden. Rule 10b-6 beinhaltete das Verbot für Emittenten, Konsortium und die wirtschaftlich Verbundenen, die ausgegebenen Wertpapiere zu handeln und stellt insoweit den direkten Vorgänger der Rules 101 und 102 der Regulation M dar18. Rule 10b-7 bezog sich auf die Durchführung von Stabilisierungsmaßnahmen und wurde später von Rule 104 abgelöst19. Der Vorläufer der Rule 105 wiederum kann gesehen werden in der sich ebenfalls mit Leerverkäufen beschäftigenden Rule 10b-2120. Regulation M selbst wurde im Dezember 1996 eingeführt, löste die vorgenannten Normen ab und hat bis heute Gültigkeit. Mit ihr bezweckte die SEC in erster Linie, einen „flexibleren Rahmen für Stabilisierungsmaßnahmen zu schaffen“21. Gleichwohl bleibt auch dieser Regelungskomplex vergleichsweise kompliziert22. Gewisse Änderungen in der Regulation M, gerade auch im Hinblick auf die Stabilisierungsregulierung, schlug die SEC zuletzt im Dezember 2004 erneut vor23.

III. Derzeitige Regulierung der Kurspflege durch Regulation M 1. Allgemeines Nach Rule 104(a) ist es unzulässig, den Preis eines Wertpapiers zu stabilisieren (im Sinne der „Pure Stabilization“), die Deckung von Leerverkäufen

_________ 16

Foshay, 45 Virginia Law Review (1959), 907, 914. Loss/Seligman, Fundamentals of Securities Regulation, S. 1065. 18 Loss/Seligman, Fundamentals of Securities Regulation, S.1065. 19 Für eine etwas detailliertere Darstellung der Rule 10b-7 siehe Hanley/Kumar/Seguin, Journal of Financial Economics (1993), 177, 179. 20 Loss/Seligman, Fundamentals of Securities Regulation, S. 1065. 21 SEC-Release Nos. 33-7375, 34-38056 (1996), S. 1. 22 Darauf weisen auch ausdrücklich Hazen/Ratner hin, vgl. Hazen/Ratner, Broker Dealer Regulation, S. 108. 23 SEC-Release Nos. 33-8511, 34-50831 (2004); hierzu weiteres im Abschnitt D.III.6. 17

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D. Rechtliche Behandlung der Kursstabilisierung in den USA

(„Short Covering“) durchzuführen oder dem Käufer ein „Penalty Bid“ aufzuerlegen, sofern gegen die im Gesetzestext nachfolgenden Regelungen der Rule 104 verstoßen wird. Auch hier – wie schon im Tatbestand der Sec. 9(a)(6) – findet die Stabilisierung also ausdrückliche und wörtliche Erwähnung. Eine gesonderte Definition nimmt Rule 100 vor, die unter Stabilisierung das Platzieren eines Angebots oder das Bewirken eines Kaufes zum Zwecke der Stützung, Fixierung oder Aufrechterhaltung eines bestimmten Wertpapierpreises versteht. „Short Covering“ meint hingegen die Platzierung eines Angebots oder die Bewirkung eines Kaufes im Namen des Emissionskonsortiums, um eine im Zusammenhang mit der Emission hergestellte Short-Position zu schließen. Diese beiden in Rule 104 definierten Tatbestände wirken im Vergleich zu den entsprechenden deutschen und europäischen Regelungen deshalb besonders weit, weil sie auf das Erfordernis einer Täuschung oder Irreführung der anderen Marktteilnehmer verzichten24, vielmehr das gesamte Stabilisierungsgeschäft in ihren Anwendungsbereich aufnehmen. Rule 104 (b) hält fest, dass Stabilisierungsmaßnahmen verboten sind, es sei denn sie verhindern oder verlangsamen den Abwärtstrend eines Wertpapierpreises. Diese Regelung meint nicht, dass die Verhinderung oder Verlangsamung eines solchen Trends hinreichende Voraussetzung dafür ist, dass eine Stabilisierungsmaßnahme rechtmäßig ist. Vielmehr sagt sie aus, dass schon alle Stabilisierungsversuche dann rechtswidrig sind, wenn sie zu einer Anhebung des Preises gegen den Markttrend vorgenommen werden. Im Folgenden sollen die einzelnen rechtlichen Grenzen, die das USamerikanische Recht einer Kurspflege nach der Emission auferlegt, näher beleuchtet werden. Von besonderem Interesse sind die Fragen, welche Formen von Platzierungen durch Stabilisierungsmaßnahmen unterstützt werden dürfen, auf welchem Preisniveau die Stabilisierungsangebote abgegeben werden dürfen, welche Publizitätspflichten im Zusammenhang mit einer Stabilisierung einzuhalten sind und inwieweit eine Regulierung der Kursstabilisierungsmaßnahmen vorgenommen wird, die außerhalb der Vereinigten Staaten stattfinden. 2. Platzierungsform Wie an anderer Stelle dieser Arbeit25 noch zu sehen sein wird, haben deutsche und europäische Normen die Frage, welche Formen von Aktienplatzierungen stabilisierungswürdig sind, bislang unterschiedlich beantwortet. Schon

_________ 24 Zu der damit einhergehenden Problematik für das deutsche Recht vgl. unten ausführlich Abschnitt E.II.1.b). 25 Abschnitt E.II.1.d)(3)(b).

III. Derzeitige Regulierung der Kurspflege durch Regulation M

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deshalb lohnt sich die gesonderte Erwähnung der entsprechenden US-amerikanischen Regelung. Grundsätzlich spricht die Regulation M in Rule 104 von Kurspflege im Zusammenhang mit einem Angebot („in connection with an offering“), definiert aber weder in Rule 104 selbst noch in Rule 100, was unter einem Angebot in diesem Sinne zu verstehen ist. Auch der entsprechende SEC-Erlass aus dem Jahr 1996 nimmt eine solche Definition nicht vor, hält an entsprechender Stelle26 aber gleichwohl fest, dass der Begriff des „Angebots“ in Rule 104 bewusst weiter27 gefasst worden sei als der Begriff der „Distribution“. Dieser erfasst nach Maßgabe der Definition in Rule 100 alle Wertpapierangebote, die sich aufgrund des Ausmaßes des Angebots sowie der Anwendung spezieller Verkaufsbemühungen und Verkaufsmethoden von einer gewöhnlichen Handelstransaktion unterscheiden, unabhängig davon, ob nach dem Securities Act eine Registrierung notwendig ist oder nicht28. Diese Umschreibung des Begriffes „Distribution“ ist vergleichsweise weit, erfasst werden v.a. auch Privat- und Sekundärplatzierungen29. Soll das Tatbestandsmerkmal des „Angebots“ tatsächlich noch weiter gefasst sein als das der „Distribution“, darf davon ausgegangen werden, dass die Rule 104 weder eine Beschränkung auf öffentliche Angebote noch auf erstmalige Platzierungen vornehmen wollte; auch im Rahmen von Privat- und Sekundärplatzierungen darf grundsätzlich stabilisiert werden. 3. Der Stabilisierungspreis Dem maximalen Preisniveau, zu dem ein Stabilisierungspreis abgegeben werden darf, kommt aus ökonomischer Sicht besondere Bedeutung zu, da dieser Preis darüber bestimmt, in welchem Maße der Aktienkurs durch Stabilisierungskäufe beeinflusst werden kann. Je strenger die Begrenzung ist, desto schwieriger lässt sich der Preis beeinflussen. Unter diesem Gesichtspunkt hat der Konsortialführer Interesse an einer möglichst offenen Preisgestaltung, die

_________ 26

SEC Releases Nos. 33-7375; 34-38067 (1996), Fußnote 116. Insbesondere gibt es keine Ausnahme für aktiv gehandelte Wertpapiere, so aber Rule 101(c)(1). Die SEC macht auf diesen Umstand ausdrücklich aufmerksam, SEC Releases Nos. 33-7375; 34-38067 (1996), Fußnote 116. 28 Im englischen Originaltext: „Distribution means an offering of securities, whether or not subject to registration under the Securities Act, that is distinguished from ordinary trading transactions by the magnitude of the offering and the presence of special selling efforts and selling methods.“ 29 Vgl. SEC Releases Nos. 33-7375; 34-38067 (1996), S. 39 f.: „These include public offerings, private placements, shelf offerings, mergers and other acquisitions, exchange offers, forced conversions of securities, warrant solicitations, and at-the-market offerings.“ 27

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D. Rechtliche Behandlung der Kursstabilisierung in den USA

die Manipulation des Preises fürchtenden Marktteilnehmer hingegen ein Interesse an einer deutlichen Begrenzung. Andererseits will aber natürlich auch der Stabilisierungsmanager nicht einen Preis zahlen, der wesentlich über dem geltenden Marktpreis liegt. Denn eine zu hohe Festsetzung des Stabilisierungspreises würde seinen Gewinn mindern, den er prinzipiell mit dem Wertpapiererwerb zur Deckung seiner Short-Positionen („Short Covering“) realisieren kann30. Grundsätzlich legt Rule 104(f)(1) fest, dass das Stabilisierungsangebot weder den ursprünglichen Emissionspreis31 noch das für das Wertpapier im Hauptmarkt32 abgegebene Stabilisierungsangebot übersteigen dürfe. Das setzt freilich voraus, dass bereits zuvor eine Stabilisierungsmaßnahme – im Hauptmarkt – durchgeführt wurde. Rule 104(f)(2) hingegen betrifft den Fall der erstmaligen33 Stabilisierung. Es wird dabei danach unterschieden, ob der Hauptmarkt geöffnet ist oder nicht. Im Fall des geöffneten Hauptmarktes beziehen sich die aufgeführten Höchstgrenzen entweder auf den Preis, der im Rahmen der zuletzt unabhängig34 durchgeführten Transaktion dieses Wertpapiers auf dem Hauptmarkt gezahlt wurde, oder – unter gewissen Umständen35 – auf das höchste unabhängige Kaufangebot, das zu diesem Zeitpunkt für das betreffende Wertpapier vorliegt, Rule 104(f)(2)(i). Auch wenn der Hauptmarkt geschlossen ist, stellt Rule 104(f)(2)(ii) ausschließlich – direkt oder indirekt36 – auf unab-

_________ 30 Zu einer etwaigen Beeinflussung des Handelns des Stabilisierenden durch seine wirtschaftlichen Individualinteressen vgl. den obigen Abschnitt C.III.3.c). 31 Die Definition des hier genannten “offering price” kann wiederum der Rule 100 entnommen werden: “Offering price means the price at which the security is to be or is being distributed.” 32 Gemäß Rule 100 bemisst sich der Hauptmarkt nach dem aggregierten Handelsvolumen der Wertpapiere in den letzten zwölf Monaten. 33 Die SEC betonte bei Einführung der Regulation M, dass an dieser Stelle bewusst die Formulierung “initiating stabilizing” verwendet worden sei, um klar zu machen, dass es sich eben um das erste Stabilisierungsangebot im Rahmen der jeweiligen Emission handelt, vgl. SEC Releases Nos. 33-7375; 34-38067 (1996), Fußnote 121. 34 „Unabhängig“ bedeutet in diesem Zusammenhang, dass das entsprechende Angebot von einem Marktteilnehmer abgegeben worden sein muss, der nicht Emittent, nicht anderweitig an der Emission beteiligt („distribution participant“) und der auch kein wirtschaftlich Verbundener ist, vgl. die Definition in Rule 100. Der an der Emission Beteiligte („distribution participant“) ist wiederum in Rule 100 definiert und meint in erster Linie den Underwriter, den Broker und den Dealer. 35 Das ist vor allem dann der Fall, wenn der zuletzt gezahlte Transaktionspreis höher ist als das derzeitig vorhandene Kaufangebot, vgl. Rule 104 (f)(2)(i) Satz 1 Satzhälfte 2 i.V.m. Satz 2. 36 Die Vorschrift ordnet insoweit die Vornahme eines Vergleichs an zwischen dem Stabilisierungspreis, den das Emissionskonsortium bei Schließung des Hauptmarktes hätte maximal zahlen dürfen und dem Preis, der seit Schließung des Hauptmarktes in

III. Derzeitige Regulierung der Kurspflege durch Regulation M

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hängig getätigte Transaktionen oder unabhängig abgegebene Angebote ab, die vom Stabilisierungsmanager nicht überboten werden dürfen37. In jedem Fall lassen die Vorschriften erkennen, dass die SEC daran interessiert ist, dass ein Stabilisierungskauf zu einem Preis durchgeführt wird, der einerseits nicht über dem Emissionspreis liegt, der sich andererseits in seiner maximalen Höhe aber vor allem an dem sich unabhängig auf dem Markt ergebenden Kurs zu orientieren hat38. Diesem Prinzip bleibt die SEC auch für den Fall etwaiger Veränderungen im Markt treu. Ein Stabilisierungsangebot darf im Laufe der Zeit gesteigert werden39, allerdings nicht höher als die entsprechenden Kaufangebote im Hauptmarkt, Rule 104(f)(4). Nach der Ausschüttung einer Dividende oder ähnlichem muss das Stabilisierungsangebot entsprechend abgesenkt werden, Rule 104(f)(5), da der Kurs in solchen Fällen regelmäßig nachgibt. Der Stabilisierungsmanager kann also nie über dem am aktuellen Börsenkurs stabilisieren. Aus ökonomischer Sicht widerspricht das insbesondere der Idee, das Emissionskonsortium könne den Preis durch das bloße Abgeben eines ausgenommen hohen Preises den Kurs nach oben treiben40; vor diesem Hintergrund gewinnt die oben41 geführte Diskussion um die Wirkungsweise der Kurspflege besondere Bedeutung.

_________ irgend einem anderen Markt für das Wertpapier gezahlt wurde, sofern der Stabilisierungsmanager von eben dieser Transaktion überhaupt Kenntnis hat. 37 Rule 104(f)(2)(ii) differenziert im Weiteren nach dem Zeitpunkt, zu dem das Stabilisierungangebot abgegeben wird. Abhängig davon ist entweder der Unterabschnitt (A) oder (B) einschlägig. Für das von der SEC ausgewählte Prinzip zur Festlegung des Stabilisierungspreises ergeben sich durch diese Unterscheidung keine Änderungen. 38 Dieser Gedanke kommt auch besonders deutlich zum Ausdruck in der SECVeröffentlichung, die 1996 die Einführung der Regulation M begleitete, SEC-Release Nos. 33-7375, 34-38056 (1996), S. 101 f. 39 Rule 104 der Regulation M ist insoweit flexibler als ihr Vorgänger, die Rule 10b-7, vgl. Loss/Seligman, Fundamentals of Securities Regulation, S. 1085. Die SEC bezeichnete diese als die möglicherweise bedeutsamste Änderung im Rahmen der Einführung der Regulation M, vgl. SEC-Release Nos. 33-7375, 34-38056 (1996), S. 106. 40 So aber, und dann als Manipulation eingestuft, die Sachverhalte in SEC v. Lorin, 877 F.Supp. 192 (S.D.N.Y.1995), United States v. Mulheren, 938 F.2d 364 (2d Cir. 1991), Markowski v. SEC, 274 F.3d 525 (D.C.Cir.2001). 41 Vgl. Abschnitt C.I. Der Stabilisierungsmanager muss also in der Tat, entweder durch Verengung des Angebots oder durch den Informationseffekt – unabhängig davon, welcher Theorie man nun folgt – den Preis durch Käufe zum Marktpreis(!) anheben.

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D. Rechtliche Behandlung der Kursstabilisierung in den USA

4. Mitteilungspflichten im Zusammenhang mit einer Stabilisierungsmaßnahme Um einer zu starken Irreführung des Marktes entgegenzuwirken, sehen die die Stabilisierung regulierenden Vorschriften in den USA und in Europa gewisse Mitteilungspflichten für den Stabilisierenden vor. Vor dem Hintergrund des nicht ganz unerheblichen Täuschungs- und Manipulationspotentials der Kurspflege kommt den Fragen besondere Bedeutung zu, wann, gegenüber wem und in welchem Ausmaß eine solche Mitteilung abzugeben ist. a) Die der Stabilisierung zeitlich gleichlaufende Offenlegung Rule 104(h) unterscheidet – wenigstens bislang42 – interessanterweise zwischen reinen Stabilisierungskäufen („Stabilization“, oder in der Terminologie dieser Arbeit: „Pure Stabilization“) auf der einen Seite und der Schließung der zuvor aufgebauten Short-Positionen („Short Covering“) sowie der Auferlegung von „Penalty Bids“ auf der anderen Seite43. Im Fall der reinen Stabilisierungskäufe ist der Stabilisierende gehalten, den Zweck der Stabilisierung dem Markt, auf dem der Stabilisierungskauf durchgeführt wird, zuvor anzuzeigen. Darüber hinaus muss er seine Absicht aber auch der Person mitteilen, die das Angebot entgegennimmt, Rule 104(h)(1). In der Praxis soll das durch ein entsprechendes Symbol auf dem NASDAQ-Bildschirm bzw. durch Mitteilung an den Specialist geschehen44. Auf diese Weise will die SEC ausdrücklich der Gefahr Rechnung tragen, dass Stabilisierungsmaßnahmen irreführende Signale für den Markt des betreffenden Wertpapiers herbeiführen45. Im Fall des „Short Covering“ oder des „Penalty Bid“ hingegen ist lediglich die vorherige Mitteilung an die entsprechende Regulierungsbehörde vorzunehmen, Rule 104(h)(2). Scheinbar bestanden bislang für diesen Fall keine entsprechenden Bedenken der SEC46 bezüglich einer etwaigen Irreführung. Mögli-

_________ 42 Vgl. zu den diesbezüglich geplanten Änderungen der SEC den nachfolgenden Abschnitt D.III.6. 43 Diese ursprünglich unterschiedliche Behandlung führt die SEC heute darauf zurück, dass sie bei Einführung der Regulation M nicht über hinreichende Informationen zu der Durchführung von „short coverings“ verfügt hatte, vgl. SEC Release Nos. 338511, 34-50831 (2004), S. 49. 44 SEC-Release Nos. 33-7375, 34-38056 (1996), S. 110. 45 SEC Release Nos. 33-8511, 34-50831 (2004), S. 48. 46 Diese hatte aber schon 1996 erwähnt, dass manche Kommentatoren zu den damaligen SEC-Vorschlägen insbesondere auf das manipulative Potential der Stabilisierung hinwiesen für den Fall der nicht vollständigen Aufklärung der Öffentlichkeit, vgl. SECRelease Nos. 33-7375, 34-38056 (1996), S. 110 f.

III. Derzeitige Regulierung der Kurspflege durch Regulation M

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cherweise ist das zumindest einer der Mit-Gründe47, weshalb in den letzten Jahrzehnten fast nie reine Stabilisierungskäufe stattgefunden haben, sondern dieselben immer mit dem vorherigen Aufbau einer Short-Position verbunden waren48. b) Vorherige Veröffentlichung im Emissionsprospekt Außerdem muss die Möglichkeit einer späteren Stabilisierung bereits zuvor im Emissionsprospekt kurz erläutert werden49. Item 508(j) der Regulation S-B und Item 508(l) der Regulation S-K legen die zu veröffentlichenden Angaben fest: Der Prospekt muss die Information enthalten, dass Stabilisierungsmaßnahmen möglicherweise durchgeführt werden und sich auf den Preis eines Wertpapiers auswirken können. Der Charakter der Maßnahmen und die Wirkungsweise auf das Preisniveau sollen klar und verständlich beschrieben werden. Auch der Markt, auf dem solche Maßnahmen erfolgen könnten, muss benannt werden. Sofern zutreffend, ist auch darzulegen, dass die Kurspflege durch den Konsortialführer jederzeit beendet werden kann. Darüber hinaus muss jeder der an der Emission Beteiligten darauf hinwirken, dass den Käufern der neu emittierten Papiere ein Dokument übersandt wird, in dem auf die Möglichkeit der Stabilisierung oder bereits durchgeführte Stabilisierungsmaßnahmen erklärend hingewiesen wird, Rule 104(h)(3)50. Dies kann in Form eines Prospekts, einer bloßen Kaufbestätigung oder einem sonstigen Schreiben geschehen51. c) Aufzeichnungspflicht nach Durchführung der Maßnahmen Im Übrigen sind nach Rule 104 (i) i.V.m. Rule 17a-2 verschiedene Details der durchgeführten Stabilisierung aufzuzeichnen und mindestens drei Jahre aufzubewahren. Dazu gehören der Name und die Kategorie des stabilisierten Wertpapiers; Preis, Tag und Zeit der Stabilisierung; die Namen und die Adressen der Mitglieder des Konsortiums sowie deren jeweilige Beiträge zur Emission. Eine nachherige Informationspflicht des Marktes oder der Aufsichtsbehör-

_________ 47 Die oben im Abschnitt B.III.2 angestellten Überlegungen werden gleichwohl die Hauptmotivation für ein derartiges Vorgehen sein: Vermeidung des Aufbaus eines tatsächlichen Aktivbestands. 48 Vgl. die empirische Studie von Aggarwal, 55 Journal of Finance (2000), 1075. Diesen – zumindest denkbaren Zusammenhang – hat die SEC erkannt und in ihren Ausführungen betont, vgl. SEC Release Nos. 33-8511, 34-50831 (2004), S. 49. 49 SEC-Release Nos. 33-7375, 34-38056 (1996), S. 112. 50 Klarstellend i.d.S. auch SEC Release Nos. 33-8511, 34-50831 (2004), S. 45. 51 SEC-Release Nos. 33-7375, 34-38056 (1996), S. 113.

102

D. Rechtliche Behandlung der Kursstabilisierung in den USA

den sehen die Regelungen im Gegensatz zu den europäischen Vorschriften52 nicht vor. 5. Stabilisierung außerhalb der Vereinigten Staaten Fraglich ist die Behandlung einer Emission, die durch in anderen Ländern durchgeführte Stabilisierungsmaßnahmen unterstützt wird53. Inwieweit dies einen Verstoß gegen Rule 104 und damit gegen Sec. 9(a)(6) des Securities Exchange Act darstellt, regelt Rule 104(g)54. Die Regulation M und ihre Vorschriften müssen in den Fällen nicht weiter beachtet werden55, in denen kumulativ folgende Voraussetzungen vorliegen: In den USA selbst darf keine Kurspflege betrieben werden, die Stabilisierung wird in einem Land durchgeführt, in dem Stabilisierungsregeln existieren, die mit denen der Regulation M vergleichbar sind, und der Stabilisierungspreis darf den in den USA angesetzten Emissionspreis grundsätzlich nicht übersteigen. Im Übrigen wird die SEC ermächtigt zu bestimmen, die Vorschriften welchen Landes vergleichbar mit Regulation M sind. Die diese Ermächtigung erteilende Rule 104(g)(2) zählt im Weiteren Faktoren auf, die die SEC bei ihrer jeweiligen Entscheidung berücksichtigen soll. Gleich im Zuge des Inkrafttretens der Regulation M hat die SEC die Vorschriften des Vereinigten Königreichs anerkannt und um Anträge anderer Staaten gebeten56. Aufgrund der Ähnlichkeit der in Deutschland anwendbaren Regelungen zu den englischen57 und denen der Vereinigten Staaten ist auch hier eine Anerkennung zu erwarten. 6. Rückkauf durch den Emittenten Der Rückkauf durch den Emittenten selbst ist grundsätzlich in Rule 10b-18 zum Securities Exchange Act geregelt, die ihrerseits einen Safe Harbor58 für die Manipulationsverbote aus Sec. 9(a)(2) und Rule 10b-5 darstellt. Jedoch erstreckt sich der zeitliche Anwendungsbereich ausdrücklich nicht auf die – für diese Arbeit einzig relevante – Zeit unmittelbar nach einer Aktienplatzierung:

_________ 52

Vgl. dazu den noch unten folgenden Abschnitt E.II.1.d)(3)(g). Vgl. zu der möglicherweise bestehenden Problematik des maximalen Stabilisierungspreises, die sich daraus ergeben kann, dass die Preise in einer anderen Währung angegeben werden, die ausdrückliche Regelung in Rule 104(f)(5). 54 Diese Regelung ist ebenfalls erst mit Erlass der Regulation M eingeführt worden, vgl. SEC-Release Nos. 33-7375, 34-38056 (1996), S. 107. 55 SEC-Release Nos. 33-7375, 34-38056 (1996), S. 107. 56 SEC-Release Nos. 33-7375, 34-38056 (1996), S. 108. 57 Vgl. Meißner, Stabilisierung und Pflege von Aktienkursen, S. 121. 58 Anders als die Regulation M, vgl. Abschnitt D.I oben. 53

IV. Diskussion der von der SEC geplanten Änderungen

103

Rule 10b-18(a)(13)(i) stellt das klar und verweist insoweit auf die entsprechenden Regelungen der Regulation M, insbesondere Rule 102. Diese wiederum untersagt dem Emittenten den Handel mit den Aktien im Anschluss an eine Emission. Im Gegensatz zu der auf das Emissionskonsortium anwendbaren Rule 10159 macht Rule 102 auch für die Durchführung von Stabilisierungsmaßnahmen keine Ausnahme von diesem Verbot. Ein Rückkauf eigener Aktien scheidet für die Zeit nach einer Emission folglich aus. Was in der Praxis ohnehin nicht üblich ist, ist nach US-amerikanischem Recht also sogar unzulässig; nach Aktienplatzierungen stabilisieren ausschließlich die Banken den Kurs.

IV. Diskussion der von der SEC geplanten Änderungen Im Verlauf dieser Arbeit wurde schon mehrfach erwähnt, dass die SEC im Dezember 2004 bekannt gegeben hat, dass sie plant, gewisse Nachbesserungen an der Regulation M vorzunehmen60. 1. Erhöhte Offenlegungsanforderungen für „Short Covering“ Im Zentrum der Reformdiskussionen standen unter anderem die erweiterten Offenlegungsanforderungen, die in Zukunft auch an solche Stabilisierungsmaßnahmen gestellt werden sollen, die in der Deckung zuvor aufgebauter Short-Positionen bestehen („Short Covering“)61. Wie oben62 bereits dargestellt, unterscheidet die Rule 104 bislang zwischen dieser Art der Stabilisierung und der „Pure Stabilization“, bei der durch die stabilisierende Bank tatsächliche Aktivbestände aufgebaut werden. Im letzteren Fall muss nach derzeitiger Rechtslage der Stabilisierungszweck vorab nicht nur dem Markt, auf dem der Stabilisierungskauf durchgeführt wird, mitgeteilt werden, sondern auch demjenigen, der das Angebot entgegennimmt; es soll also eine dem Kauf zeitlich gleichlaufende Offenlegung stattfinden. Gerade letzteres hatte die SEC für den Fall des „Short Covering“ aber bislang nicht verlangt. Diesen Unterschied möchte sie nunmehr aufheben. Zur Begründung heißt es, die SEC habe zur Kenntnis genommen, dass in der Praxis mittlerweile fast ausschließlich „Short Covering“ anstatt „Pure Stabilization“ durchgeführt werde. Es wird sogar vermutet, dass der genannte Unterschied in den Offenlegungserfordernissen einer

_________ 59

Dort Rule 101(b)(2). Vgl. SEC Release Nos. 33-8511, 34-50831 (2004). Zu der Frage, bis zu welchem Zeitpunkt die SEC die vorgeschlagenen Regelungen tatsächlich umzusetzen gedenkt, war bislang keine Antwort erhältlich. 61 Vgl. SEC Release Nos. 33-8511, 34-50831 (2004), S. 37 ff. 62 Vgl. den Abschnitt D.III.4. 60

104

D. Rechtliche Behandlung der Kursstabilisierung in den USA

der Gründe dafür gewesen ist63. Im Hinblick auf die Wirkungsweise bestünden aber keinerlei Unterschiede64. Dem ist beizupflichten. Denn funktioniert die Kurspflege über den oben65 beschriebenen Informationseffekt, gilt das für beide Arten der Stabilisierung gleichermaßen. In beiden Fällen sollen die restlichen Anleger zu einer entsprechend positiven Interpretation verleitet werden. Geht man andererseits davon aus, dass gerade im Fall des IPO-Aftermarkets schon die bloße Verknappung des Angebots den Kurs steigern kann66, ergibt sich ebenfalls kein Differenzierungsbedarf. Sowohl bei der „Pure Stabilization“ als auch im Fall des „Short Covering“ werden gezielt Aktien vom Markt genommen, das AngebotNachfrage-Verhältnis mithin verändert. Auch empirische Untersuchungen haben aufgezeigt, dass die beiden genannten Methoden einen identischen Effekt auf den Markt haben67. Beachtet man zudem, dass die Stabilisierung über den Informationseffekt besonders effizient funktioniert, wenn eine weitergehende Aufklärung der Anleger nicht stattgefunden hat68, bewahrheitet sich die Vermutung der SEC womöglich, dass das „Short Covering“ sich insbesondere deshalb solcher „Beliebtheit“ erfreut, weil eine dem Kauf zeitlich gleichlaufende Offenlegung aus Sicht der Banken in höchstem Maße unerwünscht ist. Entsprechend deutlich fiel auch die Kritik der Kommentatoren aus, die die SEC über die negativen Auswirkungen einer solchen Änderung aufklären wollten. Teilweise wurde argumentiert, es bestünden maßgebliche Unterschiede zwischen den beiden Stabilisierungsarten: Während die „Pure Stabilization“ durchgeführt werde, um einen Preis herbeizuführen, der sonst im Markt nicht vorherrschen könne, führe das „Short-Covering“ nicht zu einem inflationierten Preis69. Zudem würde die zweitgenannte Variante grundsätzlich erst dann durchgeführt, wenn die Emission bereits abgeschlossen sei70, und dann auch

_________ 63

Vgl. SEC Release Nos. 33-8511, 34-50831 (2004), S. 49. Vgl. SEC Release Nos. 33-8511, 34-50831 (2004), S. 54. 65 Abschnitt C.II.1.b). 66 Zur Diskussion dieser Auffassung(en) vgl. die obigen Abschnitte C.II.1.a) und C.II.1.c). 67 Aggarwal, 68 Journal of Financial Economics (2003), 111; Boehmer/Fishe, 10 Journal of Corporate Finance (2004), 575, 576. 68 Vgl. die entsprechenden Überlegungen in Abschnitt C.II.1.b). 69 Schreiben von John Faulkner, Chairman, SIA Capital Markets Committee, vom 15. Februar 2005, S. 4, abrufbar auf der Internetseit der SEC: http://www.sec.gov/rules/proposed/s74104.shtml. 70 Schreiben von John Faulkner, Chairman, SIA Capital Markets Committee, vom 15. Februar 2005, S. 4, und Schreiben von Edward F. Greene, General Counsel, Citigroup, vom 18. Februar 2005, S. 3, abrufbar auf der Internetseit der SEC: http://www.sec.gov/rules/proposed/s74104.shtml. 64

IV. Diskussion der von der SEC geplanten Änderungen

105

nur in dem Ausmaß, in dem auch Short-Positionen aufgebaut worden seien71. M.E. erschließt sich aber nicht, warum die beiden Formen teilweise zu künstlichen Preisen führen sollen und teilweise nicht; die Wirkungsweise ist schließlich exakt dieselbe. Diesbezüglich kann auch der Zeitpunkt der Durchführung kaum einen Unterschied machen. Insbesondere nimmt das Gesetz selbst eine solche Differenzierung mit Hinblick auf den Zeitpunkt gerade nicht vor, d.h. innerhalb der 30-Tage-Frist sind zu jedem Zeitpunkt beide Maßnahmen denkbar. Und dass das „Short Covering“ nur in dem Maße betrieben werden kann, in dem zuvor Short-Positionen aufgebaut wurden, ist eine Selbstverständlichkeit. Schließlich können nicht aufgebaute Short-Positionen auch nicht geschlossen werden. Im Weiteren wird vorgetragen, dass die Offenlegung der Tatsache, dass es sich um einen Stabilisierungskauf handele, dem Markt signalisiere, dass die Emission in Schwierigkeiten sei; das hätte unweigerlich einen Abwärtstrend des Kurses zur Folge72. Das ist richtig, bestätigt aber nur die oben angestellte Vermutung, dass die Stabilisierung deshalb funktioniert, weil die Marktteilnehmer über den eigentlichen Zweck des Kaufes irregeführt werden. Insoweit ist höchst fragwürdig, ob dieses Argument wirksam gegen die neuen Mitteilungsanforderungen ins Feld geführt werden können sollte. In Anbetracht der Vor- und Nachteile ist die geplante Änderung der SEC als sinnvoll zu erachten. Die dagegen eingewendeten Argumente sind nicht überzeugend. Gleichzeitig sollte aber beachtet werden, dass die geplanten Änderungen das Kursbeeinflussungspotential der Stabilisierungsmaßnahmen stark einschränken können. Denn in der Tat kann die Bekanntgabe, dass es sich bei den jeweiligen Transaktionen um Stabilisierungskäufe handelt, schwerlich als gute Nachricht interpretiert werden. Vielmehr könnte eine derartige Offenlegung, wie gesagt, zu einem Absinken des Kurses führen. Sollte die Wirkung der Kurspflege in den Vereinigten Staaten bislang tatsächlich vorwiegend auf dem Informationseffekt beruht haben, ist äußerst fraglich, wie derartige Maßnahmen in der Zukunft ihre Wirkung entfalten sollen. Es dürfte zumindest deutlich schwerer werden, den Kurs zu stabilisieren. Selbst wenn in der Zeit nach der Emission ein gewisser Stabilisierungseffekt durch die bloße Erhöhung der Nachfrage erreicht werden kann, ist denkbar, dass diese Wirkung durch den Effekt überlagert wird, den die möglicherweise negative Nachricht der Durchführung von Kursstabilisierungsmaßnahmen mit sich bringt. Ob das bedauerlich ist, ist eine Frage der Wertung. Eine solche Entscheidung der SEC wäre ein

_________ 71 Schreiben von John Faulkner, Chairman, SIA Capital Markets Committee, vom 15. Februar 2005, S. 4, abrufbar auf der Internetseit der SEC: http://www.sec.gov/rules/proposed/s74104.shtml. 72 Schreiben von John C. Burch, Jr. and Bruce S. Foerster, vom 15. Februar 2005, S. 4, abrufbar auf der Seite der SEC: http://www.sec.gov/rules/proposed/s74104.shtml.

106

D. Rechtliche Behandlung der Kursstabilisierung in den USA

Schritt weg von der manipulativen Wirkung der Stabilisierung, allerdings hin zu einer schwereren Durchführbarkeit solcher Maßnahmen. Insgesamt führt das wieder die nüchterne Erkenntnis vor Augen, dass nicht zwischen guter (z.B. Stabilisierung) und schlechter Manipulation unterschieden werden kann73. Möglich ist allenfalls die Rechtfertigung eines bestimmten Maßes an Manipulation durch wirtschaftliche Überlegungen. 2. Verbot der „Penalty Bids“ Bislang war die Verwendung von „Penalty Bids“74 zugelassen, sofern die entsprechenden Offenlegungspflichten, die mit denen für „Short Covering Transactions“ identisch waren, eingehalten wurden, Rule 104. Neuerdings sieht die SEC aber vor, derartige vertragliche Abreden im Ganzen zu verbieten75. „Penalty Bids“ seien aus zweierlei Gründen Besorgnis erregend: Erstens fehle es an einer hinreichenden Offenlegungspflicht. Denn auch die Vereinbarung von „Penalty Bids“ verhindere ein Absinken des Kurses, welches sich andernfalls einstellen würde. Zweitens gebe es Hinweise, dass die Ausübung dieser Vertragsstrafen auf der Ebene des Konsortiums letztlich diskriminierende Effekte für die Kunden habe. Während diejenigen, die an institutionelle Anleger verkaufen, häufig nicht bestraft werden, obwohl ihre Kunden die Aktien anschließend abstoßen, sei dies bei Mitgliedern, die an private Anleger verkaufen, sehr wohl der Fall76. Auch dieser Vorschlag, nämlich die vollständige Untersagung der „Penalty Bids“, hat deutliche Kritik ausgelöst. Abgestellt wurde dabei in erster Linie auf die unterschiedliche Durchführung der Stabilisierungskäufe auf der einen Seite und der „Penalty Bids“ auf der anderen. Auffallend sei vor allem, dass die letzteren hauptsächlich im Rahmen der Emission geschlossener Fonds angewendet würden. Derartige Emissionen aber wiesen eine Reihe von Merkmalen auf, die die Verwendung von „Penalty Bids“ unumgänglich machten77.

_________ 73

Laut Fischel/Ross implizieren die detaillierten Vorschriften der Regulation M, dass zwischen „good manipulation“ und „bad manipulation“ unterschieden werden könne, vgl. Fischel/Ross, 105 Harvard Law Review (1991), 503, 536. 74 Vgl. für eine Beschreibung dieser Vorgehensweise den obigen Abschnitt B.III.3.b). 75 SEC Release Nos. 33-8511, 34-50831 at 58 (2004). 76 Vgl. zu alledem SEC Release Nos. 33-8511, 34-50831 (2004), S. 59. 77 Siehe im Einzelnen die Schreiben von Edward F. Greene, General Counsel, Citigroup, vom 18. Februar 2005, S. 2, von Dixie L. Johnson, Committee Chair, Committee on Federal Regulation of Securities, American Bar Association, vom 8. März 2005, S. 8, von John Faulkner, Chairman, SIA Capital Markets Committee, vom 15. Februar 2005, von Gifford Zimmermann, Managing Director and Associate General Cousel, Nuveen Asset Management, vom 15. Februar 2005, S. 4, und von Leonard B. Mackay,

V. Denkbarer Verstoß gegen Section 10(b) des SEA

107

Zu Recht kann im Übrigen eingewandt werden, dass „Penalty Bids“ bislang, genau wie „Short Covering Transactions“, zwar eine reduzierte Offenlegungspflicht genossen. Dem kann aber dadurch Abhilfe geschaffen werden, dass die für das „Short Covering“ vorgesehene Ausweitung der Mitteilungspflichten auch auf „Penalty Bids“ übertragen wird. Es besteht außerdem ein wichtiger Unterschied: Während Stabilisierungskäufe den Kurs dadurch stützen wollen, dass sie dem Markt ein falsches Bild vorgaukeln, sollen „Penalty Bids“ helfen, das eigentliche „Übel“ des Aftermarkets, das sog. Flipping, direkt zu unterbinden. Zumindest in einer idealen Welt versuchen „Penalty Bids“ nicht, falsche Signale zu geben, sondern die durch Flipping gesetzten falschen Signale zu verhindern78. Da „Penalty Bids“ in den meisten Fällen in ihrem Manipulationspotential hinter den Stabilisierungskäufen zurückbleiben oder zumindest nicht wesentlich über sie hinausgehen, sollte die SEC die damit verbundenen Risiken hinnehmen. Auch insoweit hat die SEC noch keine endgültige Regelung getroffen. Ob sie dies in der Zukunft nachholen wird, ist derzeit noch offen.

V. Denkbarer Verstoß gegen Section 10(b) des SEA79 Betrachtet man die Funktionsweise und die Auswirkungen der Kursstabilisierung, ist auch ein Verstoß gegen Sec. 10(b) des Securities Exchange Act denkbar. Sec. 10(b) ist grundsätzlich anwendbar neben Sec. 9(a)(6) und der Regulation M80. Sec. 10(b) untersagt im Zusammenhang mit dem Kauf oder Verkauf von Wertpapieren den Einsatz manipulativer oder täuschender Mittel, sofern dabei gegen die von der SEC zu erlassenden Rechtsvorschriften verstoßen wird. Führt man sich die (auch) in den Vereinigten Staaten ganz überwiegende Auffassung vor Augen, dass es sich bei der Kursstabilisierung um eine Form der Manipulation handelt81, könnte hierin durchaus ein „manipulative device“ im Sinne der Sec. 10(b) gesehen werden. Die daraufhin erlassene Rule

_________ Jr., Clifford Chance US LLP, vom 17. Februar 2005, S. 1, alle abrufbar auf der Internetseite der SEC unter http://www.sec.gov /rules/proposed/s74104.shtml. 78 Vgl. dazu schon Abschnitt C.III.1.d). 79 Securities Exchange Act of 1934. 80 So ausdrücklich die Regulation M in Rule 100 (a). 81 SEC Release No. 34-2446 (1940), S. 12, jüngst auch SEC Release Nos. 33-8511, 34-50831 (2004), S. 39 und S. 50; in der Lit. Hanley/Kumar/Seguin, Journal of Financial Economics 1993, 177, 194; Benveniste/Erdal/Wilhelm, Journal of Banking & Finance 1998, 741, 743; Benveniste/Busaba/Wilhelm, 42 Journal of Financial Economics (2003), 223, 224; Loss/Seligman, Fundamentals of Securities Regulation, S. 1064; Soderquist/Gabaldon, Securities Regulation, S. 563 f.

108

D. Rechtliche Behandlung der Kursstabilisierung in den USA

10b-5 verbietet jedwede Handlung, die sich in einem Betrug oder einer Täuschung82 auswirkt83. Dieser Tatbestand ist bewusst weit gefasst. Zwar hat der Supreme Court wiederholt darauf hingewiesen84, dass eine Täuschung im ursprünglichen Sinne in jedem Fall vorliegen müsse und nicht jedes kapitalmarktpolitisch unerwünschte Verhalten erfasst sei. Es ist aber anerkannt, dass effektive Rechtsgeschäfte eine Täuschung in diesem Sinne darstellen können85. Teilweise heißt es sogar ausdrücklich, dass ein Verstoß gegen Rule 10b-5 gerade dann vorliegen könne, wenn der einzige Zweck für einen Wertpapierkauf in der Beeinflussung des Marktpreises bestehe86. In Anbetracht des doch starken Täuschungspotentials87 der Kurspflege kann diese die aufgestellten Anforderungen durchaus erfüllen88. Vor diesem Hintergrund macht auch der Erlass der Rule 10b-18 Sinn, die ihrerseits einen Safe Harbor bietet für Wertpapierrückkäufe, die durch den Emittenten selbst eine gewisse Zeit nach der Ausgabe durchgeführt werden89; Rule 10b-18 befreit ausdrücklich von einem etwaigen Verstoß gegen Rule 10b-590.

_________ 82 Die Begriffe werden insoweit nicht in Übereinstimmung mit dem deutschen strafrechtlichen Betrugstatbestand verwendet. 83 Zusätzlich wurde wiederholt festgehalten, dass der Tatbestand eine Art Vorsatz („scienter“) voraussetze, ausreichend hierfür ist jedoch „recklessness“ („Rücksichtslosigkeit“, ein subjektives Tatbestands-Merkmal, das dogmatisch zwischen bedingtem Vorsatz und bewusster Fahrlässigkeit angesiedelt werden kann), vgl. Aaron v. SEC, 446 U.S. 680 (1980); Ernst and Ernst v. Hochfelder, 425 U.S. 185 (1976), Sanders v. John Nuveen, 554 F.2d 790 (7th. Cir. 1977). 84 Ernst and Ernst v. Hochfelder, 425 U.S. 185 (1976). 85 Vgl. SEC v. Lorin, 877 F.Supp. 192 (S.D.N.Y.1995), United States v. Mulheren, 938 F.2d 364 (2d Cir. 1991), Markowski v. SEC, 274 F.3d 525 (D.C.Cir.2001); SEC v. Resch-Cassin & Co., 362 F.Supp. 964 (S.D.N.Y.1973), Hazen/Ratner, Broker Dealer Regulation, S. 79. 86 Vgl. United States v. Mulheren, 938 F.2d 364 (2d Cir.1991). 87 Zu dieser Problematik im Weiteren vgl. oben Abschnitte C.II.1.b) und C.III.1, in Bezug auf den Tatbestand des § 20 a WpHG aber nochmals ausführlich unten der Abschnitt E.II.1.b). 88 Insbesondere kommt es teilweise zu einer gewissen Gleichstellung zwischen Verstößen gegen Sec. 9(a)(2), die lediglich für Börsengeschäfte gilt und Sec. 10(b), die auch den Over-the-Counter-Markt erfasst, wenn das jeweilige Geschäft nicht an der Börse durchgeführt wurde, vgl. SEC v. Resch-Cassin & Co., 362 F.Supp. 964 (S.D.N.Y.1973). 89 Insoweit ist Rule 10b-18 hier auch nicht weitergehend zu besprechen. Diese Regelung ist erst dann einschlägig, wenn die von dieser Arbeit erfasste post-IPO-Phase abgelaufen ist, vgl. insoweit die Definition des „Rule 10b-18 purchase“ in der Rule 10b-18 selbst. Es wird dabei auf Rule 102 („restricted period“) der Regulation M verwiesen, mit identischem Hinweis auch SEC Release Nos. 33-7375, 34-38067 (1996), S. 6. 90 Der entsprechende Erlass der SEC verweist ausdrücklich darauf, dass eine Manipulation in diesem Sinne vorliegen könne, weil die Investoren sich darauf verlassen, dass der Marktpreis ohne Einwirkung durch den Emittenten selbst zustande gekommen sei, vgl. SEC Release 34-19244 (1982).

V. Denkbarer Verstoß gegen Section 10(b) des SEA

109

Das amerikanische Recht geht aber davon aus, dass eine Täuschung im Sinne der Rule 10b-5 dann ausscheidet, wenn die, wie oben gesehen, recht umfassenden Mitteilungs- und Offenbarungspflichten der Regulation M91 eingehalten worden sind. Dann liegt eine Täuschung nicht vor. Insoweit muss beachtet werden, dass die Voraussetzungen der Sec. 9(a)(6) in Verbindung mit der Regulation M wesentlich strenger und spezieller sind als die der Rule 10b-5. Das ist wohl der Grund, weshalb Sec. 10(b) trotz ihrer grundsätzlichen Relevanz im Zusammenhang mit Stabilisierungsmaßnahmen fast nie diskutiert wird.

_________ 91

Vgl. ausführlich den obigen Abschnitt D.III.4.

E. Rechtliche Grenzen der Kursstabilisierung in Deutschland Neben dem Wertpapierhandelsgesetz1 können sich insbesondere aus dem Aktiengesetz Beurteilungsmaximen für die Zulässigkeit der Kursstabilisierung in Deutschland ergeben.

I. Das Aktiengesetz Es muss dabei zwischen Stabilisier ungskäufen und Veräußerungsbeschränkungen differenziert werden. 1. Zulässigkeit von Stabilisierungskäufen Im Hinblick auf den Untersuchungsgegenstand dieser Arbeit ist primär § 71a AktG von Interesse, der jedoch nur vor dem Hintergrund der rechtlichen Regelungen in § 71 AktG zutreffend ausgelegt werden kann. Insbesondere die in der Praxis relevante Einräumung einer Greenshoe-Option muss sich möglicherweise auch an § 255 II AktG messen lassen. a) Erwerb eigener Aktien nach §§ 71 f. AktG Gemäß § 71 I 1 AktG darf die Gesellschaft nur in den in Nrn. 1 – 8 abschließend aufgelisteten Ausnahmefällen eigene Aktien erwerben. Ausweislich § 71a II ist ein Rechtsgeschäft nichtig zwischen der Gesellschaft und einem anderen, nach dem dieser berechtigt oder verpflichtet sein soll, Aktien der Gesellschaft für Rechnung der Gesellschaft zu erwerben, soweit der Erwerb durch die Gesellschaft gegen § 71 I oder II verstoßen würde. Gemäß § 71a I 1 teilen dasselbe Schicksal solche Rechtsgeschäfte, die die Gewährung eines Vorschusses oder eines Darlehens oder die Leistung einer Sicherheit durch die Gesellschaft an einen anderen zum Zweck des Erwerbs von Aktien dieser Gesellschaft zum Gegenstand haben.

_________ 1

Vgl. dazu sogleich die Ausführungen in Abschnitt E.I.2.

I. Das Aktiengesetz

111

(1) Ausnahmetatbestände in § 71 I AktG § 71 I AktG behandelt zunächst einmal den Aktienrückkauf durch den Emittenten selbst. Nimmt der Emittent einen solchen Rückkauf zu Stabilisierungszwecken vor, stellt sich die Frage, inwieweit ein solches Vorgehen über die Ausnahmetatbestände des § 71 I Nrn. 1-8 AktG legitimiert werden kann. Diskussionswürdig sind insbesondere zwei der dort aufgeführten Ziffern: Zum einen könnte ein solcher Rückkauf eigener Aktien notwendig sein, um – im Sinne von Nr. 1 – einen schweren, unmittelbar bevorstehenden Schaden von der Gesellschaft abzuwenden. Zum anderen ist denkbar, dass der Rückkauf nach einer den Anforderungen von § 71 I 1 Nr. 8 AktG entsprechenden Ermächtigung durch die Hauptversammlung zulässig ist. (a) Abwendung eines schweren, unmittelbar bevorstehenden Schadens i.S.v. § 71 I Nr. 1 AktG Teilweise wird diskutiert, ob die durch den Emittenten selbst durchgeführten Stabilisierungs- oder Kurspflegekäufe deshalb aktienrechtlich zulässig sind, weil sie notwendig sind, einen schweren Schaden von der Gesellschaft abzuwenden2. Ein Schaden ist dabei als ein solcher im Sinne der §§ 249 ff. BGB zu verstehen3. Im Hinblick auf die Erfassung der Kursstabilisierung ergeben sich jedoch gleich mehrere rechtliche Problembereiche.

(aa) Schaden der Gesellschaft Für den Fall der Kurspflege kommt als Schadensereignis in erster Linie ein nach der Aktienplatzierung signifikant sinkender Kurs in Betracht. Aus einem solchen Kursverlust einen schweren Schaden abzuleiten, fällt aber schon dem Grunde nach schwer. So wird zum Teil ein „schwerer Schaden“ in diesem Sinne bereits mit dem Argument verneint, dass ein sinkender Kurs zunächst einmal ein Schaden der Aktionäre, und ein solcher kein Schaden der Gesell-

_________ 2 Vgl. insbesondere die ausführliche Diskussion bei Meißner, Stabilisierung und Pflege von Aktienkursen, S. 166 ff.; kurz auch Westermann in FS Peltzer, S. 613, 624. Auch das OLG Frankfurt hatte – allerdings ohne weitergehende Begründung – festgestellt, dass Kurspflege nötig sein könne, um einen Schaden i.S.d. § 71 I AktG von der Gesellschaft abzuwenden, OLG Frankfurt a.M., WuB II A. § 71a AktG 1.92, S. 951, 952. Hüffer hingegen, vgl. Hüffer, Aktiengesetz, § 71 Rn. 7, hält einen hiernach erfolgenden Erwerb für „eindeutig unzulässig“. Vor Einführung von § 71 I 1 Nr. 7 und 8 AktG zumindest habe die Marktpflege als Fall der Schadensabwehr gegolten, vgl. Oechsler, in Münchener Kommentar, § 71 Rn. 116. 3 Hüffer, Aktiengesetz, § 71 Rn. 7; Oechsler in Münchener Kommentar, § 71 Rn. 93.

112

E. Rechtliche Grenzen der Kursstabilisierung in Deutschland

schaft sei4. Eine Ausnahme liege lediglich dann vor, wenn der Kursverlust das Resultat eines gezielten Baisseangriffs5 sei, wenn er nicht durch fundamentale Daten gerechtfertigt werden könne6 und zu einer Kreditgefährdung der Gesellschaft führe7. Wenngleich eine strenge Differenzierung zwischen dem Vermögen der Aktionäre und dem der Gesellschaft insbesondere aus ökonomischer Sicht häufig wenig sachgerecht ist8, ist natürlich zutreffend, dass das bloße – auch starke – Absinken des Kurses keinen drohenden Schaden im Sinne dieser Norm darstellen kann. Denn das ist ein Risiko, das dem Handel auf einem freien Markt immanent ist. Ein Schaden müsste – selbst wenn man eine Schädigung der Aktionäre als ausreichend betrachten würde – über das dem Markt immanente Risiko deutlich hinausgehen9. Das gilt umso mehr in Anbetracht des

_________ 4 Hüffer, Aktiengesetz, § 71 Rn. 7, der diese Feststellung auch als „unstreitig“ bezeichnet; Meißner, Stabilisierung und Pflege von Aktienkursen, S. 166 weist zudem zutreffend darauf hin, dass auch an anderen Stellen im Aktiengesetz zwischen einem Schaden der Gesellschaft und der Aktionäre unterschieden werde, z.B. in §§ 117 I, 243 II AktG. Zurückhaltender gegenüber der Formulierung in dieser Pauschalheit schon Oechsler, in Münchener Kommentar, § 71 Rn. 114; Auch das OLG Frankfurt a.M. hatte eine solche Differenzierung – allerdings ohne weitergehende Begründung – wohl nicht vorgenommen, wenn es an entsprechender Stelle heißt, Kurspflege sei eventuell nötig, um „Schaden von der Gesellschaft und damit auch von ihren Aktionären abzuwenden“. [Hervorhebung durch den Verfasser], vgl. OLG Frankfurt a.M., WuB II A. § 71a AktG 1.92, S. 951, 952; dagegen in der daran anschließenden Anmerkung auch schon Lutter/Gehling, WuB II A. § 71a AktG 1.92, S. 952, 953. 5 So auch genannt bei Oechsler, in Münchener Kommentar, § 71 Rn. 115; Lutter/Gehling, WuB II A. § 71a AktG 1.92, S. 952, 953: „seit den 30er Jahren anerkannt“. 6 Dieses Kriterium ist freilich wenig handlich, zumal schwer festzustellen sein wird, welche Kursbewegung gerechtfertigt ist in diesem Sinne und welche nicht. Dass sich der „wahre Wert“ eines Anteils in Abgrenzung zum Marktwert nur schwer feststellen lässt, wurde in dieser Arbeit schon mehrfach betont, vgl. nur die Abschnitte C.III.1 und C.III.3.b)(1)(a); in diesem Sinne auch Meißner, der sogar anführt, dass denkbar ist, dass ein Baisseangriff den Kurs erst auf das „richtige Niveau“ führt, vgl. Meißner, Stabilisierung und Pflege von Aktienkursen, S. 167. 7 Lutter, in Kölner Kommentar, § 71 Rn. 23, der allerdings auch klarstellt, dass Banken ihre Kredite gewöhnlich im Hinblick auf die Bilanz und nicht auf den Börsenkurs vergeben, eine Kausalität zwischen dem sinkenden Börsenkurs und der Verweigerung der Kreditauszahlung daher nur selten gegeben sein wird; ihm folgend Hüffer, Aktiengesetz, § 71 Rn. 9. 8 Umfassend diskutiert wurde der Zusammenhang der Gesellschafts- und der Aktionärsinteressen auch im Hinblick auf überhöhte Vorstandsvergütungen, aktuell dazu der Fall Mannesmann, zuletzt BGH v. 21. Dez. 2005, AZ 3 StR 470/04. In diesem Rahmen haben sich einige Autoren gegen eine strikte Trennung von Unternehmensinteresse auf der einen Seite und Aktionärsinteresse (v.a. Börsenkurssteigerung) auf der anderen Seite ausgesprochen, vgl. nur Wollburg, ZIP 2004, 646. Anderer Auffassung waren diesbezüglich aber vor allem Lutter/Zöllner, FAZ v. 10.2.2004, S. 12. 9 Mit ähnlicher Betonung auch Oechsler, in Münchener Kommentar, § 71 Rn. 115. Insbesondere kann die Ausnahme des § 71 I Nr. 1 nicht dazu herangezogen werden, etwaige Vorbereitungsfehler des Vorstands im Vorfeld der Emission auszugleichen, vgl.

I. Das Aktiengesetz

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von einem solchen Rückkauf ausgehenden Manipulationspotentials und der schwer zu beantwortenden Frage, wie die Gesellschaft eigentlich feststellen kann, dass der Kursverlust ihrer Aktie zu einem bestimmten Zeitpunkt gerade nicht Ausfluss einer (sich ändernden) Marktbewertung, sondern eines einen Schaden herbeiführenden Abweichens vom „wahren Wert“ ist. Von der Frage ausgehend, inwieweit Kursverluste ganz grundsätzlich einen Schaden der Gesellschaft darzustellen vermögen, kann speziell für den Fall einer Aktienplatzierung überlegt werden, inwieweit die Gesellschaft selbst während des Emissionsvorgangs vielleicht doch einen Schaden erleiden könnte. Ein starkes Absinken des Kurses nach der Wertpapierausgabe kann den Emittenten nicht mehr schädigen10, sofern – wie in der Praxis üblich11 – das Emissionskonsortium das volle Platzierungsrisiko der Wertpapiere übernimmt. Ernsthaft in Betracht kommt allenfalls die Konstellation, in der während des Bookbuilding-Verfahrens der Ausgabepreis von außen stehenden Dritten manipulativ und bewusst zu drücken versucht wird. Das ist einem funktionierenden und informationseffizienten Kapitalmarkt abträglich, daher unerwünscht und würde gerade auch der Gesellschaft selbst schaden. Denkbar ist ein Schaden in diesem Sinne auch während einer Zweitplatzierung. Wenn in solchen Konstellationen die vollständige Abnahme der Wertpapiere nicht gesichert ist, trägt der Emittent das Risiko, dass bei sinkendem Kurs nicht alle Aktien am Markt platziert werden können.

(bb) Unmittelbar bevorstehender Schaden Jedoch scheitert die Anwendung von § 71 I Nr. 1 in jedem Fall an dem Merkmal „unmittelbar“. Denn selbst wenn ein schwerer12 Schaden für die Ge-

_________ Lutter/Gehling., WuB II A. § 71a AktG 1.92, S. 952, 954. So auch Lenzen, Eingriffe in die Börsenkursbildung, S. 207. 10 Erwähnt werden soll hier der Vollständigkeit halber allerdings der Extremfall, dass der gesamte Börsengang scheitert. Dieses Beispiel führen Lutter/Gehling an, wobei sie jedoch nicht näher erläutern, inwiefern ein Börsengang in seiner Gesamtheit scheitern soll, weil eine Kurspflege ausgeblieben ist. Zumindest eine Pflege des Börsenkurses selbst setzt ohnehin erst dann ein, wenn ein Großteil der Aktien bereits platziert ist. Lutter/Gehling halten aber sowieso auch diese Konstellation trotz der damit verbundenen hohen Kosten für keinen Schaden i.S.d. § 71 I Nr. 1 AktG, Lutter/Gehling, WuB II A. § 71a AktG 1.92, S. 952, 953. 11 Siehe obigen Abschnitt B.I.3.a). So auch ausdrücklich Meißner, Stabilisierung und Pflege von Aktienkursen, S. 170, gerade in diesem Zusammenhang. 12 Das Vorliegen eines „schweren“ Schadens in diesem Sinne müsste ohnehin noch nachgewiesen werden. Das entscheidet sich an den Umständen des Einzelfalls und ist danach zu bestimmen, ob die Einbuße angesichts der Größe und der Finanzkraft der Gesellschaft beachtlich ist, vgl. Meißner, Stabilisierung und Pflege von Aktienkursen, S. 169. Die Relationstheorie, die die Schwere des befürchteten Schadens mit dem durch

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E. Rechtliche Grenzen der Kursstabilisierung in Deutschland

sellschaft vorliegen sollte, steht ein solcher in diesem Sinne nicht unmittelbar bevor13. Spätestens seit der Einführung von § 71 I Nr. 8 AktG kann von einem unmittelbar drohenden Schaden nur dann gesprochen werden, wenn sich der Schaden realisieren würde, bevor ein Beschluss der Hauptversammlung herbeigeführt werden kann; denn seither dient das Kriterium der „Unmittelbarkeit“ der Kompetenzabgrenzung zwischen Vorstand und Hauptversammlung14. Die Kursstabilisierung jedoch, auch bzw. gerade eine solche im Anschluss an eine Aktienplatzierung, ist grundsätzlich ein planbares und vorhersehbares Ereignis15, das keine Gefahr im Verzug16 begründet. Die Rechtfertigung der Kursspflege über § 71 I Nr. 1 AktG17 scheidet deshalb aus. (b) Ermächtigung durch die Hauptversammlung i.S.v. § 71 I 1 Nr. 8 AktG Vielversprechender ist § 71 I Nr. 8 AktG, welcher die weitest reichende18 Ausnahme vom Verbot des Erwerbs eigener Aktien darstellt. Satz 1 legt fest, unter welchen formalen Voraussetzungen eine Ermächtigung zum Rückkauf durch die Hauptversammlung erfolgen kann. Eigentlich problematisch ist allerdings Satz 2, der als Ausnahme zu Satz 1 das Verbot des Aktienrückkaufs für den Fall fortwirken lässt, dass damit ein „Handel in eigenen Aktien“ betrieben wird. Zweifelsohne findet bei dem Kauf eigener Anteile zum Zwecke der Kursstützung und dem eventuellen anschließenden Verkauf ein gewisser Handel mit der Aktie statt; ob Satz 2 jedoch gerade diese Fälle erfassen will, ist fraglich. Denn würde der „Handel in eigenen Aktien“ jeden An- und Verkauf erfassen,

_________ den Rückerwerb eingegangenen Risiko gleichsetzt, wird heute weitgehend abgelehnt, vgl. Hüffer, Aktiengesetz, § 71 Rn. 7; Lutter, in Kölner Kommentar, § 71 Rn. 28; Meißner, Stabilisierung und Pflege von Aktienkursen, S. 168; Oechsler, in Münchener Kommentar, § 71 Rn. 97. Auch Lutter/Gehling weisen darauf hin, dass gerade im Zusammenhang mit der Rechtfertigung von Kurspflegemaßnahmen ein andernfalls drohender schwerer Schaden kaum begründbar sein wird, Lutter/Gehling, WuB II A. § 71a AktG 1.92, S. 952, 954. 13 Zu unterscheiden ist insoweit zwischen “unmittelbar bevorstehend” und einem „unmittelbaren Schaden“. Denn während der Schaden unmittelbar bevorstehen muss, genügen hier auch mittelbare Schäden, vgl. Lutter, in Kölner Kommentar, § 71 Rn. 23; Hüffer, Aktiengesetz, § 71 Rn. 7. 14 Oechsler, in Münchener Kommentar, § 71 Rn. 96; ihm folgend Meißner, Stabilisierung und Pflege von Aktienkursen, S. 172. Nicht gefordert wird allerdings, dass der Schaden sofort eintreten würde, vgl. Hüffer, Aktiengesetz, § 71 Rn. 7. 15 So ausdrücklich auch Oechsler, in Münchener Kommentar, § 71 Rn. 96. 16 Diese Begrifflichkeit verwendend Oechsler, in Münchener Kommentar, § 71 Rn. 96. 17 Als „ganz h.M.“ bezeichnet dieses Ergebnis Oechsler, in Münchener Kommentar, § 71 Rn. 114; Als „unstreitig“ Hüffer, Aktiengesetz, § 71 Rn. 7. 18 Schäfer in Marsch-Barner/Schäfer, § 47 Rn. 20.

I. Das Aktiengesetz

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wäre § 71 I Nr. 8 AktG weitgehend funktionslos19. Die Rückausnahme in Satz 2 geht wohl auf Huber20 und Lutter21 zurück22, die eine solche im Hinblick auf etwaige Spekulationsgeschäfte, aber auch gerade hinsichtlich der von einer Kursstützung ausgehenden Manipulationsgefahr, gefordert hatten. Für eine gewisse Erfassung der Kurspflege durch die Vorschrift des Satzes 2 spricht die Gesetzesbegründung, in der es heißt, der Aktienerwerb solle nicht der „kontinuierlichen Kurspflege“ dienen. Denn auf einem funktionierenden Kapitalmarkt liefere der Markt selbst die richtige Unternehmensbewertung23. Gleichzeitig scheide ein fortlaufender Kauf und Verkauf eigener Aktien und der Versuch, Trading-Gewinne zu machen, als zulässiger Zweck aus24. Der Gesetzesbegründung kann aber nicht zwingend entnommen werden, dass jegliche Kursstabiliserung unzulässig sein soll. Vielmehr lässt sich argumentieren, dass zwar eine „kontinuierliche“ Kurspflege ausscheidet, nicht aber eine vorübergehende25, nämlich nicht die nach einer Aktienplatzierung. Die Gesetzesbegründung ist insofern nicht eindeutig. Nach wohl h.M. will der Gesetzgeber nur Geschäfte der Gesellschaft in eigenen Aktien unterbinden, die einen spekulativen oder manipulativen Charakter aufweisen26. Diese engere Interpretation des Merkmals „Handel in eigenen Aktien“ ergibt sich insbesondere auch durch den Vergleich mit ähnlichen Formulierungen in §§ 23 I WpHG, 20 II WpÜG und § 71 I Nr. 7 AktG 27. Nach vorherrschender28 Auffassung will der Gesetzgeber mit dem Verbot solcher „Spekulationsgeschäfte“ verhindern, dass die Gesellschaft einen Er-

_________ 19

Meißner, Stabilisierung und Pflege von Aktienkursen, S. 174 f. Huber in FS Kropff, S. 101, 120 ff. 21 Lutter, AG 1997 Sonderheft, 52, 56. 22 So auch Hüffer, Aktiengesetz, § 71 Rn. 19i. 23 Begründung zum KonTraG, BT-Drucks 13/9712, S. 13, zitiert bei Oechsler, in Münchener Kommentar, § 71 Rn. 190. 24 Begründung zum KonTraG, BT-Drucks 13/9712. 25 Vgl. Lenzen, Eingriffe in die Börsenkursbildung, S. 206. 26 Schäfer in Marsch-Barner/Schäfer, § 47, Rn. 21; Hüffer, Aktiengesetz, § 71 Rn. 19i, der auch erwähnt, dass der Wortlaut des § 71 I Nr. 8 S. 2 AktG insoweit ein wenig misslungen ist; Schremper, Aktienrückkauf und Kapitalmarkt, S. 22. 27 Vgl. hierzu ausführlich Meißner, Stabilisierung und Pflege von Aktienkursen, S. 175 ff. 28 Ganz eindeutig ist das nicht. Zurecht weißt Oechsler darauf hin, dass dem Erwerb eigener Aktien als finanzpolitisches Mittel regelmäßig ein gewisses spekulatives Element innewohne. Im Vordergrund stehe daher vielmehr der Vorwurf der Kursmanipulation durch Vortäuschung einer echten Marktnachfrage seitens der AG. Deshalb sei eine dauerhafte Kurspflege nur – aber immerhin – in dem Ausnahmefall verboten, in dem der Preismechanismus auf dem Markt durch die Aktivitäten des Vorstands in seiner Funktionsfähigkeit erheblich gestört werde. Das wiederum könne nur dann der Fall sein, wenn 20

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E. Rechtliche Grenzen der Kursstabilisierung in Deutschland

werb mit von vornherein bestehender Gewinnerzielungsabsicht durch Erwerb und Veräußerung eigener Aktien vornimmt29. Diese Geschäfte sind ökonomisch riskant, weil Spekulationen in eigenen Aktien bei fallenden Kursen typischerweise in eine Verlustspirale münden30. Für den Rückerwerb eigener Aktien gibt es verschiedene plausible ökonomische Motive31. Zumindest im Fall der Kursstabilisierung werden die Aktien aber nicht erworben, um durch die anschließende Veräußerung Spekulationsgewinne realisieren zu können; vielmehr soll dem Zwecke nach der Kurs gestützt werden. Dieser Interpretation folgend32, ist die Kurspflege nach Maßgabe des § 71 I 1 Nr. 8 AktG nicht unzulässig. Für die Bearbeitungsziele dieser Arbeit ist eine abschließende Entscheidung aber möglicherweise nicht notwendig, da das Verbot aus § 71 AktG allein auf den Emittenten beschränkt bleibt. Denn selbst wenn das Verbot des Rückerwerbs eigener Anteile die Kurspflege grundsätzlich erfassen würde, tangierte das die Zulässigkeit der in dieser Arbeit untersuchten Preisstabilisierung durch Emissionsbanken nach Aktienplatzierungen nur dann, wenn sich ein entsprechendes Verbot über § 71a AktG auch auf den Konsortialführer als „Dritten“ in diesem Sinne erstreckt. (2) Umgehungsgeschäfte nach § 71a bzw. § 71 d AktG Nach § 71a AktG können insbesondere Rechtsgeschäfte nichtig sein, die entweder einen Dritten berechtigen oder verpflichten, Aktien auf Rechnung des Emittenten zu erwerben (§ 71a II) oder die die Gewährung eines Vorschusses oder eines Darlehens oder die Leistung einer Sicherheit durch die Gesellschaft an den Dritten zum Zweck des Erwerbs der Anteile zum Gegenstand haben

_________ über eine länger andauernde Zeit stabilisiert werde, vgl. Oechsler in Münchener Kommentar, § 71 Rn. 194 f. Inwieweit die von Oechsler gezeichnete Grenze überschritten wird, ist dann jeweils eine Frage des Einzelfalls; für die kurzfristige Stabilisierung nach Platzierungen kann wohl nicht davon ausgegangen werden. 29 Hüffer, Aktiengesetz, § 71 Rn. 19i; Schäfer in Marsch-Barner/Schäfer, § 47 Rn. 21; Westermann in FS Peltzer, S. 613, 626. 30 Hüffer, Aktiengesetz, § 71 Rn. 19i. 31 Meißner, Stabilisierung und Pflege von Aktienkursen, S. 160 f. Umfasend aber v.a. auch Kopp, Erwerb eigener Aktien, v.a. S. 116 ff und Schremper, Aktienrückkauf und Kapitalmarkt, S. 53 ff.; Gerke/Fleischer/Langer in Börsig/Conenberg, S. 280 ff. 32 Zu einem eindeutigen Ergebnis führen die bisherigen Überlegungen nicht. Auch eine ausführliche Untersuchung anhand aller denkbaren Schutzzwecke des § 71 I Nr. 8 S. 2 führt m.E. nicht wesentlich weiter, vgl. insoweit ausführlich Meißner, Stabilisierung und Pflege von Aktienkursen, S. 179 ff.

I. Das Aktiengesetz

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(§ 71a I 1 AktG). Auf die erstgenannte Variante sind auch die Ausnahmen des § 71 I AktG anwendbar, auf die zweitgenannte dem Wortlaut nach nicht33. Wie der Wortlaut des § 71a II AktG schon indiziert, meint der Gesetzgeber hier die Fälle der sog. mittelbaren Stellvertretung34, d.h. der Dritte erwirbt die Aktien in eigenem Namen, aber auf Rechnung des Emittenten. Hierfür muss der Dritte den Weisungen der Aktiengesellschaft hinsichtlich der Mitgliedschaft unterworfen sein, und die Gesellschaft muss das wirtschaftliche Risiko aus den Aktien wenigstens zum Teil tragen35. Wie oben36 gesehen, übernimmt aber in der Praxis das Emissionskonsortium die gesamte Platzierung der Aktien mitsamt des damit verbundenen Risikos und führt die anschließende Stabilisierung gerade auf eigene Rechnung und im eigenen Interesse37 aus. Eine Anwendung dieses Absatzes auf die vorliegend zu untersuchenden Emissionen scheidet mithin aus. Gleiches gilt für § 71d S. 1 AktG, dessen Tatbestand dem des § 71a II entspricht38. Problematischer ist die Anwendung des § 71a I 1 AktG. Orientiert man sich hier streng am Wortlaut, scheint der Tatbestand die Konstellationen der Kursstabilisierung zwar ebenfalls nicht zu erfassen. Denn es handelt sich weder um die Gewährung eines Vorschusses noch eines Darlehens noch um die Leistung einer Sicherheit. Die Vorschrift enthält jedoch einen offenen Tatbestand mit bloßen Regelbeispielen39 und wird deshalb weiter ausgelegt als es der Wortlaut zunächst indiziert. Grund für diese umfassendere Interpretation ist vor allem der Zweck der Norm, Umgehungsgeschäfte zu verhindern; § 71a I 1 AktG könnte seinerseits leicht umgangen werden, stellten die Varianten nicht nur Regelbeispiele, sondern eine abschließende Aufzählung dar. Entscheidend ist

_________ 33 Insbesondere Westermann in FS Peltzer, S. 613, 625 spricht sich diesbezüglich für eine teleologische Reduktion des § 71a I 1 AktG aus. Dies gebiete schon der Zweck des § 71 a, der in erster Linie eine Umgehung des Rückerwerbverbots nach § 71 AktG im Auge habe. Offenbar wendete auch das OLG Frankfurt a.M. die Ausnahmen des § 71 AktG auch auf § 71a I 1 an, wenn es feststellte, dass Kurspflege nötig sei, um Schaden von der Gesellschaft – i.S.d. § 71 I – abzuwenden, vgl. OLG Frankfurt a.M., WuB II A. § 71a AktG 1.92, S. 951, 952. Differenzierend die anschließende Anmerkung, vgl. Lutter/Gehling, WuB II A. § 71a AktG 1.92, S. 952, 955. 34 Oechsler in Münchener Kommentar, § 71a Rn. 41 ff.; Hüffer, Aktiengesetz, § 71a Rn. 7. 35 Lutter, in Kölner Kommentar, § 71a Rn. 19. 36 Vgl. den Abschnitt B.I.3.a). 37 Vgl. dazu insbesondere die Abschnitte C.III.3.c) und B.IV. 38 Oechsler, in Münchener Kommentar, § 71d Rn. 14; Hüffer, Aktiengesetz, § 71d Rn. 9. Bei § 71d S. 1 handelt es sich nach Aussage des historischen Gesetzgebers lediglich um eine redaktionelle Erleichterung, vgl. Oechsler, in Münchener Kommentar, § 71d Rn. 4. 39 Oechsler, in Münchener Kommentar, § 71a Rn. 14.

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E. Rechtliche Grenzen der Kursstabilisierung in Deutschland

daher, ob eine Finanzierung des Erwerbs aus dem Gesellschaftsvermögen erfolgt, die keine ordentliche Gewinnausschüttung i.S.d. § 57 III AktG darstellt40; eine solche Finanzierung kann auch dann gegeben sein, wenn sie sich in einer Dienstleistungsvergütung erschöpft. Daher ist durchaus denkbar, dass auch die Bezuschussung von Kursstabilisierungsmaßnahmen als Finanzierung i.S.d. § 71a I 1 AktG zu gelten hat41. Begründbar ist das auch über einen Erst-RechtSchluss: Wenn schon die nur vorübergehende Bezuschussung in Form eines Darlehens ausreichend ist, dann muss eine dem Dritten permanent verbleibende Vergütung erst recht erfasst sein42. Es ist aber zu beachten, dass Stabilisierungsmaßnahmen nach einer Emission heute eben gerade nicht vom Emittenten vergütet werden und schon deshalb keine Finanzierung in dem vorgezeichneten Sinne vorliegen kann. Denn die Maßnahmen erfolgen vielmehr auf Risiko und im Interesse des Emissionskonsortiums. Entsprechende Vergütungsvereinbarungen finden sich im Übernahmevertrag in aller Regel nicht. Da eine vertragliche Nebenpflicht zur Durchführung von Stabilisierungsmaßnahmen nicht hergeleitet werden kann, wird der Konsortialführer auch nicht implizit finanziell entlohnt43. Sollte das einmal anders sein, ist der Anwendungsbereich des § 71a I 1 AktG freilich eröffnet44; das entsprechende Rechtsgeschäft ist dann nichtig. Das würde bedeuten, dass dem Stabilisierungsmanager trotz des Versuchs einer vertraglichen Abrede kein Anspruch auf Vergütung der Stabilisierung zusteht. Ein aktienrechtliches Verbot der Kursstabilisierung ergibt sich auf diesem Wege aber in keinem Fall. (3) Ergebnis §§ 71 f. AktG regeln den Rückerwerb eigener Aktien. § 71 AktG adressiert dabei ausschließlich den Rückkauf durch den Emittenten selbst. Von einem grundsätzlichen Verbot ausgehend, kommen insbesondere die Vorschriften in Nr. 1 und Nr. 8 als mögliche Ausnahmen in Betracht. Die Untersuchung hat

_________ 40

Oechsler, in Münchener Kommentar, § 71a Rn. 14. So grundsätzlich auch OLG Frankfurt a.M., WuB II A. § 71a AktG 1.92, S. 951, 952; Oechsler, in Münchener Kommentar, § 71a Rn. 17. 42 Lutter/Gehling, WuB II A. § 71a AktG 1.92, S. 952, 954 f. 43 Mit diesen beiden Ergebnissen gerade auch der obige Abschnitt B.IV. 44 Anderer Ansicht kann man aber auch dann noch sein, wenn man argumentiert, dass eine solche Kurspflegevereinbarung gerade nicht einen Zuschuss darstellt, der den Erwerb erleichtern soll, sondern die Vergütung für eine Dienstleistung ist, die in der Durchführung gezielter und fachgerechter Kursstabilisierung besteht, so zunächst dargestellt bei Meißner, Stabilisierung und Pflege von Aktienkursen, S. 192, der diese Auffassung aber anschließend selbst ablehnt. 41

I. Das Aktiengesetz

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jedoch ergeben, dass in den meisten Fällen kein „schwerer Schaden“ für die Gesellschaft im Sinne des § 71 I Nr. 1 droht und dass ein solcher in jedem Fall nicht „unmittelbar bevorsteht“. Denkbar ist aber, dass die Kursstabilisierung durch die Ausnahme des § 71 I Nr. 8 legitimiert werden kann. Allerdings ist in dieser Hinsicht nicht abschließend geklärt, ob und inwieweit die Kurspflege einen „Handel in eigenen Aktien“ nach Nr. 8 S. 2 darstellt. Das ist allerdings im Hinblick auf den Untersuchungsgegenstand dieser Arbeit unerheblich. Denn das Konsortium stabilisiert im Anschluss an eine Aktienplatzierung nie „auf Rechnung“ des Emittenten im Sinne des § 71a II. Zudem fehlt es an einer Vergütung solcher Stabilisierungsmöglichkeiten durch den Emittenten, sodass eine Finanzierung im Sinne des § 71a I 1 WpHG ebenfalls nicht vorliegt. b) Einlagenrückgewähr nach § 57 AktG Nach § 57 I 1 AktG dürfen den Aktionären die Einlagen nicht zurückgewährt werden. Ein Verstoß gegen diese Vorschrift führt zu einer Rückerstattungsverpflichtung nach § 62 I AktG. Erwirbt die Aktiengesellschaft eigene Aktien, so liegt darin grundsätzlich ein Verstoß gegen diese Vorschrift in Form eines sog. Umsatzgeschäftes, weil das Geschäft nur mit Aktionären geschlossen werden kann und die Zahlung des Kaufpreises nicht eine Verteilung von Bilanzgewinn darstellt45. Im Hinblick darauf macht § 57 I 2 AktG eine Ausnahme und legt durch Fiktion46 fest, dass als Rückgewähr von Einlagen nicht die Zahlung des Erwerbspreises beim zulässigen Erwerb eigener Aktien gelte. § 57 I AktG und §§ 71 ff AktG korrelieren also direkt miteinander47. Das bedeutet jedoch nicht, dass ein nach § 71 AktG rechtmäßiger Rückkauf automatisch auch nach § 57 AktG zulässig ist. Vielmehr ergibt sich aus § 57 I 2 AktG allein die grundsätzliche Möglichkeit eines legalen Rückerwerbs48. So dürfen die Anteile beispielsweise auch in dem von §§ 71 ff. AktG eröffneten Rahmen nicht zu überhöhten Preisen erworben werden49. Denn diese Vorschriften schützen das Kapital nur vor den allgemeinen Problemen des Erwerbes eigener Aktien, nicht auch vor dem speziellen Problem eines überhöhten Erwerbspreises50; sie beziehen sich auf den Erwerbsanlass, nicht auf die Preisge-

_________ 45

Hüffer, Aktiengesetz, § 57 Rn. 20; im Ergebnis auch Lenzen, Eingriffe in die Börsenkursbildung, S. 207. 46 Hüffer, Aktiengesetz, § 57 Rn. 20. 47 Lutter, in Kölner Kommentar, § 57 Rn. 32. 48 Meißner, Stabilisierung und Pflege von Aktienkursen, S. 196. 49 Bayer, in Münchener Kommentar, §57 Rn. 76; Lutter, in Kölner Kommentar, § 57 Rn. 33. 50 Lutter, in Kölner Kommentar, § 57 Rn. 33; Lenzen, Eingriffe in die Börsenkursbildung, S. 207.

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E. Rechtliche Grenzen der Kursstabilisierung in Deutschland

staltung. Der Erwerb zu überhöhten Kursen ist eine verdeckte Leistung und somit nach § 57 AktG unzulässig51. Für die Beurteilung derartiger Vorgänge bei börsennotierten Gesellschaften kann der Börsenkurs als Maßstab zu Hilfe genommen werden52. Grundsätzlich betrifft das Verbot des § 57 wieder vor allem den Rückkauf durch den Emittenten selbst. Der Anwendungsbereich ist aber auch eröffnet, wenn die Leistung an die Aktionäre von einem Dritten erbracht wird, der seinerseits auf Rechnung der Gesellschaft handelt. Denn dann „fungiert der Dritte nur als formalrechtlich von der AG vorgeschobener Strohmann“53. Allerdings handelt der Konsortialführer, wie gesehen, gerade nicht auf Rechnung des Emittenten54. Ist das einmal anders oder wird der Emittent aus irgendeinem Grunde selbst tätig, ist darauf zu achten, dass die Aktien nicht zu einem über dem Marktwert liegenden Preis zurückerworben werden. Ein Verstoß gegen § 57 AktG liegt dann nicht vor. c) Unangemessen niedriger Ausgabepreis i.S.v. § 255 II AktG (1) Problemstellung Seit einer Entscheidung des Kammergerichts im Jahre 200155 wurde wiederholt diskutiert, ob die Einräumung oder Ausübung der Greenshoe-Option ein Verstoß gegen § 255 II AktG darstellt. Da das Greenshoe-Verfahren in der derzeitigen Praxis ein fast selbstverständlicher Bestandteil des Stabilisierungsgeschäfts ist56, soll die Vorschrift an dieser Stelle als Schranke für Kursstabilisierungsmaßnahmen diskutiert werden, wenngleich der kursstützende Aktienerwerb selbst natürlich keinen solchen Verstoß darstellen kann. Eine rechtliche Grenze kann sich für die Einräumung einer GreenshoeOption bei Kapitalerhöhungen ergeben. Nach § 255 II AktG kann eine Anfechtungsklage, wenn das Bezugsrecht der Aktionäre ganz oder zum Teil ausgeschlossen ist, auch darauf gestützt werden, dass der Ausgabebetrag für neue Aktien unangemessen niedrig ist. Die Regelung dient in erster Linie dem Schutz gegen eine sog. Verwässerung, die eintritt, wenn neue Aktien emittiert

_________ 51

Hüffer, Aktiengesetz, § 57 Rn. 20. Bayer, in Münchener Kommentar, § 57 Rn. 76; Meißner, Stabilisierung und Pflege von Aktienkursen, S. 197. 53 Henze in GroßKomm AktG, § 57 Rn. 75. 54 Vgl. insofern auch schon den obigen Abschnitt E.I.1.a)(2). 55 KG ZIP 2001, 2178 = AG 2002, 243. 56 Vgl. hierzu die Ausführungen und Nachweise im Abschnitt B.III.2.b). 52

I. Das Aktiengesetz

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werden, ohne dass die dabei geleisteten Einlagen dem Wert der Anteile entsprechen57. Problematisch ist die Greenshoe-Konstruktion, bei der die Option zum zusätzlichen Bezug neuer Aktien (Greenshoe-Option) durch den Emittenten, nicht durch einen Altaktionär selbst eingeräumt wurde. Wird diese Option ausschließlich dann ausgeübt, wenn der Kurs nach der Wertpapierausgabe steigt, ergibt sich denknotwendigerweise, dass der Optionsausübungspreis, der regelmäßig dem Emissionspreis entspricht, unter dem neuen Börsenpreis liegt; der Ausgabepreis könnte daher unangemessen niedrig sein. (2) Auffassung des Kammergerichts Das Kammergericht Berlin58, das sich im Jahre 2001 soweit ersichtlich als erstes deutsches Gericht mit der aktienrechtlichen Zulässigkeit einer Greenshoe-Option auseinandergesetzt hat59, entschied, dass die Einräumung einer solchen Option60 unter Umständen gegen die Vorschrift des § 255 II AktG verstößt. In dem zugrunde liegenden Sachverhalt hatte die Hauptversammlung bei der Ermächtigung zu einer Kapitalerhöhung den Vorstand gleichfalls ermächtigt, mit Zustimmung des Aufsichtsrats eine zweite Kapitalerhöhung durchzuführen und die neuen Aktien dann an das Bankenkonsortium zur Erfüllung der Mehrzuteilung auszugeben (Greenshoe). Das Kammergericht hat den Beschluss der Hauptversammlung wegen Verstoßes gegen § 255 II AktG für nichtig erklärt. Durch den Automatismus, dass die Greenshoe-Option ausschließlich nach einem gestiegenen Aktienkurs ausgeübt werde und in diesen Fällen der Ausgabepreis automatisch unter dem Börsenpreis liege, habe der genannte Beschluss den Vorstand nicht nur zu einer Ausgabe der Aktien zu einem unangemessen niedrigen Preis ermächtigt, sondern sogar eine Ausgabe der Aktien zu einem angemessenen Preis von Vornherein ausgeschlossen. Zwar habe die Hauptversammlung noch keinen konkreten Ausgabepreis festgelegt, weshalb dieser auch nicht einer entsprechenden Überprüfung unterfallen könne. Da im vorliegenden Fall aber ein rechtswidriges Handeln des Vorstandes geradezu erzwungen werde und dieses nicht separat angegriffen werden könne, dürfe die Ermächtigung durch die Hauptversammlung gerichtli-

_________ 57 Hüffer, Aktiengesetz, § 255 Rn. 2; Lenenbach, Kapitalmarkt- und Börsenrecht, Rn. 7.107a. 58 KG ZIP 2001, 2178 = AG 2002, 243. 59 So Busch, AG 2002, 230, 231. 60 Zur Beschreibung einer Greenshoe-Vereinbarung bezieht sich das Gericht interessanterweise auf einen Hinweis auf der Website der Kreissparkasse Tübingen, der selbst in der Entscheidung wörtlich abgedruckt ist, vgl. KG ZIP 2001, 2178, 2180 f.

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E. Rechtliche Grenzen der Kursstabilisierung in Deutschland

cher Kontrolle nicht vollkommen entzogen werden; das gebiete schon der Minderheitenschutz. (3) Kritik Die Entscheidung des Kammergerichts sah sich vehementem Widerspruch weiter Teile der Literatur ausgesetzt61. Zu kritisieren ist insbesondere, dass zum einen der zur Begründung herangezogene § 255 II AktG auf solche Konstellationen weder direkt noch analog angewendet werden kann. Aber selbst wenn man die besagte Vorschrift für anwendbar hält, ist dem zugrunde liegenden Hauptversammlungsbeschluss kein rechtswidriger Aspekt zu entnehmen62. Dasselbe Ergebnis erhält man auch, wenn man den eigentlich einschlägigen § 186 III 4 AktG als rechtlichen Maßstab anlegt. Beides soll im Folgenden beleuchtet werden. (a) Rechtmäßigkeit des Bezugsrechtsausschlusses Zur Erleichterung einer zutreffenden juristischen Beurteilung bedarf es zunächst einmal der Beleuchtung der in der Praxis verwandten rechtlichen Konstruktionen. Wie oben63 bereits erwähnt, benötigt man für die zielführende Ausübung der Greenshoe-Option einen Bezugsrechtsausschluss im Sinne von § 186 AktG64. Wenngleich § 186 III, IV materielle Voraussetzungen für einen solchen nicht nennt, besteht weitgehend Einigkeit, dass es insoweit sachlicher Rechtfertigungsgründe bedarf65. Der Bezugsrechtsausschluss muss unter Berücksichtigung aller Aspekte im Gesellschaftsinteresse liegen, geeignet, erforderlich und verhältnismäßig sein66. Da die Greenshoe-Option aufgrund ihres emissionsvolumenmaximierenden Charakters die Finanzkraft des Unternehmens stärkt und zudem die Durchführung von Stabilisierungsmaßnahmen erleichtert oder in diesem Umfang sogar erst ermöglicht, liegt ihre Einräumung im Interesse der Gesellschaft. Sie ist zur Zweckerreichung geeignet und erforderlich.

_________ 61 Vgl. Groß, ZIP 2002, 160; Sinewe, DB 2002, 314; Busch, AG 2002, 230; Meyer, WM 2002, 1106; ders. in Marsch-Barner/Schäfer, § 7 Rn. 62. 62 Vgl. dazu sogleich den Abschnitt E.I.1.c)(3)(c). 63 Vgl. den Abschnitt B.III.2.b). 64 Ausführlich dazu auch Bosch/Groß, Emissionsgeschäft, Rn. 10/298 ff. 65 Vgl. nur Hüffer, Aktiengesetz, § 186 Rn. 25. 66 Hüffer, Aktiengesetz, § 186 Rn. 25; Schanz, BKR 2002, 439, 446; Lenenbach, Kapitalmarkt- und Börsenrecht, Rn. 7.107.

I. Das Aktiengesetz

123

Verhältnismäßig ist der Ausschluss dann, wenn das Gesellschaftsinteresse höher zu bewerten ist als das Interesse der Altaktionäre67. Wenngleich nicht mit abschließender Sicherheit festgestellt werden kann, in wessen Interesse die Kurspflege in jedem Einzelfall ist und inwieweit man von einem langfristigen Stabilisierungseffekt sprechen kann68, haben in dieser Arbeit auch die positiven Effekte der Kursstabilisierung Erwähnung gefunden69. Diese können gerade im Interesse der Altaktionäre liegen, deren Aktienkurs gestützt wird. Die positiven Auswirkungen des Greenshoe-Verfahrens überwiegen also die – nur möglicherweise70 – für die Aktionäre eintretenden Nachteile durch den Verwässerungseffekt71. (b) Kapitalerhöhung i.S.d. § 186 III 4 AktG Die weitere Gestaltung des Greenshoe erfolgt über das sog. Zwei-TranchenModell: Der Vorstand beschließt eine Kapitalerhöhung aus genehmigtem Kapital72 unter Ausschluss des Bezugsrechts nach § 186 III 4 AktG73 um „bis zu“ 115%. Die Zeichnung erfolgt dann in zwei Tranchen, nämlich der besagten Haupttranche, der eigentlichen Kapitalerhöhung, und einer möglicherweise nachfolgenden „Greenshoe-Tranche“74. Es handelt sich dabei um eine einheitliche Kapitalmaßnahme. Deren Rechtmäßigkeit ist am Maßstab des § 186 III 4 AktG zu messen, der unter anderem festlegt, dass der Ausgabepreis den Börsenpreis nicht wesentlich unterschreiten darf. Da es für die Frage der Rechtmäßigkeit des Bezugsrechtsausschlusses und damit auch für die Frage des relevanten Börsenkurses auf den Zeitpunkt der Beschlussfassung durch den Vorstand

_________ 67

Statt aller Hüffer, Aktiengesetz, § 186 Rn. 28. Abschnitte C.III.3.c) und C.III.4. 69 Vor allem die Abschnitte unter C.III.2.c). 70 Zumindest eine wirtschaftliche Verwässerung des Anteilswerts wird zum großen Teil dadurch verhindert, dass der Gesellschaft durch den zusätzlichen Verkauf von Wertpapieren ein Mehrerlös zugute kommt. Eine gleichwohl bestehende Abnahme des Aktienwerts beruht dann – theoretisch-rechnerisch – auf der Differenz zwichen dem gezahlten Optionspreis (zumeist gleich dem Emissionspreis) und dem Preis, der nunmehr auf dem Markt tatsächlich erzielt werden könnte. 71 In diesem Sinne auch Groß, ZIP 2002, 160, 162. 72 Schanz, BKR 2002, 439, 443; Busch, AG 2002, 230, 232; Lenenbach, Kapitalmarkt- und Börsenrecht, Rn. 7.106 f. 73 Der Standort dieser Vorschrift im Gesetz ist beklagt worden, weil die vom Gesetzgeber gewollte kurzfristige Abwicklung der Kapitalmaßnahme ohnehin nur durch genehmigtes Kapital zu schaffen ist, vgl. Hüffer, Aktiengesetz, § 186 Rn. 39b. 74 Meyer in Marsch-Barner/Schäfer, § 7 Rn. 61; Groß, ZIP 2002, 160, 162. Diese Greenshoe-Tranche muss nicht einheitlich, sondern kann nach Belieben auch nur sukzessive gezeichnet werden, vgl. Schanz, BKR 2002, 439, 441. 68

124

E. Rechtliche Grenzen der Kursstabilisierung in Deutschland

bzw. die Zustimmung durch den Aufsichtsrat ankommt75, ist es unerheblich, dass die Anmeldung der Durchführung der Kapitalerhöhung zum Handelsregister in zwei Schritten erfolgt. Allein entscheidend ist die letzte Verwaltungsentscheidung76 und damit der Börsenkurs zum Zeitpunkt des Vorstandsbeschlusses bzw. der Zustimmung durch den Aufsichtsrat77. Denn die genannte Vorschrift enthält einen Verhaltensmaßstab, an dem sich die Organe der Gesellschaft nur in dem Zeitpunkt orientieren können, in dem sie den entsprechenden Beschluss fassen78. Zu diesem Zeitpunkt entspricht der festgelegte Bezugspreis für den Konsortialführer dem geschätzten Marktwert. An der sich daraus ergebenden Zulässigkeit der Entscheidung kann sich auch dann nichts ändern, wenn der Börsenkurs bis zur tatsächlichen Zeichnung der Greenshoe-Tranche gestiegen ist. Die ursprüngliche Festlegung des mit Hilfe des Bookbuilding-Verfahrens ermittelten Ausgabepreises kann auf diesem Wege nicht im Nachhinein unangemessen werden79. Ein Verstoß gegen § 186 III AktG liegt in solchen Fällen nicht vor. (c) Kein Verstoß gegen § 255 II AktG Ein Verstoß gegen § 255 II AktG liegt schon mangels Anwendbarkeit der Norm in solchen Fällen ebenfalls nicht vor. Unmittelbar anwendbar ist die genannte Vorschrift lediglich, wenn es sich um eine direkte Kapitalerhöhung i.S.v. §§ 182 ff. AktG handelt, nicht aber bei den hier regelmäßig vorliegenden bedingten Kapitalerhöhungen80. Eine analoge Anwendung wird grundsätzlich nur für den Fall in Betracht gezogen, dass der Ausgabepreis in dem Hauptversammlungsbeschluss zur Schaffung des genehmigten Kapitals bereits festgelegt ist81, was hier nicht der Fall ist. Das sieht auch das Kammergericht grundsätzlich nicht anders82. Es möchte jedoch in den Konstellationen eine Ausnahme machen, in denen – wie hier – ein rechtmäßiges Handeln des Vorstandes gar

_________ 75 So Technau, AG 1998, 445, 458 f.; Groß, ZIP 2002, 160, 162 f. mit zahlreichen Nachweisen. 76 Busch, AG 2002, 230, 232; Groß, ZIP 2002, 160, 163 m.w.N. 77 Schanz, BKR 2002, 439, 444; Meyer in Marsch-Barner/Schäfer, § 7 Rn. 62; Lenenbach, Kapitalmarkt- und Börsenrecht, Rn. 7.107. 78 Busch, AG 2002, 230, 233. 79 Lenenbach, Kapitalmarkt- und Börsenrecht, Rn. 7.104, Rn. 107a. 80 Groß, ZIP 2002, 160, 164 m.w.N. Nach anderer Auffassung engt diese Theorie die Anwendbarkeit des § 255 II AktG zu weit ein, Schanz, BKR 2002, 439, 444. In Anbetracht der dann folgenden analogen Anwendung des § 255 II AktG auch über die Fälle der § 182 ff. hinaus ergeben sich im Ergebnis aber keine Unterschiede. 81 Sinewe, DB 2002, 314 mit Verweis auf die h.M. So auch Schanz, BKR 2002, 439, 444; Busch, AG 2002, 230, 232. 82 KG ZIP 2001, 2178, 2180 = AG 2002, 243, 244.

I. Das Aktiengesetz

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nicht möglich war. Dazu ist aber zweierlei anzumerken: Zum einen war die Festlegung eines einheitlichen Preises für die beiden Tranchen derselben Kapitalmaßnahme – wie soeben gesehen – gerade rechtmäßig. Und zum zweiten fehlt es entgegen der Auffassung des Kammergerichts auch an einer planwidrigen Regelungslücke, die eine so weitgehende analoge Anwendung rechtfertigen würde: Das Kammergericht argumentiert zwar, dass es ein wirksamer Rechtsschutz für die Minderheitsaktionäre erfordere, auch in diesen Fällen die Rechtmäßigkeit des Hauptversammlungsbeschlusses zu kontrollieren83. Zurecht weißt jedoch Groß darauf hin, dass es insoweit kein Problem ist, eine Anfechtungsklage auf den Bezugsrechtsausschluss nach § 186 AktG zu stützen84, die freilich in Anbetracht der obigen Diskussion zu § 186 III 4 AktG nicht ohne weiteres Aussicht auf Erfolg hätte. Jedenfalls fehlt es also an der für eine analoge Anwendung notwendigen Regelungslücke. Auch aus diesem Grund kann ein Verstoß gegen § 255 II AktG hier nicht festgestellt werden. Abschließend darf festgehalten werden, dass die in der Praxis übliche Gestaltung des Greenshoe-Verfahrens ernsthaften aktienrechtlichen Bedenken nicht ausgesetzt ist. Bislang steht jedoch eine grundlegende Entscheidung des Bundesgerichtshofs noch aus, die gerade in Anbetracht der Auffassung des Kammergerichts mit Spannung erwartet werden kann. 2. Aktienrechtliche Beurteilung von „Lock-up“-Vereinbarungen a) Zulässigkeit von „Lock-up“-Vereinbarungen (1) Grundsätzliche Bedenken Auch für die Vornahme von „Lock-up“-Vereinbarungen könnten aktienrechtliche Schranken existieren85. Insbesondere Otto86 begründet die Unzulässigkeit solcher Vereinbarungen mit einer Umgehung des § 68 II AktG87. Im Fall einer schuldrechtlichen Vereinbarung zwischen der durch den Vorstand vertretenen Gesellschaft und den Aktionären handele es sich um eine sog. „kalte“ (d.h. rein schuldrechtliche) Vinkulierung. Eine Vinkulierung sei aber – dann auch mit dinglicher Wirkung

_________ 83

KG ZIP 2001, 2178, 2180 = AG 2002, 243, 244. Groß, ZIP 2002, 160, 164; so auch ausführlich Schanz, BKR 2002, 439, 443. 85 Im Fall einer drohenden Übernahme dürfen „Lock-ups“ als Abwehrmaßnahme grundsätzlich vereinbart werden, vgl. nur Krause/Pötzsch in Assmann/Pötzsch/Schneider, § 33 Rn. 115. 86 Otto, AG 1991, 369. 87 Otto, AG 1991, 369, 372 ff. und Immenga, AG 1992, 79, 81 f. Ähnlich auch Lutter/Drygala, die zumindest festhalten, dass derartige Vereinbarungen „einer Vinkulierung gleichkommen“ können., vgl. Lutter/Drygala in FS Raisch, S. 239, 252. 84

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E. Rechtliche Grenzen der Kursstabilisierung in Deutschland

– ausschließlich durch Aufnahme in die Satzung möglich oder könne durch einen Beschluss der betroffenen Aktionäre nach § 180 II AktG herbeigeführt werden88. Eine entsprechende schuldrechtliche Abmachung führe im Ergebnis zu einem fast identischen Erfolg, zumindest in wirtschaftlicher Hinsicht. Das ergebe sich insbesondere aus der Tatsache, dass der Vorstand nach seinem Belieben einzelne Aktionäre von dem vertraglich vereinbarten Verbot freistellen könne, die Veräußerung also letztlich von seiner Zustimmung abhänge89. Das stelle eine Umgehung inbesondere des § 68 II AktG dar und verstoße insoweit auch gegen die hinter dieser Vorschrift stehende Abgrenzung der Organkompetenzen90. Ähnlich argumentiert hauptsächlich Immenga91 damit, dass dem Aktionär eine nicht vorgesehene mitgliedschaftlich begründete Nebenleistung abverlangt werde. Es gehöre zu den Grundsätzen des Aktienrechts, dass der Aktionär gesellschaftsrechtlich lediglich zur Leistung seiner Einlage nach § 54 AktG verpflichtet sei92. Das schließe auch ein schludrechtlich vereinbartes Veräußerungsverbot aus, durch das der Aktionär nämlich gerade in seiner Eigenschaft als Aktionär und nicht lediglich persönlich betroffen werde93. Dagegen lässt sich allerdings schon an dieser Stelle argumentieren, dass es sich bei solchen Vereinbarungen lediglich um eine zusätzliche Verhaltenspflicht, nicht jedoch um eine Leistungsmehrung i.S.d. § 54 AktG handelt94. Ekkenga95 hingegen sieht eine Begrenzung für derartige Abreden lediglich in den §§ 71 ff. AktG. Denn nach § 71d I 1 AktG dürfe ein im eigenen Namen, aber für Rechnung der Gesellschaft handelnder Dritter Aktien der Gesellschaft nur erwerben oder besitzen, soweit dies der Gesellschaft nach § 71 I Nr. 1 bis 5,

_________ 88

Otto, AG 1991, 369, 372 ff.; Immenga, AG 1992, 79, 80. Otto, AG 1991, 369, 375. 90 Otto, AG 1991, 369, 373 ff. mit ausführlicher Begündung und eingehender Illustration der dem AktG zugrunde liegenden Kompetenzverteilung. Immenga, AG 1992, 79, 81. Im Ergebnis so auch Wagner, Standstill Agreements, S. 197. A.A. mit ausführlicher Begründung Kniehase, Standstill Agreements, S. 95 f. 91 Immenga, AG 1992, 79. 92 Immenga, AG 1992, 79, 80. 93 Immenga, AG 1992, 79, 81. Soweit das Emissionskonsortium sich – entgegen der üblichen Praxis – bei dem Erwerb der Wertpapiere gegenüber dem Emittenten zu etwaigen Kurspflegemaßnahmen verpflichtet, stellt das keinen Verstoß gegen das Aktienrecht dar, da es sich insoweit um eine zulässige schuldrechtliche Sondervereinbarung handelt, vgl. Lutter, in Kölner Kommentar, § 54 Rn. 21 f. 94 Lutter/Drygala in FS Raisch, S. 239, 252. In diesem Sinne auch. mit ausführlicher Begründung Kniehase, Standstill Agreements, S. 95 f., S. 110 f. Eine nicht als Leistungsmehrung einzustufende Sondervereinbarung ist anerkanntermaßen zulässig, vgl. nur Wagner, Standstill Agreements, S. 196. 95 Ekkenga, WM 2002, 317, 322. 89

I. Das Aktiengesetz

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7 und 8 und II gestattet sei. Es gehe in dieser Vorschrift – gerade in Abweichung von § 71a – auch um den bloßen Besitz der Aktien; das sei bei einem Stillhalteabkommen gerade der Fall. Dass die einzelnen Aktionäre dabei nicht für fremde Rechnung, sondern für eigene handeln, sei solange unerheblich, solange der Emittent als Berechtigter über die Einhaltung oder (vorzeitige) Beendigung der Lock-up-Periode entscheide96. Anderer Auffassung ist – unter anderem – das Bayerische Oberlandesgericht, das in seiner Entscheidung anmerkt, dass Aktionäre sich der Gesellschaft gegenüber mit schuldrechtlicher Wirkung verpflichten können, ihre Aktien unter bestimmten Voraussetzungen nur an bestimmte Erwerber zu übertragen97. (2) Sonderfall: Kursstabilisierung nach Aktienplatzierungen Einen Sonderfall stellen jedoch „Lock-up“-Vereinbarungen nach einer Aktienplatzierung dar. Das ist offensichtlich, solange die Abreden nicht zwischen Gesellschaft und Altaktionären, sondern zwischen den Banken und den Altaktionären getroffen werden98. Denn dann kann es sich weder um eine Abrede handeln, die der Vinkulierung nach § 68 II AktG gleichkommt, noch ergeben sich zusätzliche, im Aktiengesetz nicht vorgesehene, Beitragspflichten zugunsten der Gesellschaft. Die von Otto befürchtete Kompetenzverschiebung zugunsten des Vorstandes findet in diesen Fällen nicht statt. Auch Ekkengas Argumentation über §§ 71 ff. AktG setzt freilich voraus, dass die Vereinbarung zwischen dem Emittenten und den Aktionären getroffen wurde, nicht zwischen dem Konsortium und den Aktionären. Denn in letzterem Fall kann der Emittent gerade nicht entscheiden, wie lange die „Lock-up“-Vereinbarung noch aufrecht erhalten bleiben soll. Vielmehr ist die Gesellschaft selbst gar nicht beteiligt. Aktionäre untereinander dürfen Veräußerungsverbote jederzeit vereinbaren99.

_________ 96

Ekkenga, WM 2002, 317, 322. BayObLG WM 1989, 138, 143. So auch Lutter, in Kölner Kommentar, § 68 Rn. 23, den das BayObLG in diesem Zusammenhang auch als Fundstelle anführt. Auch Assmann/Bozenhardt haben das im Zusammenhang mit Übernahmeangeboten bereits so festgehalten, vgl. Assmann/Bozenhardt, ZGR 1990, Sonderheft 9, S. 1, 120. 98 Otto merkt für den Fall etwaiger Absprachen zwischen Emittent und Emissionskonsortium (sog. Verwässerungsschutzvereinbarungen, vgl. Fußnote 104) an, dass diese keinen Verstoß gegen § 68 II darstellten, da das Konsortium hier weniger als Aktionär, sondern vielmehr als „Emissionsgehilfe“ auftrete, Otto, AG 1991, 369, 375, Fn. 41. 99 So ausdrücklich selbst Immenga, AG 1992, 79, 80; Assmann/Bozenhardt, ZGR 1990, Sonderheft 9, S. 1, 120. Davon geht wohl auch Otto aus, wenn er anmerkt, dass es bei der oben dargestellten Diskussion nicht um die einschränkenden Auswirkungen für die einzelnen Aktionäre geht als vielmehr um den im AktG nicht vorgesehenen Kompetenzzuwachs für den Vorstand, Otto, AG 1991, 369, 374. Ausdrücklich auch Lutter in Kölner Kommentar, § 68 Rn. 27 und Wagner, Standstill Agreements, S. 196. Daher sind „Penalty Bids“, die lediglich etwaige Vereinbarungen zwischen den einzelnen Teilneh97

128

E. Rechtliche Grenzen der Kursstabilisierung in Deutschland

Das ergibt sich aus der Kompetenz der Anteilseigner, grundsätzlich über ihre Anteile zu verfügen100. Zumindest vorübergehend ist das Emissionskonsortium ebenfalls ein Aktionär. Etwas problematischer könnten „Lock-up“-Vereinbarungen sein, die auch nach Aktienplatzierungen häufig zwischen Altaktionären und dem Emittenten selbst getroffen werden. Solange diese aber lediglich für einen beschränkten Zeitraum nach der Platzierung vereinbart werden, kann nicht davon ausgegangen werden, dass sie einer echten Vinkulierung wirtschaftlich gleichkommen und einen Verstoß gegen § 68 II AktG darstellen. Im Übrigen kann diese nur zeitweise Vereinbarung mit nur einzelnen Großaktionären noch nicht eine zusätzliche, über § 54 AktG hinausgehende Beitragspflicht darstellen. Selbst Ekkenga sieht Veräußerungsbeschränkungen im Anschluss an Aktienplatzierungen ausdrücklich als aktienrechtlich unproblematisch an, weil diese für die Emission nützlich und damit im Interesse der Anleger seien101. Für eine Zulässigkeit von „Lock-up“-Vereinbarungen im Anschluss an Aktienplatzierungen spricht heute aber in erster Linie deren Behandlung durch den Gesetzgeber. Dieser sieht nunmehr ausdrücklich eine Offenlegung derartiger vertraglicher Absprachen im Emissionsprospekt vor, die sich zunächst aus § 32 I Nr. 2 BörsG i.V.m. § 16 I Nr. 14 BörsZulV bzw. § 51 I Nr. 2 BörsG ergeben hatte und seit 2005 aus § 7 WpPG i.V.m. VO 809/2004 (PropV)102 ergibt103. Daraus kann geschlossen werden, dass der Gesetzgeber solchen Zwecken dienende Veräußerungsbeschränkungen grundsätzlich als zulässig anerkennt. Im sog. Regelwerk Neuer Markt war sogar eine Pflicht zur Vereinbarung derartiger „Lock-ups“ vorgesehen104, deren Übertragung auch auf andere Märkte teilweise diskutiert worden war105. Aus diesen Gründen wird heute an entsprechender Stelle zumeist knapp festgehalten, dass Martkschonungsvereinbarungen dieser Art „uneingeschränkt als zulässig angesehen“ werden106. Aus dieser Warte betrachtet, hätten sie

_________ mern des Emissionskonsortiums oder mit den im Emissionsprozess dahinter geschalteten Brokern betreffen, aktienrechtlich unproblematisch. 100 Immenga, AG 1992, 79, 80. 101 Ekkenga, WM 2002, 317, 321, Fn. 46; Harrer/Mölling, BB 1999, 2521, 2522. 102 Dort Art. 6 i.V.m. Anhang III („Mindestangaben für die Wertpapierbeschreibung für Aktien“), Zi. 7.3; Art. 13 i.V.m. Anhang X („Mindestangaben für Zertifikate, die Aktien vertreten“), Zi. 27.14. 103 Im Regierungsentwurf zum Vierten Finanzmarktförderungsgesetz waren sogar noch Einwirkungsmöglichkeiten der Zulassungsstelle vorgesehen, vgl. Fenchel, DStR 2002, 1355, 1357. 104 Dargestellt bei Harrer/Mölling, BB 1999, 2521 und für vorangehende Regelung schon Kersting, AG 1997, 222, 226 f. 105 Fleischer, WM 2002, 2305, 2309 f. 106 Bruchner/Popischil in Lutter/Schneider, Rn. 11.38.

I. Das Aktiengesetz

129

wenigstens zur Klarstellung in die entsprechenden Safe Harbor-Regelungen aufgenommen werden können107. b) Verpflichtung zu „Lock-up“-Vereinbarungen Vielmehr wird teilweise diskutiert108, ob möglicherweise eine Pflicht zur Abgabe von „Lock-up“-Versprechen oder sogar ein unmittelbarer Anspruch auf Unterlassung der Veräußerung ohne entsprechende vertragliche Abmachung hergeleitet werden kann. Eine ausdrückliche gesetzliche Verpflichtung, wie noch für den Neuen Markt, ist allgemein nicht vorgesehen. Möglicherweise ergibt sich eine solche aber aus der Treuepflicht eines Aktionärs gegenüber den übrigen. Der Bundesgerichtshof109 hatte eine gegenseitige Treuepflicht der Aktionäre zunächst noch ganz grundsätzlich verneint, weil seiner Ansicht nach davon auszugehen war, dass unter Gesellschaftern einer Aktiengesellschaft keine Treuepflichten bestünden110. Diese Rechtsprechung ist zugunsten einer Treuepflicht des Großaktionärs gegenüber den Minderheitsaktionären durch die sog. Linotype-Entscheidung des BGH111 ausdrücklich aufgegeben worden112; spätestens seit der Girmes-Entscheidung113 ist anerkannt, dass unter den Aktionären, auch unabhängig von der Höhe ihrer Beteiligung, spezifische Treuepflichten bestehen114. Aus ihr können sich unter gewissen Umständen nicht nur Unterlassungsgebote, sondern auch positive Mitwirkungspflichten ergeben115. Von der grundsätzlichen Anerkennung derartiger Treuepflichten ausgehend, könnte man möglicherweise herleiten, dass auch bei dem Erwerb oder der Veräußerung von Anteilen gewisse allgemeine Wohlverhaltenspflichten existieren116. Dagegen kann jedoch argumentiert werden, dass die Treuepflicht sich ausschließlich auf „intrakorporativ vermittelte Konflikte“117 beschränken und

_________ 107

Pfüller/Anders, WM 2003, 2445, 2449. Beschränkt man die Diskussion nicht auf die rechtlichen Grenzen, sondern untersucht auch die Folgen etwaiger Verstöße, ist in diesem Zusammenhang ebenfalls interessant, wen die vertraglichen Vereinbarungen schützen können. Vertreten wird teilweise auch ein Drittschutz zugunsten der Neuanleger, so Bruchner/Popischil in Lutter/Schneider, Rn. 11.45; ablehnend Fleischer und Fleischer, WM 2002, 2305, 2311 und Lutter/Drygala in FS Raisch, S. 239, 249. 109 BGH WM 1976, 449; dagegen bspw. die Anmerkung von Lutter, JZ 1976, 562. 110 Bruchner/Popischil in Lutter/Schneider, Rn. 11.41. 111 BGHZ 103, 184. 112 Assmann in GroßKomm AktG, Einl., Rn. 261. 113 BGH ZIP 1995, 819. 114 Bruchner/Popischil in Lutter/Schneider, Rn. 11.41. 115 Hüffer, Aktiengesetz, § 53a Fn. 146; Fleischer, WM 2002, 2305, 2313. 116 Bruchner/Popischil in Lutter/Schneider, 11.41. 117 So die Formulierung bei Lutter, AcP 180 (1980), 84, 157. 108

130

E. Rechtliche Grenzen der Kursstabilisierung in Deutschland

nicht auf den Großaktionär außerhalb des verbandlichen Bereichs erstrecken kann118. Die Veräußerung der Anteile am Kapitalmarkt stellt ein Verhalten im außergesellschaftlichen Bereich dar, die Treuepflicht als mitgliedschaftliches Rechtsinstitut ist hierauf nicht anwendbar119. Gegen die Annahme einer so weitgehenden Treuepflicht spricht auch, dass andernfalls die vom Gesetz vorgesehen freie Übertragbarkeit der Aktien berührt würde und sogar die Gefahr bestünde, dass der Aktionär zumindest vorübergehend „eingemauert“ würde120. Zwar kann im Fall eines Veräußerungsverbots im Anschluss an eine Emission noch vorgetragen werden, dass der Aktionär seine Anteile in vielen Fällen auch unter Wahrung des (dann gesetzlichen) Veräußerungsverbots noch außerhalb der Börse veräußern kann121. Würde man das aber ernstlich von ihm verlangen, nähme man ihm gerade einen der gewichtigen Vorteile, die der Gang an die Börse mit sich bringt. Im übrigen stellte das eine gewichtige Einschränkung des Grundsatzes der Privatautonomie dar122. Daher kann mit Lutter/Drygala allenfalls dann von einer Pflicht zur Vereinbarung von Veräußerungsverboten ausgegangen werden, wenn die Interessen der Gesellschaft an einer „Lock-up“-Vereinbarung eindeutig überwiegen. Das ist denkbar, wenn der Börsengang ohne Marktschonungsvereinbarung zu scheitern drohte und das Going Public gleichwohl einen notwendigen Schritt für die erfolgreiche Fortentwicklung der Gesellschaft darstellt123. Diese Voraussetzungen werden nur in Ausnahmefällen erfüllt sein und sollten gerade in Anbetracht der allgemeinen Zweifel an der möglicherweise auch effizienzmindernden Wirkung124 von Veräußerungsbeschränkungen restriktiv gehandhabt werden125. Aus diesen Gründen ist zu empfehlen, regelmäßig eine ausdrückliche Marktschonungsvereinbarung zu treffen, wenn ein Stillhalten der Altaktionäre gewünscht ist. Aus der gesetzlichen Treuepflicht lässt sich eine entsprechende Verpflichtung nicht ohne weiteres ableiten.

_________ 118 Assmann in GroßKomm AktG, Einl., Rn. 261 und davor schon Assmann/Bozenhardt, ZGR 1990, Sonderheft 9, S. 1, 73. Gegen eine solche Differenzierung wohl noch Schwark in FS Stimpel, S. 1087, 1110. 119 Bruchner/Popischil in Lutter/Schneider, Rn. 11.42. 120 Lutter, ZHR 153 (1989), 446, 460; Bruchner/Popischil in Lutter/Schneider, Rn. 11.42. 121 Lutter/Drygala in FS Raisch, S. 239, 252. 122 Lutter/Drygala in FS Raisch, S. 239, 252. 123 Lutter/Drygala in FS Raisch, S. 239, 252; so auch Fleischer, WM 2002, 2305, 2313. 124 Vgl. Abschnitt E.I.2.a)(1). 125 Zu den bei der Prüfung zu berücksichtigenden Gesichtspunkten eingehend Fleischer, WM 2002, 2305, 2313.

II. Das Wertpapierhandelsgesetz

131

II. Das Wertpapierhandelsgesetz Die Kursstabilisierung muss sich an §§ 14, 15, 31, insbesondere aber an § 20a WpHG messen lassen. Letzterer soll mitsamt der dazu erlassenen Ausnahme-Verordnung VO 2273/2003 zuerst untersucht werden. 1. Verbot der Marktmanipulation nach § 20a WpHG In Abschnitt C.III.1 wurde aufgezeigt, dass es sich bei der Kurspflege um eine Form von Marktmanipulation im ökonomischen Sinne handelt, was freilich noch nicht ohne weiteres bedeutet, dass damit der gesetzliche Tatbestand der Marktmanipulation, wie er sich in § 20a WpHG findet, erfüllt ist. Der Manipulationstatbestand des § 20a WpHG schützt unter anderem die Bildung von Wertpapierpreisen126. Eben diese Preisbildung wird im Zuge der Kursstabilisierung gestört127. Es handelt sich dabei gegebenenfalls um eine so genannte (effektive) handelsgestützte Manipulation128. Normadressat des § 20a WpHG (Ausnahme: § 20a I Nr. 1 2. Alt. WpHG129) ist jedermann130. Sowohl Konsortialbanken als auch der Emittent selbst müssen also ihre Stabilisierungsmaßnahmen an diesem Verbot messen lassen. § 20 a WpHG ist erstmals im Zuge des Vierten Finanzmarktförderungsgesetzes eingeführt worden und hat vornehmlich den bis dahin geltenden § 88 BörsG a.F. abgelöst. Dieser gesetzgeberische Schritt hat die Diskussion um die Kurspflege als Fall der Marktmanipulation in bislang nicht gekanntem Maße ausgelöst. Einen neuen Akzent hat insoweit auch die Umsetzung der europäischen Missbrauchsrichtlinie durch das Anlegerschutzverbesserungsgesetz (AnSVG) gesetzt; es bestand die Hoffnung, dass auf diesem Wege auch die bis dato eher abstrakt gefassten Tatbestände eine sicherere und verlässlichere Form gewinnen würden. Nach der Untersuchung des Schutzzwecks des Manipulationstatbestands und dessen Verfassungsmäßigkeit soll in der Folge die Frage beleuchtet werden, ob die Kurspflege unter den Tatbestand der Marktmanipulation – und gegebenen-

_________ 126 Begründung zum Vierten Finanzmarktförderungsgesetz, BT-Drucks. 14/8017, zu Nummer 14 (§ 20a), S. 89. 127 Vgl. dazu das Ergebnis im obigen Abschnitt C.III.1. 128 In Abgrenzung zu informationsgestützter und handlungsgestützter Manipulation. Vgl. zur Begrifflichkeit Vogel in Assmann/Schneider, Vor § 20a Rn. 23 ff. Zur ausführlichen Begründung, dass auch eine solche unter § 20a WpHG fallen kann siehe ebenfalls Meißner, Stabilisierung und Pflege von Aktienkursen, S. 86 ff und v.a. 92 ff. 129 Hier muss die betreffende Person freilich Adressat der Norm sein. 130 So die Formulierung bei Vogel in Assmann/Schneider, § 20a Rn. 38.

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E. Rechtliche Grenzen der Kursstabilisierung in Deutschland

falls unter welches Merkmal – subsumiert werden kann, d.h. ob einzelne Maßnahmen gegebenenfalls einen Verstoß gegen das Manipulationsverbot darstellen können. a) Schutzzweck des § 20a WpHG Noch nicht abschließend geklärt ist die Frage nach dem von § 20a WpHG geschützten Rechtsgut. Zu § 88 BörsG a.F. stand die h.M. auf dem Standpunkt, dass die Vorschrift nur mittelbar den Schutz des Kapitalanlegers bezwecken soll131. Dies wurde in erster Linie auf die Begründung zum Zweiten Gesetz zur Bekämpfung der Wirtschaftskriminalität gestützt, in der es hieß, § 88 BörsG bezwecke nur „mittelbar [...] den Schutz des Kapitalanlegers“. In erster Linie gehe es um die „Zuverlässigkeit und Wahrheit der Preisbildung“132. Den Schutz des Kapitalanlegers sah man insoweit lediglich als Reflex133. Ob sich die Schutzrichtung durch das Vierte Finanzmarktförderungsgesetz und die Fortführung des § 88 BörsG a.F. in § 20a WpHG geändert hat, ist umstritten. Für eine Änderung spricht die Begründung zum Vierten Finanzmarktförderungsgesetz, die das allgemeine Ziel formuliert, „den Anlegerschutz zu stärken, indem [...] die rechtlichen Voraussetzungen dafür geschaffen werden, das Verbot der Kurs- und Marktpreismanipulation wirksam durchzusetzen“134. Vor diesem Hintergrund müsse, argumentiert eine Auffassung, davon ausgegangen werden, dass § 20a WpHG nun in erster Linie den Kapitalanleger selbst schützen wolle135. Im Übrigen sei der Schutz der Wahrheit und Zuverlässigkeit der Preisbildung ohnehin kein Schutzgut, sondern eine „Paraphrase des Gesetzeswortlauts“. Die Funktionsfähigkeit des Kapitalmarkts bedürfe keines gesonderten Schutzes. Denn diese werde dann am besten geschützt, wenn jeder Marktteilnehmer unmanipuliert über sein Vermögen verfügen könne. Es gehe folglich allein um den Schutz des Vermögens der Marktteilnehmer136.

_________ 131 Vogel in Assmann/Schneider, § 20a Rn. 17 mit den entsprechenden Nachweisen zu § 88 BörsG a.F. Vgl. auch Meißner, Stabilisierung und Pflege von Aktienkursen, S. 103 mit zahlreichen Nachweisen; nunmehr auch BGHZ 160, 134, 139 [„Infomatec“]. 132 Begründung zum Zweiten Gesetz zur Bekämpfung der Wirtschaftskriminalität, BT-Drucks. 10/318, S. 46. 133 Vogel in Assmann/Schneider, § 20a Rn. 17; Schwark, KapitalmarktrechtsKommentar, § 20a WpHG Rn. 5, jeweils mit weiteren Nachweisen; zuletzt auch BVerfG, ZIP 2002, 1986 f. 134 Vgl. Begründung zum Vierten Finanzmarktförderungsgesetz, BT-Drucks. 14/8017, S. 62 f. Eine ähnliche Formulierung findet sich nun auch in der Begründung zum AnSVG, zitiert bei Vogel in Assmann/Schneider, § 20a Rn. 18. 135 Altenhain, BB 2002, 1874, 1875. 136 Altenhain, BB 2002, 1874, 1875.

II. Das Wertpapierhandelsgesetz

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Die Gegenauffassung geht davon aus, dass eine Schutzzweckänderung nicht ohne weiteres angenommen werden kann137. In der Tat lässt sich der Begründung zum Vierten Finanzmarktförderungsgesetz auch nur entnehmen, dass der Anlegerschutz durch die neu eingeführten Regelungen insgesamt gestärkt werden solle, nicht aber das dieser gerade unmittelbares Schutzgut des § 20a WpHG ist. Genauso wenig ist einleuchtend, warum die Funktionsfähigkeit der Finanzmärkte kein geeignetes Schutzgut sein soll für die genannte Norm; immerhin ist sie Regelungsgegenstand des gesamten Kapitalmarktrechts138. Und dass die Funktionsfähigkeit auch über einen konsequenten Vermögensschutz des individuellen Anlegers geschützt werden könnte, hindert den Gesetzgeber nicht, sie gleichwohl als geschütztes Rechtsgut zu definieren. Im Übrigen lässt sich anführen, dass der Gesetzgeber des Vierten Finanzmarktförderungsgesetzes mit § 37c WpHG für den Fall der Veröffentlichung unwahrer Tatsachen einen Schadensersatzanspruch eingeführt hat. Wäre er davon ausgegangen, dass solche Fälle ohnehin durch § 823 II BGB i.V.m. § 20a WpHG abgedeckt sind, wären die recht detaillierten Regelungen in § 37c überflüssig139. Neben der Frage nach möglichen Schadensersatzansprüchen aus § 823 II BGB hat die Diskussion um das geschützte Rechtsgut des § 20a WpHG praktische Bedeutung für die teleologische Auslegung der Norm140. Diesbezüglich ist allerdings unerheblich, ob der Anleger unmittelbar oder nur mittelbar geschützt ist. Es kann festgehalten werden, dass ein komplexes Rechtsgut geschützt wird, das individuelle und überindividuelle Elemente aufweist141. Die Norm bezweckt jedenfalls auch den Schutz des Anlegers, jedoch nicht ausschließlich, möglicherweise auch nur als Reflex. b) Die Verfassungsmäßigkeit von § 20a WpHG Schon vor den durch das AnSVG herbeigeführten Änderungen wurden mehrfach Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit des § 20a WpHG angemel-

_________ 137 Vgl. Schwark, Kapitalmarktrechts-Kommentar, § 20a WpHG Rn. 5; Möller, WM 2002, 309, 313; Vogel in Assmann/Schneider, § 20a Rn. 17 m.w.N. 138 Zum Regelungsgegenstand des Kapitalmarktrechts Assmann in Assmann/Schütze, § 1 Rn. 23 ff.; Kümpel, Bank- und Kapitalmarktrecht, Rn. 8.178 ff.; Lenenbach, Kapitalmarkt- und Börsenrecht, Rn. 1.49. 139 So zutreffend Meißner, Stabilisierung und Pflege von Aktienkursen, S. 102. 140 Dieses steht in der vorliegenden Arbeit im Vordergrund, da zunächst einmal nur die rechtliche Zulässigkeit der Maßnahmen, nicht aber etwaige Schadensersatzansprüche untersucht werden. 141 Mit eben diesem Ergebnis Vogel in Assmann/Schneider, § 20a Rn. 21.

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E. Rechtliche Grenzen der Kursstabilisierung in Deutschland

det142. Gestützt wurde die Kritik insbesondere143 auf die mangelnde Bestimmtheit der Vorschrift, vor allem des Merkmals der „sonstigen Täuschungshandlung“ nach § 20a I 1 Nr. 2 a.F.144 und einen daraus resultierenden Verstoß gegen Art. 103 II, 104 I 1 GG145. Diese Bedenken sind auch durch die im Zuge des AnSVG herbeigeführten gesetzlichen Änderungen nicht entfallen146. Zwar hatten gerade Streinz/Ohler147 in diesem Zusammenhang darauf verwiesen, dass der Gesetzgeber sich an den – nunmehr auch eingeführten – (transaktionsbezogenen) Tatbestandsmerkmalen148 der europäischen Richtlinie aus diesen Gründen schon vorher hätte orientieren sollen. Solange der Tatbestand der „sonstigen Täuschungshandlung“ jedoch auch jetzt noch neben den beiden anderen Varianten stehen bleibt, ändert sich an der Rechtsunsicherheit für den Betroffenen nichts. Dass der Gesetzgeber im Ganzen in seinen Konkretisierungsbemühungen hinter dem Vorbild der Missbrauchsrichtlinie (Art. 1 Nr. 2 (c)) zurückgeblieben ist, wurde oben149 schon erwähnt. Der Bestimmtheitsgrundsatz erfüllt eine doppelte150 Funktion: Der Betroffene muss die Tragweite der sanktionierenden Tatbestände schon aus dem Gesetz selbst erkennen oder durch Auslegung ermitteln können151. Die Anforderungen daran steigen, je intensiver die Norm in die Grundrechte des einzelnen eingreift152. Zum Zweiten darf gerade im Bereich des Strafrechts153 mit seinen weit-

_________ 142 Kritisch hier beispielsweise Vogel, WM 2003, 2437, 2440, der die Vorschrift jedoch für gerade noch verfassungsgemäß hält. Dagegen aber Altenhain, BB 2002, 1874, 1876. 143 Eichelberger, ZBB 2004, 296, 301 hingegen sah die Unbestimmtheit im Ergebnis als unbedenklich an, stellt aber fest, dass das Erfordernis eines Einvernehmens der Börsenaufsichtsbehörden der Länder nach § 20a WpHG (jetzt § 20a V 2 WpHG n.F.) verfassungswidrig sei. 144 Inzwischen unterliegt auch der im Zuge des AnSVG eingeführte § 20a I Nr. 2 n.F. entsprechenden Bedenken, vgl. Vogel in Assmann/Schneider, § 20a Rn. 114. 145 Eichelberger, ZBB 2004, 296, der allerdings an dieser Stelle nur auf die andernorts bestehende Kritik hinweist. Vogel in Assmann/Schneider, Vor § 20a WpHG Rn. 19. 146 Nach Vogel in Assmann/Schneider, § 20a Rn. 162, hat sich die Problematik sogar noch verschärft, da im Zuge des AnSVG das Erfordernis der Preisbeeinflussungsabsicht entfallen ist. 147 Streinz/Ohler, WpHG 2004, 1309, 1314. 148 Neben dem des eigentlich umgesetzten Art. 1 Nr. 2 (c). 149 Vgl. den Abschnitt E.II.1.c)(2). 150 So Degenhart in Sachs, Art. 103, Rz. 67; in der Rspr. BVerfGE 75, 329, 341. 151 BVerfGE 14, 245, 252; so auch zitiert bei Pfüller/Anders, WM 2003, 2445, 2447; Eichelberger, ZBB 2004, 296, 297. 152 BVerfGE 14, 245, 251; BVerfGE 75, 329, 342. 153 Der Verstoß gegen § 20a WpHG ist über §§ 38 II, 39 I Nr. 2 WpHG mit Strafe bewehrt.

II. Das Wertpapierhandelsgesetz

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reichenden Folgen für den Einzelnen nur der Gesetzgeber (nicht die Verwaltung) über die Voraussetzungen der Verwirklichung eines Straftatbestandes entscheiden154, wenn dessen Nichteinhaltung mit Freiheitsstrafe bedroht ist, Art. 104 I 1 GG. Kritisch betrachtet wurde in diesem Zusammenhang, dass § 20a I 1 Nr. 2 WpHG a.F. mit der „sonstigen Täuschungshandlung“ einen unbestimmten Rechtsbegriff155 verwendete und die Konkretisierung explizit der Verwaltung überließ156, die diese Aufgabe mit § 3 KuMaKV auch wahrnahm. Die Konkretisierung eines unbestimmten Tatbestandes durch Rechtsverordnung allein ist im Lichte des Art. 104 I 1 GG jedoch nicht ausreichend. Denn solange der Bürger die unter Strafe gestellte Handlung sowie Art und Umfang der Strafe der formell-gesetzlichen Rechtsgrundlage nicht mit hinreichender Genauigkeit entnehmen kann, kann auch der Erlass einer Rechtsverordnung die Bestimmtheit des zu unbestimmt geratenen Strafgesetzes nicht herstellen157. Andererseits wurde und wird in Rechtsprechung und Literatur darauf hingewiesen, dass auf ausfüllungsbedürftige Begriffe und Generalklauseln nicht vollständig verzichtet werden kann, da man sonst der Vielgestaltigkeit des Lebens und dem Wandel der Verhältnisse nicht gerecht würde158. Daher kann den oben genannten Bedenken entgegengehalten werden, dass auch unbestimmte Rechtsbegriffe dann verfassungsgemäß sind159, wenn sie mittels gesicherter Rechtsprechungsgrundsätze mit hinreichender Bestimmtheit ausgelegt werden können oder durch die entsprechende Verwendung desselben Begriffs in anderen Gesetzen eine Konkretisierung erfahren160. In diesem Fall darf der formell-gesetzliche Tatbestand auch durch eine Rechtsverordnung weiterge-

_________ 154 Im Zusammenhang mit der Kurspflege vgl. Vogel, WM 2003, 2437, 2440; vgl. auch Streinz/Ohler, WM 1309, 1314, die insoweit die ständige Rechtsprechung des BVerfG zitieren. Allgemein Degenhart, in Sachs, Art. 103 Rz. 60. 155 Auch darüber hinaus verwendet § 20a WpHG eine größere Anzahl von unbestimmten Rechtsbegriffen, vgl. eingehend Vogel in Assmann/Schneider, Vor § 20a WpHG Rn. 19. 156 Der Tatbestand ähnelt insoweit einer sog. Blankettnorm, vgl. nur Moosmayer, wistra 2002, 161, 163 und 167. 157 Eichelberger, ZBB 2004, 296, 297. In diesem Sinne auch Vogel in Assmann/Schneider, Vor § 20a WpHG Rn. 21. 158 BVerfGE 14, 245, 251; Eichelberger, ZBB 2004, 296, 297; Degenhart in Sachs, Art. 103 Rz. 68. 159 Unbestimmte Rechtsbegriffe können nicht von vornherein ausgeschlossen sein, da eine gesetzliche Regelung zur Erreichung eines verfassungsmäßig legitimen Zwecks teilweise unbestimmt gehalten werden muss. Der Gesetzgeber kann in solchen Fällen nicht auf eine kasuistische Ausgestaltung verwiesen werden, vgl. Streinz/Ohler, WpHG 2004, 1309, 1315, die hierzu weitere Nachweise aus der Rechtsprechung des BVerfG aufzählen. So auch gerade zum Thema des § 20a WpHG Pfüller/Anders, WM 2003, 2445, 2447. 160 Eichelberger, ZBB 2004, 296, 297 m.w.N.

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E. Rechtliche Grenzen der Kursstabilisierung in Deutschland

hend konkretisiert werden. Allerdings darf es sich dabei lediglich um „gewisse Spezifizierungen“161 handeln, bei denen der Verordnungsgeber einen nur geringen Spielraum hat. Die Voraussetzungen der Strafbarkeit und die Art der Strafe müssen schon aufgrund des formellen Gesetzes und nicht erst nach Lektüre der Rechtsverordnung vorhersehbar sein162. So hat auch der Bundesgerichtshof163 Ende 2003 etwaige verfassungsrechtliche Bedenken in Bezug auf § 20a WpHG vor allem mit dem Hinweis ausgeräumt, dass der Begriff der „sonstigen Täuschungshandlung ungeschriebenes Tatbestandsmerkmal des § 263 I StGB“ sei und damit schon durch die stete Rechtsprechung der Strafsenate ausreichende Konkretisierung erfahren habe164. Im Übrigen hat er auf die einheitliche Verwendung des Täuschungsbegriffes auch in anderen Gesetzen165 hingewiesen. Eine sich daran orientierende Konkretisierung der „sonstigen Täuschungshandlung“, so der BGH weiter, habe ja selbst der Verordnungsgeber in § 3 KuMaKV vorgenommen166. Diese Rechtfertigung könnte jetzt neuen Bedenken unterliegen, nachdem die MaKonV die Definition der Täuschungshandlung in § 4 MaKonV gerade in Abweichung von der strafrechtlichen Definition der Täuschung vornimmt167. Ein Erklärungszeichen/Erklärungswert der vorgenommenen Täuschungshandlung wird im Gegensatz zur Täuschung bei § 263 I StGB168 ausdrücklich nicht mehr gefordert169. Das hilft zwar, Kursstabilisierungsmaßnahmen unter den Täuschungsbegriff zu fassen170. Jedoch ergibt sich nunmehr ein Widerspruch

_________ 161

BVerfGE 14, 174, 185 f. BVerfGE 14, 174, 185 f. 163 BGHZ 48, 373 = BGH BB 2004, 11 [“Scalping”]. 164 BGH BB 2004, 11, 14. 165 §§109a, 152a, 267, 270, 276, 283 StGB. 166 BGH BB 2004, 11, 14. Der insoweit erfolgte Verweis des BGH auf § 3 KuMaKV darf freilich nicht missverstanden werden. Die Verfassungsmäßigkeit des § 20a WpHG kann sich ja im Hinblick auf seine Bestimmtheit gerade nicht aus einer Rechtsverordnung ergeben. Vielmehr kann allenfalls festgestellt werden, dass sich der Verordnungsgeber in dem ihm von § 20a WpHG gesteckten Rahmen gehalten hat. Der BGH kann an dieser Stelle – wenn überhaupt – also nur gemeint haben, dass eine Auslegung des Täuschungsbegriffs im Sinne der altbekannten Auslegung so eindeutig ist, dass auch der Verordnungsgeber selbstverständlich auf diese Interpretation zurück gegriffen hat. 167 Vgl. den obigen Abschnitt E.II.1.c)(2). 168 Dazu genauer im unten folgenden Abschnitt E.II.1.c)(1)(c). 169 Für eine ausführlichere Darstellung der vorgenommenen Änderung siehe noch Abschnitt E.II.1.c)(2). 170 Vgl. insoweit die obigen Ausführungen in Abschnitt E.II.1.c)(2) und Vogel in Assmann/Schneider, 3. Auflage, § 20a Rn. 93 und 112, der eine solche Auslegung schon vor Erlass der MaKonV gefordert hatte und zutreffend darauf abstellt, dass es ohnehin schwer fallen wird, effektiven Rechtsgeschäften einen entsprechenden Kommunikationswert zu entnehmen. Insoweit begrüßt Vogel auch die jetzige Änderung ausdrücklich, 162

II. Das Wertpapierhandelsgesetz

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zwischen der von der Rechtsprechung vorgenommenen Definition des Täuschungsbegriffes in § 263 I StGB171, die der BGH auf § 20 a WpHG übertragen will172, und der Definition in § 4 MaKonV. Das ist schon an sich problematisch, weil der BGH bei der Frage der Verfassungsmäßigkeit – wie soeben gesehen – auf die einheitlich erfolgende Auslegung des Begriffes „Täuschungshandlung“ abgestellt hatte. Dass der Verordnungsgeber von eben dieser sogar zu Lasten des Handelnden abweicht, kommt erschwerend hinzu. Konkret bei Verwendung von Rechtsverordnungen fordert das Bundesverfassungsgericht, dass nach Lektüre des formellen Gesetzes bereits ersichtlich ist, „mit welcher Tendenz von der Ermächtigung [scil. durch die Rechtsverordnung] Gebrauch gemacht werden wird“173. Das kann für den Tatbestand des § 20a – zumindest nach oben dargestellter Auffassung – gerade noch vertreten werden. Die Fassung des § 4 MaKonV erscheint in diesem Lichte jedoch eher überraschend; eine in diese Richtung gehende Interpretation kann der Betreffende dem Wortlaut des § 20a WpHG keinesfalls ohne weiteres entnehmen. Und die in diesem Zuge erfolgte Abweichung kann auch entscheidend sein. Denn gerade für die Beurteilung der Stabilisierung macht es einen beträchtlichen Unterschied, ob das Gesetz für das Vorliegen einer Täuschungshandlung ein Erklärungszeichen fordert oder nicht174. Fraglich ist, welche Folgen die Abweichung der Definition in § 4 MaKonV von der anderweitig vorherrschenden strafrechtlichen Auslegung der „Täuschung“ hat. Das Bestimmtheitsgebot des Grundgesetzes, mitsamt der Regelungen in Art. 80 I 2 GG, stellt lediglich Anforderungen an das ermächtigende Gesetz, nicht an die aufgrund der Ermächtigung erlassene Rechtsverordnung175. Hält sich die Rechtsverordnung nicht im Rahmen des ermächtigenden Gesetzes, wird dadurch die Vermassungsmäßigkeit des letzteren nicht berührt. Es geht dann vielmehr um die Vereinbarkeit der Rechtsverordnung mit (einfachem) Bundesrecht176, hier § 20a I 1 Nr. 3 WpHG. Ist von einer Vereinbarkeit nicht auszugehen, ist die untersuchte Rechtsverordnung nichtig. Das ist im Hinblick auf § 4 MaKonV keinesfalls ausgeschlossen. Anderes gilt nur dann, wenn man den Verzicht auf einen Erklärungswert durch § 4 MaKonV als in

_________ hat aber freilich verfassungsrechtliche Bedenken im Hinblick auf die Bestimmtheit des Tatbestands, vgl. Vogel in Assmann/Schneider, § 20a Rn. 162 f. 171 Dazu noch näher im unten folgenden Abschnitt E.II.1.c)(1)(c). 172 BGH BB 2004, 11, 14. 173 BVerfG NJW 1998, 669, 670. Konkret zu den Möglichkeiten zur Konkretisierung, die dem Ordnungsgeber im vorliegenden Fall offenstehen, Vogel in Assmann/Schneider, § 20a Rn. 9 f. 174 Vgl. dazu noch unten ausführlich Abschnitt E.II.1.c)(1)(c). 175 BverfG, 101, 1, 30 f. 176 BverfG, 101, 1, 30 f.

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E. Rechtliche Grenzen der Kursstabilisierung in Deutschland

dieser Hinsicht weniger dramatisch ansieht, weil man, Vogel177 folgend, auf das Erfordernis eines Erklärungszeichens zumindest im Rahmen des § 20a WpHG ohnehin verzichten wollte. Sicher ist der Verzicht auf einen Erklärungswert in diesem Sinne rechtspolitisch wünschenswert, um den Anwendungsbereich des Tatbestandsmerkmals auf einige kritische Fälle auszuweiten178; gerade daraus erhellt sich aber, welch weit reichende Konsequenzen eine solche Auslegung für den Betroffenen hat und wie unvorhersehbar sie ist. Die Konkretisierung durch § 4 MaKonV hält sich m.E. nicht in dem durch § 20a WpHG vorgebenen Rahmen und ist insoweit nicht mit Bundesrecht vereinbar. § 20a WpHG selbst ist gleichwohl verfassungsgemäß. Er sollte allerdings im Einzelfall restriktiv ausgelegt werden. Denn das Gebot des Art. 103 II GG richtet sich nicht nur an den Gesetzgeber, sondern auch an den Rechtsanwender179. c) Kursstabilisierung als Marktmanipulation i.S.d. § 20a WpHG Kurspflegemaßnahmen180, die vor dem Inkrafttreten des AnSVG im Herbst 2004 durchgeführt wurden, konnten grundsätzlich unter § 20a I 1 Nr. 2 WpHG a.F. – „sonstige Täuschungshandlung“ – fallen, der der neuen lit. 3 derselben Vorschrift (§ 20a I 1 Nr. 3 WpHG n.F.) entspricht. Der damals entfachte Meinungsstreit ist bezeichnend für die Schwierigkeit, die Kursstabilisierung gesetzlich zu erfassen. Zudem hat die entsprechende Argumentation starke Implikationen für die Auslegung der derzeit geltenden Vorschrift. Auch aus diesen Gründen werden die entsprechenden rechtlichen Überlegungen im nächsten Abschnitt etwas ausführlicher dargestellt.

_________ 177 Vogel in Assmann/Schneider, § 20a Rn. 166. Eingehender dazu noch unten in E.II.1.c)(1). 178 Es sei an dieser Stelle aber auch darauf hingewiesen, dass ein solches Bedürfnis, nämlich das der Ausweitung des Tatbestandes, seit dem AnSVG nur noch in verringertem Maße besteht. Wie an späterer Stelle, s. v.a. die Abschnitte E.II.1.c)(3) und E.II.1.c)(4), noch zu sehen sein wird, werden viele der bislang bestehenden „Problembereiche“ nunmehr von § 20a I 1 Nr. 2 WpHG erfasst, so wohl auch die Kursstabilisierung. 179 Vogel in Assmann/Schneider, Vor § 20a WpHG Rn. 22. 180 Gemäß der oben vorgenommenen Begrenzung des Untersuchungsgegenstandes ist auch hier wieder ausschließlich das Stabilisierungsgeschäft durch das Emissionskonsortium gemeint. Ob und unter welche Tatbestandsvariante des § 20a WpHG der Rückerwerb eigener Aktien durch den Emittenten fällt, hängt zum einen davon ab, auf welche Weise und mit welcher Ankündigung der Rückerwerb stattfindet, und zum anderen, was der konkrete Anlass bzw. das konkrete Motiv eines solchen Rückkaufs ist. Die Verwirklichung des Manipulationstatbestandes muss dann strenggenommen für jede einzelne Konstellation separat beantwortet werden und ist im Rahmen dieser Arbeit nicht beantwortbar.

II. Das Wertpapierhandelsgesetz

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Seit Inkrafttreten des AnSVG kommt nun aber darüber hinaus der Tatbestand des § 20a I 1 Nr. 2 WpHG n.F. („irreführende Signale“ oder „künstliches Preisniveau“) in Betracht. Dieser soll im Folgenden untersucht werden. Es wird, dabei wie auch bei der Untersuchung der „sonstigen Täuschungshandlung“, zunächst einmal unterstellt, dass eine Offenlegung der Stabilisierungstätigkeiten gegenüber dem Anlegerpublikum nicht stattfindet181. Diese Prämisse soll im später folgenden Abschnitt e) gelockert werden. Dass Kursstabilisierungsmaßnahmen nach Auffassung des Gesetzgebers letztlich von § 20a I WpHG erfasst sein sollen, kann man bereits der Tatsache entnehmen, dass die Kursstabilisierung in § 20a III WpHG ausdrückliche Erwähnung findet. Das wäre überflüssig, stellte die Kurspflege schon grundsätzlich keinen Verstoß gegen § 20a WpHG dar. (1) Die „sonstige Täuschungshandlung“ nach § 20a I 1 Nr. 2 a.F.182 Nach § 20a I 1 Nr. 2 WpHG a.F. war es verboten, sonstige Täuschungshandlungen vorzunehmen, um auf den inländischen Börsen- oder Marktpreis eines Vermögenswertes einzuwirken. Dieser Tatbestand ist mit gewissen Änderungen in lit. 3 n.F. übernommen worden. Es war allerdings nicht unumstritten, ob die Kurspflege tatsächlich unter den genannten Manipulationstatbestand subsumiert werden konnte. Problematisch war insbesondere das Merkmal der „sonstigen Täuschungshandlung“. Wäre die Kursstabilisierung nicht unter das Manipulationsverbot gefallen, hätte man das pikante Ergebnis erhalten, dass die damalige KuMaKV bzw. die spätestens jetzt anwendbare europäische Verordnung183 Befreiungstatbestände vorgesehen hätte bzw. vorsehen würde von einem Verbot, das für die entsprechenden Sachverhalte gar nicht einschlägig war. (a) Historische Entwicklung des Tatbestandes Erste Unklarheiten hinsichtlich der verbotsmäßigen Erfassung der Kursstabilisierung hatten bereits unter § 88 BörsG a.F. bestanden184. Jedoch waren sich

_________ 181 Diese Überlegungen sind relevant in den Fälle, in denen entweder entgegen der entsprechenden Pflichten keine Veröffentlichung vorgenommen wurde (dann aber v.a. § 20a I 1 Nr. 1) oder eine Pflicht nach § 1 ff . WpPG nicht besteht, da es sich entweder um eine Privatplatzierung handelt oder eine der dort aufgeführten Ausnahmen greift. 182 Diese Vorschrift entspricht – abgesehen von leichten Änderungen – dem § 20a I 1 Nr. 3 n.F., vgl. insoweit v.a. den Abschnitt E.II.1.c)(2), Im Allgemeinen hat diese Tatbestandsausprägung aufgrund der Einfügung von § 20a I 1 Nr. 2 n.F. aber für das Thema der Kursstabilisierung deutlich an Bedeutung verloren. 183 VO 2273/2003 der Europäischen Kommission. 184 Vgl. Vogel, WM 2003, 2437, 2438. Siehe auch die ausführliche Darstellung zu dieser Streitfrage bei Meißner, Stabilisierung und Pflege von Aktienkursen, S. 77 ff.

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E. Rechtliche Grenzen der Kursstabilisierung in Deutschland

der Gesetzgeber und die damals ganz herrschende Literaturauffassung noch einig, dass Stabilisierungsmaßnahmen durch den Tatbestand des Kursbetruges nicht erfasst sein sollten185. Die Begründungen hierzu waren zumeist sehr dünn und erschöpften sich häufig in dem Hinweis auf die ökonomischen Vorteile oder Notwendigkeiten der Kurspflege. M.E. zurecht kommt Meißner186 aber zu dem Ergebnis, dass die Formulierung der „auf Täuschung berechneten Mittel“ in § 88 Nr. 2 BörsG a.F. die Erfassung der Kursstabilisierung keinesfalls per se ausgeschlossen hätte. Die gleichwohl bestehende Einigkeit von Literatur und Gesetzgebung in dieser Frage erklärt er damit, dass es aufgrund des noch aus § 88 BörsG resultierenden „Alles-oder-Nichts-Prinzips“ fast unmöglich war, die Kurspflege von diesem Tatbestand erfassen zu lassen187. Denn wären Stabilisierungsmaßnahmen unter diese Vorschrift gefallen, wäre jede Art der Kursstabilisierung unzulässig gewesen, ein Ergebnis, das man auf jeden Fall vermeiden wollte. Für entsprechende Verwirrung sorgte dann auch das Vierte Finanzmarktförderungsgesetz, das den Manipulationstatbestand in § 20a WpHG einführte. Mit der Formulierung der „sonstigen Täuschungshandlung“ in Nr. 2, unter welche man die Stabilisierung bestenfalls hätte fassen können, hatte man sich vom Wortlaut des § 88 Nr. 2 BörsG nicht weit entfernt: Es blieb das Erfordernis einer Täuschung. Ob Stabilisierungsmaßnahmen eine solche darstellen, ist fraglich188. (b) Das Kaufmotiv als Täuschungsgegenstand Ein erstes Problem bestand und besteht in der Frage nach dem Täuschungsgegenstand. Im Gegensatz zu Scheingeschäften jeglicher Art findet im Falle der Kursstabilisierung ein tatsächliches Geschäft im rechtlichen und wirtschaftlichen Sinne statt, d.h. die Papiere wechseln nicht nur den rechtlichen Eigentümer, sondern die Transaktion verlagert auch das wirtschaftliche Risiko in entsprechendem Maße. In Betracht kommt daher eigentlich nur, dass der Stabilisierende die restlichen Marktteilnehmer bewusst über sein Kaufmotiv

_________ 185 Meißner, Stabilisierung und Pflege von Aktienkursen, S. 81 mit Nachweisen für das Börsengesetz von 1896 und S. 82 mit zahlreichen Nachweisen zum Meinungsbild nach der Novelle des Kursbetrugs durch das 2. WiKG. So auch festgehalten von Fleischer, ZIP 2003, 2045, 2046. 186 Meißner, Stabilisierung und Pflege von Aktienkursen, S. 77 ff. 187 Meißner, Stabilisierung und Pflege von Aktienkursen, S. 85. 188 Dazu sehr kritisch vor allem Vogel, WM 2003, 2437, 2443; Vogel in Assmann/Schneider, 3. Auflage, § 20a Rn. 110 ff.

II. Das Wertpapierhandelsgesetz

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täuscht189. Im Rahmen des § 263 StGB190 ist anerkannt, dass auch über innersubjektive Zustände, Kenntnisse und Absichten getäuscht werden kann191. Diese Wertung hat der BGH auf § 20a I 1 Nr. 2 WpHG a.F. übertragen192. Ist die Verkaufsorder des Stabilisierungsmanagers nun gerade nicht die Folge seiner Wertschätzung der Aktien, sondern resultiert aus seinem bloßen Interesse, den Kurs zu stabilisieren, könnte er über eben dieses Kaufmotiv getäuscht haben. (c) Der Erklärungswert einer Stabilisierungsmaßnahme Als nächstes, aber noch schwerwiegenderes Problem193 stellte sich insbesondere unter der alten Rechtslage die Frage, ob einem Kaufangebot ein hinreichender Erklärungswert zukommt. Ein solcher ist entscheidendes Abgrenzungskriterium zwischen konkludenter Täuschung und bloßem Unterlassen194 im Rahmen des § 263 I StGB195. Auf die entsprechende Dogmatik kann bei der Auslegung der „Täuschungshandlung“ zurückgegriffen werden. Teilweise

_________ 189 Zu diesem Ergebnis kommt auch Meißner, Stabilisierung und Pflege von Aktienkursen, S. 93 f. A.A. Lenzen, Eingriffe in die Börsenkursbildung, S. 192 ff., die insoweit aber wohl von einem zu engen Täuschungsbegriff ausgeht, vgl. Vogel in Assmann/Schneider, § 20a Rn. 175. 190 Auch der Verordnungsgeber der KuMaKV war davon ausgegangen, dass der Begriff der Täuschungshandlung der in Rechtssprechung und Literatur geläufigen Definition entsprechen müsse, vgl. Begründung zur KuMaKV, BR-Drucks. 639/03, S. 10, und hat daher in § 3 I KuMaKV eine Legaldefinition vorgenommen, die dem Täuschungsbegriff des § 263 I StGB stark ähnelt, vgl. v.a. Vogel, WM 2003, 2437, 2443. 191 Vgl. nur Tröndle/Fischer, § 263 Rn. 7; Schönke/Schröder-Cramer, § 263 Rn. 10. 192 BGH BB 2004, 11, 13. Der BGH hatte hier festgestellt, dass das sog. Scalping deshalb unter § 20a WpHG subsumiert werden könne, weil eine Kaufempfehlung die stillschweigende Erklärung beinhalte, dass sie nicht mit dem sachfremden Ziel der Kursbeeinflussung zu eigenen Zwecken (Motiv!) bemakelt sei. Scalping ist eine Verhaltensweise, bei der Empfehlungen zum Erwerb oder zur Veräußerung von Wertpapieren in der Absicht abgegeben werden, den durch die erwartete Befolgung der Empfehlung durch das Anlegerpublikum verursachten Kursausschlag in eigenen Wertpapiergeschäften auszunutzen. Der Begriff stammt aus dem US-amerikanischen Recht, vgl. v.a. SEC v. Capital Gains Bureau, 375 U.S. 180 (1963). 193 Der BGH hat in bereits erwähnter Entscheidung festgehalten, dass einer Verkaufsempfehlung tatsächlich eine stillschweigende Erklärung entnommen werden könne; nämlich die, dass die Empfehlung nicht das Ergebnis sachfremder Erwägungen sei, vgl. BGH BB 2004, 11, 14. 194 In diesem Fall müsste für die Annahme einer Täuschung eine Garantenpflicht hergeleitet werden. Das ist grundsätzlich nicht ausgeschlossen. Die Garantenpflicht kann sich insbesondere aus den Anforderungen des WpPG i.V.m. der ProspV ergeben. Dann aber liegt zumeist schon ein Verstoß gegen § 20a I 1 Nr. 1 vor, vgl. den unten folgenden Abschnitt E.II.1.c)(5); der Anwendung des Auffangtatbestands bedarf es dann nicht. 195 Vogel in FS Keller, S. 313, 315; Gauger, Dogmatik der konkludenten Täuschung, S. 123; Schönke/Schröder-Cramer, § 263 Rn. 11.

142

E. Rechtliche Grenzen der Kursstabilisierung in Deutschland

wurde zwar argumentiert, in Abweichung von § 263 I StGB bedürfe es für eine „sonstige Täuschungshandlung“ im Sinne von § 20a WpHG keines Erklärungszeichens196. Gerade der BGH197 hat die Verfassungsmäßigkeit des § 20a WpHG aber darauf gestützt, dass das Merkmal der Täuschung ohnehin im Sinne des § 263 I StGB ausgelegt werden könne, eine einheitliche Auslegung im gesamten Strafrecht damit gewahrt werde und § 20a I WpHG daher nicht zu unbestimmt sei198. Eine von der gefestigten Rechtsprechung abweichende Interpretation zu Ungunsten des Betroffenen scheint in diesem Lichte spätestens jetzt kaum noch vertretbar199. Ein Erklärungszeichen muss auch für die „sonstige Täuschungshandlung“ nach § 20a WpHG verlangt werden. Streit besteht jedoch auch bei § 263 I StGB hinsichtlich der Frage, wonach sich der Erklärungswert bemisst. Nach der Auffassung der sog. „faktischen Betrachtungsweise“ wird der Erklärungswert unter Berücksichtigung der objektiven Maßstäbe der Verkehrsanschauung ermittelt200. Entscheidend ist der objektivierte Empfängerhorizont; die Auslegung ergibt sich nach den allgemeinen Interpretationsregeln201. Nach der Gegenansicht ist nach normativen Gesichtspunkten202 der Risikoverteilung zu entscheiden, ob und in welchem Umfang ein Vertrauen des Erklärungsempfängers in die Vollständigkeit der ihm erkennbaren Tatsachen gerechtfertigt ist203. Für die praktische Anwendung ergeben sich kaum Unterschiede zwischen den beiden Auffassungen204. Denn auch die Lehre von der faktischen Betrachtungsweise möchte letztlich bei der Auslegung auf die Risikoverteilung unter den Parteien abstellen205. Eine vermittelnde Auffassung206 sieht eine konkludente Täuschung in der Verletzung kommunikativer Verkehrspflichten, die einerseits der lebensweltlichen Praxis von Verkehr und Sprache entspringen und andererseits rechtlich überformt sind.

_________ 196

So Vogel in Assmann/Schneider, § 20a Rn. 166. BGH BB 2004, 11, 14 [„Scalping“]. 198 Zu der damit verbundenen verfassungsrechtlichen Problematik vgl. schon oben Abschnitt E.II.1.b). 199 Zu der Frage, welche Konsequenz die gleichwohl erfolgte Abweichung in § 4 MaKonV hat, siehe noch den Abschnitt E.II.1.c)(2). 200 Schönke/Schröder-Cramer, § 263 Rn. 14. 201 Tröndle/Fischer, § 263 Rn. 12. 202 Auch sog. „normative Deutung“ genannt, vgl. Vogel in FS Keller, S. 313, 316. 203 LK- Lackner, § 263 Rn. 28 ff.; Tröndle/Fischer, § 263 Rn. 12. 204 Tröndle/Fischer, § 263 Rn. 12; In diesem Sinne auch Vogel in FS Keller, S. 313, 316, der anmerkt, dass die Schlagwörter „faktische Betrachtungsweise“ einerseits und „normative Deutung“ andererseits missverständlich sind und den Gegensatz übertreiben. 205 Schönke/Schröder-Cramer, § 263 Rn. 14. 206 Vertreten von Vogel in FS Keller, S 313, 322 ff. 197

II. Das Wertpapierhandelsgesetz

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Zur Frage der Kurspflege wurde teilweise vertreten, einer Kurspflegemaßnahme könne ein für eine Täuschungshandlung hinreichender Erklärungswert nicht entnommen werden207. Die Motive für den Handel seien vielfältig. Der Handelnde könne auch andere anerkennenswerte Motive haben, die unabhängig seien von seiner persönlichen Bewertung des betreffenden Papiers. Die übrigen Marktteilnehmer müssten damit rechnen, dass Transaktionen nicht in jedem Fall auf eine bestimmte Beurteilung des Wertpapiers zurückzuführen seien208. Gegen diese Auffassung spricht vor allem die natürliche Funktionsweise eines Marktes. Die Entscheidung zum Kauf oder Verkauf einer Sache basiert auf der (geänderten) Wertschätzung durch den handelnden Marktteilnehmer. Daraus ergibt sich der an anderer Stelle209 bereits mehrfach erwähnte Informationswert des Marktpreises. Insofern entspricht die Annahme, dass mit dem Kauf eines Wertpapiers eine gewisse Wertschätzung des Unternehmens einhergeht, der zutreffenden Vorstellung von den ganz ursprünglichen Aufgaben und der Funktionsweise eines Kapitalmarkts. Da die Marktteilnehmer – schon zum Zwecke der eigenen Gewinnmaximierung – diese Allokationsidee der Märkte verfolgen, lässt der Kauf eines Wertpapiers nach allgemeiner Verkehrsauffassung den Rückschluss zu, dass der Händler in Anbetracht von Rendite und Ertrag der Aktie die vorgenommene Investition als lohnenswert ansieht210. Darüber hinaus steht eine solche Interpretation im Einklang mit der Förderung der durch das Kapitalmarktrecht geschützten Effizienz der Märkte, erfüllt also auch die Kriterien der oben genannten „normativen“ Ansicht. Daraus kann gefolgert werden, dass ein rational handelnder Marktteilnehmer einer Blocktransaktion die implizite Erklärung entnehmen darf, dass sie auf einer Wertschätzung des Handelnden beruht. Diese Auffassung wird insbesondere durch das oben211 gefundene Ergebnis gestützt, dass die Emissionsbank den Aktienkurs in erster Linie über den sog. Informationseffekt zu beeinflussen vermag. Das bedeutet, dass der Stabilisierungsmanager gerade darauf setzt, dass seiner Blocktransaktion ein Erklärungszeichen, ein Erklärungswert, entnommen wird. Der Kurs steigt, weil die Anleger die Kaufaufträge des Stabilisierenden entsprechend (falsch) interpretieren.

_________ 207

Weber, NZG 2000, 113, 116; Schäfer, WM 1999, 1345, 1352. Altenhain, BB 2002, 1874, 1878; Lenzen, Eingriffe in die Börsenkursbildung, S. 194. 209 Vgl. vor allem Abschnitt C.III.1.a). 210 Vgl. insbesondere Meißner, Stabilisierung und Pflege von Aktienkursen, S. 93, der dort betont, dass es dem Anleger ganz besonders auf diese Bewertungsfunktion des Marktes ankommt. 211 Siehe obigen Abschnitt C.II.1.b). 208

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E. Rechtliche Grenzen der Kursstabilisierung in Deutschland

Für Maßnahmen, die vor Inkrafttreten des AnSVG stattgefunden haben, bedeutet das, dass sie grundsätzlich durchaus unter § 20a I 1 Nr. 2 a.F. fallen konnten, auch wenn man für die Annahme einer „Täuschung“ ein Erklärungszeichen verlangt. Vom Ergebnis betrachtet ist eine solche Interpretation in der Tat vorzuziehen, da, wie oben gesehen, der Gesetzgeber – wie selbstverständlich – davon ausgegangen war, dass der Manipulationstatbestand Stabilisierungsmaßnahmen erfasst, und nach damaliger Rechtslage auch nur das Merkmal „sonstige Täuschungshandlung“ in Betracht kam. (2) Die „sonstige Täuschungshandlung“ nach § 20a I 1 Nr. 3 n.F. (a) Stabilisierungskäufe Mit dem AnSVG hat der Gesetzgeber die europäische Missbrauchsrichtlinie umgesetzt und dabei insbesondere lit. 2 („irreführende Signale“ oder „künstliches Preisniveau“) eingeführt. Er hat in diesem Zuge aber auch den Tatbestand der „sonstigen Täuschungshandlung“ beibehalten und als lit. 3 in § 20a I 1 WpHG fortgeführt. Auf diese Weise ist der entsprechende Art. 1 Nr. 2 (b) der Missbrauchsrichtlinie umgesetzt worden212. Interessant ist die Frage, ob sich dabei Änderungen im Hinblick auf die Interpretation des Tatbestandsmerkmals ergeben haben213. Festzuhalten ist zunächst, dass das Erfordernis der Täuschungsabsicht entfallen ist und durch die Voraussetzung der Geeignetheit zur Kursbeeinflussung ersetzt wurde. Insoweit ist die Kritik des Schrifttums hinsichtlich der Schwierigkeit der Beweisführung bei der Täuschungsabsicht vom Gesetzgeber aufgenommen worden214. Am Merkmal der „Täuschungshandlung“ selbst hat der Gesetzgeber aber im Wortlaut der Vorschrift nichts geändert.

(aa) Berücksichtigung der Missbrauchsrichtlinie Etwaige Änderungen in der gebotenen Interpretation könnten sich aber im Zuge einer richtlinienkonformen Auslegung ergeben215. Immerhin geht der

_________ 212

Begründung Referentenentwurf des AnSVG, Zu § 20a, Zu Absatz 1. Das Schrifttum nimmt hierzu bislang nicht Stellung. Es wird teilweise lediglich auf die Ausnahme-VO 2273/2003 verwiesen; sofern der Tatbestand des § 20a WpHG selbst im Zusammenhang mit der Kurspflege erwähnt wird, wird pauschal § 20a I und II WpHG genannt, vgl. z.B. Holzborn/Israel, WM 2004, 1948, 1954. 214 Vgl. Holzborn/Israel, WM 2004, 1948, 1954; so festgehalten auch in Vogel, WM 2003, 2437, 2444. Gleichwohl ist freilich eine erhebliche Verschärfung eingetreten, vgl. Schwintek, Anlegerschutzverbesserungsgesetz, S. 64. 215 Umfassend zur richtlinienkonformen Auslegung im Kapitalmarktrecht Assmann in Assmann/Schneider, Einleitung, Rn. 69 ff. m.w.N.; konkret im Hinblick auf § 20a 213

II. Das Wertpapierhandelsgesetz

145

europäische Richtliniengeber eindeutig davon aus, dass die nach Art. 5 i.V.m. Art. 1 der Richtlinie216 im nationalen Recht einzuführenden Missbrauchstatbestände die Stabilisierung grundsätzlich erfassen. Andernfalls machen die nach Art. 8 derselben Richtlinie vorgesehenen Ausnahmetatbestände für die Kurspflege wenig Sinn. Freilich ist damit noch nicht gesagt, dass der europäische Gesetzgeber die Stabilisierung auch gerade als „sonstige Täuschungshandlung“ ansieht. Der dieser Tatbestandsalternative entsprechende217 Abschnitt in der Missbrauchsrichtlinie218 definiert die Marktmanipulation unter anderem als „transactions or orders to trade which employ fictitious devices or any other form of deception or contrivance“. Zwar ist die erste Variante für die Kurspflege nicht passend, da dabei ja gerade keine fiktiven, sondern tatsächliche – auch in wirtschaftlicher Hinsicht – Transaktionen durchgeführt werden. Spätestens die zweite Variante jedoch könnte die Preisstabilisierung durchaus erfassen: „any other form of deception or contrivance“. Dieser – europäische – Tatbestand ist insoweit etwas konkreter als die „sonstige Täuschungshandlung“ nach deutschem Recht, weil klar zum Ausdruck gebracht wird, dass gerade auch transaktionsbasierte Täuschungen erfasst sein sollen219. Es ist jedenfalls denkbar, dass der europäische Gesetzgeber (auch) hiermit die Kursstabilisierung erfassen wollte; mit Sicherheit feststellen lässt sich das allerdings nicht.

(bb) Berücksichtigung des § 4 MaKonV Entscheidend bei der Interpretation des neuen Tatbestands könnte aber die Auslegung sein, die die MaKonV vornimmt: Wie schon nach der alten Fassung des § 20a WpHG220 hat der Gesetzgeber auch jetzt die endgültige Konkretisierung der „Täuschungshandlung“ nicht selbst vorgenommen, sondern nach

_________ WpHG auch Vogel in Assmann/Schneider, Vor § 20a. Vgl. insoweit auch Streinz/Ohler, WM 2004, 1309, 1315, die schon vor Inkrafttreten des Anlegerschutzverbesserungsgesetzes die richtlinienkonforme Auslegung der durch Strafrecht-Rechtsprechung gefestigten vorziehen wollten. Zur richtlinienkonformen Auslegung des gesamten § 20a WpHG auch Schmitz, ZStW 115 (2003), 501, 528, der auf eine solche Auslegung sogar die Verfassungsmäßigkeit des § 20a WpHG stützen will, kritisch hingegen Kutzner, WM 2005, 1401, 1403; vor einer zu weit gehenden – und daher auch verfassungsrechtlich nicht mehr haltbaren – richtlinienkonformen Auslegung ganz allgemein Herdegen, WM 2005, 1921. 216 Richtlinie 2003/6/EG des Europäischen Parlaments. 217 Vgl. Begründung Referentenentwurf des AnSVG, Zu § 20a, Zu Absatz 1. 218 Art. 1 Nr. 2 (b). 219 So auch schon die Forderung von Streinz/Ohler vor Einführung des AnSVG, vgl. Streinz/Ohler, WM 2004, 1309, 1315. 220 Dort nach § 20a II 1 Nr. 2 WpHG.

146

E. Rechtliche Grenzen der Kursstabilisierung in Deutschland

§ 20a V Nr. 3 WpHG dem Bundesministerium der Finanzen überlassen221. Der daraufhin erlassene § 4 MaKonV nimmt die Aufgabe des vormals geltenden § 3 KuMaKV wahr. § 3 KuMaKV definierte damals die sonstige Täuschungshandlung als „[...] Vorspiegelung falscher sowie Entstellung oder Unterdrückung wahrer Tatsachen oder sonstiger Umstände [...]“. Diese Definition entsprach der im Strafrecht geläufigen Auslegung. Wie gesehen, erwähnte der BGH in seiner Entscheidung zum „Scalping“222 bei der Auslegung des Täuschungsbegriffs diese Definition und rechtfertigte unter anderem damit einen Rückgriff auf die gesicherten Erkenntnisse zum ungeschriebenen Tatbestandsmerkmal der Täuschung im Sinne des § 263 I StGB. § 4 MaKonV definiert aber nun die „sonstigen Täuschungshandlungen“, in Abweichung zum Vorgenannten, als „[...] Handlungen oder Unterlassungen, die geeignet sind, einen verständigen Anleger über die wahren wirtschaftlichen Verhältnisse [...] in die Irre zu führen [...]“. Ein bloßer Rückgriff auf das im Rahmen des § 263 StGB definierte ungeschriebene Tatbestandsmerkmal der „Täuschung“ findet also nicht mehr statt. Insbesondere heißt es in der amtlichen Begründung zur MaKonV ausdrücklich, dass die Änderungen der Klarstellung dienen, dass „sonstige Täuschungshandlungen nach § 20a WpHG keinen kommunikativen Erklärungswert zu haben brauchen“. Das Ministerium will hier also bewusst die oben223 beschriebenen Probleme zum Erklärungswert vermeiden und weicht insoweit explizit von dem strafrechtlichen Begriff der „Täuschung“ ab. Nach der von § 4 MaKonV vorgenommenen Definition könnte die Kursstabilisierung also nunmehr von dem Tatbestandsmerkmal der „sonstigen Täuschungshandlung“ erfasst werden. Jedoch wurde schon bei der obigen224 Untersuchung der Verfassungsmäßigkeit des § 20a WpHG auf die aus der Definition in § 4 MaKonV folgenden Probleme hingewiesen. Es wurde erläutert, dass bei der Anwendung dieser Norm besondere Vorsicht geboten ist, da gerade für die Kurspflege ein Ergebnis folgt, dass der Betroffene dem formell-gesetzlichen Tatbestand des § 20a WpHG so nicht entnehmen kann. Das bedeutet, dass sich zwar ableiten lässt, dass auch der Verordnungsgeber scheinbar der Auffassung ist, dass handelsgestützte Transaktionen gegen das Manipulationsverbot verstoßen können, also wohl auch die Kursstabilisierung. Die von ihm erlassene Verordnung überschreitet aber die Vorgaben des formellen Ermächtigungsgesetzes. § 4 MaKonV ist insoweit nicht anwendbar.

_________ 221 Eingehend zu den einzelnen Zuständigkeiten insbesondere Vogel in Assmann/ Schneider, § 20a Rn. 8. 222 BGH BB 2004, 11. 223 Vgl. obigen Abschnitt E.II.1.c)(1)(c). 224 Abschnitt E.II.1.b).

II. Das Wertpapierhandelsgesetz

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Vergleichsweise irrelevant ist dieses Ergebnis, wenn man davon ausgeht – wie hier im obigen Abschnitt (1)(c) –, dass auch Stabilisierungsmaßnahmen unter Umständen einen entsprechenden Erklärungswert haben können und vor allem dann, wenn das Stabilisierungsgeschäft ohnehin von § 20a I 1 Nr. 2 WpHG n.F. erfasst wird225. (b) „Lock-up“-Vereinbarungen Teilweise wird vertreten226, dass auch Lock-up-Vereinbarungen eine „sonstige Täuschungshandlung“ in diesem Sinne darstellen. Zwar ist richtig, dass durch derartige Abreden letztlich ein falscher Eindruck über das tatsächlich vorhandene Angebot geweckt werden kann. Sie sind daher auf gewisse Weise „irreführend“227. Bei der Prüfung der hier untersuchten Tatbestandsalternative stellt sich allerdings die Frage, welches Verhalten überhaupt als Täuschungshandlung angesehen werden könnte. In Betracht kommt die vertragliche Vereinbarung selbst. Diese jedoch tritt gegenüber dem Anleger nie in Erscheinung. Es fehlt insoweit am Erklärungswert. Grundsätzlich angedacht werden kann auch, ob nicht die Veröffentlichung eines Emissionsprospekts ohne entsprechende Angaben die Aussage enthält, ein Veräußerungsverbot sei nicht vereinbart worden. Dann aber ist ohnehin – wie noch zu sehen sein wird – § 20a I 1 Nr. 1 erfüllt, der als Spezialnorm dem Auffangtatbestand der Nr. 3 vorgeht. Für Veräußerungsverbote in Form von „Lock-up“-Vereinbarungen stellt § 20a I 1 Nr. 3 also keine eigenständige Schranke dar. (3) Herbeiführung eines künstlichen Preisniveaus nach § 20a I 1 Nr. 2 Alt. 2 Nach § 20a I 1 Nr. 2 Alt. 2 WpHG n.F. ist es verboten, Geschäfte vorzunehmen oder Kauf- oder Verkaufsaufträge zu erteilen, die geeignet228 sind, ein künstliches229 Preisniveau herbeizuführen. Einzelne Stimmen in der deutschen

_________ 225

Zu letzterem vgl. noch Abschnitt E.II.1.c)(3). So Lenzen zumindest für § 88 BörsG a.F., vgl. Lenzen, Eingriffe in die Börsenkursbildung, S. 221. 227 Zur Prüfung der Tatbestandsalternative „irreführende Signale“ noch unten Abschnitt E.II.1.c)(3) und E.II.1.c)(4). Ein tatsächliche Verletzung der Norm muss insoweit aber ebenfalls – wenn auch aus anderen Gründen – abgelehnt werden. 228 Es wird kritisiert, dass der Gesetzgeber hier über die Vorgaben der Marktmissbrauchsrichtlinie hinausgegangen ist. Dort wird nicht nur die „Geeignetheit“ verlangt, sondern dass das zu beurteilende Verhalten den Preis tatsächlich so sehr beeinflusst hat, dass ein anormales/künstliches Preisniveau erzielt wird, vgl. Handelsrechtsausschuss des DAV, NZG 2004, 703, 705. 229 Zumindest bis zum Referentenentwurf des AnSVG war vorgesehen, dass die Vorschrift die Herbeiführung eines „nicht marktgerechten“, nicht die eines „künstlichen“ Preises unterbinden soll. Es wurde dabei mit gewisser Überraschung aufgenommen, 226

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E. Rechtliche Grenzen der Kursstabilisierung in Deutschland

Literatur wollen – allerdings ohne weitere Begründung – die Kursstabilisierung grundsätzlich von dieser Tatbestandsalternative erfasst sehen230. Auch das CESR geht wohl davon aus, dass gezielte Stabilisierungsmaßnahmen ein künstliches Preisniveau herbeiführen können231. Gleichermaßen hat die SEC erst im Dezember 2004 wieder betont, dass es Aufgabe der sich mit Stabilisierungsmaßnahmen befassenden Regulation M sei, zu verhindern, dass der Marktpreis durch eine etwaige Kurspflege künstlich beeinflusst werde232. (a) Konkretisierung in § 3 MaKonV Mit dem Erlass von § 3 MaKonV233 hat das Bundesministerium der Finanzen die Ermächtigung des Gesetzgebers aus § 20a V 1 Nr. 2 WpHG wahrgenommen. Der Ermächtigung zufolge sollte das Ministerium unter anderem nähere Bestimmungen erlassen über das Vorliegen irreführender Signale oder eines künstlichen Preisniveaus. Innerhalb von § 3 MaKonV bezieht sich ausschließlich Absatz 1 auf die Alternative des „künstlichen Preisniveaus“. Eine Definition stellt die Vorschrift nicht zur Verfügung. Vielmehr enthält sie eine nicht abschließende beispielhafte234 Aufzählung von Anzeichen, die die Verwirklichung des Tatbestandes nahe legen sollen235. Das Ministerium hat dabei die Richtlinie 2003/124/EG der Europäischen Kommission umgesetzt. Für die Bewertung der Kurspflege kommt allenfalls § 3 I Nr. 1 MaKonV in Betracht, worin Geschäfte und Kauf- oder Verkaufsaufträge genannt sind, die an einem Markt einen bedeutenden Anteil am Tagesgeschäftsvolumen ausma-

_________ dass der Gesetzgeber über den Wortlaut der Europäischen Richtlinie hinausgehen wollte, vgl. Diekmann/Sustmann, NZG 2004, 929, 937. Die vorherrschende Kritik bestand auch schon hier darin, dass das Tatbestandsmerkmal des „nicht marktgerechten Preises“ in hohem Maße unbestimmt und in der Praxis kaum nachweisbar sei, vgl. Holzborn/Israel, WM 2004, 1948, 1954. 230 Vgl. Meyer, AG 2004, 289, 299. Etwas zurückhaltender auch Groß in GS Bosch, S. 49, 65. Zum ganz überwiegenden Teil äußern sich die Verfasser aber gar nicht zu der Frage, von welcher Tatbestandsalternative die Stabilisierung nun erfasst sein soll, sondern begnügen sich mit einem Verweis darauf, dass die grundsätzlich unter den Manipulationstatbestand fallende Kurspflege aufgrund der europäische Ausnahme-VO unter bestimmten Umständen rechtmäßig sei. 231 CESR/02-020b vom April 2002, S. 9 und CESR/02-089d vom Dezember 2002, Ziffer 129. Interessanterweise stellen die Empfehlungen des CESR im Zusammenhang mit Stabilisierungsmaßnahmen ohnehin wesentlich häufiger auf das „künstliches Preisnivau“ als auf die „irreführenden Signale“ ab. 232 SEC Release Nos. 33-8511, 34-50831 (2004), S. 7. 233 Allgemein kritisch zu § 3 MaKonV Kutzner, WM 2005, 1401, 1403 ff. 234 Vgl. die Begründung zur MaKonV, Zu § 3. 235 Ob auf diese Weise zusätzliche Rechtssicherheit geschaffen wurde, kann bezweifelt werden, vgl. Schwintek, Anlegerschutzverbesserungsgesetz, S. 61.

II. Das Wertpapierhandelsgesetz

149

chen, insbesondere dann, wenn sie eine erhebliche Preisänderung bewirken236. Stabilisierungskäufe machen in den meisten Fällen einen bedeutenden Anteil am Tagesvolumen aus; teilweise können sie auch zu erheblichen Preisänderungen führen237. Insoweit sind die Voraussetzungen dieses Beispiels erfüllt. Diesem kommt allerdings aufgrund seiner allgemein gehaltenen Formulierung eine nur schwache Indizwirkung zu238. Insbesondere sind die Anzeichen unter verfassungsrechtlichen Gesichtspunkten mit Vorsicht zu genießen und ohnehin restriktiv auszulegen239. Deshalb und aufgrund seines ohnehin nur beispielhaften Charakters kann § 3 MaKonV eine abschließende Bewertung der Kurspflege als zulässig oder unzulässig nicht entnommen werden. Vielmehr scheint der Verordnungsgeber die Kursstabilisierung eher in § 3 II (dort vor allem Nr. 3) regeln zu wollen. Dieser Absatz aber konkretisiert ausschließlich das Tatbestandsmerkmal der „irreführenden Signale“, kann hier also nicht weiterhelfen240. Auch die Begründung zur MaKonV äußert sich nicht zu der Frage, welcher Tatbestandsvariante des § 20a die Kursstabilisierung unterfallen soll. Für die rechtliche Bewertung von „Lock-up“-Vereinbarungen oder „Penalty Bids“ enthält § 3 MaKonV keinerlei Anhaltspunkte. Will man feststellen, ob Kursstabilisierungsmaßnahmen (auch) einen Verstoß gegen § 20a I 1 Nr. 2 Alt. 2 begründen können, hilft die Konkretisierung in § 3 MaKonV folglich nicht weiter. Vielmehr kann sich die Auslegung im Hinblick auf die Kurspflege ausschließlich an den Tatbestandsmerkmalen des formell-gesetzlichen Verbotstatbestandes des § 20a WpHG orientieren. Dazu muss sie geeignet sein, ein „künstliches Preisniveau“ herbeizuführen. (b) Feststellung eines künstlichen Preisniveaus In der Literatur wird an verschiedenen Stellen – wenn auch nicht zur Frage der tatbestandlichen Einordnung der Kursstabilisierung – wie selbstverständ-

_________ 236 Dabei ist mangels Festlegung konkreter Schwellenwerte in der Vorschrift auf die Umstände im Einzelfalls abzustellen, wobei auch die Motivation des Handelnden betrachtet werden muss, Knauth/Käsler, WM 2006, 1041, 1044 f. 237 Nicht gerade zwingend erscheint hier die Argumentation von Groß, dass die Kursstabilisierung deshalb nicht unter § 3 MaKonV falle, weil hiermit nur Zufallsschwankungen ausgeglichen werden sollten, nicht aber unbedingt eine erhebliche Preisänderung herbeigeführt würde, vgl. Groß in GS Bosch, S. 49, 65. Zum einen ist sehr fraglich, ob ausschließlich Zufallsschwankungen ausgeglichen werden, vgl. hierzu ausführlich Abschnitt C.III.3. Zum anderen verlangt das oben zitierte Beispiel die „erheblichen Auswirkungen“ gerade nicht unbedingt, sondern nur als eine besondere Ausprägungsform („insbesondere“). 238 Vgl. Schwintek, Anlegerschutzverbesserungsgesetz, S. 62. 239 Vogel in Assmann/Schneider, § 20a Rn. 122. 240 Zu § 20a I 1 Nr. 2 Alt. 1 siehe dann den unten folgenden Abschnitt E.II.1.c)(4).

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E. Rechtliche Grenzen der Kursstabilisierung in Deutschland

lich davon ausgegangen, dass die Kurspflege aufgrund ihrer manipulativen Wirkung ein „künstliches“ Preisniveau erzeuge241, von welchem logischerweise ein Abwärtstrend dann erfolge, wenn die Stabilisierungsmaßnahmen eingestellt werden242. Streng genommen kann die Richtigkeit dieser Feststellung aber kritisch hinterfragt werden. Zum einen ist – wie oben243 gesehen – ein der Stabilisierung nachfolgender Einbruch des Börsenkurses bislang nicht empirisch eindeutig nachgewiesen worden. Zum anderen ergeben sich auch schon aus dem Begriff des „künstlichen Preisniveaus“ allgemeine Unsicherheiten für die Auslegung des Tatbestands, die zunächst einmal unabhängig sind von der Beurteilung der Stabilisierungsmaßnahmen im Konkreten. Denn es erscheint fraglich, wie der Betrachter feststellen soll, ob ein bestimmtes Kursniveau „künstlich“ – oder wie die europäische Richtlinie auch sagt: „anormal“ – ist. Denn das würde voraussetzen, dass in Abgrenzung zum „künstlichen Preis“ der „normale“, der „tatsächliche“, der „wahre“ Wert der Aktie festgestellt werden kann. Dass der tatsächliche Preis durch den Markt festgelegt wird und eine treffsichere Berichtigung durch Ermittlung des „wahren“ Wertes praktisch ausgeschlossen ist, wurde oben schon wiederholt244 dargelegt. Vollkommen zutreffend hält auch Meißner in diesem Zusammenhang fest, dass eine Unterscheidung zwischen „künstlichem“ und „natürlichem“ Wert einer Aktie den Wirtschaftswissenschaften fremd ist245. Ebenso haben Fischel/Ross246 in einer grundlegenden Veröffentlichung aus dem Jahre 1991 versucht, gerade die Manipulation als „Herbeiführung eines künstlichen Preisniveaus“ zu definieren247 und haben abschließend festgehal-

_________ 241

Vgl. nur Benveniste/Erdal/Wilhelm, Journal of Banking & Finance (1998), 741, 742; Hanley et al., 5 Journal of Financial Intermediation (1996), S. 127; Soderquist/Gabaldon, Securities Regulation, S. 564; mit Einschränkung (“in a sense artificial”) auch Foschay, 45 Virginia Law Review (1959), 907. In der deutschen Literatur auch Leppert/Stürwald, ZBB 2004, 302, die aber immerhin den Begriff „künstlich“ in Anführungszeichen setzen; im Übrigen Meißner, Stabilisierung und Pflege von Aktienkursen, S. 148. 242 Hanley/Kumar/Seguin, Journal of Financial Economics (1993), 177, 194; Ruud, 34 Journal of Financial Economics (1993), 135. 243 Vgl. Abschnitt C.III.4. 244 Vgl. nur die obigen Abschnitte B.II und C.III.3.b)(1)(a) und Fußnote 187. 245 Meißner, Stabilisierung und Pflege von Aktienkursen, S. 119. So. z.B. auch Varnholt, Finanzmarkt und Portfoliomanagement 1993, 459, 460 f., speziell für die Definition der Manipulation. Auch Vogel hält fest, dass es einen „wahren Preis“ nicht gäbe und ein künstlicher Preis schwer festzustellen sei, Vogel in Assmann/Schneider, § 20a Rn. 119 bzw. 120. 246 Fischel/Ross, 105 Harvard Law Review (1991), 503 ff. 247 Auch die vorangegangenen Ansätze, ein manipulatives Handeln als einen „Eingriff in das freie Spiel von Angebot und Nachfrage“ zu definieren oder eine Manipulation dann anzunehmen, wenn jemand versucht, den Preis zu beeinflussen, waren aufgrund

II. Das Wertpapierhandelsgesetz

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ten248, dass das Erkennen eines „künstlichen Preises“ per se unmöglich, die entsprechende Definition mithin ungeeignet ist. So wird auch im konkreten Fall der Stabilisierung schwer zu ermitteln sein, ob sich nach Durchführung einer konkreten Maßnahme eine Abweichung vom „Normalniveau“ eingestellt hat oder eine ganz „natürliche“ Kursbewegung stattgefunden hat. Problematisch erscheint diese Unsicherheit bei der Feststellung des „künstlichen Preisniveaus“ vor allem für die Formulierung in der europäischen Missbrauchsrichtlinie. Denn nach dieser muss das künstliche Preisniveau tatsächlich hergestellt oder aufrechterhalten werden249. Etwas einfacher gestaltet sich die Beurteilung nach der überraschend250 vorgenommenen Tatbestandserweiterung, die der deutsche Gesetzgeber im Zuge der Umsetzung in deutsches Recht vorgenommen hat. § 20a I 1 Nr. 2 Alt. 2 verlangt, im Gegensatz zur europäischen Richtlinienvorgabe, lediglich die Eignung, ein künstliches Niveau herbeizuführen. (c) Geeignetheit der Kurspflege zur Herbeiführung eines künstlichen Preisniveaus (aa) Stabilisierungskäufe Will man die Kurspflege im Lichte von § 20a I 1 Nr. 2 Alt. 2 beurteilen, bleibt zu entscheiden, ob Kursstabilisierungskäufe geeignet sind, ein „künstliches Preisniveau“ herbeizuführen. Führt man sich die Tatsache vor Augen, dass Stabilisierungsmaßnahmen eine Form der Kursmanipulation sind251, ist es durchaus schlüssig, davon auszugehen, dass sie auch ein „künstliches Preisniveau“ herbeiführen können252. Ein künstliches Preisniveau liegt vor, wenn durch Geschäfte oder Aufträge Reaktionen provoziert werden, die andernfalls nicht eingetreten wären253. Ein künstliches Preisniveau ist ein solches, das nicht allein das Resultat der Wertbeurteilung aller Marktteilnehmer ist. Es existiert in einem informationsineffizienten Zustand.

_________ mangelnder Feststellbarkeit gescheitert, vgl. Fischel/Ross, 105 Harvard Law Review (1991), 503, 507 f. 248 Fischel/Ross, 105 Harvard Law Review (1991), 503, 508 f. 249 Richtlinie 2003/6/EG des Europäischen Parlaments, dort Art. 1 Nr. 2 a). 250 So vor allem betont vom Handelsrechtsausschuss des DAV, NZG 2004, 703, 705. 251 Vgl. nur den obigen Abschnitt C.III.1. 252 Diese Folgerung läuft – für sich gesehen – freilich etwas in der verkehrten Richtung: schließlich soll das Merkmal des „künstlichen Preises“ ja die Frage nach dem Vorliegen einer Manipulation beantworten, nicht umgekehrt. Im Hinblick auf die Kurspflege weist ein manipulierter Kurs aber eben dieselben Charakteristika auf wie ein künstlicher Kurs in diesem Sinne. 253 Knauth/Käsler, WM 2006, 1041, 1045.

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E. Rechtliche Grenzen der Kursstabilisierung in Deutschland

Der Stabilisierungsmanager beeinflusst die Preisbildung nicht aufgrund seiner Wertbeurteilung der Aktie. Vielmehr versucht er entweder bewusst den Preis zu beeinflussen oder er muss gezwungenermaßen die zuvor aufgebauten Short-Positionen bedienen. Dieses Verhalten soll bei den Marktteilnehmern Reaktionen auslösen, die sonst nicht eingetreten wären. Wenn das Stabilisierungsbegehren das Stabilisierungsmanagers erfolgreich ist, ist das sich ergebende Preisniveau ein „künstliches“. Kursstabilisierungsmaßnahmen werden also in vielen Fällen das Erreichen eines „künstlichen Preisniveaus“ bewirken. In jedem Fall sind sie zumindest geeignet, ein solches herbeizuführen. Der Gesetzgeber hat also im Rahmen der Umsetzung der Richtlinie den Tatbestand erweitert, eine Erweiterung, die gerade für die rechtliche Beurteilung der Kursstabilisierung entscheidende Auswirkungen hat. Die oben aufgezeigten Probleme der Definition und der tatsächlichen Feststellung eines „künstlichen Preisniveaus“ im Einzelfall werden so umgangen. Die Kurspflege verstößt grundsätzlich gegen § 20a I 1 Nr. 2 Alt. 2, weil sie geeignet ist, ein „künstliches Preisniveau“ herbeizuführen.

(bb) Veräußerungsbeschränkungen Theoretisch könnten auch vertragliche Veräußerungsbeschränkungen ein Preisniveau aufrecht erhalten, das sich unter normalen Umständen nicht einstellen würde254. Das ist dann der Fall, wenn Investoren gehindert werden, sich aufgrund einer verringerten Wertschätzung von Aktienbeständen zu trennen und nicht für eine entsprechende Transparenz durch Offenlegung im Emissionsprospekt gesorgt ist. Auch Pfüller/Anders255 sehen derartige Vereinbarungen gerade deshalb als problematisch an – allerdings ohne dabei auf den Tatbestand des § 20a I WpHG Bezug zu nehmen –, weil durch sie das Handelsvolumen und die Liquidität des betreffenden Wertpapiers reduziert würde und nach Ablauf der Frist ein gesteigerter Preisdruck erzeugt werden könne256. In jedem Fall aber können weder „Penalty Bids“ noch „Lock-up“Vereinbarungen von § 20a I 1 Nr. 2 WpHG erfasst sein. Denn der Tatbestand

_________ 254 Gerade aufgrund dieser Gefahr wollte die SEC die „penalty bids“ untersagen, vgl. eingehender schon Abschnitt D.IV.2. So auch ausdrücklich Lenzen, die damit aber noch ein „auf Täuschung gerichtetes Mittel“ i.S.d. § 88 BörsG a.F. herleiten wollte, vgl. Lenzen, Eingriffe in die Börsenkursbildung, S. 221. Dazu bereits Abschnitte C.III.1.d) und E.II.1.c)(2). 255 Pfüller/Anders, WM 2003, 2445, 2449. 256 Field/Hanka, 56 Journal of Finance (2001), 471 haben für eine Vielzahl von „Lock up“-Vereinbarungen im US-amerikanischen Kapitalmarkt eine erhebliche Steigerung der Handelsaktivität direkt nach Ablauf der „Lock-up“-Frist und einen abnormalen Kursfall von 1,5% am ersten folgenden Handelstag festgestellt.

II. Das Wertpapierhandelsgesetz

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setzt voraus, dass „Geschäfte“ vorgenommen „oder Kauf- oder Verkaufaufträge“ erteilt werden. Dass der Begriff „Geschäfte“ ausschließlich kapitalmarktbezogene Transaktionen meint, erhellt sich nach einem Blick in die europäische Missbrauchsrichtlinie. Dort heißt es im englischen Originaltext „transactions or orders to trade“; vertragliche Vereinbarungen werden hiernach nicht erfasst. Nach richtlinienkonformer Auslegung257 des § 20a I 1 Nr. 2 WpHG ergibt sich also, dass hiervon weder „Lock-up“-Vereinbarungen noch „Penalty Bids“ verboten sein können. (4) Falsche oder irreführende Signale nach § 20a I 1 Nr. 2 Alt. 1 Nach § 20a I 1 Nr. 2 Alt. 1 WpHG ist es verboten, Geschäfte vorzunehmen oder Kauf- oder Verkaufaufträge zu erteilen, die geeignet sind, falsche oder irreführende Signale für das Angebot, die Nachfrage oder den Börsen- oder Marktpreis von Finanzinstrumenten zu geben. Es handelt sich dabei also weitgehend um Formen der sog. handelsgestützten Marktmanipulation258. In Betracht kommt also auch die Kursstabilisierung. Im Übrigen kann die Vorschrift als „Eignungs- oder abstrakt-konkreter oder potentieller Gefährdungstatbestand“ gesehen werden259, ist mithin sehr weit gefasst. Die Tatbestandsalternative dient der Umsetzung des Art. 1 Nr. 2 (a) der Missbrauchsrichtlinie 2003/6/EG260. Die Formulierung ist weitgehend261 wörtlich übernommen worden262. Ob aber diese Tatbestandsalternative auch die Kursstabilisierung erfassen soll, kann erneut weder der Missbrauchsrichtlinie noch dem AnSVG noch den entsprechenden Begründungen ausdrücklich entnommen werden. Das CESR, dessen Empfehlung ideelle Grundlage für diese Gesetzgebung ist, stellt in seinen Erwägungen im Zusammenhang mit der Kurspflege grundsätzlich eher auf die Gefahr des „künstlichen Preisniveaus“ als die der „irreführenden Signale“ ab. Ein Signal für das Angebot bzw. die Nachfrage bzw. den Preis liegt vor, wenn das Geschäft bzw. der Auftrag geeignet ist, das Angebots- bzw. Nachfrageverhalten auf Markt zu beeinflussen263. Dass Kursstabilisierungsmaßnahmen

_________ 257 Zur Notwendigkeit einer solchen vgl. nur Assmann in Assmann/Schneider, Einleitung, Rn. 69 ff. m.w.N. 258 Vogel in Assmann/Schneider, § 20a Rn. 113. 259 Vogel in Assmann/Schneider, § 20a Rn. 118. 260 Vgl. Begründung Referentenentwurf des AnSVG, Zu § 20a, Zu Absatz 1. 261 Allerdings wird auch hier nur auf die Eignung, falsche oder irreführende Signale zu geben, abgestellt. 262 Dazu auch Vogel in Assmann/Schneider, § 20a Rn. 111. 263 Vogel in Assmann/Schneider, § 20a Rn. 119.

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E. Rechtliche Grenzen der Kursstabilisierung in Deutschland

Signale / Informationen aussenden, die die Marktteilnehmern in ihren Investitionsentscheidungen beeinflussen (sollen), wurde oben264 schon dargelegt. Ob ein Einfluss auf das Handeln der Marktteilnehmer im Einzelfall tatsächlich gegeben ist, kommt es nicht einmal an, weil ein Signal auch dann ein Signal bleibt, wenn es von niemandem wahrgenommen oder beachtet wird, zumal, wie gesehen, sogar die entsprechende Eignung genügt265. Die MaKonV setzt die Ermächtigung aus § 20a V Nr. 2 WpHG zunächst einmal in gleicher Weise um wie schon für das „künstliche Preisniveau“: Es werden Anzeichen bestimmt, die darauf hindeuten können, dass „irreführende Signale“ vorhanden sind, vgl. § 3 I 1 MaKonV. Zudem nimmt § 3 II MaKonV eine weitere Konkretisierung vor, die zwar nicht auf das Merkmal des „künstlichen Preises“, aber doch auf das der „irreführenden Signale“ Anwendung findet. Die dort aufgeführten Regelbeispiele266 sind § 3 II Nr. 3 KuMaKV entnommen worden und dienen zugleich der Umsetzung des Art. 1 Nr. 2 (c) 2. Spiegelstrich der Missbrauchsrichtlinie 2003/6/EG267. In § 3 II Nr. 3 MaKonV heißt es, dass irreführende Signale in diesem Sinne auch durch Geschäfte oder einzelne Kauf- oder Verkaufsaufträge gegeben werden können, die „den unzutreffenden Eindruck wirtschaftlich begründeter Umsätze erwecken“. Damit sind nun auch effektive Rechtsgeschäfte definitiv in den Anwendungsbereich des § 20a I WpHG aufgenommen worden268. Die Begründung zur MaKonV verweist an der entsprechenden Stelle lediglich darauf, dass diese erlassene Vorschrift der KuMaKV entnommen worden sei. In der Begründung zur KuMaKV wurde betont, dass § 3 II Nr. 3 KuMaKV gerade auch effektive Rechtsgeschäfte erfassen solle, durch die der Eindruck erweckt werde, die Kursbewegungen seien auf Grund von legitimen, wirtschaftlich motivierten Umsätzen zustande gekommen. Das wiederum sei dann nicht der Fall, wenn nicht eine Investmentidee umgesetzt würde, sondern das Verhalten anderer Marktteilnehmer beeinflusst werden solle269. Die Täuschung liege dann darin, dass für die Marktteil-

_________ 264

Vgl. Abschnitt C.II.1.b). So Vogel in Assmann/Schneider, § 20a Rn. 119. 266 Des handelt sich dabei – im Gegensatz zu § 3 I MaKonV – um zwingende Beispiele, nicht nur um „Anzeichen“ oder „Indizien“. 267 Vgl. die Begründung zur MaKonV, Zu § 3. 268 Bisson/Kunz, BKR, 186, 187; Vogel in Assmann/Schneider, § 20a Rn. 113. 269 Genau diese entscheidende Differenzierung nehmen in diesem Zusammenhang auch US-amerikanische Gerichte vor, vgl. nur Markowski v. SEC, 274 F.3d 525 (D.C.Cir.2001). Freilich ist im Einzelfall schwer festzustellen, welche wirtschaftliche Begründung bzw. Motivation zu akzeptieren ist, vgl. Vogel in Assmann/Schneider, § 20a Rn. 136. 265

II. Das Wertpapierhandelsgesetz

155

nehmer nicht erkennbar sei, dass die Transaktion mit der Absicht vorgenommen worden ist, den Preis zu beeinflussen270. Das Tatbestandsmerkmal der „irreführenden Signale“ und die eben zitierten Ausführungen der MaKonV sowie der entsprechenden Begründungen machen deutlich, dass Kursstabilisierungsmaßnahmen von dieser Tatbestandsalternative erfasst sind. Hier werden Käufe durchgeführt, die nicht „wirtschaftlich begründet“ in diesem Sinne, nämlich nicht das Ergebnis einer Investmentidee sind271. Für die Marktteilnehmer ist im Zeitpunkt des Stabilisierungskaufes selbst nicht ohne Weiteres ersichtlich, was die Motivation dieser Transaktion ist, nämlich dass sie mit der „bloßen“ Absicht vorgenommen wird, den Preis zu beeinflussen272. Auch die Vorschrift des § 20a I 1 Nr. 2 Alt. 1 WpHG lässt die Kurspflege also unter den Manipulationstatbestand fallen273. (5) Verschweigen bewertungserheblicher Umstände nach § 20a I 1 Nr. 1 Nach § 20a I 1 Nr. 1 WpHG ist es unter anderem verboten, bewertungserhebliche Umstände entgegen bestehender Rechtsvorschriften zu verschweigen, wenn die Angaben oder das Verschweigen geeignet sind, auf den inländischen Börsen- oder Marktpreis eines Finanzinstruments einzuwirken.

_________ 270

Vgl. die Begründung zur KuMaKV, S. 12. Der Begründung zur inzwischen aufgehobenen KuMaKV kommt hier deshalb noch eigenständige Bedeutung zu, weil der Verordnungsgeber insoweit gerade nicht ein Regelbeispiel aus der europäischen Missbrauchsrichtlinie 2003/6/EG oder der Richtlinie des Kommission 2003/124/EG in die deutsche Verordnung übernommen, sondern sich bei dem Entwurf dieses Teils der MaKonV – trotz Umsetzungsgebot der Richtlinie – ausdrücklich an der aufzuhebenden KuMaKV orientiert hat. 271 Auch die SEC stellt erneut auf die mit der Kurspflege einhergehende Irreführung ab, wenn es heißt, dass die Regulation M den Zweck habe, die „misleading appearance of active trading in the market for the security“ zu vermeiden, vgl. SEC Release Nos. 33-8511, 34-50831 (2004), S. 7. 272 Insoweit ist auch nicht zutreffend, wie jedoch Meyer meint, vgl. Meyer AG 2004, 289, 299, dass der Stabilisierende dieser Tatbestandsalternative dadurch „entkommen“ könnte, dass er die geforderte Publizierung vornimmt. Denn solange die Marktteilnehmer nicht tatsächlich im Zeitpunkt des Stabilisierungskaufes selbst darüber aufgeklärt werden, dass es sich hier um einen „nicht wirtschaftlich begründeten“, sondern um einen reinen Stützungskauf handelt, kann das der Stabilisierung innewohnende Täuschungselement nicht vollständig beseitigt werden. 273 Lock-up-Vereinbarungen können aber auch von dieser Alternative nicht erfasst sein, da es sich auch insoweit nicht um ein „Geschäft“ i.S.d. Tatbestandes handelt.

156

E. Rechtliche Grenzen der Kursstabilisierung in Deutschland

(a) Stabilisierungskäufe Im Fall der Kurspflege ist ein Verstoß gegen die Gebote des Wertpapierprospektgesetzes (WpPG) denkbar274. Nach § 7 WpPG i.V.m. der VO (EG) 809/2004 der Kommission muss der Prospekt angeben, dass möglicherweise eine Kursstabilisierungsmaßnahme durchgeführt wird, diese aber nicht garantiert wird und jederzeit beendet werden kann; dass Stabilisierungsmaßnahmen auf die Stützung des Marktkurses der relevanten Wertpapiere abzielen; wann der Zeitraum, innerhalb dessen die Maßnahme durchgeführt werde könnte, beginnt und endet; welche Person für die Durchführung der Maßnahme zuständig ist; ob die Möglichkeit einer Überzeichnung oder Greenshoe-Option besteht, und wenn ja, in welchem Umfang, in welchem Zeitraum die GreenshoeOption ausgeübt werden soll und welche Voraussetzungen gegebenenfalls für eine Überzeichnung oder die Ausübung der Greenshoe-Option erfüllt sein müssen. Sollten diese Informationen entgegen der insoweit klaren Regelungsgebote nicht veröffentlichen werden, kommt ein Verstoß gegen § 20a I 1 Nr. 1 WpHG in Betracht. Denn aufgrund der zwar weder eindeutig vorhersehbaren noch einheitlich beurteilbaren, aber jedenfalls mit hoher Wahrscheinlichkeit vorhandenen wirtschaftlichen Auswirkungen der Kurspflege ist das Verschweigen dieser Angaben abstrakt geeignet, auf den inländischen Börsen- oder Marktpreis einzuwirken275. Der Umstand, dass Stabilisierungskäufe zu einem späteren Zeitpunkt möglicherweise stattfinden, ist auch bewertungserheblich276. Nach § 2 I 1 MaKonV sind Tatsachen und Werturteile bewertungserheblich, die ein verständiger Anleger bei seiner Anlageentscheidung berücksichtigen würde. In Anbetracht des Kursbeeinflussungspotentials werden Investoren die Frage einer der Platzierung folgenden – etwaigen – Stabilisierung bei ihrer Zeichnungsentscheidung in jedem Fall berücksichtigen277.

_________ 274 Denkbar ist auch ein Verstoß gegen § 15 WpHG, sofern sich daraus eine entsprechende Veröffentlichungspflicht ergibt, vgl. Groß in GS Bosch, S. 49, 64. Zu § 15 in diesem Zusammenhang noch unten Abschnitt E.II.4. Dass auch ein Verstoß gegen Propekt-Publizitätspflichten in diesem Zusammenhang relevant sein kann, stellt Vogel ausdrücklich fest, vgl. Vogel in Assmann/Schneider, § 20a Rn. 87. 275 Vgl. dazu ausführlich den Abschnitt C.II.1. Im Übrigen auch Vogel in Assmann/Schneider, § 20a Rn. 90. 276 Das Kriterium dient in erster Linie dazu, Bagatellfälle, nämlich Täuschungen, die sich auf nach der Verkehrsauffassung unerhebliches beziehen, auszuklammern, vgl. Vogel in Assmann/Schneider, § 20a Rn. 51 und 55. 277 Es sind insoweit die gleichen Maßstäbe anzulegen wie in § 13 WpHG, vgl. Schwintek, Anlegerschutzverbesserungsgesetz, S.59. Dazu siehe noch unten Abschnitt E.II.2.a)(2).

II. Das Wertpapierhandelsgesetz

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Ein Verstoß gegen § 20a I 1 Nr. 1 kann also vorliegen, falls eine entsprechende Publizierung unterblieben ist. Eine allgemeine Unzulässigkeit der Kursstabilisierung lässt sich dieser Tatbestandsvariante aber nicht entnehmen. (b) „Lock-up“-Vereinbarungen Eine weitreichende Bedeutung könnte diese Tatbestandsalternative auch für „Lock-up“-Vereinbarungen haben. Denn nach § 7 WpPG i.V.m. VO 809/2004 (ProspV)278 sind derartige Abreden im Verkaufsprospekt offenzulegen. Dabei müssen die beteiligten Parteien, Inhalt und Ausnahmen der Vereinbarung und der Gültigkeitszeitraum der „Lock-up“-Vereinbarung angegeben werden. Unterlässt der Emittent die Angaben, verschweigt er Umstände entgegen den bestehenden Rechtsvorschriften und verstößt damit gegen § 20a I 1 Nr. 1 WpHG, sofern die Umstände bewertungserheblich sind und ihr Verschweigen geeignet ist, auf den inländischen Börsen- oder Marktpreis einzuwirken. Dass auch „Lock-up“-Vereinbarungen geeignet sind, den Aktienkurs deutlich zu stützen, wurde bereits oben279 dargestellt. Deshalb kann auch davon ausgegangen werden, dass sich die Wertschätzung des Papiers durch die Anleger ändert, wenn sie erfahren, dass derartige Vereinbarungen getroffen wurden. Das entsprechende Verschweigen ist deshalb geeignet, auf den Kurs einzuwirken. Aus den gleichen Gründen ist die Vereinbarung von „Lock-ups“ auch bewertungserheblich im Sinne des § 2 MaKonV. Ein Verstoß gegen § 20a I 1 Nr. 1 WpHG kann also dann vorliegen, wenn etwaige „Lock-up“-Vereinbarungen nicht hinreichend bekannt gemacht werden. Dass aber sogar ein wirtschaftlicher Anreiz besteht, eine eben solche Publizierung vorzunehmen, wurde oben280 bereits erwähnt. (6) Zusammenfassung Abschließend bleibt also festzuhalten, dass Stabilisierungskäufe eine „sonstige Täuschungshandlung“ im Sinne des § 20a I 1 Nr. 3 WpHG darstellen können, insbesondere da die Marktteilnehmer an einem Kapitalmarkt darauf vertrauen dürfen, dass der Preis das Ergebnis der Wertbeurteilung aller Teilnehmer ist.

_________ 278 Dort Art. 6 i.V.m. Anhang III („Mindestangaben für die Wertpapierbeschreibung für Aktien“), Zi. 7.3; Art. 13 i.V.m. Anhang X („Mindestangaben für Zertifikate, die Aktien vertreten“), Zi. 27.14. 809/2004. 279 Abschnitt C.II.2. 280 Abschnitt C.II.2. Zu der Bestätigung dieser Vermutung durch die jüngste Praxis bei Wertpapieremissionen vgl. schon Fußnote 117.

158

E. Rechtliche Grenzen der Kursstabilisierung in Deutschland

Das Merkmal des „künstlichen Preisniveaus“ in § 20a I 1 Nr. 2 Alt. 2 WpHG an sich ist schwierig zu definieren, weil eine Abgrenzung zwischen „künstlichem“ und „natürlichem“ Preis nicht wirklich vorgenommen werden kann. Aufgrund des manipulativen Charakters der Kurspflege kann aber gleichwohl festgehalten werden, dass der Gesetzgeber davon ausging, dass die Kursstabilisierung einen „künstlichen Preis“ herbeiführt oder – in jedem Fall – herbeizuführen geeignet ist. Für dieses Ergebnis bedarf es im Einzelfall nicht der Feststellung, ob das Preisniveau am Ende tatsächlich „künstlich“ ist oder nicht. Auch können zwar vertragliche Veräußerungsbeschränkungen ein „künstliches Preisniveau“ herbeiführen; sie sind aber keine „Geschäfte“ im Sinne des Tatbestands. Zusätzlich werden Stabilisierungskäufe von dem Merkmal der „irreführenden Signale“ nach § 20a I 1 Nr. 2 Alt. 1 WpHG erfasst. Das ist zum einen in Anbetracht der MaKonV und ihrer amtlichen Begründung eindeutig, da in solchen Fällen gerade keine Investmentidee umgesetzt wird. Zum anderen ist dieses Ergebnis auch besonders eingängig vor dem Hintergrund der wirtschaftlichen Funktionsweise der Marktpreisstabilisierung. Sie funktioniert zu einem gewissen Teil gerade deshalb, weil den restlichen Marktteilnehmern suggeriert wird, dass das Wertpapier stark nachgefragt werde (Informationseffekt). In Einzelfällen kann zudem ein Verstoß gegen § 20a I 1 Nr. 1 vorliegen. Das ist dann der Fall, wenn der Emissionsprospekt den wertpapierprospektrechtlichen Anforderungen insoweit nicht hinreichend nachkommt. Es liegt dann ein Verschweigen entgegen der bestehenden Rechtsvorschriften vor. Das gilt für Stabilisierungskäufe und „Lock-up“-Vereinbarungen gleichermaßen. Die Kurspflege in Form von Stabilisierungskäufen wird also in jedem Fall zunächst einmal vom Manipulationsverbot des § 20a I WpHG erfasst und kann allenfalls über die Ausnahmeregelungen in den Absätzen 2 und 3 sowie den dazu erlassenen oder zu erlassenden Verordnungen von dem Verbot befreit werden. „Lock-up“-Vereinbarungen hingegen stellen nur unter bestimmten Umständen einen Verstoß gegen das Manipulationsverbot dar. Dass der moderne Gesetzgeber nicht von einer generellen Unzulässigkeit vertraglicher Veräußerungsbeschränkungen ausgeht, wird auch dadurch deutlich, dass er über § 7 WpPG i.V.m. der Prospektverordnung eine Publizierung derartiger Abreden vorgesehen hat. d) § 20 a III WpHG und die EG-Verordnung Nr. 2273/2003 Wurde vorstehend festgestellt, dass Kursstabilisierungsmaßnahmen grundsätzlich unter den Manipulationstatbestand des § 20a WpHG fallen können, stellt sich die Frage, unter welchen Umständen und in welchem Maße solche Aktivitäten gleichwohl rechtmäßig sein können. Dass ein gewisses wirtschaftli-

II. Das Wertpapierhandelsgesetz

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ches Interesse an ihrer Zulässigkeit besteht, wurde oben281 bereits aufgezeigt. In diesem Zusammenhang hat die europäische Kommission die AusnahmeVerordnung 2273/2003 erlassen, die die Kurspflege unter bestimmten Umständen von dem in dem jeweiligen Mitgliedsstaat geltenden Manipulationsverbot ausnimmt. (1) Überblick über den Regelungskomplex Mit der Einführung des AnSVG ist der deutsche Gesetzgeber dem Gebot der europäischen Missbrauchsrichtlinie282 nachgekommen, in der den Mitgliedstaaten durch Art. 5 aufgegeben worden war, Manipulationen im Sinne des Art. 1 Nr. 2 der Richtlinie zu untersagen. Der deutsche Gesetzgeber hat die Definition des Art. 1 Nr. 2 – wie gesehen – weitgehend fast wortgleich übernommen und in den Manipulationstatbestand des § 20a I WpHG integriert. Gleichzeitig hatte die Missbrauchsrichtlinie aber in Art. 8 auch vorgesehen, dass Stabilisierungsmaßnahmen, die in Einklang stehen mit den Vorschriften der auf Stufe 2 des so genannten Lamfalussy-Verfahrens283 erlassenen Durchführungs-Verordnung, von dem entsprechenden Manipulationsverbot der Mitgliedstaaten ausgenommen werden sollen. Die Verordnung – VO 2273/2003 – wurde in diesem Zuge von der Kommission im Dezember 2003 erlassen und findet seither284 mit ihren Ausnahmen zu § 20a WpHG direkte Anwendung im jeweiligen nationalen Recht. Der Gesetzgeber hat zudem Absatz 3 in § 20a WpHG eingeführt, der nun ausdrücklich klarstellt, dass Maßnahmen zur Stabilisierung des Preises von Finanzierungsin-

_________ 281

Vgl. den Abschnitt C.II.2. Richtlinie 2003/6/EG des Europäischen Parlaments. 283 Das Lamfalussy-Verfahren basiert auf vier Stufen. Auf Stufe eins werden die Grundsätze für eine Rahmenregelung sowie die der Kommission einzuräumenden Durchführungsbefugnisse festgelegt. Auf Stufe zwei holt die Komission den Rat des CESR ein. Die Kommission prüft die Ratschläge des CESR und unterbreitet dem Europäischen Wirtschaftsausschuss einen Vorschlag, über den der Ausschuss innerhalb von drei Monaten abstimmt. Anschließend nimmt die Kommission die Maßnahmen an. Das CESR erarbeitet auf Stufe drei gemeinsame Empfehlungen zu Auslegungfragen, gemeinsame Standards und Leitlinien. Auf Stufe vier überwacht die Kommission die Einhaltung der EU-Rechtsvorschriften durch die Mitgliedsstaaten. 284 Das ist nicht ganz unstreitig. Teilweise wurde die Verordnung auch erst mit der eigentlichen Umsetzung der Missbrauchsrichtlinie im Oktober 2004 für anwendbar gehalten. Für eine sofortige Anwendbarkeit vor allem Streinz/Ohler, WM 2004, 1309, 1314; Vogel in Assmann/Schneider, § 20a Rn. 16; Meißner, Stabilisierung und Pflege von Aktienkursen, S. 139 f; etwas differenzierender Meyer, AG 2004, 289, 295; a.A. Schwintek, Anlegerschutzverbesserungsgesetz, S. 67. Zum damaligen Streitstand auch ausführlich Leppert/Stürwald, ZBB 2004, 302, 305. Jedenfalls seit dem AnSVG ist die Anwendbarkeit der VO 2273/2003 unstreitig, so auch Feuring in Habersack/Mülbert/Schlitt, § 27 Rn. 11. 282

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E. Rechtliche Grenzen der Kursstabilisierung in Deutschland

strumenten in keinem Fall einen Verstoß gegen das Manipulationsverbot des Absatz 1 darstellen, sofern diese unter Einhaltung der VO 2273/2003 der Kommission erfolgen. Zusätzlich ist die auch schon vor dem Inkrafttreten des AnSVG geltende Ermächtigung beibehalten worden285, wonach auch das Bundesfinanzministerium Vorschriften erlassen kann, die Maßnahmen beschreiben, die in keinem Fall einen Verstoß gegen das Manipulationsverbot darstellen, vgl. § 20a V Nr. 4 WpHG. Das Bundesministerium der Finanzen hat jedoch in dem daraufhin eingeführten § 5 MaKonV keine eigenen Ausnahmetatbestände aufgeführt, sondern lediglich erneut auf die europäische Verordnung verwiesen. Ausweislich der amtlichen Begründung sieht das Ministerium diese als vorrangig an, da sie unmittelbar geltendes Recht sei, und sieht insoweit auch keinen Gestaltungsspielraum mehr für den nationalen Verordnungsgeber. Ein solcher „Regelungsverzicht“ war bereits zuvor teilweise286 deutlich gefordert worden. Im Übrigen sieht § 20a II WpHG vor, dass das Verbot des Absatzes 1 Satz 1 Nr. 2 nicht gilt, wenn die Handlung mit der zulässigen Marktpraxis vereinbar ist und der Handelnde hierfür legitime Gründe hat. Als zulässige Marktpraxis gelten dabei nur solche Gepflogenheiten, die auf dem jeweiligen Markt nach vernünftigem Ermessen erwartet werden können und von der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht als zulässige Marktpraxis anerkannt werden. Durch die Ermöglichung einer solchen (Sub)Delegation besteht nach Auffassung des Gesetzgebers die Möglichkeit, auf neue Manipulationstechniken schneller reagieren zu können287. Denkbar ist hier grundsätzlich, dass auch die Stabilisierung oder einzelne Aspekte288 davon – zusätzlich zu der Freistellung nach § 20a III WpHG i.V.m. der VO 2273/2003 – als zulässige Marktpraxis anerkannt werden. (2) Die VO 2273/2003 als Safe Harbor Die europäische Verordnung VO 2273/2003 stellt einen sog. Safe Harbor dar. Diese Regelungstechnik ist insbesondere aus dem US-amerikanischen Kapitalmarktrecht bekannt. Dort ist beispielsweise Rule 10b-18 zum Securities Exchange Act (Rückkauf eigener Aktien des Emittenten) – nicht aber die sich mit der Stabilisierung befassende Regulation M – als Safe Harbor ausgestaltet.

_________ 285 So auch vor dem AnSVG § 20a II 1 WpHG, woraufhin der Erlass der KuMaKV erfolgte. 286 Streinz/Ohler, WM 2004, 1309, 1314. 287 Begründung zum Vierten Finanzmarktförderungsgesetz, BT-Drucks. 14/8017, S. 90. 288 So der Vorschlag von Feuring in Habersack/Mülbert/Schlitt, § 27 Rn. 18.

II. Das Wertpapierhandelsgesetz

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Die Einordnung eines Normenkomplexes als Safe Harbor bedeutet, dass Maßnahmen, die sich an die dortigen Vorgaben halten, in jedem Fall zulässig sind, dass aber umgekehrt nicht alle Maßnahmen unweigerlich unzulässig sind, nur weil sie die Anforderungen des Safe Harbor nicht erfüllen. Dogmatisch gesprochen, handelt es sich um sog.Tatbestandsausschlussgründe289. Auch die KuMaKV war letztlich als Safe Harbor ausgestaltet, wenngleich diesbezüglich gewisse Verwirrung290 bestand. Die Begründung der KuMaKV war insoweit missverständlich, als es dort hieß, Stabilisierungsmaßnahmen seien nur in den Grenzen der KuMaKV zulässig291 und § 7 KuMaKV lege die zeitlichen Grenzen zulässiger Stabilisierungsmaßnahmen fest292. Die Begründung machte jedoch an anderer Stelle folgende Aussage, die aufgrund ihrer Eindeutigkeit die entstandenen Missverständnisse ausräumte: „Außerhalb des Safe Harbor liegende Handlungen können, müssen aber nicht die Voraussetzungen des Verbotstatbestandes von § 20a I WpHG a.F. erfüllen“293. Das stärkste Argument war aber m.E. der Wortlaut des § 20a WpHG selbst. Das Bundesministerium wurde in Absatz 2 Nummer 3 ausschließlich dazu ermächtigt, Handlungen und Unterlassungen festzulegen, die „in keinem Fall“ einen Verstoß gegen Absatz 1 darstellen. Zum Erlass einer abschließenden Regelung war der Verordnungsgeber folglich gar nicht befugt. Zunächst einmal ist der Wortlaut der nunmehr geltenden europäischen Regelungen ebenfalls nicht ganz eindeutig. Art. 8 der Missbrauchsrichtlinie, die im Sinne einer gemeinschaftsrechtlichen Auslegung zu berücksichtigen ist, sagt, dass die entsprechenden Missbrauchstatbestände dann keine Anwendung finden sollen, wenn sie sich im Rahmen der Vorgaben der VO 2273/2003 halten. Dieser Formulierung kann aber zunächst einmal nicht entnommen werden, ob die zu schaffenden Ausnahmetatbestände abschließend sein sollen oder nicht. Eindeutig hingegen ist der Erwägungsgrund (2) der VO 2273/2003, in dem es heißt, dass solche Maßnahmen, die nicht im Einklang mit der Verordnung stehen, nicht per se als Marktmissbrauch gewertet werden sollten. Dasselbe ergibt sich auch aus den Empfehlungen des CESR, die als Auslegungshilfe herangezogen werden können294; hier wurde explizit der Erlass von Safe Harbor-

_________ 289

Vogel in Assmann/Schneider, § 20a Rn. 195. Siehe die umfassender Darstellung bei Vogel, WM 2003, 2437, 2442; auch noch Meyer, AG 2004, 289, Fn. 32 oder Schlitt/Schäfer, AG 2004, 346, 356. 291 Begründung zur KuMaKV, BR-Drucks 639/03, S. 13. 292 Begründung zur KuMaKV, BR-Drucks 639/03, S. 15. 293 Begründung zur KuMaKV, BR-Drucks 639/03, S. 13. 294 Vgl. Feuring in Habersack/Mülbert/Schlitt, § 27 Rn. 14. 290

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E. Rechtliche Grenzen der Kursstabilisierung in Deutschland

Regelungen vorgeschlagen295. Diesen Empfehlungen sind die europäischen Gesetz- und Verordnungsgeber weitgehend gefolgt. So ist man sich im Schrifttum auch einig, dass es sich bei den Vorschriften der VO 2773/2003 um einen Safe Harbor in dem vorgenannten Sinne handelt296. Das bedeutet, dass nicht jede Nicht-Einhaltung der Vorschriften gleich zu einem Verbot nach § 20a WpHG führt. Aufgrund des nunmehr sehr weiten Tatbestands des § 20a WpHG, der die Kurspflege gleich unter mehreren Gesichtspunkten erfasst297, bleibt jedoch nur ein kleiner Spielraum für Maßnahmen, die zwar nicht durch VO 2273/2002 befreit sind, jedoch trotzdem rechtmäßig sind. Darauf soll an späterer Stelle zurück gekommen werden. (3) Zulässige Maßnahmen nach VO 2273/2003 Die Verordnung VO 2273/2003 der Europäischen Kommission ist in vier Abschnitte unterteilt: Kapitel I definiert verschiedene, für die Interpretation der Verordnung wichtige Rechtsbegriffe, Kapitel II beschäftigt sich mit der Zulässigkeit von Rückkaufprogrammen, Kapitel III enthält die Regelungen über Stabilisierungsmaßnahmen, Kapitel IV besteht lediglich aus einer Schlussvorschrift. Entscheidend für die vorliegende Arbeit sind insebesondere die den Abschnitt III konstituierenden Art. 7 ff. Art. 8 regelt dabei die zeitlichen Grenzen erlaubter Stabilisierungsmaßnahmen, Art. 9 deren Offenlegungs- und Berichtspflichten. In Art. 10 werden Bestimmungen zur Höhe des Stabilisierungspreises getroffen, Art. 11 betrifft unterstützende Maßnahmen wie die sog. Greenshoe-Vereinbarung. Im Folgenden sollen die Voraussetzungen und rechtlichen Problembereiche der einzelnen Vorschriften diskutiert werden. (a) Ausgangspunkt: Die Definition der Stabilisierung Stabilisierung meint jeden „Kauf bzw. jedes Angebot zum Kauf relevanter Wertpapiere und jede Transaktion mit vergleichbaren verbundenen Instrumenten, die Wertpapierhäuser oder Kreditinstitute im Rahmen eines signifikanten Zeichnungsangebotes für diese Wertpapiere mit dem alleinigen Ziel tätigen,

_________ 295

CESR/02-089d vom Dezember 2002, S. 33 oben und Ziffer 127 sowie CESR/02020b vom April 2002, S. 4 und S. 9. 296 Vgl. nur Vogel, WM 2003, 2437, 2444; ders. in Assmann/Schneider, § 20a Rn. 194; Holzborn/Israel, WM 2004, 1948, 1954; Geber/zur Megede, BB 2005, 1861; Meyer, AG 2004, 289, 295; Feuring in Habersack/Mülbert/Schlitt, § 27 Rn. 13; Leppert/Stürwald, ZBB 2004, 302, 304; Schlitt/Schäfer, AG 2004, 346, 356; Groß in GS Bosch, S. 49, 53; Schwintek, Anlegerschutzverbesserungsgesetz, S. 67. 297 Vgl. die obige Diskussion im Abschnitt E.II.1.b).

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den Marktkurs dieser relevanten Wertpapiere für einen im Voraus bestimmten Zeitraum zu stützen, wenn auf diese Wertpapiere Verkaufsdruck besteht“, so die Definition in Art. 2 Nr. 7 VO 2773/2003. „Relevante Wertpapiere“ im Sinne dieser Definition sind Wertpapiere im Sinne der Missbrauchsrichtlinie, die zum Handel auf einem geregelten Markt zugelassen sind oder für die ein Antrag auf Zulassung zum Handel auf einem solchen Markt gestellt wurde, und für die ein „signifikantes Zeichnungsangebot“ besteht, Art. 2 Nr. 6. Das bedeutet zunächst, dass schon jedes Angebot, nicht erst der Kauf des Wertpapiers eine vollendete Stabilisierungsmaßnahme darstellt und somit zur Offenlegungspflicht nach Art. 9 führen kann. Bemerkenswert ist insoweit auch, dass vertragliche Veräußerungsverbote von dieser Definition nicht erfasst sind298. Sie finden weder in den Dokumenten, Begründungen oder Gesetzen auf europäischer Ebene noch in denen auf deutscher Ebene ausdrückliche Erwähnung. (b) „Signifikantes Zeichnungsangebot“ „Signifikantes Zeichnungsangebot“ meint eine öffentlich angekündigte Erstoder Zweitplatzierung relevanter Wertpapiere, die sich sowohl hinsichtlich des Werts der angebotenen Wertpapiere als auch hinsichtlich der Verkaufsmethoden vom üblichen Handel unterscheidet299.

(aa) Privatplatzierungen Die Definition setzt also kein öffentliches Angebot voraus, sondern verwendet nur die insofern weiter gefasste Formulierung300 der „öffentlichen Ankündigung“. Hierin besteht einer der Hauptunterschiede zu den Vorschriften der KuMaKV. Nunmehr sind auch Privatplatzierungen erfasst, sofern sie öffentlich angekündigt werden301. Bei einer Privatplatzierung werden die Wertpapiere individuell und nicht im Wege einer invitatio ad offerendum einem unbestimm-

_________ 298

Für eine Aufnahme in den Safe Harbor auch Pfüller/Anders, WM 2004, 2445,

2449. 299 Hier besteht eine starke Ähnlichkeit zu der Definition der in Regulation M zumindest teilweise relevanten „Distribution“: „Distribution means an offering of securitites, […], that is distinguished from ordinary trading transactions by the magnitude of the offering and the presence of special selling efforts and selling methods“. 300 Vgl. Feuring, in Habersack/Mülbert/Schlitt, § 27 Rn. 16. 301 Vgl. Feuring, in Habersack/Mülbert/Schlitt, § 27 Rn. 16; Meyer, AG 2004, 289, 298; ders. in Marsch-Barner/Schäfer, § 7 Rn. 70; Leppert/Stürwald, ZBB 2004, 302, 310; Groß in GS Bosch, S. 49, 60; A.A. wohl Vogel, der lediglich „initial oder secondary public offerings“ als erfasst ansieht, Vogel in Assmann/Schneider, § 20a Rn. 195.

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E. Rechtliche Grenzen der Kursstabilisierung in Deutschland

ten Personenkreis zum „Kauf“ angeboten302. Die auf diese Weise erfolgende Befreiung auch solcher Platzierungsarten steht im Einklang mit den CESREmpfehlungen303. Für Diskussionsbedarf hat Erwägungsgrund (14) der Verordnung gesorgt304. Dieser besagt, dass der reine „Handel mit Wertpapierblöcken nicht von der Safe Harbor-Wirkung der Verordnung erfasst sein soll, da es sich dabei lediglich um Privattransaktionen handele. Teilweise wurde argumentiert, dass „block trades“ von der Definition der Stabilisierung grundsätzlich erfasst seien und Erwägungsgrund (14) lediglich eine „Ausnahme“ dazu darstelle305. Nur reine Umplatzierungen mit bereits im Vorhinein feststehender Verkäufer- und Käuferseite fielen nicht unter die VO 2273/2003“306. M.E. kann der Begriff „block trade“ aber nicht ganz so eng verstanden werden. Vielmehr versteht man darunter im Allgemeinen den Verkauf eines Pakets börsennotierter Aktien im Rahmen einer Privatplatzierung an institutionelle Investoren. Der Unterschied zu anderen Zweitplatzierungen ist lediglich, dass es normalerweise gerade nicht um einen Verkauf geht, der mit umfangreichen Vertriebsmaßnahmen verbunden ist. Nach dieser Definition braucht Erwägungsgrund (14) aber nicht als „Ausnahme“ zu Art. 2 Nr. 9 gesehen werden. Vielmehr handelt es sich lediglich um eine Erläuterung, weshalb die Definition erstens eine „öffentliche Ankündigung“ und zweitens eine Transaktion verlangt, die sich sowohl hinsichtlich des Werts der angebotenen Wertpapiere als auch hinsichtlich der Verkaufsmethoden vom üblichen Handel unterscheidet. Werden diese Voraussetzungen eingehalten, handelt es sich ohnehin nicht mehr um eine Blocktransaktion, die „ausschließlich eine Privatplatzierung“ darstellt. Die Frage, ob ein „Verstoß“307 gegen Erwägungsgrund (14) vorliegt, stellt sich dann nicht mehr. Diese Auffassung wird auch durch die Ausführungen in den CESR-Empfehlungen308 gestützt, in denen die Nicht-Erfassung der „block trades“ als automatische Konsequenz der in der Empfehlung und der Verordnung gleichermaßen vorgenommenen Definition dargestellt wird. Es bedarf

_________ 302 Meißner, Stabilisierung und Pflege von Aktienkursen, S. 141; Lenenbach, Kapitalmarkt- und Börsenrecht, Rn. 7.6. f.; Schäfer in Schwintowski/Schäfer, § 23 Rn. 14. 303 CESR /02-089d vom Dezember 2002, Definitionen nach Zi. 147. 304 Vgl. Feuring, in Habersack/Mülbert/Schlitt, § 27 Rn. 17; Leppert/Stürwald, ZBB 2004, 302, 310. 305 Feuring, in Habersack/Mülbert/Schlitt, § 27 Rn. 17. 306 Feuring, in Habersack/Mülbert/Schlitt, § 27 Rn. 17. 307 Streng genommen kann gegen einen Erwägungsgrund ohnehin nicht verstoßen werden. Vielmehr kann dieser (nur) als Auslegungshilfe herangezogen werden, vgl. Schnorbus, AcP (2001), 860, 866. So natürlich auch zutreffend Feuring, in Habersack/Mülbert/Schlitt, § 27 Rn. 17. 308 CESR /02-089d vom Dezember 2002, Definitionen nach Zi. 147.

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somit keiner über die Auslegung der obigen Definition hinausgehenden Interpretation des in Erwägungsgrund (14) verwendeten Begriffes „Handel mit Wertpapierblöcken“. § 4 III KuMaKV hatte ausschließlich solche Stabilisierungsmaßnahmen legitimiert, die im Anschluss an ein erstmaliges öffentliches Angebot von Wertpapieren oder im Rahmen eines öffentlichen Angebots bei einer Sekundärplatzierung von Wertpapieren durchgeführt wurden. Die insoweit enge Fassung des Safe Harbor war teilweise kritisiert309 worden. Sie sei unangebracht, da auch bei Privatplatzierungen ein Bedarf für Stabilisierungsmaßnahmen und deren Offenlegung bestehe310, und da es sich auch bei der Kurspflege nach Privatplatzierungen um eine Verhaltensweise handle, die der „Aufrechterhaltung geordneter Marktverhältnisse“ diene311. Ob die nun erfolgte Legitimierung von Stabilisierungsmaßnahmen auch nach Privatplatzierungen wirtschaftlich sinnvoll ist, kann in dieser Allgemeinheit kaum abschließend beantwortet werden. Für eine Legitimierung spricht, dass von Privatplatzierungen, die hauptsächlich mit der Zuteilung an institutionelle – vermutlich gut informierte – Anleger durchgeführt werden, das von der Stabilisierung ausgehende Täuschungspotential vergleichsweise niedrig ist. Auf der anderen Seite aber wird das Bedürfnis zur Stabilisierung auch nicht so groß sein wie bei Erstemissionen, da gezielt ausgewählte institutionelle Anleger in der Mehrheit der Fälle weniger dazu neigen werden, die zumeist als längerfristige Anlage erworbenen Wertpapiere sofort wieder zu veräußern312; das Flipping als Hauptgrund für die starken Kursschwankungen besteht dann – wenn überhaupt – in nur geringem Maße. Bemerkenswert ist, dass die US-amerikanische Regulation M seit jeher auch Stabilisierungsmaßnahmen zulässt, die bloße Privatplatzierungen unterstützen sollen313. Schlechte Erfahrungen hat man hier wohl nicht gemacht, da selbst in den neuesten und recht umfassenden, die Anforderungen an die Kursstabilisierung verschärfenden Vorschlägen der SEC314, insoweit kein Änderungsverlangen zu erkennen ist.

_________ 309

So auch Meißner, Stabilisierung und Pflege von Aktienkursen, S. 141 der hier verschiedene Stellungnahmen von Investmentbanken anführt. 310 Pfüller/Anders, WM 2003, 2445, 2450; für die wirtschaftliche Notwendigkeit von Kurspflegemaßnahmen auch im Anschluss an sog. „block trades“ Schlitt/Schäfer, AG 2004, 346, 357. Groß in GS Bosch, S. 49, 60 nun für die Erfassung der Privatplatzierungen durch die VO 2273/2003. 311 Meyer, AG 2004, 289, 298. 312 A.A. Meyer, AG 2004, 289, 298, der – allerdings ohne empirischen Nachweise – vorträgt, dass es oft gerade institutionelle Investoren seien, die sich kurzfristig wieder von den erworbenen Papieren trennten. 313 Vgl. den obigen Abschnitt D.III.1. 314 SEC Release Nos. 33-8511, 34-50831 (2004).

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E. Rechtliche Grenzen der Kursstabilisierung in Deutschland

(bb) Sekundärplatzierungen Hinterfragt werden kann auch, ob neben der Kursstabilisierung nach Erstauch die nach Zweitplatzierungen zugelassen werden sollte. Der Normtext der Verordnung ist insoweit eindeutig; der Verordnungsgeber hat die Zweitplatzierung nicht nur direkt in die oben bereits zitierte Definition aufgenommen, sondern in Art. 8 VO 2273/2003 auch verschiedene Anfangszeitpunkte für den Lauf der 30-Tage Frist vorgesehen. Erfasst werden also Kapitalerhöhungen315 und unter Umständen auch Umplatzierungen bereits zuvor emittierter Wertpapiere316, soweit die Anforderungen der obigen Definition an das „Zeichnungsangebot“ erfüllt sind317. In der Literatur wurde teilweise argumentiert, dass bei Sekundärplatzierungen ein Bedürfnis für Stabilisierung nicht bestehe, weil man sich in diesen Fällen bereits an einem vorhandenen Marktwert orientieren könne318. In der Tat ist auch319 in diesen Fällen zwar das Täuschungspotential der Stabilisierungsmaßnahmen gerade wegen der bereits gefestigten Einschätzung durch den Markt kleiner, auf der anderen Seite aber auch der Bedarf an Stabilisierung gleichermaßen geringer, da allzu große Kursschwankungen nach einer Zweitplatzierung zumeist nicht auftreten werden. Die Kurspflege im Rahmen von Sekundärplatzierungen hat auch die KuMaKV schon zugelassen, vgl. § 4 III KuMaKV. (c) „Verbundene Instrumente“ Es ist denkbar, dass der Kurs eines emittierten Papiers nicht durch direkte Einwirkung auf das Wertpapier selbst, sondern durch Rechtsgeschäfte in den damit zusammenhängenden Positionen stabilisiert wird. Die Definition für Stabilisierungsmaßnahmen sieht daher – wie gesehen – vor, dass auch Transak-

_________ 315 Zur Einordnung der Kapitalerhöhungen als Sekundär-, nicht als Primärplatzierung siehe noch den Abschnitt E.II.1.d)(3)(f). Im Rahmen der KuMaKV noch war das anders. 316 Leppert/Stürwald, ZBB 2004, 302, 310; Meyer in Marsch-Barner/Schäfer, § 13 Rn. 70. Für die Erfassung auch dieser Umplatzierungen spricht insbesondere, dass aufgrund der etwas unscharfen Formulierung der Europäischen Kommission – wie später noch zu sehen sein wird – nicht einmal ganz geklärt ist, ob Kapitalerhöhungen hier überhaupt als Sekundärplatzierungen anzusehen sind. Wären diese als Primärplatzierungen einzuordnen, müsste die Neuplatzierung bereits zuvor emittierter Papiere gezwungenermaßen eine Sekundärplatzierung sein, da diese Definitionsalternative andernfalls leer liefe. 317 Insbesondere bei der bloßen Umplatzierung der Wertpapiere dürfte das in der Praxis nicht immer der Fall sein. 318 So z.B. Möller, WM 2002, 309, 315. Ausführlicher diskutiert das Meyer, AG 2004, 289, 297. 319 Wie im Fall von Privatplatzierungen.

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tionen mit vergleichbaren verbundenen Instrumenten als Stabilisierung in diesem Sinne zu verstehen sind. „Verbundene Instrumente“ wiederum sind in Art. 1 Nr. 8 VO 2273/2003 definiert und erfassen alle Titel, die in irgend einem Zusammenhang mit den eigentlichen Wertpapieren stehen320, insbesondere Optionen und andere Derivate. Die Börsenzulassung der verbundenen Instrumente ist nicht nötig, sofern die jeweils zuständigen Stellen für den Handel mit solchen Finanzinstrumenten Transparenzstandards vereinbart haben. Ähnliches hatte auch die KuMaKV in § 6 I vorgesehen. Auch hier hatte der Verordnungsgeber zumindest in der endgültigen Fassung den Verkauf von Derivaten (damals § 6 I Nr. 3 KuMaKV) einbezogen. Dies war im vorangehenden Entwurf noch nicht der Fall gewesen, war aber von Teilen der Literatur gefordert worden321. Die Erweiterung rechtfertigte sich durch die vielfältigen Kombinationsmöglichkeiten von Derivaten im Hinblick auf die Stabilisierung von Wertpapieren, die gerade auch durch den Verkauf eines Derivats erfolgen kann322. Die KuMaKV schloss sich insoweit der CESR-Empfehlungen vom Dezember 2002 an323. Wie die oben zitierte Definition zeigt, geht auch die VO 2273/2003 diesen Weg. Nicht erfasst wurden in der KuMaKV jedoch Verträge über den Verkauf von Wertpapieren, die sich auf die emittierten Wertpapiere beziehen. Es bestünde insoweit die Gefahr, dass die Möglichkeiten der Safe Harbor-Regelung missbräuchlich genutzt würden, wenn die zulässigen Stabilisierungsmaßnahmen zu weit gefasst wären324. Wie gesehen, ist die VO 2273/2003 insoweit großzügiger: Nach Art. 2 Nr. 8 a) werden Verträge über bzw. Rechte auf Zeichnung, Kauf oder Verkauf relevanter Wertpapiere voll erfasst, d.h. auch deren Verkauf ist eine Stabilisierungsmaßnahme im Sinne der Verordnung. Das ist zu begrüßen. Denn im Gegensatz zum Handel in den relevanten Wertpapieren selbst, kann beim Handel in verbundenen Wertpapieren auch der Verkauf stabilisierende Wirkung für das relevante Wertpapier haben, je nach dem, welches Recht das verbundene Instrument verkörpert. Und solange die restlichen Anforderungen der Ausnahme-Verordnung eingehalten werden, besteht zudem keine nennenswerte Gefahr einer „missbräuchlichen Nutzung“325, wie sie das Bundesministerium der Finanzen noch gesehen hatte.

_________ 320 Feuring weist darauf hin, dass der Katalog insoweit recht weit gefasst sei, vgl. Feuring, in Habersack/Mülbert/Schlitt, § 27 Rn. 21. 321 Vgl. Pfüller/Anders, WM 2003, 2445, 2451. 322 Beispielsweise müsste der Verkauf einer Put-Option normalerweise stabilisierende Wirkung für das eigentliche Wertpapier haben. 323 Begründung zur KuMaKV, BR-Drucks. 639/03, S. 14. 324 Vgl. Begründung zur KuMaKV, BR-Drucks. 639/03, S. 14. 325 Ebenso auch Vogel in Assmann/Schneider, § 20a Rn. 211.

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E. Rechtliche Grenzen der Kursstabilisierung in Deutschland

(d) „Verkaufsdruck“ Nach Art. 2 Nr. 7 können Stabilisierungsmaßnahmen nur dann vorgenommen werden, wenn auf die relevanten Wertpapiere ein Verkaufsdruck besteht. Es stellt sich die Frage, welchen Sinn diese Bedingung hat. Das denknotwendig besonders große Angebot an Wertpapieren nach einer Aktienplatzierung kann mit „Verkaufsdruck“ nicht gemeint sein. Denn dieser Aspekt geht bereits in der Definition des „signifikanten Zeichnungsangebots“ auf. Möglicherweise kann das Bestehen eines solchen „Verkaufsdrucks“ an einem nach der Emission einfach sinkenden Marktpreis festgemacht werden. Aber eine Stabilisierung über dem Emissionspreis ist ohnehin nicht zulässig, vgl. Art. 10 I VO 2273/2003; insoweit wäre eine entsprechende gesetzliche Anforderung ebenfalls redundant. Einen eigenen Zweck hätte die Bedingung des „Verkaufsdrucks“ aber dann, wenn sie deutlich machen sollte, dass nur stabilisiert werden darf, wenn ein emissionstypischer Preisverfall, in Abgrenzung zu einem aus anderen Gründen fallenden Kurs, besteht326. Dies würde der früheren Definition in § 4 II KuMaKV ähneln, die forderte, dass die Stabilisierung Kursbewegungen ausgleichen solle, „welche typischerweise im Zusammenhang mit einer solchen Wertpapieremission auftreten“327. In der Tat stellt auch Erwägungsgrund (11) der VO 2273/2003 darauf ab, dass Kursstabilisierungsmaßnahmen den Verkaufsdruck mindern sollen, der durch kurzfristige Anleger verursacht worden ist. Das klingt so, als solle der Stabilisierende direkt und ausschließlich den Verkäufen der sog. Flipper entgegenwirken. Das CESR-Papier vom April 2002328 stellt das sogar ausdrücklich fest. Eine solche Einschränkung wäre aus ideeller Sicht sehr zu begrüßen, da dann die Durchführung der Stabilisierungsmaßnahmen auf das nötige Maß reduziert würde. Die damit geforderte Differenzierung werden die Emissionsbanken freilich schwerlich vornehmen können329: Ihnen würde zugemutet, im Einzelfall zu unterscheiden, ob der sinkende Kurs durch Flipping ausgelöst wurde oder durch eine tatsächlich gefallene Wertschätzung dieser Marktteilnehmer330. Geht man davon aus, dass die Safe Harbor-Regelungen den in der

_________ 326 In eben diesem Sinne wird das Tatbestandsmerkmal auch interpretiert von Vogel in Assmann/Schneider, § 20a Rn. 210. 327 Bestätigt wurde diese Interpretation der Definition der Kursstabilisierung in der KuMaKV damit, dass Stabilisierungsmaßnahmen nach § 8 Nr. 1 KuMaKV immer „unter Berücksichtigung der Marktlage“ durchzuführen waren. 328 CESR/02-020b vom April 2002, S. 9. 329 Vgl. dazu schon die Überlegungen im obigen Abschnitt C.III.3.b)(1)(a). 330 So auch schon Meißner, Stabilisierung und Pflege von Aktienkursen, S. 144 zum damaligen § 4 II KuMaKV.

II. Das Wertpapierhandelsgesetz

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Praxis Beteiligten in erster Linie besondere Rechtssicherheit vermitteln sollen331, sollte man von derartigen Einschränkungen besser absehen. Insoweit wurde auch schon die Formulierung der KuMaKV kritisiert332. Aus diesen Gründen sollte dieser Teil der Definition („wenn auf diese Wertpapiere Verkaufsdruck besteht“) zumindest einschränkend ausgelegt werden. (e) Stabilisierungsmanager (aa) Keine ausdrückliche Erwähnung in der Verordnung Im Gegensatz zu den Vorschriften der KuMaKV333 regelt die VO 2273/2003 nicht mehr ausdrücklich, wer die Stabilisierungsmaßnahmen durchführen darf. Durch die KuMaKV waren damals ausschließlich Kurspflegemaßnahmen legalisiert, die von einem in Übereinstimmung mit § 5 KuMaKV zu bestimmenden Stabilisierungsmanager vorgenommen wurden. Nach § 5 I KuMaKV waren zur Stabilisierung des Börsen- oder Marktpreises von Wertpapieren nur Wertpapierdienstleistungsunternehmen im Sinne des § 2 IV WpHG und Unternehmen mit Sitz in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union oder einem anderen Vertragsstaat des Abkommens über den europäischen Wirtschaftsraum, die Wertpapierdienstleistungen erbringen, befugt, die an der Übernahme oder der Platzierung dieser Wertpapiere beteiligt waren und gegenüber dem Publikum als Stabilisierungsmanager benannt wurden. Waren mehrere Stabilisierungsmanager benannt, so mussten diese einen führenden Stabilisierungsmanager bestimmen, § 5 II KuMaKV. Diese Vorschriften sollten eine angemessene Koordination unter den in die Stabilisierung eingebundenen Unternehmen gewährleisten334. Auch das CESR hat in seiner Empfehlung335 vorgeschlagen, dass ein Stabilisierungsmanager aus dem Konsortium für die Durchführung der Stabilisierungsmaßnahmen verantwortlich sein müsse336.

_________ 331

So zumindest für die KuMaKV die Begründung zum Vierten Finanzmarktförderungsgesetz, BT-Drucks. 14/8017, S. 90 und die Begründung zur KuMaKV, BR-Drucks. 639/03, S. 1. 332 Kritisch zu dem sehr unbestimmt formulierten Merkmal „typischerweise“ Pfüller/Anders, WM 2003, 2445, 2450. Eher ablehnend wohl auch Meißner, Stabilisierung und Pflege von Aktienkursen, S. 144 f. 333 Dort in § 5 KuMaKV. 334 Begründung zur KuMaKV, BR-Drucks. 639/03, S. 14. Diese Begründung bezog sich wohl in erster Linie auf § 5 II KuMaKV, wenngleich das aus der Begründung selbst nicht sofort ersichtlich wurde. 335 CESR/02-020b vom April 2002. 336 CESR/02-020b vom April 2002, S. 8 und S. 11.

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E. Rechtliche Grenzen der Kursstabilisierung in Deutschland

Umso überraschender ist337, dass die unter anderem dieser Empfehlung folgende VO 2273/2003 eine derartige Bestimmung nicht vorgenommen hat. Eindeutiges im Hinblick auf den Stabilisierungsmanager lässt sich auch dem Gesamtkontext der Verordnung nicht entnehmen338. Dass aber auch die VO 2273/2003 grundsätzlich davon ausgeht, dass es einen offiziellen Ansprechpartner für die jeweilige Behörde des einzelnen Mitgliedstaates gibt, zeigt schon Erwägungsgrund (17): Im Falle der Stabilisierung solle „in jedem betreffenden Mitgliedsstaat ein Wertpapierhaus bzw. ein Kreditinstitut als zentrale Auskunftsstelle für etwaige regulierende Eingriffe zur Verfügung stehen“. Sind verschiedene Institute an der Stabilisierung beteiligt, soll eines als Ansprechpartner bestimmt werden, Art. 9 V VO 2273/2003. Für die Bestimmung eines zuzulassenden Stabilisierungsmanagers schlägt Feuring vor, auf allgemeine Regeln zurückzugreifen: Als Stabilisierungsmanager zuzulassen seien jedenfalls Wertpapierdienstleistungsunternehmen im Sinne des § 2 IV WpHG und Wertpapierdienstleistungen erbringende Unternehmen mit Sitz in einem Vertragsstaat des Europäischen Wirtschaftsraums, die an der Übernahme oder Platzierung der Wertpapiere beteiligt sind und öffentlich als Stabilisierungsmanager benannt werden339.

(bb) Beschränkung auf Emissionsbanken Diese Definition lässt als Stabilisierungsmanager lediglich Unternehmen340 zu, die bereits an der Emission selbst beteiligt waren. Das entspricht – wie gesehen – dem Ansatz des CESR341 und der früheren Regelung der KuMaKV. Der VO 2273/2003 selbst lässt sich eine solche Beschränkung allenfalls indirekt entnehmen. Zum einen definiert Art. 2 Nr. 7 die Kursstabilisierung als eine Maßnahme, die die Institute „im Rahmen eines signifikanten Zeichnungsangebots“ durchführen. Daraus könnte man schließen, dass auch nur solche Banken legitmitiert sind, die an eben diesem Zeichnungsangebot beteiligt sind. Zweitens verlangt Art. 9 I d), dass der für die Durchführung Zuständige vor Beginn

_________ 337

Eingehend untersucht von Feuring in Habersack/Mülbert/Schlitt, § 27 Rn. 23. Vgl. insoweit die abschließenden Ausführungen von Feuring in Habersack/Mülbert/Schlitt, § 27 Rn. 23. 339 Feuring, in Habersack/Mülbert/Schlitt, § 27 Rn. 24. 340 Interessant ist, dass scheinbar auch der Emittent selbst ein solches Unternehmen darstellen kann, vgl. Art. 9 I VO 2273/2003. Pfüller/Anders, WM 2003, 2445, 2451 hatten sich noch dafür ausgesprochen, dass der Emittent und seine Großaktionäre wegen der andernfalls drohenden Interessenskonflikte ausgeschlossen werden sollten. 341 Das CESR spricht davon, dass es sich um ein Unternehmen aus dem Emissionskortium handeln muss („within the consortium“), eine Begründung dafür gibt sie nicht, vgl. CESR/02-020b vom April 2002, S. 11. 338

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der Zeichnungsfrist öffentlich bekannt gegeben wird. Das legt zumindest nahe – wenngleich dieser Schluss freilich nicht zwingend ist –, dass er auch an der Emission beteiligt gewesen sein muss. Die Begründung zur KuMaKV hatte für die dort ausdrücklich erfolgte Einschränkung keine Erklärung gegeben. In der Literatur wurde sie in erster Linie auf die gängige Marktpraxis zurück geführt342. Vorteil einer solchen Beschränkung auf Emissionsbanken ist zweifelsohne, dass so sichergestellt ist, dass die die Stabilisierung betreibende Bank schon im Vorfeld der Emission benannt werden kann, mithin dem Publikum bekannt ist. Eine Täuschung des Anlegers wird auf diese Weise unwahrscheinlicher. Als Nachteil könnte angeführt werden, dass bei solchen Banken, die bereits an der Emission beteiligt sind, gewisse Interessenkonflikte343 auftreten können344. Ausschlaggebend ist aber, dass ein besonderes praktisches Bedürfnis dahingehend besteht, dass die Emissionbanken selbst die Stabilisierung vornehmen. Denn wenn solche Maßnahmen vornehmlich im Zuge des „Short Covering“ ausgeführt werden sollen, müssen die Stabilisierenden die Möglichkeit haben, in der vorangegangenen Emission entsprechende Leerverkäufe vorzunehmen und sich eine Greenshoe-Option einräumen zu lassen. Insoweit entspricht die so vorgenommene Definition den in der Praxis bestehenden Durchführungsmöglichkeiten.

(cc) Ausweitung auf ausländische Institute Mit Bezug auf die KuMaKV war kritisiert worden, dass der Kreis der begünstigten ausländischen Dienstleistungsunternehmen zu eng gefasst sei. Auch außerhalb der EU angesiedelte Unternehmen hätten als Stabilisierungsmanager zugelassen werden können, wenn sie in ihrer Heimat einer vergleichbaren Regelung unterlägen345. Auch die VO 2273/2003 definiert sowohl den Begriff „Wertpapierhaus“ als auch den Begriff „Kreditinstitut“ – und diese beiden sind wiederum in der Definition der Kursstabilisierung in Art. 2 Nr. 7 enthalten – mit Bezugnahme auf europäische Richtlinien.

_________ 342 Pfüller/Anders, WM 2003, 2445, 2451 mit Verweis auf Fleischer, ZIP 2003, 2045, 2046. 343 Insoweit merken auch Pfüller/Anders, WM 2003, 2445, 2451 zutreffend an, dass wegen des Interessenkonflikts weder der Emittent noch dessen Großaktionäre als Stabilisierungsmanager zugelassen werden sollten. 344 Vgl. unter anderem den obigen Abschnitt C.III.3.c). 345 Ausführlicher dazu Pfüller/Anders, WM 2003, 2445, 2451.

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E. Rechtliche Grenzen der Kursstabilisierung in Deutschland

Die Empfehlung des CESR346 hatte eine solche Einschränkung nicht ausdrücklich vorgesehen. In der Tat spricht auch nicht viel gegen die Zulassung von Nicht-EU-Instituten, soweit diese den entsprechenden Regelungen gleichermaßen unterworfen sind.

(dd) Vorherige Benennung In jedem Fall begrüßenswert ist, dass Feuring in die von ihm vorgeschlagene Definition aufgenommen hat, dass der Stabilisierungsmanager zuvor öffentlich benannt werden muss. Das verringert das Irreführungspotential, das mit der Durchführung von Stabilisierungsmaßnahmen häufig einhergehen wird347. Eine solche Pflicht hatte schon die Empfehlung des CESR beinhaltet348 und war auch in § 5 I KuMaKV aufgenommen worden. Art. 9 I d) sieht nun vor, dass vor Beginn der Zeichnungsfrist in angemessener Weise bekannt gegeben werden muss, welche Person für die Durchführung der Maßnahme zuständig ist. Das kommt einer Bekanntgabe (auch) des Stabilisierungsmanagers gleich.

(ee) Tragweite der unterschiedlichen Regelung in KuMaKV und VO 2273/2003 Der tatsächliche Unterschied zwischen den Regelungen des alten § 5 KuMaKV und den neuen europäischen Vorschriften ist, dass die KuMaKV ausschließlich den Stabilisierungsmanager oder die Stabilisierungsmanager (dann Benennung des führenden nach § 5 II KuMaKV) zur Durchführung der Maßnahmen befugt sah. Die Empfehlung des CESR hingegen sieht den Stabilisierungsmanager weniger als den alleinig zur Stabilisierung Ermächtigten als vielmehr als denjenigen, der gegenüber den Behörden im jeweiligen Mitgliedstaat verantwortlich ist349. Die VO 2273/2003 spricht in Erwägungsgrund (17) von einer „zentralen Auskunftsstelle“. „Auskunftsstelle“ und „Ausführender“ müssen nicht dasselbe Unternehmen sein. Feuring merkt an, dass dies auch den üblichen Regelungen im Konsortialvertrag zwischen den Konsortialbanken entspricht350. Mithin sind die Unterschiede zwischen KuMaKV und VO 2273/2003 eher begrifflicher Natur. Denn in beiden Fällen können gegebenenfalls auch mehrere Banken stabilisieren, und in beiden Fällen muss eine von ihnen als der eigentlich Verantwortliche benannt werden.

_________ 346

CESR/02-020b vom April 2002. Vgl. den obigen Abschnitt C.II.1.b). 348 CESR/02-020b vom April 2002, S. 12. 349 Vgl. die Formulierungen auf S. 8 und S. 11 f., CESR/02-020b vom April 2002. 350 Feuring, in Habersack/Mülbert/Schlitt, § 27 Rn. 25. 347

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Wenngleich die VO 2273/2003 eine ausdrückliche Definition des sog. Stabilisierungsmanagers nicht vornimmt, ergeben sich nach systematischer Auslegung also inhaltlich keine wirklich abweichenden Konsequenzen351. (f) Stabilisierungszeitraum Die Durchführung von Kurspflegemaßnahmen ist eine Form der Manipulation. Nur ausnahmsweise – nämlich im direkten Anschluss an eine Wertpapierausgabe – sollte sie zugelassen werden, um die wirtschaftlichen Nachteile, die mit den starken Kursschwankungen einhergehen, zu reduzieren352. Unter diesem Blickwinkel versteht sich von selbst, dass die Zulassung der Kurspflege auf wenige Wochen nach der Platzierung beschränkt bleiben sollte. Auf der Suche nach einem angemessenen Stabilisierungszeitraum wurden vor Erlass der KuMaKV zum Teil noch 60 Tage als angemessen angesehen353, die Rechtsprechung hielt eine Stabilisierung scheinbar auch ein Jahr nach Aufnahme des Handels noch für unbedenklich354. Schon § 7 I KuMaKV hatte jedoch einen Stabilisierungszeitraum von 30 Tagen festgelegt und sich damit bewusst355 der tatsächlichen Marktpraxis angeschlossen356. Auch der europäische Verordnungsgeber hat sich in Art. 8 VO 2773/2003 für diese Zeitspanne entschieden. (aa) Die zeitlichen Grenzen Hinsichtlich des Beginns des Zeitraums unterscheidet Art. 8 erstens zwischen Aktien (bzw. Aktien entsprechenden Wertpapieren) und Schuldverschreibungen und zweitens zwischen Erst- und Zweitplatzierung. Eine ähnliche Differenzierung hatte auch § 7 KuMaKV bereits vorgesehen. Im Fall der Erstplatzierung beginnt die Frist mit Handelsaufnahme, im Fall der Zweitplatzierung ist auf den Tag der Veröffentlichung357 des Schlusskur-

_________ 351

So im Ergebnis auch Vogel in Assmann/Schneider, § 20a Rn. 208. Vgl. dazu ausführlicher Abschnitt C.II.2. 353 Vgl. Koller in Assmann/Schneider, 3. Auflage, § 31 Rn. 62 i.R.d. Verhaltensregeln des § 31 WpHG. 354 OLG Frankfurt a.M., WuB II A. § 71 AktG 1.92, S. 951, 952. 355 Begründung zur KuMaKV, BR-Drucks. 639/03, S. 15. 356 Pfüller/Anders, WM 2003, 2445, 2452; Fleischer, ZIP 2003, 2045, 2051; Krämer/Hess in FS Döser, S. 171, 189. 357 Die „Veröffentlichung“ meint hier wohl die „angemessene Bekanntgabe“, Leppert/Stürwald, ZBB 2004, 302, 311. Die englische Fassung spricht insoweit von „adequate public disclosure“. 352

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E. Rechtliche Grenzen der Kursstabilisierung in Deutschland

ses358 abzustellen. Bei der Einordnung der Kapitalerhöhung bestehen leichte Unklarheiten359, die sich in erster Linie aus der Definition ergeben, die die Begründung zur KuMaKV noch vorgenommen hatte. Hiernach waren Sekundärplatzierungen als „erneute Unterbringung z.B. aus Großaktionärs- oder Gruppenbesitz“ definiert360. Dementsprechend wären Kapitalerhöhungen eigentlich nicht unter den Begriff der „Zweitemission“, sondern den der „Erstemission“ gefallen. Keine Klärung führt nun die Definition in Art. 2 Nr. 9 VO 2273/2003 herbei, die in der englischen Fassung lediglich die Begriffe „initial offer“ und „secondary offer“ verwendet und jeweils verlangt, dass diese öffentlich bekannt zu machen sind. Zur Auslegung können erneut die Empfehlungen des CESR herangezogen werden, die der VO 2273/2003 ideel zu Grunde liegen. Sie sprechen in Bezug auf die Erstemission – in Abgrenzung von Sekundärplatzierungen – von „Initial Public Offering“361. Die Kapitalerhöhungen bereits börsennotierter Gesellschaften sind aber gerade nicht als IPOs einzuordnen362. Es handelt sich also um Zweitplatzierungen in diesem Sinne363. An dieser Auslegung der vom europäischen Gesetz- und Verordnungsgeber erlassenen Vorschriften kann natürlich auch die abweichende Definition in der Begründung zur KuMaKV nichts ändern. Die Stabilisierungsfrist für Kapitalerhöhungen beginnt daher nach Art. 8 III VO 2273/2203 mit der Bekanntgabe des Schlusskurses, nicht mit der Handelsaufnahme. Dies entspricht auch der Marktpraxis bei den nach Inkrafttreten der KuMaKV im Jahre 2004 durchgeführten Kapitalerhöhungen mit Bezugsrecht364. Problematisch ist auch die Feststellung des Anfangszeitpunkts für den Stabilisierungszeitraum bei sog. „kombinierten Angeboten“. Feuring nennt hier die Beispiele eines Accelerated Bookbuild Offerings kombiniert mit einer Wandeloder Umtauschanleihe oder einen Börsengang kombiniert mit einer Wandeloder Umtauschanleihe. Derartige Transaktionen werden zumindest teilweise gleichzeitig durchgeführt. Da in solchen Fällen in den jeweiligen Transaktionen zumeist separat stabilisiert würde, müsse es bei der kumulierten Anwendung der Stabilisierungsregeln bleiben, was im Einzelfall zu einer Verlängerung der

_________ 358

Ein Vergleich mit der englischen Fassung der VO 2273/2003 zeigt, dass mit „Schlusskurs“ der endgültige Emissionspreis gemeint ist, vgl. Leppert/Stürwald, ZBB 2004, 302, 310. 359 Vgl. Feuring, in Habersack/Mülbert/Schlitt, § 27 Rn. 29. 360 Begründung zur KuMaKV, BR-Drucks. 639/03, S. 13 f. 361 CESR/02-089d vom Dezember 2002, Definitionen nach Zi. 147. 362 Feuring, in Habersack/Mülbert/Schlitt, § 27 Rn. 29. 363 In diesem Sinne auch Leppert/Stürwald, ZBB 2004, 302, 310; ihnen folgend nun auch Groß in GS Bosch, S. 49, 60. 364 So Feuring, in Habersack/Mülbert/Schlitt, § 27 Rn. 29.

II. Das Wertpapierhandelsgesetz

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Gesamtfrist über 30 Tage hinaus führen könne. Eventuelle Auswirkungen oder Maßnahmen bei dem Wertpapier, das Gegenstand der Stabilisierungstransaktion war, stellten nur einen Reflex dar365. Dieser Auffassung ist dann zuzustimmen, wenn es sich bei den beiden Formen angebotener Papiere gleichermaßen um „relevante Wertpapiere“ im Sinne von Art. 1 Nr. 6 VO 2273/2003 handelt, also solchen, die „Wertpapiere“ im Sinne der Richtlinie 93/22/EG von 1993366 darstellen und zum Handel auf einem geregelten Markt zugelassen sind oder für die ein Antrag auf Zulassung zum Handel auf einem solchen Markt gestellt wurde, und für die ein signifikantes Zeichnungsangebot besteht. Denn nur dann handelt es sich um Wertpapiere, die jeweils für sich gesehen und unabhängig voneinander vom Safe Harbor der VO 2273/2003 erfasst sind. Für die von Feuring genannten Beispiele kann das natürlich durchaus der Fall sein. Sollte eines der Papiere die genannten Anforderungen hingegen nicht erfüllen, kann ihr Kauf- oder Verkauf im Rahmen eines Stabilisierungsprogramms nur dann in den Safe Harbor fallen, wenn es sich um ein „verbundenes Instrument“ im Sinne des Art. 1 Nr. 8367 handelt. Dann aber richtet sich der Stabilisierungszeitraum freilich ausschließlich nach dem eigentlich „relevanten Wertpapier“. Zu einer zeitlichen Kumulierung kann es nicht kommen. Der Stabilisierungszeitraum endet spätestens nach 30 Kalendertagen, vgl. Art. 8 II VO 2273/2003. Der Zeitraum, innerhalb dessen die Maßnahmen durchgeführt werden, ist nach Art. 9 I c) vor Beginn der Zeichnungsfrist in angemessener Weise bekannt zu geben. Auch muss in diesem Zusammenhang darauf hingewiesen werden, dass die Maßnahmen jederzeit beendet werden können, Art. 9 I a). Zumindest die vollständige Ausübung der GreenshoeOption ist ein klares Indiz dafür, dass der Stabilisierungsmanager keine weiteren Maßnahmen mehr durchführen wird368. Das Ende der Maßnahmen kann zudem bei der nach Art. 9 III vorzunehmenden Veröffentlichung bekannt gegeben werden369.

(bb) Stabilisierung während des Bookbuilding-Verfahrens Eine ebenfalls in diesen Zusammenhang einzuordnende Frage ist die nach der Zulässigkeit der Kursstabilisierung vor der Emission, namentlich im sog. Bookbuilding-Verfahren. In jedem Fall ist diese Phase nicht vom Stabilisie-

_________ 365

Dazu ausführlicher Feuring, in Habersack/Mülbert/Schlitt, § 27 Rn. 36. Dort Art. 1 Nr. 4. 367 Dazu ausführlicher schon der Abschnitt E.II.1.d)(3)(c). 368 Feuring, in Habersack/Mülbert/Schlitt, § 27 Rn. 35. 369 So auch Feuring, in Habersack/Mülbert/Schlitt, § 27 Rn. 35. 366

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E. Rechtliche Grenzen der Kursstabilisierung in Deutschland

rungszeitraum des Art. 8 VO 2273/2003 umfasst, sie wird vor „Handelsaufnahme“ durchgeführt; die dann durchgeführten Maßnahmen genießen also nicht den umfassenden Schutz des Safe Harbor. Inwieweit sie im Einzelfall nicht trotzdem zulässig sind, ist damit freilich noch nicht abschließend geklärt. Denn ein nicht von der VO 2273/2003 erfasstes Verhalten muss sich – wie bereits erläutert – an dem allgemeinen Tatbestand des § 20a WpHG messen lassen. Auch die Regelungen der KuMaKV hatten die Kurspflege in der Bookbuilding-Phase nicht erfasst. In der Begründung zur KuMaKV hatte der Verordnungsgeber betont, dass er Stabilisierungsmaßnahmen im BookbuildingVerfahren bewusst nicht in den Genuss der Safe Harbor–Regelung kommen lassen wollte. Die auf solche Art und Weise vorgetäuschte, tatsächlich nicht vorhandene Nachfrage nach Aktien stelle eine unzulässige Kursbeeinflussung dar. Denn hierdurch würden potenzielle Anleger zur Erteilung von Zeichnungsaufträgen oder überhöhten Zeichnungsangeboten veranlasst370. Allerdings war diese Nichtaufnahme der Kurspflege in den Safe Harbor damals von eingeschränkter Bedeutung, weil ein Manipulationsverhalten in einem derartig frühen Emissionsstadium ohnehin nicht in den zeitlichen Anwendungsbereich des § 20a WpHG a.F. gefallen wäre. Im Unterschied zu § 12 I 2 WpHG a.F. hatte § 20a I 2 WpHG a.F. die Zulassung oder Einbeziehung an einer bzw. in eine Börse verlangt und nicht genügen lassen, dass lediglich ein Antrag auf Zulassung oder Einbeziehung gestellt oder öffentlich angekündigt war371. Damit wurden solche Manipulationen, die sich auf den Ausgabekurs von bevorstehenden Neuemissionen bezogen, nicht vom Schutzbereich des § 20a WpHG erfasst372. Mithin war eine nicht erfolgte Befreiung durch die KuMaKV völlig unerheblich. Anders ist dies nun nach dem Inkrafttreten des AnSVG. Gemäß § 20a I 3 WpHG n.F., der insoweit Art. 9 der europäischen Missbrauchsrichtlinie umsetzt, steht es der Zulassung zum Handel an einem organisierten Markt oder der Einbeziehung in den geregelten Markt oder in den Freiverkehr gleich, wenn der Antrag auf Zulassung oder Einbeziehung gestellt oder öffentlich angekündigt worden ist. Manipulative Handlungen im Zeitpunkt des Bookbuilding-Verfahrens sind also nunmehr grundsätzlich erfasst373. Die Frage nach der

_________ 370

Begründung zur KuMaKV, BR-Drucks. 639/03, S. 15. Vgl. Vogel in Assmann/Schneider, § 20a Rn. 28 (näher dazu 3. Auflage, § 20a Rn. 23); Ziouvas/Walter, WM 2002, 1483, 1485. 372 Ziouvas, ZGR 2003, 113, 123; Ziouvas/Walter, WM 2002, 1483, 1485; Pfüller/Koehler, WM 2002, 781, 788. 373 So jetzt auch ausdrücklich Knauth/Käsler, WM 2006, 1041. 371

II. Das Wertpapierhandelsgesetz

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Zulässigkeit der Kurspflege in diesem Stadium374 gewinnt daher neue Bedeutung. Kurspflege während des Bookbuilding scheint deshalb problematisch, weil der Emissionskurs in diesem Verfahren erst festgelegt werden soll375; das Bookbuilding dient der zutreffenden Preisermittlung und darf daher nicht durch Beeinflussung von Graumarktkursen bei Anlegern eine nicht gerechtfertige Preiserwartung wecken376. Gegen eine Zulässigkeit der Kurspflege in dieser Phase spricht zudem, dass die Umsätze hier typischerweise gering sind und somit die Gefahr besteht, dass der Konsortialführer die Graumarktkurse mit vergleichsweise geringem Einsatz in die von ihm gewünschte Richtung lenken kann377. Insoweit wird weitgehend davon ausgegangen, dass solche Maßnahmen im Vorfeld einer Emission grundsätzlich nicht zulässig sind378. Auf der anderen Seite können Graumarktkurse – gerade wegen der geringen Liquidität – auch leicht von außenstehenden Dritten beeinflusst werden und sind deshalb besonders anfällig379. Eine ausgleichende Kurspflege kann hier von besonderer Notwendigkeit sein. Man wird festhalten können, dass immer dann, wenn durch die Kurspflege eine tatsächlich nicht vorhandene Nachfrage nach Aktien vorgetäuscht wird, eine unzulässige Kursstabilisierung vorliegt und damit ein Verbot gegen das Manipulationsverbot des § 20a WpHG gegeben ist380. Anders gewendet kann man aber auch sagen, dass nicht alle Stabilisierungsmaßnahmen in der Bookbuilding-Phase per se gegen das Manipulationsverbot verstoßen. So schlägt Feuring vor, dass sie ausnahmsweise als zulässig gewertet werden sollen, wenn die Liquidität in der Aktie sehr gering ist und/oder nachweislich Eingriffe seitens

_________ 374

Zur Kurspflege während des Bookbuilding-Verfahrens schon Abschnitt B.II und ausführlicher zu seiner Durchführung im Allgemeinen: Willamowski, Bookbuilding, Rn. 236-256. 375 Krämer/Hess in FS Döser, S. 171, S. 187. 376 So auch Feuring in Habersack/Mülbert/Schlitt, § 27 Rn. 32; Schanz, Börseneinführung, § 10 Rn. 117; Vogel in Assmann/Schneider, § 20a Rn. 213. 377 Vgl. Fleischer, ZIP 2003, 2045, 2051f.; Schäfer, WM 1999, 1345, 1346; Schanz, Börseneinführung, § 10 Rn. 117; Krämer/Hess in FS Döser, S. 171, S. 187; Vogel in Assmann/Schneider, § 20a Rn. 213. 378 Vgl. Schwark in FS Kümpel, S. 485, 494; Vogel in Assmann/Schneider, § 20a Rn. 213; Krämer/Hess in FS Döser, S. 171, S. 179 und S. 187, die auf S. 179 insbesondere betonen, dass Maßnahmen durch den Emittenten selbst mangels berechtigtem Interesse prima facie unzulässig sein müssen. Für eine teilweise Unzulässigkeit wohl auch Feuring in Habersack/Mülbert/Schlitt, § 27 Rn. 32 f. 379 Feuring in Habersack/Mülbert/Schlitt § 27 Rn. 32. 380 Krämer/Hess in FS Döser, S. 171, 187.

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E. Rechtliche Grenzen der Kursstabilisierung in Deutschland

Dritter zu befürchten sind381. Ein unrichtiger Eindruck bei den Anlegern bezüglich der Angemessenheit der Preise könne durch hinreichende Publizierung verhindert werden382. Dieser Ansicht ist zu folgen. Denn in den genannten Fällen ist ausnahmsweise denkbar, dass ein „künstliches Preisniveau“ im Sinne von § 20a I 1 Nr. 2 Alt. 2 gerade verhindert werden kann. Die von den Stabilisierungsmaßnahmen augehenden Signale sind dann möglicherweise auch nicht irreführend (§ 20a I 1 Nr. 2 Alt. 1). Es bleibt gleichwohl festzuhalten, dass gerade die Stabilisierung zu einem so frühen Zeitpunkt ein besonders hohes Manipulationsrisiko birgt und die genannten Ausnahmen daher sehr restriktiv gehandhabt werden sollten. Insbesondere muss im Einzelfall für eine besonders weitgehende Offenlegung der Maßnahmen gegenüber dem Anlegerpublikum gesorgt werden. Andernfalls wird schwer argumentierbar sein, dass – um wieder in den Worten des Tatbestandes des § 20a I zu sprechen – von den Stabilisierungsmaßnahmen weder „irreführende Signale“, noch eine „sonstige Täuschungshandlung“ ausgehen und sie auch nicht zu einem „künstlichen Preisniveau“ führen383. (g) Stabilisierungstransparenz Das Manipulationspotential der Kursstabilisierung hängt zu einem ganz maßgeblichen Teil davon ab, inwieweit die Marktteilnehmer über den Zweck der einzelnen Maßnahmen informiert sind. Die Transparenz solcher Transaktionen gewinnt besondere Bedeutung vor dem Hintergrund, dass Wertpapiertransaktionen den Kurs einer Aktie gerade auch über den sog. Informationseffekt beeinflussen384 und dass überdies zwei Tatbestandsalternativen („irreführende Signale“ und „sonstige Täuschungshandlung“) mittelbar darauf abstellen, über welche Informationen die Anleger im Zeitpunkt der Stabilisierung verfügen und über welche nicht.

_________ 381 Feuring in Habersack/Mülbert/Schlitt, § 27 Rn. 33; in diesem Sinne auch schon zuvor Krämer/Hess in FS Döser, S. 171, 187; den letzteren folgend Schanz, Börseneinführung, § 10 Rn. 118. 382 Feuring, in Habersack/Mülbert/Schlitt, § 27 Rn. 33. 383 Dass die Kurspflege theoretisch von allen drei Varianten erfasst werden kann, wurde oben, Abschnitt E.II.1.b), dargelegt. 384 Vgl. den obigen Abschnitt C.II.1.b).

II. Das Wertpapierhandelsgesetz

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(aa) Vorherige Bekanntgabe Die VO 2273/2003 sieht daher in Art. 9 explizit vor, in welchem Umfang385 die Offenlegung erfolgen muss, damit die jeweiligen Maßnahmen in den Safe Harbor der Verordnung fallen. Nach Art. 9 I VO 2273/2003 haben Emittent, Bieter oder Unternehmen, die die Stabilisierungsmaßnahmen durchführen, vor Beginn der Zeichnungsfrist der relevanten Wertpapiere in angemessener Weise bekannt zu geben, a) dass möglicherweise eine Kursstabilisierungsmaßnahme durchgeführt wird, diese aber nicht garantiert wird und jederzeit beendet werden kann; b) dass Stabilisierungsmaßnahmen auf die Stützung des Marktkurses der relevanten Wertpapiere abzielen; c) wann der Zeitraum, innerhalb dessen die Maßnahme durchgeführt werde könnte, beginnt und endet; d) welche Person für die Durchführung der Maßnahme zuständig ist; e) ob die Möglichkeit einer Überzeichnung oder einer Greenshoe-Option besteht, und wenn ja, in welchem Umfang, in welchem Zeitraum die Greenshoe-Option ausgeübt werden soll und welche Voraussetzungen gegebenenfalls für eine Überzeichnung oder die Ausübung der Greenshoe-Option erfüllt sein müssen386. Die KuMaKV hatte ähnliche Bestimmungen in § 9 bzw. § 12 II enthalten, war aber in ihren Anforderungen über die des Art. 9 VO 2273/2003 in zweifacher Hinsicht hinausgegangen. Sie forderte die Veröffentlichung im Börsenzulassungs- und Verkaufsprospekt, mittels einer Pressemitteilung sowie zusätzlich durch Veröffentlichung auf der Internetseite des Emittenten in einem deutlich gekennzeichneten Abschnitt. Allerdings hatte sich in der Praxis eingestellt, dass zu diesem Zwecke keine gesonderte Pressemitteilung erging, sondern diese Information z.B. in der Pressemitteilung, die den Preisrahmen ankündigte, enthalten war387. Art. 9 VO 2273/2003 verlangt dagegen nur eine „öffentliche Bekanntmachung“. Insbesondere aber forderte § 9 I Nr. 5 KuMaKV, dass die Risiken, die die Stabilisierungsmaßnahmen mit sich bringen sowie andere Umstände der Stabilisierung, die für die Anlageentscheidung wesentlich sein könnten, ebenfalls in die Bekanntgabe aufgenommen werden. Unter den Auffangtatbestand von § 9 I Nr. 5 konnte z.B. die Information fallen, ob börslich oder außerbörslich und mit welchem Wertpapier stabilisiert wird388. Ein solches Gebot enthält die

_________ 385 Für die Form der Publizierung gilt Art. 2 Nr. 5 VO 2273/2003 und damit Art. 102 Abs. 1 der Richtlinie 2001/34/EG, sodass auch hier die aus dem Bereich der Prospektveröffentlichung bekannten Möglichkeiten der Zeitungs- und Schalterpublizität anwendbar sind, vgl. Groß in GS Bosch, S. 49, 54. 386 Diese Anforderungen entsprechen auch weitgehend denen des US-amerikanischen Rechts, vgl. Abschnitt D.III.4.b). 387 Vgl. Feuring in Habersack/Mülbert/Schlitt, § 27 Rn. 38 mit Nachweisen. 388 Begründung zur KuMaKV, (zu §9), BR-Drucks. 639/03, S. 17.

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E. Rechtliche Grenzen der Kursstabilisierung in Deutschland

Verordnung der Kommission nicht, obwohl es in der Empfehlung des CESR vorgesehen war389. Wie oben390 bereits gesehen, verlangen die US-amerikanischen Regeln ebenfalls, dass zumindest die möglichen Auswirkungen auf den Marktpreis in klarer und verständlicher Weise erläutert werden. Im Übrigen sind dort alle Märkte zu benennen, auf denen die etwaige Kurspflege stattfinden kann. Die VO 2273/2003 bleibt folglich hinter den amerikanischen Standards und den Empfehlungen des CESR zurück. In Anbetracht des Täuschungs- und Manipulationspotentials ist grundsätzlich jede zusätzliche Informationsvermittlung an das Anlegerpublikum wünschenswert. Insbesondere die Transparenz aller durchzuführenden Maßnahmen stand auch bewusst im Mittelpunkt der entsprechenden Empfehlungen des CESR391. Andererseits ist fragwürdig, ob man dem Zweck eines Safe Harbor (v.a. Rechssicherheit für die Betroffenen392) gerecht werden kann, wenn man so allgemein formulierte Anforderungen393 in den Katalog der Veröffentlichungspflichten aufnimmt. Denn generell unklar bleibt, wie im Einzelfall bestimmt werden kann, was nun besondere Umstände sind, die „für die Anlageentscheidung wesentlich sein können“. Dem von dieser Pflicht Betroffenen wird nicht selten unklar bleiben, was er nun zu veröffentlichen verpflichtet ist und was nicht. Dieser Überlegung folgend scheint es nicht beklagenswert, dass die europäische Verordnung ein solches Erfordernis nicht in ihren Katalog aufgenommen hat. Dem gleichwohl bestehenden Bedürfnis nach möglichst maximaler Aufklärung der Anleger könnte nachgekommen werden, indem konkreter formulierte Transparenzanforderungen in den Safe Harbor aufgenommen werden. Art. 9 I 2 VO 2273/2003 nimmt die Angebote aus dem Anwendungsbereich des Satzes 1, die in den Geltungsbereich der Europäischen Prospektrichtlinie394 fallen. Diese ist mit Einführung des Wertpapierprospektgesetzes (WpPG) in nationales Recht umgesetzt worden. § 7 WpPG legt fest, dass sich die in einem solchen Prospekt enthaltenen Mindestangaben nach der Prospektverordnung Nr. 809/2004 (ProspV) der Kommission richten. Diese wiederum ist ebenfalls zur Umsetzung der Prospektrichtlinie erlassen worden und sieht dieselben fünf Positionen zur Offenlegung im Prospekt vor, die andernfalls auch besagter Art.

_________ 389

CESR/02-020b vom April 2002, S. 12. Abschnitt D.III.4.b). 391 CESR/02-020b vom April 2002, S. 9. 392 Vgl. nur Begründung zum Vierten Finanzmarktförderungsgesetz, BT-Drucks. 14/8017, S. 90; Begründung zur KuMaKV, BR-Drucks. 639/03, S. 1. 393 Auch die Begründung zur KuMaKV, BR-Drucks. 639/03, (zu § 9), S. 17 bezeichnet § 9 I Nr. 5 zumindest als „Auffangtatbestand“. 394 Richtlinie 2003/71/EG. 390

II. Das Wertpapierhandelsgesetz

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9 I 1 VO 2273/2003 ohnehin statuiert395. Durch die Beschränkung des zeitlichen Anwendungsbereichs sollte also lediglich eine doppelte Veröffentlichungspflicht verhindert werden. Das WpPG ist anzuwenden auf die Erstellung, Billigung und Veröffentlichung von Prospekten für Wertpapiere, die öffentlich angeboten oder zum Handel an einem organisierten Markt zugelassen werden sollen, § 1 I WpPG. Die bei der vorherigen Rechtslage vorzunehmende Differenzierung zwischen Verkaufs- und Börsenzulassungsprospekten ist also entfallen396. Das „öffentliche Angebot“ ist in § 2 Nr. 4 WpPG erstmalig397 legaldefiniert als eine Mitteilung an das Publikum in jedweder Form und auf jedwede Art und Weise, die ausreichende Informationen über die Angebotsbedingungen und die anzubietenden Wertpapiere enthält, um einen Anleger in die Lage zu versetzen, über den Kauf oder die Zeichnung dieser Wertpapiere zu entscheiden. Liegt ein „öffentliches Angebot“ in diesem Sinne vor, richten sich die Bekanntgabepflichten also nicht nach Art. 9 VO 2273/2003, sondern aufgrund der Verweisung in § 7 WpPG nach den fast identischen Anforderungen in der VO 809/2004 (ProspV)398.

(bb) Keine zeitlich gleichlaufende Offenlegung Erwähnung finden sollte, dass weder Art. 9 I VO 2773/2003 noch die VO 809/2004 (ProspV) verlangen, dass eine Bekanntgabe zum Zeitpunkt der Durchführung der Maßnahme selbst stattfindet. Insoweit bleiben die Offenlegungspflichten hinter denen der US-amerikanischen Regulation M zurück, die bislang für „Stabilization Transactions“ eine solche Offenlegung verlangt und diese in Zukunft auch für „Short Covering Transactions“ vorsehen will399: der Stabilisierende muss dort seine Stabilisierungsabsicht auch demjenigen anzeigen, der sein Angebot annimmt. Durch eine der Stabilisierungsmaßnahme zeitlich gleichlaufende Publikationspflicht auch im deutschen Recht könnte das Potential der Täuschung und/oder der Irreführung des Anlegerpublikums ernsthaft verringert werden. Im Vergleich dazu bleibt eine Ankündigung im Vorfeld, die nur besagt, dass solche Maßnahmen möglicherweise durchgeführt werden,

_________ 395

Vgl. Art. 6 i.V.m. Anhang III („Mindestangaben für die Wertpapierbeschreibung für Aktien“), Zi. 5.2.5 (Greenshoe) und Zi. 6.5 (Stabilisierung); Art. 13 i.V.m. Anhang X („Mindestangaben für Zertifikate, die Aktien vertreten“), Zi. 29.2.4 (Greenshoe) und Zi. 30.5–30.9 (Stabilisierung). 396 Grub/Thiem, NZG 2005, 750. 397 So Holzborn/Israel, ZIP 2005, 1668; Groß, Kapitalmarktrecht, § 2 WpPG Rn. 8. 398 Zu den genauen Stellen vgl. Fußnote 395. 399 Vgl. dazu die obigen Abschnitte D.III.4 und D.IV.1.

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E. Rechtliche Grenzen der Kursstabilisierung in Deutschland

deutlich zurück; die Marktteilnehmer wissen im jeweiligen Zeitpunkt gerade nicht, ob eine Stabilisierungsmaßnahme tatsächlich durchgeführt wird oder wurde400. Der der Stabilisierung zeitlich gleichlaufenden Offenlegung der Stabilisierungsabsicht kann letztlich eines entgegengehalten werden: Die ökonomische Funktionsweise einer effizienten Durchführung der Stabilisierung basiert gerade auch auf dem Informationseffekt. Wie oben schon mehrfach401 erwähnt, könnte hier eine vollständige Offenlegung der Stabilisierung kontraproduktiv wirken. Denn für diesen Fall ist denkbar, dass die durchgeführte Transaktion vielmehr eine negative als eine positive Nachricht signalisiert und damit zu einem Sinken statt zu einem Anstieg des Kurses führt. Die Befürchtung eines sodann eingeschränkten Kursbeeinflussungspotentials muss gegen die Chance einer (wohl) signifikanten Reduzierung des Täuschungspotentials abgewogen werden, die durch eine der Stabilisierung zeitlich gleichlaufende Offenlegung der Stabilisierungsmaßnahmen erreicht werden könnte. Jedenfalls hat sich der europäische Verordnungsgeber gegen eine solche Pflicht entschieden und ist insoweit auch nicht von den Empfehlungen des CESR abgewichen402.

(cc) Anschließende Bekanntgabe gegenüber der BaFin Eine nachherige Bekanntgabe der Stabilisierungsmaßnahmen sieht die Verordnung in zweifacher Form vor. Zum einen sollen nach Art. 9 II VO 2273/2003 Emittenten, Bieter oder Unternehmen, die die Stabilisierungsmaßnahme durchführen, der für den relevanten Markt zuständigen Behörde spätestens am Ende des siebten Tages nach dem Tag der Ausführung dieser Maßnahmen die Einzelheiten sämtlicher Stabilisierungsmaßnahmen mitteilen. Die in Deutschland zuständige Behörde ist die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht. Bemerkenswert ist, dass gegenüber der Behörde also nicht nur eine gebündelte, d.h. alle durchgeführten Stabilisierungsmaßnahmen in ihrer Gesamtheit betreffende, Mitteilung gemacht werden muss. Vielmehr ist gegebenenfalls jede Stabilisierungsmaßnahme der BaFin gesondert anzuzeigen. Zwar regelt Art. 9 II selbst nicht, was mit den „Einzelheiten sämtlicher Stabilisierungsmaßnahmen“ gemeint ist. Man könnte sich aber an Art. 9 IV orientieren, der zunächst einmal nur bestimmt, welche Infor matio nen aufgezeichnet

_________ 400

Eben das kritisiert auch die SEC und begründet damit eine gleichzeitige Publikationspflicht auch für „Short Coveringtransactions“, vgl. SEC Release Nos. 33-8511, 3450831 (2004), S. 50. 401 Vgl. vor allem die obigen Abschnitte C.II.1.b) und D.IV.1. 402 CESR/02-020b vom April 2002, S. 12.

II. Das Wertpapierhandelsgesetz

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und aufbewahrt werden müssen. Denkbar ist, dass eben diese Infor mationen, nämlich T ag, Uhrzeit, Anzahl der Wertpapiere und Stabilisierungspreis403, auch der BaFin über mittelt werden müssen404. Hierbei kann es sich freilich allenfalls um ein Mindestmaß handeln, da fast alle dieser Angaben nach Art. 9 III – wenngleich möglicher weise später – sogar der Öffentlichkeit mitgeteilt werden müssen. Die europäische Verordnung geht dabei auch über die Regelungen der KuMaKV hinaus, die eine separate Bekanntgabe an die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht in § 9 KuMaKV nicht vorgesehen hatte. Auch die Dokumente des CESR405 haben eine solche Bekanntgabe nicht ausdrücklich empfohlen. Die US-amerikanischen Regeln sehen sie möglicherweise deshalb ebenfalls nicht vor, weil eine Offenlegung gegenüber der Behörde vor oder zumindest während der Durchführung der Stabilisierung ohnehin schon gefordert wird406, eine nachherige insoweit überflüssig wäre. Es sollte aber beachtet werden, dass durch die nachherige Bekanntgabe gegenüber der Behörde (also nicht den Marktteilnehmern oder der Öffentlichkeit schlechthin) das Irreführungspotential der Kursstabilisierung nicht wesentlich verringert werden kann. Zudem stellt es einen erheblichen Aufwand dar, jede einzelne Maßnahme der Behörde ausweislich des Verordnungswortlauts nicht nur anzuzeigen, sondern die Behörde „über alle Einzelheiten sämtlicher Stabilisierungsmaßnahmen“ zu informieren. Art. 9 II VO 2273/2003 wird insoweit zurecht kritisiert407.

(dd) Anschließende Bekanntgabe gegenüber der Öffentlichkeit Im Gegensatz zu der Mitteilung an die Behörde kann die Bekanntgabe gegenüber der Öffentlichkeit nach Abschluss des Stabilisierungszeitraums „gebündelt“ erfolgen. Gemäß Art. 9 III VO 2273/2003 geben Emittenten, Bieter oder Unternehmen innerhalb einer Woche nach Ablauf des Stabilisierungszeitraums in angemessener Weise bekannt, a) ob eine Stabilisierungsmaßnahme durchgeführt wurde oder nicht; b) zu welchem Termin mit der Kursstabilisierung begonnen wurde; c) zu welchem Termin die letzte Kursstabilisierungsmaßnahme erfolgte; d) innerhalb welcher Kursspanne die Stabilisierung erfolgte (für jeden Termin, zu dem eine Kursstabilisierungsmaßnahme durchgeführt

_________ 403

Vgl. 93/22/EWG. So Groß in GS Bosch, S. 49, 55 f. 405 Vgl. CESR/02-020b vom April 2002, S. 12. 406 Vgl. Abschnitt D.III.4.a). 407 So Feuring in Habersack/Mülbert/Schlitt, § 27 Rn. 44. 404

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E. Rechtliche Grenzen der Kursstabilisierung in Deutschland

wurde). Diese Regelung folgt weitgehend den Empfehlungen des CESR408, denen wiederum § 9 II KuMaKV genau entsprochen hat, geht aber in zweierlei Hinsicht über sie hinaus. Erstens war unter der KuMaKV das Datum der ersten Stabilisierungsmaßnahme nicht anzugeben409. Zweitens verlangt die VO 2273/2003 in Abgrenzung zur KuMaKV nun, dass die Kursspanne, innerhalb der die Stabilisierung durchgeführt wurde, für jeden Termin separat zu benennen ist410. Die entsprechende Bekanntgabe ist unter der KuMaKV regelmäßig mit der Bekanntgabe über die Ausübung einer Greenshoe-Option verbunden worden411. Die nunmehr erfolgte Ausweitung der Publizitätsanforderungen ist im Sinne größtmöglicher Transparenz zu begrüßen412. Da die Bekanntgabe gebündelt, d.h. für alle Maßnahmen gleichzeitig, stattfinden kann, ist der damit verbundene Aufwand auch nicht übermäßig groß. Die europäische Verordnung bleibt also keineswegs hinter den Empfehlungen des CESR oder den Vorschriften der alten KuMaKV zurück. Gleichwohl ist interessant, dass die Offenlegung der Maßnahmen gegenüber den Marktteilnehmern im Zweifel erst nach der Mitteilung an die BaFin erfolgt und dann auch nicht für alle Maßnahmen gesondert. Dabei sind doch gerade die Investoren vor einer etwaigen Irreführung zu bewahren. Die insofern beschränkte Veröffentlichungspflicht kann aber aus einfachen praktischen Erwägungen heraus gerechtfertigt werden. Eine gesonderte Veröffentlichung jeder einzelnen Maßnahme wäre mit einem unverhältnismäßig großen Aufwand verbunden. (h) Stabilisierungspreis Der maximale Kurs, zu dem ein Stabilisierungsangebot abgegeben werden darf, ist deshalb von besonderer Bedeutung, weil er zum einen darüber entscheidet, wie einfach – unter einem rein technischen Blickwinkel – die Anhebung des aktuellen Kurses erreicht werden kann413, und er zum anderen erhebliche Auswirkungen auf das Irreführungspotential der Stabilisierung für die Marktteilnehmer haben kann. Art. 10 I VO 2273/2003 bestimmt, dass im Falle eines Zeichnungsangebots für Aktien oder Aktien entsprechenden Wertpapie-

_________ 408

CESR/02-020b vom April 2002, S. 12. Jetzt anders Art. 9 III b) VO 2273/2003. 410 Das geht scheinbar auch über die derzeitige Handhabung in der Praxis hinaus, so Feuring in Habersack/Mülbert/Schlitt, § 27 Rn. 40. 411 Vgl. Feuring in Habersack/Mülbert/Schlitt, § 27 Rn. 42. 412 A.A. Feuring in Habersack/Mülbert/Schlitt, § 27 Rn. 41. 413 Vgl. zur Anhebung des Kurses durch bloß zum Marktpreis erhöhte Nachfrage die obige Diskussion in Abschnitt C.I., speziell zur Frage der Auswirkung der gesetzlichen Grenzen des Stabilisierungspreises auf das Kursbeeinflussungspotential auch schon Abschnitt D.III.3. 409

II. Das Wertpapierhandelsgesetz

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ren die Kursstabilisierung der relevanten Wertpapiere unter keinen Umständen zu einem höheren Kurs als dem Emissionspreis erfolgen darf. Unter dem Emissionspreis ist der Zeichnungspreis und nicht etwa der aktienrechtliche Ausgabepreis zu verstehen, da die Aktien von dem Emissionskonsortium regelmäßig zum Mindestausgabepreis übernommen werden und der Mehrerlös der Platzierung auf Grundlage einer schuldrechtlichen Abrede an den Emittenten abgeführt wird414. Für die Beurteilung der Kursentwicklung und der damit verbundenen Frage nach einem Stabilisierungsbedürfnis kann nur der vor allem für den Markt ersichtliche Emissionspreis relevant sein. Art. 10 I VO 2273/2003 kann im Umkehrschluss aber auch entnommen werden, dass eine Beschränkung oder anderweitige Kopplung an den aktuellen Marktpreis nicht stattfindet. Der sich unabhängig von etwaigen Stabilisierungsmaßnahmen einstellende Aktienkurs muss bei der Festlegung der Höhe des Stabilisierungsangebots demnach nicht berücksichtigt werden. Die Empfehlung des CESR hingegen hatte zumindest eine gewisse Anlehnung an den aktuellen Markt impliziert, wenn es bei der Festlegung des zulässigen Stabilisierungspreises heißt: „Stabilisation may only be undertaken to support the market price of the Relevant Securities having due regard to prevailing market conditions and in any event may not be executed above the offering price“415. Daraus könnte geschlossen werden, dass, nach Meinung des CESR, auch nur zu den vorherrschenden Marktbedingungen, also zum aktuellen Marktpreis stabilisiert werden darf. Die KuMaKV hatte eine entsprechende Formulierung in § 8 Nr. 1 KuMaKV übernommen, nach der die Stützung des Marktpreises nur unter Berücksichtigung der Marktlage durchgeführt werden durfte. Die entsprechende Begründung stellte klar, dass „als erlaubte Kursstützung nur die Stützung des jeweils aktuellen Börsen- oder Marktpreises und somit des letzten Preises, der sich ohne Stabilisierungsmaßnahmen gebildet hat, angesehen“ werden könne416. Obergrenze des Stabilisierungspreises war neben dem Emissionspreis also zusätzlich der sich unabhängig einstellende Marktpreis417. Eine solche Begrenzung war auch nicht vollkommen neu. Insbesondere die als Vorbild

_________ 414 Meißner, Stabilisierung und Pflege von Aktienkursen, S. 144; Pfüller/Anders, WM 2003, 2445, 2452; Vogel in Assmann/Schneider, § 20a Rn. 222. 415 CESR/02-020b vom April 2002, S. 11. Hervorhebung durch den Verfasser dieser Arbeit. 416 Begründung zur KuMaKV, BR-Drucks. 639/03, S. 16. 417 So auch Meißner, Stabilisierung und Pflege von Aktienkursen, S. 144, der allerdings behauptet, in der Begründung hieße es Stabilisierung „zum Kurs des letzten unabhängig zu Stande gekommenen Preises“. Ganz so eindeutig ist die Begründung, wie gesehen, aber nicht, da sie nicht ausdrücklich vorschreibt, dass zu diesem Kurs zu stabilisieren ist, sondern dass nur dieser Kurs stabilisiert werden darf. Es ist aber davon auszugehen, dass der Verordnungsgeber eine solche Beschränkung des Stabilisierungspreises tatsächlich vorgesehen hatte.

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E. Rechtliche Grenzen der Kursstabilisierung in Deutschland

geltende US-amerikanische Regulation M sieht eine stringente Orientierung des Stabilisierungsangebots am jeweilig vorherrschenden Marktpreis bzw. den unabhängig abgegebenen Kaufangeboten im Markt vor418. Selbiges gilt für die englischen Price Stabilising Rules, die in Chapter 2 COMC ebenfalls festlegen, dass die jeweils zuletzt durchgeführte unabhängige Markttransaktion die neue Obergrenze für die folgenden Stabilisierungsangebote darstellt419. Um so verwunderlicher ist, dass eine ebensolche Begrenzung von Art. 10 VO 2273/2003 nicht vorgesehen ist. Das hat grundsätzlich zweierlei Konsequenzen: Es bedeutet zum einen, dass die Stabilisierung technisch erheblich leichter durchgeführt werden kann. Denn werden die Stabilisierungsangebote systematisch deutlich über den Marktpreis gesetzt, verringert sich zwar die Gewinnspanne des Konsortialführers (Differenz zwischen Emissionspreis und (Rück)Kaufpreis), der Kurs kann auf diese Weise420 aber direkt oder zumindest über einen deutlichen Signaleffekt beeinflusst werden. Das Problem, dass ein Aktienkurs eigentlich nicht allein über eine erhöhte Nachfrage, sondern lediglich über den Informationseffekt angehoben werden kann421, ist in diesem Fall entschärft. Zum anderen wird dann aber durch das auf diese Weise erreichte, jetzt tatsächlich „künstliche“ Preisniveau, ein irreführender Eindruck über den Wert der Papiere vermittelt, das Irreführungspotential wird erhöht. Das ist unerwünscht. Wohl gerade deshalb sind – wie gesehen – entsprechende Beschränkungen im internationalen Vergleich üblich. Ob die Banken in der deutschen Kapitalmarktpraxis tatsächlich deutlich über dem Marktpreis stabilisieren werden, ist in Anbetracht der damit für die Banken einhergehenden verringerten Gewinnspanne sehr zweifelhaft422. (i) Ergänzende Maßnahmen: Mehrzuteilung und Greenshoe Die Mehrzuteilung von Wertpapieren während der Emission ermöglicht es dem Bankenkonsortium, den Kurs zu stabilisieren und gleichwohl keine LongPositionen aufbauen zu müssen. Die Greenshoe-Option sichert die Banken gegen Verluste ab, die sich daraus ergeben könnten, dass die zuvor eingegan-

_________ 418 Vgl. die ausführliche Darstellung der entsprechenden Vorschriften bereits oben im Abschnitt D.III.2. 419 Vgl. dazu auch Meißner, Stabilisierung und Pflege von Aktienkursen, S. 144. 420 Ausschließlich auf diese Weise wurden die Aktienkurse manipuliert in den Fällen, die von US-Gerichten anschließend als Manipulationssachverhalte eingestuft wurden, vgl. nur SEC v. Lorin, 877 F.Supp. 192 (S.D.N.Y.1995), United States v. Mulheren, 938 F.2d 364 (2d Cir. 1991), Markowski v. SEC, 274 F.3d 525 (D.C.Cir.2001). 421 Vgl. dazu Abschnitt C.I. 422 Zu den an der Börse möglicherweise ohnehin auftretenden praktischen Schwierigkeiten vgl. schon Fußnote 47.

II. Das Wertpapierhandelsgesetz

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genen Short-Positionen zu möglicherweise gestiegenen Aktienpreisen gedeckt werden müssen423. Beides ist nach Art. 11 VO 2273/2003 zulässig, solange die dort und die in Art. 9 gestellten Anforderungen erfüllt werden424. Nach Art. 11 a) ist eine Überzeichnung nur innerhalb der Zeichnungsfrist und zum Emissionskurs zulässig. Zur Absicherung kann eine Greenshoe-Option eingeräumt werden, die aber 15% des ursprünglichen Angebots nicht übersteigen darf, Art. 11 c). Das entspricht der gängigen Marktpraxis425. Insoweit identische Bestimmungen hatte die KuMaKV in § 12 I vorgesehen. Im Folgenden sollen lediglich einige besonders diskussionswürdige Fragen zu Art. 11 untersucht werden.

(aa) Bekanntgabepflicht und Ausübungszeitraum Beachtenswert ist, dass nach Art. 11 f) VO 2273/2003 die Öffentlichkeit unverzüglich und in allen angemessenen Einzelheiten über die Ausübung der Greenshoe-Option, insbesondere über den Zeitpunkt der Ausübung und die Zahl426 und Art der relevanten Wertpapiere, zu unterrichten427 ist. Die zeitlichen Bestimmungen zur Veröffentlichung der Greenshoe-Maßnahmen sind insoweit strenger als die für die Stabilisierung selbst. Das erklärt sich daraus, dass im Zuge des Greenshoes, das heißt des zusätzlichen Bezugs weiterer Wertpapiere, der Kurs der bereits im Umlauf befindlichen Aktien unweigerlich „gedrückt“ wird428, sofern der aktuelle Kurs über dem Emissionspreis liegt. Gerade dann wird die Greenshoe-Option ausgeübt. Dieser ökonomische Effekt

_________ 423

Zu beiden Begriffen vergleiche schon oben den Abschnitt B.III.2. Die dort berücksichtigte Legaldefinitionen der „Überzeichnung“ und der „Greenshoe-Option“ nehmen Art. 2 Nr. 13 und 14 VO 2273/2003 vor. 424 Art. 11 VO 2273/2003 spricht insoweit nur von „ergänzenden Stabilisierungsmaßnahmen“, die allerdings in Art. 2 Nr. 12 definiert sind als eine „Überzeichnung oder die Ausübung einer Greenshoe-Option durch ein Wertpapierhaus oder Kreditinstitut, die im Rahmen eines signifikanten Zeichnungsangebots relevanter Wertpapiere ausschließlich der Vereinfachung der eigentlichen Kursstabilisierungsmaßnahme“ dient. 425 Das CESR bezeichnet in seiner Empfehlung sowohl die Mehrzuteilung als auch den Greenshoe als “best practice“, vgl. CESR/02-020b vom April 2002, S. 13. Vgl. für die internationale Literatur schon Fußnote 96 und für die deutsche Literatur Fußnote 97. 426 Feuring betont, dass in diesem Zusammenhang – im Gegensatz zu den Pflichten aus Art. 9 I e) VO 2273/2003 – die Nennung der absoluten Zahl an Aktien erforderlich ist. Dies sei interessensgerecht, da es eine schon vor der Ausgabe erfolgende Benennung der absoluten Zahl ermöglichen würde, das Ausmaß eines Naked Short zu berechnen und so gegen den Stabilisierungsmanager zu spekulieren, vgl. Feuring in Habersack/Mülbert/Schlitt, § 27 Rn. 56. 427 Hierbei handelt es sich wohl wieder um eine „angemessene Bekanntgabe“ nach Art. 2 Nr. 5 VO 2273/2003, vgl. Leppert/Stürwald, ZBB 2004, 302, 314. 428 Sog. Verwässerungseffekt.

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E. Rechtliche Grenzen der Kursstabilisierung in Deutschland

ist deutlich sicherer, und in den meisten Fällen auch spürbarer, als der der Stabilisierung. Zudem beeinflusst er den Kurs im negativen Sinne. Es besteht also ein besonderer Bedarf an Publizität. Auf die genannte Gefahr hatte auch die Begründung zur KuMaKV bereits hingewiesen und damit die gesteigerten Veröffentlichungspflichten in § 12 I KuMaKV gerechtfertigt429. Auf die Möglichkeit einer nachherigen Überzeichnung oder GreenshoeOption sind die Anleger bereits vor Beginn der Zeichnungsfrist hinzuweisen, vgl. Art. 9 I e) VO 2273/2003 bzw. VO 809/2004 (ProspV)430. Ihnen soll gegebenenfalls auch mitgeteilt werden, in welchem Umfang, in welchem Zeitraum die Greenshoe-Option ausgeübt werden soll und welche Voraussetzungen gegebenenfalls für eine Überzeichnung oder die Ausübung der Greenshoe-Option erfüllt sein müssen. Auf Art. 9 verweist der sich mit der Mehrzuteilung beschäftigende Art. 11 noch einmal explizit. Warum dieser Verweis auf den gesamten Art. 9 und nicht nur auf Art. 9 I oder sogar ausschließlich auf Art. 9 I e) bezogen ist, ist unklar. Denkbar ist, dass sich der Verweis auch auf die Mitteilung an die Behörde nach Art. 9 II bezieht431. Dann müsste auch die Ausübung der Greenshoe-Option entsprechend der Behörde mitgeteilt werden. Das wäre eigentlich sachgerecht, zumal nicht ersichtlich ist, warum insoweit eine weniger weitreichende Informationspflicht bestehen sollte als bei sonstigen Stabilisierungsmaßnahmen. Argumentativ lässt sich dafür im übrigen anführen, dass Art. 11 hinsichtlich Mehrzuteilung und Greenshoe von „ergänzenden Stabilisierungsmaßnahmen“ spricht. Gerade auf „Stabilisierungsmaßnahmen“ stellt auch Art. 9 II dem Wortlaut nach ab. Es bedürfte insoweit also nicht einmal einer nur entsprechenden Anwendung. Die Empfehlungen des CESR hatten eine entsprechende Regelung aber nicht vorgesehen432. Die Verordnung VO 2273/2003 würde also gegebenenfalls deutlich über diese Empfehlungen hinausgehen. Etwas strenger als die KuMaKV handhabt der europäische Verordnungsgeber den zulässigen Zeitraum für die Ausübung der Greenshoe-Option. Gemäß Art. 11 e) VO 2273/2003 muss sich dieser Zeitraum mit dem zum Zwecke der Kursstabilisierung nach Art. 8 derselben Verordnung decken. Die KuMaKV

_________ 429 Vgl. Begründung zur KuMaKV, BR-Drucks. 639/03, (zu § 12), S. 18; mit der Begündung über die besonders starke Kursbeeinflussung durch den Greenshoe auch Meißner, Stabilisierung und Pflege von Aktienkursen, S. 148. 430 Verordnung der Kommission zur Umsetzung der europäischen Prospektrichtlinie. Dort Art. 6 i.V.m. Anhang III („Mindestangaben für die Wertpapierbeschreibung für Aktien“), Zi. 5.2.5 (Greenshoe) und Zi. 6.5 (Stabilisierung); Art. 13 i.V.m. Anhang X („Mindestangaben für Zertifikate, die Aktien vertreten“), Zi. 29.2.4 (Greenshoe) und Zi. 30.5–30.9 (Stabilisierung). 431 Vgl. Feuring in Habersack/Mülbert/Schlitt, § 27 Rn. 55. Als bloßen Verweis auf Art. 9 I e) sehen das aber wohl Leppert/Stürwald, ZBB 2004, 302, 313. 432 Vgl. CESR/02-020b vom April 2002, S. 13 f.

II. Das Wertpapierhandelsgesetz

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hatte vorgesehen, dass das Wertpapierdienstleistungsunternehmen die Greenshoe-Option während oder nach dem Stabilisierungszeitraum ausüben kann, vgl. § 12 I KuMaKV. Die neue Regelung kann in der praktischen Hand habung bewirken, dass sich der Zeitraum für die Stabilisierungsmaßnahmen selbst de facto um einen Tag verkürzt433.

(bb) Mehrzuteilung ohne Deckung durch Greenshoe Die wohl auffälligste Abweichung von der alten Rechtslage enthält Art. 11 b) VO 2273/2003, der nunmehr, in Abgrenzung von der ausdrücklichen Regelung in § 12 I KuMaKV, eine Mehrzuteilung bis zu 5% des ursprünglichen Angebots auch insoweit zulässt, als sie nicht durch eine entsprechende Greenshoe-Option gedeckt ist (sog. naked short). Daraus ergibt sich ein zulässiges Maximum für die – gedeckte und ungedeckte – Mehrzuteilung in Höhe von 20%. Die auf 5% beschränkte Zulassung einer Mehrzuteilung ist dabei sogar restriktiver als die von den Empfehlungen des CESR vorgesehenen Regelung. Dort wurde lediglich gefordert, dass sich die anschließenden, der Deckung der Short-Positionen dienenden, Wertpapierkäufe im Rahmen der zugelassenen Stabilisierungsmaßnahmen halten müssen434; einer vollständigen oder auch nur teilweisen Deckung der Mehrzuteilung durch eine Greenshoe-Option hätte es hiernach nicht bedurft. Auch aus den USA ist eine solche Beschränkung nicht bekannt. Daher war auch der Ausschluss der sog. „Naked Short“ durch die KuMaKV teilweise als „unverständlich“ empfunden worden435. Die Begründung zur KuMaKV hatte sich insoweit lediglich auf die Feststellung der Rechtslage beschränkt und wiederholt betont, dass eine „Naked Short Position“ nicht erlaubt sei436. Die Gefahr einer nicht gedeckten Mehrzuteilung liegt darin, dass die Emissionsbanken in diesem Fall gezwungen sind, die aufgebauten Short-Positionen letztendlich durch Käufe im freien Markt zu schließen. Das kommt einem Zwang zur Stabilisierung gleich, der nicht einmal zwischen einem zuvor gefallenen oder gestiegenen Kurs unterscheidet. An anderer Stelle in dieser Arbeit437 wurde bereits beklagt, dass der Kurspflege eine Art Automatismus innewohnt, will heißen, dass die Banken stabilisieren, wenn der Kurs gesunken ist und die

_________ 433

Feuring in Habersack/Mülbert/Schlitt, § 27 Rn. 48. CESR/02-020b vom April 2002, S. 13. 435 So Pfüller/Anders, WM 2003, 2445, 2453. 436 Vgl. Begründung zur KuMaKV, BR-Drucks. 639/03 (zu § 12), S. 17. Dort heißt es einfach, § 12 I begrenze die Möglichkeit der Mehrzuteilung im Rahmen des Safe Harbour insofern, als keine ungedeckte, das heißt nicht von einer Greenshoe-Vereinbarung abgesicherte, offene Position entstehen darf. 437 Vgl. oben die Abschnitte unter C.III.3. 434

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E. Rechtliche Grenzen der Kursstabilisierung in Deutschland

Greenshoe-Option ausüben, wenn er gestiegen ist, ohne Beachtung der Frage, weshalb diese Entwicklung jeweils eingetreten ist. Es ist also durchaus denkbar, dass dem natürlichen Markttrend oder der tatsächlichen Geschäftslage des Unternehmens zuwider stabilisiert wird. Dieses Problem verschärft sich, wenn der Konsortialbank eine Greenshoe-Option in dieser Höhe nicht zur Verfügung steht. Steigt der Kurs nach der Wertpapierausgabe, muss die Bank ihre ShortPosition gleichwohl früher oder später durch Käufe auf dem Markt schließen und bewirkt so möglicherweise438 einen zusätzlichen und ungewollten Kursanstieg, der mit der wirtschaftlich positiven Wirkung einer Stabilisierung (Ausgleich emissionstypischer Schwankungen) nicht zu rechtfertigen ist. Aus diesem Grunde ist die Begrenzung solchermaßen ungedeckter Mehrzuteilungen auf 5% des ursprünglichen Angebots – Art. 11 b) VO 2273/2003 – zu begrüßen und der vormalige Ausschluss des Naked Short nicht vollkommen „unverständlich“.

(cc) „Refreshing the Shoe“ Art. 11 c) VO 2273/2003 legt fest, dass die Greenshoe-Option von den Begünstigten einer solchen Option nur „im Rahmen einer Überzeichnung“ relevanter Wertpapiere ausgeübt werden kann. Eindeutig lässt sich dieser Formulierung entnehmen, dass eine Greenshoe-Option nicht ausgeübt werden darf, wenn eine Mehrzuteilung in dem besprochenen Sinne nie oder zumindest nicht in hinreichender Höhe stattgefunden hat. Gewisse Unsicherheit besteht jedoch im Hinblick auf die Frage, ob die Greenshoe-Option auch dann ausgeübt werden darf, wenn zwar eine Mehrzuteilung bestand, die aufgebauten ShortPositionen aber durch Stabilisierungskäufe am Markt gedeckt wurden und die Ausübung der Greenshoe-Option nun dazu führt, dass der Konsortialbank zusätzliche Aktien zur Verfügung stehen, sog. „Refreshing the Shoe“439; es entsteht so seitens der Emissionsbanken eine Long-Position. Feuring bejaht diese Frage440. Einer solchen Vorgehensweise stehe Art. 11 c) der Verordnung nicht entgegen. Dieser knüpfe an einen früheren Zeitpunkt. Die Greenshoe-Option dürfe nur nicht von Anfang an größer sein als die Mehrzuteilung und so eine Long Position geschaffen werden. Dies beinhalte aber nicht die Aussage, dass die Ausübung der Greenshoe-Option nur zulässig wäre, soweit die Aktien nicht im Markt zurück gekauft wurden.

_________ 438 Zu der Feststellung, dass es auf den Einzelfall ankommt, ob der Kauf von Aktien ohne Weiteres auch einen Kursanstieg bewirkt, vergleiche den obigen Abschnitt C.II.1.b). 439 Vgl. zu der gesamten Fragestellung Feuring in Habersack/Mülbert/Schlitt, § 27 Rn. 52. 440 Feuring in Habersack/Mülbert/Schlitt, § 27 Rn. 53.

II. Das Wertpapierhandelsgesetz

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Nach der Lektüre der deutschen Übersetzung ist noch nicht vollkommen klar, wie man dem Wortlaut des Art. 11 c) entnehmen kann, dass hier an den früheren Zeitpunkt, nämlich den der Einräumung der Greenshoe-Option441 angeknüpft wird, wo der Tatbestand doch gerade von der ‚Ausübung’ der Greenshoe-Option, nicht von deren ‚Einräumung’ spricht und zudem nur Maßnahmen legalisiert, die „im Rahmen einer Mehrzuteilung“ ausgeübt werden. Etwas klarer wird die Ansicht Feurings nach Betrachtung der englischen Originalfassung, in der es heißt, dass eine Greenshoe-Option nur dort ausgeübt werden dürfe, wo eine Mehrzuteilung stattgefunden habe442. Dieser Wortlaut stellt in der Tat nicht darauf ab, wie die aus der Mehrzuteilung entstandenen Positionen gedeckt werden, sondern ausschließlich darauf, ob eine Mehrzuteilung überhaupt erfolgt ist443. Grundsätzlich kann also auch das sog. „Refreshing the Shoe“ in den Safe Harbor der VO 2273/2003 fallen. Dasselbe Ergebnis ließ sich bis vor kurzem auch aus § 12 I KuMaKV ableiten, in dem es hieß, eine Greenshoe-Vereinbarung sei nur zur Absicherung einer Mehrzuteilung zulässig. Anknüpfungspunkt war hier sogar noch deutlicher die ursprüngliche Vereinbarung, nicht der spätere Ausübungsvorgang. Eine spätere Ausübung durch den Konsortialführer schien dem Wortlaut nach zu jedem Zwecke möglich, wenngleich das in der Literatur entweder gar nicht angesprochen oder – ohne nähere Begründung – mit gegenteiligem Ergebnis beurteilt444 wurde. Nach Ansicht des Verfassers dieser Arbeit sollte eine solche Vorgehensweise („Refreshing the Shoe“) jedoch nicht zulässig sein, der Wortlaut des Art. 11 c) VO 2273/2003 sollte insoweit (klarstellend) abgeändert werden. Wie schon der Verordnungsgeber der KuMaKV hat auch der europäische Verordnungsgeber die Gefahr berücksichtigt, dass eine Ausübung der GreenshoeOption aufgrund der dann gestiegenen Anzahl an Wertpapieren signifikante

_________ 441

Das ist wohl gemeint mit „von Anfang an“, vgl. Feuring in Habersack/Mülbert/Schlitt, § 27 Rn. 53. Könnte das dem Wortlaut eindeutig entnommen werden, läge die Zulässigkeit des „Refreshing the Shoe“ in der Tat auch nahe. 442 In der englischen Originalfassung heißt es: „the greenshoe option may be exercised by the beneficiaries of such an option only where relevant securities have been overallotted”, § 11 c) VO 2273/2203. 443 Darauf stellt auch Feuring ab, wenn er anmerkt, dass eine Korrelation nach Gesetz nur zwischen der Mehrzuteilung und der Greenshoe-Option besteht, nicht aber zwischen Stabilisierung und Greenshoe, vgl. Feuring in Habersack/Mülbert/Schlitt, § 27 Rn. 53. Etwas überraschend ist allerdings die von ihm an dieser Stelle vorgenommene Herleitung dieses Ergebnisses: Er leitet aus der Tatsache, dass Stabilisierungsmaßnahmen (natürlich) auch ohne Greenshoe durchgeführt werden dürfen, ab, dass die Greenshoe-Option auch unabhängig von etwaigen Stabilisierungskäufen ausgeübt werden darf. Dieser Rückschluss ist indes keinesfalls zwingend. 444 Vgl. nur Meißner, Stabilisierung und Pflege von Aktienkursen, S. 148.

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E. Rechtliche Grenzen der Kursstabilisierung in Deutschland

Auswirkungen auf den Kurs hat, und hat deshalb beispielsweise gesteigerte Veröffentlichungspflichten vorgesehen445. Gleichwohl muss die Einräumung sowie die Ausübung einer Greenshoe-Option ausnahmsweise zugelassen werden, um den Banken die Möglichkeit zu geben, sich gegen das aus dem Aufbau von Short-Positionen resultierende „Spekulations-Risiko“ abzusichern446. Das aber bindet die Ausübung der Greenshoe-Option dem Zweck nach fest an die Bedienung der aus den Leerverkäufen resultierenden Lieferverpflichtungen447. Die Möglichkeit des nachherigen zusätzlichen Bezugs von Wertpapieren wird der Emissionsbank ja nicht deshalb gewährt, damit sie auf diesem Wege die ausgegebenen Aktien und damit ihren eigenen Provisionserlös durch anschließende gezielte Einflussnahme maximieren kann448, wenngleich das aus Sicht des Emittenten und der Banken mit Sicherheit wünschenswert wäre. Vielmehr handelt es sich um eine ergänzende Maßnahme, die den Banken das Stabilisierungsgeschäft erleichtern soll. Dass die Greenshoe-Option bzw. deren Ausübung nur eine die eigentliche Stabilisierung unterstützende ‚Hilfsmaßnahme’ ist, ergibt sich auch aus Art. 2 Nr. 12 VO 2273/2003, an welcher Stelle die „ergänzenden Kursstabilisierungsmaßnahmen“ definiert werden als „eine Überzeichnung oder die Ausübung einer Greenshoe-Option durch ein Wertpapierhaus oder Kreditinstitut, die [...] ausschließlich der Vereinfachung der eigentlichen Kursstabilisierung dient“449. Für die eigentliche Stabilisierungsmaßnahme unterstützend oder vereinfachend wirkt die Ausübung des Greenshoes aber nur dann, wenn mit seiner Hilfe offene Short-Positionen gedeckt werden, was andernfalls – dann aber verlustbringend – durch Käufe im Markt zu gestiegenen Kursen geschehen müsste. Dass die Ausübung der Greenshoe-Option nicht als eigenständige Maßnahme vom Safe Harbor der Verordnung erfasst sein kann, ergibt sich zudem schon daraus, dass die VO 2273/2003 ausweislich der Definition der „Kursstabilisierung“ in Art. 2 Nr. 7 ausschließlich Maßnahmen zur „Stützung“ des Kur-

_________ 445 Vgl. Art. 11 c) VO 2273/2003 und zur KuMaKV die Begründung zur KuMaKV, BR-Drucks. 639/03, (zu § 12), S. 18 und für eine ausführlichere Darstellung dieses Zusammenhangs den Abschnitt E.II.1.d)(3)(i). 446 Vgl. nur CESR/02-020b vom April 2002, S. 13. Im Uebrigen siehe den obigen Abschnitt B.III.2. 447 Diese Korrelation kann, wie oben gesehen, dem Wortlaut von Art. 11 c) VO 2273/2003 eben nicht entnommen werden, so gerade auch Feuring in Habersack/Mülbert/Schlitt, § 27 Rn. 53. Auch das CESR hat in der Empfehlung vom April 2002 betont, dass eine zweckmäßige Verbindung besteht zwischen der Mehrzuteilung sowie dem Greenshoe einerseits und der Stabilisierung andererseits, vgl. CESR/02-020b vom April 2002, S. 13. 448 Zutreffend nennt Feuring das als den Vorteil einer solchen Vorgehensweise, vgl. Feuring in Habersack/Mülbert/Schlitt, § 27 Rn. 52. 449 Hervorhebung durch den Verfasser dieser Arbeit.

II. Das Wertpapierhandelsgesetz

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ses450 zulässt. Zugunsten der Banken ist die Ausübung der Greenshoe-Option – trotz des daraufhin sinkenden Kurses – gleichwohl dann erlaubt, wenn der Aktienpreis über den Emissionspreis gestiegen ist451; sind aber bereits Stabilisierungskäufe erfolgt, weil der Kurs nach der Emission gefallen ist, ist die Ausübung der Greenshoe-Option mit der damit einhergehenden Verwässerung kontraproduktiv und entspricht nicht dem ursprünglichen Zweck der Stützung des Wertpapiers. Anders ist das allenfalls dann zu beurteilen, wenn ein zunächst gesunkener, stabilisierungswürdiger Kurs nach der Stabilisierung über den Emissionspreis „hinausschnellt“ und deshalb mit der Ausübung der Greenshoe-Option bedient werden muss. (j) Im Ausland getätigte Stabilisierungsmaßnahmen Dass auch im Ausland getätigte Stabilisierungsmaßnahmen Auswirkungen auf den inländischen Marktpreis haben können, wurde – für den umgekehrten Fall – oben452 bei der Darstellung der US-amerikanischen Vorschriften bereits erwähnt. Im Ausland durchgeführte Stabilisierungsmaßnahmen können grundsätzlich auch vom Manipulationsverbot des § 20a WpHG erfasst sein453, da in solchen Fällen ein inländischer Erfolgsort im Sinne des § 9 I Fall 3 StGB vorliegen kann. Erfolgsort ist der Ort, an welchem sich die Gefahr verwirklicht, deren Vermeidung Zweck der jeweiligen Strafvorschrift ist454. Das führt zu der Frage, nach welchen Voraussetzungen sich eine etwaige Befreiung von diesem Verbot in den Fällen richtet, in denen der Safe Harbor der VO 2273/2003 aufgrund seines örtlichen Anwendungsbereichs nicht direkt einschlägig ist. Die VO 2273/2003 selbst trifft keine entsprechende Bestimmung. Nach § 6 MaKonV sind im Ausland getätigte Stabilisierungsmaßnahmen von Finanzinstrumenten, die nicht zum Handel an einem organisierten Markt in einem Mitgliedsstaat der Europäischen Union oder einem anderen Vertragsstaat des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum zugelassen sind und für die eine solche Zulassung auch nicht beantragt ist, dann zulässig, wenn sie den Anforderungen der VO 2273/2003 genügen oder im Rahmen der an den betreffenden ausländischen Märkten bestehenden Regeln über zulässige Stabilisierungsmaßnahmen getätigt werden, sofern diese Regeln den Regeln der VO 2273/2003 gleichwertig sind. Dabei sind insbesondere die jeweiligen mate-

_________ 450 So auch ausdrücklich nochmal Meißner, Stabilisierung und Pflege von Aktienkursen, S. 149. 451 Vgl. nur CESR/02-020b vom April 2002, S. 13. 452 Abschnitt D.III.5. 453 Vogel in Assmann/Schneider, § 20a Rn. 34. 454 Tröndle/Fischer, § 9 Rn. 4.

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E. Rechtliche Grenzen der Kursstabilisierung in Deutschland

riellen Schranken für Stabilisierungsmaßnahmen sowie die Anforderungen an Transparenz und Publizität von maßgeblicher Bedeutung455. Die Begrenzung auf die Stabilisierung von Finanzinstrumenten, welche nicht an einem organisierten Markt eines EU-/EWR-Staates zugelassen sind, folgt ausweislich der amtlichen Begründung daraus, dass im Übrigen die VO 2273/2003 Anwendungsvorrang genießt456. § 6 MaKonV entspricht spiegelbildlich der oben457 beschriebenen Regelung in Rule 104(g) der USamerikanischen Regulation M, die in diesem Rahmen die englischen Stabilisierungsregeln bereits anerkannt hat. Es ist deshalb und aufgrund der Ähnlichkeit der neuen europäischen mit den existierenden englischen und US-amerikanischen Normen davon auszugehen, dass es im Rahmen von § 6 MaKonV zu einer Anerkennung zumindest der englischen und US-amerikanischen Vorschriften kommt458. Das sollte aus Gründen der Rechtssicherheit möglichst bald geschehen459. e) Nichterfüllung einzelner Voraussetzungen der VO 2273/2003 Nachdem festgestellt wurde, dass Kursstabilisierungsmaßnahmen grundsätzlich einen Verstoß gegen § 20a I WpHG begründen können und hierauf aufbauend die Safe Harbor-Anforderungen untersucht wurden, bei deren Einhaltung in keinem Fall ein Verstoß gegen das Manipulationsverbot vorliegt, kann nun die Frage gestellt werden, welche Folgen es hat, wenn der Konsortialführer einzelne Voraussetzungen der VO 2273/2003 nicht einhält460. Dass ein solches Verhalten aufgrund des Safe Harbor-Charakters der Verordnung nicht ohne weiteres einen Verstoß gegen § 20a I WpHG bedeutet, wurde bereits erläutert. Letztlich muss die die Stabilisierung durchführende Bank ihr Verhalten dann am allgemeinen Tatbestand des Manipulationsverbots messen lassen. Ganz grundsätzlich wird gelten, dass aufgrund des weit gefassten Tatbestands die Vermeidung eines Verstoßes nur in engen Grenzen möglich ist. So wird beispielsweise die Stabilisierung über dem Emissionspreis tendentiell geeignet sein, zumindest ein „künstliches Preisniveau“ im Sinne des § 20a I 1 Nr. 2 Alt. 2 herbeizuführen. Die Durchführung von Stabilisierungsmaßnahmen über den zulässigen Stabilisierungszeitraum hinaus hat, jedenfalls solange

_________ 455

Vogel in Assmann/Schneider, § 20a Rn. 226. Begründung zur MaKonV, (zu § 6 MaKonV), S. 9. 457 Abschnitt D.III.5. 458 So auch Feuring in Habersack/Mülbert/Schlitt, § 27 Rn. 58. 459 Pfüller/Anders, WM 2003, 2445, 2453. 460 Speziell zu der Frage der Zulässigkeit der Kursstabilisierung im sog. Bookbuilding-Verfahren siehe schon Abschnitt E.II.1.d)(3)(f). 456

II. Das Wertpapierhandelsgesetz

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keine entsprechende Aufklärung durchgeführt wurde, vor allem das Potential, „irreführende Signale“ zu senden im Sinne des § 20a I 1 Nr. 2 Alt. 1. Beispielsweise wird aber das Nichteinhalten der Meldevoraussetzungen gegenüber der Behörde nach Art. 9 II VO 2273/2003 das Manipulationspotential nicht wesentlich erhöhen. Die hier denkbaren Konstellationsmöglichkeiten sind unzählig. Letztlich wird viel von den konkreten Umständen im Einzelfall abhängen, insbesondere von der Frage, inwieweit die Anleger über die entsprechenden Maßnahmen informiert worden sind, insbesondere, ob gerade jenes Verhalten offiziell angekündigt wurde, das nun einen „Verstoß“ gegen die VO 2273/2003 begründet461. Gerade deshalb ist interessant, die Problematik von der anderen Seite zu betrachten: Fraglich ist, inwiefern die Verletzung des Manipulationsverbots nicht einfach durch weitgehende Offenlegung der geplanten und möglicherweise auch der tatsächlich durchgeführten Maßnahmen vermieden werden kann462. Diese Überlegung erlangt besondere Bedeutung vor dem Hintergrund, dass der Manipulationscharakter der Kursstabilisierung inbesondere über eine (gezielte) Störung der Informationseffizienz begründet wurde. Dies kann möglicherweise durch umfassende Information des Publikums verhindert werden. Schon unter der Annahme einer zuvor nicht stattfindenden Aufklärung des Publikums463 fiel es schwer, eine Täuschungshandlung im Sinne des § 20a I 1 Nr. 3 zu begründen, insbesondere weil es an dem für dieses Tatbestandsmerkmal weitgehend464 geforderten Erklärungszeichen465 möglicherweise fehlt. Insbesondere aber wenn der Emittent die Investoren im Prospekt darauf hingewiesen hat, dass und unter welchen Umständen Stabilisierungsmaßnahmen durchgeführt werden können, kann man nicht jedem Kaufangebot – gerade größeren Umfangs – ohne weiteres entnehmen, dass dieses allein aus Gründen der Wertschätzung und nicht zum Zwecke der Kursbeeinflussung abgegeben wurde. Daher konnte vor dem Inkrafttreten des AnSVG bei dem dann alleinig in Betracht kommenden § 20a I 1 Nr. 2 a.F. („sonstige Täuschungshandlung“) vertreten werden, dass der Tatbestand im Falle einer umfassenden Aufklärung

_________ 461 In strafrechtlicher Hinsicht ist schon die Tatsache problematisch, dass durch Verletzung solcher „nachwirkenden“ Pflichten eine nachträgliche Strafbarkeitsbegründung des ursprünglich rechtmäßigen Verhaltens schwerlich in Betracht kommt, vgl. dazu Vogel in Assmann/Schneider, § 20a Rn. 195. 462 So beispielsweise Groß in GS Bosch, S. 49, 64 f. 463 So die Prämisse in Abschnitt E.II.1.c). 464 A.A. Vogel in Assmann/Schneider, § 20a Rn. 166. 465 Es soll an dieser Stellte davon ausgegangen werden, dass der in § 3 I MaKonV vorgenommenen Definition in Anbetracht der anders lautenden gefestigten Rspr nicht gefolgt werden kann, vgl. dazu schon die Abschnitte E.II.1.b) und E.II.1.c)(2).

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E. Rechtliche Grenzen der Kursstabilisierung in Deutschland

der Anleger ohnehin nicht erfüllt sei466. Die Einhaltung der restlichen Voraussetzungen des Safe Harbor war dann nicht nötig, freilich vorausgesetzt, dass gerade über die entsprechende Abweichung von diesen Voraussetzungen von vornherein informiert worden war. So kann eine umfassende Aufklärung der Investoren auch einen Vertoß gegen § 20a I 1 Nr. 3 WpHG n.F. durchaus verhindern. Ob die Betroffenen aber mit der Ankündigung der Stabilisierung im Emissionsprospekt auch einen Verstoß gegen § 20a I 1 Nr. 2 Alt. 1 („irreführende Signale“) umgehen können, ist schon schwieriger zu beantworten. Ein Erklärungswert wird hier gerade nicht verlangt. Zwar kann das Irreführungspotential der Stabilisierungsmaßnahmen durch umfassende Aufklärung reduziert werden; es vollkommen entfallen zu lassen, ist aber schwierig. Denn auch bei vollständiger und leicht verständlicher Aufklärung im Emissionsprospekt werden die Investoren lediglich darüber aufgeklärt, dass eine Kursstabilisierung stattfinden kann467, nicht ob sie tatsächlich stattfindet, auch nicht wann und zu welchem Preis sie stattfindet. Das erfahren die Anleger erst im Nachhinein. Sicher können die Investoren ableiten, dass tendenziell eher bei (stark) sinkendem Kurs stabilisiert wird. Gleichwohl kann dadurch nicht begründet werden, warum Stabilisierungsmaßnahmen nicht zumindest geeignet sind, „irreführende Signale“ zu geben. Insbesondere wurde in diesem Zusammenhang schon auf § 3 II Nr. 3 MaKonV hingewiesen, der besagt, dass Geschäfte insbesondere dann „irreführende Signale“ im bezeichneten Sinne geben, wenn sie den unzutreffenden Eindruck wirtschaftlich begründeter Umsätze machen, wenn also nicht „eine Investmentidee umgesetzt“ wurde468. Die Kursstabilisierung wird von den Banken gerade nicht zu eigenen Investitionszwecken (i.S.e. Investition in das jeweilige Finanzinstrument) durchgeführt. Der insoweit unzutreffende Eindruck kann durch Aufklärung zwar verringert, zumindest durch die bloße Ankündigung im Emissionsprospekt aber nicht verhindert werden. Diese Überlegungen gelten aber insbesondere auch für § 20a I 1 Nr. 2 Alt. 2 WpHG. An der Eignung der Maßnahmen selbst, ein „künstliches Preisniveau“ herbeizuführen, ändert die vorherige Offenlegung zunächst einmal nichts. Denkbar ist allenfalls, dass eine so weitgehende Publizierung stattfindet, dass entweder die Maßnahme überhaupt keine (unbegründeten) positiven Signale aussendet, weil die Anleger wissen, dass es sich lediglich um einen Stabilisie-

_________ 466

Vogel in Assmann/Schneider, 3. Auflage, § 20a Rn. 93. A.A. Meißner, Stabilisierung und Pflege von Aktienkursen, S. 130 ff. 467 Vgl. zu den Voraussetzungen von Art. 9 I VO 2273/2003 und von § 7 WpPG i.V.m. der ProspV schon den Abschnitt E.II.1.d)(3)(g). 468 Vgl. Abschnitt E.II.1.c)(4).

II. Das Wertpapierhandelsgesetz

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rungskauf handelt, oder dass die Anleger den Kurs – trotz vorübergehenden Ansteigens – aufgrund ihres Wissens sofort wieder in sein informationseffizientes Gleichgewicht zurückführen. In beiden Fällen ergäbe sich kein „künstliches Preisniveau“. In beiden Fällen wären die Stabilisierungsversuche der Bank aber auch wirkungslos. Zudem muss festgestellt werden, dass eine so weitgehende Offenlegung, die eine vollumfängliche Aufklärung aller Anleger herbeiführt, nicht dadurch erreicht werden kann, dass die Möglichkeit einer Stabilisierung im Emissionsprospekt angekündigt wird. Das bedeutet, dass jedenfalls eine Publizierung im Prospekt selbst kein „Allheilmittel“ gegen die Gefahr eines Verstoßes gegen § 20a I WpHG ist. Eine ausdrückliche Kennzeichnung jeder einzelnen Stabilisierungstransaktion würde das Manipulationspotential jedoch verringern, eine Zulässigkeit – auch ohne die Einhaltung der Safe Harbor-Voraussetzugen – wäre dann zumindest denkbar. f) Zulässige Marktpraxis nach § 20a II WpHG Neben den Ausnahmeregelungen des § 20a III WpHG i.V.m. der europäischen Verordnung VO 2273/2003 bestimmt § 20a II WpHG, dass das Verbot des Absatzes 1 Satz 1 Nr. 2 dann nicht gilt, wenn die Handlung mit der zulässigen Marktpraxis auf dem betreffenden organisierten Markt oder in dem betreffenden Freiverkehr vereinbar ist und der Handelnde dafür legitime Gründe469 hat470. Es wird allerdings auch festgelegt, dass als zulässige Marktpraxis nur solche Gepflogenheiten gelten, die auf dem jeweiligen Markt nach vernünftigem Ermessen erwartet werden können und von der Bundesanstalt als zulässige Marktpraxis anerkannt wurden. Eine Marktpraxis sei nicht bereits deshalb unzulässig, weil sie zuvor nicht ausdrücklich anerkannt wurde. Grundsätzlich ist auch denkbar, dass – zusätzlich zu VO 2273/2003 – weitere Stabilisierungsverfahren bzw. andere Modalitäten471 derselben auf dem Wege über § 20a II legitimiert werden. Beispielsweise hatte die BaFin bereits darüber nachgedacht, es ausnahmsweise als zulässige Marktpraxis zu akzeptie-

_________ 469

Dieses negative Tatbestandsmerkmal wurde kritisiert, weil es letztlich die Beweislast umkehre und somit gegen die Unschuldsvermutung verstoße, so schon Handelsrechtsausschuss des DAV, NZG 2004, 703, 705. 470 Es handelt sich dabei um eine Tatbestandseinschränkung, nicht um eine Beweislastumkehr. Das lässt zwar entsprechende verfassungsrechtliche Bedenken entfallen, wirft aber die Frage nach der richtlinienkonformen Umsetzung auf. Denn die Richtlinie selbst sieht eine Beweislastumkehr vor, die jedoch nach deutschem Verständnis strafund bußgeldrechtlich nicht akzeptabel gewesen wäre, Vogel in Assmann/Schneider, § 20a Rn. 137 f. 471 So der Vorschlag von Feuring in Habersack/Mülbert/Schlitt, § 27 Rn. 18.

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E. Rechtliche Grenzen der Kursstabilisierung in Deutschland

ren, dass Stabilisierungskäufe zu einem ersten Börsenpreis472 führen, der über dem E missio nspreis liegt, so fern dies zum vollständigen Marktausgleich notwendig ist. Vor einer endgülgtigen Entscheidung sollte das CESR konsultiert werden473. Soweit ersichtlich, ist eine endgültige Regelung bislang aber nicht erlassen worden. Allgemein würde der Anerkennung einer solchen Marktpraxis jedoch ein nur recht kleiner Anwendungsbereich neben der VO 2273/2003 verbleiben; die dortigen Regelungen sind v.a. in zeitlicher Hinsicht schon recht umfassend. Zudem wäre zu beachten, dass eine Anerkennung solchermaßen zulässiger Marktpraktiken nur von dem Verbot des § 20a I 1 Nr. 2 WpHG befreit; wie oben474 gesehen, können Stabilisierungsmaßnahmen aber auch – zumindest bei fehlender Aufklärung – von Satz 1 Nr. 3 erfasst sein. Bei der Festlegung der zulässigen Marktpraxis müsste die BaFin also darauf achten, dass insbesondere eine hinreichende Publizitätspflicht als Voraussetzung aufgenommen wird. 2. Verbot von Insidergeschäften nach § 14 WpHG Fraglich war schon vor Einführung des § 20a WpHG und ist weiterhin, inwieweit Kurspflegemaßnahmen475 gegen das Insiderhandelsverbot aus § 14 WpHG verstoßen können. Nach § 14 I Nr. 1 WpHG ist es verboten, unter Verwendung einer Insiderinformation Insiderpapiere für eigene oder fremde Rechnung oder für einen anderen zu erwerben oder zu veräußern. Grundsätzlich könnten auch Stabilisierungskäufe eine hiernach verbotene Insiderhandlung darstellen. Die Empfehlungen des CESR zur Regelung von Stabilisierungsmaßnahmen halten fest, dass Kursstabilisierungsmaßnahmen neben einem Potential für Marktmanipulation auch ein Potential für Insiderhandel aufweisen476. Der Emittentenleitfaden der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht erläutert, dass Kursstabilisierungsmaßnahmen „unter bestimmten Voraussetzungen nicht vom Insiderhandelsverbot erfasst“ seien und verweist insoweit auf § 14 II WpHG477. Auch in der neueren Literatur wird scheinbar teilweise – dann aber ohne weitere Begründung – davon ausgegangen, dass Stabilisierungsmaßnahmen gegen das Insiderhandelsverbot verstoßen können478.

_________ 472

Gemeint ist der Preis unmittelbar nach Ausgabe der Wertpapiere. Vgl. BaFin, Geschäftsbericht 2004, Kapitel 5, S. 175. 474 Abschnitt E.II.1.c)(2). 475 Gemeint sind hier natürlich nur Stabilisierungskäufe. „Lock-up“-Vereinbarungen können freilich keine Transaktion i.S.d. § 14 I Nr. 1 darstellen. 476 CESR/02-020b vom April 2002, S. 9. 477 Emittentenleitfaden der BaFin vom 15.7.2005, III.2.2.1.5.1, S. 29. 478 Vgl. Spindler, NJW 2004, 3449, 3451, der an dieser Stelle den Konflikt beschreibt, der sich daraus ergeben könnte, dass gewisse Stabilisierungsmaßnahmen als 473

II. Das Wertpapierhandelsgesetz

199

Die Diskussion soll dabei in drei aufeinander folgenden Abschnitten erfolgen: In einem ersten Schritt ist zu fragen, ob sich aus § 14 WpHG ein Per-SeVerbot für jedwede Stabilisierungsmaßnahme ergibt. Anschließend wird beleuchtet werden, ob eine bestimmte Art der Kurspflege, namentlich die gegen den Markttrend, vom Insiderhandelsverbot erfasst wird. Abschließend ist zu erörtern, ob Stabilisierungsmaßnahmen bei Hinzutreten weiterer Umstände einen Fall des untersagten Insiderhandels darstellen können. a) Per-Se-Verbot für Stabilisierungsmaßnahmen Sollen Stabilisierungsmaßnahmen ohne Hinzutreten weiterer Umstände gegen das Insiderhandelsverbot verstoßen, muss die Entscheidung zur Stabilisierung eine Insiderinformation darstellen, die bei der anschließenden Durchführung der Stabilisierungsmaßnahmen im Sinne des § 14 I Nr. 1 WpHG verwendet wird. (1) Hinweise in der Normgebung479 § 14 II WpHG legt seit Inkrafttreten des AnSVG fest, dass Rückkaufprogramme und Kursstabilisierungsmaßnahmen in keinem Fall einen Verstoß gegen das Insiderhandelsverbot darstellen, wenn sie nach Maßgabe der Voraussetzungen der VO 2273/2003 erfolgen. Im Hinblick auf die einzelnen Vorschriften dieser Verordnung kann auf die obigen480 Ausführungen verwiesen werden. Diskussionswürdig ist aber, inwieweit Kursstabilisierungsmaßnahmen, die sich nicht im Rahmen der dortigen Vorgaben halten, einen Verstoß gegen § 14 I Nr. 1 WpHG darstellen (können). Der Regelung in § 14 II WpHG kann man freilich nicht ohne weiteres im Umkehrschluss entnehmen, dass alle die Erfordernisse der Verordnung 2273/2003 nicht einhaltenden Maßnahmen automatisch gegen das Insiderhandelsverbot verstoßen. Denn die genannte Ausnahme-VO ist lediglich eine Safe Harbor-Regelung481 und insofern nicht abschließend.

_________ zulässige Marktpraxis nach § 20a II WpHG erklärt werden, dann aber immer noch unter das Insiderhandelsverbot des § 14 WpHG fallen würden. Auch er sieht es wohl als nicht unmöglich, dass Stabilisierungsmaßnahmen auch einen Verstoß gegen § 14 WpHG begründen können. 479 Die historische Auslegung ist an dieser Stelle vor die Wortauslegung gezogen worden, da letztere aus Gründen der Darstellung im Zusammenhang mit der sich anschließenden systematischen und teleologischen Auslegung durchgeführt werden soll. 480 Siehe Abschnitt E.II.1.d)(3). 481 Vgl. zu den parallelen Überlegungen für § 20a III den obigen Abschnitt E.II.1.d)(2).

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E. Rechtliche Grenzen der Kursstabilisierung in Deutschland

Allerdings könnte man aus der Erwähnung der Kursstabilisierung in § 14 II WpHG ableiten, dass der deutsche Gesetzgeber davon ausgeht, dass Stabilisierungsmaßnahmen gegen das Insiderhandelsverbot zumindest verstoßen können; denn andernfalls wäre der Anwendungsverweis für den Safe Harbor auf diese Maßnahmen überflüssig gewesen482. Ein Blick in die amtliche Begründung erschließt jedoch, dass der Gesetzgeber hier lediglich die Vorgaben von Art. 8 der Marktmissbrauchsrichtlinie483 umsetzen wollte484. Art. 8 seinerseits sieht vor, dass die Kursstabilisierung durch die zu erlassende Verordnung485 von den Verbotstatbeständen der (gesamten) Richtlinie, also auch von dem Insiderhandelsverbot486, befreit werden sollte. Einen solchen Rückschluss lässt auch Erwägungsgrund (33) zu, der erläutert, dass Kursstabilisierung unter bestimmten Umständen wirtschaftlich sinnvoll und deshalb nicht als Marktmissbrauch anzusehen sei; Marktmissbrauch im Sinne der Richtlinie umfasst sowohl die Marktmanipulation als auch den Insiderhandel. Mittels der VO 2273/2003 sollte die Kurspflege also auch von dem Insiderhandelsverbot befreit werden. Ob der Richtliniengeber dadurch bewusst zum Ausdruck bringen wollte, dass die Kursstabilisierung eine Form des Insiderhandels ist, kann diesen Formulierungen aber nicht abschließend entnommen werden. Insbesondere lässt Erwägungsgrund (30) an einer solchen Schlussfolgerung zweifeln. Dieser bezieht sich zwar nicht speziell auf die Stabilisierung, stellt aber immerhin ganz allgemein fest, dass die Umsetzung einer Entscheidung zum Erwerb oder zur Veräußerung von Wertpapieren an sich noch kein „Verwenden einer Insiderinformation“ darstellen kann487. Konsequenterweise dürfte dann auch die bloße Durchführung von Stabilisierungsmaßnahmen nicht ohne weiteres einen solchen Verstoß begründen. Kann also ein eindeutiger Wille der europäischen Normgeber nicht mit hinreichender Sicherheit ermittelt werden, verbleibt die Untersuchung der einzel-

_________ 482 § 14 II kann auch nicht ausschließlich den Fall gemeint haben, dass die Verwendung zusätzlicher Informationen einen Verstoß gegen das Insiderhandelsverbot begründen kann. Denn ein solcher könnte auch durch die Einhaltung der Safe-Harbor-Regeln nicht vermieden werden. 483 Richtlinie 2003/6/EG. 484 Begründung zum AnSVG, zu § 14 II. 485 Die Kommission hat dem folgend die Verordnung VO 2273/2003 erlassen. 486 Das betonen auch Geber/zur Megede ausdrücklich, vgl. Geber/zur Megede, BB 2005, 1861. 487 In der Insiderrichtlinie von 1989 noch hatte der Richtliniengeber in Erwägungsgrund (12) ausdrücklich und konkret festgehalten, dass es gerade bei der Durchführung von Kursstabilisierungsmaßnahmen zumindest an einem Ausnutzen der InsiderInformation fehle, vgl. Richtlinie 89/592/EWG des Rates vom 13. November 1989. Eine solche Formulierung wurde in die Missbrauchsrichtlinie aber gerade nicht mehr übernommen.

II. Das Wertpapierhandelsgesetz

201

nen Tatbestandsmerkmale des Insiderhandelsverbots des WpHG. Problematisch sind in dieser Hinsicht insbesondere die Begriffe „Insiderinformation“, § 13 I WpHG, und „Verwenden“, § 14 I Nr. 1 WpHG. Denn sollte die Kurspflege unter das Insiderhandelsverbot fallen, müsste die Entscheidung, den Kurs zu stabilisieren, eine Insiderinformation darstellen488, die bei der Durchführung der Stabilisierungsmaßnahme verwendet wird. (2) Insiderinformation Dieses Tatbestandsmerkmal gewinnt bei der Diskussion um die insiderrechtliche Zulässigkeit der Kurspflege deshalb neue Bedeutung, weil zum einen der Bundesgerichtshof im November 2003489 eine grundlegende Entscheidung zur Auslegung der Insidertatsache (damals noch zu § 14 I Nr. 1 WpHG a.F.) getroffen hat und zudem der Gesetzgeber eine unter anderem dieser Auslegung entsprechende Änderung des Gesetzestextes490 vorgenommen hat. (a) Nicht öffentlich bekannter Umstand Bei der Absicht, einen Stabilisierungskauf durchzuführen, handelt es sich um einen nicht öffentlich bekannten Umstand i.S.d. § 13 I WpHG. Daran könnte man allenfalls deshalb zweifeln, weil bzw. wenn die entsprechenden Maßnahmen im Emissionsprospekt angekündigt wurden491. Ein Umstand ist öffentlich bekannt, wenn es einer unbestimmten Anzahl von Personen möglich ist, von ihm Kenntnis zu nehmen, sog. Herstellung einer Bereichsöffentlichkeit492.

_________ 488 Bei unternehmerischen Entscheidungen oder Absichten könnte nach neuer Rechtslage auch die spätere Durchführung schon als Insiderinformation gewertet werden, wenn sie hinreichend wahrscheinlich ist. Wenn aber die Durchführung einer wichtigen Maßnahme hinreichend wahrscheinlich in diesem Sinne ist, hat auch schon die zugehörige Entscheidung zumeist „erhebliches Kursbeeinflussungspotential“, so dass sich auf diese Weise keine Tatbestandserweiterung ergibt, vgl. Cahn, Der Konzern 2005, 5, 6. Entscheidend ist für den hier zu untersuchenden Fall aber vielmehr, dass die spätere Durchführung der Stabilisierung, auch wenn sie sehr wahrscheinlich ist, nicht gleichzeitig eine „Insiderinformation“ und das anschließende „Verwenden“ darstellen kann. 489 BGHZ 48, 373; BGH BB 2004, 11 = BGH JZ 2004, 522 = BGH NStZ 2004, 285 [„Scalping“]. 490 „Insiderinformation“ statt „Insidertatsache“. 491 So beispielsweise Lenzen, Eingriffe in die Börsenkursbildung, S. 202 und Groß in GS Bosch, S. 49, 63. 492 Assmann in Assmann/Schneider, § 13 Rn. 38 ff. für die „nicht öffentlich bekannte Tatsache“ nach § 13 I a.F.

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E. Rechtliche Grenzen der Kursstabilisierung in Deutschland

Es ist zu bedenken, dass im Emissionsprospekt lediglich darauf hingewiesen wird, dass die Kursstabilisierung durchgeführt werden kann493. Weder unmittelbar vor Durchführung der Maßnahme noch währenddessen wird dem Anleger der Zweck des jeweiligen Kaufes mitgeteilt494. Schon gar nicht wird er direkt nach der Entscheidungsfindung durch den Konsortialführer über dessen Entscheidung belehrt. Und gerade diese Entscheidung könnte als Insiderinformation gewertet werden. Es handelt sich folglich um einen nicht öffentlich bekannten Umstand. (b) Potential zur Preisbeeinflussung Im Weiteren muss es sich um eine Information handeln, die geeignet ist, im Fall ihres öffentlichen Bekanntwerdens den Börsen- oder Marktpreis des Insiderpapiers erheblich zu beeinflussen, § 13 I 1 WpHG. Nach § 13 I 2 ist eine solche Eignung gegeben, wenn ein verständiger Anleger die Information bei seiner Anlageenscheidung berücksichtigen würde. Entscheidend ist, dass die Information bei objektiver Betrachtung einen Kauf- oder Verkaufanreiz darstellt495. Dass die Durchführung einer Stabilisierungsmaßnahme – schon ihrem Zweck entsprechend – nicht unerhebliche Auswirkungen auf den Preis des Wertpapiers haben kann, wurde im Abschnitt C.I bereits aufgezeigt. Aus diesem Grunde würde ein verständiger Anleger die Information, ob in concreto eine Stabilisierungsmaßnahme durchgeführt werden soll oder nicht496, selbstverständlich bei seiner Anlageentscheidung berücksichtigen497. Wüsste er um die unmittelbar bevorstehende Durchführung, würde er sich naheliegenderweise mit dem entsprechenden Wertpapier eindecken, selbiges nach der Durchführung wieder veräußern und auf diese Weise einen (fast) risikolosen „Spekulations“-Gewinn realisieren.

_________ 493 Vgl. zu der parallelen Problematik unter dem Gesichtspunkt der Irreführung schon Abschnitt E.II.1.e). 494 Dass das vom Gesetz auch nicht verlangt wird, siehe schon Abschnitt E.II.1.d)(3)(g). 495 Vgl. OLG Düsseldorf, wistra 2004, 436, 437. 496 Es muss bei dieser Überlegung bedacht werden, dass es, im Gegensatz zu der parallelen Gedankenführung hinsichtlich eines „bewertungserheblichen Umstands“ in Abschnitt E.II.1.c)(5)(a), nicht um die Frage geht, ob ein Anleger berücksichtigt, dass Stabilisierungsmaßnahmen durchgeführt werden können, sondern um die Frage, ob er berücksichtigen würde, dass im konkreten Fall die Absicht besteht (das ist die potentielle Insiderinformation!), eine Maßnahme tatsächlich durchzuführen. Letzteres ist relativ eindeutig gegeben und bedarf deshalb an dieser Stelle auch keiner noch eingehenderen Diskussion. 497 So auch ausdrücklich Lenzen, Eingriffe in die Börsenkursbildung, S. 202.

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(c) Stabilisierungsvorhaben als unternehmensinterne Entscheidung (aa) Streitstand vor Inkrafttreten des AnSVG Vor Inkrafttreten des AnSVG noch war es einem Insider verboten, unter Ausnutzung seiner Kenntnis von einer Insidertatsache Insiderpapiere für eigene oder fremde Rechnung oder für einen anderen zu erwerben oder zu veräußern, § 14 I Nr. 1 WpHG a.F. Teilweise wurde schon bezweifelt, ob die Entscheidung für eine Stabilisierungsmaßnahme überhaupt eine Insidertatsache in diesem Sinne darstellen könne498. Zwar seien vom Tatsachenbegriff des § 13 WpHG grundsätzlich auch sog. innere Tatsachen neben sog. äußeren Tatsachen erfasst499. Eine Einschränkung ergebe sich aber für den Fall, dass Entscheidungen von dem betreffenden Insider selbst geschaffen seien. Denn der Begriff der „Insidertatsache“ müsse im Lichte des Schutzzwecks des Insiderrechts ausgelegt werden500, der sich weitgehend erschöpfe in der Gewährleistung der Funktionsfähigkeit der Finanzmärkte und der informationellen Chancengleichheit der Anleger501. Beide Komponenten seien dann nicht beeinträchtigt, wenn der Betroffene selbst geschaffene Tatsachen verwende. Die Ermöglichung der Eigennutzung solchen Wissens stehe in § 14 I Nr. 1 WpHG a.F. – in Abgrenzung zur Ermöglichung der Fremdnutzung nach § 14 I Nr. 2 und 3 WpHG a.F. – gerade nicht unter Strafe502. Im Falle der bloßen Umsetzung unternehmerischer Entscheidungen müsse eine Verwendung innerer Tatsachen also schon bei der Subsumtion unter den Tatsachenbegriff außer Acht bleiben503. Daher sei auch die Entscheidung zur Kursstabilisierung keine Insidertatsache in diesem Sinne504.

_________ 498 Vgl. vor allem die besonders eingehende Diskussion bei Weber, NZG 2000, 113, 117 ff. 499 Weber, NZG 2000, 113, 117 f. So auch festgestellt von Vogel m.w.N., der anmerkt, dass das auch Autoren so sehen, welche das Insiderhandelsverbot im Grundsatz nicht für anwendbar halten, vgl. Vogel NStZ 2004, 252, 253, insbesondere Fn. 14. A.A. Schwark, Kapitalmarktrechtskommentar, § 13 WpHG, der innere Tatsachen von § 13 WpHG a.F. überhaupt nicht erfasst sehen, für unterenehmensinterne Pläne aber differenzierend vorgehen wollte, vgl. Schwark, Kapitalmarktrechtskommentar, § 13 WpHG Rn. 33. 500 So auch Lenenbach, ZIP 2003, 243, 245. 501 Weber, NZG 2000, 113, 121. 502 Weber, NJW 2000, 562, 563; Weber, NZG 2000, 113, 121. 503 Weber, NZG 2000, 113, 121. So auch Lenenbach, ZIP 2003, 243, 245 und Volk, ZIP 1999, 787. 504 Weber, NZG 2000, 113, 122.

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E. Rechtliche Grenzen der Kursstabilisierung in Deutschland

Demgegenüber ging die damals wohl h.M. von einem weiten oder zumindest weiteren505 Tatsachenbegriff aus: Tatsachen sind der äußeren Wahrnehmung zugängliche Geschehnisse oder Zustände der Außenwelt – sog. äußere Tatsachen – und des menschlichen Innenlebens – sog. innere Tatsachen506. Als der äußeren Wahrnehmung zugängliche Geschehnisse oder Zustände sind auch Absichten, Pläne und Vorhaben zu werten, wenn sie nicht öffentlich bekannt und geeignet sind, im Falle ihres öffentlichen Bekanntwerdens den Kurs der Insiderpapiere erheblich zu beeinflussen507. Eine Differenzierung508 nach dem Ursprung der inneren Tatsache wurde insoweit nicht vorgenommen; grundsätzlich konnte also auch eine unternehmensinterne Entscheidung – wie die zur Kurspflege – oder eine Absicht eine Insidertatsache darstellen509.

(bb) Scalping-Entscheidung des BGH Neue Brisanz hat diese Diskussion durch die Scalping-Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 6.11.2003510 gewonnen. Dort hatte der Erste Strafsenat entschieden, dass – entgegen der bis dahin wohl h.M.511 – Scalping512 kei-

_________ 505 Durch die Verwendung eines weiteren Tatsachenbegriff sollte nach teilweise vertretener Auffassung das Problem behoben werden, dass der deutsche Gesetzgeber mit der Aufnahme der Insidertatsache von dem grundsätzlich weiter gefassten Begriff der Insiderinformation, der seinerseits in der Insiderrichtlinie verwendet worden war, abgewichen war, vgl. Schäfer in Marsch-Barner/Schäfer, § 13, Rn. 16. 506 Assmann in Assmann/Schneider, § 13 Rn. 33a; Assmann, ZGR 2002, 697, 701; Schwark, Kapitalmarktrechtskommentar, § 13 WpHG, Rn. 29; Schneider/Burgard, ZIP 1999, 381, 382, die h.M. wiedergebend; Hopt in Schimansky/Bunte/Lwowski, § 107 Rn. 21. 507 Assmann in Assmann/Schneider, § 13 Rn. 36; Assmann in Lutter/Schneider, Rn. 12.4. So wohl dann doch auch Schwark, Kapitalmarktrechtskommentar, § 13 WpHG, Rn. 33 für Absichtserklärungen, Prognosen und unternehmensinterne Pläne. 508 Eine andere Differenzierung nimmt Volk vor, der bei der Untersuchung der Tatsachenqualität von bloßen Absichten danach unterscheidet, ob sich die Absicht wiederum auf eine Tatsache oder eine bloße Meinungsäußerung beziehe. Da beim Scalping beispielsweise letzteres der Fall sei, dürfe die Absicht der späteren Empfehlung auch nicht als Insidertatsache gewertet werden, Volk, BB 1999, 66, 69. Volk widerspricht insoweit der dargestellten h.M. zur Insidertatsache. Für den Fall der Stabilisierung ergibt sich jedoch kein Unterschied. Denn die spätere Durchführung der Stabilisierung ist eine Tatsache, da dem Wahrheitsbeweis zugänglich, und deshalb müsste - nach Auffassung Volks - auch die zugrundeliegende Absicht bzw. der zugrundeliegende Entschluss eine Tatsache sein. 509 Schneider/Burgard, ZIP 1999, 381, 386; für die Kursstabilisierung in der 3. Auflage ausdrücklich offengelassen: Assmann/Cramer in Assmann/Schneider, § 14 Rn. 35. 510 BGH BB 2004, 11 = BGH JZ 2004, 522 = BGH NStZ 2004, 285. 511 So auch festgestellt von Schäfer, BKR 2004, 78 und Lenenbach, ZIP 2003, 243.

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nen Fall des Insiderhandels darstelle, sondern stattdessen vom Manipulationsverbot des § 20a WpHG erfasst sei. Er stützte sich in der Begründung auf die richtlinienkonforme513 Auslegung des Begriffes „Insidertatsache“, weshalb die Entscheidung auch für die vorliegende Arbeit besondere Bedeutung hat. Der BGH führte aus, dass die durch das 2. Finanzmarktförderungsgesetz eingeführten Regelungen zum Insiderhandel der Umsetzung der EG-Richtlinie vom 13.11.1989 dienten. Daher müsse der vom deutschen Gesetzgeber verwendete Begriff der „Insidertatsache“ korrekterweise als „präzise Insiderinformation“ i.S.d. Art. 1 der EG-Richtlinie ausgelegt werden. Auch befinde sich in der Begründung zum 2. Finanzmarktförderungsgesetz kein Hinweis auf eine bewusst abweichende Regelung durch den Gesetzgeber. Der Begriff der „Information“ wiederum impliziere deutlich einen Drittbezug. Denn über selbst gefasste Gedanken und Entschlüsse könne und müsse man sich nicht informieren. Eine solche Verwendung des Begriffes der Information sei dem Sprachgebrauch auch fremd514. Daraus kann allgemein und in Bezug auf die vorliegende Arbeit vorsichtig515 geschlossen werden, dass der BGH davon ausgeht, dass unternehmensinterne Entscheidungen mangels Drittbezug keine Insidertatsache darstellen können, die bei ihrer Durchführung verwendet werden. Demzufolge hätte nach altem Recht auch die unternehmensinterne Entscheidung zur Kursstabilisierung keine insoweit relevante Insidertatsache dargestellt.

(cc) Die Insiderinformation nach § 14 I Nr. 1 WpHG n.F. Der so vorgenommenen Auslegung des BGH kommt deshalb besondere Bedeutung zu, weil § 14 I Nr. 1 WpHG n.F. seit Inkrafttreten des AnSVG schon von Gesetzes wegen nicht mehr eine Insidertatsache, sondern eine Insiderinformation als Anknüpfungspunkt für das untersagte Verhalten vorsieht. Das ist direkte Folge der Umsetzung der Marktmissbrauchsrichtlinie, die den Begriff

_________ 512

Scalping ist eine Vorgehensweise, bei der Wertpapiere in der Absicht erworben werden, diese anschließend zum Kauf zu empfehlen, um sie dann bei steigendem Kurs – infolge der Empfehlung – mit Gewinn wieder zu verkaufen. 513 Es entspricht allgemeiner Meinung, dass diese Normen richtlinienkonform ausgelegt werden müssen, vgl. nur Assmann in Assmann/Schneider, Einleitung, Rn. 56 ff. m.w.N. 514 Vgl. zu alledem BGH BB 2004, 11, 12 = BGH JZ 2004, 522, 524 = BGH NStZ 2004, 285 f. 515 In der zitierten Entscheidung hatte der BGH freilich nur entschieden, dass die Empfehlungsabsicht eines Analysten keine Insidertatsache darstelle, wenn er sie selbst verwende. Es ging dabei nicht um unternehmensinterne Entscheidungen, schon gar nicht um solche der Kurspflege.

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E. Rechtliche Grenzen der Kursstabilisierung in Deutschland

der Information verwendet und ihn als „präzise516 Information“ definiert517. Die Änderung des Wortlauts stimmt also nunmehr mit der ohnehin vom BGH vorgenommenen Auslegung überein. Nach vorwiegend vertretener Ansicht ist der Tatbestand durch das Ersetzen der „Insidertatsache“ durch „Insiderinformation“ erheblich ausgeweitet worden518, nach anderer Ansicht entspricht er in weiten Zügen dem, was auch – abgesehen von der Auslegung des Adjektivs „präzise“519 – nach altem Recht von der h.M. ohnehin schon vertreten worden war520. Folgt man aber der Auffassung des Bundesgerichtshofs und verlangt für eine Insiderinformation den genannten Drittbezug, verengt sich in dieser Hinsicht der Regelungsbereich im Vergleich zu der Verwendung der Insidertatsache als Tatbestandsmerkmal. Die unternehmensinterne Entscheidung zur Stabilisierung521 als Insiderinformation könnte dann spätestens seit Geltung der neuen Rechtslage ausscheiden. Es bedarf daher auch für die vorliegende Arbeit einer kritischen Auseinandersetzung mit der Auffassung des Bundesgerichtshofs. Das Urteil des Bundesgerichtshofs zum Scalping hat in großen Teilen des Schrifttums nachhaltige Zustimmung erfahren522, teilweise wurde aber auch Kritik geübt523. In der Tat umfasst der deutsche Begriff der Information (lat.

_________ 516 Der Begriff „präzise“ Information wiederum wird in Art. 1 Nr. 1 der Richtlinie 2003/124/EG konkretisiert als Umstände und Ereignisse, die bereits existieren bzw. eingetreten sind oder bei denen man vernünftigerweise davon ausgehen kann, dass sie in Zukunft existieren bzw. eintreten werden. 517 Begründung zum AnSVG (zu § 13 I). 518 Vgl. Spindler, NJW 2004, 3449, 3450; Diekmann/Sustmann, NZG 2004, 929, 930. 519 Sowohl Assmann in Assmann/Schneider, § 13 Rn. 36 als auch Schwark, Kapitalmarktrechtskommentar, § 13 WpHG Rn. 33 haben derartige Wahrscheinlichkeitsüberlegungen für die alte Fassung des Insiderhandelsverbots noch abgelehnt. Das als h.M. bezeichnend auch Kudlich, JR 2004, 191, 192. 520 Koch, DB 2005, 267 f. 521 Es ist dabei weiterhin auf die Entscheidung zur Stabilisierung abzustellen. Zwar können nach § 13 I 3 WpHG n.F. auch solche Umstände Insiderinformationen darstellen, bei denen mit hinreichender Wahrscheinlichkeit davon ausgegangen werden kann, dass sie in Zukunft eintreten werden, so dass es nicht ausgeschlossen erscheint, auf die spätere Durchführung der Stabilisierung selbst abzustellen. In jedem Fall kann das Wissen um die spätere Durchführung aber nicht gleichzeitig Ursache dafür sein, weshalb die Stabilisierungsmaßnahmen durchgeführt werden. 522 Vogel, NStZ 2004, 252 ff; Widder, BB 2004, 15; Schmitz, JZ 2004, 526. 523 Vgl. Schäfer, BKR 2004, 78, 79, der verschiedene Fallkonstellationen aufzeigt, die seiner Ansicht nach strafwürdig erscheinen, aber einerseits nicht unter das Manipulationsverbot des § 20a WpHG fallen können, andererseits aber auch von dem vom BGH eng definierten Informationsbegriff nicht erfasst werden. Auch Pananis, NStZ 2004, 285, weist – neben anderem – auf Strafbarkeitslücken hin, die dadurch entstehen, dass typische Unternehmensinsider gerade nicht in dem vorgezeichneten Sinne informiert werden.

II. Das Wertpapierhandelsgesetz

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‚Bildung‘, ‚Belehrung‘) ein kommunikatives Element und kann als „Unterrichtung über eine bestimmte Tatsache“, „Mitteilung, Nachricht, Auskunft über etwas oder jemanden“ oder „Äußerung oder Hinweis“ definiert werden524. Die Vornahme einer strengen Wortlautauslegung unterstützt die Auffassung des BGH also zweifelsohne. Gleichwohl wurde im Schrifttum argumentiert, aus dem Begriff der Information und seiner Verwendung könne nicht völlig zwanglos ein Drittbezug abgeleitet werden. Denn man könne sich leicht eine Verwendung des Begriffes „Information“ vorstellen, unter welche auch innere Absichten fallen, bestimmte Handlungen auszuführen. Man könne sich über eigene Gedanken zwar nicht selbst informieren, jedoch könne man darüber sehr wohl andere informieren525. Dieses Argument greift m.E. für sich gesehen zu kurz. Denn dass andere über eigene Gedanken informiert werden und diese in einem solchen Fall auch als Insiderinformation angesehen werden können, streitet der BGH nicht ab. Die Begründung in der genannten Entscheidung besagt lediglich, dass das Vorliegen einer Insiderinformation ohne Mitteilung an andere nicht aus einer bloßen selbst vorgenommenen Entscheidung abgeleitet werden könne. Es muss aber zugegeben werden, dass die Auffassung des BGH deshalb ein wenig gekünstelt wirkt, weil ein gewisser Umstand zunächst keine Information darstellt, wenn er von demjenigen, der die Entscheidung getroffen hat, selbst verwendet wird, anschließend genau derselbe Umstand aber in eine Insiderinformation umschlägt, weil er jetzt einem Dritten mitgeteilt wird. Darüber hinaus kann tatsächlich bezweifelt werden, dass der Gesetzgeber den Begriff der „Information“ in einem streng-ursprünglichen, nämlich dem der „Belehrung“ gemeint hat. Denn dann müsste man jedes Handeln, das keine Kommunikation beinhaltet, aus dem Anwendungsbereich des § 14 I WpHG herausnehmen. Das aber hat der Gesetzgeber gerade in § 14 I Nr. 1 WpHG nicht vorgesehen; eine Verwendung soll hier auch ohne Kommunikation unter bestimmten Umständen verboten sein. Denn es ist unbestritten, dass ein Insider gegen die besagte Verbotsalternative verstößt, wenn er – auch durch reine Beobachtung – gewisse Vorgänge im Unternehmen wahrnimmt und sie dann zu eigenen Zwecken ausnutzt. Aber auch in einem solchen Fall hat eine Kommunikation nicht stattgefunden, der Betroffene ist von niemand anderem informiert, d.h. belehrt worden. Nach einer so strengen Auslegung526 des Wortlauts

_________ 524

Brockhaus Enzyklopädie, Band 10, Begriff „Information“. Kudlich, JR 2004, 191, 194. 526 Gemeint ist hier die Auslegung, die für das Vorliegen einer Information eine tatsächliche Kommunikation fordert. In Anbetracht der oben dargelegten ganz ursprünglichen Bedeutung des Wortes „Information“ wäre das die konsequenteste Auslegung. Der BGH hat freilich auf eine Kommunikation selbst nicht abgestellt. Den von ihm geforderten Drittbezug könnte man so konstruieren, dass auch die Beobachtung äußerer Umstände einen Drittbezug begründen kann (dann eben nicht „Dritter“ als Person), die Umset525

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E. Rechtliche Grenzen der Kursstabilisierung in Deutschland

dürfte eine Insiderinformation in diesem Sinne also auch in den soeben beschriebenen Fällen nicht vorliegen. Das aber würde § 14 I Nr. 1 WpHG nahezu leer laufen lassen. Die strenge Auslegung des Wortlauts gerät hier also an ihre Grenzen527. Auch kann an dieser Stelle nochmals auf Erwägungsgrund (30) der Missbrauchsrichtlinie528 verwiesen werden529. Nach diesem geht dem Erwerb oder der Veräußerung von Wertpapieren notwendigerweise eine entsprechende Entscheidung der betreffenden Person voraus, deren Ausführung nicht an sich schon als ein Verwenden einer Insiderinformation gewertet werden solle530. In der Tat scheint der Richtliniengeber hier selbst eher auf die Verneinung des Merkmals der „Verwendung“, nicht das der „Insiderinformation“ abzustellen. Sonst hätte er wesentlich unkomplizierter umschreiben können, dass die Entscheidung für einen solchen Wertpapiererwerb an sich schon keine Insiderinformation darstellt. Im Einzelnen bleibt also abzuwarten, ob und wie konsequent der BGH die von ihm vorgenommene drittbezogene Interpretation des Informationsbegriffs fortführen wird. Entscheidende Bedeutung für das Ergebnis531 zur insiderrechtlichen Behandlung von Kursstabilisierungsmaßnahmen kommt dieser Frage freilich dann nicht zu, wenn ein „Verwenden“ im Sinne des § 14 I Nr. 1 WpHG in solchen Fällen ohnehin nicht vorliegt. (3) Verwenden einer Insiderinformation Geht man davon aus, dass die Entscheidung für eine Stabilisierungsmaßnahme eine Insiderinformation darstellt, müsste sie bei der anschließenden tatsächlichen Durchführung „verwendet“ werden. Die parallele Fragestellung

_________ zung der eigenen Entscheidung aber gar keinen Dritten und auch „nichts Drittes“ einschließt. Dann wäre das Scalping und auch die Kurspflege aus der Definition ausgeschlossen, man könnte die beschriebenen klassischen Konstellationen aber problemlos vom Insiderverbot erfasst sehen. 527 Ganz allgemein zu den Grenzen der Wortlautauslegung vgl. Christensen/Kudlich, Theorie richterlichen Begründens, S. 139 ff. 528 Richtlinie 2003/6/EG. 529 So auch Pananis, NStZ 2004, 287. 530 In der englischen Fassung der Richtlinie heißt es: „Since the acquisition or disposal of financial instruments necessarily involves a prior decision to acquire or dispose taken by the person who undertakes one or other of these operations, the carrying out of this acquisition or disposal should not be deemed in itself to constitute the use of inside information” [Hervorhebung durch den Verfasser dieser Arbeit]. 531 Aus dogmatischer Sicht macht es aber einen Unterschied, ob erst nicht ein Verwenden einer Insiderinformation oder schon gar keine Insiderinformation an sich vorliegt.

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war schon vor Inkrafttreten des AnSVG unter dem Tatbestandsmerkmal „Ausnutzen“ diskutiert worden. Die dort gefundenen Ergebnisse haben Implikationen auf die Lösung der sich jetzt teilweise neu stellenden Problematik. Insbesondere die bewusste Ausweitung des Tatbestandes von „Ausnutzen“ auf „Verwenden“ gibt Anlass, das bislang im Schrifttum vorherrschende Ergebnis zumindest zu überdenken. (a) „Ausnutzen“ nach § 14 I Nr. 1 WpHG a.F. Von der h.M.532 wurde angenommen, dass es bei der Durchführung von Stabilisierungsmaßnahmen zumindest533 an einem Ausnutzen der Insiderinformation fehle534. Das Ausnutzen in diesem Sinne setze voraus, dass der Handelnde sich oder anderen einen wirtschaftlichen Sondervorteil verschaffen will535, der auf der mangelnden öffentlichen Bekanntheit der Information und in der Verletzung der Gebote zur Wahrung der Chancengleichheit der Anleger am Wertpapiermarkt beruhe536. Wenigstens daran fehle es, wenn eine Person in Bezug auf ihren eigenen Entschluss oder ein Unternehmen im Hinblick auf eine selbst getroffene Entscheidung eine Maßnahme durchführe. Dann verschaffe sie sich nicht einen wirtschaftlichen Sondervorteil unter Verstoß gegen das Prinzip der Chancengleichheit; ein „Ausnutzen“ in diesem Sinne könne dann nicht vorliegen537. Schon deshalb stellten auch Kurspflegemaßnahmen keinen Insiderhandel i.S.d. § 14 WpHG dar538.

_________ 532 Als „wohl h.M.“ auch bezeichnet von Ekkenga, WM 2002, 317, 323 und Weber, NZG 2000, 113, 117, der seinerseits aber davon ausgeht, dass es schon an einer Insidertatsache fehle, vgl. den obigen Abschnitt E.II.2.a)(2)(a). 533 Assmann/Cramer hatten in der 3. Auflage auch erwähnt, dass es nach anderer Auffassung schon an einer Insidertatsache fehlen könne, Assmann/Cramer in Assmann/Schneider, § 14 Rn. 35. 534 Vgl. vor allem Assmann in Assmann/Schneider, § 14 Rn. 35; ders. AG 1994, 237, 246; ders. WM 1996, 1337, 1344; Schwark, Kapitalmarktrechtskommentar, § 14 WpHG, Rn. 22; Kümpel, Bank- und Kapitalmarktrecht, Rz. 16.172; Hopt in Schimansky/Bunte/Lwowski, § 107 Rn. 66. Ausdrücklich auch Begründung zum Zweiten Finanzmarktförderungsgesetz, BT-Drucks 12/6679, S. 47. Das gilt auch im Hinblick auf die Papiere einer Konzerngesellschaft, vgl. Assmann in Lutter/Schneider Rn. 12.17. 535 Assmann in Assmann/Schneider, § 14 Rn. 24 f. 536 Assmann, AG 1994, 237, 246; Schwark, Kapitalmarktrechtskommentar, § 14 WpHG, Rn. 12; Schneider/Burgard, ZIP 1999, 381, 387; dieser Ansicht folgend auch Schäfer in Marsch-Barner/Schäfer, § 13, Rn. 46. 537 Assmann, AG 1994, 237, 246; ders., ZGR 2002, 697, 701; Schäfer, WM 1999, 1345, 1350 hielt das im Jahr 1999 sogar für vollkommen unstreitig; auch Schwark, Kapitalmarktrechtskommentar, § 14 WpHG, Rn. 16, der dabei aber vor allem auf den fehlenden Kausalzusammenhang abstellt; Caspari, ZGR 1994, 530, 542. 538 Assmann in Assmann/Schneider, § 14 Rn. 35; Assmann, AG 1994, 237, 246; Begründung zum Zweiten Finanzmarktförderungsgesetz, BT-Drucks 12/6679, S. 47.

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E. Rechtliche Grenzen der Kursstabilisierung in Deutschland

(b) „Verwenden“ nach § 14 I Nr. 1 WpHG n.F. Mit Inkrafttreten des AnSVG ist das subjektive Tatbestandsmerkmal des „Ausnutzens“ der Kenntnis von einer Insidertatsache durch das objektive Tatbestandsmerkmal des „Verwendens“ einer Insiderinformation ersetzt worden539. Grund dafür ist, dass der Begriff „Ausnutzen“ in der Vergangenheit zu erheblichen Problemen bei der Beweisführung geführt hat, weil er als zweckgerichtetes Handeln zu verstehen war540. Zudem ist das „Ausnutzen“ als Alleinstellungsmerkmal interpretiert worden und hat bei Hinzutreten weiterer, oft kaum widerlegbarer Motive des Täters, zur Straflosigkeit geführt541. Der Zweck des Handelns, zum Beispiel die Erlangung eines wirtschaftlichen Vorteils, findet daher von nun an nicht mehr im Tatbestand, sondern nur noch bei der Straf- und Bußgeldzumessung Berücksichtigung542. Der Tatbestand des § 14 I Nr. 1 WpHG ist auf diese Weise deutlich ausgeweitet worden543. Die Frage nach der Erfassung von Kursstabilisierungsmaßnahmen muss daher grundsätzlich neu entschieden werden. Zumindest ist es nunmehr nicht ausreichend, darauf abzustellen, dass der Handelnde in solchen Fällen keinen „Sondervorteil unter Verletzung der Chancengleichheit“ zu erlangen sucht, da der Tatbestand einen solchen gerade nicht mehr fordert. Jedoch hat das Gesetz vor Inkrafttreten des AnSVG mit dem Begriff „Ausnutzen“ zusätzlich vorausgesetzt, dass ein Kausalzusammenhang besteht zwischen der Kenntnis der Insidertatsache auf der einen und dem Insidergeschäft auf der anderen Seite544. Entscheidend ist, ob dieser Kausalzusammenhang auch nach neuer Rechtslage verlangt wird oder ob es genügt, dass der Insider „in Kenntnis“ der Information handelt545. Für das Erfordernis eines Kausalzusammenhangs spricht vor allem zweierlei: Erstens ist – wie gesehen – der Begriff des „Ausnutzens“ durch den des „Verwendens“ ausweislich der Begründung zum AnSVG deshalb ersetzt worden, weil die zuvor schwer nachzuweisende Absicht nicht mehr verlangt werden sollte. Dass in diesem Zuge auch das Kausalitätskriterium mit weitreichen-

_________ 539

Begründung zum AnSVG, zu § 14 I; Steck/Schmitz, Finanzbetrieb 2005, 187. Begründung zum AnSVG, zu § 14 I. 541 Begründung zum AnSVG, zu § 14 I. 542 Begründung zum AnSVG, zu § 14 I. 543 Koch, DB 2005, 267, 268 f.; Kuthe, ZIP 2004, 883, 884; Spindler, NJW 2004, 3449, 3451, der es aufgrund der Erweiterung und gewissen Abgrenzungsproblemen nicht für verwunderlich hält, dass § 14 II WpHG für Stabilisierungsmaßnahmen und Rückkaufprogramme Ausnahmen vorgesehen hat. 544 Assmann in Assmann/Schneider, § 14 Rn. 27; Schwark, Kapitalmarktrechtskommentar, § 14 WpHG, Rn. 13; Schäfer, WM 1999, 1345, 1350. 545 So die Darstellung der Gegenauffassung bei Cahn, Der Konzern 2005, 5, 9. 540

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den Folgen aufgehoben werden sollte, kann der Begründung nicht entnommen werden. Zweitens kann Art. 2 I der Missbrauchsrichtlinie angeführt werden. Nach dieser Regelung sollen die Mitgliedstaaten unterbinden, dass eine Person, die Insiderinformation „besitzt“, diese Information „verwendet“. Das alleine zeigt schon, dass das „Besitzen“ der Information und ein nur zufälliges Handeln in der Kenntnis dieser Information nicht ausreicht; vielmehr muss sie gerade auch „verwendet“ werden, sich mithin kausal auswirken546. Ansatzweise547 kommt der Kausalitätsgedanke im europäischen Richtlinientext nochmals zum Ausdruck, wenn es in Art. 2 Nr. 3 heißt, dass ein Ausnutzen einer Insiderinformation dann nicht vorliegt, wenn in dem folgenden Geschäft lediglich einer zuvor eingegangenen Verpflichtung nachgekommen wird548. § 14 I Nr. 1 WpHG setzt folglich weiterhin voraus, dass ein Kausalzusammenhang zwischen der Insiderinformation und der darauf folgenden Tathandlung besteht549. Auch weiterhin soll deshalb die bloße Umsetzung einer unternehmensinternen Entscheidung kein „Verwenden“ in diesem Sinne darstellen550. Aus diesem Grunde kann die Durchführung von Kursstabilisierungsmaßnahmen nicht als ein „Verwenden“ der zugrunde liegenden Entscheidung interpretiert werden. Denn ist die Entscheidung zur Stabilisierung im konkreten Fall erst einmal gefallen, handelt es sich bei der Durchführung nicht um eine Maßnahme, die deshalb durchgeführt wird, weil man nun um das Stattfinden der Stabilisierung weiß, sondern deshalb, weil die Entscheidung ja gerade schon getroffen worden ist; es besteht also keine hinreichende Kausalität zwischen

_________ 546

Zu diesen beiden und weiteren Argumenten Cahn, Der Konzern 2005, 5, 8 f. Der Handelsrechtsausschuss des DAV und mit ihm Koch haben sich aber schon verallgemeinert dafür ausgesprochen, dass der Begriff des „Verwendens“ nicht nur die Fälle der Erfüllung einer Verbindlichkeit, sondern alle die Fälle herausfiltern sollte, in denen die Insiderinformation rechtlich oder praktisch keinen Einfluss auf das Handeln des Täters haben können, mithin keine Kausalität vorliegt, vgl. Handeslrechtsausschuss des DAV, NZG 2004, 703, 704 und Koch, DB 2005, 267, 269. Andersherum hätte auch argumentiert werden können, dass es sich dabei gerade um eine Ausnahme handelt, aus der sich im Umkehrschluss ergibt, dass ein Kausalitätskriterium ganz allgemein nicht existiert, so Cahn, Der Konzern 2005, 5, 8f. mit der Darstellung der entsprechenden Gegenauffassung. 548 Diese Formulierung ist auch in die Begründung des Regierungsentwurfes zum AnSVG aufgenommen worden, vgl. Begündung zum AnSVG, zu § 14 I. 549 Vgl. schon Handeslrechtsausschuss des DAV, NZG 2004, 703, 704; ausführlich Cahn, Der Konzern 2005, 5, 8 f.; Bürgers, BKR 2004, 424, 425 und Schäfer in MarschBarner/Schäfer, § 13, Rn. 54; Ziemons spricht davon, dass die Insider-Information „jedenfalls mitursächlich“ sein müsse, vgl. Ziemons, NZG 2004, 537, 539; Schwintek, Anlegerschutzverbesserungsgesetz, S. 25 m.w.N. So jetzt auch Groß in GS Bosch, S. 49, 62. 550 Erwägungsgrund (30) der Missbrauchsrichtlinie. So auch der Handeslrechtsausschuss des DAV, der deshalb forderte, dass das AnSVG selbst insoweit eine Klarstellung herbeiführe, vgl. Handeslrechtsausschuss des DAV, NZG 2004, 703, 704. 547

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E. Rechtliche Grenzen der Kursstabilisierung in Deutschland

der Kenntnis der Entscheidung zur Stabilisierung und der Stabilisierungsmaßnahme selbst551. Die Maßnahme erfolgt in Ausführung, nicht unter Verwendung des eigenen Entschlusses552. Entscheidend für das gefundene Ergebnis ist unter anderem der Anknüpfungspunkt für die Kausalität, welcher entweder in der Insiderinformation oder – wohl zutreffenderweise – in dem Wissen um die Insiderinformation gesehen werden kann. Nach alter Rechtslage hatte besonders Volk eine Kausalität im Fall der Stabilisierung bejaht553. Er ging nämlich davon aus, dass man ein “Ausnutzen” einer Absicht auch darin sehen könne, dass eben diese Absicht einfach in die Tat umgesetzt würde. Er hielt es für unklar, warum es nicht ein Ausnutzen der Insidertatsache „Absicht, etwas zu tun“ sein solle, wenn man tatsächlich das tut, was man beabsichtigt. M.E. knüpfte er hier aber den Kausalzusammenhang unzutreffend. Rein theoretisch betrachtet besteht zwischen der Absicht und der späteren Umsetzung freilich ein Kausalzusammenhang. Kein Kausalzusammenhang besteht aber zwischen der Kenntnis der Insidertatsache554 und der Umsetzung. Bislang konnte insoweit relativ einfach auf den Wortlaut des § 14 I Nr. 1 a.F. verwiesen werden: „Kenntnis einer Insidertatsache“. Etwas schwieriger gestaltet sich diese Frage nach der neuen Rechtslage. Hier wird nicht mehr auf die Kenntnis von einer (jetzt) Information abgestellt, sondern einfach auf die Information selbst. Es muss aber gleichwohl davon ausgegangen werden, dass der Gesetzgeber an dem ursprünglichen Anknüpfungspunkt für den Kausalzusammenhang festhalten will. Denn der Gesetzgeber hat den Zusatz „Kenntnis“ nur deshalb ausgelassen, weil ein entsprechendes Wissen in dem Wort „Information“ schon enthalten ist, in dem Begriff „Tatsache“ jedoch nicht ohne weiteres enthalten war. Der damals nötige Zusatz „Kenntnis“ ist damit heute hinfällig geworden. Dass der deutsche Gesetzgeber von einem Ursachenzusammenhang zwischen der Kenntnis der Insiderinformation und der Insiderhandlung ausgeht, zeigt schon die Begründung zum AnSVG, in welcher es heißt, dass die reine „Erfüllung einer Verbindlichkeit, welche in gleicher Weise auch ohne Kenntnis der Insiderinformation erfolgt wäre“, nicht ausreiche555.

_________ 551

So für die neue Rechtslage auch Schäfer in Marsch-Barner/Schäfer, § 13, Rn. 54, allgemein auf die Umsetzung von unternehmerischen Entscheidungen bozogen. 552 Cahn, Der Konzern 2005, 5, 9. 553 Vgl. Volk, BB 1999, 66, 68. 554 Und auf eben diese musste zumindest nach altem Recht abgestellt werden, vgl. nur Assmann in Assmann/Schneider, § 14 Rn. 25. 555 Vgl. Begründung zum AnSVG, zu § 14 I [Hervorhebung durch den Verfasser dieser Arbeit].

II. Das Wertpapierhandelsgesetz

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(4) Zwischenergebnis Als Zwischenergebnis kann festgehalten werden, dass Stabilisierungsmaßnahmen nicht ohne Hinzutreten weiterer Umstände gegen das Verbot des Insiderhandels verstoßen. Schon die Annahme einer „Insiderinformation“ i.S.d. § 14 I Nr. 1 WpHG ist fraglich. Denn gerade bei Beachtung der ScalpingEntscheidung des BGH und dem dort aufgestellten Erfordernis des Drittbezuges kann die Entscheidung zur Durchführung einer konkreten Stabilisierungsmaßnahme nur noch schwerlich als Insiderinformation eingeordnet werden, wenn der die Entscheidung Treffende auch gleichzeitig Handelnder ist. Inwieweit der Bundesgerichtshof an einer so engen Auslegung des Begriffes Information festhalten wird, bleibt abzuwarten. In jedem Fall liegt aber kein „Verwenden“ i.S.d. § 14 I Nr. 1 WpHG vor. Denn insoweit fehlt es an dem nötigen Kausalzusammenhang. Eine Stabilisierungsmaßnahme wird gerade nicht deshalb durchgeführt, weil der Stabilisierende weiß, dass er stabilisieren wird. b) Hinzutreten weiterer Umstände Losgelöst von der soeben geführten Diskussion eines Per-Se-Verbots der Stabilisierungsmaßnahmen kann gefragt werden, unter welchen Umständen eine Kurspflegemaßnahme gleichwohl von dem Insiderhandelsverbot des § 14 I Nr. 1 WpHG erfasst sein kann556. Zweifelsohne liegt ein Verstoß dann vor, wenn die Entscheidung für eine Kurspflegemaßnahme von dem Wissen um einen anderen zusätzlichen Umstand zumindest mitbeeinlusst557 wird558. In diesem Fall hilft es auch nicht, wenn die sonstigen Regelungen des Safe Harbors in VO 2273/2003 eingehalten sind559. In diesen Fällen geht es aber auch nicht mehr um die Frage, ob die Entscheidung zur Kursstabilisierung eine Insiderinformation ist oder nicht. Denn als solche muss sich dann ohnehin der genannte zusätzliche Umstand qualifizieren.

_________ 556 So schon ausführlich Assmann in Assmann/Schneider, § 14 Rn. 35a. Vor dieser Gefahr warnt auch Schanz, der anmerkt, dass gerade deshalb eine besondere Compliance Organisation und durchgehende Chinese Wall vonnöten ist, vgl. Schanz, Börseneinführung, § 10 Rn. 121. 557 Das ist nunmehr ausreichend, vgl. nur Begründung zum AnSVG, zu § 14 I und Missbrauchsrichtlinie 2003/6/EG, Art. 2 Nr. 3. 558 Assmann in Assmann/Schneider, § 14 Rn. 52 bzw. Rn. 35a in der 3. Auflage; diese zitierend Schwark, Kapitalmarktrechtskommentar, § 14 WpHG, Rn. 22; in diesem Sinne auch Begründung zum Zweiten Finanzmarktförderungsgesetz, BT-Drucks 12/6679, S. 47. An einer solchen Kausalität fehlt es natürlich, wenn die mit der Umsetzung unternehmerischer und nicht durch Insiderwissen veranlasster Pläne und Entscheidungen befassten Personen später, also nach der Entscheidung selbst, Insiderinformationen erlangen. 559 Groß in GS Bosch, S. 49, 57.

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E. Rechtliche Grenzen der Kursstabilisierung in Deutschland

Es geht auch nicht mehr um die Frage, ob die Entscheidung für die Kurspflege bei ihrer Durchführung „verwendet“ wird, weil insoweit ebenfalls auf das Wissen um den zusätzlichen Umstand abgestellt werden kann. Die in diesem Sinne denkbaren Fallgestaltungen sind vielfältig und vielzählig560. Denkbar ist auch, dass das Wissen um „Lock-up“-Vereinbarungen an dieser Stelle relevant wird. Zwar sind diese Maßnahmen nicht selbst vom Insiderhandelsverbot des § 14 I Nr. 1 WpHG erfasst, da sie keine Transaktion in diesem Sinne sind. Sie könnten ihrerseits aber eine Insiderinformation darstellen, die der Stabilisierungsmanager bei der Platzierung seines Stabilisierungsangebots „verwendet“. Ob die „Lock-up“-Vereinbarung im Einzelfall eine für eine „Insiderinformation“ nach § 13 WpHG hinreichende Bedeutung hat, kann in dieser Allgemeinheit nicht entschieden werden. Abwegig ist dies jedoch nicht, wenn man berücksichtigt, dass diese Vereinbarungen das Potential haben, den Kurs gegen ein zu starkes Absinken zumindest vorübergehend abzusichern561. Sollte das Wissen um derartige Vereinbarungen im Einzelfall als Insiderinformation angesehen werden können, darf diese die Durchführung des Stabilisierungskaufes nicht (mit)beeinflussen, wenn ein Verstoß gegen das Insiderhandelsverbot verhindert werden soll. Das ist aber beispielsweise dann unproblematisch, wenn der Konsortialführer die Aktien aufgrund der zuvor aufgebauten Short-Positionen ohnehin kaufen muss und insoweit von einem etwaigen Wissen um die bestehenden „Lock-up“-Vereinbarungen in seinem Verhalten gar nicht beeinflusst wird. c) Sonderfall: Stabilisierung gegen den Markttrend Teilweise wurde im Schrifttum schon unter der alten Rechtslage vorgebracht, dass die Stabilisierung gegen den Markttrend einen illegalen Insiderhandel darstelle562. In diesen Fällen komme es zu deutlichen Kursveränderungen, wenn die Kurspflege eingestellt werde. Der Stabilisierende trenne sich dann gerne von den zuvor im Rahmen der Stabilisierung erworbenen Beständen, da er die aus der Aufgabe der Stabilisierung zu erwartenden Verluste vermeiden wolle563.

_________ 560 Besondere Fragestellungen ergeben sich dann, wenn die Aktien unabhängig von einer Platzierung durch den Emittenten zurückgekauft werden oder dieser doch einmal selbst die Stabilisierung nach einer Platzierung betreibt. In diesen Fällen muss darauf geachtet werden, dass die Kurspflege wirklich vollkommen unabhängig von dem etwaigen Wissen um anderweite Insiderinformationen durchgeführt wird. 561 Vgl. Abschnitt C.II.2. 562 Caspari, ZGR 1994, 544; ihm folgend Krämer/Hess in FS Döser, S. 171, 190 f. 563 Caspari, ZGR 1994, 544.

II. Das Wertpapierhandelsgesetz

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Entscheidend ist in diesen Konstellationen, dass das Insiderhandelsgeschäft gerade nicht in der Durchführung der Stabilisierungsmaßnahmen selbst, sondern in der anschließenden Veräußerung der im Rahmen der Stabilisierung erworbenen Bestände gesehen wird564. Teilweise wird zwar vertreten, dass sich die „Unzulässigkeit [...] dann gerade durch die nachhaltige Kursstützung, nicht jedoch durch deren – auch plötzlichen – Abbruch begründet“565. Dem kann allerdings nicht zugestimmt werden. Dass eine Stützung gegen den Markttrend unerwünscht ist, mag zwar richtig sein und ganz grundsätzlich eine rechtliche Einordnung als „unzulässig“566 wünschenswert erscheinen lassen567. Als Verstoß gegen das Insiderhandelsverbot kann die Stabilisierung selbst gleichwohl nicht angesehen werden568. Denn, wie oben569 schon für eine mit dem Markttrend ausgeführte Stabilisierung dargelegt wurde, fehlt es in solchen Fällen zumindest an der „Verwendung“ einer Insiderinformation. Was bei einer Stabilisierung gegen den Markttrend in dieser Hinsicht anders sein soll, ist nicht ersichtlich. Ob die Veräußerung ihrerseits dann als Insidergeschäft angesehen werden muss, bedarf separater Beurteilung. Dabei soll zunächst außer Acht bleiben, dass es in der Praxis sehr schwierig sein wird, den „Markttrend“ mit hinreichender Sicherheit festzustellen570. Will man die Veräußerung der Bestände als Insidergeschäft betrachten, kommt als Insiderinformation zunächst einmal die Entscheidung zur Beendigung der Stabilisierung in Betracht. Dabei handelt es sich zwar wieder um eine unternehmensinterne Entscheidung; ein Kausalitätsproblem würde sich in diesem Fall aber nicht stellen. Denn das darauf basierende Insidergeschäft wäre nicht die bloße Umsetzung eben dieser Entscheidung, sondern eine davon separate Entscheidung571, nämlich die zur anschlie-

_________ 564 Auf ein etwaiges Missverständnis hinweisend schon Assmann in Assmann/ Schneider, § 14 Rn. 52. 565 Krämer/Hess in FS Döser, S. 171, 191. 566 Nach der VO 2273/2003 ist eine Stabilisierung gegen den Markttrend nicht ohne weiteres – im Unterschied zu dem insoweit deutlicheren § 8 I Nr. 1 KuMaKV: „unter Berücksichtigung der Marktlage“ – aus dem Safe Harbor der Vorschriften ausgeschlossen. Inwieweit eine solche Voraussetzung in das Definitionsmerkmal des „Verkaufsdrucks“ oder der „Stützung“ hineingelesen werden kann, wurde oben bereits diskutiert, vgl. Abschnitt E.II.1.d)(3)(d). 567 Assmann in Assmann/Schneider, § 14 Rn. 51, mit Hinweis auf einen etwaigen Ausschluss unter gesellschafts- oder börsen(straf)rechtlichen Gesichtspunkten. 568 Assmann in Assmann/Schneider, § 14 Rn. 51 f. 569 Abschnitt E.II.2.a)(3). 570 So schon Assmann in Assmann/Schneider, 3. Auflage, § 14 Rn. 35 (Rn. 51 in der 4. Auflage); Bruchner/Popischil in Lutter/Schneider, Rn. 11.56. In diesem Sinne, wenngleich in etwas anderem Zusammenhang, auch Meißner, Stabilisierung und Pflege von Aktienkursen, S. 154; Schäfer, WM 1999, 1345, 1350. 571 So auch Meißner, Stabilisierung und Pflege von Aktienkursen, S. 156.

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E. Rechtliche Grenzen der Kursstabilisierung in Deutschland

ßenden Aktienveräußerung. Jedoch steht man spätestens seit der ScalpingEntscheidung des BGH vor der Frage, ob die Beendigung der Stabilisierung nicht ebenfalls lediglich eine interne Entscheidung ohne Drittbezug ist. So ließe sich zumindest dann argumentieren, wenn die Einstellung der Maßnahmen bis zu diesem Zeitpunkt lediglich beabsichtigt ist. Die Besonderheit ist hier aber, dass der Stabilisierungsmanager eine zusätzliche, möglicherweise nicht öffentliche Information hat, nämlich das Wissen, dass bislang gegen den Markttrend stabilisiert worden war und deshalb eine negative Kursreaktion572 zu erwarten ist. Deshalb muss hier nicht ausschließlich auf die Entscheidung zur Beendigung der Stabilisierung, sondern kann auch auf das Wissen um das „künstliche Niveau“ des Preises als Insiderinformation abgestellt werden. Dieses Wissen würde dann wohl auch vom Bundesgerichtshof als Information mit hinreichendem Drittbezug (weil äußerer Umstand) eingestuft werden. Insoweit spielt in solchen Fällen – wie in denen des vorangegangen Abschnitts573 – das Vorliegen einer zusätzlichen Information die entscheidende Rolle. Kann also das Wissen um die vorherige Kursstützung gegen den Markttrend als Insiderinformation eingeordnet werden, bleibt vor allem fraglich, ob der Konsortialführer diese Information „verwendet“, wenn er sich von seinen Beständen trennt. Meißner trägt an entsprechender Stelle vor, dass die stabilisierende Bank ohnehin kein Interesse an dem Aktienbestand habe und sich deshalb sowieso von diesen Wertpapieren getrennt hätte574. Er stellt dabei wohl auf das Fehlen eines Kausalzusammenhangs ab. Seit Inkrafttreten des AnSVG ist dieses Argument aber deshalb weniger durchschlagend, weil es nunmehr ausreicht, dass die Insiderinformation in die Entscheidung zur Veräußerung mit eingeflossen ist575. Und es ist keineswegs unwahrscheinlich, dass eine Konsortialbank nach Beendigung der Stabilisierungsmaßnahmen die Frage, ob sie nun die aufgebauten Bestände sofort wieder abgeben soll, unter Berücksichtigung der Information entscheidet, ob sie zuvor gegen den Markttrend stabilisiert hat oder nicht. Nimmt man also an, dass die Stabilisierung gegen den Markttrend und das daraus etwaig resultierende „künstliche“ Preisniveau im Einzelfall ein Umstand ist, der nicht öffentlich bekannt ist, könnte dieser als Insiderinforma-

_________ 572

Ob sich eine solche ganz grundsätzlich nach Beendigung der Stabilisierungsmaßnahmen ergibt, ist nicht abschließend nachgewiesen, siehe den obigen Abschnitt C.III.4. Im Fall der Stabilisierung gegen den Markttrend ist dies aber durchaus wahrscheinlich. 573 Vgl. Abschnitt E.II.2.b). Insofern handelt es sich bei der Stabilisierung gegen den Markttrend gerade um einen „Sonderfall“ der Konstellationen, bei denen weitere Umstände hinzutreten. 574 Meißner, Stabilisierung und Pflege von Aktienkursen, S. 156. 575 Vgl. Begründung zum AnSVG, zu § 14 I und Missbrauchsrichtlinie 2003/6/EG, Art. 2 Nr. 3.

II. Das Wertpapierhandelsgesetz

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tion eingeordnet werden. Wenn das den Entschluss der Bank (mit)hervorruft, ihre Bestände zur Vermeidung diesbezüglicher Kursverluste zu verkaufen, läge auch ein „Verwenden“ und damit möglicherweise ein Verstoß gegen § 14 I Nr. 1 WpHG vor576. Festzuhalten bleibt allerdings auch hier, dass insoweit nicht die Stabilisierung selbst unzulässig ist, auch nicht diejenige gegen den Markttrend, sondern eventuell eine auf der Beendigung beruhende Veräußerung selbst erworbener Anteile. Es handelt sich insoweit um einen Sonderfall der in Abschnitt b) allgemein diskutierten Fälle, in denen das Hinzutreten zusätzlicher Umstände einen Verstoß gegen § 14 I Nr. 1 WpHG begründet. Allerdings wird diese Problemstellung in der Praxis vergleichsweise unbedeutend bleiben. Denn erstens bauen die Stabilisierungsmanager zum ganz großen Teil eben gerade keine Aktivbestände auf, sondern arbeiten mit Short Covering und Greenshoe577. In diesem Fall stellt sich die Frage der anschließenden Veräußerung der Bestände nicht. Zweitens wird hier eine gezielte Stabilisierung gegen den Markttrend vorausgesetzt, die unter verschiedenen Gesichtspunkten der VO 2273/2003 als kritisch578 oder zumindest riskant anzusehen ist, mitunter also ohne weiteres unter das Verbot des § 20a WpHG fallen könnte. Die Frage nach der insiderrechtlichen Zulässigkeit der Stabilisierung gegen den Markttrend hat deshalb mittlerweile579 an Bedeutung verloren. 3. Interessenkonflikte nach § 31 I Nr. 2 WpHG a) Potentielle Interessenkonflikte Nach § 31 I Nr. 2 WpHG ist ein Wertpapierdienstleistungsunternehmen verpflichtet, sich um die Vermeidung von Interessenkonflikten zu bemühen und dafür zu sorgen, dass bei unvermeidbaren Interessenkonflikten der Kundenauftrag unter der gebotenen Wahrung des Kundeninteresses ausgeführt wird. Denkbar ist, dass diese Verhaltensregeln auch Anforderungen an das Verhalten des Stabilisierungsmanagers stellen oder – ins Extreme geführt – sogar die generelle Unzulässigkeit580 der Kursstabilisierung begründen. Interessenkonflikte entstehen unter anderem dann, wenn die Geschäftschancen einer Person davon abhängen, ob eine andere Person eine bestimmte Entscheidung trifft oder

_________ 576

Mit diesem Ergebnis auch Assmann in Assmann/Schneider, § 14 Rn. 52. Vgl. den obigen Abschnitt B.III.2. 578 Vgl. die Bewertungen im Abschnitt E.II.1.d). 579 Anders war das noch, als diese Vorschläge hauptsächlich vorgetragen worden sind, von Krämer/Hess im Jahre 1999, vgl. Krämer/Hess in FS Döser, S. 171 und Caspari im Jahre 1994, vgl. Caspari, ZGR 1994, 530. 580 Das jedoch wird nach Einführung des § 20a WpHG durch das 4. Finanzmarktförderungsgesetz und die entsprechenden Safe Harbor-Regelungen praktisch nicht mehr vertreten. 577

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E. Rechtliche Grenzen der Kursstabilisierung in Deutschland

nicht581. Den Interessen einzelner Kunden kann die Durchführung von Stabilisierungsmaßnahmen – es muss insoweit nicht zwischen Stabilisierungskäufen und vertraglichen Veräußerungsverboten differenziert werden582 – dann zuwider laufen, wenn die Kunden gerade mit starken Kursschwankungen spekulieren583, wenn durch die Stabilisierung Erwartungen bei den Kunden geweckt werden, die nicht der Realität entsprechen584, und deshalb die Papiere zu lange gehalten werden, wenn sich Kunden der Bank veranlasst sehen, Wertpapiere zu stabilisierten Preisen zu kaufen, obwohl das ohne Stabilisierung zu günstigeren Preisen möglich gewesen wäre585 oder wenn einzelne Kunden gerade – z.B. bei Put-Optionen oder vorherigen Leerverkäufen – auf das Sinken des Kurses hoffen586. Man wird insoweit nicht argumentieren können, dass Stabilisierungsmaßnahmen der Effizienz des Kapitalmarkts dienen, daher letztlich allen Martteilnehmern nutzen und somit deren Interessen auch nicht entgegenlaufen können587. Denn die Verhaltensregeln des § 31 WpHG beziehen sich auf den einzelnen Kunden im konkreten Fall (sog. einzelfallbedingte Interessenkonflikte)588, statuieren mithin nicht nur ein abstraktes Verhalten gegenüber allen Kunden in ihrer Gesamtheit589. Streng genommen ist in jedem einzelnen Fall separat zu ermitteln, wie die stabilisierende Bank den an sie gestellten Verhaltenspflichten nachkommen kann590. Das aber können die abstrakten Ausführungen dieser Arbeit nicht leisten. Gleichwohl kann diskutiert werden, ob sich aus § 31 I Nr. 2 WpHG auch allgemeine Regeln im Hinblick auf die Durchführung von Stabilisierungsmaßnahmen entnehmen lassen.

_________ 581 Koller in Assmann/Schneider, § 31 Rn. 32; Lenzen, Eingriffe in die Börsenkursbildung, S. 204. 582 Denn es geht bei der Beurteilung allein um die stabilisierende Wirkung. Diese geht von beiden Maßnahmeformen gleichermaßen aus. 583 Krämer/Hess in FS Döser, S. 171, 191; Lenzen, Eingriffe in die Börsenkursbildung, S. 204. 584 Koller in Assmann/Schneider, 3. Auflage, § 31 Rn. 62. 585 In diesem Sinne auch Meißner, Stabilisierung und Pflege von Aktienkursen, S. 152. 586 Meißner, Stabilisierung und Pflege von Aktienkursen, S .152. 587 So aber Kümpel, WM 1993, 2025, 2027. 588 Schwark, Kapitalmarktrechtskommentar, § 31 WpHG, Rn. 24 und vor allem Koller in Assmann/Schneider, § 31 Rn. 33 ff. mit ausführlicher Begründung. 589 So aber Kümpel, WM 1993, 2025, 2027. 590 Insoweit wird teilweise sogar geschlossen, dass sich den Regeln des § 31 I Nr. 2 WpHG ohnehin keine allgemeinen Rückschlüsse auf die Zulässigkeit der Kursstabilisierung entnehmen lassen, vgl. Meißner, Stabilisierung und Pflege von Aktienkursen, S.154.

II. Das Wertpapierhandelsgesetz

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b) Vermeidung der Interessenkonflikte Absolut vermeiden ließen sich derartige Interessenkonflikte nur durch Aufgabe aller damit im Zusammenhang stehenden Aktivitäten591. Auf die Kurspflege bezogen würde das im Extremfall bedeuten, dass sämtliche Stabilisierungsbemühungen eingestellt werden müssten, wenn einer der Kunden des Konsortialführers irgendeines der oben geschilderten Interessen geltend macht. Das aber kann in Anbetracht der ökonomischen Nützlichkeit592 von Stabilisierungsmaßnahmen und deren ausdrücklicher Zulassung durch den Gesetzgeber an anderer Stelle593 in dieser Allgemeinheit kaum verlangt werden594. Deshalb muss hinterfragt werden, ob es sich nicht um einen unvermeidbaren Interessenkonflikt i.S.d. § 31 I Nr. 2 WpHG handelt. Im Hinblick auf die Vermeidbarkeit von Interessenkonflikten vertritt die h.M., dass es zu wirtschaftlich untragbaren Ergebnissen führte, würde man nur solche Interessenkonflikte für unvermeidbar i.S.d. § 31 I Nr. 2 WpHG erklären, deren Vermeidung objektiv unmöglich ist595. Vielmehr, so die h.M., wird von dieser Vorschrift lediglich jene Vermeidung von Interessenkonflikten gefordert, die mit zumutbaren Kräften herbeigeführt werden kann (Theorie der sog. relativen Vermeidbarkeit596). Insbesondere aufgrund der gesteigerten Bedeutung597 der Kursstabilisierung auf die Platzierung als Ganzes, die Anleger in ihrer Gesamtheit und den Kapitalmarkt selbst, ist es unzumutbar, Stabilisierungsmaßnahmen „allein“ wegen der konfligären Interessen einzelner Kunden zu unterlassen oder gar bei deren Geltendmachung abzubrechen598. Folglich sind die unter a) beschriebenen potentiellen Interessenkonflikte zwischen den einzelnen Kunden und der Verpflichtung der Bank zur Stabilisierung zutreffenderweise als „unvermeidbar“ i.S.d. § 31 I Nr. 2 WpHG einzuordnen599. Und im Bereich unvermeidbarer Interessenkonflikte

_________ 591 Schwark, Kapitalmarktrechtskommentar, § 31 WpHG, Rn. 24. Dieses Gebot ergäbe sich aus der Theorie der sog. absoluten Vermeidbarkeit, vgl. Koller in Assmann/Schneider, § 31 Rn. 36 f. 592 Dazu differenzierter oben C.III. 593 Vgl. nur Art. 8 der Missbrauchsrichtlinie, die VO 2273/2003 im Ganzen und § 20a III WpHG. 594 In diesem Sinne auch Krämer/Hess in FS Döser, S. 171, 192. 595 Statt aller Koller in Assmann/Schneider, § 31 Rn. 37. 596 Koller in Assmann/Schneider, § 31 Rn. 38 mit näherer Begründung. 597 Gemeint ist hier eine Bedeutung im nicht gewerteten, also neutralen Sinne. Dass Stabilisierungsmaßnahmen in ihren Auswirkungen auf den Markt und seine Teilnehmer differenziert zu betrachten und zu bewerten sind, wurde oben im Abschnitt C bereits ausführlich diskutiert. 598 So auch Lenzen, Eingriffe in die Börsenkursbildung, S. 204. 599 Geht man jedoch mit Koller in Assmann/Schneider, 3. Auflage, § 31 Rn. 62 und entgegen Schwark, Kapitalmarktrechtskommentar, § 31 WpHG, Rn. 33 von der Möglichkeit aus, dass Interessenkollisionen auch durch hinreichende Aufklärung der Kunden vermieden werden können (und nicht nur wegen der sich automatisch ergebenden Un-

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E. Rechtliche Grenzen der Kursstabilisierung in Deutschland

sind die konfligierenden Interessen „lediglich“ abzuwägen und auszubalancieren600. Eine generelle Unzulässigkeit der Kurspflege lässt sich also aus § 31 I Nr. 2 WpHG nicht ableiten. Fraglich ist daher, welche Handlungspflichten oder – verbote sich im Übrigen den dort genannten Verhaltensregeln entnehmen lassen, wie also der Konsortialführer die Kursstabilisierung „unter der gebotenen Wahrung des Kundeninteresses“ auszuführen hat. Insbesondere Koller601 hatte dem Tatbestand konkrete Gebote zu der in diesem Sinne rechtmäßigen Durchführung der Kurspflege entnommen. So dürfe sie nicht über dem Emissionskurs betrieben werden. Außerdem müsse sie auf einen gewissen Zeitraum nach der Emission bzw. der Ankündigung der Emission beschränkt werden; ein Zeitraum von 60 Tagen erschiene insoweit angemessen. Wenngleich derartige Beschränkungen im Ergebnis sinnvoll erscheinen und schließlich teilweise auch durch den deutschen und europäischen Gesetzgeber an anderer Stelle so oder so ähnlich umgesetzt wurden, erscheinen diese Auslegungsergebnisse nach der bloßen Lektüre des § 31 I Nr. 2 WpHG ein wenig willkürlich. Das gilt umso mehr602, als die Verhaltensregeln dieser Norm gerade aus der konkreten Sonderverbindung zwischen dem Dienstleistungsunternehmen und dem jeweiligen Kunden entspringen603, das Gesetz also die „Interessen der Kunden in ihrer Individualität im Auge hat“604. Wollte man § 31 I Nr. 2 WpHG die von Koller in der 3. Auflage noch aufgestellten Verhaltensregeln entnehmen, müsste man diese unter Umständen für jeden einzelnen Kunden separat definieren. Die von Koller zurecht geforderten Begrenzungen werden im Übrigen mittler-

_________ vermeidbarkeit ausschließlich der dann „gebotenen Wahrung der Kundeninteressen“ dienen können), muss man die Erfolgschancen einer solchen Aufklärung im konkreten Fall zuerst untersuchen, bevor man die endgülgtige Unvermeidbarkeit feststellt. Diesen Weg geht Koller an der angegebenen Stelle, wenn er feststellt, dass den Kunden auch durch die Aufklärung über die mögliche Durchführung von Stabilisierungsmaßnahmen die damit einhergehenden Gefahren nicht hinreichend aufzeigt werden. Er kommt erst nach diesem Schritt zur Feststellung der Unvermeidbarkeit. Diese Überlegung spielt bei dem hiesigen Aufbau erst später in der Untersuchung eine Rolle. Über beide Wege bzw. Auffassungen gelangt man im Falle der Kurspflege letztlich zur Unvermeidbarkeit. Und in beiden Fällen muss anschließend geprüft werden, inwieweit eine Aufklärung in hinreichendem Maße (zumindest) zur Wahrung der Kundeninteressen beitragen kann. 600 Schwark, Kapitalmarktrechtskommentar, § 31 WpHG, Rn. 23. 601 Vgl. Koller in Assmann/Schneider, 3. Auflage, § 31 Rn. 62. Ihm folgend z.B. auch Lenzen, Eingriffe in die Börsenkursbildung, S. 204 f. 602 In diesem Sinne auch Meißner, Stabilisierung und Pflege von Aktienkursen, S. 154, der jedoch vor allem darauf abstellt, dass es unter dem Gesichtspunkt des Interessenkonfliktes keinen Unterschied mache, ob der Kurs über oder unter dem Ausgabepreis stabilisiert wird. 603 Meißner, Stabilisierung und Pflege von Aktienkursen, S. 152. 604 Koller in Assmann/Schneider, § 31 Rn. 33.

II. Das Wertpapierhandelsgesetz

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weile durch das flexible Zusammenspiel von § 20a WpHG und dem Safe Harbor der VO 2273/2003 im Detail vorgenommen605. Daneben haben weder bestätigende noch abweichende Postulate Platz, soweit sie sich nur unter Inkaufnahme solcher (Auslegungs-)Unsicherheiten aus § 31 I Nr. 2 WpHG ableiten lassen606. c) Aufklärung der Kunden Neben einer etwaigen Eingrenzung des Umfangs der Stabilisierungsmaßnahmen kann grundsätzlich auch eine Aufklärung der Kunden der Vermeidung von Interessenkonflikten dienen607 oder zumindest – für den Fall der Unvermeidbarkeit – die geforderte Wahrung der Kundeninteressen sichern608. Denn die Gefahr der Vernachlässigung von Kundeninteressen selbst kann grundsätzlich entfallen, wenn Kunden bereit sind, bestimmte Manipulationsrisiken hinzunehmen oder gar den Interessen der Wertpapierdienstleistungsunternehmen den Vorrang einzuräumen609. Daher lässt sich überlegen, welche Aufklärungspflichten gegenüber den Kunden des Dienstleistungsunternehmens sich dem § 31 I Nr. 2 WpHG im Hinblick auf die Kurspflege entnehmen lassen und welchen Umfang derartige Pflichten haben. Grundsätzlich kann eine Pflicht zur Aufklärung nur bejaht werden, wenn der Interessenkonflikt, d.h. hier die Gefahr einer Manipulation, nicht mit anderen Mitteln vermieden werden kann610. Solche Alternativlösungen existieren nach der soeben geführten Diskussion gerade nicht; eine grundsätzliche Pflicht zur Aufklärung lässt sich also feststellen. Die Frage nach dem Ausmaß einer solchen Pflicht lässt sich weniger leicht beantworten. Einerseits gilt: Sollen die

_________ 605

So im Hinblick auf die aktuelle Rechtslage jetzt auch Koller in Assmann/ Schneider, § 31 Rn. 71. 606 Mit paralleler Gedankenführung auch Meißner, Stabilisierung und Pflege von Aktienkursen, S. 154. Meyer stellt sogar ohne weitere Begründung fest, dass mit Einführung des § 20a WpHG durch das Vierte Finanzmarktförderungsgesetz die zuvor umstrittene Einordnung der Stabilisierung geklärt sei, vgl. Meyer in Marsch-Barner/Schäfer, § 7, Rn. 66. Schäfer, WM 1999, 1345, 1350 hatte im Jahr 1999 gerade gefordert, dass entsprechende gesetzliche Regelungen herbei geführt werden sollten, weil sie sich aus § 31 WpHG so einfach nicht entnehmen ließen. 607 So Koller in Assmann/Schneider, § 31 Rn. 42. 608 Dieser Schritt ergibt sich mit Koller erst, wenn festgestellt wurde, dass die Aufklärung tatsächlich nicht zu einer Vermeidung der Interessenkonflikte führen kann. Anders Schwark, Kapitalmarktrechtskommentar, § 31 WpHG Rn. 33, der annimmt, dass eine Vermeidbarkeit in diesem Sinne durch Aufklärung überhaupt nicht herbeigeführt werden kann. Zu diesem hier eher formalen Unterscheid vgl. auch schon Fußnote 599. 609 Koller in Assmann/Schneider, § 31 Rn. 43. 610 Koller in Assmann/Schneider, § 31 Rn. 46.

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E. Rechtliche Grenzen der Kursstabilisierung in Deutschland

Kunden die Manipulationsrisiken611 wirksam hinnehmen, muss eine Aufklärung stattfinden, der die Kunden den Grad ihrer Gefährdung mit hinreichender Sicherheit und Genauigkeit entnehmen können612. Teilweise wird vorgebracht, dass das im Zusammenhang mit Kursstabilisierungsmaßnahmen nicht der Fall sei; denn zumindest der bloße Hinweis auf die Maßnahmen führe nicht dazu, dass der Kunde ihre Auswirkungen zuverlässig einschätzen könne613. Andererseits muss auch die Aufklärung der Kunden für das Dienstleistungsunternehmen zumutbar sein614. Dass der Gesetzgeber eine gewisse Aufklärung für zumutbar hält, kann schon den Anforderungen im Wertpapierprospektgesetz mit der zugehörigen EU-Verordnung und der VO 2273/2003 entnommen werden. Im Sinne der Einheitlichkeit des Rechtssystems können diese Wertungen auf § 31 WpHG übertragen werden. In dem von VO 2273/2003 geforderten Umfang ergibt sich eine Aufklärungspflicht also auch aus § 31 I Nr. 2 WpHG615. Eine darüber hinausgehende Aufklärung der eigenen Kunden hingegen, d.h. zum Beispiel eine detailliertere oder schnellere Offenlegung der Stabilisierungsmaßnahmen ausschließlich gegenüber den eigenen Kunden der Bank müsste sich schon relativ schnell an der Schranke des Insiderhandelsverbotes (insbesondere § 14 I Nr. 2 und 3 WpHG) messen lassen616. Denn entweder die Mitteilung der Stabilisierungsabsicht oder die der tatsächlichen Durchführung können einen Verstoß gegen das Insiderhandelsverbot darstellen, sofern diese Informationen nicht öffentlich bekannt und geeignet sind, im Falle ihres öffentlichen Bekanntwerdens den Börsen- oder Marktpreis erheblich zu beeinflussen. In diesen Fällen, in denen eine so weit reichende Aufklärung praktisch oder – wie hier – rechtlich nicht möglich ist, hat das Dienstleistungsunternehmen grundsätzlich mittels einer umfassenden Interessen- und Güterabwägung zu entscheiden, ob eine Ausführung überhaupt noch mit der Wahrung der Kunden-

_________ 611

Eben solche ergeben sich, wenn Interessenkonflikte nicht vermieden werden, so auch Schwark, Kapitalmarktrechtskommentar, § 31 WpHG, Rn. 23. 612 Koller in Assmann/Schneider, § 31 Rn. 44. 613 Meißner, Stabilisierung und Pflege von Aktienkursen, S. 153. Lenzen, Eingriffe in die Börsenkursbildung, S. 204. Anderer Ansicht ist Schäfer, WM 1999, 1345, 1351 und wohl auch Krämer/Hess in FS Döser, S. 171, 192. Letztere fordern eine Offenlegung im Emissionsprospekt gerade deshalb, weil eine solche auch dem durchschnnittlichen Anleger etwa bestehende Interessenkonflikte transparent machte und es ihm ermöglichte, eine eigenverantwortliche Anlageentscheidung zu treffen. 614 Koller in Assmann/Schneider, § 31 Rn. 46. 615 Vgl. Meißner, Stabilisierung und Pflege von Aktienkursen, S. 153. So auch Krämer/Hess in FS Döser, S. 171, 192, allerdings noch vor Inkrafttreten der in Deutschland anwendbaren Safe Harbor-Regelungen. 616 So ganz allgemein Koller in Assmann/Schneider, § 31 Rn. 50. Zu der aus diesem Grunde beschränkten Möglichkeit, eine vollständige Konfliktvermeidung über weitreichende Aufklärung herbeizuführen, auch Schwark, Kapitalmarktrechtskommentar, § 31 WpHG, Rn. 33.

II. Das Wertpapierhandelsgesetz

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interessen vereinbar ist617. Eine solche Abwägung muss hier, wie bereits festgehalten, zugunsten der grundsätzlichen Durchführbarkeit von Stabilisierungsmaßnahmen ausfallen. Weder unter dem Aspekt der Zeit noch dem des Informationsumfangs wird sich folglich grundsätzlich eine über die an anderer Stelle gestellten Anforderungen hinausgehende Offenlegungspflicht aus § 31 I Nr. 2 WpHG ergeben können. Zumindest nach Einführung des § 20a WpHG durch das Vierte Finanzmarktförderungsgesetz und den Änderungen durch das Anlegerschutzverbesserungsgesetz sowie dem Inkrafttreten der Ausnahme-VO 2273/2003 kann den Verhaltensregeln des § 31 I WpHG keine für die rechtlichen Grenzen der Kurspflege entscheidende – zumindest keine ganz allgemein festzustellende – Bedeutung mehr zukommen. 4. Ad-hoc Publizität nach § 15 WpHG Nach § 15 I 1 WpHG muss der Emittent von Finanzinstrumenten, die zum Handel an einem inländischen organisierten Markt zugelassen sind oder für die er eine solche Zulassung beantragt hat, Insiderinformationen, die ihn unmittelbar betreffen, unverzüglich veröffentlichen. Denkbar ist, dass auch Kursstabilisierungsmaßnahmen hiervon erfasst sind, dass auch sie eine Ad-hocPublizitätspflicht nach § 15 WpHG grundsätzlich auszulösen vermögen. Um die Tragweite dieser Überlegungen besser einschätzen zu können, soll jedoch zuvor geprüft werden, ob die VO 2273/2003 auch auf § 15 WpHG anwendbar ist. Denn das hätte die Folge, dass ein Verstoß gegen das Publizitätsgebot zumindest dann nicht vorliegen kann, wenn den in der Verordnung aufgestellten Offenlegungserfordernissen u.a. entsprochen wurde. a) Safe Harbor der VO 2273/2003 Im Gegensatz zu § 20a (dort Absatz III) und § 14 (dort Absatz II) enthält § 15 WpHG keinen, auch keinen deklaratorischen, Verweis auf die AusnahmeVorschriften der VO 2273/2003 der Europäischen Kommission. Das jedoch ist grundsätzlich unschädlich, da die benannte Verordnung ohnehin direkte Anwendung findet. Teilweise wurde argumentiert, die VO 2273/2003 hätte schon vor dem Inkrafttreten des AnSVG geltendes Recht dargestellt618, teilweise wird sie auch erst seither als direkt anwendbar angesehen619. In jedem Fall ist man sich einig, dass sie über Art. 8 der Missbrauchsrichtlinie direkt an den jeweili-

_________ 617

Schwark, Kapitalmarktrechtskommentar, § 31 WpHG, Rn. 38. Geber/zur Megede, BB 2005, 1861; Leppert/Stürwald, ZBB 2004, 302, 305; Streinz/Ohler, WM 2004, 1309, 1313. 619 Dieser Auffassung sei die Kommission selbst, so zumindest zitiert in Leppert/Stürwald, ZBB 2004, 302, 305. 618

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E. Rechtliche Grenzen der Kursstabilisierung in Deutschland

gen nationalen Verbotstatbestand anknüpft620 und es eines Verweises innerhalb der deutschen Regelungen insoweit nicht bedurft hätte und auch nicht bedarf621. Die Anwendung ergibt sich also aus der bloßen Existenz der VO 2273/2003 und dem entsprechenden Verweis in Art. 8 der Missbrauchsrichtlinie622. Genannter Art. 8 legt fest, dass die nach Maßgabe des Art. 17 zu erlassende Verordnung von allen in der Richtlinie vorgesehenen Verboten befreie. Auch die Ad-hoc Publizität ist von der Richtlinie erfasst623, vgl. Art. 6, und in § 15 WpHG n.F. umgesetzt worden624. Zudem heißt es in Erwägungsgrund (33) der Richtlinie, dass Stabilisierungsmaßnahmen ökonomisch sinnvoll seien können und deshalb nicht ohne weiteres als Marktmissbrauch angesehen werden sollen. Auch eine nicht zeitgemäße Veröffentlichung von Insiderinformationen sieht die Richtlinie ausweislich Art. 6 als Marktmissbrauch. Es kann daher zumindest argumentiert werden, dass die VO 2273/2003 dem Willen des europäischen Richtliniengebers zufolge auch von anderweitig bestehenden Publizitätspflichten befreien soll, also auch von der Ad-hoc-Publizitätsvorschrift im deutschen Recht, § 15 WpHG. Dagegen spricht aber das Wortlautargument, dass nach Maßgabe des Art. 8 die zu erlassende Verordnung von allen Verboten der Missbrauchsrichtlinie befreien solle. Es wird hingegen nicht gesagt, dass das Verhalten des Adressaten etwaigen Geboten der Richtlinie ebenfalls allein dadurch genügt, dass er die statuierten Grenzen der VO 2273/2003 achtet. In diesem Sinne interpretiert wohl auch die BaFin die Richtlinie, wenn sie im Emittentenleitfaden ausdrücklich festhält, dass anderweitige (auch kapitalmarktrechtliche) Publizitätspflichten – wie z.B. „Veröffentlichungspflichten im Zusammenhang mit Aktienrückkaufprogrammen“625 – keine der Ad-hoc-Publizität vorrangigen oder sie gar ersetzenden Transparenzvorschriften darstellten. Der Emittent müsse in diesem Fall jeweils zusätzlich prüfen, ob eine Insiderinformation vorliege. Sei dies der

_________ 620 Vgl. nur Streinz/Ohler, WM 2004, 1309, 1313, die das Zusammenspiel der verschiedenen Richtlinien, Verordnungen und nationalen Verbotstatbestände näher beleuchtet haben. Besonders relevant war das damals noch für die Frage der Anwendbarkeit der parallel bestehenden KuMaKV. 621 So schon die Begründung zur MaKonV, derzufolge der Verweis in § 5 MaKonV rein klarstellender Natur sei. 622 Richtlinie 2003/6/EG. 623 Der Richtliniengeber und der moderne Gesetzgeber sehen die Ad-hoc-Publizität als „Spiegelbild des Verbotes zur Weitergabe von Insidertatsachen“, mithin des Insiderhandelsverbotes, vgl. Kuthe, ZIP 2004, 883, 884 f. erstmalig mit dieser Formulierung. Diesen Zusammenhang ebenfalls verdeutlichend Tollkühn, ZIP 2004, 2215. 624 Vgl. Begründung zum AnSVG, zu § 15. 625 Freilich sind damit ausdrücklich nur Aktienrückkäufe und nicht Stabilisierungsvorgänge angesprochen. An der Tatsache der parallelen Anwendbarkeit auch eben solcher Offenlegungsvorschriften kann sich dadurch aber nicht ändern.

II. Das Wertpapierhandelsgesetz

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Fall und sehe die jeweilige Vorschrift nicht ausdrücklich vor, dass eine Ad-hocPublizität in diesem Fall nicht bestehe, sei ebenfalls eine unverzügliche Veröffentlichung der Insiderinformation durch eine Ad-hoc-Mitteilung erforderlich626. In jedem Fall hat der Tatbestand des § 15 WpHG also eigenständige Bedeutung neben den Offenlegungsvorschriften der VO 2273/2003. b) Publizitätspflicht nach § 15 I 1 WpHG Denkbar ist, dass die tatsächliche Durchführung einzelner Kursstabilisierungsmaßnahmen nach der Emission oder aber auch schon die Vereinbarung einer Greenshoe-Vereinbarung im Übernahmevertrag627 die Publizitätspflicht des § 15 WpHG auslösen. (1) Einzelne Kursstabilisierungsmaßnahmen (a) Tatbestandsänderungen durch das AnSVG Im Hinblick auf die Durchführung einzelner Stabilisierungsmaßnahmen konnte man bislang vergleichsweise problemlos anführen628, dass diese eine Pflicht nach § 15 WpHG nicht auszulösen vermögen, weil sich § 15 I WpHG a.F. ausschließlich an den Emittenten selbst wandte629 und dieser außerdem lediglich solche Informationen veröffentlichen musste, die eine Tatsache darstellten, welche in seinem Tätigkeitsbereich eingetreten ist630, sog. Emittentenbezug der Tatsache631. Das traf auf Stabilisierungsmaßnahmen durch die Konsortialbanken nicht zu. Für einen etwaigen Rückkauf durch den Emittenten

_________ 626

Emittentenleitfaden der BaFin vom 15.7.2005, IV.2. 2. 8, S. 46 f. Es wird hier in erster Linie auf die Vereinbarung einer Greenshoe-Option abgestellt, da – wie gesehen – eine Verpflichtung zur Stabilisierung selbst nicht vereinbart wird und diese deshalb in den Verträgen auch allenfalls kurze Erwähnung finden wird. 628 Wohl aus diesem Grunde ist die Ad-hoc-Publizitätspflicht im Fall der Kursstabilisierung in der Literatur nur sehr spärlich diskutiert worden. Eine immerhin kurze Erwähnung findet sich bei Ekkenga, WM 2002, 317, 322. Weitgehend bejaht wurde eine Pflicht nach § 15 WpHG jedoch im Falle von Aktienrückkäufen durch den Emittenten, vgl. nur Claussen, DB 1998, 177, 180 und Handelsrechtsausschuss des DAV, ZIP 1997, 163, 171; für eine Publizitätspflicht ohne Nennung eines Tatbestandes: von Rosen/Helm, AG 1996, 434, 439; zurückhaltender Martens, AG 1996, 337, 340 f. Auch nach Durchsicht dieser Beiträge kann man erahnen, dass eine solche Pflicht im Falle der Kurspflege vor allem deshalb abgelehnt oder gar nicht erst diskutiert wurde, weil dieselbe eben nicht vom Emittenten selbst, sondern von den beistehenden Banken durchgeführt wird. 629 Vgl. nur Ekkenga, WM 2002, 317, 322; Schlitt/Schäfer, AG 2004, 346, 357. 630 Schäfer, WM 1999, 1345, 1349; Schanz, Börseneinführung, § 10 Rn. 127; Schlitt/Schäfer, AG 2004, 346, 357. 631 Kümpel/Assmann in Assmann/Schneider, 3. Auflage, § 15 Rn. 44. Ders. in Assmann/Schneider, § 15 Rn. 51 ff. zu der entsprechenden Änderung durch das AnSVG. 627

226

E. Rechtliche Grenzen der Kursstabilisierung in Deutschland

selbst – dann zumeist unabhängig von einer Emission –stellten diese Voraussetzungen freilich keine Einschränkung dar, so dass der Erwerb eigener Anteile durchaus eine Publizitätspflicht auslösen konnte632. Für den Untersuchungsgegenstand dieser Arbeit ist von Interesse, ob eine etwaige Pflicht seit Inkrafttreten des AnSVG auch dann ausgelöst wird, wenn die Anteile nach Aktienplatzierungen zur Stabilisierungszwecken durch die Emissionsbanken erworben werden. Zwar ist auch nach Inkrafttreten des AnSVG der Emittent Hauptadressat633 der Norm. Davon abgesehen jedoch stellt § 15 I 1 WpHG n.F. lediglich das Kriterium der sog. Unmittelbarkeit auf und hält in Satz 2 fest, dass eine Insiderinformation den Emittenten insbesondere dann unmittelbar betreffe, wenn sie sich auf Umstände bezieht, die in seinem Tätigkeitsbereich eingetreten sind. Daraus erschließt sich, dass seit dem Inkrafttreten des AnSVG unter anderem auch solche Insiderinformationen publizitätspflichtig sein können, die außerhalb des Tätigkeitsbereichs des Emittenten eintreten (von außen kommende Umstände)634. Im Zuge des AnSVG hat also mit der eben genannten Änderung unter anderem635 eine erste Ausweitung des Tatbestandes stattgefunden636, auf deren mögliche Bedeutung für die Kurspflege sogleich zurückzukommen sein wird637. Ferner ist auch der Adressatenkreis nach § 15 I 3 WpHG ausgeweitet worden; neben dem Emittenten sind von nun an auch Personen angesprochen, die „im Auftrag des Emittenten oder auf dessen Rechnung“ handeln. Für die Fälle der Kursstabilisierung dürfte das jedoch keine Auswirkungen haben. Denn selbst wenn die Bank „im Auftrag oder auf Rechnung“ des Emittenten stabilisieren würde638, wird die Publizitätspflicht durch Satz 3 erst dann ausgelöst,

_________ 632 Vgl. Kümpel/Assmann in Assmann/Schneider, 3. Auflage, § 15 Rn. 44; Schlitt/Schäfer, AG 2004, 346, 357 m.w.N.; Lüken, Erwerb eigener Aktien, S. 243. 633 Ein Dritter kann nunmehr unter den Voraussetzungen des § 15 I 3 WpHG ebenfalls publizitätspflichtig werden. 634 Emittentenleitfaden der BaFin vom 15.7.2005, IV.2.2.1, S. 40; Bürgers, BKR 2004, 424, 426; Spindler, NJW 2004, 3449, 3451; Koch, DB 2005, 267; Tollkühn, ZIP 2004, 2215, 2216; Simon, Der Konzern 2005, 13, 14 f. 635 Im Übrigen sind beispielsweise die Begriffe der Insider“tatsache“ i.S.d. §§ 13, 14 WpHG a.F. und die veröffentlichungspflichtige Insiderinformation nach § 15 WpHG einander angeglichen worden, vgl. Steck/Schmitz, Finanzbetrieb 2005, 187, 190; Spindler, NJW 2004, 3449, 3451; Koch, DB 2005, 267, 271; Diekmann/Sustmann, NZG 2004, 929. 636 Steck/Schmitz, Finanzbetrieb 2005, 187, 190; Kuthe, ZIP 2004, 883, 885. 637 Dass diese Änderungen Auswirkungen auf die Publizitätspflicht von Stabilisierungsmaßnahmen durch die Emissionsbanken haben könnte, erwähnen auch Schlitt/Schäfer, AG 2004, 346, 357 f. 638 Darauf, dass das in den ganz überwiegenden Fällen nicht so ist, ist an anderer Stelle bereits hingewiesen worden, vgl. B.IV. Mit diesem Ergebnis auch schon im Hinblick auf die neue Rechtslage Ekkenga, WM 2002, 317, 322, der die zu dem damaligen

II. Das Wertpapierhandelsgesetz

227

wenn jene Person, also die Bank, diese Information einem anderen mitteilt oder zugänglich macht. Daraus kann sich also nicht per se die Pflicht ergeben, die Durchführung einer Stabilisierungsmaßnahme unverzüglich bekannt zu geben. Gleichwohl ist denkbar, dass der Emittent selbst ad-hoc-publizitätspflichtig wird, sobald er von der Durchführung einer solchen Stabilisierungsmaßnahme durch die Konsortialbanken erfährt639. Aber auch das würde voraussetzen, dass es sich bei Stabilisierungsmaßnahmen um Insiderinformationen handelt, die den Emittenten unmittelbar betreffen im Sinne des § 15 I 1 und 2 WpHG. (b) Kriterium der Unmittelbarkeit Wie bereits erwähnt, möchte der Gesetzgeber seit dem Inkrafttreten des AnSVG die Publizitätspflicht nicht mehr – zumindest nicht im Sinne einer Ausschließlichkeit – auf Tatsachen beschränken, die im Tätigkeitsbereich des Emittenten stattgefunden haben. Wenngleich bisweilen von einer insoweit deutlichen Ausweitung des Tatbestandes auch auf von außen kommende Umstände gesprochen wird, haben die ersten Erfahrungen in der Anwendung dieser Vorschrift gezeigt, dass nur wenige solcher Umstände den Emittenten unmittelbar in diesem Sinne betreffen; der Anwendungsbereich der Ad-hoc Publizitätspflicht ist folglich in dieser Hinsicht nicht wesentlich ausgeweitet worden640. Gleichwohl ist denkbar, dass die Kurspflege erfasst wird. Denn die Auswirkungen auf den Emittenten sind potentiell vorhanden und haben letztlich zumindest im Hinblick auf den Kurs der normadressierten Finanzinstrumente unmittelbaren Charakter, wenngleich sie eben gerade nicht im Tätigkeitsbereich des Emittenten eintreten werden, sondern in dem der Banken. Bei der Prüfung des Merkmals der „Unmittelbarkeit“ kommen grundsätzlich auch Umstände in Betracht, die unmittelbare Auswirkung auf die Finanzinstrumente des Emittenten haben641. In Anlehnung an die Empfehlungen des CESR

_________ Zeitpunkt lediglich geplanten Änderungen durch die Missbrauchsrichtlinie als nicht weiterführend ansieht, weil das Eigengeschäft der Banken sowie ihr Handeln für andere Auftraggeber weiterhin ausgenommen bleiben. 639 In den Fällen, in denen der Umstand nicht im Tätigkeitsbereich des Emittenten liegt, ihn aber gleichwohl unmittelbar berührt, ist darauf abzustellen, ob und wann der Emittent davon erfährt, vgl. Simon, Der Konzern 2005, 13, 16; Bürgers, BKR 2004, 424, 426, der allerdings wohl unzutreffenderweise ohne weitere Differenzierung auf Aktienkäufe durch Dritte abstellt, die ausweislich des Emittentenleitfadens gerade nicht ohne weiteres als „unmittelbar“ i.S.d. § 15 WpHG gelten, vgl. Emittentenleitfaden der BaFin vom 15.7.2005, IV.2.2.2, S. 41 f. 640 Emittentenleitfaden der BaFin vom 15.7.2005, IV.2.2.1., S. 40 und dem folgend Merkner/Sustmann, NZG 2005, 729, 735. 641 Simon, Der Konzern 2005, 13, 15; Schwintek, Anlegerschutzverbesserungsgesetz, S. 21.

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E. Rechtliche Grenzen der Kursstabilisierung in Deutschland

hat die BaFin jedoch beispielhaft642 aufgeführt, dass „Kauf- und Verkaufsaufträge in den Finanzinstrumenten643 des Emittenten an sich denselben nur mittelbar“ betreffen644 und fügt im Anschluss daran weiter – teilweise wiederholend – aus, dass „Informationen, die nur das Finanzinstrument selbst betreffen, z.B. Erwerb oder Veräußerung eines größeren Aktienpaketes durch eine Investmentgesellschaft aus Anlagegesichtspunkten“ [Hervorhebung durch den Verf.] keine unmittelbare Betroffenheit in diesem Sinne begründen können645. Nun kann jedoch argumentiert werden, dass der Konsortialführer den Kauf der Aktien gerade nicht aus Anlagegesichtspunkten vornimmt646, sondern im Zuge der Deckung von Short-Positionen, um sein Stabilisierungsinteresse zu bedienen. Als ausdrücklich veröffentlichungspflichtig nennt die BaFin an späterer Stelle etwaige Kapitalmaßnahmen (inkl. Kapitalberichtigung). Während man bei der Einräumung oder Ausübung des Greenshoe von einer solchen vielleicht reden könnte, ist das bei einzelnen Stabilisierungskaufes nicht der Fall. Ob die Kurspflege selbst eine hinreichende Unmittelbarkeit im vorgenannten Sinne darstellt, ist an der entsprechenden Stelle im Emittentenleitfaden nicht ausdrücklich geregelt. Würde man bei der Kursstabilisierung tatsächlich davon ausgehen, dass diese Tätigkeit den Emittenten unmittelbar betrifft, hätte das allerdings allenfalls dann rechtliche Auswirkungen, wenn der Emittent über die einzelne Maßnahme informiert wäre. Davon ist, gerade in Anbetracht so weitgehenden Selbständigkeit der Banken beim Stabilisierungsgeschäft647, nicht auszugehen648. Daher ist dem Emittenten nicht zu empfehlen, sich über derartige Maßnahmen zu informieren. Denn würden einzelne Stabilisierungsmaßnahmen im Einzelfall tatsächlich eine Ad-hoc-Publizitätspflicht auslösen, wäre das mit einem erheblichen Mehraufwand verbunden; möglicherweise müssten im Laufe von ein paar Tagen gleich mehrere Ad-hoc-Meldungen veröffentlicht werden.

_________ 642

Entgegen gewisser Hoffnungen seitens der Praxis sind diese Aufzählungen gerade nicht mit abschließendem Charakter vorgenommen worden, vgl. schon im Jahre 2003 Grimme/v. Buttlar, WM 2003, 901, 906. 643 Wobei anzumerken ist, dass die Definition des Insiderpapiers zumindest auch vorsieht, dass sich die entsprechenden Umstände nicht auf den Emittenten, sondern die Papiere selbst beziehen. Insoweit scheitert die Kurspflege allenfalls an dem hier aufgeführten Kriterium. 644 CESR/02-089d, Ziffer 36, S. S. 14; Emittentenleitfaden der BaFin vom 15.7.2005, IV.2.2.2., S. 41. 645 Emittentenleitfaden der BaFin vom 15.7.2005, IV.2.2.2., S. 42. 646 Vgl. unter anderem den obigen Abschnitt B.III.2. 647 Vgl. Abschnitt B.IV. 648 In diesem Sinne auch Schanz, Börseneinführung, § 10 Rn. 127.

II. Das Wertpapierhandelsgesetz

229

(2) Vereinbarungen im Übernahmevertrag Abgesehen von einer derartig weit reichenden Ad-hoc-Publizitätspflichtigkeit einzelner Stabilisierungsmaßnahmen kann gefragt werden, inwieweit die Vereinbarung einer Greenshoe-Option im Übernahmevertrag649 eine entsprechende Veröffentlichungspflicht auslösen kann650. Auch insoweit kann auf eine Erweiterung des Tatbestandes des § 15 WpHG hingewiesen werden: Der Emittent von Finanzinstrumenten in diesem Sinne muss nicht mehr bereits an einem organisierten Markt zugelassen sein, sondern es ist ausreichend, dass eine Zulassung hierfür beantragt ist651. Deshalb können auch Umstände die Ad-hocPublizitätspflicht auslösen, die im unmittelbaren zeitlichen Vorfeld einer Emission auftreten652. Die rechtliche Beurteilung hängt dabei weniger von § 15 WpHG ab. Denn bei einer etwaigen Vereinbarung im Übernahmevertrag handelt es sich zweifelsohne um eine Maßnahme im Tätigkeitsbereich des Emittenten653, so dass man von einer Unmittelbarkeit schon unter Beachtung von § 15 I 2 WpHG ausgehen könnte. In den meisten Fällen wird es vielmehr bereits an der Annahme einer Insiderinformation654 im Sinne des § 13 WpHG scheitern. Zwar ist entge-

_________ 649 Die parallele Frage stellte sich für die Vereinbarung einer (konkludenten) Stabilisierungsverpflichtung, würde man – entgegen der in Abschnitt B.IV vertretenen Auffassung – von dem Vorhandensein einer solchen ausgehen. 650 Vergleichsweise ausführlich hat sich dieser Frage schon Schäfer, WM 1999, 1345, 1349 gewidmet. 651 Kritisch hierzu Merkner/Sustmann, NZG 2005, 729, 734, die betonen, dass derartige Verpflichtungen in einer so frühen Phase das gesamte Kommunikationskonzept für den Börsengang beeinträchtigen könne und denselben daher nicht unwesentlich erschweren würde. Es sei dazu wiederholt vorgeschlagen worden, den Emittenten freizustellen i.S.d. § 15 III WpHG, bis der den Verkaufsprospekt veröffentlicht hat. 652 Emittentenleitfaden der BaFin vom 15.7.2005, IV.2.1.2., S. 39 und IV.2.2.3., S. 42 f. mit Verweis auf die damit einhergehenden Problematik bei der Feststellung der „Preisbeeinflussungsgeeignetheit“. 653 Schäfer, WM 1999, 1345, 1349. 654 Da es in diesen Fällen um definitive Vereinbarungen zwischen Emittent und Bank geht, kann gegen das Vorliegen einer solchen Insiderinformation zumindest nicht eingewandt werden, dass der entsprechende Plan zur Stabilisierung nicht konkret genug sei. Das wurde vertreten für den Fall eines geplanten Aktienrückkaufs durch die Gesellschaft selbst, vgl. nur Peltzer, WM 1998, 322, 329 f. Hier jedoch handelt es sich nicht um einen bloßen Plan, sondern um eine Verpflichtung. Selbst wenn dadurch die Stabilisierung des Kurses weiterhin von äußeren Umständen abhängt, z.B. dass überhaupt Stabilisierungsbedarf besteht, ist die bloße Verpflichtung zur etwaigen Stabilisierung eine hinreichend konkrete Information, losgelöst von einer nachherig durchgeführten oder auch nicht durchgeführten Stabilisierungsmaßnahme.

230

E. Rechtliche Grenzen der Kursstabilisierung in Deutschland

gen Schäfer655 noch argumentierbar, dass auch diese Vereinbarungen im Übernahmevertrag geeignet sind, den Marktpreis656 erheblich zu beeinflussen657. Jedoch wird es sich in Anbetracht der derzeitigen Gesetzeslage nur in seltenen Fällen um einen nicht öffentlich bekannten Umstand im Sinne des § 13 I 1 WpHG handeln658. Denn erstens ist allgemein bekannt, dass GreenshoeOptionen nach heute gängiger Kapitalmarktpraxis bei fast jeder Platzierung eingeräumt werden. Und zweitens verlangen die Vorschriften des WpPG, insbesondere § 7 WpPG i.V.m. dem Anhang der Europäischen Prospektverordnung659 für den Fall eines öffentlichen Angebots wie auch Art. 9 Nr. 1 der VO 2273/2003 für den Fall einer Privatplatzierung660 ausdrücklich eine Veröffentlichung detaillierter und in den genannten Vorschriften genau spezifizierter Angaben zu einer etwaigen Greenshoe-Vereinbarung. Erst wenn der Stabilisierungsmanager eine solche Publizierung trotz der eindeutigen Vorgaben nicht vornimmt661, kann es sich um einen nicht öffentlich bekannten Umstand handeln662. Dann freilich kann kaum bestritten werden, dass sich auch aus § 15 I 1 WpHG eine entsprechende Veröffentlichungspflicht ergibt.

_________ 655 Schäfer, WM 1999, 1345, 1349, der zumindest mit Bezug auf Schuldverschreibungen davon spricht, dass derartige Vereinbarungen „kaum Auswirkungen auf die Vermögens- und Finanzlage ...“ haben werden. 656 Für den Fall der erst beantragten Zulassung zum organisierten Markt hält der Emittentleitfaden fest, dass in diesen Fällen zwar ein Börsenpreis gerade noch nicht feststehe, beispielsweise aber eine hinreichende potentielle Preisbeeinflussung dann vorliegt, wenn die Veröffentlichung der Information eine Änderung der Preisspanne im Zeichnungsverfahren auslösen könnte. Auch könne man Markteinschätzungen als Maßstab nehmen, die bzgl. der Bewertung des Unternehmens auch in diesem Stadium bereits vorliegen können, vgl. zu alledem Emittentenleitfaden der BaFin vom 15.7.2005, IV.2.2.3., S. 42 f. 657 Benveniste/Spindt, 24 Journal of Financial Economics (1989), 343. 658 Schäfer, WM 1999, 1345, 1349 in diesem Sinne auch schon für die alte Rechtslage. 659 VO 809/2004 der Kommission. 660 Vgl. insoweit die Erläuterungen im Abschnitt E.II.1.d)(3)(g). 661 Vom Zeitpunkt der internen, zumeist vertraulichen, Vereinbarung im Übernahmevertrag zwischen Emittent und Konsortium bis zur öffentlichen Bekanntgabe, z.B. im Emissionsprospekt, wird der Emittent ein berechtigtes Interesse an der Geheimhaltung haben nach § 15 III WpHG. 662 Diese Feststellung steht im Übrigen nicht im Widerspruch zu der Tatsache, dass andere Veröffentlichungspflichten gerade nicht als leges speciales zu § 15 WpHG angesehen werden sollen, vgl. Kümpel/Assmann in Assmann/Schneider, 3. Auflage, § 15 Rn. 107 ff. schon für die Zeit vor Inkrafttreten des AnSVG; dies ausdrücklich bestätigend für die Gesetzeslage seit dem AnSVG Emittentenleitfaden der BaFin vom 15.7.2005, IV.2.2.8., S. 46 f.

II. Das Wertpapierhandelsgesetz

231

(3) „Lock-up“-Vereinbarungen Die voranstehenden Überlegungen sind teilweise auch auf „Lock-up“Vereinbarungen übertragbar. Auch sie können, wie gesehen663, Auswirkungen auf den Kursverlauf haben und können daher in Einzelfällen als Insiderinformation qualifiziert werden. Voraussetzung dafür ist aber wieder, dass es sich bei diesen Vereinbarungen um nicht öffentlich bekannte Umstände handelt. Eine Pflicht zur Offenlegung derartiger Vereinbarungen im Emissionsprospekt664 besteht ohnehin. Es lässt sich außerdem auch ein wirtschaftliches Interesse des Emittenten zur Veröffentlichung ableiten665. Im Falle einer Veröffentlichung im Wertpapierprospekt handelt es sich um öffentlich bekannte Umstände, eine Insiderinformation liegt nicht vor666.

_________ 663

Abschnitt C.II.2. § 7 WpPG i.V.m. Art. 6 i.V.m. Anhang III („Mindestangaben für die Wertpapierbeschreibung für Aktien“), Zi. 7.3; Art. 13 i.V.m. Anhang X („Mindestangaben für Zertifikate, die Aktien vertreten“), Zi. 27.14. der VO 809/2004 (PropV). 665 Vgl. Abschnitt C.II.2. 666 In diesem Sinne auch Schanz, Börseneinführung, § 10 Rn. 127, für das Stabilisierungsgeschäft im Ganzen. Wie gesehen, muss für den Fall der Stabilisierungskäufe jedoch differenziert werden. 664

F. Zusammenfassung der Ergebnisse Im Folgenden sollen die Ergebnisse der Arbeit in Thesenform zusammengefasst werden.

I. Die emissionsbegleitenden Tätigkeiten der Beteiligten 1. An einer Emission sind neben dem Emittenten selbst zumeist mehrere Emissionsbanken beteiligt, die sich zu Emissionskonsortien zusammenschließen. Üblich sind hierbei insbesondere Übernahmekonsortien, in deren Rahmen das Konsortium das gesamte Platzierungsrisiko übernimmt. Die rechtliche und wirtschaftliche Ausgestaltung des Emissionsvorgangs wird zunächst in der Mandatsvereinbarung (Letter of Engagement), dann im Übernahmevertrag zwischen Emittent und den jeweiligen Mitgliedern des Konsortiums vorgenommen. Die Banken werden zumeist durch umsatzabhängige Provisionen vergütet. Zwischen den einzelnen Mitgliedern des Konsortiums werden Konsortialvereinbarungen abgeschlossen. 2. Typischerweise wird der Emissionspreis heute mit Hilfe des Bookbuildingverfahrens möglichst marktgerecht festzulegen versucht. Dabei handelt es sich um ein Verfahren, in das nach der Festlegung einer bloßen Preisspanne die potentiellen Anleger aktiv einbezogen werden. 3. Es bestehen verschiedene Möglichkeiten, wie der Kurs nach einer Aktienplatzierung zu stabilisieren versucht werden kann. Bei der sog. „Pure Stabilization“ erwirbt der stabilisierende Teilnehmer die Wertpapiere am Aktienmarkt und baut dabei tatsächliche Aktivbestände in seinem Vermögen auf. Im Zuge des „Aftermarket Short Covering“ hingegen nimmt er zunächst eine Mehrzuteilung vor; die daraus resultierenden Lieferverpflichtungen können anschließend entweder durch Käufe auf dem Markt oder durch Ausübung der sog. „Greenshoe-Option“ bedient werden. Eine solche Option auf Zuteilung weiterer Aktien kann von dem Emittenten selbst oder auch von Altaktionären eingeräumt werden. „Lock-up“-Vereinbarungen sind Abreden zwischen Emmitent/Emissionskonsortium und Altaktionären, wonach letztere verpflichtet werden, die Aktien über einen bestimmten Zeitraum nach der Emission hinweg nicht zu veräußern. „Penalty Bids“ sind Klauseln zwischen einzelnen an der Platzierung der Papiere beteiligten Institute, womit eine gezielte Zuteilung ausschließlich an langfristig interessierte Investoren erreicht werden soll.

II. Das Stabilisierungsgeschäft aus ökonomischer Sicht

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4. Der Konsortialführer hat ein starkes Eigeninteresse an einer erfolgreichen Platzierung der Aktien. Deshalb kann nicht jedem Übernahmevertrag eine konkludente Haupt- oder Nebenverpflichtung zur Stabilisierung entnommen werden. Solange eine solche nicht ausdrücklich erfolgt, besteht sie nicht. Dementsprechend erhalten die stabilisierenden Banken auch keine gesonderte Vergütung für diese Tätigkeit.

II. Das Stabilisierungsgeschäft aus ökonomischer Sicht 1. Die Kursentwicklung nach einer Emission weist häufig einen typischen Verlauf auf, der mit verschiedenen ökonomischen Bezeichnungen zu kategorisieren versucht wird. Beim sog. „Underpricing” sind die Wertpapiere zum Zeitpunkt der Ausgabe zunächst unterbewertet; eine Angleichung an das „wahre“ Preisniveau findet zumeist recht zügig am ersten Handelstag statt. Dieser Preisanstieg kann häufig im Vorhinein antizipiert und von sog. „Flippern“ ausgenutzt werden, die die erworbenen Wertpapiere unmittelbar anschließend wieder veräußern. Beides zusammen führt zu signifikanten Kursschwankungen. Dieses regelmäßig auftretende Phänomen wird in der ökonomischen Literatur vor allem mit Theorien zur asymmetrischen Informationsverteilung zwischen Emittent/Emissionskonsortium und Investoren zu erklären versucht. Denkbar ist im Anschluss eine Emission aber auch, dass der Kurs vorübergehend sinkt und das mit einem einfachen Liquiditätsengpass begründet werden kann. 2. Stabilisierungskäufe können – je nach Einzelfall – den Aktienkurs auf verschiedene Weise beeinflussen. In Anbetracht der spezifischen Charakteristika von Aktien als Wertpapiere ist ein einfacher Angebots-/Nachfragezusammenhang unwahrscheinlich. Vielmehr kann davon ausgegangen werden, dass der gefundene Marktpreis das Ergebnis der Verarbeitung der den Teilehmern zur Verfügung stehenden Informationen ist. Dementsprechend wird der Kurs auch bei Durchführung von Stabilisierungskäufen vornehmlich über den sog. Informationseffekt beeinflusst. Gerade nach der Platzierung von Wertpapieren größeren Volumens ist aber in Einzelfällen auch denkbar, dass der dann entstehende Liquiditätsengpass durch die bloße „Rücknahme“ eines Teils der Papiere durch den Konsortialführer verringert wird, die Tätigkeit somit stabilisierende Wirkung hat. „Lock-up“-Vereinbarungen und „Penalty Bids“ versuchen vor allem zu verhindern, dass durch rasche Veräußerungen im Anschluss an die Platzierung negative Signale an den Markt abgegeben werden. 3. Die Informationeffizienz eines Marktes ist Ausdruck seiner qualitativen Funktionsfähigkeit. Ein Aktienkurs ist in seinem informationseffizienten Gleichgewicht, wenn der aktuelle Preis alle (öffentlich erhältlichen) Informationen und damit die Wertschätzung aller Marktteilnehmer widergibt. Führt die

234

F. Zusammenfassung der Ergebnisse

stabilisierende Bank ihre Tätigkeit mit dem alleinigen Zweck aus, den Kurs zu beeinflussen, stört sie die Informationseffizienz; sie handelt manipulativ. Diese durch die Kursstabilisierung herbeigeführte Manipulation des Marktes kann jedoch über eine Verbesserung der operationalen und vor allem der institutionellen Kapitalmarkteffizienz gerechtfertigt werden: Die Ankündigung von Stabilisierungsmaßnahmen kann die Kosten der Emission senken, und die Eliminierung überhöhter Kursschwankungen gestaltet den Kapitalmarkt attraktiver. Ob allerdings gerade diese Kursschwankungen gezielt beseitigt werden können, darf bezweifelt werden. Da es für den Stabilisierungsmanager im Einzelfall schwierig ist, emissionstypische Schwankungen zu identifizieren und weil ein solches Vorgehen unter Umständen auch seinen wirtschaftlichen Interessen zuwider läuft, muss davon ausgegangen werden, dass der Kurs einfach immer dann stabilisiert wird, wenn er nach der Emission sinkt, ganz gleich was die Ursache dafür ist; dann aber werden nicht ausschließlich Kursschwankungen beseitigt.

III. Die rechtliche Behandlung der Kursstabilisierung in den USA 1. Die Kursstabilisierung ist in den Vereinigten Staaten schon seit vielen Jahren ausdrücklich geregelt. Sie wird heute von Regulation M, insbesondere Rule 104, erfasst, die ihrerseits ein entsprechendes Manipulationsverbot in Sec. 9(a)(6) des Securities and Exchange Acts von 1934 konkretisieren soll. 2. Stabilisiert werden darf in den USA im Rahmen von öffentlichen Platzierungen und von Privatplatzierungen; überdies findet auch eine Beschränkung auf Erstemissionen nicht statt. Der Stabilisierungspreis darf den Emissionspreis nicht überschreiten. Als zweite Obergrenze gelten aber auch die jeweils aktuellen Kurse bzw. die jeweils aktuellen Angebote, die sich unabhängig von der Stabilisierung eingestellt haben bzw. abgegeben wurden. Der Stabilisierende muss sich mithin ganz konkret an den allgemeinen Marktentwicklungen orientieren. Der Stabilisierungszweck muss im Falle einer „Short Covering Transaction“ der zuständigen Behörde mitgeteilt werden. Bei Durchführung der „Pure Stabilization“ wird zusätzlich verlangt, dass derjenige über den Zweck in Kenntnis gesetzt wird, demgegenüber das Angebot abgegeben wird. 3. Im Dezember 2004 hat die SEC gewisse Änderungen vorgeschlagen. Unter anderem soll der Offenlegungsstandard, der in diesem Umfang bislang nur für „Pure Stabilizations“ galt, nunmehr auch auf „Short Covering Transactions“ ausgeweitet werden, d.h. auch hier soll eine Offenlegung gegenüber demjenigen vorgenommen werden, der das Angebot entgegennimmt. „Penalty Bids“ sollen vollständig untersagt werden. Eine Umsetzung dieses Vorschlags ist bisher allerdings nicht erfolgt.

IV. Die rechtlichen Grenzen der Kursstabilisierung in Deutschland

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IV. Die rechtlichen Grenzen der Kursstabilisierung in Deutschland 1. Aktienrechtliche Beschränkungen für den Anteilserwerb stellen §§ 71 ff. AktG dar. Der Erwerb eigener Aktien ist nur im Rahmen der Ausnahmetatbestände von § 71 I Nrn. 1-8 AktG möglich. Lit. 1 vermag die Kurspflege nicht zu legalisieren, da auch bei starkem Kursverlust kein Schaden der Gesellschaft, sondern lediglich der Aktionäre droht und dieser insbesondere nicht „unmittelbar bevorsteht“ im Sinne der Norm. § 71 I Nr. 8 AktG erlaubt den Erwerb grundsätzlich ohne derartig strenge Voraussetzungen, untersagt in Satz 2 aber den „Handel in eigenen Aktien“. Insbesondere die Stabilisierung im Anschluss an Aktienplatzierungen stellt keinen Verstoß gegen diese Vorschrift dar. Das muss im Rahmen dieser Arbeit aber nicht abschließend erörtert werden, weil dieses Ergebnis für das nach der Platzierung erfolgende Stabilisierungsgeschäft durch die Konsortialbanken ohnehin keine Auswirkungen hätte. Denn der Stabilisierungsmanager handelt weder auf Rechnung des Emittenten (§ 71a II AktG) noch wird er für die Stabilisierungstätigkeit vergütet (§ 71a I 1 AktG). 2. Im Rahmen einer Greenshoe-Vereinbarung einigen sich die Beteiligten nicht auf einen unangemessen niedrigen Preis im Sinne des § 255 II AktG. Es handelt sich um eine rechtmäßige Kapitalerhöhung nach § 186 III 4 AktG. Denn zum Zeitpunkt der Festlegung des Preises (Vereinbarung der GreenshoeOption) ist der Bezug zum Emissionspreis angemessen; daran kann eine nachherige Kurssteigerung nichts mehr ändern. § 255 II AktG ist seinerseits weder direkt noch analog anwendbar. 3. Die deutlichste Grenze für die Ausübung von Stabilisierungstätigkeiten zieht § 20a WpHG. Dieser verstößt auch mit dem Begriff der „sonstigen Täuschungshandlung“ nicht gegen das Bestimmtheitsgebot und ist daher verfassungsgemäß. Die Anwendung des Tatbestands des § 20a I WpHG ergibt, dass Stabilisierungsmaßnahmen gleich mehrfach erfasst sein können. Unter Umständen handelt es sich um eine „sonstige Täuschungshandlung“ im Sinne des § 20a I 1 Nr. 3 WpHG. Zumindest wenn eine vorherige Aufklärung des Anlegerpublikums über die dann folgende Durchführung der Stabilisierung nicht stattgefunden hat, ist die Annahme eines hinreichenden Erklärungswerts nicht abwegig. Im Fall einer vorherigen Ankündigung hingegen kann von einer Täuschung in diesem Sinne nicht ausgegagen werden. Stabilisierungsmaßnahmen sind zudem geeignet, ein „künstliches Preisniveau“ herbeizuführen und „irreführende Signale“ zu geben im Sinne von § 20a I 1 Nr. 2 WpHG. Die Erfüllung beider Alternativen kann durch die bloße Ankündigung im Emissionsprospekt prinzipiell nicht verhindert werden. Bei nicht vorhandener Erwähnung der Stabilisierungsmöglichkeit im Emissionsprospekt liegt überdies ein Verstoß gegen § 20a I 1 Nr. 1 WpHG vor, da bewertungserhebliche Umstände entgegen bestehender Rechtsvorschriften nicht mitgeteilt wurden. Lediglich diese letztere Variante gilt auch für vertragliche Veräußerungsbeschränkungen; einen Ver-

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F. Zusammenfassung der Ergebnisse

stoß gegen § 20a I 1 Nr. 2 oder Nr. 3 können „Lock-up“-Vereinbarungen und „Penalty Bids“ hingegen nicht begründen. 4. Die Verordnung 2273/2003 der europäischen Kommission stellt einen Safe Harbor zur Verfügung, bei dessen Einhaltung in keinem Fall ein Verstoß gegen § 20a I oder § 14 I WpHG vorliegt. Auch Privat- und Sekundärplatzierungen sind von diesen Vorschriften erfasst. Stabilisiert werden kann zudem in sog. „verbundenen Instrumenten“. Weshalb die Definition der Kursstabilisierung in Art. 2 Nr. 7 nur solche Maßnahmen zulässt, die dann stattfinden, wenn „Verkaufsdruck“ auf die Papiere besteht, ist nicht abschließend gerklärt. Sollte damit gemeint sein, dass nur ein emissionstypischer Preisdruck zur Stabilisierung berechtigen soll, ist das aus ideellen Gesichtspunkten zu begrüßen, dürfte die Banken in der Praxis aber vor nicht unerhebliche Abgrenzungsschwierigkeiten stellen. 5. Die VO 2273/2003 verlangt zwar nicht mehr, dass ein sog. Stabilisierungsmanager, der ausschließlich zur Stabilisierung berechtigt ist, explizit benannt wird, will aber trotzdem, dass ein Konsortialmitglied als Ansprechpartner für die Behörden zur Verfügung gestellt wird und dass die Banken im Emissionsprospekt angekündigt werden, die die Stabilisierung durchführen können. Auch nach Maßgabe der VO 2273/2003 soll die Stabilisierungstätigkeit auf die ersten 30 Tage nach der Platzierung beschränkt bleiben. 6. Im Gegensatz zu den US-amerikanischen Regelungen muss sich der Stabilisierungspreis nach Art. 10 VO 2273/2003 ausschließlich am Emissionspreis als Obergrenze messen lassen; die zusätzliche Berücksichtigung des jeweils aktuellen Marktpreises wird, zumindest ausdrücklich, nicht verlangt. Auch fordert die Verordnung keine der Stabilisierung zeitlich gleichlaufende Offenlegung des Stabilisierungszwecks gegenüber den Marktteilnehmern. Vielmehr soll neben der Bekanntgabe der Stabilisierungsmöglichkeit im Emissionsprospekt die Öffentlichkeit erst nach Durchführung der Maßnahme in einer einheitlichen Veröffentlichung über verschiedene Details benachrichtigt werden. Die Information der BaFin muss dagegen zeitnäher erfolgen. Sofern im Emissionsprospekt angekündigt, ist sowohl eine Mehrzuteilung als auch die Vereinbarung einer Greenshoe-Option zulässig. Die Mehrzuteilung darf insgesamt 20% nicht übersteigen, wobei 15% durch den Greenshoe abgedeckt sein müssen; ein sog. naked short ist nur bis zu 5% möglich. 7. Kursstabilisierungsmaßnahmen begründen nicht per se einen Verstoß gegen § 14 WpHG. Bei Berücksichtigung des vom BGH aufgestellten Kriteriums des „Drittbezugs“ ist schon fraglich, ob eine bankinterne Entscheidung zur Stabilisierung eine Insiderinformation darstellen kann. Denn zumindest eine Einzelperson kann sich laut BGH nicht über eigene Absichten informieren. Aber selbst wenn man davon ausgeht, dass die unternehmensinterne Entscheidung zur Stabilisierung eine Insiderinformation darstellt, wird sie im Zuge der

IV. Die rechtlichen Grenzen der Kursstabilisierung in Deutschland

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Durchführung nicht „verwendet“. Denn es fehlt insoweit an der für das Merkmal des „Verwendens“ erforderlichen Kausalität. Vielmehr kann ein Verstoß gegen § 14 I Nr. 1 WpHG nur dann vorliegen, wenn weitere Umstände hinzutreten, wenn der Stabilisierungsmanager also schon bei der Entscheidung zum jeweiligen Stabilisierungskauf anderweitige Informationen verwendet. Eine solche Information kann – unter Umständen – auch die vorherige, nicht öffentlich bekannte, aber deutlich kursbeeinflussende Stabilisierung gegen den Markttrend sein. Wirkt sich das Wissen um das daraus resultierende „künstliche“ Preisniveau kausal auf die Entscheidung einer nachherigen Trennung von Aktienbeständen aus, kann ein illegaler Insiderhandel vorliegen. Das bedeutet aber nicht, dass eine Stabilisierung gegen den Markttrend an sich nach § 14 WpHG unzulässig ist. 8. Mit der Durchführung der Stabilisierungsmaßnahmen können sich auch Interessenkonflikte im Sinne des § 31 I Nr. 2 WpHG ergeben. Diese sind allerdings unvermeidbar. Deshalb können sie nach Abwägung mit dem überwiegenden Interesse an einem stabilen Kurs die Durchführung solcher Maßnahmen nicht als ganzes verhindern, sofern die Interessen der Kunden in dem dann gesteckten Rahmen weitestmöglich berücksichtigt werden. Dazu gehört auch eine möglichst umfassende Aufklärung der Kunden. Die sich hieraus ergebende Pflicht geht aber nicht über die Anforderungen des WpPG bzw. die der VO 2273/2003 hinaus. 9. Nach der Ausweitung des Tatbestands von § 15 I WpHG können theoretisch auch Stabilisierungsmaßnahmen eine Ad-hoc-Mitteilungspflicht auslösen. Ob sie einen hinreichenden Emittentenbezug aufweisen, hat der Emittentenleitfaden der BaFin nicht ausdrücklich geregelt. Denkbar ist das aber schon. Praktisch wird sich jedoch kaum eine Publizitätspflicht ergeben, da der Emittent gerade nicht über die Einzelheiten der von den Banken durchgeführten Stabilisierungsmaßnahmen informiert ist. Die Banken ihrerseits sind grundsätzlich nicht Adressaten des § 15 I WpHG. Sowohl die Greenshoe-Vereinbarung also auch „Lock-up“-Vereinbarungen des Emittenten mit den Altaktionären haben unmittelbaren Emittentenbezug, stellen aber zumindest nach vorheriger – gemäß dem WpPG pflichtgemäßer – Offenlegung im Emissionsprospekt keine nicht öffentlich bekannten Umstände, mithin kein Insiderinformation dar.

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Sachwortverzeichnis Accelerated Bookbuild Offering 174 Ad-hoc 223 Allokationseffizienz 64, 73 Altaktionär 33, 37, 62 Anlegerschutzverbesserungsgesetz 22, 131, 223 Asymmetrische Informationsverteilung 50 Ausgabepreis 49, 85, 113, 120, 185 Begebungskonsortium 32 Best-Effort 32 Bestimmtheitsgrundsatz 134 Bezugsrechtsausschluss 38, 122 Blocktransaktion 57, 89, 143, 164 Bluffing 68 Bookbuilding 34, 61, 113, 175 Börsenkurs 40, 54, 62, 99, 120, 150 Einlagenrückgewähr 119 Emissionskonsortium 27, 29, 85 Emissionsprospekt 69, 101, 128, 152, 196 Emissionstypisch 35, 72, 79, 168, 190 Erklärungszeichen 136, 195 Erwartungswert 51, 66 Flipping 81, 89, 107, 165 Greenshoe 37, 68, 85, 120, 156, 186, 189, 217 Haltevereinbarung 41 Handelsgestützte Manipulation 131

Informationseffekt 56, 57, 67, 104, 143, 158, 178, 233 Informationseffizienz 73 Initial Public Offering 28, 174 Insiderhandel 198, 237 Insiderinformation 198 Institutionelle Effizienz 77 Interessenkonflikt 79, 217, 219 Kapitalerhöhung 38, 123, 166, 174 Künstliches Preisniveau 148, 178, 194 Lamfalussy-Verfahren 159 Liquiditätsengpass 54, 61, 83 Lock-up 40, 62, 69, 84, 125, 147, 157, 214, 231 Manipulation 64, 66, 67, 69 Marktschonung 130 Markttrend 214, 237 Mehrzuteilung 36, 186 Missbrauchsrichtlinie 131, 144 Mitteilungspflicht 100 Naked short 37, 189 Operationale Effizienz 74 Overpricing 53, 81 Penalty Bids 42, 62, 83, 106, 152, 153 Platzierung 29, 31 Portfolio 56 Preisbeeinflussung 202 Preisbildung 65, 131, 152

Sachwortverzeichnis Preisfindung 33 Preiskontinuität 71, 78, 79 Price Pressure 55, 62 Privatplatzierung 163 Provision 32, 42, 76, 85 Publizitätspflichten 96, 224 Pure Stabilization 36, 94 Refreshing the Shoe 190 Regulation M 43, 94, 95 Reputation 86 Risikoaversion 50 Rückkauf eigener Aktien 103, 111 Safe Harbor 94, 102, 160, 175, 194, 213, 221 Scalping 204 Securities Act 92 Securities Exchange Act 92 Sekundärplatzierung 97, 166, 174 Short Covering 36, 96, 103, 171, 181, 217 Short Position 37, 189 Signale 62, 63, 69, 89, 100, 153, 178 Spekulationsgeschäfte 85, 115 Stabilisierungskäufe 55, 67, 81, 110, 144, 151, 156

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Stabilisierungsmanager 36, 79, 169 Stabilisierungspreis 97, 184 Stabilisierungstransparenz 178 Stabilisierungszeitraum 173 Substitution 55, 56 Supreme Court 108 Täuschung 96, 108, 134, 165 Täuschungsgegenstand 140 Täuschungshandlung 139 Übernahmekonsortium 32, 49 Übernahmevertrag 29, 39, 44, 118, 229 Umgehungsgeschäft 116 Umplatzierung 164 Underpricing 48, 74, 81 Veräußerungsverbot 69, 126, 147, 163, 218 Verkaufsdruck 168 Wertpapierleihvertrag 37 Wertpapierprospektgesetz 156, 180, 222 Wirkungsweise 55 Zeichnungsangebot 163 Zeichnungsrendite 48, 81