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German Pages 192 Year 1998
W DE Juristische Ausbildung
Studienbuch herausgegeben von Prof. Dr. Dagmar Coester-Waltjen, München Prof. Dr. Hans-Uwe Erichsen, Münster Prof. Dr. Klaus Geppert, Berlin Prof. Dr. Philip Kunig, Berlin Prof. Dr. Dr. h. c. Harro Otto, Bayreuth Prof. Dr. Klaus Schreiber, Bochum
Walter de Gruyter · Berlin · New York
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Recht der öffentlichen Sachen von
Hans-Jürgen Papier 3., neubearbeitete Auflage
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Dr. Hans-Jürgen Papier, Universitätsprofessor für Öffentliches Recht an der Universität München
® Gedruckt auf säurefreiem Papier, das die US-ANSI-Norm über Haltbarkeit erfüllt. Die Deutsche Bibliothek - CIP-Einheitsaufnahme Papier, Hans-Jürgen: Recht der öffentlichen Sachen / von Hans-Jürgen Papier. - 3., neubearb. Aufl. - Berlin ; New York : de Gruyter, 1998 (Jura : Studienbuch) ISBN 3-11-015341-6
© Copyright 1998 by Walter de Gruyter GmbH & Co., D-10785 Berlin Dieses Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlages unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Printed in Germany Textkonvertierung: Dörlemann Satz, Lemförde Druck- und Bindearbeiten: WB-Druck, Rieden
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Vorwort Die doppelte Zuordnung des Rechts der öffentlichen Sachen zum „Allgemeinen" wie zum „Besonderen Verwaltungsrecht" hat nicht selten eine zusammenhängende Darstellung dieser Rechtsmaterie verhindert. Mit dem vorliegenden Buch wird demgegenüber versucht, die teilweise recht willkürliche, jedenfalls nicht gerade praxisgerechte Differenzierung nach der Zugehörigkeit zum „Allgemeinen" oder „Besonderen Verwaltungsrecht" aufzulockern. Die allgemeinen Institutionen und Grundsätze im Recht der öffentlichen Sachen lassen sich zB ohne Heranziehung des Bundes- und landesgesetzlich - teilweise unterschiedlich geregelten - Straßen- und Wasserrechts gar nicht korrekt und praxisnah darstellen. Allgemeingültige, d.h. für alle „öffentlichen Sachen" geltende Grundsätze, Regeln oder Institutionen gibt es nur wenige. Spezielle Verwaltungsgesetze haben, insb. für die öffentlichen Wege und Gewässer, sich auch der grundsätzlichen Fragen, etwa zum Rechtsstatus, angenommen. Die dort gegebenen Lösungen sind aber nur selten verallgemeinerungsfähig, d.h. auf alle öffentlichen Sachen, auch auf die im „Anstalts"- oder Verwaltungsgebrauch stehenden, übertragbar. Alle diese Umstände legen die hier gewählte „integrierte" Darstellung äußerst nahe. Das vorliegende Buch kann damit sowohl dem Pflichtfachstudium des „Allgemeinen Verwaltungsrechts" als auch dem Wahlfachstudium des „Besonderen Verwaltungsrechts" (Straßen- und Wegerechts) dienen. Es richtet sich in erster Linie an die Studierenden, und zwar nicht nur als ein Mittel der erstmaligen Erarbeitung des Rechtsstoffes, sondern auch des Repetierens bei der Examensvorbereitung. Sein Niveau ist auf die Examensanforderungen mitausgerichtet. Wegen seiner systematischen Ordnung ist es in erster Linie als Grundlage des Selbststudiums geeignet. Es ist aber Wert darauf gelegt worden, bei praxisrelevanten Fragen kommentarmäßige und deshalb auch zum „Nachschlagen" geeignete Zusammenstellungen und Übersichten zu geben. Um dem Leser die Verarbeitung des Stoffes nicht unnötig zu erschweren, ist der Umfang der Literatur- und Rechtsprechungshinweise so gering wie möglich gehalten worden. Diese Hinweise sollen weniger der „Absicherung" geäußerter Rechtsmeinungen, denn der Erleichterung einer gegebenenfalls erforderlichen Vertiefung dienen. Schaubilder geben gerade dem Anfänger Hilfe beim „Einstieg" und sollen ihm die Zusammenhänge eröffnen. Seit dem Erscheinen des 2. Auflage im Jahre 1984 haben sich die Grundstrukturen des Rechts der öffentlichen Sachen, seine geschriebenen und ungeschriebenen Rechtsinstitute zwar nicht verändert, in wichtigen Einzelfragen dieses Rechtsgebietes war indes aufgrund der Recht-
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Vorwort
sprechung und gesetzlicher Veränderungen eine Aktualisierung und Ergänzung des Bandes geboten. Dies gilt vornehmlich für den Inhalt des Gemeingebrauchs an öffentlichen Straßen und seine Abgrenzung zur Sondernutzung sowie für den nachbarlichen Rechtsschutz gegenüber Straßenplanungen und Verkehrslärm. Herrn wissenschaftlichen Assistenten Andreas Dengler danke ich für seine wertvolle Unterstützung bei der Anfertigung des druckfertigen Manuskripts der 3. Auflage. München, Dezember 1997 Hans-Jürgen Papier
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Inhalt § 1 Begriff und Wesen der öffentlichen Sachen . . . . l. Der Sachbegriff II. Der öffentlich-rechtliche Status 1. Die Sachen des „Finanzvermögens" 2. Entstehung durch Rechtsakt 3. Verwaltungsrechtlicher Sonderstatus als „dingliche" Rechtsmacht 4. Das „öffentliche Eigentum" 5. Dualistische Konstruktion des Rechtsstatus a) Grundlagen b) Die geltende Gesetzeslage c) Die Vorteile des dualistischen Systems 6. Öffentlich-rechtlicher Sonderstatus ohne ,.Dinglichkeit" Das Verhältnis von „Sachen-" und „Anstaltsrecht" . . . . a) Die „öffentliche Einrichtung" als Sache b) Das (Anstalts-)Benutzungsverhältnis c) Zusammentreffen von Anstalts- und Sachenrecht . . . d) Dingliche Rechtsmacht als unzulässige Fiktion . . . . e) Der „schuldrechtliche" Sonderstatus
§ 2 Die Arten der öffentlichen Sachen I. Öffentliche Sachen im Zivilgebrauch 1. Sachen im Gemeingebrauch a) Die öffentlichen Straßen aa) Einteilung und gesetzliche Regelung bb) Die verschiedenen Nutzungsrechte (Übersicht) . . b) Die öffentlichen Gewässer aa) Gesetzliche Grundlagen bb) Wasserwegerechtliche und wasserwirtschaftliche Nutzungsrechte c) Der Luftraum 2. Öffentliche Sachen im Sondergebrauch a) Die wasserwirtschaftliche Benutzung b) Erlaubnis und Bewilligung c) Wasserwirtschaftlicher Gemeingebrauch d) Das Gewässereigentum 3. Öffentliche Sachen im „Anstaltsgebrauch" a) Der Anstaltsbegriff b) Die verschiedenen Organisationsformen c) Organisationsform und Nutzungsstatut d) „Öffentliche Einrichtungen" iS des Kommunalrechts . aa) Einstufige oder zweistufige Rechtsverhältnisse . . bb) Einwirkungspflicht des Muttergemeinwesens . . .
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Inhalt cc) Zulassungsanspruch und öffentlich-rechtlicher Sonderstatus e) Ordentliche Benutzungen f) Sonderbenutzungen
II. öffentliche Sachen im Verwaltungsgebrauch III. Die res sacrae
§ 3 Entstehung, Inhalt und Beendigung des öffentlich-rechtlichen Status l. Entstehung einer „öffentlichen Sache" im Rechtssinne 1. Rechtsform und Rechtsnatur der Widmung a) Widmung durch Rechtssatz b) Widmung durch „dinglichen" Verwaltungsakt 2. Öffentliche Sachen im Sondergebrauch a) Die politische Planungsentscheidung b) Das Planfeststellungsverfahren c) Das Enteignungsverfahren d) Einbeziehung in besondere Planfeststellungsverfahren . e) Straßenplanung durch Bebauungsplan aa) Anwendungsbereich bb) Fiktion einer Widmung 3. Widmung bei Sachen im Anstalts- und Verwaltungsgebrauch 4. Zulässigkeitsvoraussetzungen einer verwaltungsaktsmäßigen Widmung a) Die Verfügungsmacht der Widmungsbebörde b) Die Zustimmung des Unterhaltungspflichtigen 5. Rechtsfolgen bei fehlerhafter Widmungsverfügung
II. Beendigung des öffentlich-rechtlichen Sonderstatus („Entwidmung", „Einziehung") III. Die Änderungsverfügung („Umstufung") 1. Die verschiedenen Straßengruppen 2. Eingruppierung, Aufstufung, Abstufung
IV. Die Rechtsverhältnisse an öffentlichen Sachen und die verschiedenen Rechts- und Funktionsträger 1. Der Sacheigentümer a) Der Straßeneigentümer b) Der Gewässereigentümer 2. Der Träger der Bau- und Unterhaltungslast a) Die Straßenbaulast
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Inhalt
IX aa) Inhalt bb) Die „Begünstigten" cc) Träger der Straßenbaulast b) Die Gewässerunterhaltung aa) Inhalt bb) Der Unterhaltungspflichtige cc) Der Adressat der Unterhaltungspflicht 3. Die wege- und gewässerherrschaftlichen Funktionen und ihre Träger a) Die Rechtslage im Straßenrecht b) Die Rechtslage im Wasserrecht 4. Straßenverkehrsbehörden, Verkehrspolizei 5. Die beteiligten Behörden beim Planfeststellungs- und Enteignungsverfahren a) Aufstellungsbehörde b) Anhörungsbehörde c) Feststellungsbehörde d) Enteignungsrecht - Enteignungsbebörde
§ 4 Der Gemeingebrauch an öffentlichen Straßen . .
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I. Eigentum, öffentlich-rechtliche Sachherrschaft, Gemeingebrauch
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II. Eigentumsbeschränkende Funktion der straßenrechtlichen Widmung Zur Restherrschaft des Eigentümers
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1. Die privatrechtliche Verfugungsbefugnis 2. Realakte des Eigentümers 3. Geltendmachung der öffentlich-rechtlichen Sachherrschaft 4. Herausgabe- und Abwehransprüche des Eigentümers . . . 5. Sondervorschriften über die Restherrschaft des Eigentümers
IM. Gemeingebrauchsbestimmende und -begrenzende Widmungsfunktion 1. 2. 3. 4. 5.
Grundlagen Verkehrsgebrauch Anliegergebrauch Der ruhende Verkehr „Zum Zwecke des Verkehrs" als subjektive Komponente . a) Die gewerblich-kommerzielle Zweckverfolgung . . . b) Politische Information und Werbung c) Gemeingebrauch und Kunstausübung d) Religiöse / weltanschauliche Information und Werbung 6. Sonderregelungen durch Satzung
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Inhalt 7. 8. 9. 10. 11.
Besondere Gemeingebrauchsschranken Die zum Gemeingebrauch Berechtigten Erlaubnisfreie Benutzung Unentgeltlichkeit? Gebrauch im Rahmen der Verkehrsvorschriften
IV. Gemeingebrauch und subjektives öffentliches Recht 1. Der „schlichte" Gemeingebrauch 2. Der Anliegergebrauch a) Grundlagen b) „Kontakt nach außen" c) Erhaltung der Lagevorteile d) Vorübergehende „Kontaktstörungen" e) Gesteigerter Gemeingebrauch
§ 5 Sondernutzung an öffentlichen Straßen I. Grundlagen II. Sondernutzungserlaubnis 1. Voraussetzungen, Formen und Inhalt der Erlaubniserteilung 2. Benutzungsgebühr 3. Erlaubnisbehörde 4. Das Verhältnis zu anderen verwaltungsrechtlichen Erlaubnissen und Genehmigungen 5. Duldungspflicht des Eigentümers 6. Der „illegale" Sondergebrauch
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III. Gestattung des Wegeeigentümers
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1. Anwendungsbereich 2. Bindungen des Wegeeigentümers
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IV. Sondergebrauch nach „dualistischem System"? . . . . 128 § 6 Eigentumsrestherrschaft, Gemeingebrauch und Sondergebrauch im Wasserrecht 131 I. Eigentumsbegrenzende Funktion der Widmung . . . 13l II. Gemeingebrauchsbegrenzende Funktion der Widmung 133 1. Wasserwegerecht 2. Wasserhaushaltsrecht a) Gemeingebrauch b) Anlieger- und Hinterliegergebrauch 3. Wasserwirtschaftliche Sondernutzungen a) Die beiden Nutzungsformen b) Erlaubnis und Bewilligung - Unterschiede
133 134 134 135 136 136 137
Inhalt
XI c) Verhältnis zu anderen verwaltungsrechtlichen Erlaubnissen und Genehmigungen d) Ermessen e) Spezielle Zulässigkeitsvoraussetzungen für Erlaubnisse und Bewilligungen f) Unentgeltlichkeit g) Widerruf und Rücknahme
III. Abstrakter und individueller Gemeingebrauch . . . 1. Wasserwegerecht a) Bedeutung des Schiffahrtsrechts b) Gesetzgebungskompetenzen c) Verwaltungskompetenzen 2. Wasserwirtschaftliche Benutzung
§ 7 Nachbarrecht I. Das private Nachbarschutzrecht 1. Inhalt 2. Anwendbarkeit bei öffentlichen Sachen
II. Das öffentliche Nachbarschutzrecht 1. Der öffentlich-rechtliche Abwehranspruch des Nachbarn . 2. Duldungspflichten des Nachbarn 3. Kritik an der herrschenden Lehre a) Generelle ungeschriebene Duldungspflicht? b) Geltung des § 906 BGB im öffentlichen Recht? . . . . 4. Spezielles Nachbarschutzrecht bei Planfeststellungsverfahren a) Präklusionswirkung des Planfeststellungsbeschlusses . b) Der Anspruch auf Schutzanlagen und Entschädigung . c) „Enteignend" wirkende Planfeststellungen d) Beeinträchtigungen ohne Kompensationsverpflichtungen 5. Straßenbau aufgrund Bebauungsplans
Stichwortverzeichnis
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Abkürzungsverzeichnis ABI Abs AEG AG ALR Anm AöR AtomG
BauGB BauNVO BauR BaWü BaWüStrG Bay BayObLG BayStrWG BayVBl BayVGH BayVwVfG Bd BerlStrG BerlWG BGB BGB1 BGH B G HZ BImSchG
Amtsblatt Absatz Allgemeines Eisenbahngesetz vom 27. Dezember 1993 (BGB11, 2378) Aktiengesellschaft Allgemeines Landrecht für die preußischen Staaten vom 5. Februar 1794 Anmerkung Archiv des öffentlichen Rechts Gesetz über die friedliche Verwendung der Kernenergie und den Schutz gegen ihre Gefahren (Atomgesetz) idF vom 15. Juli 1985 (BGB11,1565) Baugesetzbuch idF vom 27. August 1997 (BGB1 I, 2141) Verordnung über dei bauliche Nutzung der Grundstücke (Baunutzungsverordnung) idF vom 23. Januar 1990 (BGB11, 132) Baurecht (Zeitschrift) Baden-Württemberg Straßengesetz für Baden-Württemberg idF vom 11. Mai 1992 (GB1 330) Bayern Bayerisches Oberstes Landesgericht Bayerisches Straßen- und Wegegesetz idF vom 5. Oktober 1981 (GVB1 448) Bayerische Verwaltungsblätter (Zeitschrift) Verwaltungsgerichtshof für den Freistaat Bayern Bayerisches Verwaltungsverfahrensgesetz vom 23. Dezember 1976 (BayRS 2010-1-1) Band Berliner Straßengesetz vom 28. Februar 1985 (GVBl 518) Berliner Wassergesetz idF vom 3. März 1989 (GVBl 606) Bürgerliches Gesetzbuch vom 18. August 1896 (RGB1 195) Bundesgesetzblatt Bundesgerichtshof Entscheidungen des Bundesgerichtshofs in Zivilsachen Gesetz zum Schutz vor schädlichen Umwelteinwirkungen durch Luftverunreinigungen, Geräusche, Erschüt-
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Abkürzungsverzeichnis
terungen und ähnliche Vorgänge (Bundesimmissionsschutzgesetz) idF vom 14. Mai 1990 (BGB11, 880) Bremisches Landesstraßengesetz vom 20.12.1976 (GB1 BremLStrG 341) Bundesverfassungsgericht BVerfG BVerfGE Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts BVerwG Bundesverwaltungsgericht BVerwGE Entscheidungen des Bundesverwaltungsgerichts DAR Deutsches Autorecht (Zeitschrift) dens denselben ders derselbe EGBGB Einfuhrungsgesetz zum Bürgerlichen Gesetzbuche idF vom 21. September 1994 (BGB11, 2494) EGV Vertrag zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft vom 25. März 1957 EnteignungsG Enteignungsgesetz Europäischer Gerichtshof EuGH EVROWü Verwaltungsrechtsordnung für Württemberg - Entwurf eines Gesetzes mit Begründung, Stuttgart 1931 Bundesfernstraßengesetz idF vom 19. April 1994 FStrG (BGB11, 854) GB1 Gesetzblatt GewArch Gewerbearchiv GG Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland vom 23. Mai 1949 (BGB11) Gesellschaft mit beschränkter Haftung GmbH Gemeindeordnung GO GVB1 Gesetz- und Verordnungsblatt Gesetz- und Verordnungsblatt für Nordrhein-Westfalen GVNW Hamb Hamburg Hamburgisches Wassergesetz vom 20. Juni 1960 (GVB1 HambWaG 335) HambWG Hamburgisches Wegegesetz idF vom 22. Januar 1974 (GVB141) Hess Hessen Hessisches Straßengesetz vom 9. Oktober 1962 (GVBl HessStrG 437) hM herrschende Meinung idF in der Fassung Jura Juristische Ausbildung (Zeitschrift) JuS Juristische Schulung (Zeitschrift) Juristenzeitung JZ
Abkürzungsverzeichnis
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Landschaftsverbandsordnung für das Land NordrheinWestfalen idF vom 14. Juli 1994 (GVNW 657) Entscheidungen des BGH im Nachschlagewerk des LM BGH von Lindenmaier-Möhring Landesstraßengesetz für Rheinland-Pfalz idF vom 1. AuLStrG RP gust 1977 (GVB1274) Luftverkehrsgesetz idF vom 14. Januar 1981 (BGB11, 61) LuftVG Landeswassergesetz LWG Monatsschrift für Deutsches Recht (Zeitschrift) MDR MünchKomm Münchener Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch Niedersachsen Nds Niedersächsiche Rechtspflege (Zeitschrift) Nds Rpfl Niedersächsisches Straßengesetz idF vom 24. SeptemNdsStrG ber 1980 (GVB1 359) NJW Neue Juristische Wochenschrift (Zeitschrift) Neue Zeitschrift für Verwaltungsrecht NVwZ Nordrhein-Westfalen NW OBGNW Gesetz über Aufbau und Befugnisse der Ordnungsbehörden (Ordnungsbehördengesetz) idF vom 13. Mai 1980 (GVNW 528) Oberlandesgericht OLG OVG Obervenvaltungsgericht Personenbeförderungsgesetz idF vom 8. August 1990 PBefG (BGB11,1690) Das Recht der Wasserwirtschaft RdWWi Reichsgericht RG RGB1 Reichsgesetzblatt RGZ Entscheidungen des Reichsgerichts in Zivilsachen Rn Randnummer RP Rheinland-Pfalz (st) Rspr (ständige) Rechtsprechung s siehe Saarländisches Straßengesetz idF vom 15. Oktober SaarlStrG 1977 (Amtsbl 969) Staatshaftungsgesetz vom 26. Juni 1981 (BGB11, 553) StHG StrReinG NW Gesetz über die Reinigung öffentlicher Straßen (Straßenreinigungsgesetz Nordrhein-Westfalen) vom 18. Dezember 1975 (GVNW 706) StrWG NW Straßen- und Wegegesetz des Landes Nordrhein-Westfalen idF vom 23. September 1995 (GVNW 1028) StrWG SH Straßen- und Wegegesetz des Landes Schleswig-Holstein vom 30. Januar 1979 (GVB1 163) LVerbO
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StVG StVO StVZO UPR VerwArch VG VGHE vgl WDStRL
VwGO VwVfG VwVfG NW WaG WaStrG WHG WM ZevKiR ZfW
Abkürzungsverzeichnis Straßenverkehrsgesetz vom 19. Dezember 1952 (BGB11, 837) Straßenverkehrsordnung vom 16. November 1970 (BGB11,1565) Straßenverkehrs-Zulassungs-Ordnung idF vom 28. September 1988 (BGB11, 1793) Umwelt- und Planungsrecht (Zeitschrift) Verwaltungsarchiv Verwaltungsgericht Entscheidungssammlung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs vergleiche Veröffentlichungen der Vereinigung der Deutschen Staatsrechtslehrer Verwaltungsgerichtsordnung idF vom 19. März 1991 (BGB11, 686) Verwaltungsverfahrensgesetz (des Bundes) vom 25. Mai 1976 (BGB11,1253) Verwaltungsverfahrensgesetz für das Land NordrheinWestfalen vom 21. Dezember 1976 (GVB1438) Wassergesetz Bundeswasserstraßengesetz idF vom 23. August 1990 (BGB11,1818) Gesetz zur Ordnung des Wasserhaushalts (Wasserhaushaltsgesetz) idF vom 12. November 1996 (BGB11,1695) Wertpapier-Mitteilungen (Zeitschrift) Zeitschrift für evangelisches Kirchenrecht Zeitschrift für Wasserrecht
§ 1 Begriff und Wesen der öffentlichen Sachen Forsthoff, Lehrbuch des Verwaltungsrechts, Bd I, AT, 10. Aufl 1973,368 ff; Kodal/ Krämer, Straßenrecht, 5. Aufl 1995, Kap 5 Rn l ff; Maunz, Hauptprobleme des öffentlichen Sachenrechts, 1933; Papier, Jura 1979, 93 ff; ders, in: Berg/Knemeyer/ Papier/Steiner (Hrsg), Staats- und Verwaltungsrecht in Bayern, 6. Aufl 1996, Teil G Rn Iff; Pappermann, JuS 1979,794ff; Salzwedel, in: Erichsen (Hrsg), Allgemeines Verwaltungsrecht, 10. Aufl 1995, §§ 40 - 46; Stern, Die öffentliche Sache, in: WDStRL 21 (1962), 183 ff; Stern, Art: Sache, öffentliche, Ev. Staatslexikon, 3. Aufl 1987, Sp 3029; Weber, Die öffentliche Sache, in: WDStRL 21 (1962), 145ff; Wolff/Bachof, Verwaltungsrecht, Bd I, 9. Aufl 1974, §§ 55 - 59; Entwurf einer Verwaltungsrechtsordnung für Württemberg, 1931, Art 174 ff.
Die „öffentliche Sache" ist eine im deutschen Verwaltungsrecht fest verankerte Sammelbezeichnung für einen unterschiedlich abgesteckten Kreis höchst inhomogener Vermögensgegenstände, die aber unbestritten in zweierlei Hinsicht Gemeinsamkeiten aufweisen: Es handelt sich um Vermögensgegenstände, die wegen ihrer öffentlichen Zweckbestimmung eine besondere, von den übrigen Gegenständen abgehobene Rechtsstellung aufweisen, einen Rechtsstatus also, der nicht oder nicht nur von der Privatrechtsordnung, sondern (auch) von der verwaltungsrechtlichen Sonderrechtsordnung geprägt ist. Ohne hier schon auf diese beiden traditionellen Bestimmungskriterien der öffentlichen Sache: Gemeinwohlfunktion und offentlich-rechtlicher Rechtsstatus im einzelnen einzugehen, sind zum besseren Verständnis der nachfolgenden Ausführungen folgende, beispielhaft aufgeführte Gegenstände als zum gesicherten oder doch möglichen Bestand öffentlicher Sachen gehörig zu erwähnen: Straßen, Wege und Plätze, natürliche und künstliche Wasserläufe, Eisen-, Straßen- und Untergrundbahnen, Flugplätze, Häfen, Deiche, Grünanlagen, Kinderspielplätze, Sportplätze und Schwimmbäder, Kinder- und Jugendheime, Altersheime und Krankenhäuser, Schulen, Hoch- und Fachschulen, Bibliotheken, Forschungslaboratorien, Kasernen und Truppenübungsplätze, Parkplätze und Parkhäuser, Anlagen des Post-, Femmelde- und Rundfunkwesens, Versorgungsanlagen für Wasser, Elektrizität und Gas, Kläranlagen, Müllschütten und Müllverbrennungsanlagen, Rathäuser und sonstige Verwaltungs- sowie Regierungs- und Gerichtsgebäude, Kirchen, Gemeindeund Pfarrhäuser, kirchliche Begräbnisplätze sowie die zum kirchlichen Kultgebrauch bestimmten Gegenstände.
Begriff und Wesen der öffentlichen Sachen
I. Der Sachbegriff Zunächst ist der für das Recht der öffentlichen Sachen maßgebliche Sachbegriff zu definieren. Nach hL gilt für das öffentliche Recht der bürgerlich-rechtliche Sachbegriff (§§ 90ff. BGB) nicht.{ Die Gegenstände brauchen also nicht die im § 90 BGB geforderte Körperlichkeit aufzuweisen. Das bedeutet, daß über den privatrechtlichen Sachbegriff hinausgehend auch der Luftraum außerhalb der vom Bodeneigentümer beherrschten Sphäre, die Stratosphäre, ferner das offene Meer sowie der elektrische Strom, denen sämtlich die körperliche Begrenzung und Beherrschbarkeit fehlen, zu den Sachen im öffentlich-rechtlichen Sinne gerechnet werden. Ob diese Erweiterung des Sachbegriffs sinnvoll ist, hängt von der Vorentscheidung darüber ab, welche Zwecke mit der Qualifizierung als öffentliche Sache verfolgt werden und welche Ordnungsprinzipien der Begriffsbildung daher zugrunde liegen sollen. Mit der Zuordnung zum Kreis der öffentlichen Sachen soll um der Wahrung und Sicherung öffentlicher Funktionen willen eine (partielle) Exemtion von der sonst eingreifenden sachenrechtlichen Privatrechtsordnung und eine Unterstellung unter eine sonderrechtliche Herrschafts- oder Nutzungsordnung bewirkt werden.2 Nur Gegenstände, die ohne den Öffentlich-rechtlichen Status der allgemeinen, der spezifischen Zweckrichtung oder Aufgabenstellung aber nicht voll Rechnung tragenden privatrechtlichen Herrschafts- und Nutzungsordnung unterstünden, können sinnvollerweise dem Begriff der öffentlichen Sache zugeordnet werden. Dieser findet nur in diesem kontrastierenden und abgrenzenden Sinne seine Berechtigung. Gegenstände, die per se der allgemein-privatrechtlichen Zuordnung oder Herrschafts- und Nutzungsordnung nicht unterstehen, zu den öffentlichen Sachen zu zählen, ist danach sinnwidrig. Öffentliche Sachen können somit nur körperliche Gegenstände sein.' Dagegen ist der hM insofern zu folgen, als sie die bürgerlich-rechtlichen Vorschriften über Sachzusammenhänge (§§ 93-95 BGB) im Recht der öffentlichen Sachen für unmaßgeblich erklärt. Während nach § 93
S Forsthoff, VerwR I, 378; Wolff/Bachof, VerwR I, 9. Aufl 1974, 55 II b; Begründung zum Entwurf einer Verwaltungsrechtsordnung für Württemberg, 532f; Pappermann, JuS 1979, 797f; Papier, in: Berg/Knemeyer/Papier/Steiner (Hrsg), Teil G, Rn 3. W. Weber, in: WDStRL 21 (1962) 149; Papier, in: Berg/Knemeyer/Papier/ Steiner (Hrsg), Teil G, Rn 1. So auch W.Weber, in: WDStRL 21 (1962) 149.
Der öffentlich-rechtliche Status BGB wesentliche Bestandteile einer Sache das rechtliche Schicksal der Hauptsache teilen, kann sich der öffentlich-rechtliche Sonderstatus allein auf die Hauptsache oder auf einzelne ihrer (wesentlichen) Bestandteile beschränken. Als Beispiel sei die auf privatem Grundstück errichtete Verkehrsregelungsanlage erwähnt. Wesentliche Bestandteile können also zu einer eigenständigen öffentlichen Sache werden. Auch an den bürgerlich-rechtlichen Zubehörbegriff (§ 97 BGB) ist der einen öffentlich-rechtlichen Sonderstatus begründende Hoheitsträger nicht gebunden. Ferner können mehrere nach Privatrecht selbständige Sachen oder Sachgesamtheiten eine einheitliche öffentliche Sache sein, so beispielsweise der öffentliche Weg oder Platz, der sich über mehrere Privatgrundstücke erstreckt.4
II. Der öffentlich-rechtliche Status Gemeinwohlfunktion und Indienststellung einer Sache für einen öffentlichen Zweck allein machen diese noch nicht zu einer „öffentlichen Sache". Vielmehr muß die gesetzliche, gewohnheitsrechtliche oder administrative, gemeinhin als Widmung5 bezeichnete Begründung eines öffentlich-rechtlichen Rechtsstatus an der Sache hinzukommen. Sachen, die zwar öffentlichen Zwecken dienen und für das Gemeinwesen oder seine Bürger bedeutsame Funktionen besitzen, bei denen sich aber der Rechtsverkehr ausschließlich nach bürgerlichem Recht vollzieht, also nur privatrechtliche Herrschaftsrechte und Nutzungsverhältnisse bestehen, sind keine „öffentlichen Sachen".
1. Die Sachen des „Finanzvermögens" Von dieser Einschränkung sind nicht nur die sog. „tatsächlichen öffentlichen Sachen" betroffen,6 die - im Eigentum einer Zivilperson stehend der Öffentlichkeit zugänglich gemacht sind, wie beispielsweise der private Waldweg, das private Schwimmbad oder die private Kunstgalerie. Auch die Sachen des Finanzvermögens eines öffentlichen GemeinweS auch Papier, Jura 1979, 93 f; ders, in: Berg/Knemeyer/Papier/Steiner (Hrsg), Teil G, Rn 3; Pappermann, JuS 1979, 797f. Forsthoff, VerwR I, 383f; Wolff/Bachof, VerwR I, 9. Aufl 1974, § 56 I; Pappermann, JuS 1979, 794f; Papier, Jura 1979, 94; ders, in: Berg/Knemeyer/Papier/ Steiner (Hrsg), Teil G, Rn 4, 6. Wolff/Bachof, VerwR I, 9. Aufl 1974, § 55 I a.
Begriff und Wesen der öffentlichen Sachen
sens, die diesem und seinen Aufgaben nur (mittelbar) über ihre Erträge dienen, also primär erwerbswirtschaftlich genutzt werden und deshalb ausschließlich dem bürgerlichen Rechtsverkehr unterstellt sind, bleiben mangels eines öffentlich-rechtlichen Sonderstatus in der Herrschaftsund Nutzungsmacht ausgeklammert.7 Sie sind in das Verwaltungsrechtssystem nicht inkorporiert.
2. Entstehung durch Rechtsakt Über Rechtsnatur und Inhalt des verwaltungsrechtlichen Sonderstatus öffentlicher Sachen gibt es hinsichtlich der Einzelheiten keine volle Übereinstimmung. Zunächst ist festzustellen, daß der verwaltungsrechtliche Rechtsstatus einer Sache nur aufgrund eines Rechtsakts entstehen kann. Dieser kann ein förmliches Gesetz, ein sonstiger Rechtssatz, zB ein Gewohnheitsrechtssatz, oder ein Administrativakt sein.8 Inhalt und Umfang des öffentlich-rechtlichen Status der Sache werden in erster Linie durch diesen Rechtsakt bestimmt. Sie sind also nicht „aus der Natur" oder „aus dem Wesen" einer öffentlichen Sache „vorgegeben". Ist der Rechtsakt ein Administrativakt, kann die statusbegründende Wirkung von dem zugrunde liegenden Gesetz abschließend bestimmt oder aber der Verwaltung hinsichtlich des Umfangs und Inhalts der verwaltungsrechtlichen Rechtsstellung ein Ermessen eingeräumt sein. Erst wenn der statusbegründende Rechtsakt keine statusspezifischen Inhalts- und Umfangsbestimmungen enthält, ist auf allgemeine Grundsätze des (sachenrechtlichen) Verwaltungsrechts zurückzugreifen.
3. Verwaltungsrechtlicher Sonderstatus als „dingliche" Rechtsmacht Der verwaltungsrechtliche Status einer Sache wird gemeinhin mit der Existenz einer dinglichen Rechtsmacht des öffentlichen Rechts gleichgesetzt.9 Auch für das Verwaltungsrecht ist die aus dem Privatrecht bekannte Unterscheidung subjektiver Rechte in absolute oder Darfrechte, insbesondere dingliche oder Sachenrechte einerseits, relative oder Soll-
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Forsthoff, VerwR I, 376; Pappermann, JuS 1979, 794f; Papierjura 1979, 93; ders, in: Berg/Knemeyer/Papier/Steiner (Hrsg), Teil G, Rn 5. « Wolff/Bochof, VerwR I, 9. Aufl 1974, 56 II. 9 Wolff/Bochof, VerwR I, 9. Aufl 1974, § 40 Rn 14ff; Salzwedel, in: Erichsen (Hrsg), Allgemeines VerwR, S 42 Rn 5; Papier, Jura 1979, 94.
Der öffentlich-rechtliche Status
rechte, insbesondere Forderungsrechte andererseits, gültig.1" Diese Trennung ist keine spezifisch privatrechtliche Erscheinung, sondern Bestandteil der allgemeinen Rechtslehre. Während ein absolutes Recht von jedermann zu achten ist und deshalb eine ausschließende Rechtsmacht verleiht, ist die Rechtsmacht bei den relativen Rechten darauf beschränkt, daß eine bestimmte Person (oder mehrere) dem Rechtsinhaber gegenüber ein bestimmtes Verhalten (Tun oder Unterlassen) schuldet. Zu den absoluten Rechten gehören insbesondere die dinglichen oder Sachenrechte. Diese werden vereinfachend oder verkürzend als Rechte bezeichnet, die sich unmittelbar auf eine Sache beziehen und die an der Sache bestehen. Diese Umschreibung darf nicht darüber hinwegtäuschen, daß rechtliche Beziehungen nur zwischen Rechtssubjekten bestehen, daß Rechts- oder Pflichtsubjekte nur Personen, nicht aber Sachen sein können." Das Recht an der Sache jedermann gegenüber bedeutet also bei präziser Betrachtung, daß eine unbestimmte Vielheit von Rechtssubjekten (jedermann) zugunsten des Rechtsinhabers durch Unterlassungs-, Duldungs- oder Nichtstörungspflichten gebunden ist, damit der Rechtsträger den Gegenstand (Rechtsobjekt) ungestört „beherrschen" kann. Die in der „Dinglichkeit" eines Rechts zum Ausdruck kommende Person-Sachbeziehung ist also nur eine vereinfachende (Hilfs)Konstruktion für eine Vielzahl personaler Rechtsbeziehungen in bezug auf eine Sache.12
4. Das „öffentliche Eigentum" Im deutschen Verwaltungsrecht werden vor allem seit Otto Mayer zwei Gestaltungsformen öffentlichdinglicher Rechte an Sachen diskutiert: Zum einen wird das öffentliche Sachenrecht als ein in seiner Vollkommenheit und Umfassenheit dem privatrechtlichen Eigentum vergleichbares Recht, also als „öffentliches Eigentum" verstanden.1' Zum anderen wird die verwaltungsrechtliche dingliche Herrschaftsmacht als ein beschränktdingliches Recht, also als eine öffentlich-rechtliche „Dienst-
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Niehues, Verwaltungssachenrecht, in: Fortschritte des Verwaltungsrechts, Festschnft für Hans J. Wolff, 1973, 247-259. 11 Rupp, Grundfragen der heutigen Verwaltungsrechtslehre, 1965, 17, 166, 223. 12 Niehues, in: FS Hans J. Wolff, 252. '·' Offo Mayer, Verwaltungsrecht, Bd II, 49 ff; s femer Haas, DVB1 1962, 653 ff; Wittig, DVB1 1969, 680ff; Papier, in: Berg/Knemeyer/Papier/Steiner (Hrsg), Teil G, Rn 6.
Begriff und Wesen der öffentlichen Sachen barkeit"14, lastend auf dem (fortbestehenden) privatrechtlichen Eigentum an der Sache, konstruiert.15 Die Lehre vom „öffentlichen Eigentum" hat Otto Mayer, in Anlehnung an das Institut des domaine public des französischen Rechts, in das deutsche Verwaltungsrecht einzufügen versucht. Erfolgreich war dieses Unterfangen im wesentlichen nicht.16 Immerhin ist das „öffentliche Eigentum" gesetzlich eingeführt durch das Hamburger Wegegesetz für alle öffentlichen Wege, Straßen und Plätze der Stadt, die dem Gemeingebrauch gewidmet sind (§ 41 HambWG; Hamb. GVBI. 1961,119), ferner durch das Hamb. Deichordnungsgesetz (DOG) für einen Teil der Deichgrundstücke (§ 4a I HambWaG; Hamb. GVBI. 1964,79) und schließlich durch das BaWü Wassergesetz für das Bett der Gewässer erster und zweiter Ordnung (§ 4 I; BaWüGBI 1976, 372). Nach dem oben Ausgeführten steht es dem Gesetzgeber frei, den verwaltungsrechtlichen Status öffentlichen Zwecken gewidmeter Sachen im Sinne einer umfassenden öffentlich-rechtlichen Sachherrschaft, insofern vergleichbar dem privatrechtlichen Vollrecht „Eigentum", zu ordnen. Dies gilt trotz der sachenrechtlichen Kodifikation des Bürgerlichen Gesetzbuches und seines Einführungsgesetzes auch für den Landesgesetzgeber.17 Die Gesetzgebungszuständigkeiten für das Straßenwesen sind nach dem Grundgesetz zwischen Bund und Ländern aufgeteilt. Nach Art 741 Nr. 22 G G hat der Bund das Recht zur konkurrierenden Gesetzgebung für den Bereich „Bau und Unterhaltung von Landstraßen für den Fernverkehr". Dies läßt darauf schließen, daß zur Regelung der Rechtsverhältnisse an allen übrigen öffentlichen Straßen und Wegen die Länder (ausschließlich) zuständig sind, vgl Art 30, 70 I GG. Dem könnte aber speziell für die Eigentumsverhältnisse an öffentlichen Sachen Art 74 I Nr l iVm Art 72 I GG entgegenstehen: Nach Art 74 I Nr l GG besitzt der Bund das Recht der konkurrierenden Gesetzgebung auf dem Gebiete des „bürgerlichen Rechts". Der Gesetzgeber des BGB und des Einführungsgesetzes zum BGB hat grundsätzlich alle „Sachen" iS des § 90 BGB einer abschließenden sachenrechtlichen Regelung (vgl $5 854ff BGB) unterworfen. Die Begründung neuer Eigentumsformen außerhalb
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15 lft 17
Wolff/Bachof, VerwR I, 9. Auf! 1974, § 571 a 2; Salzwedel, in: Erichsen (Hrsg), Allgemeines VerwR, $ 42 Rn 5; Papier, Jura 1979, 94; ders, in: Berg/Knemeyer/Papier/Steiner (Hrsg), Teil G, Rn 7; Pappermann, JuS 1979, 798 f. S auch BGHZ 9, 380; 19, 90; 21, 327; 48,104; BGH, NJW 1971, 95 Ausführlich dazu Forsthoff, VerwR I, 379 Fn. 5. BVerfGE 42, 20ff.
Der öffentlich-rechtliche Status des BGB-Rechts ist dem Landesgesetzgeber daher wegen Art 72 I, 74 I Nr l G G verwehrt. Es ist aber fraglich, ob die Rechtsverhältnisse an öffentlichen Sachen und im besonderen an öffentlichen Straßen überhaupt zum „bürgerlichen Recht" iS der Kompetenznorm des Art 74 I Nr l G G gehören. Nach der Auffassung des BVerfG™ erstreckt sich diese Zuständigkeitsnorm nach ihrer Entstehungsgeschichte unter Berücksichtigung der ihr vorausgegangenen rechtsgeschichtlichen Entwicklung und Staatspraxis nicht auf die Beziehungen des einzelnen zu den öffentlichen Einrichtungen. Das „bürgerliche Recht" iS des Art 74 I Nr l ist nach Meinung des BVerfG im wesentlichen durch die Ordnung der Individualrechtsverhältnisse, nicht aber durch die Leistungsbeziehungen des Bürgers zur öffentlichen Verwaltung geprägt. Danach gehört die Regelung über die Sachherrschaft an einer öffentlichen Sache allgemein und an der öffentlichen Straße im besonderen, auch soweit sie als „Eigentum" angesehen und bezeichnet wird, nicht zum „bürgerlichen Recht" iS des Art 74 I Nr l GG. Dies hat zur Folge, daß die Länder zur Regelung der Sachherrschaf tsverhältnisse außerhalb des Art 74 I Nr 22 G G generell zuständig sind. Das BVerwG^ hat demgegenüber zwar die Auffassung vertreten, dem Landesgesetzgeber sei es durch Art 72 I / 74 I Nr l G G verwehrt, neue, auch öffentlich-rechtliche Eigentumsformen an Sachen außerhalb des BGB-Rechts und der im EGBGB erteilten Ermächtigungen zu begründen. Aber auf der Grundlage dieser Auffassung ist zu berücksichtigen, daß das EGBGB selbst dem Landesgesetzgeber bestimmte Regelungsermächtigungen erteilt: Aus Art 181 I EGBGB i.V. mit Art 55 I EGBGB geht hervor, daß öffentlich-rechtliches Eigentum, das bei Inkrafttreten des BGB landesgesetzlich vorgesehen war, durch das neue Recht nicht berührt wurde. Darüber hinaus bestimmt Art l II EGBGB,20 daß landesrechtliche Vorschriften in dem Umfang neu erlassen werden können, in dem altes Landrecht nach dem BGB oder EGBGB unberührt bleiben soll. Da nach Art 55, 181 EGBGB nur privatrechtliche Vorschriften des Landesrechts über das Eigentum außer Kraft getreten sind, nicht aber öffentlich-rechtliche, kann der Landesgesetzgeber wegen Art l II EGBGB insoweit auch neue Bestimmungen erlassen. Der Vorbehalt zugunsten der Landesgesetzgebung in Art l II EGBGB ist überdies nicht auf die
i» BVerfG E 42, 20 ff. 19 BVenvGE27, 131 ff.
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Der ursprüngliche Art 3 EGBGB wurde zu Art l II EGBGB durch das Gesetz zur Neuregelung des Internationalen Privatrechts v. 25.71986 (BGB11 1142).
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Begriff und Wesen der öffentlichen Sachen
Länder beschränkt, die schon bisher vom BGB abweichende Regelungen getroffen hatten. Öffentliches Eigentum an Wegen und Gewässern iS des domaine public (Art 538 code civil) galt in den französisch-rechtlichen Rheinprovinzen. Damit kann auch nach der Auffassung des BVertvG der Landesgesetzgeber an öffentlichen Wegen und Gewässern öffentlich-rechtliche Eigentumsformen einführen, unabhängig davon, ob in dem betreffenden Land selbst eine Anknüpfung an entsprechendes altes Recht möglich ist oder nicht. Soweit das geltende (Landes-)Recht öffentliches Eigentum vorsieht, bedeutet das keine völlige Exemtion von der privatrechtlichen Eigentumsordnung. Im Anschluß an die Lehre Otto Mayers21 soll öffentliches Eigentum nur dann entstehen, wenn Privateigentum und öffentlichrechtliche Sachherrschaft in einer Person zusammenfallen. So läßt zß das Hamburger Wegegesetz öffentliches Eigentum an als öffentliche Wege gewidmeten Grundflächen einschließlich der näher bezeichneten Bestandteile nur entstehen, wenn und solange diese Grundflächen der Freien und Hansestadt gehören (§411, II 1). Ist der Träger der öffentlich-rechtlichen Sachherrschaft (Staat oder Kommune) nicht zugleich Privateigentümer an der öffentlichen Sache (geworden), bleibt es stets bei der dualistischen Rechtskonstruktion. Öffentlichrechtliches Eigentum gelangt nicht zur Entstehung. Der wesentliche Grund für die (partielle) Unterstellung öffentlicher Sachen unter ein neuartiges, öffentlichrechtliches Eigentumsinstitut besteht letztlich nur darin, die betreffenden Sachen dem bürgerlichrechtlichen Veräußerungsverkehr zu entziehen.22 Diese Konsequenz wäre sicher auch auf der Basis der überlieferten Konzeption einer dualistischen Rechtsgestaltung bei entsprechender gesetzlicher Ausgestaltung der öffentlich-rechtlichen Eigentumsbelastung denkbar.23 Die lapidare Unterstellung öffentlicher Sachen unter ein „öffentliches Eigentum" im Hamburger Wege- und Deichrecht und im Baden-Württembergischen Wasserrecht ist als solche ziemlich aussage- oder sinnlos. Die unbestrittene Gestaltungsfreiheit des Gesetzgebers in Bezug auf Inhalt und Ausmaß der öffentlichrechtlichen Sachherrschaft und sein Recht, diese öffentlichrechtliche Sachherrschaft in einer dem privatrechtlichen Eigentum vergleichbar umfassenden Weise auszugestalten, dürfen
* VerwRII, 49 ff. 11 W. Weber, in: WDStRL 21 (1962) 149; Salzwedel, in: Erichsen (Hrsg), Allgemeines VerwR, § 42 Rn 4 f. * Salzwedel, DÖV 1963, 244.
Der öffentlich-rechtliche Status nicht darüber hinwegtäuschen, daß diese Gestaltungsmacht nicht schon durch Verwendung bloßer Leerformeln wie „öffentliches Eigentum" ausgefüllt wird. Das Eigentumsrecht ist wie jedes dingliche Recht eine „konstruktive Verkürzung" („brennpunktartige Bündelung")24 einer Vielzahl personaler Rechtsbeziehungen, die im Hinblick auf eine Sache bestehen.25 Das privatrechtliche Sacheigentum beispielsweise erfährt eine inhaltliche Konturierung erst und allein durch die Rechte und Pflichten des Eigentümers und Dritter begründenden Vorschriften des BGB bzw. seiner Nebengesetze. Losgelöst von diesem „Normenwerk" ist das „Eigentum" eine inhaltlich entleerte Hülse oder eine nichtssagende Floskel. Entsprechendes gilt für ein „öffentliches Eigentum", wenn der Gesetzgeber nicht zugleich ein dieses öffentlich-rechtliche Eigentum konturierendes Normenwerk zur Verfügung stellt. Bei Fehlen eines eigenen Systems personaler Rechte und Pflichten in bezug auf öffentliche Sachen kann die gesetzgeberische Verwendung des Begriffs „öffentliches Eigentum" nur zweierlei bedeuten: Entweder sollen zur Rechtsausfüllung die das privatrechtliche Eigentum konstituierenden Normen des bürgerlichen Rechts entsprechend gelten (so § 5 S l BaWüWaG). In diesem Fall ist die Verwendung des Begriffs „öffentliches Eigentum" weitgehend sinnlos und ein „Etikettenschwindel". Oder aber dieser Rückgriffsoll gerade ausgeschlossen sein, was im § 4 I 5 HambWG und § 4a II 3 HambWaG ausdrücklich bestimmt ist. Dann aber ist die Regelung mangels eigenen, eigentumskonstituierenden verwaltungsrechtlichen Normenwerkes in höchstem Maße unvollständig. Inhalt und Ausmaß der öffentlichrechtlichen Sachherrschaft, also des verwaltungsrechtlichen Rechtsstatus der Sachen, müssen weiterhin maßgeblich unter Rückgriff auf die allgemeinen Grundsätze des Verwaltungsrechts bestimmt werden. Dies trifft bezüglich der genannten Gesetze insbesondere für das Nachbarrecht zu.26
5. Dualistische Konstruktion des Rechtsstatus a) Grundlagen In Gesetzgebung, Rechtsprechung und Lehre ist eine gemischt privatrechtlich-öffentlichrechtliche Grundkonzeption der öffentlichen Sachen
24
H. H. Rupp, Grundfragen der Verwaltungsrechtslehre, 225. x Niehues, in: Festschrift für Hans J. Wolff, 1973, 252. 16 Vgl dazu unten § 7.
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herrschend. Öffentliche Sachen unterstehen danach der einen und einheitlichen Eigentumsordnung, die für das deutsche Rechtssystem im Bürgerlichen Gesetzbuch ausgeformt ist. Aufgrund der Widmung für einen öffentlichen Zweck lastet jedoch auf diesem Privateigentum ein beschränktes dingliches Recht, also eine „Dienstbarkeit" des öffentlichen Rechts. Diese verleiht eine besondere öffentlich-rechtliche Sachherrschaft über die Sache, die verschieden abgesteckte Nutzungsbefugnisse einerseits und spezifische Unterhaltungspflichten des öffentlichen Rechts andererseits beinhaltet. Die Dienstbarkeit hat zugleich die negative Wirkung, daß die privatrechtlichen Eigentümerbefugnisse im jeweiligen Umfange der öffentlich-rechtlichen Sachherrschaft verdrängt werden.27 Es ist möglich, daß diese „janusköpfige"28 Rechtskonstruktion öffentlicher Sachen ihre Ursprünge in der Fiskustheorie hat, die vermögensrechtliche und zivilrechtliche Ansprüche identifizierte und die in der Judikatur mangels einer der Zivilgerichtsbarkeit vergleichbaren Verwaltungsrechtspflege und mangels einer unmittelbaren öffentlich-rechtlichen Staatshaftung lange Zeit - jedenfalls hinsichtlich ihrer praktischen Auswirkungen - gepflegt wurde.29 Die hoheitlich-fiskalische Doppelrolle der öffentlichen Sache und die Theorie vom öffentlich-rechtlich „modifizierten Privateigentum" boten die konstruktive Basis für die Zuordnung der Haftungsfragen zum Zivilrecht und für ihre Justiziabilität überhaupt.30 b) Die geltende Gesetzeslage Andererseits darf nicht übersehen werden, daß auch das geltende Recht, soweit es sich mit dem Rechtsstatus öffentlicher Sachen befaßt, abgesehen von den erwähnten landesgesetzlichen Regelungen in Hamburg und Baden-Württemberg, diese dualistische Konstruktion übernommen hat: Für das Straßen- und Wegerecht sehen das FStrG des Bundes sowie die Straßengesetze der Länder neben den öffentlich-rechtlichen Benutzungsformen des Gemein- und Sondergebrauchs nach wie vor die Benutzung
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BGHZ 9, 380; 19, 90; 21, 327; 48,104; BGH, NJW 1971, 95; Wolff/Bachof, VerwR I, 9. Aufl 1974, 5 57 I; Salzwedel, DÖV 1963, 244; den, in: Erichsen (Hrsg), Allgemeines VerwR, § 42 Rn 5; Pappermann, JuS 1979, 798 f; Papier, Jura 1979, 94; ders, in: Berg/Knemeyer/Papier/Steiner (Hrsg), Teil G, Rn 8. 2S Stem, in: WDStRL 21 (1962) 187. 29 Papier, JZ 1975, 586; vgl aber auch Rüfher, Verwaltungsrechtsschutz in Preußen von 1749 bis 1842, 1962, 172ff und Bullinger, Vertrag und Verwaltungsakt, 1962, 200ff, 219 ff. •1Ü Bartlsperger, Verkehrssicherungspflicht und öffentliche Sache, 1970, 62 f.
Der öffentlich-rechtliche Status
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der öffentlichen Sache aufgrund eines bürgerlich-rechtlichen (Gestattungs-)Vertrages mit dem Privateigentümer vor. Nach § 8 X FStrG beispielsweise richtet sich die „Einräumung von Rechten zur Benutzung des Eigentums der Bundesfemstraßen" nach bürgerlichem Recht, wenn die Benutzung „den Gemeingebrauch nicht beeinträchtigt". Die Landesstraßengesetze enthalten, abgesehen von der hamburger Regelung, im Grundsatz entsprechende Vorschriften.31 Auch im Wasserrecht gehen die geltenden Gesetze von einem mit öffentlichen beschränkt-dinglichen Rechten belasteten Privateigentum am Gewässer und Gewässerbett aus.32 Allerdings ist schon in diesem Zusammenhang darauf hinzuweisen, daß nach dem WHG und den Landeswassergesetzen die eigentumsrechtliche Restherrschaft weitaus stärker beschnitten ist als die des Wegeeigentümers:33 Der Gewässereigentümer hat aufgrund der - in Einzelheiten differierenden - Vorschriften der Landeswassergesetze im wesentlichen jede Sondemutzung des Gewässers „als solches" unentgeltlich zu dulden, vgl § 13 LWG NW.34 Er ist nicht in der Lage, gewisse Formen der Sondernutzung des Gewässers, nach hM auch des Gewässerbettes, von dem Abschluß eines entgeltlichen, privatrechtlichen Vertrages abhängig zu machen.35 Nach den verbindlichen Rahmenvorschriften der §§ 7 und 8 WHG können Sondernutzungsrechte nur aufgrund eines öffentlich-rechtlichen Aktes, der „Erlaubnis" oder der „Bewilligung" des Trägers der Gewässerhoheit, begründet werden.36 c) Die Vorteile des dualistischen Systems Die dualistische Rechtskonstruktion bietet den praktischen Vorteil, die nicht so seltenen Fälle einer Divergenz zwischen Eigentumsträgerschaft und öffentlich-rechtlicher Sachherrschaft angemessen zu lösen. Für den Bereich der öffentlichen Wege und Straßen sind die geltenden Gesetze
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Vgl § 23 I StrWG NW, Art 23 I BayStrWG sowie unten § 6 III. Bretter, Öffentliches und privates Wasserrecht, Rn 65; Salzwedel, DÖV 1963, 244. -" Näher dazu unten § 2 I 2 d. 34 Dazu Salzwedel, in: Erichsen (Hrsg), Allgemeines VerwR, § 44 Rn 7ff. S aber Art 4 II 3 BayWG, wonach dem privaten Gewässereigentümer grds ein Anspruch auf Entgelt zusteht, vgl dazu Zeitler, in: Sieder/Zeitler/Dahme/Knopp, Bayerisches Wassergesetz, Art 4 Rn 64 ff. 35 Salzwedel, DÖV 1963, 244; anders bei einem erheblichen dauernden Eingriff in das Gewässerbett, Salzwedel, in: Erichsen (Hrsg), Allgemeines VerwR, § 44 RnlO. 36 Einzelheiten unter $ 6 II 3. 12
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Begriff und Wesen der öffentlichen Sachen
zwar bestrebt, das Eigentum und die Funktionen der öffentlich-rechtlichen Wegehoheit in einer Rechtsperson zu vereinigen.37 Dennoch sind öffentliche Straßen und Wege, die im Eigentum von Zivilpersonen stehen, keine so seltene Erscheinung. Bei der Anlage von Wegeprovisorien aus Anlaß großer Straßenbau- oder sonstiger Vorhaben beispielsweise ist diese Lösung häufig unausweichlich.38 Die Möglichkeit der Divergenz ist aber vor allem bei den öffentlichen Sachen gegeben, die dem (internen) Verwaltungsgebrauch oder der „anstaltlichen" Nutzung durch Zivilpersonen zu dienen bestimmt sind. Dienststellen der öffentlichen Verwaltung ebenso wie staatliche oder kommunale Einrichtungen sind nicht selten auf gemieteten Grundstükken oder in gemieteten Räumen untergebracht. Die Annahme eines „Doppelstatus" ist bei diesen öffentlichen Sachen unvermeidbar. Es ist deshalb auch kein Zufall, daß die gesetzliche Einführung „öffentlichen Eigentums" sich bisher nur auf einen Teilbereich der öffentlichen Sachen erstreckt: Erfaßt vom öffentlichen Eigentum sind im wesentlichen Sachen im Gemeingebrauch, an denen der öffentliche Sachherr überdies (privatrechtliches) Eigentum erlangt haben muß. Die Annahme eines „modifizierten Privateigentums" hat also den praktischen Vorteil, den Rechtsstatus aller öffentlichen Sachen im Grundsatz einheitlich bestimmen zu können.
6. Öffentlich-rechtlicher Sonderstatus ohne „Dinglichkeit" Das Verhältnis von „Sachen-" und „ An sta Its recht" a) Die „öffentliche Einrichtung" als Sache Bei einer ganzen Reihe öffentlichen Zwecken unmittelbar dienender Sachen ist die Existenz eines dinglich-öffentlichen Rechts, also einer sachenrechtlichen Sonderstellung überhaupt, zweifelhaft. Dies gilt vornehmlich für diejenigen Sachen, die im Rahmen von Anstaltsnutzungsverhältnissen, beispielsweise zu Zwecken der daseinsvorsorgenden Leistungsverwaltung, dem Bürger zugänglich sind. Das Verhältnis des öffentlichen Anstaltsrechts zum Recht der öffentlichen Sachen kann noch immer nicht als geklärt angesehen werden.39 Die Schwierigkeiten, beide Rechts-
'7 Kodal/Krämer, Kap. 7 Rn 10.2; §61 FStrG normiert einen gesetzlichen Eigentumsübergang beim Wechsel der Straßenbaulast. ·'« Vgl auch W. Weber, in: WDStRL 21 (1962) 171. 39 Vgl dazu Salzwedel, in: Erichsen (Hrsg), Allgemeines VerwR 40 Rn l ff; vgl auch Kodal/Krämer, Kap. 5 Rn l ff.
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Systeme in ein richtiges Bezugssystem zu bringen, folgen nicht aus dem öffentlichen Sachbegriff. Denn so wenig es im Privatrecht Mühe bereitet, das „Unternehmen", das „Handelsgeschäft" oder den „eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb" als einheitliches Rechts- und Vermögensobjekt zu verstehen, so wenig ist es ausgeschlossen, die Zusammenfassung persönlicher und sächlicher Verwaltungsmittel in einer öffentlichen Einrichtung oder Anstalt als Gegenstand eines verwaltungsrechtlichen Sonderrechts, also als einheitliche „öffentliche Sache" zu sehen. b) Das (Anstalts-)Benutzungsverhältnis Schwierigkeiten entstehen aber dadurch, daß die Nutzung öffentlicher Einrichtungen und sonstiger anstaltlich gebundener öffentlicher Sachen durch den Bürger nicht aufgrund eines unmittelbaren, dh dinglichen Rechts an der Sache, sondern erst nach Begründung und nach Maßgabe eines öffentlich- oder privatrechtlichen Benutzungsverhältnisses erfolgt.40 Dieses Benutzungsverhältnis ist, soweit es dem öffentlichen Recht angehört, regelmäßig kein vertraglich begründetes Rechtsverhältnis. Es entsteht überwiegend durch Verwaltungsakt, nämlich durch ausdrückliche oder konkludent erklärte Zulassung zur Anstaltsnutzung.41 Damit entstehen keine dinglichen oder Sachenrechte des Benutzers, sondern verwaltungsschuldrechtliche Sonderverbindungen des öffentlichen Rechts. Selbst wenn - wie bei den kommunalen Einrichtungen zugunsten der Gemeindeeinwohner (s. § 18 II GO NW) - ein Zulassungsanspruch besteht, kann von einem unmittelbaren, d.h. dinglichen (Benutzungs-) Recht an der öffentlichen Sache keine Rede sein. Auch das kommunalrechtliche Benutzungsrecht ist nur ein relatives öffentliches Recht auf Begründung einer verwaltungsschuldrechtlichen Sonderverbindung oder auf Abschluß eines bürgerlich-rechtlichen Benutzungsvertrages.42 c) Zusammentreffen von Anstalts- und Sachenrecht Für die hL4i kann der öffentlich-rechtliche Sonderstatus nur in der Existenz eines dinglich-öffentlichen Rechts an der Sache erblickt werden. Ohne diese sachenrechtliche Sonderstellung soll eine „öffentliche Sache"
40
Salzwede^ in: Erichsen (Hrsg), Allgemeines VerwR, § 40 Rn 1. Wolff/Bachof, VerwR I, 9. Aufl 1974, 55 III b; Papier, in: Berg/Knemeyer/ Papier/Steiner (Hrsg), Teü G, Rn 11. ·« OVG Münster, NJW 1969, 1077; OVG Lüneburg, NJW 1977, 450 f. 41 Wolff/Bachof, VerwR I, 9. Aufl 1974, § 57; Forsthoff, VerwR, 376ff; Salzwedel, in: Erichsen (Hrsg), Allgemeines VerwR, § 40 Rn 2f, § 45 Rn l ff. 41
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auch dann nicht vorliegen, wenn ihre Benutzung aufgrund und im Rahmen eines öffentlich-rechtlichen Benutzungsverhältnisses verwaltungsschuldrechtlicher Art erfolgt. Um dennoch die „anstaltlich genutzten" Sachen den „öffentlichen Sachen" zuordnen zu können, wird von der hL zusätzlich zum Benutzungsverhältnis und unabhängig von seiner Rechtsnatur eine öffentlich-rechtliche, dingliche Sachherrschaft des Anstalts- oder Unternehmensträgers an den zur Einrichtung gehörenden beweglichen und unbeweglichen Sachen angenommen. Die Gemengelage zwischen öffentlichem Sachen- und Anstaltsrecht stellt sich nach hL44 also wie folgt dar: Wird die öffentliche Anstalt oder Einrichtung von einem öffentlich-rechtlichen (Unternehmens-)Träger verwaltet, kann das Benutzungsverhältnis nach seiner Wahl entweder privatrechtlich oder öffentlich-rechtlich ausgestaltet sein. Aber diese Wahl zwischen öffentlich-rechtlicher oder privatrechtlicher Nutzungsordnung soll keinen Einfluß darauf haben, ob die dem Unternehmen zugehörigen Gegenstände den Status einer öffentlichen Sache haben oder nicht. Diesen erlangen sie nur, wenn neben der Einbeziehung in ein schuldrechtliches Benutzungsverhältnis eine sachenrechtliche Dienstbarkeit öffentlich-rechtlicher Art zugunsten des Unternehmensträgers, lastend auf dem Privateigentum, begründet worden ist. Dies erfordert eine Widmung, die zwar einen objektiv nachweisbaren Willensakt des öffentlichen Sachherrn voraussetzt, die aber auf jeden Fall bei denjenigen beweglichen und unbeweglichen Sachen vermutet werden soll, die unmittelbar zum Unternehmen gehören und seine Funktionsfähigkeit bedingen.45 d) Dingliche Rechtsmacht als unzulässige Fiktion Es ist theoretisch nicht ausgeschlossen, den sachenrechtlichen Status unterschiedlich zu bestimmen und ihn bei „anstaltlich" oder gar verwaltungsintern genutzten Sachen auf eine dingliche Sachherrschaft allein des Verwaltungsträgers zu beschränken, so daß Dritte - anders als beim Gemeingebrauch - nur aufgrund einer besonderen Zulassung und im Rahmen eines schuldrechtlichen Benutzungsverhältnisses daran partizipieren können. Es erscheint indes zweifelhaft, bei den im Rahmen anstaltlicher Benutzungsverhältnisse genutzten Sachen stets eine Belastung mit einer sachenrechtlichen Dienstbarkeit zu unterstellen. Im
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S zB Salzwedel, in: Erichsen (Hrsg), Allgemeines VerwR, § 45 Rn 3. « Wolff/Bachof, VerwR 1,9. Aufl 1974, $ 56II e 3; Salzwedel, in: Erichsen (Hrsg), Allgemeines VerwR, § 45 Rn 6.
Der öffentlich-rechtliche Status
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Privatrecht ist der Kreis der Sachenrechte gesetzlich abschließend bestimmt. Entsprechendes gilt für den Inhalt der einzelnen Rechte. Arten und Inhalt subjektivdinglicher Rechte unterliegen also selbst im Bürgerlichen Recht nicht der privatautonomen Bestimmung.46 Entsprechendes gilt - erst recht - im öffentlichen Recht. Dingliche Rechte einschließlich öffentlich-rechtlicher Dienstbarkeiten als Belastungen des Privateigentums können nur durch Gesetz oder aufgrund Gesetzes entstehen. Eine solche Grundlage für eine öffentlich-dingliche Sachherrschaft findet sich beispielsweise im öffentlichen Wege- und Wasserrecht. Dagegen ist es den Verwaltungsträgern nicht möglich, beliebig, ohne gesetzliche Grundlage, an den von ihnen für interne Zwecke genutzten oder Dritten im Rahmen eines Benutzungsverhältnisses zur Verfügung gestellten Sachen dingliche, das Privateigentum belastende oder modifizierende Sachherrschaften mit einem nach eigenem Ermessen bestimmten Inhalt zu begründen. Die Eindeutigkeit dieses Ergebnisses ist besonders augenfällig, wenn die Verwaltungseinrichtung mit beweglichen oder unbeweglichen Gegenständen betrieben wird, die von Zivilpersonen als Eigentümern gemietet oder gepachtet sind. Der Verwaltungsträger leitet dann sein Besitz- oder Nutzungsrecht allein aus einem privatrechtlichen Vertrag mit dem Eigentümer her. Wird dieser Vertrag wirksam gekündigt, muß der Verwaltungsträger die Sache kraft Privatrechts herausgeben, ohne sich auf eine öffentlich-rechtliche Sachherrschaft berufen zu können.47 Hier zusätzlich und unabhängig vom privatrechtlichen Besitz- und Nutzungsrecht eine öffentlich-rechtliche Sachherrschaft kraft Widmung anzunehmen, erweist sich nicht nur als lebensfremde Fiktion, diese Konstruktion kollidiert überdies mit dem „sachenrechtlichen Gesetzmäßigkeitsprinzip". Das gestattet eine „gesetzesfreie", administrative Begründung dinglicher Rechte des öffentlichen Rechts nicht, auch dann nicht, wenn und soweit ein Besitzrecht des Verwaltungsträgers aufgrund privatrechtlichen Titels besteht. Aus den gleichen Gründen kann von einem öffentlich-rechtlichen Träger nicht unter Berufung auf eine öffentlich-rechtliche Sachherrschaft kraft Widmung die Herausgabe einer Sache im früheren Verwaltungsgebrauch verlangt werden, an der ein Dritter gutgläubig Eigentum erwor-
46 47
Palandt/Bassenge, Bürgerliches Gesetzbuch, 56. Aufl 1997, Einl vor § 854 BGB,Rn3. AA wohl die hL: Wolff/Bachof, VerwR I, 9. Aufl 1974, § 56 V a; Salzwedel, in: Erichsen (Hrsg), Allgemeines VerwR, 42 Rn 5.
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ben hat („Hamburger Siegelstempel").48 Ein solcher Eigentumseingriff, der in der öffentlich-rechtlichen Herausgabepflicht kraft Widmung läge, bedürfte der gesetzlichen Grundlage. Daran fehlt es beim Verwaltungsgebrauch ebenso wie beim Anstaltsgebrauch. e) Der „schuldrechtliche" Sonderstatus Es ist andererseits nicht einzusehen, weshalb der für „öffentliche Sachen" charakteristische Sonderrechtsstatus nur dann bestehen soll, wenn die öffentlich-rechtliche Nutzung in den Formen oder auf der Grundlage dinglicher Rechtspositionen erfolgt. Eine besondere, sie von den übrigen Gegenständen abhebende Rechtsstellung und einen nicht oder nicht nur von der Privatrechtsordnung bestimmten Rechtsstatus haben Sachen immer dann, wenn die Rechtsbeziehungen zu den Benutzem durch Rechtssätze des öffentlichen Rechts geregelt sind. Die öffentlich-rechtliche Natur des Benutzungsverhältnisses muß entscheidendes und ausreichendes Charakteristikum des Sonderstatus öffentlicher Sachen sein, egal, ob diese öffentlich-rechtliche Nutzungsordnung- in der grundsätzlichen Unterscheidung des Zivilrechts gesprochen- eine sachenrechtliche oder schuldrechtliche ist. Dieses Ergebnis macht deutlich, daß die „anstaltlich" genutzten Sachen ebenso wie die Sachen im Verwaltungsgebrauch zu den „öffentlichen Sachen" gehören, weil und soweit sie einer öffentlichrechtlichen Nutzungsordnung unterliegen. Das „Recht der öffentlichen Sachen" ist nicht begrenzt auf Normenkomplexe, die subjektiv-öffentliche Sachenrechte regeln.
4S
OVG NW, NJW 1993, 2635 ff; s auch Axer, NWVBl 1992, 11 ff; Manssen, JuS 1992, 745 ff; Ehlers, NWVBl 1993, 327ff, vgl auch unten § 4 1.
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§ 2 Die Arten der öffentlichen Sachen Forsthoff, Lehrbuch des Verwaltungsrechts, Bd I, AT, 10. Aufl 1973, 376f; Papier, Jura 1979, 95 ff; ders, in: B erg/Knemeyer/Papier/Steiner (Hrsg), Staats- und Verwaltungsrecht in Bayern, 6. Aufl 1996, Teil G Rn 9ff; Pappermann, JuS 1979, 794 ff; Pappermann/Löhr/Andriske, Recht der öffentlichen Sachen, 1987, 5 ff; Salzwedel, in: Erichsen (Hrsg), Allgemeines Verwaltungsrecht, 10. Aufl 1995, § 43 Rn 1; Wolff/Bachof, Verwaltungsrecht, Bd I, 9. Aufl 1974, § 55 III.
Unter der Voraussetzung, daß der Sachgebrauch selbst und nicht nur eine mögliche Ertragserwirtschaftung öffentliche Zwecke verfolgt, ist die für „öffentliche Sachen" charakteristische direkte Gemeinwohlfunktion vorhanden.1 Diese kann im einzelnen aber sehr unterschiedlichen Inhalts sein, was zu der herkömmlichen Unterscheidung öffentlicher Sachen in Sachen im Gemeingebrauch, im Sondergebrauch, im Anstaltsgebrauch sowie im Verwaltungsgebrauch geführt hat. Während die öffentlichen Sachen im Gemein-, Sonder- und Anstaltsgebrauch der Benutzung durch Zivilpersonen, also einer externen Nutzung dienen, heben sich die Sachen im Verwaltungsgebrauch von dieser ersten Gruppe durch die Bestimmung zur internen Nutzung seitens der Bediensteten öffentlicher Verwaltungen ab.
I.
Öffentliche Sachen im Zivilgebrauch
Berechtigungen von Zivilpersonen, öffentliche Sachen zu nutzen, können entweder ohne vorgeschaltete Zulassung eingeräumt sein oder nur kraft besonderer - ausdrücklicher oder stillschweigender - Zulassung des Trägers öffentlicher Sachherrschaft bestehen. Zur ersten Gruppe gehören die Sachen im Gemeingebrauch, zur zweiten die Sachen im Sonder- und Anstaltsgebrauch.2
1. Sachen im Gemeingebrauch An einer Sache besteht Gemeingebrauch, wenn sie kraft Hoheitsakts Widmung durch normativen oder administrativen Rechtsakt - einer unbeschränkten Öffentlichkeit unmittelbar und ohne besondere Zulassung
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Wolff/Bachof, VerwR 1,9. Aufl 1974, § 55 II; Papier, in: Berg/Knemeyer/Papier/ Steiner (Hrsg), Teü G, Rn 1. Papier, in: Berg/Knemeyer/Papier/Steiner (Hrsg), Teil G, Rn 9.
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Die Arten der öffentlichen Sachen
zur bestimmungsgemäßen Benutzung zur Verfügung steht.3 Der dem allgemeinen Verwaltungsrecht angehörende Begriff des Gemeingebrauchs besitzt keine eigene normative Geltungs- und Steuerungskraft. Er gilt nur solange und mit dem Inhalt, wie ihn die besonderen Verwaltungsgesetze des Bundes und der Länder verwenden. Aufgrund der in der Bundesrepublik gültigen Rechtsordnung besteht Gemeingebrauch als nach der Zweckbestimmung regelmäßige Nutzungsart nur an den öffentlichen Straßen, an den Gewässern als Verkehrswege sowie am hohen Luftraum, soweit man diesen mit der hM4 überhaupt dem Sachbegriff zuordnet. a) Die öffentlichen Straßen aa) Einteilung und gesetzliche Regelung Öffentliche Straßen iS des geltenden Straßenrechts sind diejenigen Straßen, Wege und Plätze, die dem öffentlichen Verkehr gewidmet sind. Nach der geltenden Gesetzeslage werden die öffentlichen Straßen gemäß ihrer Verkehrsbedeutung unterteilt in: • Bundesfernstraßen (Bundesautobahnen und Bundesstraßen mit den Ortsdurchfahrten, s § l FStrG), • Landstraßen I. Ordnung = Landstraßen, Staatsstraßen • Landstraßen II. Ordnung = Kreisstraßen • Gemeindestraßen und • sonstige öffentliche Straßen (Art 3 I BayStrWG; 53 I StrWG NW); Berlin und Hamburg kennen diese Einteilung nicht, in Bremen ist sie mit den Straßengruppen A, B und C modifiziert (s § 3 I BrStrWG). Das Straßenrecht ist entsprechend der verfassungsrechtlichen Kompetenzaufteilung teils bundesrechtlich, teils landesrechtlich geregelt. In Ausübung seines Rechts zur konkurrierenden Gesetzgebung für den Bereich ,3au und Unterhaltung der Landstraßen des Femverkehrs" (Art 741 Nr 22 G G) hat der Bund das Bundesfemstraßengesetz (FStrG) - in der Fassung der Bekanntmachung vom 19. April 1994, BGBII 854 - sowie das Gesetz über die vermögensrechtlichen Verhältnisse der Bundesautobahnen und sonstigen Bundesstraßen des Fernverkehrs erlassen (vom 2. März 1951, BGBI, 157; Bestimmungen hinsichtlich des Eigentums enthält auch Art 2 des Gesetzes zur Änderung des BFemStrG vom 10. Juli 1961, BGBI, 877). Diese Gesetze regeln die Rechtsverhältnisse an den
3 Wolff/Bachof, 9. Aufl 1974, VerwR I, S 58 II a; Papier, in: Berg/Knemeyer/ Papier/Steiner (Hrsg), Teil G, Rn 13 vgl auch Rn 96. 4 Wolff/Bachof, 9. Aufl 1974, VerwR I, § 55 II b.
öffentliche Sachen im Zivilgebrauch
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Bundesautobahnen und den Bundesstraßen einschließlich der Ortsdurchfahrten. Die Landesstraßengesetze erfassen die Landstraßen der I. und II. Ordnung, die Gemeindestraßen und die sonstigen öffentlichen Straßen. Für die Gemeindestraßen, die als sog „Ortsstraßen" innerhalb von Baugebieten oder innerhalb eines im Zusammenhang bebauten Ortsteils liegen und als „Erschließungsanlagen" anzusehen sind, gilt aber die Bundeskompetenz für das gemeindliche Erschließungsrecht aus Art 74 I Nr 18 GG.5 Die bundesgesetzliche Sonderregelung für diesen speziellen Bereich der Gemeindestraßen findet sich in den §§ 123ffBauGB. bb) Die verschiedenen Nutzungsrechte (Übersicht) Der Gemeingebrauch an öffentlichen Straßen wird in 7 I l FStrG und in den damit inhaltlich übereinstimmenden Normen der meisten Landesgesetze (s 14 I l NdsStrG; Art 14 I l BayStrWG) als Gebrauch bezeichnet, der jedermann im Rahmen der Widmung und der verkehrsrechtlichen Vorschriften zum Verkehr gestattet ist. Die Verkehrsfunktion der öffentlichen Straße wird in § 7 I 3 FStrG mit den Worten ausdrücklich wiederholt, Gemeingebrauch liege nicht vor, wenn jemand die Straße nicht vorwiegend zum Verkehr, sondern zu anderen Zwecken benutzt. Das StrWG NW umschreibt ausschließlich mit jener Klausel die Ausrichtung auf den Verkehrszweck (§ 14 III). Trotz dieser gesetzlichen Begrenzung des Gemeingebrauchs an öffentlichen Straßen auf die Nutzung zum Verkehr, also auf die beabsichtigte Ortsveränderung, ist die Straße ein „öffentlich-rechtliches Mehrzweckinstitut".6 Neben dem (schlichten) Gemeingebrauch gibt es nämlich den Anliegergebrauch, die Sondemutzung kraft öffentlich-rechtlicher Erlaubnis sowie die Benutzung aufgrund privatrechtlichen (Gestattungs-) Vertrages. Der Anlieger einer öffentlichen Straße ist auf den Gemeingebrauch an ihr in einer gesteigenen Weise angewiesen. Eine ausschließliche Nutzung der Straße zum Verkehr in dem engen Sinne des Straßenverkehrs kann der verfassungsrechtlich garantierten (Art 14 I l G G) Kontaktmöglichkeit des Anliegers nach „außen"7 nicht genügen. Aus der Eigentumsgarantie folgt daher unmittelbar ein Recht des Straßenanliegers, die BVerfGE 3, 407ff. Köttgen, Gemeindliche Daseinsvorsorge und gewerbliche Unternehmerinitiative, 1961, 28, 34; W. Weber, WDStRL 21 (1962) 153; Mussgnug, in: Ein Vierteljahrhundert Straßenrechtsgesetzgebung, 81 ff. BVerwGE 30, 235, 239.
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öffentliche Straße über die jedem Dritten eröffnete Möglichkeit der Verkehrsbenutzung hinaus in dem Maße in Anspruch zu nehmen, wie es eine angemessene Nutzung seines Anliegergrundstücks und/oder Gewerbebetriebes erfordert.8 Das StrWG NW hat den Anliegergebrauch auch ausdrücklich geregelt. Nach § 14a I StrWG NW dürfen Straßenanlieger innerhalb der geschlossenen Ortslage die an ihre Grundstücke grenzenden Straßenteile über den Gemeingebrauch hinaus auch für Zwecke der Grundstücke benutzen, soweit diese Benutzung zur Nutzung des Grundstücks erforderlich ist, den Gemeingebrauch nicht dauernd ausschließt oder erheblich beeinträchtigt oder in den Straßenkörper eingreift.9 Die Straßengesetze des Bundes und der Länder berücksichtigen die Tatsache, daß Zivilpersonen nicht selten ein berechtigtes Interesse daran haben, die öffentliche Straße über den Gemein- und Anliegergebrauch hinaus zu nutzen, auf zweierlei Weise:10 Durch verwaltungsrechtliche Erlaubnis des zuständigen Trägers der öffentlich-rechtlichen Sachherrschaft kann die Nutzung der Straße über den Gemein- und Anliegergebrauch hinaus (Sondernutzung) zeitlich befristet oder widerruflich und regelmäßig benutzungsgebührenpflichtig gestattet werden (vgl §5 8 I/II FStrG; 18 I/II StrWG NW; Art 18 I/II BayStrWG). Das Interesse von Zivilpersonen an einer andauernden, nicht selten erhebliche Investitionen bedingenden und meist in die Sachsubstanz eingreifenden Sondernutzung kann nach dem geltenden Straßenrecht nur über einen bürgerlich-rechtlichen Gestattungsvertmg und nur unter der Voraussetzung befriedigt werden, daß diese Nutzung den Gemeingebrauch nicht beeinträchtigt. Eine nur kurzfristige Beeinträchtigung zum Zwecke der öffentlichen Versorgung bleibt aber dabei unberücksichtigt (vgl § 8 X FStrG, § 23 StrWG NW; Art 22 BayStrWG). b) Die öffentlichen Gewässer aa) Gesetzliche Grundlagen Öffentliche Sachen im Gemeingebrauch sind auch die Gewässer in ihrer Eigenschaft als Wasserwege.^ Die schiffbaren Gewässer sind nach dem Gesetz in doppelter Hinsicht öffentlichen Zwecken gewidmet: Nämlich
* Papier, in: Berg/Knemeyer/Papier/Steiner (Hrsg), Teil G, Rn 117. Zu den anderen landesrechtlichen Regelungen des Anliegergebrauchs vgl unten § 4 III. 3. 1(1 Papier, in: Berg/Knemeyer/Papier/Steiner (Hrsg), Teil G, Rn 120. 11 Salzwedel, in: Erichsen (Hrsg), Allgemeines VerwR, $ 43 Rn 1. 9
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zu verkehrlichen als auch zu wasserwirtschaftlichen Zwecken.12 Gemäß Art 75 I Nr 4 G G besitzt der Bund eine Rahmengesetzgebungskompetenz für den Bereich „Wasserhaushalt", der auch häufig als „Wasserwirtschaft"1' bezeichnet wird. Er umfaßt die rechtlichen Regeln über die „haushälterische Bewirtschaftung des in der Natur vorhandenen Wassers nach Menge und Güte".14 Durch das Wasserhaushaltsgesetz (WHG) hat der Bund von seiner Rahmengesetzgebungskompetenz Gebrauch gemacht, die Ausführungsvorschriften der Länder bezüglich der wasserwirtschaftlichen Nutzung der Gewässer finden sich in den Landeswassergesetzen. Für das Wasserwegerecht sind die Gesetzgebungszuständigkeiten anders geregelt. Nach Art 74 I Nr 21 G G besitzt der Bund das Recht zur konkurrierenden Gesetzgebung für „Seewasserstraßen und die dem allgemeinen Verkehr dienenden Binnenwasserstraßen". Aus der Gegenüberstellung dieses Kompetenztitels und der Zuständigkeit für den Bereich des „Wasserhaushalts" (Art 75 I Nr 4 G G) ergibt sich, daß auf Art 74 I Nr 21 G G nur Regelungen gestützt werden können, die die Verkehrsfunktion der Wasserstraßen betreffen.15 Die Zuständigkeit für den Wasserhaushalt richtet sich ausschließlich nach Art 751 Nr 4,70 G G, auch soweit es um Gewässer iS des Art 74 I Nr 21 G G geht. Von seiner Kompetenz aus Art 741 Nr 21 G G hat der Bund durch das WaStrG Gebrauch gemacht. Es betrifft die „Seewasserstraßen und die Binnenwasserstraßen des Bundes, die dem allgemeinen Verkehr dienen" (§ 11 Nr l und 2 WaStrG). Für die übrigen schiffbaren Gewässer hat der Bund keine wasserwegerechtlichen Vorschriften erlassen, so daß insoweit die Länder zuständig sind (vgl Art 721,741 Nr 21 GG). Die Länder haben keine besonderen wasserstraßenrechtlichen Gesetze erlassen, sondern das Wasserwegerecht in ihre primär den Wasserhaushalt betreffenden (Landes-)Wassergesetze aufgenommen (zB §§ 33,37 LWG NW). bb) Wasserwegerechtliche und wasserwirtschaftliche Nutzungsrechte Gemäß §§ 5, 6 WaStrG darf jedermann die Bundeswasserstraßen im Rahmen der Vorschriften des Schiffahrtsrechts mit Wasserfahrzeugen befahren. Für die übrigen schiffbaren Gewässer enthalten die Landeswassergesetze entsprechende Gemeingebrauchsvorschriften. Nach § 37 I
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Salzwedel, in: Erichsen (Hrsg), Allgemeines VerwR, 44 Rn Iff. ' Breuer, Öffentliches und privates Wasserrecht, Rn 2. '·» BVerfGE 15, l (15). h " BVerfGE 15, 1; Breuer, Öffentliches und privates Wasserrecht, Rn 3. 1
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LWG NW darf jedermann die schiffbaren Gewässer zur Schiff- und Flußfahrt benutzen. Darüber hinaus dürfen alle natürlichen oberirdischen Gewässer mit kleinen Fahrzeugen ohne eigene Triebkraft von jedermann befahren werden (§ 33 I LWG NW). Das Befahren mit kleinen elektrisch angetriebenen Motorbooten kann durch die obere Wasserbehörde zusätzlich als Gemeingebrauch zugelassen werden (§ 33 II LWG NW). Die hL zählt die Gewässer generell, also auch soweit es um die wasserwirtschaftlichen Benutzungen geht, zu den öffentlichen Sachen im Gemeingebrauch.16 Dabei wird aber übersehen, daß nach dem WH G und nach den dessen Rahmenvorschriften ausfüllenden Landeswassergesetzen alle wesentlichen Benutzungen der öffentlichen Gewässer wasserwirtschaftlicher Art nicht im Gemeingebrauch stehen, sondern nur als öffentlich-rechtliche Sondernutzungen zulässig sind. Der Gemeingebrauch wasserwirtschaftlicher Art ist nach den genannten Gesetzen auf recht unbedeutende Randbereiche zurückgedrängt.17 Er ist zunächst durch § 23 WH G allein auf die „oberirdischen Gewässer" beschränkt, die anderen Gewässergruppen des WHG („Küstengewässer", „Grundwasser") sind von vornherein ausgeklammert. Aufgrund der Ermächtigung des § 23 WHG haben die Landes Wassergesetze den Gemeingebrauch überdies in sachlicher Hinsicht erheblich eingeschränkt. Er bezieht sich auf traditionelle, heute weniger bedeutsame Nutzungen wie das Baden, Waschen, Schöpfen mit Handgefäßen, Viehtränken, Schwemmen und den Eissport.IX Die eigentlichen Einwirkungen auf den Wasserhaushalt wie das Entnehmen oder Ableiten von Wasser, das Entnehmen fester Stoffe aus Gewässern, das Einbringen und Einleiten von Stoffen in die Gewässer sind nach geltendem Wasserrecht „bewirtschaftet". Sie sind gerade nicht jedermann ohne besondere Zulassung gestattet, so daß es überholt ist, die Gewässer in wasserhaushaltsrechtlicher Sicht noch als „Sachen im Gemeingebrauch" zu bezeichnen.19
"· BVerwGE 32, 299 (302f.); Wolff/Bachof, VerwR I, 9. Auf! 1974, § 55 III b 2; Forsthoff, VerwRI, 389 f. r Breuer, Öffentliches und privates Wasserrecht, Rn 66. " S § 33 I LWG NW, Art 21 BayWG; vgl auch BayVGH, DVBl 1980, 496 Nr 172 = ZfW 1980, 243. 14 Ebenso Salzwedel, in: Erichsen (Hrsg), Allgemeines VerwR, § 44 Rn Iff; Papier, in: Berg/Knemeyer/Papier/Steiner (Hrsg), Teil G, Rn 12.
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c) Der Luftraum Nach hM2() ist auch der Luftraum eine öffentliche Sache im Gemeingebrauch. Die Widmung zum Gemeingebrauch wird unmittelbar dem Gesetz entnommen: Nach $ l I LuftVG ist die Benutzung des Luftraums durch Luftfahrzeuge frei, soweit sie nicht durch das LuftVG selbst, durch das Gesetz über die Bundesanstalt für Flugsicherung sowie die zur Durchführung dieser Gesetze ergangenen Rechtsverordnungen beschränkt ist.21 Da der hohe Luftraum überhaupt nicht Gegenstand der allgemeinen, sachenrechtlichen Privatrechtsordnung sein kann, ist seine Zuordnung zu einem diesen allgemeinen Status verdrängenden Sonderrechtsstatus als „öffentliche Sache" aber sinn- oder ertraglos.22 Der hohe Luftraum ist daher nicht Gegenstand der nachfolgenden Ausführungen.
2. öffentliche Sachen im Sondergebrauch a) Die wasserwirtschaftliche Benutzung Die Benutzung der Gewässer zu wasserwirtschaftlichen Zwecken ist grundsätzlich nur dem gestattet, dem der Träger der Gewässerhoheit (öffentlicher Sachherr) die Benutzung durch begünstigenden Verwaltungsakt gestattet hat. Nach § 2 1 WHG bedarf jede Benutzung oberirdischer Gewässer, der Küstengewässer und des Grundwassers (s 11 WHG) der behördlichen Erlaubnis ($ 7 WHG) oder der Bewilligung ($ 8 WHG). „Benutzungen" iS dieser Vorschriften sind insbesondere das Entnehmen und Ableiten von Wasser aus oberirdischen Gewässern, das Aufstauen und Absenken oberirdischer Gewässer, das Entnehmen fester Stoffe aus oberirdischen Gewässern, das Einbringen und Einleiten von Stoffen in oberirdische Gewässer, Küstengewässer und in das Grundwasser sowie das Entnehmen, Zutagefördern, Zutageleiten und Ableiten von Grundwasser (vgl §31 WHG). b) Erlaubnis und Bewilligung Erlaubniserteilung und Bewilligung stehen im Ermessen der Verwaltungsbehörde - ,3ewirtschaftungsermessen".23 Eine äußerste Grenze 20 21 22 23
Wolff/Bacbof, VerwR I, 9. Auf! 1974, $ 55 II b 1; w Nachw bei Papier, Jura 1979, 93. Vgl auch Wolff/Bachof, VerwR I, 9. Aufl 1974, S 56 II a. S oben § 11 sowie W. Weber, WDStrRL 21 (1962) 149. Breuer, Öffentliches und privates Wasserrecht, Rn 187.
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dieses „Bewirtschaftungsermessens" ergibt sich aus § 6 WHG, wonach Erlaubnis und Bewilligung nicht erteilt werden dürfen, wenn von der beabsichtigten Benutzung eine Beeinträchtigung des Wohls der Allgemeinheit, insbesondere eine Gefährdung der öffentlichen Wasserversorgung, zu erwarten ist. Außerdem darf eine Erlaubnis für das Einleiten von Abwasser nur erteilt werden, wenn Menge und Schädlichkeit des Abwassers so gering gehalten werden, wie dies bei Anwendung der jeweils in Betracht kommenden Verfahren nach den allgemein anerkannten Regeln der Technik möglich ist (§ 7a I WHG). Bei Einleitung gefährlicher Stoffe müssen die in allgemeinen Verwaltungsvorschriften niederzulegenden Anforderungen dem Stand der Technik entsprechen (§ 7a I S 3 WHG). Diese Vorschrift erzwingt- im Gegensatz zu 6 WHG - eine Emissionsbegrenzung unabhängig von dem Zustand des konkreten Gewässers. Während die Erlaubnis (§ 7 WHG) nur eine widerrufliche Benutzungsbefugnis gewährt, die überdies befristet werden kann und unbeschadet der Rechte Dritter ergeht, begründet die Bewilligung (§ 8 WHG) ein gesteigertes Nutzungsrecht. Ihr fehlt die Widerruflichkeit, ihre Rücknahme ist nur beschränkt zulässig (vgl §5 5, 12 I/II WHG), sie begründet eine grundsätzlich unentziehbare Rechtsposition auf Zeit (vgl § 8 V WHG). Die Bewilligung entfaltet außerdem eine Präklusionswirkung (§ 11 I WHG), die weitergeht als die in der vergleichbaren Regelung des § 14 BImSchG: Nach Eintritt der Bestandskraft des Bewilligungsbescheides sind nicht nur Unterlassungs- und Beseitigungsansprüche Dritter gegen den Benutzer, sondern auch Ansprüche auf Vornahme von Schutzvorkehrungen und auf Schadensersatz ausgeschlossen.24 Die meisten Landeswassergesetze erweitern die privatrechtsgestaltende Wirkung der Bewilligung noch durch Zuerkennung besonderer Abwehransprüche des Berechtigten gegen Dritte: So kann gern § 26 I LWG NW der Bewilligungsempfanger (Unternehmer) Abwehransprüche gegen private Störer in entsprechender Anwendung der privatrechtlichen Vorschriften über den Schutz des Eigentums, also vornehmlich des § 1004 B G B, geltend machen.25 Wegen des Regelungsvorbehalts in Art 65, 124 EGBGB ist den Ländern eine solche Regelung grundsätzlich gestattet.26 Soweit das Landesrecht keinen Schutz des Bewilligungsinhabers nach eigentums-
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Dazu Breuer, Öffentliches und privates Wasserrecht, Rn 87. Zu den unterschiedlichen landesrechtlichen Regelungen s Breuer, Öffentliches und privates Wasserrecht, Rn 75 6 ff. Vgl Breuer, Öffentliches und privates Wasserrecht, Rn 756; Czychowski, WHG, 7. Aufl 1998, S 8 Rn 8.
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rechtlichen Vorschriften anordnet (Baden-Württemberg, Bayern und Hamburg), kommt ein Schutz der Bewilligung als sonstiges Recht iS von § 823 IBGB in Betracht.27 Für bestimmte Benutzungsformen, insbesondere für das Einleiten von Abwasser, dürfen Bewilligungen nicht erteilt werden (S 8 II WHG). c) Wasserwirtschaftlicher Gemeingebrauch An den Gewässern als öffentliche Sachen im Sondergebrauch28 gibt es nach dem Gesetz in geringem Umfange auch Gemeingebrauch (§ 23 WHG, § 33 LWG NW, Art 21 BayWG). Aber die gemeingebräuchlichen Nutzungsmöglichkeiten sind - wie ausgeführt - für die öffentlich-rechtliche Zweckbestimmung, also die haushälterische Bewirtschaftung der Gewässer, nicht bestimmend. Der Gemeingebrauch liegt außerhalb dieser Zweckbestimmung, er steht in einem Ausnahmeverhältnis zu ihr. Der wasserhaushaltsrechtliche Gemeingebrauch ist daher mit dem straßenrechtlichen, der die öffentlichrechtliche Zweckbestimmung der Straße prägt, insoweit nicht vergleichbar. Beim wasserhaushaltsrechtlichen Gemeingebrauch handelt es sich der Sache nach eher um eine wegen Bagatellität erlaubnisfreie Sonderbenutzung.29 d) Das Gewässereigentum Auch an den Gewässern besteht - abgesehen von der Rechtslage in Baden-Württemberg - privatrechtliches Eigentum. Dieses erstreckt sich bei den oberirdischen Gewässern nicht nur auf das Gewässerbett, sondern auch auf die sich über dem Gewässerbett jeweils befindliche Wassersäule, die „fließende Welle".50 Nach Art 89 I GG ist der Bund Eigentümer der Bundeswasserstraßen. Die Gewässer der I. Ordnung stehen im Eigentum der Länder, die übrigen oberirdischen Gewässer stehen in der Regel im Eigentum des jeweiligen Ufergrundstückseigentümers (siehe beispielsweise §§ 4, 5 LWG NW; eine andere Regelung trifft § 4 LWG BaWü.). Das Grundwasser ist nicht Bestandteil des Grundeigentums31; demgemäß bestimmt § la III WHG, daß die Grundwassemutzung so-
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Str, wie hier Czychowski, WHG, 7. Aufl 1998, § 8 Rn 9; aA aber Breuer, Öffentliches und privates Wasserrecht, Rn 756 je mwNachw. Salzwedel, in: Erichsen (Hrsg), Allgemeines VerwR, 44 Rn l ff. Ebenso Salzwedel, in: Erichsen (Hrsg), Allgemeines VerwR, § 44 Rn Iff. Salzwedel, in: v. Münch (Hrsg), Besonderes VerwR, 8. Aufl, 747. S Art. 4 I BayWG; Salzwedel, in: v. Münch (Hrsg), Besonderes VerwR, 8. Aufl, 747.
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wie die anderen wasserwirtschaftlichen Nutzungen, die einer Erlaubnis oder Bewilligung bedürfen, nicht aus dem Grundeigentum folgen. Das BVerfG hat jene gesetzgeberischen Abspaltungen bestimmter Nutzungen vom Grundeigentum als Ausfluß einer Inhaltsbestimmung nach Art 14 I 2 G G für verfassungsrechtlich unbedenklich angesehen.32 Der Gewässereigentümer hat alle wasserwirtschaftlichen Benutzungen zu dulden, für die die erforderliche Erlaubnis oder Bewilligung erteilt ist oder die nach dem Gesetz als Gemein- oder Anliegergebrauch (vgl §S 23, 24 WHG) erlaubnisfreie Nutzungen sind. Dem Gewässereigentümer selbst steht die (erlaubnisfreie) Eigentümernutzung des § 24 WHG zur Verfügung. Diese folgt aber nicht aus dem privatrechtlichen Eigentum, sie gehört vielmehr in den Zusammenhang mit den erlaubnisfreien Gewässerbenutzungen bei Bagatellfallen, also dem Gemeinund Anliegergebrauch. Ist der Gewässereigentümer zugleich Eigentümer von Sachen, die zum Zwecke der Gewässerbenutzung mit in Anspruch genommen werden (müssen), beispielsweise eines Ufergrundstücks, so bezieht sich die öffentlich-rechtliche Duldungspflicht nicht auch auf diese Sachnutzungen. Diese bedürfen eines privatrechtlichen Gestattungsvertrages.33 Die Landeswassergesetze bestimmen zT zusätzlich, daß der Eigentümer die zulässigen Gewässerbenutzungen unentgeltlich zu dulden hat. Es ist zweifelhaft und umstritten, ob sich diese Pflicht zur unentgeltlichen Duldung auch auf Nutzungsformen erstreckt, die einen dauernden (Substanz-)Eingriff in das Gewässerbett, etwa durch Errichtung fester technischer Anlagen bedingen. Die hL bejaht dies, auch soweit die Landeswassergesetze, wie zB 13 LWG NW, die Unentgeltlichkeit auf die Gewässerbenutzung „als solche" begrenzen.34 Das privatrechtliche Eigentum am Gewässer wäre unter diesen Voraussetzungen ein völlig inhaltsloses Recht, was dann, wenn Eigentümer eine Zivilperson ist, verfassungsrechtliche Bedenken wegen Art 14 I l G G auslösen dürfte.35 Daher muß die Duldungspflicht des Eigentümers dann enden, wenn die Benutzung eine Inanspruchnahme des Gewässerbetts erfordert. In diesen Fällen kann der Eigentümer seine Nutzungsgestattung von der Zah-
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S BVerfGE 58, 300 - Naßauskiesung. -13 Salzwedel, in: Erichsen (Hrsg), Allgemeines VerwR, 44 Rn 8; ders, in: ZfW 1962, 80. 3 « Czyschowski, WHG, 7. Auf! 1998, Ein! VIII2. 35 Salzwedel, in: Erichsen (Hrsg), Allgemeines VerwR, § 44 Rn 9f; ders, in: von Münch (Hrsg), Besonderes VerwR, 788 f; ders, ZfW 1962, 80f; Einzelheiten unter § 6 I.
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lung eines Entgelts abhängig machen. Noch weitergehende Ansprüche des Eigentümers gewährt Art 4 II 3 BayWG.36
3. Öffentliche Sachen im „Anstaltsgebrauch" a) Der Anstaltsbegriff Eine weitere Gruppe von Sachen, die Zivilpersonen im Rahmen einer öffentlich-rechtlichen Nutzungsordnung zur Verfügung stehen und die deshalb einen öffentlich-rechtlichen Sonderstatus aufweisen, bilden die von der hL sogenannten „Sachen im Anstaltsgebrauch". Da darunter letztlich alle Sachen fallen, die von Zivilpersonen nach besonderer - oft stillschweigender- Zulassung benutzt werden dürfen, ist die Bezeichnung als „Anstaltsgebrauch" inkorrekt. Sie stützt sich auf einen weiten, von Otto Mayer geprägten, heute aber für Wissenschaft und Praxis als unbrauchbar erkannten Anstaltsbegriff. Danach wurde die Anstalt definiert als „Bestand von Mitteln, sächlichen und persönlichen, welche in der Hand eines Trägers öffentlicher Verwaltung einem besonderen öffentlichen Zweck dauernd zu dienen bestimmt sind".1'" Der Anstaltsbegriff hat für Wissenschaft und Praxis aber nur dann einen Wert, wenn er eine von der Körperschaft und Stiftung abhebende Organisationsform bezeichnet.ix Er setzt daher eine „rechtlich subjektivierte und institutionalisierte"19 Organisation voraus. „Öffentliche Anstalten" sind somit alle organisierten Subjekte öffentlicher Verwaltung, soweit diese keine Körperschaften oder Stiftungen sind. Rechtsfähigkeit ist nicht verlangt: Unter dem Begriff der „öffentlichen Anstalt" sind die rechtlich selbständigen Anstalten des öffentlichen Rechts und die organisatorisch verselbständigten Verwaltungseinheiten ohne Rechtspersönlichkeit zusammengefaßt.40 Nicht einbezogen sind daher „öffentliche Einrichtungen", die keine eigene Organisation erfordern oder aufweisen, sondern nur einen Sachinbegriff in der Hand eines Trägers öffentlicher Verwaltung darstellen (Bsp: Sportplatz, Schleuse, Park, Kanalisationsanlagen). Der Begriff der „öffentlichen Einrichtungen" iS des Kommunalrechts (§ 18 GO NW) ist also insofern weiter als der der öffentlichen „Anstalt". Keine öffentlichen i6
Vgl dazu Zeitler, in: Sieder/Zeitler/Dahme/Knopp, Bayerisches Wassergesetz, Art 4 Rn 64ff. r Otto Mayer, VerwR II, §5 51, 52. w Wolff/Bachof/Stober, VerwR II, § 98 I l e. " Wolff/Bachof/Stober, VerwR II, § 98 I l h. 40 Wolff/Bachof/Stober, VerwR II, § 98 I I h.
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Anstalten sind ferner die von juristischen Personen des Privatrechts betriebenen Unternehmen, auch soweit sie öffentlichen Zwecken dienen (Bsp: die Stadtwerke-AG). Auch insoweit kann aber eine „öffentliche Einrichtung" iS des Kommunalrechts vorliegen.41 Benutzungen öffentlicher Sachen kraft besonderen Zulassungsakts des öffentlichen Rechts gibt es unbestreitbar nicht nur im Rahmen einer verwaltungsrechtlich subjektivierten und institutionalisierten Organisation, sondern auch bei öffentlichen Sachen oder Sachinbegriffen ohne besondere Anstaltsorganisation, ferner im Rahmen einer körperschaftlichen Organisation und Mitgliedschaft sowie bei Sachträgerschaften durch öffentlich-rechtliche Stiftungen. Der Begriff „Anstaltsgebrauch" bezeichnet somit den zu erfassenden Bereich öffentlicher Sachen in unzulänglicher Weise: Es geht viel allgemeiner um die von Zivilpersonen nicht (schon) kraft dinglichen Rechts wie bei der Widmung zum Gemeingebrauch, sondern (erst) im Rahmen einer öffentlich-rechtlichen, relativen Benutzungsordnung, etwa aufgrund einer verwaltungsschuldrechtlichen Sonderverbindung nutzbaren Sachen oder Sachgesamtheiten. b) Die verschiedenen Organisationsformen Soweit die nur in der Sonderverbindung nutzbaren öffentlichen Sachen nicht von der allgemeinen Staats- oder Gemeindeadministration, sondern von selbständigen Organisationseinheiten verwaltet werden, sind mehrere (Organisations-)Rechtsformen denkbar und gebräuchlich: Das Muttergemeinwesen kann eine juristische Person des Privatrechts, insbesondere eine Kapitalgesellschaft (AG, GmbH), als Unternehmensträgerin gründen. Es besteht aber auch die Möglichkeit der Schaffung selbständiger Rechtspersonen des öffentlichen Rechts, etwa einer rechtsfähigen Anstalt. Verzichtet das Muttergemeinwesen auf einen Verwaltungsträger mit eigener Rechtssubjektivität, so bleibt die Möglichkeit des Regie- oder Eigenbetriebes, der zwar organisatorisch verselbständigt, aber nicht rechtsfähig ist.42 c) Organisationsform und Nutzungsstatut Von der Rechtsform der Organisation ist die Rechtsform der Nutzung zu unterscheiden. Ist eine privatrechtliche Untemehmensrechtsform gewählt, so kann das Benutzungsverhältnis grundsätzlich ebenfalls nur pri41 42
Wolff/Bachof/Stober,
VerwR II, 5 98 I l h.
Salzwedel, in: Erichsen (Hrsg), Allgemeines VerwR, §41 Rn 2 ff.
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vatrechtlicher Natur sein. Öffentlich-rechtliche Benutzungsverhältnisse können Trägergesellschaften des Privatrechts nur bei (rechtssatzmäßiger) Beleihung mit öffentlicher Gewalt begründen.43 Bei öffentlich-rechtlichen Organisationsformen besteht für den Träger der Anstalt oder Einrichtung nach hL ein Wahlrecht zwischen privatrechtlicher und öffentlich-rechtlicher Gestaltung der Nutzungsverhältnisse. Die prawörechtliche Nutzung kann fiskalisch-erwerbswirtschaftlicher Natur sein (zB Ratskeller, staatliche Brauerei, Forstbetrieb = Sachen im Finanzvermögen) oder dem Verwaltungsprivatrecht angehören, was insbesondere bei den Anstalten und Einrichtungen der öffentlichen Daseinsvorsorge der Fall ist. Öffentlich-rechtliche Benutzungsverhältnisse können sowohl durch verwaltungsrechtlichen Vertrag, durch Verwaltungsakt (ausdrückliche oder stillschweigende Zulassung) oder unmittelbar durch Rechtssatz (zB Satzung) plus tatsächliche Inanspruchnahme begründet werden.44 Ein Wahlrecht des Trägers scheidet allerdings dann aus, wenn gesetzliche Bestimmungen eine eindeutige Zuordnung vornehmen, wie zB im Schul- und Strafvollzugsrecht. d) „Öffentliche Einrichtungen" iS des Kommunalrechts Besondere Probleme entstehen bei der Nutzung „öffentlicher Einrichtungen" der Gemeinden, die diese zur wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Betreuung ihrer Einwohner geschaffen haben und den Gemeindebürgern zur Benutzung zur Verfügung stellen. Denn nach den Gemeindeordnungen der Länder (vgl § 18 II GO NW, Art 21 I BayGO) haben alle Gemeindeeinwohner einen kommunalrechtlichen, dh öffentlich-rechtlichen Anspruch auf Zulassung zur Benutzung der öffentlichen Einrichtungen ihrer Gemeinde im Rahmen des geltenden Rechts.45 Diese öffentlich-rechtlichen Ansprüche auf Zulassung beschränken nach hL weder die Wahlfreiheit im Organisationsstatut noch diejenige in der Gestaltung der Nutzungsverhältnisse. Auch im Anwendungsbereich der kommunalrechtlichen Zulassungsberechtigung kann es mit anderen Worten selbständige Unternehmensträger des Privatrechts (AG, GmbH)
45
44 45
Salzwedel, in: Erichsen (Hrsg), Allgemeines VerwR, 41 Rn 3 ff; s femer Pappermann/Löhr,]uS 1981, 117; Pappermann/Löhr/Andriske, Recht der öffentlichen Sachen, 1987, 130. Salzwedel in: Erichsen (Hrsg), Allgemeines VerwR, $ 41 Rn 2ff; Wolff/Bachof/ Stober, VerwR II, § 99 V. S dazu OVG Münster, NJW 1969, 1077.
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und/oder privatrechtliche Benutzungsverhältnisse geben.46 Auch soweit durch Gesetz oder Satzung ein Anschluß- und Benutzungszwang eingeführt ist, kann das Benutzungsverhältnis ein solches des Privatrechts sein.47 aa) Einstufige oder zweistufige Rechtsverhältnisse Betreibt die Gemeinde die „öffentliche Einrichtung" ohne Zwischenschaltung einer selbständigen Rechtsperson, sei es unmittelbar durch ihre allgemeine Verwaltung, sei es durch eine verselbständigte Organisationseinheit (nichtrechtsfähige Anstalt, Regie- oder Eigenbetrieb), so ist die Annahme eines einstufigen, einheitlich öffentlich-rechtlichen Rechtsverhältnisses in bezug auf die Benutzung nur eine mögliche Gestaltungsform. Werden trotz öffentlich-rechtlicher Zulassungsberechtigungen privatrechtliche Benutzungsverträge geschlossen, ist das Rechtsverhältnis zweistufig: Dem Abschluß eines privatrechtlichen Vertrages ist die ausdrückliche oder - wie meist - konkludent erklärte Zulassung durch Verwaltungsakt vorgeschaltet. Der Streit um die Zulassungsberechtigung eines Gemeindeeinwohners ist eine öffentlich-rechtliche Streitigkeit iS des § 40 I VwGO, auch dann, wenn das in Vollziehung der öffentlichrechtlichen Zulassungsentscheidung entstehende Rechtsverhältnis dem Privatrecht angehört.4