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German Pages [232] Year 1962
WOLFGANG
DIETZFΕLB I Ν GER
Die Grenzen der Kirche nach römisch-katholischer Lehre
VANDENHOECK & RUPRECHT IN G Ö T T I N G E N
Forschungen zur systematischen und ökumenischen Theologie Herausgegeben von Edmund Schlink Band 10
© Vandenhoeck & Ruprecht in Güttingen 1962. Printed in Germany. Ohne ausdrückliche Genehmigung des Verlages ist es nicht gestattet, das Buch oder Teile daraus auf foto- oder akustomechanischem Wege zu vervielfältigen. Gesamtherstellung: Hubert & Co., Göttingen 7978
MEINEN ELTERN
Vorwort Die vorliegende Untersuchung enstand in den Jahren 1958 bis 1961. Sie versteht sich als ein Versuch, für das interkonfessionelle Gespräch mit der römisch-katholischen Kirche die kirchliche Position des evangelischen Partners (bzw. des nicht-römisch-katholischen Christen überhaupt) zu klären. Die wesentlichsten Studien und Gespräche dafür geschahen während eines zehnmonatigen Aufenthaltes in Rom, Frankreich und Belgien. Der Abschluß erfolgte bereits während meiner praktischen Tätigkeit im Gemeindevikariat. Im Februar 1962 wurde die Arbeit von der Heidelberger Theologischen Fakultät als Dissertation angenommen. Mein Dank gilt in erster Linie meinem Heidelberger Lehrer, Professor D. Edmund Sdilink, der seinerzeit das Thema formulierte, Ratschläge für die Anlage der Arbeit erteilte, ihr Werden mit wertvoller Anregung, fördernder Kritik und nie ermüdender Geduld begleitete und sie in die von ihm herausgegebene Monographienreihe „Forschungen zur systematischen und ökumenischen Theologie" aufnahm. Danken möchte ich ferner den hochwürdigen Professoren und Patres der Gregoriana, des Orientalischen Instituts und des Klosters San Girolamo in Rom, der Universitäten in Straßburg, Paris und Löwen, und den Benediktinermönchen von Chevetogne/Belgien und St. Bonifaz in München. Ihre sachkundigen Hinweise und der bereitwillig gewährte Zugang zu den verschiedenen Bibliotheken haben dem Außenstehenden Einarbeit und Fortführung bedeutend erleiditert. Gedankt sei schließlich dem Lutherischen Weltbund in Genf, der durdi ein großzügig bewilligtes Forsdiungsstipendium meinen Studienaufenthalt im Ausland ermöglichte. Augsburg, im März 1962 Wolfgang Dietzfelbinger
Inhalt Einleitung
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Rechtliche Möglichkeiten für interkonfessionelle Gespräche 11 — Enzyklika „Mortalium Animos" 12 — Stellung Roms zur ökumenischen Bewegung 12 — persönliche Sympathie 13 — Teilnahme abgelehnt 14 — Gebet um Einheit 15 — Mechelner Gespräche 16 — ökumenische Beobachter 17 •— Publikationen 18 — praktische Zusammenarbeit 19 — positive und negative Linie 20 — offizielle und inoffizielle Haltung (Schütte) 21 — Beschränkung auf die Lehre 23 — Zweideutigkeit von Praxis und Geschichte 24 — ökumenische und Heilsfrage als Hauptpunkte 25 — Methodisches 26 •— Gliederung 27.
Teil A: Die Kirche und der einzelne
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I. Kirchliche Gliedschaft im Normalfall
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„reapse" 28 — 3 Gliedschaftsbedingungen 28 — Taufe 29 •— Bekenntnis des Glaubens 29 — Gehorsam, Schismatiker 31 — excommunicato vitandus und toleratus 32 — Sündhaftigkeit 33 — innere und äußere Ebene 35 — Abgrenzung 35 — Beurteilung durch die evangelische Theologie 36 — Aufbau der folgenden Kapitel 36. II. Die Bedeutung der Taufe für die kirchliche Gliedschaft
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Kirchenschöpferische Funktion der Taufe 37 — character indelebilis und aggregatio ad ecclesiam 38 — Mörsdorf 40 — Kritik Rahners 42 — Gliedschaftsbegriff 44 — kritischer Vergleich des kanonistischen und des dogmatischen Gliedschaftsbegriffes 45 — Verhältnis von sichtbarer und unsichtbarer Kirche? 46 — Protest gegen den römischen Rechtsanspruch 46. III. Mysticum Christi Corpus und Ecclesia Catholica Romana
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Mysticum Corpus nach Thomas von Aquin 47 — Gliedschaftslehre Morels 49 — Ecclesia ab Abel 51 — Kritik an Morel 52 — Nothombs Kombination 52 — Liegis drei Definitionen 53 —· Enzyklika Humani Generis 54 — Tromp/ Zapelena 54 — Pius und Thomas vereinbar ? 56 — Identität von ecclesia Romana und corpus mysticum? 57 — evangelische Kritik 58 — Universalität der römischen Kirche 60 — Vereinbarung von Universalität und Exklusivität 61.
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IV. Das Votum Ecclesiae Geschichte der Votumlehre 62 — Alte Kirche 63 — Ambrosius 64 — Augustin bis Trient 65 — votum explicitum und implicitum 66 — ungetauft verstorbene Kinder 67 — Billot/Stolz 69 — Struktur des Sakraments 70 — äußerer Sakraments- und innerer Gnadenbereich 72 — votum ecclesiae 72 — bei Bellarmin und Suarez 73 — auf dem Vatikanum 74 — in „Mystici Corporis" 75 — in „Suprema haec" 76 — Leib und Seele der Kirche 78 — unsichtbare Glieder der sichtbaren Kirche 79 — invincibilis ignorantia 79 — unbegrenzte Weite des Votums 82 — Caritas perfecta 83 — Liege 84 — Problem der sichtbaren Seite des Votums 85 — Karl Rahner 86 •— Kritik an Rahner 88 — Journets Gliedschaftstabelle 91 — Kritische Zusammenfassung 99 — 1) äußerer und innerer Bereich 100 — 2) Bedeutung der sakramentalen Wirklichkeit? 101 — Terminologie 102 — Votumlehre und Heilsfrage 103 — biblische Besinnung 105 — Doppelmotiv: Universalität und Exklusivität 106. V. Extra Ecclesiam nulla salus
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Traditionelle Lehre 108 — der Boston Heresy Case 109 — zu weite Interpretation? (Mathew, Newman, Mörsdorf, Fenton, Rahner) 113 — Tendenz des Guten zur römischen Kirche 115 — christologische Erklärung 115 — aktuelle und habituelle Gnade 116 — allein-seligmachende Kirche (Lawlor)? 117 — necessitas medii und praecepti 118 — Heilsnotwendigkeit und Heilsgewißheit 121 — moralische Gewißheit 122 — objektives Verständnis 123 — extra Ecclesiam nulla salus erheblich eingeschränkt 125.
Teil B: Die Kirche und die Kirchen
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VI. Die Stellung nichtrömischer Kirchen nach dem Codex Iuris Canonici . . .
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Votumlehre nicht auf Körperschaften zu übertragen 127 — das eigentlich ökumenische Problem 128 — secta 129 — acatholicus 130 ·— allgemeine Rechtsbestimmungen über acatholici 132 — Gleichschaltung der „Sektenanhänger" 132 — Berücksichtigung nur der antirömischen Tendenz 133 — Fragen an die rechtliche Beurteilung nichtrömischer Kirchen 134. VII. Vestigia Ecclesiae Methodisches 135 — Ketzertaufstreit 136 — Luther 136 — Calvin 137 — Turrettini 139 — Torontoerklärung 142 — Craig 143 — Peter Brunner 144 — Evanston 144 — notae und vestigia 145 — Selbstbewahrung und Selbstkritik 146 — Anerkennung und Ablehnung anderer Kirchen 148 — Pius XI. 150 — Wurzeln der römischen vestigia-Lehre 151 — motivum credibilitatis 152 — „Gleichberechtigung" anderer Kirchen zurückgetreten 153 — rechtliche Stellung 154 — ausgedehnterer Aktionsbereich 155 — Gribomont 156 — Jurisdiktion 158 — anglikanische Weihen 160 — Taufe 161 — Ehe 162 — Abendmahl 165 — Amt 165 — Wortverkündigung 166 — Qualifizierung nichtrömischer Kirchen 169 — societas perfecta 170 — essentielle und akzidentelle Perfektion 170 — akzidentelle Ergänzungsbedürftigkeit 171 — Rückkehr als Ziel der vestigia 172 — ökumenische Frucht der vestigia 172 — Universalanspruch auf alles Gute 173 — Häresie nur als peccatum per substrac8
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tionem 174 — der Begriff der „Fülle" 175 — Identität von Kirche Christi und Ecclesia Romana Catholica 176 — rationaler Erweis 177 — apologetische Funktion der vestigia 178 — Absorption der nichtrömischen Kirchen 180.
S c h l u ß : Verborgene und offenbare Kirche
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Kritik und Selbstkritik 181 — terminologische Probleme 182 — Verbindlichkeit der Dokumente 183 — Stellung der Tradition 184 — sichtbare und unsichtbare Kirche 186 — unsichtbar = im Glauben erfaßbar 187 — Eigenart der „Glaubensgegenwart" 188 — kein „gegenständliches" Verständnis der Sichtbarkeit 189 — kein motivum credibilitatis 190 — notae und Eigenschaften 190 — Apostolizität 191 — Wort und Sakrament als notae 192 — katholische „Fülle"? 193 — Ekklesiologie und Christologie 194 — Gefahren einer Direktverbindung 195 — trinitarischer Bezug 195 — eschatologischer Aspekt 196 — Reich Gottes und Kirche 196 — Einheit der Kirche, Gabe und Aufgabe 197 — CA V I I und VIII 198 — Gliedschaftsgrenzen offen 199 — äußere Zugehörigkeit 2 0 0 — Prävalenz des inneren Bereiches 201 — Dogmatik, Moraltheologie und Seelsorge 203 — Struktur der theologischen Aussagen 205 — Gefahr der lehrmäßigen Aussagen 205 — geeignete Strukturform für Gliedschaftsaussagen? 206 — Gewißheit und Sicherheit 207 — Spannung zwischen Existenz und Wirkung der Gnadenmittel 208 — Festlegung der Grenzen der Kirche im Eschaton 209. Quellenverzeichnis
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Zeitungen und Zeitschriften
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Literaturverzeichnis
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Namen- und Sachregister
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Einleitung Wenn man die römisch-katholische Theologie über die Grenzen der Kirche befragt, so wird die Auskunft auf diese Frage nicht unwesentlich durch den Standort des Fragenden bestimmt sein. Man kann diese Frage, um einige Beispiele zu nennen, vom Staat oder von der Gesellschaft aus, man kann sie als vergleichender Religionswissenschaftler oder als Glied der römischen oder einer anderen Kirche stellen; die erteilte A n t w o r t wird das jeweils berücksichtigen und einen entsprechenden Akzent tragen. Die vorliegende Arbeit stellt die Frage von der evangelischen Theologie her; sie wird sich infolgedessen in erster Linie u m die A n t w o r t bemühen müssen, die die römische Kirche der evangelischen — und mit ihr zusammen auch anderen Kirchen — gegeben hat. Dabei ist zunächst eine kurze Orientierung über die äußere Situation dieses Fragens und Antwortens überhaupt vonnöten. Wie die römische Kirche rechtlich über Gespräche mit Andersgläubigen denkt, hat sie im Codex Iuris Canonici (CIC) in folgende Bestimmung gefaßt: „Caveant catholici, ne disputationes vel collationes, publicas praesertim, cum acatholicis habeant, sine venia Sanctae Sedis aut, si casus urgeat, loci Ordinarii." 1 Vorausgegangen sind dieser im CIC einzigen diesbezüglichen Verfügung 2 bereits im 17. Jahrhundert drei Erlasse der Congregatio de Propaganda Fide 3 , die alle „colloquia, disputationes, collationes, conferentiae, congressus" 4 , namentlich, wenn sie öffentlich gehalten werden, grundsätzlich mißbilligen. Es sei nämlich die Erfahrung gemacht worden, daß dabei durch Wortgewandtheit, Aufdringlichkeit und durch den Beifall des Publikums vielfach die Falschheit vor der Wahrheit den Sieg davonträgt. Gleichzeitig wird freilich der Fall berücksichtigt, daß solche Gespräche unvermeidlich sein können, wenn eine „spes maioris boni" vorliegt oder andere, von den Theologen anerkannte, positive Voraussetzungen bestehen; dann aber soll man darauf achten, daß sie von gelehrten Leuten geführt werden, 1
CIC can. 1325, § 3. Zum folgenden vgl. A. Hagen in: ThGl 33, 1941, 208ff. Zu bedenken wären allenfalls die beiden cann. 731, § 2, und 1258, die die „communicatio in sacris" verbieten; näheres hierzu vgl. Kapitel VI unten S. 132f., Anm.30. 3 In den Jahren 1625, 1645, 1662; vgl. Gasparri-Seredi, Fontes Iuris Canonici, Bd. VII,1,11 und 28. 4 Zu diesen einzelnen Begriffen vgl. Hagen a.a.O. 2
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die die katholische Wahrheit zu verteidigen wissen. Unter allen Umständen muß für diesen Ausnahmefall die vorherige Erlaubnis der Kongregation eingeholt werden. Eine nächste Reihe von römisch-katholischen Dokumenten stellt eine unmittelbare Reaktion auf die „ökumenische Bewegung" oder dieser vorausgehende Bewegungen dar. Zu betrachten ist zunächst die Stellungnahme, die das Sanctum Officium gegenüber den anglikanischen Einheitsbestrebungen bezieht, und zwar in zwei Briefen, deren erster, von 1864, an die römischkatholischen Bischöfe Englands gerichtet ist 5 , während der zweite, von 1865, sich an die Initiatoren jener Bemühungen („ad quosdam Puseistas Anglicos") selbst wendet®: Die römische Kirche, heißt es darin, müsse all ihren Gliedern die Teilnahme an der sogenannten „Vereinigung zur Förderung der christlichen Einheit" aufs strengste untersagen, weil diese auf der irrigen und verderblichen Meinung gründe, die Kirche Christi setze sich aus den drei Gemeinschaften der römisch-katholischen, der griechisdi-schismatischen und der anglikanischen Kirche zusammen, und davon die Aufgabe herleite, daß man aus diesen nun erst eine einheitliche Körperschaft formen müsse. Die Prämisse sei dabei ebenso falsch wie die Folgerung, erklären die Briefe: Die Einheit der Kirche sei nicht erst zu suchen, sondern bereits vorhanden, und zwar einzig und allein, aber auch ganz und gar, in der dem Papst unterstellten Ecclesia Catholica Romana. Allen anderen Gemeinschaften müsst infolgedessen die Eigenschaft „katholisch" rundweg abgesprochen werden. Die einzige Aufgabe bezüglich der Einheit besteht in dem Gebet um Rückkehr aller Abgefallenen in den Schoß jener einen Ecclesia auf römischer und in eben dieser Rückkehr selbst auf der nichtrömischen Seite. Zwischen diesen Briefen und dem nächsten ausführlichen Dokument zur Frage 7 der Enzyklika „Mortalium Animos" von 1928 8 , liegt Roms deutliche Absage an die ökumenische Bewegung, die hier noch einmal förmlich ausgesprochen wird: Es sei der Grundirrtum aller nicht-römisch-katholischen Einheitsbestrebungen, daß sie Christi Bitte aus Joh. 17,21 noch nicht verwirklicht sehen, sondern als Zukunftstraum betrachten. Daraus folge dann eine Reihe von falschen Ansichten: daß nämlich alle christlichen Gemeinschaften — wo nicht gar alle Religionen — gleichwertig seien, daß das Einheitsband, welches geknüpft werden müsse, vorzüglich die Liebe und nicht der Glaube sei, daß man bezüglich der Lehre zwischen capita fundamentalia, die unbedingt geglaubt werden müssen, und non-fundamentalia, die dem Ermessen des einzelnen überlassen bleiben, zu unterscheiden habe, daß man AAS XI, 1919, 310—312, mit unwesentlichen Kürzungen auch bei Denzinger, D 1685—1687. • AAS XI, 1919, 312—316. ' Die beiden Erlasse des Sanctum Officium vom 4.7.1919 (AAS XI, 1919, 309) und vom 8.7.1927 (AAS X I X , 1927, 278) sind lediglich Neueinschärfungen bereits bekannter Bestimmungen. 8 AAS X X , 1928, 5—16. s
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sich unter Hintanstellung der Lehrdifferenzen zu einem jedenfalls nach außen hin einheitlichen Kirchenbund zusammenschließen müsse. Würde die römische Kirche an den erwähnten Konferenzen teilnehmen, heißt es weiter, so entstünde notwendigerweise der Anschein, als erteile sie diesen Irrtümern ihre Zustimmung. Dies aber wäre nichts anderes als ein Preisgeben der Wahrheit, die von der Kirche zu schützen, aber nicht zur Diskussion und damit in Zweifel zu stellen ist. Diese Wahrheit ist nämlich im Glaubensgut der römischen Kirche ausschließlich und vollständig vorhanden, offen dargelegt und f ü r jeden zugänglich; sie umfaßt die Lehren von Tradition, Hierarchie, Transsubstantiation und Heiligenverehrung mit der gleichen Verbindlichkeit wie die D o g m e n über Christus und die Trinität. Was jene „Panchristen" erst anstreben, ist bereits gegeben; deshalb kann die Verwirklichung der Einheit aller Menschen nur in der Rückkehr der getrennten Söhne und Brüder in das Vaterhaus der römisch-katholischen Kirche bestehen. In zwei Erlassen aus jüngster Zeit, dem M o n i t u m „ C u m C o m p e r t u m " v o n 1948® und der Instructio „Ecclesia C a t h o l i c a " von 1949 1 0 , werden die bekannten Warnungen ausdrücklich auch auf die „ökumenischen" Versammlungen der Gegenwart erstreckt. Ausgenommen von den Verboten des Monitums sind nach „Ecclesia C a t h o l i c a " lediglich katechetische Instruktionen und Z u s a m m e n k ü n f t e f ü r Konvertiten, interkonfessionelle Kongresse zur Verteidigung des Naturrechtes u n d der christlichen Religion gegen die Feinde Gottes und schließlich gemeinsame Aktionen in sozialen Fragen. Freilich zeigen die praktischen Direktiven wie die prinzipiellen Darlegungen, daß die römische Kirche auch jetzt nichts v o n ihren bisherigen Grundsätzen hat fallenlassen. Was mit dieser kurzen Skizze wiedergegeben ist, stellt nun allerdings nicht mehr dar, als einen groben Überblick über die offiziellen Äußerungen Roms angesichts der ökumenischen Bewegung. Zu ihnen parallel läuft jedoch eine zweite Linie, die sich zwar wesentlich schwerer „definieren oder bemessen" läßt, aber in ihrer Gesamtheit sicherlich einen „ebenso wirklichen Aspekt der H a l t u n g R o m s gegenüber anderen C h r i s t e n " verkörpert. Oliver Tomkins hat in seinem Beitrag „ D i e Römisch-Katholische Kirche und die ökumenische Bewegung, 1910 bis 1948" 1 1 einen ausgezeichneten chronologischen Abriß der zur Diskussion stehenden Geschehnisse gegeben; daraus sollen hier die wesentlichsten Punkte festgehalten sein. In einem merkwürdigen Gegensatz zu R o m s konstantem offiziellem N e i n auf alle „ökumenischen" Einladungen, das bis zur Stunde insofern aufrechterhalten wurde, als keine einzige Konferenz des ökumenischen Rates oder • A A S X L , 1948, 257; unmittelbar vor der Vollversammlung des Weltrates der Kirchen in Amsterdam erschienen. 10 A A S X L I I , 1950, 142—147. 11 In: Ruth Rouse-Stephen Charles Neill, Geschichte der ökumenischen Bewegung 1517—1948, Göttingen 1957/58, Bd. II, 359—384; das obige Zitat nach 377. 13
seiner Vorläufer mit einer ordentlichen römisch-katholischen Delegation beschickt wurde, steht die immer wieder zutage tretende menschliche Freundlichkeit und das persönliche Interesse, das oft höchstgestellte römische Würdenträger nicht nur den Vertretern der ökumenischen Bewegung, sondern auch der Sache selbst entgegenbringen. Dies wurde schon 1910 auf der Edinburgher Missionskonferenz deutlich, die man als den A n f a n g der Einheitsbestrebungen in neuerer Zeit bezeichnen kann. Unter den auf dieser K o n ferenz verlesenen Grußbotschaften war der Brief des römischen Bischofs von Cremona, Monsignore Bonomelli, besonders herzlich gehalten; er begrüßt die Idee der Konferenz, betont die Notwendigkeit, das Christentum als die universale Religion zu verbreiten und gibt gleichzeitig einen Ausblick auf das Ziel eines derartigen Zusammenschlusses: „die Vereinigung aller derer, die an Christus glauben, zu fördern." 1 2 Eine ähnlich freundliche Atmosphäre herrscht in dem Briefwechsel, der zwischen der vorbereitenden Kommission der Lausanner Konferenz f ü r Glauben u n d Kirchenverfassung (1927) und römisch-katholischen Persönlichkeiten geführt wurde. Besonders bemerkenswert hierfür sind die beiden Antworten, die R o b e r t H . Gardiner, einer der führenden Laien-Mitarbeiter, auf seine Anfragen hin vom päpstlichen Kardinalstaatssekretär Gasparri erhielt. Gardiner hatte in einem Schreiben v o m 2. 11. 1914 den Kardinal gebeten, dem Papst von den laufenden Bemühungen Kenntnis zu geben, „ u t . . . Supremus Antistes Ecclesiae R o m a n a e , Benedictus X V , suis precibus ac votis facinus nostrum ad felicem citius perducat exitum" 1 3 . Gasparri antwortete in zwei Briefen, er habe dem Papst v o n dem Plan der Weltkonferenz Mitteilung gemacht, dieser habe eine große Liebe gegen deren Initiatoren bekundet, lasse dafür danken, daß man u m seine Mithilfe und Meinung („opem suffragiumque") nachgesucht habe und werde niemals in seinen inbrünstigen Bitten an Jesus Christus, den A n f a n g u n d G r u n d der Einheit der Kirche, nachlassen, dafür daß alle, die den Christennamen tragen, sich im Schoß der einen Kirche zusammenfinden 1 4 . Als man, durch diese zwar zurückhaltenden, aber doch ein gewisses Entgegenkommen bekundenden Worte ermutigt, nach dem Ende des ersten Weltkrieges 1919 eine Deputation mit einer Einladung an den Papst f ü r Lausanne nach R o m sandte, mußte diese allerdings die herbe Enttäuschung hinnehmen, daß sie bezüglich der Teilnahme der römischen Kirche eine glatte Absage bekam. Der Bericht über die Audienz betont jedoch wiederum den Gegensatz zwischen dieser Schroffheit einerseits und dem „unwiderstehlichen Wohlwollen" u n d „ d e r persönlichen Freundlichkeit des Papstes" andrerseits. 12 Rouse-Neill a.a.O. II, 364f. Die römische Kirche war zur Konferenz selbst nicht eingeladen, es wurden aber wiederholt Stimmen laut, die dieses Fehlen als Mangel empfanden, vgl. Rouse-Neill a.a.O. I, 496f. 13 Vgl. Hermann Sasse, Die Weltkonferenz für Glauben und Kirchenverfassung, Berlin 1929, 30. 14 Der Text der beiden Briefe im Auszug bei Sasse a.a.O. 31.
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Eine ähnliche Lage, diesmal allerdings nicht auf höchster Ebene, ergab sich aus Anlaß der Edinburgher Konferenz von 1937. Auch hier vermerkt der Bericht die von römischer Seite ergangene Ablehnung einer Teilnahme, ausgesprochen von dem schottischen Erzbischof MacDonald 15 . Gleichzeitig freilich konnte auf der Konferenz eine brüderliche Botschaft aus der Feder des Priors der Benediktinerabtei Amay-sur-Meuse in Belgien verlesen werden, die die Verbundenheit des Gebets und des Wunsches nach christlicher Einheit zum Ausdruck bringt. Zu erwähnen ist schließlich, daß es nach Edinburgh 1939 zur Bildung eines Vorbereitenden Ausschusses für die Schaffung eines ökumenischen Rates der Kirchen kam, dessen Vorsitzender, Dr. Temple, dem Kardinalstaatssekretär den Vorschlag machte, „mit Organen der römischen Kirche Informationen über Gegenstände gemeinsamen Interesses auszutauschen und von Zeit zu Zeit die Hilfe inoffizieller Beratung mit römischkatholischen Theologen und Gelehrten zu haben". Hierauf antwortete der britische Apostolische Legat, durch den Kardinalstaatssekretär autorisiert, in zustimmendem Sinn 16 . Solche Sympathie, wie sie auf römisch-katholischer Seite von den höchsten Stellen bekundet wurde, hat sich im letzten halben Jahrhundert aber auch im kleineren Rahmen in den verschiedensten Ausprägungen betätigt, als deren wichtigste sicherlich die Bemühung um ein gemeinsames Gebet für die Einheit der Kirche zu gelten hat — Ruth Rouse nennt sie „die Hauptquelle des ökumenischen Fortschritts" 17 . Ihre Wurzel haben diese Bemühungen in der anglikanischen Kirche, in der neben dem allgemeinen liturgischen Gebet bereits seit dem 18. Jahrhundert besondere Organisationen entstanden sind, die dem Gebet für die Einheit klares Ziel und Richtung zu geben suchten 18 . Aus diesem Raum kamen auch die Anstöße, die den zur römischen Kirche übergetretenen Priester Paul James Watson zu Anfang dieses Jahrhunderts zu dem Vorschlag einer jährlich zu veranstaltenden Weltgebetsoktav führten. Sie sollte jeweils in der Woche vom 18. Januar (Petri Stuhlfeier) bis 25. Januar (Fest von Pauli Bekehrung) durchgeführt werden und „die Wiedervereinigung der Christenheit auf päpstlicher Grundlage" zum Zweck haben. Bereits 1909 bekam diese Ordnung den offiziellen Segen des Papstes Pius X., und etwas später wurde von Benedikt XV. ihre Durchführung für die ganze römische Kirche verbindlich gemacht. Diese Gelegenheit zu einem gemeinsamen Gebet um die Einheit wurde auch von einer Anzahl anglikanischer und orthodoxer Gemeinden willkommen geheißen, wenngleich die große Mehrheit in der päpstlichen Basis ein unüberwindliches Hindernis für die Beteiligung sah. Hier trat im Anfang der dreißiger Jahre eine Wendung ein, die der franzö15 w 17 18
Rouse-Neill a.a.O. II, 371. Zum obigen vgl. Rouse-Neill a.a.O. II, 371—373. Rouse-Neill a.a.O. 1,476. Einzelheiten bei Rouse-Neill a.a.O. I, 476ff., zum folgenden 480ff. 15
sisdie Abb£ Paul Couturier, ein Priester des Erzbistums Lyon, herbeiführte 1 9 . Er erkannte die Schwierigkeiten, die die Gebetsoktav in ihrer bisherigen Form f ü r nichtrömische Christen mit sich bringen m u ß t e und suchte nach einer Formel f ü r ein Gebet, an dem alle sich beteiligen konnten, ohne die Treue zu ihrer Kirche zu verletzen. Mit Unterstützung seines Erzbischofs legte er der Gebetsoktav die Bitte zugrunde: „Unser H e r r wolle seiner Kirche auf Erden den Frieden u n d die Freiheit schenken, die er meinte und auf die er zielte, als er am Vorabend seines Leidens betete, daß sie alle eins sein möchten." Auf dieser Grundlage konnten sich alle zusammenfinden, und so haben sich bis in dieses Jahr hinein in wachsender Zahl Protestanten, O r t h o doxe, Anglikaner und römische Katholiken an der O k t a v beteiligt. Sie breitete sich von Frankreich immer weiter aus u n d wurde durch die von Couturier bis zu seinem Tode 1953 herausgegebenen „ A u f r u f e zum Gebet" sowie durch die nachdrückliche Befürwortung der Päpste in zunehmendem Maß zu einem geistlichen Sammelpunkt 2 0 . Einen weiteren Versuch gegenseitiger Annäherung kann man in den sogenannten „Mechelner Gesprächen" sehen, die 1921 bis 1926 von römischen und anglikanischen Theologen durchgeführt wurden. Ihre Initiatoren waren der Lord Halifax auf dieser, der belgische Kardinal Mercier auf jener Seite; als Ziel schwebte zuzeiten eine korporative Aussöhnung der römischen Kirche und der Church of England vor, bei der diese das Recht haben sollte, einige ihrer besonderen Traditionen beizubehalten, ähnlich den mit R o m unierten östlichen Kirchen 21 . Begonnen wurden die Gespräche beiderseits in eigener persönlicher und privater Verantwortung; erst mit der Zeit gewannen sie einen gewissen offiziellen Charakter, als sie der Heilige Stuhl auf Ansuchen „billigte und unterstützte", und als auch der anglikanische Erzbischof seine sorgfältig abgewogene Anerkennung erteilte 22 . Ihr Ende fanden sie 1926, als zwei der maßgeblich Beteiligten starben, u n d vollends durch das Erscheinen 19 Eine Gesamtwürdigung Couturiers gibt Maurice Villain, L'Abb6 Paul Couturier, Apötre de l'Unit6 Chrdtienne, Casterman Tournai-Paris 1957, dort auf 375f. weitere Literatur. Vgl. ferner das Lebensbild von Geoffrey Curtis in: ökumenische Profile (ed. v. Günter Gloede), Stuttgart 1961, 347—353, und: Abbd Couturier, ein ökumenischer Christ, in: Nachrichten der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Bayern 15, 1960, 120ff. 20 Es ist hierfür von besonderer Bedeutung, daß eine parallele Gebetsoktav, die die Bewegung „Faith and Order" 1920 beschlossen hatte, 1941 auf den gleichen Zeitraum gelegt wurde. — Im übrigen wäre nochmals darauf aufmerksam zu machen, wie nahezu jede römisch-katholische Verlautbarung, auch wenn sie der ökumenischen Bewegung noch so ablehnend gegenübersteht, der Gegenseite versichert, daß dieses Einheitsgebet geübt werde, bzw. die eigenen Gläubigen dazu aufruft. Ein eindrückliches Dokument hierfür ist neben den oben angeführten Belegen der Hirtenbrief, den der niederländische Episkopat am 22.8.1948 während der Amsterdamer Tagung der Vollversammlung des Weltrates in allen seinen Kirchen verlesen ließ; Text in HK III, 1948, 86 ff. 21 22 Vgl. Rouse-Neill a.a.O. II, 363f. Vgl. Rouse-Neill a.a.O. I, 411.
16
der E n z y k l i k a „ M o r t a l i u m A n i m o s " 1928, die weithin mit als ihre Verurteilung verstanden wurde. Ein greifbares Ergebnis für eine weitere Annäherung wurde nicht erzielt; indirekt freilich hat der freundschaftliche, irenische Geist, der in Mecheln herrschte, in der Folgezeit zahlreiche kleinere Begegnungen zwischen
römischen
Katholiken
und
Christen
anderer
Konfessionen
be-
fruchtet 2 3 . Zu erwähnen ist ferner die Beteiligung römisch-katholischer
Persönlich-
keiten an den ökumenischen Konferenzen. Offiziell ist diese allerdings, wie gesagt, nie gewesen: Aus den vorbereitenden Ausschüssen haben sich die römisch-katholischen Mitarbeiter im Laufe der J a h r e m e h r und mehr, und nach dem zweiten Weltkrieg ganz zurückgezogen, während das Lausanner Komitee, wenigstens zu Anfang, noch einen römisch-katholischen Teilnehmer hatte, und der Konferenzbericht von Edinburgh 1937 immerhin noch eine „wertvolle, wenn audi inoffizielle M i t a r b e i t " registrieren kann 2 4 . Wichtiger erscheint demgegenüber die Rolle, die die sogenannten römisch-katholischen „ B e o b a c h t e r " bei den verschiedenen Konferenzen spielten. D a ß solche in Lausanne und Amsterdam nicht anwesend waren, wird man auf die kurz vorher
von
der Kurie
erlassenen
V e r b o t e zurückzuführen
haben 2 5 .
Für
Edinburgh 1937 dagegen erhielten vier Priester und ein Laie v o n der Kirche die Erlaubnis, um Zulassung zur Konferenz als inoffizielle Beobachter zu bitten. Diesem jeweils persönlich gestellten A n t r a g wurde entsprochen; sie k o n n t e n alles h ö r e n und sehen, was auf der K o n f e r e n z vorging, waren indes sorgfältig darauf bedacht, in keiner Weise als Mitglieder betrachtet zu werden. Ihr Wunsch, a n o n y m zu bleiben, wurde v o m Konferenzbericht respektiert, der nur ihre Anwesenheit, nicht aber ihre N a m e n erwähnt 2 6 . Einen noch offizielleren C h a r a k t e r trug die Entsendung der Beobachter nach Lund 1952, insofern deren Benennung durch den Apostolischen V i k a r für Skandinavien, Monsignore Müller, und auf G r u n d einer Ermächtigung durch das Sanctum Officium erfolgte 2 7 . Michael führt dieses „Entgegenkommen"
auf den V e r -
handlungsgegenstand v o n Lund, Fragen des Glaubens und der Kirche, zurück und erwähnt dazu, daß 1954 für Evanston von römischer Seite ähnliches nicht
wiederholt
wurde.
Lediglich
Mitglieder
einer
1952
gegründeten
„Katholischen K o n f e r e n z für ökumenische F r a g e n " bekamen die Genehmigung zur gutachtlichen Teilnahme an den Beratungen der Kommission für
23 Die Einzelheiten der Mechelner Gespräche sind veröffentlicht in: The Conversations at Malines 1921—1925: Original Documents edited by Lord Halifax, London 1930, und Jacques de Bivort de la Saud6e, Documents sur le probleme de l'union anglo-romaine (1921—1927), Paris 1949. 2 4 Vgl. Rouse-Neill a.a.O. II, 371. 25 Vgl. oben Anm. 7 und 9. 2 · Vgl. Rouse-Neill a . a . O . II, 372. 2 ' Der Katholik J. P. Michael (Christen suchen Eine Kirche, Freiburg 1958, Herderbücherei Bd. 1 0 , 1 3 1 ) spricht sogar von einer „indirekten Anerkennung" durch Rom.
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Dietzfelbinger, Grenzen
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Glauben u n d Kirchenverfassung 28 . Z u r dritten Vollversammlung des Weltrates der Kirchen in Neu Delhi (1961) entsandte der Vatikan fünf offizielle Beobachter. Der Generalsekretär des ökumenischen Rates Visser t' Hooft nannte ihre Teilnahme an der Konferenz eine „inoffizielle, jedoch sehr deutliche Verbindung" zu dem von Papst Johannes XXIII. gegründeten Konzilssekretariat f ü r die Einheit der Christen. Als ein wesentliches Symptom f ü r römisch-katholisches Interesse an einer Theologie der Wiedervereinigung müssen die zahlreichen Publikationen erw ä h n t werden, die sich mit ökumenischen Fragen befassen. Bereits 1929 erschien von dem Jesuiten Max Pribilla „ U m kirchliche Einheit; Stockholm, Lausanne, R o m " , ein Buch, das sich in ausführlichem Studium und Beurteilen der Quellen ernsthaft bemüht, die ökumenische Bewegung zu verstehen. Ferner wäre eine Reihe von Zeitschriften zu nennen, die sich in zunehmendem Maße mit dieser Problematik befassen, an vorderster Stelle „Irenikon", das Organ der belgischen, u n d „Eastern Churches Quarterly", das der englischen Benediktiner. H i n z u k o m m e n die seit 1945 in R o m in drei Sprachen erscheinenden H e f t e der „Unitas" sowie das von den Pariser Dominikanern redigierte Bulletin „Vers l'uniti chretienne" und deren Zeitschrift „Istina". In Deutschland sind es vor allem die beiden Vierteljahresschriften „Catholica" (herausgegeben vom Johann-Adam-Möhler-Institut in Paderborn) und „Una Sancta" (herausgegeben vom Kyrios-Verlag in Meitingen), die der interkonfessionellen Begegnung dienen möchten, und auch in der „ H e r d e r k o r respondenz" hat die ökumenische Information einen gewichtigen Platz inne. Daneben wird auf den folgenden Seiten eine Fülle von nicht ausschließlich dieser Thematik gewidmeten Zeitschriften genannt werden, in denen sich immer wieder am Fortgang jener Bewegung interessierte römische Theologen zum Wort melden. Als „umfassendste, sorgsamste und bestunterrichtete Veröffentlichung" der Vorkriegsperiode gilt das 1937 erschienene Buch des französischen Dominikaners Congar, „Chretiens desunis", dessen Einsichten und Vorschläge man erst in unseren Tagen auszubauen u n d zu entfalten begonnen hat. Aus der neuesten Literatur seien genannt die beiden etwa gleichzeitig erschienenen Werke von Thomas Sartory OSB, Die ökumenische Bewegung und die Einheit der Kirche, Meitingen 1955, und von Gustave Thils, Histoire doctrinale du Mouvement Oecumenique, Louvain 1955. Ferner: A Catholic Primer on the Ecumenical Mouvement des amerikanischen Jesuiten Gustave Weigel 29 und schließlich das Werk des englischen Augustiners Gregory Baum, 28
Michael a.a.O. 131. The Newman Press, Westminster, Maryland 1957 (45—47 mit weiteren Literaturverweisen). Eine kritische Besprechung der drei letztgenannten Werke durch W. A. Visser't Hooft findet sich in ER VIII, 1956: Notes on roman catholic writings concerning ecumenism. 29
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That they may be one (London 195 8)30, eine Stellungnahme zur ö k u m e n i schen Bewegung von den neueren päpstlichen Dokumenten her. Es wird über die Tatsache all dieser Veröffentlichungen noch ein grundsätzliches Wort nötig sein; schon jetzt aber geht klar daraus hervor, daß die ökumenische Bewegung jedenfalls in zunehmendem Maße die Aufmerksamkeit römischkatholischer Theologen auf sich zieht. Nicht ohne Einfluß auf die Atmosphäre interkonfessioneller Begegnungen war das streckenweise Zusammengehen von römisch-katholischen und anderen Christen in der Arbeit f ü r den Weltfrieden und in sozialen Fragen 31 . Ein immer fester werdendes Einheitsband stellen ferner die gemeinsamen Gottesdienste bei derartigen Begegnungen dar. Schließlich haben die Bedrohungen durch Krieg und Nationalsozialismus eine Verbundenheit im christlichen Zeugnis geschenkt, wie es sie nie zuvor gegeben hat. In Deutschland haben römische Katholiken und andere Christen gemeinsam im Konzentrationslager Leiden und Tod erduldet, in Frankreich sind sie sich durch die Beteiligung an der „Resistance" nähergekommen, und in Holland wurden während der deutschen Besatzung sogar gemeinsame Hirtenbriefe erlassen. Es wurden Freundschaften geschlossen, die n u r der Tod auflösen konnte, und es kam zu einer Zusammenarbeit der Kirchen, manchmal sogar öffentlich und offiziell, in einem bisher nie gekannten Ausmaß 32 . In einzigartiger Weise laufen diese mannigfachen Fäden zusammen in der Persönlichkeit des Priesters Max Josef Metzger, der von einer heißen Liebe zur Einheit der Kirche erfüllt war und auf den verschiedensten Gebieten dafür wirkte. Das erschütternde Erlebnis des ersten Weltkrieges trieb ihn zur Mitarbeit in der christlichen Friedensbewegung; seine soziale Aufgabe sah er hauptsächlich in der Bekämpfung des Alkoholismus, f ü r die er sich als Generalsekretär des Weltfriedensbundes vom Weißen Kreuz unermüdlich einsetzte. U n t e r seiner Führung entstand später die Vereinigung der „Christkönigsschwestern", die als Ausgangspunkt seiner Bemühungen um die U n a Sancta-Bewegung gedacht war. Wie sehr ihm die Fühlungnahme mit Christen anderer Konfessionen, namentlich der evangelischen Kirche, am Herzen lag, zeigt deutlich sein bereits aus der H a f t an Papst Pius XII. gerichteter Brief von 1939. Er bezahlte seine Arbeit mit dem Leben; am 17. 4. 1944 wurde er von dem nationalsozialistischen Staat wegen unerlaubter Beziehungen zum Ausland, die dem Frieden dienen sollten, in Berlin hingerichtet 33 . 30 Vgl. endlich Maurice Villain, Introduction ä l'CEcumenisme, Casterman Tournai-Paris 1958, und die nach meiner Kenntnis neueste hierhergehörige Studie von G. Thils, La Thiologie CEcum6nique, Louvain 1960. 31 Die Instructio „Ecclesia Catholica" bezeigt gerade an diesen Punkten auch von offizieller Seite her ein gewisses Wohlwollen, vgl. oben S. 13. 32 Vgl. Rouse-Neill a.a.O. II, 134ff., 366f., 375. 33 Zu Metzgers Person und Werk vgl. seine Gefangenschaftsbriefe, Meitingen b. Augsburg 21948, dort unter dem Titel „Herold-Apostel-Blutzeuge" eine Würdigung Metzgers von Hannes Bäcker (17—131) und 183—194 der genannte Brief. Weiter:
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Gerade die Gestalt Metzgers aber zeigt nun aufs deutlichste, wie schwer es ist, zu einem gerechten Urteil über jene freundlich-positive Haltung vieler römischer Katholiken zu gelangen, die so mannigfachen Ausdruck gefunden hat und mit den offiziellen Äußerungen der Kurie nicht in Einklang zu kommen scheint. Der an manchen Stellen geradezu ekstatische T o n in Metzgers Schriften, namentlich in dem erwähnten Brief an den Papst, verrät ein leidenschaftliches Wollen der kirchlichen Einheit, dessen Lauterkeit im übrigen auf beiden Seiten nahezu ohne Einschränkung anerkannt wird. Dem aber stehen die harten und an Deutlichkeit nichts zu wünschen übrig lassenden Direktiven der kirchlichen Leitung gegenüber, nach denen sich die Verwirklichung jenes Wollens doch offenbar zu richten hätte. Man vermißt bei Metzger eine Auseinandersetzung bzw. Verständigung damit, und wenn man seine Vorschläge in Richtung auf ihre Realisierung weiterdenkt, so ist ein Konflikt unweigerlich. Im übrigen ist es die Schattenseite von Metzgers Vielseitigkeit, die die kirchliche Einheitsarbeit mit den mannigfachsten karitativen, sozialen und pazifistischen Bestrebungen verknüpft, daß die einzelnen Punkte seines Programms — trotz des geistlichen Elans, der das Lebenswerk dieses Mannes trägt — nicht so gründlich durchdacht und den zeitgeschichtlichen oder lehrmäßigen Umständen angepaßt sind, wie es notwendig wäre. Hinzu kommt, daß die römische Kirche in dieser spannungsreichen Auseinandersetzung der letzten 50 Jahre allerlei den Verhältnissen und den Zeitumständen zur Entscheidung überlassen hat, ohne sich zu der erfolgten Entwicklung deutend zu äußern. So ist etwa für die Mechelner Gespräche kein ausdrückliches Verbot zu finden; ihr schließliches Einschlafen trägt vielmehr einen recht zufälligen Charakter. Zu fragen ist ferner, ob die Annäherungen, die die Bedrängnisse der Kriegs- und Nachkriegszeit mit sich brachten, nicht einfach in erster Linie rein menschliche Qualität tragen, hinter der das konfessionelle Engagement ihrer Träger weithin zurücktritt. Die gleiche Vermutung müßte gegenüber einer sozialen oder karitativen Zusammenarbeit geäußert werden — könnte es nicht sein, daß die Sonderstellung, die die Instructio „Ecclesia Catholica" derartigen Bemühungen einräumt 3 4 , daher rührt, daß die Kurie darin das Problem der kirchlichen Einheit überhaupt nicht tangiert sieht? Angesichts der aufrichtigen, mit der Zeit sich vermehrenden römisch-katholischen Kundgebungen des Wohlwollens und der Teilnahme könnte es vielleicht einen Schritt weiterführen, wenn man sich klarmacht, daß diese in erster Linie dem formalen Wunsch nach einer kirchlichen Einheit gelten, wobei die Meinungen über dessen konkrete Verwirklichung sehr voneinander Lilian Stevenson, Max Josef Metzger, Priest and Martyr, London 1952; W. W. Baumeister, Max Josef Metzger, Ein Herold Christi des Königs, Meitingen b. Augsburg 1951, und Friedrich Siegmund-Schultze, Max Josef Metzger, Märtyrer der Una Sancta, in: ökumenische Profile, a.a.O. 354—370. M Vgl. oben S. 19, Anm. 31.
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abweichen können. A m deutlichsten scheint das da zu sein, wo vom Gebet für die Einheit der Christen die Rede ist. Hier ist ernstlich zu fragen, ob nicht das gemeinsame Gebet letztlich hüben ein ganz anderes Anliegen hat als drüben. Es wurde erwähnt, wie förderlich es sich erwies, daß der Abbe Couturier dieses Anliegen formulierte als „die Einheit, die Christus meinte und auf die er zielte" 3 5 . Aber welche Ansicht herrscht über diese Meinung Christi auf beiden Seiten? Bei den nichtrömischen Christen ist sie höchstens in der Form einer geistlichen Koinonia konkret vorstellbar; einen deutlichen Gegensatz dazu bildet die andere Seite, wo man oft den Eindruck hat und letztlidi haben muß, daß die Meinung Christi, mit der Meinung der römischen Kirche identisch, dahin geht, daß die „anderen" in deren Schoß zurückkehren. Dadurch wird aber die Gemeinsamkeit des Gebetes grundsätzlich in Frage gestellt 36 . Ein eigenes Wort erfordern die zahlreichen römisch-katholischen Publikationen zu ökumenischen Fragen. Man hat sie vielfach als erfreuliche und hoffnungsvolle Zeichen bewertet, und sie sind dies, insofern sie nach einer jahrhundertelangen Zeit des — übrigens gegenseitigen — Ignorierens oder allenfalls der Polemik ein neu erwachtes Interesse an den anderen Christen und Kirchen bekunden. Das steht außer Frage, aber vielleicht ist es gerade dieser Bereich, in dem sich die Unklarheit des Verhältnisses zwischen offiziellen Äußerungen des Vatikans und der mehr zur Zusammenarbeit geneigten Haltung gewisser römisch-katholischer Kreise und Einzelpersönlichkeiten am erschwerendsten auswirkt 3 7 . Was gemeint ist, läßt sich gut an einem Beispiel der jüngsten Vergangenheit verdeutlichen, nämlich an den Verhandlungen, die sich an das Erscheinen des Buches „ U m die Wiedervereinigung im Glauben" von dem römischen Theologen Heinz Schütte anknüpften 3 8 . Der Verfasser hat in diesem Buch eine Auswahl evangelischer Äußerungen von Theologen, die sich positiv zu Einzelheiten der römischen Lehre verhalten, mit einer Reihe von entgegenkommenden Ansichten der anderen Seite zur Reform der Kirche zusammengestellt. Die westfälische Evangelische Akademie in Bochum hat daraufhin in Anknüpfung an ein Gespräch zwischen Heinz Schütte und Ernst Kinder am 30. Mai 1960 folgende Anfrage formuliert: „Wir können unsererseits dem, was hier als Möglichkeit für eine gegenseitige Verständigung und was als weiterzuverhandelnde Fragen für eine fortschreitende Verständigung ausVgl. oben S. 16. " Vgl. zu diesem Problem die Bemerkungen unten S. 170f. Anm. 197. Wertvolle Gedanken dazu in Wolfgang Hammers Aufsatz: Das Gebet für die Einheit der Christenheit, US 14, 1959, 22—34. 37 Eine Entfaltung dieses Problems gibt Κ. E. Skydsgaard, Die römisch-katholische Kirche und die ökumenische Bewegung, in: Die Kirche in Gottes Heilsplan, ökumenische Studien, Tübingen-Stuttgart 1948, Bd. I, 171—186, besonders 179ff. 38 Heinz Schütte, Um die Wiedervereinigung im Glauben, Bottrop 1958, 3 1960. Zum folgenden H K XIV, I960, 491 f. 35
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geführt wird, im wesentlichen zustimmen, und wir vermögen vor allem die Intentionen dieser Ausführungen uns zu eigen zu machen. Wir fragen darum die römisch-katholische Kirche, ob sie die Zusammenfassung der Darlegungen Schüttes . . . in ihrer Intention und in ihren inhaltlichen Formulierungen billigt . . . und ob sie auf dieser Grundlage und entsprechend dieser Linie zu Gesprächen bereit ist." Diese Sätze wurden als „Anfrage an die römischkatholische Kirche" an zahlreiche Mitglieder der Hierarchie gesandt und der katholischen Presse zugeleitet. Die Antwort von Erzbischof Lorenz Jaeger von Paderborn, dem Beauftragten des Episkopats für Fragen der Glaubensverbreitung, meinte, eine solche Anfrage sei „kaum der geeignete Weg für die theologische Behandlung von Kontroverslehren", legte des weiteren die eigene Meinung über die Grundlagen eines interkonfessionellen Gespräches dar, ohne jedoch zu Schüttes Buch im Sinne der Anfrage Stellung zu nehmen. Ähnlich zurückhaltend war die Antwort des Kardinals Bea, der auf die Zuständigkeit des päpstlichen Sekretariats für die Einheit der Christen verwies und im übrigen dahingehend belehrte, daß die „Stellungnahme zu privaten diesbezüglichen Schriften für gewöhnlich der wissenschaftlichen Diskussion kompetenter privater Kreise" überlassen sei, während sich „höhere kirchliche Lehrinstanzen nur in besonderen Fällen dazu äußern würden". Im übrigen zeige schon die kirchliche Druckerlaubnis sowie die Zustimmung zahlreicher römisch-katholischer Bischöfe und Theologen, daß Schüttes „Ausführungen im wesentlichen im Sinn der römisch-katholischen Kirche gehalten sind". Zur Auskunft über einzelne Zweifel oder Unklarheiten sei das Sekretariat gern bereit. So verständlich diese Zurückhaltung sein mag, so ungünstig wirkt sie sich auf eine sachgemäße Sicht der konfessionellen Lage aus; denn eine „Bochumer Anfrage" wäre ebenso dringlich für die anderen derartigen Publikationen zu stellen: Inwieweit sind die Ansichten, die in jenen Büchern und Zeitschriften geäußert werden, offizielle Meinung der Kirche, inwieweit sind sie bloß Arbeitsergebnisse, Hypothesen, Diskussionsgrundlage eines begrenzten Kreises oder gar nur extreme Folgerungen eines einzelnen, der bereits „mit einem Fuß auf dem Index steht"? Ist die Edition ökumenischer Zeitschriften von Rom befohlen, angeregt, gebilligt, stillschweigend oder gar nur unter erheblichen Vorbehalten geduldet? Die präzise Beantwortung dieser Fragen von Fall zu Fall würde eine bedeutende Klärung der Sicht des konfessionellen Verhältnisses mit sich bringen; es ist schade, daß man hier weithin im Dunklen tappen muß. Die Schwierigkeiten, jener zweiten positiven Linie neben der ersten negativen gerecht zu werden, sind an diesen Beispielen deutlich erkennbar. Es ist aber unerläßlich, in der folgenden Untersuchung stets beide im Auge zu behalten, wenn man die Absicht hat, die Antwort der römischen Kirche auf die ökumenische Bewegung wirklich umfassend zu verstehen. Denn diese Antwort ist ja nicht bloß einmal und kurz erteilt, sondern vielfach erklärt 22
und kommentiert, nach den Hintergründen untersucht und in ihre Konsequenzen hinein verfolgt worden. Dabei zeigt sich gelegentlich, wie man sehen wird, daß eine offiziell als N e g a t i o n oder Verbot gegebene Aussage in der positiven Formulierung eines theologischen Interpreten überraschend neue Aspekte gewinnen kann. Auch derartige Erläuterungen, Begründungen und Entfaltungen sind es also, die die Arbeit möglichst vollständig zur Kenntnis zu nehmen hat. Man könnte zunächst meinen, daß sie sich damit eine ökumenische A u f gabe stellt, aber das trifft deswegen vielfach nur bedingt zu, weil sie ihre Diskussion v o n A n f a n g an nur auf das Gebiet der Lehre einschränkt, d. h. die praktische und die historische Seite des Problems grundsätzlich ausklammert, oder doch jedenfalls nur soweit berührt, als es z u m Verständnis der gegenwärtigen Lehre notwendig ist. Solche Beschränkung bringt auf der einen Seite zweifellos große Gefahren mit sich. Der scharfe Vorwurf der Einseitigkeit und Verhärtung, den Yves Congar schon 1937 gegen „die trägen und nicht selten opportunistischen T h e o l o g e n " erhoben hat, „ d i e sich damit begnügen, ihren Denzinger aufzuschlagen, anstatt die Schrift, die Väter, die Liturgie, den gelebten Glauben der Kirche und die klaren Zeugnisse christlichen Geistes zu studieren" 3 9 — dieser Vorwurf gilt sicher nicht nur dem römisch-katholischen Apologeten, sondern er muß auch, unter Umständen mit etwas anderen Vorzeichen, dem nichtrömischen Theologen zur Warnung dienen, der einen Einblick in und ein Urteil über jene Kirche gewinnen möchte. Man wird Congars Hinweis auf dem folgenden Weg stets beachten müssen, indem man nie vergißt, daß es nur ein bestimmter Sektor der Sache ist, den man hier zu Gesicht b e k o m m t , und daß wesentliche Fortschritte sich vielleicht gerade auf einem der ausgeklammerten Sektoren ereignen. Aber wenn man sich aus praktischen Gründen zu einer Einschränkung genötigt sieht, weil m a n andernfalls wohl unweigerlich den Vorwurf der Oberflächlichkeit auf sich nehmen müßte, dann ist die so getroffene Entscheidung vielleicht doch nicht ganz abwegig. Es ist der gleiche Yves Congar, der auf der Ebene der Lehre den entscheidenden Beweggrund für die ablehnende H a l t u n g der römischen Kirche zur ökumenischen Bewegung sieht 4 0 . U n d in der T a t sind die Lehräußerungen von Papst und Sanctum Officium zwar nach den verschiedensten Seiten hin interpretierbar, aber sie stellen doch gleichzeitig, wie keine zweite Größe, einen Prüfstein dar, an 39 " . . . les thdologiens paresseux et parfois opportunistes, qui priferent ouvrir leur Denzinger, sans plus, plutöt qu'itudier l'Ecriture, les P6res, la liturgie, la foi vecue de l'Eglise et les timoignages positifs du sens chrdtien . . . " (Y. M. J . Congar, Chritiens ddsunis, Paris 1937, 34; deutsch nach Sartory I, 16). 40 Υ. M. J. Congar, Das ökumenische Anliegen, US 13, 1958, 213—224: „Meiner Auffassung nach liegt der entscheidende Beweggrund für die Ablehnung auf der Ebene der Lehre" (216).
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dem sich grundsätzlich jede römisch-katholische Bemühung um die Einheit zu messen hat, gleichgültig, ob es sich dabei um eine theoretische Entfaltung f ü r Dogmatik oder Kirchenrecht, um ein Zusammengehen mit anderen Christen zu praktischen Zwecken oder endlich um das Gebet für die Einheit der Kirche handelt. Diese singulare normative Funktion, die die Lehre in der römischen Kirche hat, scheint also die Beschränkung des Themas auf ihre Betrachtung zu rechtfertigen. Hinzu tritt ein zweiter Grund. Im Vergleich zur Lehre haftet nämlich der Praxis wie der Geschichte stets eine Zweideutigkeit an, die bei einer allseitigen Sicht der Lage niemals zwingende Schlußfolgerungen zuläßt, welche über eine bloße Vermutung hinausführen könnten. Natürlich kann man es als ein erfreuliches Anzeichen betrachten, daß in vielen Teilen Deutschlands, besonders nach dem letzten Krieg, von römisch-katholischer wie von evangelischer Seite in brüderlicher Hilfsbereitschaft Kirchenräume für die Gottesdienste der anderen Konfession zur Verfügung gestellt wurden und werden. Aber muß man nicht gleichzeitig von der Unterdrückung der evangelischen Kirche in Spanien reden, die wahrhaftig nicht nur dem Staat zur Last gelegt werden kann? Wohl, man hat das „Katholische" der römischen Kirche sicher nicht erfaßt, ohne einmal die tiefe und reine Frömmigkeit einer Klostergemeinschaft kennengelernt zu haben, wie sie sich etwa in einem liturgischen Gottesdienst darstellt. Aber auch das ist im Raum der römischen Kirche vorgekommen, daß ein Priester in den Abruzzen den Kindern seines Dorfes Geld gab, damit sie durch ihr Geschrei die Versammlung einer freievangelischen Gemeinschaft störten. Oder was hat es angesichts der Enzyklika „Mortalium Animos" mit der Anwesenheit von römisch-katholischen Beobachtern auf den ökumenischen Versammlungen f ü r eine Bewandtnis? Hält die römische Kirche ihren Standpunkt, daß sie jedes Glaubensgespräch mit anderen Kirchen ablehnt, vielleicht doch nicht so rigoros durch? Oder ist es gerade ein Zeichen besonderer Festigkeit, daß sie sich nach der prinzipiellen Klarstellung dieses Standpunktes von keinerlei Mißdeutungen mehr bedroht fühlt und infolgedessen in der Praxis eine gewisse Unbekümmertheit walten lassen kann? U m ein letztes Beispiel zu bringen: Gerade in neuerer Zeit begegnet es öfters, daß römisch-katholische Theologen auch evangelische oder anglikanische „Religionsgemeinschaften" als „Kirchen" bezeichnen 41 . Ist dies als beginnende Erweichung des eigenen Absolutheitsanspruches zu werten oder im Gegenteil nur Zeichen der Überzeugung, daß angesichts des deutlich genug ausgesprochenen römischen Kirchenverständnisses jeder wissen muß, daß jene „Kirchen" in einem von der römischen Kirche völlig verschiedenen und dieser niemals ebenbürtigen Sinn „Kirche" genannt werden? Welche von den beiden jeweiligen Ansichten trifft nun die römisch-katholische Meinung? — das wird sich ohne nähere Hinweise immer nur vermuten lassen. Eindeutig 41
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Näheres hierzu vgl. unten S. 169f. und Anm. 192.
und verbindlich ausgelegt werden können diese Geschehnisse erst von der Lehre her, welche der aufgezeigten Ambivalenz gegenüber nicht nur vorgängige Direktive, sondern begleitende bzw. nachfolgende authentische Interpretation darstellt; deswegen wird man, wenn irgendwo, dann bei der Lehre, einigermaßen eine Eindeutigkeit erwarten können. Ferner bleibt zu hoffen, daß die Arbeit durch eine derartige Beschränkung den Vorteil gewinnt, daß sie sich von unrealistischem „ökumenischem" Optimismus ebenso freihält wie von allzu subjektiver Polemik. Ist ihre Aufgabe also „ökumenisch" zu nennen? Sie ist es nicht, insofern sie sich nicht mit praktischen Vor- und Ratschlägen engagiert, und sie ist es doch in hohem Grade, weil sie sich bemühen soll, kontroverstheologisch den Grund zu sondieren, auf dem eine ökumenische Arbeit stattfinden kann, und mit dieser Absicht zugleich am „ökumenischen" Gespräch teilnehmen möchte. Unter den Lehrpunkten, die im ökumenischen Gespräch zu erörtern sind, wird der nicht-römisch-katholische Partner vielleicht am unmittelbarsten berührt von der römischen Lehre über die Heilsnotwendigkeit der Kirche. Hält man sich vor Augen, daß das altkirchliche Axiom „Extra ecclesiam nulla salus" bis heute römisches Dogma ist 42 , so wird deutlich, daß mit der Frage nach den Grenzen der Kirche die Frage nach dem ewigen Heil in einem irgendwie gearteten Kausalzusammenhang steht. Nimmt der nidit-römische Teilnehmer diese Lehre ernst — und das ist die Grundvoraussetzung jedes Gesprächs —, so führt sie ihn ohne Umwege zur Frage nach seinem persönlichen Heil, und die Lehre von den Grenzen der Kirche bekommt für ihn existentielles Interesse. Dieser ihrer Aktualität und Dringlichkeit wegen werden das ökumenische Anliegen und die Heilsfrage die beiden Schwerpunkte in der kommenden Untersuchung bilden, in der Weise, daß „die Grenzen der Kirche" in erster Linie im Blick auf die nicht-römischen Christen verfolgt werden sollen. Probleme wie die der kirchlichen Gliedschaft des Exkommunizierten, des Katechumenen, des Sünders sowie die Heilsfrage der Heiden oder der ungetauft verstorbenen Kinder, die mehr inner- und weniger kontroverstheologischen Charakter tragen, stehen vom Lehrganzen der römischen Kirche her zwar dazu in einem soldi unlöslichen und organischen Zusammenhang, daß sie nicht einfach übergangen werden können. Aber sie sollen doch im allgemeinen nur soweit erörtert werden, wie sie mit der obigen Fragestellung parallellaufen oder für sie erhellend wirken. Komplex genug ist der Begriff der Lehre. Natürlich wird die Hauptquelle für deren Erhebung die römisch-katholische Dogmatik sein, aber es zeigt sich bald, daß auch das Kirchenrecht ein gewichtiges Wort mitspricht, und ferner, daß sich gelegentliche Exkurse in die Moral- und Pastoraltheologie als notwendig erweisen. Im Interesse der Sache darf man keine von diesen theologischen Disziplinen von vornherein von der Diskussion ausschließen, sondern 42
Vgl. hierzu die ausführliche Erörterung in Kapitel V, unten S. 107 ff. 25
man muß erforderlichenfalls ein und dasselbe Problem nacheinander v o n diesen verschiedenen Aspekten her betrachten, auch wenn sich dabei gelegentliche Wiederholungen, Überschneidungen, V o r - und Rückverweise nicht ganz vermeiden lassen. Methodisch gesehen hat die Arbeit eine doppelte A u f g a b e : die Darstellung der römischen Lehre und ihre Kritik. Was die Darstellung anlangt, so hat sie ein einigermaßen gründliches Eindringen in das römischkatholische Selbstverständnis der betreffenden L e h r p u n k t e zur Voraussetzung, was nicht immer leicht ist, da der Außenstehende sich oftmals die f ü r den römischen Theologen selbstverständlichen Grundlagen erst ad hoc erarbeiten muß, namentlich in der Terminologie. Die Terminologie ist in der Darstellung soweit wie möglich dem römisch-katholischen Vorbild getreu beibehalten worden; wo allerdings dadurch ein besseres Verständnis der Sache gewährleistet schien, wurde sie daneben auch aufgeschlüsselt u n d erläutert. Bei der Beurteilung des Dargestellten muß jeweils zuerst die immanente, d.h. im römisch-katholischen R a u m selbst an dieser oder jener Lehrentwicklung geübte Kritik zur Sprache k o m m e n . Dabei wird es vielfach nur bei einer bloßen Konfrontierung einzelner Meinungen ohne eigene Stellungnahme bleiben, da eine solche die Ü b e r n a h m e gewisser Grundvoraussetzungen einschließt, die m a n v o n einem Außenstehenden nicht erwarten kann. Die Kritik v o n der evangelischen Theologie her ist vielmehr erst ein selbständiger zweiter Schritt, bei dem aber natürlich Argumente aus der innerrömischen Diskussion aufgenommen werden können. Im übrigen soll die Kritik von der Darstellung nicht grundsätzlich gesondert gegeben werden, sondern es empfiehlt sich, jeweils an O r t und Stelle die erforderlichen Bemerkungen zu machen. Allerdings sollen diese Einzelnotizen am Schlüsse eine systematische Zusammenfassung und Beleuchtung v o n der evangelischen Theologie her erfahren. Die vorläufige Frage, die also v o m T h e m a her an die römische Lehre zu richten wäre, würde lauten: In welchem Verhältnis stehen die verschiedenen Menschen zur Kirche? So unmöglich dabei im voraus eine erschöpfende Definition dessen, was Kirche ist, gegeben werden kann, so nötig ist es einstweilen, bis sich weitere Nuancierungen erkennen lassen, eine wenigstens hypothetische Begriffsbestimmung zu übernehmen. Karl Rahner sagt dazu: Nach dem f ü r die römisch-katholische Theologie verbindlichen Sprachgebrauch „ist mit Kirche die römisch-katholische Kirche gemeint, die sich als äußere, sichtbar organisierte Gesellschaft unter dem römischen Bischof v o n Christus gestiftet weiß und sich als solche grundsätzlich z u m Heil notwendig erklärt" 4 3 . 43 Karl Rahner SJ, Die Zugehörigkeit zur Kirche nach der Enzyklika Pius XII. „Mystici Corporis", ZkTh 69, 1947, 129—188, jetzt erschienen unter dem Titel: Die Gliedschaft in der Kirche nach der Enzyklika Pius XII. „Mystici Corporis", in: Schriften zur Theologie II, Einsiedeln-Zürich-Köln 2 1956. Zitiert wird nach dieser neuesten Ausgabe, dort auf 11 die obige Bestimmung.
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Bevor m a n jedoch die Grenzen der Kirche abschreitet, muß man sich wenigstens kurz darüber Rechenschaft geben, was in ihrem Inneren liegt; bevor man nach außergewöhnlichen Beziehungen zur Kirche fragt, muß man von der ordentlichen Gliedschaft reden. Dies soll in einem ersten Kapitel geschehen. In dem darauffolgenden Hauptabschnitt (Kapitel II bis VII) werden dann die Beziehungen untersucht, die von den Menschen gelehrt werden, welchen die ordentliche Gliedschaft aus irgendeinem G r u n d abgesprochen wird. Dabei ergibt sich v o n der römischen Lehre her ein doppelter Aspekt, je nachdem, ob es ein Einzelmensch ist, der der römischen Kirche gegenübersteht (Kapitel II bis V) oder eine ganze Körperschaft, die sich selbst als Kirche bezeichnet (Kapitel VI und VII) 4 4 . A m Ende steht das schon erwähnte Schlußkapitel, das unter der Überschrift „Verborgene und offenbare Kirche" die hauptsächlichsten unterwegs angetroffenen Probleme noch einmal im Lichte der evangelischen Ekklesiologie zusammenfassen soll. 44
Näheres zu dieser Unterscheidung unten S. 127ff.
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TEIL A
Die Kirche und der einzelne I. K i r c h l i c h e G l i e d s c h a f t im N o r m a l f a l l Erkundigt man sich bei der römischen Theologie nach dem Normalfall kirchlicher Gliedschaft, so fällt zunächst einmal auf, wie verhältnismäßig wenig an Übereinstimmendem hierfür gesagt wird u n d wie sich die diesbezüglichen römisch-katholischen Untersuchungen jeweils nach kurzer Zeit von den eindeutigen Fällen ab- und den Grenzfällen zuwenden. Was immerhin festzustellen bleibt, beschränkt sich meist auf eine kurze Kommentierung der einschlägigen Stelle in der päpstlichen Enzyklika „Mystici Corporis", von der als zwar „an sich nicht unfehlbarer", aber „authentischer und in diesem P u n k t sicher den Gläubigen zu einer inneren Zustimmung verpflichtender . . . Lehräußerung des höchsten kirchlichen Lehramtes" 1 hierbei der Ausgang genommen wird. Freilich ist mit diesem D o k u m e n t in der Frage der ordentlichen Zugehörigkeit zur Kirche keineswegs ein ekklesiologisches N o v u m gesetzt; die Lehre der Enzyklika zu diesem P u n k t ist vielmehr n u r „eine Bestätigung und neuerliche Einschärfung der traditionellen Lehre" 2 . Es handelt sich u m folgende Stelle: „In Ecclesiae autem membris reapse ii soli annumerandi sunt, qui regenerationis lavacrum receperunt veramque fidem profitentur, neque a Corporis compage semet ipsos misere separarunt, vel ob gravissima admissa a legitima auctoritate seiuncti sunt." 3 Besondere Be1
Rahner a.a.O. 40. Rahner a.a.O. 40. Allein schon die Fülle der kommentierenden Texte, die Sebastian Tromp SJ seiner Ausgabe der Enzyklika (Pius Papa XII., De mystico Iesu Christi Corpore deque nostra in eo cum Christo coniunctione, Rom 31958) beigibt, zeigt, wie stark die Enzyklika terminologisch an die Tradition gebunden ist. — Aus der Vielzahl der älteren Dogmatiker, die das dreifache vinculum (symbolicum, liturgicum, hierarchicum) als konstitutiv für die kirchliche Gliedschaft betrachten, vgl. Bellarmin, De controversiis christianae fidei II, Neapel 1857, 75; Scheeben-Atzberger, Handbuch der katholischen Dogmatik IV, Freiburg 1903, 311; Billot, Tractatus de Ecclesia Christi, Rom 5 1927,317; van Noort, Tractatus de Ecclesia Christi, Hilversum 51932, 172. 3 Die Enzyklika wird nach der Bezifferung Tromps zitiert. Dieses Stück, n. 21, trägt bei Tromp die Uberschrift: „(Ecclesia corpus Christi mysticum . . .) constans determinatis membris." 2
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aditung fand in diesem Passus der Ausdruck „reapse"; er hat sehr bald einen wahren
Kometenschweif
von
mannigfachen
Interpretationen
gezogen 4 , die aber wenigstens darin übereinkommen,
nach
daß eine
sich
„reapse"-
Gliedschaft jedenfalls im Gegensatz zur H i n o r d n u n g zur Kirche „ex v o t o " zu verstehen
ist. „ R e a p s e " wäre etwa m i t
„in
Wirklichkeit,
tatsächlich,
eigentlich" wiederzugeben und bezeichnet den Fall normaler kirchlicher Gliedschaft. Was die Angabe über die T a u f e anlangt, so ist darin nicht m e h r als in der bisherigen
Lehre
ausgesagt:
Schon
die alten
Symbole
enthalten
Bekenntnis zum „ u n u m baptisma", der „Schwelle des geistlichen
das
Lebens",
die den „ersten Platz unter allen S a k r a m e n t e n " einnimmt und den Menschen zum Glied der Kirche macht 5 . G e m e i n t ist damit die sakramentale Wassertaufe unter k o r r e k t e r W a h r u n g von F o r m , Materie und Intention. Ü b e r die Auswirkungen einer n u r vermeintlich gültig empfangenen Taufe schweigt die E n z y k l i k a ; deutlich aber ist, daß alle die, welche diese Taufe schlechterdings nicht
empfangen
haben
(also
Heiden,
Katechumenen,
aber
auch
noch
ungetaufte Kinder römisch-katholischer Eltern), nicht „reapse" Mitglieder der Kirche sind®. Diese dogmatische Feststellung hat auch im kirchlichen R e c h t ihren Niederschlag gefunden, insofern die römische Kirche keine
Rechts-
gewalt über Nichtgetaufte beansprucht 7 . Die zweite der genannten Bedingungen, das Bekenntnis des wahren, d.h. des römisch-katholischen Glaubens, wirft die Frage nach der Gliedschaft des (getauften) Häretikers auf. H ä r e t i k e r ist nicht allein der vollständig
vom
Glauben Abgefallene, sondern bereits einer, der eine einzige der v o n der Kirche als geoffenbart verkündigten Wahrheiten leugnet oder in zieht 8 . M a n unterscheidet dabei gemeinhin zwischen heimlicher
Zweifel
(okkulter)
und öffentlicher Häresie und innerhalb der öffentlichen noch einmal zwischen materieller und formeller. Als formelle H ä r e t i k e r werden diejenigen G e t a u f ten bezeichnet, „die öffentlich (das heißt in einer rechtlich greifbaren Weise) durch Häresie, und zwar durch eine schwer sündhafte T a t , gegen die Kirche 4 Eine kleine Auswahl davon bei Nothomb, L'Eglise et Ie Corps du Christ. Dernieres Encycliques et Doctrine de Saint Thomas, in: Irin. 25, 1952, 242, Anm. 3; zur Vorgeschichte des Ausdrucks vgl. Tromp a.a.O. 91 f.; N. Hilling, Die kirchliche Mitgliedschaft nach der Enzyklika Mystici Corporis Christi und nach dem Codex Iuris Canonici, Archiv für katholisches Kirchenrecht 125, 1951, 122; A . L i i g i , L'appartenance ä l'Eglise et l'Encyclique Mystici Corporis, RSPT 3 2 , 1 9 4 8 , 351—357, übersetzt: „4 proprement parier" (351). 6 Vgl. D 324, 696, 895, 2203. Über diese Bestimmungen hinaus gehen auch die weiteren Äußerungen der Enzyklika zur Tauffrage (Tromp a.a.O. n. 18, 26, 29) auf nähere Einzelheiten nicht ein. 6 Vgl. zu diesen und den folgenden Ausführungen im Ganzen: Rahner a.a.O. 33 fF. und A. Gommenginger, Bedeutet die Exkommunikation Verlust der Kirchengliedschaft? in: ZkTh 73, 1951, 1—71, besonders 9ff. 8 CIC can. 1325, § 2. ' CIC can. 12; D 895.
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Stellung genommen haben" 9 . Diese Leute also sind nach der Enzyklika offenkundig nicht Glieder der Kirche im vollen Sinn. Nicht so einhellig ist das Problem der bloß materiellen Häretiker, bei denen eine subjektive Schuld der Häresie entweder nicht nachweisbar oder tatsächlich nicht vorhanden ist; ob sie zur Kirche gehören, war bisher kontrovers, wenn auch in den meisten Fällen die Frage verneint wurde 10 . Man wird nun aus der kurzen Formel der Enzyklika grundsätzlich keine Entscheidung so oder so herauslesen können; aber mit Rahner und Gommenginger muß man wohl sagen, daß sie das Moment der subjektiven Schuld, das Unterscheidungsmerkmal zwischen formellem und materiellem Häretiker, an dieser Stelle überhaupt nicht im Blick hat, sondern daß sie allein vom objektiven Tatbestand des Glaubensbekenntnisses als Bedingung redet. Da man ein solches aber auch vom materiellen Häretiker nicht erwarten kann, wird auch er von der kirchlichen Gliedschaft auszuschließen sein. Die Antwort auf die Frage nach den okkulten Häretikern richtet sich nach der Interpretation des Begriffes „profiteri". Andre Liege wehrt sich dagegen, ihn vom bloß äußerlichen Lippenbekenntnis zu verstehen 11 . Er zitiert dazu den folgenden Passus der Enzyklika: „Siquidem non omne admissum, etsi grave scelus, eiusmodi est ut — sicut schisma, vel haeresis, vel apostasia faciunt — suapte natura hominem ab Ecclesiae Corpore separet. Neque ab iis omnis vita recedit, qui licet caritatem divinamque gratiam peccando amiserint, atque adeo superni promeriti iam non capaces evaserint, fidem tarnen christianamque spem retinent . . ." l 2 — und paraphrasiert dann: Die „schwachen Glieder", von denen hier die Rede ist, würden offensichtlich deswegen zur Kirche gerechnet, weil sie trotz des Verlustes der Liebe noch Glauben und Hoffnung als „minimum de vie divine" bewahrt hätten. Demgemäß sei nach der Meinung des Papstes Pius das Vorhandensein dieser inneren Tugenden die Mindestvoraussetzung für die Gliedschaft, und so schließe das „profiteri" selbstverständlich auch die innere Haltung des Glaubens mit ein. Rahners Auslegung übersehe das, wenn er das „profiteri" „vom öffentlichen Bekenntnis des Glaubens" versteht, abgesehen davon, „ob die innere persönliche Glaubensentscheidung diesem äußeren Bekenntnis entspricht oder nicht" 13 . Rahner interpretiere damit offensichtlich im Sinne Bellarmins, dessen Kirchenbegriff zu einseitig juristisch orientiert sei. Man wird hier gleidiwohl Rahner die textgemäßere Interpretation zuerkennen müssen, die auch Gommenginger 14 aufnimmt. Er empfindet es als eine gewisse Willkür, daß Liege den obigen Abschnitt der Enzyklika mit der Zugehörigkeitsfrage in Verbindung setzt und bringt gegen ihn das berechtigte Argument vor, daß nirgends gesagt sei, der Verlust von Glaube und Hoffnung bewirke not9 10 11 13
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Rahner a.a.O. 15. Rahner skizziert die Fronten a.a.O. 18 mit Anm. 1. 12 Li6g6 a.a.O. 352f. Tromp a.a.O. n. 22. 14 Rahner a.a.O. 34. Gommenginger a.a.O. 11 mit Anm. 29.
wendig ein Erlösdien der Gliedschaft, ebensowenig wie ihr Vorhandensein die Gliedschaft beweise. Und es steht in der Tat nun einmal bloß „profiteri" da und nichts von der dahinterstehenden inneren Haltung. Zur Auswirkung kommt diese Meinungsverschiedenheit, wie gesagt, in der Frage nach der Gliedschaft des geheimen Häretikers. Nach Liege müßte sie diesem abgesprochen werden, da ihm die vera fides, als innere Haltung verstanden, abgeht; nach Rahner und Gommenginger würde er — übrigens in Übereinstimmung mit dem größeren Teil der Theologen vor 1943 — zur Kirche gehören, weil er als geheimer Häretiker ja nidit gegen die vera fides, als äußeres Bekenntnis verstanden, verstoßen hat. Neben Rahners getreuerer Anlehnung an den Text spricht für seine Auffassung noch die Rechtsbestimmung, daß „ein Bischof oder Papst, wenn er nicht öffentlich vom Glauben abfällt oder eine Glaubenswahrheit leugnet, seine ordentliche Hirtengewalt behält" 1 5 . Angesichts dessen ergäbe sich bei Lieges Interpretation der widersinnige Zustand, daß jemand unter Umständen Haupt der Gesamtoder einer Partikularkirche ist, ohne ihr Glied zu sein. Die Enzyklika selbst hat indes über die Gliedschaft des okkulten Häretikers keine endgültige Verfügung getroffen; die Entscheidung darüber ist Sache der einzelnen Theologen. Die letzte, negativ formulierte Bedingung für die kirchliche Gliedschaft schließt die Schismatiker von der Kirche aus. Schismatiker ist nach C I C can. 1325 § 2, wer als Getaufter unter Beibehaltung des Christennamens dem Papst den Gehorsam aufkündigt oder den diesem Untertanen Gliedern die Gemeinschaft verweigert. Uber die auch hier auftauchende Unterscheidung zwischen formellen, materiellen und okkulten Schismatikern wird mit genau den gleichen Argumenten diskutiert und entschieden wie über die der betreffenden Häretiker 1 6 . Immerhin sind einige Besonderheiten zu bedenken. So die von Karl Rahner 17 zwar nicht erörterte, aber wenigstens aufgeworfene „pastoral bedeutsame" Frage, wann denn praktisch jenes „semet misere separare" eintritt — erst mit dem standesamtlichen Kirchenaustritt, oder 15 Gommenginger a.a.O. 12 und CIC can. 188, § 4. Vgl. außerdem die Gegenüberstellung der Gründe pro und contra bei T. Zapelena SJ, De Ecclesia Christi II, Rom 1954, 388£F., der an diesem Punkt der Meinung L i i g i s ist. 16 Man fragt sich überhaupt neuerdings in der römischen Theologie, ob die historische Unterscheidung zwischen Häretikern und Schismatikern heute noch einen praktischen Sinn hat. Der von Gommenginger (a.a.O. 13) ins Auge gefaßte Fall, daß „die Zerreißung des vinculum communionis . . . bei Aufrechterhaltung des vinculum fidei" erfolgen kann, ist doch konkret nicht mehr denkbar. Wenn man unter Schisma die rein formelle Auflehnung gegen die Stellung des Papstes als „supremus iudex fidelium" versteht, so muß man dazu sagen, daß zumindest seit 1870 dieser jurisdiktioneile Primat des Papstes auch Glaubenssatz (vgl. D 1830f.) und damit jene Auflehnung zugleich Häresie ist. Vgl. hierzu auch K. Mörsdorf, Die Rechtssprache des Codex Iuris Canonici, Paderborn 1937, 131. Die in der Enzyklika trotzdem beibehaltene Unterscheidung ist also primär historisch bedingt. 17 Rahner a.a.O. 36ff.
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schon durch ein chronisches „Sich-fern-Halten vom katholischen Leben", in dem sich bereits eine Verweigerung der Gemeinschaft mit den Gliedern der Kirche dokumentieren könnte? Außer dieser so oder so in Kraft tretenden selbständigen Trennung vom Kirchengefüge wird aber noch eine autoritativ kirchlich vollzogene genannt, ohne daß wiederum gesagt würde, an welchen konkreten Akt dabei gedacht ist. Rahner, Morel und nach besonders eingehender Begründung Gommenginger 18 meinen, daß damit die besondere Form des Kirchenbannes im Blick sein könnte, die den Gebannten durch öffentlich verkündeten Spruch des Heiligen Stuhles namentlich als excommunicatus vitandus bezeichnet 19 . Gommenginger hat die sechs Fälle einer Erklärung zum excommunicatus vitandus, die seit dem Erscheinen des C I C überhaupt erst erfolgt sind, untersucht 20 und ist zu dem Ergebnis gekommen, daß sie ausschließlich ausgesprochen wurde über Delikte, die gegen die Grundlagen der Kirchengliedschaft gerichtet sind, also Abfall vom Glauben, Irrlehre und Schisma. Damit ist die vitandi-Exkommunikation aber nichts anderes als lediglich die Feststellung eines durch Zerreißung des vinculum symbolicum oder hierarchicum bereits vorher selbständig vollzogenen Bruches mit der Kirche. Eine solche Exkommunikation trennt dann, f ü r sich betrachtet, nicht selbst von der Kirche; sie hat keine effektive Bedeutung und ist reine „sententia declaratoria", denn der Bruch mit der Kirche war ja bereits vorher eingetreten und ist jetzt nur amtlich bestätigt worden. Das sind in aller Kürze die drei Bedingungen f ü r eine ordnungsgemäße Kirchengliedschaft. Soll eine solche Gliedschaft vorliegen, so m u ß sie also durch ein dreifaches Band: das vinculum liturgicum (Taufe), symbolicum (Glaubensbekenntnis) und hierarchicum (Gehorsam gegenüber der kirchlichen Autorität) geknüpft sein. Diese Bedingungen sind exklusiv wie inklusiv: keiner, bei dem auch n u r eines dieser Bande fehlt oder zerrissen ist, kann 18
Rahner a.a.O. 36ff.; Valentin Morel, Le Corps Mystique du Christ et l'Eglise Catholique Romaine, NRTh 80, 1948, 703—726, hier 721; Gommenginger a.a.O. 63ff. Dieser Meinung sind auch: Lercher-Schlagenhaufen, Institutiones Theologiae Dogmaticae, Barcelona 41945, 234, und L. Valpertz, Kirchenbann und Kirchenmitgliedschaft, ThGl 19, 1927, 254—258. Mörsdorfs (Lehrbuch des Kirchenrechts auf Grund des Codex Iuris Canonici, Paderborn '1949/50, Bd. III, 382 ff.) Erklärung dieser Frage ist auf dem Hintergrund seines andersartigen Gliedschaftsbegriffes zu sehen, der noch erörtert werden soll; aber auch er hält die Exkommunikation als solche nicht für gliedschaftszerstörend. 19 Vgl. CIC can. 2258, § 2 — ein Beispiel hierfür AAS XXV, 1933, 333. Vom Fall der Realinjurie gegen den Papst (CIC can. 2343, § 1) kann man hier absehen; jeder andere Gebannte ist excommunicatus toleratus. Da ein solcher nach CIC can. 2266 im Besitz kirchlicher Ämter und Würden bleibt und etwa als Kardinal das aktive und passive Papstwahlrecht behält (vgl. AAS XXXVIII, 1946, 76), wäre für diesen Fall die Bestreitung der kirchlichen Gliedschaft unsinnig. Vgl. im übrigen oben S. 31 Anm. 16. 20 Gommenginger a.a.O. 60ff. 32
„ r e a p s e " als Glied gelten; andererseits ist jeder, bei dem sie vorhanden sind, der übrigen U m s t ä n d e ungeachtet, solch ein Glied 2 1 . M a n kann jedoch die Besinnung über den N o r m a l f a l l kirchlicher Gliedschaft nicht abschließen, ohne zu fragen, ob die Sündhaftigkeit eines Gliedes der Kirche irgendeine Bedeutung f ü r seine Gliedschaft hat. Es gibt eine uralte A n t w o r t auf diese Frage, die, einmal erteilt, immer aufs neue wieder auftauchte: Wenn die Kirche die Gemeinschaft der wahrhaft Heiligen, Reinen, v o n G o t t Prädestinierten ist, dann gehören die Sünder, die der Gnade Beraubten oder die von G o t t als verlorengehend Vorausgewußten nicht dazu. Die römische Kirche hat diese radikale Lösung der Frage in der Lehre des Montanismus, Novatianismus, Donatismus, bei den Albigensern und den Fraticelli, bei Wiclif und Hus, bei Luther und Calvin, bei den Jansenisten und in den Sätzen der Synode v o n Pistoia 2 2 gesehen und als Irrlehre verurteilt. U m diesen Verurteilungen jedoch ein positives Gegenüber zu geben, hat es einer jahrhundertelangen Entwicklung bedurft, die heute zwar noch nicht abgeschlossen ist, aber doch aufs bestimmteste einen Weg eingeschlagen hat, dessen Ende bereits abzusehen ist. Bei Augustin 2 3 ist die Frage nach dem Sünder in der Kirche zu eng mit zahlreichen anderen ekklesiologischen Problemen verknüpft, als daß sie hier im einzelnen diskutiert werden könnte. Auf jeden Fall hat bei ihm die Sündhaftigkeit eines Gliedes einen negativen Einfluß auf seine Gliedschaft, und mit der Bezeichnung „ m e m b r a languentia, debilia, saucia, infirma, aegrota, putrida, contagiosa, exsecanda" 2 4 werden hier wie bei den nachfolgenden Vätern den Häretikern und Schismatikern durchaus auch die Sünder an die Seite gestellt. Weil man jedoch im antidonatistischen K a m p f eine Gliedschaft des Sünders grundsätzlich lehren Zapelena a.a.O. II, 351 und 356. Vgl. zum folgenden Karl Rahner, Die Kirche der Sünder, in: Stimmen der Zeit 140, 1947, 163—177, besonders 166. Inwieweit die genannte ekklesiologische Häresie sich tatsächlich bei diesen Leuten und Gruppen findet, braucht hier nicht untersucht zu werden; wesentlich ist die bekämpfte Lehre der Sache nach. Vgl. noch D 485, 627, 629, 632, 637, 1422—1428. 23 Wenn Augustin etwa davon spricht, daß man zwischen denen im Haus Gottes und dem Haus Gottes selber (MPL 43, 241), zwischen Spreu und Weizen auf der Tenne (MPL 36, 540) und zwischen Schafen und Wölfen, die beide drinnen und draußen sein können (MPL 35, 1725), jetzt nicht unterscheiden könne, daß Gott aber die Seinen von Anfang an kenne und am Schluß von den Bösen trennen werde (RJ 1714), dann ist mit der obigen Frage aufs engste das Problem der Prädestination sowie das der ecclesia militans und triumphans verknüpft, abgesehen davon, daß man aus diesen Bildern eine letzte begriffliche Klarheit nicht gewinnen kann. Auch das Theodizeeproblem spielt mit herein, wenn er die Uberzahl der Sünder in der Kirche damit erklärt, daß sie zur Läuterung der Gerechten dienten (MPL 36, 262). Vgl. noch die Darstellung bei M. Schmaus, Katholische Dogmatik III/l, München 3 / 5 1958, 421 ff., ferner F. Hofmann, Der Kirchenbegriff des Heiligen Augustinus, München 1933. 24 Vgl. die Zusammenstellung mit Belegangaben bei Tromp a.a.O. 93. 21 22
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Dietzfelbinger, Grenzen
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m ö d i t e und muß, sucht man, v o m Bild z u m Begriff vorzustoßen und k o m m t zur Unterscheidung zwischen Menschen, die bloß „ n u m e r o " Glieder, und solchen, die es auch „ m e r i t o " sind. Aber die Sache wird dadurch keineswegs klarer; vielmehr zeigt L a n d g r a f 2 5 die gleiche Zwielichtigkeit noch f ü r den Zeitraum der Frühscholastik. Bei Bellarmin 2 6 ist es eindeutig: bei ihm wird m a n unter den v o n der Kirche ausdrücklich Ausgeschlossenen die Sünder vergeblich suchen; hier sind sie in der T a t Glieder, u n d zwar wirkliche, nicht nur dem Anschein nach. Die Enzyklika äußert sich ja, wie gesagt, im Zusammenhang mit der „reapse"-Gliedschaft überhaupt nicht zu diesem Problem; Pius greift es erst ein paar Zeilen später auf: „ N e q u e existimandum est Ecclesiae C o r p u s idcirco q u o d Christi nomine insigniatur, hoc etiam terrenae peregrinationis tempore, ex membris t a n t u m m o d o sanctitate praestantibus constare, vel ex solo eorum coetu existere, qui a D e o sint a d sempiternam felicitatem p r a e d e s t i n a t i . . . Siquidem non omne admissum, etsi grave scelus, eiusmodi est ut — sicut schisma, vel haeresis, vel apostasia faciunt — suapte natura hominem ab Ecclesiae C o r p o r e separet." 2 7 So redet Pius in jenem Stück der Enzyklika, das bei T r o m p die Überschrift: „ ( E c c l e s i a ) . . . non exclusis peccatoribus" trägt. Nach der heutigen Lehre ist also der Sünder Glied der Kirche; darin sind die K o m m e n t a t o r e n der Enzyklika einer Meinung. Sie beeilen sich aber, ebenso einstimmig, hinzuzufügen: ein schwaches, krankes, gefährdetes Glied, „fern von Gott . . . , Mensch mit einem Schicksal, das sich vielleicht mit unheimlicher Konsequenz z u m ewigen Verderben hin entwickelt" 2 8 . V o r allem Karl Rahner schildert in seinem genannten A u f s a t z eindringlich die tödlichen Gefahren, die schwere Sündhaftigkeit f ü r die Beziehung eines Menschen zu G o t t bringt; man kann hier die Ausdrücke gar nicht stark genug wählen: die Sünde kann den Menschen mehr und mehr v o n G o t t entfernen, sie kann jede Gottesbeziehung überhaupt abschneiden, sie kann dem Menschen den Heiligen Geist rauben. Nachdem all dies mit dem gebührenden Nachdruck betont ist, heißt es freilich dann ebenso eindeutig: Die „reapse"-Gliedschaft wird davon nicht berührt. Wohl ist die Gliedschaft des m e m b r u m aridum eine unvollkommene (wer hätte eine vollkommene? — ist m a n geneigt zu fragen), sie kann unfruchtbar und sogar tot sein; falls aber die drei vincula intakt sind, ist u n d bleibt solch ein 25 Artur Landgraf, Sünde und Trennung von der Kirche in der Frühscholastik, in: Schol. V, 1930, 210—247. 28 Bellarmin a.a.O. 75. 27 Tromp a.a.O. n. 22, vgl. auch die Wendung: „Christus . . . ex constituto a se coetu seclusos noluit peccatores" (n. 64). Die Verknüpfung des Sünden- mit dem Prädestinationsproblem fand sich bereits bei Augustin. Diese Verbindung hat sich, sowenig sie sachlich notwendig ist, durch die Jahrhunderte hindurch nicht gelöst, und auch in der heutigen römisch-katholischen Theologie taucht mit der einen Frage zugleich auch die andere auf. Dies gibt dem Problem einen gewissen grundsätzlichen Akzent. 28 Rahner, Die Kirche der Sünder 167.
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Mensch normales Glied, auch wenn er die Beziehung zur Kirche durch sein inneres Leben eindeutig Lügen straft. Die Realität des re-apse und die innere Fruchtbarkeit der Gliedschaft werden unbedingt getrennt; sie liegen auf zwei nicht zu vermischenden Ebenen. Solch ein Sünder gehört gliedhaft zur Kirche, und zwar nicht nur so, daß er „in ihren bürgerlichen Amtsregistern eingetragen" ist, sondern als „ein Stück Sichtbarkeit der Gnade Gottes in der Welt, (als) Glied am Leibe Christi" 2 9 . Zur näheren Erläuterung dieses erstaunlichen Ergebnisses macht die römische Theologie darauf aufmerksam, daß der Begriff „Gliedschaft" mehrere Schichten oder Stufen hat, daß er nicht als „ u n i v o k e r " , sondern als „ a n a l o g e r " Begriff zu verstehen ist 3 0 . Die kirchliche Gliedschaft des Menschen, soweit er als Sünder anzusprechen ist, ereignet sich demnach auf der „Ebene des inneren personalen Seins", d.h. auf der Stufe des Gnadenstandes. Von den hierbei entstehenden Spannungen und Schwankungen, von Annäherung und Entfernung, ja selbst v o n einem völligen Bruch bleibt die Realität der „reapse"-Stufe, konstituiert aus dem sakramentalen, dem bekenntnismäßigen und dem jurisdiktionellen Element, gänzlich unberührt. Diese Ebene ist (auch!) sichtbar, jene nicht. U n d es „ w ü r d e die Sichtbarkeit der Kirche geleugnet werden, wollte man die Sünder nicht als wahre Glieder zur Kirche rechnen; denn der Gnadenstand des Menschen stellt nichts Sichtbares d a r " 3 1 . Zusammenfassend ergibt sich: Der v o n der römisch-katholischen Theologie verwendete Gliedschaftsbegriff ist mehrstufig. Die normale kirchliche Gliedschaft wird durch die drei vincula hergestellt, die zugleich inklusiven und exklusiven Sinn haben. Dies bedeutet, daß f ü r die (auch) sichtbare, durch das sakramentale, dogmatische und jurisdiktioneile Element konstituierte Normalgliedschaft die innerlich-gnadenhafte Ebene der Sündhaftigkeit wie auch die metaphysische Ebene göttlicher Prädestination ausgeklammert sind. Als Grund hierfür wird genannt das Interesse, die Sichtbarkeit der Kirche zu wahren. Zufolge dieser Bestimmungen stehen eindeutig außerhalb solcher N o r m a l gliedschaft: die Ungetauften, die formellen Häretiker und Schismatiker u n d die wegen der Selbstverständlichkeit ihrer Stellung gar nicht eigens genannten Apostaten 3 2 . Mit größter Wahrscheinlichkeit fallen auch die materiellen Häretiker und Schismatiker nicht unter das „ r e a p s e " ; offen bleibt die Frage nach den okkulten Häretikern und Schismatikern sowie nach den vermeintlich gültig Getauften. Die E x k o m m u n i k a t i o n , ohnehin nur als Erklärung Rahner a.a.O. 167; vgl. K . Algermissen, Konfessionskunde, Paderborn'1957,96. So Schmaus a.a.O. 417; vgl. Rahner a.a.O. 168. Besonders deutlich wird dieser Aspekt bei Robert Brunei S J, Les dissidents de bonne foi sont-ils membres de l'Eglise ? in: Analecta Gregoriana L X V I I I , Rom 1954, 199—218, durch den ausführlichen Vergleich zwischen einem in der Gnade stehenden Dissidenten und einem in der Sünde stehenden römischen Katholiken (213—215). 31 Algermissen a.a.O. 96. 32 CIC can. 1325, § 2: . . . si a fide Christiana totaliter recedit, apostata. 29 30
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zum excommunicatus vitandus zur Diskussion stehend, scheidet als effektiv die Normalgliedschaft beeinflussendes Prinzip, jedenfalls praktisch, aus. Den Ausführungen über den Normalfall kirchlicher Gliedschaft kommt eine grundsätzliche Bedeutung zu, weil ja mit ihnen erst die Basis für die Betrachtung außerordentlicher Fälle gesetzt ist und gleichzeitig ein gewisser Maßstab, der an diese anzulegen ist. Die mit den obigen Sätzen verbundenen Schwierigkeiten nicht nur für die römische Lehre, sondern auch f ü r jede christliche Ekklesiologie überhaupt, zeigen sich sofort, wenn man den Versuch unternehmen wollte, für die drei römisch-katholischen Gliedschaftsbedingungen in der evangelischen Theologie etwas Entsprechendes zu finden. Wenn man „Bekenntnis des Glaubens" und „Gemeinschaft mit dem Kirchengefüge" im evangelischen Sinn faßt, dann dürfte einer formalen Aufnahme jener Dreiheit wohl kaum ein Hindernis im Wege stehen. Allerdings hätte die evangelische Theologie bei „Bekenntnis" und „Gemeinschaft" neben der äußeren Feststellbarkeit immer auch die innere Nähe zu Gott zu betonen; sie müßte sich entschieden von der Interpretation absetzen, als würde von solchen inneren Schwankungen die Realität der kirchlichen Gliedschaft nicht berührt und infolgedessen wohl auch dem „non liquet" widersprechen, das die römische Theologie bezüglich der Sündhaftigkeit auf der Ebene des „reapse" konstatiert. Denn es darf für die evangelische Theologie keine Realität geben, die von Gottes Urteil auch nur unter Umständen absieht. Billigerweise hat sich die Kritik wegen der Kürze dieser einleitenden Ausführungen sehr zurückzuhalten, und doch muß man jetzt schon fragen: Was für eine theologische Wirklichkeit ist es, die durch das innere Gottesverhältnis des Menschen letztlich nicht gestört wird? Und ist eine Kirche, deren ordentliche Gliedschaftsbedingungen sich durch eine äußerlich-rechtliche Realität konstituieren, nicht beständig in der Gefahr, zu einem bloß innermenschlichen, säkularem Gebilde zu werden? Indes gilt diese vorsichtige Vermutung vorläufig nur in bezug auf das „reapse". Die Probleme, mit denen sich die weitere Untersuchung zu befassen hat, erwachsen nun daraus, daß die Gliedschaft sich aus mehreren Komponenten zusammensetzt, von denen bisher zwei erschienen sind, nämlich die des „reapse" und die des inneren Gnadenstandes. Aus der Kombination dieser beiden Tatsachen ergibt sich Stoff und Gliederung der folgenden Kapitel: Die „reapse"-Gliedschaft setzt sich, wenn man professio fidei und Wahrung der communio als eine Größe nimmt 33 , aus zwei Einzelbedingungen zusammen. Daraus kommt die Frage, welche Situation denn gegeben wäre, wenn von diesen nur die Taufe verwirklicht ist; mit ihr befaßt sich Kapitel II. Was die zweite Gliedschaftskomponente anlangt, so ist natürlich umgekehrt auch sie bei einem Ungetauften durchaus einmal denkbar; außerdem aber ergibt sich hier entsprechend der Mehrstufigkeit des Gliedschaftsbegriffs die Möglichkeit, daß ein Mensch getauft oder ungetauft die fides quae creditur unvoll33
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Vgl. oben S. 31 Anm. 16.
ständig bekennt, wobei obendrein die größere oder geringere Intensität der subjektiven fides qua in Rechnung zu stellen ist. Dieser umfangreiche Fragenkreis wird anschließend diskutiert, wobei in Kapitel III eine verbreitete, namentlich im französischen Sprachraum vertretene Lehrmeinung zur Sprache k o m m e n soll, während Kapitel IV das bringt, was gegenwärtig als das offizielle Wort R o m s in dieser Sache zu gelten hat. Schließlich müssen die bis dahin zutage getretenen Ergebnisse im V. Kapitel noch einmal gesondert im Lichte der Frage nach dem ewigen Heil betrachtet werden.
II. D i e B e d e u t u n g der T a u f e f ü r die k i r c h l i c h e G l i e d s c h a f t Daß die normale Gliedschaft sich aus mehreren Einzelbedingungen zusammensetzt, hat die Enzyklika „Mystici C o r p o r i s " deutlich ausgesprochen; über die besondere Rolle allerdings, die die verschiedenen Bestandteile dabei spielen, u n d namentlich über die Funktion der Taufe, ist eine tiefgreifende Meinungsverschiedenheit aufgebrochen. Man sagt im allgemeinen, die beiden Partner dieser Kontroverse seien die Dogmatiker und die Kanonisten, u n d im großen und ganzen trifft das auch zu 3 4 . Oben schon wurden einige Belege gegeben, die davon sprechen, daß der Mensch durch die T a u f e der Kirche eingegliedert wird 3 5 . Darin stimmt man allgemein überein; erst auf die Frage, wie denn diese Eingliederung im einzelnen vor sich geht, werden verschiedene Antworten erteilt. Die T a u f e gehört nach römischer Lehre mit Firmung und Priesterweihe zusammen zu den Sakramenten, die ihrem E m p f ä n g e r den sogenannten sakramentalen character indelebilis aufprägen 3 6 . So mannigfach dieser character auch im einzelnen bestimmt wird, in keinem Fall wird er als bloße Beziehung verstanden: er ist vielmehr eine ontologische Größe, eine habituelle Q u a l i t ä t , die der Mensch, wenn er sie einmal empfangen hat, niemals mehr verlieren kann 3 7 . N u n haben schon frühere Dogmatiker die Eingliederung in die Kirche mit dem character indelebilis der T a u f e in engere oder weitere Verbindung gebracht 3 8 ; aber erst Schmaus hat die Zusammenhänge herme31 Freilich steht z.B. Schmaus an diesem Punkt als Dogmatiker auf der Seite der Kanonisten. 35 Vgl. oben S. 29 Anm. 5. Unter den effectus baptismi wird ausdrücklich die „aggregatio ad ecclesiam" genannt bei J. B. Sasse S J , De Sacramentis Ecclesiae I, Freiburg 1897, 221 f.; G. van Noort, Tractatus de Sacramentis I, Hilversum 4 1927, 156; F. Capello SJ, De Sacramentis I, Rom-Turin «1953, 101 u. ö. 3« D 411, 695, 852, 1470. 37 Sasse a.a.O. 108; van Noort a.a.O. 70ff.; Billot, De Ecclesiae Sacramentis I, Rom 1924, 153ff. 38 Cappello a . a . O . : „impressio characteris, quo homo consecratur in membrum Christi et in civem regni eiusdem Christi, quod est Ecclesia." van Noort a.a.O. 156: „aggregatio ad Ecclesiam . . . p e r t i n e t . . . ad characterem." Sasse a.a.O. 221: „ E s t
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neutisch etwas aufgehellt 3 9 : Der sakramentale Charakter stellt eine „Nachformung der Wesensart Christi dar, und zwar insofern Christus der Gekreuzigte und Erhöhte ist" 4 0 . Hinter diesem Satz findet man die Vorstellung von R o m . 6 , 1 ff., nach der uns durch die Taufe „eine unverlierbare Gleichbildlichkeit mit Christus" gewirkt wird. U n d diese hinwiederum fällt zusammen mit der Eingliederung in Christus; Christus aber, „dem der Getaufte eingegliedert wird, ist das Haupt der Kirche". Auf der anderen Seite schließt „die Beziehung zum H a u p t . . . wesenhaft eine solche zum ganzen Leibe in sich. Durch den sakramentalen Charakter wird also der Mensch auch dem Leib Christi, der Kirche, eingegliedert"; dieser hat „kirchenschöpferische Bedeutung". Schmaus stimmt also mit jenen älteren Dogmatikern darin überein, daß die aggregatio ad ecclesiam zugleich mit dem Empfang des Taufcharakters eintritt, wodurch sie an dessen Realität, Unverlierbarkeit und Unauslöschlichkeit Anteil bekommt; er zitiert dazu das alte W o r t : „Semel christianus semper christianus." 41 Wie aber sind bei solch fundamentaler Bedeutung der Taufe für die kirchliche Gliedschaft deren weitere Bedingungen zu verstehen? Schmaus gibt eine eindeutige A n t w o r t : die drei Gliedschaftsbedingungen der Enzyklika liegen nicht auf einer Ebene; die Taufe ist die „ontologische Grundlage", Bekenntnis und Gehorsam (nur) deren „subjektiver Vollzug" 4 2 . Für das weitere ist zu wissen wichtig, daß die römische Kirche die im Ketzertaufstreit über die Gültigkeit einer Taufe getroffene Entscheidung bis zum heutigen Tag anerkennt 4 3 . Grundsätzlich k o m m t die Spendung der Taufe nur dem von der römisch-katholischen Kirche geweihten Bischof oder Priester (Diakon) zu: wo immer aber von dieser Bestimmung die Rede ist, wird hinzugefügt, daß in dringlichen Fällen (in casu necessitatis) audi ein Laie, eine Frau, sogar ein Heide oder Häretiker, falls er nur die kirchliche Form (den Namen des dreieinigen Gottes), Materie (Wasser) und Intention wahrt, eine in der oben dargelegten Weise gültige und wirksame Taufe vollziehen autem character baptismalis ontologica consecratio hominis in membrum corporis et in civem regni Iesu Christi, quod est Ecclesia." Billot a.a.O. 667: „Baptismus, ratione characteris, quem imprimit, vim habet incorporandi hominem verae Ecclesiae Christi." 39 Schmaus a.a.O. IV/1, 122; vgl. I I I / l , 574. 40 Schmaus a.a.O. I V / 1 : vgl. 120 und dort den Verweis auf § 182. 41 Schmaus a.a.O. IV/1, 411. 42 Schmaus a.a.O. IV/1, 415. Genau die gleiche Bestimmung bei Mörsdorf (Lehrbuch des Kirchenrechts auf Grund des Codex Iuris Canonici, Paderborn e 1949, Bd. I, 169 Anm. 2): Die Taufe ist „das die Kirchengliedschaft grundlegende . . . Element", Bekenntnis und Gehorsam „die in der Ebene der freien personalen Entscheidung liegenden Akte". — Mörsdorfs „Kirchenrecht" ist 1953 in 7. Auflage erschienen, da aber die 6. Auflage eine vor allem in der Auseinandersetzung mit anderen Meinungen ausführlichere Gliedschaftslehre gibt, wird im folgenden sie zitiert. 43 Vgl. D 46 f. 38
kann 4 4 . Congar schildert in seinem Buch „Chretiens d^sunis" 4 5 sehr anschaulich den Fall, wie „ u n petit Protestant" durch eine in der evangelischen Kirche empfangene Taufe „der wahrhaftigen (d.i. der römisch-katholischen) Kirche wahrhaftig eingeleibt w i r d " , zunächst einmal genauso gültig und wirksam wie jedes ordnungsgemäß getaufte Kind. Dieses letztere, so fährt Congar fort, wird nun heranwachsen, seine Unterweisung im römisch-katholischen Glauben bekommen, sich diesen Glauben aneignen und auf solche Weise ganz natürlich z u m „reapse"-Glied im Sinn der Enzyklika werden. Wie aber steht es mit „notre petit Protestant"? Er ist durch eine T a u f e „innerlich bereitet z u m Bekenntnis des wahren Glaubens, zur Teilnahme an allen Sakramenten, zur vollen Entfaltung seines christlichen Lebens im Schoß der Kirche, in der katholischen Einigkeit und Gemeinschaft, unter dem Einfluß der apostolischen Hierarchie". Dieser Disposition gegenüber steht die Wirklichkeit, daß er (bestenfalls!) „ein Glaubensleben führen wird, das objektiv gemindert oder verfälscht i s t . . ., materiell unvollständig und obendrein mehr oder weniger i r r i g . . . , der Stärkung durch die Sakramente beraubt" 4 6 . Das ist, wie übereinstimmend festgestellt wird, ein Zustand, der im Widerspruch zu sich selbst steht: Häretiker und Schismatiker führen eine „anormale Existenz" 4 7 . D a es diesen Zustand nun aber faktisch einmal, und zwar gar nicht selten, gibt, muß man sich dogmatisch und kirchenrechtlich dazu äußern. Man stellt sich die Frage: Ist die mit dem Taufcharakter unverlierbar eingeprägte aggregatio ad ecclesiam stärker als jene Abnormität oder umgekehrt? Ist man freilich durch die Vorüberlegungen schon zu dieser F o r m der Frage gelangt, so gibt es eigentlich nur noch die einzige „kanonistische" Antwort, als deren heutiger Hauptsprecher Mörsdorf zu gelten hat 4 8 : „ D i e Getauften, und zwar alle gültig Getauften, bilden den Kreis der zur kirchlichen Gemeinschaft gehörenden Personen", heißt es bei ihm unter Berufung auf den Satz „baptismate h o m o constituitur in ecclesia Christi p e r s o n a " des C I C Vgl. D 696 und CIC can. 742. Congar a.a.O. 287ff.; 288 Anm. 1 zahlreiche Belege aus Lehramt und Vätern. 4« Nach Congar a.a.O. 289. 47 Schmaus a.a.O. IV/1, 415; Congar a.a.O. 289. 48 Vgl. Mörsdorf a.a.O. (6. Aufl.,) 168—176; aus der 7. Auflage sind neben 183—192 die grundsätzlichen Ausführungen über „konstitutionelle und tätige Ordnung" (Bd. I, 30—35) zu vergleichen. Ferner vom selben Verfasser: Die Kirchengliedschaft im Lichte der kirchlichen Rechtsordnung, in: Theologie und Seelsorge 1944 I, 115—131. Ähnlich wie Mörsdorf Walter Böhm, Acatholicus, Hamburg 1933, 12 ff.; L . Richard, Une these fondamentale de l'cecumdnisme: le bapteme, incorporation visible ä l'Eglise, N R T h 74, 1952, 485—492; W. Onclin, der in seiner Studie: Considerationes de iurium subiectivorum in ecclesia fundamento ac natura, Acta Congressus Internationalis Iuris Canonici 1953, 211—226, eine eingehendere Interpretation von CIC can. 87 gibt (218—222); schließlich vertritt die Meinung Mörsdorfs neuerdings Ulrich Mosiek, Die Zugehörigkeit zur Kirche im Rahmen der Kanonistik, ThGl 49, 1959, 256—268. Weitere Vertreter sind bei Rahner, Schriften II a.a.O. 23, Anm. 2 genannt. 44
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can. 87. Die so geschaffene „konstitutionelle Gliedschaft" ist unaufhebbar, und die mit ihr ebenso unverlierbar gegebene Rechtsfähigkeit der betreffenden Person drängt auf ihre Verwirklichung, d. h. auf den Eintritt in die Gliedschaftsrechte und auf die Erfüllung der Gliedschaftspflichten. Diese im Bereich des Tuns liegende Gliedschaftsstellung n e n n t Mörsdorf „tätige Gliedschaft", u n d zwar wiederum unterteilt in „aktiv-tätige" (Rechte) und „passiv-tätige" (Pflichten). Dieses ganze Geflecht von Unterscheidungen bleibt nun bis zum Zeitpunkt der Erlangung des Vernunftsgebrauchs sozusagen latent, weil dann erst die Gliedschaftspflichten verbindlich werden 49 . Von da an jedoch f o r d e r t die römische Kirche die Erfüllung aller Rechtspflichten, und zwar so, daß es nicht „auf die Bereitschaft des einzelnen ankommt, ob er sich ihnen unterwerfen will oder nicht"; sie entläßt keinen Getauften jemals aus dieser im vollen U m f a n g aufrechterhaltenen Forderung 5 0 . Der Häretiker u n d Schismatiker also läßt diese Bereitschaft vermissen, und die Kirche reagiert darauf durch eine Beschneidung oder gänzliche Aufhebung der Gliedschaftsrechte mittels einer Strafmaßnahme oder einer Sperre 51 . Die hierzu bei Mörsdorf im einzelnen gemachten Ausführungen brauchen jetzt nicht weiter zu interessieren: Sperre wie Strafe können beide entweder bew u ß t gesetzt sein oder automatisch eintreten; beide sind in ihrer Wirkung als tatsächlicher Umstand unabhängig von der subjektiven Schuld gültig. Schließlich ist hinzuzufügen, daß die tätige Gliedschaft in einem äußeren und einem inneren Bereich wirksam sein kann, die einander entsprechen sollen, aber nicht müssen, sondern durchaus auch in Widerstreit zueinander treten können. Es wäre also sehr wohl der Fall denkbar, daß die im äußeren Bereich verhängte Rechtsbeschneidung im inneren auch unwirksam sein kann. In dieses kompliziert gestaffelte System ordnet nun Mörsdorf die verschiedenen Aussagen der Enzyklika über die Gliedschaft ein; wobei er die „reapse"Gliedschaft als „aktiv-tätige, u n d zwar zunächst und hauptsächlich des äußeren Bereiches" bezeichnet, d. h. als diejenige Gliedschaft, die durch die Taufe konstituiert und obendrein nicht durch eine auf G r u n d von Pflichtverletzung 49 Eine solche aus konstitutioneller und tätiger Gliedschaft zusammengesetzte Vollgliedschaft kann also — nach CIC can. 12 — erst mit dem siebenten Lebensjahr einsetzen. In der Praxis freilich paßt sich die römische Kirche hier den äußeren Verhältnissen insofern an, als sie alle getauften Kinder bis zu sieben Jahren ohne weiteres als ihre Glieder betrachtet. Unklar bleibt, warum nach Mörsdorf ausdrücklich nur bei nichtkatholischen Kindern, die nicht in den „Reihen" (?) der aktiv-tätigen Kirchenglieder stehen, von lediglich konstitutioneller Gliedschaft (durch Sperre herbeigeführt, a.a.O. 173) die Rede ist, und nicht auch bei den römisch-katholischen. 80 Eine Ausnahme bilden diejenigen „baptizati, qui sufficienti rationis usu non gaudent" (CIC can. 12). Zu der in CIC can. 1099, § 2 vermerkten Verfügung über die Ausnahmen bei der Eheschließung vgl. auch AAS XL, 1948, 305 f. Mörsdorf kennzeichnet jene Rechtspflichten als „Bindung . . . an das objektive Kirchenrecht, überhaupt an die in der kirchlichen Hirtengewalt tätig werdende Befehlsmacht" (a.a.O. 170). 61 Einzelheiten bei Mörsdorf a.a.O. 170—174.
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verschuldete Beschneidung an der Wahrnehmung ihrer Rechte behindert ist. Bis hierher Mörsdorf. Es ist bemerkenswert, was diese Position, die vom kirchlichen Recht ihren Ausgang nimmt, im einzelnen leistet: Zunächst einmal weiß sie in Anlehnung an can. 87 eindeutig darzulegen, auf welche Weise die kirchliche Gliedschaft zustande kommt: sie ist mitgesetzt durch den sakramentalen Charakter der Taufe und nimmt folgerichtig teil an dessen Unverlierbarkeit 52 . Zweitens und damit zusammenhängend ist der Begriff „Glied" insofern eindeutig bestimmt, als er auf die Getauften angewandt wird, nur auf sie, aber auch auf sie alle. So wird die bedeutende Wirkung des Sakramentes (ex opere operato!) überzeugend zum Ausdruck gebracht; denn alle Ungetauften, denen im übrigen keineswegs jegliche Beziehung zur Kirche abgesprochen zu werden braucht, erhalten jedenfalls das Prädikat „Glied" nicht mehr; der Unterschied zwischen Getauften und Ungetauften bleibt auch terminologisch gewahrt 53 . Drittens wird auch zwischen bloß konstitutionellem und tätigem Glied durch die Aufteilung der tätigen Gliedschaft in Rechte und Pflichten, welch erstere bei Häretikern und Schismatikern durch die kirchliche Autorität ausgeschaltet sind, eine sichtbare Grenze gesetzt. Schließlich kommt bei diesem System die bleibende Dauer des Rechtsanspruches, den die römische Kirche über alle Getauften erhebt, mit gebührendem Nachdruck zur Geltung 54 . Im übrigen ist deutlich, daß die bereits vermerkte Tendenz, dem inneren Bereich für die Normalgliedschaft keine Bedeutung zuzuschreiben, hier insofern noch unterstrichen wird, als dieses „forum internum" nicht mehr nur — wie nach dem I. Kapitel 55 — auf die sittliche Qualität und den Gnadenstand beschränkt bleibt, sondern generell alle diejenigen Dinge umfaßt, „die geheim sind und voraussichtlich geheim bleiben" 56 . Andrerseits muß man sich vor Augen halten, daß es sich hier um eine kirchenrechtliche Position handelt und daß das Recht nach seinem eigenen Selbstverständnis „von dem Äußeren" ausgehen und „diesem in gewisser Hinsicht den Vorrang einräumen" muß 57 . 52
Bemerkenswert ist, wie hierbei „persona" mit „membrum" gleichbedeutend verstanden wird, unter dem Hinweis, „daß das Wort .Glied' mehr bildlich sagt, was das Wort .Person' mehr begrifflich sagt" (Schmaus a.a.O. III/l, 417). So auch N . Hilling a.a.O. 126 (mit Verweis auf F. X. Wernz): Die Wassertaufe . . . „enim solus imprimit characterem et constituit baptizatum in membrum et subditum Ecclesiae". 53 Vgl. hierzu auch den analogen Unterschied in der Terminologie, den die Enzyklika zwischen „pertinere" und „ordinari" macht (Tromp a.a.O. n. 101). — Der Schnitt zwischen Nichtglied und Glied muß vor der Taufe gemacht werden (Schmaus a.a.O. III/l, 418). 54 Die Enzyklika bringt dieses letzte Moment mit dem Bild der in der Ferne weilenden und dennoch ins Vaterhaus gehörenden Söhne und Töchter zum Ausdruck (Tromp a.a.O. n. 101). 65 58 Vgl. oben S. 36. Mörsdorf a.a.O. I, 293. 57 Mörsdorf a.a.O. I, 293. Vgl. auch die Erklärung in der 7. Auflage I, 20: „Der alte römische Satz: ,De internis non iudicat praetor' . . . bedeutet . . ., daß für die
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Schon Liege 5 8 hatte gegen eine allzu äußerlich-juristische Betrachtung des Gliedschaftsproblems Bedenken geltend gemacht; in ähnlicher Weise erhebt nun audi Valentin Morel 5 9 seinen Protest. E r anerkennt zwar den obigen Aspekt u m seiner Betonung des Taufcharakters willen, wehrt sich aber dagegen, daß es der einzige sein soll. Er schlägt vielmehr die Unterscheidung zwischen „membres de d r o i t " und „membres de f a i t " vor, also zwischen juristischer u n d faktischer Mitgliedschaft. Auch jene ist auf G r u n d ihres Taufcharakters „d'une certaine f a f o n reelle", aber „pleinement organique" ist nur diese. Was Morels Sicht v o n der Mörsdorfschen unterscheidet, ist die bewußte H i n z u n a h m e des inneren Bereiches zur Diskussion dieser Frage: es soll audi an diesem P u n k t „l'inseparabilite de l'Eglise juridique et de l'Eglise spirituelle" gewahrt bleiben. Morel kleidet seine Meinung zu diesem Punkt nur in eine kurze Bemerkung, ohne sich in eine nähere Auseinandersetzung einzulassen; eine ausführliche Kritik der „kanonistischen" Entfaltung des Gliedschaftsbegriffes, die in dessen Ablehnung gipfelt, geben jedoch die Innsbrucker Jesuiten Rahner u n d Gommenginger 6 0 . Rahners Einwände b e k o m m e n dadurch ein besonderes Gewicht, daß er Mörsdorfs Position mit der v o n diesem unberücksichtigt gelassenen Heilsfrage zusammensieht: Wenn es f ü r das Heil notwendig ist, Glied der Kirche zu sein — besteht dann nicht die Gefahr, zu meinen, es genüge dazu bereits die „konstitutionelle Gliedschaft"? Würde dies jedoch ausdrücklich bestritten — könnte m a n dann die „konstitutionelle Gliedschaft" überhaupt noch als Gliedschaft bezeichnen? U n d weiter: Besagt der Ausdruck „ G l i e d " nicht ein Sein „ i n " der Kirche, indes Häretiker u n d Schismatiker, auch getaufte, nach der Enzyklika ausdrücklich außerhalb ihrer stehen? U n d kann man mit Mörsdorf die Veränderung der Gliedschaft in ihrer Substanz von einer „Betätig u n g " abhängen lassen? Natürlich verkennt auch Rahner nicht, daß mit der T a u f e etwas eintritt; aber das ist die bloße Rechtsfähigkeit und Unterworfenheit unter die kirchlichen Gesetze, u n d keine Gliedschaft, wenn nicht Bekenntnis und Gehorsam h i n z u k o m m e n : „ p e r s o n a " ist etwas anderes als „ m e m b r u m " . Mörsdorf n i m m t diese zwei Begriffe als „vertauschbar oder doch unlöslich verbunden", aber das passive Objekt eines Rechtsanspruches ist noch nicht ohne weiteres Glied. Freilich gibt es zahlreiche Aussagen, die davon sprechen, daß man durch die T a u f e in die Kirche eingegliedert wird; diese haben aber, wie ζ. B. can. 87, den N o r m a l f a l l der römisch-katholischen T a u f e eines Kindes vor Augen; eine Erwachsenentaufe setzt ja ohnehin Glaubensbekenntnis und Gehorsamsverrechtliche Beurteilung nur solches Handeln in Betracht kommt, das irgendwie nach außen in die Erscheinung getreten ist." 58 Li6g6 a.a.O. (vgl. oben S. 29 Anm. 4). 59 Morel a.a.O. 722, Anm. 43. Rahner a.a.O. 23—30; Gommenginger a.a.O. 15—25. 42
Sicherung voraus. Wenn man das dem Taufverständnis — wie es durchaus möglich ist — stillschweigend impliziert, dann wird die ganze Frage sowieso gegenstandslos (freilich damit auch Mörsdorfs Unterscheidung „konstitutionell — tätig"). V o n „Gliedschaft" soll jedenfalls nur gesprochen werden, wenn alle drei Bedingungen der Enzyklika erfüllt sind. Rahner weist selbst darauf hin, daß es sich bei dieser Kontroverse „zum Teil bloß um eine terminologische Verschiedenheit handelt"; und in der T a t dürfte manches Problem gelöst sein, wenn man der offenbar sachlichen Gleichheit von „Untertanschaft" und „konstitutioneller Gliedschaft" auch im Ausdruck Rechnung trüge. Trotzdem wäre auch dann die Frage noch nicht aus
der Welt geschafft; und wenn man sich über dem bloßen Resultat der Gommengingerschen Analyse des can. 87 noch fragen kann, ob zu Mörsdorf denn wirklich ein so großer Unterschied vorliegt, so zeigen die Konsequenzen aus den beiden Positionen sehr bald, daß dieser doch erheblicher ist, als es auf den ersten Blick den Anschein hat. Sicherlich ist der Gliedschaftsbegriff als solcher bei Rahner/Gommenginger ebenso klar umrissen wie bei Mörsdorf: nur bedeutet er hier etwas anderes, weil er ausschließlich den „reapse"-Gliedern vorbehalten bleibt; ganz folgerichtig ist damit für Mörsdorfs „zweiten Schnitt" in diesem System kein Platz mehr. Der Unterschied möge durch ein Bild verdeutlicht werden: Wenn man nach der Anregung von Schmaus 61 das Gliedschaftsproblem in 61 Schmaus a.a.O. I I I / l , 418f. In ähnlicher Form findet sich das Schema der drei Kreise schon bei W. Böhm a.a.O. 17f. und 51 ff.
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konzentrischen Kreisen graphisch darstellt, so ergäbe sich folgender Vergleich: In Kreis I gelangt man dadurch, daß man mit seiner Geburt in die Menschheit eintritt. N u n der Unterschied: Bei Mörsdorf kommt man von hier aus durch den Taufempfang in einen Kreis II der konstitutionellen Gliedschaft; für Rahner dagegen existiert die zwischen I und II nach Mörsdorf bestehende Grenze gar nicht; man bleibt solange, ob getauft oder ungetauft „(zugeordnetes) Nichtmitglied", bis man die aus den bekannten drei Bedingungen zusammengesetzte „reapse"-Gliedschaft (Kreis III) besitzt. Diese ist natürlich auch bei Mörsdorf das Normale — nur gibt es bei ihm, wie gesagt, bereits vorher eine konstitutionelle Vorstufe, die er auch schon Gliedschaft nennt. So unterschiedlich sich demnach die Gliedschaftsfrage auf den zwei Seiten darstellt — ihren Ausgang nimmt sie von der in beiden Positionen geltend gemachten Prämisse, daß die Trennungslinie zwischen Gliedschaft und Nichtgliedschaft nicht auf der „Ebene des inneren personalen Seins", sondern auf der des „Sichtbaren, des geschichtlich und rechtlich Greifbaren und darum dann auch auf der Ebene des sakramentalen Zeichens" 62 zu ziehen sei. N u r nimmt Mörsdorf von da aus eine sozusagen horizontale Unterscheidung der Ebenen vor, indem er von den drei Gliedschaftsbedingungen auf die sichtbare Seite die sakramentale und rechtlich greifbare Taufe nimmt, auf die innere aber Bekenntnis und Gehorsam als nicht grundlegend konstitutive Elemente, sondern als Akte der freien personalen Entscheidung. Bei Rahner dagegen erfolgt die Unterteilung vertikal: Er erklärt nämlich einerseits, daß hinter dem äußeren Taufgeschehen immer auch eine innerliche „Intention" des Taufenden stehe, andrerseits, daß Glaube und Gehorsam außer sittlichen und gnadenhaften Qualitäten auch Größen des äußeren Rechtsbereiches seien und nur für diesen letzteren Bereich in der Frage der Kirchengliedschaft überhaupt zur Diskussion stünden. Wolle man also, so fährt Rahner fort, mit der Bestimmung der Gliedschaft nach Gegebenheiten der äußeren Ebene den einzig gangbaren Weg beschreiten, so müsse man hierfür zu dem sakramentalen, äußeren, d. h. von seiner Intention abstrahierten Taufakt auch die beiden anderen Größen hinzunehmen, insofern sie Daten des äußeren Bereiches sind, weil sie in dieser Eigenschaft mit dem Taufakt grundsätzlich zusammengehörten. Es können an dieser Stelle nur Rahners kritische Ausführungen zu Mörsdorfs Gliedschafts- und Taufverständnis berücksichtigt werden; denn für eine Darstellung seiner eigenen Sakramentsauffassung müssen vorher noch einige Voraussetzungen geklärt werden. Zu notieren bleibt freilich jetzt schon, daß Rahner und Gommenginger eine klare Antwort auf die Frage nach der „kirchenschöpferischen Bedeutung" der isoliert betrachteten Taufe, wie sie 82
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So nach Rahner a.a.O. 29; zu Mörsdorf vgl. oben S. 41 Anm. 56.
Mörsdorf gegeben hatte, zuletzt schuldig bleiben. „ D i e einzige Wirkung der Taufe, v o n der theologisch sicher gesagt werden kann und muß, daß sie bei jeder gültigen T a u f e eintritt, ist der character sacramentalis", aber mit ihm ist die kirchliche Gliedschaft keineswegs „unlösbar verbunden" 6 3 . Diese Bemerkung läßt im übrigen bereits einen allgemeinen Schluß auf die dahinterstehende Sakramentslehre zu. Bedenkt man nämlich, daß bei dieser Position zwischen der im strengen traditionell-theologischen Sinn sakramentalen T a u f e und den in diesem Sinn nicht sakramentalen Akten des Glaubens und Gehorsams bezüglich der Kirchengliedschaft kein Unterschied gemacht wird, daß unter den Begriff „ Z u g e h ö r i g e " Getaufte und U n g e t a u f t e ohne eigentliche Trennung subsumiert werden, und nimmt man schließlich hinzu, daß durch Gommengingers Bemerkung: „auch die Ungetauften sind an die Weisungen der Kirche gebunden in der Erklärung des Naturgesetzes und des positiven göttlichen Gesetzes" 6 4 — daß durch diese Bemerkung, jedenfalls im obigen Zusammenhang, auch noch die durch bloße Untertanschaft in der T a u f e gesetzte Grenze relativiert wird, dann kann m a n der Folgerung nicht ausweichen, daß in diesem Verständnis der Sakramentsbegriii in einem Maß erweitert ist, welches die Besonderheiten der in der römischen Theologie allgemein auf die Siebenzahl begrenzten Sakramente erheblich in den Hintergrund treten läßt 0 5 . M a n sieht, wie die Frage nach der Bedeutung der Taufe für die Kirchengliedschaft nicht eindeutig beantwortet ist. Schreibt man ihr mit Mörsdorf konstitutive Bedeutung zu, so ist problematisch, ob die „konstitutionelle Gliedschaft" schon heilsgenügsam ist, läßt m a n den T a u f e m p f a n g bei nichtrömischen Christen mit Rahner in dieser Frage außer Betracht, so droht stets die Gefahr, dem opus-operatum-Charakter des Sakraments nicht gerecht zu werden. Eine unmittelbare Folge dessen, daß die Meinungsverschiedenheit bis heute besteht, liegt darin, daß die Terminologie in der Gliedschaftslehre ziemlich elastisch geblieben ist. Es wurde deutlich, wie sich die dargestellte Kontroverse bis zu einem gewissen G r a d u m den Ausdrude drehte, und wie es darauf a n k o m m t , ob man mit Rahner Glied = nur reapse-Glied setzt, wobei man f ü r eine losere Beziehung dann die Bezeichnung „ Z u g e h ö r i g k e i t " oder „ Z u o r d n u n g " verwenden und den bloß Getauften etwa „subditus ecclesiae" nennen müßte, oder ob man den Gliedbegriff mit Mörsdorf allen gültig Getauften zuerkennt und dann innerhalb dieses Ausdrucks noch einmal eine Unterscheidung trifft; wobei man sich bei Mörsdorf noch nähere Ausführungen über das, was er insgesamt unter Gliedschaft versteht, wünschen würde. Zu sagen wäre vielleicht noch, daß der Begriff „ Z u o r d n u n g " durch die Enzyklika „Mystici C o r p o r i s " eine gewisse Festlegung erfahren hat 6 6 , 6 1 Gommenginger a.a.O. 23. Rahner a.a.O. 28. Die gleiche Tendenz bei Gribomont, vgl. unten S. 155 ff. · · Vgl. oben S. 41 Anm. 53.
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im übrigen aber wird auch die folgende Untersuchung die Begriffe „Gliedschaft" und „ Z u g e h ö r i g k e i t " ohne grundsätzlichen Unterschied verwenden und jeweils an O r t und Stelle erst v o n der Sache her klären, was präzise darin gefaßt ist 67 . Mörsdorfs Gliedschaftslehre brachte eine Anzahl konkreter und weiterführender Einzelbestimmungen mit sich, freilich u m den Preis, daß sie sich auf den äußeren Bereich der Kirche beschränkte, worin sich übrigens ja auch Rahner nicht v o n ihm unterschied. D a m i t wird aber die am Ende des I. Kapitels schon angeklungene Frage nach dem Zusammenhang von innerer und äußerer Ebene wieder sehr dringlich, wie es ja Morels Veto gezeigt hat. U m die gewisse Verlegenheit zu beseitigen, die sich hier wohl nicht verhehlen läßt, würde allerdings die bloße Versicherung nicht genügen, es gäbe außer der rechtlichen noch eine ergänzende zweite innere Ebene, sondern es wäre eine genauere Bestimmung zu liefern über Vereinbarkeit u n d Zusammenhang (inseparabilite!), sei es zwischen sichtbarer und unsichtbarer Kirche, sei es zwischen Kirchenrecht und D o g m a t i k ganz allgemein; denn vorläufig ist eigentlich nur deren Auseinandertreten deutlich geworden. Einen gewissen Ausschlag bei der Taufkontroverse gab das auf beiden Seiten jeweils verschiedene Verständnis über den U m f a n g des character sacramentalis: U m f a ß t er die aggregatio ad ecclesiam notwendigerweise oder nicht? Es würde einen erheblichen Schritt nach vorwärts bedeuten, wenn die römische Theologie sich nicht nur mit dessen formaler Kennzeichnung als „signum q u o d d a m distinctivum, q u o d nec deleri nec auferri p o t e s t " 6 8 begnügte, sondern auch seine inhaltliche Bestimmung klarer herausarbeitete. F ü r die Sicht der evangelischen Theologie freilich wird jene Unsicherheit darüber hinaus z u m Zeichen dafür, wie bedenklich es ist, die einzigartige Wirkung der T a u f e in die Lehre v o n einem „character indelebilis" zu fassen und zur Frage an die römische Kirche, ob es dafür nicht eine angemessenere F o r m zu finden gelte. D e n größten Anstoß aber bedeutet f ü r den nichtrömischen Christen der Rechtsanspruch, den die römische Kirche über alle Getauften erhebt. Man kann darüber wohl k a u m mehr verhandeln, weil es f ü r die römische Kirche dabei nicht mehr u m eine zur Diskussion gestellte These geht, sondern u m ein absolut gesetztes Postulat, dem indes die Wirklichkeit klar widerspricht. 67 Um das Problem darzulegen, das seinem Aufsatz „ L e s dissidents de bonne foi sont-ils membres de l'Eglise?" zugrunde liegt, gibt Brunei a.a.O. 200—203 eine übersichtliche Diskussion der Gesichtspunkte, die bei der Festlegung des Gliedbegriffes zu beachten sind. Er selbst reserviert ihn, in der Sache mit Rahner übereinstimmend, den Getauften, die ihrer Taufe, objektiv gesehen, kein Hindernis entgegensetzen (200), gegenüber dem weiteren Gliedbegriff, den A. Malvy 1927 in seinem gleichnamigen Aufsatz (RSR 17, 1927, 29—35) entwickelt hat. 68 D 695, 852, 960.
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In klassischer F o r m hat Kaiser Wilhelm I. diesen Anspruch Papst Pius I X . gegenüber zurückgewiesen 6 9 und die evangelische Theologie kann audi heute nicht anders, als diesen Protest uneingeschränkt erneuern.
III. M y s t i c u m C h r i s t i C o r p u s und E c c l e s i a C a t h o l i c a R o m a n a Nach der grundsätzlichen begrifflichen Gliederung der Menschheit in reapse-Glieder und „andere", einer Gliederung, die bei sonstigen mannigfachen Differenzen allen Autoren gemeinsam ist 7 0 , richtet sich nun die Aufmerksamkeit auf eben diese „anderen", die nicht reapse-Glieder sind. Denn wie hier eine Näherbestimmung erforderlich ist, zeigt schon die einfache Vorüberlegung, daß die Situation etwa eines Katechumenen, der sich mit allem Ernst auf den baldigen Eintritt in die römisch-katholische Kirche vorbereitet, sicherlich verschieden ist v o n der eines erklärten Atheisten. Derartige Abstufungen u n d N u a n c e n zu erkennen, darzulegen und zu systematisieren, hat man in der römischen Theologie gerade seit dem Erscheinen der Kirchenenzyklika immer neue Versuche unternommen. V o n diesen ist jetzt eine bestimmte G r u p p e näher ins A u g e zu fassen, die dadurch gekennzeichnet ist, daß sie sich bei allen möglichen Verschiedenheiten in den Einzelausführungen doch mehr oder minder ausgesprochen auf eine einheitliche und gemeinsame Grundvoraussetzung stützt. Es ist dies die unbestreitbare und von Tromp 7 1 mit mehreren Seiten von Väterzitaten belegte Beobachtung, daß es in der Tradition einen sehr beachtlichen C h o r v o n Zeugen gibt, die den mystischen Leib Christi nicht ohne weiteres mit der römisch-katholischen Kirche gleichsetzen. Z u m klassischen Beleg dieser Auffassung ist der oft genannte Abschnitt aus der „ S u m m a " des Thomas von Aquin geworden 7 2 : „ H a e c est differentia inter corpus hominis naturale et corpus Ecclesiae mysticum, q u o d membra corporis naturalis sunt omnia simul, membra autem corporis mystici non sunt omnia simul; neque q u a n t u m ad esse naturae, quia corpus Ecclesiae constituitur ex hominibus qui fuerunt a principio mundi usque ad finem ipsius; neque etiam q u a n t u m ad esse gratiae, quia eorum etiam qui sunt in uno tempore, quidam gratia carent p o s t m o d u m habituri, aliis eam iam habentibus. Sic igitur membra 69 Vgl. den Brief Kaiser Wilhelms I. an Pius I X . bei Carl Mirbt, Quellen zur Geschichte des Papsttums und des römischen Katholizismus, Tübingen 5 1934, Nr. 612, 470 f. 70 Wie durchgängig sich bei den Autoren solch eine Zweiteilung findet, zeigt Zapelena a.a.O. II, 341 ff. der sie in mindestens 17 terminologisch verschiedenen Gestalten — allerdings ohne Angabe der Quellen — dem Leser vor Augen führt. 71 Sebastian Tromp, Corpus Christi quod est Ecclesia, Rom 2 1946, 122 ff. 72 Thomas von Aquino, Summa Theologiae III, qu. 8, art. 3; deutsch bei Schmaus a.a.O. III/l, 428f.
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corporis mystici non solum accipiuntur secundum quod sunt in actu, sed etiam secundum quod sunt in potentia. Quaedam tamen sunt in potentia, quae numquam reducuntur ad actum; quaedam vero sunt quae quandoque reducuntur ad actum, et hoc secundum triplicem gradum, quorum primus est per fidem, secundus per caritatem viae, tertius per fruitionem patriae. Sic ergo dicendum est quod, accipiendo generaliter secundum totum tempus mundi, Christus est caput omnium hominum, sed secundum diversos gradus. Primo enim et principaliter est caput eorum qui actu uniuntur sibi per gloriam. Secundo, eorum qui actu uniuntur sibi per caritatem. Tertio, eorum qui actu uniuntur sibi per fidem. Quarto vero, eorum qui sibi uniuntur solum potentia nondum reducta ad actum, quae tamen est ad actum reducenda, secundum divinam praedestinationem. Quinto vero, eorum qui in potentia sibi sunt uniti quae numquam reducetur ad actum; sicut homines in hoc mundo viventes, qui non sunt praedestinati. Qui tamen, ex hoc saeculo recedentes, totaliter desinunt esse membra Christi, quia iam nec sunt in potentia ut Christo uniantur." Wie schon aus der Überschrift „ D e Christo capite omnium h o m i n u m " hervorgeht, redet Thomas in diesem Artikel vom mystischen Leib Christi, um den Beweis zu erbringen, daß Christus das Haupt aller Menschen ist. Nach seiner Terminologie ist er dies nämlich nur von denjenigen, die Glieder seines Leibes sind; demgemäß hat Thomas also das Anliegen, aufzuzeigen einmal, wie ausnahmslos alle Menschen Glieder dieses Leibes sind, und zum anderen, wie die Modi des Hauptseins Christi in einer genauen Entsprechung zur Intensität des Gliedschaftsverhältnisses stehen. Im Blick auf die oben getroffene Unterscheidung der Ebenen gehören aber diese Modi und infolgedessen also auch die Gliedschaftsgrade dem inneren Forum zu; Teilnahme an der himmlischen Glorie, Liebes- oder Glaubensakt, Praedestiniert- oder Verworfenheit eines Menschen, welche hier als Gliedschaftsmerkmale in Frage kommen, sind lauter Größen, die nach außen hin unsichtbar bleiben können. Der Leib, von dem gehandelt wird, heißt mysticum Ecclesiae Corpus, aber diese Ecclesia erstreckt sich weiter als die römisch-katholische Kirche, insofern als sie räumlich alle Menschen umfaßt, die auf der Erde leben, und zweitens zeitlich hinter Jesus Christus erheblich zurückgeht, indem sie auch die „patres antiqui" 7 3 einschließt. Es ist also bei Thomas offensichtlich zweierlei, zum mystischen Leib Christi und zur römisch-katholischen Kirche zu gehören. Daß, rein historisch gesehen, sich bei zahlreichen Vätern eine solche Lehre findet, ist eindeutig dargetan worden 7 4 ; niemand wird diese Tatsache ernst73 Thomas a.a.O. ad 3 u m heißt es ausdrücklich: „ E t ita Patfes antiqui pertinebant ad idem corpus Ecclesiae ad quod nos pertinemus." 74 Am eingehendsten wohl bei Emile Mersch SJ, Le Corps Mystique du Christ, Paris-Brüssel 8 1951, 2 Bde (schon vor dem Erscheinen der Kirchenenzyklika geschrieben — der Verfasser starb 1940). Vgl. aber auch neuerdings zwei Arbeiten von Congar: Ecclesia ab Abel, in: Abhandlungen über Theologie und Kirche,
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lidi bestreiten. Einen zweiten Schritt nach dieser Feststellung bedeutet der Vergleich zwischen der thomistischen und der pianischen Lehre vom mysticum corpus; A. Mitterer 7 5 hat ihn gezogen und dabei erhebliche Unterschiede zwischen den beiden Konzeptionen festgestellt. Immerhin hat man, zumal sich Pius XII. in seiner Enzyklika ja auf den „doctor angelicus" beruft 7 6 , besonders in der Theologie des französischen Sprachraums geglaubt, die beiden Positionen widersprächen sich keineswegs, sondern bezeichneten nur jeweils verschiedene Aspekte einer und derselben Sache und bildeten auf diese Weise eine glückliche gegenseitige Ergänzung 77 . Als lehramtliches Dokument aus neuerer Zeit ist die Enzyklika „Mystici Corporis" gewissermaßen N o r m und Ausgangspunkt jeder römisch-katholischen Gliedschaftslehre; aber man hat durch die Hinzunahme thomistischer Gedanken manche Fragen klarer und umfassender zu beantworten gesucht. Dies ist ausgesprochen der Fall in dem erwähnten 7 8 Aufsatz von Morel, der seine Gedanken in Anlehnung an die zitierte Thomasstelle skizziert: Nach seinem ursprünglich geoffenbarten Sinn bezeichnet der Ausdruck „Leib Christi" 7 9 die Gemeinschaft derer, „die vom Leben Christi her ihr Leben" empfangen, und jeder, der an der Realisierung dieses Fundamentalbegriffs von Leib Christi beteiligt ist, m u ß im eigentlichen und strengen Sinn als Glied dieses Leibes bezeichnet werden. Freilich hat man bei diesen Gliedern wieder zwischen einfachen (simples) und hervorragenden ^minents) zu unterscheiden; die letzteren rekrutieren sich aus allen realen Gliedern der römisch-katholischen Kirche, und n u r aus ihnen, weil diese als einzige und wahre Kirche den Willen ihres Stifters Jesus Christus allein vollständig verwirklicht. Doch tut diese Begrenzung der Realität der nicht-römisch-katholischen einfachen Mitgliedschaft keinerlei Abbruch, da ja das Leben Christi, das Entscheidende f ü r die Gliedschaft, ebenso real auch außerhalb der sichtbaren Grenzen der Kirche zur Wirkung k o m m e n kann, nämlich dadurch, daß gutwillig und aufrichtig gesinnte Menschen außerhalb der römischen Kirche die heiligende Gnade empfangen. Aber selbst diese Gnade ist noch mehr als das f ü r eine eigentliche Gliedschaft erforderliche Mindestmaß; auch Festschrift für Karl Adam, Düsseldorf 1952, 79—108, und Esquisses du Mystere de l'Eglise, Paris 21953, 59—91. Die von Vodopivec (Ecclesia Romana Corpus Christi Mysticum, in: Euntes Docete 4, 1951, 76—95) geltend gemachte Meinung, die in Frage stehenden Texte zeigten eine gegenteilige „patrum solemnis et communis doctrina" (87), läßt sich nicht halten. 75 A. Mitterer, Geheimnisvoller Leib Christi nach St. Thomas von Aquin und nach Papst Pius XII., Wien 1950; vgl. dazu Congars Besprechung in RSPT 35, 1951, 633 f. 76 Tromp a.a.O. n. 34. 77 So besonders Nothomb a.a.O. 247f., auch Congar, Ecclesia ab Abel 98f. 78 Morel a.a.O. Das Thomaszitat 717, Anm. 31. 78 Morel will in diesem Aufsatz, eingeschränkter als Thomas, aber nach seiner Meinung der Enzyklika folgend, unter „mysticum corpus" nur den Leib Christi verstehen, soweit er auf Erden existiert (vgl. a.a.O. 703). 4
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Dietzfelbinger, Grenzen
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wenn sie verlorengeht und nur ein übernatürlicher Glaube bleibt, ist immer noch die Gewähr für eine habituell-vitale U n i o n mit Christus gegeben. U n d zwar kann der Inhalt jenes übernatürlichen Glaubens unvollständig sein, wie es beim Häretiker der Fall ist, oder es kann sich überhaupt nur u m die fides implicita handeln, die in unverschuldeter Unkenntnis weiterer Offenbarung lediglich davon überzeugt ist, daß G o t t existiert und daß er die Guten belohnt, die Bösen aber bestraft 8 0 . Dieser G r a d der fides implicita erst ist die unaufgebbare Mindestbedingung, die ein eigentliches Glied des mystischen Leibes erfüllen muß. Somit ergibt sich bei Morel folgende Gruppierung der im eigentlichen Sinn so genannten Glieder des mystischen Leibes Christi: I. im hervorragenden Sinn: die „reapse"-Glieder der katholischen Kirche. II. im einfachen Sinn: 1. auf G r u n d der heiligenden Gnade und des übernatürlichen Glaubens: die Vollgliedschaft aufrichtig ersehnende (fervents) Katechumenen, ungetaufte Märtyrer, materielle Häretiker u n d Schismatiker, sowie Nichtchristen, die im Stand der Gnade sind. 2. auf G r u n d des bloßen christlichen Glaubens (der unvollständig und impliziert sein kann): Katechumenen, materielle Häretiker und Schismatiker, sowie Nichtchristen, die nicht mehr oder noch nicht im Besitz der Gnade, wohl aber des übernatürlichen Glaubens sind. Daß es ohne diesen letzteren keinerlei Verbindung zu Christus gibt, zeigt die G r u p p e v o n Menschen, die in gar keiner Weise z u m mystischen Leib gehören: Es sind dies die Glaubensverleugner, Apostaten, formellen Häretiker und unter den Heiden diejenigen, die jene beiden Fundamentalwahrheiten nicht glauben 8 1 . Schließlich spricht sich Morel über die Beziehungen zwischen dem mysticum corpus u n d der römisch-katholischen Kirche aus: Pius XII. will mit dem Ausdruck mysticum corpus ebensowenig wie Paulus eine exakte u n d theologisch präzise Definition dessen geben, was die Kirche ist 8 2 ; in der Tat transzendiert das irdische m y s t i c u m corpus die römisch-katholische Kirche, die freilich als dessen einzig legitime Manifestation trotzdem das unbestrittene Recht hat, sich mysticum corpus im ausgezeichneten Sinn („par excellence") zu nennen. Morel hat in seiner Abhandlung nur das räumliche Ubergreifen des mysticum corpus über die römisch-katholische Kirche gezeigt, C o n g a r ergänzt ihn dabei insofern, als er entsprechende Überlegungen f ü r den Bereich der 80 Hebr. 11, 6, vgl. Thomas, Summa a.a.O. I P II a e , qu. 2, art. 8, 1: Das ist der Satz, den alle Glaubenswahrheiten auf irgendeine Weise enthalten und in dem sie letztlich auch alle implicite enthalten sind. 81 Vgl. Kapitel IV, unten S. 83 f. 82 Morel a.a.O. 718, vgl. unten S. 52 Anm. 90.
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Zeit anstellt. Er erläutert in seinem Aufsatz „Ecclesia ab Abel" 83 , wie sich das Denken der Theologen von den Zeiten der Apostel bis in unsere Tage hinein immer wieder mit der Vorstellung einer Kirche beschäftigt, zu der auch die Frommen des Alten Bundes 84 gehören. „ Z u m Leib Christi gehören, zu diesem Leib, der die Kirche ist, gehören, das bedeutete f ü r die Alten: durch den Glauben in einer Lebens- u n d Heilsbeziehung mit dem einzigen, obersten und universalen Mittler Christus stehen, dessen Wirkungskraft jede zeitliche und räumliche Begrenzung überschreitet." 85 Dieser Gedanke, der solch eine ansehnliche Tradition hinter sich hat und mit der Enzyklika wohl vereinbar ist, sollte, wie Congar meint, als notwendige und bereichernde Ergänzung zu einer Ekklesiologie hinzukommen, die den Begriff mysticum corpus allein auf die römische Kirche einschränkt. Der Grad der Verbundenheit mit Christus, der thomistische „influxus vitae Christi", der in abgestufter Intensität auf die Glieder einwirkt, scheint ein sehr erwägenswertes Kriterium f ü r die kirchliche Gliedschaft zu sein. Der Hauptunterschied zu den drei Gliedschaftsbedingungen bei Pius besteht wohl darin, daß es sich hier u m ein rein innerliches Kriterium handelt, welches sich zwar nach außen adäquat manifestieren kann, aber nicht muß, und dessen äußere Ablesbarkeit jedenfalls nicht den letzten Ausschlag f ü r ein Urteil gibt. Bei Thomas ist es konsequent durchgeführt mit dem Erfolg, daß jedenfalls an dieser Stelle des Systems kein Platz f ü r eine hierarchischorganisierte römisch-katholische Kirche ist. Morel dagegen kombiniert beide Maßstäbe; er bezieht, u m diesen Mangel zu vermeiden, die „reapse"-Gliedschaft als Element mit in seine Klassifizierung ein und nennt alle römischen Katholiken „membres eminents". Die Berechtigung dazu entnimmt er seiner Uberzeugung, daß die römische Kirche mit ihren sieben Sakramenten, der ungeschmälerten Offenbarung, der Ganzheit der moralischen Forderungen u n d dem unfehlbaren Lehramt allein die Fülle Christi besitzt. Die Richtigkeit dieses Glaubenssatzes einmal unterstellt, ist aber doch nicht einzusehen, wie sich all diese Vorzüge auf die innere Verbundenheit eines Menschen mit Christus positiv auswirken sollen, der zwar beim Standesamt als römisch-katholisch gemeldet ist, sich aber außerdem u m seine Kirche nicht das Geringste kümmert. Daß in einem ernstlich bemühten nicht-römischkatholischen Christen demgegenüber eine intensivere Gnadenwirkung vorhanden sein kann, wird niemand bestreiten 86 . Warum soll nun jener eine hervorragendere Gliedstellung einnehmen? Entweder man betrachtet die 83
Congar, Festschrift für Karl Adam. Nur die „Frommen" oder die „Gerechten" des Alten Bundes gehören dazu; auch hier ist die innere Christusverbundenheit eigentliches Gliedschaftskonstitutivum. 85 Nach dem französischen Text bei Congar a.a.O. 97. 88 Daß die Gnade auch außerhalb der Kirche wirkt, ist römisch-katholische Lehre, vgl. D 647, 1295, 1379, 1646. M
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Christusverbundenheit als Kriterium und führt sie mit Thomas konsequent durch, oder man teilt mit Pius das Attribut „reales Glied" nur dem zu, der die drei äußeren Gliedschaftsbedingungen erfüllt. Die von Morel versuchte Kombination der Aspekte muß in sich widersprechend bleiben 87 . U m eine noch etwas differenziertere Verhältnisbestimmung von „mysticum corpus" und „Ecclesia Catholica R o m a n a " , als sie bei Morel und Congar zu finden war, bemühen sich die beiden Aufsätze von N o t h o m b und Lieg^ 88 . Nothombs Arbeit beginnt mit der Feststellung, die Identifizierung des mystischen Leibes Christi mit der römisch-katholischen Kirche sei durch die beiden Enzykliken „Mystici Corporis" und „Humani Generis" als eindeutige Lehre offiziell autorisiert. Dann wird die Frage gestellt 8 9 : Ist der mystische Leib Christi also , ^ έ ς ^ ΐ ε π ι ε Μ et exclusivement" die römische Kirche? Als Gründe gegen diese Behauptung führt N o t h o m b an: Der Ausdruck „Leib Christi", dem im übrigen zahlreiche andere Bilder von der Kirche an der Seite stünden, könne niemals eine exakte Definition leisten wollen 90 . Außerdem beschränke sich Pius in seiner Darlegung über die Kirche auf das, was die „ecclesia militans" betreffe, eine Einschränkung, die aus praktischen Gründen durchaus legitim sei, aber keineswegs die traditionelle Lehre auszuschließen trachte, daß „mysticum corpus" darüber hinaus die triumphierende und die leidende Kirche umschlösse. Im Gegenteil: an einer Stelle rechne Pius selber außer den Seelen im Fegfeuer auch die Katechumenen zu den Gliedern hinzu 91 . Endlich stimme Pius mit Thomas darin ganz überein, daß der Heilige Geist die Seele des Leibes sei, woraus folge, daß „der Christ zum Glied Christi oder zum Glied seines Leibes — das ist ein und dasselbe — konstituiert wird, weil und in dem Maß, als der Heilige Geist ihn bewegt, heiligt und schließlich bewohnt" 9 2 . Es bleibt wohl dabei, daß das irdische mysticum corpus und die römische Kirche identisch sind,
87 Vgl. die Andeutung dieser Einwände bei Zapelena a.a.O. II, 370f., die im übrigen in den nächsten beiden Kapiteln nochmals aufgenommen und vertieft werden müssen. 88 Nothomb und Lidgd a.a.O. (vgl. oben S. 29 Anm. 4). 89 Nothomb a.a.O. 236. 90 So auch Morel a.a.O. 718, vgl. oben S. 50 Anm. 82. 91 Diese Interpretation stützt sich darauf, daß in Tromps Textausgabe der Enzyklika unter der Kapitelüberschrift: Das dauernde Gebet. . . „pro membrisEcclesiae" (n. 99) auch die „membra" zu finden sind, die „vita functi piaculari igne purificantur", und diejenigen, ,,qui christianis praeceptis instruantur, ut quam primum lustralis aquae lavacro expiari queant". Zu bemerken ist, daß die bei Tromp eingefügten Kapitelüberschriften im Originaltext der Enzyklika (AAS X X X V , 1943, 193—248) nicht stehen. Sie finden sich aber im Inhaltsverzeichnis am Schluß dieses Bandes (436), sowie in den offiziellen Versionen, die der Vatikan bald nach dem Erscheinen der Enzyklika herausgebracht hat — so z.B. in der amtlichen französischen Übersetzung. Ihre Verbindlichkeit ist umstritten. 92 Nach dem französischen Text bei Nothomb a.a.O. 239.
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und Morel werde der Enzyklika nicht gerecht, wenn er davon spricht, daß das irdische mysticum corpus über die Grenzen der römisch-katholischen Kirche hinausgehe. Aber die sichtbare Manifestation dieser — noch einmal — einzigen Realität ist beschränkter als ihr Einflußbereich, ihre Anlage (ebauche) und ihre (an und für sich anormalen) Ausdehnungen. Die drei Bedingungen von Pius sind und bleiben die einzig möglidhen Konstitutive einer normalen Gliedschaft, aber gerade der Ausdruck „reapse" läßt den Raum für eine geminderte, anfangsweise, teils oder völlig unsichtbare, zweifellos anormale, aber ebenso sicher wahre und wirkliche Gliedschaft, die durch das Wirken des Heiligen Geistes geschaffen ist. Mit diesem Grundsatz stellt nun N o t h o m b eine in vier Gruppen geteilte Gliedschaftsübersicht dar, der Morelschen in mancher Beziehung verwandt, nur noch etwas differenzierter als diese. Jene letztliche Unvereinbarkeit von inneren und äußeren Kriterien ist auch hier noch deutlich zu spüren, obgleich ihre Verflechtung noch ein Stück weiter versucht ist. So wird bei der „reapse"-Gliedschaft gesagt, daß sie bei Gnadenbesitz geistlich-lebendig, wenn nichts als Glaube zugrunde liegt, rein materiell und schwach ist. Das „reapse" bleibt freilich davon in seiner Substanz unberührt, und was dann ist, wenn auch der innere Glaube noch fällt, davon wird überhaupt geschwiegen. Bei den anormalen Gliedern kommen wieder wesentlich die inneren Gesichtspunkte des Gnadenstandes und der Gutgläubigkeit in Betracht; im Unterschied zu Morel ist bemerkenswert, daß es nach N o t h o m b eigentlich niemanden gibt, der ausdrücklich gar nichts mit der Kirche zu tun hätte; denn auch Nichtchristen im Stand der Sünde sind doch, wiewohl bei ihnen kaum mehr von Gliedschaft zu sprechen ist, von der universalen Liebe Christi umgriffen, der in ihnen mit den aktuellen Gnaden darauf hinwirkt, daß er auch sie sich inkorporiert. Ähnliche Gedankengänge wie bei N o t h o m b findet man in Lieges genanntem Aufsatz. Bereits oben wurde, wie auch bei Morel, das allgemeine Anliegen deutlich, den Akzent von einem äußerlich interpretierten Kirchen- und Gliedsdiaftsbegriff auf das Innere zu verlagern. Innen und Außen sind die zwei untrennbaren Aspekte der Kirche — aber das Innen muß doch mehr betont werden. Wenn Pius in der Enzyklika bei der Gliedschaftsfrage die Sichtbarkeit immer wieder hervorhebt, so hat das darin seine Ursache, daß er eine „pastorale Definition" der Kirche geben will. Pastoral nennt sie Liege deswegen, weil die Kirche für die Ausübung ihrer Seelsorge klar und sicher wissen muß, wer und wo ihre Glieder sind, wobei sie auf sichtbare Zeichen angewiesen ist. Diese pastorale Definition ist notwendig und legitim, aber sie schließt nicht die speziell theologische aus, die die Gliedschaft nicht vom empirisch-akzidentellen, sondern vom essentiellen Aspekt aus bestimmt. Unter diesem Blickpunkt ist Glied, wer mehr oder minder im Besitz göttlichen Lebens ist. Im Idealfall manifestiert sich dieser Besitz auch äußerlich in der Gemeinschaft mit der römisch-katholischen Kirche; ist dieses 53
äußere B a n d aber zerschnitten, so kann immer noch die innere Verbindung bleiben — und das ist nach Liege die entscheidende 9 3 . Diese u n d noch manche andere Darlegungen über das Gliedschaftsproblem, die in irgendeiner der aufgezeigten N u a n c e n dem U m s t a n d dogmatisch Rechnung tragen, daß die Tradition ein über die römisch-katholische Kirche zeitlich-räumlich hinausgreifendes mysticum corpus kennt, werden nun, wie es scheint, von G r u n d auf in Frage gestellt durch einen Satz aus der Enzyklika „ H u m a n i Generis": „ Q u i d a m censent se non devinciri doctrina paucis ante annis in Encyclicis Nostris Litteris exposita, ac fontibus ,revelationis' innixa, quae quidem docet corpus Christi mysticum et Ecclesiam Catholicam R o m a n a m u n u m idemque esse." 8 4 Sebastian T r o m p hat 1937 ein Buch mit dem Titel „ C o r p u s Christi q u o d est Ecclesia" herausgebracht, dessen eigentlich dogmatisches Ergebnis in der Behauptung besteht: „Viatoribus C o r p u s Mysticum est Ecclesia Catholica R o m a n a . " 9 5 K o n n t e man diesen Satz anfangs noch als theologische Meinung betrachten, so ist er mittlerweile z u m R a n g einer Lehre aufgerückt, die immerhin die Autorität zweier Enzykliken 9 6 hinter sich hat. Eine ausführlichere, auch apologetisch-polemische Entfaltung und Zuspitzung dieser bei T r o m p in merkwürdiger K ü r z e verbleibenden These gibt Zapelena, der in seinem Tractatus einen eigenen Abschnitt „ d e coextensione corporis mystici et Ecclesiae R . Catholicae" 9 7 vorlegt. Darin wird festgestellt, daß Pius die Frage nach der Übereinstimmung von mysticum corpus und römisch-katholischer Kirche 1943 und 1950 klar gelöst habe, und diese Lösung sei die einzig maßgebende! Es wird natürlich gesehen, daß es bei den Vätern das andere Verständnis gibt v o n der Ecclesia ab Abel, v o n der Ecclesia universalis, v o m mysticum 98 Li6gd hat in einem weiteren Aufsatz „ L e Salut des .Autres'", in: Lumiere et Vie 1954, 741—778, zur pastoralen und theologischen Definition der Kirche noch eine dritte, die rein juristische, hinzugefügt. Er gibt dort folgende Erklärung (760ff.): Der rechtliche Aspekt bemißt die Gliedschaft nach rein äußerlichen Kriterien, ohne zu fragen, was dahintersteht; der pastorale spricht auch von äußeren Bedingungen, versteht sie aber als Ausdruck des inneren Lebens in Christus; der theologische endlich geht vom Zentrum der inneren Verbundenheit mit Christus aus und bemißt nach deren Intensität die Gliedschaft. — Dieser Aufsatz muß außerdem deswegen hier genannt werden, weil auch er von einem über die äußeren Grenzen der römischkatholischen Kirche hinausgreifenden Heilsinstitut redet, das in diesem Fall nur nicht mysticum corpus, sondern „Royaume de Dieu" heißt. Etwas Ähnliches gibt es bei Rahner (Schriften II a.a.O. 89ff.) unter dem Namen „Volk Gottes". Beide Arbeiten liefern indes für das im Augenblick behandelte Problem keine weiteren Gesichtspunkte. 91 A A S X L I I , 1950, 571; Tromp a.a.O. 68; D 2319. 95 Tromp, Corpus Christi quod est Ecclesia, 167. 96 Congar, der sich selbst ja wahrhaftig nicht auf die Lehrmeinung Tromps festlegt, nennt sie gleichwohl „une interpretation qui a regu la consicration solennelle de deux encycliques" (Ecclesia ab Abel 96). 97 Zapelena a.a.O. II, 359ff.
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corpus, das alle Heiligen vom Anfang bis zum Ende der Welt umfaßt, welche durch den Glauben an den Erlöser gerettet werden. Wo dieses weitere Verständnis das strengere verdrängt, geschieht dies aber „non absque periculo doctrinae" 98 . Tromp spricht davon, daß der Begriff mysticum corpus einen doppelten Sinn habe: einen Primärsinn, der zuerst in der Schrift geoffenbart und zuerst vom Lehramt vorgelegt worden sei, des Inhaltes, daß mysticum corpus und römisch-katholische Kirche ein und dasselbe seien. Und dann noch einen Sekundärsinn, über dessen nähere Einzelheiten Tromp aber, wie Zapelena bemerkt, „prudenter tacet" 89 . Zapelena selbst glaubt, in jenem Sekundärsinn die weitere Konzeption der Väter sehen zu dürfen und fühlt sich durch diesen Schluß zu der kritischen Frage genötigt: Warum soll man unter diesen Umständen mit Tromp von einem Sinn sprechen, der zuerst in der Schrift geoffenbart und zuerst vom Lehramt vorgelegt worden ist? Nein, dieser von Tromp so genannte Primärsinn, die unbedingte Identifikation von mysticum corpus und römisch-katholischer Kirche, ist die einzig geoffenbarte Konzeption. Zugunsten des zweiten Sinnes kann man nicht die Maßgeblichkeit der Tradition ins Feld führen; diese ist hier zweifelhaft und uneinheitlich, und überhaupt bekommt sie ihren theologischen Wert erst durch ihre Verknüpfung mit dem kirchlichen Lehramt, welches sich ja eindeutig geäußert hat. Die vage, unbestimmte und unbegrenzte Ekklesiologie der Väter kann demnach nicht als Tradition beurteilt werden, die mit einem wirklichen theologischen Wert ausgestattet wäre 100 ; man muß die Ungetauften, und vor allem die alttestamentlichen Frommen, auf jeden Fall von der Bezeichnung „membrum ecclesiae" ausschließen, was Zapelena sich denn audi sehr angelegen sein läßt. Bei einem auch nur oberflächlichen Vergleich der „thomistischen" und der Tromp-Zapelenaschen Position findet man ohne Zweifel die theologische Tiefe, Gründlichkeit, das Aufdecken der inneren Zusammenhänge und das Ausblenden des eingeschlagenen Weges bei der ersten. Die Bemühungen der zweiten beschränken sich mehr oder weniger darauf, für ihren einen Lehrsatz immer wieder auf die beiden phänischen Enzykliken zu verweisen, wobei die wohlbegründeten Einwände der anderen Seite allzuofl unberücksichtigt " Tromp a . a . O . 127. Das zur Debatte stehende Problem hat auch Johannes Beumer SJ in zwei Aufsätzen diskutiert: „Ein neuer, mehrschichtiger Kirchenbegriff", Trierer Theologische Zeitschrift 65, 1956, 93—102, beleuchtet die weite Konzeption von „mysticum corpus", wie sie „einige Theologen des französischen Sprachgebietes" haben, mit viel Sympathie für die positiven Seiten dieser Lehre, ohne daß der Verfasser selbst sich freilich ihr anschlösse. Trotz aller damit ungelöst verbleibenden Fragen hält er vielmehr in seinem anderen Aufsatz „Die Identität des mystischen Leibes Christi und der katholischen Kirche", ThGl 44, 1954, 3 2 1 — 338, an der Lehre der Enzyklika „Humani Generis" im Sinne Tromps und Zapelenas fest. •— Die folgenden Gedanken bei Tromp Corpus C h r i s t i . . . 167. 89 Zapelena a . a . O . II, 366 und 383f. 100 Zapelena a . a . O . II, 3 8 8 : „. . . nequit censeri ut traditio vero valore theologico praedita."
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bleiben. Gleichwohl kann ihr Anspruch nicht überhört werden, daß sie in diesem Punkt das einzig legitime, weil textgemäße Verständnis der genannten Enzykliken darstellt. Wenn dort am Anfang steht: „Mystici Corporis Christi quod est Ecclesia . . . " , was in „Humani Generis" zur Ausschaltung jedes Mißverständnisses auf die Formel „Mysticum Corpus Christi et Ecclesiam — nota bene! — Romanam Catholicam unum idemque esse" gebracht ist, dann ist nur schwer zu begreifen, wie eine Gliedschaftskonzeption sich auf jene Lehre berufen kann, die gleich zu Beginn einen gröberen oder feineren Keil zwischen die beiden offiziell zu einem „unum idemque" vereinigten Größen treibt. H a t man nicht die dem T e x t entsprechende Interpretation der Enzyklika bei T r o m p zu sehen? Und wenn Morel 1948 jenen Weg einer Unterscheidung zwischen mysticum corpus und römischer Kirche noch für einen legitimen hielt, mußte er sich dann nicht zwei Jahre später davon überzeugen, daß er vom kirchlichen Lehramt als Holzweg gesperrt wurde? Bleibt hier noch etwas anderes übrig, als Zapelenas R a t zu befolgen und „perspicuam Ecclesiae doctrinam . . . sincera atque devota mente acceptare" 1 0 1 ? Selbstverständlich haben jene an Thomas orientierten Theologen ihre Konzeption derartigen Angriffen gegenüber verteidigt, freilich ohne daß dies ganz gelungen wäre. Am wenigsten stichhaltig unter den Versuchen hierzu scheint die von Congar und N o t h o m b geäußerte Uberzeugung, der pianische und der thomistische Begriff von mysticum corpus ließen sich harmonisch vereinigen. „Ces deux aspects . . . se completent, s'harmonisent et se nuancent mutuellement" 1 0 2 heißt es, und: „ces considerations (die Väterlehre) s'accordent avec l'enseignement de l'encyclique Mystici Corporis" 1 0 3 . Aber wie sollte das möglich sein? Entweder sind mysticum corpus und römisch-katholische Kirche ein und dasselbe oder sie sind es nicht. Wie sollen sich zwei Lehren gegenseitig ergänzen, ausgleichen, nuancieren, wie sollen sie miteinander übereinstimmen, wenn sie sich ihrem Wortlaut nach ausschließen? Liegέ hat statt dessen seine zwei oder drei „definitions" der Kirche 1 0 4 , deren juridische und pastorale er unter der Versicherung ihrer Berechtigung unerörtert läßt, um sich mit ganzem Interesse der eigentlichen theologischen zuzuwenden. Wie er freilich die einzelnen „definitions" untereinander verbinden will, wird man ihn vergeblich fragen. A m eindeutigsten und den Tatsachen am bewußtesten Rechnung tragend zeigt Rahner, was er mit jener Erweiterung des Kirchenbegriffs unternimmt. Schon Morel hatte ja die Meinung geäußert, daß Pius mit dem Satz: „Iam vero ad definiendam describendamque hanc veracem Christi Ecclesiam . . . nihil nobilius, nihil praestantius, nihil denique divinius invenitur sententia illa, qua eadem nuncupatur .mysticum Iesu Christi Corpus' " 1 0 5 — daß er mit diesem Satz nicht sowohl eine 101 103 105
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102 Nothomb a.a.O. 247. Zapelena a.a.O. II, 372. 104 Vgl. oben S. 54 und Anm. 93. Congar, Ecclesia ab Abel 99. Tromp (Textausgabe der Enzyklika) a.a.O. n. 13.
präzise Definition als vielmehr eine beschreibende Erklärung dessen geben wollte, was Kirche ist. Nothomb hat diese Meinung aufgenommen und durch die Beobachtung gestützt, daß in der Enzyklika außerdem noch die Bilder von der Braut, von der Stadt, vom Haus, von der Herde, vom Weinstock, vom Reich — höchst bezeichnenderweise freilich nie die Bezeichnung „Volk Gottes"! — für die Kirche gebraucht werden 106 . Rahner spricht sich im gleichen Sinn, indes vorsichtiger und dabei genauer aus: „ . . . wird man diese terminologische Identifikation von Kirche und corpus mysticum durch die Enzyklika nidit in dem Sinn theologisch verpflichtend betrachten müssen, daß hinfort eine Verwendung des Begriffes corpus Christi mysticum in einem weiteren Sinn terminologisch grundsätzlich in gar keinem Fall mehr statthaft wäre.*'107 Es wird sich lohnen, diesen Argumenten etwas näher nachzugehen. Zunächst sind sich ja die beiden Partner dieser Kontroverse darin einig, daß es Menschen gibt, denen nicht rundweg jede Beziehung zu Christus (und damit zur Kirche) abgesprochen werden kann, obgleich sie nicht reapse-Glieder der römischen Kirche sind. Es wird ferner im nächsten Kapitel deutlich werden, daß auch die offiziell-päpstliche Lehre über diese Menschen als Kriterium für jene Beziehung den inneren Gnadenstand und den übernatürlichen Glauben namhaft macht. Die Meinungsverschiedenheit beginnt eigentlich erst da, wo die „thomistischen" Theologen jene Menschen mit den römischen Katholiken zusammen als Ganzes, als corpus sehen, dem sie dann die Bezeichnung „corpus Christi mysticum" geben, während Tromp und Zapelena ihm diesen Titel verweigern. Grundsätzliche Einigkeit herrscht ferner darüber, daß mysticum corpus und ecclesia Catholica Romana „ein und dasselbe" sind, die Frage ist wiederum nur, ob nach dieser Feststellung die Bezeichnung mysticum corpus unter keinen Umständen mehr weiter begriffen werden darf, oder ob dies noch möglich ist. So gesehen ist die Kontroverse ein Streit um Worte, bei dem Tromp/Zapelena höchstens zu fragen wären, wie sie denn jene Menschengruppe zu bezeichnen gedenken, die ja auch sie in ihrer Gliedsdiaftslehre nicht außer Berücksichtigung lassen können. Aber dieser terminologische Streit bekommt seine besondere Note dadurdi, daß die eine Partei energisch die Enzyklika „Humani Generis" für ihre Meinung beansprucht, und zwar wohl mit Recht, wie eine nähere Betrachtung des Textes ergibt. Daß die Ausführungen der Enzyklika einen maßregelnden Sinn haben, deutet bereits die Überschrift über ihre Wiedergabe bei Denzinger an 108 , und daß der hier diskutierte Passus insbesondere so zu verstehen ist, Morel a.a.O. 718; Nothomb a . a . O . 236f. Rahner a . a . O . 72. 73, Anm. 2 verwahrt er sich davor, unter die gerechnet zu werden, „die die traditionelle Lehre von der Identität zwischen den beiden Begriffen in Zweifel ziehen". 108 „De nonnullis falsis opinionibus, quae catholicae doctrinae fundamenta subruere minantur" (D vor 2305). 106 107
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dürfte wohl daraus hervorgehen, daß die erwähnte ekklesiologische Unbotmäßigkeit mit anderen Lehrmeinungen zusammen unter den „giftigen Früchten" aufgezählt wird, welche gewisse Neuerungen auf nahezu allen Gebieten der Theologie gezeitigt hätten 109 . Diese Abzweckung der Stelle dürfte nicht ohne Belang sein angesichts der mannigfachen Kommentare, die sie erhalten hat: Etwa, es werde nur eine materielle und keine formelle Identität gelehrt, es gäbe Kirche und mysticum corpus jeweils in engerem und weiterem Sinn, an dieser Stelle sei stillschweigend nur das mysticum corpus „terrestre" vorausgesetzt, die Identifizierung sei nicht in dem Sinne gemeint, daß man dem mysticum corpus besondere, über die ecclesia Catholica Romana hinausgehende Eigenschaften zusprechen könnte, gelte überdies nur für den pastoralen Bereich und ließe andere Bereiche unberührt. All diese Erklärungen mögen höchst bedenkenswert sein; angesichts der lapidaren Ausdrucksweise der sonst nicht gerade wortarmen Enzyklika wirken sie als Ausweichen vor der eigentlichen Lehre, als eine Flucht vor dem, was die Enzyklika sagt, zu dem, was sie nicht sagt. Es bleibt ja audi nicht bei der bloßen Erhebung jener Distinktionen, sondern diese haben gleichzeitig den Zweck, nicht etwa die Ausführungen der „thomistischen" Theologen positiv zu begründen (hierzu wird das Material anderswoher geholt), sondern nur negativ, das Terrain vor einem denkbaren Angriff durch die Enzyklika abzuschirmen durch den Erweis, daß ein solcher in eine ganz andere Richtung geht. Dieses methodische Vorgehen führt unmittelbar zur Frage nach der Verbindlichkeit der Enzyklika. Man erfährt nur, daß sie „kein Dogma" ist und stellt praktisch fest, daß sich jeder Kommentar bemüht, nicht im Widerspruch mit ihr zu stehen. Aber ob diese negative Respektierung schon genügt? Zweifellos hat sich „Humani Generis" zur Frage mysticum corpus geäußert; entspricht es ihr, sich an dieser Frage auf ein Gebiet zu begeben, das sie vielleicht nicht mehr erreicht? Von evangelischer Seite her muß man die Formulierung der Enzyklika auf jeden Fall unglücklich finden. Ist nämlich die „thomistische" Interpretation in irgendeiner der dargestellten Formen die sachgemäße, dann könnte man nur von einer teilweisen Identität sprechen, d. h. mysticum corpus und Ecclesia Catholica Romana würden sich dann bis zu einem gewissen Grad decken, aber es gäbe auch Bereiche, in denen sie voneinander verschieden sind. Unter diesen Umständen müßte man jedoch differenziertere Ausführungen über den Grad oder Modus der Übereinstimmung verlangen. Ist aber, was dem Wortlaut wohl besser entspricht, von einer absoluten und unbedingten Identität die Rede, so hätte man von evangelischer Seite erst recht Bedenken gegen ein solches Verfahren vorzubringen. Einmal die grundsätzliche Frage: Wie kann man denn die Tradition, die als Offenbarungsträger gilt, in solch einer gewichtigen Ausprägung einfach für theologisch wertlos erklären? — loa ρ 2317: „Ac mirum non est huiusmodi novitates, ad omnes fere theologiae partes quod attinet, iam venenosos peperisse fructus." 58
denn dieses Urteil Zapelenas ist ja nur konsequent! A u ß e r d e m m u ß m a n sich vergegenwärtigen, d a ß der Begriff mysticum corpus, an sich wie jedes Gleichnis vieldeutig u n d komplex, jeweils v o m Zusammenhang her auf seine ganz bestimmte Intention b e f r a g t werden m u ß . M a n w i r d nicht fehlgehen, wenn man die Ä u ß e r u n g Pius' X I I . aus der Absicht heraus versteht, die A u t a r k i e der römischen Kirche zu festigen u n d der Meinung entgegenzutreten, als b e d ü r f e diese zu ihrer Vollständigkeit etwa noch anderer als der reapse-Glieder. W e n n m a n aber weiß, wie dieser apologetische G e d a n k e der neutestamentlichen Begrifflichkeit völlig fernliegt, d a n n m u ß man es klar ablehnen, d a ß er nicht nur aus dieser deduziert, sondern auch zu ihrer H a u p t aussage gemacht wird. Ging es Pius X I I . d a r u m , auf keinen Fall den Eindruck a u f k o m m e n zu lassen, als sei die römische Kirche der E r g ä n z u n g durch „ N i c h t k a t h o l i k e n " bedürftig, so ist es das Anliegen jener Theologengruppe, das Gliedschaftsp r o b l e m zu verinnerlichen; deshalb nämlich b r i n g e n sie den thomistischen Aspekt so k r ä f t i g z u r Geltung. O b e n w u r d e schon sichtbar 110 , wie heftig sich Liege u n d Morel gegen eine im äußeren Bereich bleibende Interpretation der drei Gliedschaftsbedingungen sträubten, ebenso aber auch, d a ß sie dadurch in Konflikt mit dem Text der E n z y k l i k a „Mystici C o r p o r i s " gerieten. Geht die Tendenz dahin, die kirchliche Gliedschaft nach innerlichen Kriterien, der L e b e n s v e r b u n d e n h e i t m i t Christus, der P a r t i z i p a t i o n a m Heiligen Geist, oder wie sonst m a n sich ausdrücken will, zu bestimmen, so lassen sich z w a r die differenziertesten A b s t u f u n g e n in der Gliedschaftsintensität vornehmen, aber diese gehen allmählich ineinander über, u n d an keiner Stelle des Weges bietet sich der Anlaß, d o r t eine entscheidende M a r k i e r u n g anzubringen, w o die Vollgliedsdiaft beginnt. So ist der von Zapelena gegen Morel u n d andere erhobene V o r w u r f , bei ihnen k ä m e die T a u f e als das entscheidende M o m e n t der Eingliederung in die Kirche zu kurz, durchaus berechtigt — aber wie w ä r e in diesem Zusammenhang etwas anderes denkbar? W e n n es auf die innere Christusverbundenheit a n k o m m t — was k a n n dann das äußere Zeichen der T a u f e , die m a n freilich dadurch nicht herabwürdigen will, noch E n t scheidendes f ü r die Gliedschaft bedeuten? In d e m T h o m a s z i t a t k o m m t sie ü b e r h a u p t nicht vor, u n d das entspricht im G r u n d e der genuinen K o n z e p t i o n der e r w ä h n t e n G r u p p e . In der T a t freilich ist sie bei jedem von ihnen irgendwann, vermutlich durch die E n z y k l i k a veranlaßt, einmal e r w ä h n t , aber m a n hat dabei stets den Eindruck einer gewissen Zufälligkeit u n d im G r u n d e Unangebrachtheit. U n d wenn, wie es in dieser Tendenz liegt, die inneren Kriterien konsequent beibehalten werden, d a n n sind „ d e r wesentlichste Teil und sozusagen der eigentliche K e r n (fond) der Kirche" die Erwählten 1 1 1 . 110
Vgl. oben S. 30 und S. 42. Nach einem Zitat aus Bossuet, das Liege in seinen beiden Aufsätzen (RSPT a.a.O. 356 und Lumiere et Vie a.a.O. 757f.) anführt. Von da aus ist die Bezeichnung derer, die zwar die äußerlichen Gliedschaftsbedingungen erfüllen, der inneren Liebe 111
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Liege ist indes der einzige, der den Weg bis zu dem an diesem Punkt liegenden Ende geht; in den übrigen Fällen wird diese letzte Spitze abgeschnitten und durch die „reapse"-Glieder der römischen Kirche ersetzt. Im übrigen finden sich auch mehr oder minder häufig eingestreute Versicherungen, daß ja im „Ideal- oder Normalfall" inneres Leben und äußere Verbindung zusammengehen, aber wiederum tragen diese Versicherungen den Charakter gelegentlicher Konzessionen gegenüber der Eindeutigkeit dessen, was im Falle eines „anormalen" und „nicht idealen" Auseinandertretens der Ebenen den Ausschlag gibt. War dies die mehr subjektive Seite des Problems, so gibt es daneben seine objektive, die im Blick auf das Ganze der Kirche auftaucht. Der zweite Grund nämlich, aus dem heute noch so beharrlich die thomistische Sicht des mysticum corpus festgehalten wird, liegt darin, daß sie geeignet erscheint, dessen Universalität zu verdeutlichen. Thomas hat seine Theorie ja gerade entwickelt, um zu zeigen, wie allumfassend das corpus mysticum ist 112 ; außerdem versteht er „das Problem der Kirchengliedschaft im Vergleich zur neuzeitlichen Theologie unmittelbarer als Problem des Heiles" 113 . Die gleiche Beobachtung kann man nun auch bei seinen „Nachfolgern" finden, die alle von einem ausgesprochenen Interesse f ü r das Schicksal derer geleitet werden, welche nicht als ordentliche Glieder der römischen Kirche zugehören. Damit sind in erster Linie die Christen gemeint; bei Liege jedoch, der in seinem zweiten Aufsatz 114 dieses Anliegen besonders deutlich zeigt, geht es um die „autres" schlechthin, und dabei gerade um die Heiden. Eine moderne Besinnung über diese Frage kann freilich jene Universalität nicht mehr so ungebrochen entfalten wie Thomas; Lieg£ zeigt vielmehr gleich zu Beginn seiner Überlegung, wie sie sich stets zwischen zwei Polen bewegt, insofern sie immer zugleich bedenken muß, daß Gottes Heilswille universal ist (1. Tim. 2, 3—4 u n d 4,10) u n d daß es außerhalb der Kirche kein Heil gibt (wozu auf Mk. 16,16 verwiesen wird). Dasselbe meint Chavasse, wenn er darlegt, wie in der Kirche lange Zeit der Satz von der Heilsexklusivität der Kirche 115 voll anerkannt, aber gedanklich unverbunden neben dem von der Wirksamkeit der Gnade auch außerhalb der Kirche11® gestanden hätte 117 . Liege sieht dabei klar, daß das Fallenlassen eines dieser beiden Sätze eine unannehmbare, weil auf Kosten der Wahrheit gehende Scheinund des übernatürlichen Glaubens aber völlig bar sind, als „fiktive Glieder" eine notwendige Folge. Auch dieser Ausdruck findet sich nur bei Lidgd (Lumifere et Vie a.a.O. 763). — Bei Bellarmin kommt diese Bezeichnung „membra secundum apparentiam externam, putative, non vere" genau im umgekehrten Sinn vor: für vermeintlich gültig Getaufte, vgl. Joh. Beumer SJ, Die kirchliche Gliedschaft in der Lehre des hl. Robert Bellarmin, ThGl 37/38, 1947/48, 243—257 (255). 112 Vgl. oben S. 48. 113 114 Schmaus a.a.O. III/l, 429. Liέgέ, Lumiere et Vie a.a.O. 741 if. 115 116 D 714, 1000, 1647, 1677. D 1295, 1379. 117 A. Chavasse, Ordonn6s au Corps Mystique, NRTh 80, 1948, 698. 60
lösung wäre; es muß vielmehr eine Verständigung irgendwo auf dem dazwischenliegenden Feld gefunden werden. Freilich scheint es in der Praxis kaum möglich, beide Sätze mit gleichem Gewicht zur Sprache zu bringen; „ H u m a n i Generis" redet nur von der Heilsexklusivität der Kirche, während bei den „Thonlisten" der Akzent auf ihrer Universalität liegt. Ihr gemeinsames Anliegen ist es, den allgemeinen Heilswillen Gottes aufzuzeigen und zu entfalten, wobei die Heilsexklusivität der Kirche als respektiertes Korrektiv seltener oder öfter auftaucht, aber jedenfalls das Sekundäre ist. Hier wurde — um die verschiedenen Skizzen einmal auf einen Nenner zu bringen — eine Verbindung so versucht, daß sich Gottes allgemeiner Heilswille in der Weise manifestiert, daß alle Menschen, die dem keinen inneren Widerstand entgegensetzen, bewußt oder unbewußt in einem Heilsinstitut mit kosmischen Ausmaßen — im allgemeinen mysticum corpus genannt, aber auch „Volk G o t t e s " oder „ R o y a u m e de D i e u " — zusammengefaßt sind. H i n z u gefügt wird, daß die legitime, normale, ideale, eminente, einzig rechtmäßige Konkretisierung dieses umfassenden Heilsinstituts die römisch-katholische Kirche ist. Man wird nicht verkennen können, wie bei solchen Gedanken die Exklusivität der römisch-katholischen Kirche zumindest in den Hintergrund tritt. Warum denn dann überhaupt noch unbedingt römisch-katholischer Christ sein? fragt man sich. Wo doch die römische Kirche zwar eine mit zahlreichen epitheta ornantia versehene Konkretion des universalen göttlichen Heilinstituts, aber offenbar doch nicht unbedingt mit ihm identisch ist! U n d warum Mission und Wiedereinbringung der getrennten Christen? Wenn Lieg£ 118 diese Frage beantwortet: Weil auf diese Weise alles, was es an anormaler Zugehörigkeit gibt, dadurch verschwindet, daß es allein in der römischen Kirche seine Erfüllung und Vollendung findet! — so ist das ein sehr erwägenswertes Motiv, aber man darf darüber nicht verkennen, daß die ungleich viel schlagenderen Gründe hierfür, die sich aus einer unverminderten Heilsexklusivität ergäben, jetzt nicht mehr ins Feld geführt werden können. Die „thomistisdie" Konzeption in ihren mannigfachen Variationen hat zumindest die Schwierigkeiten, die mit der Lehre von einer außerordentlichen Gliedsdiaft entstehen, scharf gesehen und zum Ausdruck gebracht; es wird sich zeigen, daß bei der Entwicklung der sozusagen offiziellen Lehrmeinung zu diesem P u n k t weithin die gleichen Fragestellungen, Gedankengänge, aber audi Verlegenheiten auftauchen, wie sie hier sdion angedeutet wurden. Jedenfalls hat die Lehre von einem die Grenzen der römischen Kirche irgendwie überschreitenden corpus mysticum, in das also auch „ N i d i t katholiken" eingeschlossen sind, den Vorzug, Gottes universalen Heilswillen gebührend zur Geltung zu bringen. Scheint sich das offizielle Lehramt audi in letzter Zeit dieser A n t w o r t nicht zuzuneigen, sondern vielmehr zur 118
Liέgέ a.a.O. 767f. 61
Wahrung der Heilsexklusivität der römischen Kirche diese mit dem mysticum corpus streng zu identifizieren, so bleibt doch das Problem der außerordentlichen Gliedschaft irgendwie zu bewältigen. Die zu diesem Zweck unternommenen Versuche sollen im folgenden Kapitel dargestellt werden.
IV. Das V o t u m E c c l e s i a e Die Klammer, mit welcher das kirchliche Lehramt die beiden Pole Heilsexklusivität und -Universalität in der römisch-katholischen Kirche zu umschließen versucht hat, ist die sogenannte Lehre vom „votum ecclesiae". Diese stellt das offizielle Wort zur Frage der außerordentlichen Gliedsdiaft d a r ; deswegen scheint es geraten, ihrer Entwicklung etwas genauer nachzugehen 1 1 9 . Schon wiederholt wurde gezeigt, wie nach römischer Lehre die Taufe die Grundvoraussetzung für den Eintritt in die Kirche bedeutet, der seinerseits wieder die Basis für die Hoffnung auf das ewige Heil darstellt. Taufempfang — Kirchengliedschaft — Empfang des ewigen Heils, in dieser Reihenfolge hat sidi schon in der Alten Kirche ein gewisser ordo salutis herausgebildet. Dessen Gültigkeit mußte man allerdings, durch äußere U m stände genötigt, bald auf den Normalfall einschränken, für den sehr wohl auch Ausnahmen zuzugestehen waren 1 2 0 . In den Verfolgungen, die die christliche Gemeinde seit ihren Anfängen zu erdulden hatte, k a m es nämlidi nicht selten vor, d a ß auch Ungetaufte, also e t w a Katechumenen oder sonst dem Christentum Nahestehende, das M a r tyrium erlitten. In diesem besonderen Fall zweifelte man keinen Augenblick daran, daß derartige Märtyrer, audi wenn sie nicht getauft waren, das ewige Heil empfangen würden; bezeugen doch schon der „Hirt des H e r m a s " und Irenäus 1 2 1 — dieser unter Berufung auf das Jesuswort Mt. 16, 25 — die sichere Hoffnung auf „einen Platz zur Rechten unter den Heiligen" für den, „der um des Namens Gottes willen leidet". Hatten solche Überlegungen erst einmal den gleichen Erfolg von Taufe und M a r t y r i u m gezeigt, so lag es nahe, audi die Ursachen dieses Erfolges zu vergleichen und vom M a r t y r i u m als dem „secundum l a v a c r u m " zu sprechen. D a ß mit diesem Ausdruck das M a r t y r i u m seiner Wirkung nach nicht nur als Überhöhung und Ergänzung der Wassertaufe, sondern geradezu als deren Ersatz gewertet wird, zeigt 119 „Questa (die Votumlehre) έ stata, si puö dire, la linea evolutiva della recente ecclesiologia riguardo alia questione dei membri della Chiesa e della salvezza dei non cattolici, dei non cristiani e degli infideli" (Vodopivec, Membri in re ed appartenenza in voto alia Chiesa di Cristo, in: Euntes Docete 10, 1957, 65—104 [77]). 120 Zum folgenden A. Seitz, Die Heilsnotwendigkeit der Kirche nach der altchristlichen Literatur, Freiburg 1903, 280 und 287 ff. 121 Past. Herrn, vis 3, 2; Irenäus adv. haer. 3, 18, 4.
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Tertullian: „(sanguis)... est baptismus qui lavacrum et non acceptum repraesentant et perditum reddit." 122 So folgerichtig diese Entwicklung audi gewesen sein mag: Jene Parallelisierung bringt für die Taufe nahezu unvermeidlich ein besonders akzentuiertes Verständnis mit sich. Wenn sie ursprünglich als Gnadengeschenk Gottes und damit zugleich als Angeld auf weitere Heilsgaben gesehen wurde, so wird sie jetzt, in der Nachbarschaft des Martyriums, mehr zur menschlichen Antwort auf Gottes Gnadenzuwendung. Diese bereits hier zumindest keimhaft zu beobachtende Verschiebung in der Betrachtungsweise ist eine wesentliche Vorbedingung für die weitere Entfaltung der Votumlehre, mit der zusammen sie sich zusehends verstärkt. Ein nächster Schritt hierfür wird wiederum durch ein aktuelles Problem in der Alten Kirche veranlaßt: Als um das Jahr 250, zur Zeit der decisdivalerianischen Verfolgung, eine Seuche ausbridit, fallen dieser audi viele Christen zum Opfer, die in den staatlichen Gefängnissen inhaftiert auf ihre Aburteilung warten. Müssen diese Leute, so fragt man sich, obwohl sie doch nicht durch das Schwert des Henkers umgekommen sind, nicht trotzdem auch als Märtyrer gelten? Der Bischof Cyprian von Karthago tritt in einem Brief mit Nachdruck für diese Meinung ein und zwar mit folgender Begründung: „Corporibus etiam omnium qui, etsi torti non sunt in carcere, tarnen glorioso exitu mortis excedunt, impertiatur et vigilantia et cura propensior. Neque enim virtus eorum aut honor minor est quo minus ipsi quoque inter beatos martyres aggregentur; quod in illis est, toleraverunt quicquid tolerare parati et prompti fuerunt. Qui se tormentis et morti sub oculis Dei obtulit, passus est quicquid pati voluit; non enim ipse tormentis, sed tormenta ipsi defuerunt." 123 Wie diese Worte zeigen, ist es in dem geschilderten Fall nach Cyprians Meinung also nicht erst das faktische Erleiden des Martyriums, das zum Märtyrer macht, sondern bereits der Wille und die Bereitschaft dazu. „Quod in illis est" — soweit es an ihnen lag, hätte nichts gefehlt, daß sie das Martyrium auf sich genommen hätten; wenn es durch äußere Umstände tatsächlich dann doch nicht dazu gekommen ist, so trifft sie daran keine Schuld. Das Martyrium selbst ist ja, ebenso wie die Bereitschaft dazu, immer nur als Frucht einer besonders kräftigen Gottesliebe denkbar; ohne sie gibt es kein Martyrium, meint Chrysostomus in einem ähnlichen Zusammenhang unter Berufung auf 1. Kor. 13,3 124 . Dasselbe drückt auch Tertullian aus: „Sic 122 D e baptismo 16 (MPL 1, 1217), vgl. auch Chrysostomus, D e Maccabeis II, 2, 630 (MPG 50, 625). 123 Cyprian ep. 3 7 , 1 (MPL 4, 328). 124 In S. Romanum Märtyrern (MPG 50, 607): Αγάπη μεν γάρ και χωρίς μαρτυρίου ποιεί μα&ητάς τον χριστον, μαρτύρων δέ χωρίς άγάπης ουκ αν Ισχύσειε τούτο εργάσασ&αι. Vgl. in S. Eustathium (MPG 50, 601): μάρτυρα ουχί ό θάνατος ποιεί μόνον, αλλά και ή πρό&εσις.
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dilectio operit multitudinem delictorum, quae Deum scilicet diligens ex totis viribus suis, quibus in martyrio decertat, ex tota anima sua, quam pro Deo ponit, hominem martyrem excudit." 125 Die äußere Notlage zwingt, gedanklich zur Wurzel der Sache vorzustoßen. Diese Wurzel, die Liebe zu Gott, aus der der unbedingte Wunsch entspringt, seinen Willen zu tun, selbst und gerade dann, wenn er das Martyrium von uns verlangt, ist das Entscheidende, auch wenn der daraus erwachsende Baum sich nur ansatzweise oder gar nicht entwickelt. Vor Gottes Augen enthält jene Liebe, wenn sie stark genug ist, alle weiteren Dokumentationen implicite in sich; Gott begehrt zuletzt nicht das Blut des Menschen, sondern dessen Liebe. Infolgedessen' wäre es von der Kirche auch unbillig, den im Gefängnis an der Seuche Gestorbenen die Märtyrerkrone abzusprechen; auch sie muß hinter den Akt des Martyriums nach seinem letzten Motiv zurückfragen und ihr Urteil danach richten. Man kann das hier zutage tretende Bestreben, auf das letzte Motiv des Martyriums zurückzugehen und die Zusammenhänge „mit den Augen Gottes" zu sehen, durchaus als Vertiefung des kirchlichen Verständnisses werten. Nur muß man sich darüber klar sein, daß man mit dem Schritt von der äußeren (tatsächliches Erleiden des Martyriums) zur inneren Ebene (Gottesliebe als dessen Motiv) einen konkreten Maßstab, den man mit Sicherheit an den einzelnen Menschen anlegen konnte, verloren und statt dessen ein theoretisches Prinzip gewonnen hat, dessen faktische Verwirklichung man beim einzelnen immer nur mit einer gewissen Höchstwahrscheinlichkeit konstatieren kann. Ob ein Mensch wirklich das Martyrium erlitten hat, läßt sich von der Kirche verhältnismäßig eindeutig feststellen; darauf, daß er die Gottesliebe besitzt, kann im besten Fall sozusagen alles hindeuten. H a t man dort, beim Rückgang vom eigentlichen Martyrium auf dessen Motive, zuerst den Wunsch dazu und schließlich die Liebe als Ursprung dieses Wunsches gefunden, so geschieht für die Taufe, das primum lavacrum, etwas Analoges: Im Jahre 392 wird der jugendliche Kaiser Valentinian ermordet. Seiner Gesinnung nach war er dem Christentum nahegestanden, aber seine Hinterbliebenen machen sich Gedanken, daß er gestorben ist, ohne die Taufe empfangen zu haben. Darüber spricht der Bisdiof Ambrosius in der Leichenrede, die er für den jungen Kaiser hält: „Sed audio vos dolere, quod non (Valentinianus) acceperit sacramenta baptismatis. Dicite mihi, quid aliud in nobis est, nisi voluntas, nisi petitio? Atqui etiam dudum hoc voti habuit, ut et antequam in Italiam venisset, initiaretur et proxime baptizari se a me velle significavit; et ideo prae caeteris causis me accersendum putavit. Non habet ergo gratiam, quam desideravit; non habet quam poposcit? Certe quia poposcit accepit. Et unde illud est: Justus quacumque morte praeventus luerit, anima eius in requie erit!' (Sapient. IV, 7)." 12β 125 128
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Tertullian, Adversus Gnosticos Scorpiace, cp. VI (MPL 2, 135). Ambrosius, De obitu Valentiniani consolatio (MPL 16, 1374).
„Wenn Katechumenen durch ihr Blut abgewaschen werden, so hat diesen seine Frömmigkeit und sein Wille abgewaschen" — das ist der naheliegende Sdiluß, den im Fortgang seiner Rede Ambrosius für den jungen Kaiser zieht. Von dessen Willen, die Taufe zu empfangen, ist er fest überzeugt; daher seine zuversichtliche Erwartung. In dieser Rede des Ambrosius, deren zuletzt zitierter Satz ja die N ä h e zu den cyprianischen Gedanken besonders deutlich zeigt, liegt das erste ausdrückliche Zeugnis für die sogenannte Begierdetaufe (baptismus in voto) vor, das einstweilen folgende Zusammenfassung zuläßt: Die Taufe ist selbstverständlich der normale Weg, die Gnade und das Heil zu bekommen. Bezeugt aber ein Mensch den aufrichtigen und ernsthaften Wunsch, sie zu empfangen und wird durch ein unüberwindliches Hindernis — also hier durdi den gewaltsamen Tod — von dessen Verwirklichung zurückgehalten, so darf man eben auf Grund dieses Willens gewiß sein, daß sein Lohn deshalb nicht geschmälert wird. In der Folgezeit findet sich die Lehre vom T a u f v o t u m z w a r als dünner, aber kontinuierlich zu verfolgender roter Faden innerhalb der Tauflehre: Augustin zeigt an dem Schacher zur Rechten Christi, wie die Taufe durch das Leiden ersetzt werden, und an dem H a u p t m a n n Cornelius in Act. 10, wie Gott die Geistbegabung einem ernsthaften und aufrichtigen Glauben auch schon vor der Taufe vermitteln kann 1 2 7 . Eine gewisse Zusammenfassung dieser Ansätze bringt Bernhard von Clairvaux. Er zitiert Ambrosius und Augustin, versichert seine volle Übereinstimmung mit ihnen und erklärt dann: „ . . . s o l a fide hominem posse salvari, cum desiderio percipiendi sacramentum: si tarnen pio adimplendi desiderio mors antecipans, seu alia quaecumque vis invincibilis obviarit." Ja, selbst das Martyrium leitet er letztlich auf den Glauben zurück: „Quapropter etsi martyrium vicem Baptismi posse implere conceditur, non plane hoc facit poena, sed ipsa fides . . . Vera enim et plena fides universa praecepta complectitur." 1 2 8 In die Dogmatik wird das Problem durch Petrus Lombardus eingeführt 1 2 9 , und Thomas endlich setzt sich mit der Frage auseinander: „utrum sine baptismo aliquis possit salvari?" 1 3 0 Er hat zwei Prämissen, die seinen Gedanken zu diesem Punkt voraufgehen: „cuius (Dei) potentia sacramentis visibilibus non alligatur" und „(voluntas) apud Deum reputatur pro facto". Daraus folgt dann seine Votumlehre: „Potest sacramentum baptismi alicui deesse re, sed n o n v o t o (d. h. wenn er selig werden soll): sicut cum aliquis baptizari desiderat, sed aliquo casu praevenitur morte antequam baptismum suscipiat. Talis autem sine baptismo actuali salutem consequi potest, propter desiderium baptismi,
127 128 129 130
5
Augustin, De baptismo contra Donatistas, IV, 22 (MPI 43, 173f.). Bernhard, Tractatus de baptismo (MPL 182, 1036f.). Vgl. Vodopivec a.a.O. 71. Thomas, Summa Theologiae III, qu. 68, art. 2.
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Dietzfelbinger, Grenzen
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quod procedit ex fide per dilectionem operante." 1 3 1 Von einer kirchlichen Rezeption solcher Lehre finden wir in dieser Zeit erst Spuren; man führt gewöhnlich zwei Briefe von Innozenz II. und Innozenz III. an 1 3 2 . Als aber in Trient die Notwendigkeit des Taufempfangs definiert wird, geschieht das mit dem Zusatz, daß dieser notfalls auch durch das Votum ersetzt werden kann 1 3 3 . Ebenfalls erst in der neueren Theologie hat man sich über die Reichweite des Taufvotums Gedanken gemacht: Der ausdrückliche Wunsch, die T a u f e zu empfangen, das votum baptismi explicitum, wie man es nennt, kann ja nur von Katediumenen oder Leuten, die sonst auf irgendeine Weise von der Existenz der T a u f e wissen, erwartet werden. Wie aber steht es mit den Heiden, zu denen das Evangelium noch gar nicht gekommen ist? Nach römisch-katholischer Auffassung ist auch ohne eigentliche Kenntnis des Evangeliums in jedem Menschen eine gewisse natürliche Befähigung vorhanden, die Existenz und den Willen Gottes zu erkennen 1 3 4 . Tritt dazu nun nodi der Wunsch, dem Willen jenes natürlicherweise erkannten Gottes gehorsam zu sein, so ist nadi neuerer römisch-katholischer Lehre in diesem „desiderium generale" bereits ein konkretes Votum enthalten, allerdings eben nur ein einschlußweises (votum implicitum), das jedoch bereits stark genug sein kann, um im Blick auf den Heilsempfang als Ersatz für die T a u f e zu fungieren. „ M a n darf das Verlangen nach der T a u f e wohl schon in der Bereitschaft und in dem Wunsche sehen, mit dem Willen Gottes in Übereinstimmung zu leben. Vielleicht genügt schon das der menschlichen N a t u r eingepflanzte desiderium naturale, falls es nur irgendwie aktiviert wird." 1 3 5 Es bedarf aber noch eines weiteren Schrittes, um bis zur äußersten Grenze der Anwendungen zu gelangen, die die Votumlehre gefunden hat. Jedes auch noch so allgemeine und „implizierte" Votum scheint auf alle Fälle wenigstens eine anthropologische Grundvoraussetzung zu haben, nämlich ein Mindestmaß an Denk- und Willensfähigkeit. Infolgedessen kann man seine Entstehung nur bei Menschen erwarten, die einigermaßen im Besitz dieser Fähigkeit sind, also in der Regel nur bei Erwachsenen. Durch diese Einschränkung ist aber sogleich die Frage nach den Kindern aufgeworfen, die, ohne den Gebrauch der Vernunft erlangt zu haben, ungetaufl versterben. 131 Der durch die Liebe wirksame Glaube (Gal. 5, 6) ist noch in der neuesten Äußerung des römisch-katholischen Lehramtes die Voraussetzung für ein gültiges Kirchenvotum, s. unten S. 77. 132 D 388, 413. 133 D 796, 847, vgl. CIC can. 737, § 1. 134 Vgl. oben S. 50, näheres unten S. 83f., mit Anm. 207. 135 Schmaus a.a.O. III/l, 828. Die Lehre vom votum baptismi implicitum „ist heute Gemeinbesitz fast aller (römisch-katholischen) Theologen", vgl. u. a. Zapelena a.a.O. II, 308, Sacrae Theologiae Summa, Madrid 2 1952/53, IV, 162f. — Was die Beschränkung dieser Lehre nur auf das votum explicitum für Folgen haben kann, soll sogleich bei Anselm Stolz (Extra ecclesiam nulla salus, in: Der katholische Gedanke 10, 1937, 101—112) gezeigt werden.
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Absehen kann man dabei von dem besonderen Fall, daß ein solches Kind den Märtyrertod stirbt; dies ist, entsprechend der Lehre, daß das Martyrium „quasi ex opere operato" 13 ® wirkt, durchaus auch schon vor Erlangung des Vernunftgebrauches
möglich —
die „bethlehemitischen
Kinder"
gelten
seit
Irenäus wie selbstverständlich als Märtyrer 1 3 7 . Der „baptismus sanguinis" ist also auch für diese Kinder eine Heilsmöglichkeit, aber ein Votum, ein, wenn unter Umständen
auch nahezu völlig unbewußter,
Denk-
und
Willensakt
ist bei ihnen doch schlechterdings nicht aufweisbar 138 ! Kein Kind wird ohne Erbsünde empfangen und geboren, und die nicht vergebene Erbsünde schließt von der ewigen, übernatürlichen Seligkeit aus; diese beiden Wahrheiten stehen in der folgenden Überlegung außer
jeder
Diskussion. Sie haben zu der logischen Folgerung geführt, daß Kinder, die ohne Taufe und damit zwar ohne aktuelle Sünden, wohl aber mit der Erbsünde behaftet, verstorben sind, die ewige Seligkeit nicht erlangen können, weil es in unserer Heilsordnung außer der Taufe kein ordentliches Mittel gegen die Erbsünde gibt. Diese Lehre hat von Augustin bis auf Pius X I I . 1 3 9 namhafte Vertreter gefunden. Natürlich wollen diese damit einen Ausnahmefall, daß Gott in seiner uneingeschränkten Güte und Willensfreiheit
doch
die ewige Seligkeit schenken kann, keineswegs für unmöglich erklären. Bestritten wird nur, daß es einen ordentlichen
Weg, eine lex generalis
gebe,
die jene harte Schlußfolgerung durchbräche. 137 Irenäus adv. haer. 3, 6, 4. Sacrae Theologiae Summa I V , 170. Eine auch nur im entferntesten vollständige Diskussion der neueren Kontroverse über das Schicksal der ungetauft verstorbenen Kinder ist, da es sich im Blick auf unser Thema dabei ohnehin nur um eine periphere Frage handelt, nicht erforderlich, aber auch gar nicht möglich. Die Literatur ist unübersehbar; Peter Gumpel S J nennt in seinem zusammenfassenden Aufsatz „Unbaptized infants, may they be saved?" in: The Downside Review 1954, 342—458, etwa 50 Autoren allein der einen Front, wobei er sich auf die letzten 30 Jahre beschränkt. Außer dieser Arbeit vgl. noch W. A. van Roo, Infants dying without baptism, Gregorianum 35, 1954, 406—473; Charles Journet, La volonti divine salvifique sur les petits enfants, Desctee de Brouwer, Paris 1958; ferner drei Literaturberichte aus der H K : III, 1948/49, 506—508; V I I , 1952/53, 270—273; I X , 1954/55, 4 5 8 - ^ 6 4 . Im übrigen ist die Frage nur insoweit aufgenommen, als sich die Votumlehre darin auswirkt. 139 Augustin, De Anima 3 , 9 , 12 (MPL 4 4 , 5 1 6 ) : „Noli credere nec dicere nec docere infantes antequam baptizantur morte praeventos pervenire posse ad originalium indulgentiam peccatorum, si vis catholicus esse." — Pius X I I . sagt in seiner Ansprache an die römisch-katholischen Hebammen vom 29. 10. 1951: „Für den Erwachsenen kann ein Akt der Liebe genügen, um der heiligmachenden Gnade teilhaft zu werden und die fehlende Taufe zu ersetzen; aber dem noch nicht oder soeben geborenen Kind steht dieser Weg nicht offen" ( H K V I , 1951/52, 114; italienischer Originaltext in AAS X L I I I , 1951, 841). — Von den Theologen aus neuerer Zeit, die diese Lehre vertreten, nennt die von den spanischen Jesuiten herausgegebene Sacrae Theologiae Summa I V , 160 eine Auswahl. Mit positiven Aussagen über das Schicksal dieser Kinder, etwa über einen Aufenthalt im sogenannten „limbus puerorum" (vgl. Sacrae Theologiae Summa II, 1010) wird man mit der Zeit zusehends vorsichtiger. 138
138
5*
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Solch apodiktischer Lehre gegenüber steht nun vom ausgehenden Mittelalter bis zur Gegenwart eine zweite Gruppe von Theologen, die audi für die Kinder neben der Taufe nodi einen anderen, zwar nur im Notfall zu beschreitenden, aber gleichwohl ordentlidien Weg zum Heil namhaft zu machen sucht, d. h. also auch f ü r sie nicht von einer absoluten, sondern nur von einer relativen Notwendigkeit des Taufempfangs spricht 140 . Bei Hermann Schell findet sich der Versuch angedeutet, jeden Tod von ungetauften Kindern als Martyrium zu verstehen, insofern diese zu keinem anderen Zweck geboren oder vielleicht auch nur empfangen sind, als „um selbst zu verkümmern und dadurch den anderen den Fluch der Sünde vor die Seele zu führen". Ihr Tod hat einen Zusammenhang „mit dem gehorsamen Leiden Christi" und wäre somit als Bluttaufe zu interpretieren 141 . Sdiells Vorschlag ist jedoch, vielleicht auch durch die Indizierung seiner Dogmatik, suspekt geworden, als Lösungsversuch des Problems ohne weiteres Edio geblieben; häufiger dagegen hat man die Votumlehre hierfür in Dienst genommen. Man hat wohl eingesehen, daß ein unvernünftiges Kind selbst keinen Willensakt hervorbringen kann und hat deshalb von einem stellvertretenden Votum — meistens der Eltern jenes Kindes — gesprochen, welches f ü r dessen Heil ausreichend sei. Diese Meinung findet sich schon bei Durandus und Gerson und wurde vom Kardinal Cajetan, der sie auf dem Tridentinum vertrat, so formuliert: „In casu necessitatis ad salutem puerorum sufficere videtur baptismus in voto parentum." Sie ist schließlich von Bianchi auch auf die Kinder erstreckt worden, „die noch im Mutterleib ohne Taufe sterben" 142 . Einen letzten Schritt bei dieser Frage bedeutet die sogenannte Illuminationstheorie, d. h. die Ansicht, es sei denkbar, daß Gott den ungetauften Kindern vor ihrem Sterben auf übernatürliche Weise irgendwie den Weg zu einer persönlichen Entscheidung öffnet. Für diese Möglichkeit spricht sich bereits der 1879 erschienene Katechismus des Bistums Luxemburg aus; sie wird in zwei Fastenhirtenbriefen des Bischofs L£on Durand von O r a n 1938 und 1939 gelehrt und findet sich schließlich in der „Katholischen Dogmatik" von Heinrich Klee 143 . Selbstverständlich werden über die konkrete Gestalt eines solchermaßen hervorgerufenen impliziten „Votums" nur die allgemeinsten Ausführungen gemacht: „Man wird sagen müssen, daß all diese Kinder zweifellos Hilfen ermöglicht bekommen, die für eine Entscheidung ausreichen, daß aber nur f ü r die einen diese Hilfen wirksam werden, f ü r die 140 Zum Begriff „absoluter" und „relativer" Notwendigkeit in diesem Zusammenhang vgl. O. Semmelroth, Die Kirche als Ursakrament, Frankfurt 21955, 86ff. So ausdrücklich E. Boudes, Reflexions sur la solidarit6 des hommes avec le Christ, NRTh 81, 1949, 589—605 (600). 141 Hermann Schell, Katholische Dogmatik III/2, Paderborn 1893, 479ff. Eine Erwägung derselben Lösung bei Boudes a.a.O. 600. 142 Die Zitate nach Sacrae Theologiae Summa IV, 159. 143 Vgl. HK IX, 1954, 460 und Sacrae Theologiae Summa.
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anderen dagegen nicht. Diese letzteren, die sich also freiwillig von ihrer Endbestimmung (der Seligkeit) abwenden, werden damit selbst eine Todsünde begehen und sich im Vollsinn des Wortes verdammen. Die anderen dagegen ,werden durch die Gnade die Vergebung der Erbsünde empfangen' und gerettet werden — gleichermaßen im theologischen Vollsinn des Wortes." 144 Diese und verwandte theologische Meinungen sind auch in den eigenen Reihen stärksten Angriffen ausgesetzt; gleichwohl stehen sie, von einer beachtlichen Anzahl von Theologen vertreten, durchaus ebenbürtig neben der traditionellen strengeren Lehre. Die verschiedenen Gedanken über das Los der ungetauft verstorbenen Kinder sind in diesem Zusammenhang aber nidit bloß sozusagen als äußerste Zweige am Baum der Lehre über das Taufvotum von Interesse, sondern noch viel direkter, insofern man damit die Heilsfrage auch ungetaufter Erwachsener zu klären versucht hat. Kardinal Louis Billot hat in den Jahren 1919—1923 eine Artikelserie unter dem Titel „La providence de Dieu et le nombre infini d'hommes hors de la voie normale du salut" veröffentlicht 145 , in welcher er folgende Gedanken äußert: Der normale, zum Gebrauch seines Verstandes gelangte Mensch kann Gott nicht aus der eigenen Vernunft allein erkennen, auch nicht, wenn diese gnadenhaft erleuchtet sein mag, sondern solche Erkenntnis kann er nur haben, falls er, etwa durch Eltern und Lehrer, also jedenfalls von außen her, über Gott in Kenntnis gesetzt und unterrichtet wird. Wenn nun den Millionen von Heiden, Buddhisten, Konfutsianern eine derartige Unterweisung fehlt, so haben sie daran keine Schuld; Gott gegenüber bleiben sie unverantwortlich hinsichtlich der Gotteserkenntnis sowohl wie hinsichtlich des Sittlichen, der Erkenntnis von Gut und Böse und der daraus sich ergebenden Verpflichtung auf das Gute, die nämlich ihrerseits wieder die Erkenntnis Gottes als des Verpflichtenden voraussetzt. Mag im übrigen die Kultur jener Heiden auch weit entwickelt sein: im Bereich des Religiös-Sittlichen — und dieser ist für das Heil entscheidend — sind sie jeder wirklichen Selbstverantwortung unfähig. Hinsichtlich der in diesem Bereich erforderlichen Entscheidungen sind sie auf dem Niveau u n 144 Nach dem französischen Text bei M. Laurence, Esquisse d'une itude sur le sort des enfants morts sans bapteme, in: L'Annde Thdologique Augustinienne 12, 1952, 145—185 (156), wo auch diese Lösung vertreten wird. — Der Vollständigkeit halber muß noch die Meinung mancher mittelalterlicher Väter (z.B. Alexander von Haies, Bonaventura) erwähnt werden: Im obigen Fall fülle Christus oder die Kirche selbst die Lücke (summus sacerdos supplebit), unabhängig von der menschlichen Kondition und sozusagen „ex opere operato". Auf diesen Gedanken, im einzelnen vertieft und begründet, läuft auch der zitierte Aufsatz von Boudes hinaus. 145 L. Billot in: Etudes Religieuses 1919—1923 passim, vgl. dazu die Bemerkung bei Rahner, Schriften II, 53, Anm. 1. Das folgende nach der Zusammenfassung bei O. Karrer, Das Religiöse in der Menschheit und das Christentum, Freiburg 1934, 202ff.
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mündiger Kinder; infolgedessen sind ihre Heilsaussichten auch dementsprechend zu qualifizieren. Nach solcher formalen Gleichschaltung von ungetauften Erwachsenen und Kindern hängt es nun davon ab, welcher von den aufgezeigten Theorien über das Schicksal dieser letzteren man sich zuwendet. Billot schließt sich der traditionellen Limbuslehre an, und in Übereinstimmung mit ihm folgert dann Stolz, der von einer heilbringenden Zuordnung zur Kirche nur beim expliziten Votum sprechen möchte und diese infolgedessen auf die Heiden nicht ausdehnen kann 148 , einen eschatologischen Zwischenzustand zwischen Himmel und Hölle auch für ungetauft verstorbene Erwachsene, in dem diesen zwar die unmittelbare Anschauung Gottes vorenthalten ist, nicht aber eine „natürliche Seligkeit". Diese Meinung sei „eine mögliche katholische Auffassung", wenn auch natürlich nicht „theologisch feststehende Lehre" 147 . Man muß allerdings sagen, daß die Billot-Stolzsche Konzeption, die die Heiden vom eigentlichen Heil ausschließt und damit der Mühe enthoben ist, f ü r sie noch einen Zusammenhang zur römischen Kirche nachzuweisen, durch die in neuerer Zeit erfolgte offizielle Rezeption der Lehre vom Kirchenvotum so gut wie ausgeschaltet ist. Freilich wirken die von ihr aufgeworfenen Fragen der natürlichen Gotteserkenntnis bei den Heiden und der „unverschuldeten Unwissenheit" aufs stärkste nach 148 . Damit scheint es an der Zeit zu sein, einige grundsätzliche Auswirkungen der Votumlehre zu betrachten. Um die Zusammenhänge im einzelnen zu durchschauen, muß man sich die Struktur des Taufsakramentes, und damit der Sakramente ganz allgemein, etwas genauer verdeutlichen. Dies soll im Anschluß an die Darstellung von Karl Rahner 1 4 9 geschehen. Ein Sakrament ist ein äußeres Zeichen, das als sichtbarer kultischer Ritus ein inneres Gnadengeschehen nicht nur abbildet und symbolisiert, sondern real beinhaltet. Ohne diese dahinterstehende Gnadenwirklichkeit verlöre das Sakrament Sinn und Bedeutung völlig; andrerseits spricht man beim bloßen Vorhandensein innerer Gnade ohne äußere Abbildung eben nicht von Sakrament. Es ist also dabei zu unterscheiden zwischen den notwendigen Bedingungen f ü r das Zustandekommen des Sakramentes als einer gültigen und sichtbaren Handlung der Kirche am Menschen (sacramentum tantum 150 ) und den 148
Stolz a.a.O.; vgl. auch oben S. 66 Anm. 135. Stolz a.a.O. llOf. 148 Vgl. unten S. 80f. Anm. 194 und S. 83f. Anm. 207. 148 Rahner a.a.O. 76—83. 160 Zur Terminologie: Seit der Scholastik wird der intendierte Zweck bzw. Effekt mit „res (tantum)", die äußere Handlung mit „sacramentum (tantum)", beides verbunden mit „res et sacramentum" oder eben einfach mit „sacramentum" im weiteren Sinn bezeichnet, vgl. van Noort, De Sacramentis, Hilversum 1927, 53 f. Etwas schwierig wird die Terminologie dadurch, daß bei der Gliedschaftsfrage in der Entgegensetzung votum — res gerade die äußere Seite mit „res" gemeint ist. 147
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Bedingungen dafür, daß diese H a n d l u n g im Sakramentsempfänger audi tatsächlich den intendierten Zweck (res) erreicht. Ist die äußere Handlung ordnungsgemäß vollzogen, so ist das Sakrament gültig, hat sie gleichzeitig innere Gnade vermittelt, so ist es audi fruchtbar 1 5 1 . Äußeres und Inneres wirken also unlösbar zusammen, um ein im Sinne des Stifters vollwertiges Sakrament zu bilden. Freilich, durch die Setzung des gültigen Sakramentes ist nicht unbedingt und unter allen Umständen die Gnade auch mitgesetzt. N u r wenn es grundsätzlich auch bloß gültige, dabei aber gnadenleere Sakramente geben kann, bleibt die Gnade Gottes frei und dem magisch-vergewaltigenden Zugriff des Menschen entzogen 152 . Andrerseits folgt daraus, daß tatsächlich Gnade auch einmal vermittelt sein kann durch ein sakramentales Zeichen, das nachher wegen irgendeiner Unkorrektheit als ungültig verurteilt werden muß; nur wird man dann wohl von nichtsakramentaler Gnadenvermittlung reden. D a ß neben dem Begriff des fruchtbar-gültigen Sakraments auch der des bloß gültigen seine Berechtigung hat, ja, daß dieser in der Dimension des Sichtbaren und juridisch Greifbaren sich haltende Sakramentsbegriff (im Zweifelsfall) sogar der erste und vordringlichste sein muß, begründet Rahner damit, daß das „Sakrament zunächst nach dem fragt, was der Mensch in der Äußerlichkeit seines notwendig von sich wegblicken müssenden Bewußtseins selber zu tun und zu leisten hat, eben das objektive Geschehen, das zwar nicht eigentlich getrennt, aber wesentlich unterschieden werden muß von der sakramentalen Gnade als solcher" 153 . Überträgt man diese Gedanken auf die Votumlehre, so hat sich, mit der nicht zu überhörenden Versicherung, daß es sich dabei um einen Ausnahmefall handelt, folgendes ereignet: Die Taufe wird unter dem Blickpunkt ihres innerlichen Effektes, der Vermittlung des ewigen Heiles, betrachtet 154 . Dieser Effekt wird jedoch unter Umständen auch durch das Martyrium erreicht, also durch einen Akt, der zwar nicht mehr als sakramental im strengen Sinn bezeichnet werden kann, mit einem solchen aber das gemeinsam hat, daß er äußerlich sieht- urtd kontrollierbar ist. Ein dritter Schritt besteht darin, daß man — immer unter Festhalten an dem obigen Effekt — die im Vgl, oben S. 34f. den gleichen terminologischen Unterschied für die kirchliche Gliedschaft. 152 Es ist lehrreich, zu sehen, wie sich bereits Augustin, als er im Kampf gegen die Donatisten einerseits am Vorhandensein des gültigen sakramentalen Zeichens, andrerseits an deren Stellung außerhalb der Kirche festhalten muß, zu dieser Unterscheidung genötigt sieht: „Aliud esse sacramentum Baptismi, aliud conversionem cordis . . . nec si unum horum defuerit, ideo putare debemus consequens esse, ut etiam alterum desit" (De Baptismo IV, 25 [MPL 43, 176]). 153 Man sieht, wie der schon öfter (z.B. oben S. 44 und S.48f.) konstatierte Unterschied zwischen innerem und äußerem Bereich hier, und hier vielleicht sogar ursprünglich, auch wieder erscheint. 154 Der äußere Effekt, die impressio characteris sacramentalis, wird durch Taufvotum oder Martyrium nicht vermittelt, vgl. Sacrae Theologiae Summa IV, 171. 71
sichtbare Ebene nun vollends verläßt und den innerlichen Bereich menschlicher Gläubigkeit und Liebe und menschlichen Wünschens aufsucht, mit dem Argument, daß für Gott, den scrutator cordium, die Gesinnung das Entscheidende sei. In diesem oder jenem Fall kann es zum Sakramentsvollzug aus einem triftigen Grund nicht kommen; da erinnert man sich an ein mögliches Auseinandertreten von res-Ebene und sacramentum-tantumEbene und wird sich bewußt, daß von jenem empfindlichen Mangel auf dieser die res-Ebene ja nicht notwendig betroffen zu sein braucht; daß vielmehr im inneren Bereich Gnaden vermittelt werden können, wie sie auch ein gültig vollzogenes Sakrament nicht vollkommener vermitteln könnte — also ζ. B. die ewige Seligkeit. So liegt der Schluß nahe und ist auch gezogen worden, daß man — für den Notfall — an Stelle der äußeren Sakramentalebene des Sakraments auf seinen inneren Gnadenbereich zurückgreift. Wenn die bisherige Untersuchung der Votumlehre nur in ihrem Bezug auf die Taufe nachgegangen ist, so bedeutet das keineswegs, daß diese in ihrem Wirkungsbereich solchermaßen eingeschränkt wäre 1 5 5 . Freilich hat die scholastische Tradition gerade in der Sakramentslehre sehr genau durchgebildete Unterscheidungen getroffen, und insofern war diese zur Verdeutlichung des Gemeinten besonders geeignet. Grundsätzlich aber ist „diese Sachlage auf dem Gebiet der Sakramente . . . bloß ein einzelner Fall aus der durchgängigen Struktur der christlichen Wirklichkeit" 1 5 8 . Hier setzt das analogische Denken der römischen Theologie ein und zieht von der sakramentalen Struktur mit ihren zwei untrennbar zusammengehörenden und dabei doch zu unterscheidenden Ebenen die Parallele zu dem chalkedonensischen άσνγχντως und gleichzeitigen αδιαιρέτως der zwei Naturen in Christus. Und wenn Leo X I I I . in seiner Enzyklika „Satis cognitum" 157 die Lehre von einer ausschließlich verborgen-unsichtbaren Kirdie ebenso wie die von einer Kirche, die nichts als äußeres Institut ist, als „ekklesiologischen Monophysitismus" brandmarkt, so erkennt er damit dieselbe Struktur auch in der Ekklesiologie. Dem entspricht es genau, wenn in neuerer Zeit manchmal die Kirche als das Sakrament schlechthin bezeichnet worden ist 158 . Wenn die Kirche aber ein Sakrament ist, so muß es auch das entsprechende Verlangen, also das votum ecclesiae, geben. Begriff und Sache finden sich erstmals bei Robert Bellarmin, dem großen Kontroverstheologen der Gegenreformation. In seinen 1586—1593 erschiene185 Vodopivec zeigt a . a . O . 68ff. z . B . die Parallelentwicklung des votum poenitentiae (impliziert in einem Akt vollkommener Reue) und erwähnt 71 auch das votum eucharistiae. 158 Rahner a.a.O. 79 f. 157 ASS X X V I I I , 1895/96, 710f. iss Ygi z ß o . Semmelroth, Die Kirche als Ursakrament a.a.O.; J . Gribomont, Du Sacrement de l'Eglise et de ses realisations imparfaites (Ιίέη. 22, 1949, 345—367), nennt die Kirche „sacrement majeur" (351) und „sacrement par excellence" (352); vgl. auch Rahner, Stimmen der Zeit 168: „Die Kirche ist nun gewissermaßen das Ursakrament"; Sartory I, 110, Anm. 2 bringt weitere Belege.
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nen „Disputationes de controversiis christianae fidei adversus huius temporis haereticos" 1 5 9 handelt das 3. Buch des 2. Bandes „ d e ecclesia militante t o t o orbe diffusa". N a d i einer anfänglichen Verständigung über N a m e n u n d Begriff der Kirche nennt er in der Gliedschaftsfrage die drei Bedingungen des Taufempfanges, des rechten Glaubensbekenntnisses u n d der U n t e r o r d n u n g unter den Papst 1 6 0 , um sodann über alle diejenigen zu reden, die nicht in diesem Sinn Glieder der Kirche sind. A n erster Stelle werden dabei im 3. Kapitel die U n g e t a u f t e n genannt, von denen eingehender die K a t e chumenen behandelt werden. K ö n n e n sie w o h l gerettet werden, da sie doch per definitionem „extra ecclesiam" stehen, w o es bekanntlich „nulla salus" gibt? Bellarmin erteilt folgende A n t w o r t : „ Q u o d dicitur extra Ecclesiam neminem salvari, intelligi debere in iis, qui neque re ipsa, nec desiderio sunt de Ecclesia, sicut de baptismo communiter l o q u u n t u r theologi. Q u o niam autem catechumeni si non re, saltem voto sunt in Ecclesia, ideo salvari possunt." 1 6 1 Natürlich sind, wie Bellarmin weiter im 6. Kapitel ausführt, auch Exkommunizierte nicht Glieder der Kirdie. Wie aber — so halten ihm seine Gegner vor — w e n n einer ungerecht exkommuniziert ist und also die drei Bedingungen erfüllt? Wie, wenn ein Exkommunizierter innerlich Buße tut, aber noch nicht wieder losgesprochen ist: in welcher Lage befindet sich ein solcher Mensch? „Respondeo: Talem esse in Ecclesia animo, sive desiderio, quod sufficit illi ad salutem." 1 6 2 Für das Heil genügt es also schon, dem Wunsch u n d Verlangen nach in der Kirche zu sein; zu diesem Schluß k o m m t Bellarmin auf dem Weg über das T a u f v o t u m . Z u bemerken ist, d a ß er nur ein v o t u m explicitum zu kennen scheint, da es als Heilsmöglichkeit nur f ü r Katechumenen u n d gewisse E x k o m m u n i z i e r t e in Frage k o m m t , f ü r Leute also, die über Existenz u n d Heilsnotwendigkeit der Kirche jedenfalls unterrichtet sind; denn f ü r alle anderen A r t e n von Nichtmitgliedern e r w ä h n t er diesen Weg nicht. Dies geschieht erst k u r z e Zeit später in der X I I . „ D i s p u t a t i o de fide theologica" 1 6 8 von Suarez. Wieder geht es um das Verständnis des Satzes von der alleinseligmachenden Kirche. Ihre Heilsnotwendigkeit, sagt Suarez, müsse nach Bellarmins Vorbild als „necessitas in re vel in v o t o " verstanden werden. „Estque manifestum, quia nullus est in re ipsa intra hanc Ecclesiam, nisi baptizatus sit, et tarnen salvari potest, quia sicut illi sufficit v o t u m baptismi, ita etiam v o t u m ingrediendi Ecclesiam; idem ergo nos dicimus de quocumque fideli vere poenitente, qui baptizatus n o n sit, sive pervenerit ad fidem explicitam Christi, sive t a n t u m ad implicit a m ; n a m per illam habere potest v o t u m saltem implicitum, quod satis est respectu baptismi, u t D . Thomas in locis supra allegatis docet." 159
Bellarmin a.a.O. 73—105. 181 Vgl. oben S. 28 Anm. 2. Bellarmin a.a.O. 76. 162 Bellarmin a.a.O. 80. Vgl. noch J. Beumer, ThGl 37/38, 1947/48, 243ff. 183 Franciscus Suarez SJ, Opera omnia, Bd. XII, Paris 1858, 359: De fide theologica disputatio XII, sect. IV, 22. 180
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Über Bellarmins Aussagen hinaus wird jetzt ausdrücklich bereits das votum implicitum als heilsgenügsam anerkannt, und zwar bei jedem Menschen, der die wahre „poenitentia" 1 6 4 hat, die wenigstens mit der fides implicita verbunden ist. Die Parallelen zum sakramentalen Votum sind hier sdion ein gutes Stück weiter ausgezogen. Interessant ist es, das „Schema Constitutionis de Ecclesia Christi" des Vatikanischen Konzils nach der Lehre vom votum ecclesiae zu befragen, und zwar interessant deswegen, weil sie darin, jedenfalls dem Wortlaut nach, gar nicht vorkommt 1 6 5 . Der theologische Wert eines solchen Schemas ist selbstverständlich nicht der eines Dogmas, da es zu seiner Ratifizierung ja bekanntlich nur an dem Lehrpunkt über Unfehlbarkeit und Primat des Papstes gekommen ist. Immerhin gibt es einen repräsentativen Konsensus der Theologen damaliger Zeit wieder. Am 21.1. 1870 wurde den Vätern des Konzils das von einer vorbereitenden Kommission ausgearbeitete „Schema de Ecclesia Christi" zur Prüfung ausgeteilt 186 . Dessen VII. Kapitel „Extra Ecclesiam salvari neminem posse" 167 schärft diese seine Überschrift als „dogma fidei" ein, f ä h r t dann aber f o r t : Menschen, die über Christus und seine Kirche an einer unüberwindlichen Unwissenheit litten, dürften deswegen nicht verdammt werden, da sie vor Gottes Augen ja nicht schuldig seien. Zu dem Ausdruck „invincibili ignorantia laborant" wird in der Anmerkung I I 1 6 8 ein längerer Kommentar gegeben: „His indicatur, fieri posse, ut quis ad visibilem externamque ecclesiae communionem non spectet, et tarnen iustificationem vitamque aeternam consequatur." Diesen Sachverhalt auszudrücken, sei in einer anderen Form des Schemas gestanden: „Omnes enim iustificati ad ecclesiam sive re sive voto pertinent." Weil jedoch die Formel „sive re sive voto" den Beifall mehrerer Berater nicht gefunden habe, sei ausdrücklich nur erklärt worden, daß keiner, der aus eigener Schuld von der Kirche getrennt, stürbe, selig werden könne. In dieser Erklärung sei Inbegriffen, daß keiner, der selig würde, vollständig und einfachhin außerhalb der Kirche sein könne. Dies solle die Fassung verdeutlichen, die die Kommission dann gefunden habe: „Niemand erreicht das ewige Leben . . . , qui ad Christi ecclesiam nullatenus pertinet" — und mit „nullatenus" sei gemeint „nullo modo", also „neque re, neque voto", ganz der Lehre von Bellarmin und Suarez entsprechend, die anschließend zitiert werden. Es hat den Anschein, als ob man der Sache nach durchaus die Votumlehre aufgenommen habe 169 , verwunderlich ist nur, daß man solche Scheu 184 Hier hat nicht nur das Tauf-, sondern auch das Bußvotum seinen Niederschlag gefunden, vgl. oben S. 72 Anm. 155. iss Vgl j Beumer, Die Heilsnotwendigkeit der Kirche nach den Akten des Vatikanischen Konzils, ThGl 37/38, 1947/48, 76—86. 167 « · Mansi LI, Sp. 539ff.; vgl. L, Sp. 418A. Mansi LI, Sp. 541/42. 1,9 Mansi LI, Sp. 570f.; vgl. XLIX, Sp. 684C. So Beumer a.a.O. 81.
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vor dem Begriff Votum hat. Auch muß schließlich festgehalten werden, daß jener oben zitierte Passus „qui ad Christi ecclesiam nullatenus pertinet", an dem man die Reminiszenzen an die Votumlehre aufgehängt hatte, in dem den Vätern vorgelegten Schema dann doch wieder gestrichen war. Auch die Beratungen des Konzils selber führten nicht zur Rezeption der Votumlehre; in einem zweiten Schema „de Ecclesia", das die Väter auf Grund der Vorlage des ersten ausgearbeitet haben, heißt es im Zusammenhang mit der Heilsnotwendigkeit im VI. Kapitel lediglich, daß „qui nullo suo vitio ecclesiam ignorant" doch unter gewissen Voraussetzungen „iustificationem vitamque aeternam consequi possunt. Q u o d si contigerit, n o n ideo hi extra ecclesiam salvi fiunt, quippe ad quam spiritu pertineant et ideo spiritu pertinere possint, quod ab externa c o m m u n i o n e praeter voluntatem suam impediuntur." 1 7 0 Über die Gründe dieser wirklich auffälligen Vermeidung des Begriffes Votum erfährt man an O r t und Stelle nichts: Diese „Redeweise fand keinen Beifall", heißt es, und man hielt es f ü r ausreichend, die Existenz einer Heilsmöglichkeit f ü r Niditkatholiken festzustellen, über die Art und Weise ihres Vollzuges wollte man nicht sprechen 171 . Man hat den Eindruck, das Konzil wollte sich f ü r die Zukunft die verschiedenen Wege noch offenhalten. So wurde die Lehre vom Votum erst in unseren Tagen vom höchsten kirchlichen Lehramt rezipiert; es ist eine Stelle aus der Enzyklika „Mystici Corporis", die sie bringt: „Qui ad adspectabilem non pertinent Catholicae Ecclesiae c o m p a g e m . . . ab eo statu se eripere studeant, in q u o de sempiterna cuiusque propria salute securi esse non possunt; quandoquidem etiamsi inscio quodam desiderio ac voto ad mysticum Redemptoris Corpus ordinentur, tot tarnen tantisque caelestibus muneribus adiumentisque carent, quibus in Catholica solummodo Ecclesia frui licet." 172 Dies ist wohl die zurückhaltendste und vorsichtigste Aussage über das votum ecclesiae, die bisher begegnet ist. Es ist von denen die Rede, die nicht zum sichtbaren Gefüge der Kirdie gehören, ohne daß unter diesen ein näherer Unterschied gemacht würde; man hat diese Bezeichnung also f ü r Heiden in gleicher Weise wie f ü r Christen zu verstehen. Die hauptsächliche Aussage, die über sie gemacht wird, spricht von ihrem Zustand der Heilsunsicherheit, der davon herrührt, daß sie so reiche geistliche Gaben und Hilfen entbehren, in deren Genuß sie im Raum der römischen Kirche gelangen könnten. N u r unter diesem Aspekt schroffster Entgegensetzung kann man, in einem mit „etiamsi" eingeleiteten Konzessivsatz, den man anschließend sofort durch ein „tarnen" dämpft, auch etwas wie ein positives Wort über ihre Stellung sagen. Die Ausdrücke „ v o t u m " und „desiderium" sind der Tradition entnommen; neu ist aber das Adjektiv „inscius", das 170 172
171 Mansi LIII, Sp. 312. Mansi LI, Sp. 570; XLIX, Sp. 684. Text nach Tromp a.a.O. n. 101. Zum folgenden vgl. Chavasse a.a.O. 696ff.
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jene Zuordnung des betreffenden Menschen unabhängig von dessen subjektivem Bewußtsein lehrt. Die Situation selber wird mit „ordinari" bezeichnet; dieser Ausdruck vermeidet es, mit Bellarmin von einem „voto esse in oder de ecclesia" und mit dem Vorschlag eines der Väter des Vatikanums von einem „voto pertinere ad ecclesiam" zu sprechen. Vielmehr bleibt das Prädikat der Zugehörigkeit ausschließlich den reapse-Gliedern vorbehalten; die hier ins Auge gefaßten Menschen sind dagegen lediglich „zugeordnet"173. Neben dieser Enzyklika ist das wichtigste und ungleich ausführlicher gehaltene Dokument zur Votumlehre der Brief „Suprema haec", den die Kongregation des Sanctum Officium aus einem bestimmten Anlaß 174 über das Verständnis des Satzes „extra ecclesiam nulla salus" am 8. 8. 1949 an den Erzbischof von Boston, Richard Jacob Cushing, gerichtet hat. Der Brief beginnt mit der erneuten Einschärfung der Lehre, die Kirche sei das Heilsmittel, ohne welches niemand in das Reich der himmlischen Herrlichkeit eintreten könne. Dann fährt er jedoch fort: „Infinita sua misericordia Deus voluit ut illorum auxiliorum salutis quae divina sola institutione, non vero intrinseca necessitate, ad finem ultimum ordinantur, tunc quoque certis in adiunctis effectus ad salutem necessarii obtineri valeant, ubi voto solummodo vel desiderio adhibeantur . . . Quandoquidem ut quis aeternam obtineat salutem, non semper exigitur ut reapse Ecclesiae tamquam membrum incorporetur, sed id saltem requiritur, ut eidem voto et desiderio adhaereat. Hoc tarnen votum non semper explicitum sit oportet, prout accidit in catechumenis: sed ubi homo invincibili ignorantia laborat, Deus quoque implicitum votum acceptat, tali nomine nuncupatum, quia illud in ea bona animae dispositione continetur, qua homo voluntatem suam Dei voluntati conformem velit . . . Neque etiam putandum est quodcumque votum Ecclesiae ingrediendae sufficere ut homo salvetur. Requiritur enim ut votum quo quis ad Ecclesiam ordinetur, perfecta caritate informetur: nec votum implicitum effectum habere potest, nisi homo fidem habeat supernaturalem: ,Credere enim oportet accedentem ad Deum quia est et inquirentibus se remunerator sit' (Hebr. 11, 6)." 1 7 5 Hier werden nun etwaige Dunkelheiten vollends erhellt: Unbeugsam wird an der Heilsnotwendigkeit der Kirche festgehalten; aber es ist bereits möglich, sich durch die Sehnsucht und den Wunsch, Gottes Willen zu tun, an die Kirche zu binden. Und dieses Votum braucht nicht explizit zu sein, sondern es kann sich auch in einer guten Disposition der Seele mitgesetzt finden. Grundvoraussetzung ist allerdings, 1 , 3 Die amtliche deutsche Übersetzung hat „in einer Beziehung stehen"; die in diesem Zusammenhang hier auch zitierte erste Enzyklika von Pius X I I . , Summi Pontificatus (vom 20. 10. 1939, AAS X X X I , 1939, 419), sagt „copulantur". 1 7 4 Näheres unten S. 109ff. Der Brief ist zitiert nach der Trompschen Textausgabe der Enzyklika „Mystici Corporis", der er mit unwesentlichen Kürzungen beigegeben ist (69—72). 1 7 5 Tromp a . a . O . 70—72.
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daß es von einem Akt vollkommener Gottesliebe 176 begleitet ist, der mindestens eine fides implicita an die beiden Grundwahrheiten von Hebr. 11 überformt. Die Votumlehre ist zwar der gewissermaßen offizielle 177 , aber keineswegs einzige Beitrag zur Gliedsdiaftsfrage. Die „adnotationes" zum vatikanischen „Schema" belehren über die Front, gegen die jene Aussagen über die Heilsnotwendigkeit der römischen Kirche formuliert worden sind. Sie sprechen von verschiedenen Formen des sogenannten „Indifferentismus" 1 7 8 , der auf irgendeine Weise die einzigartige Stellung dieser Kirche zu unterhöhlen sucht: sei es dadurch, daß er allen Religionsformen oder auch nur christlichen Konfessionen grundsätzlich gleiche Aussichten für das Heil zubilligt, sei es dadurch, daß er die Heilsfrage ausschließlich von einem ehrbaren Leben oder von einer lauteren Gesinnung abhängen läßt, oder schließlich dadurch, daß er für dieses Gebiet überhaupt keine Sicherheit, sondern nur Vermutungen anerkennt, bezüglich deren man dem Menschen völlig freie Hand lassen müsse. Unter diesen Meinungen ist die von anglikanischen Theologen entwickelte sogenannte „Branchtheorie" wohl am bekanntesten geworden: Die Kirche Christi sei nicht bloß unsichtbar, sondern habe auch eine geschichtliche Gestalt. Sie stelle sich konkret in drei Zweigen, nämlich dem anglikanischen, dem griechisch-orthodoxen und dem römisch-katholischen 1 , 6 Tromp a.a.O. 71 f.; vgl. Pius X I I . : „Un atto di amore puo bastare all'adulto per conseguire la grazia santificante e supplire al difetto del battesimo" (AAS X L I I I , 1951, 841, Rede an die Hebammen). — Der Zusatz „perfecta" zu Caritas setzt die thomistische Unterscheidung zwischen vollkommener und unvollkommener Liebe voraus: „Amor autem quidam est perfectus, quidam imperfectus. Perfectus quidem amor est quo aliquis secundum se amatur, ut puta cui aliquis vult bonum: sicut homo amat amicum. Imperfectus amor est quo quis amat aliquid non secundum ipsum, sed ut illud bonum sibi ipsi proveniat: sicut homo amat rem quam concupiscit. Primus autem amor Dei pertinet ad caritatem, quae inhaeret Deo secundum seipsum: sed spes pertinet ad secundum amorem, quia ille qui sperat aliquid sibi obtinere intendit" (Summa Theologiae II a II a e , qu. 17, art. 8). „Demnach ist es die Beziehung auf das eigene Ich, der Gedanke an die persönliche Bereicherung und Beglückung, was die unvollkommene Liebe von der vollkommenen unterscheidet." Deren Zielgut ist „die bonitas Dei absoluta" im Unterschied zur „bonitas Dei respectiva oder quoad ad nos" (F. Tillmann, Handbuch der katholischen Sittenlehre IV/1, Düsseldorf 1935,110). In diesem Sinn wäre die „Caritas" ja per definitionem „perfecta", was im allgemeinen auch stillschweigend vorausgesetzt wird; hier hätte der Zusatz dann nur darauf hinzuweisen, daß eben diese durch keinerlei Nebenzwecke getrübte Gottesliebe gemeint ist. Nach der römischen Rechtfertigungslehre handelt es sich bei den Eigenschaften des votum salvificum jedoch nicht um Einzelposten, die zu einer Summe addiert würden, sondern um ein wechselseitiges Ineinandergreifen der verschiedenen Größen zu einem einzigen Geschehen. Die Caritas ist dabei in einem gewissen Sinn dominant, weil sie die anderen Akte (z.B. der fides und contritio) durch ihre Uberformung erst wirksam werden läßt. „L'atto di amore perfetto e dogmaticamente e vitalmente assai complesso" (Vodopivec a.a.O. 83). 177 Vodopivec (a.a.O. 84) spricht von einer „posizione ufficiale cattolica". 178 Mansi LI, Sp. 567 und 571—573; vgl. auch oben S. 12f.
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dar, die zwar untereinander durch Bekenntnis oder Ordnung getrennt seien, gleichwohl aber als Zweige eines Stammes auf dieselbe Wurzel zurückgingen. Diese Theorie, die später in der ökumenischen Bewegung eine gewisse Rolle gespielt hat, ist vom Vatikanum ausdrücklich abgelehnt 179 und nachher durch die Votumlehre ausgeschaltet worden. Während derartige Gedanken meist nichtrömischer Herkunft waren, gibt es auch in den eigenen Reihen noch eine andere, ebenfalls vielfach nuancierte Meinung zu diesem Punkt, die unter irgendeiner Terminologie mit der Trennung von sichtbarer und unsichtbarer Kirche arbeitet. Als erster Vertreter wird gewöhnlich Bellarmin genannt 180 , der unter (unberechtigter) Berufung auf Augustin Leib und Seele der Kirche unterscheidet und unter der Seele die Gaben des Heiligen Geistes, unter dem Leib äußeres Glaubensbekenntnis und Sakramente versteht. Von da aus ergibt sich dann für die Glieder dieses corpus eine dreifache Möglichkeit der Zugehörigkeit: ein Mensch kann zu Leib und Seele der Kirche gehören, nur zum Leib und nicht zur Seele, oder nur zur Seele und nicht zum Leib 181 . Für diese Konzeption beantragte einer der vorbereitenden Väter des Vatikanums die Aufnahme in das „Schema", drang aber damit nicht durch; es wurde ihm entgegengehalten, die Distinktion sei scholastisch und für den Sprachgebrauch eines Konzils ungewohnt 182 . Ein kleiner Schritt führt von hier aus zu der Position, wie sie im III. Kapitel eingehender dargestellt wurde. Identifiziert man nämlich die Seele der Kirche mit dem „mysticum corpus Christi", so hat man zwar die etwas merkwürdige Terminologie, daß das „corpus" die Seele ist, braucht sich aber mit dem Gliedschaftsprädikat im übrigen nicht auf die römischen Katholiken zu beschränken. Auf dem Vatikanum schlug Bischof Dupanloup diese Unterscheidung vor 183 . Das Neue, was alledem gegenüber die Votumlehre bedeutet, besteht darin, daß sie jene Trennung von innerer und äußerer bzw. sichtbarer und unsichtbarer Ebene absolut von der Kirche selbst fernhält und sie statt dessen auf das den Menschen mit der Kirche verbindende Band überträgt. Aus Taufe, Bekenntnis und Gehorsam wird die äußere Seite dieses Bandes gebildet, die den römischen Katholiken sieht- und kontrollierbar an die Kirche bindet. Ist dieses äußere Band aber (noch) nicht geknüpft oder an einer Stelle wieder zerrissen, so kann gleichwohl ein mehr oder minder ausdrücklicher Wunsch nach der Gliedschaft als innere Seite dieses Bandes verbleiben und im N o t fall, besser als nichts, die Lücke im äußeren Bereich zu füllen suchen. N u r : 179
Mansi LI, Sp. 623; vgl. D 1685. Das folgende Referat hält sich an den zitierten Aufsatz von Robert Brunei, der a.a.O. 203—207 die Beziehungen am besten verdeutlicht. Zu Bellarmin vgl. noch Beumer ThGl 37/38, 1947/48, 247. 181 Bellarmin a.a.O. 75. 182 183 Mansi XLIX, Sp. 624/625. Mansi LI, Sp. 786, n. 270. 180
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welcher Art diese Verbindung auch sei — immer besteht sie zu der einen römisch-katholischen Kirche, die Christi unsichtbar-mystischer Leib und äußere Institution zugleich und untrennbar ist. „Unsichtbare Glieder der einzigen Kirche, die hier auf Erden sichtbar ist und sein m u ß " — das ist die neue, aus der Votumlehre hergeleitete Formel f ü r die außerordentliche Zugehörigkeit, zu der zahlreiche Kommentatoren der Kirchenenzyklika gekommen sind 184 . Man kann nicht oft genug betonen, daß die durch das Votum hergestellte Verbindung zur römischen Kirche immer nur etwas Anormales, Außergewöhnliches, Vorläufiges darstellt, das lediglich daraus seine Daseinsberechtigung hat, daß es auf eine sichtbare Verwirklichung drängt. U n d nur schwerwiegende Umstände können einen Menschen, der diese nicht vollzieht, d a f ü r entschuldigen. Klar ist, d a ß der Mensch nichts d a f ü r kann, wenn ein unerwarteter Tod allen Plänen und Absichten ein Ende setzt. Aber bereits bei Bernhard trat dem Tod „alia quaecumque vis invincibilis" als Hindernis an die Seite 185 . Das Vatikanum präzisiert dies noch dahin, daß eine „invincibilis ignorantia" über Christus und seine Kirche eine besondere Beurteilung nötig mache, und das Lehrschreiben „Suprema haec" schließlich lehrt gerade für diesen Fall die Möglichkeit des votum implicitum 186 . Den ausführlichsten Kommentar zu diesen Andeutungen stellen zwei Lehräußerungen Papst Pius' I X . dar, die beide gegen den ekklesiologisdien Indifferentismus gerichtet sind. Ihm gegenüber unterstreicht die Ansprache „Singulari q u a d a m " vom 9. 12. 1854 die Heilsnotwendigkeit der Kirche. D a n n heißt es: „Sed tarnen pro certo pariter habendum est, qui verae religionis ignorantia laborent, si ea sit invincibilis, nulla ipsos obstringi huiusce rei culpa ante oculos Domini. N u n c vero quis t a n t u m sibi arroget, u t huiusmodi ignorantiae designare limites queat iuxta p o p u l o r u m , regionum, ingeniorum aliarumque rerum tarn multarum rationem et varietatem?" 1 8 7 Weitere Erläuterungen gibt die Enzyklika „ Q u a n t o conficiamur moerore" des gleichen Papstes: „ N o t u m Nobis vobisque est, eos, qui invincibili circa sanctissimam nostram religionem ignorantia laborant, quique naturalem legem eiusque praecepta in omnium cordibus a Deo insculpta sedulo servantes ac Deo oboedire parati, honestam rectamque vitam agunt, posse, divinae lucis et gratiae operante virtute, aeternam consequi vitam, cum Deus, qui omnium mentes, animos, cogitationes habitusque plane intuetur, scrutatur et noscit, pro summa sua bonitate et dementia minime patiatur, quempiam aeternis puniri supliciis, qui voluntariae culpae reatum non habeat." 1 8 8 184
,,. . . membres invisibles de l'unique Eglise qui, ici sur terre, est et doit etre visible"; so Nothomb a.a.O. 242f., der im übrigen Anm. 5 noch etwa zehn weitere Autoren nennt, die von „unsichtbarer Zugehörigkeit zur sichtbaren Kirche" reden. 184 Vgl. oben S. 65 und Anm. 128. 188 Mansi LI, Sp. 542; Tromp a.a.O. 71 f., vgl. oben S. 76. 187 188 D 1647. D 1677. 79
Um die Tragweite der hier aufgestellten Lehre zu ermitteln, ist ein Exkurs in die Moraltheologie bzw. in deren psychologische Prolegomena erforderlich; denn Ausdrücke wie invincibilis ignorantia, culpabilitas, bona fides189, die hier zur Debatte stehen, gehören in dieses Gebiet. Für jeden „Nichtkatholiken", gleichgültig ob Heiden oder Christen, besteht objektiv gesehen immerwährend die Pflicht, in die römische Kirche einzutreten, und es ist, wiederum objektiv gesehen, Ungehorsam gegen Gott, daß so viele diese Gewissensentscheidung nicht vollziehen. Aber eine unüberwindliche Unwissenheit läßt „die objektive Übertretung der sittlichen N o r m nicht zu einer subjektiven Schuld werden" 1 " 0 , und Unwissenheit „ist unüberwindlich, wenn der Gedanke, daß eine Verpflichtung vorliegt, überhaupt nicht auftaucht" 191 . Auf den ins Auge gefaßten konkreten Fall angewandt, träfe das auf einen von der christlichen Mission noch völlig unberührten Heiden zu, in dessen Blickfeld die Existenz der römischen Kirche gar nicht eingedrungen ist, geschweige eine göttliche Forderung, ihr beizutreten. Daß dieser Heide nicht römisch-katholisch ist, läßt sich aus seiner Situation erklären, und Gott in seiner Güte und Weisheit wird ihn diese unverschuldete Zwangslage nicht durch die Strafe der Verdammnis entgelten lassen, sondern ihm das ewige Heil schenken, sofern er den Wunsch erkennen läßt, mit seinem, Gottes, Willen im Einklang zu leben. Moraltheologisdi ausgedrückt ist dieses votum virtualiter implicitum 192 das Zeichen dafür, daß der Betreffende der Kirche beitreten würde, falls er von ihr Kenntnis hätte 193 . Dies der Fall, in dem es physisch unmöglich ist, sich die erforderliche Kenntnis zu verschaffen 194 . iss Vgl. in den obigen Texten die Ausdrücke „nulla ipsos obstringi huiusce rei culpa ante oculos Domini", „qui voluntariae culpae reatum non habeat"; im vatikanischen Schema I genau die gleiche Formulierung (Mansi LI, Sp. 542); im Schemall wird ein Unterschied gemacht zwischen denen, „qui ecclesiam sua culpa" und denen, die sie „nullo suo vitio ignorant" (Mansi LIII, Sp. 312). Die Begriffe „bona oder mala fides" gehören zu den heute allgemein verwendeten termini technici. IM ρ Tillmann, Handbuch der katholischen Sittenlehre, Düsseldorf 1934ff., Bd. III, 274. 191 Tillmann a.a.O. II, 53. 192 In Ergänzung zu den Ausführungen oben S. 66 lassen sich jetzt folgende Abstufungen des Kirchenvotums unterscheiden (nach Schmaus a.a.O. I I I / l , 827): 1. votum explicitum, der ausdrückliche Wunsch, reapse-Glied der römischen Kirche zu werden (ζ. B. beim Katechumenen); 2. votum implicitum als a) votum implicitum formale, der Wunsch, alle von Gott eingesetzten Heilsmittel zu gebrauchen, wobei die römische Kirche nicht als solches verstanden wird (z.B. bei nichtrömischen Christen); und b) als votum virtualiter implicitum, der generelle Wunsch, Gottes Willen zu gehorchen, wobei dessen konkrete Weisungen dem Menschen unbekannt sind (beim Heiden). 193 Vgl. Otto Schilling, Handbuch der Moraltheologie, Stuttgart 1952, I, 75. Dazu das Bild v o m Pfeilschützen, das Thomas in der Summa I a II ae qu. 6 art. 8 für die ignorantia antecedens anführt. 194 Schilling a.a.O. 74. Oben (vgl. S. 69f. und Anm. 145) wurde gezeigt, wie Billot auf „invincibilis ignorantia" nur für den Fall einer solchen physischen
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Die „ignorantia invincibilis" entschuldigt den Menschen, weil sie ein Hemmnis seiner Freiwilligkeit ist; „denn Voraussetzung des Verdienstes — und damit negativ audi der Sündhaftigkeit — ist die Freiwilligkeit" 195 . In dieser Funktion steht die ignorantia aber nicht allein, sondern audi der Irrtum kann unter den gleichen Bedingungen zu solch einem Hemmnis werden 196 ; im übrigen gehören seit der Scholastik zu den „impedimenta voluntarii" traditionsgemäß nodi metus, concupiscentia und violentia 197 . Und in dem modernen moraltheologischen Handbuch von Tillmann werden die mannigfachen Einflüsse, die bei einer Gewissensentsdieidung in Redinung zu setzen sind, auf nicht weniger als 77 Seiten abgehandelt 198 . Es ist somit ersichtlich daß die Grenze zwischen subjektiver Schuldhaftigkeit und Schuldlosigkeit keineswegs sdiarf gezogen ist; denn es gibt zwischen beiden noch das weite Gebiet der verringerten oder geminderten Schuld, in welches alle diejenigen Handlungen und Unterlassungen gehören, bei denen jene impedimenta ihre Rolle n u r teilweise oder bis zu einem gewissen Grad spielen. So fragmentarisch diese Andeutungen hier wiedergegeben werden können, man kann jedenfalls daraus erkennen, daß die ignorantia nidit nur dann als Entschuldigungsgrund in Frage steht, wenn sie physisch, sondern auch dann, wenn sie moralisch unüberwindlich ist. „Die logische Richtigkeit und Gültigkeit eines Gedankenganges ist nicht gleichbedeutend mit seiner innerseelisdien Überzeugungskraft . . . So kann jemand alle Gründe, die f ü r den Primat angeführt werden, genau kennen und ihn trotzdem ohne bösen Willen ablehnen, weil ihn unüberwindliche seelische Hemmungen an der Einsicht dieser Gründe hindern." 199 Und die moderne Psychologie, deren Ergebnisse in der Moraltheologie zusehends ausgewertet werden, hat erwiesen, daß praktisch jeder inner- und außerseelische Faktor sich zu solch einem „impedimentum" auswachsen kann 200 . All diese Gegebenheiten vermögen derartige Ausmaße anzunehmen, daß man nicht mehr mit ihnen fertig wird, daß sie subjektiv unüberwindlich werden. Für die „bona fides" eines Unmöglichkeit erkennt; das Haltmachen an dieser Stelle ist die Vorbedingung dafür, daß er seine Analogie zwischen Heiden und ungetauften Kindern überhaupt entwickeln kann. Faßt man jedoch mit der heutigen römischen Theologie unter den Begriff der „Unmöglichkeit" nicht nur die physische, sondern auch die moralische, so läßt sich jene Analogie nicht mehr durchführen. 195 Schilling a.a.O. 75. iss Ygj CIC can. 2202, § 3: „Quae de ignorantia statuuntur, valent quoque de inadvertentia et errore." Dazu L. Fanfani, Manuale theorico-practicum Theologiae Moralis, Rom 1950, Bd. I, 67. 197 Fanfani a.a.O., Index X; Merkelbach, Summa Theologiae Moralis, Desclie de Brouwer Paris 1954, Bd. I, 71 ff. 198 199 Tillmann a.a.O. II, 52—129. Schmaus a.a.O. III/l, 833. 200 Eine kleine Auswahl aus diesen impedimenta bei Tillmann a.a.O.: jede Art von geistiger Schwachheit oder Krankheit, Leichtsinn, Erziehungsfehler, einseitige Wertbetonung, Gewohnheit, Charakter, Temperament, Vererbung, Lebensalter, geschlechtliche Unterschiede. 6
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Dietzfelbinger, Grenzen
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Menschen aber wird nur eine gewisse innere Redlichkeit, eine Übereinstimmung mit sich selber, ein subjektives Überzeugtsein von der Richtigkeit seines Tuns und Handelns vorausgesetzt, oder doch wenigstens das ehrliche Bestreben, sein Tun nadi dem Stand seiner Einsicht zu richten, auch wenn es de facto — eben auf Grund von irgendwelchen impedimenta — weit hinter dieser zurückbleibt. Daraus wird deutlich einmal, daß von dieser Seite aus die Möglichkeit des Votums also durchaus nicht auf die Heiden beschränkt, sondern auch f ü r unter Umständen sehr wohlunterrichtete Christen gegeben ist, zum anderen, daß es psychologisch nahezu unmöglich erscheint, sich denjenigen Menschen vorzustellen, der überhaupt keine Spur der bona fides hätte und für den damit die Möglichkeit des Votums absolut ausgeschlossen wäre. Außerdem: wenn ein Mensch auch augenblicklich die bona fides nicht zu haben scheint — wer weiß denn, ob er sie nicht mit zunehmendem Alter, ob er sie nicht durch ein aufrüttelndes Erlebnis bekommt? Und wenn dies erst in der Sterbestunde geschieht, dann ist es auch da noch nicht zu spät für ein votum ecclesiae. In der Tat sind, wie Pius IX. sagt, die konkreten Verhältnisse so mannigfaltig und verschiedenartig, daß niemand sich anmaßen darf, der ignorantia eine Grenze zu ziehen; bzw. man wird auf Grund der inzwischen erfolgten breiteren Entfaltung dieser Fragen in der neueren Moralpsychologie noch einen Schritt weitergehen müssen und sagen, daß es vom Psychologischen her eine endgültige Grenze f ü r die Möglichkeit des Votums überhaupt nicht gibt. Als Beispiel diene das sogenannte „ p a r a d o x e ' votum ecclesiae, das zwar audi keinen psychologischen Grenzfall darstellen kann, aber das Gesagte doch ziemlich pointiert zum Ausdruck bringt: Ein Mensch kennt die Kirche und ihre Wirksamkeit, kehrt sidi aber mit allen Mitteln und Kräften gegen sie, in der festen Überzeugung, damit das Wahre, das Rechte, das Gottgefällige, das zu tun er anstrebt, zu erfüllen. „Aber seine Feindseligkeit und Ungerechtigkeit gegen die Kirche, Auswirkungen einer irregeleiteten Aktivität, können durchaus in seinem Herzen neben einem bewegten, durch die Liebe tätigen Glauben bestehen, der sich nicht irreführen läßt und ihn ohne sein Wissen eng an diese Kirche bindet, die er verabscheut, deren Sohn er aber ist." 201 Was sich für Menschen sichtbar ereignet, hat dann f ü r die Beurteilung der Heilsaussichten und damit für die Bindung an die Kirche letztlich keine Bedeutung, denn die innere Haltung dieses Menschen, sein Bild „ante oculos Domini" kann davon oft das genaue Gegenteil sein202. 201 Nach dem französischen Text bei Charles Journet, L'Eglise du Verbe Incarni I, Desclce de Brouwer Paris 21955, 54. Kurz ist das paradoxe Votum noch erwähnt bei Morel a.a.O. 722, Anm. 44, und bei Nothomb a.a.O. 243. 202 Wenn Pius IX. die „pertinaces" und „contumaces" vom Heil ausschließt, so ist zu beachten, daß er damit einen Wechsel der Ebenen vornimmt, nämlich aus der Moraltheologie in das kanonische Recht: Contumacia ist ein Begriff aus dem Kirchenrecht (vgl. oben S. 32 und Anm. 20); subjektiv schuldhaft ist der for-
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Soll das Votum selbst heilsvermittelnden Charakter haben, so muß es, wie zuletzt der Bostoner Brief lehrte, mit einem Akt vollkommener Liebe verbunden sein. Jener Glaube an den Gott, der existiert und über die Menschen seine gerechte Vorsehung übt, muß in seiner Folge die vertrauensvolle Hingabe an eben diesen Gott haben, und zwar allein um dessen Güte willen, und nicht zu einem Nebenzwecke203. Das Votum ist der generelle Wunsch, Gottes Willen zu erfüllen; aber dieser Wunsch ist es nodi nicht allein, der heilbringend ist, sondern er muß sozusagen in einen Liebesakt eingewickelt (implicitum) sein. Denn der erst ist es, welcher dem Menschen die zum Heilsempfang erforderliche Rechtfertigung sdiafft 204 , und zwar eben vermittelst des implizierten Votums. Jener Liebesakt ist also das Votum „in concreto", das an die Stelle einer ordentlichen Gliedschaft treten soll 205 . Wie diese abstrakte Beschreibung zu füllen ist, deutet das zweite der Piusdokumente an: Jene „Nichtkatholiken", von denen ein aussichtsreiches Votum angenommen werden kann, müssen dies in einem ehrbaren und rechtschaffenen Leben dokumentieren, in dem sie das Naturgesetz und die von Gott dem Herzen eingemeißelten Gebote eifrig befolgen und damit ihre Bereitschaft, Gott zu gehorchen, beweisen. In diesen Zusammenhang gehört nun der schon öfter gestreifte Aufsatz von Andre ί ϊ ^ έ 2 0 6 . „Le salut des ,autres'" — das Heil der Nichtchristen beunruhigt ihn. Kein Heil ohne Glauben, meint audi er: aber selbst eine fides implicita im Sinne von Hebr. 11 ist im Blick auf viele Menschen immer noch eine unmöglich zu erfüllende und daher unbillige Forderung 207 . Liege melle Häretiker bzw. Schismatiker, der sich persönlich und akthaft von der römischen Kirche getrennt hat (vgl. obenS. 29 f. und Anm. 9), im Gegensatz zum materiellen Häretiker (Schismatiker), der bereits von den Vorfahren her in solch einer Trennung steht. Es liegt auf der Hand, daß diese Begrenzung nur ein praktisch-disziplinäres Kriterium an die Hand geben, nicht aber eine theoretisch-theologische Unterscheidung sein möchte; denn nur unter dieser Voraussetzung wäre allenfalls einzusehen, worin sich, was die Schuldfrage anlangt, das Beharren in der Trennung vom Eintritt in dieselbe unterscheidet. Im übrigen wird auch auf römischer Seite zugegeben, daß ein formell Getrennter moraltheologisch gesehen nicht unbedingt mit subjektiver Schuld behaftet sein muß. Man hat hier keine adäquate Lösung des Problems, sondern nur ein Ausweichen in die sichtbare Ebene des Rechtlichen. 203 Vgl. oben S. 77 mit Anm. 176. 204 Vgl. D 1031 ff. und 1070: Caritas perfecta destruit peccatum. 205 So Zapelena a.a.O. II, 308—309. 204 Li6g6, Lumiere et Vie 741—778. 207 Schon Billot (vgl. oben S. 69 f.) hatte die Möglichkeit zu einer solchen fides implicita (vgl. auch oben S. 50 mit Anm. 80) ohne von außen kommende Belehrung bestritten und aus dieser Tatsache seine Konsequenzen gezogen. Obwohl die gegenteilige Meinung heute in der römischen Theologie communis opinio ist und auch im Bostoner Brief vorausgesetzt wird, bleibt solch eine Möglichkeit letztlich natürlich immer ein unbeweisbares Postulat, dem die Erfahrungen der Missionare allenfalls eine gewisse Wahrscheinlichkeit geben können; Thomas Ohm, Die Liebe zu Gott in den nichtchristlichen Religionen, Krailling vor München 1950, spricht sich dazu positiv aus. Li6g6 zeigt a.a.O. 747—750, wie sich die Reduktion der fides quae 6*
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sucht deshalb nadi einem der Bekehrung zum christlichen Glauben
voran-
gehenden A k t noch allgemeinerer Art, an dem man das Votum etwa ablesen könnte. Das
findet
er, und zwar in dem, was er „Präkonversion"
nennt,
die seiner Meinung nach jeder eigentlichen Konversion voraufgeht. Gemeint ist damit eine Lebenshaltung, die den in der menschlichen N a t u r liegenden Egoismus samt seinen vordergründigen Glücksnormen verlassen hat und sich den absoluten Werten der Existenz verantwortlich weiß. Dies geschieht weniger durch Reflexion, sondern vielmehr auf dem Gebiet des Sittlichen;
der
„dynamisme m o r a l " ist die eigentliche Frucht jener Präkonversion, der seine Stärke in schweren Situationen zu zeigen hat, vor allem, wenn er sich für oder gegen die Bruderliebe entscheiden muß. Es liegt in der N a t u r
einer
solchen Vorkonversion, daß sie sich in der Begegnung mit Christus erfüllt und vollendet. M i t dieser Intention ist sie von Anfang an wesensgemäß verbunden, wenn auch in Wirklichkeit der „^lan" nicht zum Ziel
kommt.
Ein Mensch der Vorkonversion ist nicht mehr nur selbstbezogen, in seiner sittlichen Willensrichtung kommen außer- und übermenschliche Werte Ausdruck, und in diesen wiederum ist der absolute Wert,
zum
die moralische
Konstante, immanent und wird auf ihre Glaubwürdigkeit praktisch erprobt. „Embryonalglauben" nennt Liege diese Haltung, die objektiv gesehen von G o t t her und auf G o t t hin orientiert ist, gleichgültig, ob es der Betreffende weiß oder nicht, und gleichgültig, ob sie sich des Gottesnamens bedient oder ob sie sich atheistisch ausdrückt. Jawohl, ohne Glauben kein H e i l —
dann
aber macht hiervon auch der embryonale Glaube keine Ausnahme, denn auch er ist durch die Gnade Gottes gewirkt. D i e Handlung eines Menschen, der sein Leben
in die H a n d nimmt und ihm eine bestimmte Richtung
bedeutet gegenüber G o t t Zustimmung oder Ablehnung,
auch beim
gibt, Fehlen
jedes objektiven Glaubensbekenntnisses. Es ist hier nicht m e h r möglich, als den Kerngedanken dieses inhaltsreichen Aufsatzes zu zitieren 2 0 8 . Deutlich ist, daß die Heiden, im Busch und in der auf jene beiden credenda entwickelt hat: Bereits Thomas vollzieht sie, erkennt ihre Heilsgenügsamkeit aber nur für die Heiden an, die vor der Inkarnation gelebt haben; für die späteren fordert er als unbedingtes Mindestmaß den expliziten Glauben an Inkarnation und Trinität. E r geht dabei von der im Mittelalter allgemein verbreiteten Annahme aus, das Evangelium sei bereits aller Welt verkündigt; für etwaige vereinzelte Ausnahmen von dieser Regel nimmt er Privatoffenbarungen über die Fundamentallehren der Kirche an. — In der Gegenwart hat man im allgemeinen mit der irrigen Voraussetzung auch das strengere Postulat fallengelassen und nur jene thomistische Reduktion auf den Vorsehungsglauben beibehalten, die dann als positive Möglichkeit auch auf die „nachchristlichen" Heiden ausgedehnt wurde. 208 Die obige Zusammenfassung gibt vor allem 752—756 wieder. Eine weitere Vertiefung dazu bieten die Gedanken Jacques Maritains, vgl. seine „Neuf legons sur les notions premiferes de la philosophic morale", Paris 1951, namentlich die 6. ,,ΐεςοη". Vgl. weiterhin R. Lombardi, La salvezza di chi non ha la fede, Rom 4 1949, dazu die Besprechung durch Congar unter dem Titel „Au sujet du salut des non-catholiques" (RevSR 32, 1958, 53—65). 84
Großstadt, durch soldi eine Lehre wesentlich konkretere Möglichkeiten für das Heil bekommen; ob der Weg zu diesem Ziel allerdings im Sinne des Sanctum Officium ist, bleibt eine zweite Frage. Denn jene Heilsmöglichkeiten kommen nur dadurch zustande, daß die Suche nach einem zu fordernden Mindestmaß christlicher Substanz aus dem Bereich des begrifflich Impliziten in den des vital (oder vielleicht deutlicher gesagt: moralisch) Impliziten verlagert wird 2 0 9 . Wenn man im Anschluß an die Formel „unsichtbare Glieder der sichtbaren Kirche", die oben 210 als kennzeichnend für die Votumlehre ermittelt wurde, geneigt ist, das Votum als Größe des inneren Bereiches zu qualifizieren, so bedarf dies nach den eben gemachten Ausführungen offenbar einer Näherbestimmung. Vodopivec wehrt sich dagegen, daß man das Votum ausschließlich als psychologische Disposition bezeichnet; für ihn ist es bereits in seiner impliziten Gestalt beim Heiden nicht mehr ganz unsichtbar 211 . In der Tat wird man zugeben müssen, daß die „honesta rectaque vita" durchaus eine Größe sein kann, die sich erfahr- und feststellbar äußert; an diesem Punkt scheint eine Verbindung zwischen Innen und Außen vorzuliegen, die organisch ist. Aber selbst wenn man die in diesem Zusammenhang speziell sich ergebenden Probleme einmal beiseite läßt 212 , so darf man nicht verkennen, daß auch jener moralische Akt in keiner ersichtlichen Beziehung zum Bereich des Sakramentalen steht und ohne Auswirkungen für das kirchliche Recht ist. Sind aber Recht und Sakramente gewissermaßen die Repräsentanten des forum externum, so kann die oben aufgezeigte Verbindung in dieser Frage nicht als befriedigende Auskunft gelten. Der fundamentale Unterschied zwischen reapse-Gliedschaft und votaler Zuordnung bleibt vielmehr bestehen. Jene hält sich in ihrer Realität von den sittlichen Qualitäten ihrer Träger völlig unbeeinflußt, während diese damit, wo nicht steht und fällt, so doch zumindest wächst oder abnimmt. Dort hatte man, entsprechend einer äußeren und inneren Seite der Gliedschaft, 208 Liig6s Gedanken aufs allerengste verwandt sind die Ausführungen, die Otto Karrer bereits 20 Jahre vorher zu diesem Punkt für einen breiteren Leserkreis gegeben hat (a.a.O. 203—249): Der von der römischen Kirche geforderte heilsnotwendige Glaube braucht nicht als „intellektuelle Leistung", als „Wissen" verstanden zu werden, sondern er ist bereits da, wo „eine bestimmte Willenseinstellung auf das Heilige, eine Gesinnung und entsprechende sittliche Entscheidung" vorliegt (210). „Wo immer also ein Mensch die Stimme hört, die ihn zum Guten ruft, und sich dem Ruf erschließt in ganzer Bereitschaft, ist es ein Zeichen . . ., daß ihn die Gnade führt" (229/30). Die Vereinbarung dieser Ausführungen mit dem Satz von der Heilsnotwendigkeit der Kirche bringt Karrer zuwege durch „die Lehre von einer unsichtbaren Kirche der Guten und Begnadeten auch jenseits der sichtbaren Kirchengemeinschaft" (231). 210 Vgl. oben S. 79 mit Anm. 184. 211 Vodopivec a.a.O. 75 und 100. 212 Zu erörtern blieben die beiden Fragen, ob ein Votum nicht auch schon „salvificum" sein kann, wenn es mit einer Liebe verbunden ist, die keine akthafte Verwirklichung gefunden hat, und ob der äußerlich-moralische Akt nicht auch einmal fiktiv sein könnte.
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Gültigkeit und Fruchtbarkeit deutlich trennen können 213 , hier ist, entsprechend der im wesentlichen doch innerlichen Struktur der Zuordnung, beides ein und dasselbe, und wenn es im Bereich des „reapse" sehr wohl fiktive Glieder gibt, so ist derartiges im Bereich des Votums nicht denkbar. Dort wurden objektiv vorliegende, einwandfrei als existent oder fehlend zu bestimmende Tatsachen als Kriterien angewandt, hier eine Gesinnung, die sich allenfalls in einer Lebenshaltung manifestieren kann. Diesen Stand der Dinge und die daraus erwachsende Problematik sieht am schärfsten Karl Rahner 214 , der zugleich einen Versuch zu ihrer Überwindung anbietet. Seinen Gedanken ist etwas ausführlicher nachzugehen: Zu Anfang macht Rahner die sehr einleuchtende Feststellung, daß von einer sichtbaren, geschichtlichen Kirche nichts mehr übrigzubleiben scheint, wenn der Mensch auch nur unter Umständen sein Heil finden kann durch seinen „guten Willen", also in der reinen Innerlichkeit und Geistigkeit seiner personalen Entscheidung. H a t man früher 2 1 5 gesagt, daß die Bedingungen f ü r die Zugehörigkeit nur „auf der Ebene des Sichtbaren, des geschichtlich und rechtlich Greifbaren, und darum auch auf der Ebene des sakramentalen Zeichens", nicht aber auf der „des inneren personalen Seins" liegen können, und hatte man dies für die reapse-Gliedschaft einleuchtend begründet, so kann man f ü r eine Zuordnung durch das Votum jetzt nicht auf einmal das Gegenteil behaupten, wenn anders die sichtbar-unsichtbare Doppelstruktui der einen Kirche, des Beziehungsobjektes von realer Gliedschaft wie von votaler Hinordnung, gewahrt bleiben soll. Dasselbe kirchliche Lehramt lehrt gleichzeitig die Heilsnotwendigkeit der sichtbaren Kirche und die praktische Möglichkeit einer Rechtfertigung durch das bloße Votum. Sollen diese beiden Sätze sich nicht von vornherein gegenseitig ausschließen, so muß nach Rahners Meinung aufgewiesen werden, daß auch das Votum eine sichtbare Seite hat, durch die dann eine unmittelbare Beziehung zur Sichtbarkeit der Kirche überhaupt gegeben wäre. Diesen Aufweis unternimmt Rahner, indem er von dem Gedanken ausgeht, daß die Menschheit von Gott als eine konkrete Einheit gesehen wird, was sich in ihrer gemeinsamen Abstammung von Adam, der Tatsache der Erbsünde und in ihrer allgemeinen Erlöstheit durch Christus zeigt. Grundsätzlich ist jeder Mensch in diese Einheit einbezogen, und im Vergleich zu seinem persönlichen Tun ist diese Einbezogenheit sogar das Primäre, eine Wirklichkeit, die jenem persönlichen, freien Tun vorausliegt. Sie gehört unter dieser Wesensbestimmung zur Sichtbarkeit des Menschen, insofern sie als die Gesamtheit des raumzeitlidi Konkreten verstanden wird, als die Materie für das geschichtliche Offenbarwerden des Menschen als eines intelli213
214 Siehe oben S. 35. Rahner a.a.O. 83—94. Rahner a.a.O. 29. Die folgenden Ausführungen geben gleichzeitig eine Darstellung des positiven Entwurfs von Rahner, den er seiner oben S. 42ff. skizzierten Kritik an Mörsdorf zur Seite stellt. 215
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giblen Freiheitswesens. Das von jedem Menschen frei Gewollte („die ursprünglich intelligible Freiheitstat") sucht notwendig sich zu verleiblichen in Handlungen, die damit immer auch Betätigung und Ingangsetzung jener raumzeitlichen Materie bedeuten. Eine absolut schöpferische, rein aktive Freiheitstat (im Sinne des Existentialismus) gibt es nicht; die Freiheit kann sich immer nur in der Verleiblichung verwirklichen. Das bedeutet einerseits, daß die N a t u r sich dem Freiheitsdrang als Betätigungsgebiet zur Verfügung stellt, andrerseits, daß sie diesen, eben indem er sich betätigt, zur Unterwerfung unter ihre Gesetzlichkeit und Bestimmtheit nötigt. Freies personales Entscheiden und Verfügen über sich selbst bedeutet also immer Offenbarwerden des Eigenen und zugleich, untrennbar damit gesetzt, Übernahme des Fremden, der durch die N a t u r auferlegten Bestimmtheit, und eben auf Grund dieses zweiten Konstitutivums stets Tat in der geschichtlichen Sichtbarkeit. Wie bereits angedeutet, ist jene reale Einheit der Menschheit auch bestimmt durch die Menschwerdung des Wortes Gottes. Die Inkarnation selbst ist aber eine Berufung zur übernatürlichen Teilnahme am Leben Gottes f ü r die ganze Menschheit. Diese allgemeine Berufung partizipiert somit an der Sichtbarkeit der N a t u r , weil sie ja offenkundig vor dem Tun des einzelnen Menschen liegt. Der Heilswille Gottes hat eine konkrete, sichtbare, geschichtliche, substantielle Gestalt gewonnen. U n d jede personale Entscheidung, in der der Mensch seine N a t u r über und an sich vollzieht, ist infolgedessen, gleichgültig ob bewußt oder unbewußt, unvermeidlich eine Stellungnahme f ü r oder gegen die Berufung, am göttlichen Leben teilzunehmen. Konkret bezeichnet nun Rahner jene vorgegebene, speziell durch die Inkarnation konsekrierte Einheit als „Volk Gottes" 218 , das sich so weit erstreckt wie die Menschheit. Gliedschaft am Volk Gottes gehört zu den Bestimmungen jeder konkreten Menschennatur. Wenn daher ein Mensch diese seine konkrete Menschennatur frei bejaht und übernimmt und so zum Ausdruck seiner eigenen Freiheitsentscheidung f ü r G o t t macht (d. h. das „ V o t u m " hat, ihm zu Willen zu sein), dann wird die Gliedschaft am Volke Gottes Zeichen dieses rechtfertigenden Aktes. Damit ist das Votum nicht bloß ein Akt, der rein intentional-innerlidi seinen implizierten Gegenstand anzielt — das ist nur die eine Seite, die „intelligible Freiheitstat" —, sondern gleichzeitig wesensnotwendig Ü b e r n a h m e jener quasisakramentalen sichtbaren Struktur, die dem Volk Gottes eignet. Das votum ecclesiae ersetzt somit nicht als „guter Wille" die reale Zugehörigkeit zur Kirche, sondern als personale Übernahme jener auch schon in der Ebene des Geschichtlichen und Sichtbaren liegenden Gliedsdiaft am Volke Gottes 217 . 218
Zu diesem Ausdruck vgl. auch oben S. 54 Anm. 93. Es sei an dieser Stelle auf eine gewisse Verwandtschaft von Rahners Gedanken mit dem Aufsatz von Li6g6 (vgl. oben S. 83ff.) hingewiesen, die H K I X , 1954/55, 323, im einzelnen aufzeigt. 217
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Bleibt nodi die Frage nach dem Zusammenhang zwischen Volk Gottes und Kirche. Beide liegen vom einzelnen her gesehen auf der Ebene der geschichtlichen, sichtbaren, realen und jeder menschlichen Entscheidung voraufgehenden Wirklichkeit. Aber „Volk Gottes" liegt der Organisation der Kirche in ähnlicher Weise voraus wie ein bestimmtes geschichtliches Volk etwa seiner späteren Organisation im Staat vorausliegt. Es kann und soll auf der Ebene des Gesellschaftlichen und Rechtlichen nach dem Willen Gottes eine weitere Konkretisierung finden — eben in dem, was wir die römisch-katholische Kirche nennen. Soweit Rahner 218 . Der Anlaß zu diesen schwierigen und gewichtigen Ausführungen ergab sich für Rahner, nach seinen eigenen Worten, daraus, daß er im Falle einer reinen Innerlichkeit des Votums die sichtbare Kirche bedroht sah. Es ist zu fragen, inwieweit diese Bedrohung nunmehr abgewendet ist. Nach dem bisher Festgestellten wurde als Mindestbedingung für ein gültiges Votum gefordert, daß es irgendwie auf den Willen Gottes ausgerichtet war. Von daher könnte man sagen, daß Rahner in jener universalen Berufung zum Volk Gottes die konkrete, sichtbar-geschichtliche Gestalt dieses göttlichen Willens herausgearbeitet hat. War bisher die Kirche das erste und letzte Ziel für die Manifestierung des Votums, so ist jetzt schon vorher eine viel umfassendere Möglichkeit eingeschoben, die nicht früher oder später vom Votum ergriffen wird, sondern im Augenblick seines Entstehens im innermenschlichen Raum bereits mitgegeben und einbezogen ist, weil sie eben seit der Inkarnation die Gestalt des göttlichen Willens par excellence darstellt. Es leuchtet ja ein, daß diese angestrebte Sichtbarkeit nur „quasi"sakramental sein kann; denn sobald ein Votum im (Taufempfang oder) Kircheneintritt sein eigentlich sakramentales Ziel erreicht hat, ist es nicht mehr Votum, sondern „reapse", und die alte Schwierigkeit bliebe ungelöst. Bei Rahner aber wird die spannungsgeladene Tatsache, daß das Votum noch Votum bleibt und doch (von Anfang an!) sichtbare Gestalt hat, eindrucksvoll dargelegt. Und doch, was ist eigentlich sichtbar, geschichtlich, konkret? Sicher die Größe des Volkes Gottes, zu der seit der Inkarnation jene überindividuelle Einheit des Menschengeschlechtes geworden ist. Nach Rahner gilt aber einerseits, daß der Mensch daran, sobald er geboren wird, sozusagen automatisch partizipiert, andrerseits, daß er in der personalen Entscheidung — wenngleich unter Umständen ohne es selbst zu wissen — auch immer zu jener Gliedschaft am Volke Gottes in freier Verantwortung ja sagt, also gleichsam „wird, was er ist". Wohl besteht nun zwischen einem rein vegetativen Menschsein und damit ja immer auch Gliedsein am Volke Gottes und dessen freiwilligem und verantwortungsbewußtem Vollzug ein fundamentaler Unterschied; aber der liegt auf moralischem, ethischem, sittlichem und damit 218 Zu einer in vielem ähnlichen Lösung wie Rahner kommt John O'Connel, The Salvation of Non-Catholics, Downside Review 1954, 256—263.
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innerlich-unsichtbarem Gebiet. Für den Menschen kann die Entscheidungstat geradezu einen Umsturz alles Vorherigen bedeuten, aber eben nur in seinem innermenschlichen Leben; denn welche Veränderung seines sichtbar-äußeren Status hätte sich damit ergeben? Rahner wollte eine quasisakramentale Sichtbarkeit des Kirchenvotums aufweisen; damit diese aber auch für das implizierteste Votum gültig sei, mußte er für die Konkretisierung eine sehr allgemeine Größe wählen. Diese ist aber nun unter der H a n d so allgemein geworden, daß ein Anteilhaben daran von allen Menschen, ob mit oder ohne Votum, ausgesagt werden kann und muß. Wollte Rahner aufzeigen, daß der Mensch mit seiner Geburt bereits sichtbar mit Gottes Heilswillen in einem Zusammenhang steht, der nachher durch den Eintritt in die römische Kirche einen weiteren sichtbaren Ausdruck finden kann, so wäre hierfür der Gedankengang schlüssig 219 . D a ß jedoch ein Votum, welches auf der inneren Ebene durchaus als Fortschritt gegenüber jener allgemein-menschlichen Einheit und als Vorstufe einer Vollgliedschaft verstanden werden kann, auch äußerlich sichtbar solch eine Zwischenstufe sein sollte, ist nicht einzusehen. Entweder man betrachtet die wachsende Konkretisierung einer „Gliedschaft" (allgemein verstanden!) auf der sichtbaren Ebene, so daß aus einer VolkGottes-Gliedschaft Kirchengliedschaft wird 2 2 0 — dann hat aber ein V o t u m nichts dabei zu suchen. Oder man geht dem Votum nach und findet, daß es zwar auf der inneren Ebene eine große Rolle spielen kann, aber für „VolkG o t t e s " - wie Kirchengliedschaft gleichermaßen ohne Belang ist, da man jene durch die Geburt, diese aber durch die Erfüllung der bekannten drei Bedingungen erreicht. Rahner zeigt das Bestreben, dem V o t u m eine ständig sichtbare Begleiterscheinung zu geben. Aber wird hier nicht ein Zusammenhang aufgezeigt, wo gar keiner vorliegt? Natürlich übernimmt ein Mensch mit einem Votum immer aufs neue die Gliedschaft am Volk Gottes, und für sein Inneres kann solch bewußte Übernahme von allergrößter Bedeutung sein. Aber noch einmal: von außen gesehen hatte er sie schon vorher durch die Geburt übernommen, und auf dieser Außenebene besteht zwischen gezwungener und freier Übernahme jener Gliedschaft eben kein Unterschied. Sie wird in ihrer seinsmäßigen Substanz von einem innerlichen Akt nicht verändert. Sollte hier nämlich eine organische und ursächliche Verbindung gegeben sein, so müßte man für den sichtbaren R a u m eine gewisse Ablesbar219 Wem die Lehre von einer immer auch sichtbaren Struktur des göttlichen Heilswillens, die nur von der Inkarnation her abgeleitet ist, zu gefährlich erscheint (und in der römisch-katholischen Ausprägung ist sie gefährlich!), würde ihr doch von ihrer schöpfungsmäßigen Begründung her zustimmen müssen. Bereits diese allein würde jedoch als ausreichendes Fundament für den obigen Satz dienen. 220 Eine logische Zwischenstufe wäre in diesem Fall die Gemeinschaft aller Getauften: Sichtbar, sakramental wie „Volk Gottes" und Kirche, dabei qualitativ mehr als jene und doch noch nicht diese. Aber hierfür ist in Rahners Gedanken kein Platz, vgl. oben S. 44 f.
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keit des innerlichen Votums verlangen können, in Analogie zur Vollgliedschaft, die man ja ohne Schwierigkeit am Erfülltsein der drei Bedingungen zu erkennen vermag. Davon kann jedoch bei Rahner keine Rede sein. Wenn die äußere Seite des Votums Gliedschaft am Volk Gottes sein soll, so hat diese jeder Mensch, und ein Näher- oder Fernerstehen gegenüber der römischen Kirche ist daraus nicht zu erheben. „Wo der Mensch bewußt und frei schuldhaft die Zugehörigkeit zur Kirche . . . ausschließt, stellt er sich gegen seine Gliedschaft am Volk Gottes, so daß auch diese ihm nicht mehr zum Heile, sondern zum Verderben wird." 221 Nicht etwa, daß diese Gliedschaft objektiv dadurch vermindert würde oder endlich verlorenginge (wie sollte sie auch?); die einzige Veränderung, die sie erfährt, liegt auf der inneren Ebene ihrer Wirksamkeit: daß sie nämlich jetzt zum Unheil anstatt zum Heil ausschlägt222. Eine zweite kritische Überlegung ist notwendig, die davon ausgeht, daß Rahner dem Votum vor seiner eigentlich intendierten Verwirklichung im Sakrament noch eine vorgängige, quasisakramentale gibt, ihm also gewissermaßen vor dem Endziel noch ein Teilziel setzt. Wenn er von einem „Volk Gottes" spricht, „das sich soweit erstreckt wie die Menschheit", so hat er eine Größe eingeführt, die auch vor und neben der Kirche liegt und diese in ihren Ausmaßen übergreift. Er steht damit in unmittelbarer Nähe der im III. Kapitel betrachteten Versuche, dem Gliedschaftsproblem mittels eines mit der römischen Kirche nicht ohne weiteres identischen „mysticum corpus" beizukommen 223 , und er muß infolgedessen Rechenschaft geben über die Art der Verbindung, die zwischen Volk Gottes und Kirdie herrscht. An diesem Punkt jedoch geht Rahner, was auf dem Hintergrund der gründlichen und ausführlichen Erhellung des Zusammenhangs von Votum und Volk Gottes um so auffälliger ist, über ein paar kurze und keineswegs zwingende Andeutungen nicht hinaus. Das Volk Gottes „liegt der Kirdie voraus" wie ein Volk dem Staat, es kann und „sollte darin nach dem Willen Gottes" „eine weitere Konkretisation auf der Ebene des Gesellschaftlichen und Rechtlichen finden", in ihm ist immer schon „wurzelhaft Kirche gegeben", wobei die Kirche wohl selbst noch einmal „frei durch Christus gestiftet", aber dabei doch „wesensgemäßer Ausdrude der Tatsache sein soll, 321
Rahner a.a.O. 92. 222 w e n n m a n (j;e v o n Rahner (a.a.O. 93) angedeutete Anwendung seiner Skizze auf die unmündig sterbenden Kinder vornimmt, zeigt sich die aufgewiesene Unstimmigkeit von der anderen Seite: hier wäre Gliedschaft am Volke Gottes, die — jedenfalls nach der traditionellen Lehre — nicht von einem Votum begleitet ist. Im übrigen vgl. zu diesem ganzen Komplex die kritische Anmerkung bei Brinktrine, Was lehrt die Enzyklika „Mystici Corporis" über die Zugehörigkeit zur Kirche?, ThGl 37/38, 1947/48, 290—300 (297/98). 223 Auf diese Beziehung ist schon oben S. 54 Anm. 93 hingewiesen worden. Sie ist trotz sachlicher und terminologischer Einzelunterschiede doch deutlich zu erkennen.
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daß die Menschheit in Christus Gottes Volk ist" 224 . Darin erschöpft sich die Auskunft bereits; der stärkste Ausdruck dafür, daß eine Kirchen werdung des Volkes Gottes notwendig wäre, heißt: „sollte" — ohne weitere Begründung. Dann fragt man sich freilich, warum sich das Votum nicht damit begnügen könnte, im „Volk Gottes" eine sichtbare Manifestation gefunden zu haben, in der Gottes Heilswille „die Verbindung aller Menschen als Personen in Gnade und Glorie mit Gott meint". Daß das Volk Gottes „eine objektive Hinordnung auf. die Kirche im eigentlichen Sinn" habe, leuchtet nach seiner vorherigen Beschreibung keineswegs ein. Es beinhaltet die „Berufung zur Teilnahme am Leben des dreifaltigen Gottes selbst" — wie braucht und kann das noch überboten werden? In einer frei entschiedenen Partizipation an der „consecratio mundi" hat der Mensch doch die wesentliche Verbindung mit Christus schon — und die Gliedschaft bei der römischen Kirdie, so möchte man konsequent fortfahren, kann dazu als weiteres Anhängsel hinzukommen oder auch wegbleiben. Man braucht es gar nicht so schroff auszudrücken; aber die Heilsnotwendigkeit der Kirchengliedschaft wirkt auf diesem Hintergrund jedenfalls nicht mehr sehr überzeugend. Vor einer zusammenhängenden Betrachtung der Votumlehre bleibt an dieser Stelle noch nachzutragen225, daß die in den Kapiteln II bis IV dargestellten Lösungsversuche des Gliedschaftsproblems nicht nur als selbständige Systeme bestehen, sondern bei verschiedenen Autoren auch mehr oder minder vollständig kombiniert und als Bausteine zu einem großen Apparat verwendet werden, mit dessen Hilfe man dann dem Gliedschaftsproblem zu Leibe rückt. Es ist weder möglich noch nötig, diese Kombinationen bei ihren sämtlichen Vertretern durchzugehen; es genügt, das Gemeinte an einem Beispiel zu illustrieren. Es bietet sich dafür der Abschnitt über die Gliedschaft in dem neuen großen ekklesiologischen Werk von Charles Journet 226 an. Hier nämlich sind die Gesichtspunkte, die in der Frage der Gliedschaft ins Gewicht fallen könnten, unter einem übersichtlichen System und in hoher Vollständigkeit vereinigt, so daß die Beobachtungen und Ausstellungen, zu denen man geführt wird, sich anschließend leicht auf andere derartige Kombinationsversuche übertragen lassen. Die folgenden Ausführungen stellen eine Analyse der synoptischen Gliedschaftstabelle dar, in der Journet seine vorausgehende Entfaltung nochmals zusammenfaßt227, wobei im großen und ganzen die Reihenfolge der Gedanken bei Journet selbst beibehalten ist. Rahner a.a.O. 8 9 / 9 0 . Sachlich würde sich die folgende Analyse vielleicht auch gut unmittelbar an Kapitel III anschließen; da sie aber in ihrer ganzen Tragweite nur auf dem Hintergrund der Votumlehre verständlich wird, folgt sie erst hier. 226 Charles Journet, L'Eglise du Verbe Incarni II, Paris 1951, 1056—1081. 227 Journet a.a.O. 1080. V g l . die deutsche Übersetzung der Tabelle auf S . 9 2 und 93. Die Bezifferung der einzelnen Spalten stammt von mir. 221
225
91
Synoptische nach 1
2
3
4
entfaltete Zugehörigkeit, „re vel actu perfecto", die einschließt, daß die geschaffene und ungeteilte Seele der Kirche zwar nicht univok, aber analog vorhanden ist
bejahte (consentie) Zugehörigkeit der Glaubenden
bereits in actu, wenn wenigstens Glaube oder Taufe vorhanden ist
Man kann Glied Christi und der Kirche sein durch Zugehörigkeit
92
latente Zugehörigkeit, „non re sed actu virtuali", weil nur einige Elemente der geschaffenen Seele der Kirche vorhanden sind
durch die Sünde verneinte Zugehörigkeit (renide), nicht heilbringend lediglich in potentia, bei Fehlen von Glaube und Taufe, keine heilbringende Zugehörigkeit
Grenze
von reinen Schismatikern, in denen noch Glaube und Taufcharakter verblieben sind von Häretikern, in denen bloß noch der Taufcharakter verblieben ist
von ungetauften Erwachsenen, die durch die personale Sünde des Unglaubens den Glauben zurückgewiesen haben, so dunkel auch immer er vorhanden gewesen sein mag von ungetauften Kindern, die nur mit der Erbsünde behaftet sind
Gliedschaftstabelle Journet
der Vollendeten, die endlich auch unüberdurch ihr wirkliches legte, läßliche Sünden Vorhandensein (essen- ausschließt und uneince) auf unmittelbare geschränkt wird Weise, heilbringend, bei den gerechten Glie- der Fortgeschrittenen, dern, die „re et voto" die durch unüberlegte, in der Kirche sind, läßl. Sünden eingesichtbar und geistlich. schränkt wird Infolgedessen der Anfänger, die durch Zugehörigkeit überlegte läßliche Sünden eingeschränkt
„Katholiken", gerecht oder Sünder, d.h. entfaltete Katholiken in der Fülle der Gemeinschaft
ist
durch ihren Einfluß auf indirekte Weise, nicht heilbringend, bei den sündigen Gliedern, die ,,re non voto" in der Kirche sind; sichtbar, aber nicht geistlich catholici-acatbolici vollständig sakramental, aber unzureichend „orientiert", bei den gerechten Erwachsenen heilbringende Zugehö- der orthodoxen Kirrigkeit der Liebe, „non chen re sed voto", nur geistunvollständig sakralich, von den Gerechmental bei den gerechten. Liebe kann sein ten Erwachsenen der protestantischen Kirchen, in denen es gültige Taufe gibt
Die Menschen werden eingeteilt in
„Acatholici", gerecht oder Sünder, d.h. nicht entfaltete Katholiken, weil nicht gar nicht sakramental, entfaltet in der bei den übrigen Einheit der GeGerechten meinschaft. durch den mit dem Aber sie können Taufcharakter gesetzten eine verborgene Glauben bei den glau- Ausrichtung auf nicht heilbringende Zu- benden Sündern der diese hin haben gehörigkeit der fides dissidenten Kirchen, in informis, „neque re denen es gültige Taufe neque voto", von gibt l Sündern durch den bloßen Glauben bei den ungetauft glaubenden Sündern: Katechumenen etc. 93
Unter 1 fällt sogleich auf, daß für Journet Glied Christi und Glied der Kirche nicht unterschieden ist. Eine Trennung ist ja auch nicht nötig, „wenn der ganze Christus die Kirche ist. Glied Christi, Glied der Kirche, Glied des mystischen Leibes der Kirche — Sankt Thomas gebraucht diese Ausdrücke ohne Unterschied." 228 Journet n i m m t also seinen Ausgang von der Stelle Summa Theologiae III, 8, 3, die auch andere Autoren 229 als Basis für ein Gliedschaftssystem verwenden. Daraus erhellt, daß er sich mit seiner Interpretation auf einen anderen Kirchenbegriff festlegt als den der beiden pianischen Enzykliken; Kirche ist hier jedenfalls nicht die ecclesia Romana catholica militans, deren reapse-Glied man durch Taufe, Bekenntnis und Gehorsam wird, sondern ein corpus, das diese weit überbordet, das zeitlich und räumlich unbegrenzt ist. Diese Behauptung wird erhärtet durch Journets Erklärung über diejenigen Menschen, die „auf gar keine Weise Glieder Christi" sind, die „totaliter desinunt esse membra Christi" 2 3 0 : es sind die Verdammten. Deren freier Wille kann sich nicht mehr zum Guten kehren, also können sie von Christi Erlösung nicht mehr erreicht werden, also hören sie endgültig auf, seine Glieder zu sein. Ein etwaiger Taufcharakter, den sie an sich tragen mögen, bleibt zwar bestehen, aber er hat keinerlei an Christus bindende Wirkung mehr. Diese erste große Scheidung, die Journet vornimmt, greift bereits in die Ewigkeit, in die Zeit der ecclesia triumphans, voraus. Kriterium f ü r Heil oder Unheil dabei ist letztlich die göttliche Prädestination. Bemerkenswert ist Journets Begründung: Die definitive Abtrennung von Christus erfolgt deswegen, weil sidi die irdische Verstocktheit dann f ü r die Ewigkeit stabilisiert hat. Von Gottes wie von des Menschen Seite fallen Kriterien des inneren Forums ins Gewicht, die sakramental-jurisdiktionellen (Taufe!) halten der äußersten Feuerprobe nicht stand; von einer vorausgegangenen Gliedsdiaft bei der römischen Kirche wird kein Wort erwähnt; die erste Trennung zieht sich quer durch römische Katholiken, andere Christen und Heiden hindurch 231 . Wiederum ganz mit Thomas unterteilt Journet nun zweitens die „Glieder", d. h. diejenigen Menschen, denen man nicht von vornherein jede Verbindung mit Christus absprechen kann, unter in „membra in actu" und „membra in potentia". Anders als Thomas dagegen nimmt er diese Unterteilung an H a n d von zwei Kriterien vor: N u r potentielles Glied ist, wer 228
Journet a.a.O. 1058—1059. 230 Vgl. oben S. 47ff. Journet a.a.O. 1062. 231 Beim Übergang zur 2. Spalte wird die Bemerkung notwendig, daß diese Tabelle im Sinne Journets natürlich nicht so zu verstehen ist, als könnte sich der einzelne in irgendeiner Gruppe davon wiederfinden. Erstens stünde eine solche Einordnung letztlich nur Gott zu, und zweitens ist es bis zum letzten Atemzug noch nicht zu spät, von der einen in die andere Kategorie zu gelangen. Es handelt sich vielmehr um Modellfälle, die nach den verschiedenen Kriterien konstruiert sind, auf deren Grund man dann gewisse Feststellungen anstrebt. 229
94
weder die fides informis (hier verläuft audi bei Thomas die untere Grenze) noch den Taufcharakter (diese Bestimmung fehlt bei Thomas) besitzt 2 3 2 . Soldi ein doppelter Mangel findet sich bei ungetauften Erwachsenen, die subjektiv schuldhaft eine (wenn auch noch so dunkel vorliegende) zum Glauben auffordernde Offenbarung 2 3 3 zurückgewiesen haben, und bei den ungetauften, also mit der Erbsünde behafteten Kindern; alle anderen Menschen sind membra in actu. Die Zugehörigkeit nur in potentia ist nicht heilbringend 2 3 4 , weil sie mit fides und sakramentalem Charakter auch die letzten Heilsträger verloren hat. Es dürfte deutlich sein, daß die Einbeziehung des Taufcharakters über Thomas hinauf auf Redinung der Enzyklika „Mystici C o r p o r i s " zu setzen ist, deren äußerlich-sakramentale Gliedschaftsbedingungen von nun an mitberücksichtigt werden sollen. Wie problematisch eine solche Verbindung aussehen muß, zeigte schon Morel 2 3 5 ; es bleibt wieder die alte Frage: Welches von den auf zwei verschiedenen Ebenen liegenden Kriterien ist denn bei Journet das dominierende? Ist es die Sünde (als Todsünde der Glaubensverweigerung bzw. als Erbsünde) oder ist es das Fehlen des Charakters? Mit anderen Worten: Denkt Journet primär thomistisch oder primär pianisdi? Bei den Verdammten hatte der character sacramentalis jede an Christus bindende Kraft verloren, entscheidend war Sünde und Schuld gewesen. U n d — wenn ein einstweiliges Vorgreifen auf die unterste Reihe von Spalte 3 und 4 gestattet ist — audi zu Lebzeiten schon scheint der Taufcharakter, wenn es zum Widerstreit kommt, zuletzt doch von der Todsünde überwunden zu werden; denn bei Schismatikern und Häretikern 2 3 6 , die durch die Todsünde der Häresie oder des Ungehorsams ihre Zugehörigkeit innerlich verneint (renie) haben, wirkt der Taufcharakter ebenfalls nicht mehr heilbringend. Diese beiden Beobachtungen führen auch für die jetzige Frage zu dem Sdiluß, daß die thomistisdien Kriterien des inneren Forums bei Journet die Oberhand haben. D a ß er hier den Taufcharakter mit hinzunimmt, ist ein systematisch nicht begründeter, im Blick auf das oberste Lehramt unternommener Versuch, den andersartigen Kirchenbegriff der Enzyklika „Mystici Corporis" init einzubeziehen. Im übrigen ist, davon abgesehen, auch hier die Gliedschaft bei der römisch-katholischen Kirche kein Schibboleth: wohl sind 232 Dasselbe Anliegen: daß nämlich der Taufcharakter per se schon eine gewisse Bindung an die Kirche bewirkt, fand sich oben S. 39 f. bei Mörsdorf, wenn dieser von konstitutioneller Gliedschaft spricht. 233 Zur Problematik desBegriffes „subjektiv-schuldhaft" vgl. oben S.82f. Anm.202. Stillschweigend wird hier die alte Voraussetzung (vgl. oben S. 83 f. Anm. 207) gemacht, daß jeder Mensch von sich aus die fides implicita gewinnen kann. 234 Freilich ist mit „appartenance non salutaire" hier und im folgenden wohl nur gemeint, daß diesen Menschen der normale Heilsweg verschlossen ist, nicht positiv, daß sie verdammt wären. 235 Vgl. oben S. 51 f. 236 Natürlich gehören dazu auch die Apostaten, vgl. Journet a.a.O. 1079, Anm. 1.
95
unter den nur potentiellen
Gliedern keine römischen Katholiken
wenig freilich gültig getaufte andere Christen),
(ebenso-
aber unter den
aktuellen
sind auch Heiden und Apostaten. Spalte 3 bestätigt nur die Feststellung von der Prävalenz
der
inneren
Kriterien: die heilbringende Kraft der actu-Zugehörigkeit wird von der inneren Zustimmung zu ihr abhängig gemacht 2 3 7 . In Spalte 4 werden die mit innerer Zustimmung Glaubenden
unterteilt,
je nachdem, ob „die geschaffene Seele der Kirche" bei ihnen ungeteilt oder nur in einzelnen Elementen vorhanden ist. Was jetzt praktisch erfolgt, ist die schon lange erwartete Gliederung der Menschen in „ K a t h o l i k e n "
und
„ A k a t h o l i k e n " . U n d in der T a t , wollte man diese von rechts in die Tabelle eingeführte Scheidung (Spalten 7 und 8) rein graphisch durch einen Querstrich darstellen 2 3 8 , dann müßte dieser sinngemäß hier enden; denn in den Spalten
1—3
war „katholisch-akatholisch"
noch kein Kriterium.
Aber
es
bleibt zu fragen, wodurch es bewirkt wird, daß sich der Stamm von nun an endgültig gabelt! Es ist hoffentlich keine allzu schlimme Vergröberung, wenn man Journets Terminus der „äme cre^e de l'Eglise" als den Inbegriff aller Gnadengaben versteht, sakramentaler wie nichtsakramentaler. verschiedenartiges
Vorhandensein
Von
diesen wird nun
ausgesagt: bei den römischen
ein
Katholiken
ungeteilt, bei den anderen nur in einzelnen Elementen, d. h. also stark lückenhaft 2 3 9 . Eine solche Unterscheidung ist aber nur dann sinnvoll, j a überhaupt möglich, wenn die gemeinte Gnade auch sichtbare, d. h. im weiteren
Sinn
sakramentale Gestalt hat. Darüber wird sich die römische mit den anderen Kirchen nie streiten, ob bei ihr oder bei ihnen gerade im Augenblick der von Christus ausgehende Strom innerer Gnade stärker pulsiert; aber sie wird immer den Anspruch erheben, daß er in ihr seine vollständige Verleiblichung erfahren hat, der gegenüber alle anderen Konkretisierungen als mangelhaft erscheinen müssen. H i e r kommt also wieder ein dem äußeren Forum angehörendes Kriterium zur Anwendung. Journet hat seinen bisherigen Gedankengang verlassen oder jedenfalls unterbrochen und nur um diesen Preis gelingt ihm die Gliederung in „ K a t h o l i k e n " und „ A k a t h o l i k e n " . D e r in Spalte 2 so unorganisch mit den thomistischen Gedanken verkoppelte Ansatz
wird
jetzt weitergeführt. Dies ist jedoch nicht die einzige Veränderung, die statt237 Höchst instruktiv ist Journets Stellung zu den okkulten Häretikern (a.a.O. 1063—1065): er kann natürlich nicht verkennen, daß diese unter Umständen die sakramentalen und rechtlichen Funktionen eines Priesters oder Bischofs gültig wahrnehmen können. Aber sie sind vom inneren Strom der Gnade Christi abgeschnitten, und Christus und die Kirche arbeiten durch sie so, wie „man sich eines verdorrten Armes bedient, um damit einen Gegenstand anzustoßen oder umzustellen" (a.a.O. 1065). 239 Vgl. die beigefügte Übersetzung der Tabelle. 2 3 9 Die hier getroffene Unterscheidung „indivise" und „de quelques-uns des έΐέments" meint genau das gleiche wie „substantiell" und „akzidentell" unten S. 170.
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hat. J o u r n e t gibt z w a r keine Rechenschaft darüber, d a ß er jetzt den am Anf a n g seiner Überlegungen stehenden Begriff dessen, was f ü r deren weiteren Verlauf unter Glied zu verstehen sei, verlassen hat 2 4 0 : I m Anschluß an J a k o b v o n Viterbo wollte er nämlich im folgenden den Gliedbegriff nur auf Einzelpersonen (membres indivisibles) einschränken, im Gegensatz zu den in Partikularkirchen vereinigten M.ensd\engruppen, die m a n auch als ganze mit „ G l i e d " (membres divisibles) bezeichnen könnte. Aber in Spalte 4 verfällt er nun d o d i in den k o r p o r a t i v e n Gliedbegriff; denn w o v o m ungeteilten (wenn auch nur analogen) b z w . lückenhaften Vorhandensein der sakramentalen Gnadengaben die Rede ist, h a n d e l t es sich nicht, wie etwa bei der inneren Zustimmung oder beim Sündhaftigkeitsgrad, um einen Einzelmenschen, sondern um Institutionen, um Kirchen 2 4 1 . D e r Wechsel von innen nach außen bezüglich des Gliedschaftskriteriums zieht auch einen grundlegenden Wechsel dessen, was Glied selbst ist, nach sich. Bei dieser unter 4 mit dem äußeren M a ß s t a b getroffenen Teilung wird bezeichnenderweise im Gegensatz zu den in den beiden vorhergehenden Spalten erfolgten Gruppierungen keine Entscheidung darüber gefällt, welche von den beiden Zugehörigkeitsarten „salutaire" b z w . „non salutaire" wäre. Diese Frage gehört nicht hierher, sie hat, wie es scheint, mit den äußeren Kriterien nichts zu tun. Beharrte m a n t r o t z d e m d a r a u f , so w ü r d e sich zeigen, d a ß sich diese T r e n n u n g quer durch v o t u m - u n d reapse-Gliedschaft hindurchzöge. Das ist in Spalte 5 deutlich, v o n der an eine f ü r „ K a t h o l i k e n " u n d „ A k a t h o l i k e n " getrennte, aber sachlich parallellaufende Systematisierung erforderlich wird. M a n k ö n n t e jetzt a u d i den einmal eingeschlagenen Weg der äußeren Kriterien weitergehen. Das sähe d a n n so aus, d a ß m a n bei den „ A k a t h o l i k e n " zwischen G e t a u f t e n u n d U n g e t a u f t e n trennte, bei den „ K a tholiken" zwischen Laien u n d Klerikern, welch letztere als „hervorragende Glieder" zu gelten haben 2 4 2 . Es ergäbe sich somit am Ende die mit äußeren Kriterien nicht mehr weiter zu differenzierende Vierteilung: U n g e t a u f t e — 240 Journet a.a.O. 1056—1058: ". . . et les membres indivisibles, comme sont les personnes fideles particulieres. — C'est au dernier sens qu'on entend le mot membre quand on demande qui est membre de l'Eglise" (1058). 241 Es kann in diesem Zusammenhang gleichgültig bleiben, ob und inwieweit Journet nichtrömischen Kirchen das Prädikat „Kirche" zuerkennt; mit „Partikularkirchen" aber meint er natürlich die einzelnen, bis zu einen gewissen Grad selbständigen Bistümer, nicht etwa andere Konfessionen. 242 Journet ist einer der ganz wenigen, die von dieser „funktionalen" Unterteilung der reapse-Glieder sprechen (a.a.O. 1057 und 1076—1077). Sie entstammt dem Gebiet des Kirchenrechts; CIC can. 107 führt sie auf eine „divina institutio" zurück. Pius XII. greift in der Enzyklika Mystici Corporis diese Unterscheidung auf, wenn er daran erinnert, „. . . qui sacra potestate in eiusmodi Corpore fruantur, primaria eos ac principalia membra exsistere" (Tromp a.a.O. n. 17). Ferner würde hierher die Stelle gehören, welche die Bischöfe als „eminentiora universalis Ecclesiae membra" bezeichnet (Tromp a.a.O. n. 41).
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Dietzfelbinger, Grenzen
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getaufte „Akatholiken" — römisdi-katholische Laien — Kleriker. Aber man schlägt diesen Weg nidit ein; in der Gliedschaftstabelle wird man nadi dieser Unterscheidung vergeblidi suchen. Denn ebensowenig wie in Spalte 4 bringt sie eine Entscheidung über das Heil: Heilsträger stehen allen vieren zur Verfügung (zumindest das votum implicitum), und bei allen vieren können diese ohne Wirkung bleiben. Nein, um über diesen Sektor etwas aussagen zu können, muß man wieder in die frühere Gedankenbahn der inneren Kriterien zurückkehren. Die „Katholiken" werden nun auf ihre Bejahung der Gliedschaft hin befragt; reapse sind sie ja sowieso in der Kirche, aber nur, wenn diese innere Zustimmung, das Votum, vorliegt, ist die Gliedschaft heilbringend. Steht an dessen Stelle aber die Todsünde, dann ist sie es trotz des reapse nicht. Genauso unter dem Strich: Ist das Votum da, so ist die Gliedschaft ungeachtet aller anderen Umstände, z.B. auch des Taufcharakters, heilbringend; fehlt es, so ist sie es nicht — ebenfalls aller anderen Umstände ungeachtet. Man sieht: Sobald das innere Kriterium zum Zuge kommt, bestehen für „Katholiken" wie für „Akatholiken" wieder die gleichen Aussichten, man hat nur seit Spalte 4 sozusagen doppelt Buch zu führen. Daß der „Katholik" mit heilbringender Gliedschaft dem „Akatholiken" in derselben Situation das reapse voraus hat, das ist eine Eigenschaft, die für die jetzt zur Diskussion stehende Heilsfrage letztlidi keine Rolle spielt; entscheidend ist das innere Votum. In Spalte 6 werden die Heilsmöglichkeiten für die „Katholiken" nochmals gestaffelt, je nachdem, ob die Zugehörigkeit durch läßliche überlegte, läßliche unüberlegte oder durch gar keine Sünden beeinträchtigt ist. Anders als hier kommt bei der entsprechenden „akatholischen" Gruppe der Gerechten243 der äußere Maßstab zur Anwendung: er teilt sie in orthodoxe, (gültig getaufte) evangelische Christen und sonstige Menschen ein 244 . In Spalte 7 geschieht die bereits erörterte doppelte Zusammenfassung der einzelnen Gruppen zu „Katholiken" und „Akatholiken". Journet ist nicht der einzige, der sich um eine Vereinbarung des Votums mit den sakramentalen Gegebenheiten bemüht. Vodopivec ζ. B. zeigt denselben Versuch, wenn er von den verschiedenen Intensitätsgraden des Votums spricht: Sozusagen zuunterst stehen die Nichtchristen, die neben ihrem Akt vollkommener Liebe „die menschlichen Werte natürlicher Religiosität und Moral" behüten und verteidigen, auf einer nächsten Stufe stehen die gültig getauften getrennten Christen, die das votum poenitentiae vorweisen können, und noch einmal höher die dissidenten Orientalen, die das BußGemeint sind die nicht mit einer Todsünde Behafteten. Bei den Gliedern der orthodoxen und protestantischen Kirchen ist immer von „Erwachsenen" die Rede; jedes gültig getaufte Kind wird als Glied der römischen Kirche betrachtet, vgl. oben S. 40 Anm. 49. — Im übrigen ist Journet mit der Anwendung des äußeren Maßstabes wieder in den kollektiven Gliedbegriff verfallen (s. zu Spalte 4). Was mit dieser Unterteilung über den Wert der nichtkatholischen Kirchen gesagt ist, kann erst im Teil Β untersucht werden. 243
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Sakrament samt den anderen Sakramenten sowie eine reiche liturgische u n d aszetische T r a d i t i o n b e w a h r t haben 2 4 5 . Ähnliches meint Sartory, wenn er schreibt: „ D i e losere Zugehörigkeit des nichtgetauften Gerechten ist doch etwas wesentlich anderes als die losere Zugehörigkeit des getauften Nichtkatholiken. D a besteht mehr als ein Gradunterschied." 2 4 6 Brinktrine endlich 247 zeigt, wie beim Nichtchristen v o t u m baptismi u n d v o t u m ecclesiae praktisch in eines zusammenfallen, demgegenüber das auf dem sakramentalen T a u f c h a r a k t e r basierende Kirchenvotum des getauften Nichtkatholiken der Kirche „ontisch-objektiv nähersteht". Alle drei Autoren jedoch beschränken sich auf diese Bemerkungen u n d bleiben im übrigen eine nähere Erklärung des Sachverhaltes schuldig. Journets Gliedschaftstabelle zeigt gewissermaßen exemplarisch die Aporie, die die römische Lehre an diesem P u n k t aufweist. Sie macht schon rein graphisch deutlich, d a ß m a n zu deren vollständiger E r ö r t e r u n g einen doppelten Ausgangspunkt nehmen, d a ß man die Menschheit einmal (von links her) sozusagen metaphysisch mit dem Gesichtspunkt von H e i l u n d Gnade, gleichzeitig aber auch empirisch (von rechts her) mit dem Gesichtspunkt der Gliedschaft bei der römischen Kirche unterteilen m u ß . Bei der ersten Differenzierung w i r d m a n zuletzt eine theoretische Wahrscheinlichkeitsskala v o n Heilsmöglichkeiten, bei der zweiten eine kirchliche oder konfessionelle Statistik bekommen. W ü r d e man, gleichzeitig v o n rechts u n d von links k o m mend, beide Gliederungen mit derselben Folgerichtigkeit durchzuführen suchen, so ergäbe sich in der Mitte irgendwo unvermeidlich ein Zusammenprall, aber keine organische Vereinigung. In der Praxis freilich w i r d der Zusammenstoß nie mit solcher Deutlichkeit sichtbar; denn m a n stellt nicht — was d a f ü r erforderlich w ä r e — die beiden Gedankengänge voll entfaltet u n d gleichwertig nebeneinander. M a n geht vielmehr zuerst einmal v o n einer Seite aus — bei J o u r n e t ist es von links — u n d versucht dabei eine allmähliche, in Einzeletappen erfolgende Verklammerung mit der anderen. D a b e i w i r d der ursprünglich eingeschlagene G e d a n k e n g a n g mehr oder minder empfindlich gestört, der Sache nach aber nichts gebessert; denn schon im Kleinen h a t sich eine organische Verbindung beider Aspekte nicht als gelungen erweisen können. Die Votumlehre ist diejenige Lösung der Zugehörigkeitsfrage, der sich das offizielle L e h r a m t gegenwärtig zuzuneigen scheint. Bestimmter wird m a n sich nicht ausdrücken können; denn sie ist weit d a v o n entfernt, D o g m a zu sein, u n d die anderen Lösungsversuche sind bisher keineswegs verurteilt. Immerhin h a t sie die A u t o r i t ä t einer E n z y k l i k a u n d eines Schreibens des Sanctum Officium hinter sich, abgesehen v o n den beiden Äußerungen 249 ™ Vodopivec a.a.O. 83. Sartory I 139. 247 Brinktrine a.a.O. 298. Weitere Vereinbarungsversuche dieser Art vgl. etwa noch bei Brunet a.a.O. 217, C. Fenton, The Catholic Church and Salvation,Westminster-Maryland 1058, z.B. 46.
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Pius' IX. Man kann wohl von nicht mehr als von einer zur Zeit eingeschlagenen Marschrichtung sprechen, aber davon sollte man sehr bestimmt sprechen. Es ist selbstverständlich denkbar, daß die Gedanken einer Enzyklika oder eines Lehrschreibens mit der Zeit veralten; aber man wird augenblicklich wohl kaum einen römisch-katholischen Theologen finden, der über die Frage der außerordentlichen Kirchen-Zugehörigkeit schriebe, ohne die Votumlehre kürzer oder länger zu behandeln. Der zuerst und am meisten in die Augen fallende Unterschied zwischen der reapse-Gliedsdiaft und der Hinordnung durch das Votum ist wohl die klare Scheidung, die jener den äußeren, dieser den inneren Bereich zuweist. Audi Rahners Aufsatz 248 konnte nicht davon überzeugen, daß dies anders wäre. Mit dieser Innerlichkeit mitgesetzt ist aber der räumlich und zeitlich unbegrenzte Bereich, auf den die Votumlehre anwendbar ist. Es ist, wie deutlich wurde, praktisch kaum ein Fall denkbar, in dem invincibilis ignorantia und bona fides bei einem Menschen als Entschuldigungsgrund schlechterdings auszuschließen wären, und der phänischen Formel aus „Mystici Corporis": ,,(Qui) inscio quodam desiderio ac voto ad mysticum Redemptoris Corpus ordinentur" — wird in vielen Kommentaren ihre allumfassende Weite nachgerühmt: Vom unwissendsten Heiden angefangen bis hin zu dem Christen, der sozusagen die Sphäre der eigentlichen Gliedschaft von außen schon berührt, haben alle darin Platz. Entsprechendes gilt für die Zeit: der seelische Bereich ist in deren Ablauf erheblichen Schwankungen unterworfen, und man kann den Eintritt des Zustandes einer bona fides bei einem Menschen grundsätzlich niemals für unmöglich erklären, ja selbst nach dessen Tod kann und wird man sie diesem nicht mit Sicherheit abstreiten können 249 . Wer weiß denn, was sich im inneren Bereich zwischen Gott und diesem Menschen unter Umständen noch in der Todesstunde abgespielt hat? Die Votumlehre führt zu dem Schluß, daß kein Mensch zu irgendeiner Zeit und an irgendeinem Ort mit absoluter Sicherheit von einer Beziehung zur römisch-katholischen Kirche ausgeschlossen werden kann. Wenn das Lehramt für eine Zuordnung der „acatholici" zur Kirche ausschließlich innere Gesichtspunkte in Rechnung zieht, so bedeutet demgegenüber die Lehre von der reapse-Gliedschaft, daß zumindest mit zweierlei Maß gemessen wird. Außerdem zeigt sich aber, daß diese beiden Maße nicht miteinander vereinbart werden können, von welcher Seite man es auch versucht. Geht man von der reapse-Gliedschaft aus, so ergibt sich folgende Sachlage: Drei bestimmte äußere (sakramental-juristische und jedenfalls sittlich indifferente) Zeichen verleihen die Gliedschaft bei dem einzigen Heilsinstitut; wer aber diese Zeichen durch sittliche Qualitäten ersetzen will, wird des Rigoris248
Vgl. oben S. 86ff. Vgl. oben S. 82f. und Anm. 202, ferner O. Karrer a.a.O. 238f.: „Ist es nicht wahrhaft bemerkenswert. . ., daß dieselbe (römisch-katholische) Kirche noch nicht ein einziges MaJ behauptet. h«t, dieser oder jener sei auf ewig verloren?" 219
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mus bezichtigt und verdammt 2 5 0 . U n d bei der außerordentlichen H i n o r d n u n g sind diese inneren Kriterien das ein u n d alles! D o r t ist man dem H e i l desto näher, je größer die Gottesliebe b z w . je besser die Lebensführung ist. D a m i t h a t m a n eine der Thesen 2 5 1 , die auf dem V a t i k a n u m als „Indifferentismus" bek ä m p f t worden ist. Wie steht es, ist diese n u n kirchliche Lehre oder Häresie? M a n k a n n der Folgerung nicht ausweichen, d a ß sie beides b z w . jeweils das eine oder andere ist, entsprechend dem Bereich, f ü r den m a n sie b e h a u p t e t : in der Lehre von der Vollgliedschaft ist sie häretisch, in der Votumlehre orthodox. Zweitens stellt sich die Frage, welche Rolle denn eine sakramentale W i r k lichkeit 252 spielt, die ein „ Z u g e o r d n e t e r " neben seinem V o t u m mitbringt. In den untersuchten kirchlichen Lehrdokumenten w i r d derartiges mit Schweigen übergangen; lediglich der C I C berücksichtigt die Taufwirklichkeit, insofern er über alle G e t a u f t e n seinen Rechtsanspruch erhebt. Es w i r d z w a r , vor allem in neuerer Zeit, v o n römisch-katholischer Seite mehr u n d mehr erk a n n t , d a ß m a n die christliche Substanz der nicht-römischen Kirchen nicht einfach ignorieren k a n n ; die Frucht dieser Erkenntnis zeigt sich in den A n sätzen zu einer Lehre von den vestigia ecclesiae. Was hierüber bisher verlautet ist, ist allerdings nur die Meinung einiger Theologen. So sehr m a n aber auf evangelischer Seite an sich von der Berechtigung u n d Fruchtbarkeit der vestigia-Lehre überzeugt sein m a g : Dieses Problem ist ein völlig anderes als das augenblicklich zur D e b a t t e stehende, u n d wenn es in dieser Untersuchung erst weiter unten 2 5 3 behandelt wird, so h a t dies nicht n u r methodische, sondern auch sachliche G r ü n d e . G e f ü h l s m ä ß i g möchte man den gegenteiligen Versicherungen v o n Journet, Vodopivec, Sartory u n d Brinktrine schon zustimmen, aber wie wollen sie diese dogmatisch entfalten? Es w i r d doch eine Amalgamierung zweier sich ausschließender Elemente behauptet; sobald m a n aber nach deren „ W i e ? " fragt, herrscht Verlegenheit. D e r einzige Versuch, eine derartige Verbindung nicht nur zu konstatieren, sondern auch einleuchtend zu machen, ist Rahners Aufsatz. Aber selbst wenn man sich von dessen Gelungensein überzeugen k ö n n t e : er geht dazu in einer ganz anderen Richtung, u n d der bloße T a u f e m p f a n g , die sakramentale Wirklichkeit im landläufigen Sinn, h a t in seinem System keinen Platz. Wenn ein Christ der Kirche „ m e h r als gradweise, ontisch-objektiv" näherstehen soll als ein Heide, d a n n m u ß dazu gesagt werden, wie m a n sich das in Einklang mit der 250
Vgl. oben S. 33 mit Anm. 22. Vgl. die Verurteilung der „Indifferentisten", „qui totam religionem in honesta, quam dicunt, vita collocant", Mansi LI, Sp. 571 f. 252 Vgl. zu dieser Frage auch Journet oben S. 94 ff. Man wird natürlich in erster Linie an die Taufe denken, dann aber durchaus auch an andere „vestigia ecclesiae", die ein nichtrömischer Christ bewahrt hat. 253 Siehe unten S. 135ff. Daß man das Gliedschaftsproblem auch von der vestigiaLehre aus behandeln kann, zeigt Gribomont a.a.O.! Aber ganz folgerichtig muß er dann die Votumlehre fallenlassen. 251
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Votumlehre vorzustellen hat. Will man die nichtrömische T a u f e als Kriterium ins Feld führen, so muß man logischerweise die anderen „vestigia ecclesiae" mit hinzunehmen und die Votumlehre fallenlassen. Will man das nicht tun, so muß man auf äußere Kriterien verzichten. Die vestigia-Lehre führt auf Stufen an die Pforten der römisch-katholischen Kirche, die Votumlehre dagegen auf einem schräg ansteigenden Berg; man kann nicht beide Wege gleichzeitig beschreiten. Eine Betrachtung der genannten Unterschiede des Votums bestätigen diese Folgerung: D a s Votum inscium in seiner Ausprägung als votum virtualiter implicitum 2 5 4 (die allgemeine Bereitschaft, Gott zu Willen zu sein), das ein Heide vorweist, hat natürlich einen minderen G r a d als in seiner Gestalt als votum implicitum formale (Wille, alle von Gott eingesetzten Heilsmittel zu gebraudien), wie es ein nichtrömischer Christ haben kann. Aber auch so noch steht es gradmäßig unter dem votum explicitum des Katechumenen. Diese Staffelung leuchtet unmittelbar ein und ergibt sich logisch aus der Votumlehre, aber die T a u f e kommt darin als Maßstab eben nicht v o r ; zwischen votum virtualiter implicitum und votum implicitum formale besteht allenfalls ein Gradunterschied. U n d der beim Votum an oberster Stelle stehende Katechumen ist in der Regel ja nicht getauft. So wirkungsvoll und entscheidend also durch die Votumlehre römische Katholiken und andere Menschen voneinander getrennt werden, so deutlich ist es auch, daß so etwas wie ein nochmaliger Schnitt unter den letzteren selbst damit nicht vollzogen werden kann; die bisherigen Versuche dazu erscheinen durchaus unzureichend. Die Votumlehre ist so komplex, daß sie wirklich für alle eine Heilsmöglichkeit bietet, aber einen qualitativen Unterschied zwischen Nichtdiristen und Christen aufzuweisen, ist sie nicht in der Lage 2 5 5 . Die obigen Beobachtungen finden ihren Niederschlag in der Terminologie, die sich in der römisch-katholischen Theologie für die Gliedschaftsfrage eingebürgert hat. Bellarmin hatte noch verhältnismäßig konkret für die Katechumenen und innerlich zu Unrecht Exkommunizierten die Möglichkeit des Votums gelehrt, nach ihm aber wurde mit deren Erweiterung auch die Terminologie verallgemeinert. „ Q u i ad adspectabilem non pertinent Catholicae Ecclesiae compagem", „qui bona fide" „invincibili ignorantia" laborant, „qui nullo suo vitio Ecclesiam ignorant", „omnes iustificati", alle, die wenigstens die fides implicita haben und einen A k t vollkommener Liebe oder Reue hervorbringen — so werden spätestens seit dem Vatikanum die Menschen beschrieben, denen die Möglichkeit eines Votums zugestanden wird. Man ist dabei nur geneigt, zu fragen: Bei wem treffen denn diese BedingunVgl. oben S. 80 Anm. 192. 255 Wenigstens anmerkungsweise sei daran erinnert, wie solchermaßen der opusoperatum-Charakter des Taufsakramentes nicht gerade überzeugend zur Geltung kommt, vgl. schon den Hinweis oben S. 45. 254
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gen alle zu? Aber es liegt auf der Hand, daß hier die Dogmatik keine Antwort mehr geben kann; denn die obigen Angaben bilden keine konkrete Beschreibung, die auf diese oder jene Menschengruppe zuträfe, sondern geben lediglich psychologische Kategorien an die Hand. Doch hat damit die Dogmatik die weitere Untersuchung bereits der Moraltheologie und der Seelsorge übertragen, von der her für den Einzelfall ad hoc präzisiert werden mag: Ein Priester könnte wohl im Verlauf eines seelsorgerlichen Gespräches zu dem Schluß kommen: Dieser bestimmte Mensch leidet an unüberwindlicher Unwissenheit, es ist zu hoffen, daß sich das ändert und er den Weg zum Eintritt in die römische Kirche findet. Für den Augenblick bindet ihn nur sein Votum daran; — aber die Dogmatik beschränkt sich darauf, psychologische Kategorien aufzustellen. Sie lehrt die Möglichkeit des Votums für die, welche an unüberwindlicher Unwissenheit leiden; wer aber konkret an unüberwindlicher Unwissenheit leidet, das sagt sie nicht. Es werden nur relative, wechselnde, abgestufte, gradweise Bestimmungen gegeben, eine theologisch absolute Aussage aber kann auf diese Weise nicht zustande kommen 256 . Dies jedoch ist allenfalls die menschliche Seite des Problems 257 , die eine wichtige Ergänzung bekommt dadurch, daß man auf die bedeutsame Beziehung hinweist, die das Votum zum Empfang (oder Verlust) des ewigen Heiles hat 258 . Die römische Theologie setzt den Komplex vorläufiger und relativer Aussagen aus dem anthropologischen Bereich in Beziehung zur endgültigsten und absolutesten Aussage über Leben und Tod. Wenn sie lehrt: Extra ecclesiam nulla salus, dann ist damit offenbar gesagt, daß zwischen der Frage der kirchlichen Gliedschaft bzw. Zuordnung und der allerletzten Frage von ewigem Leben oder Tod eine irgendwie geartete Verbindung besteht, durch die der Votumlehre plötzlich auch letzte Bedeutung zukommt. Als Grund für die, teilweise mit Hilfe der modernsten Psychologie, bis in die äußersten Verästelungen ausdifferenzierte Votumlehre wird man wohl das Bestreben verstehen dürfen, eine möglichst genaue Bestimmung der Stellung eines „Akatholiken" zur römischen Kirche zu bekommen. Aber was sollen die einzelnen Nuancen, wenn schon dem votum virtualiter implicitum **· Eine analoge Erscheinung findet sich in der kanonistischen Terminologie. Dort werden unter der Bezeichnung „acatholici" Christen und Heiden zusammengefaßt, dort wird von formellen, materiellen und okkulten Häretikern und Schismatikern, von Apostaten und Katechumenen und schließlich von Exkommunizierten, vitandi und tolerati, gesprochen. Aber eine Klärung der kirchlichen Stellung dieser einzelnen Gruppen bleibt den Theologen überlassen, deren Meinungen, wie deutlich wurde, in recht verschiedene Richtungen gehen. 257 „Nonbasta nemmeno dire che il votum sia soltanto una disposizione psicologica dell'animo umano. Questa e appena il lato umano del voto, ma non e per nulla tutto il voto e tutto il desiderio salvifico" (Vodopivec a.a.O. 75). 258 Über die genaueren Zusammenhänge zwischen Kirchengliedschaft und Heilsempfang vgl. das nächste Kapitel unten S. 107 ff. 103
eines Heiden das Heil geschenkt werden kann? Wiederum scheint ein unlösbarer Widerspruch zu bestehen zwischen den beiden Größen, die hier verbunden werden sollen. Beim Votum gibt es wahrscheinlich so viele Intensitätsgrade, wie es Menschen gibt, ewiges Heil oder Unheil aber wird nicht gradweise über einen Menschen ausgesprochen: entweder er bekommt das eine oder andere ganz oder überhaupt nicht, ein Mittelding zwischen Leben und Tod gibt es nicht25®. Spitzt man die römische Lehre einmal auf den Satz zu: Wer das Votum hat, bekommt das Heil, wer es nicht hat, bekommt es nicht, so ergeben sich zwei unbeantwortete Fragen: Erstens, wer hat das Votum nicht? Zweitens, was braucht den Menschen zuletzt eine Steigerung seines Votums zu bekümmern? Wie soll die messerscharf getrennte Alternative Heil — Unheil mit dem Komplex relativer, psychologischer Bestimmungen, wo gutgläubige Schuldlosigkeit sich allmählich zu geminderter und verstärkter und schließlich voller Schuldhaftigkeit wandelt, wo überhaupt keine Grenzen zu markieren sind, sondern wo eins ins andere kaum merklich überfließt — wie soll zwischen beiden eine organische Verbindung hergestellt werden können? Eine eingehende Besinnung zu dieser Frage wird das nächste Kapitel leisten. Für den Augenblick hat es den Anschein, daß die Wurzel dieses Auseinanderklaffens darin liegt, daß die römisch-katholische Theologie eine grundsätzliche Willensfreiheit lehrt 260 , der dann in der Praxis natürlich zahlreiche impedimenta in den Weg treten, welche gleichzeitig eine Entschuldigung sind. Warum wäre der Wille nicht der Erbsünde unterworfen, die unentrinnbares Verhängnis und gleichzeitig, dieser Unentrinnbarkeit ungeachtet, persönliche Schuld ist, für die der Mensch vor Gott Verantwortung trägt? Solange dies nicht erkannt und bejaht ist, stellt sich die psychologische Arbeit am Gliedschaftsproblem als interessantes, aber sicher nicht existentiell bedeutsames Spekulieren heraus und die schließliche Verbindung mit der Heilsfrage als ziemlich gewaltsamer Kurzschluß. 259 Einen wirklichen Sinn bekämen die verschiedenen Abstufungen in der kirchlichen Gliedschaft allerdings, wenn es auch beim ewigen Heil etwas Entsprechendes gäbe. Tatsächlich haben ja (vgl. oben S. 70) Billot und Stolz zwischen Verdammnis und visio beatifica den Zwischenzustand einer natürlichen, der übernatürlichen Gottesschau entbehrenden Seligkeit gelehrt. Aber auch sonstige Theorien über den limbus patrum und infantium, vor allem aber die römische Fegfeuerlehre, müßten einmal unter diesem Aspekt betrachtet werden. Im übrigen ist die Lehre von verschiedenen Seligkeitsgraden in Florenz definiert (D 693) und in Trient ausdrücklich gegen die Reformatoren noch einmal behauptet worden (D 842). Sie wird auch in der heutigen Dogmatik durchaus festgehalten (vgl. z.B. Sacrae Theologiae Summa IV, 932—939; Schmaus a.a.O. IV/2, 2 5 2 f . ; Ludwig Ott, Grundriß der katholischen Dogmatik, Basel-Freiburg-Wien M959, 570f.), steht aber in keiner Parallele zur Gliedschaftslehre, da sich der Grad der Seligkeit nach den Verdiensten und nicht nach der näheren oder ferneren Zugehörigkeit bemißt, mit welcher der Betreffende zu Lebzeiten Glied der römischen Kirche war. 2«° Schilling a.a.O. I, 66.
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Weitere Ausführungen würden zu weit vom Thema abführen; als kurze Andeutung des Gemeinten sei jedoch das Bild skizziert, das die Bibel zu diesem Problem zeichnet. Im Neuen Testament ist es wohl vor allem Lukas, der sich über so etwas wie eine „Unkenntnis" der Heiden vor ihrer Begegnung mit dem Evangelium äußert. Man wird zuerst an die Areopagrede des Paulus denken, wenn er den Athenern verkündet, was sie bisher verehrt haben, ohne es zu kennen 261 . Noch deutlicher ist vielleicht die Rede des Petrus, die den Juden ihre Unkenntnis bei der Kreuzigung Jesu zugutehält 262 . Bemerkenswert ist aber, daß von dieser Unkenntnis immer nur so geredet wird, daß sie mit ihrer Aufdeckung stets gleichzeitig auch verschwindet. Wenn die Menschen von dem Faktum einer solchen Unwissenheit hören, erfahren sie im untrennbaren Zusammenhang damit auch die christliche Botschaft und können sidi demnach nicht mehr darauf als mildernden Umstand berufen. Kann man also von der Bibel her für die Heiden ihre Ignoranz nur sehr eingeschränkt als Entschuldigungsgrund anführen 263 , so wird dies vollends unmöglich für die, welche das Wort des Evangeliums gehört haben und etwa auf Grund „unüberwindlicher seelischer Hemmungen" seinem Ruf nicht folgen. Wohl kennt die Bibel den Fall, daß der Mensch Gottes Wort hört, ihm aber keinen Glauben schenkt, sondern sich darüber ärgert und sich feindlich davon abwendet. Auch sie beurteilt dieses Phänomen, aber nicht im psychologischen R a u m ; an der subjektiven Integrität besteht in diesem Fall keinerlei Interesse. Am biblischen Denken gemessen, scheint jener sich auf den Menschen beschränkende Aspekt vordergründig und oberflächlich: Wenn des Propheten Jesaia Redeauftrag gerade mit der Bestimmung verknüpft ist, das Volk zu verstocken 264 , dann ist es niemand anderes als Gott selber, der sich im Menschen der heilschaffenden Wirkung seines eigenen Werkes widersetzt. Und mindere Hindernisse, wie Bequemlichkeit, Gewohnheit oder Feigheit, werden nicht erst lange auf ihre Schuldhaftigkeit oder Schuldlosigkeit untersucht, sondern als Werkzeuge gesehen, mit denen Gott die VerStockung des Menschen zustande bringt. Wenn hier eine gläubige Aufnahme des Wortes Gottes (und der ihm folgende Anschluß an die Kirche) nicht erfolgt, so ist die Macht, die das verhindert, jetzt tatsächlich invincibilis; denn es ist Gott selber. Die Bibel ringt auf vielen Seiten mit dieser dunklen Frage, aber sie geht nicht an einer einzigen Stelle in der Richtung des von der römischen Theologie vorgelegten Lösungsversuches. „Vater, vergib ihnen, denn sie wissen nicht, was sie tun!" 2 0 5 bittet Jesus für seine Richter und Henker: auch die in Unwissenheit begangene Tat braucht Vergebung, weil sie Schuld ist. Und für die „bona fides" sind ein Musterbeispiel jene Menschen, welche in der festen Überzeugung, Gott damit einen Dienst darzubringen, Jesu Jünger töten 266 . Aber wird ihnen diese auch nur mit einer 281 285
Act. 17, 23. Vgl. auch Rom. 1, 18 ff. Lk. 23, 34.
262 264 266
Act. 3, 17; vgl. auch 1. Tim. 1, 13. Jes, 6, 10. Joh. 16, 2. 105
Silbe zugute gehalten? Wehrt nicht Paulus gerade derartige Gedanken oder besser Spekulationen als vermessen ab 267 ? Allkausalität Gottes und absolute Behaftung des Menschen bei seiner Schuld sind Gegensätze, die sich ausschließen; und doch kettet sie die Bibel aneinander. Sie kennt Menschen, die sich vor dem Anspruch der christlichen Botschaft verstocken und nicht anders können, weil Gott es so will. Sie bezeichnet ein solches Verhalten aber seiner Unentrinnbarkeit ungeachtet als Schuld und macht den Menschen voll dafür verantwortlich. So redet die Bibel von Schuld und Schuldlosigkeit des Menschen; damit ist ein psychologisches Abwägen einer „bona fides" gegen eine „invincibilis ignorantia" nicht vereinbar. Das Grundmotiv der Votumlehre ist ein doppeltes Bestreben, nämlich festzuhalten einmal, daß es nur die einzige, geschichtlich-sichtbare, römische, unter dem Papst stehende Kirche gibt, der gegenüber allen übrigens religiösen Gemeinschaften das Prädikat „Kirche" abzusprechen ist, andererseits, daß alles, was irgend in der Welt an gnadenhafter Wirksamkeit feststellbar oder nicht feststellbar existiert, nicht ohne Vermittlung eben dieser Kirche vorhanden sein kann. Bezeichnend ist hierfür, wie von Bellarmin bis auf das Bostoner Schreiben die Votumlehre durchweg als Kommentar des Satzes „extra ecclesiam nulla salus" betrachtet und deshalb immer in diesem dogmatisdien Zusammenhang abgehandelt wird. Bemerkenswert ist fernerhin, daß all die festgestellten Mißlichkeiten und Widersprüche in der Gedankenführung sich als Konzessionen an das obige Bestreben verstehen lassen: In der wesentlichen Sichtbarkeit der reapse-Gliedschaft ist das erste, in der Unsichtbarkeit der votalen Zuordnung das zweite Prinzip wiederzuerkennen. Die abstrakte, unbestimmte und sich nirgends festlegende Ausdrucksweise über die außerhalb der Kirche Stehenden, die letztlidi niemanden von irgendeiner Beziehung zur Kirche abschneidet, könnte mit ihrer Grenzziehung gar nicht enger gehen, wollte man es nicht riskieren, irgendeine verborgene Gnadenwirkung von dieser auszuschließen. Andrerseits kommt die Verbindung dieses Komplexes mit der Frage Heil — Unheil wieder der Gewichtigkeit der römisdien Kirchenorganisation zugute. Dies ist das offenkundige Bestreben; aber konnte eine Hinordnung aller in der Welt wirksamen Gnaden auf die sichtbare römische Kirche erwiesen werden? Rahner hatte dagegen seine Bedenken, falls das Votum ohne sichtbare Seite bliebe — und diese Schwierigkeit konnte nicht beseitigt werden. Von der römisdien Theologie aus aber mag man dem Außenstehenden lediglich einräumen, daß solch eine Beziehung noch nicht aufgehellt und einsichtig erklärt ist; daß sie objektiv besteht, wird aber niemals angezweifelt werden. Vielleicht weiß man den Weg noch nicht; das Ziel ist jedenfalls bekannt, und man läßt sich davon nicht abbringen. Hier hört die Diskussion auf und das Dogma fängt an. Wie sollte irgendeine Wirksamkeit Christi — und alle 287
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Rom. 9, US.
Gnade kommt von ihm — ohne Zusammenhang mit seinem mystischen Leib geschehen, der nur die römische Kirche ist? U n d muß nicht durch den Heiligen Geist, ohne den nichts irgendwie Christliches sein kann, dieses irgendwie Christliche in Verbindung mit dem Kirdienkörper stehen, dessen Seele eben der Heilige Geist ist? Man k a n n über diese Syllogismen nidit mehr diskutieren, soll die Substanz des römisch-katholischen Dogmas nicht angegriffen werden; wir können und müssen aber als evangelische Christen gegen die zweite Prämisse entschieden protestieren.
V. Extra E c c l e s i a m nulla salus? Wenn dieses Kapitel die römische Lehre von der Heilsnotwendigkeit der Kirche behandelt, so hat es damit eigentlich genau das gleiche Thema wie das vorige Kapitel, nur von einem anderen Aspekt her betrachtet. Es ist oben ja bereits gezeigt worden 2 6 8 , wie die Lehre vom Kirchenvotum seit ihrer ersten Formulierung durch Bellarmin bis hin zu ihrer ausführlichsten Entfaltung in dem Lehrschreiben „Suprema haec" immer in dem größeren Zusammenhang des locus dogmaticus über die Heilsnotwendigkeit der Kirche dargelegt wurde. Es sind somit jetzt zum großen Teil die nämlichen D o k u mente zu befragen, wie denn auch in der römisch-katholischen dogmatischen Literatur unter den Stichworten „ V o t u m " und „Heilsnotwendigkeit" weithin derselbe Stoff, wenn auch entsprechend verschieden akzentuiert, behandelt zu werden pflegt. Aber auch umgekehrt war es f ü r die bisherigen Darlegungen unumgänglich, einen irgendwie gearteten Zusammenhang zwischen der Zugehörigkeit zur Kirche und dem Heilsempfang bereits vorauszusetzen. Obwohl der Stoff also zu beiden Kapiteln auf weite Strecken der gleiche ist, erscheint es berechtigt, die Heilsnotwendigkeit der Kirche gesondert zu erörtern. Denn einmal erfordert jener bisher unkontrolliert vorausgesetzte Zusammenhang eine genauere Bestimmung. Zweitens und vor allem aber: Sollte sich, wie es der Satz „extra ecclesiam nulla salus" vermuten läßt, zwischen der Gliedschaft bei der römischen Kirche und dem endgültigen E m p f a n g des ewigen Heils ein unbedingter und notwendiger Kausalzusammenhang ergeben, so wären alle die schwierigen, mühseligen und zum Teil vielleicht auch etwas abwegig erscheinenden Untersuchungen, die bisher erforderlich waren, von jedem Verdacht befreit, bloß müßige Spekulationen zu sein, weil sie dann unmittelbar im Dienst einer Frage stünden, bei der es um nichts weniger geht, als um ewiges Leben und ewigen Tod. Der Index systematicus in Denzingers „Enchiridion Symbolorum" gibt unter dem Stichwort „ecclesia . . . extra quam nulla salus" etwa 20 Beleg2,8
Vgl. oben S. 72 ff. 107
stellen an 269 , aus denen deutlich wird, daß sich der häufigste Anlaß, jenen Satz auszusprechen, bei der Formulierung von Bekenntnissen ergab, wie sie vielfach als Glaubensnorm für die etwaige Rückkehr von Schismatikern und Häretikern (Istrier, Waldenser, Armenier, Jakobiten, Maroniten), gelegentlich aber auch für die Gläubigen selbst (ζ. B. in der professio fidei Tridentina) aufgestellt wurden. Seit der Mitte des 19. Jahrhunderts diente er im übrigen auch oft zur Bekämpfung des sogenannten „Indifferentismus" 2 7 0 . Außerdem hat diese Lehre die Autorität von mindestens drei „ökumenischen" Konzilien, einer Bulle und zwei Enzykliken hinter sich 271 und gilt somit in der römischen Theologie als Dogma 2 7 2 . Dieses Dogma w i r d dahin entfaltet, daß zum Empfang des Heils die Bewahrung der ganzen fides catholica 2 7 3 sowie Unterwerfung und Gehorsam gegenüber dem Papst 2 7 4 erforderlich sei. Denn es ist ein Irrtum, zu meinen, man könne außerhalb der römischen Kirdie Gott haben, Christi Vorschriften befolgen, Sündenvergebung bekommen, gültige Sakramente spenden und empfangen, sich durch Fasten, Almosen oder andere gute W e r k e ewigen Lohn verdienen; selbst wer sein Blut für Christi Namen vergießt, kann nicht gerettet werden, es sei denn in Schoß und Einheit der römisch-katholischen Kirche 275 . Die aber „draußen" stehen — was m a n allerdings vor dem Lebensende eines Menschen noch nicht endgültig sagen kann —, und z w a r nicht bloß Heiden, sondern audi Juden, Häretiker und Schismatiker, können das Heil nicht erlangen, sondern laufen dem Untergang entgegen, werden zweifellos in Ewigkeit verderben und in das ewige Feuer gehen, das dem Teufel und seinen Engeln bereitet ist 276 . Diese wenigen Sätze kann man z w a r nicht einfach als die gegenwärtige römische Lehre von der Heilsnotwendigkeit der Kirche bezeichnen — dazu müßten noch einige neuere Äußerungen zur Frage ausführlichere Berücksichtigung finden —, immerhin aber sind sie ein repräsentativer Querschnitt durch die Meinung der Tradition bis etwa zur Mitte des vorigen Jahrhunderts. Pauschal w i r d man sagen können, daß es die Hauptsorge des 269 Die acht wichtigsten davon sind ausführlich kommentiert von C. Fenton a.a.O. 6—129. Mittelbar gehören hierher auch die Aussagen über die Heilsnotwendigkeit der Taufe, vgl. oben S. 29 und 37. 270 D 1613, 1646f., 1677, 1716ff.; vgl. ferner oben S. 77. 271 Lateranense IV, Florentinum, Tridentinum; Bulle „Unam Sanctam" (Bonifaz VIII.); Enzykliken „Satis cognitum" (Leo XIII.) und „Humani Generis" (Pius XII.). 272 Schon auf dem Vatikanum, vgl. oben S. 74 f. Im Lehrschreiben „Suprema haec" wird der Satz dreimal als „effatum", davon einmal mit dem Zusatz „infallibile" bezeichnet, einmal als „dogma" (Tromp a.a.O. 69f.). Vgl. auch Sacrae Theologiae Summa I, 864. 273 D 40, 570b, 1000, 1473 u. ö. 274 D 469, 570b, 1823, 1825, 1838ff.; vgl. „Suprema haec", Tromp a.a.O. 72. 275 D 246, 430, 468, 714, 1955. 276 D 39, 714, 1955. Schon aus dieser Entgegensetzung wird deutlich, daß mit „salus" das ewige Heil gemeint ist, vgl. auch das Beiwort „aeterna" D 39, 714, 1677.
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päpstlichen Lehramtes war, die Heilsnotwendigkeit seiner Kirche vor Erweichungen zu schützen; vereinzelt aber ergaben sich auch Fälle, in denen es sich veranlaßt sah, gegen ein allzu schroffes Verständnis dieses Lehrpunktes einzuschreiten. Schon jetzt, zu Anfang, soll in Form eines kleinen E x kurses veranschaulicht werden, worum es sich dabei gehandelt hat. Es ist eine gewisse Ironie der Geschichte, daß Cyprian es war, der den Satz von der Heilsnotwendigkeit der Kirche in der noch heute gültigen prägnanten Form erstmalig schrieb, und zwar, um damit die Ungültigkeit der Ketzertaufe zu beweisen, eine Lehre, die von der Großkirche als Häresie ausgeschieden wurde 2 7 7 . Außer dieser Verurteilung gehört hierher noch die der Jansenisten, die das D o g m a so verstanden, als gäbe es außerhalb der Kirdie überhaupt keine Gnadenwirkung 2 7 8 . Der neueste Fall eines zu extremen Verständnisses dieser Lehre hat sich aber erst in den letzten Jahren in den Vereinigten Staaten von Amerika ereignet. Er verdient eine etwas eingehendere Betrachtung 2 7 9 . Im J a h r 1940 wurde in Boston das sogenannte „ S t . Benedicts Center" gegründet, eine Einrichtung, die das kirchliche Leben jener Stadt intensivieren sollte. Ursprünglich aus der Laieninitiative hervorgegangen, bekam das Institut in dem Jesuitenpater Feeney einen geistlichen und seelsorgerlichen Betreuer, der im übrigen durch seine gesellschaftliche Gewandtheit anziehend wirkte. Es wurden Abendkurse in Philosophie gehalten, es bildeten sich Diskussionsgruppen, St. Benedicts Center gewann großen Einfluß, jahrelang. D a wurden im April 1949 drei Laienlehrer des Instituts entlassen, mit der Begründung, es habe Differenzen mit der geistlichen Anstaltsleitung gegeben; acht Tage später wurde auch Feeney abgesetzt, der sich mit jenen solidarisch erklärt hatte. Was war geschehen? Feeney und seine Kollegen waren im Lauf ihrer Tätigkeit auf die Bedrohung aufmerksam geworden, die sich durch den amerikanischen Liberalismus in die römisch-katholische Kirche eingeschlichen hatte. Die Mehrzahl der amerikanischen Kirchenglieder, Priester und Theologieprofessoren keineswegs ausgeschlossen, seien von einer lauen Mittelmäßigkeit befallen, verkehrten freundschaftlich mit atheistischen Professoren, 2 , 7 „ . . . haeretico nec baptisma publicae confessionis et sanguinis proficere ad salutem potest, quia salus extra ecclesiam non est" (Cyprian ep. 73 ad Iubiaianum, n. 21 [MPL 3, 1123B]). 278 D 1295, 1379. 279 Die ausführlichste Darstellung der Bostoner Affäre gibt eine der Hauptbeteiligten, Catherine Goddard Clarke, The Loyolas and the Cabots, Boston 1950. Rezensionen dieses Buches sind erschienen von Erich Brock, The Boston Heresy Case, in: Theologische Zeitschrift 8, 1952, 49—59 (evangelisch) und Gotthard Montesi, Skandal in Boston, in: Wort und Wahrheit 6, 1951, 233—236 (römisch-katholisch). Außerdem vgl. die kurzen Notizen in H K IV, 1949, 107 und „Materialdienst des konfessionskundlichen Instituts Bensheim" 2/1951, Nr. 5, lOf. und 4/1953, 58. Die obige Darstellung hält sich hauptsächlich an Brock und Montesi.
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durch die sie sich vom Bibelstudium ab- und den gottesleugnerischen Lehren zuführen ließen, welche Hegel, Marx, Freud und Einstein aufgestellt hätten. Derlei Mißstände, die die jungen Leute um den Glauben gebracht und sogar in den Selbstmord getrieben hätten, dulde, ja fördere die Kirche, indem sie im Krieg das Bündnis mit den Kommunisten und die Verwendung der Atombombe gutgeheißen habe. Dieser Bedrohung gegenüber wollte nun Feeney einen Schutzwall aufrichten, indem er dem Dogma „extra ecclesiam nulla salus", das seiner Meinung nach im Laufe der Zeit völlig belanglos geworden war, wieder zu gebührender Geltung zu verhelfen suchte. Dabei betonte er besonders, daß die Unterwerfung unter den Papst heilsnotwendig sei. Diese Wiederinkraftsetzung beschränkte sich aber nicht auf den bloßen Vortrag des buchstäblichen Verständnisses des Dogmas, sondern Feeney verdächtigte außerdem alle Vertreter einer milderen Auffassung der Häresie — unter anderen auch seinen Bischof Cushing280 —, und zwar bei den verschiedensten kirchlichen Instanzen bis hinauf zum Papst. Die Votumlehre sei seelsorgerlicher Opportunismus, der die grundlegende Daseinsberechtigung der römischen Kirche, einziger Heilsweg zu sein, zerbreche, und ihren Missionsanspruch gegenstandslos mache. Dem entsprach es auf einer anderen Ebene, daß Feeney brieflich den Mitgliedern des amerikanischen Kongresses die ewige Verdammnis androhte, falls sie nicht in die römische Kirche einträten281. Die kirchlichen Oberen entzogen sich einer inhaltlichen Auseinandersetzung und gingen der sachlichen Problematik aus dem Weg. Feeney und die Seinen sollten ihre Tätigkeit einstellen und schweigen. Dies zu erreichen, schritt man zu scharfen Maßnahmen: Feeney wurde von seinem Priesteramt suspendiert, als Englischlehrer an eine entferntere Lehranstalt versetzt, in Klausur genommen, aus dem Orden gestoßen, mit Rede- und Schreibverbot belegt; über St. Benedicts Center wurde das Interdikt verhängt. Mit recht bedenklichen Mitteln 282 versuchte man, die Sache zu ersticken: Bitten um eine Gelegenheit zur Darlegung und Verteidigung blieben ohne Erwiderung, bei einer Vorladung sollte nur mit J a oder Nein geantwortet werden. Feeney beharrte auf seinem Standpunkt, er wollte sich vor nichts anderem als vor einer unfehlbaren ex-cathreda-Entscheidung des Papstes beugen: seine inzwischen erfolgte Exkommunikation und das eben in diesem Zusammenhang verlautete Lehrschreiben „Suprema haec" des Sanctum Officium in Rom haben an diesem Vorsatz bis zum heutigen Tage nichts ändern können. Erich Brock hat an seinen Bericht von der Bostoner Affäre einige Betrachtungen über Autorität, Unfehlbarkeit, Gewissen und Verantwortung im Raum der römisch-katholischen Kirche angefügt; hier aber soll nur die eine 281 Lidgd a.a.O. äse L i i g i , Lumifere et Vie 773. 282 Selbst die römisch-katholische Seite gibt „Mangel an Caritas, gelegentliche Unaufrichtigkeit und sogar Formfehler" auf Seiten der kirchlichen Oberen 2u, Montesi a.a.O. 235.
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Frage interessieren, ob die Affäre Feeney als Häresiefall oder als disziplinäre Angelegenheit anzusehen ist. Will man ermitteln, wie Rom die Sache beurteilt wissen möchte, dann ist zunächst bemerkenswert, wie spärlich von offizieller Seite anfangs die Informationen fließen; es scheint, als wolle man die Sache ohne viel Aufhebens abtun. D a f ü r würde auch jene Scheu vor einer sachlichen Auseinandersetzung sprechen. An Feeney ergeht nur rein formal „eine feierliche Warnung, nicht länger unter Gefährdung seines Seelenheils auf seinem Standpunkt zu beharren und zur Einheit der Kirche im Glauben zurückzukehren" 283 . Audi ist man äußerst zurückhaltend, wenn es gilt, die abgewiesene Lehre zu formulieren, etwa zu einem in „Si quis d i x e r i t . . . anathema sit" eingeschlossenen Kanon — man sagt nur, daß sie falsch ist, nicht aber, wie sie lautet 284 . Interessant ist es auch, sich die Chronologie der Ereignisse vor Augen zu halten: Im April 1949 wird Feeney abgesetzt und St. Benedicts Center interdiziert, am 8. 8. 1949 verfaßt das Sanctum Officium das Lehrschreiben an den Bostoner Erzbischof Cushing, ohne daß davon freilich die Öffentlichkeit etwas erführe. Mittlerweile erscheint am 12. 8. 1950 die Enzyklika „Humani Generis"; die erste Veröffentlichung von „Suprema haec" erfolgt hingegen erst mehr als drei Jahre nach seiner Abfassung, nämlich 1952 im Oktoberheft der „American Ecclesiastical Review" im Originaltext und in englischer Übersetzung; ein halbes Jahr später, am 13.2.1953, wird Feeney exkommuniziert. Was aber hat dies alles dogmatisch zu besagen? Warum wurde das Lehrschreiben erst drei Jahre nach seiner Abfassung bekanntgegeben? Warum ist es nicht in den Acta Apostolicae Sedis erschienen? Und warum ist bei der ersten Publikation jeder Hinweis auf den konkreten Anlaß unterblieben? — die Überschrift „A Letter from the Holy Office" ist der ganze Kommentar dazu. Wollte Rom seine dogmatische Meinung in diesem Punkt solange wie möglich ungesagt lassen? Hielt es im Herbst 1952, als Feeney offensichtlich nicht mehr zum Gehorsam zu bringen war, deren Zurückhaltung nicht länger für nötig? Oder fand es gar die in Aussicht stehende Exkommunikation als geeigneten Anlaß f ü r die Veröffentlichung? Und zur Sprache kommt sachlich ja nur, daß eine im einzelnen erläuterte Votumlehre bezüglich „extra ecclesiam nulla salus" das kirchliche Selbstverständnis sei, von dem die Bostoner Interpretation abweiche. Es wurde keine Häresie anathematisiert. Im übrigen dürfte in diesen Zusammenhang die Enzyklika „Humani Generis" gehören, die das eigentliche dogmatische Anliegen Roms in diesem 28ϊ
HK a.a.O. In „Suprema haec" beschränkt sich die sachliche Kennzeichnung der Irrlehre einzig auf folgenden Satz: „. . . controversiam ortam esse ex eo quod effatum illud .extra Ecclesiam nulla salus' non recte comprehensum ponderatumque fuerit" (Tromp a.a.O. 69). SM
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Punkt zur Sprache bringt: Nicht vor einer zu strengen, sondern vor einer zu weiten Auslegung des „extra ecclesiam nulla salus" wird gewarnt 285 . Noch deutlicher wird das Bild durch den Wortlaut der Exkommunikation: „ C u m sacerdos Leonardus Feeney, Bostonii (Saint Benedict Center) residens, qui propter graviter denegatam oboedientiam Auctoritati Ecclesiasticae a divinis iamdudum suspensus fuerat, non obstantibus iteratis monitionibus et excommunicationis ipso facto incurrendae comminatione, non resipuerit, Eminentissimi ac Reverendissimi Patres rebus fidei ac morum tutandis praepositi, in Plenario Conventu Feriae IV, habito die 4 Februarii 1953, eundem excommunicatum cum omnibus iuris effectibus declaraverunt." Folgt Billigung des Papstes und Datum 2 8 6 . Kein einziges Wort von Häresie und „extra ecclesiam nulla salus"; nach dieser Notiz wäre die Exkommunikation allein wegen Feeneys Widerspenstigkeit erfolgt. In eben diese Richtung weisen die vorhergegangenen Beobachtungen: Rom möchte in der Affäre Boston keinen Fall von Häresie, sondern von Unbotmäßigkeit gesehen wissen. Montesi meint, der Vortrag der schroffen Auslegung allein hätte ohne die Angriffe gegen Vertreter einer milderen Meinung kaum zu diesen Verwicklungen geführt 2 8 7 . Das bleibe dahingestellt; aber ohne Feeneys dogmatisch-häretische Überzeugung wäre es erst recht nicht dazu gekommen. Und man hat es sich sicher zu leicht gemacht, wenn man, um das genaue Verständnis von „extra ecclesiam nulla salus" in der Schwebe zu halten, den Ruhestörer ins Feld von Gehorsam und Ungehorsam herüberzog. Als ob eine dogmatische Überzeugung überhaupt laut zu werden verdiente, wenn ihr Vertreter nicht voll und ganz solange dahintersteht, bis er mit durchschlagenden Argumenten eines Besseren belehrt wird! Diese Beständigkeit — man kann sie Überzeugungstreue oder audi Hartnäckigkeit nennen — wird verurteilt. Die doppelgipflige Infallibilitätserklärung des Vatikanums ermöglicht es, von einem Geleise auf das andere zu rangieren. Übrig bliebe bloß noch die Vermutung, welches Interesse Rom gehabt haben mag, einer dogmatischen Entscheidung auszuweichen. Brock sagt lapidar: „ M a n will sein Pulver trocken halten." 2 8 8 Das mag schroff formuliert sein; fest steht jedenfalls, daß Feeney die päpstliche ex-cathedra-Ents a s has been said before, modern theologians who postulate for the Church some sort of universal mediation of the grace of salvation with the result that the saving activity of the Church can and does reach even those who will never visibly be her members. It would doubtless be necessary to consider with greater precision the nature and ambit of this activity of the Church; and the undeniable, though not decisive, difficulties against this view are still to be reckoned with" (Lawlor a.a.O. 504). 304 Diese Umkehrung nimmt bereits das Vatikanum vor (Mansi LI, Sp. 570), vgl. oben S. 74. 305 Schmaus a.a.O. III/l, 829.
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Gebot. Nach Aman306 wäre auf diese Weise ζ. B. ein expliziter und detaillierter Glaube an die Fundamentalartikel oder der Empfang von Eucharistie und letzter Ölung für das Heil notwendig — denn Christus hat uns den Gebrauch dieser seiner Gaben geboten, damit wir durch sie das Heil erlangen807. Und es ist keinesfalls statthaft, sie aus Nachlässigkeit und Verachtung wider besseres Wissen zu verschmähen; wer diese Schuld auf sidi lüde, würde das Heil nicht erlangen können. So sehr jedoch infolgedessen die Kirche den häufigen Gebrauch dieser durch Christi Gebot eingesetzten Heilsmittel fordert: in dem Sinn sind sie nicht heilsnotwendig, „daß ohne sie das Heil nicht erlangt werden kann" 308 . Wie könnte man von einem kleinen Kind den expliziten Glauben verlangen? Wie von einem unwissenden Heiden den Empfang der Kommunion und wie bei einem unerwartet Sterbenden die unctio, wenn kein Priester in der Nähe ist? Mit anderen Worten: Der Nichtgebrauch der gebotsmäßig notwendigen Heilsmittel schließt nur dann vom Heil aus, wenn der Betreffende psychisch in der Lage ist, das Gebot zu begreifen (Kinder und Geisteskranke sind also nicht betroffen), wenn zweitens die faktische Kenntnis des Gebotes vorhanden ist (was bei den unmissionierten Heiden nicht der Fall ist), und wenn drittens die Überzeugung besteht, daß man dem Gebot nachkommen kann (wenn also keine „unüberwindlichen" innerseelischen Hemmungen entgegenstehen). Nur eine subjektiv schuldhafte309 und böswillige Unterlassung schließt demnach hier vom Heil aus. In allen anderen Fällen, in denen der Betreffende also nichts dafür kann, wird er entschuldigt, kann von der Kirche dispensiert werden und wird jedenfalls durch diese Unterlassungen nicht mehr am Heilsempfang behindert. So die Heilsnotwendigkeit als „necessitas praecepti". Es wäre nun aber ein „unberechtigter theologischer Positivismus"310, wollte man die erwähnte Heilsnotwendigkeit der Kirche nur im Sinn der necessitas praecepti verstehen; die Kirche ist vielmehr „necessitate medii" heilsnotwendig311. Dinge, die mittelhaft heilsnotwendig sind, haben diese Eigenschaft entweder ihrem Wesen nach („ex natura rei") oder aber durch ^ E. Aman in: Dictionnaire de Thdologie Catholique, Paris 1931, Bd. 11, Sp. 55/56 (Art. „n0cessit6"). Vgl. ferner zum folgenden: Sacrae Theologiae Summa 1,861 f.; IV, 150; Zapelena a.a.O. II, 307ff. Ferner Sauvage in: The Catholic Encyclopedia, New York 1911, Bd. 10,733 (Art. „necessity"). 307 Für Eucharistie und Ölung ebenso Schmaus a.a.O. IV/1, 386 und 568. 308 Schmaus a.a.O. IV/1, 386. 309 Zu diesem Begriff vgl. oben S. 82f. Anm. 202 und S. 95 Anm. 233. 310 Schmaus a.a.O. 111/1,825. 311 ,,. . . ecdesiam . . . esse omnino necessariam, et quidem necessitate non tantum praecepti dominici, quo Salvator omnibus gentibus eam ingrediendam praescripsit; verum etiam medii" (I. vatikanisches Schema, Mansi LI, Sp. 541). „Neque enim in praecepto tantummodo dedit Salvator ut omnes gentes intrarent Ecclesiam, sed statuit quoque Ecclesiam medium esse salutis, sine quo nemo intrare valeat regnum gloriae caelestis" (Suprema haec, Tromp a.a.O. 70).
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göttliche
Verfügung
Nichtgebrauch
per
(„ex se
positiva
und
institutione")
notwendig
auch
in
vom
der
Art,
Heil
daß
ihr
ausschließt 3 1 2 !
K o n n t e man die gebotsmäßig notwendigen Dinge, in einem Bild gesprochen, als Hürden verstehen, die auf dem Weg zum Heil nun einmal aufgestellt sind und genommen werden müssen (in besonderen Fällen freilich auch umgangen werden können), so sind die mittelhaft heilsnotwendigen
geradezu
dieser Weg selber. Dazu gehört ζ. B . die Taufe, die aller subjektiven Unfähigkeit,
welche bei
der ersten Notwendigkeit
so wirkungsvoll
entschuldigen
konnte, zum T r o t z heilsnotwendig ist. U n d für einen getauften
Todsünder
gibt es eben nur den einen Weg des Bußsakramentes, wenn er wieder zum H e i l gelangen will. Für eine Unterlassung des Gebrauchs mögen noch so triftige subjektive Gründe vorliegen; Weg und H e i l stehen hier in einem kausalen Zusammenhang, und ohne den Weg zurückgelegt zu haben, kommt man, ob schuldig oder unschuldig, nun einmal nicht ans Ziel. D i e mittelhafte Heilsnotwendigkeit wird nun freilich in sich noch einmal unterschieden in eine absolute („insupplebilis, in r e " ) und in eine hypothetische („disiunctiva, in re vel in voto, supplebilis"). D i e absolute Heilsnotwendigkeit kommt einem Heilsmittel dann zu, wenn es durch nichts und unter keinen Umständen ersetzt werden kann, weil es nur als Sache selbst wirksam wird. Das aber gilt von der kirchlichen Gliedschaft
ebensowenig
wie von der Taufe, denn da kann, zuletzt mit dem gleichen Ergebnis, ein entsprechendes Votum vikarieren und den Mangel der Sache ausfüllen. D a ß dieses Votum explizit und implizit sein kann, und daß es bereits in der impliziten Gestalt seiner Funktion wirksam nachzukommen vermag, wurde oben 3 1 3 bereits gezeigt. Wenn also das vatikanische Schema und das Bostoner Lehrschreiben von der Kirche sagen, daß es außer ihr kein Heil gibt, dann ist damit gemeint, daß sie nicht nur gebotsmäßig, sondern auch mittelhaft heilsnotwendig ist, und zwar nicht ihrem Wesen nach, sondern laut positiver göttlicher
Ein-
setzung. Ferner ist, um ihrer Heilsnotwendigkeit Genüge zu tun, nicht unbedingt die Gliedschaft der Sache nach erforderlich, sondern es reicht bereits das Votum aus, und zwar notfalls schon in seiner impliziten Gestalt 3 1 4 . M a n fühlt sich etwas enttäuscht, wenn man am Ende dieses mühevollen Weges wieder da steht, wo man am Anfang war, nämlich bei der Votumlehre. Man fragt sich, was die Unterscheidung zwischen necessitas praecepti und medii überhaupt soll; der Begriff der Heilsnotwendigkeit erscheint schon ohne sie problematisch genug. Aber die Verlegenheit ist hier grundsätzlicher N a t u r : Wie ist es theologisch zu verantworten, den Zweck einer Sache, den 312 Suprema haec (Tromp a.a.O. 70) unterscheidet zwischen einer Notwendigkeit „ex divina sola institutione", die für die Kirchengliedschaft zutrifft, und einer „necessitas intrinseca". 313 Vgl. oben S. 76 f. 3 1 1 Vgl. Sacrae Theologiae Summa 1, 863.
120
sie laut Gottes Gebot (ex praecepto) zu erfüllen hat, geringer zu bewerten als den, der ihr von sidi selber aus (ex natura rei) innewohnt? Wenn schon diese Alternative, dann müßte man doch die von Gott ausdrücklich gewollte einer sozusagen immanenten Bestimmung überordnen — was gäbe es Verpflichtenderes als Gottes Gebot? Aber dieses Nebeneinander ist selbst schon unecht; denn wer hat denn die „natura rei" zuletzt anders gesetzt als Gottes Schöpferwort? Versteht man dagegen die necessitas medii „ex positiva dei institutione", so schwindet das Verständnis f ü r jene Unterscheidung nur noch weiter: Denn worin sollte eine solche zwischen „praeceptum" auf der einen und „institutio" auf der anderen Seite noch zu finden sein? H ä t t e n etwa Gott und Christus selbst ihren Anordnungen eine unterschiedliche Verbindlichkeit gegeben? Woher weiß die römische Theologie, daß der Befehl „Taufet sie im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes!" über „Nehmet hin und esset!" zu setzen ist? Denn dessen Befolgung ist ja, im Gegensatz zum Empfang der Taufe, „nicht in dem Sinn heilsnotwendig, daß ohne ihn das Heil nicht erlangt werden kann". D a ß bei der Schmausschen Definition der necessitas praecepti der Vordersatz das Gegenteil des Nachsatzes besagt — als f ü r ein Ziel notwendig bezeichnet man doch normalerweise eine Sache, ohne die dieses nicht erlangt werden kann —, sei nur am Rande vermerkt. Bei der necessitas praecepti hat die subjektive Gutgläubigkeit von allem dispensiert; bei der necessitas medii wäre sie nach der obigen Kennzeichnung völlig ohne Bedeutung! Aber wann tritt denn bei der hypothetischmittelhaften Heilsnotwendigkeit die Ersatzmöglichkeit durch das Votum ein? War das nicht, wenn wir uns des IV. Kapitels recht entsinnen, bei physischer oder moralischer Unmöglichkeit, der res nachzukommen, der Fall gewesen? U n d ist das gleiche nicht per definitionem der springende P u n k t bei der necessitas praecepti? Wenn diese vorliegt, wird bei subjektiver Gutgläubigkeit vom Gebot dispensiert; besteht necessitas medii (hypothetica), so kann die Gebotserfüllung durch subjektive Gutgläubigkeit ersetzt werden. Wenn man jener Unterscheidung bis in ihre letzten Ausläufer nachgeht, so findet man, daß sie sich selbst aufhebt. U n d man kann sich der Frage nicht enthalten, ob es nicht an der Zeit sei, sie grundsätzlich fallenzulassen. Für eine umfassende Erörterung genügt es nun aber nicht, die Heilsfrage lediglich, wie es bisher geschah, von „extra ecclesiam" her einzukreisen, sondern es muß der Vollständigkeit halber ein Vorstoß von innen her dazukommen. Wenn die römische Kirche lehrt, ein Mensch könne außerhalb der Kirche das Heil nicht erlangen 315 , wie steht es dann, so wäre zu fragen, innerhalb der Kirche? Kann da, oder genauer gefragt: wird da ein Mensch das Heil erlangen? Darf der römische Katholik (im Sinne der reapse-Glied315
Die erheblichen Einschränkungen der so formulierten Lehre wurden deutlich. 121
schaft) seines Heiles gewiß sein? — Es kann mit anderen Worten von Heilsmöglichkeiten in- und außerhalb der Kirche und auch von deren Heilsnotwendigkeit selber nicht erschöpfend geredet werden, ohne daß nidit auch die Frage der Heilsgewißheit berührt würde 3 1 6 . Die Enzyklika „Mystici Corporis" lehrt darüber an der bekannten Stelle: „ Q u i ad adspectabilem non pertinent Catholicae Ecclesiae compagem . . . ab eo statu se eripere studeant, in quo de sempiterna cuiusque propria salute securi esse non possunt 3 1 7 ; quandoquidem, etiamsi inscio quodam desiderio ac voto ad mysticum Redemptoris Corpus ordinentur, tot tarnen tantisque caelestibus muneribus adiumentisque carent, quibus in Catholica solummodo Ecclesia frui licet." 3 1 8 Es heißt also von denen, die der Kirche nicht reapse zugehören, sondern ihr lediglich durch das Votum zugeordnet sind, sie befänden sich in einem Zustand, in dem sie ihres persönlichen Heiles nicht sicher sein könnten. U n d der römische Katholik? Brinktrine zieht aus der obigen Lehre für ihn die Folgerung, er könne „unter der Bedingung natürlich, daß er nadi den Vorschriften der Kirche lebt und die ihm zur Verfügung stehenden Mittel anwendet, über sein Heil sicher sein. Die Leugnung dieser Voraussetzung würde das D o g m a von der Heilsnotwendigkeit der Kirche antasten" 3 1 9 . Dieser letzte S a t z ist unmittelbar einsichtig, würde jedoch das auf dem Tridentinum beschlossene Rechtfertigungsdekret in Frage stellen. Dessen Lehre zu diesem Problem ist hier kurz zu skizzieren 3 2 0 . Schmaus formuliert sie so: „Ohne besondere Offenbarung ist es niemandem möglich oder notwendig, über den Gnadenstand eine jeden Irrtum ausschließende Glaubensüberzeugung zu haben." 3 2 1 U n d Rahner meint ganz entsprechend: „ E i n e . . . subjektiv absolute Heilsgewißheit ist normalerwteise jedem Menschen verwehrt" 3 2 2 , eben weil eine solche „revelatio specialis" normalerweise unterbleibt. Jener Satz aus der Enzyklika spreche nicht von der „subjektiven Heilsgewißheit oder -ungewißheit im Bewußtsein des Menschen" (warum sie dann freilich „cuiusque propria salute" sagt?); was diesen Punkt anlangt, so hat die römische Theologie vielmehr die Lehre von sie Merkwürdigerweise wird dieser Zusammenhang von den römischen Theologen selber in den wenigsten Fällen hergestellt; monographische Darlegungen behandeln im allgemeinen entweder das eine oder das andere Problem, zusammenhängende Dogmatiken natürlich beide, aber an gänzlich verschiedenen Stellen, nämlich „Heilsnotwendigkeit" innnerhalb der Ekklesiologie, „Heilsgewißheit" innerhalb der Gnadenlehre (so z.B. bei Schmaus und in der Sacrae Theologiae Summa). Nach meiner Kenntnis wiesen bisher auf die Zusammengehörigkeit hin nur Brinktrine a.a.O. ThGl 37/38, 1947/48, 299, und Rahner a.a.O. 64—66. 317 Die Wendung über den Zustand, in dem man seines Heiles nicht sicher sein kann, gebrauchte schon Pius I X . in seinem Brief „Iam Vos Omnes", mit dem er die Protestanten zum Vatikanum einlud (vgl. Coli. Lac. VII, 10). 318 Tromp a.a.O. n. 101. 319 Brinktrine a.a.O. 320 D 802, 805, 822—825. 321 Schmaus a.a.O. III/2, 220. 322 Rahner a.a.O. 65.
122
den verschiedenen Gewißheitsformen bereit 3 2 3 : Man kann über eine Wahrheit eine metaphysische oder eine physische Gewißheit haben, die erste ζ. B . von den obersten Seins- und Denkgesetzen, die zweite von den empirisch erfahrenen Naturdingen. Die Heilsgewißheit aber gehört in das Gebiet der sogenannten „moralischen" Gewißheit,
die auf der interpersonalen Treue und
Zu-
verlässigkeit beruht. Diese Gewißheit kann zwar etwa in der Freundschaft oder Liebe einen solchen Grad erreidien, daß für einen vernünftigen Zweifel am anderen Menschen kein Platz mehr bleibt. Aber die Möglichkeit
einer
Täuschung kann dabei niemals schlechthin ausgeschlossen werden, eine
ab-
solute Sicherheit ist hier nicht zu erreidien. So kann kein Mensch, ob römisdier Katholik oder nicht, vom unwahrscheinlichen
Fall einer
Privatoffen-
barung abgesehen, jemals unbedingt sicher sein, daß er das Heil empfangen wird 3 2 4 . D i e durchs Votum
der Kirche zugeordneten
„Nichtkatholiken"
können
also ihres Heils nicht sidier sein, aber warum betont man das eigens, wenn es die „ K a t h o l i k e n "
auch nicht können?
Zur Beantwortung
dieser
Frage
dient ein sprechendes B i l d : Von zweien, die eine lange, schwierige und gefahrvolle Reise vor sich haben, hat derjenige, der so gut wie möglich dafür ausgerüstet ist, natürlich viel größere Aussichten, das Ziel zu erreichen, als der andere, mangelhaft oder überhaupt nicht Ausgerüstete. Z w a r ist es nicht ausgeschlossen, daß jener trotz aller Vorbereitungen das Ziel verfehlt, und daß dieser über alle Widerwärtigkeiten hinweg endlich doch ankommt. Aber ein solcher Ausnahmefall entbindet den Menschen nicht von der Pflicht, sich bestmöglich auszurüsten; denn es bleibt dabei, daß man auf diese Weise die besseren Chancen hat 8 2 5 . D e r O r t , an dem der Mensch die wirksamsten Gnadenhilfen sakramentaler und nichtsakramentaler Art für den Heilsempfang erhält, ist eben die römisch-katholische Kirche, und wer nicht ihr Glied ist, ist eben objektiv gesehen schlechter ausgerüstet. Dies ist die Interpretation der zitierten Sätze aus der Enzyklika, die sich in der heutigen römischen Theologie ausschließlich durchgesetzt hat. Für die Entfaltung des Axioms „ E x t r a ecclesiam nulla salus" von innen her, also in der Form der Frage nach der Heilsgewißheit, verläßt man den psychologischen Bereich ganz und sieht lediglich ein ekklesial-körperschaftliches
Pro-
blem (Sachprinzip) 3 2 6 . Demnach geht es bei der positiven Vermittlung des 3 2 3 Vgl. schon bei Thomas, Summa Theologiae I a II a e , qu. 112, art. 5. Zum folgenden Schmaus a.a.O. III/2, 221 ff. 324 Eine ontologisch-philosophische Begründung dafür, daß die Heilsgewißheit nur eine moralische sein kann, bietet Walter Brugger in seinem Aufsatz „Die Verleiblichung des Wollens", Schol. 25, 1950, 248—253, vor allem auf der letzten Seite. Bruggers Gedanken berühren sich nahe mit den oben S. 86 ff. dargestellten Ausführungen von Karl Rahner, vgl. den Aufweis dieses Zusammenhangs bei Brugger, 248, Anm. 1. 3 2 5 Das Bild findet sich bei Brinktrine a.a.O. 300. 326 Vgl. oben S. 118 mit Anm. 305.
123
Heils — ein gern gewähltes Beispiel dafür ist die Mission — nicht in erster Linie um
eine Summe
von
individuellen
Bekehrungen,
sondern
vielmehr
um eine Ausbreitung der Kirche, in der das H e i l in größtmöglicher Fülle angeboten wird. Die Beurteilung
der Heilsmöglichkeiten
des einzelnen
tritt
völlig zurück hinter der „Frage des Vorhandenseins oder Nichtvorhandenseins der objektiven Voraussetzungen des H e i l s " 3 2 7 . M a n muß sich vor jeder weiteren K r i t i k verdeutlichen, daß die römische Theologie
heute
allgemein
über
dieses
Verständnis
nicht
damit jenes altkirchliche A x i o m stillschweigend oder erheblich
einschränkt.
Das
oben 3 2 8
festgestellte
hinausgeht
und
ausgesprochenermaßen
Fehlen
einer
Verbindung
zwischen Heilsnotwendigkeit und Heilsgewißheit erweist sich von daher als durchaus begründet. V o n der Sache her dagegen wirkt es als ein willkürliches Haltmachen auf einem Weg, der geradlinig weiterführt. Es mag sein, daß ein Weitergehen keine „katholische Fragestellung" mehr ist 3 2 9 ; ein ernsthaft um sein Heil bemühter Mensch sieht sich dazu genötigt. Denn sobald man sich
von
objektiv wieder
dem
objektiv
schlechter das
besser
ausgerüsteten
Problem
des
ausgerüsteten
römischen
„Nichtkatholiken"
individuellen
Heils
vor
Katholiken
zuwendet, sich.
Und
dem
hat da
man rekur-
riert nun auch die römische Theologie, freilich an ganz anderer Stelle, auf den allgemeinen Heilswillen Gottes, der durchaus die in der faktischen Gliedschaft eingeschlossenen Gnaden, die dann fehlen, durch verborgene Gnadenhilfen ersetzen und damit genauso wirksam zum Heil führen kann. D e r einzige Fall, in dem die Heilsunsicherheit durch das Fehlen jedweder möglichkeit
schlechthin begründet
ist, wäre nur dann
Heils-
gegeben, wenn
der
Mensch die von G o t t gebotene Pflicht, in die Kirche einzutreten, subjektivschuldhaft 3 3 0 zurückwiese. Unter
dieser Voraussetzung wäre
gewissermaßen
von einer absoluten Heilsunsicherheit zu reden. I n allen anderen Fällen ist ein relatives Verständnis gibt G o t t jedem
geboten: „Wegen
seines allgemeinen
Heilswillens
Menschen genügend Gnade, sein H e i l zu wirken, wenn er
nicht diese Möglichkeit schuldhaft zurückweist." 3 3 1 Kein Mensch ist also von vornherein ohne Heilsaussichten. Freilich sind diese am Anfang gering, aber der Mensch kann sie mehr und mehr steigern, indem er sich etwa durch den Empfang des Taufsakraments (das er freilich auch „extra ecclesiam" bekommen kann) oder durch stetig sich vertiefende Kenntnis der göttlichen Offenbarung immer mehr Gnadenhilfen verschafft. Bemerkenswert
ist, daß
auf
328 Vgl. oben S. 122 Anm. 316. Rahner a.a.O. 65 . „Votre position de question n'est pas du tout catholique", wurde mir an diesem Punkt gesprächsweise einmal gesagt. 330 Zur Problematik der subjektiven Schuldlosigkeit vgl. oben S. 119 mit Anm. 309. Mit diesem Begriff ist das Problem jedoch sofort wieder aus der objektiven in die psychologische Ebene verlagert. 331 Rahner a.a.O. 66 (Hervorhebung von mir). 327
329
124
diesem Weg die Gewinnung der reapse-Gliedsdiaft für sich genommen nicht unbedingt einen Schritt nadi vorwärts bedeuten muß. Davon kann man nur insofern reden, als mit ihr der Zugang zu neuen und ungemein kräftigen „munera et adiumenta caelestia" offensteht, die einem vorher verschlossen waren. Ihrer habhaft zu werden, ist nun freilich wieder Sache des Menschen; er kann es ganz unterlassen, mit Maßen tun und uneingeschränkt tun. Die subjektive Heilssicherheit wächst dabei zusehends, aber auch unter den allergünstigsten Bedingungen kann sie nur stark, groß, höchstwahrscheinlich werden, niemals jedoch absolut. Warum betont man es ausdrücklich, daß die „Nichtkatholiken" ihres Heiles nicht sicher sein können, wo das bei den „Katholiken" auch nicht der Fall ist? Brinktrines oben 3 3 2 angeführte Interpretation bleibt Desiderat und ist überhaupt nur darum formulierbar, weil unbegründeterweise behauptet wird, die Frage nach dem Wissen um den Gnadenstand habe damit nichts zu tun. Wie ist der Zusammenhang zwischen Heilssicherheit und kirchlicher Gliedschaft? Im günstigsten Fall so, daß die auch vorher schon vorhandenen Heilsaussichten durch den Eintritt in die römische Kirche die Möglichkeit bekommen, sich graduell enorm zu steigern, ohne daß sie jedoch einen absoluten Gipfel erreichen könnten. Der Unterschied der Heilsmöglichkeiten in- und außerhalb der Kirche ist rein quantitativ, nicht qualitativ. Und in einem minder günstigen Fall würde es sich etwa darum handeln, zwischen einem bloßen „Standesamtkatholiken", dessen geistliche Aktivität sich auf das Zahlen der Kirchensteuern beschränkt, und einem ehrlich überzeugten, frommen evangelischen Christen die Heilsaussichten abzuwägen 333 . Eine Zusammenfassung des Erarbeiteten ergibt: Bis zum heutigen Tag pflegt die römisch-katholische Kirche die Lehre von der Heilsnotwendigkeit ihrer selbst mit der alten Formel: „extra ecclesiam nulla salus" auszudrücken. Sie meint damit, daß die Zugehörigkeit zu ihr von Gott ausdrücklich zum Mittel eingesetzt worden ist, durch welches der Mensch das ewige Heil empfängt. Freilich ist die Notwendigkeit dieses Mittels nicht absolut zu verstehen, denn wo sein eigentlicher Gebrauch nicht möglich ist, kann es auch durch ein gültiges 334 Votum ersetzt werden, das notfalls nur implizit zu sein braucht. Von der anderen Seite her darf das Dogma nicht so mißverstanden werden, als könnte der reapse-Katholik seines ewigen Heiles absolut sicher sein; er kann vielmehr immer nur moralische Heilsgewißheit haben, bei der die Möglichkeit einer Täuschung nie schlechterdings verschwinden wird. Allerdings gibt es solch moralische Gewißheit audi bei „Akatholiken", nur hat sie durch die in der römischen Kirche zur Verfügung stehenden 332 333 331
Brinktrine a.a.O. 299. Vgl. oben S. 51 f. Zum Verständnis von „gültig" vgl. oben S. 76f. und S. 83. 125
Gnadenhilfen 335 dort eine enorme graduelle (aber nur graduelle) Steigerungsmöglichkeit, jedoch audi bloß dann, wenn der römische Katholik sich von sidi aus ihrer bedient. Der einzige Fall, der absolut vom Heil ausschließt, ist subjektiv-schuldhafte Zurückweisung der angebotenen Gnade, aber dieser Fall ist keineswegs nur auf die „Akatholiken" beschränkt. Extra ecclesiam nulla salus! Beide Gedankengänge führen zu dem Schluß, daß die römische Theologie bis heute keine einleuchtende Interpretation für diese problematische Formel geben konnte. Dem evangelischen Gesprächspartner scheint darüber hinaus eine solche auf der Basis des römischen Kirchenbegriffs grundsätzlich nicht möglich zu sein. 335 Natürlich kann der römische Anspruch auf den Voll- und Alleinbesitz von Wort und Sakrament nicht undiskutiert bleiben, hierzu vgl. unten S. 178ff.
126
TEIL Β
Die Kirche und die Kirchen VI. D i e S t e l l u n g n i c h t r ö m i s c h e r K i r c h e n nach dem C o d e x I u r i s C a n o n i c i Die bisherige Untersuchung befaßte sich mit dem Verhältnis des einzelnen Menschen zur römischen Kirche, der in irgendeiner Weise nicht deren Vollglied ist. Der letzte Grund für solch eine Verhältnisbestimmung in der römischen Theologie war in mancherlei Formen immer die Heilsnotwendigkeit, Einzigkeit und Einzigartigkeit und andrerseits die nahezu kosmische, sich bei jeder Regung einer Gnadenwirkung früher oder später einschaltende Universalität der römischen Kirche gewesen bzw. in den meisten Fällen ein Ausbalancieren dieser beiden sich entgegenlaufenden Motive. Die Entwicklung des Lehrpunktes „ D e r einzelne und die Kirche" ließe sich somit aus der Wahrung ureigenster Interessen der römischen Kirche erklären. D a s bedeutet negativ, daß das, was man einmal das „ökumenisdie M o t i v " nennen könnte 1 , nämlich das Bestreben, den „Nichtkatholiken" mit seinem andersartigen Glauben und als Glied einer anderen Kirche für sich betrachtet ernstzunehmen und ihn in dieser Lage möglichst gerecht zu beurteilen, dabei nicht unbedingt mitbestimmend gewesen zu sein braucht 2 . Vielmehr wird der einzelne Mensch, um den es sich dabei handelt, um mit einem Ausdruck Journets 3 zu sprechen, als nicht voll entfalteter, aber in dieser Eigenschaft höher- oder tieferstehender römischer Katholik betrachtet. Die entsprechende Einstufung geschieht, wie deutlich wurde, in der Konsequenz der Votumlehre nach Maßgabe der innerlich-unsichtbaren Ebene, nämlich schließlich nach dem moralisch-psychologischen Kriterium einer bona oder mala fides. Wohl sind auch Versuche gemacht worden, dem Votum neben seiner inneren 1 Vgl. die kurze Untersuchung über das Erwachen dieses Motivs in der römischen Theologie oben S. 14 ff. 2 Daß dieses Motiv in vielen von den bisher untersuchten Arbeiten faktisch doch eine Rolle gespielt hat, kann und soll natürlich nicht bestritten werden; grundsätzlich notwendig war es aber nicht. a Journet a.a.O. 1080.
127
auch eine äußere Seite zu geben — erinnert sei an den Namen Rahner —, oder gewisse äußerlich sichtbare, zumeist sakramentale Gegebenheiten in Verbindung mit diesem geltend zu machen — erinnert sei an die Namen Journet, Vodopivec, Brinktrine und Sartory. Rahners Versuch konnte indes nicht überzeugen; im zweiten Fall zeigte sich, daß es für die Heilsfrage zuletzt ja nicht auf das objektive Vorhandensein von sakramentalen Gnadenhilfen in der römischen oder einer anderen Kirche ankommt, sondern daß die Heilsaussichten höchstens zu deren mehr oder minder regem subjektiven Gebrauch parallellaufen, der ja zweifellos wieder von innen heraus angeregt und gesteigert wird. Was dagegen das Verhältnis der römischen zu anderen Kirchen anlangt, so eröffnet sich eine neue Problematik. Es geht ja nicht an, einfach die für den Einzelmenschen entwickelte Lehre auf eine Körperschaft zu übertragen; denn wenn man von „Nichtkatholiken" gewisse Beziehungen zur römischen Kirche lehren konnte, „so geschah das auf Grund von deren bona fides, d. h. einer Größe der moralischen Ordnung. Von bona fides und moralischem Akt kann man aber im strengen Sinn des Wortes bei einer Gruppe, einer Institution, einer Körperschaft, die ja keine menschliche Person sind, nicht sprechen. Wir betreten damit vielmehr das Gebiet des Rechtes und der Rechtsbeziehungen, in dem sich die moralische Wirklichkeit der bona fides nicht ereignet" 4 . Waren bei der bisherigen Darlegung allenfalls die einzelnen menschlichen Träger einer Kirche im Blick, so sind jetzt die Kirchen und ihre Gnadengaben sozusagen objektiv, nämlich von diesen menschlichen Trägern abgesehen, zu betrachten. Die Untersuchung befaßt sich also nicht mehr, wie in der Hauptsache bisher, mit der inneren Ebene des Votums, sondern begibt sich auf die äußerlich-sichtbare der objektiven Größen. Das ist ein Einschnitt von so erheblicher Tragweite, daß sich der Anfang eines neuen Teiles daraus rechtfertigt. Hinzu kommt ein zweiter Grund: Beim einzelnen handelte es sich, um es mit Congar pointiert auszudrücken, um die Frage der Konversion zur römischen Kirche. Solch eine Konversion mag die mannigfachsten inneren Umstellungen mit sich bringen — die Selbstidentität und Fortdauer der menschlichen Persönlichkeit wird davon nicht angetastet. Für eine ganze Kirche aber würde Entsprechendes nichts weniger als die Aufgabe ihrer Existenz als Kirche bedeuten. Mit dieser lapidaren Feststellung kann man natürlich von römisch-katholischer Seite her das Problem abtun, indem man sagt, daß so etwas wie „Wiedervereinigung" für eine andere Kirche nur darin bestehen könne, daß sie sich in ihrem objektiven Bestand selbst auflöst und ihre menschlichen Träger zur römischen Kirche zurückkehren. Es fehlt nicht an Theologen, die in dieser Auskunft allein die Möglichkeit sehen, die Singularität der römischen Kirche zu wahren und infolgedessen dabei stehen4
128
Nach dem französischen Text bei Congar, Chr6tiens disunis 301.
bleiben. Wohl sind sie damit der Frage nach dem Objektiven aus dem Weg gegangen, indem sie das Problem wieder auf die Konversion des einzelnen zurücktransformieren; aber diese Reaktion ist in einer tatsächlichen Gefahr begründet: Sobald man nämlich irgendwelche positiv-deskriptiven Feststellungen über ein objektives Vorhandensein von anderen Kirchen und Gnadenmitteln macht, ist auch die Frage nicht mehr weit: Warum ist denn die römische Kirche die una ecclesia, wo es doch audi andere gibt? Diese Frage ist unvermeidlich mit der neuen Problemstellung gekoppelt, und wer sich ihr stellt, der treibt, so scheint es, mehr als bloß ein Stück innerrömischer Dogmatik. Die aus dem Nebeneinander mehrerer Kirchen entstehende Frage ist die Wurzel des ökumenischen überhaupt 5 , und wer sich darauf erst einmal einläßt, der steht, wie auch immer das Endergebnis aussehen mag, im Feld einer „ökumenischen" Theologie 6 . Bei der Untersuchung dieser „äußeren Ebene" soll zunächst deren rechtliche und dann ihre dogmatische Seite betraditet werden. Im C I C ist die übliche Bezeichnung f ü r nichtrömisdie Kirchen „secta" 7 , die im ganzen dreizehnmal vorkommt, und zwar jeweils mit einem adjektivischen Zusatz versehen 8 . Am häufigsten wird in diesem Zusammenhang von „secta haeretica aut (vel, seu) schismatica" geredet 9 ; dieses Prädikat zeigt, d a ß eine durch Schisma oder Häresie entstandene, also christliche Religionsgemeinschaft bezeichnet sein kann, die neben oder losgelöst von der Mutterkirche besteht. D a ß der Begriff „Religionsgemeinschaft" dabei sehr weit zu verstehen ist, geht daraus hervor, daß „secta" mit dem Zusatz „massonica" der terminus technicus f ü r die Freimaurerlogen ist 10 . Eine Stelle 11 belehrt darüber, d a ß derlei „sectae" von der Kirche verurteilt seien. 5 Schon die Enzyklika „Mortalium Animos" begründet die Weigerung Roms, an der Ökumenischen Bewegung teilzunehmen, mit der Unmöglichkeit, ein Nebeneinander verschiedener Kirchen anzuerkennen, vgl. das Referat oben S. 12f. 8 Congar a.a.O. 48, Anm. 1, faßt diese Gedanken prägnant zusammen: "II est bien certain que, du point de vue catholique, si l'on considere un Protestant ou un autre dissident en particulier, il n'y a qu'ä se convertir. Mais si l'on considere le protestantisme et les autres dissidences comme rialitds collectives, il y a, semble-t-il, un probleme qui est le probleme propre de Poecuminisme; c'est ce probleme que nous essayons d'aborder ici." 7 Vgl. zum folgenden Eduard Eichmann, Gottlosenbünde und das Kirchenrecht, ThGl 27, 1935, 310—322. 8 Vgl. A. Lauer, Index Verborum Codicis Iuris Canonici, Vatikan 1941, 564. 9 Fünfmal vorkommend: CIC can. 167 § 1 η. 4; can. 765 η. 2; can. 795 η. 2; can. 1060; can. 1240 § 1 η. 1. 10 Viermal vorkommend: CIC can. 1240 § 1 η. 1; can. 1399 η. 8; can. 2335; can. 2336 § 2. 11 „Secta damnata": CIC can. 693 § 1. Man wird aber sinngemäß auch die canones 694 und 1453 hinzunehmen, in denen von „associationes bzw. societates damnatae" die Rede ist.
9
7978
Dietzfelbinger, Grenzen
129
Die restlichen canones haben die nunmehr etwas näher zu bestimmende Beifügung „acatholicae" 1 2 . Das verhältnismäßig junge Wort „acatholicus", das sich in älteren Rechtsdokumenten noch gar nicht findet13, taucht im Rahmen des kanonischen Rechts erstmalig 1764 in einer Anfrage an die Kurie auf, wird also sozusagen nicht aus der inneren Praxis der kirchlichen Kongregationen heraus gebildet, sondern von außen an diese herangetragen. E t w a hundert Jahre später, zur Zeit des Vatikanischen Konzils, hatte sich dieses Wort im offiziellen Sprachgebrauch bereits eingebürgert; man fand es praktisch, jetzt mit einem einzigen Begriff ausdrücken zu können, was früher mit mehreren Bezeichnungen umschrieben werden mußte. Gemeint waren damit zuerst nichtrömisch getaufte Christen, während erst später 1 4 audi Ungetaufte darunter fielen. Man unterscheidet infolgedessen für den terminus „acatholicus" einen sensus strictus, wenn er nur Christen, und einen sensus latus, wenn er außerdem auch Ungetaufte umfaßt. Was den C I C anlangt, so haben Mulder, am ausführlichsten Schmid und im Anschluß an diesen Mörsdorf die 36 in Frage kommenden Stellen untersucht und sind übereinstimmend zu dem Ergebnis gekommen, daß in allen Fällen das weite Verständnis möglich und in den meisten auch notwendig ist 15 . Somit meint also der C I C im allgemeinen mit „acatholicus" nicht nur „nichtkatholische Christen", sondern auch alle anderen Menschen, die nicht reapse-Glieder der römischen Kirche sind. Dementsprechend ist der Begriff beschränkt, sondern umfaßt auch und wirtschaftliche Zwecke, die stehen; Eichmann1® denkt etwa an Leichenverbrennungsvereine und
„ s e c t a " nicht auf niditrömisdie Kirchen Gesellschaften für politische, kulturelle im Widerspruch zur römischen Kirche kommunistische oder sozialistische Bünde, Freimaurerlogen. Wieweit der Begriff
12 Viermal vorkommend: CIC can. 542 η. 1; can. 1065 § 1; 1131 § 1; 2314 § 1 η. 3. Über den Begriff „acatholicus" gibt es einige Spezialstudien: W. Mulder, De beteekenis van „Acatholici" in den Codex, Nederlandsche Katholieke Stemmen 25, 1925, 8—13; Leopold Schmid, De vi verborum „acatholicus, secta acatholica, minister acatholicus" in Iure Canonico, Apollinaris IV, 1931, 552—567, und V, 1932, 69—85; W. Böhm, op. cit., Hamburg 1933; Felix M. Cappello SJ, De acatholicorum incapacitate agendi in foro ecclesiastico, Miscellanea Vermeersch I, Rom 1935, 393—402. Vgl. auch K . Mörsdorf, Die Rechtssprache des Codex Iuris Canonici, Paderborn 1937, 132 ff. 13 Zum folgenden vgl. Schmid a.a.O. 552—554. 14 Schmid a.a.O. 554 nennt als terminus a quo das Dekret „ N e temere" von Pius X . aus dem Jahre 1907. 15 Ebenso Böhm a.a.O. 12—18. CIC can. 1099 § 1 , 2 redet ausdrücklich von „acatholicis sive baptizatis sive non baptizatis". Die praktisch und in der Regel nur für Getaufte in Frage stehende Anwendung jener Bestimmung (vgl. CIC can. 12) ändert nichts an der grundsätzlichen Wortbedeutung. 18 Eichmann a.a.O. 312. Vgl. auch die canones über die Freimaurerlogen, die neben diesen gleichzeitig immer von „aliae eiusdem generis societates" sprechen.
130
„secta" in der T a t zu fassen ist, zeigt folgender Rechtsbescheid der Auslegungskommission des C I C : „ A n ad n o r m a m Codicis Iuris Canonici, qui sectae atheisticae adscripti sunt vel fuerunt, habendi sint q u o a d omnes iuris effectus etiam in ordine ad sacram ordinationem et matrimonium, ad instar eorum qui sectae acatholicae adhaerent vel adhaeserunt. — R. ( = Responsum): Affirmative." 1 7 K o m m e n t a t o r e n dieses Bescheides erklären dazu, „secta atheistica" sei in „secta acatholica" implicite enthalten, u n d z w a r als deren schlimmste Ausprägung, insofern sie das Dasein eines persönlichen überweltlichen Gottes leugne, das D o g m a also, das die Basis des gesamten Glaubens sei 18 . Wollte m a n auf diesem H i n t e r g r u n d eine Definition dessen versuchen, was der C I C über eine nichtrömische Kirche aussagt, so k ö n n t e m a n nicht mehr festhalten, als d a ß er eine solche sieht als Vereinigung von Personen, die von der römischen Kirche verurteilt ist, weil sie zu einem im Widerspruch mit ihr stehenden Zweck gebildet wurde. Nach weiteren Näherbestimmungen der „sectae" als Körperschaften sucht m a n vergebens; die in Frage stehenden canones befassen sich nämlich alle 19 nicht mit ihnen als überindividuellen, objektiven Gebilden, sondern nur mit ihren Anhängern 2 0 . Die jeweiligen Verordnungen betreifen nie die „secta" als solche, sondern nur die Leute, die ihr beitreten („nomen dantes") 2 1 , sich öffentlich als ihre Anhänger bezeichnet haben („publice adhaeserunt") 2 2 , die sich als Mitglieder haben eintragen lassen („adscripti oder addicti sunt"), ihr zugehören („pertinent") oder zu ihr übergetreten sind („transierint") — entscheidend f ü r die Feststellung dieses F a k t u m s ist immer das öffentliche Bekenntnis 2 3 . Was v o m kirchlichen Recht her über die „acatholici" im allgemeinen zu sagen ist, h a t Schmid in vier Abschnitten dargelegt 2 4 : Die sogenannten „ f a v o r a b l e n Gesetzesbestimmungen" beschränken sich d a r a u f , d a ß die „aca17
AAS X X V I , 1934,494. Nach CIC can. 17 § 2 besitzen derartige Interpretationen die gleiche Verbindlichkeit wie der CIC selbst. 18 Vgl. Cosmas Sartori, Enchiridion Canonicum, Rom 1954, llOf.; dort weitere Literatur. Welche Vereinigungen praktisch gemeint sind, zeigt Philipp Maroto, der im „Commentarium pro Religiosis" XV, 1934, 343—346 die einzelnen Freidenkerund Gottlosenverbände aus dem Europa der damaligen Zeit zusammenstellt. 19 Mit Ausnahme des das Bücherverbot betreffenden can. 1399, 8. 20 An den zwölf in Frage kommenden Stellen steht „secta" niemals im Subjektsnominativ, sondern stets als Objekt eines die Zugehörigkeit bezeichnenden Verbums, in zehn Fällen im Dativ, zweimal im Akkusativ hinter „ad". 21 Die Übersetzungen nach Rudolf Köstler, Wörterbuch zum Codex Iuris Canonici, München 1927, zu den betreffenden Stellen. 22 Diese perfektischen Formen „adhaeserunt, adscripti sunt, transierunt" usw. schließen ausdrücklich auch die gegenwärtige Zugehörigkeit ein; näheres bei Sartori a.a.O. 109f. und AAS XI, 1919, 477. 23 Eichmann a.a.O. 315. 24 Eine ähnüche Zusammenstellung, gegliedert nach den fünf Hauptabschnitten des CIC selber, bei Böhm a.a.O. 19—49. 9*
131
tholici" Benediktionen und Exorzismen empfangen können und grundsätzlich dem römischen Bischof unterstellt sind, in dessen Diözese sie wohnen 25 . Es folgen zweitens sogenannte „odiose Gesetzesbestimmungen", die für die „catholici" mancherlei Warnungen vor den „acatholici", für diese selbst aber rechtliche Einschränkungen auf allen möglichen Gebieten bringen; dann Vorschriften f ü r Mischehen und schließlich Strafbestimmungen 26 . Diese im wesentlichen Rechtsnachteile verkündenden canones gelten natürlich auch sämtlich für die Anhänger einer „secta" und mögen für diese im einzelnen noch verschärft sein 27 ; deutlich wird das im can. 2314 § 1 η 3, wo zwischen Konfessionslosen und Sektenanhängern insofern ein Unterschied gemacht wird, als diese letzteren sich außer den über jene verhängten Strafen automatisch die kirchliche Infamie zuziehen 28 , eine Eigenschaft, deren Makel auch nach einer etwaigen Wiederversöhnung mit der römischen Kirche noch bleibt. Zweitens werden einer „secta" beitretende Kleriker nicht nur, wie beim bloßen Abfall, abgesetzt, sondern auch aus dem geistlichen Stand ausgestoßen. Diese letztgenannten Strafen werden also nicht für die Separation von der römischen Kirche verhängt — damit sind die „acatholici" ja generell schon belegt —, sondern eben f ü r den Anschluß an eine „secta", der somit als zusätzliches, von der römischen Kirche trennendes und weitere Rechtsnachteile mit sich bringendes Moment zu werten ist. Was sonst an Unterschieden zwischen einem konfessionslosen und einem einer „secta" zugehörigen „acatholicus" namhaft gemacht werden und so etwa näheren Aufschluß über das Wesen dieser „secta" geben könnte, ist kaum ergiebig. Wenn Sdimid die Folgerung zieht, daß aus einem „apostata acatholicus" durch den Beitritt zu einer gewissen „secta" nun ein akatholischer Häretiker bzw. Schismatiker geworden sei, „quia a fide Christiana non totaliter recedit" 29 , so ist damit über die „secta" selbst gar nichts gesagt. D a ß jener Beitritt Ausdruck eines Kirchenvotums sein könnte, interessiert in diesem Zusammenhang ja nicht und wird vom Kirchenrecht als auf der inneren Ebene liegend ignoriert 30 . 25
CIC can. 1149; can. 1152; can. 1350. Die zehn hauptsächlichsten Strafen übersichtlich im Commentarium pro Religiosis 341. 27 Die meistens sehr schwierige Aufgabe, die übrigen Menschen, welchen die Anhänger einer „secta" jeweils an die Seite gestellt werden, genau zu klassifizieren, braucht hier nicht weiter angegangen zu werden. 28 Einzelheiten bei Eichmann a.a.O. 315ff. 29 Schmid a.a.O. 79. 30 Falls man auf den optimistischen Gedanken kommen sollte, aus dem can. 1258 § 1 über die „communicatio in sacris acatholicorum" (vgl. auch can. 1063) etwa irgendeine positive Aussage über nichtrömische „sacra" herauszulesen, so wird man eines Besseren belehrt. Wilhelm de Vries hat in den „Ostkirchlichen Studien" (6, 1957, 81—106 und 7, 1958, 253—266) zwei Untersuchungen zu diesem Thema veröffentlicht: „Das Problem der .communicatio in sacris cum dissidentibus' im Nahen Osten zur Zeit der Union (17. und 18. Jahrhundert)" und „Eine Denkschrift 26
132
Man steht am Ende einer ebenso dürftigen wie unbefriedigenden Bestandsaufnahme. "Was die römische Kirche nach dem C I C außerhalb ihres Raumes an nichtsubjektiven, absoluten Gegebenheiten mehr andeutet als wirklich beschreibt, das ist die Existenz von Zwecken, die sie im Widerspruch zu ihren eigenen Prinzipien glaubt. Mannigfache Beispiele bieten sich dafür an: die Leugnung des Daseins eines persönlichen Gottes, die Freimaurerei, der Kommunismus, die Feuerbestattung, die evangelische Trauung, der orthodoxe Gottesdienst und die anglikanische T a u f e ; an diesen wahrlich recht verschiedenen Dingen wird ausschließlich die Konkurrenz gesehen, die sie für die entsprechenden bzw. entgegengesetzten römisch-katholischen Zwecke bedeuten. Infolgedessen tut man alles, sie zu unterdrücken und zu beseitigen oder zumindest vor ihnen zu warnen. Alle anderen Seiten dieser Größen bleiben ohne Erwähnung, ja man kann sich gelegentlich des Eindrucks nidit erwehren, als gäbe es eine Tendenz zur Verwischung von deren Unterschieden, namentlich was den zwischen christlich und nichtchristlich anlangt. Im übrigen werden jene Gegebenheiten in ihrer objektiven Existenz nur solange registriert, als es sich um abstrakte Prinzipien handelt; sowie diese nämlich das ihnen neben der antirömischen Tendenz allen gemeinsame Moment der Gemeinschaftsbildung betätigen, geht die römische Beurteilung alsbald zur Individualisierung über. Wahrscheinlich muß sie das auch; denn aus einer bloßen Negation heraus ist Gemeinschaftsbildung auf die Dauer nicht möglich; infolgedessen hätte der C I C für den Fall, daß er dieser sachgemäß nachginge, auch von den positiven Seiten jener „Zwecke" zu sprechen. Beides unterbleibt; das Element von Gemeinschaft und Gemeinschaftsbildung wird ausschließlich als die strafwürdige Tat des einzelnen betrachtet, niemals dagegen — dafür sorgt schon die enorme Bedeutungsweite von „ s e c t a " — als die überindividuelle Gegebenheit einer communio, als jenes Vor- und Überpersönliche, das zumindest aus einer christlichen Gemeinde mehr macht als die Summe ihrer Glieder, und das die römische Kirche bezüglich ihrer selbst so eindrucksvoll darzustellen weiß. Man tut vom abstrakten „ Z w e c k " einen Sprung zum Einzelmenschen, ohne auf ein etwa dazwischenliegendes Gemeinschaftsgebilde überhaupt nur einen Blick zu werfen. Man redet gar nicht von der „ s e c t a " selbst, sondern von A n f a n g an nur über ihre einzelnen Glieder. Dabei wird deren Zustand aber nicht in seiner gegenwärtigen und vorhandenen Situation zu beschreiben oder zu erläutern versucht, sondern jene „Sektenanhänger" werden als von A n f a n g an treulose oder im L a u f e zur Frage der .communicatio in sacris cum dissidentibus' aus dem Jahre 1721", die zwar zunächst historische Arbeiten sind, aber gleichzeitig auch für das rechtstheologische Gebiet den ausschließlich negativen Zweck dieser Bestimmungen heraustreten lassen. Vgl. schließlich die Neueinschärfung des Verbotes jeder „communicatio in sacris" in dem Monitum „Cum Compertum" vom 5. 6. 1948 (AAS X L , 1948, 257) und in der Instructio „Ecclesia Catholica" vom 20. 12. 1949 (AAS X L I I , 1950, 146). 133
der Zeit treulos gewordene römische Katholiken behandelt. Als solche haben sie erstens, dadurch daß sie bewußt oder unbewußt die römische Kirche verließen, zwischen sich und dieser einen strafwürdigen Abgrund aufgerissen, und zweitens, dadurch daß sie anschließend einer „secta" beitraten, diesem ersten einen zweiten, noch zusätzlich strafwürdigen Abgrund zugefügt. Was die römische Kirche über solche Leute aussagen kann, sind Strafen und Verbote an deren Adresse, und an die Adresse ihrer eigenen Gläubigen scharfe Warnungen 3 1 . Auf dem Gebiet des kanonischen Rechtes ist der beabsichtigte Versuch, eine römisch-katholische Bewertung außerkirchlicher objektiver Gegebenheiten zu erheben, gänzlich fehlgeschlagen. Der C I C wird des eigentlichen Problems nichtrömischer Kirchen überhaupt nicht ansichtig, wenn er sich auf Rechtsbestimmungen bezüglich der Anhänger „akatholischer Sekten" beschränkt und sich nicht im geringsten bemüht, diese Kirchen in ihrer Eigenart etwas genauer zu erfassen. D a ß er für sie keine andere Bezeichnung als „secta" hat, ist jedenfalls eine „Redeweise", die man, wie von römischer Seite selbst gesagt wird, „mit Recht bedauern kann" 3 2 . Sodann aber ergeben sich daraus einige Fragen zum Schluß: Steht die römische Kirche dazu, daß es nach ihrem Recht gar keinen Unterschied gibt zwischen einer Gruppe notorischer Gottesleugner und einer Gemeinschaft — wenn man denn schon das Wort Kirche vermeiden will — getaufter Christen? Und mag es immerhin einsichtig sein, daß ein bisheriger Dissident durch seinen Beitritt zu einem Atheistenverband sich noch weiter von der Kirche entfernt als bisher, so ist es doch schwer zu fassen, daß ein erklärter Gottesleugner, der keiner Organisation angehört, der römischen Kirche rechtlich näherstehen soll als ein Glied der orthodoxen, anglikanischen oder evangelischen Kirche — aber das ist doch wohl die Konsequenz aus dem Obigen? Oder wie steht es mit einem Heiden? Rechtlich ist er doch besser dran, wenn er, mit den Strafen bzw. Einschränkungen eines bloßen „acatholicus" behaftet, in seinem Heidentum verbleibt, als wenn er beispielsweise durch seine Bekehrung zur evangelischen Kirche zusätzlich noch die Strafe der kirchlichen Infamie auf sich lädt 3 3 ? 31 Die sämtlichen canones, in denen von „secta" die Rede ist, sind Verbote, Strafbestimmungen oder Warnungen. 32 So Wilhelm de Vries, Die Haltung des Heiligen Stuhles gegenüber der getrennten Hierarchie im Nahen Osten zur Zeit der Unionen, ZkTh 80,1958, 378—409. Allerdings entsteht in diesem Aufsatz der falsche Eindruck, als handle es sich in der Bezeichnung „secta" um eine längst der Vergangenheit angehörige Terminologie, die „der Hl. Stuhl. . . heute auch im inneren Bereich . . . nicht mehr gebrauchen würde" (a.a.O. 382). — Im CIC jedenfalls wird der Ausdruck nicht nur gebraucht, sondern er ist für die Sache sogar der einzige. 33 Wenn dem entgegengehalten werden sollte, daß es nach der Votumlehre in diesen Fällen gerade umgekehrt ist, so wäre zu sagen, daß wir mit dieser Erörterung im kirchlichen Recht stehen, bei dem die Innerlichkeit als solche grundsätzlich ausgeklammert bleibt, vgl. oben S. 41 f. mit Anm. 57.
134
Diese wenigen Fragen sind aber nur Nebenprodukte
der
Untersuchung,
die mit ihrem eigentlichen Ziel ins Leere gestoßen ist. Sie wird den Vorwurf auf sich nehmen müssen, am C I C vorbeigefragt zu haben. Trotzdem behält die gestellte Frage ihre Berechtigung; denn wenn der C I C mit der Voraussetzung arbeitet, daß seine Kirche die einzige und alleinseligmachende
ist,
dann müßte er diese Voraussetzung auch gegen den Angriff verteidigen, den die anderen Kirchen durch ihre bloße Existenz darstellen. Hierfür wiederum wäre
es nötig,
den
Gegner
erst einmal
in
seiner
Eigenart
zu
erkennen
und abzuschätzen. Das aber hat der C I C bis heute nicht getan. Die weitere Untersuchung
auf einem
anderen
Gebiet
mag
mancherlei
positive
Ergeb-
nisse zutagebringen; vom C I C her tragen diese alle den Makel der Unrechtmäßigkeit an sich 34 .
VII. V e s t i g i a E c c l e s i a e Zur Bezeichnung dessen, was in diesem Kapitel untersucht werden
soll,
nämlich des Wertes und Gehaltes, die einer nichtrömischen Kirche innerhalb der römischen Dogmatik zukommen könnten, wurde in neuerer Zeit
vor-
zugsweise der Begriff „vestigia ecclesiae" verwendet. D a dieses W o r t nicht durch eine Tradition geprägt ist, sondern erst verhältnismäßig spät aus der evangelischen
Theologie
entlehnt
wurde,
ist
keineswegs
von
vornherein
klar, was die römische Theologie präzise damit bezeichnet. Edward Hanahoe, der Verfasser der neuesten und umfangreichsten römisch-katholischen graphie zu diesem Thema, hat versucht, den Begriff
Mono-
scholastisch-spekulativ
abzugrenzen 3 5 . E r hat damit zweifellos mancherlei wertvolle Aspekte
der
Sache in den Blick bekommen, im übrigen aber ist sein eigener Aufsatz ein Beweis für die Untauglichkeit dieser Methode zu einer einigermaßen ten Limitierung.
Er
erreicht nämlich
damit
zwar
einen
dreifach
exak-
gekenn-
zeichneten vestigia-Begriff, aber dieser gerät ihm so weit, daß er darin mehr oder minder das ganze Gliedschaftsproblem unterbringen kann, also namentlich auch das, was unter „Votumlehre" und „Heilsnotwendigkeit"
in den
Kapiteln I V und V behandelt wurde. So kommt er zu einem wegen seiner Unklarheit höchst unbefriedigenden
Ergebnis. Nein, die besten
Aussichten,
zu einem brauchbaren Ausgangspunkt für dieses Problem zu gelangen, bestehen dann, wenn man im Anschluß an andere Autoren zu diesem Thema den Gehalt des Begriffes aus den wichtigsten Stadien seiner Geschichte zu ermitteln sucht 38 . 3 4 Vgl. die Wiederaufnahme dieses Kennzeichens unten S. 154; ein besonders sprechendes Beispiel hierfür ist die bischöfliche Jurisdiktion, vgl. unten S. 160. 35 Edward Hanahoe, SA, STD, Vestigia Ecclesiae, Their Meaning and Value, in: One Fold, ed. v. Hanahoe-Cranny, Garrison, New York 1959,272—383; das obige 287—290. 38 Vgl. Congar, A propos des „Vestigia Ecclesiae", in: Vers l'untt^ chritienne 1952, Heft 39, 3 — 5 ; J. Hamer, Le Bapteme et l'Eglise, ä propos des „Vestigia
135
Der Sache nach kann man von vestigia ecclesiae, bzw. genauer gesagt nur von einem vestigium, schon in der ältesten Kirche sprechen, wenn nämlich im sogenannten Ketzertaufstreit der römische Bischof Stephan im Gegensatz zu Cyprian von Karthago eine Wiedertaufe der zur Kirche zurückkehrenden Häretiker bzw. Schismatiker untersagt und damit die in den von der Kirche abgespaltenen Gemeinschaften ordnungsgemäß gespendete T a u f e als gültig anerkennt. Augustin hat die Kontroverse bei seiner Auseinandersetzung mit den Donatisten im gleichen Sinn entschieden, und dieses Verständnis ist f ü r das heutige römische Dogma über die Gültigkeit der T a u f e maßgeblich geblieben 37 . War es mithin im Altertum die Großkirche gewesen, die sich durch praktische Schwierigkeiten genötigt sah, eine solche Tauflehre auszubilden, so w a r es, als ähnliche Überlegungen zum zweiten Male akut wurden, die von R o m getrennte Kirche, die sie fortführte. So wird Luther von Erasmus gefragt, w o man denn seine Lehre vom unfreien Willen in der Kirche der vergangenen Jahrhunderte finden könne. E r erwidert, daß die Kirche niemals ohne den Beistand Christi und des Heiligen Geistes gewesen sei; aber wer könne denn sagen, ob ihre normale Daseinsform nicht die Verborgenheit sei und ob demzufolge das wahre V o l k und die wahren Heiligen Gottes in den meisten Fällen gar nicht als solche erkannt und bezeichnet zu werden vermöchten, weil sie dem äußeren Auge nur als „reliquiae" erschienen 38 ? Im übrigen habe Gott auch unter den schlimmsten Verfälschungen des Papsttums die Taufe, sein Wort und Abendmahl, die Schlüsselgewalt, das Glaubensbekenntnis, die Heilige Schrift sowie seinen Namen erhalten, um dadurch den Gläubigen nahezubleiben; er habe diese Zeichen eingesetzt und bewahrt als in sich selbst wahr und richtig, wenn auch beständig dem Mißbrauch durch die Menschen preisgegeben 39 . Man sieht, daß Luther das Ecclesiae", Irin. 25, 1952, 142—164 und 263—275, 2ur Geschichte der Vestigialehre namentlich 142—151; Gustave Thils, Histoire doctrinale du Mouvement CEouminique, Louvain 1955, 142—147 und 183—197. Von evangelischer Seite: Giovanni Miegge, Vestigia Ecclesiae, Signes de l'Eglise dans les Eglises; ich zitiere nach der französischen Fassung in: Verbum Caro 11, 1957, 200—212; der gleiche Artikel ist auf italienisch unter dem Titel „Vestigia Ecclesiae, Storia di un concetto ecumenico" in: Protestantesimo 12, 1957, 117—134 erschienen. Eine thesenartige Übersicht gibt Ulrich Valeske in: Nachrichten der Ev.-Luth. Kirche in Bayern 15, 1960, 321—322 unter dem Titel „Vestigia Ecclesiae". 37 Vgl. Denzinger, Index systematicus X I I d und oben S. 38f. Hamer a . a . O . 151—164 und 263—274 stellt ausführlich die Entwicklung der Tauffrage v o m Ketzertaufstreit bis zu Augustin dar. 38 „ Q u i s seit, si toto mundi cursu, ab origine sua, semper talis fuerit status Ecclesiae Dei, ut alii dicerentur populus et saneti Dei, qui non essent, alii vero inter illos, ut reliquiae essent et non dicerentur populus aut saneti. . .? Abscondita est Ecclesia, latent saneti. . . " (WA X V I I I , 650 und 652). 39 „Benedictus Deus et pater domini nostri Iesu Christi, qui secundum divitias misericordiae suae saltern hoc unicum sacramentum (die Taufe) servavit in Ecclesia 136
Problem z w a r erkennt, aber n u r sehr vage u n d tastend formuliert; immerhin f a ß t er das Gemeinte bereits in den Begriff „reliquiae". Erst C a l v i n aber, bei dem sich im übrigen der nämliche terminus findet40, gilt als der Schöpfer des Begriffes „vestigia ecclesiae". Er gebraucht diesen Ausdruck an der bekannten Stelle der „ I n s t i t u t i o " von 1559, w o er über den Verbleib der w a h r e n Kirche unter dem P a p s t t u m reflektiert. Er f ü h r t dazu aus 4 1 : „ U t tarnen m a n e b a n t olim inter Iudaeos peculiares quaedam Ecclesiae praerogativae, ita nec hodie Papistis adimimus quae superesse ex dissipatione vestigia Ecclesiae inter eos Dominus voluit." N e b e n der E r h a l tung der T a u f e , dem Zeichen d a f ü r , d a ß Gottes Bund von seiner Seite unverletzt geblieben sei, habe es Gottes Güte bewirkt, „ u t aliae quoque reliquiae extarent, ne Ecclesia prorsus interiret. Ac q u e m a d m o d u m ita saepe d i r u u n t u r aedificia ut f u n d a m e n t a et ruinae maneant, ita non passus est Ecclesiam suam ab Antichristo vel a f u n d a m e n t o subverti, vel solo aequari (utcunque ad p u n i e n d a m h o m i n u m ingratitudinem, qui v e r b u m suum contempserant, horribilem quassationem ac disiectionem fieri permiserit) sed ab ipsa quoque vastatione semirutum aedificium superesse voluit 4 2 . Q u u m ergo Ecclesiae titulum non simpliciter volumus concedere Papistis, non ideo Ecclesias apud eos esse inficiamur: sed t a n t u m litigamus de vera et legitima Ecclesiae constitutione, quae in communione cum sacrorum, quae signa sint professionis, t u m vero potissimum doctrinae requiritur." Es soll nicht geleugnet werden, d a ß unter der T y r a n n e i des Antichristen, der der Papst ist, Kirchen bestehen bleiben konnten u n d k ö n n e n ; diese sind jedoch durch dessen Vergewaltigung p r o f a n i e r t u n d mit Irrlehren vergiftet, so d a ß Christus halb begraben, das Evangelium verschüttet, die Frömmigkeit verdorben und der rechte Gottesdienst geradezu abgeschafft ist. U n d t r o t z d e m k a n n u n d m u ß m a n noch von Kirchen sprechen, „quatenus populi sui (Gottes) reliquias, utcunque misere dispersas ac disiectas, illic mirabiliter Dominus conservat, quatenus p e r m a n e n t aliquot Ecclesiae symbola: atque ea praesertim q u o r u m efficaciam nec diaboli astutia nec h u m a n a pravitas destruere potest. Sed quia e converso deletae sunt illic notae quas praecipue in hac disputatione respicere debemus, dico u n u m q u e n q u e coetum et t o t u m corpus carere legitima Ecclesiae f o r m a . " M a n k a n n diesem n a d i meiner Kenntnis ältesten Beleg f ü r die vestigia bereits einige Näherbestimmungen entnehmen, um die es sidi auch in späsua illibatum et incontaminatum a constitutionibus hominum" (De Captivitate Babylonica, WA VI, 526). Z u m übrigen vgl. die Stellen bei Congar a.a.O. 5. 40 Daneben auch die Ausdrücke ,,marques" und „signes", Belege bei Congar a.a.O. 5 und Hamer a.a.O. 147ff. und Anm. 5. 41 Calvin, Institutio christianae religionis 1559, lb. IV, cp. 2, 11 und 12 (ed. Peter Barth und Wilhelm Niesei, München 1936, 40—42); Hervorhebung von mir. 42 Vgl. die Anmerkung an dieser Stelle in der französischen Ausgabe von 1545 ff.: " . . . toutesfois il a voulu qu'il y demeurast encore quelque portion de reste pour monument et enseigne que le tout n'estoit point aboly" (a.a.O. 41).
137
terer Zeit immer wieder handeln wird. Zunächst braucht man sidi bezüglich dessen, was an konkreten Einzelelementen in Betradit gezogen wird, wohl nicht mit Congar nur auf die Taufe zu beschränken, sondern man wird doch nach Calvins Aufzählung auch „Christus, evangelium, pietas, cultus Dei, populus Dei" mit hinzunehmen dürfen. Freilich sind all diese Gegebenheiten, wo sie sich im Papsttum finden, erstens außerhalb der wahren Kirche, zweitens im buchstäblichen Sinn des Wortes „ruiniert" — Calvins Bilder sprechen hier für sich. Diese beiden Kennzeichen haben eine eigenartige Dialektik zur Folge. Einerseits sind sie der Substanz von Taufe, Abendmahl, Frömmigkeit und Gottesdienst jedenfalls abträglich, andererseits dürfen sie dies offensichtlich nicht in einem Ausmaß sein, das eine völlige Substanzverflüchtigung herbeiführen würde — wenn anders man noch von vestigia ecclesiae sprechen soll. Um diese Bezeichnung zu verdienen, müssen jene Elemente also zwar gemindert, aber in irgendeiner Weise ihrem Gehalt nadi doch noch „da" sein. Damit ergeben sich für das weitere zwei Fragen. Einmal: Wie wären diese Elemente zu bezeichnen, wenn sie ohne jene „nuance pejorative", also unverfälscht43, vorhanden sind: etwa, wie es der letzte Satz des oben zitierten Textes anzudeuten scheint, als notae ecclesiae? Zweitens: Gibt es soldi ein Vorhandensein überhaupt — etwa in der Kirche —, oder ist dieses in jedem Fall mit einer gewissen Verfälschung verbunden, die allerdings qualitativ und quantitativ sehr verschieden sein kann 44 ? Festzuhalten bleibt daneben jene die vestigia kennzeichnende Doppelbestimmung: einmal Gottes Einsetzung und Stiftung, zweitens die dieser entgegenwirkende Macht, Irrlehre, Sünde des Menschen. Was unangetastet aus Gottes Hand hervorgeht, kann niemals ein vestigium sein; umgekehrt, wo ausschließlich der Mensch eigenmächtig am Werk war, ist auf keinen Fall mehr von vestigium zu reden. Vestigium ist vielmehr das, was von einer göttlichen Heilseinrichtung nach allen menschlichen Vergewaltigungsversudien übriggeblieben ist. Dabei können diese Versuche größeren oder geringeren Schaden anrichten: der Taufe ζ. B. konnte das Papsttum offenbar so gut wie nichts anhaben, sie bewahrte ihre Vollkraft, während es für den Gottesdienst nahezu die Beseitigung des Ursprünglichen brachte. Schließlich kann das Zustandekommen jener eigenartigen Besdiaffenheit der vestigia ebenso durdi Verkürzung des ursprünglichen Gehaltes (dafür spricht das Bild von den Ruinen) wie durch illegitime Wucherungen (durch Vermisdiung mit einem „giftigen Trank") erfolgt sein; und zwar scheint man sich bei den Reformatoren von der zweiten Art noch unmittelbarer bedroht zu fühlen 45 . So Hamer a . a . O . 149. Congar a . a . O . 5 fragt etwas allgemeiner: Welche Beziehung besteht nach Calvin zwischen der Gesamtkirche und den (im Papsttum verstreuten) Partikularkirchen? 4 5 Dadurch, daß bei Calvin das wahre Volk Gottes ·— wie ja auch schon bei Luther — unter die vestigia gerechnet wird, scheint ein deutlicher Zusammenhang 13 44
138
Eine eigenartige Weiterbildung unseres Begriffs bringt im 17. J a h r h u n d e r t F r a n j o i s Turrettini in seiner Institutio Theologiae Elencticae 4 8 . D e r sachliche Zusammenhang, in dem diese A b h a n d l u n g steht, ist etwa der gleiche wie bei Luther u n d C a l v i n ; es dreht sich um die quaestiones I X u n d X des locus X V I I I „ d e Ecclesia", die die Überschrift „de Ecclesiae Splendore" tragen. In quaestio X wird die alte Frage der römischen Theologie an die reformatorische t r a k t i e r t : „ U b i n a m Ecclesia nostra fuerit ante Lutherum et Zuinglium, et quibus modis conservata?" Auf diese Frage folgt zunächst die nun schon traditionelle A n f ü h r u n g der „electi", die zu allen Zeiten an Christus geglaubt hätten — unter anderem w i r d auf die Waldenser, Albigenser u n d Böhmen verwiesen —, obgleich m a n die E r w ä h l t e n natürlich im G r u n d e ebensowenig namhaft machen k a n n wie Elia die siebentausend, die ihre Knie nicht vor Baal gebeugt haben 4 7 . T u r rettini f r a g t weiter nach den Mitteln, mit denen G o t t seine E r w ä h l t e n im P a p s t t u m erhalten habe. D a gibt es zunächst die tausend f ü r uns u n k o n t r o l lierbaren Möglichkeiten, mit deren H i l f e er das durch die W i r k u n g des H e i ligen Geistes zustande bringen konnte. D a z u k o m m t aber, d a ß sich dieser selbe Geist auch äußerer Mittel h i e r f ü r bedient h a t : „ P e r Dei p r o v i d e n t i a m praecipua religionis capita symbolo apostolico, decalogo, oratione dominica, et sacramentis comprehensa, licet diversimode interpolata, semper ibi conservata sunt; ex quibus quod credendum et faciendum erat ad salutem habere p o t e r a n t . " 4 8 Turrettini scheint also durchaus an die bisherige E n t wicklung anzuschließen, dabei aber unter den äußeren Mitteln auf Lehre u n d W o r t ein besonderes Gewicht zu legen. Wohl w a r das Predigtamt unter dem P a p s t t u m verfälscht, aber jene genannten „praecipua Christianismi cap i t a " w a r e n dennoch zwischen all dem Wust u n v e r k ü r z t erhalten, und G o t t hat durch die unfähigen Werkzeuge sein W e r k durchgeführt, indem seine G n a d e den vernünftigen Schafen Christi den Geist der Unterscheidung bewahrte, der ihnen die T r e n n u n g von W a h r h e i t u n d Lüge ermöglicht hat 4 0 . I m P a p s t t u m w u r d e schwer gesündigt, „per additionem et m i x t u r a m errorum exitialium"; es w a r f ü r die Menschen sehr schwer, ihr H e i l zu wirken u n d zu finden, aber unmöglich w a r es auch im P a p s t t u m nicht, „quia non destruebat f u n d a m e n t u m formaliter illud negando et o p p u g n a n d o , sed illi addendo alia, quae erant cum illo ά σ υ σ τ α τ α " 5 0 . zu der Unterscheidung zwischen der unsichtbaren Kirche (als communio electorum) und der sichtbaren Kircheninstitution, in der jene versprengt ist, gegeben zu sein. Dem im einzelnen nachzugehen, würde hier zu weit führen, aber es wird sich auch im folgenden erweisen, daß der genuine Vestigiabegriff ohne jene Unterscheidung nicht denkbar ist. 48 Erstmals 1679—1685 erschienen. Das folgende Referat hält sich an den Aufsatz von Miegge, der über Turrettini a.a.O. 205—209 schreibt, und benützt mit ihm die Edinburgher Turrettiniausgabe von 1847, Bd. III, 41—60. 47 48 Qu. X, 11—14. Qu. X, 25. 48 50 Qu. X, 26. Qu. X, 32.
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Der Ausdruck „vestigia" selber kommt also bei Turrettini gar nicht vor, sondern er redet statt dessen, jedenfalls durch seine besondere Betonung der Lehre veranlaßt, von „praecipua Christianismi c a p i t a " bzw. von „ f u n d a mentum" und gelangt so zu der bekannten Unterscheidung von articuli fundamentales und non fundamentales 5 1 . Erstere haben ihre Bedeutung darin, daß sie als konstruktive „articuli positivi" unmittelbar am Bau der Kirche beteiligt sind, so daß man überall dort, wo sie ihrer Substanz nach unvermindert vorhanden sind, von „Kirche" im eigentlichen Sinn reden kann. Wie bedenklich dieser Ausgangspunkt ist, zeigt sich in dem Augenblick, da Turrettini die praktischen Konsequenzen daraus zieht: Im Papsttum gibt es bekanntlich nicht ausdrücklich die reformatorischen Glaubensartikel, ζ. B. von der Rechtfertigung per solam fidem, von der Zurückweisung aller sichtbaren Opfer neben dem Opfer Christi, von der Verweigerung der Heiligenanrufung und des Bilderkultes. D a s ist ohne Zweifel als empfindlicher Mangel zu werten, der jedoch auf der anderen Seite wiederum nicht so schwer wiegt, daß er die Möglichkeit, in dieser Kirche das Heil zu erlangen, von vornherein ausschlösse; denn bei all diesen für die Reformation so bedeutsamen Punkten handelt es sich der Sache nach doch nur um „articuli negativi et exclusivi", die lediglich Irrtümer abhalten, nicht aber positiv zum Bau der Kirche beitragen 5 2 . Anders der Fall, in dem jenes Fundament verkleinert und vermindert wird: etwa bei den Sozinianern, die vom Geheimnis der Trinität und der Gottheit Christi und infolgedessen von der Wahrheit seines stellvertretenden Leidens nichts wissen wollen. Hier kann man — anders als im Papsttum — unmöglich sein Heil wirken! entscheidet Turrettini. Bei den Sozinianern wie im Papsttum wird aufs schwerste gesündigt, aber die Sünde „per substractionem" der Sozinianer ist weitaus gefährlicher, weil sie die Heilsmöglichkeiten nicht nur erschwert, sondern schlechterdings ausschließt. Damit, daß bei Turrettini ohne Zweifel die Konturen der Vestigialehre schärfer werden, wächst sichtlich doch auch ihre Fragwürdigkeit. Zuerst einmal wäre nach dem theologischen Wert der reformatorischen „articuli negat i v i " zu fragen. Geht es an, sie mit Turrettini bloß defensiv als „Heilmittel gegen das G i f t " zu bezeichnen, welches den praecipua capita im Papsttum beigemengt worden ist? Wären sie etwa ohne dieses Gift lediglich funktionslose Anhängsel? Abgesehen von solch einem äußerst bedenklichen Herausschälen eines Mindestfundamentes aus dem Gesamtkomplex der Lehre muß 51 Hamer a.a.O. 144f. zeigt bei Turrettinis Zeitgenossen Jurieu eine auf Calvin (Inst. IV, 1, 12) zurückgehende, der Vestigialehre parallellaufende, aber mit dieser nicht zu verwechselnde Linie, eben diese Unterscheidung zwischen articuli fundamentales und non fundamentales; vgl. hierzu auch Thils a.a.O. 145f. Er betont aber gleichzeitig, daß es sich hier um ein anderes Problem handelt. 52 Q u . X , 31.
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man sich klarmachen, daß das Problem der „ v e s t i g i a " in der von Luther und Calvin angebahnten Eingrenzung bei Turrettini überhaupt nicht vorkommt. Die Sozinianer haben das Fundament selbst angetastet, weswegen es bei ihnen keine Kirche mehr geben kann — aber wie wird der noch verbleibende Rest des Fundamentes qualifiziert? Er müßte doch zumindest „besser als gar nichts" sein? Diese Frage jedoch, die eigentliche Frage nach den vestigia, geht bereits über Turrettinis Gesichtskreis hinaus, dessen Ziel freilich auch ein anderes ist als deren Aufweis. Hinter seinen Ausführungen steht, ähnlich wie bei Calvin 5 3 , „ d i e Kirdie", von der er gleich zu Anfang der quaestio X spricht: Sie ist für ihn die „Ecclesia proprie dicta, quatenus notat Corpus Christi Mysticum, quod ex solis Electis constituitur" 5 4 . Diese ihrem Wesen nach unsichtbare Kirche ist auf Erden meist verhüllt, in ihrem status exinanitionis 5 5 . Aber auch in dieser Gestalt kann und darf ihr Bestand an Glaubensgut ein gewisses Mindestmaß (eben jenes „fundamentum") nicht unterschreiten. Bezeichnet man das bei Turrettini als vestigia ecclesiae — und eine andere Größe käme für diese Bezeichnung nicht in Frage —, so ist deutlich, daß damit jetzt etwas viel Positiveres gemeint ist als bei Calvin. Dieser reflektiert unter der Voraussetzung, daß der Komplex der Gnadenmittel eine merkliche Beeinträchtigung erlitten hat; bei Turrettini liegt ein solcher Fall unterhalb des Diskutierbaren; hierfür hat er die rein negative Qualifikation der „Heilsunmöglidikeit" — nicht mehr. Die substantielle Integrität von Wort (und Sakrament) ist überhaupt erst die Basis seiner Ausführungen. Die Kirche wird mit dem Mond verglichen, der von der Sonne, dem Thron Gottes, sein Licht empfängt. Wie der Mond seine Phasen hat, so macht auch die Kirche verschiedene Wechselfälle und „Sonnenfinsternisse" durch 59 . Was aber, damit sie „Kirche" bleibt, über all diese Veränderungen hinweg Bestand haben muß, das ist jenes Fundament. A m Rande sei bemerkt, daß diese Gedanken unschwer auch zur Untermauerung eines konfessionellen Indifferentismus verwendet werden können. Aber das wäre nur die eine Konsequenz; viel bedenklicher scheint bei Turrettini schon vorher die grundsätzliche Unterscheidung zwischen dem „peccatum per substractionem" und dem „peccatum per additionem" zu sein; denn wie diese in der Praxis aufrechterhalten werden soll, ist nicht vorstellbar. D a s erhellt das durch Turrettini selbst herangezogene Beispiel von der satisfactio Christi. Wohl, bei den Sozinianern muß sie auf Grund ihrer Gotteslehre fehlen; aber ist es in der mittelalterlichen römischen Theologie denn nicht ebenso, wenn sie dort von der menschlichen Selbsterlösung durch die guten Werke bedeutungslos gemacht wird? U n d wenn allenfalls ein Gradunterschied besteht, so ist doch der Effekt von additio und substractio grundsätzlich der gleiche. D a s war bei Calvin noch deutlich, und 53 55
Vgl. oben S. 138 f. Anm. 45. Q u . I X , 6; vgl. Miegge a.a.O. 208f.
Q u . X , 11. « Qu. I X , 6.
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es scheint nicht statthaft, wenn Turrettini hier mehr als einen begrifflichen Unterschied macht. Bei Calvin konnte noch auf beide Arten jene merkwürdige Daseinsform der vestigia entstehen; wenn sich dagegen bei Turrettini letztlich willkürlicherweise nur die Sünde der Zufügung bei der Bildung von „vestigia" betätigt, so muß sich natürlich auch der Begriff selbst entsprechend versdiieben. „C'est ä peine si Ton peut encore parier, chez Turrettini, de vestiges", meint Miegge 5 7 . In der Tat, er fragt ein Stockwerk zu hoch d a f ü r ; ansonsten bemerkt man auf der ganzen Linie ein Hinstreben zu anderen Lehrpunkten (Indefektibilität und Verborgenheit der Kirche), die in diesem Zusammenhang nicht mehr zu interessieren brauchen. Trotzdem hat er das Problem der vestigia zumindest indirekt erheblich gefördert, insofern deren bei Calvin zutage getretenen Wesenseigenschaften und vielleicht noch mehr deren problematische Seiten greifbarer geworden sind. Aktuell wurde der Begriff vestigia ecclesiae dadurch, daß der Zentralausschuß des ökumenisdien Rates der Kirchen sich 1950 im sogenannten „Toronto Statement" seiner bedient hat 5 8 . Dieses Dokument mit dem Titel „ D i e Kirche, die Kirchen und der ökumenische R a t der Kirchen" 5 9 sucht eine Wesensbestimmung des Rates, also gewissermaßen dessen Selbstverständnis zu formulieren. Es beginnt mit einer Einführung (I), spricht danach (II) von der „Notwendigkeit, eine neue Erklärung abzugeben", zeigt dann (III), „ w a s der ökumenische R a t der Kirchen nicht ist", um endlich (IV) „die Voraussetzungen des ökumenischen Rates der Kirchen" aufzuzählen. Unter diesen wird als Punkt 5 genannt 6 0 : „ D i e Mitgliedskirchen des ö k u m e n i schen Rates erkennen in anderen Kirchen Elemente der wahren Kirche an. Sie sind der Meinung, daß diese gegenseitige Anerkennung sie dazu verpflichtet, in ein ernstes Gespräch miteinander einzutreten; sie hoffen, daß diese Elemente der Wahrheit zu einer Anerkennung der vollen Wahrheit und zur Einheit, die auf der vollen Wahrheit begründet ist, führen w i r d . " Zu diesen Elementen, „ d i e gelegentlich ,vestigia ecclesiae' genannt werden", so fährt der angefügte Kommentar fort, „gehört die Verkündigung des Wortes, die Auslegung der Heiligen Schrift und die Verwaltung der Sakramente". Sie sind mehr als „blasse Schatten des Lebens der wahren Kirche", Miegge a.a.O. 208. Visser't Hooft hatte bereits 1948 in seinem Aufsatz „Die Bedeutung des ökumenischen Rates der Kirchen" davon gesprochen, die Mitgliedschaft beim ökumenischen Rat bedeute, „daß jede Kirche bei ihren Schwesterkirchen im Rate zum wenigsten die ,vestigia ecclesiae' erkennt, also die Tatsache, daß die Kirche Christi irgendwie auch in ihnen vorhanden und daß der Herr der Kirche in ihrem Leben am Werke ist", in: Die Kirche in Gottes Heilsplan, ökumenische Studien, Tübingen-Stuttgart, Bd. I, 213. 69 Zitiert wird der deutsche Text nach EvTheol 10, 1950, 308—316, der sich außerdem in E L K Z 5, 1951, 120—122 findet. e ° EvTheol a.a.O. 314. 57
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„keine toten Überreste der Vergangenheit", nicht „nur Elemente der Wahrheit", sondern „hoffnungsvolle Zeichen", die „eine wirkliche Verheißung" enthalten und damit „ a u f eine wirkliche Einheit" hinweisen. Die Kirchen sollten diesen hoffnungsvollen „ S p u r e n " „nachgehen"; denn sie sind „machtvolle Instrumente, durch die Gott sein Werk tut". D a s Neue, was hier für die vestigia ecclesiae zu erheben ist, besteht in der veränderten Abzweckung, welche sie nun bekommen. Denn bisher hatte der Aufweis von vestigia ja immer nur einen Versuch dargestellt, auf eine polemische Frage Antwort zu geben, einen von einer anderen Kirche aus geführten Angriff zu parieren. Jetzt dagegen ist von diesem defensiven Dienst jedenfalls unmittelbar nichts zu erkennen, jetzt bekommen die vestigia eine „ökumenische" Aufgabe. D a s hat zur Folge, daß neben ihrem Sein vor allem ihr Tun ins Blickfeld gerückt wird, das auf die Zukunft gerichtet ist, wobei freilich dieses Tun keine nähere Beschreibung erfährt: Man stellt lediglich die gegenwärtigen Gegebenheiten fest, macht dann die Andeutung eines in der Zukunft denkbaren Fortschritts („vollere Einheit", „volle Wahrheit") und „ h o f f t " dabei, daß die vestigia sich als „Instrumente" erweisen, die den ersten in den zweiten Zustand überführen. Das „ W i e " dieser Wirksamkeit bleibt jedoch noch ziemlich ungeklärt 6 1 . Die Publikation der Torontoerklärung war verbunden mit der Empfehlung, man sollte sie in den Kirchen prüfen und zu ihrem Inhalt Stellung nehmen 8 2 ; dementsprechend folgten weitere Fragen und Kommentare. Nichts Neues zum Problem erbrachte die 1952 in Lund tagende dritte Konferenz von „Faith and Order", dadurch daß sie die vestigia als „die Kennzeichen der universalen Kirche, die noch in den geteilten Kirchen existiert" 6 3 , bestimmte. Einige klärende Angaben dagegen machte die zweite Vollversammlung des Weltrates in Evanston 1954, angeregt durch zwei Kommentare zum Torontodokument von Clarence Τ. Craig und Peter Brunner 6 4 . Craig bezeichnet den Abschnitt IV, 5 als den unglücklichsten des ganzen Statement: „Ich bin nicht glücklich darüber, wenn eine andere Kirche mehr oder weniger gern zugibt, daß in der Kirche, durch die Gottes vergebende e l Vgl. Peter Brunner zu dieser Stelle: „Der instrumentale Charakter von Wort und Sakrament bedarf zweifellos noch der näheren Interpretation", „Pneumatischer Realismus, Bemerkungen zur theologischen Bedeutung der .Toronto-Erklärung'", in: E L K Z 5, 1951, 122—124, hier 123. Eine englische Fassung dieses Aufsatzes findet sich unter dem Titel „The Realism of the Holy Spirit" in E R III, 1951,221—230. 62 Vgl. EvTheol a.a.O. 308, Anmerkung. • 3 " F o r some the problem of the divided Church and its reunion is linked to the question of vestigia ecclesiae (the characteristics of the universal Church still existing in the divided Churches). Here is an urgent problem for ecumenical research" (The third World Conference on Faith and Order, ed. v. Oliver Tomkins, London 1953, 29 und 250). 64 Clarence T. Craig, The Reality of the Church and our Doctrines about the Church, E R ΠΙ, 1951, 213—220; Brunner a.a.O.
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Gnade zu mir kam, ,vestigia ecclesiae' zu finden sind. Schon diese Wendung ist ein Ausdruck der unerträglichen Anmaßung, die eine Hauptschranke der brüderlichen Gemeinschaft wie der Einheit darstellt." Es sei zweifellos nützlich, fährt er fort, wenn auch die exklusivsten Körperschaften, obgleich sie anderen Kirchen die volle Anerkennung versagten, ihnen jetzt wenigstens Elemente der wahren Kirche zubilligten. Aber darin liege gleichzeitig ein schneidender Widerspruch: Wie kann man zugeben, daß Leute einer anderen Konfession den Anruf des Evangeliums richtig ( „ t r u l y " ) erwidert hätten, ohne mit diesen Leuten Abendmahlsgemeinschaft zu halten 6 5 ? In der Frage der Abendmahlsgemeinschaft gipfeln auch Brunners dogmatische Ausführungen über die vestigia ecclesiae 66 . Seine Beurteilung ist jedoch sehr anders: Wenn die Torontoerklärung eine Mitgliedskirche kennt, die anderen Kirchen vestigia zuspricht, ohne diese Kirchen damit gleichzeitig als Kirchen im vollen Sinn des Wortes ansehen zu müssen 67 , dann, so folgert Brunner, ergibt sich für diese Mitgliedskirche die Überzeugung, „ d a ß . . . in der eigenen Konfessionskirche jene konkrete sichtbare kirchliche Einheit bereits verwirklicht ist, in der sich die pneumatische Einheit des mystischen Leibes Christi darstellt". D a s Festhalten an dieser Lehre sei — fern von allem „kirchlichen Hochmut" und aller „falschen Selbstsicherheit" — nicht nur ein grundsätzliches Recht jeder Gliedkirche, sondern auch ein Zeugnis für das pneumatische Wesen der Kirche überhaupt. Die Preisgabe jener Lehre würde gleichzeitig eine Preisgabe des wahren Wesens der Kirche bedeuten. Auf diesem Hintergrund aber kommt eine etwaige Verweigerung der Abendmahlsgemeinschaft nicht aus Lieblosigkeit, sondern ist „Ausdruck der konkreten Verantwortung für die pneumatische Einheit der Kirche". Die Sektion „Glaube und Verfassung" der Evanstoner Vollversammlung hat diese Gedanken in ihrem offiziellen Bericht erwähnt; Brunners Sätze werden unter den wichtigsten Fragen aufgeführt, an deren Beantwortung die Christen weiterarbeiten sollen 68 . Craigs Ausführungen werden zitiert nach der Feststellung, die Bezeichnung jener in den anderen Kirchen anzuerkennenden Wahrheitselemente als vestigia ecclesiae habe „Sorge und Mißverstehen veranlaßt". Craigs Bedenken, so heißt es dann weiter, seien freilich „nicht ganz unberechtigt, weil hier offenbar eine Verwechslung von ,vestigia ecclesiae' mit den Wesenszeichen der wahren Kirche, den ,notae ecclesiae' vorliegt". Man frage sich deshalb, ob der Ausdruck „vestigia 65 Craig a.a.O. 216. Die Übersetzung des Zitates nach: Einerlei Hoffnung eurer Berufung, Sammelband der Studienhefte zur Zweiten Vollversammlung des ökumenischen Rates der Kirchen, Evanston (Illinois), USA, 1954. Gotthelf-Verlag ZürichFrankfurt a.M. 1954, 48. " Brunner a.a.O. 124. • 7 „ . . . folgt aus der Mitgliedschaft nicht, daß jede Kirche die anderen Mitgliedskirchen als Kirchen im wahren und vollen Sinne des Wortes ansehen muß" (Torontoerklärung IV, 4, EvTheol a.a.O. 313). 68 Einerlei Hoffnung . . . 62.
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ecclesiae" in diesem Zusammenhang nicht besser zu vermeiden sei. „Dagegen verhilft der Begriff der teilweisen Anerkennung in beachtlichem Maße dazu, das ganze Problem der kirchlichen Anerkennung in einer Weise anzufassen, die eine sehr viel umfassendere Untersuchung verdient."® 9 Der Ausgangspunkt all dieser Texte, aus denen jetzt die gegenwärtige evangelische Sicht der vestigia möglichst deutlich zu ermitteln wäre, ist die Kirche. Bei Visser't H o o f t heißt sie „die Kirche Christi" 7 0 , im Torontodokument die „wahre Kirche" und die „Heilige Katholische Kirche" 71 , auf der Lunder Konferenz „the universal Church" 7 2 , bei Craig „the true Church" oder einfach „the Church" 7 3 , bei Brunner außerdem „mystischer Leib Christi" und „ U n a Sancta" 7 4 , und in Evanston schließlich „wahre Kirche" 75 . Man wird das hier Gemeinte vielleicht nicht von vornherein mit Calvins und Turrettinis „Corpus Christi mysticum, quod ex solis Electis constituitur" identifizieren dürfen, aber eine nahe Verwandtschaft dazu ist deutlich: die Kirche ist jedenfalls eine geistliche und damit nicht allgemein und ohne weiteres sichtbare Größe. Dieser Ausgangspunkt ist festzuhalten. Zeichen dafür, daß sich die Kirdie auf Erden verwirklicht, ist die Verkündigung des Wortes und die Verwaltung der Sakramente; es wird aber kein Zufall sein, d a ß im Torontodokument gerade diese beiden Elemente 76 als vestigia ecclesiae fungieren, während sie im Artikel V I I des Augsburger Bekenntnisses als notae der Kirche gelten 77 . Freilich ergibt sich damit die Frage: Unter welchen Bedingungen hätte man beim Vorhandensein von Wort und Sakrament von notae und unter welchen von vestigia ecclesiae zu sprechen? 78 Die A n t w o r t kann nicht zweifelhaft sein: Wo Wort und Sakrament „pure et recte", d. h. ihrer Einsetzung durch Christus gemäß, gepredigt und verwaltet werden, so meint C A VII, da sind sie notae; andernfalls, so würde das Torontodokument ergänzen, vestigia ecclesiae. Von dieser generellen Bestimmung aus geht nun Brunner noch einen Schritt weiter: „Könnte diese (sich in der reinen und rechtmäßigen H a n d habung von Wort und Sakrament manifestierende) konkrete sichtbare kirch69
70 Ebd. 47/48. Vgl. oben S. 142 Anm. 58. IV, 5 und IV, 4, EvTheol a.a.O. 313 und 314. 72 73 Vgl. oben S. 143 Anm. 63. Craig a.a.O. 216. 71 75 Brunner a.a.O. 124. Einerlei Hoffnung . . . 48. 76 Neben der „Auslegung der Heiligen Schrift" (vgl. EvTheol a.a.O. 314), die aber im folgenden ohne weiteres unter die Wortverkündigung subsumiert werden kann. 77 „Est autem ecclesia congregatio sanctorum, in qua evangelium pure docetur et recte administrantur sacramenta. Et ad veram unitatem ecclesiae satis est consentire de doctrina evangelii et de administratione sacramentorum" (Bekenntnisschriften der evangelisch-lutherischen Kirche, Göttingen 41959, 61). Zur Entfaltung dieser Aussagen vgl. E. Schlink, Theologie der lutherischen Bekenntnisschriften, München 2 1946, 295—303, auch 273 Anm. 6, wo Wort und Sakrament „notae externae" der Kirche heißen. 78 Diese Frage ergab sich schon bei Calvin, vgl. oben S. 138 f. 71
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Dietzfelbinger, Grenzen
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liehe Einheit, die unmittelbar aus der Einheit des mystischen Leibes Christi folgt, nicht an irgendeiner Stelle in der Christenheit bereits verwirklicht sein?" so fragt er. „Die Torontoerklärung spricht von Mitgliedskirchen", geht es weiter, „deren Ekklesiologie die Überzeugung einschließt, daß . . . in der eigenen Konfessionskirche jene konkrete sichtbare kirchliche Einheit bereits verwirklicht ist, in der sich die pneumatische Einheit des mystischen Leibes Christi darstellt. Die in der Torontoerklärung ausgesprochenen Prinzipien der ökumenischen Arbeit zeigen, daß eine solche Ekklesiologie nicht nur ein grundsätzliches Recht innerhalb des ökumenischen Rates hat, sondern — weit davon entfernt, Ausdruck eines kirchlichen Hochmutes oder einer falschen Selbstsicherheit zu sein — gerade das pneumatische Wesen der Kirche bezeugt." Denn wo dieser feste Glaube an die in meiner Kirche bereits verwirklichte Einheit fehlt, da erwächst zwangsläufig das Bekenntnis, daß diese „nach ihrem eigenen dogmatischen Selbstverständnis bei sich Elemente erblickt, die dem Wesen der wahren Kirche nicht gerecht werden" 7 9 . D a ß die wahre Kirche als ganze außerhalb der eigenen Konfessionskirche zu finden ist, schließt ein solcher Glaube schlechterdings aus; er kann allerdings, ohne sich selbst untreu zu werden, das stückweise Vorhandensein jener Kirche in der Form von vestigia auch in den Schwesterkirchen durchaus anerkennen. Für die folgenden Überlegungen ist eine genaue begriffliche Unterscheidung der drei bisher unter dem Namen „Kirche" erschienenen Größen notwendig: D a ist einmal die Kirche Jesu Christi, zweitens die durch die notae gekennzeichnete „eigene Konfessionskirche", drittens die christliche Gemeinschaft, die nur vestigia aufzuweisen hat. Von „meiner" Kirche aus gesehen kann, vielmehr muß ich sagen, daß in ihr selbst die Kirche Christi vorhanden ist, und zwar so, daß sie in Wort und Sakrament, ihrem entscheidenden Arbeitsbereich, objektiv gesehen unbehindert am Werk sein kann, weil nämlich Wort und Sakrament von Unordentlichkeit und Unreinheit, die ihnen durch Verkürzung oder Erweiterung ihres Gehaltes in gleicher Weise schadenbringend zugefügt werden können, freigehalten sind, und daß ihr infolgedessen das Prädikat einer Kirche zukommt. Von „meiner" Kirche aus gesehen kann ich aber auch sagen, daß in einer anderen christlichen Gemeinschaft, sofern ich in ihr vestigia anzuerkennen vermag, die Kirche Christi vorhanden ist, dort jedoch so, daß sie in Wort und Sakrament, ihrem entscheidenden Arbeitsbereich, objektiv gesehen stärker oder schwächer an ihrem Werk behindert ist, weil nämlich Wort und Sakrament durch Erweiterung oder Verkürzung ihres Gehaltes stärker oder schwächer von Unordentlichkeit oder Unreinheit befallen sind, und zwar unter Umständen in einem Ausmaß, daß ich der betreffenden Gemeinschaft das Prädikat einer Kirche absprechen muß s o . Was eine Vestigiakirche von „meiner" Kirche unterscheidet, 79
Brunner a.a.O. 124. Meines Erachtens erwächst die „poignant contradiction", die Craig a.a.O. in der Verweigerung der Abendmahlsgemeinschaft sieht, aus seiner Prämisse, die 80
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ist die Tatsache, daß dort per additionem oder per substractionem Wort und Sakrament — um auf Calvin zurückzugreifen — irgendwie ruiniert sind. Man stößt also auf jene alte Dialektik: ein vestigium ecclesiae ist das, was von einer göttlichen Gnadengabe nach ihrer Vergewaltigung durch die Menschen, objektiv gesehen, noch übrigbleibt. Hält man dagegen, daß notae diese Gnadengaben ohne menschliche Vergewaltigung bezeichnen, so ergibt sich zwischen vestigia und notae dem Sein nach nur ein relativer Unterschied. Nach der Untergrenze hin ist dies unmittelbar deutlich, insofern die durch ein Mehr oder Weniger herbeigeführte Beeinträchtigung der Gnadenmittel verschieden weit fortgeschritten sein kann. Gleichzeitig ist aber auch das „pure et recte" keine statische Wesenseigenschaft der notae, sondern audi in der „eigenen Konfessionskirche" muß stets über dessen Erhaltung gewacht werden, und oft genug wird das auch da versäumt, so daß die notae in Gefahr geraten, in „meiner" Kirche selbst zu vestigia entstellt zu werden. Die Bewahrung des „pure et recte" ist stetige Aufgabe „meiner" Kirche, da die Gnadenmittel in der Hand des Menschen immerzu ins Vestigiasein abzugleiten drohen. Natürlich ist auch eine diesem Zug entgegengesetzte Bewegung denkbar, vom Vestigiasein zum Notaesein hin, und etwas Derartiges scheint gemeint zu sein, wenn das Torontodokument von „dynamischen Elementen" spricht. Während die Kirchen aber die Aufgabe, die erstgenannte Bewegung zu hemmen, seit ihren Anfängen erkannt, mehr oder minder erfolgreich wahrgenommen und infolgedessen in ihren Einzelheiten gründlich durchdacht haben, wurde auf die andere Aufgabe, nämlich in die zweitgenannte Richtung vorzustoßen, erst in jüngster Zeit durch die ökumenische Bewegung aufmerksam gemacht. Was jedoch bis heute aussteht und was die verschiedenen Verlautbarungen immer wieder der theologischen Arbeit anempfehlen, ist eine ins einzelne gehende Darlegung, wie diese Aufgabe anzugreifen wäre. Auf den ersten Blick erscheint das Ziel beider Aufgaben das nämliche zu sein, nur daß es im ersten Fall durch Bewahrung festgehalten werden muß, während es im zweiten durch Korrektur erst anzustreben ist. Nach Brunner 8 1 hat eine Konfessionskirche, die Mitglied des ökumenischen Rates ist, das „grundsätzliche Recht, von sich zu bekennen: ,Hier ist das Panier des Herrn! Hier ist das Zeichen der Einheit, die ihr sucht!' " , d. h. also, zu glauben, daß in ihrem Raum die Gnadenmittel pure und recte gehandhabt werden. Woher leitet sich dieses Fundamentalrecht? Wenn die Gliedkirchen des Weltrates d e s w e g e n f a l s c h ist, weil sie e b e n d i e s e n G e s i c h t s p u n k t a u ß e r acht l ä ß t : " . . . c h u r c h m e n a d m i t that o t h e r s o u t s i d e their c h u r c h h a v e truly r e s p o n d e d t o the call o f t h e g o s p e l . . . " V o n d i e s e m „ t r u l y " ist i m T o r o n t o d o k u m e n t nicht die R e d e , ja, es w i r d in d i e s e m Z u s a m m e n h a n g s o g a r a u s g e s c h l o s s e n . M i t d e n v e s t i g i a e r k e n n e ich z w a r a n , d a ß eine a n d e r e K i r c h e d e m A n r u f G o t t e s g e a n t w o r t e t hat, a b e r a u f keinen F a l l v ö l l i g „ t r u l y " ; s o n d e r n die W a h r h e i t dieser A n t w o r t ist i r g e n d w i e b e e i n t r ä c h t i g t . 8 1 B r u n n e r a . a . O . 124.
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audi unter Umständen der römischen Kirche gegenüber auf die Bibel als Quelle dieses Rechtes noch mit einigem Erfolg hinweisen könnten, so verfängt doch dieses Prinzip im Verkehr untereinander auf keinen Fall mehr, weil sich darauf schließlich alle berufen. Nein, hier geht es um das Bibelverständnis, das bei den einzelnen Gliedkirdien differiert. Wenn aber eine Kirche auf Grund jenes Fundamentalrechtes — ohne alle Anmaßung, aber mit Entschiedenheit — ihr Bibelverständnis für das reine und richtige hält, so ist dafür die letzte Wurzel ihr überzeugter Glaube, daß dieses der Offenbarung Gottes entspricht. Unbeschadet der Komplexität und inneren Differenzierung, die solcher Glaube einer Kirche infolge der Verschiedenheit ihrer Glieder notwendig in sich trägt, kann man ihn doch als einigermaßen einheitliche Norm verstehen, nach der die Handhabung der Gnadenmittel ausgerichtet wird, damit sie notae bleiben. Von diesem exklusiven Glauben abgehen, hieße für eine Kirche nicht weniger, als ihr Uberzeugtsein davon, daß sie Kirche ist, preisgeben. Ausdrücklich gesteht deshalb ja auch die Torontoerklärung jeder Kirche den Raum für ihre Ekklesiologie zu, sofern sie nur „bereit ist, am ökumenischen Gespräch teilzunehmen" 82 . An diesem Punkt tritt jedoch die theologische Zumutung, die eine solche Gesprächsbereitschaft für die Gliedkirchen bedeutet, in ihrer nahezu unerträglichen Schärfe zutage 83 : Neben dem uneingeschränkten Festhalten am exklusiven Kirchesein der eigenen Kirche wird nun als zweites Moment, das völlig „neu und ohne geschichtliches Vorbild ist", das sich jedem Vergleich mit „allgemein bekannten Präzedenzfällen" 84 entzieht, gefordert, daß dieses gleiche Recht auf Exklusivität auch den Schwesterkirchen zuerkannt wird 85 . Die Paradoxie solch einer mehrfachen Exklusivität zeigt sich sofort, wenn man von diesen Überlegungen her die durch die „vestigia" gestellte Aufgabe betrachtet. Gesteht man nämlich jenes grundsätzliche Recht jeder Gliedkirche zu, so erhebt sich sofort die Frage: Welche von den vielen „allein richtigen" Uberzeugungen — quot capita tot sententiae — denn diejenige wäre, auf deren Grund Wort und Sakrament notae sind, nach deren Maßgabe also das sonstige Vorhandensein von Wort und Sakrament in der Vestigiagestalt beschnitten oder ergänzt werden müßte? Sobald nämlich neben den Glauben Vgl. Abschnitt III, 3 des Torontodokuments, EvTheol a.a.O. E. Schlink zeigt in seinem Aufsatz „Aufgabe und Gefahr des ökumenischen Rates der Kirchen", wie die hier am Phänomen ökumenischer Rat erkennbare Spannung nur eine unter vielen ist. „Der ökumenische Rat ist das paradoxeste Gebilde der bisherigen Kirchengeschichte", stellt er fest, um diese Behauptung an fünf Beispielen zu illustrieren (E. Schlink, Der kommende Christus und die kirchlichen Traditionen, Göttingen 1961, 13ff.). 84 Vgl. Abschnitt II des Torontodokuments, EvTheol a.a.O. 85 Vgl. Brunner a.a.O. 124. Der englische Text des Aufsatzes bringt dies noch deutlicher zum Ausdruck, wenn er jene Exklusivität ,,a fundamental right of every (Hervorhebung von mir) church within the World Council" nennt (ER III, 1951, 228). 82
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„meiner" Kirche der Glaube einer anderen tritt, der von der meinigen ausdrücklich die Anerkennung des gleichen formalen Grundrechtes genießt, stehen meiner Kirche, selbst wenn sie die Absicht hätte, die H a n d h a b u n g ihrer Gnadenmittel zu verändern, ebenso viele Maßstäbe zu deren N e u ausrichtung zu Gebote, wie es im ökumenischen R a t Gliedkirchen gibt. Zweitens aber: K a n n man denn solch eine Absicht einer Kirche überhaupt unterstellen? Wie kann sie es wagen, eine Veränderung in der H a n d h a b u n g und im Verständnis der Gnadenmittel audi nur in Erwägung zu ziehen? Wenn sie von deren Richtigkeit überzeugt ist, k o m m t dies gar nicht in Frage, wenn sie es nicht ist, hat sie ihr Sein als Kirche bereits aufgegeben. Die Bewahrung ihres vorhandenen status, die Wort und Sakrament als notae fordern, und die K o r r e k t u r ihres vorhandenen Status, die sie als vestigia verlangen, schließen sich gegenseitig aus. Die theoretische Feststellung von vestigia in einer Kirche erfolgt immer von außen her (im eigenen Inneren müssen die gleichen Größen als notae bezeichnet werden). Die praktische K o r r e k t u r dieser vestigia in Richtung auf notae wäre aber nur v o n innen her zu fordern, was jedoch nach der obigen Prämisse unmöglich ist; denn damit, daß sich jemand eine derartige K o r rektur in den Sinn k o m m e n lassen sollte, steht er bereits außerhalb seiner Kirche und ist infolgedessen für diese A u f g a b e nicht mehr kompetent. Eine Paradoxie ist dieses Nebeneinander von Exklusivität und Gleichberechtigung; daran trägt der Zusammensdiluß, der sich „ ö k u m e n i s c h e r R a t der Kirchen" nennt 8 6 , v o n A n f a n g an bis zur Stunde. Widersprüchliche Formulierungen wie: Ich erkenne an, daß in einer christlichen Gemeinschaft „ d i e Kirche Christi vorhanden und daß der H e r r der Kirche in ihrem Leben am Werk ist" 8 7 , u n d brauche diese Gemeinschaft dennoch nicht als „Kirche im wahren und vollen Sinn des Wortes" 8 8 zu betrachten — sind dafür nur äußere Zeichen. E. Schlink hat gezeigt 8 9 , wie diese Paradoxien so tiefgreifend sind, daß sie nicht weniger als die ganze Existenz des ökumenischen Rates bedrohen. Daß er sie dennoch aufgenommen hat, ja aufnehmen mußte, liegt in seinem Wesen begründet: durch sein bloßes Dasein deckt er die Anomalität, Schmach und Schande des gegenwärtigen zerrissenen Zustandes der Christenheit auf. Seine Konstitution stellt nicht mehr dar als den Versuch, den Glauben (an das exklusive Kirchesein der eigenen Kirche) und die Wirklichkeit (der Existenz verschiedener christlicher Kirchen) in einem Zusammenhang zu 8 * An diesem Punkt zeigt sich, von welcher Wichtigkeit es ist, daß der ökumenische Rat selbst die Meinung, als sei er eine „Überkirche", scharf zurückweist, vgl. Abschnitt III, 1 des Torontodokuments, EvTheol a.a.O. 87 Visser't Hooft a.a.O. 88 Torontodokument IV, 4, EvTheol a. a. O. Vgl. auch die weiteren Beispiele bei Schlink a.a.O. 14. 89 Schlink a.a.O. 14f.
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sehen. Daß er sich damit nicht begnügen darf, ist klar 9 0 ; infolgedessen bleibt er auch nicht bei einer bloßen Erhebung dieses nun seit Jahrhunderten erstmals hergestellten Bezuges stehen, sondern formuliert sogleich die daraus entstehende Aufgabe in äußerster Schärfe. Die bisherigen Schwierigkeiten haben sich dadurch freilich eher vergrößert als verringert, und wohin der Weg zu ihrer Beseitigung führt, ja, ob es einen solchen Weg überhaupt gibt, liegt völlig im Dunklen. Die „vestigia" stellen eine abschließende Lösung keinesfalls dar und wollen dies audi gar nicht; sie tragen vielmehr jene unbewältigte Spannung selbst in sich. Vorderhand jedoch sind sie die „Spuren", denen man „nachgehen muß" 9 1 . Der „Osservatore R o m a n o " vom 10./11. 1. 1927 berichtet von einer Audienz, die Papst Pius XI. tags zuvor den Vertretern des Italienischen Katholischen Studentenbundes (Federazione Universitari Cattolici Italiani) gegeben habe. Dabei habe er unter anderem im Blick auf die von Rom getrennten orientalischen Kirchen geäußert 9 2 : „Man kennt nicht all das, was es an Wertvollem, an Gutem, an Christlichem in jenen Bruchstücken der alten katholischen Wahrheit gibt. Die von einem goldhaltigen Felsen abgetrennten Stücke sind selbst auch goldhaltig. Die ehrwürdigen orientalischen christlichen Gemeinschaften bewahren eine so verehrungswürdige heilige Substanz 93 , daß sie nicht nur alle Hochachtung, sondern auch alle Sympathie verdienen." Diese Sätze werden vielfach zitiert oder apostrophiert, wo man in der 90 Schlink schildert a.a.O. eindrücklich die Gefahren, die dem ökumenischen Rate drohen, sobald er sich in den Paradoxien „häuslich einrichtet". „Schreitet der ökumenische Rat auf dem Wege zur Einheit nicht weiter, . . . so wird er an den Paradoxien zugrunde gehen." 81 Torontodokument IV, 5, EvTheol a.a.O. — Die nun folgende Durchsicht der römisch-katholischen Literatur wird sich nicht nur sklavisch an den Begriff „vestigia" halten dürfen: Schon bei Turrettini wurde deutlich, daß es sich um die Sache auch unabhängig von jenem Begriff handeln kann. Ferner sieht die Entschließung von Evanston (Einerlei Hoffnung . . . 48) ganz richtig, daß auch bei einer Vermeidung des Begriffes vestigia ecclesiae das Problem an sich genauso weiterbesteht. Abschnitt IV, 5 des Torontodokuments gebraucht in gleicher Bedeutung „Elemente"; vor allem aber gibt die römische Theologie eine Auswahl von äquivalenten Begriffen, von denen außer „Elemente" (vgl. z.B. Congar, Vers l'unitd chritienne 3) „Werte" (Marina nach Thils a.a.O. 197), „Realitäten" (Thils a.a.O. 192), „Bruchstücke" („frammenti", so C. Colombo, Ε' possibile la riunione dei cristiani? in: La Scuola Cattolica LXXVII, 1949, 286—309, z.B. 300) die häufigsten sind. Für das folgende ist also nicht nur der Ausdruck vestigia im Auge zu behalten, sondern auch aufzumerken, wo die Frage unabhängig von ihm erörtert wird. 92 Osservatore Romano vom 10./11. 1. 1927: „Non si conosce tutto quello che c'e di prezioso, di buono, di cristiano in quei frantumi dell'antica veritä cattolica. I massi staccati da una roccia aurifera sono auriferi anch' essi. Le venerabili cristianitä orientali conservano una tale veneranda santitä di cose, che meritano non solo tutto il rispetto, ma anche tutta la simpatia." 83 „Heilige Substanz" ist ein Ubersetzungsversuch für den sehr unbestimmten italienischen Ausdruck „santitä di cose" = wörtlich „Heiligkeit von Dingen".
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römischen Theologie damit begonnen hat, die Vestigialehre zu übernehmen 9 4 . Freilich erfahren sie keine nähere Interpretation; denn einmal ist mit dem Bild v o m goldhaltigen Felsen vielleicht ebensoviel offengelassen wie festgelegt, z u m andern handelt es sich nicht u m eine wörtliche Wiedergabe der päpstlichen Ansprache, sondern nur u m das S u m m a r i u m in einer Zeitung. Gleichwohl k o m m t man auf diese Äußerung, bisher wohl die einzige von päpstlicher Seite, der man so etwas wie eine Ermunterung zum Aufspüren von vestigia ecclesiae entnehmen könnte, immer wieder zurück 9 5 . Auch f ü r die römische Seite ist eine A r t historischer Skizze des Vestigiaproblems gegeben worden 9 6 . Der Begriff vestigia ecclesiae selbst k o m m t allerdings nach Thils, dem A u t o r jenes Aufrisses, in der älteren römischen Literatur gar nicht v o r ; man ist infolgedessen zur Suche nach rein sachlichen Parallelen in der Vergangenheit genötigt, und es ist sehr aufschlußreich, an welchem Punkt der Ekklesiologie Thils diese findet. Es sind die seltenen Fälle, in denen in der römischen Apologetik auf das Verhältnis der Kirchen zueinander die vergleichende Methode angewandt wird. Bei Sanders (1567) geschieht das noch ziemlich unbeholfen. Wenn er die römische mit den anderen Kirchen vergleicht, schneiden diese schlechter ab; denn die römische Kirche hat ihnen „ G o t t e s Wort v o r a u s " , besitzt davon „ m e h r glaubwürdige Handschriften", hat einen „gewisseren A u f t r a g " , es in Predigt und anderswie zu gebrauchen, und verliest es schließlich mit heiligeren und würdigeren Zungen. In den Zusammenhang mit der Vestigialehre bringt Thils diese Aussagen dadurch, daß er von dem „ M e h r " an geistlicher Wirklichkeit in der römischen Kirche auf deren „ W e n i g e r " in anderen Kirchen schließt. Bei Veron, 70 Jahre später, wird die Sonderstellung der römischen Kirche bereits um eine N u a n c e deutlicher, wenn es heißt, „es gebe keine Gesellschaft, auf die die Eigenschaften der wahren Kirche . . . besser oder ebensogut zuträfen wie auf die römischkatholische Kirche". Bei Kilber (1771) findet sich ein weiterer Fortschritt, insofern dieser in sein Blickfeld die orthodoxen Kirchen einbezieht und von daher als notae ecclesiae bestimmt: „nicht etwa die der wahren Kirche eigene Heiligkeit, sondern nur die, welche den anderen Sekten fehlt, während sie 84 Meines Wissens geschah dies erstmals bei Congar 1937, Chrdtiens disunis 300, allerdings nur der Sache nach; Congar spricht von „Elementen". Der Begriff selber tauchte im Jahre 1951 in der römischen Literatur auf, als Dumont das genauere Studium der vestigia anregte, die er als den positiven Aspekt zum Satz von der Einzigkeit der römisch-katholischen Kirche bezeichnet. Er legte seinerzeit auch eine Reihe von Schlüsselfragen als Hilfe für die Bearbeitung dieses Themas vor (vgl. Vers l'unitd chritienne 1951, Heft 32, 6f.). — Zur Ergänzung der S. 135f. Anm. 36 genannten Literatur vgl. noch Sartory I a.a.O. 147—203, und vom gleichen Verfasser: Kirche und Kirchen, in: Fragen der Theologie heute, ed. v. Feiner-Trütsch-Böckle, Zürich-Köln 2 1958, 337—377, vor allem 366 ff. (im folgenden zitiert als „Sartory II"). 95 Vgl. Congar a.a.O. 304; Colombo a.a.O. 301, Anm. 23; Sartory I, 147; Thils a.a.O. 168 und 212. 98 Thils a.a.O. 183—187.
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in ihr (der römischen Kirche) ganz und offenbar vorhanden ist; gemeint ist die hervorragende Heiligkeit der Glieder oder ihre Bestätigung durch Wunder". Es wird hier also jenes „ M e h r " f ü r sich genommen und genauer gefaßt, indem man von den Eigenschaften der römischen Kirche sozusagen die der anderen subtrahiert. Die auf diese Weise entstehende Differenz bezeichnet Kilber als notae ecclesiae, das proprium der römischen Kirche. Aber gerade damit, daß man, u m dazu zu gelangen, vorher einen auch aus den Eigenschaften anderer Kirchen zusammengesetzten Subtrahenden gefunden haben muß, ist man, wie Thils meint, eben auf die Existenz von verwandten, wenn auch vielleicht minderen Elementen in diesen gestoßen. Dies jedoch ist n u r die indirekte Linie; die direkte f ü h r t geradewegs zur römischen Lehre von den sogenannten „motiva credibilitatis", d. h. zu der Behauptung, vor der gläubigen Annahme könne u n d müsse der Verstand, abgesehen vom Offenbarungscharakter eines Glaubensinhaltes, gewisse Motive f ü r dessen Glaubwürdigkeit als sicher erkennen. Gemeint sind damit in erster Linie die Weissagungen und Wunder Christi, sowie die Kirche, die durch sich selbst „motivum credibilitatis" ist 97 . Daß Papst Pius X I I . die absolute Identität von mystischem Leib Christi und römisch-katholischer Kirche als eine auf den Quellen der Offenbarung beruhende Lehre gekennzeichnet hat, wurde bereits gesagt 98 . N u n findet sich aber f ü r diese Feststellung außer ihrer den Glauben bindenden autoritativen Einsdiärfung als „doctrina" zusätzlich noch ein auch die ratio überzeugender Beweis, nämlich im 3. Kapitel der vatikanischen constitutio dogmatica de fide catholica: „Ad solam enim catholicam Ecclesiam ea pertinent omnia, quae ad evidentem fidei christianae credibilitatem tarn multa et tarn mira divinitus sunt disposita. Quin etiam Ecclesia per se ipsa, ob suam nempe admirabilem propagationem, eximiam sanctitatem et inexhaustam in omnibus bonis foecunditatem, ob catholicam unitatem invectamque stabilitatem magnum quoddam et perpetuum est motivum credibilitatis et divinae suae legationis testimonium irrefragabile." 99 87
Vgl. Denzinger, Index systematicus Id. D 2319, Tromp a.a.O. 68, vgl. oben S. 54ff. 99 D 1794. Vgl. auch Hanahoes (a.a.O. 327f.) Versuch, mit dieser Passage zu argumentieren. •— Welch erstaunliche Aspekte sich ergeben, wenn man die Lehre von den „motiva credibilitatis" mit der von der „invincibilis ignorantia" koppelt, zeigt Franz J. Leenhardt, Le Protestantisme tel que Rome le voit, Paris o. J., 65—73. Auch dieser Glaubwürdigkeitsbeweis stützt sich wesentlich auf die Differenzierung Zwischen formellen (schuldhaften) und materiellen (schuldlosen) Häretikern/ Schismatikern (vgl. oben S. 29 ff., auch S. 82 f. Anm. 202). Es liegt dabei folgender Gedankengang zugrunde: Die römische Kirche erweist sich so überzeugend als die einzige von Gott gewollte Kirche, daß keiner, der ihr persönlich zugehört, und — so behauptet man — mit jenen Argumenten vertraut und davon überzeugt ist, sich ihrer Stringenz ohne subjektive Schuld entziehen kann. Infolgedessen spricht man bei Dissidenten, die persönlich mit der römischen Kirche gebrochen haben, von formellen Häretikern. Etwas anderes ist es, wo die Trennung von der Kirche als elterliche Erbschaft übernommen wurde, weil in diesem Fall kein Uberzeugtgewesen88
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Eine grundsätzliche Auseinandersetzung mit dieser Argumentation soll in einem späteren Zusammenhang erfolgen 1 0 0 ; vorläufig bleibt zur Kenntnis zu nehmen, wie die historische Skizze bei Thils darauf hinausläuft, daß die Identität von mystischem Leib Christi und ecclesia catholica R o m a n a , eine f ü r Glauben wie f ü r Verstehen gleichermaßen unantastbare Tatsache, die Grundlage f ü r die römische Ausbildung der Vestigialehre ist. D a m i t ist auch in der römischen Ekklesiologie jenes von Brunner in Anspruch genommene „grundsätzliche Recht", die eine Kirche Christi in der eigenen Konfessionskirche verwirklicht zu sehen, als Prämisse für die weiteren Erörterungen gesetzt. Freilich ist nach dieser ersten Verwandtschaft zu den Gliedkirchen des ökumenischen Rates im weiteren nicht zu verkennen, daß hier die E x klusivität jenes Fundamentalrechtes nicht mehr, wie oben, durch seine formale Anerkennung auch in anderen Kirchen K o n k u r r e n z b e k o m m t . Wenn ich auf G r u n d der Lehre Pius' X I I . zwischen der Kirche Christi und der ecclesia catholica R o m a n a eine unbedingte Koextension 1 0 1 und eine absolute seinsmäßige Gleichheit behaupte, so kann ich logischerweise das Recht auf diese Behauptung keiner anderen Gemeinschaft zuerkennen. Die römische Kirche belastet sich hier nicht mit jener Paradoxie v o n Exklusivität und gleichzeitiger „Gleichberechtigung", durch deren Ü b e r n a h m e die Gliedkirchen des ökumenischen Rates in T o r o n t o den gegenwärtigen Tatsachen geredit zu werden suchten. Sie lehnt unter Inanspruchnahme der Exklusivität für sich allein die Berechtigung solchen Glaubens f ü r alle anderen Kirchen entschieden ab, u m so mehr, als diesen das rationale A r g u m e n t dafür in der Tat fehlt. U n d daß sie ihren Beitritt zum ökumenischen R a t rundweg verweigert hat 1 0 2 , ist v o n diesem Ausgangspunkt her nur konsequent. Es entfällt freilich auch jene große Verlegenheit, die dem ökumenischen R a t durch den Blidc auf das Nebeneinander verschiedener Kirchen entstanden war, wenn ich nur noch auf eine Kirche zu schauen und diese als alleinigen Maßstab zu werten habe. Die Gewißheit über das Dasein der Kirche Christi in der römischen Kirche (als meiner eigenen Konfessionskirche) ist wie oben durch jenes vollmächtige Bekenntnis aus dem Inneren der Kirche gegeben. Bei den Gliedkirchen des ökumenischen Rates war diese Gewißheit aber fortwährend von außen dadurch bedroht, daß ich paradoxerweise das Recht auf solches Bekenntnis auch anderen Kirchen zugestanden habe. Diese Bedrohung entfällt sein von den motiva credibilitatis angenommen zu werden braucht. D 1794: „ Q u o circa minime par est conditio eorum, qui per coeleste fidei donum catholicae veritati adhaeserunt, atque eorum, qui dueti opinionibus humanis falsam religionem sectantur; illi enim, qui fidem sub Ecclesiae magisterio suseeperunt, nullam unquam habere possunt iustam causam mutandi aut in dubium fidem eandem revocandi" (vgl. D 1815). 100 Vgl. unten S. 177 ff. und S. 188ff. 101 Zapelena a.a.O. II, 359. 102 Vgl. oben S. 12ff. 153
bei der römischen Kirche, und jene Gewißheit gibt sich auch nach außen hin keine Blöße. Das Vestigiaproblem ist damit zwar nicht aus der Welt geschafft, aber zweifellos von erheblichen Schwierigkeiten befreit. Es löst sich die Verlegenheit, die oben bei jeder Kirche dadurch entstand, daß sie die Gnadenmittel — von innen her gesehen — unversehrt bewahren und gleichzeitig — von außen her gesehen — wesentlich korrigieren sollte. Jetzt fällt innen und außen zusammen; jetzt k o m m t der römischen Kirche als der alleinigen Inhaberin jenes Fundamentalrechtes die Bewahrung, allen anderen Kirchen, die es nicht beanspruchen können, die Korrektur zu. Der einzige archimedische Punkt, von dem n u n m e h r alles ausgeht und zu dem alles hinstrebt, liegt in der ecclesia Romana, die zugleich die universale Kirche Christi ist. Wenn von anderen Kirchen etwas Entsprechendes oder Annäherndes prätendiert wird, so ist das im besten Fall „menschlich verständlich", steht jedoch objektiv gesehen zur Offenbarung Gottes und dem Wesen der Kirche im Widerspruch. Jetzt gibt es einen absoluten Maßstab: Alles, was an Gnadenmitteln innerhalb der römischen Kirche existiert, sind notae, alles, was dem in anderen Kirchen an die Seite gestellt werden k ö n n t e oder möchte, sind vestigia ecclesiae, die, je schneller desto besser, aus ihrem Vestigiasein den römischen Gnadenmitteln angeglichen und damit zu notae gemacht werden müssen. Von daher fällt nun nachträglich ein klärendes Licht auf die rechtliche Stellung der vestigia. Das Besondere des Torontodokumentes war es gewesen, daß eine Kirche jenes grundsätzliche Recht, welches sie in bezug auf ihre eigenen notae in Anspruch nahm, auch der Existenz von vestigia in anderen Kirchen in einer gewissen, freilich nicht näher bezeichneten Weise zubilligte; nach dem jetzigen Verständnis dagegen ist das Recht ausschließlich auf römischer Seite. Im VI. Kapitel wurde deutlich, wie der CIC, der die juristische Seite des Problems darzustellen hat, nichtrömische Kirchen, was ihre spezifisch christliche Substanz anlangt, einfach als nicht existent behandelt 103 . Alles, was außerhalb der römischen Kirche an objektiver gnadenhafter Substanz vorhanden ist oder vorhanden zu sein behauptet, existiert in römischer Sicht höchstens faktisch, aber nie auch nur mit der geringsten Spur von Rechtmäßigkeit. Die Illegitimität ist ein Makel, der grundsätzlich allen vestigia anhaftet und auf den infolgedessen in Z u k u n f t nicht jedesmal eigens hingewiesen zu werden braucht 104 . 103
Vgl. Kapitel VI, oben S. 133ff. Den Unterschied zwischen Tatsächlichkeit („fatto"), die den außerrömischen Werten sehr wohl, und Rechtmäßigkeit („diritto"), die ihnen niemals eignen kann, macht Colombo a.a.O. 300 geltend. Dasselbe meint det den Aufsatz von de Vries (ZkTh 80, 1958, a.a.O.) durchziehende Gegensatz zwischen Gültigkeit und Legitimität (z.B. a.a.O. 386ff.; 397: tatsächlich — de iure), bezüglich dessen der Autor in der speziellen Frage der bischöflichen Jurisdiktion zum gleichen Ergebnis gelangt, vgl. unten S. 160. In etwas anderer Form findet sich der Gedanke auch bei Gribomont, der a.a.O. 365 zwischen „validitd" und ,,ΐίΰέύέ" unterscheidet. 104
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Zu bedenken ist ferner, daß in der römischen Theologie die vestigia ecclesiae sachlich einen ausgedehnteren Aktionsbereich bekommen. Wenn das Torontodokument von Sakramenten spricht, meint es damit Taufe und Abendmahl, und wenn es „Wortverkündigung" und „Schriftauslegung" nennt, versteht es als Quelle dafür die Bibel; in der römischen Theologie müssen, um diesen Begriffen ihre volle Bedeutung zu geben, noch fünf weitere Sakramente und mindestens die Tradition hinzugenommen werden. Dies nur als Beispiel dafür, daß in concreto eine erhebliche Veränderung des für die vestigia einschlägigen Sachgebietes zu erwarten ist, was Ausdehnung, Vollzähligkeit und Seinsweise anlangt. Unberührt hiervon bleibt die oben festgestellte andere Begrenzung 105 : Für das Aufsuchen von vestigia kommt nur die Ebene in Betracht, die auch äußerlich, sichtbar, objektiv ist, niemals aber die rein innerliche, unsichtbare, subjektive der persönlichen Gutwilligkeit und des Votums 106 . Zum Kennenlernen der römischen Vestigiakonzeption ist der Einstieg bei Gribomonts sdion öfter genannter Arbeit 107 deswegen besonders günstig, weil sie eine Brücke zwischen dem ersten und zweiten Teil dieser Untersuchung bildet. Namentlich in dem vorausgegangenen IV. Kapitel begegnete immer wieder die letztlich ungelöst gebliebene Schwierigkeit, in der Zugehörigkeitsfrage innerliche und äußerliche Gliedschaftskriterien organisch zu kombinieren; da die Autoren sich aufs stärkste an die offizielle Votumlehre gebunden fühlten, blieben die Größen des objektiv-sakramentalen Bereiches mehr oder minder zufällig danebenstehende epitheta ornantia 108 . Gribomont erkennt auf Grund von Überlegungen zur Sakramentslehre, die den oben skizzierten Gedanken Rahners 109 sehr ähnlich sind, die grundsätzliche Unvereinbarkeit beider Ebenen 110 . Vor die Wahl zwischen beiden gestellt untersucht er nun aber — und das ist gegenüber den bisherigen Versuchen das Neue — den sichtbar-sakramentalen Bereich: Die Kirche hat für den Fall, daß die „res" des Sakramentes nicht zur sichtbaren Verwirklichung gelangen kann, die Votumlehre entwickelt, für den umgekehrten Fall aber auch die Lehre vom „character sacramentalis", um zum Ausdruck zu bringen, daß die übernatürliche objektive Wirksamkeit des Sakramentes auch dann statthat, wenn dieses Oben S. 127ff. Im allgemeinen halten sich auch die römisch-katholischen Autoren, mit Ausnahme von Hanahoe (vgl. oben S. 135 und Anm. 35) an diese Begrenzung. 107 Gribomont a.a.O.; der Ausdruck vestigia ecclesiae selber kommt bei ihm nicht vor. 108 Vgl. die Versuche von Rahner (oben S. 86 ff.) und Journet (oben S. 91 ff.), ferner die Bemerkungen zu Vodopivec, Sartory, Fenton, Brinktrine, oben S. 101 und S. 128. 109 Oben S. 70ff., vgl. diese Seiten auch zur folgenden Terminologie. 110 "Ces criteres d'ordre externe ne se juxtaposent pas aux precidcnts" (d. h. die Stufen der inneren Liebe), Gribomont a. a. O. 350. 105
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wegen der schlechten Disposition des Empfängers bloßes „sacramentum tant u m " (also ohne „ r e s " ) zu bleiben genötigt ist 1 1 1 . Diese Parallele, so meint G r i b o m o n t , läßt sich aber noch weiter ausziehen, indem man nämlich analog zu den thomistischen Gliedschaftsgraden 1 1 2 auch im äußeren Bereich nach einer „ S k a l a " (echelle) sucht. G r i b o m o n t tut dies u n d findet folgende „ S t u f e n " (degr£s): (äußeres) Bekenntnis des Glaubens (beim Katediumenen) — T a u f e und Firmung — Büß- und Eucharistiesakrament — Priesterweihe u n d Episkopat 1 1 3 — und das A m t des Papstes an der Spitze dieser Hierarchie 114 . Beurteilt m a n nach dieser Skala die Stellung eines Menschen zur römischen Kirche, so braucht man, was mit keiner Schwierigkeit verbunden ist, nur zu erheben, auf welcher Stufe er steht und ihn dementsprechend zu qualifizieren. „ I n dieser Hinsicht ist ζ. B. ein griechisch Orthodoxer der (römischen) Kirche näher als ein Protestant, wie auch immer es auf beiden Seiten mit i h r e n Tugenden und ihrer Liebe stehen m a g . " 1 1 5 Beim tieferen Eindringen in das Wesen dieser Skala ergibt sich eine eigenartige Dialektik. Einmal ist sie eine vollständige Ein- und Ganzheit, die mehr als die Summe ihrer Teile ausmacht. Ihr Wesen und Wirken ist vom intakten Vorhandensein jeder einzelnen Stufe abhängig, und „ d i e Annullierung eines einzigen Faktors macht das ganze P r o d u k t zu N u l l " . Freilich wirkt dieser enge Zusammenhang zwischen Einzelstufe und Gesamtskala auch nach der anderen Seite: Jene E n t k r ä f t u n g des Ganzen, die durch die E n t k r ä f t u n g eines Teiles verursacht wurde, erklärt sich daraus, daß dabei ein auch dem Einzelteil innewohnender sakramentaler Wert losgerissen wurde. U n d eben dieser sakramentale Wert geht mit, wenn sozusagen eine Stufe aus der Skala herausgelöst und isoliert wird. E r stellt dann immer eine Verbindung z u m Ganzen der Skala her, ja noch m e h r : er enthält die ganze Skala implizit in sich, „er läßt bei den Dissidenten etwas v o m sichtbaren Charakter der Kirche zurück". Infolgedessen ist es ein Unding, dieses oder jenes Element der Kirdie zu-
111 Gribomont a. a. O. 353. Natürlich verkennt auch er nicht die Bedeutung der inneren Ebene von Gnade, Liebe und Votum, aber „c'est une autre affaire" (a. a. Ο. 357). 112 Nach Summa Theologiae III, 8, 3; vgl. oben S. 47f. und S. 94. 113 Beachtenswert ist hier das organische Herauswachsen der „funktionalen Gliedschaft" (Bischöfe als membra eminentiora),' die Journet (oben S. 97 mit Anm. 242) zwar erwähnen, aber nicht systematisch ableiten konnte. 111 Gribomont a.a.O. 350. E s ist klar, daß mit dieser Zusammenstellung der Begriff des „Sakramentalen" über die sieben Sakramente hinaus erweitert wird, vgl. a.a.O. 356: "cette progression visible est done tout entiere sacramentelle, au sens large"; Gribomont begründet dies a.a.O. 351. Solch eine Erweiterung liegt im übrigen auch zugrunde, wenn die Verbindung zwischen Sakramentslehre und Ekklesiologie so geschieht, daß man von der Kirche als „Sacrement majeur" oder „sacrement par excellence" spricht, vgl. a.a.O. 351/52 und oben S. 72 Anm. 158. 116 Gribomont a.a.O. 360.
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rückzuweisen und dabei das andere behalten zu wollen; denn jedes einzelne enthält im Grund die ganze Kirche 116 . Man darf indes die Erhebung soldi sichtbarer Zeichen nicht bloß auf isolierte Individuen beschränken, im Gegenteil: „Le probleme devient social!" Denn man erkennt doch an, daß dissidente christliche Kirchen, von ihren Einzelgliedern einmal abgesehen, in ihrer Eigenschaft als Gemeinschaften etwa Bibel und Eucharistie, vor allem aber die Taufe, gültig besitzen können 117 . Es gibt aber nur eine Taufe, eine Eucharistie und eine Bibel, eben die der römisch-katholischen Kirche. Infolgedessen muß auf dem Weg über diese Elemente irgendeine objektive Verbindung dieser Gemeinschaften mit der ecclesia catholica Romana gegeben sein. „Man könnte die dissidenten Gemeinschaften als Glieder Christi in einem analogen Sinn betrachten, in dem Maß nämlich, als sie nicht von der Kirche getrennt, sondern christlich und katholisch geblieben sind." 118 Die mittelalterliche Theologie ist bei ihrem Studium der Sakramente zu den beiden Kriterien der Rechtmäßigkeit und der Gültigkeit (validite und Ιίΰέήέ) gelangt. Was bei den dissidenten Kirchen auf Grund von Strukturmängeln der Sakramente fehlt, ist die Rechtmäßigkeit, und dadurch wird ihr sakramentaler Wert, „wenn man so will, profaniert, mißbildet, vergewaltigt — aber nicht völlig beseitigt". Die Gültigkeit ist bei ihnen nicht ebenso eindeutig verschwunden, sondern man muß da eine „unvollständige und analoge Verwirklichung des Sakramentes" anerkennen; allen Widerständen zum Trotz ist hier etwas von sakramentalem „character" samt seiner übernatürlichen Wirkung bestehen geblieben 119 . Damit schließt dieser Aufsatz, der sich selbst bewußt ist, daß er nur eine kurzgefaßte Skizze darstellt. Eine fruchtbare Weiterentfaltung der dargelegten 118 Gribomont a.a.O. 356/57. Die Dialektik kommt gut in dem Nebeneinander folgender zwei Sätze zum Ausdruck: "II s'agit d'un produit, qu'annule l'annulation d'un seul facteur" und "Les degres infirieurs, qu'ils (die Dissidenten) prttendent avoir consents, impliquent en effet le reste". 117 Es läßt sich in diesem Zusammenhang gleich von vornherein die oberste Stufe namhaft machen, bis zu der eine nichtrömische Kirche hinaufsteigen kann. Ohne daß man jetzt schon auf die Problematik der unteren Stufen (vom Bekenntnis bis zum ordo) eingehen müßte, läßt sich bereits sagen, daß auf die oberste Stufe des „Souverain Pontificat" eine nichtrömische Kirche niemals wird gelangen können. Mag auch sonst alles andere vorhanden sein, und zwar ebenso vollständig und wertvoll wie in der römischen Kirche (Congar, Vers l'uniti chr6tienne 4, erwägt diese Möglichkeit für die orthodoxen Kirchen, für die orientalischen Separatkirchen der ersten Jahrhunderte und für die „rein schismatischen" [zur Problematik dieses Ausdrucks vgl. oben S. 31 Anm. 16] Kirchen der Utrechter Jansenisten und der Altkatholiken) — „das, was sein letztes Siegel auf die kirchliche Einheit drückt" (Congar, Chritiens 303), der Gehorsam gegen den Papst, kann niemals vorhanden sein. Vgl. Hanahoe a.a.O. 328: „. . . the vestigia ecclesiae are not to be sought for here." Dieses Manko ist das mindeste, was jeder nichtrömischen Kirche anhaftet; ohne das wäre sie römisch und keine eigene Kirche mehr. 118 Gribomont a.a.O. 358. 119 Ebd. 365f. und 362.
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Problematik würde vorher eine sorgfältige und feinfühlige Untersuchung der Beziehungen zwischen Sakramenten, Kirche und Jurisdiktion erfordern, meint G r i b o m o n t 1 2 0 . Aber man muß wohl noch viel mehr sagen: U m das P r o g r a m m der vestigia umfassend und vollständig darlegen zu können, wäre nicht nur eine detaillierte Kenntnis des Gesamtgebietes der römischen Theologie notwendig, sondern man müßte dazu auch genau wissen, welche Stellung in jeder anderen Kirche, Gemeinschaft oder Sekte, die das Prädikat „christlich" beansprucht 1 2 1 , jeder einzelne Punkt der Theologie einnimmt. Falls diese A u f g a b e überhaupt lösbar ist, erfordert sie viele Mitarbeiter und eine über Jahrzehnte sich erstreckende Zeit. Hier steht die theologische Arbeit durchaus noch am Anfang. Demnach wird man von dem, was im folgenden an weiterer und über das Grundsätzliche hinausgehender Entfaltung des Vestigiaproblems erörtert werden soll, nicht mehr erwarten dürfen als einige wenige und zufällig anmutende Ansätze, deren Betrachtung audi nicht im Entferntesten einen Uberblick über die vestigia ecclesiae in jeder christlichen Gemeinschaft und auf jedem Gebiet kirchlichen Lebens geben, sondern allenfalls einen Eindruck v o n den Methoden u n d Kriterien vermitteln kann, die bei ihrer Erhebung angewendet werden. Es wurde schon einmal 1 2 2 angedeutet, wie man in der neueren römischen Theologie gelegentlich geneigt ist, die von R o m getrennten orthodoxen Kirchen, abgesehen von ihrer Gehorsamsverweigerung dem Papst gegenüber, uneingeschränkt als Kirchen anzuerkennen 1 2 3 , ihnen also, mit anderen Worten, ein Höchstmaß an vestigia ecclesiae zuzubilligen. In diesem Zusammenhang ist die Frage gestellt worden, ob in den genannten Kirchen den Bischöfen bzw. den Priestern überhaupt jurisdiktionelle Vollmachten z u k o m m e n oder nicht 1 2 4 . V o n den beiden dem Bischof übertragenen Gewalten, der Weihevollgewalt und der Oberhirtengewalt 1 2 5 , steht in jenen Kirchen die erste, die beim Bischof durch die Sonderbefähigung, die Firmung und die Weihen zu spenden, ausgezeichnet ist, außer Frage 1 2 6 . Für die Gültigkeit einer BischofsEbd. 365. Von ihrer Vielfalt gibt Congar, Chritiens d6sunis, Appendice I, 347—354: „Essai statistique des confessions chrdtiennes" ein anschauliches Bild. 122 Vgl. oben S. 157 Anm. 117. 123 Vgl. weiterhin Congar, Chritiens 303 und: Vers l'uniti 4, Sartory II, 367, ferner die bei Congar, Chrdtiens 381 f. (Appendice VI) gesammelten Dokumente, in denen sie von oberster Stelle „Kirchen" genannt werden. 124 I. Deslandes, Les pretres orthodoxes ont-ils la juridiction? in: Echos d'Orient 26, 1927, 385—395; Th. Metz, Le Clerg6 Orthodoxe a-t-il la Juridiction? in: Ir6n. 5, 1928, 142—146; W. de Vries op. cit. ZkTh 80, 1958, 378—409. iss Vgl. hierzu und zum folgenden Mörsdorf, Lexikon für Theologie und Kirche, Bd. II, Freiburg 2 1958, Art. „Bischof, kirchenrechtlich", Sp. 497—505. m Grundvoraussetzung ist die Bewahrung der durch Handauflegung tradierten Sukzession. Die auch in den Ostkirchen vom Bischof erteilte Weihe ist in ihrer Gültigkeit nicht bezweifelt, vgl. Metz a.a.O. 142 und Schmaus a.a.O. IV/1, 590f. 120
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weihe genügt es nämlich, wenn sie, wie in den Ostkirchen, von (mindestens) einem, selbst gültig geweihten Bischof gespendet ist; rechtmäßig allerdings wird sie erst durch das Einverständnis des Papstes127. Mit der Illegitimität, in der der ostkirchliche Bischof durch das Fehlen dieses Einverständnisses steht, hängt die Unklarheit bezüglich der zweiten Gewalt, der iurisdictio, zusammen. Diese ist nämlich zwiefach gekennzeichnet: einerseits fließt sie, ihrem göttlichen Ursprung entsprechend, unmittelbar aus dem Bischofsamt selbst, auf der anderen Seite aber untersteht ihre ordentliche Ausübung der Autorität des Papstes128. Mit beiden Kriterien zugleich also ist die Oberhirtengewalt erst ausreichend bestimmt; was aber ist von ihr zu halten, wenn das zweite nicht gegeben ist? Zur Klärung dieser Frage hält man sich die römische Praxis vor Augen, die bei der Konversion von Orthodoxen nur ein Glaubens-, aber kein Sündenbekenntnis fordert 129 und eine bereits empfangene Firmung nicht wiederholt 130 . Man folgert aus dem ersten Tatbestand, daß der Konvertit für die bisher gebeichteten Sünden das Bußsakrament gültig empfangen hat, und weiter, da zu dessen Spendung neben der Weihe auch die priesterliche oder bischöfliche Jurisdiktion gehört 131 , daß diese Jurisdiktion also bei den getrennten Bischöfen vorauszusetzen sei. Was die zweite Gepflogenheit anlangt, so erinnert man an die im Morgenland übliche kombinierte Spendung von Taufe und Firmung durch den Priester 132 . Dieses uralte Privileg, das in der lateinischen Kirche den Ausnahmefall darstellt 133 , so fährt man fort, sei den Ostkirchen niemals ausdrücklich entzogen worden; ihre Firmung werde ja durch die obige Praxis als gültig betrachtet und damit sei auch die hierfür notwendige Firmgewalt ihres Spenders anerkannt. Auf diese Weise kommen Deslandes und Metz dazu, für orthodoxe Kleriker die Jurisdiktionsvollmacht ohne Abstriche zu behaupten 134 . De Vries macht gegen diesen Schluß geltend, er ergebe sich lediglich aus einer keineswegs zwingenden Interpretation einer kirchlichen Gewohnheit; „Dokumente zur Sache sind jedoch nicht zu finden"135. Man könne nämlidi jene Praxis durchaus von CIC can. 209 her erklären, der folgenden Fall vorsieht: Ein Priester übt, etwa in der Beichte, die geistliche Jurisdiktion aus, die er aber, wissentlich oder unwissentlich, faktisch nicht besitzt. Um des SeelenCIC can. 953. Mörsdorf a.a.O. Sp. 499. Zur Kontroverse über diese Zusammenhänge vgl. de Vries a.a.O. 403, Anm. 143. 129 Vgl. Deslandes a.a.O. 394; Metz a.a.O. 144; Hanahoe a.a.O. 3 1 7 ; de Vries a.a.O. 405. 130 Vgl. Deslandes a . a . O . 390; Metz a . a . O . 144f.; Hanahoe a.a.O. 318. 131 Schmaus a.a.O. I V / 1 , 537. 132 Schmaus a . a . O . I V / 1 , 182. 133 CIC can. 782 § 2 ; der ordentliche Spender ist der Bischof (CIC can. 782 § 1), vgl. Schmaus a.a.O. I V / 1 , 181 f. 134 Deslandes a . a . O . 386 und 395; Metz a.a.O. 145. 135 de Vries a.a.O. 405. 127
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heiles der Gläubigen willen, die von dieser Tatsache nicht unterrichtet, sondern der festen (aber objektiv irrigen) Uberzeugung sind, hier habe vollgültige Jurisdiktion stattgehabt, kann die Kirche nachträglich bei jener an sich unwirksamen Betätigung „die fehlende Gewalt durch gesetzliche Delegation ersetzen" 136 . Bei diesem Verständnis würde jene Konvertitenpraxis aber genau das Gegenteil beweisen, nämlich die genuine, im Fehlen der Jurisdiktion begründete Ungültigkeit der oberhirtlidien Akte; und wenn die Kirche vorgängig oder nachträglich diesen Schaden aus seelsorgerlichen Gründen heilt, so keinesfalls in der Art, daß den Ostkirchen diese Privilegien „dann kraft eigenen Rechts f ü r alle Z u k u n f t zukämen" 1 3 7 . Freilich, ein unbedingter Gegenbeweis gegen jede Jurisdiktion ist diese E n t k r ä f t u n g nicht, und wenn die frühere Lösung vielleicht etwas zu einfach war, so k o m m t auch de Vries nicht etwa zu einem glatten Nein. Sein Ergebnis lautet vielm e h r : „Der Heilige Stuhl erkennt zwar an, daß die schismatischen Patriarchen und Bischöfe ihre von Rom getrennten Kommunitäten tatsächlich regieren, bestreitet aber dieser Regierung jede Rechtsgültigkeit und Rechtskraft." 138 Zunächst belehrt diese Diskussion darüber, daß in der römischen Theologie offenbar das Betätigungsfeld der vestigia sich über W o r t und Sakrament hinaus auch auf das kirchliche Recht erstreckt 139 . Freilich hatte das in dem U n t e r schied „faktisch-rechtlich" bestehende Ergebnis ja schon die obige allgemeine Analyse 140 hervorgebracht. Diese hat sich also hier konkret bewährt; aber es ist damit n u r eine erste grobe Scheidung getroffen, der n u n jedoch eine eingehendere Beschreibung der Seinsweise jener Jurisdiktion, im positiven wie im negativen Sinn, u n d sodann eine dementsprechende Bewertung zu folgen hätte. Dazu aber ist es in der römischen Theologie über jene ersten Feststellungen hinaus noch nicht gekommen; hier eröffnet sich ein Aufgabengebiet, das notwendig beschritten werden müßte, wenn die Vestigialehre an diesem P u n k t weiterverfolgt werden soll. Schon in dieser Jurisdiktionsfrage zeigte sich der ursächliche Zusammenhang zwischen der Mehrzahl der Sakramente u n d der successio apostolica: Wo sie unterbrochen ist, kann es keinen gültig geweihten Bischof, infolgedessen auch keinen gültig geweihten Priester, infolgedessen auch nicht die Sakramente der 136 CIC can. 209: „In errore communi aut in dubio positivo et probabili sive iuris sive facti, iurisdictionem supplet Ecclesia pro foro tum externo tum interno." Einzelheiten bei Mörsdorf, Kirchenrecht Bd. I, 312 f. 137 de Vries a.a.O. 409. iss (je Vries a.a.O. 408f., Hervorhebungen von mir. Etwa das gleiche Ergebnis bei Congar, Chritiens 303, der von „juridiction illdgitime, mais effective" spricht. 139 Vg L Sartory I, 178ff., wo das Recht ein besonderes vestigium ist; diese Erweiterung kommt zu der oben S. 155 festgestellten Erweiterung noch hinzu. Daß das Recht Stoff der vestigia sein kann, steht natürlich mit deren an der gleichen Stelle festgestellten juristischen Illegitimität in keinem Zusammenhang, also auch nicht im Widerspruch dazu. 110 Vgl. oben S. 154 mit Anm. 104.
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Firmung, Eucharistie, Buße und Letzten Ölung mehr geben, die nur v o m Priester gespendet werden können. All diese S a k r a m e n t e erkennt die römische Theologie in den Ostkirchen an, eben weil d o r t die successio bewahrt ist, u n d sie alle spricht sie den evangelischen Kirchen ab, eben weil sie da unterbrochen ist. Wegen dieser Folgen verdient in diesem Z u s a m m e n h a n g das Schreiben „Apostolicae C u r a e " v o m 13. 9. 1896 Erwähnung, in dem P a p s t Leo X I I I . in den Weihen der anglikanischen Kirche die Weiheform vers t ü m m e l t und die Weiheabsicht (intentio) als mangelhaft erkennt u n d deshalb erklärt: „ordinationes ritu anglicano actas, irritas prorsus fuisse et esse, omninoque nullas." 1 4 1 So bleiben vorderhand die beiden Sakramente zu betrachten, deren Spendung nicht unbedingt an den Priester gebunden ist. Von der T a u f e wurde schon öfters 1 4 2 gesprochen. Jeder Mensch kann gültig und im N o t f a l l auch erlaubt taufen, und weder Häresie noch Unglaube noch Sündhaftigkeit beim Spender hindern das gültige Zustandekommen dieses Sakraments, wenn die Form (invocatio Sanctae Trinitatis) erfüllt, als Materie „ a q u a vera et naturalis" verwendet wird, und wenn der Spender die „intentio faciendi quod facit ecclesia" besitzt 1 4 3 . „ W o getauft wird, ist die Kirche", und „ a u d i außerhalb der sichtbaren Einheit gespendet ist die T a u f e ein wirkliches Element der Kirche Christi" 1 4 4 . 141 Litterae Apostolicae „Apostolicae Curae" vom 1 3 . 9 . 1 8 9 6 , A S S X X I X , 1896/97, 193—203, das Zitat 202 (vgl. D 1966). An Literatur vgl. Francis Clark S J , The Defect of Form in Anglican Ordinations, Rom 1958, und vom gleichen Verfasser: Anglican Orders and Defect of Intention, London 1956; Anthony A. Stephenson S J , Anglican Orders, London 1956, und zu den beiden letztgenannten Büchern die Besprechung von A. Ahlbrecht in Z k T h 80, 1958, 359f., der in US 11, 1956, 25—32 („Die Kontroverse um die anglikanischen Weihen") auch über die ältere Literatur einen Bericht gibt. Daß es sich an diesem Punkt um keine verjährte Sache handelt, zeigen die Probleme, die sich aus der Anerkennung der von den Bischöfen der Südindischen Kirche erteilten Weihen durch die anglikanische Kirche seit 1955 ergeben (US a . a . O . 25), sowie die Frage, die die kombinierten (altkatholischanglikanisch) Weihen zahlreicher heutiger anglikanischer Bischöfe an die römische Kirche stellen, vgl. Rouse-Neill a . a . O . II, 85f., Anm. 24. 142 Vgl. oben S. 38f. und S. 136ff. mit Anm. 37. 143 D 695 f. 144 So auch Hamer a . a . O . 275 und Sartoryl, 183. Auf evangelischer Seite vgl. die besonderen Ausführungen des Torontodokuments (IV, 3, EvTheol a . a . O . 313) über die Taufe, und deren Bezeichnung als „ökumenisches Sakrament" bei Brunner a . a . O . 123. — Franz Thijssen legt in seinem Aufsatz „Sakramente und Amt bei den nichtkatholischen Christen", U S 14, 1959, 82—108 (zur Tauffrage: 87—90), auf die Intention bei der Taufe ein Gewicht, das ihr üblicherweise nicht zukommt. Er spricht von dem Fall, daß bei offenkundigem Fehlen der Intention die Taufe „wenigstens zweifelhaft" wird. Hier ist jedoch, in Erinnerung an das, was oben über das implizite und vor allem über das paradoxe Kirchenvotum (vgl. z.B. S. 82) gesagt wurde, zu fragen: Wie soll denn ein solcher Fall konkret aussehen? „Was die Kirche tut" ist eine derartig vage und überdies rein formale Kennzeichnung, daß die Inten-
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Dietzfelbinger, Grenzen
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Ein Unterschied zwischen römischer und nichtrömischer Taufe kann sich allerdings nachträglich bei der Ehe geltend machen. C I C can. 1099 erklärt die römische Eheschließungsform nur f ü r verbindlich, wenn mindestens einer der Kontrahenten römisch getauft ist 145 . Dies veranlaßt Hanahoe zu folgender Darlegung 146 : Wenn kein impedimentum dirimens (das auch in der römischen Kirche dem Zustandekommen dieses Sakramentes im Wege steht) vorliegt, so gilt auch eine zivil geschlossene Ehe zwischen zwei nichtrömisch Getauften als Sakrament. Ist aber von den beiden „nichtkatholischen" Kontrahenten wenigstens einer ungetauft, so ist die zivil geschlossene Ehe zwar gültig, aber kein Sakrament. Offensichtlich erfordert diese über den Wortlaut des Kanons hinausgehende und überdies keineswegs von allen Theologen in dieser Eindeutigkeit geteilte Interpretation 1 4 7 einige Erläuterungen: Beim Ehesakrament sind Materie, Form und Spender unklar 1 4 8 ; was diesen letzteren anlangt, so ist die häufigste Meinung, die beiden Kontrahenten spendeten sich selbst gegenseitig das Sakrament 1 4 '. Unbestritten ist jedenfalls, daß sie jeweils die Empfänger sind und infolgedessen, daß das Sakrament nicht zustande kommen kann, wenn einem der Kontrahenten die Taufe fehlt, die erst die Befähigung zum Empfang der übrigen Sakramente verleiht („infidelis incapax sacramenti") 150 . Wenn versichert wird, es liege in diesem Fall eine nicht sakramentale, aber naturrechtlich „gültige" Ehe vor 151 , so könnte man zwar verstehen, daß diese „nicht jene Kraft und jener Glanz der Christusherrlichkeit" „durchleuchtet", „welchen das Sakrament verleiht" 152 , nicht tion, um die ihr von Thijssen zugewiesene Rolle zu spielen, genauer abgegrenzt werden müßte, was indes, ebenso wie beim Votum, äußerst schwierig, wo nicht überhaupt unmöglich erscheint. Aber schon diese Parallele zeigt, daß Thijssen mit seinen Gedanken den objektiv-sichtbaren Boden verlassen hat und sich unvermerkt auf dem innerlich-unsichtbaren Bereich befindet. Zur Erhellung der vestigia ist das aber nicht notwendig (vgl. oben S. 128 und S. 155), wie denn auch Hamer (vgl. a.a.O. 275, Anm. 2) bewußt auf diesen Aspekt verzichten kann, ohne in puncto vestigia unvollständig zu sein. 145 CIC can. 1099 § 1: „Ad statutam superius formam (die römische Eheschließungsform) servandam tenentur: Omnes in catholica Ecclesia baptizati et ad earn ex haeresi aut schismate conversi..." § 2: „Firmo autem praescripto § 1 η. 1, acatholici sive baptizati sive non baptizati, si inter se contrahant, nullibi tenentur ad catholicam matrimonii formam servandam." Der Rest des Kanons ist gestrichen, vgl. AAS XL, 1948, 305 f. 146 Hanahoe a.a.O. 322. ι« Ygi wesentlich behutsameren Erwägungen zu dieser Frage in Sacrae Theologiae Summa IV, 790 ff. 148 Schmaus a.a.O. IV/1, 637, 641. 149 Diese Meinung in Sacrae Theologiae Summa IV, 789, auch bei Schmaus a.a.O. IV/1, 641 und 141 erwähnt. 150 Vgl. Mörsdorf, Kirchenrecht II, 25 f., mit Belegen für die einzelnen Sakramente. 151 Der Begriff „legitimum matrimonium" kommt im CIC nur einmal in can. 1120 § 1 mit Bezug auf zwei ungetaufte Kontrahenten vor. 162 Schmaus a.a.O. IV/1, 623. 162
aber, warum dann bei einer Ehe von römisch Getauften von der römischen Form nicht nur deren Sakramentalität, sondern auch die Gültigkeit abhängt. Wenn es so etwas gibt wie eine naturreditlich gültige Ehe, dann müßte man diese Gültigkeit näher bestimmen und dazu sagen, warum sie f ü r römische Katholiken allein nicht in Frage kommt. Forscht man weiter, warum die Ehe von zwei nichtrömisch Getauften eo ipso sakramental ist, so hört man: „Zwei Getaufte können keine Ehe schließen, ohne ein Sakrament zu empfangen." 1 5 3 Etwas eingehendere Ausführungen dazu macht Thijssen 154 . Nach dessen Meinung ist es der Priester, der nach der Befragung der Brautleute das Ehesakrament spendet, und in besonderen Fällen kann stellvertretend f ü r ihn auch der Standesbeamte bei der zivilen Trauung als Sakramentsspender fungieren. Aber warum denn eigentlich nur er und nicht z.B. auch ein evangelischer Pfarrer? Wie kann ein staatliches A m t eine besondere Fähigkeit zur Sakramentsspendung verleihen? U n d warum bringt man diesen in der römischen Theologie so ungewöhnlichen Verweis auf das allgemeine Priestertum nur f ü r die Ehe und nicht auch bei anderen Sakramenten zur Sprache? Thijssens Versicherung, das käme aus der „apostolischen Tradition" 1 5 5 , die ihrerseits diese Einschränkung des stellvertretenden Priestertums auf Taufe und Ehe wahrscheinlich^) im Zusammenhang mit deren Wesen, Struktur und Sinn vollzogen habe, ist doch wohl etwas zu dürftig. Aber abgesehen davon: Warum hört denn das allgemeine Priestertum audi bei der Ehe auf, sobald ein römisch getaufter Kontrahent beteiligt ist? Wie man sieht, häufen sich die Fragen: Warum wird die römische Form als f ü r die Gültigkeit der Ehe unerläßlich erklärt, wenn mindestens ein römisch getaufter Kontrahent da ist — wo doch auch ohne sie sogar ein Sakrament zustande kommen kann? Welches ist — wenn es ihn geben sollte — der Seinsunterschied zwischen einer römisch-sakramentalen und einer nicht römisch-sakramentalen Ehe? Und welches, von diesen beiden unterschiedene, Sein eignet einer bloß „gültigen" Ehe? Ferner: Könnte man in analoger Weise zur Taufe sagen: wo die (sakramentale?) Ehe vollzogen wird, dort ist die Kirche? U n d wenn ja, inwiefern, bis zu welchem Grad? Man sollte auf römischer Seite nicht so einfachhin von der „kirchenschöpferischen K r a f t " reden, welche die Ehe „in eminenter Weise bei den 153
Schmaus a.a.O. IV/1, 627, vgl. 622 und 637. Thijssen a.a.O. 90f. Zur Auseinandersetzung mit Thijssens Eheverständnis vgl. Gertrude Reidick, Die Rolle der Kirche beim Zustandekommen des Ehesakramentes, US 14, 1959, 208—213. Freilich gibt auch diese im übrigen sehr ins einzelne gehende Untersuchung für das Problem „Ehe als vestigium" nichts her; die Verfasserin greift zwar die Frage des Sakramentsspenders auf, widerspricht aber dabei nur sowohl Thijssens Meinung, dieser sei der Priester, wie auch der communis opinio, die Nupturienten spendeten sich gegenseitig das Sakrament. Ein eigener, positiver Hinweis fehlt. 165 Thijssen a.a.O. 92. 154
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Dissidenten" habe 1 5 6 , solange es noch so viele Unstimmigkeiten 1 5 7 über das Verständnis dieser Ehe gibt, die sich offensichtlich nicht ganz in das sonstige Schema der römischen Sakramente hineinfügt. Denn erst wenn im Grundsätzlichen einigermaßen Klarheit geschaffen ist, kann man die Ehe als „vestigium ecclesiae" weiterzubestimmen versuchen 158 . Die übrigen fünf Sakramente werden also der evangelischen Kirche qua Sakramente bestritten; es wird ihnen die sakramentale Seinsweise abgesprochen — aber könnten sie nicht vielleicht noch eine andere Seinsweise haben? Es geschehen ja doch in der evangelischen Kirche Akte, die sie selbst als Konfirmation, Eucharistie, Absolution, Ordination versteht; wenn diese Dinge, wie gesagt, keine Sakramente sind (und es ja, von der Eucharistie abgesehen, auch gar nicht sein sollen) — was sind sie denn dann? Geschieht objektiv gesehen etwas, wo diese Akte vollzogen werden, oder geschieht nichts 129 ? Eines muß hier gleich vorausgeschickt werden: die häufigste römische Antwort, der Wert jener Akte liege in dem jeweils entsprechenden Votum, kann an dieser Stelle nicht genügen. Sartory führt zur Frage nach der Bedeutsamkeit des evangelischen Abendmahls die Antwort jenes römischen Theologen an: „ D a s lutherische Altarssakrament ist nicht nichts", und erklärt dazu, daß ja beim Spender wie bei den Empfängern „eine Hinordnung in voto auf die res des Sakramentes der Eucharistie besteht" 1 6 0 . Analoges findet sich bei Thijssen 1 6 1 , der feststellt, durch die Handauflegung bei einer evangelischen Ordination werde natürlich kein dem römischen Priestertum vergleichbares A m t übertragen; immerhin habe sie ihren Wert, insofern sie ein „votum ordinis" zum Ausdruck bringe. Ein solcher Hinweis auf die ja bekanntlich nicht nur bei diesen kirchlichen, sondern auch bei jeder anderen menschlichen Handlung denkbare „valeur psychologique" 1 6 2 transformiert die Sartory I, 178. Diese Unstimmigkeiten werden nicht verringert durch Mörsdorfs querlaufende Unterscheidung zwischen vollchristlicher (römisch, nichtrömisch, gemischt), halbchristlicher (zwischen nichtrömisch oder römisch Getauften und Ungetauften) und nichtchristlicher Ehe (inter non baptizatos), Kirchenrecht II, 139 f. 158 Liest man allerdings Joseph Kleins (Skandalon, Tübingen 1958, 107 f., Anm.30) Anmerkung zu CIC can. 1099 § 2, so bekommt man den starken Eindruck, daß an diesem Punkt, bevor man dogmatische Klarheit anstrebt, verschiedenes andere zu bereinigen wäre. 159 H. Asmussen (Fünf Fragen an die katholische Kirche, in: Die Katholizität der Kirche, ed. v. Asmussen-Stählin, Stuttgart 1957, 375 ff.) fragt, nach Kenntnisnahme der Antwort, daß evangelisches Amt und Abendmahl kein im römischen Sinn sakramentales Sein hätten: „Was haltet ihr Katholiken von unserem Abendmahl?" (a.a.O. 383) und: „Was ist nach eurer Beurteilung unser A m t ? " (a.a.O. 386). Eben diesen Fragen ist jetzt näher nachzugehen. 160 Sartory II, 369; Sartory 1,165. Die gleiche Antwort bei Thijssen a.a.O. 105 und bei Hamer a.a.O. 150. M 1 Thijssen a.a.O. 107. 162 Hamer a.a.O. 150. 158 157
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Problematik nur auf die Fragestellung nach dem innerlich-subjektiven Gehalt und ist daher hier bei der Suche nach einer objektiven Wirklichkeit nicht von Wert 1 6 3 . Auch die römische Theologie sieht, daß hier mehr und auf einer anderen Ebene etwas gesagt werden muß; „die katholische Theologie hat hier die Aufgabe, das ,nicht nichts" näher zu bestimmen" 1 6 4 . Freilich, wenn sie irgendwo ganz in den Anfängen steht, dann an diesem Punkt. Wie tastend und vorsichtig die Versuche hierzu sind, zeigt etwa Hamers Qualifizierung des calvinistischen Abendmahls: „ E i n Ritus, der, äußerlich gesehen, die Einsetzung der Eucharistie durch Christus reproduziert, ohne sakramentale Realität, ein der Eucharistie ähnlicher Ritus, aber von deren Wirklichkeit so verschieden wie ein Gemälde von seinem Modell, ein vestigium höchstens im bildlichen Sinn." 1 6 5 Gegenüber dieser ja audi noch formal bleibenden Skizze scheint ein Fortschritt in der von Sartory und Thijssen getroffenen Feststellung zu liegen, das evangelische Amt liege in der Ordnung des Prophetischen 166 . Es steht mit dieser Bemerkung in einem inneren Zusammenhang, wenn Sartory einmal unter den vestigia „Jesus Christus" 1 6 7 nennt, und zum anderen, wenn er im Vestigiaproblem immer wieder den Finger auf die Seinsfrage legt 1 6 8 . Nach meiner Kenntnis hat er damit den weitesten Vorstoß zur Näherbestimmung charakteristisch evangelischer vestigia ecclesiae gemacht; freilich ist auch seine bisherige Arbeit erst das M a terial zu einem adäquaten Vestigiasystem und noch nicht dieses System selber. Sartorys Gedanken sollen im folgenden etwas weitergeführt werden; das bedeutet eine sorgfältige Einbeziehung der vorhandenen Bausteine, gleichzeitig aber auch eigene Kombinationen, die naturgemäß etwas Hypothetisches an sich tragen müssen. Wenn Sartory das evangelische A m t in der Ordnung des Prophetischen liegen sieht, dann erkennt er in ihm damit „ v o r allem die Funktion der Verkündigung", die es mit dem römischen „apostolischen L e h r a m t " gemeinsam hat. Sonst aber ist es von diesem durchaus verschieden: es hat cha183 Vgl. oben S. 128 und 155. Thijssen selbst erklärt a.a.O. 105 und 108, daß mit dem Hinweis auf das Votum in dieser Sache „kein hantierbares Material" gegeben sei. 1 M Sartory II, 369. 165 Hamer a.a.O. 150; was er von der orthodoxen Sicht schreibt, gilt ebenso von der römischen. 168 Sartory 1,172; Thijssen a.a.O. 107. 187 Es wirkt auf jeden Fall sonderbar, wenn man bei Sartory I im Inhaltsverzeichnis „Jesus Christus" als erstes unter den vestigia aufgeführt findet. Unter dieser Überschrift sind zwei verschiedene Dinge vermischt, nämlich die evangelische (vielleicht genauer: lutherische) Christologie (deren Platz sachlich im Abschnitt 4, „Wort Gottes", a.a.O. 184ff. wäre) und die verschiedenen Arten der Präsenz Christi. Dieser letztere Punkt soll etwas eingehender ins Auge gefaßt werden. 1 , 8 Sartory I im Kapitel über die vestigia (147 ff.) passim und Sartory II, besonders 371 ff.
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rismatisdien Charakter, mag wohl audi eine gewisse Autorität besitzen, die Sartory einmal sogar von einem Nebeneinander beider Ämter reden läßt — aber letztlich ist das prophetisch gesprochene Wort ohne eigenes Gewicht, es hat sich am apostolischen Amt, der „Garantie der Präsenz Christi", auszurichten. Negativ ist zu sagen, daß das evangelische Amt dem römischen gegenüber eine Verflüchtigung vom Sein zum Ereignis, eine Spiritualisierung und Verinnerlichung bedeutet; es kommt aus einem „theologischen Personalismus . . . , dessen Herzwörter Subjektivität, Relation und Aktualität sind" 169 . Man wird wohl nicht fehlgehen, wenn man jene obigen Andeutungen zusammen mit dieser im Grunde stets in die gleiche Kerbe schlagenden Kritik dahin konkretisiert, daß Sartory zutreffenderweise den Kernpunkt des evangelischen Amtes in dem sieht, was man die Predigt nennt. Setzt man voraus, bei der Bemühung um die vestigia handle es sich um ein Aufspüren der „Christus-Substanz" und der „Anwesenheit des Heiligen Geistes" 170 , dann entfällt von den bei Sartory erwähnten Modi von deren Vorhandensein in der evangelischen Kirche von vornherein Christi sakramentale Präsenz und das Wirken des Geistes in Ämtern, Sakrament und Recht. Es bleibt übrig Christi „Glaubens- und Gnadengegenwart, die durch den Glauben wirklich wird" 1 7 1 , sowie das Wirken des Geistes in den Charismen und „im freien, unsichtbaren Walten der Gnade" 1 7 2 . Nach meiner Meinung sollte aber dieser letzte Punkt bei der Suche nach vestigia aus dem Spiel bleiben, da es ja bekanntlich audi „gratia extra ecclesiam" gibt 173 . Aber audi die als „praesentia spiritualis und als durchaus wirklich und real" bezeichnete Glaubens- und Gnadengegenwart Christi darf wohl, so wie sie Sartory versteht, nur mit großer Vorsicht hier genannt werden. Das Zitat von Eph. 3,7 zeigt, daß er damit ein „habitare Christi in cordibus" meint, was nicht unbedingt gleichzeitig „in ecclesia" sein muß. Außerdem bliebe also noch die Anwesenheit des Heiligen Geistes in den Charismen. Was man nun aber bei Sartory vergeblich sucht, das ist ein Kontakt zwischen diesen beiden Gedankengängen, der sich doch schon rein formal durch das gemeinsame Stichwort „charismatisch" nahelegen würde. Wo er bei der Darlegung des evangelischen Verständnisses vom Amt in sechs Punkten 174 von der „Verkündigung des Evangeliums" als dem Wesen dieses Amtes spricht, ist er ganz nah an diesem Kontakt, der dann — man muß schon sagen: unbegreiflidierweise — aber doch nicht geschlossen wird. Am Ende des ersten Gedankens steht klar „Wortverkündigung", am Ende des zweiten die Anwesenheitsmodi Christi bzw. des Heiligen Geistes; in dieser les
Sartory 1,148 und 185; Sartory II, 372. Sartory II, 369 und 371; Sartory 1,167 und 164. 171 Sartory I, 164; vgl. auch 148 und Sartory II, 368: „Die Vestigia . . . werden ja erst durch den Glauben wahr." 172 Sartory I, 167. 173 174 D 1379; vgl. oben S. 109 und S. 116ff. Sartory 1,169. 170
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Zweiheit endet die Darlegung, anstatt daß die naheliegende und zum Kern der Sache führende Synthese herbeigeführt würde in der Frage: Wie ist Christus in der Wortverkündigung anwesend? Das wäre die Schlüsselfrage zu den beiden Themen Christuspräsenz und Wortverkündigung in der evangelischen Kirche, ohne die man im übrigen auch dem Wesen des Abendmahls niemals näherkommen kann; denn was wäre dieses ohne die gleichzeitige Verkündigung des Wortes Gottes? Dadurch, daß so nicht gefragt wird, endet die Suche nach vestigia in der evangelischen Kirdie bei Sartory auf zwei toten Geleisen: Zum Problem der Präsenz Christi gibt es am Schluß nur den Vorwurf der Verflüchtigung 175 , und was zum vestigium „Wort Gottes" auf erstaunlich geringem Raum 1 7 6 ausgeführt wird, geht darüber nicht hinaus. Das Wesentliche und Charakteristische von evangelischem Amt und Sakrament hat Sartory gar nidit zu Gesicht bekommen. Das mag daran liegen, daß der römischen Theologie hierfür die Kategorien fehlen. Sudit man in ihrer Dogmatik nach der Lehre vom „Wort", so erfährt man allerlei über den inkarnierten Logos und über das unfehlbare Lehramt, was beides mehr oder minder auf eine im weiteren Sinn sakramentale Anwesenheit Christi und des Geistes hinausläuft 1 7 7 . Fragt man aber nach Luthers „evangelium vocale" 178 , so herrscht Schweigen. Das Lexikon f ü r Theologie und Kirche definiert im Artikel Homiletik (!) Wesen und Zweck der Predigt als „ ,Erbauung' im Sinn von Erweiterung, Vertiefung, Befestigung der Glaubenserkenntnis und zugleich Förderung des Glaubenslebens" 179 . Information und Zuspruch — aber daß Jesus Christus in diesem Wort in ganz besonderer Weise präsent ist, kommt gar nicht zu Bewußtsein; deswegen fehlt die Möglichkeit, den Kern dessen, was die evangelische Evangeliumsverkündigung und Sakramentsverwaltung meint, überhaupt nur zu sehen. Zwischen den Konfessionen steht „letztlich die Frage nach dem Sein" 180 , meint Sartory; aber gerade dann müßte er doch auch das „Sein" Christi in der evangelischen Predigt zu erfassen suchen, selbst wenn er dazu neue Kategorien übernehmen oder eigens bilden müßte, weil seine bisherigen nicht dazu ausreichen. Denn bei ihm gibt es nur ein sakramentaldingliches Sein, von dessen Warte aus all die genannten Angriffe gestartet und alle etwaigen positiven Werte in den subjektiven Bereich des „Glaubens" verwiesen werden; und eine Stufe tiefer ist bereits eine vage vorgestellte Allgegenwart des Göttlichen, etwas mystisch gefärbt, nicht recht ausdrückbar, 1,5
Vgl. oben S. 166. Sartory 1, 184—188; das daran anschließende Referat des Aufsatzes von Gribomont und die Konsequenzen daraus gehören nicht mehr zum Thema „Wort". Die gleiche Dürftigkeit bezüglich des „Wortes" als vestigium: Sartory II, 370f. 177 Ein Musterbeispiel der kurze Abriß bei Sartory I, 185. 178 Zitiert bei Sartory I, 186: WA VII, 721. 179 F. Schubert in: Lexikon für Theologie und Kirche, »1933, Bd. V, Sp. 126. 180 Sartory II, 371. 17$
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aber jedenfalls ziemlich allgemein 181 . Die römische Theologie kennt für die Gegenwart der Gnade ein sakramentales, dieses „mystische", und ein gänzlich ungreif- und unsichtbares subjektives (Glaube und Gnade!) Sein 182 . Aber das durch diese Kategorien gebildete Sieb ist so grobmaschig, daß die eigenartig evangelische „Wortgegenwart" unweigerlich durchfallen muß 183 . Vielleicht wird an diesem verhältnismäßig ausführlich erörterten Beispiel, mit dem die Darstellung der Versuche zur Erfassung einzelner vestigia beschlossen sein soll 184 , besonders deutlich, welch eminente denkerische Vorarbeit noch zu leisten ist, ehe man dieses Programm erfolgreich in Angriff nehmen kann. 181 Bezeichnend hierfür erscheint die Antwort, die ein römisch-katholischer Theologe auf die Frage nach der Präsenz Christi im evangelischen Abendmahl gab: „In eurem Abendmahl ist Christus etwa so da wie Maria in Loreto." 182 Vgl. oben S. 166 mit Anm. 171. 183 Hans Asmussen hat in seinem Buch „Rom-Wittenberg-Moskau" (Stuttgart o. J., 148ff.) die Frage gestellt: „Wie versteht die römische Kirche das Verhältnis von Wort und Sakrament?", weil er der Überzeugung ist, „daß man von einem unzureichenden Verständnis des Wortes auf römischer Seite sprechen muß". Wie recht er damit hat, zeigt der Katholik Heinrich Fries, dessen „Antwort an Asmussen" (Stuttgart 1958) sich im wesentlichen darauf beschränkt, jene Diagnose zu bestätigen (z.B. a.a.O. 18ff., 23, 39, 52) und geschichtlich zu begründen (25ff.). Von den positiven Bestrebungen zur Behebung dieses Mangels spricht er auf demgegenüber verhältnismäßig geringem Raum (40—42). Man muß diese Bemühungen wohl sehen, vgl. den Literaturbericht von W. Jannasch, Römisch-katholische Stimmen zur gegenwärtigen Aufgabe und Problematik der christlichen Predigt, Materialdienst des konfessionskundlichen Instituts Bensheim 9, 1958, 101-—105, aber man muß auch sehen, wie im derzeitigen Anfangsstadium von einer sachgemäßen Sicht der „Wortgegenwart Christi" nach evangelischer Lehre noch nicht die Rede sein kann. Worin im übrigen deren genannte Eigenart besteht, kann hier nur am Rande angedeutet werden. Man hätte dazu etwa an Christi Verheißung Mt. 18,20 zu denken, ferner an jenes reformatorische „in, mit und unter" Christi in dem von ihm durch Menschen verkündigten Wort und im Abendmahl, das objektiv wirklich ist und doch nur zustande kommt, wenn der Mensch glaubt (vgl. dazu die aus den lutherischen Bekenntnisschriften reichlich belegten Ausführungen bei Schlink, Theologie der lutherischen Bekenntnisschriften 234—240 und 256—263). Von diesem unauflöslichen Zusammensein von realer Wirklichkeit und Glauben, das wesentlich zu dieser Eigenart zu gehören scheint und dessen Zweiheit nie zerrissen werden darf, kann Sartory nur eine Karikatur entwerfen (Sartory I, 148 und 164), weil er vom römischsakramentalen Sein her mißt, damit ausschließlich die Seite des menschlichen Glaubens sieht und infolgedessen auf „Minderung" und „Verflüchtigung" der Christussubstanz erkennt. Weiteres zu diesem Problem unten S. 187 ff. 184 Zur Ergänzung dessen, was als denkbares Material für vestigia ecclesiae von römisch-katholischen Autoren sonst noch vorgeschlagen wird, ohne daß es freilich bisher näher entfaltet worden wäre, vgl. die Aufzählungen bei Congar, Chritiens 302 und Vers l'unitd chr6tienne 4, ferner Colombo a.a.O. 300. In Parallele dazu, daß Luther und Calvin die Heiligen und das Volk Gottes unter die vestigia rechnen, ist Congars Aufsatz: A propos des Saints canonists dans les Eglises orthodoxes, RevSR 22, 1948, 240—259, zu sehen.
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„ W a s sind die getrennten christlichen Gemeinschaften angesichts der (römischen) Kirche?" f r a g t Congar 1 8 5 . D a s kann man nur beantworten, wenn man mit jener schon bei Calvin 1 8 6 entwickelten Unterscheidung zwischen Substanz und Verfälschung an die erarbeiteten objektiven Größen herangeht und damit an ihnen das „Katholische" v o m „Nichtkatholischen" trennt. Jenes ist als vestigium ecclesiae dann weiter zu untersuchen, dieses wird als Sünde, Häresie, Eigenmächtigkeit von vornherein ausgeschieden; denn ein positiver „ r a p p o r t " nichtrömischer zur römischen Kirche existiert nur auf G r u n d und nach Maßgabe dessen, was jene ungebührlicher- und anormalerweise an römischer Substanz in sich tragen. Alles demgegenüber Selbständige und Eigene ist eine dieser Verbindung entgegengesetzte Tendenz 1 8 7 , die ausschließlich negativ zu qualifizieren ist. Was damit gemeint ist, könnte aus der A n t w o r t deutlich werden, die von römischer Seite auf die Frage nichtrömischer Christen gegeben w i r d : Ist es euer Wunsch, daß unsere Kirchen aufblühen oder daß sie verkümmern? — eine Antwort, die immer ein J a und ein Nein zugleich ist. Soweit der Protestantismus ein falsches System ist, erhoffen wir sein Ende, schreibt Congar, aber wir können nicht direkt hoffen, daß das, was es an Christlichem in ihm gibt und was infolgedessen Zugehörigkeit zur katholischen Kirche ist, sich verringert; denn das würde gleichzeitig eine Verringerung des Lebenspotentials der Kirche überhaupt bedeuten 1 8 8 . Entsprechendes sagt Thijssen zu den evangelischen Abendmahlsfeiern: Insofern sich darin das Verlangen nach der römischen Eucharistie ausspricht, freut sich die römische Kirche über deren Zunahme, insofern sie aber etwas Selbständiges, ein im A f f r o n t zur Messe aufgerichtetes „Gegenzeichen" sind, wünscht sie ihr Verschwinden 1 8 9 . Wie theoretisch auch immer diese Differenzierung erscheinen m a g — sie erst ermöglicht eine Qualifikation der anderen Kirchen. Dabei ergibt sich eine sichtliche Parallele zur gestaffelten votalen und noch deutlicher zu jener von Gribomont 1 9 0 aufgezeigten sakramentalen Zuordnung des einzelnen zur römischen Kirche: M a n kann die getrennten Gemeinschaften als Glieder Christi betrachten in einem analogen Sinn, nämlich in dem Maß, als sie katholische Substanz bewahrt haben. D e m z u f o l g e steht dann etwa die orthodoxe Kirche der römischen näher als die anglikanische und vollends als die evangelischen Kirchen 1 9 1 . Eine derartige Beurteilung schlägt sich in der recht verschiedenen Benennung dieser Kirchen nieder: Beginnend damit, daß man ihnen das PrädiCongar, Chr6tiens 300 (in Aussageform). Vgl. oben S. 138. 187 Congar, Chrdtiens 306. Vgl. C. J . Dumont, Les Voies de l'Unite Chritienne, Paris 1954, 127. 188 Congar, Chr6tiens 297, Anm. 1. V o m selben Verfasser: Faut-il dcsirer que les dissidents tombent dans ['indifference religieuse? in: La Vie Spirituelle, Supplement octobre 1936, 172—178. 189 Thijssen a . a . O . 104f. 190 Vgl. oben S. 156. 191 Gribomont a.a.O. 358 und 360; Thils a.a.O. 189; Congar, Chretiens 302f., 305. 185
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kat „ K i r c h e " selbst zuerkennt und endend mit der grundsätzlichen Bestreitung des „Kirchencharakters der nichtkatholischen christlichen G r u p p e n " finden sich terminologisdi die mannigfachsten Nuancen 1 9 2 . D a m i t erhebt sich wieder die Ausgangsfrage 1 9 3 : Wie kann denn, wenn anderen christlichen Gemeinschaften auch nur eine Spur von ekklesialem Charakter zuerkannt wird, die absolute Einheit und Einzigkeit der römischen Kirche aufrechterhalten werden? Muß man nicht zugeben, daß die anderen Kirchen bei ihrer Trennung davon etwas abgebrochen und mitgenommen haben, das jetzt der römischen Kirche fehlt und ihr nur im Falle einer Rückkehr jener Kirchen wieder zuteil werden würde 1 9 4 ? D a ß die römische Kirche also ohne die anderen Kirchen doch nicht ganz vollständig ist? Dumont entgegnet diesen Einwänden 1 9 5 : Christus hat seiner (d. h. der römischen) Kirche die vier notae der Einheit, Heiligkeit, Katholizität und Apostolizität in essentieller Vollkommenheit verheißen. Wenn sie eine dieser Eigenschaften nicht mehr, und zwar nicht mehr essentiell vollkommen, besäße, hätte sie ihre Existenz als Kirche aufgegeben, hätte sie aufgehört zu sein, was sie ihrem Wesen nach sein soll. Infolgedessen kann der Vollbesitz dieser notae in der römischen Kirche nicht im leisesten angetastet werden. Jeder Gedanke an eine Ergänzungsbedürftigkeit an diesem Punkt wird scharf zurückgewiesen 196 . Freilich ist das noch nicht alles, was dazu zu sagen ist; denn bei der Kirche ist wie bei allen anderen Dingen eine essentielle Perfektion von einer auch akzidentellen zu unterscheiden. Die erste versichert sie des Vollbesitzes aller Elemente, die ihre indefektible N a t u r konstituieren, die zweite meint die Art und Weise, in der sich jedes einzelne dieser essentiellen Elemente effektiv verwirklicht hat. D o r t ist ein absoluter Vollbesitz zu behaupten, hier ist R a u m für eine unendliche Verschiedenheit von Abstufungen, für Entwicklung und Fortschritt wie auch für Mißbildung und Verfall 1 9 7 . 192 Ersteres in einer Predigt des Bischofs Döpfner sogar in bezug auf die evangelische Kirche (US 11, 1956, 51), letzteres bei Schmaus a.a.O. III/l, 430ff. Bemerkenswert ist in diesem Zusammenhang Congars Versuch, die orthodoxen Kirchen in einer vorsichtigen Analogie zu lokalen Bischofskirchen zu sehen (Note sur les mots „Confession", „ E g l i s e " et „Communion", Irin. 23, 1950, 3—36, hier 28; vgl. dazu auch Gribomont a.a.O. 358, Anm. 1 und Sartory II, 356ff.). Lialine (Une £tape en ecclisiologie, Ir£n. 20, 1947, 45) nennt sie unter Zugrundelegung des thomistischen Leibbegriffes (vgl. oben S. 94 mit Anm. 229) „Corps mystique potentiel". 193 Vgl. oben S. 129. 194 Vgl. Gribomont a.a.O. 356: „ . . . jeder Bruch der Einheit bringt die Integrität des Glaubens in Gefahr." 195 Dumont a.a.O. 70. Vgl. auch Thils a.a.O. 194 und Hanahoe a.a.O. 315. we Vgl. die scharfe Zurechtweisung, die die Instructio „Ecclesia Catholica" der Meinung erteilt: „in rebus dogmaticis ne Catholicam quidem Ecclesiam iam habere plenitudinem Christi, sed ab aliis eandem perfici posse" (a.a.O. 144). 197 Das hat bei Dumont die ganz reale Folge, daß er ein Gebet um die Einheit der Kirche als unangebracht ablehnt, insofern es die essentielle Einheit meint; denn
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Nachdem diese Autarkie der römischen Kirche „ q u o a d substantiam" mit allem Nachdruck verkündet ist, kann man unbefangen von dem sprechen, was ihr aktuell durch das Getrenntsein der anderen Kirchen fehlt. C o n g a r hat das vor mehr als z w a n z i g Jahren sozusagen klassisch formuliert und alle späteren Autoren greifen auf seine Darstellung zurück 1 9 8 : D i e Abtrennung anderer Kirchen ist an der römischen Kirche keineswegs spurlos vorübergegangen, deren Wiedereingliederung würde sich durchaus merklich und positiv für sie auswirken können. Was sie dadurch gewönne, würde man etwa eine Lebensausweitung ihrer Katholizität, größere Fülle und größeren Reichtum in der Aktualisierung christlicher Werte nennen. „Weil Rußland orthodox und die skandinavischen Länder lutherisch sind, fehlt der Kirche eine slawische und eine nordische Ausprägung der einen und ,vielfarbigen' G n a d e C h r i s t i . . . Es gibt dort eine Entfaltung christlicher Werte, die bei den romanischen oder angelsächsischen Völkern keine Entsprechung hat. D o r t hat die Menschheit Erfahrungen gemacht und Möglichkeiten entwickelt, die ein ursprüngliches Wachstum ihres Lebens darstellen . . . Was es an Reinem in der protestantischen oder orthodoxen Frömmigkeit oder in jener pietas anglicana g i b t . . ., fehlt der katholischen Kirche; natürlich nicht ihrer Substanz, die wirklich katholisch ist, aber dem Ausdruck ihrer Entfaltung, der Inkarnation ihrer lebendigen Grundsätze, oder wenigstens der Fülle dieses Ausdrucks und dieser I n k a r n a t i o n . " „ Q u o a d substantiam" besitzt die römische Kirche eine absolute Fülle alles christlichen und kirchlichen Gutes, „ q u o a d explicationem" könnte sie noch große Bereicherung erfahren. Beide Gesichtspunkte, die essentielle Vollkommenheit und die akzidentelle Ergänzungsbedürftigkeit der römischen Kirche, werden nun in der Beurteilung der von ihr getrennten Kirchen berücksichtigt. Essentiell sind sie auf jeden Fall unvollkommen, weil ärmer als die ecclesia catholica R o m a n a 1 0 9 , während die akzidentelle Entfaltung einzelner Elemente durchaus einmal weiter fortgeschritten sein kann als dort. Diese Tatsache bedeutet ebenso sicher, daß für die römische Kirche grundsätzlich die Möglichkeit einer Bereicherung offensteht, wie andrerseits, daß diese Bereicherung der Sache nach immer nur eine Aktualisierung, Explikation, Ausformung eines auch diese ist seit Pfingsten sichtbar in der römischen Kirche verwirklicht, wird es immer sein, und wer sie überflüssigerweise noch erbittet, verrät dadurch nur, daß er die ecclesia catholica Romana nicht für die societas (essentialiter!) perfecta hält. Das „weite Feld", das sich für unser Gebet auftut (a.a.O. 71) erstreckt sich ausschließlich auf die akzidentelle Einheit. — Im übrigen entsprechen der Unterscheidung „essentiell— akzidentell" bei anderen Autoren die Begriffspaare: substantiell — aktuell, implizit — explizit, keimhaft — ausgeformt, vgl. Congar, Chrdtiens 315 und 319; SartoryI, 192; Thils a . a . O . 194. 198 Congar, Chretiens 316—319, hieraus im folgenden einige bezeichnende Abschnitte. Vgl. außerdem Colombo a.a.O. 301 ff.; Thils a.a.O. 195; Sartory I, 192ff.; Journet a . a . O . II, 1222ff. 180 Vgl. oben S. 157 mit Anm. 117.
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vorher schon vorhandenen Keimes sein kann. Wo diese Bereicherung der römischen Kirche durch die Rückkehr der anderen Kirchen Wirklichkeit würde, erführen natürlich auch diese eine Bereicherung, ja noch mehr: eine Vollendung, und zwar essentieller Art, dadurch, daß sie dann an der perfectio der ecclesia Romana teilbekämen. Was sie an wirklichen Gütern besitzen, brauchten sie nicht im geringsten preiszugeben (was abgeschnitten würde, wäre nur die sündhaft-eigenwillige Verbiegung und Verdunkelung des Guten); vielmehr würden diese Güter, denen ja, wie gezeigt wurde, selbst in der orthodoxen Kirche immer das letzte Siegel der Einheit fehlt, durch eine Rückkehr ihrer ureigensten Bestimmung zugeführt. Hier wirkt sich Gribomonts Gedanke von dem inneren Zusammenhang aller Sakramente200 fruchtbar aus: Die vestigia ecclesiae wollen immer zu notae werden, und eben das geschieht, wenn sie in die römische Kirche integriert werden. Dann werden jene Werte an ihren ursprünglichen Platz versetzt, von dem sie einst freventlich weggerissen wurden, dann verschwinden Verformungen und Verkürzungen, denen sie mittlerweile preisgegeben waren, von selbst, weil der neue und zugleich alte Zusammenhang die wahren und richtigen Beziehungen schafft. Keinerlei Verlust von Werten würde eine solche Rückkehr für die getrennten Kirchen bedeuten, sondern vielmehr deren essentielle Vollendung201, auf die jedes vestigium seinem innersten Wesen nach hinstrebt. Und darum ist „Rückkehr" der einzige Weg, den die vestigia zeigen. Trotz aller Unklarheit, die der Vestigialehre bis zur Stunde anhaftet, wird man deren Übernahme in die römische Theologie doch als ökumenischen Fortschritt werten dürfen. Ist nicht allein schon die Tatsache bemerkenswert, daß man auf römischer Seite die positiven Werte in den anderen Kirchen überhaupt einmal sieht, diese Kirchen — und zwar eben auf Grund dieser Werte — als Kirchen anerkennt und deren Glieder — und zwar eben wegen ihrer Gliedschaft dort — als Brüder bezeichnet? Man hat endlich aus dem unmöglichen Zustand, daß der eine Leib Christi verwundet ist, einmal nicht bloß das Recht abgeleitet, die „anderen" zu verketzern und zur verdammen, sondern man hat sich auf das gemeinsame Glaubensgut besonnen und dieses nun nicht bloß gefühlsmäßig umrissen, sondern auch theologisch zu durchdringen versucht. Das große Hindernis, das der römischen Kirche den Beitritt Vgl. oben S. 156 f. Nur „essentielle" Perfektion, weil auch für den Fall einer Integration aller bei den christlichen Konfessionen vorhandenen Werte in die römische Kirche deren Explikation zwar erheblich fortgeführt, aber keineswegs notwendigerweise zu ihrem Endpunkt gebracht würde, vgl. hierzu Thils a . a . O . 193, Anm. 1. Die Instructio „Ecclesia Catholica" formuliert die hier zutage tretenden Grundsätze folgendermaßen: „Hii (die Dissidenten) quidem edoceantur se ad Ecclesiam redeuntes nihil esse perdituros eius boni, quod gratia Dei in ipsis hucusque est natum, sed per reditum id potius completum atque absolutum iri. Attamen non ita de hoc est loquendum, ut ipsi sibi videantur redeuntes aliquid substantiale afferre ad Ecclesiam quod in Ipsa hactenus defuerit" (a.a.O. 144). 200
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zum ökumenischen Rat verbot 202 , besteht zwar nach wie vor, aber der Weg der vestigia, in den die Gliedkirchen des ökumenischen Rates ihre H o f f nung gesetzt haben, daß er in der Zukunft zur Anerkennung der vollen Wahrheit führt 2 0 3 , ist jetzt auch hier zumindest nicht von vornherein als falsch abgetan, sondern — wenigstens formal — beschritten worden. Dies sollte, so bescheiden es aussehen mag, keinesfalls zu gering bewertet und auch hinter der folgenden notwendigen Kritik nie aus den Augen gelassen werden. Freilich wird ein fundamentaler Unterschied zwischen der Vestigialehre hüben und drüben alsbald deutlich. Die Gliedkirchen des ökumenischen Rates haben sich mit ihrer Übernahme zugleich einen unerhörten Angriff auf ihr kirchliches Eigenbewußtsein gefallen lassen 204 . Sie konnten angesichts der heutigen Lage der Christenheit jener Paradoxie zwischen Exklusivität und einer gewissen Gleichberechtigung nicht ausweichen; sie haben sich ihr ausgesetzt — so wenig sie eine Lösung dafür finden konnten. Anders auf der Gegenseite: Die römische Kirche hat sich auch über die vestigia nicht das Geringste, weder von ihrer Einzigkeit noch von ihrer Katholizität, in Frage stellen lassen. Die Votumlehre konnte von einem bestimmten Aspekt aus als der Versuch gesehen werden, den römisch-katholischen Anspruch auf alles im persönlichen Bereich vorkommende Gute, Positive, Christliche zu erläutern und zu beweisen 205 . Das ist im objektiven Bereich unbedingt gleichgeblieben; gerade die letzte Wendung der obigen Ausführungen hat gezeigt, wie die römische Kirche sich — wenigstens substantiell — im Vollbesitz alles Glaubensgutes weiß und den Gedanken an eine sachliche Ergänzung weit von sich weist. Dies hat zur Folge, daß das Ziel aller Einigungsbestrebungen, die eine Herde 2 0 0 , im Gegensatz zum evangelischen Verständnis, jetzt schon konkret vor Augen steht: in der societas perfecta, die römisch-katholische Kirche heißt. Auf der eigenen Seite kann diese Folge durch ihre Klarheit und Festigkeit nur imponieren; bei den anderen Kirchen jedoch muß sie desto bestürzender wirken: Diese haben jetzt (genau wie oben der „einzelne") als einzigen Weg die Konversion zur römischen Kirche vor sich, der sich freilich hier noch folgenschwerer bemerkbar macht als dort, weil bei einer Einzelkonversion wenigstens die Person des Menschen noch bestehenbleibt, während sie bei den Kirchen nichts weniger heißt als Selbstauflösung und Selbstaufgabe 207 . Dieses Ergebnis kann nicht unwidersprochen bleiben. Der Weg, der dazu führte, ist aufgezeigt worden; so ergibt sich die Notwendigkeit, auf dessen einzelne Stationen einige kritische Rückblicke zu werfen; denn das Aus202
Vgl. 203 Vgl. 204 Vgl. 2oe v g i . 207 Vgl.
oben S. 12ff. Torontodokument IV, 5, EvTheol a.a.O. 205 oben S. 148 ff. Vgl. oben S. 106 und S. 115. d e n Schluß des Torontodokuments, EvTheol a.a.O. 316. oben S. 128. 173
einandergehen von römischer und evangelischer Theologie wird sich auch an diesem Punkt längst vor dem Ziel bemerkbar machen. Methodisch gesehen kann die römische Vestigialehre in der ihr eigenen Form überhaupt nur auf Grund der stillschweigend vorausgesetzten Übereinkunft entfaltet werden, daß als die menschliche Eigenmächtigkeit, die aus den notae durch Abspaltung vestigia gemacht hat, immer nur die Sünde „per substractionem" in Frage kommt. In den beredten Klagen über die Einbuße, die Verminderung, die Bruchstückhaftigkeit, in der die römischkirchliche Substanz in anderen Kirchen existiert, sieht man ausschließlich die Gefahr des Abstrichs, den die Häresie bedeutet; seltsamerweise aber wird nie der Gedanke geäußert, daß durch illegitime Zufügung ein gleiches Unheil angerichtet werden könnte. Um in einem Bild zu sprechen: Ein Baum kann durch Verkümmerung an seiner guten und wesensgemäßen Entfaltung gehindert werden — dafür hat man in der römischen Theologie einen scharfen Blick — , aber er kann das auch dadurch, daß er „ins Kraut schießt", daß er an artfremden Wildwucherungen, an „Krebsgeschwülsten" leidet — und das sieht die römische Theologie an keiner Stelle. Das römisch-katholische Vorgehen bei der Näherbestimmung der vestigia stellt das genaue Gegenstück zu Turrettinis Methode dar. 2 0 8 Dieser war von dem der Kirche zugrunde liegenden Lehrganzen ausgegangen, hatte dabei zunächst dessen mögliche Beeinträchtigung „per additionem" (durch Beimischung von Irrlehren, ζ. B. in der römischen Theologie) und „per subtractionem" (durch Streichung heilsnotwendiger Stücke, ζ. B. bei den Sozinianern) ins Auge gefaßt, sodann aber die vestigia ausschließlich dort gesucht und bestimmt, wo die Heilsgüter per additionem korrumpiert sind. D a ß diese Unterscheidung willkürlich und von der Sache her unbegründet ist, wurde oben näher erläutert. Turrettini hat diesen Lehrpunkt nicht weiter ausgebaut, aber in der römischen Theologie zeigen sich die Folgen jener Unterscheidung alsbald: Hier wird umgekehrt nicht gesehen, daß die notae ecclesiae immer auch „per peccatum additionis" gefährdet sind, vestigia zu werden, und einseitig das „peccatum subtractionis" zur Diskussion gestellt. Häresie ist Abstrich und niemals Zufügung — dieser durchaus anfechtbare Satz ist notwendige Prämisse für die Gestalt der römischen Vestigialehre; denn nur von ihm her ist es zu begründen, daß die römische Kirche von vornherein nicht in jene Klemme von Exklusivität und Gleichberechtigung gerät. Sie braucht ihre notae nur nach unten vor dem Abgleiten zu bewahren; nach oben hin ist die Fülle, das Mehr, der Reichtum, der gar nicht umfassend genug sein kann, dessen Ausweitung zum Ziel der eigenen wie der anderen Kirchen gemacht wird. In der Konzeption des ökumenischen Rates war die Vestigialehre dadurch, daß die notae von zwei Seiten bedroht gesehen wurden, ein ganz schmaler Pfad, neben dem rechts und links ein Abgrund gähnte; in der rö209
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Vgl. oben S. 140 ff.
mischen Theologie sieht man den Abgrund nur auf einer Seite, während sich auf der anderen das weite und deshalb ohne Gefahr zu begehende Feld der „Fülle" auftut. Die „additio" wird hier ausschließlich als Bereicherung, nie aber als Verfälschung gesehen; nicht die Reinheit des heilsvermittelnden Gnadenschatzes ist das Wesentliche, sondern die Fülle. Aber es geht nicht an, eo ipso dieses positive Vorzeichen f ü r jede Weiterentwicklung vorauszusetzen. Die Entfaltung der Lehre wird immer auch von irrtümlichen Beimischungen bedroht, dabei kann es immer audi ein unorganisches Zuviel geben, das von außen her bis in den innersten Kern hinein vergiftend oder zerstörend wirkt, eine Gefahr, der die römische Kirche nach evangelischer Überzeugung nicht nur gegenübersteht, sondern der sie in bedenklichem Maße bereits verfallen ist. Sie hat sich von jener die Gliedkirchen des ökumenischen Rates beunruhigenden Paradoxie losgekauft, aber um den Preis einer — vielleicht unbewußten — Selbsttäuschung, welche die verfälschende Wirkung eines Zuviel nicht erkennt, und ohne deren Einseitigkeit ihre Exklusivität erheblich erschüttert würde 2 0 9 . Die römisch-katholische Kirche ist die Kirche Jesu Christi — dieser Satz ist Ausgangspunkt und Maßstab f ü r die Beurteilung der anderen Kirchen, und die dabei zum Zuge kommende Methode ist verhältnismäßig einfach und in allen Fällen anwendbar: Alles, was sich dort an Glaubensgehalt findet, wird daraufhin geprüft, ob und inwieweit es „katholisch" ist, und je nachdem, ob es diesem Endziel näher oder ferner steht, wird es wertmäßig eingestuft. Von da aus gesehen ist es lediglich eine Frage der Zeit und des Fleißes, wann jedes Stück des Glaubensgutes jeder Kirche solchermaßen von römischer Seite her qualifiziert sein wird. Bedenklich ist dabei nur, daß die genuine Aufgabe der vestigia, gerade die Besonderheiten einer Schwesterkirche tunlichst zu erfassen, durch diese Systematik erheblich eingeengt wird. Am deutlichsten wurde dies bei der Erörterung des evangelischen Wortverständnisses durch Sartory 2 1 0 : Hier erwies sich ein bloßer Vergleich nach römisch-katholischen Kategorien als schlechterdings unzureichend, um die spezifische Eigenart zu erfassen. Diese Beispiele könnten vermehrt werden: Genügt es etwa wirklich, das vestigium der lutherischen Rechtfertigungslehre damit zu kennzeichnen, daß diese, außer ihrem positiven — „katholischen!" — Anliegen, die Alleinwirksamkeit Gottes zu bezeugen, grob gesprochen nur als eine folgenschwere Verkürzung der menschlichen Beteiligung im ordo salutis zu sehen ist? U n d das bisher von römischer Seite 209
Vgl. die Auseinandersetzung zwischen Hugo Schnell und Max Lackmann über den Begriff der „Fülle" in ELKZ 12, 1958: H. Schnell, Der praecipuus locus doctrinae und die „katholische Fülle". Offener Brief an Pfarrer Max Lackmann zur Schrift „Ein Hilferuf aus der Kirche für die Kirche" (a.a.O. 104ff.), und Max Lackmann, Wenn dein Wort nicht mehr soll gelten . . . Antwort auf den offenen Brief von Oberkirchenrat H. Schnell (a.a.O. 184ff.). 210 Vgl. oben S. 165ff. 175
über das evangelische Abendmahl verlautete „nicht nichts" 211 stellt sogar nach eigenem Empfinden ein Zeugnis großer Hilflosigkeit dar. Hinzu kommt eine zweite Beobachtung, die sich dem „Nichtkatholiken" unbedingt aufdrängt, für römisch-katholisches Denken aber nicht leicht zu verstehen sein wird. Es ist die Tatsache, daß an den „anderen" Kirchen die höchst kritische Scheidung zwischen richtig und falsch (gut — sündig, katholisch — nichtkatholisch) vorgenommen wird, während sie bei der eigenen Kirche durchaus unterbleibt 212 . Der Außenstehende fragt hier unwillkürlich: Warum nicht gleiches Recht für alle? Aber diese Forderung ist dem römischen Verständnis auch bei bestem Willen unerfüllbar; denn sie würde nidits anderes bedeuten, als die römische Kirciie an sich selbst zu messen, insofern ja Maßstab (die Kirche Christi) und Meßobjekt (die römisch-katholische Kirche) identisch sind. Damit gelangt man zum Kern der Sache, nämlich zum Aufweis jener Identität, die die Basis für alle obigen Überlegungen darstellt. Geht man freilich diesem Aufweis genauer nach, so wird er an seinen entscheidenden Punkten recht fragwürdig. Das wird deutlich an Dumonts oben 213 skizziertem Gedankengang, der die perfectio der römischen Kirche aus einer Verquickung von Verheißung und empirischer Wirklichkeit dartut, welche als nicht stichhaltig zurückgewiesen werden muß: Christus hat seiner (d.h. der römischen) Kirche den Vollbesitz der notae verheißen; ohne diesen würde sie längst zu existieren aufgehört haben. Da das aber offensichtlich nicht der Fall ist — die durchaus existierende römische Kirche ist ja ein sprechender Gegenbeweis —, muß für sie die Verheißung ganz und ausschließlich zutreffen. In dieser Gedankenführung aber liegt ein verhängnisvoller Trugschluß: Zu dem kompromißlosen Glauben an Christi Verheißung kann man zwar nur ja sagen (wobei einen freilich der Wortlaut dieser Verheißung interessieren würde), aber er ist nur die eine Seite der Sache. Wo bleibt jedoch das andere, das unabdingbar hierher gehört: die unablässige apostolische Mahnung, das anvertraute Erbe vor allen Verfälschungen rein zu bewahren? Die eindringliche Warnung vor der Sünde, die dieses Gut in jedem Augenblick zerstören und verderben möchte und das auch immer wieder tut? Die Verheißung ist mit der gegenwärtigen Wirklichkeit niemals unkritisch gleichzuschalten, sie hat vor dieser den unbedingten Primat und müßte der Kirche stets als Prüfstein für ihre Qualität vor Augen stehen, kann aber unter keinen Umständen nur einseitig als nachträgliche Legitimation für gegenwärtige Zustände verwendet werden. Verheißung bedeutet neben der Bestätigung der geschichtlichen Wirklichkeit immer zugleich auch 211
Vgl. oben S. 164. 212 Vgl oben S. 100, wo in der Votumlehre in einer gewissen Analogie hierzu römische Katholiken und Nichtkatholiken bezüglich der Gliedschaft mit jeweils verschiedenem Maßstab gemessen werden. 213 Vgl. oben S. 170. 176
Gericht über sie. Diese zweite Seite aber wird in der römischen Theologie nicht gesehen 214 . Statt dessen sucht man nach einer weiteren Begründung für die perfectio der römischen Kirche, indem man neben dem oben wiederholt diskutierten Rückgriff auf die entsprechende päpstliche Erklärung 2 1 5 noch auf eine „äußere göttliche H i l f e zur Erfüllung der Glaubenspflicht" 2 1 6 hinweist. Gemeint ist die dem glaubensmäßigen Erfassen eines Lehrsatzes vorausgehende, im Bereich der ratio wirksame Evidenz desselben 217 . Diese Motivierung unterliegt jedoch gerade im Blick auf die Ekklesiologie den schwersten Bedenken. Zunächst einmal würden wohl die meisten römisdien Theologen zu einer grundsätzlichen sauberen Trennung zwischen Verstehen und Glauben, wie sie in der evangelischen Theologie gerade während der letzten Jahrzehnte kenntnis, daß zwischen dem verstandesmäßigen Durchdringen und der glauin zunehmendem Maß zutage getreten ist, ihre Zustimmung geben; der Erbenden Annahme eines Glaubensinhaltes stets ein nicht näher erklärbarer „ S p r u n g " sich vollzieht, hat sich auch die römische Theologie mehr und mehr geöffnet. D a n n aber muß auch eine rein rationale Betrachtung des Abschnittes aus der vatikanischen „constitutio de fide catholica" erlaubt sein, für die freilich jene Einseitigkeit der Argumentation womöglich noch augenfälliger zum Vorschein kommt. Der Glaube an die Kirche soll rational gestützt und motiviert werden — aber kann das geschehen, indem man deren Vorzüge herausstellt, die Schattenseiten aber nicht erwähnt? Denn nichts anderes geschieht doch in jenem Abschnitt „ d e fide catholica": Die wunderbare Verbreitung der römischen Kirche wird genannt, ihre Mißerfolge ebenso wie die Ausdehnung anderer Kirchen verschwiegen, die Heiligkeit wird genannt, die Weltverfallenheit verschwiegen, die Einheit genannt, die Zersplitterung versdiwiegen, die Beständigkeit genannt, die Hinfälligkeit verschwiegen. In einer ernsthaften Diskussion dürfte nicht einfach die zweite H ä l f t e wegfallen; wenn schon die Eigenschaften der Kirche angeführt werden, dann müßten es alle sein und nicht bloß die von einer bestimmten Tendenz getroffene Auswahl. Es scheint einem solchen Verfahren gegenüber nur zwei legitime Möglichkeiten zu geben: Entweder man bezieht angesichts dieser Dialektik den Standpunkt des Glaubens, der durch die Niedrigkeit der Kirche hindurch an ihrer Göttlichkeit festhält — dann aber müßte man von vornherein auf jede rationale Argumentation verzichten. Oder man nimmt diese für das, was sie sein will, für ein „divinum auxilium externum ad implendem fidei officium", muß dann aber im Bereich des Verstehens die Gegenargumente des Gesprächspartners akzeptieren, sich unter Umständen gefallen lassen, daß sie das Übergewicht gewinnen und damit riskieren, daß das mo2H Vgl. Weiterführung dieses Gedankens unten S. 195 ff. 215 Vgl. oben S. 54ff. und S. 152 mit Anra. 98. 217 Vgl. oben S. 152f. D 1794. 12
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Dietzfelbinger, Grenzen
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tivum credibilitatis in seiner Evidenz empfindlich gestört, wo nicht gar außer Kraft gesetzt wird. In jedem Fall aber ist der direkte Weg von der verstandesmäßigen Einsicht zur glaubenden Bejahung unterbrochen; der rationale Glaubwürdigkeitserweis taugt nicht als Stütze f ü r den Glauben an die perfectio der Kirche 218 . Erscheinen diese Erweise der perfectio der römischen Theologie in neuerer Zeit selbst nicht mehr ganz tragbar? Die Übernahme der Vestigialehre und die daraus geführten Deduktionen lassen dies vermuten. Man konte sich, wohl nicht zuletzt durch die Entwicklung der ökumenischen Bewegung veranlaßt, der Tatsache nicht mehr verschließen, daß die Existenz, das Anwachsen und der Zusammenschluß anderer Kirchen jenes alte römischkatholische Postulat auf absolute Exklusivität immer fragwürdiger machen und zur Auseinandersetzung herausfordern. Man hat diesem Angriff die Übertragung der scholastischen219 Unterscheidung zwischen essentiell und akzidentell auf die perfectio ecclesiae gegenübergestellt. Darin ist auf der einen Seite zweifellos ein Zurückstecken der bisherigen Ansprüche zu sehen, auf der anderen Seite freilich können diese gerade in ihrer eingeschränkten Form nun um so unangreifbarer geltend gemacht werden. Man muß der faktisch immer deutlicher ans Licht tretenden „imperfectio" wohl die Konzession machen, daß man sie sieht, aber man tut es mit der gleichzeitigen Versicherung: daß es auf die Dinge, die sie betrifft, letztlich ja gar nicht unbedingt ankäme; dies zu bezeichnen benützt man das Wort „akzidentell". Dabei ist zu bedenken, daß man es bisher unterlassen hat, Essentielles und Akzidentelles inhaltlich festzulegen, infolgedessen kann man bei diesen Ausdrücken je nach Erfordernis Form und Inhalt wechseln. Damit besitzt man die Möglichkeit, die Perfektion der Kirche so zu prätendieren, daß sie unbestreitbar ist, und gleichzeitig der Wirklichkeit gerecht zu werden. Sollte die Erfahrung auf allzu offenkundige Mängel aufmerksam machen, so braucht man diese nur als „akzidentell" zu bezeichnen, um die perfectio zu retten. Außerdem entfällt damit der etwaige Einwand der getrennten Kirchen gegenüber der römisch-katholischen Versicherung, sie hätten keine Güter, die nicht römisch-katholisches Eigentum wären und brauchten infolgedessen bei der Rückkehr auch keinerlei Verlust zu befürchten. So konnte beispielsweise f ü r das evangelische Verständnis vom Wort Gottes in der römischen Theologie nichts Entsprechendes aufgewiesen werden. Ist die evangelische Theologie nicht doch vielleicht an diesem Punkt weiter? Durchaus, mag man zugestehen, aber natürlich nur akzidentell — und wieder bleibt die perfectio unangetastet. Der letzte Zweck dieser Unterscheidung ist offensichtlich die Verteidigung jenes Exklusivitätsanspruches der römischen Kirche. Dieses Endziel steht 2X8 vgl. di e abschließende Erörterung dieser Frage unten S. 188 ff. 219 Vgl. Dumont a.a.O. 126. 178
nadi wie vor fest, nur wird, um es zu erreichen, jetzt der neue Weg der vestigia beschritten, nachdem die alten nicht mehr ohne weiteres dahin führen. Ist dies aber der eigentliche Grund f ü r die Übernahme jener Lehre, so haben die vestigia damit nun eine rein apologetische Funktion 220 bekommen, an Stelle der ökumenischen, die sie im evangelischen Raum hatten. Daß diese Verschiebung der Aufgaben auch den sonstigen Charakter dieser Lehre von Grund auf wandelt, dürfte nicht mehr schwer zu erweisen sein. Von hier aus läßt sich auch begreifen, daß das Interesse am Wesen der Heils- und Glaubensgüter in anderen Kirchen, welches zu wecken die Vestigialehre ursprünglich ausgebildet wurde, in der römischen Kirche merklich geringer geworden ist. Wenn die vestigia ihre Hauptaufgabe erfüllt und die perfectio der ecclesia catholica Romana erwiesen haben, dann tritt dahinter ihre eigene Erforschung und Erfassung spürbar zurück. So ist man etwas enttäuscht, wenn einem bei Thijssen auf Asmussens Frage an die römischen Katholiken: Was ist euch widitiger: D a ß Menschen katholisch sind oder daß sie christlich sind? — eine große Verständnislosigkeit entgegentritt 221 . Diese Frage enthielte nämlich eine Unterscheidung, die der Sache „vestigia ecclesiae" sehr zugute kommen könnte. Aber man läßt sich darauf nicht ein, sondern erklärt bündig: „Christlich sein und werden heißt katholisch sein und werden, eine Alternative gibt es nicht." 222 Und es ist audi kein fundamentaler Schaden mehr, daß man zum Verständnis der einzelnen vestigia — der Ehe, der anglikanischen Weihen, des evangelischen Predigtamtes — unzureichende Kategorien mitbringt: Da es für den Bestand der römischen Kirche nichts hergibt, sondern f ü r manchen Katholiken vielleicht sogar gefährlich sein könnte, wenn er diese Dinge zu genau kennt, können sie nie eine letzte Bedeutung gewinnen. Davon abgesehen, wäre zu überlegen, ob das Interesse für Güter anderer Kirchen überhaupt zu größerer Tiefe gelangen kann, wenn man sich selbst im Vollbesitz aller kirchlichen Güter weiß. Die vestigia ecclesiae sind „dynamische Elemente", meint die Torontoerklärung 223 , die „zu der Hoffnung berechtigen, daß die Kirchen, die sie bewahren, in vollere Wahrheit geleitet werden". Insofern darf man in ihrer 220 Von hier aus erweist es sich als durchaus berechtigt, wenn Thils die Wurzeln der Vestigialehre in der älteren Apologetik aufzeigt, vgl. oben S. 151 f. m Thijssen a.a.O. 95; Asmussen a.a.O. 381. 222 Nach dieser Terminologie verliert die von Congar und Thijssen oben S. 169 gegebene Auskunft über den die evangelischen Kirchen betreffenden Wunsch ihre Doppelseitigkeit und heißt eindeutig: Diese sollen immer römischer und zuletzt ganz römisch werden. Und es ist dann im Grunde nur eine Frage der Methode und des Standpunktes, ob man dieses Ziel durch Destruktion und Neuaufbau oder durch Mitverwendung des schon Vorhandenen anstrebt. Mit „christlich" ist „römischkatholisch" gemeint; denn eine etwa dem Selbstverständnis der betreffenden Kirche entsprechende Christlichkeit ist undenkbar. 223 Vgl. Torontodokument IV, 5, EvTheol a. a. O.
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Übernahme durch die römische Kirche als solcher so etwas wie einen ökumenischen Fortschritt nicht verkennen. Das ist freilich nur die eine Seite; denn es wurde gerade im letzten Abschnitt deutlich, wie die vestigia hier ihrem eigentlichen Zweck doch merklich entfremdet und einem anderen Ziel zugeordnet sind. Um die richtige Sicht zu gewinnen, muß man sich klarmachen, daß die Vestigialehre, solange sie reine Methode bleibt, sozusagen ökumenisch neutral ist und sich ebenso zugunsten wie zuungunsten der nichtrömischen Gemeinschaften auswirken kann 2 2 4 . Aber selbst von dieser Neutralität kann in der römischen Theologie nicht gesprochen werden; die Vestigialehre ist dort einem Zweck untergeordnet, der, jedenfalls im gegenwärtigen Stadium, eindeutig die Absorption aller nichtrömischen Gemeinschaften anstrebt. 224 "Cette vision (der vestigia) . . . riprdsente un effort de νέώέ, tenant compte de nuances qui peuvent jouer aussi bien en difaveur des communautis non-romaines qu'en leur faveur" (Thils a.a.O. 196).
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SCHLUSS
Verborgene und offenbare Kirche Will eine Untersuchung Aussicht darauf haben, als Partner in das kontroverstheologische bzw. ökumenische Gespräch aufgenommen zu werden, so muß sie die fremde Position sicherlich mit größtmöglichem Einfühlungsvermögen kennenzulernen und mit äußerster Sorgfalt darzustellen trachten, aber ihre Aufgabe darf sich darin nicht erschöpfen. D a r u m ist es auf den obigen Seiten keineswegs nur beim Referieren und Vergleichen geblieben, sondern es mußten immer wieder Einzelfragen oder Gesamtprobleme auch kritisdi erörtert werden. Freilich ist es bei den an O r t und Stelle erhobenen Einwänden jeweils nur möglich gewesen, den Gedankengang bloß ein Stück weit zu führen, wie es eben der Stand der Diskussion gerade erforderte, und das hatte gelegentlich die wiederholte Aufnahme desselben Problems zur Folge. Zu liefern bleibt jetzt am Ende noch eine systematische Zusammenfassung und Beschließung der hauptsächlichsten kritischen Punkte; das soll in diesem letzten Kapitel versucht werden. Bei jeder Erhebung von Kritik besteht die Gefahr, daß der Eindruck erweckt wird, als wüßte der Kritiker sofort auch an die Stelle der Gedanken, Darlegungen und Sdilußfolgerungen, mit denen er nicht einverstanden ist, selber etwas Besseres und Einleuchtenderes zu setzen. Aber man muß einer solchen Meinung wohl widersprechen. Freilich wirft dieser Widerspruch zugleich ein bezeichnendes Licht auf die Stellung des Kritikers zu dem, der die Kritik über sidi ergehen läßt. Der Kritiker kann nämlich unter dieser Voraussetzung vor seinem Gegenüber niemals den Platz des „beatus possidens" beanspruchen, sondern er muß es jederzeit aufzunehmen bereit sein, wenn dieses ihm den Einwand zurückgibt und ihn nun umgekehrt nadi seiner konstruktiven Meinung fragt. Aus diesen Überlegungen ergibt sich f ü r die folgenden Ausführungen die grundsätzliche Weisung, daß alle wieder oder erstmalig auftauchenden Einwände gegen die römisch-katholische Lehre zuerst einmal nicht als einseitige, von hier nach dort gerichtete Polemik, sondern als f ü r die evangelische Ekklesiologie in gleicher Weise bedrängende Grundfragen betrachtet werden. Was dabei aus der evangelischen Theologie im Rahmen dieser Arbeit zur Sprache kommt, kann selbstverständlich keine 181
eigene, vollständige Ekklesiologie genannt werden; es wird sich vielmehr hier nur um Ausschnitte aus diesem Gebiet handeln, deren Auswahl und Umfang sich allein von der römisch-katholischen Fragestellung her erklären läßt. Dabei ist die folgende Diskussion in drei Teile gegliedert: Nach einer Erörterung grundsätzlich-formaler Fragen (S. 182—186) komma eine Auseinandersetzung über den Problemkreis „Kirche und Kirchen" (S. 186—198), die an einigen Punkten zugleich eine Ergänzung und Vertiefung des in Kapitel V I I Gesagten sein möchte. Schließlich folgt (S. 198—209) eine Besinnung über die Frage „Die Kirdie und der einzelne" aus evangelischer Sicht. Um ein Gespräch führen zu können, muß man einigermaßen wissen, welchen Inhalt der Partner mit diesem oder jenem Begriff bezeichnet, sonst redet man aneinander vorbei und sieht sachliche Differenzen, wo nur sprachliche Mißverständnisse vorliegen. So ergibt sich die Aufgabe, sidi über die angewandte Terminologie zu verständigen, und wenn das schon für das innerkonfessionelle Gespräch erforderlich ist 1 , dann erst recht f ü r das kontroverstheologische. Zu diesem Punkt seien jetzt, zum Schluß, einige Bemerkungen gestattet. Ich möchte mit einer persönlichen Beobachtung beginnen: Bei Gesprächen mit römisdi-katholischen Theologen, in denen ich midi auf die Enzyklika „Mystici Corporis" als Informationsquelle für die Gliedschaftslehre berief, wurde mir wiederholt der Hinweis zuteil: man dürfe eine Enzyklika nicht mit einem Dogma verwechseln. Von einem anderen evangelischen Theologen in ähnlicher Situation hörte ich, er habe dieselbe Auskunft bekommen, versehen mit dem Zusatz: die Lehre einer Enzyklika könne durchaus im Lauf der Zeit audi wieder fallengelassen oder überholt werden, was sich durch einen Vergleich etwa der beiden Bibelenzykliken „Providentissimus Deus" von Leo X I I I . und „Divino afflante Spiritu" von Pius X I I . 2 unschwer zeigen ließe. Mit dieser Antwort einstweilen beschieden, habe sidi jener evangelische Theologe nadi Erscheinen der Enzyklika „Humani Generis" wieder gemeldet: Wie es denn jetzt stünde, wo für die Enzykliken unter Berufung auf Lk. 10,16 die höchste Lehrautorität geltend gemacht werde 3 — das stimme doch wohl mit jener ersten Auskunft nicht gut überein? Darauf der Bescheid: Aber Sie sehen doch, daß das wieder nur in einer Enzyklika steht! Dies ist nur ein Einzelbeispiel für eine viel weitergreifende Problematik, f ü r die Frage nach der Verbindlichkeit kirchlicher Verlautbarungen überhaupt. 1 Es wurde oben deutlich, daß es sich z.B. in der Kontroverse Rahner-Mörsdorf „zum Teil bloß um eine terminologische Verschiedenheit handelt" (vgl. S. 43), und auch bei der Auseinandersetzung um das „mysticum corpus" stand ja in erster Linie ein Begriff im Vordergrund (vgl. oben S. 57). 2 ASS X X I X , 1896, 206ff. und AAS X X X V , 1943, 309ff.; in Auszügen D1941 ff. und 2292 ff. 3 D 2313.
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Sucht man im „Denzinger", der im Lauf der Zeit geradezu klassisch gewordenen Quellensammlung für die römische Lehre, die Art der Dokumente etwas genauer zu bestimmen, so ergibt sich eine große Vielfalt. Unter der Überschrift „Enchiridion symbolorum, definitionum et declarationum de rebus fidei et morum" finden sich ganz oder auszugsweise formell als solche definierte Dogmen, symbola, decreta und canones von Konzilien, formulae, constitutiones dogmaticae, declarationes, Bullen, Ansprachen, Briefe, Enzykliken, theses, monita, decreta des Sanctum Officium oder einer Kongregation, sowie schließlich die Form des Motu proprio und des Brevi 4 . Man weiß natürlich, daß innerhalb dieser Aufzählung dem erklärten Dogma eine eminente Bedeutung zukommt, weil es — zumindest in neuerer Zeit — ex cathedra unfehlbar verkündet wird. Aber ist unter den übrigen Formen nicht weiter zu differenzieren? Muß man nicht ζ. B. den an alle Bischöfe gerichteten Litterae encyclicae größere Verbindlichkeit zuerkennen als einer an einen einzelnen adressierten epistula? Und ist nicht darauf zu sehen, ob bei dem Bescheid auf eine unklare Frage die Antwort ausdrücklich im Namen des Papstes erfolgt oder (nur) mit der Autorität einer Kongregation? Sind die Worte einer päpstlichen Ansprache lediglich für die Teilnehmer einer bestimmten Audienz gedacht, oder wenden sie sich darüber hinaus an die ganze Christenheit? Sind die Verfügungen einer Enzyklika nur in eine einmalige Situation erlassen, oder handelt es sich um überzeitliche Anordnungen? Was hat es ferner dogmatisch zu sagen, daß man in dem vatikanischen Schema zwar kein Dogma, aber den repräsentativen Konsensus der Theologen damaliger Zeit zu sehen hat 5 , und welche Verbindlichkeit hat das oft zitierte Lehrschreiben „Suprema haec" über seinen aktuellen Anlaß hinaus zeitlich und räumlich6? Selbst wenn man die Fragestellung wieder auf die Enzyklika einschränkt, genügt es nicht, daß Karl Rahner diese Lehrform einmal eine zwar „an sich nicht unfehlbare", „aber den Gläubigen zu einer inneren Zustimmung verpflichtende . . . Lehräußerung des höchsten kirchlichen Lehramtes" nennt 7 ; denn damit ist ja noch nichts über ihre Interpretation gesagt! Aus neuerer Zeit dürfte sich wohl kaum eine römisch-katholische Arbeit zur Gliedschaftslehre finden, die sich formell zur Enzyklika „Mystici Corporis" in Widerspruch setzen würde — ist diese Tatsache zufällig, so daß eine solche Möglichkeit theoretisch gleichwohl denkbar bliebe, ober hängt das mit der Verbindlichkeit der Enzyklika zusammen? Und genügt es andrerseits, nur formell nicht im Widerspruch zu der in der Frage sich äußernden Enzyklika zu stehen? 4 Zu bedenken bleibt fernerhin, daß ja auch in der Auswahl des „Denzinger" die Subjektivität des Herausgebers eine gewisse Rolle spielt. Hierauf weist der gegenwärtige Herausgeber, Karl Rahner, in seinem Aufsatz „Uber den Versuch eines Aufrisses einer Dogmatik", Schriften I, 3 1958, 11, Anm. 2, mit Nachdruck hin. 5 Vgl. oben S. 74. β Vgl. oben S. 76 und S. 109 ff. 7 Rahner, Schriften II a.a.O. 40, vel. oben S. 28.
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Man sagt in diesem Zusammenhang vielfach, daß der Gliedbegriff von „Mystici Corporis" vorwiegend oder überhaupt juridisch oder pastoral zu verstehen sei 8 ; er habe in seinem Rahmen natürlich durchaus seine Berechtigung, bedürfe aber der Ergänzung durch einen speziell theologisdien Gliedschaftsbegriff. In die gleiche Richtung geht Rahner, wenn er die Identifikation von mysticum corpus und ecclesia catholica Romana in einem ganz bestimmten Sinn eingrenzt und daraus die grundsätzliche Möglichkeit eines weiteren Verständnisses von mysticum corpus auch in Zukunft folgert 9 . Wieder erhebt sich die Frage, ob die Enzyklika selbst eine solche Ausgrenzung eines über ihren Inhalt hinausgehenden Bezirkes gestattet, oder ob der sachgemäße Interpret gehalten ist, sie allein zum positiven Ausgangspunkt seiner Darlegungen zu machen10. Hier befriedigt auch der Bescheid nicht, solch eine Enzyklika bringe ja über die bisherige Lehre hinaus nichts Neues, sondern bilde nur eine Zusammenfassung der aus der Tradition gewachsenen gegenwärtigen communis opinio 11 ; denn es wurde gerade an dem Beispiel „Mysticum Corpus" deutlich, wie zwei einander konkurrierende Traditionsstränge, je nadi der Bewertung des betreffenden Interpreten, zu einem erheblich differierenden Verständnis der Enzyklika führen können 12 . Die Beziehung zum theologisdien Denken des einzelnen müßte deshalb schon noch genauer bestimmt werden; offenbar geht eine Enzyklika ja irgendwie aus solchem Denken hervor — aber in welchem Verhältnis steht sie zu der ihr nachfolgenden Arbeit der Theologen? Läßt sie ihr völlige Freiheit, weil sie nur als Zusammenfassung des Bisherigen zu verstehen wäre, stellt sie ihr gegenüber nur ein gewisses Regulativ dar, oder liefert sie ihr auch positiv den Stoff, an den sie sich zu halten hat? Es ist sicherlidi schwer, auf all diese Fragen zu antworten, weil hinter ihnen zuletzt ja das Problem der gradweisen Verwirklichung des obersten Lehramtes steht. Gleichwohl möchte man als evangelischer Gesprächspartner gern etwas mehr über das Selbstverständnis jener Dokumente hören, damit man nicht allzu ratlos vor einer Fülle sich widerstreitender Meinungen steht, die alle die römisch-katholische Lehre zu repräsentieren beanspruchen. In den Enzykliken wie in der sonstigen theologischen Literatur spielt bekanntlich die Tradition eine große Rolle 13 . Als Evangelischer kann man daran sicher zu einem guten Teil lernen, wie man auf die Väter hören muß, andrerseits freilich wird dem Außenstehenden das Verständnis der Sache ungeheuer erschwert dadurch, daß sie in das Gewand vergangener Zeiten gekleidet ist. Man erkauft so eine Verständigung innerhalb eines verhältnisDies z.B. die Meinung von Liέgέ, oben S. 54f. mit Anm. 93. • Rahner, Schriften II a.a.O. 72, vgl. oben S. 57. 10 Wie es Tromp und Zapelena tun, oben S. 54ff. 11 So Rahner, Schriften II, 40 und 58. 12 Vgl. bei Zapelena die Diskussion a.a.O. II, 383ff. (oben S. 55f.). 13 Zur Enzyklika „Mystici Corporis" vgl. nur den von Tromp zusammengestellten umfangreichen Anhang a.a.O. 73—154. 8
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mäßig begrenzten Fachkreises um den Preis, daß man nach außen hin überhaupt kaum mehr verstanden werden kann. Aber selbst innerhalb der eigenen Reihen bedarf die traditionelle Sprache oft einer ausführlichen Interpretation. U m als Beispiel noch einmal jenes problematische Axiom „Extra ecclesiam nulla salus" aufzugreifen: Das Bostoner Lehrschreiben hat gezeigt, daß dessen Auslegung in seinem ursprünglich von Cyprian gemeinten Sinn von der modernen römischen Theologie als falsch abgewiesen wird. Aber noch mehr, auch das, was oben 14 als kurze Zusammenfassung der jahrhundertelangen Tradition zu dieser Frage gegeben wurde, muß in dieser Form als ungenügend und damit f ü r sich genommen als falsch gelten. Nach dem heute gültigen Verständnis bleibt von jenem Satz nur übrig, daß die Kirche das ausgezeichnetste, von Gott eingesetzte Mittel ist, um dem Menschen das Heil zu schenken 15 . Zahlreiche römische Theologen sind sich bewußt, wieviel Verbitterung und Ressentiments gerade dieser apodiktische, negative Satz bei den anderen Christen hervorruft, und gesprächsweise habe ich oft gehört, wie man seine Formulierung auch auf römischer Seite f ü r äußerst unglücklich hält. Weniger bekannt, aber auf der gleichen Linie liegend, ist jene Unterscheidung zwischen necessitas medii und praecepti 16 . Es ist ein mühseliges und langwieriges Geschäft, sich da hineinzufinden, und man ist enttäuscht, wenn man als Ergebnis überhaupt keinen Unterschied mehr findet, weil die necessitas medii im Lauf der Zeit immer mehr eingeschränkt werden mußte. U n d dabei ist von der sachlichen Problematik ganz abgesehen! Ähnlich ist es mit dem „reinen Schismatiker"; einen solchen gibt es seit dem vatikanischen Unfehlbarkeitsdogma gar nicht mehr. Aber der Begriff wird trotzdem weiter verwendet und erfordert von dem weniger unterrichteten Leser mühevolle Überlegungen, die sich schließlich als überflüssig erweisen 17 . U n d so ist noch eine ganze Reihe von Beispielen begegnet — man erinnere sich nur an Ausdrücke wie secta, acatholicus, haereticus (in seinen verschiedenen Formen): sie alle zeigten, wie ein terminus technicus rein dem Wortlaut nach den nicht römisch-katholischen Christen anstößig sein muß, obwohl das bei genauerem Hinsehen gar nicht zu sein brauchte, weil oft durch umfangreiche Interpretationen ein ganz anderer Sinn dahintersteht. H a n s Asmussen bezeichnet die Situation einmal sehr anschaulich; er fragt von evangelischer Seite her: „Sollte sie (die römische Kirche) nicht imstande sein, uns ihre Lehre so vorzutragen, daß wir nicht zuerst ein Philosophicum in alter Philosophie absolvieren müßten, ehe wir ja oder nein zu ihrer Lehre sagen können?" 1 8 Heinrich Fries gibt in seiner „ A n t w o r t " auf diese Frage zu bedenken, daß theologisches Reden ohne philosophische Kategorien überhaupt nicht möglich sei, wobei man sich allerdings davor zu hüten habe, daß die Philosophie aus einem „Instrumentarium" der Offenbarung zu einem 11 18 18
15 Vgl. oben S. 107f. Vgl. oben S. 125. 17 Vgl. oben S. 118—120. Vgl. oben S. 31 mit Anm. 16. H. Asmussen, Rom — Wittenberg — Moskau, Stuttgart o. J., 150f.
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„Dominium" über sie wird 19 . Grundsätzlich wird man Fries hier Recht geben müssen; aber Asmussens eigentliche Frage ist damit ja höchstens ein Stück weit präzisiert, nicht jedoch beantwortet: Ob nämlich gerade die aristo telischscholastische Philosophie (und die Ausdrucksweise des kanonischen Rechtes, könnte man hinzufügen) heute noch das geeignete Werkzeug dazu ist, einen Offenbarungsgehalt auszudrücken. Wenn man es für das letzte Anliegen einer theologischen Aussage hält, das, was man als Offenbarungsinhalt erkannt hat, so genau, exakt, differenziert und verständlich wie möglich zu formulieren, so muß man diese Frage jedenfalls bezüglich des Gliedschaflsproblems sicher verneinen. Jene Ausdrücke sind entweder zu einfach; wenn man sie nämlich ohne weitere Interpretation nach ihrem reinen Wortsinn versteht, so ergeben sie eine in Wirklichkeit von niemandem behauptete Schein-Ekklesiologie, die obendrein wegen ihrer Schroffheit die anderen Christen abstoßen muß. Gemessen an der tatsächlich gelehrten Ekklesiologie dagegen komplizieren sie das Verständnis nur; denn um mit dieser schließlich in Einklang zu kommen, bedürfen sie umfangreicher Erklärungen, Ergänzungen, Abschirmungen und Einschränkungen, daß sie meist mehr verdunkelnd als erhellend wirken. In der theologischen Einzelarbeit hat man vielfach erkannt, daß die heutige Entwicklung der Sache auch eine neue Sprache fordert, und man möchte wünschen, daß auch die offiziellen Dokumente aus dieser Erkenntnis in Zukunft die Konsequenzen ziehen und in ihren Formulierungen etwaige kirchenpolitische und taktische Erwägungen dem Bestreben nach einer sachgemäßen Ausdrucksweise hintanordnen. Daß man damit den „anderen" Christen das Verständnis der römischen Lehre wesentlich erleichtern würde, ist eine sekundäre, aber gegenwärtig vielleicht besonders wichtige Begleiterscheinung. Es hat sich im Lauf der Untersuchung immer wieder erwiesen, daß alle aufgebrochenen Einzelfragen zuletzt mit der Grundbestimmung des Verhältnisses zwischen sichtbarer und unsichtbarer Kirche zusammenhängen. Ob man zu dessen Bezeichnung die Begriffspaare reapse — in voto, gültig — fruchtbar, objektiv — subjektiv, Ecclesia Romana — Corpus Mysticum, Recht — Dogmatik, forum externum — forum internum, Sachprinzip — Personalprinzip benützt: immer ist es ein gleichartig strukturiertes Denken, das zwischen Einheit und Doppelheit hin und her geht. Die betreffenden Ausführungen lagen denn auch stets zwischen zwei Extremen: Von immer wieder laut werdenden Warnungen vor einer unreflektierten Verwechslung beider Ebenen bis zu deren Identifizierung in dem pianischen „unum idemque" zog sich eine mannigfache differenzierte Skala. Es zeigte sich zudem, daß die Bemühungen um das richtige Zueinander dieser zwei Ebenen keineswegs nur der römischen Theologie auf19 Heinrich Fries, Antwort an Asmussen, Stuttgart 1958, 53—69, vor allem 56 und 60.
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gegeben sind; aucli die evangelische Theologie hat hier grundsätzlich die gleiche gedankliche Arbeit zu leisten. Nach evangelischer Lehre ist die Grundvoraussetzung dafür, daß man die Kirche sachgemäß, und das heißt auch im richtigen Zueinander von Innen und Außen, in den Blick bekommt, die Sicht des Glaubens. Ernst Kinders neue Monographie über die Kirche zeigt schon in ihrem Titel „ D e r evangelische Glaube und die Kirche" 2 0 , daß nur das gläubige Stehen innerhalb der Kirche, für das diese also Standort und Betrachtungsobjekt zugleich darstellt, zu einem Ergebnis führen kann, das sich nicht in einer „bloßen Phänomenologie" oder in „reinem Positivismus" erschöpft 21 . „Nicht von außen her wollen wir Maßstäbe zur Beurteilung der Kirche herantragen, sondern aus sich selbst, aus ihrem eigenen Anspruch nur wird sie voll verstanden, lassen sich sachgemäß kritische Maßstäbe zu ihrer Beurteilung gewinnen." 2 2 Die „subjektive" Wirklichkeit des Glaubens erkennt also die — jedenfalls auch — „objektive" Wirklichkeit der Kirche; keine dieser beiden Größen ist aus der anderen oder aus einer dritten ableitbar; die Kirche ist eine „gottgesetzte Realität . . ., zu deren Wesen es gehört, entweder geglaubt oder geleugnet zu werden" 2 3 , ebenso ist der Glaube unmittelbares Geschenk Gottes. Die verbindende Klammer ist das eine Heilshandeln Gottes, welches beide, Glaube und Kirche, genuin hervorruft 2 4 . Diese Voraussetzung gibt gleichzeitig dem Reden von einer „unsichtbaren" Seite der Kirche in der evangelischen Theologie seine positive Füllung. Wenn man von „unsichtbar" spricht, dann bedeutet das nämlich jetzt: nur im Glauben erfaßbar, im Sinne von Hebr. 11,1 2 5 . D a s Besondere dieser Definition besteht darin, daß sie das exklusive Verständnis der Unsichtbarkeit, wie es die platonische Metaphysik mit ihrem Dualismus mit sich bringt, ausschließt, als sei die Kirche wesentlich nur eine spirituelle oder transzendente Größe, der das empirische, „Kirche" genannte Gebilde im Grunde wesensfremd und innerlich beziehungslos gegenüberstünde. Die Unsichtbarkeit wird vielmehr inklusivisch verstanden, so daß die Sichtbarkeit also gerade eingeschlossen ist, wenngleich ihr Eigentliches dem auf das Empirische gerichteten Erkenntnisvermögen verborgen und eben nur dem Glauben wahrnehmbar ist. Denn auch für die sichtbare Ebene stellt der Glaube den einzig legitimen Sichtstand dar. Natürlich wird man nicht bestreiten können, daß auch abgesehen von diesem Glauben objektiv etwas da ist, aber daß diese objektiv-sichtbaren Faktoren die Kirche Christi beinhalten, ist nur dem Glauben offenbar. Auch der außenstehende, glaubenslose Beobachter kann gewisse Phänomene notieren, die aber, für sich genommen, ebensogut ein Beweis für wie gegen das Vorhandensein der Kirche sein 20 21 22 23 25
E m s t Kinder, Der evangelische Glaube und die Kirche, Berlin 1958. Kinder a.a.O. 16. Dietrich Bonhoeffer, Sanctorum Communio, München 1954 (Neudruck), 84 f. 24 Kinder a.a.O. 16. Bonhoeffer a.a.O. 85. Zum folgenden Kinder a.a.O. 93ff. 187
können. „Sichtbar ist die Kirche dem Glauben wie dem Nichtglaubenden, doch ist ihr Eigentliches nur dem Glauben darin offenbar, während dies dem Nichtglaubenden gerade durch ihr Sichtbares verhüllt wird." 28 Die wesentliche Sichtbarkeit (oder nach Kinders Vorschlag: das Offenbarsein) der Kirche besteht immer aus zwei unlösbar verknüpften Größen: den ins Empirische hineinragenden Faktoren, die kreatürlich, leibhaft, geschichtlich sind, und dem Glauben, der „in, mit und unter" eben diesen Faktoren die Kirche Christi erkennt. Für sich allein genommen sind jene Manifestationen nur stumme Phänomene, die ein durchaus unangemessener Ausdruck dessen sein können, was dahintersteht. Umgekehrt würde der Glaube, für sich allein genommen und ohne äußere Anhaltspunkte, in bezug auf die Kirche ergebnislos ins Leere schweifen. Die Sichtbarkeit der Kirche ist keine reine Objektivität, sondern deren spezifisches OfFenbarsein im Glauben, in genauer Analogie zu jener eigentümlichen, nur im Glauben erfaßbaren Wortgegenwart Christi, von der oben27 näher gehandelt wurde. Der bezüglich der Kirche auftretende Gegensatz von „verborgen" und „offenbar" ist also kein statisch-metaphysischer und gegenständlicher, sondern ein solcher, der „den jeweiligen Betrachter qualifiziert" 28 . Hier zeigt sich ein erster gewichtiger Unterschied zur römischen Lehre. Ist nämlich die Sichtbarkeit der Kirche immer nur ein Offenbarsein im Glauben, so folgt daraus, daß ihr Anspruch, eben Kirche zu sein, niemals mit historischen oder rationalen Mitteln allein verständlich gemacht werden kann, daß es also zu dessen Wesen gehört, entweder geglaubt oder geleugnet, nie aber bloß eingesehen zu werden. Dem entgegen steht die römische Lehre von der Kirche als motivum credibilitatis29, nach der die ratio vor der gläubigen Annahme des Anspruchs der Kirche bereits Beweise für dessen Berechtigung erkennen kann — wie weit diese sich erstrecken, braucht im gegenwärtigen Zusammenhang nicht zu interessieren; jedenfalls ist damit nichts anderes gesagt, als daß die objektive Wirklichkeit der Kirche (abgesehen vom Glauben) schon für sich spricht. Nach dieser Lehre soll die Kirche allen subjektiven Urteilen entnommen und in der Lage gesehen werden, sich selbst durch die ins Auge fallenden positiven Eigenschaften (propagatio, sanctitas, foecunditas, unitas, stabilitas)30 objektiv als die wahre zu erweisen. Dieser Meinung muß die evangelische Theologie entschieden widersprechen: „Für sich allein genommen blieben sie (die Wahrzeichen der Kirche) in der Ununterschiedenheit und könnten die ,Beweislast' für das Kinder a.a.O. 96, Anm. 2. 28 Kinder a.a.O. 96. Oben S. 166ff. 29 Das folgende ist eine Weiterführung der obigen (vgl. S. 152f. und S. 177f.) Darlegung. — Wie schwer für das römisch-katholische Denken das Verständnis für die evangelische Lehre von der objektiv-subjektiven Glaubensgegenwart der Heilsgüter überhaupt ist, wurde schon bei der Auseinandersetzung mit Sartory deutlich (vgl. vor allem oben S. 168, Anm. 183). 30 Vgl. D 1794. 26 27
188
Vorhandensein der wahren Kirche Jesu Christi nicht tragen." 31 Die hier gelehrten Eigenschaften der Kirche sind zweifellos wahr, aber sie stellen nur eine Teil Wahrheit dar, die erst mit der anderen Teil Wahrheit zusammen: daß nämlich die Kirche ebenso die Spuren der Niedrigkeit und Hinfälligkeit an sich trägt, die volle Wahrheit ergibt. Diese volle Wahrheit aber taugt nicht mehr als argumentum credibilitatis; um dieses zu liefern, müßte jene Teilwahrheit eine Verabsolutierung erfahren, die sie zuletzt wieder unwahr macht. Der bloßen ratio kann die Evidenz der Kirche nicht beigebracht werden; denn dem „argumentum" dafür stellt sich immer ein ebenso wirkungsvolles Gegenargument in den Weg, das man gerade heute nicht dadurch aus der Welt schaffen kann, daß man es einfach verschweigt. Ihr „gegenständliches" Verständnis der Sichtbarkeit pflegt die römische Kirche damit zu erklären, daß dieses aus einem tiefen Ernstnehmen der inkarnatorischen Struktur der Offenbarung heraus komme, demgegenüber am Protestantismus eine Spiritualisierung scharf kritisiert wird 32 . Von vereinzelten extremen Beispielen aus der historischen Entwicklung abgesehen, scheint jedoch die Kritik der evangelischen Lehre in dieser Form nicht haltbar zu sein. Freilich sieht hier das Ernstnehmen der Inkarnation anders aus: In der römischen Theologie wird Inkarnation und Offenbarung unbedingt miteinander identifiziert; was sichtbar geworden ist, ist zugleich offenbar geworden. In der evangelisdien Theologie dagegen bedeutet Inkarnation neben Offenbarung immer auch Verhüllung, beides zusammen und eines durdi das andere hindurch. Sichtbarkeit und Offenbarsein ist nicht dasselbe; die Sichtbarkeit wird vielmehr zur Offenbarung erst dadurch, daß der Glaube sie aufschlüsselt. Jener römisch-katholische Vorwurf wäre berechtigt, wenn sich nach evangelischer Lehre Offenbarung ohne jedes äußere Zeichen ausschließlich im Glauben ereignete; das aber ist nicht der Fall; vielmehr ist der Seinscharakter der Offenbarung wieder jene spezifische, subjektiv-objektive Glaubensgegenwart. Nicht das Ernstnehmen der Inkarnation an sich unterscheidet die römische von der evangelischen Theologie, sondern die Art und Weise, in der sie ernst genommen wird. Und an diesem Punkt wird die evangelische Theologie von ihrer steten Berücksichtigung der Verborgenheit im Sichtbarwerden Gottes nicht abgehen können, wenn sie bei dem biblischen Verständnis dessen, was Offenbarung ist, bleiben will. Mit der Unhaltbarkeit des „motivum credibilitatis" fällt auch die von da aus vorgenommene Unterscheidung zwischen formellem und materiellem Häretiker dahin, der Versuch, die in der evangelischen Glaubensgegenwart unlöslich gesetzte Einheit von persönlichem Glauben und „objektiver" Realität erst nachträglich zu erweisen. Wer einmal römischer Katholik geworden ist, kann keinen zu rechtfertigenden Grund mehr haben, die römische Lehre 31 32
Kinder a.a.O. 109f. Vor allem durch Sartory, vgl. oben S. 166f., Stellen in Aran. 169. 189
in Zweifel zu ziehen 3 3 : dieser Satz kann nur solange verfochten werden, wie das „adhaerere veritati catholicae" gleichzeitig ein rationales Überzeugtsein (abgesehen vom Glauben) einschließt, so daß eine etwaige Entscheidung gegen jene Wahrheit dann unbedingt „wider besseres Wissen" und damit als Schuld ausgelegt werden muß. Wird jenes „adhaerere" aber nur vom Glauben verstanden, so kann man, was Schuld oder auch Berechtigung des Nichtglaubens anlangt, zwischen dem von A n f a n g an Nichtglaubenden und dem Nichtmehrglaubenden keinen Unterschied machen. Es zeigt sich, daß die römische Theologie die sichtbare Seite der Kirche in einer Weise verselbständigt, daß eine organische Verbindung zum inneren Bereich nicht ersichtlich ist. U n d der nachträgliche Versuch, die ratio zum Bindeglied zu machen, kann nicht überzeugen. Dieser Unterschied zwischen dem jeweiligen Verständnis der Sichtbarkeit in der römischen und in der evangelischen Theologie zieht nun weitere Kreise. Auf ihn geht es letztlich auch zurück, wenn hüben in den „notae ecclesiae" etwas anderes gesehen wird als drüben. Es wurde schon erwähnt, daß auf der einen Seite unter diesen Begriff rechte Wortverkündigung und Sakramentsverwaltung subsumiert werden, während die andere die vier Attribute der Einheit, Heiligkeit, Katholizität und Apostolizität darunter versteht 34 . Wohl bekennt und lehrt auch die evangelische Theologie jene Vierheit von der Kirche, aber als „Eigenschaften" im Unterschied zu den notae. Versteht man nämlich unter diesen letzteren die Normen und Kriterien, an denen das Vorhandensein der wahren Kirche zu erkennen oder zu messen ist, so zeigt sich, daß jene vier Eigenschaften die Frage danach „mehr stellen als beantworten". Denn als notae könnten diese nicht an und für sich fungieren, sondern höchstens, „wenn dabei schon eine bestimmte Art ihrer kriterienhaften und normativen Manifestation mitgedacht wird". Aber gerade nach jener „bestimmten A r t " soll ja erst gefragt, für sie sollen erst die Kriterien gesucht werden. Nennt man dagegen die vier Eigenschaften schon von vornherein notae, so ist man genötigt, eine durch deren Manifestation bereits erfolgte Grundentscheidung unbesehen mitzuübernehmen, anstatt sie, wie es nötig wäre, kritisch zu überprüfen. Die Frage nach den Kriterien hat also schon vorher einzusetzen, und eben das versucht die evangelische Theologie mit ihrer spezifischen Notaelehre. Dies wird besonders deutlich an der vierten Eigenschaft der Kirche, der Apostolizität; Peter Brunner hat davon in einem Aufsatz gehandelt: „ D i e Einheit der Kirche und die Verwirklichung der Kirchengemeinschaft" 3 5 . Er D 1794 und 1815, vgl. auch oben S. 152f. Anm. 99. Zum evangelischen Verständnis vgl. oben S. 145, zum römisch-katholischen S. 170. Zur evangelischen Lehre von den „Eigenschaften" vgl. Kinder a.a.O. 104, Anm. 1, hieraus auch die folgenden Zitate. 35 In: Die Einheit der Kirche, Referate und Vorträge, vorgelegt auf den Sitzungen der theologischen Kommission des Lutherischen Weltbundes, Berlin 1957, 17—27 33 34
190
führt dazu aus, daß die ersten drei Eigenschaften teilhaben „an der
Un-
anschaulidikeit jener esdiatologischen Scheidelinie, welche die geretteten Glieder
am
Leibe
trennt" 3 6 .
Mit
Jesu dieser
von
den
abgeschnittenen
unanschaulichen
und
weggeworfenen
Reben
„pneumatisch-charismatischen"
Linie
muß aber eine dem Zeugnis des Neuen Testaments entsprechende Ekklesiologie eine zweite „innerweltlich-geschichtliche L i n i e " vereinigen, „die alles in sich aufnimmt, was durch das Merkmal des Apostolischen angedeutet w i r d " . Zu dieser allgemeinen Definition der römischen
Theologie
wohl
des Apostolischen wäre die denkbar,
und
doch liegt
Zustimmung
gerade in
ihrer
näheren Entfaltung der Punkt, an dem sich „die tiefste Aporie der ökumenischen P r a x i s " anzeigt 3 7 . Denn offensichtlich ist jener
innerweltlich-gesdiicht-
lidie Bereich der Kirche nicht einfach identisch mit der Apostolizität, sondern umfassender als diese; er enthält auch sie, aber nicht nur sie allein 3 8 . Und wenn man sidi klarmacht, daß man gerade bei der Bestimmung
des ge-
schichtlichen Ortes, an dem man der Gegenwart des pneumatischen
Leibes
Christi gewiß sein darf, vor der Tatsache der getrennten Kirchen steht, dann wird
man
mit
denn innerhalb fassungsmäßigen
Notwendigkeit
zu
der
weiteren
der mancherlei karitativen, Funktionen
Frage
sozialen,
wo
sich
rechtlichen und
geführt,
ver-
der Kirche das eigentlich Apostolische
findet.
Das eigentlich Apostolische in dem Sinn, daß es sich dabei nicht um zwar siditbare, aber doch bloß zeitgebundene Lebensäußerungen einer bestimmten Konfessionskirche handelt, sondern um lebensnotwendige Elemente der einen Kirche Christi, die notwendig, aber audi ausreichend sind dazu, daß sich in ihnen die echte substantielle Kontinuität der Kirche durch allen Gestaltwandel manifestiert, und an denen infolgedessen deren Legitimität unter aller sonstigen Geschichtwerdung zu bemessen ist. M a n merkt sehr bald, daß man mit dieser Frage an die Grenzen von „allgemeinen ekklesiologischen E r w ä gungen" gelangt und vor eine sachlich bestimmte „ekklesiologisdie
Grund-
39 Brunner a.a.O. 20. Zur Eigenart der Apostolizität vgl. auch Schlink, Christus und die Kirche, 12 Thesen für ein ökumenisches Gespräch zwischen Theologen der evangelischen und der römischen Kirche: „Die Apostolizität nimmt eine Sonderstellung innerhalb der vier Eigenschaften der Kirche ein . . ., insofern . . ., als der eine heilige über das All erhöhte Christus nur im apostolischen Zeugnis der Kirche in Wahrheit begegnet. Ohne das apostolische Zeugnis wäre er schlechthin verborgen, und nur auf Grund dieses Zeugnisses wird er in Wahrheit erkannt. So hat die Apostolizität die Bedeutung der Eigenschaft, auf der die anderen Eigenschaften der Kirche in eigentümlicher Weise aufruhen" (in: Der kommende Christus und die kirchlichen Traditionen, a.a.O. 97f.). 37 Brunner a.a.O. 19. 38 „ E s ist auch nicht die Meinung, als ob das verborgene Eigentliche der Kirche lediglich an diesen Punkten (der Wortverkündigung und Sakramentsverwaltung) in die Sichtbarkeit hineinrage und im übrigen im Unsichtbaren bleibe." Die notae müssen „durchaus in Verbindung mit sonstigen Lebensäußerungen und Betätigungen der Kirche gesehen werden", Kinder a.a.O. 106f.
191
entscheidung" gestellt ist 39 . Und diese ist in der evangelischen Theologie in C A V I I und V I I I getroffen worden 4 0 . Dies bedeutet, daß Wortverkündigung und Sakramentsverwaltung als notae ecclesiae innerhalb des sichtbaren Bereiches eine einzigartige Stellung einnehmen, die anderen Lebensäußerungen der Kirche nicht zukommt. Wenn Schlink von der für die Kirche gültigen Mahnung spricht, beim apostolischen Evangelium (das Wort und Sakrament einschließt) immer zu bleiben bzw. zu ihm zurückzukehren und daraus die Forderung ableitet: „ecclesia semper reformanda est!" 4 1 —, so wird damit von einer ganz bestimmten kirchlichen Funktion eine kirchenkritische Wirksamkeit gelehrt, die anderen, auch sichtbaren Elementen so nicht eignet. Denn während Gott Wort und Sakrament unmittelbar zu causae instrumentales seines kircheschaffenden Handelns gemacht hat, tragen die übrigen Lebensäußerungen der Kirche diese Bestimmung nur mittelbar an sich, d. h. nur in dem Maße, als sie sich als legitime Geschöpfe dieses kircheschaffenden Handelns ausweisen können. Sicherlich kann auch das apostolische Evangelium verfälscht werden; aber eine Reinigung kann in diesem Fall nur durch eine Rückkehr zu sich selbst, zu seiner ursprünglichen, durchaus auch inhaltlich festgelegten Gestalt erfolgen. Für Amt, Institutionen und andere kirchliche Einrichtungen dagegen gibt es einen entsprechenden immanenten Ausgangspunkt nicht, vielmehr dient audi hier wieder das apostolische Evangelium als Regulativ; „wohl wird das ,Daß' von Amt und Ordnung in der Kirche als ,iuris divini' anerkannt, jedoch nicht ein bestimmtes empirisches, historisch gewordenes und rechtlich fixiertes „ W i e " derselben 42 . Diese ekklesiologische Grunderkenntnis hat eine doppelte Konsequenz: einmal, im Blick auf die notae selber, ein ständig waches Prüfen ihrer Reinheit, zum anderen, im Blick auf die Gestaltung von Ordnungen und Ämtern, eine große Freizügigkeit, solange nur deren stete Ausrichtung am reinen Evangelium gewährleistet bleibt. Andererseits entbindet auch die gewichtigste Tradition die evangelische Kirche nicht von einer Reform ihrer Institutionen, wenn sich zeigt, daß diese nach dem Maßstab des Evangeliums nicht haltbar sind. Dadurch, daß die evangelische Theologie Wort und Sakrament als notae ecclesiae lehrt, stellt sie wiederum das eigentümliche Verhältnis von innen und außen zur Diskussion. Es handelt sich um ein „,äußerliches' Wort, das jedermann hören", und um „,äußerliche* Zeichen, die jedermann sehen und betrachten kann". Damit ist jedoch noch nicht alles gesagt: „ D i e Welt erkennt sie nur als Menschenwort und irdischen Vorgang. Der Glaube aber erkennt in ihnen Gottes Wort und Tat." 4 3 Diese unlösliche Einheit von Vgl. die Erwägungen bei Kinder a.a.O. 53ff. Zu Luthers Ekklesiologie vgl. die bei Kinder a.a.O. 57f. zusammengestellte Literatur. 41 Schlink a.a.O. 98. 42 Kinder a.a.O. 73. 43 Schlink a.a.O. 101. 39
40
192
Glauben und Zeichen ist so aber nur bei den notae zu erweisen, nicht unbedingt auch bei den sonstigen Konstitutiven des Sichtbaren. Hier besteht eine Grenze zwischen den Wirkungen, die „im Zwielicht alles menschlichen Tuns" bleiben, und den unmittelbaren Wirkungen Gottes, „an denen die Kirche in der Welt untrüglich erkannt werden kann" 4 4 . Eine Grenze in diesem Sinn ist aber der römischen Theologie nicht bekannt; hier hat die gemeinsame Teilhabe all dieser Wirkungen an der Sichtbarkeit ein derartiges Gewicht, daß etwaige sonstige Unterschiede verschwinden müssen. Das Sichtbare ist ein Komplex gleichwertig nebeneinander geordneter Größen, die in ihrer Gesamtheit die notae darstellen. Die oben45 schon erörterte Tatsache, daß sich diese notae kritisch immer nur nach außen betätigen können, niemals aber im Inneren der Kirche selber, ist nur eine notwendige Folge dieses Verständnisses. Denn wenn dort Ordnung, Recht und Institutionen auch als notae gelten, dann ist ja gerade das, was in der evangelischen Kirche im Inneren erst von den notae her geprüft werden muß, bereits selbst nota und kann sich als solche unkontrolliert in die „Fülle" hinein entfalten, ohne daß ihm von einer weiter zurückliegenden Instanz irgendwelche Grenzen gesetzt werden könnten. Der letzte Grund dafür, daß die evangelische Kirche zu diesem Verständnis der notae nein sagen muß, liegt darin, daß es Gottes und des Menschen Tun in gefährlicher Weise vermischt. Auch bei Wortverkündigung und Sakramentsverwaltung geht es zwar nie ohne menschliches Tun, aber immer nur so, daß dieses unter den Kanon des göttlichen Tuns gestellt wird. Es bedarf einer unablässigen Wachsamkeit und Anstrengung, daß dies geschieht, denn nur so kann das menschliche Tun in der Kirche von der Sünde, die unweigerlich immer wieder mit ihm zusammen entsteht, stets aufs neue gereinigt werden. Wenn, wie es in der römischen Kirche der Fall zu sein scheint, eine „kirchengeschichtliche Entwicklung und kirchenrechtliche Fixierung . . . sanktioniert und als solche mit religiösem Eigenwert für die Kirche belegt" 46 werden, so sieht die evangelische Kirche darin die stete Gefahr, daß damit gleichzeitig ein Stück menschlicher Eigenmächtigkeit und Gesetzlichkeit zum Kennzeichen der wahren Kirche gemacht wird. Dadurch, daß die römische Theologie innerhalb des Sichtbaren den Unterschied zwischen verborgen und offenbar nicht macht, muß sie jedes Sichtbarwerden im Raum der Kirche zur göttlichen Offenbarung erklären. Dabei wird jedoch übersehen, daß die Kirche Jesu Christi gerade von innen heraus von der ihrerseits sehr sichtbaren ecclesia falsa, von der Pseudokirche des Antichristen, bedroht bleibt, die im Tun des Menschen fortwährend Gestalt zu gewinnen sucht. Angesichts dieser steten Gefährdung darf die Theologie ihre Aufgabe niemals auf die bloße, vielleicht dankbare, aber jedenfalls unkritische Feststellung beschränken, daß im Sichtbaren die Kirche Jesu Christi vorhanden 41 45
13
Schlink a.a.O. 101. Vgl. oben S. 149. 7978
Dietzfelbinger, Grenzen
46
Kinder a.a.O. 73. 193
ist, sondern sie muß sich obendrein unaufhörlich fragen, wieweit eben dieses Sichtbare die wahre Kirche darstellt und wo das nur Menschliche oder gar Antichristliche anfängt. Diese kritische Haltung der evangelischen Theologie gegenüber der sichtbaren Seite der Kirche zeigt sich in einer Neubesinnung über das Verhältnis zwischen Ekklesiologie und Christologie. Karl Ludwig Schmidt hat seinerzeit beide gleichgesetzt47, aber dagegen hat man sich in neuerer Zeit öfters gewandt: Schlink nennt am Anfang seiner zwölf ekklesiologischen Thesen drei Gründe, aus denen er sie nicht mitzuvollziehen vermag, und Kinder spricht, ganz im gleichen Sinn, von „immer etwas krampfhaften Konstruktionen oder Kurzschlüssen", die sich dann einstellen, wenn „z. B. die Lehre von der Kirche unmittelbar aus der diristologischen Zweinaturenlehre abgeleitet wird und die chalkedonensischen Formeln direkt auf die Kirche übertragen werden" 48 . Auf den ersten Blick erscheint die Parallele: göttliche Natur Christi = unsichtbare Kirche, menschliche Natur = sichtbare Kirche sehr bestechend. Und ist sie nicht durch die neutestamentliche Redeweise von der Kirche als Leib Christi nahegelegt? Aber dieser Schein trügt; denn eine Auslegung der biblischen Leib-Christi-Stellen im Sinn der christologischen Zweinaturenlehre stellt eine Überziehung des Textes dar 49 , die diese eine Beziehung zwischen Christus und der Kirche in gefährlicher Weise isoliert, so daß kein Raum mehr bleibt für andere neutestamentliche Aussagen, die stärker ein Gegenüber von Christus und der Kirche zum Ausdruck bringen. Eine solch unbesehene Identifikation stünde ζ. B. in der Gefahr, der sichtbaren Kirche unversehens Anteil zu geben an der Sündlosigkeit, die von der Person Christi (und also auch von seiner menschlichen Natur) gelehrt wird. Daß die römische Kirche dieser Gefahr weithin erlegen ist, wird man nicht verkennen können. Die Art, in der Leo X I I I . in „Satis cognitum" von der Kirche und Christus redet 50 , scheint jene Gleichsetzung zu enthalten, und in derselben Richtung geht die ganze Kirchenenzyklika Pius' X I I . , die erklärt: „Ad definiendam describendamque hanc veracem Christi E c c l e s i a m . . . nihil nobilius, nihil praestantius, nihil denique divinius invenitur sententia illa, qua eadem nuncupatur ,mysticum Iesu Christi Corpus'." 51 An und für sich ließen diese Komparative nun zwar Raum noch für andere Bezeichnungen, und es wurde ja beiläufig schon auf Nothombs Beobachtung hingewiesen, daß Pius nicht nur vom „Leib Christi" redet, sondern daneben noch andere Bilder für die Kirche gebraucht: Braut, Stadt, Gebäude, Haus, Herde, Weinstock, 47 Vgl. den Artikel „εκκλησία" in Kittels Theologischem Wörterbuch zum Neuen Testament, Bd. III, 512: „Jedenfalls ist Christologie gleich Ekklesiologie und umgekehrt." 48 Schlink a.a.O. 88f.; Kinder a.a.O. 31, Anm. 1. 48 Vgl. auch unten S. 198 mit Anm. 65. 50 Vgl. oben S. 72 mit Anm. 157. 61 Tromp a.a.O. n. 13.
194
Reich 52 . Aber zu einer theologischen Entfaltung kommt es f ü r diese Gleidinisse nicht; eine solche erfährt ausschließlich der Zentralbegriff. Ferner macht N o t h o m b darauf aufmerksam, daß die so häufige biblische Redeweise von der Kirche als dem Volk Gottes, die das wirksamste Gegengewicht zu einer Leib-Christi-Ekklesiologie bilden würde, in der Enzyklika nicht ein einziges Mal vorkommt; vielmehr wurde diese bei ihrem Erscheinen vielfach gerade als Zurückweisung einer Volk-Gottes-Ekklesiologie empfunden, wie sie kurz vorher Koster in seinem Buch „Ekklesiologie im Werden" 5 3 entfaltet hatte. Es ist bei dieser einseitig auf die Identität zwischen Christologie und Ekklesiologie gerichteten Schau zu wenig beachtet, daß die Frage nach der Entstehung der Kirche „eine trinitarische A n t w o r t " erfordert, und daß die Kirche sich in diesem Rahmen „als opus proprium des Heiligen Geistes" 54 zu verstehen hat. Die Wirkmittel des Geistes sind, wie gesagt, Wort und Sakrament; die Kirche als Ganzes dagegen ist das Geschöpf des Geistes. N u r über diesem Umweg kann man sie dann als Leib Christi bezeichnen; denn nur so kann auch der Unterschied zwischen Christus, an den, und der Kirche, die ich glaube, der Unterschied zwischen Schöpfer und Geschöpf, zu seiner gebührenden Geltung gelangen. Dies aber ist bei einer praktisch exklusiven Leib-Christi-Ekklesiologie nicht möglich; denn wenn man vorher das Gegenüber von Christus und der Kirche vernachlässigt hat, so kann man auch jetzt das Gegenüber von Geist und Kirche nicht im erforderlichen Maß erheben. Man hat dann keine Möglichkeit, Wort und Sakrament als kirchenkritische und kirchenschöpferische notae von den übrigen Lebensäußerungen abzugrenzen, sondern sieht sich genötigt, deren Gesamtheit als schöpferisch und damit göttlich und damit als teilhaftig an der Sündlosigkeit des Heiligen Geistes zu verstehen 55 . Von wesentlicher Bedeutung ist schließlich der von Schlink genannte eschatologische Aspekt, der vor einer zu starken Gleichsetzung zwischen Christologie und Ekklesiologie warnt 5 8 : „Der Kirche gilt die Drohung des Gerichts!" Christus, der am Ende der Tage kommende Richter, ist ja nicht nur Richter 52
Nothomb a.a.O. 237, vgl. oben S. 52 und bei Tromp a.a.O. n. 32, 90, 27, 101 f., 67, 63. 53 Mannes Dominikus Koster, Ekklesiologie im Werden, Paderborn 1940. 51 Schlink a.a.O. 88. 65 Dem evangelischen Christen springt dieser Tatbestand nach wie vor an der Institution des Papsttums am deutlichsten in die Augen. Denn auch bei den bereitwilligsten Bemühungen um ein wirklich sachgerechtes Verständnis dieser Frage könnten wir in keinem Fall über jenen Punkt hinausgehen, an dem man im Papsttum ein Geschöpf des Heiligen Geistes sieht, das aber gerade in dieser Eigenschaft stets bereit sein müßte, sich unter die Wirkmittel und Kriterien seines Schöpfers zu beugen. Unmöglich erscheint dagegen auch hier der Gedankengang, der die unbedingte Wirksamkeit jener Kriterien ignoriert und eine direkte Verbindung von Christus zu seinem „vicarius" (vgl. die wiederholte Bezeichnung der päpstlichen Gewalt als „immediata" auf dem Vatikanum, D 1827 f., 1831) zu schlagen sucht. 59 Schlink a.a.O. 89 und 102. 13*
195
der Welt, sondern auch der Kirche, und zwar der Kirche insgesamt, nicht nur ihrer einzelnen Glieder. Infolgedessen gilt auch sein im Blick auf dieses Gericht ergehender Bußruf der ganzen Christenheit. U n d dieser erstreckt sich, wie aus den Sendschreiben der Offenbarung deutlich wird, nicht nur „ a u f Irrlehren und Laster, Kleinglauben und Ungehorsam jeglicher A r t " , sondern auch „ a u f die besonderen Gefahren, die erst durch solche Entscheidungen möglich werden, durch die die Kirche im K a m p f mit der Welt bei ihrem Herrn bleiben will". Zu denken ist dabei insbesondere an die Verkehrung ihrer Erhaltung durch Gott und Christus in eine Selbsterhaltung dadurch, daß die Kirche etwa Kanon, D o g m a und Ordnung ihrer dienenden Funktion entkleidet und sie gegen den durch das apostolische Zeugnis gegenwärtig wirkenden Christus wendet. Eine sich an den Buchstaben klammernde und dadurch das freie Wirken des Geistes ausschließende Orthodoxie und eine kirchenrechtliche Gesetzlichkeit sind namentlich die Bedrohungen, die der Kirche immerzu aus ihrem Inneren heraus erwachsen. D a s einzige Mittel, einer derartigen Selbstabdichtung zu entgehen, ist neben der „Offenheit nach oben", d. h. für das Wirken des Geistes, die „Offenheit nach vorn" 5 7 , der ständig wache Blick auf den wiederkommenden Richter. Daraus wird der eschatologische Doppelcharakter der Kirche deutlich. Sie existiert und kann nur existieren, weil das Reich Gottes bereits angebrochen ist, sie ist die Jetztgestalt des Reiches Gottes. Aber sie lebt und wirkt als Kirche gleichzeitig darauf hin, daß dieses Reich Gottes einst vollendet und sie als Kirche dadurch aufgehoben wird. Sie ist möglich, weil das Reich Gottes angebrochen, und nötig, weil es noch nicht voll angebrochen ist 58 . U n d wiederum ist zwischen diesen beiden Größen das Bindeglied Christi Richterwort, das aus der gegenwärtigen Kirche, die immer der Bedrohung ausgesetzt ist, etwas anderes zu werden und zu sein als Gottes Reich, eben dieses Gottesreich in seiner Vollendung herausführt. Die ecclesia viatorum hat ihren Blick immer dankbar nach rückwärts gewandt auf das, was Gott getan hat, damit sie überhaupt werden und existieren konnte, aber gleichzeitig auch sehnsüchtig vorwärts, auf das, was Gott zu ihrer Vollendung noch tun wird. So ist sie das wandernde Gottesvolk 5 9 . Auch in der evangelischen Theologie ist dieser eschatologische Aspekt erst in neuerer Zeit, namentlich durch die ökumenischen Konferenzen von Lund und Evanston, zum Durchbruch gekommen. Er gilt für die Kirche allgemein und für ihre Eigenschaften im besonderen, insofern Einheit, Heiligkeit, Katholizität und Apostolizität jenen eschatologischen Doppelcharakter darin zeigen, daß sie immer zugleich Gabe sind, die Christus seiner Kirche bei Nach der Formulierung Kinders a.a.O. 221. Vgl. Kinder a.a.O. 37. 59 Vgl. das gleichnamige Referat von Schlink in Lund 1952, in: W. Stählin, Lund 1952, 1953, 102ff., sowie die letzte seiner zwölf Thesen über die Kirche, „Der kommende Christus . . . " a.a.O. 103. 67
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ihrer G r ü n d u n g mitgegeben hat, u n d Verheißung, die er ihr mit H i l f e seiner Gläubigen erst noch schenken will 6 0 . Die Eigenschaften der Kirche sind zugleich Soll u n d H a b e n ; w i r d eine von diesen zwei Seiten übersehen, so h a t das verhängnisvolle Folgen. Sieht m a n etwa in der Einheit ausschließlich eine Aufgabe, so w ü r d e man bald resigniert feststellen, d a ß es der Christenheit trotz aller Bemühungen bis heute nicht gelungen ist, diese Einheit zu verwirklichen. Von da aus ist es n u r noch ein kleiner Schritt dahin, d a ß man die A u f g a b e ü b e r h a u p t zu einer U t o p i e erklärt u n d auf weitere Einheitsbestrebungen verzichtet, weil diese, wie m a n sagt, in der Geschichte ja doch erfolglos bleiben müssen; denn erst der in seiner Volloffenbarung wiederkehrende H e r r w i r d seine Kirche w i r k lich einigen. Sieht m a n die Einheit der Kirche nur als Aufgabe, so erliegt m a n jener letztlich bequemen „Flucht nach v o r n " , vor der Lilje so nachdrücklich w a r n t 6 1 : „ . . . d e n n das Problem der gegenwärtigen Unterschiede w i r d damit ja nicht beseitigt, sondern nur auf die H o f f n u n g künftiger Vollendung verwiesen. Die wesentlichen Hemmnisse tatsächlicher Einigung bleiben (jedoch) nach wie vor w i r k s a m . " Nicht weniger gefährlich aber scheint die „Flucht nach rückwärts", also die Lehre, die Einheit sei bloß Gabe u n d voll und ganz verwirklicht. Die Amsterdamer Vollversammlung des Weltrates der Kirchen hat diesen Zug besonders genannt: „ D i e eine Seite, die m a n gewöhnlich .katholisch' nennt, wird gekennzeichnet durch eine starke Betonung der sichtbaren K o n t i n u i t ä t der Kirche." 6 2 Diese Meinung stünde ja zunächst einmal vor der Aufgabe, jene Einheit in ihrer geschehenen Realisierung aufzuzeigen u n d eine innergeschichtliche G r ö ß e zu finden, die ihr Ausdruck gäbe. Es w u r d e oben 6 3 vor allem an den Ausführungen D u m o n t s deutlich, mit welcher Energie die römische Kirche diese A u f g a b e angreift: Christus h a t seiner Kirche ja jene vier „ n o t a e " , d a r u n t e r namentlich die Einheit, verheißen, u n d sie w ü r d e ihre Existenz als Kirche verlieren, w e n n sie auch n u r eine davon nicht mehr vollkommen hätte. U n d doch k a n n dieser Satz gerade in neuerer Zeit nicht mehr ungebrochen festgehalten werden, w o mehr u n d mehr auch die außerrömische kirchliche Wirklichkeit in das Blickfeld rückt, die dem Aufzeigen jener „ V o l l k o m m e n h e i t " große Schwierigkeiten in den Weg stellt. So m u ß m a n zu jener oben 6 4 näher erörterten Unterscheidung von essentieller und akzidenteller Perfektion greifen. 80 Die Doppelstruktur der Kirche als Gabe und Aufgabe zeigt Kinder in dem Abschnitt „Das Problem der Kirche", a.a.O. 44ff. 91 H. Lilje, Der gegenwärtige Stand der ökumenischen Bewegung, ThLZ 78, 1953, Sp. 70. 92 Nach „Die erste Vollversammlung des ökumenischen Rates der Kirchen in Amsterdam vom 22. August bis 4. September 1948", Bd. V des Sammelwerkes „Die Unordnung der Welt und Gottes Heilsplan", Tübingen-Stuttgart 1948, 64. «3 Vgl. oben S. 170. " Vgl. oben S. 178.
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Der letzte Grund dafür, daß die evangelische Theologie diese Lehre ablehnen muß, liegt wohl darin, daß sie aus den Verheißungen Jesu einen vorfindlidien Tatbestand macht. Natürlich ist in dem, was man Einheit der Kirche nennt, eine Doppelheit zu sehen, aber darf man die durch jenes statische Gegenüber essentiell—akzidentell ausdrücken? Geht es an, das bereits erfolgte Gotteshandeln als das allein wesentliche auszuspielen gegen das zukünftige, das nur ein „hinzukommendes" und damit letztlich unwesentliches wäre? Hier ist die der Kirche zum geduldigen Ausharren aufgetragene Spannung zwischen dem Christus incarnatus und dem Christus rediturus nach einer Seite hin entschärft; der in die Zukunft gerichtete Blick der Kirche wendet sich sehr bald zurück, weil Entscheidendes ja nicht mehr geschehen kann. Das aber hat zur Folge, daß Jesu Christi Ruf „Tue Buße!" in der Kirche nicht mehr mit gebührender Deutlichkeit laut wird. Wenn in einer reinen Leib-Christi-Ekklesiologie die Beziehung Christi zur Kirche auf die Identität eingeschränkt wird und das spannungsreiche Gegenüber nicht mehr zum Ausdruck kommt, gibt es eine „Flucht nach rückwärts", bei der die geschichtlich-empirische Uneinigkeit der Kirche ihre letzte Beunruhigung ebenso verliert, wie auf der „Flucht nach vorn" 65 . Diese grundsätzlichen Erwägungen über den Kirchenbegriff stellen nun gleichzeitig die Wurzel dar, aus der heraus eine evangelische Gliedschaftslehre entwickelt und von der her die Auseinandersetzung über dieses Problem geführt wird. Es bleibt also nodi die Aufgabe, die bezüglich der Kirche getroffenen Grundentscheidungen für die Beantwortung der Gliedschaftsfrage auszuwerten. Den Ausgangspunkt hierzu bilden, wie audi auf römischkatholischer Seite gesehen wird 66 , die beiden Artikel VII und VIII der CA: „Est autem ecclesia congregatio sanctorum, in qua evangelium pure docetur et recte administrantur sacramenta" und „Quamquam ecclesia proprie sit congregatio sanctorum et vere credentium, tarnen, cum in hac vita multi hypocritae et mali admixti sint, licet uti sacramentis, quae per malos administrantur." Schon ein erster Blick auf diese Sätze zeigt, daß für das Gliedschaftsproblem in der evangelischen Theologie wiederum zwei Größen von Belang sind: das persönliche Moment der Heiligkeit und das hiervon grundsätzlich unabhängige sachliche Moment der Wirksamkeit der Sakramente 87 . 65 V o n der Terminologie her gelangt man zur gleichen Problematik: Wenn die Kirche nur Leib Christi ist, so käme man zu der merkwürdigen Formulierung, daß Christus über seinen eigenen Leib Gericht hält. «· Sartory 1,133 f. 67 Bekenntnisschriften a.a.O. 61 und 62. CA VII versteht den genitivus pluralis „sanctorum" im Anschluß an Luther persönlich, d.h. als die „Gemeinde der Gläubigen", vgl. a.a.O. Anm. 3, dazu die Erklärung der Apologie a.a.O. 235 und Luthers Ausführungen im Großen Katechismus zum 3. Artikel, a.a.O. 657.
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Kinder geht bei seinen Bemerkungen zur Gliedschaftsfrage von dieser Doppelheit aus und kommt zunächst auf die erste Größe zu sprechen 68 : D a s Eigentliche der Kirche ist im Blick auf ihre wahren Glieder verborgen, weil „niemand sieht, wer heilig oder gläubig sei." Gott allein kennt die, die wirklich zur Kirche als dem „populus dei spiritualis" gehören, ihm allein ist es kundig, wo auf der Gliederseite die Grenze der Kirche verläuft. Auch der Glaube weiß lediglich, daß eine Gemeinde von Glaubenden da ist, wer jedoch dazugehört, wer durch die Gnadenmittel tatsächlich der Heilsgemeinde inkorpiert worden ist, das weiß er nicht. Nach der Seite der Glieder hin müssen infolgedessen die Grenzen der Kirche grundsätzlich offengehalten werden. Es bedarf nur solch einer kurzen Skizzierung dieses Gedankens, bei dessen Entfaltung sich Kinder laufend auf Luther stützen kann, um zu erkennen, wie nahe er sich sachlich mit einem Teil der römischen Lehre berührt. Der Bereich, in dem ein Mensch sich nach evangelischer Lehre als wahres Glied erweist — entspricht er nicht dem, was die römische Theologie mit forum internum bezeichnet? D a s ist jene Ebene, von der das Kirchenrecht absieht, weil auf ihr die Dinge liegen, „die geheim sind und voraussichtlich geheim bleiben" 6 9 , auf der allein es sich letztlich entscheidet, ob ein Sakrament die von ihm intendierte Fruchtbarkeit entfaltet hat 7 0 , auf der sich das Votum ereignet, das „ f o r u m ante oculos domini", über das ein umfassendes und gerechtes Urteil allein Gott, dem scrutator cordium, zusteht, weil ein Mensch letztlich nicht sagen kann, was sich innerlich zwischen Gott und dem Menschen abgespielt hat 7 1 . U n d wenn diesem Prinzip seine zunächst einmal keinen Menschen ausschließende Weite nachgerühmt, wenn es als von der Sadie des Heiles und nicht vom Individuum ausgehende Deduktion bezeichnet wird 7 2 , die zwar eine grundsätzliche Orientierung über die Bedingungen für den Heilsempfang gibt, aber gerade kein hantierbares Kriterium darstellt, mit dem man diesen oder jenen konkreten Menschen für selig und verdammt erklären könnte, so ist der Weg nicht mehr weit bis zu Kinders Folgerung, daß die Gliedschaftsgrenzen grundsätzlich offengehalten werden müssen. Freilich erschöpft sich die römische Gliedschaftslehre nicht in Bestimmungen über das forum internum; aber auch Kinder beschränkt sich nicht darauf; er kennt vielmehr neben der wirklichen Gliedschaft am Lebensleibe Christi noch eine äußere Kirchenzugehörigkeit, ein williges Stehen des Menschen im Wirkbereich von Wort und Sakrament 7 3 . Der Unterschied zu den obigen Angaben ist deutlich: Diese Zugehörigkeit äußert sich im Gottesdienstbesuch, der Inanspruchnahme der kirchlichen Sakramente und Amtshandlungen, aber auch im Bezahlen der Kirchensteuern; eine Kirchenbehörde kann sie kon88 70 72
Kinder a.a.O. 98—101. Vgl. oben S. 34 f. und 71. Vgl. oben S. 82, 100 und 120.
· · Vgl. oben S. 41 mit Anm. 56. Vgl. oben S. 64 und 100. 73 Kinder a.a.O. 98. 71
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trollieren, erfassen und unter Umständen auch f ü r den einzelnen daraus gewisse Konsequenzen ziehen. Kinder erwähnt diese Zugehörigkeit zur „ecclesia large dicta" nur kurz; immerhin nennt er die Unterscheidung zwischen jener „wahren" und dieser „äußeren" Gliedschaft „im heuristischen und regulativen Sinn wichtig und notwendig" 7 4 . Wiederum sieht man, daß mit dieser äußeren Kirchenzugehörigkeit mutatis mutandis bis zu einem gewissen Grad das gleiche gemeint ist, was Pius X I I . mit reapse-Gliedschaft bezeichnet, eine Gliedschaft, deren Erfülltsein ohne große Schwierigkeiten vom Menschen festgestellt werden kann, weil ihre Komponenten auf der „Ebene des Sichtbaren, des geschichtlich und rechtlich Greifbaren und darum auch auf der Ebene des sakramentalen Zeichens" 75 liegen, weswegen ihr auch das Recht „in gewisser Hinsicht den Vorrang einräumen" 76 muß. Die regulative Funktion, die solch äußere Kirchenzugehörigkeit gibt, tritt in Erscheinung, wo die Kirchenzucht geübt wird, d. h. da, wo ein Glied der Kirche wegen schwerer sittlicher Verfehlungen, möglicher Pflichtversäumnisse oder Irrlehre ausgeschlossen wird von der Teilnahme an den Sakramenten oder sonstigen Wirkmitteln, von Taufe, Abendmahl, kirchlicher Unterweisung, Trauung, Beerdigung. Freilich kann die Übung der Kirchenzucht niemals von dem Motiv bestimmt sein, „die Kirche als Gemeinde der wahrhaft Gläubigen und Geheiligten positiv sichtlich darzustellen" 77 , indem jener Ausschluß mit gleicher Eindeutigkeit einen Ausschluß vom Heil bedeuten würde. Gerade diese letzte Überlegung zeigt, wie brennend sich auch f ü r die evangelische Theologie das Problem einer richtigen Zuordnung von innerem und äußerem Bereich erweist 78 . Wenn man sich auf der römischen Seite dar71
Kinder a.a.O. 100. ' 5 So Rahner, vgl. oben S. 44. 77 So Mörsdorf, vgl. oben S. 41. Kinder a.a.O. 101, Anm. 2. 78 Mit der kirchenrechtlichen Seite des Gliedschaftsproblems im allgemeinen beschäftigen sich im Raum der evangelischen Kirche: W. Maurer, Zur theologischen Problematik des kirchlichen Mitgliedschaftsrechtes, und: H. Liermann, Die kirchliche Mitgliedschaft nach geltendem evangelischem Kirchenrecht, beide ZevKR 4, 1955, 337—360 und 382—399; ferner P. Schoen, Kirchenmitgliedschaft und Kirchengemeindemitgliedschaft nach den neuen evangelischen Kirchenverfassungen, VerwArch 30, 1925, 113ff. (heute durch die neuen Kirchenordnungen weithin überholt). Im einzelnen unterteilt sich im heutigen evangelischen Kirchenrecht das Gliedschaftsproblem in die Frage der Kirchenzucht und in die gerade in den letzten Jahren öfters aufgeworfene Frage über den Zusammenhang zwischen Gliedschaft bei der Gemeinde und bei der Landeskirche. Innerhalb der evangelischen Kirche in Deutschland ist dieses letzte Problem besonders akut geworden durch den häufigen Verzug von Gemeindemitgliedern in Landeskirchen eines anderen evangelischen Bekenntnisses. Uber die in den einzelnen Gliedkirchen der EKD hier sehr verschieden gehandhabte Praxis (automatische Gliedschaft in der neuen Landeskirche, wenn nicht ausdrückliche Abmeldung erfolgt; Gliedschaft dortselbst nur bei ausdrücklicher Anmeldung; Gliedschaft bei einer bekenntnisgleichen Freikirche; gastweise Gliedschaft in der Landeskirche) unterrichtet ein Vergleich der einzelnen Verfassungen der Gliedkirchen der EKD, zuletzt gesammelt von F. Merzyn, Das 76
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über orientieren möchte, dann fällt auf, wie d o r t zwei Richtungen nebeneinanderlaufen, die die beiden Ebenen jeweils verschieden gewichtig akzentuieren. So findet sich, namentlich im französischen Spradiraum, ein Kreis v o n Theologen, die im Anschluß an T h o m a s v o n Aquino „das Problem der Kirchengliedschaft unmittelbar als Problem des Heiles" 7 9 verstehen u n d entsprechend darstellen. So nennt Morel die in innerer V e r b i n d u n g zur Kirdie Stehenden „membres de f a i t " , w ä h r e n d er beim Vorhandensein nur des äußeren Bandes lediglich „membres de d r o i t " sagen möchte 80 . Ähnlich ist es bei Liege 81 , der den spezifisch theologischen, d. h. die innere Ebene betreffenden Aspekt der Kirche als den zentralen u n d wesentlichen bezeichnet. Durchweg jedoch scheint diese R a n g - u n d Reihenfolge keineswegs vertreten zu w e r d e n ; andere Theologen, u n d z w a r die Mehrzahl, legen auf den äußeren Bereich ein wesentlich größeres Gewicht. „Wirklich" (reapse!) heißt nämlich bei ihnen im Anschluß an die E n z y k l i k a „Mystici C o r p o r i s " gerade der äußere Bereich. U n d wenn m a n sich vor Augen hält, d a ß zahlreiche Autoren, u n d z w a r nicht n u r Kirchenrechtler, das P r ä d i k a t „ G l i e d " n u r solchen reservieren wollen, die die drei äußeren Bedingungen erfüllen 8 2 , so läßt sich der Eindruck k a u m vermeiden, als sei dieser — zumindest im Blick auf die Glieder der eigenen römisch-katholischen Kirche — der entscheidende. Bezeichnend hierfür ist die Art, in der Thijssen in seinem schon ö f t e r genannten Aufsatz über dieses Problem redet. Dieser handelt ja im wesentlichen von der äußeren Ebene, u n d dessen ist sidi Thijssen auch voll b e w u ß t : Mit der Erörterung des sichtbaren Aspektes „haben wir nichts gesagt über den letzten Zustand des Christen. D a r ü b e r können u n d d ü r f e n wir bei keinem Verfassungsrecht der E K D und ihrer Gliedkirchen, 3. Bde., 1957. Eine systematischkritische Verarbeitung dieses Materials gibt Heinz Brunotte in seinem Aufsatz „Personalitätsprinzip und landeskirchliches Territorialprinzip", ZevKR 7, 1961, 348—375. Z u m gleichen Problem vgl. noch H . Liermann, Lehrbuch des evangelischen Kirchenrechts, Stuttgart 1933, 192ff. und 247f.; H . W. Bartsch, Die Grenzen der Kirchengemeinschaft, K. Schmidt-Clausen, Kirchengemeinschaft und Abendmahlsgemeinschaft, beide E L K Z 11, 1957, 236—239; K. Hensel, Territorium und Konfession, E L K Z 13, 1959, 202f.; H . Engelhardt, Bekenntnis, Wohnsitz, Kirchengliedschaft, E L K Z 13, 1959, 344S.; H . Brunotte, Grundsatzfragen zur Kirchenverfassung, in: Grundlagen einer neuen Kirchenverfassung — Drei Referate, Pattensen (Leine) o. J. (1959), 32—46; G. Haider, Die Bedeutung der Kirchengliedschaft im Kirchenkampf, EvTheol 20, 1960, 71—90. Z u m Problem der Kirchenzucht vgl. D. Bonhoeffer, Nachfolge, München 1937; W. Maurer, Gemeindezucht, Gemeindeamt, Konfirmation, 1940; H. Diem, Restauration oder Neuanfang?, 1946; G. Schwanhäußer, Das Gesetzgebungsrecht der evangelischen Kirche unter dem Einfluß des landesherrlichen Kirchenregiments im 16. Jahrhundert. Jur. Diss. Erlangen 1957, besonders 116ff.; H . Diem, Lebensordnung oder Kirchenzucht, ZevKR 4, 1955, 291—307. 79 Schmaus a.a.O. I I I / l , 429. 80 Morel a.a.O. 722, Anm. 43, vgl. oben S. 42. 81 Vgl. oben S. 54 mit Anm. 93. 82 Vgl. nur die Erörterung oben S. 41. 201
urteilen. An erster Stelle wird das Christsein jedoch bestimmt aus dem, was für uns offenbar i s t . . . " Denn es geht nicht an, „daß man mehr über dasjenige, was für uns noch verborgen ist, als über das, was für uns offenbar ist, spricht". Obgleich „wir in unserer Glaubenshaltung immer den nötigen Spielraum lassen müssen für die geheimen Gnadengaben des Geistes bei jedem Christen.. ., möchten wir diesen Aspekt ganz außer acht lassen"83. Mit dieser jeweiligen Akzentuierung ist freilich die Frage nacii einer Vereinbarkeit beider Ebenen im Grunde nur nochmals präzisiert. Man wird es auf evangelischer Seite wohl begrüßen, daß die der römischen Theologie lange Zeit drohende Veräußerlichung des Kirchenbegriffs durch jene erste Richtung ein kräftiges Hindernis in den Weg gestellt bekam, muß aber gleichzeitig bedenken, daß es auf diese Weise oft recht schwierig wird, die äußeren kirchlichen Wirkmittel gebührend zur Geltung zu bringen. Jedenfalls ist eine befriedigende Lösung nicht in einer reinen Verinnerlichung zu suchen, und auch wenn die evangelische Theologie sich zu Zeiten dem Katholizismus gegenüber auf diese Position zurückziehen zu können glaubte, so muß ihr dieser Weg heute als ungangbar erscheinen. Auf römischer Seite dagegen scheint die Gefahr doch nach wie vor von der Veräußerlichung her zu drohen; denn trotz des von den französischen Theologen aufgestellten Warnungszeichens ist Thijssens Methode immer noch für das allgemeine römischkatholische Denken repräsentativ. Ihr gegenüber muß die evangelische Theologie daran festhalten, daß sie jenen inneren Aspekt audi nicht einen Augenblick „ganz außer acht lassen" kann. Denn woher ließe sich dieses Ausweichen auf die Ebene des Sichtbaren rechtfertigen? Ist es gerade bei der Erkenntnis, daß „der letzte Zustand des Christen" unserer Beurteilung entzogen bleibt, legitim, dafür den „vorletzten", äußerlich meßbaren, desto ausführlicher zu entfalten, so daß er schon durch den Umfang des über ihn Ausgesagten in Gefahr gerät, an die erste Stelle zu rücken? Wäre es nicht ehrlicher, sich an diesem Punkt mit dem Bekenntnis des eigenen Unvermögens zu begnügen, anstatt eine solche „Flucht nach außen" einzuschlagen? In der Haltung zu dieser Frage besteht zwischen den Konfessionen ein offenkundiger Unterschied. Die evangelische Theologie schließt oder vielleicht auch bricht ihre Ausführungen über die „wahren Glieder" nach ziemlich kurzer Zeit mit dem Lutherwort ab, daß „keiner dem anderen ins Herz sehen" 84 kann, während sich die römische bemüht, in diesen Bereich durch die Hinzunahme der psychologischen Begriffe der unüberwindlichen Unwissenheit und der subjektiven Schuldhaftigkeit, der bona und mala fides, des freien Willens und seiner impedimenta noch ein erhebliches Stück weiter vorzudringen 85 . Es wurde oben deutlich, wie die zu diesem Zweck entwickelten Gedanken sich 83 85
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84 Thijssen a.a.O. 97/98 und 83. Nach Kinder a.a.O. 99. Vgl. den moraltheologischen Exkurs oben S. 80ff.
z w a r aus der Tradition herleiten, aber in ihrer heutigen Differenzierung nicht ohne die Erkenntnisse der modernen Psychologie d e n k b a r sind. M a n ist ja auf evangelischer Seite sehr schnell geneigt, jenen moraltheologischen Ausbau als nicht ganz legitimen Einbruch in die Sphäre des Unerforschlichen zu verdächtigen; aber m a n m ü ß t e sich bei diesem Vorwurf zumindest vergegenwärtigen, wie sich die römisch-katholische Theologie selbst darüber klar ist, d a ß sie damit den Vorstoß bis zu einem konkreten Einzelurteil nicht zustande bringen k a n n und auch gar nicht zustande bringen will, sondern wie sie dabei lediglich die Absicht hat, f ü r soldi einen Fall möglidist genaue Beurteilungskategorien zu liefern. In dem Augenblick nämlich, w o die E r ö r t e r u n g des Problems f ü r einen konkreten Menschen erforderlich wird, w a n d e l t es seine S t r u k t u r und w i r d aus einer mehr oder weniger theoretischen A b h a n d l u n g zu einer existentiellen Frage 8 6 . D a m i t gehört es d a n n nicht mehr in erster Linie in das Gebiet der Lehre, sondern w i r d zur A u f g a b e der praktischen Seelsorge 87 . M a n w i r d sich erinnern, d a ß diese Beziehung nicht nur sachlich, sondern auch historisch gegeben ist; zwei der wichtigsten Zeugnisse f ü r das V o t u m aus der Alten Kirche, Cyprians Brief zur Decischen Verfolgung u n d v o r allem die Leichenrede des Ambrosius 8 8 , stellen die Ausk u n f t eines Seelsorgers auf eine das Gewissen der Gemeinde bedrängende Frage dar. Es sei ferner darauf zurückverwiesen, wie K a r l R a h n e r die Frage nadi dem Eintritt der Selbsttrennung von der Kirche als „pastoral bedeuts a m " bezeichnet hat 8 9 , u n d endlich w i r d wohl bei allen Autoren, die sich um die Aufhellung des Loses der ungetauft verstorbenen K i n d e r bemüht haben 9 0 , das letzte M o t i v ihrer Arbeit die Frage beunruhigter Eltern gewesen sein. Diese Verbindung, die sich v o n den verschiedensten P u n k t e n der obigen Untersuchung aus zur Seelsorge herstellen läßt, ist deswegen so bemerkenswert, weil sich mit ihr gleichzeitig wieder ein K o n t a k t zur evangelischen Theologie ergibt. Ü b e r das Schicksal ungetauft verstorbener Kinder oder allem Anschein nach glaubensloser Erwachsener wird m a n im R a u m der evangelischen Theologie kaum 9 1 eine theoretische E r ö r t e r u n g finden, aber im Gespräch, in der Predigt, am Grab, w i r d jeder P f a r r e r sich diesen Fragen grundsätzlich stellen müssen; das gleiche gilt, w e n n ein Mensch in Besorgnis um sein eigenes H e i l Auskunft verlangt. U n d ebenso einsichtig ist es, d a ß eine verantwortliche Ausübung der Kirchenzucht nie ohne wenigstens den Versuch eines vorherigen seelsorgerlichen Gespräches erfolgen k a n n . So erf a h r e n also verschiedene mit der Gliedschaft im Zusammenhang stehende 86
Vgl. Sartory I, 133. Vgl. die Andeutung dieser Linie schon oben S. 103. 88 Vgl. oben S. 63 und 64f. 89 90 Vgl. oben S. 31. Vgl. oben S. 66 ff. 91 Karl Brinkeis Studie über „Die Lehre Luthers von der fides infantium bei der Kindertaufe" (Berlin 1958) steht ziemlich isoliert da. Im übrigen handelt es sich dabei um eine historische Untersuchung, in der die Heilsfrage so gut wie keine Rolle spielt. 97
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Fragen zwar nicht, wie in der römischen Theologie, eine grundsätzlichtheoretische Erörterung, werden aber doch, ganz ebenso wie dort, immer aufs neue in der Praxis beantwortet. Angesichts dieser Gemeinsamkeit könnte man geneigt sein, jener Lücke auf dem Gebiet der theoretischen Entfaltung nur geringes Gewicht beizumessen. Man kann mit gutem Recht die moraltheologischen Einzelbestimmungen wie die Erwägungen zum Problem der ungetauften Kinder sehr stark, wo nicht gar ausschließlich, unter dem Aspekt ihres praktischen Zieles sehen. Dieses ist hüben wie drüben das gleiche, und wenn der grundsätzliche Vorbau auf der evangelischen Seite fehlt, so hieße das nur, d a ß deren praktische Theologie der römischen gegenüber in der Entwicklung zurückgeblieben ist. Die römische Theologie will mit ihrer ausgeprägteren spekulativen Durchdringung jener Fragen, die auf beiden Seiten gleich brennend sind, ja nur dem Seelsorger möglichst brauchbare, allgemeingültige Maßstäbe an die H a n d geben, mit denen er die oft verwirrende Fülle des menschlichen Lebens leichter auf ihre Grundgesetze zurückführen kann. Der evangelischen Theologie hätte man in diesem Fall anzuraten, sich derartige Maßstäbe auch baldmöglichst anzueignen, was sie bisher aus unbegreiflichen Gründen versäumt hat. So bestünde an einem wesentlichen P u n k t zwischen der römischen und der evangelischen Gliedschaftslehre nur ein gradueller, aber kein qualitativer Unterschied. U n d doch widersprechen die Tatsachen dieser Argumentation. Freilich wird es nicht leicht sein, den grundsätzlichen Unterschied zwischen den beiden Gliedschaftskonzeptionen einleuchtend zu machen. Zunächst einmal steht der evangelische Theologe mit einer gewissen Ratlosigkeit vor der oben skizzierten dogmengeschichtlichen Entwicklung der Lehre vom Taufvotum 9 2 : Zu dem bischöflichen Wort eines Ambrosius in dieser Sache, das da am Anfang steht, wird er voll und ganz ja sagen können, dagegen wird er bei den Definitionen des Tridentinums und vollends bei deren theologischer Entfaltung immer bedenklicher, weil er zu merken meint, daß sich in diese Aussagen mittlerweile ein falscher und gefährlicher Ton eingemischt hat, der zusehends stärker wird. Aber wo hat dieser Mißton seinen Ursprung und wie ist er entstanden? War er schon bei Augustin oder erst im Mittelalter? H a t Petrus Lombardus oder Bernhard die verhängnisvolle Wendung gebracht, ist sie bei Thomas zu beobachten oder gar erst in der Verfügung des Tridentinums? Die Schwierigkeit, dem hier vorliegenden Problem beizukommen, liegt darin, daß sich sein objektiver Sachgehalt scheinbar im Lauf der Zeit nicht verändert hat. Gewandelt hat sich nur die Gestalt der Aussage, in der diese an verschiedenen Punkten der Geschichte jeweils vorgebracht worden ist: am Anfang in einem klärenden, tröstenden, seelsorgerlichen Wort an die Gemeinde, am Ende in der Form eines konziliaren Dekrets bzw. Kanons. Dieser Unterschied aber hat erhebliche Folgen. 82
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Vgl. oben S. 62—64.
E d m u n d Schlink h a t in einem größeren Zusammenhang 0 3 auf die G e f a h r e n aufmerksam gemacht, die daraus entstehen, d a ß Gottes große T a t e n aus ihrer anfänglichen S t r u k t u r einer missionarisch-seelsorgerlichen Bezeugung übergeführt werden in die spezifische S t r u k t u r der Lehre 9 4 . D e r Lehrende k o m m t in die Versuchung, aus der Situation des v o m Zuspruch u n d Anspruch des Evangeliums Angeredeten herauszutreten u n d „einen S t a n d o r t abseits anzustreben, von dem aus diese Begegnung von G o t t u n d Mensch betrachtet, beschrieben und auf lehrhafte Formeln gebracht werden k a n n " . Von dem persönlichen „Ringen, Seufzen, Sich-an-das-Evangelium-Anklammern" verschiebt sich das Interesse weg auf eine „Verrechnung v o n göttlicher G n a d e und menschlichem Willen", zu „theoretischen Verhältnisbestimmungen zwischen dem, was G o t t u n d was der Mensch zur R e t t u n g beiträgt", zu einer Betrachtung der „allgemeinen Möglichkeiten des Menschen sdilechthin". So zieht die formale Veränderung unversehens eine sachliche nach sich; denn so sehr man an der genuinen I d e n t i t ä t des Gehaltes festhalten mag — es ist keineswegs dasselbe, ob eine T a t oder eine Willensverfügung Gottes als an mir geschehen oder f ü r midi verbindlich bezeugt, oder ob darüber eine Lehre vorgetragen wird. Es ist nidit dasselbe, „ w e n n der Glaubende bekennt, allein durch das Evangelium gerettet zu sein, u n d wenn gelehrt w i r d , d a ß Gottes G n a d e so wirke, d a ß der Mensch ihr nicht widerstehen k a n n " . So f ü h r e n Schlinks mit noch weiteren Beispielen erläuterte G e d a n k e n zu dem Schluß, d a ß „überaus folgenschwere dogmatische Probleme ü b e r h a u p t erst durch die V e r ä n d e r u n g der S t r u k t u r der theologischen Aussage e n t s t a n d e n " sind. Zweifellos ist mit diesen Darlegungen nicht zu einem Verzicht auf die Lehre ü b e r h a u p t a u f g e r u f e n ; ist sie doch schon eine im N e u e n Testament häufig bezeugte Form der theologischen Aussage 95 . Immerhin scheinen sich hier jedoch bestimmte Grenzen dieser S t r u k t u r f o r m zu zeigen, insofern jede bezeugte T a t u n d Willensverfügung Gottes genau darauf zu p r ü f e n wäre, ob f ü r sie die Lehre ü b e r h a u p t eine a d ä q u a t e Ausdrucksform darstellt. D a m i t d ü r f t e zugleich der P u n k t erreicht sein, an dem sich bei dem zur Diskussion stehenden Problem der Gliedschaftsfrage die Geister scheiden. Römische wie evangelische Theologie machen beide lehrmäßige Aussagen darüber, d a ß es eine Gemeinde w a h r e r Kirchenglieder gibt, die das ewige H e i l empfangen werden 9 6 . Die A n w e n d u n g dieses Prinzips erfolgt indes in der evangelischen Theologie p r i m ä r in der direkten seelsorgerlichen Anrede von Predigt u n d Gespräch, w ä h r e n d die römische Theologie diese A n w e n d u n g außerdem u n d vorher noch ein Stück weit in der Form von Lehraussagen gibt. Das h a t zur Folge, d a ß in den evangelischen Ausführungen zur Gliedschaft das D u des Mitmenschen in kontingenter Zuspitzung u n d in seiner 93
E. Schlink, Die Struktur der dogmatischen Aussage als ökumenisches Problem, „Der kommende Christus" a.a.O. 24—80. 91 Das folgende nach Schlink a.a.O. 43ff. 95 89 Vgl. Schlink a.a.O. 30ff. Vgl. oben S. 199. 205
konkreten Situation angeredet wird, während diese Anrede in den römischen Moralprinzipien höchstens indirekt sein kann, weil das angeredete Du ja in der Lehre sehr stark zurücktritt 97 . Das hat zur Folge weiterhin, daß diese Aussagen in der evangelischen Seelsorge immer wieder ganz neu bezeugt werden müssen, unter Umständen das eine Mal völlig anders als das andere, weil die persönliche Verantwortung des Seelsorgers es so fordert, während die römische Lehre hier ein weit höheres Maß an gleichbleibendem Gehalt bewahrt, weil in der Lehraussage die Objektivität viel stärker ist und das Ich des Redenden großenteils zum Werkzeug der Sache wird. Hier ist nun die römische Theologie zu fragen, ob für Aussagen, die über das reine „ D a ß " einer wahren Kirche hinaus sich auf deren gliedsdiaftlidie Grenzen erstrecken, die Lehre in dogmatisdier oder moraltheologischer Gestalt nicht eine ungeeignete Strukturform darstellt. Beim Festhalten an der Tatsache, daß Auskünfte über die Gliedschaft bei der wahren Kirche und in engstem Zusammenhang damit über die Hoffnung auf das ewige Heil immer nur diesem oder jenem Menschen bzw. dieser oder jener Gemeinde in der direkten Anrede der zweiten Person als Trost oder Warnung und stets nur unter sorgfältiger Berücksichtigung der konkreten Situation des angeredeten Du gegeben werden können, wären gewichtige Bedenken gegen die römischkatholische Aussageform anzumelden. Denn es zeigt sich, daß das, was im seelsorgerlidien Wort geistliche Hilfe sein kann, in der römischen Moraltheologie zu einer den Menschen belastenden Kasuistik und in der Lehre über die ungetauft verstorbenen Kinder zu einer bodenlosen Spekulation wird. Wo wohl in den Aussagen über das Votum erstmals jener gefährliche Ton angeklungen ist, wurde vorhin gefragt. Eben an dem Punkt, da diese nicht mehr im direkten Zuspruch an die zweite Person, sondern als mehr oder minder objektive Lehre dargelegt wurden, hinter der das redende Ich wie das angeredete Du zurücktreten 98 . In diesem Augenblick nämlich sind sie unversehens in eine andere Strukturform transformiert worden, die dem ausgesagten Inhalt nicht mehr adäquat ist. Auch auf römisch-katholischer Seite sieht man ja, daß mit dem Gliedschaftsproblem eine „existentielle Frage" 9 9 gestellt wird. Gibt man darauf die Antwort in Form von objektiver, von der „Existenz" losgelöster Lehre, so läßt sich der Eindruck kaum vermeiden, daß es sich dabei um ein neugieriges und in gewissem Sinn unverbindliches Eindringen in an und für sich verbotenes Gebiet handelt, während im anderen Fall das Geheimnis grundsätzlich Geheimnis bleibt, wirklich nur, wenn es unbedingt nötig ist, und nur gerade so weit, wie es nötig ist, geöffnet und dann gleich wieder verschlossen wird. Es hat sich ferner gezeigt 100 , daß Vgl. Schlink a.a.O. 32. Das ist, wenn ich recht sehe, geschehen bei Petrus Lombardus, der aus dem Glauben an das Votum einen dogmatischen locus gemacht, bzw. bei Thomas, der dieses Problem in Form einer theoretischen Frage erörtert, vgl. oben S. 65 f. 99 Sartory 1, 133. 100 Vgl. oben S. 64 und 125. 97
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das Ergebnis, welches mit den von der römischen Theologie an die H a n d gegebenen Kategorien ermittelt wird, im günstigsten Fall den Charakter der Höchstwahrsdieinlichkeit, einer sogenannten „moralischen Gewißheit" an sich trägt. Aber kann sich damit ein auf den T o d angefochtenes Gewissen zufriedengeben? Mehr gibt es eben nicht! mag man einwenden, und soweit man den Bereich der Lehre ins Auge faßt, trifft das sicherlich zu. Aber es gibt vielleicht anderswo einen Ort, an dem unbedingt geredet werden kann, nämlich dort, wo sich ein Mensch zu der festen Glaubensgewißheit durchgekämpft hat, daß hier, an einer ganz bestimmten Stelle, Gott sein Heil geschenkt hat und in Ewigkeit schenken wird. Freilich kann diese Gewißheit niemals als allgemeines Prinzip konserviert werden, sondern sich nur im Zuspruch direkt an den Nächsten ereignen. D a f ü r ist es wiederum erforderlich, daß der angefochtene Nächste ausschließlich auf das hingewiesen und damit getröstet oder ermahnt wird, was Gott ihm geschenkt hat, etwa die Verbundenheit mit Christus durch die T a u f e und den Glauben an sein Wort. In dieser Hinsicht ist die römische Theologie schon in ihren Anfängen 1 0 1 jener bereits erwähnten Gefahr erlegen, die aufs engste mit der Verschiebung der Aussagestrukturen zusammenhängt: Taufe, Glaube, Liebe, alle Elemente, die für die Gliedschaft eine Rolle spielen, werden zwar auch in der römischen Theologie genuin als Gaben Gottes verstanden. Aber dadurch, daß man Art und G r a d ihres Vorhandenseins in allgemeingültigen Lehren ausgedrückt hat, mußte sich mehr und mehr das Verständnis einstellen, als handele es sich dabei um Eigenschaften, die der Mensch vorzuweisen habe, und aus denen sich ihm dann weitere Ansprüche ableiten könnten. Gottes gnädige Verfügungen, die in den Gliedern der Kirche eine starke Hoffnung auf das ewige Heil nähren sollten, erscheinen durch die Aufstellung jenes allgemeinen Maßstabes als Gliedschaftsbedingungen und werden damit zugleich natürlich ihrer geschenkhaften Fülle entkleidet und auf ein Minimum reduziert, damit möglichst viele Menschen davon erfaßt werden 1 0 2 . Sartory hat recht 103 : Die evangelische lehrmäßige Entwicklung der Gliedschaftsfrage ist hinter der römischen weit zurückgeblieben. Aber der Grund dafür ist vielleicht doch nicht bloß der Mangel an entsprechenden Bemühungen, sondern die — möglicherweise oft wenig bewußte — Überzeugung, daß detaillierte Gliedschaftsaussagen nicht in der Form der Lehre, sondern immer nur in Gestalt des direkten Zuspruches erfolgen können 1 0 4 . ιοί Vgl Bemerkung oben S. 63 f. 102 In der „Sicherheit" auf der einen und der „Gewißheit" auf der anderen Seite sieht der ehemalige römisch-katholische Priester und jetzige evangelische Pfarrer Walter Theodor Cleve in seinem Buch „Evangelisch und Katholisch", Witten 3 1959, vgl. vor allem 16ff., „die wesentliche Unterscheidung zwischen der Römischen und der Evangelischen Kirche". 103 Sartory I, 133 ff. 104 Das gleiche ließe sich noch an einem anderen Beispiel verdeutlichen: Die Heilsfrage der Heiden ist ein Problem, das in der römischen Theologie eine aus207
So muß es verwehrt bleiben, die zu Beginn dieser letzten Überlegung erkannte Spannung zwischen der Existenz sichtbar wirkender Gnadenmittel einerseits und dem fruchtbaren Ankommen solcher Wirkung bei den Gliedern andrerseits, wie sie in den beiden „Gliedschaftsartikeln" CA VII und VIII 1 0 5 gegeben ist, innerhalb der Lehre zu lösen. Die evangelische Theologie könnte dazu nicht einen Rückzug in den sichtbaren Bereich antreten, mit dem H i n weis, der Mensch habe eben das ihm zugängliche Gebiet so eingehend wie möglich zu explizieren; denn dabei wird allzuleicht übersehen, daß die letzte Entscheidung über die Gliedschaft, die Heil oder Unheil heißt, „ante oculos domini" gefällt wird. Ebensowenig aber könnte sie aus den aufgezeigten Gründen den Weg einer theoretisch-psychologischen Aufschlüsselung dieses inneren Bereiches auch nur ein Stück weit mitgehen. Und diese beiden Wege führen, wie es die römische Theologie zeigt, trotz aller Anstrengungen zum Sdiluß doch nicht zusammen und können das Auseinanderklaffen der zwei Ebenen endlich doch nicht verhindern oder verdecken. Der Versuch, zwischen beiden theoretisch eine objektive Vereinigung aufzuzeigen, muß scheitern, wenn mit jener oben gewonnenen Erkenntnis, daß sichtbare und unsichtbare Kirche nur im Glauben eins sein kann, auch hinsichtlich der Gliedschaftsfrage ernst gemacht werden soll. Es gibt die Schar derer, die jedenfalls äußerlich zur Kirche gehören, die willig im Wirkungsbereich von Wort und Sakrament stehen. Der Glaube weiß, daß diese Heilsmittel wirkungskräftig sind, daß das Wort Gottes „nicht leer zurückkommen wird", und daß infolgedessen dort, wo sie sich betätigen, die wahren Heiligen und Gläubigen vorhanden sind. Es ist aber die Freiheit des Heiligen Geistes selber, die dem Versuch im Wege steht, diese Heiligen allgemein mit einer bestimmten Menschengruppe zu identifizieren; solche Heiligkeit kann ich nur im Blick auf mich oder einen konkreten anderen Menschen als empfangenes Geschenk Gottes gläubig bezeugen; darin findet die Tatsache ihren lebendigen Ausdruck, daß es beim Gliedschaftsproblem um eine existentielle Frage geht. Gleichzeitig aber eröffnet sich damit der Blick in die Zukunft: das Geschenk der Gliedschaft ist niemals fester Besitz; ich kann es jeden Augenblick wieder verlieren; unverlierbar ist es erst, wenn es im Gericht Jesu Christi bestätigt worden ist. Und auf der anderen Seite ist grundsätzlich auch der kirchenfernste Mensch nie davon ausgeschlossen, daß führliche theoretische Erörterung erfahren hat — man denke nur an die Arbeiten von Billot (vgl. oben S. 69f. mit Anm. 145), Li6ge (vgl. oben S. 83f. mit Anm. 206), Lombardi (vgl. oben S. 84 Anm. 208), Pies (Die Heilsfrage der Heiden, 1925), Cap6ran (Le probleme du salut des infideles, 2 Bde, Toulouse 1934) u. a. In der evangelischen Theologie findet sich nichts Entsprechendes, weil sich auf diesem Gebiet natürlich nicht die Gelegenheit zur direkten Anrede bietet. Die evangelische Theologie könnte — mit der römisch-katholischen zusammen — aus dieser Fragestellung nur auf indirekte Weise den Ruf zur praktischen Aufgabe der Mission hören, nicht aber die vorangehenden theoretischen Erwägungen mitvollziehen. 105 Vgl. oben S. 198. 208
er von der Wirksamkeit des Heiligen Geistes ergriffen und zum wahren Glied der Kirche gemacht wird. Es liegt in der Konsequenz dieser Konzeption, daß in der Frage nach den Grenzen der Kirche in der evangelischen Theologie die Sorge um eine Abgrenzung der sichtbaren Kirchengemeinschaft: nach außen stärker hinter der Aufmerksamkeit zurücktritt, die sich auf die im eigenen Inneren der Kirche verlaufenden Grenzen richtet. Und diese sind in dauernder Bewegung, in ständiger Verengung und Erweiterung, und zu einer endgültigen Festlegung kommt es erst im Esdiaton. In der Gegenwart aber müssen diese Grenzen von uns Menschen grundsätzlich offengehalten werden; denn es ist der in den notae ecclesiae wirkende Heilige Geist selber, der sie immer aufs neue zieht, und dieser Geist wirkt, „ubi et quando visum est deo" 106 . 108
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CA V, Bekenntnisschriften a.a.O. 58.
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Dietzfelbingcr, Grenzen
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Register angefertigt von Gottfried Geiger und Barbara Dietzfelbinger I. Bibelstellen Jes. 6,10 Mt. 16,25 Mt. 18,20 Mk. 16,16 Lk. 10,16 Lk. 23,24 Joh. 14,6 Joh. 16,2 Joh. 17,21
105 62 168 60 182 105 115 105 12
Act. 3,17 Act. 4,12 Act. 10 Act. 17,23 Rom. l,18ff. Rom. 6,1 ff. Rom. 9,14ff. 1. Kor. 13,3 Gal. 5,6
105 115 65 105 105 38 106 63 66
Eph. 3,17 166 1.Tim.1,13 105 l.Tim. 2,3—4 . . . . 60, 115 1. Tim. 4,10 60 Hebr. 11,1 187 Hebr. 11,6 . . . 50, 76 f., 83 Past. Herrn, vis. 3,2 . . 62
II. Namen Adam, K. 49, 51 Ahlbrecht, A. 161 Albigenser 33,136 Alexander von Haies 69 Algermissen, K. 35 Aman, E. 119 Ambrosius 64 f., 203 f. Asmussen, H. 164,168,179, 185, 186 Augustin 33 f., 65, 67, 71, 78, 136, 203 Bäcker, H. 19 Bartsch, H. W. 201 Baum, G. 18 Baumeister, W. W. 20 Bea, A. 22 Bellarmin, R. 28, 30, 34, 60, 72f., 76, 78, 102, 106f. Benedikt XV. 14f. Bernhard von Clairvaux 65, 204 Beumer, J. 55, 60, 73, 74, 78 Bianchi 68 Billot, L. 28, 37, 38, 69f., 80 f., 83, 104, 208 Bivort de la Saudde, J. 17 Böhm, W. 39, 43, 130, 131 Bonaventura 69 Bonhoeffer, D. 187, 201 Bonifaz VIII. 108, 116 Bonomelli 14
Boudes, E. 68, 69 Cyprian von Karthago 63, Bossuet 59 109, 136, 185, 203 Brinkel, K. 203 Brinktrine, J. 90, 99, 101, Denzinger, H. 12, 23, 29, 122, 123, 125, 128, 155 31, 33, 37—39, 46, 51, Brock, E. 109 f., 112 57f., 60, 66, 78f., 83, Brugger, W. 123 104, 107 ff., 113, 115 f., Brunei, R. 34, 46, 78, 99 122, 136, 152f., 161, Brunner, P. 143—148, 153, 166, 177, 182f., 188, 190,195 161, 190 f. Deslandes, I. 158, 159 Brunotte, H. 201 Diem, H. 201 Döpfner, J. 170 Cajetan 68 Calvin, J. 33, 137ff., 140ff., Dumont, C. J. 151, 169ff, 145, 147, 165, 168f. 176, 178, 197 Cap6ran, L. 208 Dupanloup 78 Cappello, F. 37, 130 Durand, L. 68 Chavasse, A. 60, 75 Durandus 68 Chrysostomus 63 Clark, F. 161 Eichmann, Ε. 129—132 Cleve, W. Th. 207 Einstein, A. 110 Colombo, C. 150, 151, 154, Engelhardt, Η. 201 Erasmus von Rotterdam 136 168,171 Congar, Y. M. J. 18, 23, 39, 48ff., 51, 54, 56, 84,128, Fanfani, L. 81 129, 135, 137 f., 150f., Feeney, L. 109 ff. 157 f., 160, 168—171, Fenton, C. 99, 108, 113, 179 116, 117, 155 Couturier, P. 16, 21 Freud, S. 110 Craig, C. Τ. 143, 144, 145, Fries, H. 168, 185f. 146 f. Gardiner, R. 14 Curtis, Geoffrey 16 Cushing, R. J. 76, HOf. Gasparri 11,14 219
Gerson 68 Goddard-Clarke, C. 109 Gommenginger, A. 29— 32, 42 f., 44 f. Gribomont, J. 45, 72, 101, 154,155—158,167,169, 170 Gumpel, P. 67 Hägen, A. 11 Halifax 16f. Hamer, J. 135f., 137, 138, 140, 161, 162, 164, 165 Hammer, W. 21 Hanahoe, E. 135, 152, 155, 157, 159, 162, 170 Harder, G. 201 Hegel 110 Hensel, K. 201 Hilling, N. 29, 41 Hofmann, F. 33 Hus, J. 33, 139 Innozenz II. 66 Innozenz III. 66 Irenaus von Lyon 62, 67 Jaeger, L. 22 Jakob von Viterbo 97 Jannasch, W. 168 Johannes XXIII. 18 Journet, Ch. 67, 82,91—98, 101,127 f., 155,156, 171 Jurieu 140 Karrer, O. 69, 85, 100 Kilber 151 f. Kinder, E. 21, 187—195, 196, 197, 199f., 202 Kittel, G. 194 Klee, H. 68 Klein, J. 164 Köstler, R. 131 Koster, M. D. 195 Lackmann, M. 175 Landgraf, A. 34 Lauer, A. 129 Laurence, Μ. 69 Lawlor, F. X. 117f. Leenhardt, F. 152 Leo XIII. 72,108,161,182, 194 Lercher-Schlagenhaufen 32 Lialine, Cl. 170 Liegi, A. 29, 30 f., 42, 52 ff., 56, 59f., 61, 83ff., 87, 110, 184, 201, 208 Liermann, H. 200, 201 220
Lilje, H. 197 Quesnel, P. 116 Lombardi, R. 84, 208 Luther, M. 33, 136, 138 f., Rahner, K. 26, 28—35, 39, 42f., 44—46, 54, 56, 57, 141,167,168,192,198f., 69—72, 86—91, lOOf., 202, 203 114,122—124,128,155, 182—184, 200, 203 MacDonald 15 Reidick, G. 163 Malvy, A. 46 Richard, L. 39 Marina, B. 150 van Roo, W. A. 67 Maritain, J. 84 Rouse-Neill 13—19, 161 Maroto, Ph. 131 Marx, K. 110 Mathe w 113 Sanders 151 Maurer, W. 200, 201 Sartori, C. 131 Mercier 16 Sartory, Th. 18, 72, 99,101, Merkelbach 81 128, 151,155, 158, 160f. Mersch, E. 48 164—168,170,171,175, Merzyn, F. 200 188f., 198, 203.206,207 Metz, Th. 158 f. Sasse, H. 14 Metzger, M. J. 19 f. Sasse, J. B. 37 Michael, J. P. 17 Sau vage, G. 119 Miegge, G. 136, 139, 141, Scheeben, J. 28 Schell, H. 68 142 Schilling, O. 80, 81, 104 Mirbt, C. 47 Schlink, E. 145, 148—150, Mitterer, A. 49 Mörsdorf, K. 31, 32, 38, 168, 191—196, 205f. 39—47, 86, 95,113,130, Schmaus, M. 33f., 37ff., 41, 158ff., 162,164,182,200 43, 47, 60, 66, 80f., 104, Montesi, G. 109, 110, 112 115f., 118,121 ff., 158f., Morel, V. 32, 42, 46, 49— 162f., 170, 201 53, 56, 57, 59, 82, 95, Schmid, L. 130f., 132 201 Schmidt, Karl-Ludwig 194 Schmidt-Clausen, K. 201 Mosiek, U. 39 Schnell, H. 175 Müller 17 Schoen, P. 200 Mulder, W. 130 Schubert, F. 167 Schütte, H. 21 f. Newman 113 van Noort, G. 28, 37, 70 Schwanhäußer, G. 201 Nothomb, M. 29, 49, 52f., Seitz, A. 62 Semmelroth, O. 68, 72 56, 57, 79, 82, 194f. Siegmund-Schultze, F. 20 Skydsgaard, Κ. E. 21 O'Connell, J. 88 Stählin, W. 196 Ohm, Th. 83 Stephan I. von Rom 136 Onclin, W. 39 Stephenson, Α. 161 Ott, L. 104 Stevenson, I.. 20 Stolz, A. 66, 70, 104 Petrus Lombardus 65, 204, Suarez, F. 73 f. 206 Pies, R. 208 Pius I X . 47, 79, 82f., 100, Temple, W. 15 Tertullian 63 f. 122 Thijssen, F. 161 f., 163— Pius X. 15,130 165, 169, 179, 201 f. Pius XI. 150 Pius XII. 19, 26, 28, 30, Thils.G. 18,19,136,140,150, 151 ff., 169—172,179 f. 34, 49ff, 56, 59, 67, 76, 77, 94, 97, 100, 108, Thomas von Aquino 47— 52, 56, 59 f., 65, 73, 77, 112f., 152f., 182, 186, 80, 84, 94ff., 123, 156, 194, 200 170, 201, 204, 206 Pribilla, M. 18
Tillmann, F. 77, 80, 81 Villain, Μ. 16,19 Tomkins, O. 13 Visser 't Hooft, W. A. 18, Tromp, S. 28, 47, 54—58 142, 145, 149 Turrettini, F. 139—142, Vodopivec, J . 49, 62, 65, 145, 150, 174 72, 77, 85, 98f., 101, 103, 128, 155 Valentinian II. (Kaiser) 64 de Vries, W. 132f., 134, 154, 158—160 Valeske, U. 136 Valpertz, L . 32 Veron 151 Waldenser 108,139
Watson, P. 15 Weigel, G . 18 Wernz, F. X . 41 Wiclif, J . 33 Wilhelm I. (Kaiser) 47 Zapelena, T . 31, 33, 47, 52—59, 66, 83,112,119, 153, 184 Zwingli, H. 139
III. Sachen A Abendmahl (s. auch Eucharistie) 136, 138,155,169 Abendmahlsgemeinschaft 144, 146, 201 Absolutheitsanspruch 24 Absolution (s. Sündenvergebung) Acta Apostolicae Sedis 12f., 32, 40, 52, 54, 67, 72, 76f., l l l f . , 131,133,161 f., 182 Akatholiken, acatholici 11, 39, 93, 96 ff., 100, 103, 115, 125f., 130ff„ 162, 185 akzidentell-essentiell 96,170ff., 178,197 f. Albigenser 33, 139 Alte Kirche 62f., 203 Altkatholiken, altkatholisch 157,161 Amt (s. evangelisches Amt, Lehramt) Analogie 72, 81, 90, 92, 157, 169f„ 176, 188 anglikanisch, Anglikaner 16, 24 anglikanische Kirche (s. Kirche, anglikanische) anglikanische Weihen 161, 179 Apologeten, Apologetik 23, 59, 151, 179 Apostasie, Abfall vom Glauben 30, 32,34 Apostat(en), Abgefallene(r) 12,29,35,50, 95 f., 103, 132 Apostolizität (der Kirche) 170, 190 f. Armenier 108 articuli (non) fundamentales 12, 139, 140 atheistisch, Atheismus 47, 84, 109, 131, 134 Augsburger Bekenntnis (s. Confessio Augustana) Β baptisma, baptismus (s. Taufe) Beerdigung 200, 203 Beichte 136,159 Bekehrung (s. Konversion) Bekenntnis (des Glaubens), bekennen 28ff., 35f., 38f., 42ff., 73, 78, 84, 94, 108, 131, 136f„ 139, 156f„ 159
Bekenntnisschriften der evangelisch-lutherischen Kirche 168, 198, 209 Benediktionen 132 Beobachter (bei Konferenzen) 17f., 24 Bewußtsein, subjektives 71, 76 Bibel 23, 55, 105 f., 110, 136, 142, 145, 148, 155, 157, 189, 196 Altes Testament 51, 55 Neues Testament 59, 105, 191, 194, 205 Bischof, Bistum 16, 22, 31, 96f., 132,156, 158 f., 160 f. „Bochumer Anfrage" 22 bona fides (s. Glaube) Bostoner Affäre 109 ff. Bostoner Brief (s. „Suprema haec") Branchtheorie 12, 77 Buddhismus 69 Buße (poenitentia) 73f., 196, 198 Bußsakrament 98, 120, 156, 159, 161
C capita fundamentalia (praecipua) (s. articuli (non) fundamentales) Caritas (s. Liebe) catholici (s. Katholiken) character indelebilis 37ff., 42, 46, 156 character sacramentalis 38f., 41 f., 45 f., 71, 92ff., 98f., 155ff. Unverlierbarkeit des — 41 Charismen, charismatisch 166 Christologie 13, 115, 165, 194f. Zweinaturenlehre 194 Christus (s. auch Inkarnation) Abtrennung von — 94 Eingliederung in — 37 f., 52, 94, 157 Erlösung durch — 51, 86, 94, 115 — als Herr der Kirche 26, 116, 142, 149,197 Leib Christi (s. Leib) Leiden Christi 68, 105, 140f. Liebe universale (Christi) 53 221
Präsenz (praesentia) Christi 165 ff., 187 ff., 196 — als Richter 114, 148, 194ff„ 208 Verbundenheit mit — 49ff., 54, 57, 59, 91, 94f., 207 Wirksamkeit Christi 106, 136, 152 Codex Iuris Canonici (CIC) 11, 29, 31 f., 38 f., 101, 127—135, 154, 159f., 162, 164 communicatio in sacris 132 f. communio (s. Gemeinschaft) Confessio Augustana 145, 192, 198, 208 f. Congregatio de Propaganda Fide 11, 12 Constitutio dogmatica de fide catholica (Vaticanum 1869/70) 152,177 corpus mysticum (s. Enzykliken und Leib Christi) Cum Compertum (Monitum 1948) 13, 133 f. D Decisch-valerianische Verfolgung 63,203 Dissident(en), dissident 35, 93, 129, 134, 152, 156f., 164, 169, 172 Dogma, Dogmen 13, 25, 31, 74, 99, 106 ff., 110, 113ff., 122, 131, 182f., 196 Dogmatik (römisch-katholische) 24f., 37f., 46, 65,103f., 129,135, 164,167, 183, 206 Dokumente, kirchliche 182 ff, 186 Donatismus, Donatisten 33, 71, 136 Ε ecclesia (s. Kirche) „Ecclesia Catholica" (Instructio 1949) 13 19f. 133 170 172 Ehe(schließung) 40, 131 ff, 162ff, 179, 200 Ehesakrament 162f. Einheit (der Kirche) 12ff., 18ff., 24, 39, 142ff., 150, 152, 157, 161, 170, 172, 177, 188, 190, 196ff. Einheitsbestrebungen 12,14,173,197 Ekklesiologie, ekklesiologisch 27 f., 33, 36, 51, 55, 58, 72, 79, 91, 122, 146, 148, 151, 153, 156, 177, 181 f., 186, 191 f., 194 f., 198 Enzyklika 100, 182ff. — „Apostolicae Curae" (1896) 161 — „Divino afflante spiritu" (1943) 182 — „Humani Generis" (1950) 52—61, 94, 108, 111, 113f., 118, 182 — „Mortalium Animos" (1928) 12, 17, 24, 129 — „Mystici Corporis" (1943) 26, 222
28—31, 34, 37—43, 45, 47—59, 75f., 79, 94f., 97, 99f., 122f., 182ff„ 194f., 201 — „Providentissimus Deus" (1893) 182 — „Quanto conficiamur" (1863) 79, 83 — „Satis cognitum" (1896) 72, 108, 194 Episkopat (s. Bischof) Erbsünde (s. Sünde) Erkenntnis 82, 95, 119, 124, 167, 187 Erwachsene (s. auch Kinder) 66, 93 — ungetaufte 92, 95 — ungetaufte verstorbene 69 ff. Erwählte, electi (s. auch Prädestination) 59, 139, 141, 145 Eschatolog'ie 70, 94, 191, 195f., 208f. essentiell (s. akzidentell) Eucharistie (s. auch Abendmahl) 119, 121,156 f. evangelisch Abendmahl, evangelisches 164f., 168f., 176, 200 Amt, evangelisches 161, 163—167, 192 Christen, evangelische (s. auch Protestanten) 98, 107, 125 Kirche, evangelische (s. Kirche) Gliedschaftslehre, evangelische 198 ff., 204, 207 Ordination, evangelische 164 Theologie, evangelische 11, 26, 36, 46f., 58, 101, 135, 161, 173ff., 177f., 181, 187ff., 194, 196, 198, 200, 202ff. Trauung, evangelische 133 Evangelium 66, 84,105,137f., 144,166f„ 192, 205 Exorzismen 132 Exkommunikation, Kirchenbann 29, 32, 35, llOff. Exkommunizierter, excommunicatus 25, 73, 102 excommunicatus toleratus 32, 103 excommunicatus vitandus 32, 36, 103 „Extra ecclesiam nulla salus" (s. auch Kirche) 25, 60, 73f., 76, 103, 106ff., 116, 121 ff, 185 F Fegfeuer 52,104 Feuerbestattung 133 fides (s. Glaube) Firmung 37, 156, 158f., 161 forum internum-externum (s. auch Sichtbarkeit) 30, 35f., 39ff., 44, 46, 48, 51, 53 f., 56, 59 f., 64, 71 f., 74, 78, 82, 85f., 89, 94ff., lOOff., 104, 127ff.,
132 ff., 155, 160f., 165, 167, 173, 176, 186ff., 192ff, 199ff., 208 Freiheit, intelligible, Willensfreiheit 87, 104 Freimaurerei 129 f., 133 Frömmigkeit 137 f., 171 Fülle (der Kirche) 51, 61, 93,170f., 174f., 193 G Gebet (für die Einheit) 12, 14ff., 21, 24, 170 f. Weltgebetsoktav 15 f. Gebot Gottes 79f., 108, 119, 121, 139 Gehorsam, oboedientia 28,31 f., 38,42ff, 73, 78, 80, 94f., 108, llOff., 157f., 196 Geisteskranke 119 Gemeinschaft, communio 31 f., 36, 39, 133f., 137, 144, 146, 149, 153, 157f., 160, 169ff., 173, 180, 190, 199, 205 Gerechter 33, 92f., 98f. Gericht 177, 195 f., 198, 208 Gespräch mit Andersgläubigen (s. auch ökumenisch) 11, 13, 16f., 22, 24f., 142, 148, 181 f., 191 Verbot von — 17, 20, 23 Mechelner Gespräche (1921—1926) 16f., 20 Gewißheit — absolute 100, 103, 124, 207 — metaphysische 123 — moralische 64, 99, 103, 123, 207 — physische 123 Glaube, fides 17,21, 23, 36,44f., 48, 50f., 53, 55, 65f., 72, 82ff, 92, 95,105,111, 122, 127, 131, 140, 144, 146, 148f., 153, 156, 159, 161, 166ff., 170, 176, 178, 187ff, 190, 207f. bona fides 53, 64, 72, 77, 80 ff., 100, 102, 105f., 119, 121, 127f., 202 „Embryonalglauben" 84 fides catholica 108 fides explicita 73, 84, 119 fides implicita 50, 73 f., 77, 83, 95,102 fides informis 93, 95 fides quae creditur 83 Glaubensentscheidung, persönliche 30, 68f., 80, 85ff., 89, 117 Glaubensgut 13,141,152,172ff., 177, 179 Glaubensnorm 108 Glaubenspflicht 177 Mindestglaube 50, 83ff, 92, 113 — übernatürlicher, fides supernaturalis 50, 57, 60, 76 vera fides, wahrer Glaube 28 ff., 31,39 Gliedschaft, kirchliche 25, 28 f., 30 ff., 35f., 37f., 40ff, 46, 49, 51, 53, 59f.,
62,78, 85, 87ff, 94f., 97ff, 103f., 107, 114, 116ff., 120, 124f., 148, 152, 157, 169, 172, 191, 196, 201 — anormale, außerordentliche 53, 61 f., 73, 79, 100 Bedingungen, drei der — 28 ff, 32, 34ff, 43f., 51—53, 59, 73, 86, 89f., 95, 100, 102, 201 — einfache 49 f. —• evangelische 198 ff. — fiktive 60, 86 — funktionale 156 — geschwächte 30, 33 f. Gliedschaftstabelle, synoptische nach Journet 92 ff. Grade der — 48,156 Grenzen der — 199 — heilbringende 92, 95 ff. — hervorragende 49ff., 97, 156 —• in actu, — in potentia 48, 92, 94 ff. — juristische 42 — konstitutionelle 40f., 42ff., 45,95, 113 f. Kriterien, äußere der — 155 f. Mehrschichtigkeit der — 35 f., 59, 104, 156f., 169 — normale, ordentliche 27ff., 33, 35ff, 41 f., 44, 53, 60, 83, 124 — numero, — merito 34 ordinari 41, 45, 76, 100f., 106 pertinere 41, 76, 102 reapse — 28f., 33ff., 39f„ 43ff, 47, 50ff., 57, 59f., 73, 76, 80, 85 f., 88, 93f., 97f., 100, 106, 114, 121 f., 125, 130, 186, 200 f. Rechte und Pflichten der — 40 — tätige 40f., 43 — unsichtbare 79 — unvollkommene 34 vinculum symbolicum, liturgicum, hierarchicum 28, 32, 34 f. — wahre 199, 202, 205, 209 — am Volk Gottes 87 ff. Gnade, gratia 30, 33, 47, 49ff, 53, 63, 65, 67,69 ff, 77,79,84 f., 91,96,99,106f., 117, 124, 126, 139, 156, 166, 168, 171 f., 175, 205 — aktuelle 53, 116f. — extra ecclesiam 51, 60, 109, 116f., 166 Gnadengaben 63, 96f., 128, 147, 202 Gnadenhilfen 123 f., 126, 128 Gnadenmittel 129, 141, 147ff, 154, 199, 208 Gnadenstand 35f., 41, 53, 57, 118, 122,125 Gnadenwirklichkeit 70 Gnadenwirkung 51, 60, 106, 109,127 — habituelle 116 223
Gott Alleinwirksamkeit 175 Allgegenwart 167 Allwissenheit 63 f., 72, 74, 79 f., 82, 94, 100, 106, 199, 202, 208 Barmherzigkeit 76,136 Güte 67, 77, 79f., 83, 137 Herrlichkeit 48, 91 Urteil 36 Vorsehung 69, 83f., 139 Gottesdienst, cultus 19, 24, 133, 137 f., 199 Gotteserkenntnis, natürliche 50, 66, 69 f. Gutgläubigkeit (s. Glaube) Η Häresie, Irrlehre 29f., 32ff., 95, 101, 109—113, 129,137 f., 161 f., 169,174, 196, 200 Häretiker 29 f., 33, 38—42, 50, 73, 92, 95, 108, 132, 136, 185 — formeller 29 f., 35, 50, 83,103,152, 189 — getaufter 29, 42 — materieller 29, 30, 35, 50, 83, 103, 152,189 — öffentlicher 29 — okkulter, geheimer 29 ff., 35, 96, 103 Heiden, Nichtchristen 25, 29, 38, 50, 53, 60, 66, 69f., 75, 80—85, 94, 96, 98, lOOff., 108, 119, 134, 207 — im Stand der Gnade 50 — im Stand der Sünde 53 Heil, salus 25f., 34, 37, 42, 60, 62, 65, 68ff., 73, 76f., 80, 82ff., 90, 94, 96, 98 f., 101, 103 f., 106 ff., 113, 115ff., 119ff., 139f., 185, 199ff., 205ff. Heilsaussichten 70, 82, 124f., 128 Heilsempfang 66, 83, 107, 116, 118f., 123,199 Heilsfrage 42, 69, 77, 98, 104, 114, 121, 128, 203 Heilsgaben 63 Heilsgemeinde 199 Heilsgenügsamkeit 74, 84 Heilsgewißheit, Heilssicherheit 77, 122ff., 207 Heilsmittel 75 f., 80,95,98,102,119 f., 122, 138, 208 Heilsmöglichkeit 67, 73, 75, 82, 85, 98 f., 102, 122, 124f., 140f. Heilsnotwendigkeit (s. auch necessitas medii — praecepti und Kirche) 68, 118ff., 124 Heilsordnung, ordo salutis 62, 67, 116 f., 175 Heilsprozeß 116 f. 224
Heilsuniversalität 62 Heilsunmöglichkeit 141 Heilsunsicherheit 75, 124 Heilsweg, normaler, via ordinaria — extraordinaria 65, 67 f., 95,113,115 Heilswille Gottes (universaler) 60 f. 87, 89, 91, 115, 124 Seligkeit, ewige 67, 69, 72, 74 f., 79, 107 Seligkeit, natürliche 70, 104 Heilige(nverehrung) 13, 136, 140, 168, 198, 208 Heilige Schrift (s. Bibel) Heiliger Geist 34, 52f., 59, 65, 78, 92, 107, 121, 136, 139, 166f., 195f., 202, 208 f. Heiligkeit — der Gläubigen 34, 198, 208 — der Kirche 150ff., 170, 177, 188, 190,196 Hierarchie 13, 22, 39 f., 156 Hindernis, unüberwindliches (s. impedimenta) Hirtenbrief des niederländischen Episkopates (1948) 16 Hölle (s. Limbus) Hoffnung, spes 30, 62, 77 Hussiten 139 I Iam Vos Omnes (Brief Pius' I X . 1869) 122 ignorantia (invincibilis) 74f., 76, 79ff., 100, 102, 105f., 152 Unkenntnis 50, 105 Unwissenheit, unüberwindliche 70, 74, 80, 103, 105, 202 Illuminationstheorie 68 impedimenta voluntarii (s. auch Wille) 65, 75, 79, 81 f., 104f., 119, 172, 202 Indifferentismus 12, 77, 79,101,108,141, 169 Infamie, kirchliche 132, 134 Inkarnation 84, 87ff., 91, 114, 167, 189, 198 Interdikt 110 f. Irrlehre (s. Häresie) Irrtum 81, 122, 140, 160, 175 Istrier 108 Jakobiten 108 Jansenisten 33, 109, 117, 157 Juden 108 Jurisdiktion, geistliche, bischöfliche 135, 154,158 ff. Κ Kanonistik (s. Kirchenrecht) Kardinal 32
Kasuistik 125,206 Katechumenen 25,29,47, 50, 52, 62, 65 f., 73, 76, 80, 93, 102f., 156 Katholiken, römische (catholici) 11, 16f., 19f., 35, 51, 57f., 78, 93f., 96ff., 102, 113, 115, 121 ff., 132, 134, 163, 189 Katholizität (der Kirche) 164, 170 f., 173, 190, 196 Ketzertaufstreit 38, 109, 136 Kinder (s. auch Erwachsene) •— bethlehemitische 67 — fides infantium 68, 203 — limbus puerorum (s. Limbus) — nichtkatholisch getaufte 39 f., 98 — ungetaufte 29, 70, 81, 92, 95, 204 •— ungetauft verstorbene 25, 66ff., 119, 203, 206 •— unmündig sterbende 90 Kirche, ecclesia — alleinseligmachende 73 Begriff der —, juristisch 30, 35, 42, 50ff., 54, 56f., 72, 94f., 99, 125f., 187, 198, 202 Begriff der —, pastoral 53 f., 56 Begriff der —, theologisch 53 f., 56 ecclesia large dicta 200 ecclesia militans (leidende) 33, 52, 58, 73, 94, 141, 196 ecclesia triumphans (triumphierende) 33, 52, 94 ecclesia universalis, ab Abel 48, 50, 54, 90, 94, 113, 143, 154 Eigenschaften, vier der — (s. auch notae) 170, 177, 188 ff., 196 f. Eingliederung in die —, aggregatio 29, 37ff., 44, 46, 59, 62, 95, 103, 125 Einzigkeit der—127,129,151,170,173 eschatologischer Charakter der — 195f. Exklusivität der — 60ff., 106, 144, 147 f., 153f., 170, 173ff., 178 Heilsnotwendigkeit der — 25f., 42, 62, 73,75ff., 79, 85f.,91,107ff., 113ff., 119 ff., 125, 127, 135, 174 — identisch mit dem Leib Christi 42, 46, 52ff., 57f., 78, 86, 114 Konfessionskirche 97,144,146 f., 153, 191 Landeskirche 200 Name der — 24, 27, 106, 128, 131, 134, 144, 146, 158, 170, 172 — offenbare 181 ff., 187 ff. Partikularkirche 31, 97, 138, 170 — sichtbare 85f., 88, 122, 139, 186ff. Sichtbarkeit der—35,46, 53,75,77 ff., 85ff., 93, 102, 106, 139, 188ff., 191, 193f„ 202, 208 — societas perfecta 59, 126, 170ff., 176 ff., 179, 197 15 7978 Dietzfclbinger, Grenzen
Trennung von der — 32, 74, 170 Universalität der — 48, 59ff., 100, 102, 106, 115ff., 127, 199 — unsichtbare 72, 85,113,141,186ff. — als Ursakrament 68, 72, 156 — verborgene 136,142,181 ff., 187 ff. Verhältnis Sichtbarkeit — Unsichtbarkeit 35, 53, 72, 75, 77ff., 85ff., 93, 102, 106, 113, 122, 139, 141, 152f., 176, 184ff., 191, 193, 194f., 198 — Volk Gottes 54, 57, 61, 87 ff., 113 f., 136 ff., 168, 195 f., 199 Weite der — (propagatio) 53, 152, 177, 188 Wesen der — 144, 146, 154, 170, 187 Kirchen Anerkennung, gegenseitige der — 17, 144 ff., 149, 153, 158, 173 „Gleichberechtigung" anderer Kirchen 144, 147 f., 149, 153f„ 173 Zusammenarbeit praktische der —, 13, 19, 24 — anglikanische, Church of England 12, 15 f., 77, 134, 161, 169 — evangelische (protestantische) 19, 24, 39, 93, 134, 161, 164, 166f., 169, 181 ff. Evangelische Kirche in Deutschland (EKD) 200 — lateinische 159 — lutherische 164, 171 — nichtrömische 101, 127ff., 134f., 154, 157, 169 — orthodoxe, Ostkirchen 12, 15 f., 77, 93, 98, 134, 150f., 156ff., 169ff. — römisch-katholische 12f., 26, 47— 59, 61, 79f., 88,106,115f., 127f., 151, 170 ff. — schismatische 157 — südindische 161 — uniert-orientalische 16 Kirchenaustritt 31, 83 Kirchenbann (s. Exkommunikation) Kirchenrecht (s. auch Recht) 11, 24 f., 29, 35, 37, 40f., 46, 71, 82f., 85, 94, 96f., 103, 128, 130ff., 160, 166, 184, 186, 191 ff., 196, 199 ff. — evangelisches 200 Kirchenzucht 200f., 203 Kleriker (s. Priester) Kommunismus 130, 133 Konfessionslose 132 Konfirmation 164 Konferenz, Konferenzen (ökumenische) 13ff. Amsterdam 1948 13,16f., 197 Edinburgh 1910 14 Edinburgh 1937 15, 17 Evanston 1954 17, 143ff., 150, 196 225
Lausanne 1927 14,17 Lund 1952 17,143,145,196 Neu Delhi 1961 18 Toronto 1950 (s. auch TorontoStatement) 142 ff. Konfutsianer 69 Konversion, Konvertit 84, 124, 128 f., 134, 159 f., 173 Konzilien, ökumenische 18, 78, 183 — Chalcedonense (451) 72, 194 — Florentinum (1431—1447)104,108 — Lateranense IV (1215) 108 — Tridentinum (1545—1563) 66, 68, 104, 108, 122, 204 — Vaticanum (1869/70) 74ff., 78f., 101 f., 108, 112, 118, 122, 130, 177, 183,185 Kurie 17, 20,130
Ν Nationalsozialismus 19 Naturgesetz 79, 83, 87,162f. necessitas medii-praecepti 76, 114, 118ff., 125, 185 Nichtchristen (s. Heiden) Nichtkatholiken, nichtrömische Christen s. auch Akatholiken, acatholici 16,19, 21, 25, 45f., 51, 59ff., 75, 80, 83, 94, 99, 102, 118, 123ff., 127f., 130 notae ecclesiae 137f., 144ff., 151 f., 154, 170, 172, 174, 176, 190ff, 195, 197, 209 Novatianismus 33
Ο oboedientia (s. Gehorsam) ökumenisch (e, es) (s. auch Konferenz) L — Arbeit 143,146,191 Laie 38, 97 f. ökumenische Bewegung 12ff., 18f., Lebensführung 12f., 83ff., 86, 88, 101 22 f., 78, 129, 147, 178, 197 Lehramt, kirchliches 28, 51, 55f., 61 f., — Einladung 13 f. 75, 86, 92, 95, 99 f., 109, 153, 165 ff., — Gespräch 25, 142, 148, 181, 191 182 ff. — Motiv 127, 129, 172, 179 f. Lehre (als theologische Aussageform) — Publikationen 18f., 21 f. 23ff., 205ff. ökumenischer Rat 13, 15, 18, 142, Leib Christi, corpus mysticum 29, 34 f., 146 ff., 153, 173 ff. 38,47—62,75,78 f., 90,94,107,113 f., — Sakrament 161 115f., 122,141,144 ff., 152f., 170,172, — Theologie 129 182, 184, 186, 191 ff., 198 f. — Versammlungen 13, 24 Glieder des — 50, 94 Ölung, letzte 119, 161 Haupt des — 38, 48, 115 Offenbarung 50f., 58, 95, 124, 148, 152, Universalität des — 60 f. 154, 185f., 188f., 193, 197 Leichenverbrennungsverein 130 revelatio specialis 84, 122 f. Leiden 65 Ordination (s. auch Priesterweihe) 164 Liebe, Caritas 30, 48, 63 f., 66 f., 72, 82, Ordnung (der Kirche) 78, 137, 144, 84, 93, 98, 101, 123, 155f., 207 191 ff., 196, 200 Caritas perfecta — imperfecta 67, 76 f., ordo salutis (s. Heil) 83,102 orthodox, Orthodoxer (s. auch Kirche) Limbus (s. auch Kinder) 76, 70, 104 15f., 98, 156 Liturgie 23, 99 — Gottesdienst 133 — Kirche (s. Kirche) Μ Maroniten 108 Ρ Märtyrer 63 — ungetaufte 50, 62 Panchristen 13, 77 Martyrium 62—68, 71, 108f. Papst 12, 15, 20, 23, 26, 31 f., 73f., 106, 108, 110, 137, 151, 156ff., 183 Bluttaufe 62, 65, 67 f. Papsttum 32, 136—140, 157, 195 Mecheln (s. Gespräche) Papstwahlrecht 32 Mission 61, 80, 83, 110, 124, 205 Paradoxie 148ff., 153f., 173, 175 Mittelalter 68, 84, 141, 157, 204 Monophysitismus, ekklesiologischer 72 Pastoraltheologie (s. auch Seelsorge) 25 Person 39 ff. Montanismus 33 Moral 51, 85, 88, 98, 127f. Personal- und Sachprinzip 118, 122f., Moraltheologie, — psychologie 25, 80ff., 186 103, 203 ff. Philosophie 185 f. motivum credibilitatis 152f., 177f., 188f. Pistoia, Synode von (1786) 33
226
poenitentia (s. Buße) Polemik 21, 25, 143, 181 Postulat 46, 84, 115, 118, 126, 173, 178, 188 Prädestination (s. auch Erwählte) 33ff., 48, 94, 199 f. Predigt (s. auch Verkündigung) 151,155, 167, 190ff., 203, 205 Predigtamt 139,179 Priester 38, 96ff„ 103, 109, 119, 132, 158 ff., 163 Diakon 38 Priestertum, allgemeines 163 f. Priesterweihe 37, 131, 156f., 164 Primat (päpstlicher) 31, 74, 81 Professio fidei Tridentina 108 profiteri (s. Bekennen) Protest 47, 107, 115 Protestant (s. auch evangelisch und Kirche) 16, 39, 129, 156 Psychologie, psychologisch 80 ff., 85,100, 103 ff., 119, 123 f., 127,164,202 f., 208 Puseisten 12 R ratio (s. Verstehen und Glauben) Recht (s. Kirchenrecht) Rechtsanspruch (der Kirche) 41 f., 45 f., 101 Rechtsbeschneidung 40 f. Rechtsfähigkeit (kanonistische) 40,42 Rechtsgewalt 29 Rechtsnachteile 132 Rechtfertigung 74f., 83, 86, 102, 140 Rechtfertigungslehre 77, 122, 175 Reform (der Kirche) 21 Reformation 104, 138, 140, 192 Reich Gottes 54, 61, 76, 113, 196 Rettung (s. Heil) revelatio (s. Offenbarung) Reue 72, 74, 77, 102 Rückkehr (zur römischen Kirche) 12ff., 21, 61, 170, 172, 178, 180 S Sachprinzip (s. Personalprinzip) Sakrament, sacramentum 29, 37, 39, 41, 45, 51, 65, 70ff., 78, 85, 90, 99, 108, 139, 141 f., 145 ff, 155, 157, 160ff., 172, 190ff., 195, 198ff, 208 Form 29, 38, 161 ff. Fruchtbarkeit 35, 71, 86, 101, 186, 198 f., 208 Gültigkeit 35f., 38, 70, 86, 125, 154, 157 f., 160 f., 163, 166 Intention 29, 38, 44, 161 Materie 29, 38, 161 f. 15*
— opus operatum 41, 45, 67, 69, 102 — res tantum 70, 72, 155, 164 — sacramentum tantum 70, 72, 156 sakramental 35, 45, 72, 74, 86, 88f., 93f., 96ff., 101, 123,128,156,168,200 Sakramentsempfänger 71 Siebenzahl der — 45, 51, 155 f. salus (s. Heil) Sanctum Officium 12, 17, 23, 76, 85, 99, llOff., 183 Schema Constitutionis de Ecclesia Christi (Vaticanum 1869/70) 74 f., 77 f., 80, 119 f., 183 Schisma 30f., 34, 129, 162 Schismatiker 31, 33, 39ff„ 92, 95, 108, 132, 136, 185 — formeller 31, 35, 83, 103, 152 — getaufter 42 — materieller 31, 35, 50, 83, 103,152 — okkulter 31, 35,103 schismatische Patriarchen 160 Schöpfung 89 Scholastik 34, 70, 72, 78, 81,135,178,186 Schuld 63, 69, 74, 79f.,95,104ff.,119,190 Schuldhaftigkeit 82, 90, 105, 202 Schuldlosigkeit 70, 80 f., 104, 106 — subjektive 30, 40, 80ff., 95, 119, 124, 126, 152 secta (acatholica) 129ff., 151, 158, 185 Seele 52, 68, 78, 92, 96, 107, 113 Seelsorge 31, 53, 58, 103, 110, 160, 184, 203 ff. Seligkeit (s. Heil) Seins weise 163 ff., 187 ff. „Singulari quadam" (Ansprache Pius' I X . 1854) 79 soziale Fragen 13, 19 f., 191 Sozinianer 140 f., 174 Spiritualisierung 166ff., 189 Strafe 40, 132 ff. Sperre 40 Warnung 134 Substanz 138,141,154,166,168 f., 171 ff, 191 Verminderung der kirchlichen — 138, 141, 147, 151, 168f., 172, 174 Sukzession, apostolische 158, 160f. Sünde 30, 34f., 53, 68, 75, 83, 92, 95, 98, 102, 113 f., 138, 142, 159, 169, 172, 174, 176, 193 Sünden, aktuelle 67 Erbsünde 67, 69, 86, 92, 95, 104 — läßliche 93, 98 peccatum additionis 139, 141 f., 147, 174 f. peccatum substractionis 140 f., 147, 174 Sündenvergebung 67, 69, 108, 116, 143,164 227
Sündhaftigkeit 29, 33 ff., 81, 97, 161, 200 Sündlosigkeit 194f. Todsünde 69, 92, 95, 98, 120 Sünder 25, 33ff., 93, 120 Suprema haec (Lehrschreiben, Bostoner) 66, 76, 79, 83, 99, 106ff., 110f., 114, 120, 183, 185 Τ Taufe, baptismus, baptisma (s. auch Charakter) 28f., 32, 37—46, 59, 62ff., 71 ff., Iii., 88f., 92ff„ 97, 101 f., 108, 120f„ 124, 133, 136ff., 155ff., 159, 161 ff., 200, 207 Begierdetaufe (s. votum) effectus baptismi 37 Getaufte(r) 29, 31, 35, 38, 39, 40, 41, 45, 46, 89f., 97, 101 Gültigkeit der — 38 Heilsnotwendigkeit der — 108, 120 Kinder- und Erwachsenentaufe 42 Nichtgetaufte(r), Ungetaufte(r) 29, 35f., 41, 44f., 62, 73, 95, 97, 130, 162 — nichtrömische 102, 162 f. Spendung der — 38 — vermeintlich gültige 29, 35, 60 Wassertaufe 62, 161 Terminologie 26, 28, 41, 43, 45, 47f., 57, 59, 70, 75, 78, 102, 155, 170, 179, 182ff„ 198 Theodizeeproblem 33 Theologie — evangelische (s. evangelisch) — römisch-katholische 11, 26, 28, 34f., 45ff., 66, 72, 81, 83, 102ff., 113, 115, 118, 121 ff., 135, 139, 141, 150f., 155, 158, 160, 163, 165, 167f., 172, 174f., 177 f., 180, 185, 187, 189, 191, 193, 199, 202 ff. Struktur der theologischen Aussagen 205 ff. Tod 65,68,79,82,100,103 f., 108,114,207 „Toronto Statement" (1950) 142ff., 154f., 161, 173, 179 Tradition 13, 16, 28, 47f., 52, 54ff., 58, 69, 72, 75, 99, 108, 135, 148, 155, 184f., 192, 203 — apostolische 163 Trinität(slehre) 13, 38, 84, 91, 140, 161, 195 Tugend 30, 79,156 U Una-Sancta-Bewegung 19 „Unam Sanctam" (Bulle Bonifaz' VIII.) 108, 116
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Unfehlbarkeit, päpstliche 74, 108, 110, 112, 167, 183, 185 universal, Universalität (s. Heil, Leib Christi, Kirche) Unwissenheit (s. ignorantia) Unmöglichkeit (physisch-moralisch) 80 f. 121
V Vatikan 18, 21, 52 Vaterunser 139 Verantwortung 69, 88,104,106,110,144, 206 Verbindlichkeit kirchlicher Verlautbarungen 182 Verdammnis, Verderben ewiges 34, 69, 79f., 90, 94f., 103f., 106ff., 110, 114 Verheißung 143, 168, 176, 197f. Verkündigung (des Evangeliums) s. auch Predigt 145, 165ff. Vernunftgebrauch 40, 66 f., 69 Verpflichtung, sittliche 69, 80, 123 f., 177 Verstehen und Glauben 152f., 177,188ff. Verstockung 82, 94, 105, l l l f . , 124 vestigia ecclesiae 101 f., 135—180 dialektische Struktur der — 138, 147, 156 Unrechtmäßigkeit der — 135, 154, 157, 159 f. via ordinaria salutis (s. Heil) Volk Gottes (s. Kirche) votum (s. auch Wille) 29, 66 f., 73 ff., 79, 82ff., 98, lOOff., 106f., 120ff„ 125, 127 f., 134 f., 155 f., 161 f., 164, 169, 173, 176, 186, 199, 203, 206 —• baptismi, Taufvotum 65 f., 73, 99, 204 — ecclesiae, Kirchenvotum 62, 70, 72ff., 82, 87, 89, 99, 107, 117, 132 — ecclesiae paradoxale 82, 161 — eucharistiae 72 — explicitum 66, 70, 73, 76, 80, 102, 120 — implicitum 66, 68, 73f., 76, 79f., 83, 85, 89, 98, 102f., 117, 120f., 125, 161 — implicitum formale 80, 102 — virtualiter implicitum 80, 102f., 117 — inscium 75,102 — ordinis 164 — poenitentiae, Büß votum 72, 74,98 — salvificum 77, 85, 93,103 — stellvertretendes 68 W Wahrheit (katholische) 11,12,13, 29,150 Waldenser 108, 139
Weihe (s. auch Anglikaner und Priesterweihe) 158 ff., 161, 179 Werke, gute 108,141 Wiedervereinigung (der Kirchen) 15,18, 21, 61, 128, 171 Wille, voluntas (s. auch Freiheit, impedimenta, votum) 63ff., 68, 72, 75f., 80, 83, 85ff., 94, 102, 104, 136, 205 Bereitschaft 63, 66, 83, 85, 102 desiderium, Sehnsucht 65, 73, 75 f., 100 desiderium generale 66 desiderium naturale 66 Freiwilligkeit 81 Verlangen 66, 73 Willensakt 67 f. Willensfähigkeit 66 Willensfreiheit 104, 136 Willensrichtung 84
Wunsch 64ff., 73, 76, 80, 83 Wort Gottes 105, 126, 136, 139, 141 f., 145 ff., 151, 155, 160, 165ff., 175, 178, 188, 192, 195, 199, 207 ff. Wortverkündigung (s. Predigt) Ζ Zeichen 46, 53, 59, 70, 80, 85, 87, 100, 136 f., 143, 147, 157, 188f., 192f. Zugehörigkeit (s. Gliedschaft) Zuordnung, zugeordnet (s. auch Gliedschaft und Kirche) 43, 45, 70, 76, 100 f., 103 aggregatio (ad ecclesiam) 37ff., 46 Hinordnung 29, 86, 91, lOOf. — sakramentale 169 — votale 85 f., 106, 169 Zweifel 123, 190
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Forschungen zur systematischen und oekumenischen Theologie Herausgegeben von Edmund Schlink Band 9
REINHARD
SLENCZKA
Die Ginhjcit ber Kirdie ale bogmatifdiee Problem in der neueren oftkirdilidien Theologie 1962. 316 Seiten, kart. etwa 30,—DM Das Ziel dieser Arbeit ist es, die Antworten der neueren russischen und griechischen Dogmatik auf die heutige ökumenische Fragestellung zu ermitteln. Bei seiner Analyse der bis heute noch weithin unbekannten neueren ostkirchlichen Theologie waren dem Verfasser die in Frage kommenden Quellen ausnahmslos zugänglich. Die dogmatische und ökumenische Problemstellung gibt dem Werk eine Bedeutung über den speziellen Bereich der Ostkirchenforschung hinaus. Band 11
HORST GÜNTHER
REDMANN
G o t t unb Welt Die Schöpfungstheologie der vorkritischen Periode Kants 1962. 172 Seiten, brosch. etwa 16,80 DM Über die Darstellung von Kants Gottes- und Schöpfungsverständnis, sein naturwissenschaftliches und ontologisches Denken hinaus werden hier Möglichkeiten einer aus Theologie und Naturwissenschaft gewachsenen Schöpfungstheologie erwogen. Band 12
HARM ALPERS
Die Verfötinung öurdi Ctiriftue. Gotteetat ober MenfdienroerK Sieg ber Liebe ober Genugtuung ber Gerechtigkeit Gottes? Untersuchung zum klassischen und lateinischen Versöhnungstyp in der schwedischen Theologie 1962. Etwa 212 Seiten, kart. etwa 21,— DM Band 13
REINHARD NEUBAUER
Gefdienhte unb umkämpfte Geredittgheit Eine Untersuchung zur Theologie und Sozialethik Reinhold Niebuhrs im Blick auf Martin Luther 1962. Etwa 228 Seiten, kart. etwa 24,— DM
öhumentfcbe Dokumente Quellenstücke über die Einheit der Kirche Herausgegeben von Hans-Ludwig Althaus 1962. 251 Seiten, kart. 14,80 DM, ab 10 Expl. 12,50 DM V A N D E N H O E C K & R U P R E C H T IN G Ö T T I N G E N U N D Z Ü R I C H
K I R S T E N Ε. S K Y D S G A A R D
(Hrsg.)
Konzil unb GDongeltum Lutherische Stimmen zum kommenden römisch-katholischen Konzil 1962. 215 Seiten, engl, brosch. 13,50 DM Eine Arbeitsgemeinschaft führender Theologen des Luthertums in Europa und Amerika setzt sich in diesem Band mit den Fragen auseinander, die durch das kommende vatikanische Konzil und seine Bedeutung auch dem Nicht-Katholiken aufgegeben sind. Äußerer Charakter, Absicht und Problematik des ökumenischen Konzils werden untersucht. Verfasser der Beiträge sind: Bischof Dietzfelbinger und die Professoren Brunner, Meinhold, Kinder, Pelikan (USA) und Lindbeck (USA). EDMUND
SCHLINK
Der hommenöe Cbriftue unö öie hirdilidien Traöitionen Beiträge zum Gespräch zwischen den getrennten Kirchen 1961. 276 Seiten, engl, brosch. 14,80 DM, Ln. 16,50 DM „In diesem Band hat der bekannte Heidelberger Theologe den Teil seiner Aufsätze gesammelt, der aus dem Gespräch zwischen den getrennten Christen stammt. . . Die Aufsätze gehören zweifellos zu den wichtigsten und erheilendsten lutherischen Beiträgen zum Gespräch zwischen Katholiken und Protestanten." Stimmen der Zeit KIRCHE UND K O N F E S S I O N Veröffentlichungen des Konfessionskundlichen Instituts Band 1:
FRITZ
VIERING
Q r i f t u e unö öie Kirche in römifch=hatholifd)er Sidit
1962. 126 Seiten, engl, brosch. 9,80 DM Der Verfasser, der den römischen Katholizismus aus intensiver praktischer Begegnung und wissenschaftlicher Beschäftigung kennt, greift hier das Thema auf, um das die Diskussion heute mehr als um andere kreist, besonders seit dem Erscheinen der Enzyklika Mystici Corporis. Band 2 :
KARL
STÜRMER
Konzilien unö öhumenifdie KtrdienDerfommlungen
Abriß ihrer Geschichte Etwa 560 Seiten, engl, brosch. etwa 19,80 Ολί, Ln. etwa 26,— DM Das kommende Vatikanische Konzil hat das Interesse auf eine allgemeine Konzilsgeschichte gelenkt. Der Verfasser gibt hier erstmalig von evangelischer Seite eine allgemein verständliche Gesamtdarstellung — von den Synoden der ersten drei Jahrhunderte bis zu den Vollversammlungen des Ökumenischen Rates —, die zugleich ein Beitrag zur ökumenischen Aufgabe der Erneuerung und Einigung der Kirchen sein will. Band 3:
GIOVANNI
MIEGGE
Die Jungfrau M a r i a Etwa 210 Seiten, engl, brosch. etwa 15,80 DM Eine umfassende und kritische Darstellung der römisch-katholischen Marienverehrung, die in ihrem geschichtlichen Werden und in ihrer gegenwärtigen Erscheinungsform fundiert, lebendig und allgemeinverständlich dargestellt wird. V A N D E N H O E C K & R U P R E C H T IN G Ö T T I N G E N U N D
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